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Full text of "Neurologisches Centralblatt 17.1898 Harvard"

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NEUK0L0GISCHE8 

CENTRALBLATT 


ÜBERSICHT 

DEB 

LEISTITNGEN AUF DEM GEBIETE DEB ANATOMIE, 
PHYSIOLOGIE, PATHOLOGIE UND THEBAPIE DES NEEVEN- 
SYSTEMS EINSCHLIESSLICH DEB GEISTESKBANKHEITEN, 

HERAUSOEOEBEN 

TON 

Db. E. MENDEL, 

PROmSOB AN DSB UNITEBBITÄT BERLIN, 


SLBBZEHNTER JAHRGANG. 

MIX ZAHLREICHEN ABBILDUNGEN IM TEXT. 



Leipzig, 

VERLAG VON VEIT & COMP. 
1898. 


Dig g/od oy Google 


Dnek von Uetffer A Wittig Id Ltfpdfi 


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1- :;St der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie 
Therapie des Nervensystems einschliesslich der Geisteskrankheiten. 


im 

Sirtoekiler 


Heraiugegeben tod 

Professor Dr, E. Mendel 

ZQ Bertio. 


Jahrgaug. 


encheineo zwei Nummern. Preis des Jahrganges 24 Hark. Zu beziehen durob 
r^chluuidlangeB des In* und Aaslandes, die Fostanstalten des Deutschen lleichr. 
sowie direct ron der Verlagsbachhandlnng. 


m. 


1. Januar. 


Nr. 1. 


Leitizlg» 

Verlag von Veit & C o in |. 

_ 1898. _ 

_ ANKÜNDIGUNGEN. 

Bekanntmachung. 

Die Stelle des I. Assistenzarztes (Oberarztes) an der yon mir ge- 
arteten Klinik ist znm 1. April n. J. anderweitig zu l>e8etzen. Promovirte 
Aerzte, die gründliche Kenntnisse in der Psychiatrie besitzen, in der Neuro¬ 
pathologie nicht ganz unbewandert sind, sich entweder bereits habilitiit, oder 
dodj für die akademische Laufbahn vorbereitet haben und die sich um diese 
Stelle zn bewerben beabsichtigen, w'ollen ihre Meldungen unter Beischluss 
ihiw Papiere recht bald bei mir einreichen. 

Halle a. S., 18. Decbr. 1897. Prof- Hitzig, 

Ditccior der Psyebutr. u, Nerveniclinik. 


Amtliche Bekanntmachung. 

Die pensionsbereebtigte Stelle des Directors der hiesigen Irrenanstalt 
iSt Jüi^enasyl). deren Verlegung aufs Land demnächst erfolgen wird, ist 
ZU besetzen. Das jährliche Gehalt beträgt 8000 M., steigend nach je 
5 Jahren um 800 M. bis zum Hdchstbetrage von 10400 M., neben freier 
Wohnnng. Der Dienstantritt soll spätestens am 1. Juli, womttglicb jedoch 
• hon fr^er staitßnden. 

Schriftliche Bewerbungen sind bis zum 1. Februar k. J. bei der Re- 
^emngskanzlei, Stadthauszimmer 21, einzureichen. 


Bremen, den 23. December 1897. Die Regierangskanzlei. 



Neurol.-psych. geb. Arzt, 34 J., ev., mit s. guten Zeugn. (auch Physic.) 
EmpC, l&ngj. Anstaltserf.. noch als Vertr. d. dir. Arztes in Stell., wünscht 
Leiter od. Theilh. a. e. Privatanstalt f. Nerven- od. Geisteskr. z. w. Adresse 
nennt Rudolf Mosse. Köln. 

-r-ag- 

^ Neurologische Centralblatt 

niooatlich xwctniai and «teilt »ich dio Aufgabe, neben kurten Origiual-Mitüioi- 
etaen Oberblick Uber die getaminte euuchlügige Litteratur dea In- und AuHlandcs, 
nexirologischen Jabreaberioht zu liefern. Wieweit der Redaktion die!>ea Ziel zxi 
«wwirklK'hfn gelungen üt, dafür legen die sechzehn abg^chlossen yorliegondon Jahrgänge 
ZngxiiAa ab. t’nterttUtzt von den bewahrten ständigen Mitarbeitern, von denen wir bervor- 
kekea: Dr. t. Adler (Berlmh Dr. Alzheimer (Frankfurt a. M.), Dr. AsCh (Frankfurt a. M.), Docent 
I Itr. Aeehaffeeburg (Heidelberg), Pmf. y. Bechlerew Petjer 8 l^^>,y|lk,,^^r (Leipzig). Dr. Beyer 

s.._ O' 


















AnkündijruDg des Neurologischen Centralhlattes. 

(Forfsetsmig von S. 1.) ^ 

(Hoidolberg). Dr. BieUchowsky (BrcslAti), Dr. Bielschowsky (Horlin), Prof. Blnswanger. Dr. Bloch ■ 
(Berlin), Dr. Boedeker (Hcnbertro b. Berlin), Dr. Bresler (Froiburg i.Schl.), Dr, Bruns (UHnnovor), 
l‘r. P. Cohn, Dr. T. Cohn (Berlin), Dr. Cohnstein (Cliarlottonburg), Dr. 0. Oornblüth, Prof. Erb, 
Prof. Eulenburg, Dr. Flafau (Berlin), Prof. Paul Flechsig, Docent Dr. v. Frankl-Hochwart (Wien), 
Dt. Frenkel (Heiden), DocentDr. Freud (Wien), Dr. Freund (Breslau), Dr. Friedländer (WioKhadon), 
Dr.Friedmann(Mnunbeini), Dr.6iese(St. Petersburg), Dr. Goldbaum (Warschau), Dr. Grube (Neuen* 
a)u), Dr. Hatschek (Wien), Qeh. Medlzinalratb Prof. Hitzig, Docent Dr. Hoche (Strassburg i. K.), 
Dr.iacobsohn (Berlin), Prof,Dr.Jendräs8ik(Budapest), Dr. IlbergfSonnenstein), Dr.Kaes(Hamburg), 
Dr. Kalischer (Berlin), Dr. Kaplan (Herzberge), Prof. Kraepelm (Heidelberg), Dr. Krauss (Buffalo), 
Dt. Kronthal (Berlin), Dr. Kuh (Chicago), Dr. Laquer (Frankfurt a. M.), Banitäterath Dr. L. Leh* 
mann (Oeynhausen), SanitKtarath Dr. Leppmann (Berlin), Dr. Lewald (Kowanowko), Dr. Liepmann 
(Bj-eslaii), Dr. Lilienfeld (Gr. Lichterfolde), Dr. Meyer (Chicago), Prof. Dr. Moeli (Herzberge 
h. Berlin), Prof. Dr. v. Monakow (Zürich), Dr. Näcke (nubertu.sburg), Dr. Nonne (Hambui^), 
Dr. Passow (Strassburg), Dr. Pfeiffer (Cassel), Prof. A. Pick, Docent Dr. Redlich (Wien), Prof. 

E. Remak (Berlin), Dr. Richter (Hamm), Docent Dr. P. Rosenbach (St. Petersburg), Prof. Dr. 
Roth (Moskau), Dr. Rothmann (Berlin), Prof. Th. Rumpf (Hamburg), Dr. Sachs (BresUii), Prof. 
Sachs (New York), Dr. Saenger (Hamburg), Dr. Samuel (Stettin), Docent Dr. Schaffer (Budapest), 
Docent Dr. Schlesinger (Wien), Dr. Schneyer (Bukarest). Prof. F. Schultze (Bonn), Prof. Dr. 

R. Schulz (Braunschweig), Mcdizinalrath Dircctor Dr. F. Siemens (Lauonburg), Dr. Smidt 
(Krcuzlingen), Director Dr. Sommer (Allenberg), Dr. Sorgo (Wien), Dr. Stieglitz (New York), , 
Prof. V. Strttmpell (Erlangen), Dr. Valentin (Berlin), Dr. de Watteville (London), Dr. Weit 
(Stuttgart), Director Dr. Zander (Rybnik), Prof. Dr. Ziehen (Jena) — winl da« „Neurolo- 
gisohe Centralblatt** auch femerixtn den gleichen Weg wandeln, den die «teta wachaendo 
Abt)imentenzahl im In« und Auslande als deu richtigen anerkeniTen lässt, 

Bestellungen auf das „Neurologische Centralblatt** nehmen alle Buchhand¬ 
lungen des ln- und Auslandes, sowie die Postanstalten des Deutschen Reiches entgegen. Der , 
Preis ftlr den Jahrgang von 24 Nummern beträgt 24 Jf, direct von der Verlagsbuchhandlung i 
unter Kreuzband bezogen derselbe Preis. J 

Ankündigungen oQener SMlen, sowie überhaupt von allen da« AnsfaltsveteJi be-Jj 
treffenden Adgolegenheiten, von Bädern, Kurorten, litierariseken Ertcheinungen, neuen' 
Ineii'umrnten u. s. w. finden durch das Neurologische Centralblatt die zwcckentsprechendet|^ 
Verbreitung. Der Preis der durchlaufenden Petitzeile beträgt 50 

Leipzig. Die Verlagsbachhandiimg: Veit & Comp. 


Farbenfabriken vom. Friedr. Bayer k Co,, Elberfeld. 



Trloiiäl Sonidfosß 


Sicheres 

Hypnoticum. 


Dosik: l.O—l.tO gr. (bei älania gr.) 

{Ickhieitlc mit einer Tau« «armer Kluuigkeit 
erreiche. 


Hervorragendes 

Kräftigungsmittel 

fir Oeberode Kranke, Stbwäcblicbe, 
Re(onvaltsc«Dtea; 

wirkt in hohem Maasse appetiterregend. 

Spcc. Indication Chlorosia. 

DosU: für Kinder Vt_S gr. laclicb. 

für Erwachtene 6—IS sr. lacHch. 










FEB 26 1888 



Ue^isrs^ der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie 
und Therapie des Nerven^tems einschliesslich'der Geisteskrankheiten. 

Heransgegebeo von 

Professor Dr. E. Mendel 

Swta«i>ter ” Jahrgang. 

XsMbch eitcheiDen awei Nammern. Preis des Jahrganges 24 Mark. Zn beziehen durch 
iSefo^handlungen des Io» und Auslandes, die Postanstalten des Deutschen Beichs, sowie 
. direct von der Terlagsbuchhandlung. 

189S. 1. Januar. Nr. 1. 

t. O^inalmitlheilungen. V. Das Verhalten der SpinalgaDglieuzellen bei Tabes auf Grund 
Sissfs Färbung, von Uoc. Dr. Karl Schaffer. 2. üeber ZwangsTorstellungen, von E. Mendel. 

IL Referat«. Anatomie. 1. Dntersnohungen über den histologischen Bau der Ciliar* 
KTteo, TOD Hahn. — Experimentelle Physiologie. 2. On the regencration of pre* 
ft^ieeic and of post-ganglionic visceral nerve fibres, by Langley. 3. Zur P^siologie 
eer Haniblase. von Schlesinger. — Pathologische Anatomie. 4. Ein Fall von 
ncuBgealef Perlgesobwnlst, von Nehrkorn. 5. Du craue chez les alienäs, par Rey. 6. The 
(A ...Vscendiog degeneration“ ou tbe nerve cells of the ganglia ou tbe posterior 
MTve roots. and the smterior coruua of tbe cord, by Fleming. — Patho*logie des 
.^rrreneystems. 7. Ueber Fehlen der Papillarreaction bei vorbandeuer Li<rhtempfia- 

TOD Brixa. 8. Tbe patholo^ of tabes dorsalis. A critical digest, by SpMler. 

>■ Kote sur le retour de la eeoBibilitä testiculaire dans le tabes, par Büot et Sabrazil. 

10. beitr^ zui AetioI<^e und Symptomatologie der Tabes dorsalis, von Tumpowskl. 11. Ueber 
^iodisebes Erbrochen bei Tabeskranken (gastrische Krisen), von Oitankow. 12. L’asaociation 
tjvteru-tabetiQae, par Vlraa. 13. Anaestbesia of the tnink io locomotor atazia, by Patrick. 
14. Senorj disturbaoeee in locomotor ataxia, by Sonar, l.*:. Los troubles du goüt et de 
Vadorst «Imm. le tabes, par Klippel. 16. I/älongation vraie de la mo6lle dans Io tabes, uar 
le ti Tearett« et Cliipa*>lb 17. Tabes juvenile et tabes bereditaire, par Raymond. 18. Ueber 
des gegeowärügeo Stand der Behandlung der Tabes dorsalis. von Eulenburg. 19. Traitcment 
4t ratazie dans le tabes dorsalis par la räeducation des mouvements (mätbode de Frenkcl), 
par ürtchharg. 20. Zwei Fälle von Tabes dorsalis mit Sperminam*Poebl behandelt, von 
Bvtiofcy. 21. Chronische fortschreitende At^eomuskellähmung und progressive Paralyse, 

SitaMrtiag und BSdeker. 22. Note sur un cas de pachyniäningite hemorrhagique priae 
;»nr one paraljsie gdndrale, par Boiliier. 23. Ueber Pruritus als Symptom der progressiven 
P&ralrse. von Sarhd. 24. Contiibution ä l’etude du räüexe pbaryngieu etudiä cbez les mämes 
nak'ies aox trois periodes de la paralysie genärale, par de Moniyel. 25. I. Sur la päriodo 
tenniaale de la ps^yeie gdudrale et sur hi mort des paralytiqnes gänäraux, par Arnaud. 

11. PöHodea terminales et mort dans les soidisant paralysies generales progressives, par Parii. 
^1. Us cas de maladie de Friedreicb avec autopsie et ezamen histologique, par Simon. 
ft. Three cases of Friedreich'a disease all presenting marked in crease of tbe knee-jerk, by 

28. Remarks on Friedreich’s Atazia, with notes of three canes, by Bramwell. — 
Psyebiatr-ie. 29. L’assistance et le classement des alienes en Belgique, par Peeteri. 
30. Sur lee ballocinations ermboliqucs dans les psyeboses et dans les räves des soiirds* 
aaets. par Sanjuaii. 31. Ueber Zustände von Verwirrtheit und Aufregung oder Stupor im 
Beginne und Verlaufe der ebronisebeo Paranoia, von Kraule. 31. Acute manic. door van Erp 
TaMun Kip. 33. Traitement de la manie, par Magnan. — Therapie. 34. Ueber die Wirkungs* 
veise des Pjramidon bei verschiedenen Krankbeitsznständen, von Rofh. 35. Lumbalpunction, 
iipiBalpnnctioD. von Goldichelder. 

m. Aas deo Seielliehaftsn. Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrank* 
^'Atsa. Schluss.) — Verein fbr innere Medicin in Berlin. — Psychiatrischer Verein zu 
Berlin. — 28. Versammlung der eOdwestdeutschen Irrenärzte in Karlsruhe am 6. und 7. No* 

•«aber 1897. 

IV. Vermischtet. — V. Periontlien. 


1 


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2 


L Originalmittheilungen. 


[Mittheilung aus dem bistolog. Laboratorium der Nervenabtheilung des haupt- 
städt. Siechenhauses „Elisabeth“ in Budapest.] 

1. Das Verhalten der Spinalgangliefizellen bei Tabes auf 
Grund Nissl’s Färbung. 

[Vorläufige Mittheilnng.] 

VoD Doc. Dr. Karl Schaffer, Ordinarius der Abtbeilung. 

Die Frage über das Wesen der Pathogenese der Tabes erfulir, wie bekannt, 
in den letzten Jahren durch die Untersuchungen von Bbdlich^, Oberstbiner 
und Redlich ^ sowie von J. Naoeotte’ ^ne erneuerte Bearbeitung, welche die 
frühere Anschauung über eine primäre degenerative Strangerkrankung als hiu< 
fällig erscheinen lässt, und die primäre Läsion bei der Tabes in die hinteren 
Wurzeln localisirt. Insbesondere war es P. Mabib^ welcher als Erster scharf 
betonte, dass gemäss der neuesten wissenschaftlichen Auffassung primäre 
Strangsclerosen, d. h. Strangaffectionen ohne vorausgegangene Zellerkrankung 
nicht ezistiren, da eine Strangerkrankung nur auf Grund der Läsion des respec- 
tiven Centrums entstehen kann. Somit richtete sich die Aufmerksamkeit auf 
die Urspruugsstätte der hinteren Wurzeln, d. h. auf die Spiualganglien, deren 
genaueren Untersuchung sich in erster Linie Wollenbbso hernach Stboebe * 
unterzog. Die sehr gewissenhaften Untersuchungen von Wollenbebu ergaben 
die Schrumpfung und auffallende Pigmentirung der Spinalganglienzellen, sowie 
die Trübung und Verfettung deren Protoplasma. Stboebe, der seine Präparate 
nach WsiOEBT und mit van Gieson’s Hämatoxylin-Carmm färbte, fand an 
den Spinalganglienzellen Schrumpfung und Verkleinerung des Zellleibes, abnorm 
dichtes, hervorgewölbtes Protoplasma, hochgradige, als patbolc^sch anzusebende 
Pigmentirung des Protoplasma oft gerade in geschrumpften Zellen; Vacuolisirung 
und Zerklüftung des Protoplasma; am Kern eckigen, zackigen Contour, gelappte 

* Die hinteren Wurzeln des Rückenmarks und die patbol. Anatomie der Tabes dors. 
Jahrb. f. Psj'cb. 1892, sowie: Die Pathogenese der tabiseben Bfickenmarksentartang. 1897. 
G. Fischer. Jena.* 

’ Ueber Wesen und Pathologie der tabiseben Hinterstrangserkrankang. Arbeit aas 
OBBRSTBiNBa’s Laboratoriani. 1894. 

' Sur la Msion primitive du tabes. 1895. Paris. Steinbeil edit. 

* Le^ons sur les uialadies de la moelle etc. 1892. 

^ Untersuchungen über das Verhalten der Spinalganglien bei der Tabes dors. Archiv 
f. Psych. 1892. 

* Ueber Veränderungen der Spinalganglien bei Tabes dors. Centralbl. f. allg. Pathoi. 
Q. patbol. Anatomie. 1894. 


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3 


Eefsfom. abnonn starke Färbbarkeit des Kerns, zackiges Kerbkörpercben, 
Biikslieb totalen Kernscbwond und Untei^ang der ganzen Ganglienzelle. 
fma: Erwdtenmg dea Kapselraumes, Wuchening der Kapselwandzellen, welche 
jßBaam auch ausfüllen können. Das interstitielle Gewebe der Ganglien zeigt 
taie bedeutende Znnahme und Eemwucherung. Redlich (1. c.) fand vergrössert 
«dtmeade Spinalganglienzellen mit hellem Protoplasma, öfters mit Yacuolen, 
knter gesefammpfbe Zellen mit stärker ge&rbtem Protoplasma, der Kern oft 
imdeQtlich. „Einzelne Zellen sind auch ganz ausgefallen.“ * 

Ke Ton WoiinKKBSiBa und Stbobbe wie Reduch gefundenen Verände- 
erfahren eine verschiedene Beurtheilnng. Während nämlich Wollen* 
EE 16 dieselben ^iel zu gering schätzte, um sie für die primäre Läsion der Tabes 
io^iedien za können, äussert sich im Gegensatz Stboebe folgend: „Die Befunde 
iD den Ganglien^Uen dürften . . . wohl genügen, um mit P. Marie die primäre 
Eriiankung bei Tab^ in die Spinalganglienzelleu zu verlegen und die Degene* 
ntioD der Hinterstrange als eine hiervon abhängige secundäre Degeneration an- 
zü5ebeiL“ Doch beeilt sich selbst dieser Autor hinzuzusetzeu: „Gegen diese 
.Vnnahme spricht indes vorläufig der'nicht proportionale Grad der Erkrankung 
der Hinterwurzeln und der sensiblen peripheren Fasern am Ganglion.“ Redlich 
inssert äch treffend in folgender Weise: „Ein sicheres Urtheil über die Läsionen 
der Sfänalganglienzellen bei der Tabes wird sich erst dann abgeben lassen, wenn 
ausgedehnte 'Untersuchungen mit der NissL-Färbung vorliegen werden.“ 

Somit steht die Fr^e über die Rolle der Spinalganglien bei Tabes momentan 
derart, dass einerseits wohl fondirte theoretische Erwägungen uns dazu zwingen, 
m die Spinalganglien die primäre tabische Läsion zu verlegen, während ander- 
Mts die tbatsächlichen histologischen Funde an den Spinalganglienzellen absolut 
oieht als ausreichend zu bezeichnen sind. In Anbetracht dieser Sachlage musste 
ich mir die Frage vorlegen, ob denn die modernen Zellstructurfarbnngen, nament¬ 
lich Xissl’s Tinction, uns nicht eines Besseren belehren dürften, umsomehr, da 
wir in Lenhos8£k’s trefflicher Arbeit „lieber den Bau der Spinalgang- 
l.enzellen des Menschen“^ eine vorzügliche Grundlage zur Entscheidung 
der oben aufgeworfenen Frage besitzen. ^ entschloss ich mich bereits 1896, 
die tabischen Spinalganglien mit Hülfe der NissL’schen Färbung zu unter- 
j-uchen- Zur Analyse gelangten drei l’alle von Tabes, wovon ein Fall be- 
zi^lich der Intensität der Hinterstrangsaffectiqn als beginnend zu bezeichnen 
ist, während die übrigen zwei Fälle Vertreter der absoluten Tabes waren, 

h. durchgreifende Entartung sämmtlicher hinteren Wurzeln des Rückenmarks 
darhjteu 

' Da nun die Beurtheilung der etwaigen Veränderungen der Spinalganglien- 
zelleu in erster Linie von der normalen Structur abhängig ist. so sei mir in 
unr einigen Zeilen gestattet, die wichtigsten Sätze aus LenhobsBk’s klassischer 
Beschreibung vorzuführen. Ich beschränke mich hierbei einzig auf den färb- 
oaren Bestandtheil des Zellkörpers, von Lenuossek nicht ohne Grund „Tigroid“ 


* Areb. f. mtkroskop. Aoatomi«. 1897. 

1* 


Dig :i 70 d 


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4 


iDenacnt, welcher doch das eigentliche Substrat der NisSL’soben Tinctiou 
bildet. 

Ad normalen Spinalganglien constatirte auch ich, dass der Zellleib der 
Epithelkapsel eng anliegt, sowie Schollen verschiedenster Grösse enthält, welche 
„eckige, klumpige, verzerrte Figuren“ (1. c.) darboten. Die gröberen Schollen 
befinden sich in der Form eines „Eandschollenkrauzes“ hart an der Peripherie 
des Protoplasma und kommen lediglich durch die Zusammenlöthung mehrerer 
kleiner Schellen zu Stande. Im Inneren des Zellleibes fand ich zumeist feine, 
ja allerfeinste Körnchen vor. LenhossAe hebt die Ungezwungenheit der Lagerung 
der Schollen hervor, und betont, dass er sich von einer ooncentrischen Schichtung 
der Schollen beim Menschen nicht Überzelten konnte. Hiergegen sei die Be¬ 
merkung gestattet, dass ich an einzelnen, immerhin seltenen Spinalganglienzellen 
eine Andeutung der concentrischen Lagerung bestimmt auffinden konnte (s. Fig. 1). — 
Als wichtigen Fund LBNHossfiE’s möchte ich bezeichnen, dass er bezüglich der 
Grösse und Anzahl der Schollen mehrere Zellenarten unterscheidet, besonders 



Fiff. 1. Spinalgauglieozelle mit Ändeutong der coDceotriscbeu 
ScbicbtQDg des Tigroids. Initiale Tabes. (Sämmtliche Figuren 
sind mit der homogen. Immersion Vis b.SO und Ocnl. III 
Reichert gezeichnet.)’ 


aber als zwei, besonders scharf autesprochene Typen 1. die helle Zellenart 
und 2. die grobscholligen Zellen hervorhebt. Die helle Zelle besitzt einen 
fast immer vorhandenen Randschollenkranz, während derselbe* bei den grob¬ 
scholligen Zellen, deren Tigroid „zerrissene, flockige Körper“ (1. c.) darstellt, der 
Regel nach fehlt. Die grössten Zellen sollen nach LenhossAe nur selten 
grobscheckig sein, welche Behauptung ich, namentlich für meine Präparate, 
nicht als ausnahmslos zutreffend. fand. Jedoch sei hervorgehoben, dass zwischen 
der bellen und grobscbolligen Zelle so zahlreiche Uebergänge existiren, dass ein 
Schnitt aus dem Spinalganglion unter schwacher Vergrösserung ein sehr buntes 
Bild darbietet. Dieser Umstand ist aus dem Grund sehr wichtig, da er bei 
der Beurtheilung etwaiger pathologischer Verhältnisse von hoher Bedeutung ist: 
finden wir nämlich in den tabischen Spinalganglien belle Zellen mit feinster 
Kömelung, so bedeutet dieser Fund noch keineswegs Chromatolyse, d. h. einen 
Process, welcher beispielsweise au den Vorderhomzellen so äusserst leicht nach¬ 
zuweisen ist. 

Ich gehe nun zur Darstellung meiner Funde an den tabischen Spinal- 
ganglien über. 


P 1 „yGooglc 


5 


Als allgemeioes Resultat aus der eingehenden Untersuchung 
der Krasii’schen Präparate ergab eich der höchst überraschende 
TJiBstand, dass als bestimmt pathologisch anzusprechende Nerven" 
zellen an den* tabischen Spinalganglien sich kaum welche vorfanden. 

Die cbromatische Substanz, das Substrat der NissL’schen Färbung, weist 
keine nennenswerthe Alteration auf. An den Spinalganglien absoluter Tabes, 
wo die hinteren Wipeln die vollkommenste Entartung aufweisen, erscheinen 
die Nervenzelleri der Spinalganglien in ihrer normalen Form, und zwar so be¬ 
züglich der chromatischen Substanz, wie auch des Kerns. Letzterer ist an den 
normalen Präparaten ein helles Bläschen, welches, wie dies aus Lenhossäk’s 
trefflichen Illustrationen hervorgeht, von einem hellen, schollenfreien Saum um¬ 
geben ist Nur höchst selten fand ich, wie dies Fig. 2 zeigt, eine Schrumpfung 
und abnorme Form des Kerns; fast an allen durchmusterten Zellen fand sich 





ft 






V 




Fig. 2. SpiDalganglienzelle mit RandBchüliea- 
kmz; chromatische Schollen etwas blasser tin- 
gilt. Zackiger Kern. F » Pigment mit ab- 
geblassten chromatischen Körnchen besetzt 
Abeolnte Tabes. 


Fig. 3. Spinalganglienzelle; heller Typus 
mit Randschollcnicranz. Zellkörper mit 
äasserst feinen chromatischen Körnchen 
besetzt; um den Kern hemm Pigment in 
der Form von dnnklen, kugeligen Pünktchen. 

Initiale Tabes. 


an blasenformiger JCern vor. Die chromatische Substanz zeigt überall die normale 
Form und Färbbarkeit, wie dies besonders aus einem Vei^leich mit normalen 
Spinalganglien ^ schlagend hervorgeht. Freilich giebt es sehr verschiedene Bilder: 
Nervenzellen mit relativ massigen Schollen, dann solche mit kleinen Körnchen, 
welche gleiohmäasig den Zellkörper durchsetzen, schliesslich Nervenzellen mit 
allerfansten Pünktchen chromatischer Substauz, welche eben nur am Band des 
Zellkörpers zu masagen Schollen sich zusammenballen, um den bekannten Rand« 
sehoUenkranz zu bilden (s. Fig. 3). — Das Pigment zeigt sich nirgends in ab¬ 
normer Asbänfung. Yacuolen sab ich niemals. 

Bieten somit die tabischen Spinalganglien das normale Bild dar, so kann 
ich jedoch einen Eindruck nicht verschweigen, den ich bei dem Vergleich meiner 

> Herr Prof. v. LsmhossSk hatte die Güte, mir von seinen schönen Nonnalpräparaten 
aioige za übersenden, wofür ich auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dauk ans- 
ipreche. 


,-.,Googlc 



zwei Fälle von absoluter Tabes mit jenem von beginnender Tabes erhielt Ks 
£el mir nämlich auf, dass die chromatische Substanz bei letzterer sich intensiver, 
gesättigter färbt, während die Spinalganglienzellen von absoluter Tabes blasser 
tingirt erschienen; Grösse, Anordnung jedoch erlitt keine Alteration. 

Leere Kapseln, durchgewucherte Kapselzellen fand ich an meinen Präparaten 
nicht. Ueberhaupt halte ich die Feststellung von interstitieller Wucherung eben 
bei den Spinalganglien für eine höchst schwierige Aufgabe. 

Meine Funde sind somit ganz nativer Natur; die Angaben Mabihesco’s 
(welche ich aus Redlich’s MonograpMe kenne), d. h. den Untergang der chro¬ 
matischen Substanz, kann ich nicht bestätigen. Ich halte vielmehr dafür, dass 
Spinalganglienzellen mit scheinbarem Schwund der NissL’schen Körperchen dem 
hellen Typus entsprechende Exemplare sind. Bereits oben betonte ich, dass die 
ungewöhnliche Yariabilität der chromatischen Substanz uns in der Feststellung' 
etwaiger'pathologischer Veränderungen ungemein vorsichtig machen muss. 

Somit lehrt Nibsl’s Färbung, dass zweifellose Veränderungen an den tabi> 
sehen Spinalganglien fehlen. Beweist dieser Umstand sicher, dass die initiale 
Läsion der Tabes nicht in den Spinalganglien zu suchen ist? 

Die Bedeutung der chromatischen Substanz bei Beurtheilung des normalen 
wie pathologischen Zustandes der Nervenzelle ist momentan dominireud. Mögen 
uns Goldscheidbb’s und Flatau’s' neuere Untersuchungen auch vorsichtiger 
machen, die allgemeinste und capitale Thatsache bleibt doch feststehend, dass 
die Auflösung der chromatischen Substanz ein anatomischer Index der gestörten 
Zellvitalität bedeutet. Von diesem Standpunkt aus müssen wir den Mangel von 
Veränderungen der chromatischen Substanz in den Spinalganglienzellen als einen 
Beweis dafür betrachten, dass die initiale Läsion der Tabes ausserhalb der 
Spinalganglieu sich befindet. Hierfür spricht schon auch der Umstand, dass der 
periphere Neuritast des T-Axenoylinders unverändert ist; würde die Spinal- 
’ ganglienzelle der Sitz der initialen Läsion sein, so müsste nicht nur ihr centraler 
Neuritast, d. h. die hintere Wurzel, sondern auch ihr peripherer Ast, d. h. der 
periphere sensible Nerv, degeneriren, da doch die trophisebe Rolle des Spinal¬ 
ganglions wohl zweifellos ist. — Da nun einerseits aus Redligh’s eingehender 
Darstellung der Wuraelcharakter der tabischen Hinterstrangsentartung sicher- 
gestellt ist, anderseits aber so Nageotte’s, wie die OsEBSTEiNER-REDLiCH’scben 
Untersuchungen Wurzelläsionen feststellten, zweifle ich nicht mehr daran, dass 
der Ausgangspunkt der tabischen Ruckenmarkserkrankung, in Anbetracht der 
negativen Funde an den Spinalganglienzellen, in den hinteren sensiblen Wurzeln 
zu suchen ist. Ob nun Naoeotte’s Anschauung oder die Obebsteinbb- 
REDLicu’sohe Auffassung die richtige ist, darüber^ möchte ich in einem 
späteren Aufsatz mich äussem. Mit der Localisation der primären tabischen 
Ijäsion in den hinteren Wurzeln, wobei der periphere Ast der Spinalganglien¬ 
zellen intact bleibt, stimmt aufs Beste die Experimentaluntersuchuug von 


‘ Weitere Beiträge zur Pathologie der NerveDzellen. 2. Mittbeilaog. Fortschritte der 
Medicin. 1897. Nr. 15 u. 16. 


DiQ'iii’od 


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7 


Lr6A»l laat welcher die Spinalganglienzdllen bei Dorchtrennung des peri- 
päcTHj eine tiefgehende Veränderung erfahren, hing^en normal bleiben, 
hä dis Messer den centralen Ast traf. 


2. Ueber Zwangsvorstellungen.* 

Von E. Mendel. 

« 

Den Namen ^^Zwangsvorstellungen'* führte \y£8TPHAL im Jahre lb77 in 
die dratsche Psychiatrie ein. Seine Definition lautete folgendermaasseu: „Unter 
ZvaogsTorsteliungen verstehe ich solche, welche, bei übrigens intacter Intelligenz 
uod ohne durch einen Gefühls- oder affectartigen Zustand bedingt zu sein, gegen 
snd wider den Willen der betreffenden Menschen in den Vordergrund des 
Bewusstseins treten, sich nicht rerscbeuchen lassen, den normalen Ablauf der 
V(}rstellungeii hindern und durchkreuzen, welche der Befallene stets als abnorm, 
ihm fremdartige anerkennt und denen er mit seinem gesunden Bewusstsein 
gegenübersteht,“ * 

Id Frankreich werden diese Zustände mit idäes obsddantes oder obsesaions 
beschrieben. Eine klassische Beschreibung gab Mouel unter dem Namen der 
däire emotif.* 

Möbel trennte ebenso wie Westpual diese krankhaften Zustände völlig 
TOD den Psychosen. Wie weit sich seitdem der Begriff verschoben hat, mag 
tos der einfachen Thatsache hervoigehen, dass die neuen psychiatrischen Lehr¬ 
bücher von einer „Geistesstörung durch Zwangsvorstelluugen*' oder von einem 
„Zwangsirresein** sprechen, und neuerdings als „Anancasmus** diese besondere 
Form der Geisteskrankheit beschrieben wird. 

Abgesehen davon wirkte der Name „Zwangsvorstellung** wie ein Schlagwort 
in der deutschen Psychiatrie, und wie dies gewöhnlich in solchen Fällen geht, 
überall sah man Zwangsvorstellungen, und mit Hülfe des griechischen Lexikons 
und des Wortes Phobie construirte man eine Unzahl neuer Namen, und nur 
m einem Bruchtheil der constmirten Krankheitsbilder ist noch ein Zusammen¬ 
hang mit der ursprünglichen WESTPHAL’schen Definition zu erkeunen. 

Der Bericht, welchen die Herren Fitbes und Kfiais bei Gelegenheit des 
mtematioualen Congresses in Moskau über das gleiche Thema erstatteten^, und 

^ Salle alterazioDi delle cellale oervose dei gaogli Bpicali in seguitü al taglio della 
branca periferica o centrale del loro prolangamento. Bivista di patologia nervosa e men* 
tale. 18 » 6 . 

* Nach einem in der 11. VeraamulnDg mitteldeatacber Psychiater a. Neurologen am 
14. October 1S97 in'Halle gehaltenen Vortrage. 

* Berliner klin. Wochensohr. 1897. Nr. 46. 

* Da DeUre ^motif, nävrose da systdme nerveox ganglionnaire visceral. Arcb. gen. de 
Med. 1866. 

* S^iologie des obseeeions et des id^ee fixes. 1897. Bordeaux. 


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8 


welcher iu der geistreichsten Weise die grosse Fülle des Materials behandelt, 
lässt erkennen, dass auch in Frankreich nach äusserlichen Merkmalen ihrer Ent* 
stehung und ihrer Bedeutung nach sehr verschiedene Dinge unter einem Namen 
zusammengefasst werden. 

Bei dieser Sachlage erscheint es mir als eine nicht unwichtige Aufgabe, 
den Versuch zu machen, eine Verständigung darüber herbeizuführen, was mau 
unter Zwangsvorstellungen zu verstehen habe, ob die WESTPHAL’sche Definition 
auch jetzt noch aufrecht zu erhalten sei, ob das Gebiet der Zwangsvorstellungen 
zu erweitern oder zu verengern sei. 

Wie ich aus einem Bericht über die Naturforscher-Versammlung in Brauu- 
schweig ersehe, hat dort Herr Dr, Rehm‘ bereits einen Versuch gemacht, eine 
Klärung der Ansichten herbeizuführen, doch kann ich aus dem Bericht selbst 
nicht entnehmen, ob und in wieweit seine Auffassung mit der meinigen sich deckt. 

Als Zwangsvorstellungen sind bezeichnet worden: 

1. Gewisse Vorstellungen, welche unter bestimmten äusseren Verhältnissen 
mit grosser Macht auftreten und Angst hervorrufen, ja selbst zu gewissen Hand> 
lungen zwingen. Hier wurde zu nennen sein die Gewitterfurcht, die Furcht im 
Dunkeln allein zu bleiben, die Furcht über Nacht allein zu sein. Auf der 
anderen Seite sind jene Eigenthümlicbkeiten zu erwähnen, bei jeder sich zeigenden 
Zahl auf Droschken, Eisenbahnwagen u. s. w. sofort nachzurechnen, ob sich die 
Zahlen durch 3 oder 7 oder 13 kürzen lassen (Aritbmomanie) u. s. w. Derartige 
Zustände werden bei durchaus gesunden Menschen beobachtet Ich kann 
nicht auf Grund meiner eigenen Erfahrung dem beistimmen, dass sie Zeichen 
einer Degenerescenz seien. Oft lässt sich nachweisen, dass jene eben erwähnten 
An^tzustande (Keraunophobie, Nyktophobie u. s- w.) durch eine fehlerhafte Er¬ 
ziehung hervorgerufen .wurden und dass jene Jlechensucht ihre Entstehung den 
ersten Rechenkünsten in der Schule verdankt und dann zu einer gewissen 
durchaus harmlosen Angewohnheit geworden ist Ebenso lässt sich das gewohn- 
heitsmässige Hinzufugen gewisser Beschwörungsformeln (Onomatomanie) auf einen 
aus der Jugend stammenden Aberglauben zurückführen, oder auf eine kindliche 
Naivität, welche durch ein ausgesprochenes Wort einem künftigen Unglück 
Vorbeugen will. 

Eine der geistreichsten Frauen Deutschlands hatte bi8,zu ihrem Tode in dem 
Worte „unberufen“ und dem Klopfen an den Tisch jene Beschwörungsformel. 

All’ diese Augstzustände und Handlungen finden sich in der Breite der 
Gesundheit Will man sie überhaupt Zwangsvorstellungen nennen, so mag man 
sie als physiolc^ische Zwangsvorstellungen von krankhaften unterscheiden. 

2. Man hat von Zwangsvorstellungen bei Geisteskrankheiten gesprochen 
und als solche übermässig sich hervordrängende Wahnvorstellungen bezeichnet. 
Entspricht hier die Bezeichnung Zwangsvorstellung nicht derjenigen Auffassung, 
welche Möbel und Westphal von den Zwangsvorstellungen batte, so erscheint 
mir der Gebrauch jenes Wortes als Symptom einer Geisteskrankheit nur geeignet, 

* Neurolog, Centralbl, 1897. S. 969. 


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9 


Verwimmg anzoricbten. Ich holte es d^wegen für geboten, das Wort Zwangs* 
Torstelhuig als das Symptom dner Oeisteskronkheit zu vermeiden. 

3. Beamders häufig wird von Zwangsvotstellung gesprochen da, wo Hypo- 
hondrie die eigentliche Grundlage des krankhaften Zustandes ist. 

Für die Entstehung der Platzangst lässt sich fast regelmässig bei Kranken, 
he sieh za bwbachten im Stande sind, Folgendes feststellen: Auf einem freien 
Platze tritt plötzlich Schwindel oder Schwindelgefühl oder Herzklopfen oder das 
von Ohnmacht ein, der Befallene geräth in die höchste Angst, weil er 
fern von einer menschlichen Wohnung und unmittelbarer Hülfe sieht. Das 
wachste Mal, wenn er denselben oder einen anderen grossen Platz vor sich 
;idit, tritt in die Erinnemng das, was er zuletzt an jener Stelle erlebt und 
üüt dieser Erinnerung gleichzeitig die „Angst vor der Angst'*. Ist dieses erst 
'loige Hai, zuweilen nur ein einziges Mal, geschehen, so vollzieht sich in aus- 
?:^'hlifener Bahn der psychische Yoigang, ohne dass die einzelnen Coöfficienten 
deiäeiben zum Bewusstsein kommen, und die Angst scheint unvermittelt auf- 
Oitreten, es scheint ein unvermittelter Zwang zu sein, während thatsäcblich ein 
mplieiiter psychischer Vorgang sie vermittelte. 

Id einer Reihe anderer hierher gehöriger Zustände ist der psychische Weg, 
«af dem die „Zwaugsvorstellong** entsteht, die Angst vor plötzlich auftretender 
■jeisteskrankbeit oder Tobsucht. Untersucht man jene Kranken sorgfältig, welche 
'•ei dem Anblick eines Messers oder einer Scheere fürchten, das Instrument zur 
^erifitzuDg oder Tödtung ihres Kindes zu benutzen, oder welche sich fürchten 
im offenen Fenster zu stehen oder über eine Brücke zu gehen, so wird man 
2 da Regel Folgendes hören: „Ich habe Angst, dass ich plötzlich geisteskrank 
v-rrden könnte und in dem Zustande geistiger Verwirrung das Kind mit dem 
-'^reit liegenden Instrument tödten könnte oder in diesem Zustande aus dem 
Froster oder über die Brücke in den Fluss stürzen konnte.“ 

Hypsophobie, Kyctopfaobie, Klaustrophobie gehören wenigstens in einem 
ibeü der Fälle ebenfalls in diese Kategorie. 

Die mystische „Zwangsvorstellung“, welche als Koro (im südlichen Theile 
■ Q Celebes) neuerdings beschrieben wurde, verräth auf das Unzweifelhafteste 
hypochondrischen Charakter. Anfallsweise werden die Kranken von der 
^'/rsteilong gequält, dass der Penis sich in die Bauchhöhle zurückziehe und 
^ Tod herbeiführen würde. Die Obsession dentaire, die „Zwangsvorstellung“, 
^ die Zähne abbrechen, herausfallen würden, ist nichts anderes als eine 
^ypochoodriscbe Vorstellung mit zulällig sich auf die Zähne richtendem Inhalt. 
Endlich gehört ebenso wie die Zoophobie ein Theil der Fälle von Zweifelsucht 
Berührungsfurcht (nicht allle) lediglich unter die hypochondrischen Zustände, 
i h muss auf Grund meiuer eigenen Beobachtungen entschieden den Autoren 
»i'leTsprechen, welche annehmen, dass die Hypochondrie erst die Folge jener 
/•vangsvorsteUaugeu ist Primär ist die Hypochondrie, seeundär die hierzu 
Zwangsvorstellung: Dies bat mir noch immer die sorgfältige Analyse 
Fälle ergeben. 

4 . Die „Zwai^ravorstellungen“ bei der Hysterie vollziehen sich mit Vorliebe 


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10 


in der Richtung des sexuellen Lebens. Die Obsessions de Jalousie, die unaus¬ 
gesetzte Beschäftigung mit dem Sexualapparat, die ZwangSTorstellungen in Bezug 
auf den TJrindrang, auf welche Freud neuerdings besonderes Gewicht gelegt 
hat, gehören hierher. 

Die Complication mit Tympanites hysterioa giebt diesen Vorstellungen zu¬ 
weilen die besondere Richtung der Angst vor Blähungen. Complication mit 
vasomotorischen Störungen wird Veranlassung zu jenen Zwangsvorstellungen, 
welche man neuerdings als Erythrophobie beschrieben hat 

5. Die Epilepsie kann nach mehrfacher Richtung hin zu sogenannten 
„Zwangsvorstellungen“ Veranlassung geben. Es giebt Fälle, in denen zwischen 
den typischen epileptischen Anfallen Vorstellungen auftreten, welche dem ganzen 
Charakter des Individuums fremd sind, zuweilen mit Ausstossen von stereotyp 
wiederkehrenden, häufig sehr unanständigen Worten. Das schnelle Vorüber¬ 
gehen dieser Zustände charakterisirt die Zwangsvorstellung als ein epilep¬ 
tisches Aequivalent Aehnliches kann auch als Aura dem epileptischen Anfall 
vorausgehen oder sich postepileptisch demselben anschliessen, dann aber werden 
noch Zwangsvorstellungen auch intervallär bei Epileptikern beobachtet, häufig 
hypochondrischen Charakters. Sie können in solchem Falle, besonders bei nächt¬ 
licher Epilepsie, selbst diese Krankheit verdecken, wie ja mancher Hypochonder 
ein verkappter Epileptiker ist. 

6 . Nicht aus einer der hier erwähnten Krankheiten des Nen’ensystems 
herzuleiten sind dagegen jene Zwangsvorstellungen, welche sich psychologisch 
im Wesentlichen dadurch charakterisiren, dass entweder der Associationsvor^ng 
von Ursache und Wirkung oder der des Contrastes die Herrschaft im Denk- 
vorgange übernimmt In ersterer Beziehung sind zu erwähnen die Fälle von 
Grübelsucht und Fragesucht, welche mit einfachen Problemen beginnen, zu der 
tollsten Ausschreitungen führen. Warum hat Gott die Menschen erschaffen r 
Woraus ist Gott, woraiM der Teufel geschaffen? Warum gehen die Menscber 
nicht auf dem Kopfe? Warum ist der Himmel blau, nicht gelb? Wie seher 
wohl die nackten Fösse des Mannes aus, der bei mir ein tritt? Ob sie woh; 
gewaschen sind? u. s. w. 

Die Contrastassociation erzeugt die Vorstellung, das Gegentheil von den 
gethan zu haben, was man wollte, statt ja nein geschrieben, unter den Wechse 
eine falsche Unterschrift gesetzt, auf einem weggeworfenen Zettel eine Majestäts 
beleidigung niedergeschrieben, die Medicin vor dem Bette des Kranken vertausch 
zu haben u. s. w. 

Dieser knappe Ueberblick über all’ das, was man unter dem Namei 
„Zwangsvorstellung“ zusammengefasst hat, zeigt, dass die Diagnose, welche mai 
so häufig liest: „Zwangsvorstellung“ keine Dij^ose ist, und dass es Aufgah 
des Arztes sein muss, in jedem Falle die Zwangsvorstellung auf jene Kraukhei 
zurückzufuhren, auf deren Boden und aus der heraus sie entstanden ist. E; 
ist dies nicht bloss eine theoretische, wissenschaftliche Forderung, sondern voi 
der richtigen Classification der Zwangsvorstellung hängt sehr häufig die Prognos 
und die Therapie ab. 


'ig :i70d: 


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Üs «irkliche ZwangSTorstellang im Sinne Westpbal’s, d. h. auf welche 
UD We^ntlicben die von ihm gegebene Definition passt, würde ich nur die 
mter 6. aofgeführte Art betrachten. Hier ist thatsachlich in den reinen Fällen 
üd«s auderes Krankhaftes nachzuweisen, als dass wider den Willen des Indivi- 
iooms sieb ein Vordrängen der Associirung der Vorstellungen nach einem oder 
m PrincipieD vollzieht, welche beim normalen Menschen nur neben den anderen 
i«üm^piincipjen einhergehen, zum grossen Theil wie das der Contrastvor- 
«langen im normalen geistigen Leben nur eine unteigeordnete ^lle spielen. 

dem Vordrängen dieser Principien tritt gleichzeitig ein Zurückdrängen der 
a'ieH]eiQ. Mob8elu^ hat diese.Zustände als Paranoia rudimentaria bezeichnet, 
isd kh glaube, dass dieser Ausdruck ein nicht unglücklich gewählter ist. Bei 
ikr entvickelten Paranoia bildet ja auch den Ausgangspunkt der Krankheit die 
bankbafte Association. Die Ellemente, die assocürt werden, können dabei sehr 
T'<bl reale Wahrheit haben, die Wahnvorstellung kommt zu Staude, indem 
Lm^Dte assocürt werden, welche nach den physiologischeir Ässociationsgesetzen 
r’.ht assocürt werden dürfen. 

Aoch insofern erscheint jener Ausdruck werth, acceptirt zu werden, als in 
H Thal in manchen Fällen, wenn auch nicht allzu häufig, im weiteren Verlauf 
^PanuKüa rudimentaria sich eine unzweifelhafte Paranoia entwickelt. Wenn 
jener Ausdruck in der Psychiatrie einbürgeru würde, dann bliebe allerdings 
Tjr eine Krankheit, welche man Zwangsvorstellungskrankheit nennen könnte, 
uchls mehr übrig, da für die anderen FäUe höchstens eine Bezeichnung wie 
HTpijcbondrie, Hysterie, Epilepsie mit Zwangsvorstellungen zulässig wäre. 

Mit Rücksicht auf die Verwürrung, welche der Ausdruck „Zwangsvorstellung“ 
bfTTu^rufen hat, welche im Uebrigen sich schon in der dem Vortrage West- 
folgenden Discussion zeigte, würde ich jedenfalls einen sehr eingeschränkten 
‘jtbrauch jenes Wortes für die Zukunft für sehr rathsam erachten. 


11. Referate. 


Anatomie. 

i) üotenuchuiigen über den Mstologisohen Bau der Ciliarnerven. 1. Extra- 
»fulärer Theil, von Cand. med. W. Haho. (Wiener klin. Wochenschr. 1897. 
Sr. 31.) 

Teif. aDtersochte 20 Orbitae; rO vom Menschen nnd 10 vom Hunde. Methode: 
Fisrong des Opticus sammt den ihn umgebenden Adnexen 24 Stunden in ^2 ^/o 
«lUM&ore, ebe^lange Aq. destill., Färbung mit Pikrocarmin, Härtung in Alkohol, 
bnfgMiDbettnng. Die Oiliamerven bestehen nach Verf. aus lauter markbaltigen 
Fiieni von verschiedenem Caliber, 20—10—2^2 —^ kleinsten besitzen einen 

' Manuale di seuiiotica delle malatie mental!. Vol. 1. 1885. 


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12 


äusserst feinen MarVmantel, sind zwischen den gröberen Fasern zerstrent. In den 
dickeren N. ciliares breves fanden sich an der Peripherie des Nerven Bündel solcher 
feinster Fasern, während in den dünneren Nerven solche Bündel fehlten. An den 
N. ciliares longi worden diese Bündel ebenfalls vermisst. Im CJebrigen bilden diese 
feinen Fasern einen constanten Befund an den Ciliarnerven und Oberwiegen in den 
dünneren Nerven die stärkeren Fasern. Ob diese Fasern sympathischer Natnr sind, 
lässt sich noch nicht entscheiden. Znpfpräparate erwiesen, dass sie nirgends die 
Merkmale trugen, welche Mayer als cWakteristisch für de- oder regenerirende 
Fasern nachgewiesen hatte. 

Die Dicke eines Ciliamerven betrug mm. J. Sorgo (Wien). 


Experimentelle Physiologie. 

2) On tbe regeneration of pre-ganglionic and of post-ganglionio visceral 
nerve fibres, by J. N. Langley. (Journal of Fhysiology. Bd. XXII. S. 215.) 

Der Ausgangspunkt für die Dntersuchungen des Verf. war-die von ihm beobach¬ 
tete Thatsache, dass nach der Durchschneidung des Halssympathicus zwischen dem 
unteren und oberen Ganglion eine vollkommene Regeneration des Nerven eintritt, so 
dass nach einigen Wochen oder Monaten die elektrische Reiznug der 7, mit dem 
Halssympathicns anastomosirenden, spinalen Brustnerven wieder die für jeden charak¬ 
teristischen Einzelsymptome hervorrnft. 

Diesen zunächst ganz zufällig gemachten Befund erhob Verf. in einer Reihe 
diesbezüglicher Versuche mit völliger Coustanz: schon kurze Zeit nach der Operation 
war eine so vollkommene Regeneratien des Nerven eingetreten, dass die Reizung der 
obersten drei Brustnerven die charakteristische Pupillenerweiterung, die Reizung der 
obersten fünf Brnstnerven die bekannten Veränderungen in der Nickhaut und in der 
Stellung des Bulbus bervorrief u. s. f. In ganz seltenen Fällen blieb die Reaction 
von Seiten des einen oder anderen Brustnerven aus, eine Erfahrung, die sich sehr 
wohl mit der histologischen Thatsache zusammenbringen lässt, dass an der Durch- 
schneidnngsstelle fast stets eine Reihe von Nervenfasern blind endigend gefunden 
worden, Elemente, welche augenscheinlich bei dem Regenürationsprocess den richtigen 
Pfad in den centralen Nervenstrumpf nicht gefunden hatten. — Interessanter aber 
als diese Beobachtung ist die vom Verf. mit Sicherheit festgestellte Thatsache, dass 
an dem durchschnittenen und wieder regenerirten Nerven hie und da eine abnorme 
Leistung sich etablirt, in dem Sinne, dass z. B. der 1. und 2. Brustoerv, welche 
bei einem normalen Tbiere niemals eine Erection der Haare bewirken, bei einem 
operirten Thiere gelegentlich eine solche Function aufweisen. — Abgesehen von 
solchen Ausnahmen aber, muss unzweifelhaft eine gewisse Anziehnngskraft bestehen, 
welche die neu gebildete Nervenfaser wieder.auf die ihr zukommende Nervenbahn 
leitet, eine Anziehungskraft, welche sich Verf. als eine cbemotactische vorstellt. 

Histologisch ist zu bemerken, dass die neu gebildeten Nervenfasern schon früher 
ihre Function aufnehmen, bevor sie ihre Markscheiden bekommen haben. 

Ganz ähnlich wie . bei den präganglionalen Fasern liegen die Verhältnisse bei 
den postganglionalen Nervenbündeln. Auch hier besteht augenscheinlich in dei 
Mehrzahl der Fälle eine „prästabilirte Harmonie“, welche bei der Regeneration di« 
sich erneuernde Nervenfaser zu dem ihr von Rechtswegen zukommenden Endorgar 
leitet. In Ausnahmefällen aber kommen wohl auch Abweichungen von dieser Rege' 
vor und eine „pilomotorische“ Faser kann wohl einmal bei der Regeneration zi 
einer „pnpillodilatatorischen“ werden und umgekehrt. W. Cohustein (Berlin). 


Dig 


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13 


3) Zar Pbysiologto der Harnblase. Vorläufige Mittheiloog, von Dr. H. Scble- 
jitftr. (Wiener klin. Wocheoschr. 1897. Nr. 47.) 

Tsf. theilt zwei Fälle von Erkrankungen des Rflckenmarks mit nahezu isolirten 
En^cagen von Seiten der Blase mit 

1. Ffll Eine 61jäbr. Frau klagte schon durch Monate Ober Kreuzschmerzen 
tai Ttolgkeit der ^Yirbelsäale. Es entwickelt sich nach und nach Lähmung des 
snd Spbtncter veeicae, Hamträufeln, Anästhesie der Blasenschleimhaut, Ver- 
)Et das Geföhls fQr den Ffillnngszostand der Blase; dieselbe war ausdrQckbar; später 
Pirae des Spbincter ani mit Incontinentia alvi, Stuhl« und Urinabgang wurden 
gefehlt; Anästhesie der Haut um den Anus, am Perineum, am äusseren G^eni* 
ak Die Diagnose wur^e auf Compression des untersten Bttckenmarksubschnittes, 
a^nckeiDlicb durch Tumor, gestellt. Die Section ergab ein Carcinom des 1. Lenden« 
ai des 12. Brustwirbels, welches am unteren Ende des ersteren in den Wirbelcanal 
cspnag und eine Quetschung des Röckenmarks im Bereiche des 4. Sacralsegments' 
serteühhrte. Es ist dem zu Folge Qbereinstimmend mit anderen Fällen aus der 
Unsatur, das Blasencentrum in die Höhe des 4. Sacralsegments zu verlegen. 

2. Fall. Bin 50jähr. T^elöhner mit einem Neoplasma, welches die Vena cava 
ai. thromboeirt batte und der ausser der dadurch gesetzten Erscheinungen noch 
iee\e; Erscbwerong des Urinlassens, Pressen bei demselben, Sphincterenkrampf, 
I^etnisorparese, Sensibilität der Blasen- nnd Urethralschleimbaot anscheinend intact; 
^«thkl für BlasenvöUe bestand, ebenso fOr Urindrang, nie nnwülkOrlicher Urinabgang, 
teae ausdröckbare Blase, Obstipatio alvi, keine Sensibilitätsstörungen von Seite der 
9xst In der Hohe des 3. Sacralsegments fand sich ein hirsekorngrosser Knoten, der 
HU dw einen Hälfte des Rückenmarks ansgehend dieselbe vollständig destmirt hatte 
fiweicbe des 3. und 4. Sacralsegments. Es war also bei vorhandener, wenn anch 
nriangsamter Beflextbätigkeit der Blase eine halbseitige Destruction des Rückenmarks 
a dar Höbe der Beflexcentren für die Blase vorhanden. Daraus schliesst Verf. auf 
^ Vtwbudensein eines paarigen Beflexcentrams für die Blase in der Höbe des 3. 
Kd 4. Sacralsegments; eine Rückenmarkshälfte könne den Ablauf der Beöexvorgänge 
ibernebmen. Ebenso scheint jede Rückenmarkshälfte die ganze Blase mit sensiblen 
Fisera zu versorgen. Das Mastdarmcentrum verlegt Verf. mit Kocher tiefeV in das 
fiaoilnark. 3. Sorgo (Wien). 


Pathologische Anatomie. 

4) Bn Fall toh meningealer Perlgesohwolst, von Dr. Alex Nehrkoru. 

(Beiträge zur pathol. Anat. und zur allgem. Pathologie; heraasgegeben von Prof. 

Dr. Erust Ziegler. Bd. XXL) 

Bei einem 24 Jahre alten Patienten, welcher klinisch die Erscheinungen der 
I'ementia paraljtica bot, zeigte die Autopsie das Vorbandensein einer ausgedehnten 
Perlgescbwulst (Cholesteatoms), an welcher zwei deutlich von einander trennbare 
Massen zu unterscheiden waren. Die-eine war oberflächlich gelegen und der linken 
tsteralen Fläche des Pons, dem Cerebellum und der Med. obl. aufgelagert, die andere 
Etetand sieb innerhalb der Substanz der linken Grosshirohemisphäre im Unken 
ToBpcral« und Oocipitallappen nnd war mit Ausnahme einer kleinen Partie von 
Henoigstflckgrösse von Himsnbstanz amschlossen. Diese fast vollkommene Um- 
KbÜMSQDg einer derartigen GeschwnM stellt einen seltenen Befand dar. Den Aus- 
OBgspuDkt der Nenbildnng sieht der Verf. in dem derselben auliegenden pialen 
i^ebe. Histogenetisch bezeichnet er sie als ein meningeales Endotheliom in Form 
Rier Endothelperlgesebwulst. 


"Q'Iii’Od 


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14 


Die Arbeit enthält eine sehr sorgfältige Zusammenstellang and kritische Betrsch* 
tang der histogenetischen Anffassungen, welche seit Job. Hüller Ober die PerN 
geschwQlste geäussert worden sind. Max Bielscbowsky (Berlin). 


6) Du cräne oben les alienös, par Key. (Compte rendu du Congrte international 
d’anthropologie criminelle. Gen^ve 1896.) 

Verf. untersuchte 200 Schädel von Irren und zwar frisch, wobei keine einzigea 
Idioten, Epileptiker, auch nicht partiell oder total deutlich missgestaltete, mitgerechnet 
waren. Es waren 60 Fälle von „einfachem Irresein“, 90 Paralytiker und 50 Fälle 
von seniler oder apoplectiscber Demenz; alles Männer. V^glichen wurden sie mit 
Parisemormalen, aber schon trockenen Schädeln. Es zeigte sich nun, dass im Durch¬ 
schnitt die Geisteskranken einen höheren cephaUscben hnd einen relativ geringeren 
frontalen und verticotransversalen Index hatten, was eine constante Yergrösserung 
der Parietal* und eine schwache Entwickelung der' Frontalgegend anzeigt. Alles 
dies galt mehr für die einfachen Seelenstörungen, als für die anderen Kategorieen. 
Bef. muss aber hierzu bemerken, dass 1. die Zahl der Untersuchungen doch noch zu 
klein ist, um allgemein gültige Schlüsse zu ziehen, 2. die Differenzen in den Zahleu 
laut der beigebracbten Tabelle meist nicht gering erscheinen und besonders 3. die 
Individuen verschiedenen Departements entstammten, wo also sicher nicht unbedeutende 
ethnische Differenzen der Indices sich finden, z. B. Paris und Marseille; 4. bei 
Dementia senilis und apoplectica müssen eu ipso, durch das Älter bedingt, die Maasse 
und die Indices etwas anders ausfallen, als l^i den übrigen Kranken und Normalen. 
Man sieht also, wie viele Fehlerquellen hier noch vorliegen und wie ungeheuer vor* 
sichtig man in seinen Schlüssen sein muss. Näcke (Hubertusburg). 


6) The effeot of „Asoending d^eneration‘‘ oxi the nerve oellls of the 
ganglia on the posterior nerve roots, and the anterior oomna of the 
oord, by Bobert A.Fleming, M. D. (Edinburgh Medical Journal. 1897. March.) 

Verf. hat an Hunden und Meerschweinchen hintere BQckenmarkswurzeln durch¬ 
schnitten oder doppelt unterbunden und dann die Zellveränderungen in den Inter* 
vertehralganglien und den Vorderhömen studirt. Die Härtung geschah mib Sublimat, 
die Färbungen mit Toluidinblau und Eosin Er kommt zu folgenden Schlüssen: 

1. Die Zellen der Intervertebralganglien erleiden viel früher Veränderungen 
als die Vorderhomzellen, wahrscheinlich schon vom vierten Tage ab nach der Nerven* 
durchschneidung. 

2. Eine der ersten Veränderungen besteht in einer Verkleinerung des Kerns. 
Manchmal werden auch die Kemkeme kleiner und der Rem nimmt eine excentrische 
Stellung ein. 

3. Es bestehen bestimmte Veränderungen der chromatischen Substanz: Eine 
Bondgruppirung derselben um den Kern, Verminderung derselben an .Zahl und 
Grösse. Ein bestimmter Anhaltspunkt dafür, dass diese Veränderungen in der Nähe 
des Axencylinderfortsatzes beginnen, besteht nicht. 

4. Die Lymphräome am die Zellen werden grösser. 

5. Es besteht ein grosser Unterschied beim Eintreten der Veränderungen in den 
Interyertebralganglienzellen und in den mnltipolaren Zellen; Obscbon in den ersteren 
die Veränderungen früher auftreten, scheint nach ungefähr 4 Wochen der degenerative 
Process schneller in den mnltipolaren Zellen Fbrtschritte zu machen. 

6. Ein an dem durchschnittenen Nerv applicirter Beiz scheint die Veränderungen 
zu beschleunigen, besonders diejenigen in den Intervertebralganglien. 

Bef. fürchtet, dass bezüglich dieser 6 Punkte manche Leser nicht völlig in 


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daeiea Siiioe wie der Verf. überzeugt sein werden, besonders da sich die Methode 
MS VttMens Ton Zellen und des Ziehens eines Durchscbnittsmaasses aus vielen Einzel* 
MatlABgen auf ihre Zuverlässigkeit anzweifeln lässt. 

Paul Schnster (Berlin). 


Pathologie des Xervensjstems. 

T| Uaber Fehlen der Papillarresotion hei vorhandener liiobtempflndnng, 
TOD Dr. J. Brixa. (Wiener Win. Wochenschr. 1897. Nr. 36.) 

Ebm SOjährigen Manne drang am 5. Mal bei einer Rauferei die Nuss eines 
Pfnfe&rohres durch den inneren Theil des unteren Lides in die linke Orbita, den 
Balbes nach vom, unten und aussen luxirend. Erbrechen, Bewusstlosigkeit, Nasen- 
kstn. starke Odematöse Schwelluog der Lider und Conjunctiva. Ausser leichter 
Trtbsog der Ck»mea und etwas verschwommenem Aussehen der Papille waren die 
'rum Theile des linken Auges normal, tichtempöndung in 30 cm. Die linke 
PQpQl« gleich weit wie die rechte, aber auf Licht nicht reagirend, noch kann vom 
ahn Aage aus eine consensuelle Beaction am rechteu Auge ausgelöst werden. 
Tiotidem bereits am Tage nach der Extraction des Fremdkörpers Finger gezählt 
vird€4i, konnte doch noch durch einige Tage weder directe noch consensuelle Beaction 
T9Q Linken Auge ans erhalten werden (Reflextaubheit, Heddaeus), Dieses Ver- 
tthen erklärt Verf. daraus, dass durch den Exophthalmus eine Zerrung und vielleicht 
tnck Torsion des Sehnerven, möglicherweise auch durch eine Fractur der- unteren 
Orbital Wandung oder ein Hämatom eine Schädigung desselben erzeugt wurde, ein 
Sueongsödem, das sich ophthalmoskopisch in dem verwaschenen Aussehen der Papille 
iieerte. und dass dabei, aasnahmswelse die sonst widerstandsßihigereD Pupillarfasern 
särker betroffen wurden. 

13 Monate später hatte sich Atrophie der linken .Papille entwickelt; die linke 
Pti|dll« weiter als rechte, rund, nicht direct reagirend, doch ist consensuelle Beaction 
»vuhl vom linken als vom rechten Auge aus auszulöseu. Das Fehlen der directen 
&eacuon lässt sich nach Verf. durch eine Schädigung sowohl der centripetalen 
Popillarfaser, als auch der centrifugal leitenden Spbincterfasern und Ciliarnerven 
ifcerhaupt erklären. (Für letzteres sprach die herabgesetzte Empfindlichkeit der 
i.'emaa and die weitere Papille.) Dagegen ist das Vorhandensein der consensuellen 
l^tion vom Unken Auge aus verständlich, da rechte normale ceutrifogale Fasern 
^thalten sind, und ebenso auch das Vorhandensein derselben vom rechten Auge aus, 
u eben die vom rechten Änge kommenden centripetalen Fasern normal sind und 
stärkeren Beiz auf die nach dem linken Auge fQhrenden centrifugalen Fasern 
iusöben. 

Der Fall spricht für das getrennte Vorkommen von Pupillen- und Sehfasern im 
Optkus, und dafür, dass die ersteren nicht bloss mit dem Netzhautcentrum in Ver- 
a^ung stehen, und bietet das Besondere, dass die Pupillarfasern des Opticus sich 
als weniger widerstandsfähig erwiesen, als die Sehfasern. J. Sorgo (Wien). 


S) The pattaology of tabes dorsalis. A critical digest by William G. Spillen 
(1897.) 

Verf. stellt sich ganz anf den Boden der zuerst von v. Leyden, neuerdings 
Ml Dejerine, Marie und Redlich begründeten Anschauung, dass die Degeneration 
be Tabes den Degeneratiousgesetzen der hinteren Wurzeln folgt. Intact bleiben bei 
ier Tabes die ventralen Felder der Eintersträuge (Marie's Zones comu-commissn- 
nies) und das Flecbsig’sche ovale Feld im Lumbalmark. Fälle von alter Tabes, 


D g ii/od oy GoOg IC 



16 


die mit einer Degeneration der Seitenstrangbabnen einbei^ingen, bat Verf., ebenso 
wenig wie Bedlicb, selbst beobachtet und verlangt die strenge Scheidung von der 
combinirten Systemerkrankung. In neuerer Zeit sind vielfach Veränderungen der 
Spinalgauglienzellen bei der Tabes beschrieben worden; gegen diese „Qanglientheorie“ 
spricht das Intactbleiben des peripher verlaufenden Nervenzweiges. Obersteiner 
nnd Bedlich haben die Theorie anfgestellt, dass eine Schädigung der hinteren 
TVurzeln an ihrer Eintrittsstelle in das BQckenmark durch meningitische Verände¬ 
rungen bewirkt werde, mit retrograder Degeneration im extramedullären Theil der 
hinteren Wurzeln. Nageotte verwirft diese Theorie völlig nnd weist eine Peri¬ 
neuritis und Mesoneuritis der hinteren Wurzeln nach, während die resistenteren 
vorderen Wurzeln völlig oder beinahe intact bleiben. Die Tabes ist eine cerebro¬ 
spinale Affection; die Augen-, Behlkopf- und Zungenaffectionen werden grösstentheils 
auf Neuritiden zurückgef&hrt. Es ist vielfach der Beginn der Tabes in eine peri¬ 
phere Neuritis verlegt worden; der Fall von peripherer Neuro-Tabes von Ddjerine 
und Sottas ist nicht als Beweis für den peripheren Ursprung der reinen. Tabes 
anzusehen. Doch ist es sicher, dass «die periphere Degeneration Ober die Spinal-. 
ganglien hinweg auf die hinteren Wurzeln übei^eheo kann, so dass der periphere 
Ursprung der Tabes immerhin möglich ist. Die Entstehung der Tabes durch Trauma 
ist bisher nicht sicher festgestellt. M. Bothmann (Berlin). 


0) Note 8ur le retour de la aensibilite teatloulaire dans le tabea, par 
E. Bitot et J. Sabraz^s (Bordeaux). (Bevue de Mödecine. 1897. Fdvrier. 
8. 156.) 

Etwa bei 75% aller Tabiker findet man Analgesie der Testikel gegen Druck. 
Dieses von Pitres zuerst betonte Symptom ist aber kein ganz unveränderliches, wie 
etwa das Fehlen der Sehnenreflexe, die Pnpillenstarre u. a* Die Verff. haben drei 
Fälle beobachtet, bei denen das Symptom der Hodenanalgesie deutlich bestand, aber 
im weiteren Verlauf der Krankheit wieder veiischwand. Bei zwei dieser Fälle trat 
mit der Wiederkehr der normalen Sei^sibilität in den Hoden auch zugleich eine 
Besserung der vorher gestörten sexuellen Functionen ein. Strümpell. 


10) Beitrag sur Aetiologie und Symptomatologie der Tabes dorsalis, von 

Dr. A. Tumpowski. Ans der Poliklinik von Dr. 6. Goldflam in Warschau. 

(Deutsche Zeitschr. f. Nervenheük. X. 1897.) 

Zu der neuerdings wieder lebhafter gewordenen Streitfrage in Bezug auf die 
Aetiologie der Tabes liefert Verf. einen bemerkenswerten Beitrag. Er verfügt über 
ein Material von 267 Fällen und nimmt fiberstandene Syphilis als erwiesen an 1. im 
Falle der Aussage des Kranken, begründet durch die ärztliche Diagnose, 2. beim 
Vorkommen eines Ulcus mit secundärem Exanthem, 3. beim Vorhandensein eines Ulcus 
von unbestimmtem Charakter, wenn andere specifische Erscheinungen zugleich be¬ 
standen. Zweifelhaft, jedoch wahrscheinlich, ist die Annahme der Syphilis, wenn eiu 
zwar nicht sicher zu bestimmendes Ulcus aufgetreten war und zu gleicher Zeit Steri¬ 
lität, oder häufige Aborte oder das Gebären todter Kinder festgestellt wurde. Die 
Fälle mit weichem Schanker sind einer besonderen Gruppe zugetheilt. Von den 
257 Tabikern (darunter 3 Frauen) bestand sichere Lues in 38,9 wahrscheinliche 
Lues in 19,8 “/q und weicher Schanker in 5,8 ®/o* Io 34,2 ®/o der Fälle figurirt die 
Syphilis allein in der Aetiologie. Am häufigsten trat die Tabes zwischen dem 5 
bis 10. Jahre, ziemlich oft auch zwischen dem 10. nnd 20. Jahre nach der An¬ 
steckung auf. Unter den 257 Tabeskranken waren 12 Aerzte, also 4,6 der Er¬ 

krankten, während das Verhältniss der Aerzte zu der Gesammtbevölkerung vor 
Warschau nur 0,2 7o beträgt. 


Dig :i7cd 


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& aldo bei dieeem Material sicher constatirte Lues ätiologisch die grösste 
BaHe, ist der Procentsatz nicht so gross; dass sich der Verf. der Ansicht von 
Mitiu and Oppenheim anznschliessen vermag. 

Vss die Symptomatologie anbetrifft, so wurden in 225 Fällen wohl Schmerzen 
csBiaort, aber nur 112 Mal in charakteristischer Weise, indem dieselben stark oder 
jcindk, mit mehr oder weniger langen, schmerzlosen Pausen serienweise auftraten, 
*hr T<m einem zum anderen Ort überspringen und nur von knner Dauer sind, ln 
die Kniereflexe verändert und zwar fehlte ein Kniereflex in 5°/o, 
baieEeflexein 68,4 während sie in 11,2% abgeschwächt und ungleich waren. 
iMrdeo fand sich bei verändertem Fatellarreflex 6 Hai einseitiges und 97 Hai 
idppelaeitigee Fehlen des Ächillessehnenreflexes und 4 Mal Ungleichheit bezw. Ab> 
cHächnng deeeelben. in den Fällen mit normalen Patellarreflexen fehlte der 
Adilleaeehnenreflex 5 Mal beiderseits, 3 Mal einerseits und war 1 Mal ungleich, ln 
>43*/o fdüte die PopUlenreaction auf Licht ein* oder beiderseits, in 20,2 ®/o war 
beidmieita schwach, in 34,2 waren die Pupillen ungleich, in 21,7 "/g fanden 
äeh Uhmongm der Augenmuskeln, in 10,1% Optieasatrophie, in 34,2% Blasen* 
itfiDgeii und in 9,4 *’/„ gastrische, bezw. Lamyx-, Blasen* und Mastdarmkrisen. 

E. Asch (Frankfurt a./M.). 


11) Ueber periodisohee Erbrecdiezi bei Tabeakranken (gastrisohe Krisen), 

von Dr. P. Ostankow. (Oboszrenie psichiatrie etc. [Bussmch.] 1897. Nr. 7 u. 8.) 

Nach Anführung der einschlägigen Litteratnr berichtet Verf. in ausführlicher 
Weise über xw« Tabeskranke, die an gastrischen Krisen litten. In dem einen Falle 
bandelt ee sich um einen Kranken von 82 Jahren, der im Jahre 1886 einen Ulcus 
denim acquiiirt hatte und seit 1893 an gastrischen Krisen leidet, die mehrere 
Wochen, mit Rohepansen von 3—4 Tagen, andaueru. Bei dem anderen Kranken 
waren die Krisen kürzer, worden aber nicht von Ruhepausen nnterbrocben. ln 
widea Rdlen war vor B^;inn der Krisen ein Prodromalstadium zu bemerken. Einige 
vor Begiim der Krise verloren die Kranken den Schlaf, es trat Urinreiention 
ö, die Kranken wurden unruhig, der Appetit verlor sich. Während der Krisen 
ariM trat bei dem ersten Kranken jedee Mal erhöhte Polsfiwqoenz au^ bei dem 
swmtfln Kranken war Arythmie, verschiedene Stärke der einielnen Pulsscbläge, eine 
ihtmdiiiig der ersten Pulswelle u. s. w. an verzeichnen; auseerdem zeigten die 
iftanngsbewegungen verschiedene Unr^elmässigkeiten. Die oben beeehriebenen 
ftönagen in der Herzthätigkeit and in der Athmung traten bloss während der 
Krieea auf. Die gastrieoben Krisen wurden mit Darreichung von 0,06—0,15 
Cerii oxalici 3—4 Mal täglich günstig beeinflusst E. Diese (St Petersburg). 


U) Va—ootattoa hyatdro-tabdtliiae, par Vires. (Qazette des böpitaux. 1897. 

Nr. 6.) 

Aoaführiiehe Besprechung der hystero'tabetischen Symptome. Verf. behauptet 
irhtifwilirh. Hysterie und Tabes seien verschiedene Staren der Degeneration des 
(hgausmok Für die Entetehung der Hystäro-Tabes, wie aller Combinationen von 
hmeiaoiinUen nnd organischen Nervenerkranknngen sei die degenerative erbliche Be* 
astong von dominirendem Einfluss. B. Hatschek (Wien). 


13) ftnaflirthfirf fl of the trunk ln looomotor* ataxia, by Hugh T. Patrick. 
(New York Med. Jooru. 1897. Febr. 6.) 

Im Anschluss an Lähr’s Uotersucbungen über Rumpf*Anästhesie bei Tabes 
hat Verf. an 20 Tabikern ähnliche Prüfungen angestellt und das Symptom (besonders 

2 ' 


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tactile Hyperästhesie) 17 Hai mehr oder weniger aa^eprägt gefonden. Bei be* 
ginnenden oder mit Dementia paralytica complicirten Fällen ist es seltener, es findet 
sich aber auch bei ganz frischen nnd fehlt gel^entlich bei sehr Torgeschritteneo 
Fällen; ancb in 2 Fällen von Dementia paralytica bat es Verf. deutlich gesehen, 
auch beobachtete er eine Ausnahme von der Erfabmng, dass bei Fällen von Opticos- 
atropbie die Anästhesie leicht ist oder fehlt, in einem Falle. Lähr's Beobachtang, 
dass sich hin und wieder in der Nähe der anästhetischen Zone eine hyperästhetische 
findet, von wo aus lebhafte Hautreflexe anszulösen sind, bestätigen die Erfahrungen 
des Yerf.’s; dagegen fand er nicht immer — was Lähr gefunden hatte —, dass 
die obere Begrenzung der anästhetischen Zone auf beiden Eörperseiten das gleiche 
Niveau einnimmt. — Auf die Localisatiou der feinen Berührungen von Seiten der 
Patienten will Verf. keinen grossen Werth legen, weil anch Gesunde, besonders am 
Rumpf, oft nicht genau localisiren. 

Die diagnostische Bedeutung des Symptoms ist nach Verf. wahrscheinlich nicht 
gross, zumal jeder die hinteren Wurzeln in der Dorsalregion betheiligende Process 
eine solche bandartige Anästhesie hervorrufen bann. Auch bei Hysterie kommt sie 
vor, bei Syringomyelie, und sie bietet selbst kein differentialdiagnostlscbes Merkmal 
bei Fällen, die der Tabes sehr ähnlich sehen, wie ein vom Verf. io extenso mit' 
getbeilter Fall von BOckeumarkssyphilis beweist, in dem das Symptom deutlich nach- 
zuweisen war. 

Die Anästhesie folgt nicht dem Verbreitungsgebiet der Intercostalnerven, sondern 
entspricht der segmentären Anordnung in der Medulla spinalis. Ihren anatomischen 
Sitz vermuthet Verf. in den langen Fasern der Hinterstränge. 

Toby Cohn (Berlin). 


14) Sensory distnrbsnoes ln looomotor stazis, by Allen Blair Bonar. 

(Medical Record. 1897. May.) 

Verf. hat in 21 Fällen von Tabes dorsalis das Verhalten der Sensibilität unter¬ 
sucht. In 18 Fällen worden SensibUitätsstbrungen verschiedener Art theils als Früh-, 
theils als Spätsymptom gefunden. Anästhesie des Rumpfes fehlte nur in 2 Fällen. 
Am häufigsten wurde Verlust oder Herabsetzung der Druckempfindnng constatirt; in 
der B^el war diese Stdmng mit Beeinträchtigung des Temperatursinnes und Schmerz¬ 
gefühls verbunden. Das Biernacki’sche Symptom fand sich in 17 Fällen, in 2 Fällen 
nur auf einer Seite. Die anästhetischen Bezirke entsprechen mit Ausuahme der 
unteren Extremitäten den Rückenmarkssegmenten, nicht den peripheren Nerven. 

Die durch Schemen erläuterten Einzelheiten über Sitz, Ausdehnung nnd Form 
der Störungen sind im Originale nachzulesen. Bayerthal (Worms). 


16) Lee troubles da goAt et de Podorat dans le tabes, par Klippel. (Arch. 

de Nenrol. Vol. III. 1897. Nr. 16.) 

Nach den Untersuchungen des Verf.’s sind Störungen des Geruchs nnd Geschmacks 
bei der Tabes gar nicht so selten, als man im Allgemeinen annimmt, solche geringeren 
Grades sind sogar häufig. Dieselben sind ausserordentlich mannigfaltig. Man findet 
Herabsetzung bis vollständigen Verlust, perverse Empfindungen, Parästhesieen und 
Herabsetzung bis Verlust der von diesen Sinnesorganen ausgehenden Reflexe. Ferner 
finden sich Störungen der allgemeinen Sensibilität in den betreffenden Gebieten, von 
denen die nasalen Krisen hervorgehoben seien. Dieselben beginnen mit einer aura- 
artigen Parästhesie im Gesicht oder am Hals, dann stellt sich Prickeln in der Nase 
ein, den Schluss bildet dann ein Nies-Anfall. — Stets fand der Verf., wenn Geruchs* 
oder' Geschmacksstömngen irgend erheblicheren Grades Vorlagen, andere bulbäre 
Nerven betroffen; es fanden sich Symptome von Seiten des Facialis, des Trigeminus 


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cad BTpc^ossufl. Klinisch nicht unwichtig ist, dass die in Rede stehenden Störungen 
afe PrtJisjinptoine aoftreten können. 

Wts die pathologisch*anatomische Orondli^e dieser Symptome anlangt, so hat 
Tgi einen Tabiker mit intensiven Störungen im Bereiche des Geruchs und 
(»««rfstseb autopsiren können. Die mikroskopische Untersuchung ei^b Degeneration 
der Kemnfasern im N. olfactorius, glossopharyngeus ond trigeminus und degenerative 
FtrandeniDgen der zu den beiden letzten Nerven gehörigen Ganglien. 

M. Weil (Stuttgart). 


16 ) L’dlongation vrale de la moÖUe dana le tabes, par Gilles de la Tou* 

rette et Chipanli Aus der Äcadömie de mödecine; Sitzung vom 27. April 

1897. (ProgTÖs mödical. 1897. S. 278.) 

Sach längeren anatomischen und experimentellen Untersuchungen iandm die 
Terff, da» starke Beugung des Rückens eines mit ausgestreckten Annen sitzenden 
ladiridanmg mne Verlängerung des Rückenmarks um ungeföbr einen Centimeter 
herheiföhre, welch letztere besonders die Lumbalgegend beträfe. Sie construirten zu 
diaeein Zwecke einen Apparat, io dem der Kranke gewissermaassen eingeschnallt 
wurde, der aber andererseits die Athmung nnd die Blotcirculation nicht behinderte. 
Auch einen Dynamometer brachten sie an, und zeigte dieser 70 kg im Durchschnitt 
ab angewandte Kraft an. 

Nachdem sodann 10 gesunde Individuen sich dazu verstanden batten, an sich 
die Streckung vornehmen zu lasseu, unterwarfen sie 39 männliche und 8 weibliche 
aa Tabes leidende Kranke der Kur. Unter den verschiedenen Formen und Stadien 
dff Krankheit wandten sie diese Behandlung nur bei denen an, die in das zweite 
Scadium eingetreten waren und, wenn ihnen nicht irgend wie geholfen wird, sehr 
KkseQ einer progressiven Verschlechterung anheimfallen. Ausgeschlossen waren die 
IlLÜe von sehr langsamer Entwickelung, ferner die im dritten (paralytischen) 
Stadium be&ndlicben und die rapid fortschreitenden Formen. 

Die Verff. hatten bei der Hälfte ihrer Patienten gute Resultate, indem fast 
aäiumtliche Symptome der Tabes günstig beeinflosst worden. Die sensiblen Reiz* 
eraebeuungen und die blitzartigen Schmerzen traten erheblich zurück. Die Blasen* 
stj^nngeD, insbesondere die Retentio besserte sich; weniger günstig wurde die In* 
eontineaz beeinflusst 

Fast stets hatte die Kor eine günstige Einwirkung auf die Unsicherheit des 
Gangee. 10 Patienten konnten wieder allein und sicher geben. 

Auf die Aogen und Bnlbärsymptome batte die Dehnnng nur einen sehr bescbei* 
denen Einfluss. 

Die gewonnenen Resultate decken sich mit den anatomischen Verhältnissen, indem 
die Dehnung besonders das Dorsal* and Lnmbalmark nebst der Caoda equina be*’ 
trifft; kliniscb übertr^en entspricht die Besserung diesen Rückenmarksgegenden. 

Nor 10 Kranke empfanden keine Besserong, während der Rest eine geringe 
zeigte, wenn anch nicht so ausgesprochen wie die erste Gruppe. 

Die Sitzongen dauerten ungefähr 8 —12 Minuten and wurden 16 — 20 Mal 
wiederholt. 

Die Besserung zeigte sich meistens erst bei der 10. oder 16. Sitzung, wenn 
der höchste Grad von Dehnung erreicht war. 

Die Erfahrung lehrte, dass es praktisch sei, die Dehnung einen Tag um den 
ladaeo vorzonehmen, während sie t^lich in den Fällen indicirt war, in denen die 
Khmenhaften Symptome besonders aasgeprägt waren. 

Mehr wie 3, höchstens 4 Monate — also 40—50 Sitzungen — soll die Be* 
kmdhmg nicht fortgesetzt werden; hat sie nicht genützt, muss sie für Wochen unter* 
iirocheo wertfeo, während welcher eine medicamentöse Behandlung statthaben muss. 

Adolf Passow (Strassbmg i./E.). 

- 2 * 


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17) Tabes jnvönlle et tabes höröditaire, par Raymond. (Progrös m^ical. 

1897. Angust. S. 81 n. 97.) 

Zwei Krankengeschichten eines Taters, der an Tabes leidet und des Sohnes, der 
ein ihr ähnliches Erankheitsbild bietet ^terer, hereditär belastet, fing schon mit 
17 Jahren an, sich übermässigem Genosse von Absinth, Genevre und Branntwein 
hinzugeben. Ausser Röcheln nicht krank; speciell Lues geleugnet. 1883 hatte er 
einen Anfall ohne Bewusstseinsstörnng, der mit Doppelsehen begann, ungefähr eine 
viertel Stunde dauerte und eine Paralyse der linken Seite zurQckliess. Solche An» 
falle haben sich später mehrmals, auch mit Aufhebung des Bewusstseins wiederholt. 

1894 zeigte er im Alter von 55 Jahren alle Symptome einer schon seit Jahren 
bestehenden Tabes, welche auch jetzt progressiv fortschreitet 

Büt 35 Jahren heirathete er eine gesunde Frau, die 4 Kinder gebar, keine 
Aborte hatte. Während 3 Kinder völlig gesund sind, bietet ein Sohn folgendes 
Erankheitsbild:' 

Rechtzeitig und ohne Ennsthftlfe geboren,. lernte er mit 13 Monaten laufen and 
Oberstand darauf leichte Erkrankung an Masern und Focken. Stets von beschränkter 
Intelligenz, machte er mit 15 Jahren (1895), als er in Spitalbehandlung kam, den 
Eindmck eines Kindes. Er spürte damals eines Abends eine starke Schwäche in 
den Füssen, so dass er nicht laufen konnte; auch fiel ihm das Steigen einer Leiter 
schwer, was er sonst seit Monaten in einem Geschäft hatte thun können. MöhnnalB 
trat er fehl, fand die Stufen nicht nnd war gefallen. Auch die Finger worden 
schwach und steif, er konnte nicht knöpfen. 

Nach den Aufzeichnungen im Stat. praes. fanden sich: Eyphoscoliose; auffallende 
Sprache — sie war lallend und zitternd, blieb im Munde gewissermaassen hängen; 
bei angespannter Haltung des Kopfes nnd der Oberextremitäten osdllirende Bewe¬ 
gungen in diesen; bei intendirten Bewegungen bedeutende Ataxie der Anne; statisclie 
Ataxie in den Unterffidremitäten; der Gang erinnert sowohl an den Gang der 
Tabiker, als auch an den von Eleinhimkranken; kann nicht stehen, ohne mit dem 
ganzen Körper hin und herzuschwanken; Romberg’s Symptom vorhanden; Patellar- 
reflexe aufgehoben; grosse Menge Sensibilitätsstörungen, die dauernd wechsln; keine 
Sphincterenschwäche; Nystagmus, Amaurose. 

Sodann beschäftigt sich Terf. eii^ehend mit der Differentialdiagnostik, bespricht 
die bis jetzt bekannten Tabesfälle des Kindes- und Jünglingsalters, die ererbte Tabes 
nnd die Friedreich’sche Ataxie nnd kommt zu dem Schlüsse, es handle sich bei 
dem Sohne um eine Mischform, die durch die nenropathische Teranlagnng modifidrt, 
Symptome sowohl der Tabes dorsalis, als auch der Friedreich’scben Erkrankung^ 
bietet . 

Jedenfalls in Folge der genauen Beobachtung seitens des bekannten Gelehrten 
ein achtun^werther und zu neuen Untersuchungen ermunternder' Beitrag zur viel- 
umstrittenen Tabesfrage. Adolf Passow (Strassbnig i./E.). 


18) Tfeber den gegenwärtigen Stand der Behandlung der Tabes doresklla, 
von Ä. Eulenburg. Torgetr. in der Section für innere Medicin der 69. Yer- 
sammlnng deutscher Naturforscher und Aerzte in Brannschweig am 21./IX. 1897. 
(Deutsche med, Wochenschr. 1897. Nr. 44.) 

Bezüglich der Einzelheiten des gehaltvollen zosammenfassenden Tortrages vet^l. 
das Original, ferner das Referat von Löwenthal, Neurol. CentralbL 1897. Nr. 30. 

R. Pfeiffer (Cassel). 


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10) *tn,itament de l’etexie dane le tabea donalis par la r^ödueatton des 
■oafements (methode de Frenkel), psr Hirschberg. (Arch. de Nenro). 
FgLH. 1896. Nr. 9 u. 11.) 

Der Yerl berichtet über die Erfolge, die von ihm bei der Bebandlaog der 
iax» hH der Frenherschen Methode erzielt worden. Er hat dieselbe in 9 Fällen 
ar isveDdnng gebracht Zonächst erfolgt eine ansfährlicbe Beschreibnng der 
CekiBgeD; hiertlber ist im Original nachzolesen. Der Verf. lässt die Uebongen 
Tomebmen, im Anfang soUen dieselben ongeßhr 7a Stande daoem, später 
etwa 1 Stunde; dieser Zeitraom darf aber nie flberschritten werden; keinesfalls dürfen 
dir OebaDgen üebermfldong heryorrofen. Bei den Fällen, die der Verf. der Be« 
hadhmg unterzogen hat handelt es sich 3 Mal am schwere Ataxie mit gänzlicher 
rn&higkeit za gehen and zn stehen; in den übrigen 6 Fällen war die Ataxie mitt- 
iaian Grades, ln allen Fällen warde Besserung erzielt in einigen sc^ar eine sehr 
betiichtliehe. Znsammen mit der Besserang der Ataxie war aach eine Besserung 
des Gefühls zn constatiren, die aber nur sabjectiv war, indem die Patienten angaben, 
dtts sie ihre Beine besser fühlen, dass sie dieselben im Bett Dicht mehr so leicht 
reriieren ol dergl., eine objective Besserung der Sensibilität liess sich nicht fest- 
«mÜRL Die Anwendni^, der Frenkerschen Methode kann nach den Erfahrangen 
des TwL's in allen Fällen von tabischer Ataxie geschehen, doch muss der allgemeine 
Snährungszostand der Patienten ein guter sein, und es dürfen keine Complicationen 
mit anderen Krankheiten vorliegen, wie z. B. Herzfehler. Eine absolute Contra* 
indicstion erblickt der Verf. in den tabischen GelenkaffectioneD. Bei blinden Tabikern 
hat die FrenkeTsche Methode keinen Nutzen, da sie sicher zu ihrer Ausübung 
•bes intaeten Sehorgans bedarf. Psychische Stürungen, Abnahme der Intelligenz 
dürfen glmchfalls nicht vorhanden sein, wenn die Methode Erfolg haben soll. Fälle, 
wo die Tabes ganz acut sich entwickelt, sollen nicht sofort in Behandlung genommen 
werden, eondem es ist abzuwarten, bis die Krankheit einen gewissen Stillstahd er* 
reicht hat, oder das Fortschreiten ein langsameres ist 

ln Bezog auf die physiologische Grundlage der durch die Frenkel'sche Me* 
thode ermelten Besserui^en schliesst sich der Yerf. ganz den Anschauungen FreukeTs 
an. M. W e i 1 (Stuttgart). 


SO) Zw«i mie von Tabes doraalis mit Sperminom-Poehl behandelt, von 
Dr. H. Werbitzky. Aus der Elhtik von Prof. L. Popoff in St. Petersburg. 
(Deutsche med. Wochenschr. 1897. Nr. 41.) 

Das BAsumä lautet: Besserung des Allgemeinbefindens, Schwinden der Schmerzen, 
erhübte Hantoensibilität (alle Formen). Besseres Muskelgefühi, erhöhte Muskelkraft; 
Yominderusg der atactischen Ersebeinungen. Besserung der Ptosis. Nach den 
ersten Iiqectionen etwas erhöhte Scbweisssecretion. K. Pfeiffer (Cassel). 


11 ) Cbronisobe fortsohareitende Angenmnskellähmnng und progressive 
Paralyse, von Dr. E. Siemerling, Professor in Tübingen und Dri J. Bö- 
deker, Privatdocent in Berlin. (Arch. f. Fsych. u. Nervenkrankh. Bd. XXIX. 
S. 420 u. 716.) 

Die vMüegende Arbeit bildet eine Fortsetzung der im Supplementband des 
IXIL Bandes des Archivs für Psychiatrie veröffentlichten Untersuchungen über die 
chroniBchen progressiven Lähmungen der Augenmuskeln, die Siemerling unter Be* 
utaoDg der von C. Westphal hinterlassenen Arbeiten in so überaus sorgföltiger 
Weise 1891 al^eeehlossen hatte. Die Yerff. haben nun lO neue Fälle von chro* 
•iecher fortschreitender Augenmuskellähmung klinisch und anatomisch zum G^enstand 


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22 


ihrer Studien gemacht; bei 8 F&ilen handelt es sich um Paralytiker, bei 2 Fällen 
um Tabiker mit GeistesstOrnng. Eine flbersichtUebe Tabelle giebt folgenden 
Anfschluss Ober die klinischen ond anatomischen Befunde, wobei wir nnr der 8 Para*' 
lytiker gedenken wollen. 

Fall 1. Yerlanfsdauer 4 Jahre. Älter 49 Jahre. Pnpillen eng, lichtstanr, 
starr bei Conrergenz. Rechter Abducens gelähmt. Trochlearis und Obliquus inf. 
rechts intact. Parese der fibrigen rechtsseitigen Muskeln. Parese des linken Bectus 
inf. und Obliqn. sup. Sprache gestört. Eniephänomen fehlt. Beide Äbdncenskerne 
degenerirt, der rechte mehr. Rechter ÄbduceusnerT erheblich, linker geringer dege> 
nerirt. Rechter Trochleariskem ond Trochleariswurzel stark, linker Trochleariskera 
in geringem Grade, Ocnlomotorioskeme und Oculomotoriuswnrzeln beiderseits dege- 
nerirt Blutungen in den Kernen und Muskeln. Mnakeläste, besonders rechts, ent¬ 
artet Hypoglossuskeme degenerirt, Fasern und Kerne im centralen Höblengrau 
ebenfalls. Muscul. obliqn. super, besonders links stark erkrankt, Optici intact. Im 
BQckenmark Hinterstrangsdegeneration. 

Fall 2. Terlaufsdauer 2 Jahre. Alter 53 Jahre. Papillen starr, different. 
Nervi optici atrophirt. Rücksichtlich der Augenbewegungen bandelt es sich um 
fortschreitende Lähmung aller Muskeln. Beiderseits starke Ptosis. Protrusio bnl- 
borum. Sprache gestört. Patellarsehnenreftexe lebhaft. Abducenskeme, Äbducens- 
wurzeln und Abducensnerven beiderseits degenerirt, Trochleariskeme, Trochleariswurzeln 
und Trocblearisnerven ebenfalls. Oculomotoriuskeme sämmtlich degenerirt, ebenso 
die Wurzeln und Nerven. Blutungen im centralen Höblengraa. Sodann Degeneration 
der Gangl. Gasseri, der aafsteigenden Trigeminuswurzeln, des linken Hypoglossus» 
kems. Schwund der Fasern im centralen Höhlengrau. Degeneration des Peroneus. 
Degeneration aller Augenmuskeln. Degeneration der Seiteostränge im unteren DorsaL 
und Lendentheil. 

Fall 3. Terlaufsdauer 20 Jahre. Alter 46 Jahre. Pupillen weit, lichtstarr. 
Opticusatrophie. Fortschreitende Lähmung aller Augenmuskeln. Starke Ptosis. 
Nystagmus. Sprachstörung. Patellarsehnenreflexe fehlen. Abducens* und Troch* 
leariskem, «Wurzeln und 'Nerven degenerirt Oculomotoriuskeme beiderseits sehr 
stark entartet. Degeneration der aafsteigenden Trigeminuswurzel und der spinalen 
Glossopharyngeuswurzel. Blutungen in hinterer Commissur. Alle Augenmuskeln 
degenerirt. Degeneration der Hinter- und Seitenstränge des Rückenmarks. 

Fall 4. Verlaufsdauer unbekannt Alter 69 Jahre. Pupillen different starr 
bei Lichteinfall und bei Convergenz. Papillen besonders temporal abgeblasst Augen- 
bewegungen nach allen Richtungen gelähmt Mittlere Ptosis. Sprache gestört. 
Kniephäoomen fehlt Abducens-, Trochlearis- und Oculomotoriuskeme, -Wurzeln und 
-Nerven beiderseits degenerirt. Degeneration des linken Hypoglossuskems, der rechten 
spinalen Glossopharyngeuswurzel, der aufsteigenden Tr^eminuswurzel, des N. peroneus. 
Alle Augenmuskeln entartet Im Rückenmark Degeneration der Hinterstränge. 

Fall 5. Terlaufsdauer 11 Jahre. Alter 29 Jahre. Pupillen different, licht- 
starr, convergenzstarr. Atrophie der N. optici. Rücksichtlich der Augenbewegungen 
wurden constatirt geringere Parese des rechten, stärkere des linken Abducens, ge¬ 
ringe linksseitige, starke rechtsseitige Ptosis, Parese des linken, Paralyse des rechten 
Ocnlomotorius und Intentionsnystagmns. Sprachstörung. Gesteigertes Kniephänomen. 
Degeneration beider Abducenskeme, beider Trochleariskeme and Trochleariswurzeln, 
beider Oculomotoriuskeme, namentlich des rechten; aach die Oculomotoriuswurzel war 
rechts dünner als links. Fasern und Kern im centralen Höblengraa degenerirt. 
Alle Angenmuskeln entartet Degeneration der Hinterstränge im oberen Theil und 
der Seitenstränge. 

Fall 6. Terlaufsdauer 8 Jahre. Alter 37 Jahre. Pupillen different, licbtstarr. 
Normaler ophthalmoskopischer Befund. Links Ptosis. Doppelseitige Abducenslähmang. 
Sprachstörang. Fehlendes Eniephänomen. Abducenskeme, Abdncenswurzeln und 


Dip'l'/od Oy 


Google 



23 


iUBcsuDerreo degeserirt. Degeneration beider Ocnlomotorinakeme, namentlich des 
hakn Icrns nnd der linken Wnrzel. Blntungen im centralen Höhlengran. D^e* 
■otipa d^ OcalomotohttBmuskeln. RQckenmarksbefund nicht aufgeklärt. 

Fall 7. Yerlanfsdaner nnbekannt. Alter 48 Jahre. Papillen starr bei Licht* 
äa&l] and bei Convei^nz, different. Rechts Lähmung aller Oculomotoriasmaskeln, 
m Bevegliehkeit nach oben etwas erhalten. Beiderseits Ptosis. Sprache nicht 
dKtlkb gestört. Kniepbänomen fehlt. Ocnlomotorinskeme beiderseits degenerirt, 
■traaednlläre Wurzeln rechte atrophisch. Kern im centralen Höhlengrau entartet, 
FasBiMtx daselbst dOrftig. Degeneration der Hypoglossnskeme und Hypoglossns* 
vtn^ Degeneration der Hinterstränge des Rückenmarks. 

Fall 8. Yerlan&dauer 7 Jahre. Alter 51 Jahre. Papillen different, beider* 
■fts üebtrtarr. Parese sämmtlicher Ocnlomotoriasäste Unks. Ptosis links. Links 
lieber Abdneensparese, rechts unsicher. Nystagmus. Sprachstörung. Patellarsehnen* 
ndeze fehlen. Beide Abdneenskeme degenerirt, links starker. Beide Ocnlomotorius- 
bne degenerirt, links stärker. Linksseitige Oculomotoriuswnrzeln stark atrophirt. 
fiktartong der Facialis-, Hypoglo^us* and motorischen Trigeminnskerne, der dorsalen 
Tagoskeme, ihrer intramedoUären Fasern nnd der Glossopharyngeoswarzeln. 

Abgeeehen Ton transitorischen Angenmuskellähmongen im Iniiialstadium der 
Paralyse, abgesehen von den nicht zu seltenen Lähmungen, wie sie sich durch 
Torhbü^ehendes Doppelsehen knndgeben, sind Augenmuskellähmungen bei Paralytikern 
keine häufigen Erankheitserscheinnngen. Namentlich müssen nach den Untersuchungen 
der Yeiff. das Vorkommen einer anhaltenden Einzellähmnng and die Entwicklung 
der Ophthalmoplegia totalis als Seltenheiten angesehen werden. 

Die Yerffl würdigen die über fortschreitende Aagenmnskellähmong vorhandene 
Litteratur in der vorliegenden Arbeit, namentlich die nach 1891 erschienenen ein* 
Khlägigen Yeröffentlichongen einer ansführlicben Besprechung und verfehlen nicht, 
MS ihren Präparaten und den Forschungen anderer Autoren Nutzen zu ziehen für 
die anatomische und physiologische Erkenntniss des Augenmuskelapparats, namentlich 
der Zellencomplexe des Ocnlomotorins. 

Id allen nntersnehten Fällen war das motorische Neuron (Kern-Nerv-Muskel) 
in seiner Gesammtheit eighffen. Der Ansganspunkt der Erkrankung — es kommt cur 
die ^ironische Ophthalmoplegie in Frage — ist in den Kernen zu suchen, wo als 
constuter Befund die Degeneration der Ganglienzellen nnd der Schwund des Faser* 
aetses hervortraten. Wirkliche Erkrankung der Gefösse fand sich in den meisten 
FiQMi nicht. Weder Hyperämieen, weder Blntungen, noch Ependymverdickungen 
adelten beim Zustandekommen der primären Yeränderungen der Zellen eine Rolle. 
Pie beobachteten Blatangen traten wahrscheinlich erst kurz vor dem Tode auf. Die 
SpeDdymvm'dickangen waren nicht constant ln vielen Fällen entsprach dem ver* 
schiedeD weit fortgeschrittenem Grade des Zerfalls der Zellen eine entsprechend weit 
oder gering vorgeschrittene Fnnctionsstörnng. Einige Male resultirte aus der nach* 
wcielichett, mittleren Zelldegeneration eine Fnnctionsstörnng der zugehörigen Nerven 
Boeh nicht. Klinisch wurde mehrmals ein Schwanken der Symptome, ein Wechsel 
UB Grade der klinischen Ansfallserscheinungen bemerkt. Die Arbeit repräsentirt im 
Terein mit der citirten früheren Siemerling’schen Arbeit nicht nur einen bedeutenden 
Fortschritt in der Lehre von den chronischen Augenmuskellähmungen, sondern auch 
in der pathologischen Anatomie des Mittelhims, des Hinterhims nnd des Nachhims. 

Georg Ilberg (Sonnenstein). 


23) iTote 8ur un oas de paohymdnlnglte hdmorrhagiqae prise pour \tne 
paralyaie gdndrale, par Boissier. (Archiv, de Neurol. Toi. II. 1896. 
Nr. 8.) 

Anamnese: 42jähr. Portier, hereditär belastet; keine luetische Infection, kein 


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— . 24 


Alkoholismus; häufig Congestioueii nach den geringsten Anft^nngen und gering* 
fflgigen Diätfehlem. Beginn der Erkrankung im Jahre 1892' mit Schwindel« Ab¬ 
nahme der Intelligenz nnd Beizbarkeii Aognst 1893 heftigen Schwindelanfiail mit 
nachfolgender Schwäche der linken Seite; zwei Tage darauf apopleetaformer Anfall mit 
zweitägigem BewnsstseinsTerlust; darnach trat ein Zustand hochgradiger Erregung 
ein mit Illusionen nnd Hallucinationen. Die nach Ablauf der Erregung Ende August 
Toi^nommene genaue Untersuchung eigab: paralytische Störung der Sprache und 
Schrift, Schwäche des Gedächtnisses und des Urtheils, ungleiche, schwach auf licht 
reagirende Pupillen, rechtsseitige Parese. Es wurde in Folge dieses Befundes die 
Diagnose auf Dementia paralytica gestellt 

Am 7. Korember 1894 neuer apoplectiformer Insult; am 30. November ein dritter 
schwerer mit Coma und Temperaturerhöhung, der nach wenigen Stunden zum Exitus 
ffihrte. 

Die Autopsie ergab nun ein Hämatom der Dura mater, das sich fiber die ganze 
Convezität beider Hemisphären ansdehnte; die bei Paralyse gewöhnlichen Yerändernngeu 
fanden sich jedoch nicht Es waren keine Terwachsnngen zwischen Dura und Pia 
zu sehen, keine chrakteristischen D^enerationen, keine Ependymgrannlationen. Die 
mikroskopische Untersuchung ergab gleichfalls nicht die Verändenmgen, die man bei 
der Paralyse findet. Es fand sich jedoch eine beträchtliche Endarteriitis der pialen 
Qefässe, welchen der Verf. auch die Entstehung des Hämatoms zuschreibt Die Dia¬ 
gnose dmr Paralyse war also trotz des so charakteristischen klinischen Befundes nicht 
zntieffend gewesen. Der Yerf. kommt zu dem Schluss, dass in einem Falle von 
Pachymeningitis haemorrhagica wie der vorliegmide, wo die ganze Convezität be¬ 
troffen ist und die Hirnrinde beiderseits gleichmässig leidet es unmöglich ist, die 
Diagnose einer Pachymeningitis haemorrh^ca zu stellen; er meint aber, dass in 
Fällen von progressiver Paralyse, die rapid unter apoplectiformen Anfällen verlaufen 
und die ätiologisch (Mangel der Syphilis) und klinisch nicht ganz einwandsfrei mnd, 
differentialdiagnostisch das Hämatom der Dura mater in Erwägung zu ziehen ist. 

M. Weil (Stuttgart). 


23) Ueber Pruritus als Symptom der progressiven Paralyse, von Dr. Arthur 
Sarbö, Nervenarzt. (Budapest 1897.) 

Verf. hat universellen Pruritus ohne Veränderungen zwei Mal bei progressiver 
Paralyse beobachtet Das Leiden trat im Beginn der Oehimkrankbeit auf, besserte 
sich während der Bemission nnd verschwand mit fortschreitendem psychischen Terfall. 
Yerf. sucht den Sitz dieses Pruritus in der Hirnrinde und hält ihn für ein projicirtes 
Beizsymptom des corticalen Tastsinnfeldes. 

Auch Bet hatte Gelegenheit Pruritus bei Geisteskranken zu beobachten. Zwei 
Paralytiker rieben sich im expansiven Stadium so heftig am Kopf, dass die Haare 
ausgii^en; in dem einen Falle hörten Jucken und Kratzen im Endstadium der Krank¬ 
heit auf, nnd sofort wuchsen die Haare vrieder. Besonders starker Pruritus war in 
einem Falle von Schwachsinn nach Melancholie vorhanden; der betreffende Kranke 
zog sich irnnder und immer wieder Wunden am Kopfe, am Halse, an den Händen 
nnd Beinen durch unablässiges Beiben und Kratzen zu. Auch in diesen Fällen war 
kein Anlass, den Pruritus durch stattgehafte Yer^ftung oder durch Erkrankung 
peripherer Nerven, bez. der Haut, zu erklären. Die Angst war bei dem secundär 
Schwachsinnigen abgeblasst, leichte Klagen Über Jucken wurden geäussert. 

G. Ilberg (Sonnenstein). 

24) Contribntion ä l’ötode da rdfleze pharyngien dtudld ohea les mdmea 
malades aux trols perlodes de la paralysie gdndrale, par Marandon 
de Montyel. (Arch. de phys. norm, et path. Yol. lY. 1897. Nr. 4.) 

Yerf. hat das Verhalten des Pharynzreflezes während des Yerlanfs der Dementia 


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25 


pnijict t>is tarn Tode verfolgt Bei 72,3 fonden eich Stdrongen des Beftexes. 
Sn ig tnag ist sehr selten, am hänfigsten ist Fehlen. Meist ist die Stdrong des 
Befc» «Aon in der 1. Knnkheitspehode vorhanden. Steigerung kommt Vortags- 
VW ii den vo^erüekiien Krankheitsstadien vor. In der 2. Krankheitsperiode findet 
■n FeUen dee B^exee wesentlich seltener als in der 1. and 3.; flberhsnpt sind 
is de 3. Periode Stömngm des Reflexes seltener. Die demente Form ze^ am 
kta^stsB, die depressiTe Form am seltensten Ähweichnngen. Zn der Sprachstörung 
■cd mr Haotsensibilität bat sich keine bestimmte Beziehnng ergeben. Während der 
Baianonen bleibt die Eteflexstdrung in der Regel bestehen und soll daher beweisen, 
da« keine wirklicbe Heilung eingetreten ist. Bei alkoholistischer Äetiologie sollen 
ikvnchnogen bänfiger sein, als bei Syphilitikern. Bei ersteren scheint das Fehlen, 
kä letztaa die Steigenmg relativ iräsonders hänfig. Ref. ffircbtet, dass Yerf. an 
■ehren» Punkten die Thatsache nicht genügend in Betracht gezogen hat, dass auch 
ha ganz gesunden Individuen der Pharynxreflex fehlen kann; ferner findet man bei 
Saaäei) relativ oft Bteigerungen; endlich ist fraglich, ob Yerf. eine genaue Unter- 
ichädong des Gaumen- und Pbarynxreflexes dnrchgefflhrt bat. Th. Ziehen. 


SS) L Sur perlode termtnale de la paralysle gdnerale et sur la mort 

dea paralytlquea gdndrsux, par Ärnand. (Arch. de Neurol. Yol. III. 

1897. Kr. 18.) — II. Fdriodes terminales et mort dans les soldisuit 

panlyxiM gtedrales progressives, par Paris. (Ebenda. Yol. lY. 1897. 

Kr. 22.) 

L Auf Omnd der Beobachtung von 38 Fällen kommt Yerf. zn folgenden 
Scklüsseo: 

1. Man moas in Bezug auf die Endperioden bei der progressiven Paralyse zwei 
Cktsgorieen auseinanderhalten. Bei der einen tritt kürzere oder längere Zeit vor 
d«D Tode allmählich zunehmende Lähmung ein, so dass die Kranken sich nicht mehr 
fsribewegSD kdnnen. Bei der zweiten Gruppe, die mmdestens ebensogross ist, wie 
die erst^ kommt es zum Exitus, ohne dft<^ vorher ein derartiger Lähmungszostand 
erätriti. Diese beiden Gruppen nnterscheiden sich dadurch, dass bei der ersteren 
frühzeitig Mnakel^annungen und Contracturen auftreten, während bei der zweiten 
diese Symptome fehlen. 

2. Die oerel^en Anfälle sind die häufigste und natürlichste Todesursache 
is Paralytiker; der Tod an Marasmus und Decubitus ist viel seltener als man bisher 
sagmiommen bat. 

IL Dieser Artikel enthält eine Polemik gegen die obigen Ausführungen. Yerf. 
ist der Anticht, dass das Material von A. für die Entscheidung über die Frage der 
Eodperiode und des Todes bei der progressiven Paralyse ungenügend ist; denn einmal 
irt es so klein, und dann entstammen die Fälle A.’b einer Privatanstalt, die nur 
mfrnnlirbn Eranke ans den gut situirten Classen aufnimmi Man muss zur Ent- 
*A*idimg der Fr^e gemischtes Material verwerthen sowohl in Bezug auf das Ge- 
vdkleebt, als auch auf die sociale Provenienz der Kranken. Unter diesen Bedingungen 
vird man finden, dass die männlichen Paralytiker häufiger einem Anfall unterliegen, 
als die Frauen, dass die Paralyse in ihrem Endstadium weitaus am häufigsten zum 
Ksnsmos flLbrt, und dass die Kranken aus den wohlhabenden Classen viel häufigem 
AifiUlen an^esetzt sind, als die Paralytiker der ärmeren Classen. Der Verf. ist 
tberhsupt der Ansicht, dass man zur Zeit unter dem Kamen der progressiven Para- 
Ijss ätiologiBch ganz verschiedenartige Affectionen und Intoxicationen zosammenfasst, 
vriehe nichts gemeinsames haben als eine paralytische Phase uud dass dieselben sich 
■ thrsD Endstadien nnterscheiden, ebenso wie sie vor der paralytischen Periode in 
im Beginn und in der Entmckelnng der Symptome verschieden sind. Die Ursachen 


- Google 


26 


Dnd erste Entvickelong dieser ÄffectLonen sind zu erforscheo und den Endperiodexi 
gegenflberzostellen, dann wfirden sieb, nach der Meinung des Verf.'s, diese Unter- 
schiede aufklären. H. Weil (Stnttgart). 


26) Un oas de znaladie de Friedreloh aveo autopsie et examen hisrtologiaixe« 

par J. Simon. (Progrds mddical. 1897. 3. 145.) 

Patient ist einziges Kind, hereditär nicht belastet, hatte mit 2—3 Jahren eine 
Äugenkrankheit und klagte gleichzeitig Ober Schmerzen in den Füssen. Keine wesent¬ 
lichen Erkrankungen ausser Diarrhöen. Mit 5 Jahren 2 Monate dauernde Dysenterie; 
darnach schlechter Gang. Mit 10 Jahren Spitalbeobachtung. Diagnose wurde saf 
Friedreich’sche Krankheit gestellt. Das Wichtigste des Befundes war (J. Simon): 

Asymmetrischer Schädel, Physiognomie wenig intelligent, häufiges Lachen; Sprache 
langsam, etwas saccadirt. Kein Nystagmus, keine Skoliose, keine KlumpfOsse, keine 
Störungen im Gebiete der Sensibilität und der Sphincteren. Obere Extremitäten 
normal. Das Stehen ohne fortwährende Bewegungen des ganzen Körpers unmöglich. 
Beim Gehen beschreibt der Kranke Curven; er fällt oft beim Spielen, Fehlen der 
KniescheibenreSexe. Bomberg’s Symptom angedeutet. 

Mit 12 Jahren Charcot vorgestellt, sprach sich dieser dahin ans: 

Abgesehen des Fehlens verschiedener Symptome (Scoliose, Nystagmus, Sprach¬ 
störung), die sich Jedoch später entwickeln könnten, halte ich den Fall für eine 
Friedreich’sche Erkrankung weil 

1. es sich nicht um congenitale, noch um erworbene cerebrale Läsionen bandeln 

kann, 

2. die Erkrankung regelmässig zunimmt: Fehlen der Reflexe, 
Fehlen von Sensibilitäts* und Blasen Störungen, leichte, erst anf- 
getretene geistige Schwäche und eine geringe Aenderung der Sprache, 

3. es sich bei den fehlenden Beflexeu nicht um einen Kleinhimtnmor handeln 
könne. 

Mit 16 Jahren konnte Fat. nicht mehr gehen, mit 17 Jahren folgender Befund 
(P. Boncour): 

Pat sitzt mit genäherten Knieen und gespreizten Beinen, die inneren Knöchel 
liegen auf der Unterlage. Beine können nicht gehoben werden, jedoch noch einige 
Bewegungen machen, ebenso die Zehen. Klumpfussstellung. Starke Atrophie der 
Muskeln an den unteren Extremitäten, zumal an der Planta pedis. Keine Knie- 
sebeibensehnenreflexe. Normale Sensibilität. Transversaler Nystagmus beim Fixlren 
eines bestimmten Punktes. Hund halb geöfoet, viel Speichel. Beine Scoliose, je¬ 
doch in der Höhe des ersten Dorsalwirbels ein deutlicher Vorsprung. Keine Druck¬ 
empfindlichkeit der Wirbelsäule. Bedeutende Wärmeempfindung und Stechen in den 
Lumbalgegenden und in den Waden. Intelligenz unter mittelmässig. Sprache langsam, 
undeutlich und stotternd. Pat urinirt oft ins Bett und ist dauernd verstopft. 

(Geber die oberen Extremitäten finden sich keine Angaben. Bef.) 

Ohne Vorboten und Krankheitserscheinungen fand man Pat tot im Bette vor. 
Die Autopsie ergab völlig gesunde Organe, Hess keine Veranlassung des plötzUcheu 
Todes finden. 

Das Bückenmark und Gehirn untersuchte Philipp. Die ausführliche Beschreib 
bung kann leider en dötail nicht wiedergegeben werden; deshalb seien Ph’s Schluss¬ 
sätze angeführt: 

1. Das auffallend dünne Rückenmark ist der Sitz einer combinirteii 
Sclerose (Hinterstränge, Pyramidenstrang und Kleinhirnseitenstrang). 

2. Es fanden sich Veränderungen der Zellen der grauen Substanz, 
die noch näher beschrieben werden sollen. 

Adolf Passow (Strassburg i./E.). 


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27 


ST) Three OMae of Priedieioh’s disease all presentlng marked in orease 
ol ths knee-joTk, b; Gleorge Hodge. (Brit. med. Joorn. 1897. Jan. 5. 

8. UOö.j 

3fUl« TOD Friedreicb’scher Lähmung, speciell beschrieben, unter Beigabe 
nt ÜMofrsphMD, am eine charakteristiBche I^formität des einen oder beider FOsse 
.Tads Patienten za illnstriren. Der Fass tritt mit dem Ballen and äusseren Bande 
nf; ftm gehoben and nach aussen gedreht. — Im Übrigen sind die Unterextremi- 
ttin lieffllich normal entwickelt. In dem einen Falle besteht auch Atrophie der 
HüdBaskeln rechts, and die Hand hat Klanenform. ~ Die weitere Wiedergabe der 
Lukteitsefscbeinangen, welche dem bekannten Krankheitsbilde Friedreich’s ent- 
i^idts, unterbleibt hier. L. Lehmann I (Oeynhausen). 


^ Bonarks on Priedreioh’s Ataxia, wlth notes of three oases, by Her¬ 
bert Bramwell. (Brit. med. Joum. 1897. Oct. 2. S. 896.) 

I>ie Symptome, im Original weitläufig beschrieben, werden hier nicht weiter 
EügBtheilt — 6 Kinder von sonst gesunden Eltern. 3 davon litten an Friedreich'- 
Km Krukheit, and davon zwei kürzlich gestorben. Das älteste, eine Tochter, ganz 
Rand, Terbeirathet und hat gesunde Kinder. — Das Zweitälteste, jetzt 27 Jahre 
lii, ist njops, zart, nervOs, mit gesteigerten Kniereflexen und sonst keinen Symptomen 
m Krukheit. — Das dritte, ein Sohn, starb 24jährig. Er bot im Leben alle 
Tpaeben Erscheinongen der Friedreich’schen Ataxie. — Das vierte bekam eine 
Knnkbelt im 6. Jahre and starb 19 Jahre alt — Das fünfte, ein Sohn, bekam die 
Etukbeit im 7. Jahre; ist Jetzt 19 Jahre alt 

Die Autopsie ergab bei dem ad vier genannten Mädchen, dass das Rücken- 
■trk kleiner, als normal (im Gegensatz zu Ataxia locom. progr.), und diese 
ceagmitale Kleinheit geht auf die Hed. oblongata und Pons über. 2. Die Sclerose 
in hier ausgedehnter als bei Tabes und erfasst auch die GolTschen, Burdach’schen 
tad Clark’schen Stränge, die directen Gehimstränge und die Pyramidenkreuzung. 
In ernten Beobachtangen waren auch die hinteren Wurzeln im unteren Rückenmark 
Es werden photographische Abbildungen der verschiedenen Rückenmarkshühen 
io Osendmitt beigeffigt ans denen die Behauptungen hervotgehen. 

Es sind auch Beobachtungen vorhanden, in denen Gowers’ Strang und die 
ürscten Pyramidenstränge lädirt waren; ausserdem Verdickung der Rückenmarks- 
lirie, Meningomyelitis, besonders im unteren Tbeile des Rückenmarks. — Es besteht 
i« Priedreich'scher Ataxie also eine combinirte Sclerose gewisser Züge in den 
Hmfar- and Seitensträngen, und ausserdem in den resiculären Clark’schen Säulen 
'S der grauen Substanz und den hinteren Nervenwurzeln. Doch sind diese weiteren 
Degeoerationsaosdehnangen erst Vorkommnisse und Prodnctionen der späteren Krank- 
^(itiBtadiea. L. Lehmann I (Oeynhausen). 


Psychiatrie. 

28) L’asdsUuioe et le olaasement des alidnea en Belgique, par Dr. J. Al. 
Peeters. (Bull, de la socidtd de mddecine mentale de Belgique. 1897. Sept.) 

^ bewegliche El(^;e des Directors von Gheell Er beschwert sich darüber, 
von den Verwaltnngs- und Armenbehürden, ebenso wie von den geschlossenen 
iMaltm, ihm Kranke nach Gheel geschickt werden, welche für die Familienpflege 
passen, und behauptet, dass in den geschlossenen Irrenanstalten eine Reihe von 
die sich für Familienpflege trefflich eignen würden, zurflckgehalten werden. 
kKserdem beklagt er, dass eine grosse Reibe von Kranken direct nach Gheel kommen, 


Googli 



28 


olme durch eise geschloBseoe Anstalt hindorchgegangeo zo sein, dorthin überwies« 
durch die Ärmenbehörden, die Yerwaltungsbehörden und die Krankenhäuser. Dai 
diese Behörden von den verschiedenen Formen der Anstaltspflege, wie sie in Bel^c 
gesetzlich fesigelegt sind, nichts wissen, ist bedauerlich; als ^deutend schlimm« 
aber bezeichnet Verf., dass unter den belgischen Aerzten, die doch die bemfene 
Berather dieser Behörden sein sollten, fast gar kein Interesse fOr Geisteskranl 
besteht, was er daraus schliesst, dass im Gegensatz zu den Aerzten anderer Nationei 
die häufig nach Gheel kommen, um die dortige FamiUenpflege kennen zu lernen, ei 
belgischer Arzt sich dort sehr selten sehen lässt. Von allen nach Gheel gesandte 
Kranken mussten in den letzten 4 Jahren 1 7*^/0 als f&r Familienpflege ungeeign« 
zurflckgesandt werden. Verf. vergleicht mit seinen Besultaten die der Berline 
Familienpflege und stützt sich dabei auf das bekannte Buch von Bothe. Die Arbei 
von Falkenberg in der allgemeinen Zeitschrift für Psychiatrie, welche die Elnl 
Wickelung der Familienpflege im Anschluss an die städtische Irrenanstalt Herzberg 
schildert, 1^ ihm wohl noch nicht vor. Des näheren geht er dann auf die schottische; 
Verhältnisse ein: von 13,862 amtlich gezählten Geisteskranken sind hier 2790 ii 
Familienpflege untergebracht, und zwar sind davon nach der Statistik von Lawson 


Imbecille . . . 

• • 49,8% 

Idioten .... 

• 16.7 „ 

Demente . . . 

. 12,8 „ 

Melancholische 

2,4 „ 

Manische . . . 

. . 19.8 „ (!) 


FOr unsere Anschauung wirkt die Unterbringung mehr oder weniger acntei 
Kranker in Familienpflege befremdend, besonders da ja die schottische Familienpfleg< 
im Allgemeinen nicht über eine Centralanstalt verfügt, doch hat man dort gute Erfolg« 
davon gesehen, wie ans den jährlichen Rapporten und aus einer eben veröffentlichter 
Statistik hervorgehi Allerdings werden die für die Familienpflege bestimmten Kranker 
mit ziemlicher Sorgfalt an^esucht; hängt doch von dieser Auswahl zum grosser 
Theil das Blühen des ganzen Systems ab. Eine Reihe von Geisteskranken kommet 
hier in Familienpflege, ohne jemals durch eine Irrenanstalt gegangen zo sein, und 
zwar dann, wenn zwei Aerzte bescheinigen, dass der Kranke der Pflege in einer 
geschlossenen Anstalt nicht bedarf. Auch in den geschlossenen Anstalten werden 
die Kranken für die Familienpflege sehr sorgsam aosgewählt; unerlässlich ist natür* 
lieh für das Gedeihen der ganzen Einrichtnng, dass Kranke, welche für die Familien- 
pfl^e als ungeeignet sich erweisen, ohne weiteres und jedenfalls ohne grössere 
Formalitäten der Anstalt wieder zngeführt werden können. Verf. kommt dann aui 
die belgischen Zustände zurück und sagt: Es ist klar, dass sich unter den ruhigen 
nnd unheilbaren Geisteskranken der geschlossenen Anstalten eine grosse Zahl der 
arbeitenden Kranken befindet, die man nicht gerade gern entlässt; entlässt man sie 
trotzdem in Familienpflege, so wird man mit leichter Mühe andere Arbeiter aus der 
Reihe derjenigen Kranken finden — meint Verf. —, die bis dahin sich nicht be¬ 
schäftigt haben. Hit diesem avis auz lecteurs schliesst Verf. seinen hauptsächlich 
wohl an die Adresse der belgischen Anstaltsdirectoren gerichteten Aufsatz. 

Lewa Id (Kowanowko). 


30) Sur les halluolnations symboUques dazu les psyohoses et daas les 
rdves des sourds-maets, par Sanjnau. (Arch. de Neurol. Vol. III. 2. sör. 
1897. Nr. 15.) 

Die Hallocinationen der Sprache zerfallen 1. io sensorische (hallncinations du 
langage de röception) « Hailuoinationen der visuellen und auditiven Worterinnemngs- 
bilder, 2. in motorische (ballucinations du langi^e de transmission) = Halloci¬ 
nationen der Wortbewegungs- und der Schreibebewegungs-Vorstellungen. Die Taub- 


DiQ'iii’od 


Google 




29 


tiwtw, di« seit der itfibesteo Jugend des Gehörs und in Folge dessen auch der 
beranbt sind, werden im Falle einer psychischen Erkrankung keine Uallu- 
aHtwoen der aaditiyen Worterinnerungsbilder and keine der Wortbewegungs-Yor* 
aßBBgen darbieten können. Unter den Taubstummen sind nun, abgesehen von 
ia^ßü^en, die neben der Taubstummheit auch noch einen hochgradigen Intelligenz- 
dcM auüreiBen, so dass sie etwas höhere geistige Leistungen flberhaupt nicht 
^Urägen können, zwei Kategorieen zu unterscheiden: 1. Die „Ulettrös“; das sind 
igemgo), die keinen Unterricht gehabt haben und in Folge dessen keine andere 
besitzen, als eine etwas erweiterte Mimik einer gewissen Zahl von Gesten 
Bd coBTsotioneUen SteUungen, von denen jede eine mehr oder minder complicirte 
Twitelhmg anadrOekt Die Hallucinationen der Sprache bei dieser Gruppe können 
lass Bor optis^-minüscher und motorisch-mimischer Natur sein. Der Verf. hat einen 
a tisMr Gruppe Taubstummer gehörigen Älkoholdeliranten beobachten können. Dieser 
PiL gib einein anderen Taubstnmmen, der ihn gut verstand, an, dass er roth ge- 
UaMete Gestalten sehe, die durch Gesten ihn zu erwftrgen drohten. Die Gesten, 
neh die Gestalten bedienten, bestanden zunächst in einer Bewegung der beiden 
Hlade, die das Zudrflcken des Halses ihm andeuteten, dann in einer anderen, durch 
«c sie ihm andeateten, dass sie ihn an der Decke aufhängen würden. Diesen 
deächtäiallacmationen ist nun, wie der Yerf. ausfOhrt, verbale Bedeutung zazu- 
idnibea, zum Unterschied von den grimassirenden Gestalten der nicht taubstummen 
BaBadnanteii; die Grimaasen dieser haben keine verbale Bedeutung. Es handelt sich 
also W dem Pat. um das Auftreten von Hallucinationen der ihm zu Gebote stehenden 
seasorischea Sprache. Die Frage, ob bei dem Pat auch motorische Hallucinationen, 
& ghachfalls mimisch hätten zum Ausdruck kommen müssen, anftraten,- Uess sich 
ndd eotscheiden, da es unmöglich war, dem Kranken die hierauf bezüglichen Fragen 
votändlkh zu machen. Zur Lösung dieser Frage zog deshalb der Yerf. die Tränme 
coldMr T^bstummer herbei, die Unterricht gehabt hatten. Diese zweite Groppe 
iMhstummeg ist im Stande, geläufig Ansknnft über den Charakter der während der 
Tiiame auf^tendan Hallocinationen za geben, und die Tränme entsprechen ja den 
P^ehosen in Bezog anf ihre fundamentalen Elemente, so dass, wenn in den Träumen 
■cicaisebe -Hallucinationen anftraten, man die Existenz von mimisch-motorischen 
HaUnäaationett bei taubstummen Geisteskranken bejahen könnte. In der That kommen 
m 4«i Träumeo notorische HaUucinationen all’ der verschiedenen Arten der Sprache 
vor, w^be die Taubstommen sich durch Unterricht erwerben, also der wenn auch 
mdlkommen articolirten Sprache, der Schriftsprache, der Fingersprache. 

H. Weil (Stuttgart). 


Sl) Ueber Zuatlnde von Verwirrtheit nnd AuikHTiuig oder Stupor Im 
BftgiTtiiir und Verlaufe der ohronlaohen Paranoia von Dr. Krause in 
Göttii^^. (Monatsschrift f. Psychiatrie u. Neurologie. 6d. I. 1897.) 

Yert giebt sieben Krankengeschichten von Paranoia, bei denen Zustände von 
Twwirrtheit mit Aufregung oder von Stnpor beobachtet worden sind. Diese Zustände 
üd mm Theil mehrfach gekommen und geschwunden. Sie traten einige Male auf, 
als die Paranoia noch nicht lange bestand, bezw. schienen sie diese Krankheit ein- 
gleiten. 

Es ist gut und nützlich, dass der Yerf. auf diese Zustände aufmerksam gemacht 
kt, die ja nichte allzuseltenes sind, ln jeder Irrenanstalt kann man Derartiges 
kobaektoi. Bef. kennt einen alten Paranoiker, der etwa jährlich einen 8 Tage lang 
kaonden Stuporanfall bekommt, und einen schon Jahrzehnte lang an combinatorischer 
PoBoia kidmden Pat, der für gewöhnlich recht klar combinirt, aber ganz selten 
isfalkweiM faallocinirt und dann sehr erregt und verwirrt ist. Bef. beobachtete noch 
ktnlidi einm Kranken, der erst einige Wochen lai^ an Verfolg^ngsideeen gelitten 


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30 


hatte, dann drei?iertel Jahr lang vollständig stuporös war und sieh erst in der hierauf 
foigenden Zeit als echter Paranoiker entpuppte. Praktisch wichtig sind auch Fälle, 
in denen die vom Verf. beschriebenen Erregui:^- oder Stuporzustände im Unter- 
suchui^sgefangniBse auftraten und allein den Anstoss zur psychiatrischen Untersuchung 
geben, welche zeigt, dass der Gefangene schon zur Zeit der Begehung der ihm zur 
Last gelegten strafbaren Handlung paranoisch war. — 

Weniger gut und weniger glücklich ist Yerf.'s Polemik gegen Eraepelin. Es 
wird Eraepelin gar nicht einfallen zu bestreiten, dass Zustände von Verwirrtheit 
und Äufr^ung oder 'von Stupor bei den von ihm zur Paranoia gerechneten Fällen 
Vorkommen können. Verf. verwechselt das Zustandsbild der hallucinatorischen Ver¬ 
wirrtheit, das bei allen möglichen psychischen Erankheiten vorkommt, mit der selbst¬ 
ständigen Erankheit: acute Verwirrtheit Die Hauptbedentung der Eraepelin’schen 
P^chiatrie liegt eben darin, dass er auf’s Ganze sieht und nicht am Momentbild 
haftet. Mit weitem Gesichtsblick Übersieht er die Erankheiten vom Anfang bis zum 
Ende, und nur solche Fälle bezeichnet er mit einem gemeinsamen Namen, die im 
Grossen und Ganzen in verschiedenster Hinsicht übereinstiromen: nicht nur nach deu 
Symptomen, sondern auch nach Art der Entstehung, Verlauf, Dauer, Ausgang und 
eventuell Ursache. Es kann nun gewiss keine grösseren Gegensätze geben, als die 
Erankheit acute Verwirrtheit (Amentia) und die Erankheit Paranoia. Mit vollem 
Recht trennen Eraepelin und Andere beide grundverschiedene Erankheiten scharf 
von einander ab und sträuben sich dagegen, sie als acute und chronische Paranoia 
oder dergl. als innerlich verwandt mit einander erscheinen zu lassen. Wenn Verf. 
das Zustandsbild der Verwirrtheit im Beginn der Erankheit bei einigen Paranoia¬ 
kranken sab, so hat er deshalb noch lange nicht gesehen, dass die Erankheit acute 
Verwirrtheit in die Erankheit Paranoia Übei^ng. Folliculäre Angina und Eehlkopf- 
tuberculose sind doch gewiss grundverschiedene Leiden. Wenn nun ein Eranker 
mit Eehlkopftuberculose bei weiterem Umsichgreifen des Leidens gelegentlich auch 
Böthung und Schwellung der Tonsille, also ähnliche Symptome, wie sie bei folli* 
cularer Angina bestehen, haben kann, so gehören doch deshalb folliculäre Angina 
und Eehlkopftuberculose noch lange nicht zu einer gemeinsamen Erankheit, von der 
letztere die chronische und erstere die acute Form darstellt 

Es könnte natürlich verkommen, dass eine Paranoika etwa im Puerperium 
einmal von der Erankheit acute Verwirrtheit befallen würde; das ist natürlich wieder 
etwas Anderes. G. Ilberg (Sonnenstein). 


32) Aoute manle, door M. J. van Erp Taalman Eip. (Festb. d. Nederl. 

Verein voor Psychiatrie 1896. S. 97.) 

Verf. fand unter den Eranken, die er in der Irrenanstalt zu Dordreht beob¬ 
achten konnte, keinen einzigen, bei dem er sich zu der Diagnose von acuter Manie 
als selbständige Erankheit gedrungen fühlte, und fand, dass die früher als acute 
Manie diagnosticirten Fälle eine sehr grosse Verschiedenheit darboten, sowohl in 
Bezug auf die beobachteten Erscheinungen, als auch auf den weiteren Verlauf; des¬ 
halb hat er die Erankengeschichten der vom Jahre 1894 in der Anstalt Verpflegten 
genau durebgegangen und von 42 Patienten, von denen nur ein Anfall von Manie 
bekannt, gesucht, weitere Nachrichten zu erlangen. Von den 26 Männern konnte ei 
bei 20, von den 16 Frauen bei 14, die Periodicität durch das Vorkommen vor 
mehreren, mehr oder weniger einander gleichenden Aoßllen feststellen. Unter dei 
8 Eranken, bei denen sich nur ein Anfall nachweisen liess, war bei 4 die Diagnos« 
der acuten Manie mehr oder weniger unwahrscheinlich, bei 2 von diesen, die Verf 
persönlich untersuchen konnte, fanden sich deutliche Eennzeichen des periodischer 
Irreseins. Die 4 Eranken, bei denen die Periodicität nicht bewiesen werden könnt« 
(die einzigen von 1140 Eranken), befanden sich noch alle in jüngerem Alter, de] 


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31 


ihtft« fir 38 Jahre alt, und Kraepelin hat einen Fall beobachtet, in dem eine 
■Mcbe Srbaobmg sich nach 32 Jahren genau in der früheren Weise wieder- 

'^v^h hat 

Hu kann dnsnach mit Becht annebmen, dass ein einziger Anfall von acuter 
laaie e(M so grosse Seltenheit ist, dass man, alle Änfölle mit gleichen Erschei- 
oster einen Gesichtspunkt bringend, gut thut, das am meisten bezeichnete 
isateiehu, nämlich die Neigung der Wiederholung gleichartiger Anfalle auch als 
untKlle Eigenschaft fOr die Benennung der Krankheit zu benutzen. Man soll 
wh Terf. deshalb statt von acuter Manie lieber von periodischer Geistesstörui^ 
ipnden, nm eine bleibende Abweichung anzudenten, wo?on jeder Anfall von Manie 
TS am Torübergehenden Zustand repräsentirt. 

Walter Berger (Leipzig). 


33) Traitement de le manie, par Magnan. (Revue de psjchiatrie. 1897.) 

T«f. empfiehlt bei Manie: 1. No*restraint und Bettruhe (nur, wo es absolut 
ficht anders gebt, zeitweise die Zelle); 2. Bäder, Brom und Chloral; 3. bei heftiger 
Sngnog oder starker Schlaflosigkeit Injectionen von Hyoscium chloratum; 4. gute 
ihätiniDg und kein fennentlrtes oder destillirtes Getränk. Die Zwangsjacke ist im 
-btreu d'admission“ schon seit 25 Jahren abgescbafft, und seit einiger Zeit ver- 
void^ Verf. bei den acuten Psychen, speciell der Manie, nur die Bettbehandlung, 

da Zellen (letztere nur noch ausnahmsweise). Bäder von 33^ C. werden zur 
2—5 Standen lang gegeben, mit kalten Compressen auf den Kopf; wo 
^ Erreguog zn gross ist, tritt statt des Bades eine nasse Einwickelung ein. Abends 
^ Pat 3—6,0 Bromkali und 2—3 Stunden später 2—3,0 Chloral; nach 10 Tagen 
ctva, veoQ mehr Buhe da ist, ßUt das Brom weg, und nur noch zeitweise wird 
riilonl gegeben, das Verf. dem Solfonal nnd Trional vorzieht. Wo Brom-Chloral 
uchtE Dfitzt, dann ist gut Laudannm in steigenden Dosen; schlecht dagegen ist 
V'iYphiom, sehr gnt eine Injection von 1 — 1 ^3 mg Hyoscin. Bef. möchte es scheinen, 
fzs utts in den meisten Fällen von Manie mit weniger Medicin, als Verf. anzu- 
vfodeu scheint, aaskommt, und der eigentlichen Zelle in den allermeisten Fällen 
i>cber estrathen kann. Näcke (Hubertusbni^). 


Therapie. 

^ TTebsr die Wirkungsweise des Fyramidon bei verschiedenen Krank- 
heitmsttnden, von Dr. Oonat Both. (Wiener klin. Wochenschr. 1897. 
Hr. U.) 

Terf. untersuchte das Fyramidon, ein Dimetbylamidoantipyrin ans den Höchster 
^icbeowwken hinsichtlich seiner therapeutischen Eigenschaften, unter Anderem auch 
^ Kflcksicbt auf seine schmerzstillende Wirkung bei Migräne, Cephalalgie, Neuralgie, 
•d« und Folyneoritis. Die analgesirende Wirkung des Präparates wurde schon 
'0 Filehne beobachtet, und Verf. kommt zu ebenso befriedigenden Besnltaten. 

Io ÖF^en von Migräne wurde nach mehrmaligem Gebrauche etwas grösserer 
iym (0,5 g pro die) vor oder im Beginne des Auftretens der Schmerzen stets 
auch Schwinden derselben erzielt 

besserten sich Kopfschmerzen rasch nach Darreichung von 0,5—1,0g. 
Io einem Falle von Trigeminusnenralgie, die schon mehrere Wochen bestand 
keiner anderen Behandlung wich, trat rasch Besserung ein. 

^ Kranker mit Ischias erfqhr deutliche Linderung, ein anderer nicht Bei 


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32 


einem Tabiker konnten schwächere Attaqnen von gastrischen Krisen mit Schmenen 
und Erbrechen durch Pyramiden gehoben werden. Ebenso bewährte es sich gegen 
die Wadenschmerzen eines Alkoholikers and die Kopfschmerzen je eines Falles 
von acuter und subacuter Nephritis. Bei nervöser Tachycardie war es wirkungslos. 

Unangenehme Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. J. Sorgo (Wien). 


36) Lumbalpunotion, Bpinalpunotion, von Prof. Dr. A. Ooldscheider. (Enlen- 

burg*8 Beal'Encyklopädie. 3. Anflage.) 

Nach einer Darstellung der Geschichte und Technik der Spinalpunctioo erörtert 
Verf. eingehend: 1. die diagnostische Bedeutung der Function. Er hält sie fOr eine 
zweifellos werthvolle Bereichemng unserer di^nostiseben Hfllfemittel. Sie gestattet 
in zweifelhaften Fällen, eine Vermehrung des Liquor cerebrospinalis und Druckerhöhung 
naebzuweisen (bei Meningitis serosa und Hirntumor z. B.). „Finden sich klinisch 
starke Drucksymptome, bei der Spinalpnnction aber nur mässig vermehrter - Druck, 
so kann man auf einen aenten Process, umgekehrt — auf einen chronischen schliessen. 
Deutliche Vermehrung des Eiweissgehalts lässt einfachen Hydrocephalus ausschliessen, 
Bpurweiser Eiweissgehalt andererseits einen entz&ndlicben oder durch tubercolOse 
Meningitis bedingten Erguss ausschliessen und ein Stannngstranssudat (Hirntumor) 
als unwahrscheinlich erscheinen.“ Vorhandensein der Zuckerreaction ist nur mit 
Vorsicht zu verwerthen. Gerinnselbildnng spricht fOr entzflndliche Affectionen, ihr 
Ausbleiben fär Tumor oder Hydrocephalus. — Trftbe, zellenreiche FlQssigkeit spricht 
fUr eitrige (oder chronische?) Meningitis, die aber auch bei klarer Flflssigkeit nicht 
auszuschliessen ist. Wiederholtes Auftreten blutiger FlQssigkeit gestattet die Diagnose 
Ventrikelblutnng, bezw. Bluterguss in den Dnralsack. Tuberkelbacillen beweisen 
tuberculöse Meningitis; praktisch weniger wichtig ist der Nachweis anderer Bacterien 
(Strepto-, Pneumokokken n. s. w.). Die Function ermöglicht die Diagnose einer acuten 
serösen Meningitis. 

Was 2. die therapeutische Bedeutung der Spinalpnnction anbelangt. Aber die 
die Meinungen noch sehr getheilt sind, so meint Verf., dasH sie in manchen FWen 
Besserung herbeifQhrt, z. B. bei acuter seröser Meningitis, kleinen Hirntumoren (zwei 
Fälle von Tumoren der hinteren Schädelgmbe, die Verf. beobachtet-hat, zeigten nach 
der Spinalpnnction auffallende Besserung). Die Ergebnisse fordern jedenMls zu 
weiteren Versuchen auf. 

Schliesslich werden die gelegentlich durch Spinalpunction verursachten Schädi¬ 
gungen angeführt, besonders die durch zu rasche oder zu intensive Druckentlastung 
hervoigernfenen. Toby Cohn (Beiiin). 


m. Aus den GeselUohaften. 

Berliner Qeeellsohaft für Peyohiatrie und Hervenkrankheitan. 

Sitzung vom 13. November 1897. 

(äohloss.) 

Moeli: lieber atrophisohe Folgeaustände an den Sehnerven. 

Vortr. knüpft an seine im Jahre 1889 gemachten Hittheilungen über D^ene- 
ration im Tractus und Nervus opticus an. 

Es ist bekannt, dass selbst bei sehr langem Bestände eines Herdes in der Seh* 


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33 


bei Erwachsenen im Tractus and Kerrea Degeneration nicht eintreteo muss. 
Aath jaizt war dies nur bei einem der vorgefahrten ftinf Fälle vorhanden, und zwar 
war eg eine Brknnhung im zweiten Lebenajahre, die zu vollständiger Schrumpfung 
des gaazen rechten Hinterhauptes, hochgradiger Atrophie des Thalamus u. s. w. und 
Degne.'ation in beiden Opticis geführt hatte. Weiter werden vier Fälle besprochen 
nad mittelst Projecüonsapparates und Photographieen erläntert, in welchen nach 
Erimakaag des Corp. gen. ezi oder dar centralaton Tractusabschnitte ausgesprochene 
Deg^ientioo beider Sehnerven bestanden. In einem lag ein grosser, 18 Jahre be* 
stehender Hinterhanptsherd vor. Die mikroskopische Untersuchung ergab aber einen 
zwehen Herd im Corp. gen. lat. 

[He Betnchtnng der meist fast völligen Atrophie eines Tractus und ihre Ver- 
ibeilang durch das Chiasma u. s. w. hindurch führt unter Heranziehung der Unter« 
sxhBQgsbefunde bei drei totalen einseitigen Opticnsatrophieen za folgenden Schlüssen: 

Sowohl bei Zerstörung des Corp. gen. lat., als eines Opticus tritt in beiden 
Hüften des Chiasmas nnd darüber hinans eine Degeneration ein, welche verschiedene 
Siellai des Querschnitts auf beiden Seiten und Fasern von bestimmter Verlaufs- 
nehtuBg betrifft. 

Em aasgebreitetes Feld, welches ausschliesslich gekreuzte oder ungekreuzte 
Fasern enthielte, ist jedenfalls auf dem grössten Tbeil des Cbiasmaquerschnitts, ins- 
oes<nMi«re der Mitte desselben, nicht aachzuweisen. Andererseits finden sich zweifellos 
Absehoitte, welche ganz vorzugsweise Fasern einer Gattung enthalten uni theilweise 
nar oebnibei von anderen and anders gerichteten Bündeln dnrchlaufen werden. 

Geht man vom atrophischen Trsctns ans, so tritt die erste Faserausammlong 
ia drei Fällen ganz Obereinstimmand dorso-modial auf. (In einem vierten in den 
Möpttalen Abschnitten mehr medial?) Die genaue Feststellung zeigt, dass diese 
tbeils aas dem medio - ventralen Felde der gegenüberli^enden Seite, theils dorsal 
kerübergekrenzte Faserung znm Tbeil eine Ausbiegung occipitalwärts macht. Das 
öceipitale Ende der Ebenen, in welchen man sich die gekreuzten Fasern nach vom 
Qsbiagend denken kann, liegt occipitalwärts vom Chiasma und reicht in höhere 
Hurisontalebeneo hinauf, als das frontale Ende. Auch an den letzteren findet sich 
brtanniUch ein schleifenförmiger Verlauf der Fasern frontalwärts (Michel). 

Beim Aastritt ans dem Chiasma liegt die Masse der gekrenzten Fasern dorso- 
meltal im Nerven, öfter hufeisenförmig die ungekrenzten umfassend, soweit letztere 
sich schon gesammelt haben. Die mediale Baadzone wird von den am meisten frontal 
gekrenzten eingenommen. In allen Fällen jedoch finden weiter noch Umlagerungen 
der noch nicht basal vereinigten ungekrenzten Fasern statt, und zwar durch die 
B&odel der gekreuzten Fasern hindorch. Weder beide Nerven, noch die einzelnen 
FiUe bieten eine völlige geometrische Uebereinstimmung, aber in allen kommt scbliess- 
Uch diese Sonderoi^ der Fasern, nnd zwar im intracraniellen Theüe des Opticos, 
zu Stande. Bis dahin finden sich anf einem grossen Theile des Querschnitts, in 
dem vierten Palle bis znm Poramen opticum selbst, beide Arten von Fasern vertreten, 
so dass man erst an dieser Stelle des Verlanfes die zu einem ventro-lateralen, kahn- 
förmigen Bündel zasammeogefassten angekreuzten Fasern den übrigen Theil des 
Qnenchnitts frei lassen sieht. 

Die nngekreuzten Fasern liegen sicher im Tractus hinter dem Chiasma grössten- 
iheils lateral and dorsal (Opticusatrophie). Vergleiche der Tractasaffection mit 
Opttensatrophie lassen annehmen, dass sie zam Theil radiär gestellte, meist latero- 
T«Dtnl convexe Bündel in den hinteren, ziemlich gerade ventro-medial gerichtete 
Bündel in den frontalen Chiasmaebenen bilden. Diese Bicbtung tritt auch vor dem 
Chiasma noch an einem Theile der Bündel hervor. Die ventrale Lagerung nnge- 
krmter Fasern in den vorderen Chiasmaebenen kommt aber anscheinend nicht 

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34 


nur anf diesem Wege, soodern Bach durch Heromaiehen an der Peripherie des 
Chiasmaqaersehnitts zu Stande. Es ist nämlich der Beveis, dass in der frontalen Hälfte 
des Chiasmas die zur Krenzang noch bestimmten Fasern — wenigstens in weeent- 
lichen Mengen — bis an den lateralen Band gelangen, nicht zn führen. 

In der vorderen Orbita theilt sich das nngekrenzte Bündel in der oft beschriebenen 
Weise. Auch die Lage des gekrenzten Bündels entspriccht dem durch die Henschen’- 
sche Zusammenstellung bekannt gewordenen Verlaufe. 

Es Hess sich in zwei darauf untersuchten Fällen einer von dem Kniehücker 
absteigenden hochgradigen Atrophie auch durch die Papille hindurch eine Yerändemng 
feststellen, indem eine messbare Verschmälerung der zugehörigen Nervenfaserschicht, 
jedoch ohne (durchgängigen) Schwund der Qanglienzellen sich ergab. 

Sitzung vom 13. December 1897. 

Discussion über den Vortrag des Herrn Moeli. 

Oeelvink demonstrirt Präparate mit Degenerationen im Chiasma, die in Folge 
peripher vor demselben stattgehabten Läsionen entstanden sind. Sie stammen von 
einem 57jähr. Patienten, der an aphasischen Störungen, Äorteninsufficienz und Arterio« 
scleröse litt. Die Sehkraft des einen Auges war durch einen glaucomatösen Process 
zu Gründe gegangen. Ende 1896 starb der Pat. ganz plötzlich an Herzschwäche. 
Der Hnke N. opticus war grau und um die Hälfte schmäler als der rechte, in den 
beiden Tractus war makroskopisch keine Differenz nachznweisen. Auf Schnitten ei^ab 
sich, dass der linke N. opticus vollkommen degenerirt war; der rechte hingegen 
vollkommen normal. Tortr. demonstrirt sodann an vorgelegten Präparaten den Ver¬ 
lauf der normalen Fasermassen des rechten N. opticus im Chiasma opticum und die 
Vertheilung derselben auf die beiden Tractus. 

Jacobsohn demonstrirt Präparate vom Chiasma opticnm, welche vor einena 
Jahre angefertigt wurden, aus Anlass eines Vortrages von Eölliker’s, den dieser 
damals über die Kreuzung der Sehfasem auf dem Anatomencongress zu Berlin ge¬ 
halten hatte. Die Präparate sind aus dem Chiasma des Meerschweinchens, Kanin¬ 
chens, der Katze und des Affen. Diesen Thieren war ein Auge enucleirt worden 
und das Chiasma, dann nach 2—4 Wochen mit der Marchi’scben Methode behandelt 
worden. Letztere hat vor der Weigert-Pal'schen den Vorzug, dass sie die friscL 
degenerirten Harkfasem positiv färbt, während sie das normale Gewebe ungefärbt 
lässt. Dadurch ist es leichter möglich die degenerirten Nervenfasern auf ihrem 
Wege von einer Station zur andern zn verfolgen. Die Präparate (gröastentbeils 
Horizontalscbnitte durch das Chiasma) zeigen nun evident, dass beim Meerschweinchen 
eine totale Kreuzung der Sehfasem stattfindet, dass beim Kaninchen der allergrösste 
Theil der Opticnsfasem zum Tractus der anderen Seite hinübei^eht, während nur 
vereinzelte auf derselben Seite bleiben. Ein geschlossenes Bündel nmgekreuzter 
centripetaler Fasern existirt beim Kaninchen sicher nicht Bei der Katze. dagegen 
gehen ausser den zahlreichen gekreuzten Fasern eine sehr grosse Zahl nach dem 
Tractus opticus derselben Seite. Die Zahl der letzteren ist beinahe so gross, wia 
die der gekrenzten. Beide Arten gehen nicht als ein dickes Bändel an der inneren 
hezw. äusseren Seite des Tractus, sondern -zerstreuen sich über den ganzen Tractus. 
Beim Affen nähern sich die Verhältnisse denen wie sie am Menschen beschrieben 
sind, d. h. der mächtige Zug der gekreuzten Fasern sammelt sich mehr an der 
medialen Seite, der andere Zug der ungekreuzten Sehfasem concentrirt sich mehr an 
der Aussenseite des Tractus. Indessen zerstreuen sich einzelne Fasern von diesen 
Bündeln im späteren Verlaufe auch mehr über den ganzen Tractus. Vortr. macbt 
beeonders auf diejenigen Fasern anfmerksam, welche an der lateralen Seite des Seh¬ 
nerven znm Chiasma ziehen nnd hier bogenförmig nach innen schwenken. Diese 
machen anf Weigert-Pal-Präparaten den Eindruck, als ob sie alle uach der ge- 


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kmzt«D Seite hinfibei^ehen. Dieser letztere Umstand ist es auch besonders gewesen, 
v4cber Kblliker zur Annahme einer voUständ^en Krenzung der Sebfasem verleitet 
hat. Aof Marchi-Pr&paraten sieht man indessen, wie ein Theil dieser Bogenfasero 
nicht nach der gekreozten Seite gebt, sondern nach dem Tractus der gleichen Seite 
stehwenkL Vortr. demonsbirt darauf weitere Präparate, an denen sich der Verlauf 
4« Sehfaeem bis zu den nächsten Centren (Vierhflgel, Corpos genicnlatnm ezt., 
Thalamna) verfolgen lässt Während der Zug der Sebfasem auf dem ganzen Wege 
a dieeen Centren und in ihnen selbst beim Meerschweinchen nach Enucleation eines 
Ai^ nor aof der g^enaberli^enden Seite degenerirt ist, ist dies bei der Katze 
ud beim Affen anf beiden Seiten aufs deotlicbste ausgeprägt. Was den Verlauf 
4er Sebfasem im Chiasma anbetrifft, so machen sie förmige Bögen, deren einzelne 
Kcgungmi aber nicht in einer, sondern verschiedenen Kbenen liegen, so dass man sie 
mit dem Laufe der Bögen eines Korkziehers vei^leichen kann. 

Moeli macht noch einige ergänzende Bemerkungen über den Lauf der Sehfasern 
im Chiasma. 

Blascbko (als Gast): Ein Fall von Iiepra anaestbetica. 

Die strenge Unterscheidung zwischen Lepra tuberosa und Lepra macnlo-anaesthetica, 
welche besonders darauf basirte, dass man bei der ersten Form massenhaft Bacillen 
bnd, während sie bei der zweiten Form zu fehlen schien, ist nicht mehr aufrecht 
tu «halten, da man in nenerer Zeit anch bei der zweiten Form solche, wenn auch 
in g«ingerer Zahl, gefunden hat In dem Falle, den Vortr. vorstellt, soll die In> 
fection vor 14 Jahren stattgefunden haben. Die Patientin erkrankte mit einem 
evjtbematösen Flecke anf der rechten Wange, welcher sich im Laufe der Zeit ver- 
grösserte; es kamen dann neue Flecke auf der Oberlippe und anderen Körpertheilen 
kinzo. Diese Flecke treten in zweierlei Arten auf: 1. sind sie zuerst lenticulär und 
vergrössem sich im Laufe der Zeit oder 2. sind es Flecke, die auf einmal einen 
grossen Bing einnehmen ond sich dann nicht mehr veigrösaera oder in der Art des 
Herpes tonsurans weiterschreiten. Bei der vorgestellten Patientin sind nun alle diese 
Flecke für Schmerz- und TemperatoreindrOcke unempfindlich, während die BerQbrungs- 
empfind nng nur unbedeutend herabgesetzt ist. Die Übrige Haut des Körpers zeigt 
disU dissociirte Empfindungsstörung nicht. Diese Thatsache scheint zu beweisen, 

dass weni^tens für diesen Fall die Krankheit in der Cutis selbst liegt, uud dass 

die Nervenfasern in diesen Flecken selbst betroffen sind und nicht eine centrale 
Partie. Vortr. glaubt als Erklärung für diese eigentbümlicbe Erscheinung annehmen 
zu köDDen, dass die Tast empfindenden Nerven gegen die lepröse Erkrankung resistenter 
-ind als die anderen Nerven. 

Laebr: Herr Blaschko hat eine Arbeit von mir erwähnt, in welcher ich mich 
bemüht habe, die für die Differentialdiagnose zwischen Lepra und Syringomyelie in 
Botncht kommeuden Momente Übersichtlich zosam menzustellen. Unter diesen glaubte 
ich der bei beiden Krankheiten verschiedenen Localisation der Sensibilitätsstörongen 
öne gewisse Bedeutung beilegen zu müssen, indem bei der Syringomyelie stets ein 

Mgomstaler Tjpos zu finden sei, der bei der Lepra dagegen für gewöhnlich zu fehlen 

scheine: Wenigstens sind ans d« Litteratur nur ganz vereinzelte Beobachtungen be¬ 
kannt, in denen eine radicoläre Anordnung beschrieben ist Ob hierzu die von Herrn 
Blaschko angeführte Arbeit von Griesinger gehört, kann ich vorläufig nicht 
ttgen, ehe ich nicht die Abbildungen gesehen habe. Die Untersuchnngen von Jean¬ 
selme stehen keineswegs nüt der von nur vertretenen Ansicht im Widerspruch. Sie 
Mgen, dass neben einer fleckweise und unregelmässig, häufig handschuhförmig, von 
4« Peripherie centralwärts sich ausbreitenden Anästhesie schon relativ frühzeitig 
anch in peripberiscben Nervengebieten Empfindongsstörungen beobachtet wurden, 
wekbe bei weiterem Fortschreiten sich immer mehr der radiculären Aasbreitangsweise 
aäh«n. Jeanselme selbst sieht in diesem von der Peripherie centralwärts fort- 

3“ 


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schreitenden Sensibilitätsausfall einen wesentlichen Unterschied gegenüber der Aus- 
hreitungaweise der syringoaiyelitischen Empfindungsstömng. Wenn man die von 
Herrn Blaschho citirte Arbeit Oerlacb's berücksicht, durch welche bei der Lepra 
eine anfsteigende neuritische Erkrankung fes^estellt ist, muss man ja auch theo¬ 
retisch ohne weiteres zugeben, dass dem Fortschreiten des Krankbeitsprocesscs eine 
immer mehr dem radicolären Typus sich nühernde Ausbreitung der Anästhesie ent¬ 
sprechen wird. Eine solche Ausdehnung scheint aber, wie schon gesagt, sehr selten 
beobachtet zu sein, and in solchen vorgeschrittenen Fällen wird es kaum an anderen 
wichtigen differentialdiagnostischen Merkmalen fehlen. Die verschiedene Localisation 
der Anästhesie ist ja nur ein Anhaltspunkt unter einer Beihe anderer, nicht minder 
in die Wagschaale fallender. 

Oppenheim findet das Interessante in diesem Falle darin liegen, dass der 
Process ein partieller ist; bei neuritischen Processen findet man eine derartige Aus¬ 
breitung nicht; es scheine sich die Erkrankung nur auf die feinen Hautnerven zu 
erstrecken. 

Remak: Die Verlangsamung der Schmerzempfindnng bat man sehr lange als 
Ausdruck einer Bfickenmarkserkrankung betrachtet; allmählich kam man zur An¬ 
erkennung, dass so etwas auch peripherisch Vorkommen kann; dasselbe scheint sich 
auch jetzt mit der partiellen Empfindungslähmung zu vollziehen, weshalb Fälle, wie 
der von Blaschko voi^stellte, von grosser Bedeutung sind. Schon Parmentier 
hat die Beobachtung gemacht, dass im Centrum der anästhetischen Stelle alle Gefühls- 
qualitäten gestört sind, während an der Peripherie die Berührungsempfindung un¬ 
gestört bleibt. 

Blaschko bat in zwei Fällen dasselbe nachwei&en können, was Bemak soeben 
erwähnt hätte, dass die Temperatur- und Schmerzempfindung immer um mehrere 
Finger breit weiter aufgehoben war als die Tastempfindung. Das scheint auch da^ 
zu sprechen, dass seine vorher voi^etragene Ansicht richtig ist. Es ist möglich, 
dass es sich hier weniger um eine Neuritis selbst, als um eine Perineuritis handelt. 

Bratz: Ammonshornveränderungen bei Epileptikern. 

Die Untersuchung erstreckt sich über 50 Kranke aus der Anstalt Wuhlgarten, 
Untersucht wurden mehrere Rindenpartieen und besonders der Gyrus hippocampi mit 
anstossendem Schläfenlappen. Die 50 Fälle zerfallen in zwei Groppen; die erste um¬ 
fasst die Fälle ohne Ammonshomerkrankung. In einzelnen Fällen fanden sich be¬ 
sondere Herde, Psammom mit Gliose, Herd im Corpus striatum u. s. w. Die am 
häufigsten beobachtete Veränderung, 50 aller Fälle, war eine Verschmälerung 
eines Ammonshornes; die Substanz des letzteren fühlte sich verhärtet an. Indessen 
erwies mitunter die mikroskopische Untersuchung eine Erkrankung, wo keine Ver¬ 
härtung war und umgekehrt. In der Mehrzahl der Fälle findet sich bei der genuinen 
Epilepsie immer die gleiche Veränderung. Die Verscbmälernng betrifft nicht nur 
das Ammonshom s^bst, sondern auch die nächste Umgebung des Scbläfenlappens. 
Es liegt eine Hypoplasie des gesammten Himgebietes vor, es finden sich ganze Zell- 
lager atrophirt, besonders die der Pyramidenzellen. Der betreffende Raum ist mit 
Glia ansgefüllt. Welcher Process der primäre ist, lässt sich nicht weiter bestimmen. 
Die Erkrankung geht durch das Ammonshom hindurch bis in den Uncus hinein. 
Gerade diese E'mförmigkeit des Erankheitsprocesses drängt zu der Annahme, dass es 
sich um die Residuen eines weit zurückliegenden und zum Abschluss gekommeneu 
Precesses handelt. Auch das klinische Bild in seiner klassischen Form bildet sieb 
oft erst allmählich heraus. Die ersten Krankheitserscheinungen sind bei den Kindern 
leichte Scbwindelanfalle, kurz dauernder Tonus der Muskulatur und erst im Uebei^ng 
bilden sich die typischen clonischen Zuckungen heraus. Auch für die Epilepsia tarda 
wurde in drei Fällen dieselbe Veränderung gefunden. Die typische Zellatrophie fand 
Vortr. auch bei drei Paralytikern, bei welchen in einem Frühstadium epileptiforme 


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Krimpfe anfgetreten waren. Zum Schluss bespricht Tortr. mehrere fOr das Ent« 
stehen der Epilepsie aufgestellte Theorieen, von denen noch keine als gesichert an« 
zneehen ist. 

Köppen: Da das Ammonshom in Beziehung zum Geruchsorgan steht, so frage 
ich an, ob einseitige Störungen des Geruches bei den Patienten vorhanden waren. 

Oppenheim fragt an, ob Bratz es ffir ausgeschlossen halte, dass der Process 
angeboren sei. 

Bosin hält den Befund von Pigment in Ganglienzellen nicht fflr pathologisch. 
Wenn das Pigment in atrophischen Zellen so stark erscheine, so rühre dies daher, 
dass der andere Zellbestandtheil zurückgetreten sei. 

Bratz stützt sieh in Bezug auf das Pigment nur auf den Vergleich mit normalen 
iieüOL Ob der Procesa schon sehr früh entstanden sein kann, wie Oppenheim es 
■«int, kann Bratz nicht entscheiden. Er glaubt nicht, dass die grossen Pyramiden« 
zeüen des Ammonshoms die Tr^er des Geruchvermügens sind; wenn dies so wäre. 
Kl hätte in diesen Fällen einseitige Geruchsstörung bestehen müssen; eine solche ist 
aber niemals beobachtet worden. 

Jolinsbnrger und E. Meyer (Autorreferat) berichten über Befunde an deu 
VorderhomzeUen und den grossen Ganglienzellen der Centralwindnngen heim Menschen. 
Die Härtcng wurde theils in 95 Alkohol, theils in Hfiller>Formol Yorgeoommen, 
zur ^rbung wurde Tbionin, Methylenblau u. a. verwendet — Die ansgestellten 
Präparate stammen von einem schweren Alkoholisten, der unter dem Bilde hoch« 
gndiger Verwirrtheit motorischer Unruhe, Sinuestäuscbungeu bei normalem soma« 
tischen Befände in wenigen VPochen zu Grunde ging. Weiterhin wird hingewiesen 
aaf fälle von Erschfipfungsdelirien, Dementia paralytica, Dementia senilis. Unter 
letzteren ist ein Fall besonders bemerkenswerth, wo bei einem 70jährigen Manne 
Biit Schmmpfniere etwa drei Wochen vor dem Tode eine linksseitige Hemiparese 
tut SensibUitätsstöningen im Anschluss an Krampfanfälle beobachtet wurde, ohne 
dass für eratere durch die Section eine makroskopisch erkennbare Unterlage gefunden 
werden konnte. Erst das Mikroskop zeigte eine sehr deutliche Veränderung der 
grossen Ganglienzellen, sowie eine Vermehrung der Kerne des Zwischengewebes in 
den rechten Centralwinduogen gegenüber der linken Seite. Hit der Methode nach 
Marchi wurde eine sehr an^esprochene Schwarztypfelung in der linken Pyramiden* 
bahn vom Gebim bis in das Bückenmark herab beobachtet 

ln allen diesen fällen wurde auch das Rückenmark untersucht Ein weiteres 
wurden die Vorderhornzellen von Personen studirt, die intra vitam keine Rückenmarks« 
Symptome zeigten und an Carcinose, Tuberculose, Herzfehler litten; eine andere Reihe 
betraf Fälle mit Erkrankung des Rückenmarks; es handelte sich um Lues cerebro« 
spin&lie, Alcoholismus chronicus, pemiciöse Anämie. In einem Falle hatte ein Mann 
ln Folge einer Krebsmetastase im linken Oberschenkel einen Broch desselben erlitten; 
hier fand sich eine linksseitige ausgesprochene Veränderung der VorderhomzeUen im 
Saeral- und Lendenmark. Bei derselben Person hatte eine Krebsmetastase am linken 
Foramen condyloidenm den linken N. hypogloasns zur Atrophie gebracht und es 
konnte eine sehr deutliche Alteration der Zellen im Kem der gleichen Seite constatirt 
werden. Die Untersochongen erstreckten sich auf Individuen vom 5.— 84. Lebens¬ 
jahre. 

Die Vortr. kommen zu folgenden Schlüssen: 

Die Granula sind keine einheitlichen Körper, sondern nur Körnchenapparate; 
ihre Alteration kennzeichnet sich darin, dass ihre feinen Körnchen zunächst 
regellos, diffos angeordnet erscheinen und später schwinden. Dieser Process schreitet 
zunächst vom Centrum nach der Peripherie, entweder gleicbmässig concentrisch oder 
m der einen oder anderen Richtung in stärkerem Grade. Erst weiterhin kommt es 
zu einer Formveränderung bezw. Volomenverkleiuerung der Zelle. Der Kern ändert 
ach hinsichtlich seiner Form, seiner Stellung und Tinctionsfähigkeit. Zwischen den 




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Ter&nderungen in den VorderbomzelleD und den grossen Ganglienzenen aus den 
CentralwinduDgen besteht kein wesentlicher Gegensatz. Dos hohe Alter und Fieber 
an sich f&hren zu keinen bemerkenswerthen oder constanten Veränderungen der 
Granula. Die Zellverändemngen lassen nur einen quantitativen Unterschied in Bezug 
auf einen und denselben Voi^ng erkennen, gleichgöltig ob dieses oder jenes ätio¬ 
logische Moment vorliegt. Die Structarveränderang ist nicht die anatomische Grund¬ 
lage einer bestimmten Fanctionsstörnng, sondern nor der anatomische Ausdruck 
einer Beaction der Zelle auf ihre durch den Erankheitsvorgang abgeänderten Lebens¬ 
bedingungen. Die Grannla sind restitntionsfäbig und können als Nährsubstanzen für 
die Zelle aufgefasst werden. Der Ausgleich der Structur zur Norm ist ein anato¬ 
misches Kriterium dafQr, dass die Anpassung der Lebensvorgänge in der Zelle an 
ihre äusseren Einflasse vollzogen ist. 

Den klinisch verschiedenen Bildern entsprechen keine specifiscb verschiedene 
Gewebsbefunde. Jacobsohn (Berlin). 


Verein ftlr innere Mtedisln in Berlin. 

Sitzung vom 15. November 1897. 

(Deutsche med. Wochenschr. 1897. Nr. 60.) 

Discussion fiber den Yortr^ Stadelmann: Klinische Brfiahrungen mit der 
Lumbalpunotion. 

Kroenig: Die Gefahren der Lumbalpunction bestehen in der zu schnellen 
und zu tiefen Herabminderung des Cerebrospinaldruckes und lassen sich bei An¬ 
wendung des von dem Redner angegebenen Apparates und Manometers vermeiden. 
Der Normaldruck beträgt bei Erwachsenen in medio 125 mm Wasser im Liegen, 
410 mm im Sitzen, Zahlen, welche die untere Grenze markiren und niemals Ober- 
schritten werden sollen. Das GeßUe der Flässigkeit ist entsprechend der enormen 
Differenz der Druckhöhen verschieden: das Ansffiessen geschieht in Horizontallage 
stark tröpfelnd, in sitzender Haltung meist spindelnd oder spritzend. Als Regel 
muss bei der Lumbalpunction allmähliche Herabsetzung des Druckes bis zur Norm 
gelten; zwei Ausnahmen existiren. Die Function ist sofort zu unterbrechen bei 
eintretendem oder sich steigerndem Kopfschmerz, zweitens soll man etappenweise 
Vorgehen, durch wiederholte Function die Norm zu erreichen suchen, wenn es sich 
cm einen nachweisbar (Stauungspapille) oder vermuthlich seit langer Zeit schon be¬ 
stehenden Ueberdruck bandelt, welchem das Gehirn sich entsprechend dem lang¬ 
samen Entstehen und Anwachsen desselben adaptirt hatte. In einem Falle von 
Farietallappentumor sank der anfangs sehr hohe Druck (600 mm) plötzlich bis auf 
«a. 20 mm, wahrscheinlich war der Liquor zwischen Canäle und innerem Durablatte 
hindurch in den weitmaschigen Interduralrauro gedrungen. — Wie eine andere Be¬ 
obachtung zeigt, kann durch den physiologischen Flflssigkeitsstrom Eiter von einer 
circumscripten, serös-eitrigen Arachnitis ln den spinalen Theil des Snbarachnoidal- 
raumes getragen nnd durch die Canäle nach aussen befördert werden. 

Oppenheim beobachtete einen 22JäbrigeD Mann mit alter, doppelseitiger, puru¬ 
lenter Otitis und acut entstandenen, schweren Himerscheinungen (beiderseitige* sehr 
hochgradige Stauungspapille, Amaurose rechts, beträchtliche Herabsetzung der Seh¬ 
schärfe links, 1. Abducenslähmung, Nystagmus, cerebellare Ataxie), Temperatursteige- 
rung und -abfall; Pulsverlangsamung und Benommenheit fehlten dauernd. Die Dia¬ 
gnose schwankte zwischen Tumor cerebelli und Hydrocephalus acquisitus, resp. 
Meningitis serosa. Eine Lumbalpunction hatte gänstigen Eriolg, die Stauungspapille 
wandelte sich zwar in Atrophie um, die äbrigen Erscheinungen aber schwanden. 
Fat. ist seit 1 Vs Jahren arbeitsunßhig. Wahrscheinlich lag eine seröse Meningitia 


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T«r. Im (Jebrigeo hat .0. keine gOnstigen therapeutischen Erfolge ?od der Function 
beobachtet 

Ooldscheider hält den Krönig’schen Apparat fQr eine werthvolle Ver- 
bcjuernng, glaubt jedoch, dass man mit dem Qainke’scheQ Verfahren aaskommen 
kann. Die Möglichkeit, den Subduralraum punctiren za kOnoen, bedarf noch der 
Beetitigung. Vermehrter Eiweissgehali deatot nicht sicher auf Entzfindang. Be* 
sftgUcb des positiven Toberkelbacillenbefundes in der Pnnctionsfl&ssigkeit theilt G. 
den Standpunkt des Vortragenden, nicht aber dessen UrtheU Über den therapentisohen 
Worth das Qainke'schen Verfahrens. G. sah günstige Erfolge nach der Function 
bei Meningitis serosa (1 Fall) und in 2 Fällen von Tumoren der hini Schädelgrube 
— letztere nehmen für die Lambalpanetion eine Sonderstellung ein; selbst kleinere 
Geschwülste künnen durch Compression der Vena magna Qaleni schnell zu H^dro- 
e^balos führen. G. sah bei anderen Hirntumoren und Meningitis niemals eine Besse* 
nu^ durch die Lumbalpunction, auch nicht bei Chlorose, bei welcher übrigens eine 
Tomehrang des Liquor nicht nachweisbar war. Bei eitriger Meningitis findet 
lieh meist kein Eiter. 

Fürbringer hat bei 71 Fällen tubercnlöser Meningitis 50 Mal, d. b. in 
BacQleo gefonden. — Der Nachweis von Eiweiss and Zucker hat wissenschaftliches, 
kein praktisches Interesse. In der Bestätigung oder Sicherung der Diagnose des 
Schädalbrucbes leistet die Function viel, doch beweist die Entleemng klarer Flüssig* 
keit nicht sicher, dass keine Fraktur, resp. kein Durchbruch der Blutung in die 
Ventrikel vorlieg^ F. negirt nicht vüUig jeden tberapentischen Effect der Lombal- 
pnncüon. — Für die Function geeignete Fälle von Chlorose sind selten: Besserungen 
nad meist nnr vorübergehend, auch spielt die Su^estion dabei eine grosse Bolle; 
in anderen Fällen ist der Nutzen zweifelhaft, ja es fo^ Verschlimmerung. Hirn* 
Uotongco contraindiciren nicht ohne Weiteres ao^iebige Functionen, letztere können 
Biekt selten sofortige Besserungen bedingen. 

T. Lejden sah bei der Meningitis spinalis und Meningitis cerebrospinalis nicht 
fsrade viele ond wesentliche Vortheile von der Punktion, bei der Chlorose keinen 
Erfolg. Günstig wirkte der Eingriff in 8 Fällen von anscheinend seröser Meningitis, 
■owie bei einem hydrocephalischen Kinde, bei einem zweiten war der Erfolg nicht 
sidküich. V. L. räth, bei hydrocephalischen Kindern diese Procedur eventuell zu ver- 
soclmD, dann natürlich die Pnnctionen in gewissen Zeitabständen zu wiederholen: 
er glaobt, dass diese zeitweilige Drnckentlastung einen zeitweiligen reichlicheren Blut* 
zaflott and so eine günstigere Chance für Entwickelung des Gehirns giebt. 

Krönig hält gegenüber Goldscbeider die Quinke’schen Functionsvorachrifteii 
flr nnzweckmässig, da hierbei der Druck nach Entleerung von 6—8 ccm, nicht der 
wirkliche Druck gemessen wird, ein FlOssigkeitsverhältniss von 6—8 ccm klinisch 
aber keiaesw^ irrelevant ist. Kr. beobachtete günstigeo, wenngleich vorüber¬ 
gehenden Erfolg der Function bei einem Falle von Parietallappentumor, dauernden 
Nutaea bei der rbenmatischen Form der serösen Meningitis. 

Fränkel kann Goldscheiders Behauptung, dass .eitrige Beschaffenheit der 
PanctioBsflüssigkeit bei Meningitis purnlenta selten ist, nicht bestätigen. In einem 
Falle mit anklarer Diagnose — dieselbe schwankte zwischen „Tumor cerebri" und 
,aeate Encephalitis“ — brachte die Pouction sofort aufTalleude, dauernde Besserung, 
die bis aur Heilung gedieh; möglicherweise hat Meningitis serosa vorgel^eu. ln 
der Anwendung der Fnnction ist etwas mehr Maass zu halten, als jetzt geschieht. 

Cassel fand unter 9 Fällen von tuberculöser Meningitis nur in einem Drittel 
TaberkelbaeUlen. Wiederholte Lumbalpunctionen, sowie auch Himpunction bliebqn 
kä einem 4 Wochen alten Kinde mit Hydrocephalus congenitus und bei einem 
10 Monate alten Kinde mit Bydrocepbalns chron. acquisitus erfo^los. C. sab bei 
tfeBingitis inberenlosa vorübergehenden eclatanten Nutzen nach der Fnnction, aber 
ksine danemde Besserung. 


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Bernhardt erinnert, dass pl{ptzlicbe Todesfälle lei Tuir.oren des Gehirne, 
nan.eDtlich der hinteren Schädelgrube, Mter vorhonnDen, also nicht alle Todesfälle 
nach Lumlalpunction bei Hirntumoren auf die Operation zo schieben sind; anderer¬ 
seits ist Vorsicht nöthig in der Anwendong der Function gerade bei Keubildongen 
innerhalb der Scbädeldecke. 

Heise citirt einen im Sanitätsberiebt der Armee besprochenen Fall. Hier lagen 
schmore meningitische Symptome vor: sofort nach der Function, die klare, sterile 
Flüssigkeit entleerte, Erleichterung. Ein nach ca. 10 Tagen erfolgtes Ansteigen der 
Symptome murde durch eine zweite Function günstig beeinflusst, Fat. war am Tage 
danach fieberfrei; es trat Genesung ein. 

Vortr. vertheidigt Quiuke gegen die Vorwürfe KrCnigs. Bedner hält es für 
sicher, dass man unter pathologischen Verhältnissen den Subduralraum punctiren 
kann; er hat keine günstigen therapeutischen Resultate nach der Function gesehen, 
solche aber nicht grundsätzlich negirt. K. Ffeiffer (Cassel). 


Faychiatrlscher Verein au Berlin. 

Sitzung vom 18. December 1897. 

Kaplan (Herzbei^e): Kraskenvorstellnng. 

Es handelt sich um eine 46jährige Frau, welche früher stets gesund gewesen 
sein will. Ihre jetzige Krankheit begann vor l^s Jahren und zwar mit Kopfschmerz 
und Schwindelgefühl, zo welchen Erscheinungen bald darauf eine Lähmung der linken 
Seite eintrat. Ein paar Wochen später bemerkte die Patientin, dass sie nicht recht 
sehen konnte; sie stiess an Gegenstände an. Manchmal hatte eie Doppeltsehen. 
Ausserdem erschienen ihr die Gegenstände breiter, zogen sich in die Länge ond 
waren doppelt. Die Blumen, die in Gefässen standen, schienen sich anfzurichten, 
die Bäume und Häuser schwankten und dergl. mehr. Fat. sab aber auch Gegen¬ 
stände, die gar nicht vorhanden waren, z. 6. Mäuse in allen Farben, die sich be¬ 
wegten, grosser ond kleiner wurden, ond zwar tauchten diese Gegenstände immer 
von der linken Seite auf. Fat wurde matt, schläfrig, und kam endlich wegen aller 
dieser Störungen in's Kraukenhans. Bei der Untersuchung findet sich eine links¬ 
seitige Hemianopsie, ferner hei der ophthalmoskopischen Untersuchung eine beginnende 
Atrophie des N. opticus. Es bestand ferner leichte Ptosis an dem linken Auge und 
die Unke Pupille reagirte weniger prompt, als die rechte; es findet sich ferner ein 
Kystsgmns, welcher sich in einer langsamen Raddrehong der Augen äussert. Ausser¬ 
dem ist noch eine leichte Parese im linken Facialis und eine linksseitige Hemiparese 
mit Steigernug der Sehnenphänomene auf dieser Seite. 

Von der nystagmusartigen Augenbewegung nimmt Vortr. nicht an, dass sie 
angeboren ist, sondern sie hängt wahrscheinlich mit der jetzigen Erkrankung, Lnes 
cerebri, zusammen und ist ein bei dieser Krankheit sehr seltenes PhSnomen; Uhthoff 
beobachtete es unter 2.^0 Fällen nur 2 Mal. 

Einzelne Erscheinungen, welche die Fat. hatte, Doppelbilder, VergrCsserong und 
Verkleinerung der Gegenstände u. s. w., können durch die Angenmuskelstörun^en, 
wozu auch eine Accommodationsparese angenommen werden muss, erklärt werden. 
Bei den anderen noch aufgetretenen Erscheinnngen kommen psychische Störungen 
hinzu, und Vortr. erklärt die combinii-ten Gesichtsstörungen als Illusionen der durch 
die gestörten Muskelfunctionen gesetzten Erscheinungen. Aber die Kranke hatte auch 
Hallucinationen; diese sind theils einfacher Natur, theils zusammengesetzter (Mäuse). 
Alle Hallucinationen betrafen die optische Sphäre und erschienen immer auf der 
linken Seite; das weist darauf hin, dass diese Gesichtshallucinationen in enger Ver¬ 
bindung stehen müssen mit der organischen Erkrankung (Sebstrablung und Binde 
des rechten Hinterhauptslappens). Gm die ganzen Störungen zo erklären, müsse xrian 


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n« Herd«, eineii an der Hinibasie ond einen im rechten Hinterhanptelappen an- 
Mhi&eiL Di« Störungen haben sich nach einer Inunctionakor erheblich gebessert 

Laehr fragt, ob die Kranke daoemd an den unilateralen Hallucinationen ge> 
litteo hat oder nocli leidet Bei drei von ihm beobachteten Kranken war das nur 
tcrbbergehend der Fall. 

Kaplan: Knaelne Hallucinationen b^annen 2—3 Wochen nach Eintritt der 
Brwanopö«, andere traten später auf nnd Terschwanden auch wieder. 

Discueaion über den Vortrag Falkenberg (Uerzberge): Familienpflege 
Oeiataakmiücer. 

Schmidt meint, dass es yielleicbt zweckmässiger sei, Idioten nnd ähnliche 
Klinke weiter yon der Anstalt entfernt auf das platte Land zn bringen. 

Lewa Id weist anf den bedeutungsvollen Unterschied bin, welcher in der Familien- 
pdege bei Berliner Anstalten nnd deijenigen anderer Anstalten besteht Während 
MB bei den letzteren mit Glück versucht, die Kranken ausserhalb der Anstalt zu 
halten, bat man in Berlin versucht, dem Kranken durch Familienpflege wieder eine 
Existenz zn verschaffen. 

Fraenkel hält die Familienpffege auch ihr eine segensreiche Einrichtung; 
Bfinte aber, dass sexuelle Schädigungen dabei eintreten können. 

Moeli: Die Familienpflege soll eine Zwischenstation werden zur Erreichung der 
Unabhängigkeit in der Lebensführung. Diese Pflege ist nur dann statthaft, wenn 
die Kranken selbst arbeiten. Die Arbeit fahrt aber auch wiederum eine gewisse 
GeßhrduBg mit sich. Das weibliche Geschlecht wird durch die vielerlei Arbeit im 
Hause weniger ans der Familie herausgefübrt als das männliche. Wenn die männ- 
Uchen Kranken arbeiten, so m&ssen sie auch zum Theil trinken; sie stehen in dieser 
Hinsiebt durch das Beispiel anderer unter einem gewissen Zwange, und was die 
Anstalt mit Mühe dnrehgesetzt hat, geht unter diesem Zwange wieder verloren. 
Aibeitsgelegenbeiten in der Anstalt selbst emzurichten, hat noch nicht verwirklicht 
verdeu können. 

Falkenberg meint, dass einer Ausdehnung der Familienpflege auf das platte 
Und . so wünschenswerth es auch sein möge, doch zu erhebliche Schwierigkeiten 
rsgenüber stehen. In sexueller Hinsicht hätte die Familienpfl^e keine Missstände 
ergeben. Kranke, die zn derartigen Dingen neigen, wörden gewöhnlich bei Ver¬ 
wandten nutergebracht üeber' die Beschäftigung der einzelnen Kranken hat Vortr. 
verrucht, eine Statistik anfzustelien, aber etwas Brauchbares ist dabei nicht heraus- 
gekommeu. Han kann nur eine ungeföhre Schätzung annehmen. Unter den Pfleg- 
linfen sind vielleicht nur 40^/^ als arbeitsfähig zu betrachten (vollkommen arbeite- 
fthig ist natürlich kein Kranker). Von diesen sind es auch wieder nur etwa 
die eine ihren Kräften entsprechende Arbeit erlangt haben. Die Trinker, welche 
tbcr ein« grössere Arbeitskraft verfügen, stellen keine grossere Zahl von Arbeits- 
&higen dar; kein einziger von den Trinkern ist Abstinent und kein einziger ist in 
der iBge, vollkommen selbständig zu sein, so dass er keine Unterstützung mehr 
inucht 

Kaplan: Ueber Trauma und Paralyse. 

Unter 546 Fällen von Paralyse ergaben die Krankengeschichten, dass 24 Mal, 
also in 4^/^ ein Trauma stattgefunden batte. Von diesen konnte aber bei näherer 
Prüfling kein einziger Fall als directer Beweis angesehen werden, dass die progressive 
PtnljE« durch ein Trauma verursacht wird. 

Köppen fragt an, wieviel Fälle von einfacher Demenz nach Trauma eingetreten 
«ad; ob das Trauma vielleicht Zustände herbeigefQhrt batte, welche der Paralyse 
^r ähnlich sehen. 

Moeli glaubt, dass in mehr Procent der Fälle Trauma in der Anamnese vor- 
komsen mnss, als es die Zusammenstellung in der Anstalt Herzberge ergeben hat. 


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EaplaD kann die Frage Köppen's im Augenblick nicht mit einer beetimmteo 
Zahl beantworten, meint aber, dass es sicher viele derartige Fälle giebt. 

Jacobsohn (Berlin). 


26. Veraammtang der südweetdeutaohen Irrenärste in Karlsruhe 
am 6. und 7. November 1897. 

Die erste Yersammlnng begann Sonnabend Nachmittag 3 Uhr. 

Emmminghans (Freibo^) eröffnet die Sitzniig. 

Zum Vorsitzenden wnrde für die erste Sitzung Fflrstner (Strassburg), zu 
Schriftführern wurden Gross (Heidelberg) und Dörner (Freibni^) gewählt. 

Den ersten Vortrag hielt, da der erste Beferent Ganser (Dresden) verhindert 
ist, als Correferent Fischer (Pforzheim): Heber den weiteren Ausbau der 
Irrenfürsorge ausserhalb der Irrenanstalten. 

Er sprach speciell übet; die badischen Verhältnisse. Die Erfahrungen haben 
gelehrt, dass die Entlassung eines Kranken aus der Heilanstalt nur eine Versuchs* 
weise sein könne. 

In Baden besteht die Uebung, dass nach der versuchsweisen Entlassung erstmals 
4 Wochen später, dann von Zeit zu Zeit Erkundigungen über den Entlassenen ein¬ 
gezogen werden. Nach Ablauf eines Jahres könne die definitive Entlassung aus¬ 
gesprochen werden. 

Sehr grosse Dienste hat in Baden der finanzielle Hilfsfonds des Hilfsvereins 
zur Unterstützung bedürftiger Geheilter geleistet. Die materielle Unterstützung des 
Entlassenen allein genügt aber nicht, er bedarf vor allem einer richtigen Verpflegung. 
In dieser Hinsicht müsse betont werden, dass die Irrenärzte durch das Pnblikum 
in ihren Bestrebnngen unterstützt werden müssen; dann werde es auch möglich sein, 
die locale und familiäre Verpflegung der wiedergenesenen Geisteskranken in weiterem 
Haasse auszudehnen. Es vrird in dieser Hinsicht von Ludwig (Heppenheim) vor¬ 
geschlagen. unbemittelte Entlassene in Sanatorien anfzunehmen. In diesen Sanatorien 
sollen auch unbemittelte, an schwerer Nervosität Leidende aufgenommen werden. 
In Baden sind in den Kreispflegeanstalten etwa 600 bis 650 Geisteskranke nnter- 
gebracht Diese Einrichtung entspreche aber trotzdem nicht den bestehenden Be¬ 
dürfnissen. 

Der Staat stehe zu diesen Anstalten nicht in solchem Verhältniss, dass er einen 
Einfluss auf die Aufnahme Geisteskranker ansübe. 

Auch die Organisation der Kreispflegeanstalten lasse zu wünschen übrig bezüg¬ 
lich des Wärterpersonals, vielfach fehle auch den Anstalten ein psychiatrischer Director. 
Die Ueberfüllung der Irrenanstalten fordere eine B^elung der Beziehungen der 
Staatsanstalten zu den Kreispflegeanstalten, sowie das Eingreifen der Armenpflege 
für die Verpflegung unbemittelter Geisteskranker. 

Der Vortr. stellt folgende Forderungen auf: 

1. B^elung der Verhältnisse der Staatsanstalten zu den Kreispflegeanstalten, 
Ausdehnung der familiären Verpflegung; öffentliche Belehrung der weiteren Kreise 
durch die Presse; 

2. Errichtung von Sanatorien als Uebergangsstationen; 

3. Regelung der Staatsanstalten. 

An der Discussion betheiligen sich: Emminghaus (Freibut^), Krenser 
(Schnssenried), Kräpelin (Heidelberg). Wolff (Würzbu^), Kemmler (Zwiefalten), 
Fürstner (Strassburg), Battlehner (Karlsruhe), Arnsperger (Karlsruhe), Kratz 
(Heppenheim), Eckhard (Elingenmünster), Bieberbach (Heppenheim). 

Die Meisten sprechen für die Errichtung von Sanatorien. 


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43 ~ 


Emain^haas be^rtsst zunächst den Gndanhea Ludwig’s, die Errichtung von 
SsDstohen graannter Art und besonders fär prophylahtiscfae Zwecke. Kach seiner 
Anäeht eignen eie sich hauptsächlich fOr solche Kranke, die an Furcht vor heran- 
oaheeder bezw. beginnender Seelenstörong (z. B. an ZwaogSTorstellangeu and Im- 
palsea) leiden. 

Krenser will Sanatorien für Morphinisten, Alkoholiker und Neurastheniker und 
Hfirwortet Ihre Verbindung mit TJebeigangsstationen für Beconvalescenten. 

Kräpelin wünscht gleichartige Einrichtungen wie die Staatsanstalten für die 
vaersn Klassen. Er erinnert an den Vorschlag von Hübins zur Errichtung von 
UffTenheilanstalien auch für Unbemittelte. In Heppenheim plane man eine ähnliche 
finrichtung. Er könne solche Kranke nicht in die Klinik aufnebmen, da das Statut 
4«r Irmklinik in Heidelbeig keine freiwilligen Aufnahmen zulasse. Für Genesende 
aekt er eine Unterbringnng in freien Abteilongen der Anstalt vor; jede Anstalt sei 
in der Lage ohne Mühe derartige Abtheilungen einzorichten. 

Wolff (Würzborg) erwähnt, dass die erwähnten Verwaltungsschwierigkeiten, die 
skk oft einer erwünschten raschen Anfnahme entgegenstellten, an der Würzburger 
Klinik nicht beständen, da die Klinik weiter nichts sei, als die selbständig gewordene 
Irmabthmlang des Jnlinsspitals; insbesondere käme die Klinik nie in die Lage, 
einem Nervenkranken die Anfnahme wegen Fehlens der Papiere verweigern zu müssen. 

Torster (Stephansfeld) glaubt, dass die Irrenanstalten dorch geeignete Ab- 
'AeQongen der Sanatorienfrage gerecht werden könnten. In Stepfaansfeld sei die Auf- 
uhme von Nervenkranken bezw. an leichter Secienstörung Leidenden gesetzlich 
nUssig. 

Kemmler (Zwiefalten) hält besondere Sanatorien für überflüssig. Für wohl- 
tzbende Kranke beständen Privatanstalten, für die Unbemittelten empfiehlt sich der 
iasehloas an eine Irrenanstalt. Für Reconvalescenten wünscht er „offene Abtbeilungen'^ 
4ie allerdings an den meisten Anstalten erst geschaffen werden müssten, sie seien 
aber ein onentbehrlicbes Glied einer vollkommenen Irrenanstalt. Wo besondere offene 
ibtheDungen fehlen, sollten wenigstens Sprechstunden für psychopathisch Minder- 
vvrthige in den Anstalten eröfoet werden. 

Als eine Verkennung der Sachlage durch die maassgebenden Instanzen bezeichnet 
er den Umstand, dass die Statoten der meisten Anstalten „freiwillige Aufnahmen'* 
rieht znlaasen. 

Für anheilbare Kranke, die keiner psychiatrischen Behandlung mehr bedürfen, 
m eine zweite, nach Art eines Sieebenhauses eingerichtete offene Abtheilung das 
Zweckmäasigste, da die betreffenden Kranken an ärztliche Pfiege und an Wartung 
nr geringe Ansprüche stellten. Nicht zn empfehlen sei die völlige Abscheidung 
ii«ser Kranken von der Irrenanstalt unter Zutheilung an besondere Pfiegeanstalten 
(Kreispflegeanstalteu, LandarmenaDstalten); wenn diese Haassregel jedoch nicht zu 
GDgebeu sei, so müsste einb sachverständige Anfsicht durch einen Irrenarzt vor¬ 
handen sein. 

Kratz (Heppenheim) erläutert den Vorschlag Lndwig’s, die Gründung beson¬ 
dere Sanatorien. Dieser Vorschl^ finde sich in dem Bericht des hessischen Unter- 
etätzungsvereins für bedürftige Geisteskranke vom Jahre 1S95. Dieser Verein 
beabsichtigte damals: 

1 . Die Errichtong sogenannter Geoesnngshänser, kleine Asyle für höchstens 
3 bis 4 Kranke, auf Vereinskosten; diese sollten gewissermaassen eine Art erweiterte 
Familieopflege darstellen für nervöse Kranke und Reconvalescenten besonders höherer 
SUsde. 

2. Wurde damals vou dem Verein angeregt, dass die hessischen Provinzen mit 
tmatlicher Subvention Siechen- oder Pfiegeanstalten errichten sollten, in denen ausser 
körperiieb Siechen alle die Pfleglinge der staatlichen Irrenanstalt, die der ununter- 


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brochenen ärztlichen Ueberwaebung und Bebandlnng nicht mehr bedfirfen, sowie auch 
die Reconvalescenten aus den breiten Schichten der Bevölkerung zu verpflegen seien. — 

Die Verwaltung jenes V'ereins hat ihren damaligen Standpunkt jetzt in Folgendem 
geändert. Die Errichtung von Genesnngshäusem, also der eben erwähnten Sanatorien, 
ist nicht räthlich, da die wenigen Patienten, die sich fflr diese Behandlnng eignen, 
leichter und billiger in einfacher Familienpflege verpflegt sein dürften. Auch der 
Gedanke, einen grösseren Bruchtheil der Beconvalescenten von Geistesstörung ein 
Durchgang* und Probestadinm in der Frovinzialpflegeanstalt durchmachen zn lassen, 
sei anfgegeben worden. Dagegen verspräche sich der Verein von den zu errichtenden 
Frovinzialpflegeanstalten grosse VortheUe, sobald diese nur solche Kranke aufneLmen, 
die einer directen Wartung und Pflege nicht mehr bedürfen, jedoch in Folge ihrer 
Unselbstständigkeit einer gewissen sachverständigen fremden Leitung und Unter¬ 
stützung bedürfen. 

Als besondere Vortheile für die Anstalt und die Fürsorge der Kranken ergäben 
sich daraus: 

1. Eine unbeschränkte Aufnahmefähigkeit für jeden Kranken. 

2. Die Möglichkeit, in einer staatlichen Irrenanstalt eine Abtheilung für nervöse 
Kranke zu errichten. 

3. Die Hoffnung, dass auch in der öffentlichen Anschauung über Irrenanstalt 
und Geisteskrankheit eine wesentliche Aenderung eintrete, wenn die Anstalt nicht 
mehr ausschliesslich die Bewahranstalt auf Lebenszeit darstelle. 

Fürstner bemerkt, dass sich auch in Elsass*Lothringen das BedÜrfniss nach 
solchen Einrichtungen geltend mache, wie sie Baden in den Kreispflegeanstalten 
besitzt Die Verpflegung in diesen Anstalten ist immerhin eine anerkeuneuswerthe 
und bessere, als in vielen Familien. 

Viele solcher Anstalten, wie die in Freibnrg, werden masterhaft geführt. 

Den Sanatorien stehe er skeptisch gegenüber. Hier sollte man die Wünsche 
mehr beschränken und den Hebel da ansetzen, wo etwas zu erreichen ist 

Zn empfehlen sei die Verbindung von Aufnahme*AbtheiIui^en für nervöse Leute 
mit den psychiatrischen Kliniken. Die Idee der Errichtung von besonderen Becon- 
valescenten'Abtheilungen bei den grossen Heilanstalten halte er für leichter durch¬ 
führbar, als die Errichtung von Sanatorien. 

Man sollte versuchen, Anstalten, wie die Kreispflegeanstalten, zu gewinnen für 
die Aufnahme von in der Irrenanstalt Genesenen, die eine specielle ärztliche Be¬ 
handlung nicht mehr bedürfen; solche Beconvalescenten, von denen eine bestimmte 
Genesung noch zweifelhaft ist, sollten in hierfür geschaffenen Abtheilungen in den 
grossen Irrenanstalten verpflegt werden. Der freien Behandlung der Kranken in den 
Anstalten sei grosse Aufmerksamkeit zuzuwenden. 

Emminghaus erwähnt, dass in Freiburg, wo die Zahl der aufgegriffenen 
Geisteskranken relativ ziemlich gross sei, die medicinische Klinik zur provisorischen 
Anfnabme der meist sehr unruhigen Kranken nicht geeignet sei, und man deshalb 
an die Errichtnng einer besonderen Aufnahme-Abtbeilung als Appendix der psy¬ 
chiatrischen Klinik bereits gedacht habe, von wo dann die Kranken entweder der 
Klinik zugeführt oder wieder entlassen werden, je nach ihrem psychischen Verhalten. 

Als einen Uebelstand bezeichnet Kräpelin die vorläufige Unterbriugung der 
Geisteskranken. Solche Kranke könnten jeden Aogenblick in die Krankenhäuser 
untei^ebracht werden, während der Unterbringung der Kranken in die psycbiatriscben 
Anstalten Schwierigkeiten entg^enstehon. 

Battlebner widerlegt entschieden die hervorgetretene Ansicht, als würden acute 
Geisteskranke in Gefängnissen untergebracbt. Das sei in Baden durcliaus verboten. 
Bezüglich der Kreispflegeanstalten erklärt er, bestehe die strikte Vorschrift, dass in 
solchen Anstalten acute heilbare Geisteskranke nicht anfgenommen werden. 

Arnsperger betont, dass in ganz Baden in allen Krankenhäusern Abtheilungen 


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45 


für die sofortige Aufnahme Nervenkranker, da die Behandlung von Nerven- 
innies io solchen Anstalten dorchaus wQnschenswerth und nothwendig sei. Der 
Suit kunoe aber solche Anstalten nicht errichten, da andere Anstalten (z. B. für 
Lssfakraoke, Potatoren und Morphinisten) nothwendiger seien. 

Fftretner resnmirt, die Discnssion habe die Ansicht hervortreten lassen, durch 
k Kreispflegeanstalten könnten die Staatsanstalten entlastet werden durch Aufnahme 

in Staatsanstalten gewesener Geisteskranker. BezQglicb der Errichtung von 
Scatorien gehen die Ansichten auseinander, einig sei man darüber, dass die Er* 
ndittDg von Reconvalescenteu'Abtheilongen in den Stsat-sanstalten wQnschenswertli 
^ dflrchnilirbaT ist. 

Ee bestehe das Bedfirfnlss nach Erleichterungen der Aufnahme von nervösen 
Koliken in Stadtasyle und Kliniken. 

Ee schloss sich hieran der Austausch von Erfahrungen mit der familiären Ver- 
von Beconvalescenten. 

Emmlnghaus theilt mit, dass die regelmässigen Erkundigungen nach dem 
Befinden entlassener Patienten, wenn sie aaffallend (durch Schutzleute) geschahen, 
cnDgRiehin empfunden wnrden, dass sie aber sonst ein werthvolies Material zur 
Beeütignng dar Diagnose: Heilung, Besserung, Nichtgeneseusein seien. 

Krenaer bemerkt, dass solche Erkundigangen in Württembeig nicht stattfänden. 
ih* ungänstigen Nachrichten kämen schon von selbst. Auch aus anderen Gründen 
iäen derartige Erhebungen nicht ervflnscht. 

Eckhard erwähnt, dass die Zahl der Kranken in Klingenmünster, die sich in 
Privatpfl^^ begeben wollten, eine beschränkte sei. Die meisten Kranken erklärten: 
rran wir hinaus dhrfen, so wollen wir auch in unsere eigene Familie. Die Familien* 
päege habe zwar keine besonders günstigen Besnltate eigeben, doch lless sie sich 
dcrchföhren, da die Kranken mehr in Connex mit der Anstalt blieben, als in anderen 
instalten, und die Pfleger, von der Bezahlung abgesehen, von der geleisteten Arbeit 
itr Kranken wiele Yortheile hätten und diese deshalb dankbar annähmen. Die Be* 
oandlnng sei gut, die Beköstigung einfach, ländlich, wie es die betreffenden Kranken 
v'w so Hanse aus gewöhnt seien. 

Bieberbach (Heppenheim) spricht sich nach seinen in Hofheim gemachten 
Beobachtungen gegen die Familienpäege aus. Eine zweckentsprechende Familienpflege 
besäe sich nnr durchführen, wenn auch die ärztliche Controle eine scharfe sei; dies 
Mi jedoch nicht immer möglich. Er hätte bei ca. 20 Kranken durchweg die Er* 
t^iuung gemacht, dass die Familienpflege nur zu egoistischen Sonderbestrebungen 
fähre. 

Kemmler berichtet über die familiäre Fürsorge, die von der Pflegeanstalt Zwie* 
fallen aus in den Dörfern der Umgebung seit nunmehr iVj Jahren versuchsweise 
eingerichtet worden sei und bis jetzt recht günstige Erfolge gezeitigt habe. Die 
Fürsorge für Geisteskranke ausserhalb der Anstalt scheitere gewöhnlich an der Geld¬ 
frage. Sind genügende Mittel vorhanden, so könne bei einigermaassen gutem Willen 
iweckentsprechende Aufsicht und Fürsorge für ruhige Geisteskranke überall gefunden 
verdeu. Die Umgebung Zwiefaltens sei besonders günstig für eine gute Familien* 
was schon in den Traditionen der Anstalt begründet sei, worauf Redner noch 
über eingeht Hoffentlich werde überhanpt in nicht allzu ferner Zeit eine Organi* 
wUon der geeammten Irrenfürsorge ausserhalb der Anstalt erreicht werden, die dem 
(«üaeseoeo Geisteskranken die Mittel zu genügender Verpflegung und die Sicherung 
«inar guten Pflege durch ärztliche Aufsicht verschafft. Auf Grund seiner Erfahrungen 
vtsee er sich dabin aassprechen, dass jeder grösseren Irrenanstalt die Familienpflege 
flmraihen sei. 

Ffirstner ist der Ansicht, auf amtlichem Wege Erkundigangen nicht einzuziehen 
Über die ans der Anstalt Entlassenen. Hingegen werde es stets von den Angehörigen 
üa Tkeilnahme begrüsst, wenn gelegentlich ärztliche Erkundigungen erfolgen. 


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46 


Damit schloss die Discassion. 

Nach einer Schlnssbemerkang des Referenten wurde beschlossmi, im Anschluss 
an die erledigte Debatte das Thema: Die Lage der Irrenftireoi^ in Baden zur 
Besprechung zu bringen. 

Den Vortrag hielt Kräpelin (Heidelberg). Er ftihrt Folgendes aus: 

Die Entwickelung der Fürsorge für die Geisteskranken in Baden ist im eilten 
mit der Entwickelung der Heil- und Pflegeanstalt in Pforzheim, die die erste der¬ 
artige Anstalt in Baden war, verknflpft. Dann folgte 1826 die Ueberf&brung der 
Geisteskranken nach Heidelberg, 1842 wurde Illenau erbaut, 1874 die Klinik in 
Heidelberg, 1889 die Anstalt Emmendingen, 1886 die Klinik in Freibuig. 

Insgesammt sind in den Staatsanstalten z. Z. 2210 Plätze für Geisteskranke 
zur Verfügung. Trotzdem entspricht diese Fürsorge nicht mehr dem Bedürfniss, es 
besteht bereits eine Warteliste. 

Die Zahl der Geisteskranken ist in starker Zunahme begriffen, ausserdem ist 
in den Familien weniger Neigung vorhanden, die Geisteskranken bei sich zu ver¬ 
pflegen. In Baden kommt auf 663 Einwohner ein Geisteskranker. 

Es hat sich ergeben, dass heute auf je 500 Einwohner ein Platz in der Irren¬ 
anstalt offengehalten werden muss. Für Baden seien dadurch 3000 Plätze erforderlich, 
während nur 2210 vorhanden sind. Hierdurch ergebe sich eine Verzögerung der 
Aufnahme der Kranken, andererseits eine Entlassung aller nur irgend entlassungs- 
ßhiger, sowie eine Anhäufung der Geisteskranken im Lande. Somit bestehe in Baden 
grosse Unzulänglichkeit in der Irrenfürsorge. 

Eine Verbesserung dieser Verhältnisse sei nicht zu erwarten, wohl eine successive 
Verschlechterung. 

Zur Schaffung der Abhülfe gebe es mehrere Wege. Zunächst die Erweiterung 
der bestehenden Irrenanstalten. Da ergebe sich Folgendes: Die Erweiterung der 
Anstalt Emmendingen, die schon 900 Plätze bat, lasse sich auf Ober 1000 Plätze 
nicht gut ausffibren. Illenau Hesse sich auf 2—300 Plätze erweitern, auch seien 
hierfür in das Budget 600,000 Hark eingestellt, doch wurden nur 60 Plätze ge¬ 
wonnen, weil noch andere Bauten von dem Gelde ausgeführt werden sollen. Eine 
Erweiterung der Anstalt Pforzheim komme gar nicht in Betracht. 

Die Privatpflege habe sich durchaus nicht bewährt. Es bleiben die Kreispflege¬ 
anstalten. In diesen seien 44,4 Geisteskranker im weitesten Sinne, 25,9 
Geisteskranker mit erworbenen Seelenstörungen. Die Verhältnisse in diesen Kreis- 
pflegeanstalten entsprechen den Anforderungen nicht, es mangele an Wärterpersonal, 
an Abschliessung der Kranken, an Differenzirung u. s. w. Er selbst habe erhebUche 
Uissstände angetroffen. Er habe Geisteskranke geschlossen, unreine auf den Stuhl 
festgebunden, andere mit Handschuhen gesehen. 

Der Procentsatz der Geisteskranken sei von 12,3 im Jahre 1889 auf 25,9 
bis 1895 gesti^en. Die Grenze des Zuträglichen in den Kreispflegeanstalten sei 
schon heute erreicht, wenn nicht überschritten, es könne nur noch eine Verschlechterung 
eintreten. 

Nach alledem bleibe nur der Neubau einer Irrenanstalt übrig. Ein Ausweg 
lasse sich vielleicht dadurch Anden, dass man die Kranken auswählt und für die 
weniger gefährlichen bilHge Pflegeanstalten errichtet. Zur Verringerung der Lasten 
fllr die Pflege der Irrsinnigen Hessen sich diese Pflegeanstalten vielleicht unter ge¬ 
wissen Kantelen unter Selbstverwaltung stellen. Die Regierung müsste die Revision 
regelmässig ausführen und die Besetzung des Postens des Directors ausüben. Als 
Directoren dürfen nur Psychiater mit mehrjährigen Erfahrungen gewählt werden. 

In Hessen dürfte diesem Plane in naher Zeit näher getreten werden. Zur 
Durchführung von Verbesserungen auf dem Gebiete der Pflege der Geisteskranken 
dürfte die Mitwirkung von Sachverständigen von grossen Werth sein. 


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47 


Die insteiloDg von Landespsjchiatern habe sich als eine ausserordentlich 
iciklite Snrichtang enriesen. Zu empfehlen sei dagegen die Bildung von Sach* 
intiiuligeo-ConfOTenzen. Eine weitere Forderung sei die Angliedenmg der Kliniken 
a die Krankenhäaser. In Ueidelberg bestehen in dieser Hinsicht bedauerliche 
hRude. 

(Johaltbar sei auch die Definition fOr die Ueberführung der Kranken. 

Ke Hauptfrage sei doch die, ob ein solch Unglacklicher der Pflege in einer 
ema Irrenanstalt bedarf oder nicht. 

Es müsse anerkannt werden, dass Baden f&r die Förderung der Irrenpflege 
pwe Opfer gebracht, es sei das erste Land gewesen, das eine Irrenklinik ge- 
«tiSeo. Die Anforderungen schreiten aber anf diesem ciebiete sehr rasch vorwärts. 
Ti Schritt damit zu halten, mflssten viele Schwierigkeiten beseitigt werden, undber* 
vadlich seien sie aber nicht. 

Arnsperger giebt zn, dass die Verhältnisse in vielen Fällen thatsächlich so 
iagta, wie sie Kräpelin geschildert, nnd der Aenderung bedOrfen. So schlimm 
TW in Heidelberg seien die Verhältnisse in Pforzheim, Ulenau und Emmendingen 
adit Die Heidelberger Klinik sei für 100 Kranke eingerichtet, ihr Aufnahmebezirk 
■thm aber eine Seelenzahl von 640,000. 

0«r Aufnahmebezirk Illenau zähle nur 664,000 Einwohner bei einer Aufnahms« 
von 500 Kranken der Anstalt Der Aufnahmebezirk für die Freiburger 
Dii^ ähle 406,000 Einwohner bei 100 Plätzen der Klinik. Die Regierung sei 
43l in Entschiedenste bestrebt. Abhülfe zn schaffen. Dieserhalb sollen die Bezirke 
Bredsn und Bruchsal vom Heidelberger Aufnahmebezirk getrennt und Pforzheim zu* 
nthalt werden. Die Emmendinger Anstalt soll eine eigene Anstalt für verbrecherische 
'jtiriegbanke erhalten. Die Kreispflegeanstalten seien von grosser Bedeutung für 
oeinfnaboe unheilbarer Geisteskranker. Dem Landtag werde eine Vorige zugehen 
T!fn Erweiterung der Irrenanstalt lUenau und Emmendingeo. 

Battlehner giebt den Psjchiatem die Schuld, wenn bei uns das Irrepflege* 
TMeu stagulrt und man in Baden nicht mit der Zeit fortgeschritten sei. 

Die B^erung sei für kommissarische Beratbang in den einschlägigen Fragen; 
iw einüge Bestimmong, die durchführbar sei, rühre von den Psychiatern selbst her. 
Kt iier besseren Differenzirnng gehe mau vor; die Einrichtungen in der Kreispflege* 
usult Hub zeigten dies, die Ereispflegeanstalt Freibui^ solle sogar in drei ver* 
^kiedeue Anstalten, für die unreinen Geisteskranken, für die übrigen Geisteskranken 
ml für die sonstigen Kranken gegliedert werden. Auf das Entschiedenste verwahrt 
s »dl gegen die von Kräpelin erwähnte Behandlung in den Kreispflegeanstalten. 

Ffirstner giebt ebenfalls den Psjchiatem die Schold, wenn Baden nicht mit 

A&fordemngen der Zeit fortgeschritten sei. Die misslichen Zustände in Heidel* 
^ seien noch gerade so wie zu seiner Zeit 

Der Aufnahmebezirk für Heidelberg sei nicht zn gross, es müsse nur für eine 
l.«te BTacuation gesorgt werden. 

Br Mi zu einer flotten Evacuation sogar gesetzlich gehalten, seine Klinik zähle 
-V 80 Betten und bewältige im Jahre 400 Aufnahmen. 

Kräpelin erklärt sich entschieden gegen die Verkleinerung des Aufnahme* 
der Heidelberger Klinik; eine solche Maassregei könnte verbängnissvoll 
Die Klinik solle nur eine Vermittelungsstelle sein, es müsse ihr die Mög* 
einer flotten Evacuatioo gegeben werden. 

Aruiperger hält ebenfalls eine Besserung der Evacuatioo der Heidelberger 

für dringend notbwendig. 

Battlehner bemerkt in Freiburg und Illeoau gebe die Evacuatioo flott, nur 
^ Hridelbetg stagnire sie. In das Krankenhaus müssten die Kranken aufgenommen 
weil sie in die Klinik nicht aufgenommen werden könnten. 


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48 


Fürstner widerspriclit Battlehner, die Heidelberger Klinik könne noch 
100 Äufnahmen mehr leisten, aber die Evacuation müsse flott geben. 

Kräpelin will .den Beweis seiner Ausführungen betreffs der Heidelbei^r Klinik 
actenmässig erbringen. 

schloss die Discussion und nach kurzen geschäftlichen Hittbeüungen die 
erste Sitzung um 7 Uhr. Dörner (Preiburg i./ß.). 

(Schluss folgt ) 


IV. Vermischtes. 

Gerade so wie bei nns bemühen sich auch in Belgieu die Irrenärzte, das Wartepersonal 
za beben and auch dort hat man als ein sehr geeignetes Mittel dazu den regelmä'Sigeu 
Unterricht des Personals erkannt. Bei dem Heinangsaostaaseb, der über diesen Pnnkt der 
Socidt^ de mddicine mentale stattgofnnden hat (Bulletin ron Juli 1897), war man im Allge¬ 
meinen (ebenso wie bei uns) der Ansicht, dass das Handbook for attsmdents der englischen 
medico-psychologiscben Qesellscbafc bei weitern über das Haass dessen herausgeht, was ein 
Wärter zu verstehen vermag oder zu wi8.-en braucht. Ebenso wie auf der Jahresversammlang 
deutscher Irrenärzte zu Hannover wurde auch hier der Wunsch ausgesprochen, ein brauch¬ 
bares Lehrbuch zur Wiederholung dessen, was es in den Coterriebtsstanden gehört bat, dem 
Personal in die Hand zn geben. Als hindernd für einen zweckmässigen Unterricht wurde 
der grosse Wechsel des Personals bezeichnet: Cuylits hat deshalb aus der Zahl seiner 
Wärter zwei oder drei berausgesuebt, von denen er annahm, dass sie länger in der Anstalt 
bleiben würden, und diesen hat er eingehenderen Unterricht ertheilt; wenn er ihnen dabei 
Teiuperaturmessen gelehrt hat. so ist dagegen nichts zn sagen; höchst befremdend wirkt 
aber auf nns, dass er ihnen die Technik su^utaner Injectionen beigebracht hat. Es ist dies 
wohl d.iraus zn erklären, dass nur in der Minderzahl belgischer Anstalten Aerzte wobneo, 
dieselben vielmehr lediglich täglich zur Visite in die Anstalt kommen. — Ueber die Diplo- 
mirong des Wartcpersonals wnrde in der Debatte nicht gesprochen. Lewald. 


Im Staate Michigan ist folgender Gesetzvorscblag dem Parlamente zngegangen, der 
gute Chancen für eine Annahme haben soll (The Alienist and Neurologist. 1897. Juli. 
St. Louis): 

1. Alle jetzigen und künftigen Insassen des Hospitals für Schwachsinnige und Epilep¬ 
tiker sollen vor ihrer Entlassnng einer Operation nnterworfen werden, die „Asezualisation** 
zur Folge hat, derart, dass eine solche Person aosser Stande ist, ihre Art fortzapHanzeu. 

2. Die gleiche Operation soll an allen Verbrechern vollzogen werden, welche wegen 
Kapitalverbrechen zum dritten Male vcrurtbeilt werden. 

3. Die Operation soll vom Arzte der betreffenden Anstalt oder des betreffenden Gefäng- 
nisses vorgenommen werden ohne Anspruch auf Extrahonorar; ein zugezogener Arzt darf 
nicht mehr als 25 Dollars Honorar dafür beKommen. 

4. Vor der Vollziehung der Operation ist der Aufsichtsbehörde Mittheilung zu machen, 
welche spätestens 10 Tage vor der Operation die Augehörigen des betreffenden Individuums 
in Kenntniss zu setzen hat. 

5. Die gleiche Operation soll an Leuten vollzogen werden, welche w^en Nothzuciit 
1 ‘echtskräftig verurtheiit worden sind. 

6. Strafbestitnrnungen für die Anstaltsvorstände, die den Vorschriften dieses Gesetzes 
nicht nachkommen. 

Man darf anf das Schicksal dieser Bill im Parlamente von Michigan wohl gespannt 
Bein. Lewald. 


V. Personalien. 

Unser verehrter Mitarbeiter Herr Oberarzt Dr. Pani Näcke wurde zum Ehreumit- 
gliede des Vereius der holländischen Irrenärzte erwählt. 


Um Einsendnng von Separatabdrücken an den Heransgeber wird gebeten. 

Einsendungen für die Bedoction sind zu richten an Prof. Dr. E. Mendel, 
Berlin, NW. Schiffhanerdamm 20. 

Verlag von Vbit & Comp, in Leipzig. — Druck von Mbtzosr & Wittio in Leipzig. 


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9 AusfilhrL Gratis-Prospckte d. d. äirtl. Leiter: Dr. Patzar u. Dr. Winobenbaoh. 


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durch den Besitzer und dirigirenden Arzt 

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^ groesentheils renoyii*t, ist das ganze Jahr geöffnet Geisteskranke ausgeechlossen. 
4 Näheres durch Dr. Kny und Director Butin. 

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auafthrlioben Froepect 

Dirig. Arzt Dr. C. £. Hoestermann. 


Verlag von Auguat Uirnchwald in Berlin. 


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Archiv für Psychiatrie 

und Nervenkrankheiten. 

Herausgegeben von Prof. Dr. L. Meyer in Göttingen, Prof. Dr. C. Fürstner in 
Strassburg, Prof. Dr. F. Jolly in Berlin, Prof. Dr. E. Hitzig in Halle, Prof. Dr. 

E. Siemerling in Tübingen. 

Unter Mitwirkung von Prof. Dr. Koppen redjgirt von F. .Jolly. 

30. Band. 1. Heft, 
gr. 8. Mit 8 Tafeln. 15 Mark. 

Druck voo Mctigar * Wlttlf Io L«piifr. _ 


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MmoCISniES CrNT1!ALP.L ATT 

Üebefsicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie. pLthoiogIf 
und Therapie des Nervensystems einschliesslich der Geisteskrankheiten. 

i\ iA^ Heraosgegeben tod 

Professor Dr. E. Mendel 

Siebzeboter m B«riiD. Jaar.'^a.Dg. 


Ijsaii.'» ereeb^neD zwei Nommera. Preis des Jahrganges 2^ Mar';. Zu beziehen durc! 
•Ce B<i..*'(ihaD^uDgen des In- und Auslandes, die Postanstalten Deutschen Beichi 
sowie direct von der VerlagsbnchhandJ ag. ^ 

^8. 15. Januar. Nr. 2 


Leipzig, 

Verlag von Veit & Comp. 
1898. 







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dar<^ den Besitzer und dirigirenden Arzt 

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Pankow bei Berlin ❖ Breite-Strasse 32. 

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Dr. Uaass. Br. tföhring. 








FEL' 25 188t 


lEÜROLOGlSCHES CeNTRALBLATT. 

Qpfcefsicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie 
■ und Therapie des Nerven^tems einschliesslich der Geisteskrankheiten. 

HentQigegebeQ toq 

^ Professor Dr. E. Hendel 

Abbiehster “ Jahrgang. 


JUlntlieh eneheioen xwei Kammern. Preis des Jahrganges 24 Hark. Zn becieben dnich 
tl^Bnehhandlnngen des ln> and Aoalandes, die Postanstalten des Deatscben Beichs, sowie 
direct Ton der Yerlagsbacbhandlang. 


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15. Januar. 


Nr. 2. 


I. OriginalniiUiellniteii. 1. üeber einen Fall von traamatisober Lähmong des Plexos 
IrtilWstis (sog. Erb'scher combinirter Sobolterarmlähmang), tod Dr. med. Cbr. Ratck in 
Siiaa K. L. 2. Zar Elektrodiagnostik der Ocalomotoriaslähmangen, von Dr. J. K. A. Wertbela 
SilNiOMOn. 3. Ein Fall von Bembardt'scber Sensibilitätsstömng am ObOTschenkel, von 
Da A. Oead. 4. Zar Localisation des Moskelbewasstseins auf Qrond eines Falles ron traa- 
anfiscber Eopfrerletzong, von Dr. Wladlinfr Maratow , Priv.-Doc. an der Universität za Hoskaa. 

U. Referate. Anatomie. An ezperimental rcsearch npon cerebro'cortical afferent and 
^tent traeta. by Ferrier and Turner. — Experimentelle Physiologie. 2. Contribato 
sHetadio della nnclinazziooe nelle vie di projezione del sistema nervoso centrale, per «fAbundo. 
3. a* theorie des neorones en rapport avec Texplication de quelqnes ctats paychiqaes nor- 
MÜS patbo](^qae8, par SeuUuuioff. 4. Les neorones. Les lois fondamentales de leara 
diiiBdresceiices. par Klippel. — Pathologische Anatomie. 5. Sar les alt^rations des 
«penta nerveaz dana la dyscrasie nremiqae experimentale, par Sacerdottl et Ottolenghl. 
A 'Bolle alterazioni d^li elementi nervosi nelr inanizione, per Lugaro e Chiezzl. — 
PlAbologie des Nervensystems. 7. Oasnistische Mittbeilongen ans dem Gebiete der 
Sirvcobeilkonde, von Egger. 8. Pvalisi periodica del trocleare con cefalea e nauaea, per 
S MMiberser. 9. Beearrensläbmaog bei Mitralstenose, von Ortner. 10. Ein Fall von Snpra- 
MBOlaräU^nng, von Ceebel. 11. Zar Lehre von den Arbeitspareaen an den unteren 
fivemitäten. von Krön. 12. Crampi profeasionale, per Pacettl. 13. Rifiessi dolorosi di 
«iiltte paichica e di natura profeasionale, per Mentesano. 14. Sopra ona forma rara di 
aimw profeasionale, per Mentenao. 15. Eine eigenartige Form von progressiver Haskeb 
atamie bei Goldpolirerinnen, von Getslor. 16. Paraeatbesis of tbe externid femoral rcgion, 
by Shaw. 17. Ein Fall von BemhardbRoth'scher Parästhesie (Paraestheaia n. cot fern, ext), 
ISS Donath. 18. Intomo ad alcnni panti della tearia di Bernhardt sulla paresteaia della 
esMia, per Nicke. 19. Ueber die Akroparäathesie (Schnitze), von Hatkovec. 20. Ein Fall 
von Dermatosis linearis neoropathica, von Laven. 21. Nenroflbroiuatose cnüuiäe avec xan- 
thase profond da bras droit, par Oetoro. 22. Kevromes g^näralisäa. Bdscction d’one gramle 
pai^ des nerfa m4dian et cnbital. Retablissement des fonctions motricc et senaitive. Poly- 
Qsd^e, par Plan. 23. 11 riflesao mnscolare provocato dei glatei nella nevralgia ischiatica, 
psr ls gro. 24. Ein Fall von chronischer Endometritis mit Eracbeinnngcn einer Herzneurose, 
im Zaaiazal. 25. Herzbeschwerden der Frauen, verursacht darcb den Cobabitationsact, von 
Mfc. 26. Paralyais of one tbird from baemorrhagic ncnritis, with eztravasation over tbe 
cfposite frontal lobe, by GIbaon and Turner. 27. Un cas de n4vrite 8y8t4matis4e motrice 
avea anasarqoe, par Osiorine et Miralüd. 28. Ueber septische Polrneoritis, von Kraus. 
29. Sn Versncb zur Bekämpfung der Beri'Beri, von Ei|kmann. 30. Endemie mnltiple neu* 
äii (Beri-Beri), by BonduranL 31. Periplaral nenritis connected with pregnancy and the 
pameial state, by Reynolds. 32. Ueber Neuritis poerperalis, von Saenger. — Psychiatrie. 
S3 l Betn^rad Amnesi efter Suspension, af Ponloppidan. -* Therapie. 34. De l’emploi du 
bsame de copabu dans lea sciatiqaes rebelles, par Glorieux. 

in. Aus den Gesellschaften. Verein für innere Medicin zo Berlin. — Aerztlicher Verein 
aHunborg. — 28. Versammlong der södwestdeotscben Irrenärzte in Earlsrnhe am 6. und 
T.Hevamber 1897. (Schluss.) — Gesellscbaft der Neuropatbologen und Irrenärzte zu Moskau. 

IV. BibliegragJile. Die Geschwülste des Nervensystems, von Dr. Ludwig Bruns. 

V. Personalien. 



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50 


I. Originalmittheilangen. 

1. lieber einen Fall von traumatischer 
Lähmung des Plexus brachialis (sog. Erb’scher combinirtei- 
Schulterarmlähmung). 

Von Dr. med. Chr. Raaoh in Sorau N. L. 

Wenn auch der nachstehende Fall im Drange der Praxis keine so gründ- 
Uche klinische Beobachtung erfahren konnte, als vielleicht wünschenswerth ge¬ 
wesen wäre, so dürfte derselbe doch nach mancher Richtung ein allgemeiaes 
Interesse auch für weitere Kreise bieten, welches seine Veröffentlichung berechtigt 
erscheinen lässt. 

Anamnese: 

H. Pr., 71 Jahre alt, Maschinenmeister aus B., ist erblich in keiner Weise in 
Bezug auf Mervenkrankheiten belastet. Bis vor Kurzem ist er stets gesund und für 
sein Alter sehr rüstig gewesen und ist seiner Beschäftigung auf der Hütte (Eisen¬ 
werk), wo er schon viele Jahre in Arbeit steht, nachgegangen. Er hat einen stillen, 
soliden Lebenswandel geführt und nach keiner Richtung hin excedirt; insbesondere 
wird Potus bestimmt iu Abrede gestellt. Pat. lebt in recht gnten Vermögens- 
Verhältnissen, frei von Kummer und Sorgen. 

Am 13. April 1890 stellte sich der Kranke mir zum ersten Male vor und gab 
an, am 26. Februar 1890 beim Heben einer schweren Maschine plötzlich 
einen heftigen Schmerz in der linken Schulter verspürt zu haben. Am 
Abend, als er nach Hause kam, war er nicht im Stande, seinen Rock auszuziehen. 
Obwohl die Schmerzen nicht nachliessen — eine äusserliche Verletzung war nicht 
zn sehen —, so ging er doch nicht zu einem Arzte, vielmehr wandte er sich au 
einen Kurpfuscher (Gliedsetzer), welcher die Schalter mit den Fingern gedrückt und 
gerieben haben soll. Schlimmer ist es angeblich mit seinem Leiden nach den Mani¬ 
pulationen des Gliedsetzers nicht geworden, allerdings auch nicht besser. 

In der Zwischenzeit ist er seiner Beschäftigung auf der Hütte, wo er schwere 
Arbeit nicht zu verrichten hatte —. seine Beschäftigung bestand in Beaufsichtigung 
der Arbeiter —, nachgegangen. Die Znnahme der Schmerzen in der Huken Schulter 
in der letzten Zeit und die Unmöglichkeit seinen Arm zu gebrauchen, veranlassen 
ihn nun ärztliche Hülfe aufzusuchen. 

Seine Hanptklagen sind augenblicklich lähmnngsartige Schwäche und 
lebhafte Schmerzen in der linken Schalter and im ganzen linken Arm. 
Die Schmerzen werden als „reissend'* und „zuckend“ bezeichnet 

Der körperliche Befund, den ich am 13./IV. 1890 erheben konnte, war 
folgender: 

Pat. ist ein grosser, kräftig gebauter Mann, für sein Alter sehr gnt conservirt. 
Allgemeiner Kräfteznstand gut 

Das Acromion linkerseite ist auf Druck schmerzhaft und zeigt in geringem 
Grade abnorme Beweglichkeit. Crepitation nicht zu fühlen. Keine Depression oder 
Dislocatiou des Knochens erkennbar. 


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la dra Koochen und Gelenken des Schultergürtels sind weitere Verletzungen 
sicht Dschweisbar, speciell an der Clavicula sind Zeichen einer Fractur nicht nach' 
nnrasan. 

Der linke Arm hängt schlaff herab, Pat. ist weder im Stande, den 
Oberarm gegen die Schulter, noch den Vorderarm gegen den Oberarm 
u beTegen, während der Gebrauch der Finger und der Hand möglich ist. Der 
1. coeoUaris, pectoralis, infraspinatus, deltoidens und biceps linkerseits deutlich 
itrepbisch und auf Druck empflndlicL Der linke Vorderarm ist im Ganzen (Beuger 
vie Strecker) atrophisch, die einzelnen Muskeln fühlen sich Tiel schlaffer an als 
nehta Die Muskulatur des linken Daomenballens weist gleichfalls deutliche Atrophie 
uL Die Interossei scheinen gegen rechts nicht atrophisch. 

Druck auf den Plexus brachialis linkerseits ist änsserst empfindlich; es wird 
dabei fibm* aosstrahlenden Schmerz bis in die Fingerspitzen geklagt; auch die peri' 
pbwe Bndaosbreitnng des Geflechtes (in der Achselhöhle, im Snlcus bicipitalis, 
Sflkos ulnaris, Spatia interossea) zeigt dasselbe Verhalten. Bei Versuchen, active 
Beveguogen im linken Scbnltergelenk auszuführen, treten sehr lebhafte and äusserst 
sduuenhafte ui^leichmässige Zucknngen hauptsächlich im Biceps, Deltoidens und 
rriceps auf, bald hier, bald dort Bei passiven Bewegungen treten gleichfalls sehr 
heftige schmerzhafte Zuckungen in den genannten Mnskelgebieten auf; auch bei 
hagerer Buhe beobachtet man fibrilläre und gröbere Zuckungen im Biceps 
ud Deltoidens. 

in der Streckseite des linken Vorderarms, etwa in der Mitte, findet sich eine 
etfa handtellergrosse circomskripte Stelle der Haut, welche sich heisser an- 
fühlt als die Umgebung und lebhaft geröthet ist (vasomotorische Störung), 
ggentliche Entzündongserseheinungen fehlen. Die Abgrenzung dieser gerötheten 
Partie gegen die Umgebung ist eine ziemlich scharfe. 

Sonst sind trophiscbe Störungen an der Haut des linken Arms nicht nachzu- 
veisen; die Kägel an den Fingern bieten nichts Auffälliges. 

Die Muskelkraft ist links sehr bedeutend herabgesetzt, der Händedruck viel- 
pringer als rechts. 

Die Sensibilität ist am ganzen linken Arm und in der Schultergegend er¬ 
heblich herabgesetzt. Am Bumpf und an der linken Unterextremität sind 
SeusibUitatsstöruDgen nicht nachznweisen. 

Pat. klagt Über das Gefühl von Tanbsein in den Fingerspitzen der linken 
Haad. 

Die Untersuchnng der inneren Organe eigiebt im Uebrigen durchaus normalen 
Befund. Urin frei von Eiweiss and Zucker. Körpertemperatur normal. 

Ueber die Psyche des Kranken ist nichts Besonderes zu bemerken. 

Ordination: Bettruhe, Mitella, kleinere Dosen Autipyrin. 

2Ö./1V. 1890. Im Snlcus ulnaris linkerseits deutliche Verdickung des 
Nerven zu fühlen. Seit einigen Tagen hat sich das Gefühl von Taubsein in den 
VuigerD vermehrt Pat hat öfter das Gefühl, als ob kleine Thiere (Fliegen) 
*ef der Hand hernmliefen. Klagt über Flimmern vor den Augen. Sehr 
lUrker Tremor an der linken Hand. 

2./V. Seit einigen Tagen Kopfschmerzen, sehr viel Schmerzen im Arm. 
Parästhesieen dieselben. Flimmern vor den Augen geringer. — Obstipation. 

16./V. Stai idem. — Phenacetin 0,5 drei Mal täglich. 

4./VI. Viel Schmerzen im linken Ann während der stürmisch-kalten T{^e. 

26./VL Kl^ jetzt über Schmerzen von der Fossa supraclavicnlaris an den 

hin aasstrahlend. Jetzt aoch Klagen über Schmerzen and Schwäche im 
Unken Bein. Der N. iscbiadicus ist anf Druck in seiner ganzen Endausbreitung 
■chmerzbaft Atrophie der Beinmuskulatur ist nicht bemerkbar. Keine Oedeme. — 
Halbseitiges (links) Schwitzen beim Gehen. Klagt über häufiges Kribbeln 

4 * 


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im linken Arm. Die Fanctionsstörnng des Arms hat keine wesentliche Aenderang^ 
erfahren. Die rothe Stelle an der Streckseite des Vorderarms ist verschwonden. 

Am 28./yi. wurde PaL auf meiuen Bath der UniTersitfttsklinik in E. flber- 
wieeen, haupts&ohlich um eveni eine elektiische Behandlung zu ermöglichen. 

Am 2./yiII. kehrte Pat von K. znrftck und stellte sich mir am 18./yiII. wieder 
ror. Die ^hmerzen sind etwas besser, sonst ist der Zustand TöUig unTerftndttt. 

16./yill. Die ganze linke Körperhftlfte schwitzt stark (Pat ist eine 
halbe Stande sehr langsam gegangen); die rechte Seite ist völlig trocken, fieim 
Gehen Schmerzen in der linken Höfte. Die isehiadischen Schmerzen bestehen fort, 
Druckpunkte gleichfalls sehr schmerzhaft. Pat kl^t auch über „Sengein“ (Brennen^ 
in der Haut des Unken Beins. — Bekommt wieder Antipyrin. 

21./yni. Wieder mebr Schmerzen, besonders im Unken Arm (Unwetter!). 

6./il. Seit gestern ist die circumscripte Hantröthe an der Streckseita 
des linken Vorderarms wieder aufgetreten, im Uebrigen ist der Zustand dea 
Unken Arms g&nzlich unverändert Brausen auf dem Unken Ohr, Düsigkeit d. h. 
Schwindelgeföhl im Kopf beim Geben. Diarrhöe. 

12./XI. Diarrhöe ist vorOber, sieht recht angegriffen und elend aus. 

9./I1. 1891. Pat steUt sich mir behufs AussteUung eines Gutachtens wieder 
vor. Die Klagen über den Unken Arm sind dieselben wie bei der ersten Unter¬ 
suchung. Zeitweise sind die Schmerzen weniger heftig, zu Zeiten exacerbiren die¬ 
selben indessen recht stark. Ganz frei von Schmerzen ist Pat. nie. In der Hand 
bat er das Gefühl von Taubsein; es ist ihm so, als wenn die Hand todt und ab¬ 
gestorben wäre; er muss die Hand dann reiben. 

Ende September vorigen Jahres steUten sich Schmerzen in der Unken Kopf- 
hälfte ein; jetzt hat er auch ziehende neuralgische Schmerzen im linken 
Unterkiefer. 

Zeitweise besteht linkerseits Thränentränfeln und wässeriger Ausfluss 
aus dem linken Nasenloch. 

* Pat klagt über ein Gefühl von „Steifigkeit“ und Tau.b8ein in der linken 
Gesichtshälfte; er hat dass Gefühl, als „ob die Haut hier festsitzt“. 

Klagen Ober Schwäche und Schmerzen in der linken Hüfte und im 
linken Bein; mitunter Nachts „Ziehen“ nnd „Krämpfe“, Zusammenziebungen in der 
Muskulatur des Beines — Pat s^: es kommen „Knubben“ s Knoten —; das Bein 
wird ihm dann ganz steif; Gefühl von Brennen und Sengein im Bein. 

Der Schlaf ist in Folge der Schmerzen oft gestört Das Allgemeinbefinden hat 
sich verschlechtert, das Körpergewicht hat abgenommen. 

Wae den objectiven Befand anlangt, so ist die Acromialfractur ohne Dislo¬ 
cation geheilt. 

Die Functionsstörung des linken Arms ist genau so, wie bei den 
früheren Untersuchungen featgestellt wurde. Die Lähmung hat keine 
Veränderung erfahren; auch die SensibUität ist nicht gebessert. Die Atrophie 
der Armmnskulatnr hat etwas, doch nicht sehr erheblich, zugenommen. 

Die Halswirbelsäule erweist eich bei Druck auf die Domfortsätze recht 
empfindlich. 

Die Symptome an der Unken unteren Extremität sind ganz die gleichen, wie 
am 28./VI. v. J. Bei der Prüfung der DruckempfindUchkeit lebhafte fibrilläre 
Zuckungen in fast allen Muskeln des Unterschenkels. Der Patellar- 
Sehnenreflex fehlt links. Herabsetzung der Hautsensibilität an dem 
ganzen linken Bein. 

Weder an der oberen, noch an der unteren Extremität sind Störoi^en des 
Wachsthums der Haare oder der Nägel zu constatiren. 

An der ganzen linken Gesichts* und Kopfhälfte ist die Hautsensibilität 
herabgesetzt. Die linke Nasolabialfalte ist verstrichen. 




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53 


Dtf ScfaTtrmdgen beiderseits gleich,- keine Einengung des Gesichtsfeldes. Linker- 
Nits Njstsgmus horisontalis; derselbe kommt anfsllsweise. Nachdem die 
PeidelbewegiuigeD etwa eine Hinnte gedauert haben, ßngt das Auge an zu thr&nen. 

[Ke ConjuDCtiTa des linken Auges ist stärker injicirt und geschwellt, 
iNernirt reichlicher. 

Die PspiUen sind gleich and ref^iren prompt aufLiohtreiz und Conrergenz. 

Linkersmts denüiche Herabsetzung der Sensibilität der Cornea; bei 
Bvfthraigen ist ein Beflex kaum anazulösen. 

SünintUcbe Druckpunkte im Gesicht linkerseits schmerzempfindlich. 

Sioe elektrische Untersucbni^ habe ich leider nicht vornehmen können. 

Wir haben es in unserem Falle mit einer plötzlich entstandenen Arm- 
libnung zn tbun. 

Heber das ätiologische Moment kann keönerlei Zwdfel bestehen; es handelt 

am ein Tramna, eine plötxliche, ruckweise Dehnung des linken Arms. 

Was die Würdigung der klinischen Symptome anlangt, so reiht sich 
iß Fall offenbar der von Duohenne und Rnn eingehend geschilderten TAhtnnng 
ds Plexus brachialis an. Ebb hat diese Lähmung sehr treffend als „com- 
biaine Schnlterarmlähmung“ bezeichnet. Der linke Arm hing in unserem 
Falle schlaff herab, Pat war weder im Stande den Oberarm gegen die Sohulter, 
fioefa den Vorderarm g^n den Oberarm zu bewegen. Der Gebrauch der Hand 
udderFinger war nodi erhalten. Die Atrophie der gelähmten Muskeln 
Et in der Krankengeschichte hinrdchend gekennzeichnet worden; 10 Monate 
wh der Verletzung hatte die Atrophie noch zugenommen. Ein elektrische 
ÜBtersuchung habe ich läder nicht Tomehmen können, so dass ich über den 
vtm £bb als „partielle Entartungsreaotion^* bezeichneten Zustand nichts 
tasmsagen Termag. 

Das Vorhandensein von heftigen Schmerzen und Parästhesieen (Gefühl 
Ton Kribbeln, Taubsein, Todtsein, die Empfindung, als ob Fliegen über den Arm 
u. s. w.) beweist, dass, neben den motorischen Störungen, sensible 
Fisern von dem Erankheitsprocess mitergriffen sind. 

Ausserdem muss ich noch aufmerksam machen auf die trophischen 
^^törongen sxi der gelähmten Extremität Die Böthung und Temperatur- 
fibohong einer circumscripten Stelle der Haut des kranken Vorderarms kann 
sor als vasomotorische Störung angesehen werden. Beachtenswerth ist das 
Verschwinden und Wiedererscheinen derselben. 

Mit dieser Plexuslähmung veigesellschaftet sich bekanntlich znweilen eine 
Affection des Sympathicns, die sich durch Verengerung der Pupille und 

Lklspalte, sowie I^traction des Bulbus auf der Seite, wo die Lähmung Platz 
?%riffen hat, kundgiebt Diese Symptome fehlen allerdings in unserem Falle, 
Tidleicbt ist aber die Hyperidrosis unilateralis als eine Sympathicusaffection 

Was non dem geschilderten Krankheitsfall meiner Ansicht nach ein be¬ 
sonderes Interesse verleiht fies ist der Umstand, dass derselbe einen progres- 
siten Verlauf zeigt, so zwar, dass sich der Krankheitsprocess nicht auf die 
dofflal ogriffene Extremität beschrankt, sondern vielmehr centripetal weiter- 


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schreitet Ausstrahlende Schmerzen von der Schulter an dem Halse 
hinauf, Druckempfindliohkeit der Halswirhelsäule, Schmerzen in 
der linken Kopf* und Gesichtshälfte, Neuralgie im Unterkiefer der 
erkrankten Seite, Farästhesieen in der linken Gesichtsbälfte (Gefühl von 
Taubsein, Gefühl als ob die Haut festsitze), Herabsetzung der Hautsensi* 
bilität der linken Kopf- und Gesichtshälfte, Schmerzempfindlich¬ 
keit sämmtlicher Druckpunkte, Verstreichen der linken Nasolabialfslte, 
anfallsweise auftretender Nystagmus des linken Auges, Hypersecretion 
der Conjunctiva desselben, Herabsetzung der Sensibilität der Horn¬ 
haut des linken Auges, linksseitiger Schnupfen, ferner Schmerzen und 
Schwäche in der linken unteren Extremität, Schmerzempfindlicbkeit der 
Druckpunkte im Verlauf des linken Ischiadicus, Farästhesieen (Sengein und 
Brennen), das Erlöschen des Fatellarsehnenreflexes, die Herabsetzung 
der Hautsensibilität am linken Bein — alle diese Erscheinungen bewiesen 
deutlich, dass nahezu die meisten Hirn- und peripheren Nerven der linken 
Körperhälfte successive befallen worden sind. Die Einzelsymptome sind so be¬ 
weisend für das Ergrififensein der betreffenden Nerven, dass ich ein näheres 
Eingehen auf dieselben mir erlassen darf. Dass es sich hier um ein Weiter¬ 
schreiten einer entzündlichen Reizung entlang der Nervenbahnen handelt, 
dürfte wohl zur Genüge aus der Krankengeschichte hervorgehen. Beacbtens- 
werth ist, dass der Erankheitsprocess an keiner Stelle auf die entgegengesetzte 
rechte Körperhälfte Obergriffen hat. 

Was die Frognose anbetrifff, so konnte dieselbe — zumal bei dem vor¬ 
geschrittenen Lebensalter des Patienten — nicht günstig gestellt werden. lieider 
habe ich den Kranken später ans deu Augen verloren. 


2. Zur Elektrodiagnostik der Oculomotoriuslähmungen. 

Von Dr. J. K. A. Werthelm Salomonson, Priv.-Doc. an der Universität Amsterdam. 

1. Die Augenmuskeln gelten als einer elektrodiagnostischen Untersuchung 
unzugänglich. 

G. Ebb, Elektrotherapie und Diagnostik. 1886. S. 450. 

Remak, Grundriss der Elektrodi^ostik. 1895. S. 49. 

Hibt, Elektrodif^ostik. 1893. S. 102. 

V. ZiEMssxN regt zur elektrischen Untersuchung der Iris an. Seine Thier- 
versuche haben ihm die M^lichkeit gezeigt, den Sphincter iridis durch elektrische 
Reizung zur Contraction zu veranlassen. Ob jedoch in dieser Richtung bei 
Menschen mit Oculomotoriuslähmungen experimentirt wurde, ist mir nicht 
bekannt. 


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Passieb in seiner Electürotherapie ocuJaire 1896 erwähnt die elektro- 
dägDostiscbe Augenmnskel-Üntersnchong gar nicht. 

2. Die Ursache der aasbleibenden sichtbaren Locomotion des Bulbns bei 
<]s elekbischen At^enmuskelreiznng wird von den meisten Autoren dem ge- 
rifi^eQ elektrischen Leitnngswiderstande des Bulbus zugeschrieben. Die benach* 
i-tittn Muskeln und Nerven haben einen so vielmals grösseren Widerstand, dass 
Ik mästen Strömten den Bulbus durchsetzen und bloss ein verschwindend 
doner Stromtbeil den Muskel oder den Nerven trifft. Selbst wenn man nach 
Eelubübg’s Vorgang nach Cocainisimng der Gonjunctiva die Muskeln an ihrer 
AmitKtelle reizt, erhält man noch keine sichtbare Excursion des Augapfels^ 
uth der ansehnlichen Stromstärke und Dichte von 0,5 Milliampere und 

Elektrodenoberfläche. 

Vergrösserong der Stromstärke über 1—1,5 Milliampere, die allenfalls zum 
2ele führen müsste, ist nicht zulässig wegen der Gefahr, die Retina zu schädigen 
Dtchehns). 

3. Einen Muskel jedoch giebt es, der unter Umständen der directen per- 
kutanen elektrischen Reizung zugänglich ist (der Levator palpebrae superioris). 

Bei normalen Individuen ist der Muskel weder galvanisch, noch faradiscb 
retzhar; auch nicht bei Patienten mit peripherischer Facialislähmung. 

Während einer paralytischen Ptosis ist der Muskel bisweilen reizbar, indess 
anr mit dem galvanischen Strome. 

Die dazu nöthige Stromstärke wechselt bei den verschiedenen Patienten 
uid ZQ verschiedenen Zeiten zwischen 0,03 und 1,4 Milliampere. Der motorische 
Punkt li^ einige Millimeter unter dem Orbitalrande, in der Mitte desselben, 

onter dem höchsten Punkte des Orbitalrandes. Ais Elektrode benutze ich 
^onogsweise eine 5 mm grosse, runde, knopfformige, mit Leder oder Flanell 
ibmc^ene Elektrode. — Stromschliessungen sind vorzugsweise nicht am Elek- 
trodenbeft, sondern am Apparat auszufu^en, da die sonst fast nicht zu ver- 
agdeude Verscfliiebang der Elektrode eine Zuckung vortäuschen könnte. — 
Bei Rxirung der Elektrode mit der freien linken Hand ist auch der Gebrauch 
les gewöhnlichen Unterbrechungsheftes zulässig. 

4. Nach Dnrchschneidung eines motorischen Nerven treten die bekannten 
Sncheinungen der Entartungsreaction auf. Hierzu gehört vor Allem die ver- 
uderte directe galvanische Erregbarkeit, welche vom 12. Tage an schon deut- 
iicb zu finden ist Wir sehen träge Contractionen, und noch einige Tage später 
(ntes diese bei erstaunlich niedriger Stromstärke zum Vorschein. Was für die 
äiamtlicben motorischen Nerven gilt, hat auch Gültigkeit für den N. oculo- 
BiAorius. Bei vollkommener Durchtrennung des Nerven muss auch in den vom 
*)ailomoteriu8 innervirten Muskeln nach ungelahr 3 Wochen erhöhte directe 
^dnnische Reizbarkeit bestehen. Und wirklich finden wir in einem solchen 
PtUe nach 3 Wochen deutlich träge Contractionen des Levator bei der directen 
Satanischen Beizung an der oben bezeichneten Stelle. 


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Eclkkbdbo, Ceotralbl. f. prakt. Aagenbeilfc. 1887. S. 88. 


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Ich habe Levatorcontractioneii zuerst mü 16. Tage nach dem Entateben 
einer Oonlomotoriuslähmung gesehen. WahiBoheinlich hätte ich diese aa<di schon 
am 14. Tage berromifen können. Die nothwendige Stromstärke betrag 1,2 Milli- 
ampöre. Mm» wird in der Stromstärke nnr beschränkt dnrch das Auftreten von 
Gontractionen des Orbicnlaris palpebramm. Vom 14. Tage an sinkt die Strom¬ 
stärke schnell herab bis za dem 25. T^, za welcher Zeit ^ Strom Ton nor 
0,03 Milliampere, von drei Elementen geliefert, eine minimale Gontiaction ei^b. 
Kathodenschliessung verursacht am leichtesten eine Gontraction. Bei stärkeren 
Strömen ist auch Anodenöffiiangszucknng erhältlich. Einige Tage Bieter ^scheint 
auch Anodenschliessnngszuckong, die schon bald stärker wird als die AnOz, 
and noch später bei der gleidien Stromstärke als die Kathodensobliessangszackung 
erzeugt werden kann. Es dürfen aber mch andere Verhältnisse Vorkommen. 
KaDTet ist ziemlich schwierig und nur bei höherer Stromstärke, 1,4 Milliampöret 
za erreichen. 

5. Der weitere Verlauf gestaltet sich in den verschiedenen Fällen auch dem 
Verlaufe der Paralyse entsprechend. Bei mittelschweren Fällen sinkt die Err^- 
barkeit mit eintretender Genesnng sehr schnell. Bei schwereren Fällen bleibt 
die Erregbarkeit des Levator längere Zeit bestehen. Nach 8 Monaten gelingt 
es noch, Zuckungen auszulösen; die Zackungen werden jedodi allmählich 
schwächer und sind zuletzt mit der höchsten zulässigen Stromstärke — 1,4 Milli¬ 
ampere — nicht mehr zu erzielen. 

6. Die Zuckungen sind immer deutlich träge, jedoch nicht so träge, wie 
man sie oft bei peripherischen Lähmungen sieht Die Dauer einer maximalen 
Zuckung am 25.—SO. Tage, also während der maximalen Erregbarkeit, dürfte 
jedenfalls 0,5 Secunde betragen. Die Excursion des oberen Augengliedes ist 
Anfangs sehr gering und beträgt nnr Bruchtheile eines Millimeters. Später 
wird die Excursion grösser und kann bis 3 mm erreichen. 

7. Gontractionen des Levator sind erhältlich in mittelschweren und schweren 
Fällen peripherischer Oculomotoriuslähmung. Bei leichten Fällen sind keine 
Zuckungen auslösbar, wenn die gesammte Krankheitsdauer etwa 6 Wochen ist 

Bei den nucleären und fasciculären Oculomotoriuslähmungen müsste man 
a priori eine, der Entartungsreaction entsprechende, Reizbarkeit des Levator er¬ 
warten. Die von mir untersuchten Fälle entsprechen aber nicht dieser Erwartung: 
in keinem Falle fasciculär oder nucleär bedingter Ptosis habe ich eine Levator- 
zuckung anslösen können. 

In einem Falle von congenitaler Ptosis war ebensowenig eine Gontraction 
zu bemerken. Auch in einem Falle von recidivirender Oculomotoriuslähmung 
blieb die Reaction bis jetzt aus, obgleich sich jetzt allmählich eine permanente 
Ooulomotoriusparese ausgebildet hat Die meisten der angeführten Fälle sind 
in meiner in der holländischen Sprache verfassten ausführlichen Mittheilung ^ 
dargelegt 

8. Die Reizbarkeit des Levator palpebrae superioris ist also wahrscheinlich 


’ Psychiatrische eo Neurologische Bladen. 1898. Nr. 1. 


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ds Zsicbea der Entartuogsreaction bei mittelschweren uod schweren Oculo- 
BotnniBjlihmiingen. Sdmelles Verschwinden der Reizbarkeit zeigt auf eintretende 
Ging hin. 

Die Reixbarkeit scheint bet nocleär and äseiculär bedingter Ptosis za fehlen. 
ftafiJb bei leichten und reädiyirenden Lahmangen. 

9. Die Unraöglkdikest, ^ Bolbosmaskeln zu reizen, dürfte, ausser Ton den 
sKQOstigen Terhiltnissen des Leitangswiderstandes (v. Ziembsen), Ton dem 
fOBuenten Tonos der Aagenmoskeln bestimmt werden. Es ist nicht möglich, 
üe iogcnina^eln willkarliofa za erscfalaffm. Dadurch wird eine Excursion des 
Bolbos onter dem Einflüsse der galvanischen directen Reizung eines erlahmten 
iB^Bunoskels verhindert IHe unzweifelhafl; stattflndende träge Zuckung kann 
(ia Tcoos der gesunden Muskeln niidit flberwinden. Wahrscheinlich wird dies 
der io Mr Narcose wohl möglich sein. Bis jetet war i(di nicht in der Lage, 
äs Qthar zu ontersacben. 


t £m Fall von Bemhardt’scher Sensibilitötsstörung am 

Oberschenkel. 

Von Dr. A. Good in Hflnangen. 

Als casuisUscher Beitrag zur Nenritis, welche als BsBNHABDT’scbe Seusi- 
aliUtsstörung in den letzten 3 Jahren mehrfach in dieser Zeitschrift beschrieben 
■ude, möchte anch folgender Fall dienen. 

Tor etwa einem Jahre trat eine Wärterin der Anstalt in meine Behandlung 
aüt EUgot über Schmerzen im linken Oberschenkel, und zwar zeitweise von 
»dcher H^hgkett, dass ihr das Stehen schwer wurde. Die Kranke, eine sonst 
au gesunde, sehr kräftige Person, ohne jede nervöse Belastung, hatte im 
Usalter Scharlach durchgemacbt, war aber vollständig ohne ii^endwelche 
Sfadoen geheilt. 

Seit 14 Jahren Wärterin in Irrenanstalten, hatte sie an einer Stelle vor 
Uihren viel in einem kalten Waschhaus zu arbeiten und mit nassen Füssen 
JD Dorrimig zn stehen. 

Damals war sie mit den ganz gleichen Schmerzen im linken Oberschenkel 
«dookt, wie letzten Spätherbst, und zwar, wie sie glaubte, in Folge von Er- 
hltOBg. Anfänglich hatte sie damals das Gefühl von Spannang, Gefühllosig- 
iat, Illzigsein, Brennen, ein Gefühl als ob an der Stelle zu wenig Haut wäre. 
Hieoo kamen heftige stechende, brennende Schmelzen, die immer heftiger 
’izrien, je mehr sie gehen und stehen musste. Im Bett waren sie am geringsten, 
sie aber doch viel im Schlaf. Ein beständiges Feuern und Stechen die 
Aossenseite des Oberschenkels entlang machte ihr die Arbeit beschwerlich. 


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3 Monate hindurch wurde sie täglich massirt und faradisirt und konnte 
sich etwas schonen. Letzteres wohl mehr als die übrige Therapie, besonders 
aber die 3 Monate brachten allmählich Besserung. Die Schmerzen verschwanden 
vollständig, nur hatte Patientin noch längere Zeit links ein anderes Gefühl beim 
Betasten oder beim Reiben der Kleider als rechts. Doch auch das habe sich 
verloren, so dass man also nach Angaben, der nebenbei gesagt zuverlässigen und 
gut beobachtenden Person, eine völlige Heilung annehmen musste. 

Ohne dass irgend ein ätiologisches Moment gefunden werden könnte, zeigte 
sich im September 1896 die gleiche Äffection zum zweiten Male und führte die 
Patientin nach einiger Zeit zum Arzte. 

Bei der Untersuchung zeigte sich völlige Anästhesie der vom N. cutaneus 
l'emoris exL innervirten Hautpmiae, und zwar wurden bei den mehrmals vor- 
genommenen Prüfungen die Grenzen der Anästhesie immer gleich und so scharf 
umschrieben angegeben, dass zweifelsohne dieser Nerv als isolirt ergriffen be¬ 
trachtet werden musste. 

Innerhalb des anästhetischen Bezirks werden ziemlich tiefe Nadelstiche nur 
als leise Berührungen empfunden. Auch der Temperaturann war bedeutend 
herabgesetzt. Schmerzhaftigkeit oder Druckempfindliohkeit irgend eines Nerven- 
stammes am Beine bestand nicht, ebensowen^ andere anästhetische Zonen am 
Körper. Es bestand ziemliche Herabsetzung der elektrischen Err^barkeit der 
Muskeln, Nerven für alle Stromarten, hingegen keine Entartungsreaction im 
afficirten Gebiet. 

Das Leiden hatte das zweite Mal damit begonnen, dass Patientin links 
rascher müde wurde im Bein als rechts. Bei langem Stehen und Gehen bekam 
sie dumpfe Schmerzen, dann Brennen, „Feuern“ und ein starkes Spannungs¬ 
gefühl. Die Schmerzen hinderten die Kranke am Einschlafen, wurden überhaupt 
gegen Abend mit der Ermüdung immer intensiver, so dass Patientin hinkte. 
Nach einiger Zeit milderten sie sich, wenn die Kranke sich zur Ruhe gel^. 
Druck auf jene Hautpartie war nicht schmerzhaft 

Die angewandte Therapie, die gewöhnlichen Mittel gegen Neuritiden halfen 
wenig; am meisten Linderung verschaffte Einreiben mit einer Chloroform- 
emulsion. 

Nach und nach verloren sich die Schmerzen wieder, da der Wärterin 
möglich gemacht wurde ihr Bein etwas zu schonen, aber es blieb subjectiv ein 
anderes Gefühl links wie rechts. 

Auch jetzt noch, also ca. Jahre nach Beginn der Äffection ist die tactile 
Sensibilität, mit dem WEBEB’schen Tastercirkel gemessen, links gegen rechts 
auf Vs herabgesetzt. Leise Berührungen mit einem Pinsel fühlt Patientin in 
dem scharf begrenzten Bezirk des N. cntan. femoris ezt nicht Nadelstiche 
fühlt sie darin weniger stark, und wie sie sf^ anders als rechts. Auch braucht 
es immer noch, zur Erregung einer Zuckung, links stärkerer Ströme, wie an 
der gleichen Steile des andern Beins. Eine rundliche, etwa 3 cm Durchmesser 
habende Stelle (vielleicht um die Austrittsstelle des Nerven herum) innerhalb 
der erkrankten Partie ist auch heute noch analgetisch. 


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Es handelt sieh also hier nm einen Fall von BERNHAADT’scher Sensibilitäts- 
am Oberschenkel oder mit anderen Worten um eine Neuritis des 
N'. femoris cutan. ext. bei einer jungen Frauensperson, ein Fall, der nach 
16 Jahren recidivirte, das erste Mal in Anschluss an Erkältung und Durch- 
entstand, dann völl^ oder jedenfalls bedeutend mehr zurückging als 
Becidiv, das nach 1 Jahren des Bestehens noch deutliche Sensibilitäts- 
f^rnofen, wenn auch keine Schmerzen mehr, bestehen lässt. 


4, Zur Localisation des Muskelbewusstseins 
auf Grund eines Falles von traumatischer Kopfverletzung. 

Von Dr. Wladimir Muratow, 

PriTat-OoceDteo an der ÜDiversität zq Moskaa. 

Die Erscheinungen, welche einer Läsion der motorischen Sphäre des Glehirns 
sind sehr eingehend stndirt worden und stellen ein am besten bekanntes 
’itlÄdp der Himpatholc^e dar. Für die Verletzungen der Centralwindungeu 
der folgende Symptomencomplez festgestellt: 

1. eine Lähmung in mono- oder hemipl^iscber Form, 

2. eine Sensibilitätsstörung, welche sich parallel der Lähmung verbreitet, 
^ hauptsächlich in der Störung des Moskelsinnes sich äussert, 

3. Anfälle von jAssoN’scher Epilepsie. 

Han muss dabei hervorheben, dass diese Trias der klinischen Erscheinungen 
seht immer vorkommt Ein vöU^ ausgeprägtes klinisches Bild ist nur bei 
Zerstörungen der Himsubstanz zu beobachten. Die Frage über die 
Xiokdannesstörang erscheint besonders streitig. Durch die experimentellen 
utonchiuigen ist diese Fn^e zum ersten Male ai^regt, und bald treten 
^ Widersprüche in der Deutung der experimentell erworbenen Thatsachen. 
wel<^er partielle Exstirpationen der einzelnen Rindenstellen anwendete, 
die Störung des Moskelsinns als ein constantes Symptom der Ver- 
der motorischen Sphäre; Goltz indem er die ganze Himoberfläche 
SitQTte, fand die Sensibilität unverändert. Bbchtzbew^ studirte sehr eingehend 
lüe fausten Sensibilitätsstorungen der operirten Xhiere und konnte keine Störungeu 
k Kuskelgefuhls bemerken, ln der letzten Zeit constatirte Bechtebew^ eine 
'^bilitätsstönmg bei einem Affen, welchem er die erregbare Zone entfernt 

' Mcra, Ueber Verriebtungen des Orosshirns. 1891. 

‘ Qoitz, Pflügen Archiv. Bd. XXXIV. XLU. LI. 

’ Bicetbiw, Zar Physiologie der motorischeD Sphäre (rassisch). Charkow 1888. 

*Bicbtkrbw, Sitzangsberioht« der wissenschaftlichen Versammtangen der psycbiatr. 
^ Bediein. Akademie za St. Petenbarg. Wratseh 1887 (rossisob); s. anch B^vac 
5!mlopqBe. 1897. Nr. 16. 


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60 


hatte. Auf diese Weise schliesst er sich der Meinung von Münk an. Dieselbe 
Ansicht bat Febbieb ausgesprochen. 

Im Jahre 1893 batte ich 27 Experimente der Zerstörung der motorischen 
Sphäre an Hunden angesteilt; ich habe stets eine Störung der Sensibilität 
beobachtet, welche mehr oder weniger ausgepr^ war. Es ist zu bemerken, 
dass in unseren Experimenten der Grad der Storung des MuskelgefOhls völlig 
mit der Tiefe und Grösse der Läsion überrinstimmte. Allmählich verschwinden 
diese Störungen bei kleinen Läsionen. Wie in den Versudien von Goltz, ver¬ 
schwanden auch immer die Bew^ungen, welche durch Hebung erworben waren. 
Es ist besonders zu bemerken, dass ein Stadium der Muskelsinnsstörung von 
dem Objecte der Untersuchung eine höhere psychische Thätigkeit fordert; auf 
diese Weise tritt sie aus dem Rahmen d% physiologischen Tbierexperiments aus 
und muss durch klinische Beobachtungen controlirt werden. Während wir von 
der experimentellen Forschung zur klinischen Beobachtung ubei^ehen, treffen 
mr denselben Widerspruch in den Meinungen. 

ln den grossen Hand- und Lehrbüchern der Nervenkratüiheiten findet man 
nur eine kurze Erwähnung von der Störung des Muskelgefühls, ohne eine ein¬ 
gehendere Analyse dieses Symptoms darzustellen (Gowebs, Chkboot und 
Bbissaüi), Gbassbt). In der letzten Zeit haben Cbaboot und Pitbbb diese 
Storungen als fiinctionelle hysterische erklärt 

Indem ich die experimentellen Resultate durch anatomische Forschungen con- 
trolirte, fand ich eine ausgedehnte Degeneration der Bogenfasem. Als Grund¬ 
lage für unsere Schlüsse über Physiologie der motorischen Sphäre haben wir 
die Ansicht von Münk und Webmioke^ angenommen, dass die motorische 
Sphäre ein Oigan für Bew^^gsvorstellungen darsteile. Die Störung des 
Muskelsinns betrachten wir als eine Störung der Associationstbätigkeit dee Gross- 
hims, und wir haben die D^eueration der B(^enfa8em schon im Jahre 1893 
als anatomisches Substrat angenommen. Diesen Schluss haben wir mit folgenden 
Worten geäussert: „Die Störung des Muskelgefühls bei Herderkran¬ 
kungen der motorischen Sphäre der Rinde hängt von einer Zer¬ 
störung der Associationsbahnen ab.“’ Im Jahre 1895 war ich’ im Stande 
diesen Schluss durch klinische und pathologisch-anatomische Forschungen zu be¬ 
stätigen. Noch früher erschienen zwei sehr wichtige Arbeiten von Wbbnicke^ 
und Dana’. Webnicke stellte eine sehr genaue Beschreibung zweier Fälle von 
traumatischer Läsion des Gehirns im Gebiete der Gentralwindnngen an. ln beiden 
Fällen beobachtete er eine Lähmung des Armes mit einer Störung des Muskel- 


’ Wbbmiokb, Der apbasisehe Symptomencomplex. Gesammelte Vorträge. 

' W. Mciutow , Secandäre Degenerationeo nach ZerstSraog der motorischeD Sphäre 
der Rinde. Moskau 189S (russiecb); s. auch Archiv für Anatomie und Physiologie 1693. 
Aoat. Abtblg. 

’ W. MoBaTow, Zur patbolog. Physiologie der corticalen Epilepsie. Zeitschrift für 
Nervenheilkuode. 1896. 

* Wernioxb, Arbeiten aus der psychiatr. Ehoik zu Breslau. 1896. 

‘ Daka, Journal of oervous and mental diseases and Brain. 1896. 


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61 


oiid d«r tacUlen Sensibilität; in einem Falle, wo die ^ntalen Windungen 
sitbeCnrffen waren, bestand auch Aphasie. Bei der Analyse der Bewegangs- 
drangen kommt Webhiokb zu dem Schlosse, dass die Läsion in dem mittleren 
Orittd der Centralwindon^n looalisirt war. Den Verlost der tactilen Sensibilität 
er als eine Folge des Ausfalls der betrefifenden Vorstellungen. Webnioke 
in smnem „Beitrage zur Looalisation der Vorstellungen“ aus* 
indlieh hervor, dass die Bew^ongSTorstellnngen und der Muskelsinn eine 
aap&irte Verrichtong der Associationsbahnen, nämlich der Bogenfasem der 
iüBie, darstellen. EUne andere sehr bedeutende Mittheilung stammt von Dana. 

Xadi einer Analjse der experimentellen Thatsachen giebt Dana eine 
r*beiBcht der imtholc^iachen Fälle. Er will nicht mit Bastian annehmen, 
üe centrale Windungen ein sensorisches Centrum darstellen, dem Wesen nach 
äe motorisch. Die Binde der Gentralwindongen hat eine sensoriscb-motu- 
caebe Function; sie bildet ein Organ von sensorisch-motorischen Vorstellungen. 
Die Ansehannng von Datta ist der Ansicht von Münk und Wernicke, welche 
notorische Sphäre als ein Organ der Bewegnngsvorstellungen bestimmen, 
dr nabe. mnss bemerken, dass die Ansicht von Mitbetbeiligong des 

IfaiMqTing in der Organisation der Banmvorstellungen schon in den Arbeiten 
^ Metbzrt und Wui«]>t ao^esprochen ist So spricht Metnebt von den 
SamTOistelhingen, welche durch Bewegung des Augapfels gebildet worden sind. 
Ä onserer Arbeit (1893) haben wir die Ansicht Mevnebt’s etwas weiter ge* 
ryDie Raumworstellungen sind nicht ausschliesslich mit den 
iigenbewegungen, sondern mit jeder Muskelbewegung verbunden. 
i'.f Bestimmung des Innervationsimpulses (Wundt) und die Ver- 
ii^eruDg der Lage eines Gegenstandes kann nicht als einfache 
Isprindnng bestimmt werden: Zweifellos haben wir es hier mit 
■aer Combination der Empfindungen, das heisst mit einer höheren 
>iTchiseben Thätigkeit zu thun.“^ 

Auf diese Weise kam ich zu diesem Schlüsse schon im Jahre 1893, indem 
ti dtt Ansicht M^'rvEnT’s weiter entwickelte. Nach der Terminologie, welche 
^ «twis später f^ die oombinirte Qehimthätigkeit vorgeschlagen habe, gehört 
'■M Muskelgefühl zur ,4ntegrellen“ Function des Grosshims.* 

Den Sdilnss, dass die B<^enfosem an der Bildnng der Raumvorstellungen 
Tal nehmen, haben wir theils durch anatomische Thatsachen der Degeneration 
focaler Zerstörung der motorischen Binde, theils durch psycho- 

jc&ehe ZosammenstellTing begrtodet 

Kürzlich im Jahre 1895 hatten wir Gelegenheit diese experimentellen That- 
durch eine klinische Beobachtung und pathologisch-anatomische Unter- 
ainng zu bestätigen. Wir werden unsere damalig Beobachtung hier kurz 
■änmx. Eäne 53 Jahre alte Fran. Hemiplegia sinistra, Anlalle von corticaler 


, Ueber intelltctaelle Function des Gehirns. Vortrag, gehalten in einer 

Sitewng des Vereins der Neoropathologen zn Moskau 1886. 


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Epilepsie, welche Tom Arme beginneo, dann das Gresicht und das Bein treffe 
Eine ausgeprägte, dem Grade der Lähmung parallele Störung der Sensibilit 
links. Nur die Extremitäten anästheärt, die Sensibilität der Brust und d 
Kumpfes unverändert Lungenschwindsucht Eine atheromatöse D^enerati< 
der Gelasse. Tod durch tuberculräe Pneumonie. 

Ein Erweichungsherd der Binde der Centralwindungen, das mittlere ui 
das untere Drittel sind zerstört Mikroskopisch constatirte ich eine ausgebreite 
Degeneration der Bogenfasern unter den Centralwindungen. Die Bindensubsta 
theils zerstört, theils secundär atrophirt Eine partielle Entartung der tiefi 
Associationsbahneu. 

Wie es durch pathologisch-anatomische Forschung bewiesen wurde, hing 
diesem Falle die Muskelsinnstörong von der Entartung der Bogen&sem ab. C 
sensiblen Leitungsbahnen der inneren Kapsel zeigen mikroskopisch keine 
äuderung. ln der Epikrise dieses Falles waren wir zum Schlüsse gelangt, da 
die Störung des Muskelsinns mit der verbreiteten Degeneration der Bogenfase 
in Zusammenhänge stehe. In der letzten Zeit beobachtete ich^ einen Fall v 
allgemeiner Paralyse, welcher mit Störung des Muskelgefuhls in hemipl^iscl] 
Form combinirt war; bei der mikroskopischeu Untersuchung fand ich auch ei 
ausgeprägte Degeneration der Bc^nfasem. 

Unserer Meinung nach ruft die Entartung der Tangentialfasem kei 
Störung des Muskelsinns hervor: bekanntlich kommt eine Affection der Tange 
tialfasem bei der allgemeinen Paralyse öfters vor, trotzdem ist die Stömng 6 
Muskelsinns bei diffuser Encephalitis nur selten zu beobachten. Mau beobacht 
diese bei tieferen Bindenläsionen, bei welchen die Bogenfasem auch betroS 
sind. Für die Pathogenese dieser Störung halten wir eine tiefe und genüge; 
verbreitete Affection der Binde für maas^ebend. 

Als Organ einer isolirten Bewegungsvorstellung dient die Zelle der moto 
sehen Sphäre der Binde. Für die Organisation der complioirten Vorstellung^ 
welche den Muskeisinn bilden, ist eine Cooperation eine synergische Thätigk 
von vielen Zellen, eine Combination von vielen Bewegui^vorstellungen nöth 
Die Bogenfasem sind die Träger dieser Combinationen. In der That folgen d 
circumskripten, selbst tieferen Läsionen bei einem beschränkten Degeneratioi 
processe weder Muskelsinnstörung, noch epileptische Anfalle. Zur weiteren I 
gründung der Ansicht, dass die Bogenfasem die Associationsbahnen der I 
wegungsvorstellungen sind, müssen wir bemerken, dass im oben angeführt 
Falle der progressiven Paralyse mit Muskelsinnstömng von den tangential 
Fasern nur die oberflächliche Schicht degenerirt war, indem die tieferen Fase 
von Beoutebew und Baillabgeb normal geblieben und die B<genfasem sta 
entartet waren. 

Die Fälle von traumatischer Verletzung des Gehirns stellen ein besonde] 
Interesse dar; nach der strengen Localisation der Zerstörung kann man di< 


' Ueber die protrabirten oorticaleo Krämpfe bei der allgemeinen Paralyse. Nearol 
Centralbl. 1897. 


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63 


FiQe mit dem Experimente vei^leicben. Ich eutschliesse mich daher eineu 
»icbea F&U mitzutheilen. Das klinische Interesse des Falles wird dadurch er¬ 
best, dass die traumatische Läsion im fnihesten Alter statt^ehabt hatte. 

Dü Kranke T. K., ein 23jäbr. Mädchen, ist als ein 6jähr. Kind ins Catharinen 
eii^treten. Ohne hereditäre Anlage. Die Eltern sind gesund, eine Schwester 
s [q frühester Kindheit an einer acuten Krankheit gestorben, die andere Schwester, 
ii} Jahre alt, ist gesund und verbeiratbet Soweit die Erinnerung der Kranken 
.-adt, ist sie gelähmt nnd leidet an epileptischen Anfällen. Ihre Mutter sagte ihr, 
uii de Krankheit vom ersten Lebensjahre begonnen hatte. Als ein ätiologisches 
!«at führt sie einen Sturz vom Ofen herunter an. Da erschienen die allgemeinen 
kna^fanfalle, von dieser Zeit an blieb sie gelähmt. Wie wir später sehen werden, 
ü äfiec Anamnese dorch objective (Jntersuchnng ihres Schädels, durch eine liefe 
naaahsche Verletaung der Knochen bestätigt. 

Statos praesens: Ein junges Mädchen von guter Ernährung und starkem 
i-’r^ertao. Eine rechtsseitige Hemiparese. Der rechte Mundwinkel ist etwas lierab* 
aakt, die rechte Nasolabialfalte ist abgeflacht. 

Ib Gebiete des unteren Facialisastes sind von Zeit zu Zeit leichte clonische 
ürhangen au bemerken. Der rechte Arm ist paretiscb, im Ellbogengelenke ist eine 
ktpcontractor, das passive Änsstrecken ist unm^Uch. Im Handgelenke eine Beuge- 
^ SopinatioDSContractar. Die Finger sind flectirt. Die Kampf« und Nacken- 
riholatnr ist gut erhalten. Sie kann gut gehen, es ist nur ein leichtes Nach« 
des rechten Beines zu bemerken. Im Bette kann sie das Bein gut 
jwigo. Die Bewegungen im Häft« und Kniegelenk sind normal. Im Fassgelenk 
Bttsaige Contractor der Achillessebne. Die Zehen sind gelähmt. Die passiven 
des Knie« und Hüftgelenks sind frei, nur im Fussgelenk etwas rigid. 
Die gelähmten Muskeln des rechten Annes sind atropbirt; am meisten sind die 
^hckelo des Vorderarms betroffen. Deltoidens, Triceps und Biceps sind etwas atro- 
|hit Der rechte Gastroenemins ist auch atrophisch. Die faradische Erregbarkeit 
£ edtalteo, in atrophischen Hoskeln etwas verringert. 

IHe Papillen sind gleich verengt, reagiren gut. Der Pharynzreflex erhalten. 
Patellerreflexe beiderseits erhöht Von den Sehnen des Triceps und Gastro« 
Affine kaott man keinen Beflex erhalten. Die Sphincteren normal. 

Die Sensibilität ist anf beiden rechten Extremitäten herabgesetzt Der Tast« 
-aa ist stärker als das Schmer^efllhl betroffen. Die Kranke ist im Stande Stiche 
^ Botbrongen zu nntersebeiden, die Stiche sind aber mit keiner Schmerzempfindung 
Die Localisation der tactilen Reizungen rechts ist gestört. Am stärksten 
i das Haskelbewosstsein, d. h. die Bestimmung der passiven Bewegungen, der Form 
«Gegenstände afficirt Bei passiver Flexion der Finger nimmt sie nur eine tactile 
wahr, sie spricht dabei: „Sie halten meinen Finger.“ Die Bewegung des 
fühlt sie nicht, and kann weder den Umfang, noch die Richtung derselben 
^sanaeQ. Eine ähnliche Störung des Mnskelgefflhls im Handgelenk. Im Ellbogen« 
fühlt sie die Bew^ng, aber schlecht. Eine ebensolche Störung des Muskel« 
ist aoeh^in den Zehen zu bemerken. Hit der Hand kann die Kranke nicht 
daPwB der verschiedenen Gegenstände bestimmen. Sie kann nicht die Form eines 
'’^^üasels and einer Kugel nnteracheiden; eine glatte nnd eine rauhe Oberfläche 
®**äfldet üe auch nicht. 

Die p^chische Thätigkeit unverändert. 

_ A&f meine Bitte bat Herr Prof. Zsrnow den Schädel der Kranken mit seinem 
*<lAiIooeter* untersucht 

‘ Die Beachreiboog dieees Instrumentes ist von Prof. Zbbnow in seioer Abbandlaug 
■L'tpkslometer** mssisoh and französisch gegeben. 


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64 


Er ist dabei zu folgenden Schlfiflsen gekommen: 

Das mittlere Drittel der Centralwindungen ist zerstört, zum Theil ist das ob«-« 
und untere Drittel und Gyrus angularis mitbetroffen. 

Der oben beschriebene Fall stellt von vielen Seiten einiges Interesse dar, 

Die traumatische Entstehung des Leidens ist durch Anamnese festgestellt 
Wenn wir an den Angaben der Kranken zweifeln wollen, so bestätigt doch daa 
Yorhandenseiu des Schadeitraumas ihre Worte. Der Untersuchung des Prof. 
Zebnow verdanken wir die genaue Projection der Schädelfractur auf die Ober¬ 
fläche der Hirnhemisphäre. Die localen Symptome treffen mit der Localisatiön, 
welche durch encephalometrische Messung bestimmt war, zusammen. Wir werden 
doch dem Wege der gewöhnlichen klinischen Analyse folgen. 

Die Kranke stellt jetzt folgende hauptsächliche Erscheinungen dar. 

1. Eine halbseitige Lähmung der rechten Extremitäten und der rechten 
Gesichtshälfte, welche mit einer Muskelatrophie und Entwickelungshemmung des 
Khochenskeletts verbunden ist. 

2. Eine Störung der Sensibilität mit einer vorhergehenden Affection de^ 
Muskelgefühls. 

3. Anfalle von corticaler halbseitiger Epilepsie mit typischer Anordnuni 
und constantem Anfänge der Krämpfe. 

Diese Symptome genügen, um eine genaue Localisation des Herdes fest' 
zustellen. 

Der Herd ist in der linken Hemisphäre und nämlich in der Rinde v. 
suchen. Ausser den typischen corticalen Anfällen kann man diese Localisatio] 
auf Grund der constanten Erscheinungen annehmen. Das Muskelgefühl ist an 
stärksten afficirt Wie die Lähmung, so ist auch die Sensibilitatstörung in de 
oberen Extremität starker ausgeprägt, als in der unteren. An Brust und Rump 
ist die Sensibilität normal. 

Wenn wir es mit einer Affection der Leitungsbahnen zu tbun hätten, ward 
die Anästhesie von anderem Typus und anderer Anordnung sein. Bei eine 
Läsion der inneren Kapsel ist die tactile Sensibilität und Schmerzgefühl ai 
stärksten und dazu in hemiplegischer Form afflcirt Das Muskelgefuhl bei diese 
Localisation bleibt normal, oder gesammt mit Mnskelsinnstorung sind auch di 
Leitungsbahneu für höhere Sinnesorgane betroffen. (Der hintere Abschnitt de 
inneren Kapsel). Bei unserer Kranken sind keine sensible Leitungsbahnen, ab( 
die Perceptionscentra zerstört Das Gebiet dieser Centra fallt mit der motorische 
Sphäre zusammen. 

Auf Grund der klinischen Analyse unseres Falles kommen *vir zum folge] 
den Schlüsse: hauptsächlich sind die centralen Windungen in ihrem mittlere 
Tbeile betroffen, znm Theil ist auch das obere und das untere Drittel afficii 
wie es die Krämpfe und Lähmungen der unteren Extremität und Gesicht 
muskulatur örweisen. Nämlich auch die von Prof. Zebbow genau ausgeführte 
Schädelmessungen zeigen die Projection des Knochendefectes in diesem Gebie 
, Zwar kann man die Localisation der Herdverändemng nur auf Grund d 
klinischen Bildes feststellen, doch f^en die Messungen von Prof. Zebnow eii 


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65 


vidi%e Tbatsacbe zar Diagnostik dieses Falles hinzu. Bei dem Zusammen« 
trefien der klinischen Localisation mit dem Knocbendefect kaun man sicher, be- 
teqtten, dass die Rindenläsion einen traumatischen Ursprung hat Es ist von 
aoer aosserordentlichen Wicht^keit für die operative Behandlung das Zusammen- 
iRffeo der Knodien- und Himläsion festzustellen. Was die Diagnose des krank- 
laftn Processes betriffl;} so muss man in unserem Falle eine träumatiscbe 
irsblntong mit nachfolgender Erweichung annehmen. 

Damit ist die klinische Diagnostik unseres Falles abgeschlossen, es bleiben 
idino^e allgemein-pathologische Bemerkungen übrig. Die Grenese der epilepti- 
knra Anfälle ist bei oben angeführten Localisatbnen leicht zu verstehen. In 
fiMr anderen Mittheilnng haben wir die epileptischen Anfalle als ein O^enern- 
aasmptom der Rinde betrachtet Wir haben dort zwei für die Entwickelung 
i^reorhcalen An^e unerlässliche Bedingungen festgestellt: 

1. Das Vorhandensein eines destructiven Processes der Rinde. 

2. Eine Entartni^ der Bc^nfasern, welche mit einer seoundären Degenera- 
in oder mindestens einer functionellen Veränderung der Rinde verbunden ist. 

ln Facialiscentrum bemerkten wir einige Erscheinungen einer constanten 
Seimog in Form von protrahirten Krämpfen. Wie wir in einer anderen Arbeit 
haben, halten wir diese Erscheinungen für ein Degenerationssjmptom 
ier Binde, äe zeigen eine Hjpertomie der Zellen an, welche der Entartung 
ter Bogeofasem folgt 

Die Störung des Muskelsinns, wie wir schon früher gezeigt haben, und wie 
ßa TOD Wbbnicee and Dana angenommen ist, stellt, eine Ausfallserscheinung 
irrAssodationsvorgäuge in der motorischen Sphäre der Rinde dar. Wir müssen 
^ die Richtigkeit der Ansicht von Münk und Webnioke hervorhe^en, 
‘•ia die sogennante motorische Sphäre ein psychisches Organ der Bewegungs- 
vustelluDgen sei. 

Die Bew^ungsvorstellangen, besonders die Vorstellungen der erlernten Be- 
Ttgongen ist als ein Endresultat der compUcirten Associationen zu betrachten; 
% sensiblen Reizungen treten als eine Ck»mponente hinz u. 

Die einfachen Empfindungen des Stiches nehmen wir mit dem peripherischen 
hidappaiate wahr, und diese Empfindungen erreichen das Gehirn durch Leitungs- 
'•knen. Die compUcirten Vorstellungen von einer glatten oder rauhen Ober- 
die Besümmnngen der passiven Bew^fuugen sind streng von einfachen 
^^Mlongen zu unterscheiden. 

Im ersten Falle ßUt die p^chologische Aufgabe mit der Wahrnehmung der 
^^^^sehen Reizung der Haut zusammen, im zweiten ist die Haut gereizt, die 
und der Bindeapparat passiv ausgedehnt, ln der Bestimmung dieser 
is^en Bewegung ist auch eine wichtige Rolle den früheren Erinnerungen zu- 
Qsehreiben. Dieselben Bedingungen sind auch bei den willkürlichen erlernten 
öfsegungen unentbehrlich. Hier ist eine genaue Synergie der einzelnen Hirn- 
erforderlich, dabei sollen die Associationsbabnen völlig intact sein. Auf 
^ Weise ist leicht zu verstehen, warum die Entartung der Bogenfasem mit 

5 


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66 


einer Störung Muskelgefulils und einer Ataxie der erlernten Bewegungen 
verbunden ist. 

Bei dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse, können wir diese Ergebnisse 
der experimentellen Pathologie ohne weiteres in das klinische Gebiet übertragen. 

Oie Muskelsinnstörung kann man als ein diagnostisches Zeichen 
des tiefen destructiven Frocesses des motorischen Gebietes der 
Hirnrinde annehmen. 

Neben anderen diesbezüglichen Fällen ist unsere letzte Beobachtung als 
ein neuer Beweis dieser Ansicht zu betrachten. 

Trotz eines allgemein-pathologischen Interesses hat unser Fall für die Klinik 
der infantilen Lähmungen einige Bedeutung. Wir haben schon oben die trau¬ 
matische Aetiologie fes^estellt. 

Wenn wir das klinische Bild der traumatischen infantilen liäbmung und 
das der infantilen Hemiplegie, welche von diffusen Erkrankungen des Gehirns 
abhängen, vergleichen wollen, können wir einen gründlichen Unterschied zwischen 
beiden bemerken. Den Entzündungsprocessen und anderen Erkrankungen des 
Gefässsjstems ist gewöhnlich eine diffuse Verbreiterung, mit einer enormen .Zer¬ 
störung combinirt, e^n. Daher prävaliren dort die allgemeinen Himerscheinnngen 
und das Bild des focalen Processes tritt nicht so deutlich zu Tage. 

Die traumatische Lähmung hat eine strengere Localisaton, dabei treten die 
oc^en Erscheinungen in den Vordergrund. 

Diese Eigenthümlichkeit ist besonders in unserem Falle deutlich ausgeprägt 
und ist für die operative Behandlung besonders wichtig. 

Wie schon BEBOHAnN* festgestellt hat, ist die operative Behandlung nur 
in den Fällen von corticaler Epilepsie anzuwenden. Von diesem Standpunkte 
aus ist unser Fall auch als ein operativer zu betrachten. 

Wollten wir hier die operative Behandlui^ anwenden, so müssen wir eine 
tiefgreifende Entfernung der grauen und weissen Himsubstanz vornehmen. 

Dabei können wir nur eine Verminderung der epileptischen Anfälle ver¬ 
sprechen. Man muss dabei eine Contraindication nicht ohne Bedeutung in Be¬ 
tracht ziehen, nämlich dass die Erkrankung schon 23 Jahre dauerte und weit¬ 
greifende degenerative Veränderungen nicht anszuschliessen sind. 

Ferner wollen wir noch eine klinische Einzelheit erwähnen, n ämli ch dass 
unsere Kranke eine deutliche Entwickelungshemmung des Gesichtsskelets und 
der Extremitäten zeigt. Die Gesiohtsmuskeln rechterseits sind mäsag atrophirt 
oder richtiger unentwickelt. Dabei zeigt der Arm eine vorwiegende Atrophie 
im Gebiete des N. ulnaris — „Olypodactylie cubitole“ nach F£bA. Zweifelsohne 
ist die Atrophie von cerebralen Ursprung. Wir halten dieselbe für eine 
Degenerationserscheinung der Vorderhomzelle in Folge von der secundären Ent¬ 
artung der Fyramidenbahnen. (Die Atrophie der motorischen Zellen des Rücken¬ 
marks bei der Entartung der Pyramideubahnen habe ich anatomisch bewiesen.-) 

* BsBOtiANR, Cbirurg'ische Behandlang der Himkraokbeiten. 

* vergl. ansere Abhandlung: Zar Pathologie der Gebirndegenerationen. d. Ceutralbl. 
1896. Nr. 11. 


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betrachtet halbseitige Entwickelongshemmung des Gesdchts und des 
Eoipers zusammen mit »^Olypodactylie onbitale'^ als eine klinisches Bierkmal bei 
iler gemeinen Epilepsie. Das Vorhandensein dieser Erscheinungen bei einer 
foolen Epilepsie bei der Kranken, welche in Mher Kindheit^ von einer schweren 
HiinTerietzang betroffen wnrde, spricht der bekannten Ansicht von Ffenfi und 
^cs8 zn Gonsten, dass die Fälle Ton finh eintretender Epilepae einen orga- 
ai^Q Ursprung haben und mit einem angeborenen Himleiden verbunden zu 
SBD pflegen. Die Hirnverletzung ist zu klein, um eine angeborene Hirnlähmung 
bermzurufen und doch ist sie genügend gross, um degenerative Veränderungen 
Mi Gehirns zu geben und zur Epilepsie zu fuhren. In unserer Beobachtung 
(he focale Entstehnng der d^nerativen Erscheinnngen zweifellos, daher kann 
di« Beobachtung einige mehr complicirte Fälle erklären. 

Zum Schlüsse erlaube ich mir, das schon früher von mir^ Gesagte zu 
titdeiholen. 

»Die' paUiologisdi-phjsi(d(^iscben Bedingungen beziehen sich auf diejenigen 
Fille, TO kein destmctiver Process vorhanden ist, sondern alle Veränderungen 
bica fuQctioneller Katur sind. Soweit wir berechtigt sind, von den anato- 
lusdieD Erkrankungen anf die functionelle Epilepsie zu schliessen, müssen wir 
*ega (ier Aehnlicbkeit der klinischen Erscheinungen die Identität der Locali* 
tthMi des Processes annehmen.“ 


II. Referate. 


Anatomie. 

1) An experimental researoh upon oerebro-oortioal afferent and efferent 
tracts, by David Ferrier and William Aldren Tnrner. (Proceedings of the 
Royal Society. Vol. LXII.) 

Vit Hülfe von destroctiven Läsionen und dem Stndinm der secundären Degene- 
atkeen an Affen wurden die Faserzüge, die Eindrücke allgemeiner oder speoieller 
^bilität zur Hirnrinde führen, untersucht. 

1. Was zunächst die Sehbahn betrifft, so wurde der Hinterbauptslappen ent- 
^t, der Gyros angnlaris exstirpirt, das Pulvinar thalami zerstört und das Splenium 
'‘VTpons callosi durcbtrennt Eine corticofugale Bahn gebt vom Hinterhanptslappen in 
Ms Sebstrablnng znm Pulvinar thalami derselben Seite und zu dem .Corpora quadri- 
tcBiu anteriora derselben ond zum Theil der anderen Seite. Der Gyms angnlaris 
at töne absteigende Bahn zu den Basalganglien, ist aber durch Associatiodsfasem 
den Qyrus temporaUs superior, parietalis superior und dem Hinterbauptslappen 


' Find. Snr Farret de devoloppement n. s. w. Kövae de mddecine. 1896. 

* SicBs, A treatiee on the nerrous diseaaes in Children. 

' W. llomATOw, Zur pathologischen Physiologie der corticaten Epilepsie. Zeitsehr. f. 
^aveaheilk. 1896. 

6 * 


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verbunden. Vom Thalamus opticus zum Hinterhaoptslappen und dem Gyrus angularis 
ziehen corticopetale Fasern. Die Gyri angulares und Lobi occipitales sind durch 
Commissurfasern durch Splenium und Forceps des Corpus callosum verbunden. 

2. Am Hörapparat wurde der Acusticus distal und proximal vom Ganglion 
acnsticum accessorium durchschnitten; die hinteren Corpora quadrigemina worden zer> 
stört, ebenso das Ganglion genieoiatum intemum, und der Gyros temporalis soperior 
wurde exstirpirt. Der N. vestibuli ist mit dem Deiters’schen Kern und dem Teg* 
mentum verbunden; wahrscheinlich besteht auch eine directe Verbindung mit dem 
Abducenskem. Die Verbindungen des N. cochleae gehen durch das Corpus trape- 
zoides und die laterale Schleife zum Corpus genicnlatum intemum der entgegengesetzten 
Seite; von dort aus geht ein aufsteigonder Strang zum Gyros temporalis sup. Nach 
Zerstörung des Ganglion acnsticum gehen Degenerationen in beide obere Oliven und 
die Corpora quadrigemina posteriora. Nach Zerstörung des Gyros temporalis snp. 
degenerirt ein in den oberen Tfaeil des Fons absteigender Nervenstrang. Beide Gyri 
temporales sup. sind durch den Forceps corporis callosi mittels Commissurenfasern 
verbunden und durch Associationsfasem mit dem Gyros angularis und dem Hinter- 
hauptslappen. 

S. Das System der Hautsensibilität und andere corticopetale Bahnen wurden 
mittels Zerstörung des Tegmentum des Fons, des Crus cerebri, Thalamus opticus, des 
Corpus quadrigeminum post, studirt Es treten corticopetale Degenerationen auf, die 
durch beide Glieder der Capsula int., die Capsula ext. und das Centrum ovale zur 
Hirnrinde zu verfolgen sind. Viele Fasern vom Thalamus opticus kreuzen durch das 
Corpus callosum zur entgegengesetzten Hirnhemisphäre. 

4. Die sensible Fortion des Trigeminus und der Glossopharyngeus 
wurden proximal von ihren Ganglien durchtrennt. Ausser der Degeneration der auf> 
steigenden Trigeminuswurzel und der Glossopharyngeuswurzel wurden keine centralen 
Verbindungen klaigelegt. 

5. Die Experimente an den präfrontalen und frontalen Regionen bewiesen 
die Existenz einer fronto'pontinen Bahn, die durch den vorderen Schenkel der 
Capsula int. und den Inneren Theil des Fes cruris zum Pons absteigt. 

H. Bothmann (Berlin). 


Experimentelle Physiologie. 

2) Contributo sllo Studio della nuclinazzlone nelle vie di projesione del 
sistema nervoso centrale, per d'Abundo. (Communicazione. 1897. Catania.) 

Verf. bringt interessante Beiträge zur individuellen Entwickelung des Nerven¬ 
systems, speciell der Myelin-Entwickelung. Zweimal fand er so das Nervensystem 
bei Kindern von 6 und 6 Tagen gleich dem eines 7 monatlichen Fötus, und einmal 
war die Myelin-Entwickelnng bei einem Kinde von 8 Tagen cet. par. viel vor¬ 
geschrittener als von solchen im Alter von 3 nnd 5 Monaten, ln einem 6 monat¬ 
lichen Fötus war das Gowers'scbe Bändel, bis zum Bulbus mit Myelin eingehQUt 
(ebenso in einem 7monatlichen) und der Goll'sche Strang mit feinen Fasern war im 
Halsmarke wie in 2 Streifen zerlegt, einem inneren und äusseren, der oben nur weni^ 
myelinisirt war.' Wenig Myelin zeigte auch der Seitenstrang im hinteren Theile. 
Sehr entwickelt war dagegen die vordere Commission. Die graue Räckeumarkssubstanz 
zeigte reiche Nervenfasern aussen an der Subst. gelatinosa. Die Kopfnerven waren 
gut myelinisirt. Vom Corpus restiforme aus gingen verschiedene Markfasem in das 
Kleinhirn; eine reichliche Portion ging in die Gegend der Nuclei deutati and des 
tectums. Markfasem gingen auch vom äusseren Nucleus acusticus aus nach den 
Nuclei tecti hin. In einer 7 monatlichen Fracht zeigte sich kaum der Anfang einer 


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69 


MirkbildoDg d«r sabcorticalen Ölenden des KleiDhirns. Bei Kindern von 5 und 
8 Tigeo ah Verf. dentlich den Harlbeginn im mittleren Kleinhimstiele, während in 
udereo von 19 und 44 Tagen nichts davon zn sehen war. Mit 7 Monaten des 
F^tailebras war stets das RAckenmarhsgran, reich an Mjelinfasem, mehr im Halse, 
ih iiD BScken, am meisten im Lumbartbeile. Die PyramidenbAndel entwickelten sich 
breilee sehr schnell Bei einem Kinde von 19 Tagen waren sie schon, ziemlich 
Birkbalbg io den Pednncnlis cerebri, im Pons nnd Bolbns, aber nicht im BflckeO' 
ttfi eb^ wenig Markfasem im mittleren Kleinhimstiele. Bei mehreren Kindern 
m 9, 11 and 14 Monaten waren die Pyramidenstrangfasem lange nicht so dick 
ad zahlreich wie die Kleinhimstrangfasem, ansserdem waren sie fein und dazwischen 
vucD dickere eingestreut, was nicht mehr bei älteren Kindern von 20, 24 und 
30 Monaten zn sehen ist Wir haben also verschiedene individuelle Entwickelungen, 
indes Tiele hereditäre nnd erworbene Ursachen die Markscheidenbildnng verzögern 
lömo. Im Neurone geht sie vom Stamm aus und geht dann auf die Collateralen 
j^. Unter den Ursachen spielen jedenfalls Infectlonen und Intozicationen mit die 
an« Bolle, nnd sie müssen besonders die noch weniger ausgebildeten Theile betreffen. 
Sie können die Entwickelung aufhalten oder die Systeme widerstandsloser machen 
ad beim Erwachsenen ^d bei Disposition die Stömng eher an zuletzt entwickelten 
angreifen, als bei älteren. Gerade die Beobachtung der Markscheidenbildnng 
Tud flir vergleichende experimentelle Studien sehr wichtig sein können. 

Näcke (Hubertusburg). 


3) La thäorie des neorones en rapport aveo PexpUoation de quelques 
dtats psyoliiques normauz et pathologiques, par Soukhanoff. (Arch. de 
Sewol. Vol. UJ. 1897. Nr. 17 u. 19.) 

Die Grundlage dieser rein theoretischen Änsffihrnngen bildet die Beobachtung 
T» Wiedersheim, der die Nervenzelle eines niederen Thieres in der Thätigkeit 
beobachten konnte und Fonnverändemngen derselben wahraahm. Auf diese Beobachtung 
ntodet der Verf. die Hypothese, dass die Substanz der Protoplasmafortsätze der 
PjT&ffiideDtelle der Hirnrinde die Fähigkeit habe, sich anf Reize mit rapider Schnellig- 
ist zu coDtrahireo, eine andere Form anzunehmen und nene Sprossen zu treiben. 
Di« Protoplasmasnbstanz der Neuronen, nimmt der Verf. weiter an, ist in fortwährender 
Schwingung, die sich mit der Steigerang der functioneilen Thätigkeit verstärkt. Jede 
^«>Scniog der molecnlären Welle wirkt als Beiz und ist so begleitet von einer Form* 
^wuderong nud Proliferation der feinsten Den'dritenverzweignngen und bei Neu- 
ffiert>UDg von Vorstellungen von Neoerwerbung von Contacten. An die Unversehrt* 
icit dieser Thätigkeiten der Protoplasmafortsätze ist der regelmässige Ablauf der 
pejcbischea Thätigkeit gebunden. Werden die Verbindnngen zerstört and besteht 
Uaßhigkeit der Frotoplasmafortsätze zn neuen Verbindnngen, so entsteht Demenz. 
Bei wganischer Demenz geben die terminalen Dendriten zu Grunde, bei- functionellen 
et die Thätigkeit der Protoplasmafortsätze gehemmt, vielleicht durch Giftwirkung. 
Bei Minie soll die Mobilität der Protoplasmafortsätze erhöht, bei der Melancholie 
^wabgesetzt sein. In entsprechender Weise sucht dann der Verf. das Zustande* 
k'^uueu Doch einer Reihe von psycbopathologischen Vorgängen zn erklären. 

M. Weil (Stnt^art). 


4) Les ueurones. lies lois fondamentales de leurs ddgöueresoenoes, par 
Klippel. (Arch. de Neurol. Vol. I. 1896. Nr. 6.) 

Der Verf. setzt sich in dieser Arbeit zur Anfgabe, zunächst die Gesetze, denen 
^ einzelne Neuron in anatomischer, physiologischer nnd pathologischer Hinsicht 
*9k(nrorfen ist, zn erörtern nnd dann die Beziehungen der Nenrone zn einander zu 


DiQ'iii-od 


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70 


stadiren. Ton den AnsführnDgen des Verf/s- möge an dieser Stelle Folgendes Br* 
wäbnnng finden. Das einzelne Nenron bildet eine Einheit; es besteht ans einem 
centralen Leib, der Zelle, ans den Protoplasmafortsätzen, den Dendriten, nnd im All* 
gemeinen ans einem Azen<^linderfortsatz, dem Nenrit. Die terminalen Theile dieser 
beiden Fortsätze endigen frei, ohne mit denjenigen der benachbarten Neurone zn 
anastomisiren. In Bezug auf die Function des eiuzelnen Neurons lässt sich der Satz 
feststellen, dass die nervöse Erregung stets durch die Protoplasmafortsätze die Zelle 
erreicht und dass sie dieselbe durch den Axencjlinderfortsatz verlässt. So sind also 
die sensiblen Fasern, die von dem Spinalganglion nach der Peripherie gehen, als 
Dendriten des peripheren sensiblen Neuron aufzufassen, dessen Üentrum die Zelle des 
Spinalganglion bildet und dessen Azen( 7 linderfortsatz nach dem Bfickenmark geht 
Bei der Betrachtung der Pathologie des einzelnen Neurons ist daran festzuhalten, dass 
das Neuron eine Einheit bildet. Ton diesem Gesichtspunkt aus ist es logisch, anzn- 
nehmen, dass die Läsion eines seiner Theile das ganze Neuron bis zu einem ge* 
wissen Qrad mitafficirt; wird der Axencyünder eines Neurons durchschnitten, so er¬ 
leidet sowohl das periphere Stück desselben eiue Terändernng, als auch das centrale 
mit dem Centrum, jedoch ist die Terändernng an beiden Seiten nicht identisch; das 
periphere Stück degeneiirt nach dem Gesetz von Waller, das centrale zeigt Ter- 
ändemngen nach dem Gesetz der sog. retrograden Degeneration bezw. der retrograden 
Atrophie. Was die Protoplasmafortsätze anlangt, so scheint es, dass sie demselben 
Gesetze folgen. Ton diesem Grundgesetz scheint es jedoch Ausnahmen zu geben, so 
dass es vorkommt, dass das centrale Stück nach demselben Modus degenerirt wie das 
periphere und umgekehrt. Die Bedingungen, unter welchen diese Ausnahmen eintreten, 
sind vorerst unbekannt. Das eine Neuron setzt sich mit benachbarten Neuronen in 
Contact und formt so Ketten von Neuronen, welche physiologische Systeme bilden. 
Die eine dieser Ketten von Neuronen bildet das motorist^e System, eine andere ein 
sensibles, wieder andere bilden Associations- und Commissurensysteme. Diese Nenronen- 
systeme sind trotz ihrer verschiedenen Function, im Grossen und Ganzen genommen, 
morphologisch und structurell einander gleich und unterliegen alle denselben D^e- 
neratioDSgesetzen. 

Die Ausführungen des Terf.’s über die Pathologie der zusammengesetzten Neu¬ 
ronen mögen im Original nachgelesen werden, da sie im kurzen Referat nicht wieder¬ 
gegeben werden können; nur noch ein Hanptgesetz möge hier angeführt sein, zn 
dessen Aufstellung der Terf. im Terlauf dieser Untersuchungen kommt und das er 
folgendermaassen formnlirt: Wenn von zwei Neuronen, die mit einander in Contact 
sind, das eine erkrankt, so beeinflusst die Läsion des einen stets auch das andere 
Neuron und zwar macht sich die Erkrankung des zweiten Neurons immer im Bereich 
der Terästelungen des Axencylinders geltend, mögen dieselben nahe dem primär er¬ 
krankten Neuron, liegen oder von demselben entfernt; hier ist die Läsion immer zuerst 
bemerkbar Und am deutlichsten; sie kann von hier ans mehr oder minder weit central- 
wärts fortschreiten oder an diesem Theil stationär bleiben. M. Weil (Stuttgart). 


Pathologische Anatomie. 

6) Sur les altärstions des dldments nerveux dans la dysoraaie urdznique 
experimentale, par Sacerdotti et Ottolenghi. (Arch. Ital. de Biologie. 
Toi. XXTII.) 

Die Terff. haben bei 4 Hunden ,und 1 Kaninchen die beiderseitige Nephrectomie, 
bei 2 Kaninchen die doppelseitige Ureterenligatnr vorgenommen und dann sowohl 
nach Golgi als auch nach Nissl die Grosshimrinde mit Einschluss des Ammons- 
homs uud das Kleinhirn nntersucht. Die Nissl’sche Methode liess keine wesent- 


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71 


lieieo Va^eraagen erkeooen, hing^en zeigte stcb bei der ÜDtersachang nacb 
dolgi im Weseotlicben folgendes: Die Dendritenforts&tze der Ganglienzellen beOnden 
ach im Zustande der ?aricöBen Atrophie, während der Axencylinder gewöhnlich nicht 
roiiKiert ist; die Neorc^lia nimmt dorchweg an dem pathologischen Processe tbeil 
md zwar in Gestalt von Taricöser Atrophie der Zellfortsätze. Die degenerirten Zeilen 
fidso sieb fiberall in der Grosshimrinde, anch im Fes hippocampi maior, and ge- 
allen Zellcategorieen an; im Kleinhirn finden sie sich in der Zona molecolaris. 

Kaplan (Herzbei^e). 


6) Solle altenudoni degli elementi nerwoei Deirinanbdone, per E. Lngaro e 

L Chiezzi. (Biw. di patolog. nerv, e ment II.) 

ÜDtersQchQngen an Efunden and Kaninchen, die nacb länger daaemdem^Hungem 
tbeli getödtet wurden,' tbeils von selbst starben. 

ln den Spinalganglienzellen periphere Chromatoljse, in den vorgeschritteneren 
^tadÜD' Zerfall der Chromatinschollen za Pulver, Vacaolenbildang, Schrumpfung 
is Kerns. 

Im BQckenmark bei einem Hand und einem Kaninchen hellere Färbung der. 
l^nfflidenseitenstränge im Dorsaltheil. Die Strangzellen weniger gat und mehr 
Iifiu gefärbt als normal, die Übrigen Zellen boten nichts besonderes dar, nur bei 
3 Tbieren Veränderungen auch in den Vorderbomzellen. 

Die Zellen der Kleinhimrinde bei einigen Thieren normal, bei anderen geschwollen, 
lag Chrooatin, nameollich in dem der Himoberfläche entfernteren Tbeil der Zelle 
so dass die Ketzstructur des Protoplasmas sichtbar wurde. 

Id d«i Pjramidenzellen der Grosshimrinde hatten die Chromatinschollen ihre 
».•naaleo Umrisse verloren, auch war tbeilweise Chromatolyse und Schrumpfung des 
Kmu eisgetretfln. 

Schwerere, nicht reparable Veränderungen treten an den Nervenzellen der Thiere 
■st in den letzten Stadien des Hungerns kurz vor dem Tode ein. Den Anfang 
Bsehen Alterationen des Cbromatins. Im Allgemeinen gleichen die Bilder, den bei 
KBtm und chroniacben Vergiftungen beobachteten. Die VerfC. halten darum auch 
^ Erkrankung der Nervenzellen während des Hungerns für Folgen einer Anto- 
atoxication. ' Valentin. 


Pathologie des Nerve-nsystems. 

') Casniitisclie Mittheilongen aus dem Gebiete der Nervenheilkimde, 
von Privatdocent Dr. F. Egger, Basel, stellvertretendem Director der allgemeinen 
Pol iklinik . 

Verf. beechreibt einen Fall von isolirter Lähmung des N. axillaris, einen solchen 
doppelseitiger Erb'scher Lähmung und einen Fall von traumatischer Hysterie. 
Im ersten Falle bandelte es sich um einen 66jährigen Mann, der nach einer 
— gat reponirtan — Lnxation im linken Scbultergelenk trotzdem den Arm im 
Sckaltergelenk nicht mehr bewegen konnte und deshalb nach über 2 Monaten die 
Hilf« der Poliklinik aufäuchte. 

Die Untersuchung ei^b ziemlich starke Atrophie des M. deltoideus mit voll- 
niodiger Entartnogsreaction; Aufhebung der Berflhnmgsempflndang, sowie erhebliche 
Hw^tzung der Schmerzempfindong und der Wahmehiqnng des faradischen Stromes 
io «inan ca. 10 cm langen und 6—7 cm breiten, ovalen Bezirk, der sich von der 
H«gnd des Homeroskopfes aus nach übten erstreckt. Bei Behandlung der Haut 
■it der labilen Kathode unter ziemlich starken Strömen tritt in diesem Bezirke eine 
^ aoffallende gelblich-weisse Verförbung der Haut ein, mit deutlich erniedrigter 


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72 


Temperatur iu deuselbeu Fartieen. Nach l&ngerer Reizung tritt eine fleckige Röthe 
in den zuerst veissen Stellen auf, von der Peripherie her strahlen rothe Protube- 
ranzen ein, zuletzt ist die RGthung wieder gleichmässig. (Yerf. erklärt diese von 
Hitzig zuerst erwähnte eigenthflmliche Beaction der Hautgeßsse als Ansfallserscbei- 
nung io Folge Lähmung der centrifugalen, geßsserweitemden Fasern.) 

Die Therapie — (Galvanisation des Nerven, Massage und Galvanisation des 
atrophischen Muskels, passive Bewegung — führte eine wesentliche Besserung herbei. 

Im zweiten Falle — doppelseitige Erb’sche Lähmung — handelte es sich um 
einen 58jährigen, etwas decrepideu Mann, der plötzlich — angeblich nach vor¬ 
heriger vollkommener Gesundheit — beim Äufstehen früh den rechten Arm nicht 
mehr bewegen konnte; am selben Tage noch kam Schwäche auch im linken Arm 
dazu, welche binnen 24 Stunden zu vollständiger Lähmung einzelner Muskeln des 
Armes führte. Begleitet waren die Erscheinungen von heftigen Schmerzen im Nacken, 
zwischen den Schulterblättern und in den Schultern. 

Bm der Untersuchung konnten die Arme im Schultergelenk nicht bewegt, nicht 
auswärts rotirt, im Ellenbogengelenk nicht gebeugt werden. 

Supination der gestreckten Arme soweit möglich, dass der Daumen nach vom 
steht (Contraction des Supinator brevis). Beim Kopfbeugen nach rückwärts traten 
heftige Schmerzen im Nacken auf; Druck auf die Domfortsätze des lY. Hals- bis 
II. Brustwirbels (hier auch geringe Schwellung und leichte Kyphose) und Umgebung 
war sehr schmerzhaft Sensibilitätsstörungen bestanden nicht. Rechts fand sich 
Herabsetzung der elektrischen Erregbarkeit vom. Erb'schen Punkt ans, partielle 
Entartuogsreaction im Husculus deltoides. Nach 6 Wochen erfolgte Exitus. 

Als Ursache der Erkrankung ergab die Section eine carcinomatöse Geschwulst, 
welche von einem ganz kleinen — völlig symptomlos verlaufenen! — Epithelkrebs 
des Pharynx aus im Retropbaryngealgewebe sich entwickelt hatte und von da aus 
in die Wirbelkörper und Zwiscbenwirbelkörper der untersten Halswirbel eingedrungen 
War. — Krebsmetastasen in der Leber. 

Mikroskopisch (nur theilweis untersucht) zeigten sich in der I., YI., VII. Cer- 
vicalwurzel ausser der das Nervenbündel umgebenden Qeschwulstmasse zum Theil 
Blutextravasate zwischen den Fasern des Perineuriums und auch längs des Endo- 
neuriums bis ins Innere des Nerven hinein, sowie beginnender Zerfall desselben 
(letzterer besonders in der V. Worzel). — Rückenmark: Im obem Cervicalmark 
neben einzelnen degenerirten Fasern in beiden Bordach’schen Strängen, ein scharf- 
umschriebenes, schwarz gefärbtes Bündel im linken Bordach’schen Strang, ln der 
Höhe des Y. Cervicalsegments in Bereiche des rechten Seitenstranges eine kleine, 
circamskripte, frische Blntang. Im YII. Cervicalsegment, besonders im Gebiete der 
rechten Fyramidenseitenstrangbahn, ebenso links, und in den vorderen Grondbündeln 
beiderseits diffuse myeiitiscbe Veränderungen; z. B. Schwarzfärbong 3er austretenden 
Yorderwnrzeln. Einzelne Ganglienzellen in den Yorderhömem nndeotlich gezeichnet. 

Im YIIl. Cervicalsegment sind — bis auf die graue Substanz — auf dem 
ganzen Querschnitt diffuse myelitische Herde, namentlich auch in den Goll’schen 
Strängen; gegen das erste Dorsalsegment zu nehmen die Herde rasch ab. 

Dass klinisch die Hanptstörungen im Bereich der Y. Cervicalwnrzel auftraten, 
erklärt sich aus den bedeutenden pathologischen (äosserlioh sichtbaren) Verände¬ 
rungen derselben beim Austritt aus dem Wirbelcanal. Es ist dies eine weitere Stfltze 
für die Annahme, dass besonders die Fasern dieser Wurzel die bei der Erb’schen 
Lähmung bethbiligten Muskeln versorgen. 

Im dritten Falle — traumatische Aysterie, handelte es sich um eine isolirte 
Bewegungsunfähigkeit im III. und IV. Finger der linken Hand, welche nach einer (ge¬ 
schienten) Radiusfractur sich entwickelt hatte. Beim Flectiren aller Finger folgen 
die genannten erheblich später und nur ganz langsam, gleichzeitig, nach, ebenso beim 
Wiederaasstrecken derselben. Beim Spreizen entfernen sich der III. and lY. Finger 


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— 73 


akkt Tooeiouider. Passife Beweguog in allen Fingern völlig unbehindert. Starke 
ibetoBpfimg der Berflbmngsempfindnng auf dem Bficken des IIl. und lY. Fingers, 
^tfiage der Unken Hand and des Vorderarmes. MerkUch herabgesetzte Schmerz* 
apfindong ood Temperatorsinnstömng im gleichen Bezirk. Elektrisch völlig normale 
Vffkältnisee. Tortkbergehend trat während der elektrischen Behandlung eine Beuge* 
cntnctor der beiden Interphalangealgelenke des Mittelfingers auf, welche sich nach 
«nhsaffler passiver Streclmng des Fingers löste. 

Der .Annahme einer „traumatischen Nenrose“ als einer besonderen Krankheit 
Tcfug sich Verf. nicht anznschliessen. — Er plädirt am Schloss für eine ziel* 
knate psfchische Behandlung der Unfallpatienten ausser der event. chirurgischen, 
üM zrar insbesondere mit BQcksicht des Einflusses des Unfallgesetzes auf die 
fsfcbogne Entwickelung der Nacfakrankheiten. Paul Cohn (Berlin). 


S) Pmliai periodica del trooleare oon oefalea e nauaea, per Aug. di Lozen* 
b«rger. (Manieomio. XIII.) 

39jäbr. Mann, nie schwer krank gewesen (die Mutter litt an Hemicranie) erfuhr 
£it 12 Jahren zum ersten Male nach einem mehrstöndigen Marsch, den er in der 
>.{iM ond unbedeckien Hauptes gemacht hatte — einen Anfall, bestehend in rechts* 
.«iugem, tiefem, drückendem Kopfschmerz (während der späteren Anfälle ging der* 
idt« Dur aosnahmaweise auf die linke Seite über) mit Unwohlsein, Appetitlosigkeit, 
(ohne Erbrechen) and Doppelteehen. Ein während der MUitärzeit am Kopf 
diUcDer Hufscblag batte auf das Leiden keinerlei Einfluss Anfangs traten die 
AiÜile fast jede Woche anf and dauerten einen Tag und Kopfschmerz und Doppelt* 
i«ceii kamen and schwanden immer gleichzeitig; im Laufe der Jahre wurden sie 
uer seltener, aber dauerten länger, schliesslich 15 Tage lang. Der vom Verf. 
i^tachtete — letzte — Anfall dauerte 20 Tage; bei diesem begannen Kopfschmerzen 
ad Kaosea erst Macbmittags und hielten bis znm Einschlafen an; das Doppeltsehen 
lägKen war continnirlich. Beim Herannahen des Anfalls hatte Pat. das Gefühl 
L-pfsoden Pulsirens im Kopfe. — Die rechte Tena temporalis war stärker gefüllt 
ib die linke (beim Fehlen sonstiger Asjmetrieen am Kopfe). Bei der Untersuchung 
ier .logen erwies sich das Doppeltsehen als auf einer Lähmung des Trochlearis 
wibend; die Angen boten sonst nichts Abnormes. Durch mittlere Bromsalzdosen 
^hDg es den Kopfschmerz zu beseitigen; das Doppeltsehen hielt aber noch weitere 
Tage an and verschwand dann spurlos; auch die abnorme Füllung der rechten 
temporalLs. Verf. hält dafür, dass durch periodisch auftretende ^hwellung des 
cavernosus und dadurch bedingten Druck auf den I. Ast des Trigeminus und 
in Trochlearis die Erscheinungen zu Stande gekommen seien. 

Bresler (Freiburg i. Schl.) 


BecnrreDslAhmung bei Mitralstenose, von Dr. N. Ortner, (Wiener klin. 

Wochenschr. 1897. Nr. 33.) 

Verf. theilt zwei Fälle mit, in welchen die durch Stenose des Mitralostinms 
neogte mächtige Dilatation des linken Yorbofes den linken Nervös recurrens durch 
tairüeken desselben an den Aortenbogen znr Degeneration brachte und linksseitige 
'Usabandläbmnng berbeiführte. Im zweiten Falle stellte Yerf. die richtige Diagnose 
a nro. J. Sorgo (Wien). 


10) Sin Fall von Snprasoapularislähinung, von Ooebel. (Deutsche med. 
Wochenschr. 1897. Nr. 19.) 

Kach einem Trauma auf die r. Schulter entwickelten sich bei dem Fat. zunächst 
^>i*|tdehntere Muskelparesen nnd Beugungsstörungen, nach 10 Wochen restirte eine 


ig |i.:od oy CjOO^Ic 



74 


atrophische Lähmung des Muse, supra* u. infraspinatus, bezw. des N. suprascapolarU, 
mit dem ruckweise erfolgeoden, zweizeitigen Erheben des Armes, dem subjectiv 
empfundenen Wackeln im Gelenk. — Bei der Annahme, dass das Schlfisseibein beim 
Auffall den Nervenplexus g^en die Wirbelsäule resp. die I. Rippe drückte, erklärt 
sich die Erkrankung der beiden Muskeln, die Läsion des K. supr^capulatis leicht 
aus seiner Yerlaufsweise. 

Isolirte Supraclavicularisläbmnngen sind selten, im Ganzen nur 4 Fälle nach 
Bernhardt publicirt R. Pfeiffer (Cassel). 


11) Zur Lehre von den Arbeitsparesen an den unteren Extremitäten, von 

>H. Krön. Nach einer Demonstration im Verein für innere Medicin am 30. Mai 

1897. (Deutsche med. Wochenschr. 1897. Nr. 45.) 

Zenker hat bekanntlich die Aufmerksamkeit auf Lähmungen gelenkt, die bei 
Arbeitern in Folge von anhaltender Thätigkeit in knieender oder kniehockender 
Stellung auftreten. Verf. bereichert die Casnistik durch Mittheilong einer eigenen 
Beobachtung. Die 16jährige, neuropathiscb disponirte Patientin hatte vor 2 Jahren 
Torfstücke nmzulegeo gehabt, wobei sie mit spitzwinklig flectirten Enieen und nach 
hinten gerichteten. h;perextendirten Zehen fast den ganzen Tag auf feuchtem Boden 
kauerte. Obgleich die FOsse von Beginn dieser Thätigkeit an oft einschliefen und 
nach etwa 8 Tagen kalt nnd steif waren, arbeitete Pat. noch 6 Wochen lang fort 
Es bestand nun Schmerz und Kribbeln in den Füssen, öfters Krampf der Flantar- 
flexoren, besonders aber Schwäche der Ffisse, namentlich des rechten. Allmähliche 
Besserung. Zeitig besteht noch Schweiss und Kälte der Ffisse und rechts noch 
gelegentlich Krampf der Plantarflexoren, zumal bei knieender Stellung. Die Unter* 
suchung ergiebt mässige Atrophie des rechten M. tibialis ani nnd Extensor digit 
pedis communis mit Herabsetzung der Dorsalflexion des Fnsses und der Zehen und 
mit partieller Entartungsreaction. Die Sensibilität ist normal, DruckempflndUchkeit 
nirgends vorhanden, der Plantarreflex aaslösbar; die Achillesreflexe fehlen. 

Bei der Zenker’schen Lähmung ist der N. peroneus viel häufiger und inten¬ 
siver ergriffen als der N. tibialis, ferner handelt es sich immer nnr am Paresen, nie 
um schwere Lähmungen. Die Sensibilität ist stets alterirt, ihre Störungen gleichen 
sich aber bald wieder aus. Verf. bezieht die Crampi bei seiner Pat. auf die neuro- 
pathische Disposition, Wie lange Zeit die Schädigung gebraucht, um die Lähmung 
manifest zu machen, ist nicht sicher anzugeben. Die Lähmung resultirt wahrschein¬ 
lich aus einer Compression der Nerven in der Kniekehle, die häufigere und stärkere 
Betheiligung des N. peroneus daraus, dass die bei forcirter Beugung des Kniegelenks 
stark angespannte Sehne des M. biceps femoris den oberhalb seines Eintritts in den 
Canal dicht unter ihr gelagerten Nerven gegen das Fibulaköpfchen drängt. Die 
nicht selten vorwiegende oder ansschliessliche Betheilignng eines Fasses ist darin 
begründet, dass der Oberkörper auf der Seite der Arbeitsverrichtung mehr auf dem 
ünterschenkel lastet und so eine stärkere Flexion des betreffenden Kniegelenks be¬ 
dingt. Die Prognose ist vorsichtig zu stellen, die Therapie in Qblicher 'Weise zu 
leiten. In prophylaktischer Beziehung ist zu rathen, dem Körper beim Knieen eine 
weitere Stfitee durch eine Hand zu geben, ferner sind die Lente auf die Gefahr auf¬ 
merksam zu machen and zn veranlassen, beim geringsten Eriebelgeffihl oder gai 
beim Eintritt von Schwäche in den Füssen die Arbeit einzustellen. 

R. Pfeiffer (Cassel). 


12) Crampi professionale, per G. Pacetti. (Trattato di Medicina. Vol. VI.) 

Verf. bespricht, den Schreibkraropf zum Paradigma nehmend,. Pathologie nnc 
Therapie der Beschäftigongsneurose. Er hält die Erkrankung für ein gemischi 
central-peripheres Leiden. Valentin. 


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13) RifieNi dolorosi di origine psiohioa e di natara professionale, per 

Mootesioo. (Rivista qoindicinale di paicolo^a, psychiatria. 1897. Nr. 11.) 

Io erst«a Fall« handelt es sich um eine 16jährige, hereditär belastete VioHn* 
•pifjerio, die selbst hysterisch, mit 13 Jahren Schmerzen in den linken Fingern 
eapfud. sobald sie dieselben auf die Saiten der Violine aufsetzte. Das werde immer 
!(MiaiDef, bis sie sogar Schmerzen ebenda empfand, sobald sie nur eine Kaebbariu 
hSrte, ja neulich schon beim blossen Vorstellen des Geigenspiels. Sie ward 

ribeüt 

Io zveiten Falle ist es ein 35jähriger, schwer erblich belasteter Gesanglehrer, 
e Mit 3 Jahren beim Geben der Stunden einen furchtbaren Ekel, allgemeine 
SdiTitbe, Eopfechmerzen u. s. w. ron kurzer Dauer aber langer Erregung empfindet. 
^ 1 Jahren bat er ansserdem dann Schmerzen in beiden Ohren. 

Is beiden Fällen handelt es sich um psychischen Beflexschmerz, und zwar bei 
IssSimiig des Berufs. Bekannt ist es schon lange, dass bei den beruflichen.Erampf- 
Miraa die blosse Vorstellung, also psychisch, einen Krampf der betreffenden 
leVeln erxeogeu kann; hier aber (im ersten Falle) wird psychisch echter Schmerz 
: den Hoskelo erzeugt, und das ist noch bisher unbekannt gewesen. Nach Raggi 
hn Eeflexschmerz psychisch erzeugt werden 1. durch eine Emotion und 2. durch 
*31 forstellang. Das erste ist leichter begreiflich, weil physischer und psychischer 
xkotn einander sehr nahe stehen. Wenn es aber durch eine Vorstellung geschieht, 
V. kiBO es nur eine wahre Hallucinatioo sein; so erklärt sich der Reflexschmerz 
is. sliein bei im Geisteskranken. 

Aoeh im obigen zweiten Falle (Gesanglehrer) handelt es sich um psychischen 
Mexscboerz, da eine Menge von psychischen Momenten eine Rolle spielten, so: 

Stärke des Gesanges beim Schfiler, seine Entfernung vom Lehrer, ob Letzterer 
V5 Gesang selbst auf dem Clavier begleitete oder nicht u. s. w. Während bei 
iltnifsDeorosen mit Schmerz bei Ansfibung dieses durch eine Muskelbewegung ent- 

ist hier dagegen der Schmerz an das Hören, also an keine Muskelaction ge- 
vas gleichfalls bisher qoeh nicht beobachtet ward. Verf. ei^ebt sich noch 
a veiler« theoretische Erwägungen interessanter Art Näcke (Hnbertosbuig). 


Bopn uns fomui rara di orampo professionale, per Montesano. (Rivista 
«tumdicinale di psicologia, psichiatria. 1897.) 

Eins 34jäbrige, verheirathete Frau, erblich belastet, die vor 11 Jahren acute 
^nirrtbeit nach Fieber gehabt hatte, sich mit Nähen und Stricken das Brot ver- 
tnt, zeigt seit 2 Jahren bei diesen Arbeiten Steifheit in den Muskeln, die das 
^eterzrbeiten verbieten. Beim Nähen stellte sich ein zeitweiliger Krampf der 
I^fztoreD der Hand, mit gleichzeitiger Schwäche des Biceps nnd dann der Ober- 
‘‘itaukeln ein, besonders des Deltoideus; beim Stricken hingegen ein Krampf der 
f.af«tstreeker and der Addoctoren des Arms, and zwar beiderseits. Sonst zeigte 
fiatersuchnng nichts Specielles, nnr dass die Kniereflexe wenig deutlich und die 
•''ipiDenreactioD anf Licht träge war. Elektricität brachte etwas Besserung. Schneider¬ 
nd Sibkrämpfe sind bekannt, Stickkrampf ward nnr einmal bisher beschrieben. Der 
^ Fall wies verschiedene Besonderheiten auf. Verf. glaubt, dass die centrale 
^Mohe de« Leidens, speciell eine Störung des centralen Coordinationscentrums. am 
alle Symptome erklärt. Näcke (Hubertnsborg). 


IS) Kne eigenartige Form von progressiver Moskelatrophie bei Gold* * 
polirerinnen, von Hermann Gessler. (Württemberg. med.Correspundenzblatt. 
1896.) 

7erl hat bei zwei Folirerinnen ans den Pforzbeimer Goldfabriken eine vollkommen 


D g : 7cd / G OOglC 


76 


gleichartige Affection der rechten Hand beobachtet. In dem einen, genauer berichtete 
Falle bandelt es sich um ein 21jäbriges, 8 Jahre in solchen Fabriken beschäftigt« 
kräftiges Mädchen, bei dem vor 1^/, Jahren die beiden letzten Finger der rechte 
Hand taub wurden und nicht mehr gestreckt werden konnten. Die rechte Han 
wurde cyanotisch; schliesslich war die Hand vollkommen kraftlos, und es entwickelt 
sich ein Schwund der Bandmuskeln. Gegenwärtig ist die Streckmuskulatur d< 
rechten Vorderarms leicht atrophisch; an der Dorsalseite der Hand springen d: 
Sehnen des Ext. digii commun. stark vor. Der abducirte Daumen zeigt Hype] 
extension der Endphalangen, der Zeigefinger ist ulnarwärts abgewichen und zeig^ a 
seiner Badialseite eine tiefe Grobe an Stelle des atrophischen Interosseos ext. primu 
Auch der Mittelfinger ist etwas ulnarwärts gedrängt mit leichter Beugung der Ed< 
phalange. Der Bing- und Kleinfinger sind stark abdocirt, ihre Endphalangen star 
gebeugt Der Hypothenar ist stark, der Thenar leicht atrophisch. Die Sensibilit; 
ist normal. Die Beweglichkeit der Finger ist stark behindert, so dass das Fes' 
halten von Gegenständen kaum möglich ist. Bei elektrischer Beizung der Nervei 
Stämme reagiren die Handmuskeln nicht. Die Interossei und Lumbricales zeige 
totale Entartungsreaction, die Muskeln des Hypothenar galvanische Uebererregbarkei 
mit Umkehr der Zuckongsformel bei herabgesetzter faradiseber Erregbarkeit, di 
Muskeln ded Thenar Herabsetzung der Erregbarkeit. 

Diese progressive Moskelatrophie ist bedingt durch die Besebäftigungweis« 
Die Goldpolirerinnen halten Gegenstände an eine rotirende Beinigungsmaschine, wobe 
das Handgelenk der rechten Hand hyperextendirt wird, die ersten Fingerphalange 
im rechten Winkel gegen die Metacarpi gebeugt werden, die Endphalangen gege 
die erste gebeugt sind, der Daumen und kleine Finger abdneirt und opponirt wirc 
Es traten also in Tbätigkeit die Extensoren des Handgelenks, Interossei und Lam 
bricales, die Muskeln des Thenar und Hypothenar, auf welche Muskelgrnppen auc 
die Atrophie beschränkt ist. 

Unter regelmässiger Galvanisation, später auch Faradisation des rechten Arm 
und der rechten Hand, verbunden mit täglichen Einspritzungen von 5 g Strychni; 
trat in beiden Fällen eine wesentliche Besserung ein, wenn auch die Atrophie de 
gelähmten Muskeln noch nicht gänzlich gehoben ist. 

Verf. will diese Fälle weder der centralen, noch der neuritischen oder myo 
pathischen Form der Muskelatrophie zurechnen, sondern einer vierten Form, dere 
Ursprung in den intennuscnlären Nerven und in der motorischen Terminalplatte zi 
suchen ist. Als charakteristische Symptome dieser Form von Moskelatrophie stell 
er auf: Exacte Beschränkung einer weitgehenden Atrophie .auf ganz ' bestimmt 
Muskelgroppen, keine Tendenz zum Weiterschreiten, Fehlen objectiv nachweisbare 
Sensibilitätsstörungen, normales Verhalten der zu den gelähmten Muskeln gehörende: 
Nervenstämme, complette Entartungsreaction der atrophischen Muskeln, rasche Heiluiij 
^i sachgemässer Behandlung. Sich selbst Qherlassen, kann der Degenerationsproces 
allerdings auf dem Wege der peripheren Nervenbahnen zum Centralorgan vorscfareiteii 

M. Bothmann (Berlin). 


16) Faraesthesia of tbe external femoral region, by Shaw. Bead betöre th< 

Brooklyn Medical Society. (New York Medical Journal. 1897. Nr. 7.) 

Verf. berichtet Ober 4 Fälle von Farästhesieen im Bereiche des N. cutaneo. 
femoris externus, welche er zum Theil schon vor langen Jahren beobachten konnte 
Alle Patienten, darunter zwei Frauen, standen im mittleren Lebensalter. Die An 
nähme, dass das Leiden in einer Compression des Nerven durch die Fasele seii 
anatomisches Substrat hat, entbehrt der Begründung, ebenso Both’s Hypothese dei 
gestörten Venencirculation. Bernhardt’s AuHassong, nach welcher eine degenerativi 
Neuritis die Farästhesieen bedingt, erscheint dem Verf. unwahrscheinlich, da dii 


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fyiptMw sdiwioden kÖDnen (ein nicht stichhaltiger Einwand. Bef.). Verf. glaubt, 
hs tozuclie Eioflfisse eine ^Ue spielen und auf den prädisponirten Nerven ein- 
firkaa Die Behandlung mnse in erster Linie die Beseitigung der eventuell vor* 
^esa Dmehe erstreben, daneben sind Elektricität, Gymnastik, warme B&der 
jftn Too Nntseo. B. Pfeiffer (Cassel). 


17} Kin Fall von Bernhardt-Both*8oher Fsr&sthesie (Paraesthesia n. out. 

tei. ezt), von Dr. Julius Donath. (Wiener med. Wochenschr. 1897. 

Xr. 25.) 

Sd 40 Jahre alter, früher stets gesunder Kaufmann acquirirte vor 7 Jahren 
Kavirtiges Leiden, für welches er zwei ätiologische Momente anzufOhren weiss: 
asteeUftzQg; zweitens wurde er einmal von einem Frauenzimmer in die Mitte der 
Wjflüfbe des rechten Oberschenkels gekniffen und empfand durch mehre Minuten 
Schmerz. Eänige Monate darauf begann sein Leiden: Taubsein und Kribbeln 
iS in vorderen äusseren Fläche des rechten Oberschenkels, die sich bei längerem 
Mifa nod Stehen zn Schmerzen steigern. Doch verlässt ihn auch im Liegen das 
Tubbeit^rabl nicht ganz, ln der parästhetischen Zone besteht Hypästbesie für 
ü Empfindongsarten (Tast-, Schmerz-, Kälte-, Wärmeempfindung und farado-cutane 
wiibilität), besonders stark auf der unteren Hälfte des Gebietes. Ausserdem deut- 
^Säväche des rechten Beins, auch objectiv nachweisbar. Sonst nichts Abnormes 
& PiL ZQ finden. 

SalTanofaradisätion nnd Ichthyoleinreibungen blieben erfolglos. 

Wihrecheinlich handelt es sich bei diesem Leiden um eine chronische Neuritis 
’x durch seinen oberflächlichen Verlauf mechanischen Schädlichkeiten besonders aus- 
'ssoen N. cut. fern exi Huskelaction kann dann die Parästhesieeu leicht zu 
steigern. J. Sorgo (Wien). 


^ Intomo ad alooni punti della tearia di Bernhardt sulla parestesia 
ddla coscia, per Näcke. (Bivista quindicinale di psicologia, psichiatria. 1897. 
3.113.) 

7arf. glaubt, dass die Parästhesie des N. cutan. ferner, ezt., häufiger ist, als 
BI ^aobt, nod dass manche sogenannte Nenralgieen und Rheumatismen nur solche 
•'Eiäfimsieeo darstellen oder wenigstens im Anfänge darstellten. Parästbesieen 
Brin nor zu oft mit Schmerzen verwechselt, besonders von Ungebildeten. Han 
Bsr diejenigen Fälle als Parästhesie hinstellen, wo solche vorwiegend und 
>^<1 besteht, dagegen gehören Fälle von blosser Unempfindlichkeit nicht hierher. 
^ sacht dann auf die Wichtigkeit des Traumas in der Äetiologie aufmerksam und 
'd m anderes, was bisher ganz vernachlässigt wnrde: die hereditäre Beanlagung, 
^ ^«falis, wie bei Nenralgieen o. s. w., eine Rolle spielt,. weil sie einen Locus 
resisteutiae für den Nerven schafft. Freilich bietet nach dieser Hiusicht 
die Anamnese grosse Schwierigkeiten, daher alle Statistiken über Erblichkeit 
^ -Ulgnoeineo mehr als unsicher sind. Auf der anderen Seite soll man aber anch 
^ Verth der erblichen Belastung nicht überschätzen, am wenigsten die indirecte. 
maehi ferner aufmerksam, wie bei allen mehr subjectiven Leiden, so z. B. bei 
gerade Selbstbeobachtungen von Aerzten hohen Werth haben, des- 
auch für viele psychologische Thatsachen, z. 6. das Trauma. Endlich hebt 
^ Wvor, dass bisher nur 2 Fälle von Heilungen obiger Parästhesie bekannt sind: 
‘ Fall Köster und 2. sein eigener, der genau 1^/^—1^/, Jahr angedauert hat, 
er nr Ergänzung seiner Oberen Mittheilung beifügt. (Autorreferat). 


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10) Ueber die Akropsrästhesie (BohultBO), von Dr. L. Haäkovec. (Wiener 

klin. Rundschau. J897. Nr. 43 — 45.) 

Auf Grrnnd eines selbst beobachteten nnd ausführlich mitgetheilten Falles tos 
A kropsrästhesie and nach Besprechung der bisherigen Arbeiten Über diesen G^ec- 
stand kommt Yerf. zu folgendem Schlussergebnisse: 

Es giebt Fälle von Parästhesie nnd Schmerzen der Hände, ev. der Füsse, mit 
oder ohne vasomotorische Veränderungen, welche weder von einer organischen Er* 
kranknng des Centralnervensystems, noch von einer Neuralgie oder parenchymatösen 
Neuritis abgeleitet werden können. Nur in einigen Fällen waren die Nervenstämme 
druckempfindlich. Alle Fälle sind chronisch und nicht fortschreitend. Die Ursache 
kann in leichten perineuritiachen Veränderungen der peripheren Nerven, in dpn 
Wurzeln nnd Ganglien oder in functioneilen Störungen der Hedolla oblougata liegeo. 
Die Krankheit tritt am häufigsten um das 40. Lebensjahr auf, Öfter bei Frauen als 
bei Männern. Erbliche Belastung und Anämie sind häufig. Als unmittelbares ätio* 
logisches Moment wird oft rascher Temperaturwechsel angegeben. Die Prognose ist 
in Bezug der Dauer ungünstig. Galvanisation des Nackens, der Plexus brachiaiis 
und einzelner Nerven bewährt sich am besten. Auch Franklinisation kann empfobleu 
werden. — 

In dem mitgetheilten Falle handelte es sich um Farasthesieen und Schmerzen 
«esonders im .8. und 4. Finger, die sich Über die ganze Hand erstreckten; massige 
Röthung der Haut, leichte Druckschmerzhaftigkeit der Nervenstämme, keine objective 
Sensibilitätsstörung nnd intacte elektrische Erregbarkeit der Muskeln und Nerven. 
Herpesartiger Ausschlag nach dem ersten Auftreten. Keine hysterischen und neu* 
rasthenischen Beschwerden, keine Störungen von Seiten des Centralnervensystems. 

J. Sorgo (Wien). 

20) Ein Fall von Dermatosis linearis neuropathioa, von K. Leven (Elberfeld). 

(Deutsche med. Wochenschr. 1897. Nr. 41.) 

Bei dem 16 Monate alten Knaben sieht man an der Hinterseite des linken Beines 
einen langen Streifen, der, einwärts vom Trochanter major beginnend, anfangs schmal 
ist, nach 4 cm Länge seine grösste Breite erreicht, um sich dann wieder zu ver* 
jOngen. Das Band verläuft nach innen unten bis znr Kniebeuge, macht einen kleinen 
Bogen nach aussen, läuft dann am Unterschenkel selbst anfangs wieder mehr an dei 
inneren Seite, weiterhin gerade in der Mitte nnd endigt anf der Achillessebne ai 
der Ferse. Das Band ist donkelrotb, deutlich erhaben, macht den Eindmck, „ah 
habe man einen Nervenstamm mit einem Stift auf die Epidermis aufgezeichnet“; di< 
Haut zeigt nicht den Charakter der Ichthyosis, macht den Eindruck einer leich 
ekzematös erkrankten Hautpartie. Die Affeetion trat nach Aassage der Mutte 
6 Wochen post partum anf und entwickelte sich schnell. Verf. nimmt für den vor 
liegenden Fall eine Erkrankung der Hautnervenstämme an nnd zwar kämen in Be 
tracht der N. entaneos femoris posterior und N. cutaneus post, medius nach He nie 
bezw. N. entaneus femoris posterior, N. suralis, N. cutaneus surae extemos un 
N. entaneus surae medius nach Heitzmann, bezw. des N. cutanebs post und > 
peronens medins nach Hasse. R. Pfeiffer (Cassel). 


21) Neurofibromatose outanee aveo xanthome profond du bras droit, pa 
X. Delore. (Gazette des böpitaux. 1896.) 

Bei einem 33jährigen, hereditär in keiner Weise belasteten Brettschneider b< 
standen seit frühester Kindheit zahlreiche Über den grössten Theil des Körpers zei 
strente Tumoren in und unter der Haut von Stecknadelkopf* bis Nussgrösse, thei 
festsitzend, tbeils gestielt, die meisten von weicher, andere von fibröser Consisten 


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Mache sind durch Drack lam VerschwindeD zu bringen. Seit 2 Jahren hatte sich 
tbcrUes — angeblich im Gefolge eines Schlages — an der Innenseite des rechten 
Oberarmes eme bis Fanstgrösse herangevachsene schmerzlose Geschwulst entwickelt, 
m BormaleT Haut bedeckt und im Centrom fluctnirend. Han vermnthete einen kalten 
Abeeass. Bei der Inösion ergab sich ein sobaponeurotischer solider Tumor mit einer 
cangdmässigen Höhle, die eine riscöse gelbe Flüssigkeit enthielt Zum Zwecke histo- 
hoKber Dntersnchnng wurde auch ein kleiner congenitaler Uanttnrnor der Thorax« 
»stirpiri. Derselbe bestand ans fibrösem Bindegewebe, dem kleine Bündel 
na Nertenfasem beigemengt waren, and DrOsengewebe, das mit Scbweinsdrüsen voll« 
säadig identisch erschien. Die Bildung wurde als Hjdradenoneurofibrom oder ein« 
kcker als Teratoma eutaneom bezeichnet Der grosse Tumor hatte ein myxomatösee 
Stnea. In seinen dichteren Partieen fanden sich e^enthümliche grosse Zellen, die 
aaf dem ersten Blick Ganglienzellen glichen, möglicherweise aber modificirte Zellen des 
Fettgevebes waren. ÄnsseHem fielen rnnde Zellen mit grossen Kernen in der Umgebnng 
der Gefisse auf. Anch hier handelte es sich nm eine teratologische Bildung. 

R. Hatschek (Wien). 


tS) VÖTromes gdneralisea. Bdaeotion d’une grande partle des nerf mödian 
^ «k cabital. BdtabUssement des fonotlona motrloe et sensitive. Poly- 

orehidie, par Pöan. (Gazette des höpitanx. 1897.) 

So 25j4hngeT, hereditär in keiner Weise belasteter Patient hatte seit seinem 
j 4. Lebeasjahr zahlreiche isolirte, erbsen« bis nussgrosse Tnmoren am Bücken, den 
/ EznwBitäten, an der Süme; manche davon hatten sich spontan znrOckgebildet, da« 
^«0 andere, insbesondere am linken Arm, an Grösse zugenommen, verursachten da« 
sftst heftige nenralpsche Schmerzen. Der grösste (beinahe kindskopfgrosse) Tumor, 
der sieh auch durch seine flnetnirende Consistenz von den anderen unterschied, sass 
•ab^neorotiseb an der Innenseite des Oberarmes. Bei der Incision desselben ent¬ 
arte sieh zunächst blutiger Inhalt, man sah dann, dass der cjstische Tumor sich 
' z der Dicke des N. medianns entwickelt hatte. Unterhalb und oberhalb ist der 
I I. medianos durchsetzt von theils fibrösen, thsils cystischen Tumoren von Kastanien- 
:ii OrmngengTösse. Die Nerveosebeiden sämmtlicber Plexnsnerven sind sehr betracht« 
xb verdickt. Wiewohl anch im Verlauf der Ulnaris gleiche Tomoren sich zeigten, 
Mgnftgte Verf. sich, am den Eingriff nicht zu schwer zu gestalten, mit der Besection 
m Medinnns längs des Oberarmes. Schmerzen in Folge des Wachsthnms der Ulnaris* 
uaeren machten jedoch eine zweite Operation nöthig, wobei ein sehr langes Stück 
im Herren entfernt, ausserdem Tnmoren an der Schulter und am Thorax exstirpirt 
ad das SerotniD incidirt wurde, in welchem gleichfalls eine — heftige Schmerzen 
owogeode — Geechwnlst sich befand. Es stellte sich heraus, dass es sich um einen 
tDwzäbiigen Hoden handelte: an dem gemeinsamen T. deferens sass ein kleines 
^enrom, das entfernt wurde. Seitdem ist Pat. schmerzfrei. Einige Woeben nach der 
'Jpention begann allmähliche Bestitntio. Trotzdem Ulnaris und Hedianus in einer 
iasdehnnng von 25—30 cm resecirt worden waren, stellte sich die Sensibilität voll« 
?tiBdig wieder her, desgleichen die Motilität bis anf geringe Beweglichkeitsbeschränknng 
im Daumens. Bei histologischer Untersnebnng ergaben sich die Tnmoren als reine 
PhrMae, die von den Nervetiscbeiden aasgingen, jedoch keinerlei neugebildete Nerven« 
Wn eothielten. B. Hatschek (Wien). 


>3) n riflesso mnaoolare provooato dei glutei nella nevralgia isohiatioa, 
per C. Hegro. (Bull, del PolicUn. gen. di Torino. II.) 

Uebt man bei Ischiaskranken mit dem Finger einen Druck anf den M. glutaeus 
ibw der Ine. ischiad. aas, so erfolgt eine technische Contraetion des Muskels. Ebenso 


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zieht sich der Muskel in manchen Fällen zusammen, wenn man einen Druck im Ver¬ 
lauf des Nerv. glut. snp. aosfibt. 

Terf. hält diese Contraction für einen Beflex, ausgelCst von den fiberempfind- 
lichen Nerven. Bei zweifelhaften Fällen von Ischias hilft diese Erscheinung die Diagnose 
bestätigen. Valentin. 


24) Ein Fall von ohronisoher Endometritis mit Erscheinungen einer Herz¬ 
neurose, von Dr. Josef Zamazal, Stadtarzt in Wsetin. (Wiener medic. 
Wochenschr. 1897 Nr. 15.) 

Eine 34 Jahre alte Frau litt an chronischer Endometritis und stenocardiscben 
Anßllen ohne schmerzhafte Sensationen in der Herzgegend. Für die Abhängigkeit 
der Neurose von dem Gebärmutteiieiden sprach die regelmässige zeitliche Coincidenz 
der AnföUe mit Verschlimmerung der Endometritis während der Behandlung and das 
Aufhören derselben mit Beseitigung des pathologischen Processes. 

Verf. sucht die Berechtigung der Diagnose Stenocardie trotz fehlender Schnoerzen 
dadurch zu begrönden, dass das (üesammtbild und nicht ein einzelnes Symptom ffir 
die Diagnose maassgebend sei. 

Von der Gebärmutter eine durch Beizung bewirkte reflectorische krampfartige 
Zusammenziehung der Coronararterien oder des Herzmuskels ist die Ursache der 
Neurose, der Beflexmechanisrnns wird hauptsächlich fOr die nervösen Koliken und die 
Gastralgie näher zn erläutern gesncht, ohne dass wesentlich neue Gesichtspunkte ge¬ 
wonnen würden. Das Gesetz der excentrischen Projection sei zur Erklärung dieser 
Zustände unhaltbar. J. Sorgo (Wien). 

25) Herzbesohwerdeu der Frauen verursaoht durch den Ck)habitation.8act, 
von Prof. Dr. E. Heinrich Kisch in Prag (Marienbad). (Münchener medic. 
Wochenschr. 1897. Nr. *23.) 

Verf. sab bei Frauen, welche eine Reihe von Jahren hindurch den Coitus reservatus 
ausübten, eine Art von Nenrasthenia cordis vasomotoria mit beschleunigter Herzaction, 
sehr grossem Angstgefühl, Kopfschmerz, Schwindel, Schwäche der gesammten Körper- 
muskulatur und zuweilen syncopeartigen Zufallen eintreteo. Das Herz erweist sich 
dabei stets als gesund, ebenso ist an den grossen Gefässen nichts nacbzuweisen. 
Auch im Elimacterium kommen ähnliche Herzbeschwerden vor, welche z. Th. durch 
Behinderungen der Cohabitation (Schrumpfungsprocesse in der Vagina) bedingt sind. 

E. Asch (Frankfurt a./M.). 


26) Paralysis of one third nerve ftom haemorrbagio neuritis, with extra- 
vasation over the opposite firontal lobe, by G. A. Gibson und W. Aldren 
Turner. (Edinbui^h medical Journal. 1897. May.) 

11 Monate altes Mädchen kommt zur Aufnahme wegen Brechdurchfall und seit 
wenigen Tagen bestehender rechtsseitiger Ptosis. Schon seit 3 Wochen soll Pat. 
häoüg einen heftigen Schrei ansgestossen haben. Die Motilität und die Beflexe am 
ganzen Körper normal. Es bestand nur rechtsseitige Ptosis, Lähmnng der vom 
Oculomotorius versorgten äusseren Augenmnskeln, sowie'Mydriasis der rechten, auf 
Licht nicht reagirenden Pupille. Bei der 6 Tage nach der Aufnahme erfolgten 
Autopsie fand sich eine ausgedehnte Hämorrhsgie in der Gegend der linken Sylvii’- 
schen Spalte, nach vom und oben auf die Stimwindungen, besonders die zweite 
fibergreif^end, mikroskopisch erwiesen sich die kleinen Arterien der Binde sehr er¬ 
weitert, die Blutung indessen nnr oberQäcblicher Art. Die Untersuchung des rechten 
N. oculomotorius eigab eine intensive hämorrhagische Neuritis desselben von seinem 
Austreten aus dem Himschenkel bis zum Eintritt iu die Orbita, der Eera war normal. 


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Di« ArtCwwig 4er TerfL, daea die PtosiB s. s. w. tod dieaem Befand# am Narren 
abUzig% so maeben ist, besteht zweifellos za Recht, auffallend bleibt indessen, dass 
4* tuged^iaU eartieale Blutnni;, falls sie m^t rtwa agenaler UOTkanft ist, gar 
taäe ^ptome^ nach nidit solelM allgemeiner Natur, wie Sopor, CeDTulsioaen, ge* 
Btät iai. Martin Bloch (Berlin). 


iT) Un oe« da nderlte ayatdmatisde motrioe aveo anaaaique, par J. Ddjerine 
rt Ch. Mirallid. (Berne de Mddedne. 1897. Janrier. S. 60.) 

T^pisehM^ Fall ron acater Folynenritis ron bestimmt infectidsem (Trspnuig. 
learieAe Lähmung mit Muskelatrophie an allen rier Extremitäten, besonders an 
teBenen. Keine Spur ron Sensibilitätsstömng, keine spontanen ^hmerzen, nur 
Dradeapfindiichkeit Herabgesetzte elektrische Erregbarkeit, Fehlen der PateUar* 
nhu,Ttchjcardie, kein Fieber. Am Auffallendsten war aber ein starkes diffuses 
Oidta aller Extremitäten, welches allmählich unter Auftreten von erheblicher Poly* 
Die mäckging. Der Pall endete mit röUiger Oeneeung. — Die Yerff beziehen das 
auf eiae Störung rasomotorischer Herren und erinnern an die ähnlichen 
Oidme bei der Beri*Beii (Sollte man die Oedeme bei der Polyneuritis nicht ein* 
bläu aef eine Alteration der Gefässwände durch die rorauszusetzende toxische 
^^UfiekksH beziehen können?) Strtlmpell (Erlangen). 


S) Heber asptiaohe Folyneuritla, ron Dr. Hugo Kraus. (Wiener klin. Wochen* 
Kkrift. 1897. Nr. 40.) 

Gse 26jährige Schuhmacher^ttin wird mit sohmenhafter Schwellung an den 
Im- sad Sprun^felenken anfgenommen. Temperatur 36,0^. Oynäkolo^che Unter* 
atbssg: Reichlich eitriger Ansflnss, Anflockemng der Vagina, leichte Vergrössemog 
bl Ctmis; im Secrete Gonokokken. Einige Stunden nach der Untersuchung Schottel* 
^ eintgs Tage später Blutungen ans dem Genitale. Unter fortdaoemdem Fieber 
Qi Oeleoksachmenen entwickelt sich das Bild einer Sepsis. Fieber Anfangs remit* 
^ mit wiederholten SchOttelfrösten, später nahezu continnirlich; Herpes labialis, 
ibeitntas, HämorrhagieeD im Geeicht nnd am Rnmpf, Stonwtitis; Blot bei Cnltur* 
mnckot stsriL Vom 30. Tage an beiderseitige Pnenmonie. Vom 60. Tage an 
bbufrsL Am 60. Tage rAhmmg beider Unterschenkel, nachdem sie schon einige 
^ t\m Schmerzen und Schwäche in den Beinen geklagt hatte. Die Unterso^nng 
Beide FOese befindea mh in SpitzfusasteUung, actire Bewegong im Spmng- 
fdmke ufgeboben, passire sehr behind^ Bew^ungsAhigkeit der Zehen roUständig 
ufiebeben; Moskela der Untmschenkel nnd FOsse schlaff nicht deutlich atrc^hiseh, 
Am B ee d io n auf den faradiechen Strom. Dorsum pedis ToUkommen anästhetisch 
m Ih« den Mallael. ext, ebenso vordere Hälfte der Fnsseohle; äusserer Fnssrand 
^ te SenaibUititasU^nng nicht betroflsn. Ueber dem anäathetisehen Bezirke eine 

* bit za den Enieeo reichende hyp^ästbetisdie Zmie. Dmckschmerzbaftigk^ dmr 

und KerveDstänuBe der Unterschenkel, heftige spontane Schmerzen beeondmw 

* Fersen. 

Weiterhin imtwickeU sich dentLkhe Hnskelatrophie, die Herabeetznng der Sen* 
■tttit sehraitei gegen den Unterschenkel hinauf fort Ke Beweglichkeit bessert 
im weiterem VerlaBfe am ein weniges, die spontanen SchaMisen schwinden nach 
sMh. Kai dar Zustand, als Pst die Klinik verliesB. 

b am noch erwähnt dass Pat von den zur Zeit der septischen BrscheiDungen 
‘‘Midten Mediommentmi weder Na. sali^l., noch Sabl, odmr Antipyrin nnd Sali- 
^ vertrag. Anf Antipyrin reagirte sie mit Temperatarsteigeiung, mnimal bis 40 ^ 
bytkim dar Haut and Schleimliänte. 

Ob 4« s^tieebe Proeeai vom gewöhnliohen Fhtereiregem oder Gomokokken her* 

6 


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Torgerufen war, liess sich hei dem bakteriologisch negativen Blotbefunde nicht ent¬ 
scheiden. 

Yerf. bespricht noch die wenigen in der Litteratnr verCflfentlichten Fälle von 
septischer Polyneuritis. Ein Theil derselben ist nnter dem Titel der puerperalen 
Polyueuritis verzeichnet 

Die Extensität und Intensität der Krankheit ist nach den vorliegenden Beobach¬ 
tungen verschieden. Es findet sich einseitige und symmetrische Affection, Erkrankung 
einer oder aller vier Extremitäten; auch Bnmpfmuskeln, Yagos nnd äussere Augen¬ 
muskeln können ei^iffen sein. Lähmung der Accommodations- und Qanmenmnskeln 
wird nie erwähnt Das mittlere Lebensalter und das weibliche Qescblecht scheinen 
bevorzugt zu sein. J. Sorgo (Wien). 


29) Ein Versuch Bur Bekämpfung der Berl-Berl von Dr. Eijkmann. (Yirchow’s 

Archiv. Bd. CXLIX.) 

Yerf. hat, gestützt auf Beobachtungen, die er bei Hühnern gemacht bat (ref. 
Centralbl. 1897. 18), auf Java und den benachbarten Inseln Untersuchungen darüber 
angestellt, inwieweit die Ernährung mit verschiedenen Beissorten von Einflnss auf 
das Entstehen von Beri-Beri sei. Bei einer Statistik, die sich auf eine grosse Reibe 
von Jahren nnd auf beinahe 300 000 Sträflinge erstreckte, konnte er feststellen, d*»» 
in den Qefangnissen, in welchen der Reis halbgoschält, d. h. noch mit dem sogen. 
Silberhäutchen behaftet, genossen wird, die Erkrankungs- bezw. Sterblichkeitsziffer 
für Beri-Beri eine verschwindend geringe war im Yergleich zu derjenigen in den 
Strafanstalten, in welchen vollkommen geschälter Reis zur Ernährung verwendet wird. 
— Mit Recht erblickt Yerf. in dieser Thatsache einen wichtigen Hinweis für eine 
rationelle Bekämpfung der Krankheit Lilienfeld (Or.-Lichterfelde). 


SO) Endemio multiple neuritis (Beri-Beri), by Bo'ndnrant Read before the 

Medical Assomation of Alabama, at Selma. 1897. 20. April. (New-York med. 

Journal. 1897. Yol. LXYI. Nr. 21 u. 22.) 

Die Mittfaeilnng bezieht sich auf 71 Fälle, welche in den Jahren 1896—1896 
xmter den Insassen der Irrenanstalt zu Tuscaloosa (Alabama) zur Beobachtung ge¬ 
langten. Hauptsächlich wurden Patienten mit psychisch-d^enerativen Formen der 
(Geisteskrankheiten befallen: 32 (von 80 im HospiW befindlichen) Epileptiker, ferner 
Imbecille, Paranoiker und Kranke mit terminaler Demenz und degenerativen Stig¬ 
mata, während die Patienten mit acuten oder heilbaren P^chosen, sowie das Anstalts¬ 
personal verschont blieben. Die Neuritis befiel besonders Männer, weniger die schwarze 
Bevölkerung, zeigte aber bei diesen ernsteren (Charakter. Die klinischen Symptom¬ 
bilder entsprachen im Wesentlichen den bekannten Typen der Beri-Beri, variirten im 
Einzelfalle erheblich: bald traten die nervösen Störungen im Bereiche der befallenen 
Nerven in den Yordergmnd, bald das Oedem oder die Herzstörungen, in anderen 
Fällen erlangten an sich nebensächlichere Symptome (Fieber, gastrointestinale Störungen) 
erhöhten, klinischen Ausdruck. Das im Allgemeinen der Schwere der Neuritis parallel 
gehende Oedem der Hautdecken war in der Hauptsache vasomotorischer Natur, seltener 
die Folge einer Nierenstörung. Yorher sicher constatirte, mildere Formen chronischer 
Nephritis wurden durch die Beri-Beri nur in ca. der Hälfte der Fälle vorübergehend 
verschlimmert Der Eintritt der Neuritis war plötzlich oder mehr schleichend, die 
Krankheitsdauer je nach der Schwere verschieden, die definitive Genesung erfolgte 
eft erst nach langer Reconvalescenz (11 Monate und darüber), 21 Patienten starben. 
Oft war erhebliche Anämie bemerkbar, ohne dass die Blutuntersnchung dafür Anhalts¬ 
punkte lieferte; Malaria- oder andere Plasmodien fehlten. Todesursachen waren Herz¬ 
schwäche in 14 Fällen, Status epilepticus, Pneumonie, Tuberculose bezw. Combinationen 


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83 


der gmannten Zustände. — Die Behandlung war im Wesentlichen symptomatisch. — 
Baflglkh der Ursache der Beri>Beri>En* bezw. Epidemie glaubt der Autor an eine 
btvichelong des Krankheitsstoffes in dem kürzlich eu^edeichten Flusse unter Um* 
Süden, die auch das Wachsthum der Halariakeime begünstigten — und Ueber- 
mgong durch Ausdünstung oder Gebrauch des Wassers. — Eeinesfalls bandelte es 
•dl um Halazianeuritis in diesen Fällen. Beri*Beri ist in den Vereinigten Staaten 
idn, wie der Autor an der einschl^igen Litteratnr nachweist. Interessant ist 
hn eine Epidemie von Poliomyelitis anterior acuta, die 1894 und 1896 beobachtet 
vwde nnd besonders bezüglich der Aetiologie manche Aehnlichkeit mit der Beri* 
B«n leigte. B. Pfeiffer (Cassel). 


Sl) Feriploral neoritts ooxmeoted with pregnanoy and the poerperal state, 
l^Ernest Septinns Reynolds. (Brit.med.Joom. 1897. 16. Oci S. 1080.) 

I Zwei Fälle von Schwangerschafts* bezw. Wochenbettneuritis werden genaner be* 
seärieben. Der erste der Fälle betrifft eine 24jährige Erstschwangere im 4. Monat, 
' Bit heftigem Erbrechen. Künstlicher Abort. Darnach 3 Wochen dauernde Blasen- 
^ Bectnmlähmnng, welche 14 Tage anhält und verschwindet Einen Monat später 
aSiBählich sich entwickelnde Paraple^e beider Beine, die oberen Extremitäten nor- 
ml — Amyotrophie der Beine; keine Flexionscontractnr: Fuss*, Talipes-, Eqoino* 
Ttfos. — AUmähiicbe Herstellung unter Zunahme der Muskellänge, aber ForÜaoer der 
iaieeontractar in geringem Grade. — Zum zweiten Male Schwangerschaft ohne Er* 
kecken und normaler Entbindung. Die Lähmung zwar nicht gänzlich, doch grössten 
\ Thals beseitigt. 

Der zweite Fall betrifft eine 18jährige Primipara, die bis dahin gesund war. 
.Xknmische Fyämie'* nach Operation eines Leberabscesses; Paraplegie: Amyotrophie; 
CBiecontrsctoren. Die oberen Extremitäten normaL — Es erfolgte Herstellung, wenn 
' ach die Eracbeinungen nicht spurlos verschwanden, einige Fuss* und Zehensteiüg* 
i ist das Geben beeinflusste, aber nicht mehr hinderte. 

j L. Lehmann I (Oeynhausen). 


SS) Ueber Keuritia pnerperslis, von Dr. Alfred Saenger. (Mittbeilungen aus 

den Hambuigischen Staatskrankenanstalten. 1897.) 

Mach eingehende Würdigung der einschl^gen Litteratnr theilt Terf. 6 selbst* 
heobaehtete Fälle von puerperale Neuritis mit. 

In den drei ersten Fällen handelte es sich um multiple Neuritis, die einmal 
sater dem Bilde der acuten aufsteigenden Paralyse durch Atbemläbmung zum Tode 
ährte. Im ersten Falle bestanden auch Schlingstörungen, Mastdarmlähmui^ und 
Hyperämie der Papillen. Die ersten Erscheinungen in Form von Schmerzen und 
Partetbeaieen waren schon in der Gravidität anfgetreten. Im dritten Falle waren 
dtSrungen von Seiten der Himnerven nicht vorhanden. 

Im vierten Falle handelt es sich am eine ieolirte linksseitige Neuritis n. nlnaris 
« «MdUni, im fünften nm doppelseitige, erst rechts, dann links auftretende Badialis- 
od Medianoslähmnng. Im ersteren der beiden letztgenannten Fälle bestanden Par* 
ifihesieeii der Hände schon in der Gravidität. 

Im sechsten Falle endlich beflel der neuritiscbe Process nur die Sehnerven in 
IwB einer Neoritis retrobnlbaris, die in wenigen Tagen za totaler Amaurose geführt 
ktte and langsam sich besserte. 

Was die Ursache der pnerperalen Nenritis betrifft, so möchte sich Yerf. mit 
der Beeerve dahin ansspreehen, dass dieselbe schon in der Gravidität vorhanden sei; 
haftr sprechen die Tbatsachen, dass die Vorboten häufig schon in der Schwanger- 
afceft beobachtet werden. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um toxische Momente, 

6 * 


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wenn nan aacb Do«b nicht berechtig ist, von einem bestimmten, epedfiedi wirkendei 
^Ae in sprechen. Dabei mnee die Krankheitsarsnche aber in physiologischen Vor 
gingen an soeken sein, da die Blebrzahl dar Fälle normnk Scbwangersehaftai bexw 
Poerperieen betrifA. Ifartin Bloch (Berün). 


Psychiatrie. 

33) Retrograd Amneei öfter Suspeneion, af Dr. Knud Pontoppidan. (Hosp.* 

Tid. 1896. 4. E. IV. 50.) 

Ein 66 Jahre alter Mann mit erblicher psychischer Belastong, hatte nnter den 
Drache von Soi^n and Scbwermnth echon längere Zeit Selbetmordgedanhen gehegt 
E^es Moigens stand er zeitig snf, nnd seine Frau war Zenge daron, dass er ix 
halb hnieender Stellnng sich eine dfinne Schnnr nm den Hals legte, doeh so, dass 
or zwischen den Hals nnd die Schlinge ein paar Lappen einschob. Es rergiogeii 
etwa 2 Hianten, ehe der Erhängte abgeschmtten wurde. Im Kranhoibanse, wohiii 
gebracht worden war, lag o* etwa 24 Stunden ohne Bewnsstsein, nnd ebenso lange 
war der Kopf oberhalb der Strangmarhe cyanotisch, dann trat eine Periode ron 
Unruhe nnd Agitation anf, die etwa 2 Stunden daoerte, woranf Fat. in Schlaf verfiel. 
Ans dem Schlafe erwachte er mit vollem Bewusstsein, aber seine Erinnemng reidite 
nur bis zu dem Abende vor dem Selbstmordversnche. Er erinnerte sich, zu Bett 
gegangen zn sein, fär Alles, was direct vor dem Selbetmordversncbe und bis zu 
seinem Erwachen ans dem ScÜafe im Erankenhause mit ihm votgegangen war, fohlte 
ihm die Erinnernng noch mehr als 1 Jahr nach dem Vorfälle. — Die Amnesie beruht 
nach Verf. in der Regel anf rein mechanischen Verhältnissen, ln dem vorliegoideu 
Falle war» alle Zeichen einer mächtigen Hyperämie vorhaxulen, die durch dii 
A^hyzie und die Compression der Carotid» hervoigerufon war. — Im Anschluss 
au diesen Fall theilt Verf. ein» andern mit, in dem bei einem 54 Jahre altan Mann 
retrograde Amnesie als Folge eines Schädelbroches saftrat, und erinnert an das Auf* 
treten von Amnesie nach epileptischen Anf&llen, bei Vergiftungen, bei acuten In« 
fectionskrankheiten und bei Hysterie. — Nach dem Selbstmordversuche war bei den 
znerst O’Wähnt» Pat. eine partielle Paralyse des N. aecessorins nnd von Zweigen 
des PlezuB cervLcalis in Folge von Beschädigung dnrch den Druck der Schlinge 
beobachtet worden. Dass auch andere Norvenstämme auf diese Weise beschädigt 
werden können, beweist ein vom Verf. scbliasslich noch mitgetheilter Fall, in den 
bm einon 61 Jahre alt» Hann eine Paralyse des N. axillaris nach Selbstm(»iiveraocli 
durch Erhängen auftrat. Walter Berger (Leipzig). 


Therapie. 

34) De l'emploi du bawznd de o<^bii. dans les aoUtiquee reb^ea, pai 
Dr. QUrieuz. (PoUcliaique de Bruxelles. 1897. 15. März. Nr. 6.) 

In 3 sehr hartnäckigen nnd aBen therapeutischen Maassnabm» trotzend» 
Fällen von Ischias hat Verf. mit der von Marsh znerst empfohlenen Anweodnng 
des Copalvabalsams (40—60 TTopf» pro die in Oblaten, mehr»e Wochen bis 
M»ate hindurch) gute, zum Tbeil flberrascbeud gute Erfolge geseb», £e monate¬ 
lang anhielten. Er büt die diuretische Wirkung des Balsams fOr das Wesentliefaste 
und räth zur Naefaprfifang. Toby Cohn (Berlin). 


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85 


HL Aas den Gesellschaften. 

Verelii Ar ixmere Uedloin sa Berlin.. 

SitzoDg TOm 31. Hai 1897. 

(Deoteche med. Wocbenscfar. 1897. Nr. 25. VereinabeUage Nr. 17.) 

Iroa: Zar laehre Ton den AilMitapereaen «n den unteren Extreml- 
Skn. (Der Yortng eoU in der Deotsehen mediciaischen Wocbensohrift veröffenüicht 

mda.) 

ln der Discnssion bemerkt Bernhardt, dass er derartige Lähmongen eben- 
fiik bec^tiditet hat bei Asphaltarbeitem z. B. oder bei Bohrlegem, die in lang hin- 
Gr&bem knieend arbeiteten. Es kommen sodann Peroneusl&bmnngen ohne 
I sekedare ftoseere Yeranlassang vor: in einem Theil der F&Ue ei^ebt die genanere 
I I^itafUidiiiDg eine B&ckenmarksaffection, speciell Tabes, in anderen bleibt die Drsache 
/ der rihTniing anklar. 

/ Eron hat sich in solchen Fällen immer mit der Annahme von Neuritiden 
' dnBaäschen bezv. toxischen oder infectiOsen Ursprungs helfen zu mäsaen g^lanbt. 
Gerhardt beobachtete bei einem Bäckei^eaellen eine Schlaflähmung des Peroneus: 
Da Pxt. gab bestimmt an, er lag in tiefem Schlafe, das rechte Bein über das linke 
ctiegt, nad als er erwachte, war das linke Bein tanb, es bestand an^esprochene 
PsoaeaUhoiimg. G. hat mehrfach derartige, in gestreckter Stellung entstandene 
. iStrecklälunnngen“ geeeben. B. Pfeiffer (Cassel). 


Aeizilioher Verein >a Hamburg. 

Sitzung vom 29. Juni 1897. 

(Deotaefae med. Wochenschr. 1897. Nr. 48. Yeremsbeilage Nr. 31.) 

Sick stellt einen Mann vor, bei dem eine Beaeotlon des N. radiaUs mit 
b f tJ g forgenommen wurde. 

Bei einem Arbeiter trat nach einer Quetschung eine Lähmung des linken 
X. radialis anf; Fat wurde längere Zeit ohne Erfolg elektricirt, dann dem Kranken- 
haaee hberwieeen. Der freigel^te Nerv erwies sich in starre Narbenmassen ein- 
und zeigt nach Entfemnng derselben an einer Stelle eine Yerdickung, peri- 
^bsT' und eentralwärts davon eine verdflnnte Partie. Naht der Wunde, primäre 
B^ung, aonehmends Degenerationserscheinnngen der vom Badialis versorgten Gebiete 
^ektrischer Behandlung. Nach nochmaliger Freilegnng des Nerven, Excision 
eines &ber 3 cm langen Stückes, Yereinigung der gedehnten Enden, glatte 
Yndh^ang. — Allmähliche Besserung, Status bei der Entlassung: die Motilität 
M gan« gnt, nur eine geringe Schwäche im Abductor poUicis longus vorhanden, 
tams trophiseben Störungen, keine SensibiUtätsstörongen, nur quantitative Herab- 
"Tvng dOT elektrisehett Erregbarkeit B. Pfeiffer (Cassel). 


28. Twraammlmig der sfidwestdeutacheu Irrenftrafee in Karlsruhe 
am 6. und 7. ITovember 1887. 

(Schlaaa.) 

II. Sitzung, 7. Novemb«', vorm. 9 Uhr. 

TMuitzender Professor Eräpelin. 

Auf Anr^uDg Prof. Kräpelins, die nächsigäluige Ywsamntiang in taner kren- 
—abznhalten, damit Krankenmateri^ für kUnisebe Demonstrationen zur Ter- 


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86 


stehe, wird anf Vorschlag Director Erenser's als VersammlQDgsort fflr 1898 
Heidelberg gewählt. 

An die durch Eraokheit am Erscheinen verhinderten Herren Geheimrath Ludwig 
and Geheimrath Schäle, werden Telegramme gesendet 

Da der I. Referent Schäle, verhindert ist erstattet Aschaffenberg sogleich 
das Korreferat äber die Katatonie. 

Kahlbaam war bei der Anfstellnng seiner Katatonie von dem Krankbeits* 
bilde der Helancholia attonita ansgegangen, in deren Beginne sich oft epilepti- 
forme oder andere krampfhafte Zustände zeigen. Später bilden eich dauernde ^mpf- 
artige Zastände (flexibilitas cerea) heraus, eine pathetische Exstase und Verbigeratioi 
(Sprechen in Form der Bede mit häufiger Wiederholung derselben Worte). Di( 
Psychose verläuft in Stodien, Melancholie, Manie, Attonität Verwirrtheit und Terminal' 
blödsinn oder Genesung, von denen aber nicht alle SUdien verkommen mässen 
Wegen der grossen Rolle, die die motorischen Erscheinungen (epileptiforme odei 
choreaartige Anfalle, tonische oder klonische Krämpfe, katalepsieartige fleubilitaf 
cerea, negative Willensbewegungen, Haltungs- und Bewegungsstereotypen, Mutacismui 
und Nabrungsverweigerong) innerhalb eines einheitlichen Krankheitscomplexes spielen 
nannte Vortr. diese Psychose, da er einen Spannungszustand der Muskulatur ode 
vielmehr der Nerven voraussetzte, Spannungsirresein oder Vesania katatonica 

Das Krankheitsbild wurde verbessert und vertieft besonders durch Hecker 
Brosius und Keisser, endlich durch Kräpelin, der sich in seiner Anschauuni 
von der ni^nstigen Prognose an Brosius anschloss. 

Diesen Anhängern der Ansicht, dass die Katatonie ein selbständige 
Krankheitsprocess sei, stehen die zahlreichen anderen Autoren gegenäber, di 
in ihr nur eine Verlaufsart der anderen Psychosen erblicken. Unter diesen ht 
zuletzt Schäle sich bemäht, die motorischen Symptome zu zerlegen; er glaubt, da£ 
ihre genetische Differenz auf wirkliche innere Verschiedenheiten hinweise. 

Das katatonische Zustandsbild kommt nach ihm vor als Episode bei acuter, sul 
acuter und chronischer Paranoia, bei Stuporzuständen, gewissen Manieen, circnlärei 
Stupor und Melancholie; das Bild beherrschend bei Hysterie, primärer, oft heb< 
phrener Demenz und periodisch^circulärer Degenerationspsychose. Der Eatatonii 
begriff ist nach Schäle „aufgelöst und unter die anderen Gruppen vertheilt'*. 

Vortr. hält die genetische Verschiedenheit der motorischen Symptome für unbi 
wiesen und constmirt, den Nachweis von Wahnideeen, depressiven Vorstellungen u.s.^ 
während des Attonitätszastandes für unmöglich, nebenbei auch für nebensächlich. 1 
Folge dessen ist in dieser Phase der Erkrankung eine genaue Diagnose und Prognoi 
fär die Anhänger der Schäle’schen Auffassung nicht möglich. Nach der von ih 
getheilten Aufbssung Kahlbanm’s in der Erweiterung Kräpelin's aber, die i 
der Katatonie einen einheitlichen Krankheitsprocess sieht, ist zweierlei mit Bestimm 
heit zu erwarten: 

1. ein charakteristischer, katatonischer Weiterverlauf. 

2. ein Ausgang in specifisch gefärbte Demenz. 

Diese ist gekennzeichnet in den schwersten Fällen durch völlige Stumpfheit, stunde 
langes Wiederholen der gleichen Bewegunga- und Haltungsstereotypen, Negativismu 
in leichteren durch Interesselosigkeit, vereinzelte Wahnideeen oder Sinnestänschunge 
Andeutungen von Katalepsie, vor allem aber durch e^enthämliche Absurditäten, Tii 
(Ess-, Schreib-, Sprechmanieren, sonderbare Bewegungen, unerklärliche Handlange! 
Die endgültige Störung zeigt sich, selbstverständlich in verschiedenster Ausbildui 
und Combination, vor allem in den Handlangen, dem Wollen der Kranken, das eint 
seits leicht beeinflussbar ist (Katalepsie, Ecbolalie, Echoprascie), andererseits jed 
Lenkung vriderstrebt (Negativismus, Mutacismus, Nahrungsverweigerung), endlich 


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den Sonderbaikeiten eigenartige Seitenwege einschl&gt; dann gehört nach noch die 
nngdode Energie und die leichte Aoslösbarkeit heftiger Explosionen bei nicht- 
eiftliten Wünschen. 

Zaweilen entwickeln sich katatonische Erscheinongen erst, nachdem schon jabre- 
lug eine Yerblödnng eingetreten ist Dies sind Fälle, die Hecker’s Uebepbrenie 
ntgehören. Die Hebephrenie ist eine Erkrankung des jogendlichen Alters, die unter 
Wechsel der Zustandsformen in einen eigenthümlichen Schwächezustand ansgeht, der 
iorch Interesselosigkeit, unmotirirte sonderbare Handlungen, läppisches Wesen, Im- 
pelärität und eine charakteristische Sprech- und Schreibweise sich auszeichnet. Dieser 
Endzustand ist mit dem nach Katatonie sich entwickelnden identisch. 

Tortr. hat yersncht bei 227 Fällen (118 Männern und 109 Frauen) die Hebe* 
phrtaien von den Katatonischen zu scheiden. Diese Trennung war aber nicht dnrch- 
flthihar. Aach die von Kräpelin angegebenen Unterschiede in der Betheiligui^ 
d« Geschlechter, des Alters, der Häufigkeit epileptischer Außlle und Bemissioueo 
wvieeen sich als nicht stichhaltig. Deshalb ist Vortr. der Ansicht, dass die Hebe- 
pkreuie und Katatonie einen einheitlichen Erankheitsprocess darstelleu, 
veßr aneh die fast stets sich zeigenden katatonischen Züge im Endstadium sprechen. 
Für diese Krankheitsform hält er die Bezeichnung Dementia praecox für die 
pneeudste, da sie nur die Tbatsache eines sich vorzeitig entwickelnden Schwachsinns 
athilt, keinen Hinweis auf den uns unbekannten Einfluss der Pubertät wie Hebe- 
phr^de noch auf hypothetische Spannnngszustände in Kerv und Muskeln wie Katatonie. 

Die Differentialdif^^l 08 e zwischen Dementia praecox und Imbecilliiät, Paralyse 
■nd besonders dem circularen Irr^in wird eingehend besprochen. 

Tortr. betont schliesslich, dass die Auffassung der Dementia praecox als eines 
eaheiüichen Krankheitsprocesses vor der durch Schüle vertretenen den Vorzug ver¬ 
diene, da sie uns eine zuverlässige Prognose erlaube. Im einzelnen Falle sei es 
zQerdings jetzt noch nicht möglich, den Orad des bestimmt zn erwartenden Schwach- 
sinses vorherzusagen. So lange noch sctive Aufmerksamkeit vorhanden sei, seien 
BemissioDen möglich, und je acuter der Process einsetze um so wahrscheinlicher eine 
Sfiekbildiing. Aber hier sei noch viel zu thun; es müsse erstrebt werden, nicht nur 
jedoi Fall frühzeitig als Dementia praecox erkennen zu können, sondern auch die 
besondere Prognose des einzelnen Falles. Dies sei aber nnr erreichbar durch Ter- 
tiefong der ^gemeinen Symptomatologie and Sammlung und Tei^leichnng guter 
Beebaehtnogen. 

Bien 1er (Bhelnau) bat schon seit 10 Jahren die Katatonie mit der viel selteneren 
ea&chen Hebephrenie als eine einheitliche Psychose anfgefasst. Unter seinen 720 
Kranken fand er 134 ganz sichere Eatatonieen. Von weiteren 80 Kranken, die an 
ähnlichen Terblödangszostanden leiden, die aber keine der eigentlich katatonischen 
Symptome zur Zeit zeigen, gehört mindestens die Hälfte noch zur Katatonie, so dass 
also etwa ein Drittel des Krankenbestandes in Bheinan (Pflegeanstaltl) Eatatoniker sind. 

Unter den psychischen Symptomen hebt er die sexnellen Ansschweifangen, den 
Sfersnehtswahn, die religiöse Färbung der Wabnideeen, Hallncinationen des Gemein- 
gefühlee, Selbstmordversuche, häufige nnmotivirte Gewaltthätigkeit und absurde Hand¬ 
langen hervor. Er hält die Onanie als Krankheitsursache für fraglich. Unter den 
Mkperlicben Symptomen erwähnt er die Neigung zu Oedemen, Speichelfinss, Kopf- 
•ekmen und epileptiforme AnfiUle. 

Unter fünf sogenannten Spätheilungen, die er aber nicht als wirkliche Heilungen 
betncbten könne, waren vier typische Eatatonieen, die fünfte wahrscheinlich auch. 
NegativUmas bei Epileptischen und Paralytischen lässt sich anscheinend wohl von 
den bei Katatonischen unterscheiden, ebenso die Stereotypie, während diese bei 
Idioten der der Katatonischen sehr ähnlich ist. 

Auch nuter den angeblich periodischen Kranken fand Tortr. in allen Fällen, in 
dnm stereo^pe Bewingen and auffallende Manierirtheit vorhanden war, dass sich 


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die Feriodkität erst spftter entwickelt habe, w&hrend 4er Beginn der firkraaknng 
mr den einer Katatonie entspricht Bei einer senil Dementen, die anfEailende 
Mimik beim Grüssen zeigte, ist wahrscheinlich früher eine Katatonie ?eranfgegangmL 
Bei anderen Kranken hat Vortr. bis jetzt nie katatoniererd&chtige Symptome gefonden. 

Sommer: weist anf die Schwierigkeit der Differenzialdiagnose der Katatonie 
g^n Epilepsie und Yerwirrtheit hin. 

Ereaser: bezweifelt die Identität der von dem Vortragenden geschildertoi 
Dementia praecox, als Verblödangspsychose, mit der Eahlbanm’schen Katatonie, 
mit vorwiegend günstiger Prognose. Er neigt sich mehr der Aaffassnng Schfile's 
20 , dass die katatonischen Symptome onwesentlich seien. 

Torster: hat bei Katatonikem zwar sexoelle Erregung, aber nie Friapismos 
gesehen. 

Kräpelin: weist auf die Analere mit der Paralyse hin in Bezug auf die Ver¬ 
schiedenartigkeit der Symptomencomplexe, die Bemiasionsfth^keit, die Gleichartigkeit 
der Prognose. Er betont einige Punkte, die anf einen innigen Zusammenhang mit 
dem Geschlechtsleben sebliessen lassen. Schwierig sei die Specialprc^ose des ein¬ 
zelnen Falle. Die grosse Mei^e der in diese Groppe gehörigen Kranken sei be¬ 
denklich, doch sei die principielle Zusammengehörigkeit nicht zu bezweifeln. Er 
hofft, dass die weitere Forschung die Anhaltspunkte für eine Zerlegung der Dementia 
praecox in kleinere Groppen geben werde, ebenso wie bei der Paralyse. 

Das Schlusswort ertiält der 11. Beferent Aschaffenburg. 

Aschaffenburg (Schlusswort) bedauert im Interesse der Klärung der Kata¬ 
toniefrage, dass nicht mehr Gegner der von ihm vertretenen Ansicht das Wort er¬ 
griffen haben. Dass sich mit diesen Anschauungen klinisch arbeiten lässt, hat 
Bleuler durch seinen Beitrag zur Discussion in schönster Weise bestätigt. Vortr. 
geht auf einzelne der Fragen, die Sommer, Bleuler, Vorster, berührt haben, 
näher ein. Die Äetiologie hat Vortr. bei Seite gelassen, um sein Beferat nicht durch 
Hypothesen zu belasten. Er erwähnt, dass ihm Mastortmtion nur als Symptom, nidit 
als Ursache der Krankheit begegnet sei. Wiederholt brach die Erkrankung im Ge- 
ßngDiss ans und zeigte dann das den meisten im GeHtogniss entstehenden Psychosen 
gemeinsame Verwiegen von Gehörstänschungen. Im weiteren Verlaufe wich das 
Krankheitshild nicht von den gewöhnlichen Erscheinongsformen der Dementia praecox ab. 

Der Einwand, dass die Verschiedenheit der Prognose bei Kahlbaom auf eine 
Verschiedenheit des Erkranknngsprocesses hinweise, ist nicht stichhaltig. Auch 
Kahlbaum’s und Neisser's FäÜe haben meist den Ausgang in geistige Schwäche 
genommen. 

Vortr. weist an der Hand eines Falles unter vielen nach, nm wie viel genauer 
die von ihm vorgetragenen Anschauungen den wirklichen Verhältnissen entsprechen, 
als die landläufige Methode der schematisirten Beuennnng. Die Kothwendigkeit, in 
jedem Falle eine Prognose zu stellen, sichert den Fortschritt, da sowohl das Ein¬ 
treffen des erwarteten Ausganges, wie das Nichteintreffen belehrend wirken muss. 

Zu Geschäftsführern für das Jahr 1898 werden gewählt: Prof. Sommer 
(Giessen), Director Hardt (Emmendiugen). 

Als Themata für 1898 werden bestimmt: 

I. ITeber periodische Psyohosezi. 

Beferenten: 1. Privatdoceot Dr. Missl (Heidelberg), 2. Prof. v. Speyr (Bern). 

II. Irrengesetsgebimg. 

Beferenten: 1. Prof. Smminghan8(Freibnrg), 2. Prof, des Strafrechts v. Lilien- 
thal (Heidelbei^). 


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Vortrft^: 

NisbI CHmdetberg): Psyoliiatrle and Hirnanatoxnle. 

Die Anatomie der nerrösen Centralorgane ist ein Thell der anatomisclien Wissen* 
KbifUxL Der Irrenarzt verfolgt zwar mit grossem Interesse die Entwickelung nnd 
fii Fortsduitte dieses m&cbtigen Zweiges der anatomischen Wissenschaften; die 
tonekniig aber auf diesem Qebiete soll er dem Anatomen Qberlassen. Nach dem 
kstigea Stande des Wissens ist die Beobaditnng am Krankenbette die Haoptqnelle 
Sr die Ekkenntniss des Irreseins. Im Interesse des Fortschritts nnd der Entwickelung 
im Psydiiatrie liegt es dahsTt diese Beobachtung m^^lichst zu verfeinern und ihr 
an» HflUsmittel znanRihren. Es ist unvemQnftig, bimanatomische Probleme zu be- 
«bcäen, über deren Beziehungen zu der Lehre ven den Geisteskrankheiten wir 
zteolat nichts wissen, während andererseits wohl die naheliegendsten nnd wichtigsten 
Fiagm der klinischen Psychiatrie unbeantwortet sind. 

Anders als die anatomische Forschung ist die pathologisch-anatomische Forschung 
a beortheilen. Fdr den Irrenarzt kommt in erster Linie die pathologische Anatomie 
der Kndenflfkrankungen in Betracht Abgesehen davon, dass dem pathologischmi 
ihclianatoiDen derartige Specialprobleme an sieb schon ferne liegen, mangelt ihm 
aeb gänzlich die Kenntniss der besonderen Bed&rhiisse. Da diese nnr der Irrenarzt 
besitzt, muss er schon sich die pathologische Anatomie der Bindenerkrankungen 
■Ihst schaffen. Ohne eine genaue Kenntniss des Bindenbaues ist jedoch eine patho- 
iogisehe Anatomie der Bindenerkrankungen ein Unding. Insofern muss sich der Irren¬ 
arzt asch eins genaue Kenntniss des Bindenbanes erwerben. 

Derjenige, der glaubt er sei im Stande, lediglich auf Grund von ansgedehnten 
lathok^isch-anatomlschen Untersnehnngen von Hirnrinden Geisteskranker diejenigen 
pathologisch-anatomischen Krankheitsprocesse ableiten zn können, welche den ver- 
aeliiedenen Irrsinnsformen zn Grunde liegen, hat entweder noch nie Hirnrinden 
fiwnknkrnTikfir nntersneht, oder er beherrscht weder die Technik noch die für die 
BeartheUnog dies« Fragen nöthigen Kenntnisse. Der Weg, der zu einer patbolo- 
giichen Anatomie der Bindenerkrankungen führt, verläuft in diametral entgegen- 
pgfrrtfir Bichtang. Bei dem heutigen Stande des Wissens muss die klinisch Psychia¬ 
trie^ Cntersnehung der pathologisch anatomischen Untersuchung den Weg dadurch 
gmhaet haben, dass der letzteren ein wohlgeordnetes, sicher diagnosticirtes Material 
ar Terfhgnng gestellt wird. 

Toreter (Stephansfeld): Ueber einen Fall von optinoher and taottler 

Apb—ie. 

Terta. weist anf das seltene Vorkommen der Fälle von taetUer Aphasie bin nnd 
besehrelbt eine eins^ilägige Beobachinng. Es handelt sich dabei um eine 74jäbrige 
ah» Fran, die an poiodtscher Helancbolie litt. Bei dieser kat eine rechtsseitige 
nemiparoee, Hemianästaeeie und Hemiopie auf, ferner Agrapbie und verbale Alexie. 
I« lanfe mniger Tage schwanden die motorischen Störungen, an Stelle der Heniati- 
iathama stallte Mh Hemihyperästhesie ein. Zngleieb werden Sprachstörungen im 
d« optischen und tactileu Aphasie bemerkt Die Kranke erkannte alle Gegm- 
Mäade, konnte jedoch mehrere weder bei optischer, noch bei tactiler Wahmebmung 

Bai der Section fanden sidi in der linken Gros^imhemispfaäre zwei Erweiehnngs- 
krde, der eine im Gebiet der Art. profunda cerebri, der andere im Marklager des 
Gyr. marginalis. 

Yortr. geht kurz auf die optische Aphasie ein und weist darauf hin, dass die 
BeaehreiboDg der Krankheitsbäder von Freund zur Zeit nicht mehr als völlig zu- 
tnffcDd erachtet werden können, indem cerebrale Sebstörnngen, die nach Freund 
am klinischen Bilde der optischen Aphasie gehören, gelegentlich auch fehlen können. 

Ueö« die tectile Aphasie bat Vortr. 8 Fälle in der Litterator gesammelt, in 
aUcB bestand zugleich optische Aphasie. Eine isolirte Zerstörung der acostisch tactUen 


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Bahn wird seiner Annahme nach zur Folge haben, dass die Benennnng von einfachen 
Empfindungen gestört bezw. aufgehoben ist, während die Benennung von tactU- 
stereognostiscben Wahrnehmungen erhalten sein kann. 

Vortr. hält es für wahrscheinlich, dass im yorstehenden Falle die tactile Aphasie 
auf den Herd im Marklager des linken Ojrus mai^inalis zurfickzu fflhren sei. 

Thomann (Fnssbach): Ueber IxrenfiirBorge in Kreispflegeanatalten. 

Vortr. wurde durch ein Rundschreiben des Grossh. badischen Ministeriums des 
Innern, welches auf die Nothwendigkeit der Evacuation geeigneter Pfieglinge aus den 
Irrenanstalten, bei der dauernden Ueberffillung der ersteren, binwies, zu seinen Fest¬ 
stellungen veranlasst Er hält es ffir wesentlich, ob die Ereispfiegeanstalten nur 
Torflbergehend, während der Insufficienz der staatlichen Irrenanstalten, ffir die 
Irrenffirsorge in stärkerem Grade, als es schon bisher der Fall war, herangezogen 
werden sollen, oder ob sie dauernd als Entlastungsventile dienen sollen. In jenem 
Falle mfisste man sich zu behelfen suchen; in diesem wären umfangreiche Aende- 
rungen nothwendig, bei einigen Kreispflegeanstalten mehr, bei anderen weniger. 
Vortr. betont insbesondere Folgendes: Der Arzt mfisse unbedingt im Hause wohnen; 
das Pflegepersonal mfisste an Zahl und Güte verbessert werden; geschlossene Ab- 
tbeilungen mfissten eingerichtet werden, vor Allem damit eine Trennung der Ge¬ 
schlechter dnrchffihrbar werden. Das Zusammeuleben von geistig und körperlich 
Kranken mache den Aufenthalt ffir beide Kategorieen zu einer Pl^e und discreditire 
die Kreispflegeanstalten beim unteren Volke Oberhaupt Bei der bisherigen relativ 
geringen Zahl von Geisteskranken in diesen Anstalten habe sich durch geeignete 
Placirung der Zustand noch erträglich gestalten lassen. Sollten aber die Kreispflege- 
anstalten mehr zur Irrenffirso^e herangezogen werden, so seien umfangreiche und 
kostspielige Neubauten nothwendig. Vortr. weist ferner darauf hin, dass sich nnr 
wenige Arten von Kranken ffir die Ereispflegeanstalten eigneten, und wfinscht vor 
der Ueberffihrung aus den Irrenanstalten die betreffenden Acten fiberwiesen zu haben, 
damit sich der Leiter der Kreispfiegeanstalt ein ürtbeil über die Eignung des Kranken 
bilden könne. Er möchte ferner die RQckverbringung des Pfleglings io die Irren¬ 
anstalt möglichst erleichtert sehen. Er motivirt dieses Verlangen unter Anderem damit, 
dass es bei plötzlicher Nahrungsverweigerung eines Kranken nöthig geworden sei, ihn 
durch einen Wärter mit der Scblundsonde füttern zu lassen, da der Arzt eine Stunde 
von der Anstalt entfernt wohnte. Er verlangt schliesslich besondere Irrenabtheilungen 
innerhalb der Pflegeanstalten. 

Discussion. 

Eschle (Director der Kreispfiegeanstalt Hob) bezeichnete unreine, zerstörungs- 
sfichtige Kranke, sowie Vt^bunden als ungeeignet ffir Kreispfiegeanstalten. 

Kreuser betont die Nothwendigkeit, Geisteskranke, ^otz der erwachsenden 
Kosten, in Irrenanstalten zn verpflegen, nachdem andersartige Versuche kein brancli- 
bares Resultat ergeben. 

Biberbach theilt mit, dass die Siechenanstalt Heidesheim keine Geisteskranken 
mehr aufnebme, da sie sie nicht vor Misshandlung durch die anderen Kranken 
schützen könne. 

Kräpelin frent sich, ans dem Vortrage die volle Bestätigung seiner Ansichten 
entnehmen zn können. Er wunt vor der Entwickelung einer „Winkelpsychiatrie". 

III. Sitzung, 7. November, Nachm. 3 ühr. 

Smith (Harbach): Ueber eine nach Aetiologie, klinischem Verlauf nnd 
Prognose genau abzugrenzende, als „alkohologene, oardisle Epilepsie" siolx 
ohsrakterisirende Gruppe epileptiformer Zustände. 

Vortr. hat nach der Bianchi'schen Frictionsmethode mit dem Phonendoskop 


ig :./cd 


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91 


BffrantersachTm^eo aD Alkoholepileptikem gemacht Unter den mit Herzerweiterung 
aalk^ebesden F^en von ÄlkobolepUepsie stellte er zwei Gruppen fest: in der ersten 
gdvindoi die epileptischen Grscheinnngeo mit der Heilung der Herzerweiterung; in 
der zweiten treten nach anf&nglicher Heilung später wieder Anfälle von Eerzrer* 
pteserang, veigeeeUschaftet mit psychischen Depressionserscbeinungen, auf. Tortr. 
flieht die Differentialdii^ose g^en genuine Epilepsie, circuläres Irresein und 
Patljse. Therapeutisch empfiehlt er Totalabstinenz, systematische Bewegung, Trional. 

Sonmer (Giessen): Die Diagnose einiger Nerven- und Geisteskrankheiten 
t» motorischen Symptomen. 

Votr. demonstrirt eine Anzahl von Curven, welche mit den ron ihm in den 
kbno Jahren constmirten Apparaten aufgenommen sind. Dieselben beziehen sich 
uf he Differentialdiagnose zwischen organischen Affectionen der Fyramidenseiten- 
strüge und Hysterie, sowie auf die Frühdiagnose des Paralysis agiUns, sowie auf 
aAiiseh« Symptome larvirter Epilepsie und in den anfallsfreieu Zeiten der Epilepsie. 
?wtr. weist besonders auf die Anwendung dieser Methoden in einigen Criminalfällen 
liin. AnsfOhrlidie Pnblication soll später erfolgen. 

Beyer (Heidelberg): Ueber Delirien nach Atropinvergiftung. 

Tortr. schildert einen solchen Fall bei einem 57jährigen Manne, den er in der 
pijehiatnseben Klinik zn Strassbarg beobachtet bat. Der Yerlanf entsprach den An* 
in der Litteratnr. Die psychische Störung besteht nicht bloss in motorischer 
Srngnsg and einer Störung der Auffassung, welche durch eine Lähmung der sen- 
abefat Endorgane erklärt werden könnte. Yielmebr zeigte sich völlige Zerfahrenheit 
ia lUen psychischen Functionen, soweit sich dies ans der objectiven Beobachtung 
■agels sprachlicher Yerständigang mit dem Kranken erkennen liess. Sinnestänschungen 
kuKs Dor vereinzelt vor. Hinterher bestand totale Amnesie. 

Or. Gross (Heidelberg). 


Oesellscliaft der Neuropathologen und Irrenärzte zu Moskau. 

Sitzung vom 22. October 1897. 

1. Dr. N. Schataloff: Die Bolle des Unbewussten im lieben des 
leuchen. 

2. Dr. W. Mnrawjeff: Ueber den Ursprung der Sprache. 

3. Dr. 6. Bossolimo: Die Furcht und die Erziehung. 

Sitzung vom 28. November 1897. 

1. G. Pribytkoff und N. Wersiloff demonstrirten einen Kranken mit Hä* 
Bstomyelia centralis. 

Der Kranke, ein Bauer, 18 Jahre alt, ist bis zu seiner jetzigen Krankheit stets 
S«nmd gewesen. Syphilis, hereditäre, wie erworbene, wird, in Abrede gestellt; kein 
Cms apirit. — Am 22. Mai 1897 entwickelte sich bei ihm, im Moment einer starken 
XnkelanshengoDg, ganz plötzlich eine Paralyse beider oberen Extremitäten und 
darauf, im Yerlaufe einiger Minuten, auch eine Paralyse der Bompfmusknlatnr, 
Tualyse des rechten Beins und Parese des linken. Im Laufe der ersten beiden 
Tage vollständige Incontin. nrin. und hartnäckige Obstipation. Nach 2—3 Tagen 
koute der Kranke wieder etwas nriniren, nach 2—3 Wochen stellte sich auch 
Buflraog der Bewegung in den unteren Extremitäten ein. Am 1. Juli konnte er 
KboD ganz gut geben, die Arme hoch heben and sie im Ellb(^en beugen; aber zn 


Dig ti/cn-i 


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92 


derselben Zeit ist in den kleinen Handnroskeln berate eine deotUcbe Atrophie, nelche 
stetig iR'ogressirt, eh bemerken. 

Bei der TJntersoobni^ ei^b sich beiderseits Einschtfthknig nnd Schirftebe Aar 
Finger» nnd Handmnsknlatnr, degenerative Atrophie du- Handmaskeln nnd auch der 
Extensoren nnd zum Theil der Flexoren der Unterarme. Paresen nnd Atrc^bieai 
der Bnmpfmnskeln nnd der unteren Extremitäten botanden nicht. Vollständig 
Anästhesie der Schmerz» nnd Temperatnrempfindnng auf der linken Seite der Bmst 
nnd des Bflckens, deren obere Urenze vom in der Höhe der Uammilla, hinten in 
der Höhe des oberen Bandes der Scapnla liegt; nach unten reicht sie bis zum 
Bippenbogen. Starke Herabsetzung der Temperatnr* nnd der Schmerzempfindung auf 
der ganzen linken EÖrperbälfte, die entere Extremitäten mit einbegriffen, ^was 
geringere Herabsetznz^ der Temperatur» und SdimerzempQndang der rechten Beite 
des Körpers incl. untere Extremität ron der Hammilla beginnend. Aosserdem auf 
der ulnaren Seite beider Arme im Gebiete des N. entan. med. ebenfalls geringe 
Herabsetzung der Schmerz» nnd Temperatnrempfindnng, welche fibrigens bald uer» 
schwanden. Die rechte Pupille > als die linke, Lichtreaction normal. Patellarreflexe 
stark erhöht, links Fussclonns.- 

Nach Ansicht der Vortr. liegt hier ein Blnte^nss in die grane Substanz des 
Backenmarks Tor, welcher in ungleichem Orade sowohl die vorderen, wie die hinteren 
Hörner der einen, wie der anderen Seite ergriffen bat in der Höhe des 8. Hals» und 
1. fimstsegments. 

Discussion: 

Prof. Koshewnikoff betont die Beinheit des Falles and mnthmaasst eine be¬ 
trächtliche longitudinale Ausbreitung des Blutergusses ins Rückenmark. 

Ausserdem nahmen Theil Dr. Beppmann und Dr. Eorniloff. 

2. B. Orlowskj: Saroomatose des Böokenmarks und Syringonkymlia, 
sur Pathologie der Hohlenbildung im Rückenmark. 

Es bandelt sich um ein lijähr. Mädchen, welches im October 1895 erkrankte; 
zuerst bestanden leichte Schmerzen im Bücken, darauf stetig progressirende Schwäche 
in den Beinen; Anfang December ist das rechte Bein schon vollständig paralytisch, 
im linken Bein leichte Parese. Den 18./I. 1896 Anfnahme in die Kervenklinik. 

Status praesens: Complete Paraplegia inferior, die Beinmusknlatnr schlafif 
atrophisch, elektrische Erregbarkeit der Ab» nnd Adductoren der Hüfte erloschen. 
Patellarreflexe fehlen, Acbillessehnenreflex lebhaft, links Fnssclonus. Anästhesie des 
Bumpfes, vom 4 Fingerbreit oberhalb des Habels, hinten in der Höhe des 9. Wirbels 
beginnend; die Anästhesie erstreckt sich bis auf die unteren Extremitäten incl. indem 
sie die hinteren Oberflächen der Schenkel und die äusseren der Unterschenkel h-ei- 
lässt (Gebiet des Plexus sacralis). Oberhalb der oberen Grenze der Anästhesie eine 
schmale byperästhetisebe Zone. Betentio urioae et alvi. Die obere Hälfte des 
Körpers normal. 

Verlanf: Die Krankheit progressirte langsam und beständig. Die Anästhesie 
verbreitete sich auch auf die Sacraluerven, am Körper rückte ihre Grenze immer 
höher und höhm'; es stellte sich Decubitus ein, Parästhesieen und Zittern in den 
Händen, dem Ivientionszittem äbnlich, Nystagmus. Im September griff die Anäsfheaie 
auch aof die Arme Über, zunächst im (Gebiete dm* N. ulnar.; idlmähliche Entwicke- 
Inng einer Parese der Arme; die unteren Extremitäten stark abgemagert. IHe Sr- 
schmnungen aggravirten, bald blieb nur noch die Sensibiktät des Oesiefats normal, 
die Bumpfmusknlatur wurde paretisdi (Athmung nur vermittels des Zwerchfells), die 
Parese der oberen Extremitäten ze^te deutliche Zunahme. Ende November s^Ai» 
cämische Symptome; eine Beihe bulbärer Brecheinungen; allmähllcbe Parese des 
Aottst. dext.; Paralyse des Fac. dext. Exitus am 16. December 1896. 

Ergebniss der anatomiseben Untersucbui^: Im Wirbelcanal eine sarcoBOtöee 


■ig'ii/od Dy 


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»8 


jfeobiUaiig; «riebe ihren Amigoi’ipaott angeoseheinlich von den «eichen Bücken* 
■rbhirieD nimmt (Bndothriioae), em Prodnet tod EndothelwuchemBg, welche 
riutbeba Tnbekel and Ly^hepaltMi ^ Pia mater nnd AdTentitia der Gefieee 
iwHridii tüe KenhUdug bat den ganzen interen Theil des Spmalmarks zerstört 
ad ist in der Höbe dm* zwei onterstes Dorsal* und dee obersten Lnmbalwsrbele 
teeb die Dun and den dem Wirbelcanai aaskleidenden lignnent&ren Apparat nach 
omn dorebgehrori»n. Im Gewebe des lamors aablreiohe Geisse, zum Theil obli* 
urirt nd dentiiebe hjaline Entartung and Verkaikong aofweisend; grosse Menge 
ni Kndegewebe, ebenfalls snm grössten Theil hyalin entartet ln der Höhe der 
9.9päalvarael befinnend, breitet sich die Neabildtuig gleichsam nach zwei Biebtangen 
na Die Baoptmaase schiebt neb in den Sabdiralmam Tor^ in Form eines Fntterals 
iu Eftckeomark zasammenpressend and in dasselbe an einigen Stellen bineinwuchernd. 
De Dicke dieeee Futterals ist in rerschiedenen Höben nicht die gleiche: zuerst ver* 
j&Bft sieh die Nenbildong in der Richtung nach oben, aber in der Höbe der Hals* 
amettdliDg erßhrt sie wiederom eine bedeatende Zunahme, um dann rasch ab* 
nbUrn and in da* Gegend der Pyramidenkrtszung aafzihören. 

Deo anderen Terbreitni^weg der Kenbildang stellt der centrale Theil des 
Btekauurks dar, lAngs wriehmn sie sieb in Form einer ziendiefa scharf abgegrenzten 
Coidnae aasbreitet mit Uöblenbildung im Inneren derselben, welche mit Bindegewebe 
nsfekledet erscheiat; im obermi Brosttheil theilen sich die centrale Neobildong und 
& H(iblenbildug: die erste ist in Fasern einer begrenzten Insel im rechten Bar* 
lieb'scben Strang griegen, die Höblenbildung abm*, im eigratlicben Sinne Gliar 
wbmg mit kennender Höblenbildung localisirt sieb im linken Hinterstrange. 
^ lodere Höblenbildung, welche in keinerlei wahmebinbarem Zusammenhänge mit 
dw arcomatösen Keabildnng steht befindet sich im centralen Theil des oberen Hals* 
airb; sie entwickelt sich in Mitten einer Gliose, welcher auch tiefer unten in der 
imdehnong mehrerer Segmente in Form eines Fleckens im Hinterstrange zu be* 
aabes ist. Beide Höhlen sind nirgends mk Epithel an^ekleidet nnd beben äugen- 
keine Beziebsagen zom CentralcaBal. ln Folge von DiTertikelbildnng atrilt 
h Istitert sich an Ttrien Stellen als multiple dar (so siebt aum z. B. in der Höhe 
1« Halswsekwelhmig 6—7 Canble). Abgesehea von allen diesen TerfiaderuBgen 
hm man in der BAckenmarbsebetaaz eine hochgradige Stauung des Blutes in d«* 
eonstatimi; besonders deotlicb tritt diese Erscheinung im oberen fialamark, 
sbrhalb der oberen Höblenbildung hervor. Das verlängerte Mark hochgradig er* 
(bis znr flflssigen Conmstenz). In der Pia mater des Gross* nnd Kleinhirns 
ÜOM Metastasen des Sarcoms. ln den übrigen inneren Organen keinerlei Metastasen 
Geschwulst. 

In anatomischer Hinsicht bietet unser Fall scharfe Besonderheiten, welche ihn 
Ks der Reihe anderer Beobachtungen von Sarcomatose der weichen Rfickenmarksbäute 
wiosbeben: 1. Die hochgradigen Ver&nderuxgen der Gefössobliteration, hyaline 
^maratioD und Verkalkung; 2. Beziehnngen der sarcomatösen Elemente zur Rücken- 
■ukxBbstanz selbst — die letztere ist gestört oder an vielen Stellen zerstört, selbst 
vd die Neubildung in den Häuten wenig vorgeschritten ist. Viele Facta sprechen 
hftr, dMB di* uater» BöUsahildui^f im Rtekenmark nicht in Folge Zerfall der 
PmnrtBiem Meobildag sntstaDden ist; die Elemente der letzteren sind wahrsebein* 
Ikk ii die Wanduig einer sriion rorgebiMeten Höhle bmeingewuehert. Dia obere 
AAklmrildong ist eine wirkliche ans einer Gliose entstandene Syringomyelie, an der 
Mdm g 4m Wandung nehmen keinen geringen Antbeil die ohliterirten GeAsse, 
*<khs rish m bindegewebige Stränge umgewandelt haben. 

Bride Froeesee, wriehe im Rflckenmerke gefunden worden: die Glaese nrit 
^rngomyelie nnd die Sarcomateee können nicht als ein zoflUligee ZasaoMRentveffen 
^*^nriitat werden, am so mehr als ein gleichzeitiges Nebeneinanderbeetelmn von 
*^walst und Höblenbildung des Rückenmarks m der Litteratur viele Male be* 


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94 


schrieben worden ist. Die Nenbildang mft, indem sie in den H&nten nnd im 
Bflckenmark wächst, in dem letzteren eine hochgradige Stauong hervor; die Stanong 
kann das ursächliche Moment znm verstärkten Wschsthnm der Neuroglia bis zur 
Oliose geben, in welcher letzteren dann Hdhlenbildnng anftritt Auf diese Weise 
erscheint die beschriebene Beobachtoi^ als Bestätigong der Theorie von Langhans 
nnd Kronthal Ober den Ursprung der Syringomyelie in Folge von Stauung. Dieses 
bezieht sich natürlich nur auf eine gewisse Reibe von Fällen, obgleich diese Reihe 
nicht nur durch Bückenmarksgeschwülste erschöpft wird; hierher gehört auch jede 
andere Compression dieses Organs. Im Mechanismus der Einwirkung dieser Stauung 
bleibt vieles noch unaufgeklärt; jedenfalls ist die Betheiliguug des Centralcanals im 
gegebenen Processe entgegen der Meinung von Langhaus, Kronthal und Schle> 
Singer nicht unbedingt nothwendig. 

Der Vortrag wurde begleitet mit Demonstration einer Serie von mikroskopischeo 
Schnitten mittels des Frojectionsapparates. 

Discussion: Dr. Muratow bemerkt, dass ihm der Charakter der Zellen, welche 
die Wandung der Höhle im oberen Halsmark auskleiden, nicht ganz klar geworden 
ist. Ausserdem ist er mit Dr. Eorniloff der Meinung, dass dieser Fall die 
Theorie von Langhans und Kronthal weder zu stützen noch zu widerlegen im 
Stande ist. 

Dr. Murawjeff meint, dass im gegebenen Falle sowohl die GUose, als auch 
die Sarcomatose ein angeborener Process ist; auf diese Weise beweist der Fall die 
Theorie der embryonalen Entstehung der Gliomatose^ringomyelie. 

Ausserdem betheiligten sich an der Discussion Dr. Weydenhammer, Prof. 
Koshewnikoff und Dr. Bossolimo. 

3. P. Strelzoff: Zur Cssulstik von Fremdkörpern im Magen Geistes¬ 
kranker. 

Der Autor berichtet über einen Fall, wo ein Melancholiker einen eisernen Nuss¬ 
knacker von 250 g Gewicht verschluckt hatte ohne nachtheilige Folgen. Nach 
2 Jahren bahnte sich die eine eiserne Branche der Zange durch die linke Seite des 
Brustkorbes einen Weg nach aussen und wurde hier nach Durchschneidung der 
Hautdecken entfernt. Die zweite Branche wurde durch diselbe Fistel aus dem 
Magen extrahirt. Beide Branchen zelten ein stark usurirtes Aussehen, das Schloss 
war nicht zu finden. 

Die Herren Bepmann, Jakovenko, Korssakoff und Pribytkoff führten 
ihnen bekannte ähnliche Fälle an. 


IV. Bibliographie. 

Die Geschwülste des Nervensystems, von Dr. Ludwig Bruns. Eine klinische 
Studie. (Berlin 1897. Verlag von S. Kaiser.) 

Das vorliegende, umfangreiche Werk, welches dem Begründer der Lehre von der 
LocalisatioQ der Functionen der Grosshimrinde Hitzig gewidmet ist, nennt sich allzn 
bescheiden „eine kritische Studie“. In Wirklichkeit bietet dasselbe eine so erschöpfende 
Darstellung der Geschwülste des gesammten Nervensystems, wie wir sie bisher noch 
nicht besessen haben. Trägt das Werk einerseits den Stempel der Individualität des 
auf diesem Gebiete so erfahrenen Autors, so berücksichtigt dasselbe auf der anderen 
Seite die gesammte einschl^ge Litteratur in einer so vollständigen nnd übersicht¬ 
lichen Weise, dass hierdurch allenthalben die Möglichkeit einer raschen Orientirung 
gegeben ist. Wer künftighin auf diesem Gebiete arbeiten will, wird dieses werth¬ 
vollen Fundaments nicht entrathen können. 


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95 


Man wird dem Yerf. darin beipflicbten, wenn er die chiraipsohe Bebandluo^ 
ie Gehirn- nnd B&ckenmarksgeschi^te und die Erfolge, welche diese Operationen 
feiütigt haben, zn den gröasten Emmgenscbaften der wissenschaftlichen Hedicin 
ta leteten Tierteb unseres Jahrhunderts zählt. Freilich muss man ihm auch darin 
^epfikhten, dass die bisher auf chirurgischem Wege erzielten wirklichen Heilerfolge 
yA recht spärliche sind. Jedenfalls steht nach den bisherigen Erfahrungen soviel 
hEL dass eine Heilung der grossen Mehrzahl der Geschwülste des Nervensystems nur 
■f diimrgisehem Wege möglich ist und dass es die Pflicht des Neurologen ist, 
teh seine Arbeit dazn beizutragen, dass immer mehr Fälle dieser Art möglichst 
frftbeitig und mit sicherer Diagnose, d. h. unter den günstigsten Bedingungen für 
äft radicale Heilung dem Chirurgen zugewiesen werden können. 

Do breitesten Baum nehmen in der Darstellung natuigemäss die Hirntumoren 
ü. Diese haben vohl von jeher das Interesse der Kliniker und pathologischen 
AnatüflMn in hohem Maasse erregt, aber mit der Diagnose schien der Fall fQr den 
Cinito' beinahe erledigt denn die Unmöglichkeit einer Besserung, geschweige denn 
eoKr Heilung galt fast als selbstverständlich. So sehr auch die Entdeckung der 
Badeotung der Stauungspapille durch v. Gräfe und die physiologischen Experimente 
T» Hitzig und Fritsch geeignet gewesen wären, die Diagnose zu fördern, so hat 
iach die Klinik nur langsam diese werthvollen Errungenschaften sich zu eigen zu 
■sehen verstanden. Es bestand nun einmal das Vorurtbeil, dass bei jedem Sitz der 
Gesehwnlst die Terschiedensten, bezw. bei verschiedenstem Sitz die gleichen Symptome 
bestehen können. Der sogenannten Femwirknng der Himgeschwülste wurde eine viel 
a weitgehende Bedeutung zugemessen und man nahm allgemein an, dass die Functions- 
' stfiru^en sich keineswegs anf die von der Geschwulst ergriffenen Partieen and ihre 
Kaebberschaft beschränken, und dass jene sich vielmehr anf zahlreiche, vom Sitze 
4er Geschirnlst z. Tb. sehr weit entfernte Himprovinzen erstrecken können. 

Diese Lehre von der Unmöglichkeit, bezw. seltenen Möglichkeit der Localdiagnose 
iräfT Uirngeschwulst konnte indessen der fortschreitenden Erkenntniss auf die Dauer 
4odi nicht Stand halten. Die ezacten pathologischen und histologischen Untersuchungen 
tbff die Natur der Himgeschwülste, der Ausbau der Lehre von der Localisation der 
Ftaetionen des Grosshims, die Vervollkornrnnnng der chirurgischen Technik und die 
nfeaimtem Erfolge der antiseptischen Wundbehandlung Hessen erst den Gedanken 
afkommen, ob es nicht möglich wäre, eine Himgeschwulst auf operativem Wege zu 
mUiKaefD. Den ersten missglückten Versuchen vonBennet nnd Godlee folgte bald 
£a «wte glückliche nnd erfolgreiche Operation durch Victor Horsley und die An- 
wbiimuiig, welche Charcot diesen Erfolgen zollte, bewirkte, dass diese Operationen 
iSmihalbai schnell in Aufnahme kamen. Die zahlreichen Operationen, welche nun- 
■äir geotacht wurden, gaben wiederum den Neurologen die willkommene Gelegen- 
bfct, die durch das Thierexperiment gewonnenen Erfahrungen am Menschen nach- 
nprüfen. 

Pathologie, Vorkommen und Häufigkeit der Hirntumoren und insbesondere 
dysptomatologie und Diagnose sind eingeheud in besonderen Capiteln behandelt 
Wenngleich die Thatsache feststeht, dass ein Hirntumor ganz symptomlos verlaufen 
kna, 80 ruft derselbe doch in den weitaus meisten Fällen ein woblcharakterisirtes 
nd leicht diagnosticirbares Krankheitsbild hervor; Kopfschmerz, Scbwbdel, Erbrechen, 
AsomaUeen der Herzthätigkeit and der Äthmung, psychische Störungen, Krämpfe und 
Stanimgspapille sind die häufigsten Ällgemeiusymptome der Himgeschwülste und diese 
AOgesMinerscheiDangen gehen in der Begel den Localerscheinungen zeitlich voran. 
Die genaue detaillirte ^bilderung der Localsymptome bildet begreiflicherweise den 
we e m tliehsten Tbeil dieses Capitels: ist doch eine exacte Localdiagnose die wesent- 
bchete Voraussetzung für ein erfolgreiches operatives Vorgehenl Die bisherigen Er- 
fihrsngen haben erwiesen, dass die Fälle, welche eine Localdiagnose nicht gestatten, 

grosse Mindm’heit bilden. Konnte doch Verf. bei 76 Fällen 61 Mal eine Looal- 


L g : /od 3y CjOO^lc 



96 


diagnose stelleD und in 7 mit Localdiagnoee zor (^mti<ai gekommenen F&Uea fand 
Yerf. diese Diagnose jedesmal bestatigtl NatorgemAss pr&ealiren bei dm groeeen 
Tameren die Allgemeinsymptome derart, dass die Localsymptone daducb geradeza 
aenriscbt werden und im Allgemeinen kann man s^en, dass die ans beatimmtoa 
Symptomen gewonnenen localdiagnostiscben Scbifisee am so siekerer sind, je geringer 
die Allgemeinsymptome sind, d. b. mit anderen Worten, je kleiner dw Tumor ist 

Für die specielle DiSerentialdi^ose des Himinmors kommen banptsächlich in 
Betracht: Himabscess, fiimiogitis, Himsyphilis, Hämatom der Dura ma^, Encepba- 
litis, Paralyse, Hydrocepbalie, multiple Sclerose, Epilepsie, Neorastbenie, Hypochondrie 
and Hysterie. Besonders die letztere spielt bei der Differentialdiagnose ziemlkb 
häufig eine Bolle, nnd eine ▼(«! Yerf. genauer mitgetheilte EraokMgeecbicbte be* 
weist, dass hierbei selbst dem getlbten Untersocber mn diagnostischer Irrtbum passiren 
kann. Im Allgemeinen aber kann man wohl den Satz von Howers gelten lassen: 
„Nie lasse man sieb darob bestehende Erscheinungen von Hystwie soweit beeinflosseo, 
dass man daraus die Diagnose Hysterie allein stellt nnd die weitere Unteraacbnng 
nach organischeD Yerändemngen aufgiebt. Bei Hirntumoren fehlen solche Yerände- 
rangen nie!“ (? Bef.) 

Nun ist fireilicb von der Diagnose bis zur Operation noch ein weiter Weg. 
Denn 60 der HimtnaMn^ mit sicherer Localdiagnose fallen fflr eine chirurgisebe 
Behandlung schon deshalb fort, weil sie operativ überhaupt nicht zu erreichen sind. 
Da nun ferner nur 80 aller Fälle eine exacte Localdiagnose (im günstigsten FaU) 
gestatten, so würden von 100 Tumoren nur etwa 30 übrig bleitmn, bei welchen eine 
sichere Allgemein* und Localdiagnose möglich ist nnd bei welchen zugleich der Tnmor 
aa einer ehimrgisch angreifbaren Stelle sitzt Yon diesen Fällen scheidet aber nodi 
eine m'bebliche Zahl aus, nämlich diejen^en, welche sich bei der Operation nach* 
tr^lich noch als inoperabel erweisen. Es würde nach alledem die Zahl der opmrablen 
Fälle auf etwa 8 und nach Abzug der ungünstig verlaufenen Fälle sogar auf etwa 
4°/o berabsinken. So wenig dies Besnltat an sieh erfi^ulicb erscheinen mag, so mnss 
man doch bedenken, dass auch diese 4^/^ boi der exspectativen Behandlai^ sicher 
verloren gewesen wären. 

Eine Besserung in dieser Hinsicht ist nur zu erwartra, wenn es gelingt, die 
Diagnose in allen Fällen möglichst frühzeitig zu stellen. 

Es würde den Rahmen eines Referates weit überschreiten, wenn ich die Dar* 
Stellung der Geschwülste des Rückenmarks und der peripheren Nerven an dieser 
Strile auch nur in aller Kürze besprechen wollte. Auch hier herrscht üb«^l in d« 
Darstellung Klarheit, Uebermchtlichkeit und YoUständigkeii Die zahlreichen,* im 
Text entbaltenen guten Abbildungen tragen zom Yerständniss der sehwiwigen Hatarie 
viel bei Die Ansstattung dee Buches ist tadellos. Dasselbe sei dem Fachmenn 
zum Studium angelegentlichst empfohlen: Es darf ihm in seiner Bibliothek nicht 
fehlen. Adler (Berlin). 


V. Personalien. 

Unser gesebitzter Mitarbeiter Herr Dr. August von Luzenberger bat sieh in Ne^el 
als Privatdooent für Neuropathologie habilitirt. 


Um EinsenduBg von Sopsjatabdrücken an den Herausgeber wird gebeten. 

EinBanduDgen f&r die Bedaction sind zu richten an Pro! Dr. E. Hendel, 
Berlin, NW. Schiffbauerdamm SO. 

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sowie direct tod der Verlagsbochhandlnng. 


1. Februar. 

Leipzig, 

Verlag von Veit & Comp. 

1898. 


Nr. 3. 


ANKÜNDIGUNGEN. 

ssssesstsss ss»s »»♦•#♦♦♦♦♦♦»♦ »♦»#»♦»♦ »♦♦♦♦♦♦♦»♦♦♦♦♦ 

I Ein Hittsarzt für das Stadt-Irren- und Siechenhaus in Dresden wird für | 
^ J Ipril 1898 gesucht. Gehalt 1000 M. im ersten, 1250 M. im zweiten und * 
* •) M. im dritten Diens^ahre neben freier Station. T 

ä Bewerbnngsgesuche mit Nachweisen sind bU 12. Februar d. i. an das | 
^-rV™päegeamt eimusenden. Auskunft ertheilt Oberarzt Dr. (iSDSer. J 

ücn Herren Coll^^n zur Mittheilnng, dass ich die mir gehörige Nerven» 

„Vr. Kndolf Gnanek’s Karhans für Nervenkranke“ 

ler in Pankow, am 1. Januar d. J. geschlossen habe und am 1. April d. J. In 
zn Schlachtensee b. Berlin W. aufgef&brten Neubau wieder eröffnen werde. 
DI*- unter der Leitung der Herren Dr. Möhring und Dr. Freund unter 
'l^L.’ber Bezeichnung gegenwärtig in Pankow betriebene Anstalt ist nicht die von 
Gn»ack begründete, sondern ein neues TJutemehmen einer Gesellschaft m. b.H. 

Dr. Maass. 

Wasserlieilaiistalt Godesberg 

itbeÜA renoTirt, ist das ganze Jahr geöffnet Geisteskranke ausgeschlossen. 

Näheres durch Dr. Kny und Diroctor Butin, t 

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Dietenmühle Wiesbaden. 

r. .NorTfBkraBk« q. Kraokbriten d. Stofweehsels. (ieist«skraDke aas^fseblosseD. 

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^ofsug. Das ganze Jahr geöffnet and besucht. Näheres im Prospeot. 

VV» S£Ulle>*, dir. Arst. ]>i*. Berbertoli* 


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Wasserheilanstalt Sonneberg i. Thür. 

gegründet von 8an.'Eath Dr. Eiohter. 

Sanatorium für Nervenkranke.»' 

Da« ganze Jahr hindurch geöffnet. 

Frospecte darch den dirig. Arzt n. Besitzer Dr. med. Bauke. 


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bietet NerveokrankeD, Erholungsbedürftigen und an leichten VerstimmangS' 
Zuständen leidenden Patienten einen geeigneten Aufenthalt in mittlerer ge> 
schützter Gebirgslage in der Nahe der besuchtesten Punkte des Harz-Gebirges. 
NWier.3 durch Prosiwote. Sanitätsrath Dr. Otto Müller. Dr. Paul Rehm. 


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IT FEB 25 1898 

Ieürologisches Centralblatt. 

Uebersicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie 
und Therapie des Nerven^ems einschliesslich der Geisteskrankheiten. 

Heraosg^eben von 


'iebielister 


Professor Dr. E. Blendeji 

n BmMil 


Jahrgang. 


ÜMttfieh ersoheinen twei Nummern. Preis des Jahrganges 24 Mark. Zu beziehen durch 
fBoehhandlungen des In* und Auslandes, die Postanstalten des Deutschen Reichs, sowie 
direct Ton der Yerlagsbuehhandlong. 


1. Februar. 


Nr. 3. 


Ortgifialmltttieilanten. 1. Zur Frage Ton den Lähmungserscheioangen bei Pastear’scheo 
flipfitBgen. TOD Prof. L 0. Darkschswittch in Kasan. 2. Beiträge zur absteigenden Hinter- 
t^ans^^oeration, tod Dr. Julius Zappert. 3. Ueber angeborenen Unskelkrampf nnd Hyper- 
‘imikiri an der Unken oberen Extremität, ron Dr. 8 . Kaliscbtr, Arzt für Nervenkranke. 

IL Rtftraie. Anatomie. 1. üntersuchun^n aber den Faserrerlauf im Chiasma des 
Pfades nnd aber den binocularen Sehact dieses Bieres, von Dsxltr. 2. Sur les appendices 
des deadrites, par Stffanawska. — Experimentelle Physiologie. 3. Stndi su testi 
per Pinali. 4. Ueber die Terändemngen in der BlntcirculatioD nach Einwirkung 
des Ncbennieren-Bitracts. von Velleh. — Pathologische Anatomie. 5. Uber die Todes* 
’filb nd Sectionsbefonde der Z&rcherischen kantonalen Irrenbeilanstalt Bargbölzli vom 
1 ^ 81 . Min 1879 bis 17. März 1896, von Brthm. 6. Mikroskopische Verändernngen der Nieren 
Lsber in 52 Fällen von Psycboneurosen, von Falk. — Pathologie des Nerven* 
Systems. 7. Beiträge zur Symptomatologie und Anatomie der Akromegalie, von Schultze. 
Beitrag znr Pathologie nnd pathologischen Anatomie der Akromegalie, Ton Strilmpeli. 
ft fril af akroinegali, af Hagslstam. 10. A case of acromegalia witb aotopsy, by Brooks. 
Crber die Beziehnngen der AkromegaUe zom Diabetes mellitns, von Pinelot. 12. Un 
£ aerom^alia con eroiaoopsia bitemporaie e inferiore, per MoitlevordI e Torracchl. 
ftdP acromegalia, per Pauiini. 14. Sopra an caso di acromegalia parziaie, per Antomlvl. 
Oie Akronie^lie, von Stomberg, 16. Notes on a case of hypertropbic palmonary* 08 teo* 

? , by Edgar. 17. Dell* osteo-artropatia ipertrofica pnenmica, per Massstongo. 18. Dege* 
tbe nerves in alcohoUsm, by Tootb. 19. Alcoolisme, bemipidgie gaaobe et dpi- 
eoDsdcntive, scldrose atropbiqae, pachymeningito et rndnin^-oncdphaUte, par Bournsvlilo 
jr. — Psyehiatrie. 20. Ueber alkonolischeParalyse nnd infectiöse Neuritis multiplex, 
YUUif. 21. Snr Tabsence d’alteration des cellales nerveoses de la moelle dpinidre dana 
saa de paralysie aleooliqoe en voie d'amdlioration, par Dejorlno. 22. Drankzncbt en 
^ genezing, door Ruysch. 23. Cd cas d’ivresse patboio^qne, par Ropond. 24. Patronage 
aUdnds et alcoolisme, par de Boock. 25. Da somnambauame alcoohqne considdrd surtout 
poiot de me mddico-ldgal, par Francotte* 26. Zar Kstatoniefrage, von Schfllo. 27. Oa- 
* sesanali con impulsioni al saicidio per impiccamento (accessi di Autosadismo), per 
i. — .Assasioni per volntta (allacinazioni sessnali ossessive), per Quicclardi. — Auto*' 
e Aotomasochismo, per Tamburin!. — Therapie. 28. La thdrapeatiqne de alcoo- 
riotemement prolon^ des bnveurs, par Marandon de Montyel. 29. Die chirargische 
:t des IrreoarztM in der Anstalt, von Nicke, 30. Sar la valenr diagnostiqae de la 
lombaire, par Osnlgls et Sabrazis. 

H. Am den fioMlIschaftsn. Berliner Qeaellachaft für Psychiatrie und Nervenkrank* 
— Wiasenschaftlicbe Yersammlang der Aerzte der St. Petersburger Klinik für Nerven* 
Geisteskranke. 

t¥. Fermfschfes. Einladung. - Notiz. 

V. Mchtigung. 


7 




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98 


1. Orisinalmittheilongen. 


1. Zur Frage von 

den Lähmungserscheinungen bei Pasteur’schen Impfungen. 

Von Prof. Ii. O. Darksohowitsoh za Kasan. 

Id letzter Zeit stösst man in der Litteratur^ anf f^lle, wo sich bei Personen, 
welche PASTsuB’schen Impfungen unterzogen wurden, LahmungserscheinuDgen 
entwickelt haben. Diese Fälle müssen unsere Aufmerksamkeit in Anspruch 
nehmen, da sie eine Frage anregen, welche sowohl theoretisch als praktisch von 
Wichtigkeit ist Einerseits ist es wichtig, festzustellen, ob in der That bei Wuth- 
Schutzimpfungen Lähmungen Torkommen, andererseits, die Frage zu erörtern, 
welchen Ursprunges solche Lähmungen sind, welchen Verlauf sie gewöhnlich 
nehmen u. s. w. Indem wir diese Fragen beantworten, erreichen wir auch 
praktische Resultate — wir stellen klar, inwiefern die Furcht vor den Pasteub’* 
sehen Impfungen begründet ist, welche durch solche Fälle, wie die in der Litte- 
ratur beschriebenen, in der Gesellschaft hervorgerufen wird. Das Alles wird 
aber ohne Zweifel erst dann m^lich, wenn wir ein hinreichendes factisebes 
Material zu unserer Verfügung haben; für’s Erste ist dasselbe noch zu spärlicii. 
Letzterer Umstand veranlasst mich, hier zwei Fälle zu beschreiben, wo sich un¬ 
willkürlich die- Fr^e nach dem Zusammenhang zwischen den Wuthimpfungeo 
und der Entwickelung von Lähmungserscheinungen aufdrängt. 

Fall I. Sch. 32 a. n., verheirathet, bat 3 gesunde Kinder; Lues und Potos 
in Abrede gestellt. Am 27./V1I. 1896 Abends beim Schlafengehen bemerkte Sch. 
seinen Hanshond im Schlafzimmer unter dem Bett, and rief das Thier binans; ei 
gehorchte nicht Er machte mit der Hand eine Bewegung, als ob er den Hand 
schlagen wolle, wobei Letzterer zwei Finger der Hand mit den Zähnen packte. Pat 
riss die Hand znrOck und schlag dabei gerade mit den vom Hunde gebissenen Fingern 
an das eiserne Bett.- Der Schmerz war geringfügig. Nachdem die Hand gewascbei 
war, erwies sich an einem der Finger eine Abschürfang; Patient vermochte nicht zi 
si^en, ob die Abschürfung vom Bisse des Hundes oder vom Schice an das eiserne 
Bett herrOhrte. Der Hand, welcher ans 9em Zimmer verjagt wurde, biss unterwege 
noch die Mutter des Patienten, und — soviel mir erinnerlicb — aoeh eine Magd 
Bei beiden Letzteren jedoeb waren keine Bissspuren zu entdecken. Der Hund ward« 
getödtet und von dem besichtigenden Veterinär als toll erklärt, obgleich die Diagnos« 
nicht durch Impfuogen cootroUirt worden war. 

Vom 1. bis zum 12. August wurde der Kranke mit Pasteur'scben lujectionei 
behandelt. Innerhalb dieser Zeit war nnbedeutender Hnsteu und Schnupfen vorhanden 
Nachdem die Impfungen beendigt waren, kehrte der Kranke am 14./VII1. nach Haus« 
zurück unf fühlte sieb soweit gut, dass er an demselbe T^e, wie er es gewohnt 


^ Baltetiu de l’Acad^mie. 1897. Nr. 24, 26. 


D g ii^od oy Google 



99 


nr, iweimal im Flusse badete. Am 17./TJII. bemerkte Patient zuerst eine erheb* 
lickt Sdiiriche im rechten Tibiotarsalgelenke. Darauf traten nacheinander auf: 
SdiBnen im linken Bein, in beiden Armen, erhebliche Abnahme der SensibUit&t im 
iüa Bein ond eine gewisse Ungeschicktheit beider Arme bei feineren Bewegungen. 
Bii Ende August hatte der paretische Zustand des rechten Beines erheblich abge* 
tossD, die Schmerzen dagegen danerten fort, wenn auch in verminderter Intensität. 

Idi sah den Kranken zuerst am 23-/XI. 1896, und constatirte bei der Unter* 
abag I\>lgende8: yerminderte Kraft in den activen Bewegungen der Arme und 
int mit dem Charakter einer peripheren Parese; der linke Arm und das linke 
3 (q nnd dentUch schwächer als die Extremitäten der rechten Seite. Am meisten 
Rgtprägt ist die ungenügende Beugung der Finger an der linken Hand. Bei 
wraa Bewegungen der Finger — deutliche Ataxie. Der Gang ist nicht wesentlich 
witdeti; RoMBBBo’schee Symptom nicht vorhanden. Kniereflexe normal, Becken* 
ongestört. Die Lichtreaction der Pupillen etwas träge. Augenfällige 
Pinsthesieen in den Extremitäten, besonders den Armen, nnd zwar sandiges Gefühl 
sti Ameisenkriechen. Die Schmenempfindlicbkeit ist an den Extremitäten erheblich 
kibgesetzt, nnd zwar entspricht der Typus der Anästhesie ihrer Anordnnng nach 
n meisten dem peripherischen. Die anderen Kategorien der Sensibilität weisen 
i&oe merkliche Abweichung von der Norm auf. Anästhesie des weichen Gaumens, 
^tane Schmerzen in den Extremitäten sind zwar vorhanden, aber nur äusserst 
abedentend. Deutliche Empfindlichkeit der Muskeln und Nervenatämme ist nicht 
ucbioweisen (vor Kurzem noch vorhanden geweseni). Deutliche Abmagerung der 
nrzcD Hnskeln der linken Hand, weniger erheblich an der rechten Hand; die Unter- 
iachn^ dOT elektrischen Erregbarkeit ergiebt eine quantitative Abschwächung der 
iactäon auf beide Stromesarteo. 

Zum zweiten Mal untersuchte ich den Kranken im Juni 1897. Von dem 
Hberen Symptomencomplex war nur noch eine gewisse Unsicherheit der Finger* 
bnregnugeu nachzuweisen, besonders an der linken Hand; Parästfaesieen in den Armen 
ad nbedentende Yerminderang des Schmerzgefühls an den oberen Extremitäten, 
k Uebtigen war nichts Anormales nachznweisen. 

Was die beiden anderen Personen betrifft, welche von dem Hunde gebissen 
iiren, so wurden sie auch mit Impfnngen behandelt, und zwar gleichzeitig mit Sch., 
nf dtf gleichen Station: doch waren bei ihnen keinerlei Krankheitserscbeinungen 
ü beobachten, weder unmittelbar nach den Impfnngen, noch auch in der Folge — 
IS znm Jani 1897. 

Fall II. B. 28 a. n., nnverheirathet. Bedeutender Fötus. Lues wird nicht 
gegeben nnd ist auch objectiv nicht nachznweisen. Mitte Februar 1897 wurde er 
ra recbtra Unterschenkel von einem Hund« gebissen. Obgleich der Hund sich nicht 
ÜB toUwüthig erwies, so begab sich B. dennoch eine Woche nach dem Biss auf die 
wgMatioD, wo er 16 Injectionen erhielt Eine Woche nach Beendigung der Injec* 
lam — am den 20./1IL — entwickelte sich im Laufe weniger Stunden eine 
' des n. facialis dexter, and zwei Tage später über Nacht auch eine lAh- 

ang des n. facialis sinister. Das Kanen fester Speisen, sowie das Schlncken flüssiger 
wrde dem Kranken änsserst beschwerlich, die Augen waren beständig offen. Was 
ist Sxtrsmitäten betrifft, so war nach Angabe des Kranken an ihnen nichts Abnormes 
4 bemerken. 

Die Besserung im Befinden des Kranken begann schon eine Woche nach dem 
Uftreten der Lähmongserscheinongen sich bemerkbar zu machen, und machte seit- 

stetige, wenn anch langsame Fortschritte. 

Dsr Knnke wurde am lO./IX. 1897 besichtigt Es fanden sich Spuren von 
Parese der oberen Aeste n. facialis ntriusqne und eine deutlichere Parese im Gebiet 

enteren Aeste beider Seiten. Die elektrische Untersocheng ergab eine bedeu- 
'•eade Herabsetzung der Erregbarkeit auf beide Stromesarten, ohne jegliche Spur von 

T 


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100 


Alteration der Formel und des normalen Charakters der Huskelcontractionen. Von 
Seiten des Trigeminus nichts Abnormes; ebenso ist auch im ftbrigen Kerrensystem 
nichts Anormales lu entdecken. Die Ohren sind gesund. 

Die erste Frage, welche wir zu entscheiden haben, ist die, ob die Entwicke¬ 
lung der Lähmungserscheinungen, welche bei unseren Kranken auftraten, den 
Impfungen zuzuschreiben sei, welchen sie wegen der erlittenen Bisswunden unter¬ 
zogen worden waren. 

Die Entscheidung dieser Frage bietet sicherlich grosse Schwierigkeiten dar, 
welche aus dem Wesen der Frage selbst entspringen. Jedes Mal, wenn wir für 
i^end eine Erankheitsform ein neues ätiologisches Moment feststellen solleo, 
halten wir uns vorzugsweise an zwei Erw^fungen: 1. ob die Entwickelung der 
betreffenden Erkrankung mehr oder weniger häufig mit dem Yorhandensein des 
entsprechenden ätiol(^schen Momentes zusammentriSt, und 2. ob in jedem ein¬ 
zelnen Falle der gegebenen Erkrankungsform andere mehr oder weniger sicher- 
gestellte ätiologische Momente au^schlossen werden können. 

Diese Grundlagen haben jedoch begreiflicher Weise nur relative Bedeutung. 
Die erste Erwägung kann uns nur dann bei der Entscheidung der angedeuteten 
Frage von I^utzen sein, wenn die Casuistik der uns interessirenden Krankbeits- 
form durch Mittbeilung einer grösseren Zahl von Fällen so bedeutend wird, 
dass schon die Statistik direct fär die Nothwendigkeit der Annahme eines 
Zusammenhanges zwischen beiden Erscheinungen spricht. Was das zweite 
Postulat anlangt, so kann auch diesem nur in besonders glücklichen Fällen 
genügt werden, wo wir in Folge ausserordentlich günstiger Umstände, oft ganz 
zufällig, ganz ohne Z^ern und mit voller Berechtigung jeden anderen Einfluss 
ausscbliessen und einzig auf diejenige Ursache recurriren dürfen, deren ätio¬ 
logische Bedeutung uns hier beschäftigt. Während also die zweite der an¬ 
geführten Erwägungen einen besonders glücklichen Zufall voraussetzt, erfordert 
die erste eine sehr reiche Casuistik. 

Um die beregte Frage in Bezug auf unsere zwei Fälle zu entscheiden, 
müssen wir uns natürlich vorzugsweise auf die zweite Erwägung stützen — das 
Fehlen solcher Momente, welche ausser den Impfungen der Verursachung der 
Lähmungserscheinungen hätten beschuldigt werden können. In dieser Hinsicht 
verdient unser erster Fall besondere Beachtung. Wir sahen, dass unser Patient 
sich bis zur Entwickelung der Krankheit in jeder Hinsicht vollkommen wohl 
fühlte, und dass auch in der näherli^enden Vergangenheit nichts vorlng, wtLi 
mit der Entwickelung der paretischen Erscheinungen hätte in Verbindung ge¬ 
bracht werden können. Unwillkürlich blieben die Gedanken bei den kürzlich 
ausgeführten Impfungen stehen, and mit diesem Gedanken — dass die Läh¬ 
mungen sich in Folge der Impfungen entwickelt hätten — kam der Krankt^ 
zur Coiisultatiou zu mir. In der entfernteren Vergangenheit des Kranken irgen<i 
ein Moment zu finden, welches in ursächlichem Zusammenhang mit der gegen¬ 
wärtigen Erkrankung gebracht werden könnte, gelang ebenfalls nicht: Patient 
hatte niemals Alkoholmissbrauch getrieben, noch an Syphilis gelitten, was aucli 
durch die objective Untersuchung bestätigt wurde. 


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101 


Was den zweiten Kranken betrifft, so der Gedanke, die Entwickelnng 
öer Faeiaiisdiplegie mit den Torhetg^angenen Impfungen in Zusammenhang zu 
Hringm, auf den ersten Blick bei Weitem nicht so nabe, wie hinsichtlich des 
asten Kranken; gleichwohl erschien zuletzt die Annahme, dass auch hier die 
Impfangen die Bolle eines ätiolc^:ischen Momentes gespielt haben könnten, doch 
^rii^nd, als jede andere Erklärung der Krankheitsentstebung. Sahen wir 
kd. dass die gewöhnlichsten Ursachen für Diplegia facialis — Syphilis und 
'AieoI«den — bei unserem Kranken fehlten, ebenso deutete nichts auf eiue 
Erkrankung der Meningen der Himbasis, noch auch auf eine Affectiou der 
TnoUbröcke, zumal da auch der Verlauf der Diplegie in unserem Falle 
ngen eine solche Annahme sprach. Die Entstehung der Lähmung dem Alkohol- 
sussbmich zozuschreiben, ist ebenfalls kaum berechtigt, da weder zur Zeit der 
E&tstehang der Diplegie, noch auch in der Folgezeit, als die Läbmungserschei- 
Qiugen im Faciali^ebiet nachzulassen binnen, eine Affection anderer perl- 
phner Nerven beobachtet wurden ist Es erübrigte noch, eine Diplegie e frigore 
iQizi^hliessen. Allein die Diplegia facialis e frigore ist bekanntlich eine grosse 
•^Itenbeit; .wenigstens ist mir persönlich im Laufe der letzten 5 Jahre im 
imbolatohom der Kasaner Nervenklinik kein Fall von Facialisdiplegie hegtet, 
^ die Ehkranknng beider Faciales mit Sicherheit auf eine primäre und isolirte 
Pt/lTnearitis zurückzufuhren gewesen wäre. Somit dünkt uns die Annahme am 
Wikrsebeinlicbsten, dass auch in unserem zweiten Falle die Wutbscbutz- 
sp>faDgen nicht ohne Einfluss auf die Entwickelung der Facialisdipl^ie ge- 
sind. 

Wenn wir oonstatiren, dass in unseren beiden Fällen die Wuthschutz- 
a^^gen als das wahrscheinlichste ätiologische Moment anzusehen sind, so 
3ad wir damit such genötbigt, zuzugeben, dass die Läbmungserscheinungen, 
v-jdie sich im Anschluss an diese Impfungen entwickeln, nicht nur durch einen 
CT«litischen Process, sondern auch durch eine Erkrankung des peripheren 
Norensystems bedingt sein können. Wenigstens müssen wir in unseren beiden 
FMlen die Lähmongserscheinungen mit Sicherbeit auf eine Polyneuritis zurück- 
%rva. 

Entwickeln sich mm die Lähmungserscbeinnngen in Folge der Impfungen 
cfhst, oder sind sie als Resultat der Afifection des Oi^anismus mit \Vutbgift 
mzaseheD? Sicherlich können die Impfungen an sich zur Entwickelung der 
lAhmnng fuhren, denn in unserem zweiten Falle war der Hund, der den Pat 
Kbaen hatte, notorisch nicht tollwüthig, so dass die Impfungen ausschliesslich 
IQ }«opbylaktischem Zwecke gemacht wurden. Allein die Ursache, weshalb die 
Inpfiiiigen zu Lähmungserscheinungen fuhren, bleibt völlig unverständlich, ln 
iisser Hinsicht ist nnser erster Fall sehr lehrreich. Gleichzeitig mit diesem 
Kranken erhielten nämlich, wie oben erwähnt, auf der gleichen Station zwei 
Angeborige desselben ebenfalls Einspritzungen; dennoch erkrankte nur unser 
Patient, während die beiden Anderen völlig gesund blieben. 

In unseren Fallen traten die Lähmungserscbeinnngen recht schnell nach 
'ien ImjffuDgen auf: im eisten Falle etwa am 5. T^e nach Beendigung der 


Diy 


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102 


Impfongen, im zweiten nach einer Woche. In beiden Fällen musste die Krank¬ 
heit als leichte bezeichnet werden, denn sowohl im ersten, wie im zweiten Falle 
war der poijneuritische Frocess nicht besonders ausgebreitet und nicht sehr 
hochgradig ausgeprägt 


[Aus dem Laboratorium des Herrn Prof. Obebsteineb in Wien.] 

2. Beiträge zur absteigenden Hinterstrangsdegeneration. 

Ton Dr. Julius Zappert. 

Ein wenige Tage altes, hereditär luetisches Kind bot ausser einigen klinischen 
Nervensymptomen, die anderweitig (Jahrbuch für Kinderheilkunde) beschrieben 
werden sollen, folgenden Interessenten Bückenmarksbefond: 

Es bestand eine nur auf das Cervicalmark beschrankte Entzündung der 
Pia mater, welche zu Verdickung derselben und zu Verwachsung mit der 
Rückenmarkssubstanz geführt hatte; diese Meningitis war auf der rechten Seite 
stärker ausgeprägt als links; im Dorsalmark, sowie in den tieferen Abschnitten 
des Rückenmarks war die Pia Töllig intact 

Als fernere Veränderungen Hessen sich an den angefertigten Mabcbi- 
Präparaten Degenerationen der vorderen und hinteren Wurzeln constatiren. 

Die Erkrankung der vorderen Wurzeln, die etwas schwächer auch atu 
Lendenmark ausgeprägt war und sich namentlich auf den intraspinalen Antheil 
der Wurzel beschrankte, ist anscheinend ein für den vorhanden Fall nicht 
charakteristischer Kebenbefund; zahlreiche Untersuchungen an kind¬ 
lichen Rückenmarken haben mich gelehrt, dass derartige Dege¬ 
nerationen im Säuglingsalter einen geradezu häufigen patho¬ 
logischen Befund darstellen. 

Hingegen war die Beziehung der Degeneration an der hinteren Wurzel 
mit der Spinalmeningitis recht augenfällig. Die Wurzelveränderung zeigte sich 
nämlich nur im Cervicalmarke, dem Sitze der Piaerkrankung, und war, ebenso 
wie diese, rechts stärker als links. Ausserdem setzte die schwarze Körnung genau 
an jener Stelle der hinteren Wurzeln ein, wo dieselbe beim Durchbruch durch 
die Pia mater normalerweise eine Einschnürung erfahrt und die nach Osbb- 
STEiNEB und Redlich ein Punctum minoris resistentiae des hinteren Wurzel¬ 
verlaufes darstellt. Es konnte in unserem Falle kaum einem Zweifel unter- 
li^en, dass die erkrankte Pia auf die durchtretende Wurzel einen schädigenden 
Einfluss ausgeübt, der sich durch die Degeneration der intraspinalen Antheile 
der Wurzel zu erkennen gab. 

Entsprechend dieser Veränderung an den hinteren Cervicalwurzeln fand 
sich eine intensive aufsteigende Degeneration der BuRDACH’schen Stränge, 


D K.Googlc 


103 


die uf der rechten Seite gleich&Us stärker war als links. Innerhalb des Bub- 
Dice'schen Feldes zeigte sich das hintere äussere Feld am wenigsten von der 
De^eoeratimi hetxoffen nnd hob sich namentlich im unteren Cerricalmark recht 
dniUich TOB den übrigen Partieen der BoBDAca’schen Stränge ab. Cerebral- 
firts sind di^ Yerändemngen in den Hintersträngen so weit zu yerfolgen, 
ih das Torli^nde Bückenmarkspräparat reichte; die Medulla oblongata war 
udit mehr an demselben rorhanden. 

Verfolgen wir non die Hinterstrangsreränderungen nach abwärts, so 
stea wir bald eine auffallende Aenderung der mikroskopischen Bilder. Ent- 
spnebend dem Anfhören der nur auf das Cerrioalmark beschränkten Hinter- 
vanderkranknng schwindet auch die Degeneration in den lateralen Partieen 
des BüBDACH^scben Strangs recht bald; da ja die eintretenden Wurzelzüge nur 
Biehr gesonde Fasern ins Rückenmark bringen. Die schwarzen Schollen, mit 
desen sich die BüBDACB*schen Stränge in den höheren Ruckenmarksebenen be¬ 
deckt zelten, nehmen auf diese Weise immer mehr ab und lassen die lateralen 
Umt^strangsantheile allmählich ganz frei. Ein zwischen BuBDACH’schem 
aad Gonn^acbem Bündel befindlicher Rest von schwarzen Körnern 
bleibt aber bestehen. Diese Degenerationszone tritt um so deutlicher hervor, 
)e mehr sich die Hinterstrsnge sonst von d^enerirten Fasern frei erweisen; sie 
ist während ihres ganzen Verlaufs rechts stärker ausgeprägt wie links. 
Iffl oberen Dorsalmarke stellt sie einen zwischen dem BuBDACH’schen und 
(roi.L’schen Felde gelegenen Streifen dar, dessen ventrales Ende dichter ist und 
\m an die grsae Substanz reicht, während der dorsale schmälere Ausläufer die 
kmtere Bödtenmarksperipherie nicht erreicht 

Je weiter wir nach abwärts gehen, desto spärlicher werden die degenerirten 
fman dieses Bündels. Etwa in der Mitte des Dorsalmarks besteht nur noch 
Q den Tentralen Antheilen des rechten Hiuterstrangs ein gegen die graue Sub- 
fisi des Hinterboms hinziehendes, etwas compacteres Degenerationsfeld. Das¬ 
selbe verliert sich in beferen Rückenmarkspartieen immer mehr, so dass man im 
vBteren Drittel des Dorsalantheils nur bei darauf gerichteter Aufmerksamkeit 
m rechten Hinterstrange einige schwarze Körnchen zu erblicken verm^^. Im 
Undenmark fehlen dieselben vollständig. Auch an der zu beiden Seiten der 
imteren Fissur gel^nen Parthie desselbeu ist es bei vorurtheilsfreier Beobach¬ 
tung kaum möglich, degenerirte Faserquerschnitte zu erkennen. 

Die Form und der Verlauf dieser absteigenden D^eneratiou berechtigen 
BBS zweifellos, darin das SoHuiiTzs'sche Comma zu erblicken; auch die 
cäiiesBlifdie Anhäufung der Fasern in der Gegend der grauen Substanz ist ganz 
gut mit Hochb’s Annahme des Uebertritts derselben in die Hinterhönier ver- 
anbar. 

Ee besteht also in unserem Präparate eine Degeneration des ScHULTZE’schen 
Fekieu, wie wir sie sonst — Thierezperimente ausgenommen — nur bei hoch- 
Iwgenden Compressionen zu sehen gewohnt sind. 

Solche Bückenmarkscompressionen, bei denen meist der ganze Querschnitt 
becbeiligt ist nnd reichliche auf- und absteigende Degenerationen zu coustatireu 


Diy 


Google 



1Ü4 


sind, waren bisher das banptsächlichste Stndienobject fdr die absteigende 
Hinterstrangsdegeoeration. Dieselben waren kaum geeignet, eine endgültige 
Entscheidung dafür zu bringen, welchen Ursprungs diese Fasern seien, und tbat- 
sächlich ist auch heute die Frage noch nicht widerspruchlos beantwortet, ob wir 
es im ScHULTZE’schen Bändel (und im dorsomedialen Felde des Lumbal- und 
Saoralmarks) mit exogenen, ai^ den hinteren Wurzeln stammenden, oder mit 
end(^nen, von Bückenmarkszeilen entspringenden Fasern zu thun haben. Ohne 
auf die Litteratur dieser Frage, die jüngst in Rbdlioh’s „Pathologie der tabischen 
Hinterstrangserkrankung** ausführliche Würdigung erfahren hat, näher eingehen 
zu wollen, sei nur darauf hingewiesen, dass Sohdltze, Bnims, LEMHOssfiK, 
SiNOSB, Redlich u. A. für den eichenen Ursprung des Commas eintreten, 
während Tooth, Mabie, Goubault und Philippb, Daxbnbebgeb die endogene 
Natur für wahrscheinlicher halten. Einige neuere Autoren, Hochs, Bibcbofp, 
Heymann enthalten sich eines ürtheils und Obebstbineb, der sich noch in der 
neuesten Auflage seines Lehrbuchs für keine der beiden Ansichten entschieden 
aussprach, ist erst am voijährigen Moskauer Congress entschieden für die exogene 
Natur des Commas aufgetreten. Experimentelle Untersuchungen am Thiere rückten 
zwar die Annahme einer Beziehung der hinteren Wuneln zum ScHULTZE’scben 
Feld in den Vordeigrund, Hessen sich aber nicht ohne weiteres auf die Menschen 
übertragen. 

Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, gewinnt unser Fall die Bedeutung 
eines Naturexperiments, b« welchem eine nur auf das kurze Gebiet 
des Cervicalmarks beschränkte Erkrankung der hinteren Wurzeln 
die alleinige Quelle für Bückenmarksveränderungen abgeben konnte. 
Ebenso wie wir die aufsteigende Degeneration des BuBDACH’scben Stranges mit 
dieser Hinterwurzelerkrankung in Beziehung bringen können, sind wir auch 
berechtigt, die absteigende Erkrankung des ScBüLTZE’schen Feldes 
als eine Folge der Läsion der hinteren Wurzeln anzusehen. Der 
Umstand, dass die Cervicalwurzeln rechts stärker ergriffen waren als links er¬ 
höhte noch den Yersuchswerth des Falles, und Hess die auf derselben Seite 
stärker ausgeprägte Degeneration des Commas als directe Folge der Wurzel¬ 
erkrankung erscheinen. 

Eine andere Deutung der absteigenden Hinterstrangsdegeneration ist iu 
unserem Falle wohl ausgeschlossen. Dass dieselbe mit den Veränderungen in 
den vorderen Wurzeln in Zusammenhang stände, ist nicht nur a priori unglaub¬ 
würdig, sondern durch anderweitige zahlreiche Untersuchungen kindlicher Rücken- 
marke, bei welchen ausser der Vorderwurzeldegeneration keine weiteren Ver¬ 
änderungen vorhanden waren, in völHg zweifelloser Weise widerlegt. Sonstige 
Erkrankungen, welche als Ursache der Degeneration im ScHULTzs’schen Bündel 
angesehen werden könnten, bot unser Rückenmark überhaupt nicht dar. Für 
die etwaige Vermuthung von Strangzellenschädigungen, die man bei Rückeu- 
markscompression immerhin als Druckwirkung für möglich halten könnte, fehlt 
hier jeder Anhaltspunkt, umsomehr als die anderen endogenen Bahnen (im 
Seitenstrauge u. s. w.) vollkommen frei von Veränderungen waren. 


vGoogIc 


105 


Wir können nach dem Gresagten wohl bebaapten, dass unser Fall die Frage 
udi der Xatnr des ScHUiiTZE^schen Conimas entschieden in dem Sinne beant- 
foitHiftsst, dass dasselbe aus absteigenden Hinterstrangsfasern, die 
ins dem oberen Rückenmarksantheile stammen, zusammengesetzt 
itt IMe Möglichkeit, dass ausserdem noch anderweitige Fasern in dieser 
Kahn verlanfen, lässt mch natürlich durch diese Thatsache nicht ausscbliessen. 

Zur Entscheidong anderer, die absteigende Hinterstrangsdegeneratlon be¬ 
treffender Fragen bot der yorliegende Fall nicht viel Anhaltspunkte. 

Dass wir es im ScHDLTZE’schen Felde mit langen Bahnen zu thun 
Uten, wurde, seitdem mit der MABCBi’scben Methode gearbeitet wird, von allen 
Aotcffen bestätigt; auch in unseren Präparaten konnten wir die betreffenden 
Fiaem darch den grössten Theil des Dorsalmarks verfolgen. 

Die Ton Hochs neuerdings behauptete Endigung des ScHULTZE’schen 
Commas durch Einstrahlen der Fasern in die graue Substanz der 
Hinterhöruer ist durch die von uns gesehenen Bilder nicht unwahr« 
sdiönlkh gemacht; wir konnten wenigstens constatiren, dass in den tieferen 
Bu^enmarksebenen die erkrankten Fasern sich in der Kähe des Hinterhorns 
sammelten and bis an dasselbe heranreichten, wenn wir auch mangels an Längs¬ 
schnitten einen directen Eintritt derselben in die graue Substanz nicht beobachten 
konnten. 

Zar Frage einer eventuellen Beziehung des ScHüLTZE’schen Feldes 
zn dem dorsomedialen Bündel des Lumbal- und Sacralmarks konnten 
vir in unserem Falle keine Anhaltspunkte gewinnen. Die Degeneration war 
sieht mächtig genug, um in den tieferen Rückenmarksebenen noch deutlich 
erkennbar za sein, und es war daher nicht zu erwarten, dass sich im Lenden- 
■ark ooch erkrankte Fasern an irgend einer Stelle würden aufffuden lassen. 

Hing^en bot uns ein anderes Rückenmark, bei welchem eine Com- 
pression im U. Dorsalis bestanden hatte, hierfür lehrreiche Bilder. 

In diesem, von einem Erwachsenen stammenden Falle, dessen klinischer 
Veriaaf mir nicht bekannt ist, konnten wir an MABOHi-Präparaten das stark 
(kgeaeiirte ScauLTZE’sche Bändel beiderseits bis zur Höhe des XI. Dorsaluerven 
verfolgen, ln Schnitten, die aus der Höhe des XU. Dorsalwurzelpaares stammen, 
bat das Comma seine Gestalt verloren und einer unregelmässig über den Hinter- 
ftzang vertfaeüten schwarzen Körnung Platz gemacht. 

In der Gegend des ersten Lumbalis fallen einige grobe Schollen zu beideu 
Seiten der Mittellinie auf, dieselben treten an Schnitten, die dem Austritte des 
ZL Lnmbalnerven entsprechen, sehr deutlich hervor und nehmen genau die 
Stelle des dorsomedialen Bändels ein. In der Höhe des nächstfolgendeu Nerveu- 
paares sind die schwarzen Körner nur ganz spärlich zu sehen und in noch 
täeferen Ebenen gelingt es nicht mehr, dieselben in eine bestimmte Gruppe 
asammenznfassen. 

Wir finden also in diesem Falle nach einer Compression des oberen 
Dorsalmarks (2. Dorsalis) nicht nur das ScHULTZE’sche Comma dege- 
nerirt, sondern auch einen, wenn auch geringen Antheil des dorso- 


,Google 


Dk; .i- 


106 


medialen Feldes erkrankt £s reiht sich diese Beobachtung an ähnliche 
Ton früheren Autoren an, ?on denen sich in letzter Zeit namentlich Hoche und 
Bisghoff eingehend mit der Frage eines eventuellen Zusammenhangs zwischen 
ScHULTZB*scbem Bündel und dorsomedialem Felde b^chäftigen. 

Beide Autoren lehnen eine directe anatomische Beziehung zwischen den 
genannten absteigenden Hinterstrangsdegenerationen ab; doch gehen ihre Auf¬ 
fassungen über die Entstehung des dorsomedialen Bündels auseinander. Hoceie 
beschreibt Degenerationsfelder, die schon im Dorsalmark sichtbar sind, anfangs 
beiderseits an der hinteren Peripherie des Rückenmarks verlaufen, sich im 
weiteren Absteigen allmählich der Mittellinie nahem und sich schliesslich zur 
Bildung des dorsomedialen Feldes vereinigen. Bischofp konnte derartige Dege¬ 
nerationen nicht auffinden, es fielen ihm aber bereits kurz unter der Compressions- 
stelle (2.—4. Dorsalis) degenerirte Fasern auf, die sich dicht am medialen 
Septum befinden, anfangs mit dem SoBULTzs’schen Gomma einen losen Zusammen¬ 
hang aufweisen, weiter abwärts aber völlig getrennt von demselben verlaufen 
und schliesslich die Stelle des dorsomedialen Bändels einnehmen. 

In unserem Falle gelang es nicht, Bilder, die denen von Hochs beschrie¬ 
benen gleichen, zu constatiren, dag^en boten unsere Präparate manche Ana- 
logieen mit den Befunden von Bischöfe. 

Durch das ganze Dorsalmark konnten wir im Hinterstrange ausser dem 
deutlich degenerirten ScHULxzE’schen Felde noch anderweitige zerstreute schwarze 
Schollen beobachten, unter denen sich namentlich eine median und ventral 
gelegene Gruppe schärfer abhob; diese Gruppe tritt etwa in der Höhe des 
VIII. Dorsalnerven am deutlichsten hervor, wenn sie sich auch niigends so 
bestimmt begrenzen lässt, wie das ScHCLTZB’scbe Comma. Weiter abwärts, 
entsprechend dem X. und XI. Dorsalnervenpaare, ist die Scheidung zwischen 
dieser medianen absteigenden Degeneration und den Fasern des Commas nicht 
leicht, da ja auch die letzteren in den ventralen Partieen des Hinterstrangs au¬ 
gehäuft sind, ln der Höhe des 1. Lumbalnerven ist das ScHULTZB’sche Feld 
geschwunden, nicht aber die mediane Degeneration, welche noch immer die 
ventralen Hinterstrangsantheile besetzt hält. Dagegen ist diese Degeneration»- 
Zone nur noch in geringem Reste sichtbar, wenn wir Präparate, die dem An¬ 
striche des II. Lumbalnervenpaares entsprechen, betrachten. In diesen 
Schnitten begegnen wir aber zum ersten Male dem bekannten Bilde 
des dorsomedialen Bündels zu beiden Seiten der Mittellinie; dasselbe lässt 
sich noch ein kurzes Stück nach abwärts verfolgen, die mediane Degeneration 
hingegen ist nun vollständig geschwunden. Das Auffallende an diesen Präparaten 
ist also, dass die absteigende mediane Degeneration sich unabhängig vom 
ScHULTZE’schen Felde bis ins Lendenmark verfolgen lässt, und dass sie mit dem 
Auftreten der compacten Degenerationszone des dorsomedialen Bündels rasch 
verschwindet. 

Es lässt sich aus diesen Befunden und der Beobachtung Bischoff’s wohl 
der Schluss ziehen, dass ein Theil der das dorsomediale Bändel bil- 
denden Fasern bereits in höheren Rückenmarksebenen zu beiden 


Google 



107 


Seiten der Mittellinie Terlänft und namentlich in den ventralen Hinter* 
shangspartieen verstreut ist. Die Mehrtahl der Nervenbahnen des dorsomedialen 
Feldes scheint allerdings aas tieferen Ebenen za stammen. 

Die Präparate, welche man bei tiefliegenden Compressionen zu Gesiebt be¬ 
kommt, schien einer solchen Annahme nicht zu widersprechen. So konnten 
vii in einem Falle yon Compression in der Höhe des I. Lendennerven 
gleiehfallB mit der MAsem-Methode im ventralen Hinterstrangsgebiet reichliche 
sduraize Körner erblichen, die sich immer mehr verloren, je deutlicher das 
dorsomediale Feld uns entgegentiat 

Fassen wir das Resultat dieser kleinen anatomischen Studie zusammen, so 
biniieQ wir aus den beobachteten Fällen folgende Schlusssätze feststelleu: 

1. Das ScHULiZE^sche Comma wird — wenigstens zum Theil — 
aas absteigenden Hinterwurzelfasern der oberen Röckenmarks- 
antheile gebildet. 

2. An der Bildung des dorsomedialen Bündels nehmen ab¬ 
steigende Fasern, die bereits im oberen Dorsalmark in den medialen, 
ventralen Hinterstrangsantheilen verlaufen, Antbeil. 


3. lieber angeborenen Mnskelkrampf 
und Hypertrophie an der linken oberen Extremität.^ 

Von Dr. 8. Kalisoher, Arzt fOr Nervenkranke. 

Der Kranke ist ein 26j&hr., russischer Student, der mich im August dieses 
Jahree wegen allgemeiner neurastbenischer Beschwerden aufsuebte. Er litt damals 
•9 Kopfdrock. Schlaflosigkeit, vagen neuralgischen Schmerzen u. s. w. Diese Be- 
»ckwerden besserten sich nach einem Aufenthalte an der See; doch traten nach der 
Sftckkehr nenralgische Schmerzen in der rechten oberen Extremität auf, die Nachts 
Qfillweise sich zeigten und bei geistiger Anstrengung, Schreiben, Zeichnen Zunahmen. 
Wegen des völlig negativen Befundes wurde die Diagnose: Neuralgia Plexus brachialis 
iextr. gestellt. Bei dem Veigleich mit dem linken, scheinbar gesunden Arm musste 
eine Umfangszunahme der ganzen linksseitigen oberen Extremität sofort ins Auge 
fallen. Die VolumenszuDahme besteht angeblich seit Geburt und wurde von den 
Aagehörigen des Kranken auf einen Fall zurflekgefOhrt, den die sonst gesunde 
Hotter kurz vor der Geburt erlitten haben soll. Die Geburt war normal und hat 
der Kranke in der Kindheit niemals Krämpfe, noch irgend welche Zeichen einer 
ffimerkrankung gehabt Die Stellung, welche Hand und Finger heute einnehmen, 
besteht seit Geburt unverändert; nur will der Kranke in froheren Jahren bei An- 
strenguDgen oder besonderen Bewegungen der Hand ein krampfartiges, schmerzhaftes 
Ziehen oder Zucken in den Fingern gehabt haben, wobei die Beugestellung der Finger 


• Nach einer Kraokeavorstellang in der Berliner Gesellschaft für Psychiatrie. No- 
vcBber 1897. 


üig'V^od oy Google 



108 


and Hand noch stärker wurde, als gewöhnlich; stets ging dieser tonische Krampf 
durch Reiben und Jassiren der Finger schnell vorüber. Bewegungen atbetotischer, 
choreatischer Natur, tetanieähnliche Krampfstellungen, clonische Krämpfe sind von 
den Kranken nie beobachtet worden. In der Schule fiel er seinen HitschOlem durch 
die Fähigkeit auf, an dem Kleinfiugerballen willkürlich eine starke Wulstbildung 
hervorzunifen; auch war die Kraftleistung mit der linken oberen Extremität eine 
flbergrosse, fast athletische; doch pflegte Arm und Hand nach vorübergehender, über¬ 
mässiger Leistung sehr schnell zn ermüden. Wie früher, so benutzt er auch heute 
bei alleu üblichen Verrichtungen (Ankleiden u. s. w.) die linke Hand, wie jeder 
Qesunde; nur vermeidet er länger währende Leistungen, wie das Tragen schwerer 
Gegenstände, mit der Unken Hand. 

In der Regel bängt der linke Arm schlaff herab, oder er wird ein wenig au 
den Thorax adducirt gehalten, mit leichter Beugung im Ellbogengelenk, Pronations« 
Stellung der Hand; dabei sind die Finger zur Faust eingeschlagen, der Daumco 
leicht abducirt. Oberarm, Unterarm und Hand der linken Seite zeigen eine auffallende 
Yolumenzunahme. Die Muskulatur fühlt sich am Ober« und Unterarm Überall fest 
und derb an, während Haut und subcutanea Gewebe hier keine besondere Ver¬ 
änderungen zeigen. Der Umfang des Oberarms bei passiven Uerabhängen . beträgt 
in der Mitte links 30, rechts 27 cm, bei forcirter Beugung des Unterarms und An¬ 
spannung des M. biceps betrügt derselbe links 35, rechte 31 cm. Der Unterarm hat 
im oberen Drittel einen Umfang von 30 cm links und 24 cm rechte, im unteren 
Drittel links 22 cm, rechts 18 cm. Die Hand, in der Mitte des Metacarpus ge¬ 
messen, hat links 29 cm, rechte 22 cm im Umfang. 

Die Längenroaasse des Unterarms und Oberarms, wie der entsprechenden Knochen 
sind links und rechte dieselben. Auf einer durch Herrn Dr. Levj (Dom) gütigst 
angefertigteu Aurnabme beider Unterarme und Hände durch Röntgen-Strahlen 
wird zunächst die Umfangszunahme des Unterarms wie der Hand deutlich wahr¬ 
nehmbar; die linke Hand ist auf den Röntgen-Fhotographieen 13^/3 cm breit, die 
rechte IOV 2 cm. Die Knochen des linken Unterarms wie der linken Hand sind ein 
wenig stärker als rechte, so misst der Radius in der Mitte auf der linken Seite 1,7 cm, 
rechte 1,4 cm, die Ulna links 1,4 cm, rechte 1,2 cm. Die linksseitigen Metacarpal¬ 
knochen erscheinen ein wenig dicker und kürzer als die der rechten Seite und in 
den Metacarpophalangealgelenken, soweit dieselben auf der Fig. 1 sichtbar sind, ist 
an der linken Hand eine Distorsion der Finger nach der Ulnarseite wahrzunehmen. 
Eine gewöhnliche photographische Aufnahme, die hier beigefügt ist, zeigt ebenfalls 
die Volumszunahme der ganzen linken oberen Extremität deutlich; dabei sind die 
übermässige Abduction des Daumens, wie eine Senkung der linken Schulter willkür¬ 
lich bei der photographischen Aufnahme entstanden und normal nicht vorhanden. 
An den Brust' und Schultermuskeln, und besonders an den Mm. pectoralis, cucullaris, 
serratus anticus major, supra-, infraspinatus n. s. w. besteht weder eine Zunahme oder 
Abnahme des Volumens, noch eine Functionsstörung. Oie Thoraxbälften haben links 
wie rechte in der Höbe der Mamilla den gleichen Umfang 46—47 cm, und Schulter-, 
wie auch Ellbogen- und Handgelenk zeigten keine Abweichung von ihrem normalea 
Zustande, ebenso die Stellung der Scapula in Ruhe und bei Bewegung. Der M. del- 
toideus ist auf der linken Seite vielleicht ein wenig stärker als rechts, während die 
Beuger des Unterarms, besonders der M. biceps, und zum Theil auch die Strecker 
(M. triceps) auffallend stark entwickelt sind. Am Unterarm fallen die Flexoren, 
und besonders die der Ulnarseite: Flexor carpi ulnaris, Palroaris longus, Pronator 
teres, Flexor carpi radialis, doch auch der Supinator longus durch ihre kräftige 
Entwickelung auf. Spasmen und Contracturen sind, abgesehen von einer kaum er- 
wäbnenswerthen, geringen Anspannung des M. biceps, am Ober- und Unterarm nicht 
vorhanden. Der Oberarm wird gut gehoben, gesenkt, nach innen and aussen rotirt, 
an den Thorax adducirt und von demselben entfernt. Äoch die Bewegungen des 


,Googlc 



109 


rctertnas: Pronation, Supination, Bdogong, StrecknDg werden gnt nnd meist mit 
fibergrosser Kraft oder kräftiger als rechts ausgefOhrt. 

Am meisten 'verbreitert erscheint die Hand auf der Unken Seite und zwar vor* 
viegoid durch wulstige teigige Anschwellungen, die sich Aber den Hjpothenar in 
i« Gegend der Mm. abdnctor et Flexor pollicis brevis finden, und an dem Thenar 
ifi der Gegend der Mm. palmaris brevis, Flexor brevis, Opponens digii min., sowie 
u der Aossenseite des V. Metacarpns in der Kegion des Abdnct. digit. min.; hier 
die Schwellungen, die mit Forchen nnd Graben versehen sind, eine liporn- 
Ualkhe Consistenz, die in eine derbe, pralle Hasse fibeigeht, sobald die Danmen- 
«•Ueamoskolatar (Opposition, Addnction) oder die Kleinfingermnskulatnr (Abductioo, 
Filmaris brevisl in kräftige Function tritt. In der Gegend dos Adductor pollicis 
lodet sieh mne Einsenkung in der 
T>ila manos. Meist steht die Hand in 
Sähe leicht gebeugt, pronirt und stark 
Bbiarvärts gewendet. Während der 
DuBen meist in leichter Abdoction 
cod Opposition bei StrecksteUung seiner 
beiden Phalangen sich befindet, stehen 
die anderen 4 Finger schräg, und zwar 
rtark ulnarwärts gerichtet, so, als ob 
eie im Metacarpophalangealgelenk dis- 
lecirt sind; dabei sind die Finger ge- 
beogt nud in die Hand eingescblagen, 
nod zwar sind die Basalpbalangen am 
meiiten und dauernd fiectirt, während 

Flexion der Mittel- und Endphalangen 
einen geringeren Grad hat; die Beogong 
ist am 4. nnd 5. Finger stärker als 
iB 2. nnd 3. Finger, nnd auch der 
T. Hetacarpus befindet sich nlnarwärts 
rcrichtet und in Beugestellung; ferner 
und der 2. und 3., sowie der 4. und 
i. Finger, namentlich mit den Basal- 
päalangen so stark aneinander adducirt 
rsd gepresst, dass die Interdigitalhant 
iitr meist rotb and entzündet ist Fixa- 
timen und Abnormitäten an den Ge- 
isaken der Hand und Finger sind durch 
Palpation nicht nachweisbar. Die 

Sehaen nnd Fascien der Hatidfiächen zeigen weder Verdickungen, noch Contracturen. 
Die Hand kann kräftig gebeugt und gestreckt pronirt, supinirt werden, und auch 
die Seitwärtsbewegungen werden kräftig nnd ausgiebig ausgefdhrt Die in Beuge- 
knapf stehenden Finger können kräftig zur Faust geschlossen werden, und ist der 
Bäfidedmck links kräftiger als rechts; auch werden schwere Gewichte mit der linken 
Ba^ kräftiger gefasst nnd gehoben als mit der rechten, doch tritt schnell eine Er- 
aeUalfnng und Ennädung an der linken Extremität ein. Die passive Extension der 
Gnmd- und Endphalangen geht bei Ueberwindung des Widerstandes der Flexoren 
gst -von statten,, doch kehren die Finger schnell in die Beugestellung zurQck; ebenso 
ül eiiie Anseinanderbreitung und Spreizung der adducirten und ulnarwärts gerich- 
titen Finger passiv möglich. Willkürlich oder activ können die Basalphalangen weder 
Wi horizontaler Handbaltung, noch bei dorsalflectirter Hand gestreckt werden, während 
£e Endphalangen mit einiger Mühe gestreckt werden können; dabei stehen jedoch 
die in den beiden Phalangealgelenken völlig gestreckten Finger im Metacarpophalan- 


- vGooglc 




110 


gealgeleok, also zu den Metacarpalknochen rechtwinklich gebeugt Die paseive wie 
active Radialwürtswendung der zur Ulna hingewandten Finger, namentlich dee 2. nnd 
3. Finger, ist nicht mOglich. Streckt man passiv die Basalphalangen und 1^ die 
Hand auf eine feste Grundlage, so können die Endphalangen willkürlich gnt ge¬ 
streckt werden, doch ist das Spreizen der Finger auch jetzt nur zum Tbeil möglich; 
namentlich kann der 4. Finger nicht zum 3. adducirt und der 2. nicht vom 8. ab- 
ducirt werden. Der Daumen, der meist ohne Spannung in leichter Abduction, Oppo¬ 
sition und Strecksteilung steht, kann gut gebeugt,. gestreckt, opponirt, abducirt nnd 
auch an den cinarwärtsgerichteten II. Hetacarpns adducirt werden; nur die Adducüon 
des Daumens geschieht hier nicht so kräftig wie an der rechten Band. Sehr kräftig 
sind die Bewegungen des kleinen Filters: Abduction, Adduction, Flexion, Opposition; 
dabei verschwindet die lipomähnlicbe Auftreibung über den Tfaenar und neben dem 



Fig. 2. 


V. Metacarpus; nameutiieh bei der Innervation des M. palmaris brevis tritt eine auf¬ 
fallend starke, derbe Wulstbildung mit grubenartigen Vertiefungen über der Klein- 
üngermuskulatur hervor; auch gelingt es bei der dauernden Flexionsstellung des 
kleinen Fingers hier leicht den M. palmaris brevis, der stark verdickt erscheint, 
isolirt, willkürlich zu innerviren, was auch bei passiver Streckung des kleinen Fingers 
dem Kranken gut gelingt (Fig. 2). 

Alle die angeführten Bewegungen können prompt, schnell und plötzlich aus¬ 
geführt, wie auch unterbrochen werden. Eine Zunahme der Beugecontractur oder 
clonische Zuckungen konnten bei passiven Ueberdehnungen oder Ueberstreckungen 
nicht erzielt werden; auch traten nie spontane Bewegungen (atbetose- oder tetanie- 
ähnUebe), schmerzhafte Crampi und dergleichen auf; fibrilläre Zuckungen waren nicht 
vorhanden, ebenso fehlten trophisebe Störungen der Haut, Haare, Nägel, Cjanose, 
Kältegetühl und Geßssanomalieen. 

Die Streckseiten waren an beiden oberen Extremitäten stark behaart. Die 
Sensibilität war normal, die Nervenstämme nicht druckempfindlich, Tbocsskaü's 


D, - -/Google 




ni 


FUnomen nicht zn erüelen; anch fehlen Drackschmerzpookte in den SchlQsselbein* 
pubea, an der Wirbelsäule, an Knochen and Gelenken der ganzen Extremit&i 
Die mechanische Moskelerregbarkeit war nicht erhöht, die Sebnenrefleze lebhaft, 
idcli nicht gesteigert. Anch an den anderen Körpertheilen, Schulter, Rumpf, untere 
Extremitäten, sowie an dem rechten Arm und Hand waren Atrophieen, Hypertrophieen, 
FoodionKtöningen nicht vorhanden. Die Waden waren beiderseits stark nud hatten 
«Mi Umfang von 38 cna. Die Patellarrefleze waren an beiden Extremitäten gleich 
avk, anch die Länge und die motorische Kraft dieselbe. Ebenso fehlten am Gesicht 
ksndere Anomalieen; die linke Kasolabialfalte war zwar in der Buhe mehr ver* 
aticben als die rechte, allein bei Bewegungen, Sprechen, Lachen war eine Differenz 
a dw Innervation beider Gesichtsbälften nicht festzustellen. Papillen, Hirnnerven, 
{^dusche Functionen waren ungestört 

Was die elektrisclie Untersuchung anbetrifft so war trotz wiederholter, ein- 
;ri»ader Unterauchang eine erhebliche Abweichung von der Norm an den Nerven 
Muskeln der Unken oberen Extremität nicht festzostellen. Obwohl Nerven und 
Modeln auf beide Stromesarten gut und schnell ansprachen, konute von einer Er* 
kehimg der Erregbarkeit nicht gesprochen werden. 

Tom Kn. radialis, medianns, ulnaris, wie bei directer faradischer und gal* 
Tiräeher Reiznng waren aUe Muskeln, so namentlich die Interossei, Adductor 
pdlkiB, die Kleinen Daumenballen* und Kleinfingermosknlatur, der Flexor und 
Sztamor carpi radialis gut erregbar und von an^iebigen Bewegungen begleitet 
Sv der Extensor digitorum communis, wie der Extensor indicis und digiti minimi 
beviikten weder bei directer, noch bei indirecter Beizung eine Extension der Basal* 
pittlangen, obwohl bei starker Beizung eine Anspannung der Muskeln am Unterarm 
od der Extensoreosehnen an dem HandiUcken sichtbar und fohlbar war; nur am 
üfliaai Finger war eine geringe Extension der Gnmdphalanx za erzielen. Wo die 
Zscksngen vorhanden waren, traten sie prompt und blitzartig auf; Überall zeigten 
^riasanng a. und OeffnongszuckuDgeD, Kathoden* und Anodenreizung normale Ver* 
kältaiase zn einander. AoTe war nicht zo erzielen. Nirgends war eine träge 
Xackung, eine Nachdauer der Contractiou, Dellen-Furchenbildung oder Undulireo bei 
wtxaisehen Beizen festzustellen; ebenso wie für die myotonische, fehlen die für 
Tetanie oder Myasthenie chrarakteristischen Beactionen. Der M. palmaris brevis war 
la der fibUcben Stelle des Hypothenar direct, wie vom N. ulnaris aus Ober dem 
Hndgelenk und am Ellbogen gut erregbar und zeigte sich auch hier eine auffallende 
Wolst* und Forchenbildung an der Ulnarseite der Tola manus. 

Der Krampfzostand blieb während der mehrmonatlicben Beobaebtungszeit an* 
wnndert Das psychische Terbslten hatte auf die Intensität desselben ebensowenig 
mm Einfloas, wie die elektrische Behandlnng. 

Wie aos der Beschreibung ersichtlich ist, bandelt es sich hier um einen 
isgeborenen und stationären Zustand von Krampf und Hypertrophie bestimmter 
Muskeln der linken oberen Extremität Wir finden eine Volumenszunahme mit 
dffber nnd fester Consistenz an den Muskeln des Ober- und Unterarms, während 
in der Tolaifiäche der Hand (Thenar und Hypothenar) die Hypertrophie der 
Makeln einen mehr teigigen, schlaffen Charakter hat. Neben der Muskel* 
kypertrophie, die besonders die Flexoren und die Ulnarseite betrifft, konnte eine 
Rnnge Verdickung der Knochen der Extremität festgestellt werden. . Dazu 
ein dauernder tonischer Krampf, an dem die Interossei, die langen 
Beuger der Endphalangen der Finger, die Beuger der Hand an der Ulnarseite 
' ketbeüigt sind. Die starke Beugung der Basalphalangen und die Adduction 
^ Finger moaste auf einen Krampfzustand der Interossei zurückgefuhrt werden; 


- Google 



112 


wären diese allein am Krampf betheiligt, so mnssten wir eine gleichzeitige 
Streckung der Endphalangen erwarten können; allein die Endpbalangen an den 
4. Fingern standen ebenfalls in Beugecontractur, so dass eine Betheiligung der 
langen Flexoren der Finger an dem Erampfzustand angenommen werden musste. 
Die Beugung und Ulnarwendung der Hand kam durch einen Krampf des 
Flexor carpi ulnaris zu Stande. Eine Lähmung des Extensor carpi radialis 
longus (Extensor abductorius) war ebensowenig festzustellen, wie eine solche des 
Extensor carpi ulnaris oder anderer Muskeln. 

Die Function der langen Strecker der Finger war durch die dauernde Con- 
tractur und pathologische Beugestellung der Finger und Hand unmöglich ge¬ 
worden; wozu auch die pathologische Stellung in den Metacarpopbalangeal- 
gelenken beitrug. Die anderen vom N. radialis versüßten Muskeln, wie der 
Supinator longus, Trioeps, der Extensor carpi radialis et ulnaris, die Strecker 
des Daumens, functionirten gut und kräftig, Auch war eine sichtbare Atrophie 
der langen Fingerstrecker nicht vorhanden, vielmehr sah man die Sehnen des 
Extensor digit commun., Extensor indic. et digit minim, bei starken elektrischen 
Reizen am Rücken der Hand sich anspannen und hervortreten. Ebenso war 
an den lipomatös oder pseudohypertrophiscb erscheinenden Muskeln des Daumen- 
und Kleinfingerballens weder eine Functionsschwäche, noch eine Atrophie nach¬ 
weisbar. Die kräftige Tbätigkeit derselben, die gute elektrische Erregbarkeit, 
und die derbe Wulstbildung bei der Action der Muskeln deuten darauf hin, 
dass auch hier eine echte Hypertrophie der Muskeln trotz der weichen, teigigen 
Bescbafienheit vorhanden war.^ 

Bei den krampfartig angespannten Interossei überwiegte die Wirkung auf 
die Extension der Basalphalangen und auf die Adduction der Finger, während 
auch die durch den Krampf der langen Beuger flectirten Endphalangen in ge¬ 
eigneter Stellung durch die Interossei kräftig willkürlich gestreckt werden konnten. 

Wir haben es demnach mit einem tonischen Krampfzustande zu thun, der 
einzelne Muskeln betrifft, die vom N. ulnaris und vom N. medianus versorgt 
werden; frei von dem Krampf bleiben im Gebiete des N. ulnaris der Adductor 
pollicis, der Abductor, Opponens digiti minimi, der Falmaris brevis. Vom 
N. medianus ist allein der Flexor digitonim sublimis et profundus von dem 
Krampfzustand befallen. 

An der Hypertrophie nehmen nicht nur die an dem Krampfzustand be¬ 
theiligten Beugemuskeln Theil, sondern auch die Beuger des Unterarms (M. bi- 
ceps — M. ooracobrachialis) und zum Theil die Strecker (Supinator, Extensor 
carpi radialis, ulnaris und vielleicht auch der Triceps). Die Muskeln des Klein¬ 
finger- und Daumenballens zeigen allein eine Volumensvermehrung von teigiger 
Consistenz ohne Muskelkrampt Jedenfalls dürfte der Umstand, dass die derbe 
und schlaffe Muskelhypertrophie auch an solchen Muskeln auftritt, die vom 
Krampf völlig frei sind, zum Beweis dienen, dass die Hypertrophie hier nicht 
nur eine Folge des Krampfes sein kann. 


' Die ExcUioQ eines Moskelstflckchens wollte der Pat. nicht gestatten. 


n.-, Google 



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Aofiallend ist noch in dem beschriebenen Falle die Hypertrophie und die 
illngkät zur isolirtem willkürlichen Innervation^ des M. palmaris brevis, der 
Muntlich vom Ulnarrand der Aponenrosis palmaris ao^ht und mit 3—4 
qosgerichteten Streifen die Muskeln des Eleinüngerballens überspannt, um sich 
un ülnarruid der Hand in der Haut zu verlieren. Es gelingt meist, ebenso 
vie bd dem Kranken hier, diesen Muskel durch elektrische Reize vom N. ulnaris 
Iba dem Handgelenk oder durch directe Reizung zwischen dem Hakenbein 
Bfid dem Ansatz des M. opponens digit min. zur ContractiDn zu bringen. Eine 
fiilkörUche isolirte Innervation konnte ich bei anderen Personen nicht beob« 
lehteo. Meist tritt bei diesen bei starker Beugung des kleinen Fingers oder 
oodi regelmässiger bei starker Abduction des kleinen Fingers unwillkürlich eine 
kitbewegong des Palmaris brevis auf, die sich in starker Falten- und Gmben- 
bOdoDg in der Gegend des Hypothenar äussert und bei manchen Individuen 
oft langsam einige Secunden nach Ausführung der Abduction oder der extremen 
Flexion des kleinen Fingers als Mach- bezw. Mitbewegung in die Erscheinung 
mtt. Versorgt wird dieser Muskel vom Ramus volaris superüdalis des K. ulnaris. 
Seme Mitbew^ung bei verschiedenen Muskelinnervationen, ebenso wie seine Aus- 
fatMung and Stärke scheint individuell sehr verschieden zu sein. 

Veber Site und Ursache der beschriebenen Anomalieen lässt sich kaum 
etwas Sicheres sagen; man muss zunächst wohl an angeborene Bildungsstörungen 
^oken, die intrauterin entstanden und wohl eher durch periphere, als centrale 
^woknngen bedingt sind. In dem einzigen anal(^en Falle, den ich in der 
Iktoator auffinden konnte, bringt Fb. Schutze^ diesen stationären Krampf 
■it dem angeborenen spastischen Schiefhals in Parallele. In diesem Falle 
boddt es sich am ein 18jähr. Individuum, das jede centrale Erkrankung aus- 
ieUieswen Uess und seit einigen Jahren (?) einen Krampf und Hypertrophie des 
Iahten Klemfingerballens, des rechten Vorderarms, und zwar besonders der 
and der Ulnazseite aufwies. Die rechte Hand war ebenfalls erbeblich 
B^mgreicber, als die linke, und die Finger standen in Bengecontractur. Sohultz’s 
7aü von stationären Muskelkrampf in den Beugemuskeln st-eht, wie auch 
BouTHABDr’ hervorbebt, ziemlich isoliit da. Vorübergehende tonische Krämpfe 
*3 Bengemoskeln der Hand und Finger sind von y. Stbühpell, SEELiauüiiLBB, 
Weib Mitchell beschrieben. Auch Bebnhabdt^ beobachtete einen merk- 
vürdigen Fall von idiopathischem Mnskelkrampf im Bereiche der Nn. medianus 
nd ulnaris an der rechten oberen Extremität; derselbe war aber ebenfalls nur 
tc^fübagehender Natur und betraf einen 25jährigen Mann, dessen Patellarreflexe 
fehlten Dort war der M. palmaris brevis an dem Krampf betheiligt, und der 
£nmpf der Interossei äusserte sich in Streckung der Eudphalangen und Spreiz- 


^ Dieselbe erinnert an die willkarlicbe InnerTation and Bewegung der Stirn-Kopfbaut 
■ad Ohrenmiukeln, wie sie bei einzelnen Personen möglich ist 

* üeber nngewöbnlidi localisirte Moekelkrämpfe and Hjpertropbie der betroffenen 
IwArhi Zeitsehr. f. Nervenheilk. Bd. III. 1898. 

* Die Erkrankungen der peripberiecben Nerren. II. Theil. 1897. S. 137. Wien. 

* Archiv £. Psjcb. Bd. XJX. Febmar 1668. — 1. c. S. 136. 

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Stellung der Finger; Hypertrophieen fehlten hier yollkommen, während sie in 
dem Falle Sghültzb’s nur den Hypothenar, nicht auch den Thenar einnehmen. 

Eine Verwechselung des eigenartigen Symptomencomplexes mit anderen 
Krankheitsersoheinungen ist wohl kaum m^lioh, wenn auch Berührungspunkte 
mit anderen Affeotionen vorhanden sind. Was zunächst die monoplegische Form 
der sog. cerebralen Kinderlähmungen anbetrifft, so fehlen hier die anamnestischen 
und ätiologischen Momente, ferner alle cerebralen Erscheinungen, die Lähmung 
oder Schwäche, die Wachsthumshemmung, die choreatisch-atactischen oder athe- 
totischen Bewegungen, der spastische Zustand in anderen Huskelgebieten 
(Adductoren der Beine), die Reflexsteigerung u. s. w. Zwar ist in einzelnen Fällen 
eine Hypertrophie der Muskeln dabei beobachtet worden, allein wohl nur im 
Anschlüsse an starke athetotische Bewegungen, und stets entsprach die Hyper¬ 
trophie dem Grade der Athetose. Bei dieser bleiben auch die langen Finger¬ 
beuger meist verschont, und die mittleren und Endphalangen sind überstreckbar 
und überaus beweglich und leicht spreizbar. 

Auch g^en eine posthemiplegische Spätcontractur spricht das Fehlen des 
charakteristischen Beginns und der Lähmung; es fehlt die Betheiligung anderer 
Eörpertheile (Gesicht, Bein), die Muskelirritabilität und Steigerung der Sehnen¬ 
reflexe; auch sind die Interossei hierbei gar nicht oder wenig betheiligt 

Für die Dystrophia musculorum progressiva fehlten die l''unctionsschwäcbe 
der hypertrophischen Muskeln, der pn^ressive Verlauf, die ^mmetrische oder 
beiderseitige Affection und die eigenartige Localisation. Hier sind bekanntlich 
die kleinen Handmuskeln von der Hypertrophie fast stets verschont, wenn wir 
von einzelnen Ausnahmen absehen (Extensor des Daumens [Gowebs] und Hyper¬ 
trophie des Abductor indicis [Tatlob]). Dazu gehört ferner die hier nicht vor¬ 
handene Atrophie der Muskeln des ^hultergürtels, des Bioeps, Quadriceps oder 
die Hypertrophie im Deltoideus, Gastrocneumins, Infraspinatus u. s. w. Auch 
sind Retractionen oder Gontracturen dabei selten und wenig ausgeprägt 

Für Tetanie und Myotonie fehlen ebenfalls alle charakteristischen Er¬ 
scheinungen. 

Wiederholt sind endlich Muskelhypertrophieen nach übermässigem Gebrauch 
bei Athleten u. s. w. beobachtet worden; auch kommt es bei diesen gelegentlich 
nach Ueberanstrengungen vor, dass die echte Muskelhypertrophie mit ihrem 
derben, prallen Charakter unter Herabsetzung der Kraft in eine weiche, teigige 
Consistenz (Pseudohypertrophie?) übergeht, diese hypertrophischen Muskeln sind 
mitunter, wie die unseres Kranken, zu gesteigerter Kraftentfaltung für kurze 
Zeit befähigt, ohne Ausdauer zu zeigen, ln der Regel ist der Sitz dieser Hyper¬ 
trophie an dem Schultergürtel, den Oberarmen, Oberschenkeln, Waden, Glu- 
taei u. s. w. 

In diese letzte Kategorie gehört wohl auch der von Jolly im Anschluss 
an diese Krankenvorstellung erwähnte Fall von L. Auebbaoh.^ Hier entstand 
bei einem jungen Manne während der Militärdienstzeit eine Hypertrophie der 


* Ein Fall von wahrer Moskelbypertrophie. Virchow's Archiv. Bd. LIII. 1871. 


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dert^o Moskulatur des ganzen rechten Arms und besonders der Mm. deltoideus, 
bic^ des Vorderarms und Daumenballens. Mit dieser Hypertrophie gii^ eine 
bläuliche Marmorimng, eine Venenerweiterung und Kältegefiihl der Haut einher; 
aiMfa erlahmte der Arm schnell bei anstrengenden Hebungen. Diese Wachs- 
tbaouzimahme der Muskulatur kam bald zum Stillstand, und die Leistungs> 
Öligkeit besserte sich im Laufe der Zeit Die mikroskopische Untersuchni^ 
ones SQs dem Biceps exddirten Muskelstückchens erwies eine echte Muskel- 
hjpertiophie (Volumenszunahme der Muskelfasern mit proportionaler Kem- 
Tomehning). Auffallend war in dem Falle Auebbach's die Zunahme der 
Sefavere der hypertrophischen Extremität (um 3 Pfund schwerer als die linke), 
sne Eiseheinung, die auch bei meinem Kranken vorhanden war. 


11. Referate. 


Anatomie. 

1) Untergachungen über den Faserverlauf ün Cbiaema des Pferdes und 
Uber den binoonlsren Sehaot dieses Tbieres, von H. Dealer. (Arbeiten 
aas Prof. Obersteiner’s Laboratoriuna. 1897. Wien.) 

Terf. «eist zunächst darauf hin, dass eine Beihe von Momenten dafür spricht, 
hag mh das Pferd einen binocnlaren Sehact hat; freilich ist diese Annahme noch 
itiaesTegs bewiesen. Verf. bringt nun als weitere Stütze einer solchen Annahme 
eise Befände, die eine partielle Opticnskrenznng auch beim Pferde beweisen. Er 
■Bdelrte einem 2 Tage alten Fohlen einen Bnlbns und tödtete das Thier nach 
^Mceateo. Das Nerven^stem wurde nach Pal untersncht. Zur Controlle dieser 
l‘d|iarate wurde einem lOjähr. Pferde das eine Auge enuclelrt und das Thier nach 
oOTigen getödtet; die Präparate worden hier nach Marchi gefärbt. Die in beiden 
erhobenen Befunde, die im Detail wiedergegeben und durch Abbildungen 
:^aärirt werden, ergänzten sich in schöner Weise nnd erlaubten bezüglich des Ver¬ 
gab der Optieosfasem beim Pferde folgende Schlussfolgerungen: Nach einseitiger 
uodeatioo traten beim Pferde Degenerationen apf, welche sich in ihrer Hauptmasse 
a den cootralateralen Tractns fortsetzt, znm kleineren Theile jedoch in den gleich- 
Tractus Übergeht. Ersterer entspricht einem mächtigen gekreuzten, letzterer 
^ schwächeren ungekreuzten Bündel. Die nicht gekreuzten Fasern sondern sich 
dem Gitteigeflecht des Ohiasmas in der cerebral gel^enen Partie ab, liegen im 
IVsetosaostritt dorsolateral, später ganz seitlich, verlaufen jedoch nicht als isoUrter 
Suug im Tractns. Die Gesammtheit dieser Fasern dürfte etwa Fasern des 

Tnctos ansmachen. Diese Zahl ist jedenfalls viel zu gross, als dass sie functioneil 
^«iuglos sein oder bloss zur Versorgung der oculo-pupillären Impnlse dienen sollte, 
spielt dieselbe beim Sebact sicherlich eine bedeutende Rolle. Die beim 
sehr mächtige Gudden’sche nnd die Meynerfsche Oommissur verläuft zum 
IWl vermischt, znm Theil durch Gliasephen von einander getrennt. Äboral von 
•w Commissnr existirt ein schwacher gekreuzter Faserzug, der einseitig degenerirt 
^ vahrseheinlich der ForeTschen Commissur entspricht, womit auch die Beobach- 
tsngei von Leonowa am Menschen übereinstimmen. Ein directes Verfolgen ein- 

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zelner Fasern oder eines Bdodels im Ghiasma auf längere Strecken erscbeint namdg* 
lieh, da alle Bündel versebiedene Windnngen dorcbmacben. 

Verf. erachtet durch seine Befunde den Beweis der Fartialkreuzung beim Pferde 
erbracht, zumal durch den oben referirten Fall von Schlangenhaufer auch der 
anatomische Beweis im Sinne KOllicker’s für die partielle Kreuzung beim Menschen 
g^eben sei; wird die partielle Kreuzung als anatomisches Substrat fdr das binoeulare 
Sehen betrachtet, dann ist auch beim Pferde der binoeulare Sebact erwiesen. 

Redlich (Wien). 


2) Sur les appendices des dendrites, par Stdfanowska. Commun. prdlimin. 
(Bulletin publid par la Socidtd royale des Sciences mddicales et naturelles de 
Bruxelles. 1897.) 

Die Hittheilungen des Verf.’s beziehen sich auf den reifartigen Besatz, welchen 
die Dendriten der Nervenzellen an Präparaten aufweisen, welche nach einer der 
Imprägnationsmethoden (Ramön y Cajal, Oolgi) bergestellt worden sind. Derselbe 
wird von ziemlich regelmässig geformten ovoiden oder bimenförmigen Körperchen 
gebildet, fOr welche der Name „Corpuscules piriformes“ vot^escblagen wird. Da die 
Dendriten diejenige Einrichtung darstellen, welche den „Nervenstrom“ zum Zellkörper 
hinleiten, so hätten die Corpusc. pirif. die Bedeutung, die Oberfläche der Dendriten 
zu vergrössem und damit die Contaetbedingungen zu yerbessem. Wenn die Proto- 
plasmafortsätze sich in dem sog. Etat perld befinden, in dem sie ein rosenkranzartiges 
Aussehen darbieten, so sind die Corp. pirif. an ihnen der Zahl nach vermindert 
Nicht selten habe man Gelegenheit zu beobachten, wie dieselben sich in die perlen¬ 
artigen Anschwellungen zurückziefaen und gewissermaassen in denselben untertauchen. 
Aus dem Vorkommen der rosenkranzartigen Anschwellungen der Dendriten und dem 
eigenartigen Verhalten der Corp. pirif. an denselben wird der Schluss gezogen, dass 
die Protoplasmafortsätze keine fixirteu unbeweglichen Gebilde sind, sondern zu Be¬ 
wegungen sowohl in longitudinaler wie transversaler Richtung beßhigt sind. 

Hax Bielschowsky (Berlin). 


Experimentelle Physiologie. 

3) Studi SU testl mentali, per Rudolfo Pinali. (Archivio di psichiatria, seiend 
penali ed antropologia criminale. XVIII. S. 538.) 

Verf. hat an 5 Männern und 5 Frauen Versuche Aber das Gedächtniss für 
optische und acustische Bindrficke, geometrische Figuren, Zeitschätzung, Baumstrecken¬ 
schätzung, Aufmerksamkeit beim Hören (besser wohl als Auffassungsfähigkeit zu 
bezeichnen) und Vorstellungsverbindungen gemacht Er zeigte 10 Objecte, Worte, 
Ziffern und Eigennamen 5 Secunden lang und liess sich dieselben dann nennen; die 
gleiche Aufgabe musste dann für ausgesprochene Worte, Ziffern und Namen gelöst 
werden. Aus dem Ueberwiegen der richtigen Fälle beim Sehen oder Hören schloss 
Verf. dann auf einen visuellen, acustiseben oder gemischten Typus. Das Nachzeichnen 
der geometrischen Figur gelang nie vollständig; welchen Werth es überhaupt für 
die Beurtheiluog des geistigen Zustandes haben kann, lässt der Verf. uiierörteri 
Zur Prüfung der Aufmerksamkeit benutzte er das Zählen eines bestimmten Buch¬ 
stabens beim Vorlesen eines Prosastückes. Bei den Associationsversuchen nannte 
oder zeigte er ein Wort und liess sich nun die erste Vorstellung oder das erste 
Bild nennen, das auftaucbte. Heber die Schwierigkeiten seines Unternehmens scheint 
sich der Verf. so wenig klar geworden zu sein, dass er sich, abgesehen von den 


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nhlr^ra Fehlern seiner Uethode, nicht einmal bemüht hat, zu ontersuchen, ob 
dM erhaltenen Besnltate constant sind, und jede Person nur einmal untersuchte. 

Ascbaffenburg (Heidelberg). 


4) lieber die Veränderungen in der Blutoirculation naoh Einwirkung 
des Nebennieren•EztraoU, von Dr. Alois Velich. (Allgem. Wiener med. 
Zeitung. 1897. Nr. 27 — 29.) 

Yerf. prüfte die Einwirkung des Nebennieren-Extracts von Fröschen auf die 
BlatcirculaÜon von Hunden und Kaninchen und fasst die Resultate seiner Experimente 
D folgenden Sätzen zusammen: 

1. Der Extract ans den Frosch-Kebennieren, und zwar von Kana esculenta und 
Bm temporaria, bewirkt bei Hunden und Kaninchen eine Blutdrucksteigerung und 
Soang der Centra der N. vagL 

Nach Durchtrennung der erscheint nach der Injection neben der Blut* 
drucksteigemng eine Äcceleration des Pulses. 

3. Dieselbe Wirkung wie die Vagusdnrchtrennnng bat anch eine starke Curare* 
mgiftnng zur Folge. 

Hierin li^ scheinbar ein Unterschied der Wirkung des Nebennieren • Extracts 
TOD Wannblütlem und wechselwarmen Thieren, da der Extract von WarmblOtlem 
bei stark cnrariairten Hnnden eine Retardation des Pulses bewirkt. Doch hat Verf. 
in letzter Zeit nach Injection von weniger coocentrirten Extracten bei stark curari* 
arteo Händen anch ein Ausbleiben der Retardation des Pulses beobachtet, was sich 
«■küren lässt ans der Schwächung des Tonna der Vaguscentra durch starke Curare* 
wgiftung. IHe Differenz der beiden Extracte scheint also nur eine quantitative zu 
sein, indem Froscb-Nebenniereu’Extracte die Vaguscentren schwächer reizen. 

4. Die Blatdrucksteigerung nach der Injection des Frosch-Nebennieren-Extracts 
ist von dem verlängerten Harke unabhängig, denn sie tritt anch nach Zerstörnng 
deaselben ein. Dabei macht sich gleichzeitig, wie bei dem Extracte der Säugethier* 
Kebomieren, auch eine Pnlsacceleration geltend. 

In allen Versuchen erwies sich somit die Einwirkong des Extracts von Frosch* 
Sebennieren übereinstimmend mit jener des Extracts der Nebennieren von Sänge* 
üieren, woraus folgt, dass beide Extracte diMBlotcirculation in gleicher Weise be* 
e&flnsaende Substanzen enthalten, woraus mB weiterhin folgern kann, dass die 
Sinnieren der Frösche als denen der SäugetA-e vollkommen entsprechende Organe 
asfznfassen sind. Für die Verwerthung der mhlreichen an Fröschen angestellten 
Kebennieren'Experimente in der menschlichen Pathologie und Physiologie ist diese 
Tbatsache von Bedeutung. J. Sorgo (Wien). 


Pathologische Anatomie. 

5) Heber die Todesfälle und Seotionsbefunde der ZUroherlsohen kanto* 
neleo Irrenheilanstalt Burghölali vom 17. Uära 1879 bis 17. Märs 1896, 
von Arnold Brehm (St. Imier). (Allgem. Zeitschr. f. Psych. Bd. LIV. S. 373.) 

Während der 17 Jahre, die der Statistik zu Grunde liegen, starben von 3927 
behandelten Kranken 607 = 16,45 Davon entfallen aber auf Paralyse, senile 
Daaenz und andere oi^nische Qehimerkranknngen 382 Todesfälle (nuter 690 Kranken). 
ÜBter den 4 als Delirium acutum geschilderteu Kranken führt der Autor einen Exitus 
iof Hitxschlag zurück. Dieser entstand durch die Einwickelung in trockene Woll* 
deeken bei anhaltendem Stränben des tobenden Kranken. Die 510 Alkoholpsychosen 
(l3®yo) hatten eine Mortalität von 7®/(,. Im Ganzen fand sich Tnberculose der 




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Lungen in 35, der Lungen und Eingeweide in 50 Fällen, der Eingeweide allein in 
1 Fall. 14 aller Gestorbenen sind also der Fbtbise erlegen. 4 Kranke endeten 
durch Selbstmord. Alle anderen Einzelheiten werden am besten im Original nach¬ 
gelesen. Ascbaffenburg (Heidelberg). 


6) Hikroskoplsohe Veränderungen der Nieren und Leber in 62 Fällen 
Ton Fsyohonenrosen, von Dr. M. Falk. (Wjestrik psichiatrii i neuropato- 
logii. 1897. KU [russisch].) 

Das klinische Material der Arbeit stammt ans der St. Petersburger städtischen 
Irrenanstalt und bestand aus 52 Fällen functioneller Psychosen; davon waren 22 
acut, aus der Gruppe Amentia, 17 subacut mit protrahirtem Verlauf, 11 Fälle 
chronischer Paranoia und secundären Schwachsinns, 2 Fälle psychischer Epilepsie. 
Die meisten standen im Alter von 18—40 Jahren. Die Todesursache war verschieden 
— in 28 Fällen Lungentuberculose, in 10 Gehimcongestion, ferner in einzelnen Fällen 
croupCse Pneumonie, Magengeschwür, Lungengangrän u.s. w. Nieren und Leber wurden 
ausftlbrlicber mikroskopischer Untersuchung unterzogen, und die Ergebnisse derselben 
sind in der Arbeit des Verf.’s für jede einzelne Gruppe seiner Patienten eingehend be¬ 
schrieben. In den Nieren waren in allen Fällen, sowohl den acuten, als auch den protra- 
hirten und chronischen, patholc^sche Befunde zu constatiren, und zwar hauptsächlich in 
Gestalt parenchymatöser Degeneration und interstitieller Nephritis. Die erstere offenbarte 
sich in allen möglichen Uebergangsformen von einfacher Trübung des Epithels bis zn 
Zerfall und Atrophie desselben, mit besonderer Neigung zur hydropischen Entartung 
Die Intensität des Processes war in den acuten Psychosen grösser als in denjenigen 
mit protrahirtem oder chronischem Verlauf. Ausserdem wurde in 19 Fällen inter¬ 
stitielle Nephritis coostatirt, und die Mehrzahl derselben gehörte ebenfalls zu den 
Gruppen der acuten und subacnten psychischen Erkrankungen. — Die Veränderungen 
in der Leber bestanden in fettiger Entartung, Infiltration und Atrophie der Leber¬ 
zellen, Pigmentablagerung, Sclerose der Gefässe; ausserdem fanden sich in einzelnen 
Fällen sclerotische Veränderungen seitens des Interstitialgewebes. Auch hier 
überwog die Intensität der pathologischen Processe in den acuten und subacuten 
Psychosen, während dieselben in den chronischen Fällen bedeutend schwächer aus¬ 
geprägt waren. 

Bei der Beurtheilung der Bedeutung seiner Befunde sucht Verf. zuvörderst durch 
Zusammenstellung der betreffenden Todesursachen nachzuweisen, dass die parenchy¬ 
matösen Veränderungen der Leber und Nieren, die mit solcher Beständigkeit bei 
acuten und subacuten psychischen Erkrankungen Vorkommen, nicht durch somatische 
Affectionen des Oiganismns erklärt werden können. Ferner hält er es für an^e- 
schlossen, dass die allgemeinen Lebensbedingnngen bei diesen Psychosen, z. B. unge¬ 
nügende Emährnng, Schlaflosigkeit, Aufregung u. s. w. als wesentliche Ursachen so 
intensiver pathologischer Processe im Leber- und Nierenparenchym betrachtet werden 
können. Da in vielen der untersuchten Fälle Veranlassung war, anzunehmen, dass 
die Veränderungen der parenchymatösen Organe der Entwickelung der psychischen 
Erkrankung voransgingen, und da bei Sectionen Nichtgeisteskranker chronische inter¬ 
stitielle Nephritis bedeutend seltener constatirt wird, als bei der Untersuchung der 
Nieren von Geisteskranken (Bamberger, Bond), so gelangt Verf. za der Annahme, 
dass die Psychose selbst durch einen toxischen Reiz bewirkt wird, durch welchen 
auch die Erkrankung der Nieren entstehen kann. Ausserdem hält er es für möglich, 
dass die Veränderungen der Nieren und Leber durch Beeinflussung seitens des cen¬ 
tralen Nervensystems bedingt sein können. P. Rosenbach (St. Petersburg). 


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Pathologie des Nervensystems. 

7) BeitrSge rar Symptomatologie und .Anatomie der Akromegalie, vou 
Prof. Fr. Schnitze. Hit anatomischen Beiträgen von Dr. Jores, Privatdocenc 
in Bonn. (Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. XI. 1897.) 

Verf. konnte den 1889 zuerst beschriebenen typischen Fall von Akromegalie 
Jikre hindurch klinisch beobachten und kurz vor dem Exitus die eine Hand einer 
Duchleucbtung mit Röntgen «Strahlen unterwerfen lassen. Es fand sich dabei nicht 
ur eine Auftreibung der Hautcontonren in der Gegend der Mittelphalangeu, sondern 
udi eine Verdickung der Knocbensubstanz der Grund- und Endphalangen. Die von 
Dr. Jores vo^enommene anatomische Untersuchung ergab eine ausgebreitete Ver- 
ttdenmg des Enochensystems, besonders des Schädels, in Form einer partiellen 
Weehernng und einer theilweisen Verminderung des Gewebes; ferner Veränderungen 
sii^r Gelenke nach Art der Arthritis deformans, erhebliche Hypertrophie der 
Bjpopbysis und Thyroidea nebst persistirender, grosser Thymus, Vergrösserung vielM* 
merar Organe. Neigung zu multipler Geschwulstbildung der Haut (Eeloide), Ver- 
dkkiQ^ und Entartung der Huskulatnr des linken Herzens, mässige Ärteriosclerose 
ad STCundire Optienaah^phie. Am BQckenmark fand sich ausser einer ganz geringen 
Difmention der Goll’sehen Stränge Verdickung der Pia und deren Gefässe, mässige 
Twdiekong der centralen Böckenmarksgefässe und Obliteration des Centralcanals im 
Bai»- and Doiaaltheil. 

In klinischer Beziehung war bemerkenswerth, dass die einzelnen Erankheits- 
mekwiangen im Laufe der Jahre zu- und später wieder abnabmen, nur die Störung 
dtt Sehvermögens blieb stationär. Eine vorübergehende Anwendung der Marchi- 
whn Hypophysiatabletten brachte keine Besserung. 

Zorn Schluss theilt Verf. einen weiteren, klinisch beobachteten Fall von Akro- 
aefzlie mit, bei welchem eine mässig starke, multiple Exostosenbildung am Hinter- 
iasi^bein, an dem Ober- und Unterkiefer, an der linken Clavicula und linken Tibia 
Rffllig ist, während Hypophysisersebeinungen fehlen. Hierbei war eine mehr- 
v^chmtliebe Oarrelchung der genannten Hypophysistabletten ohne den geringsten 
üitzeiL E. Asch (Frankfurt a./M.). 


S) Bin Beitrag rar Pathologie und pathologischen Anatomie der Akro¬ 
megalie, von Prof. Dr. Adolf Strümpell in Erlangen. (Deutsche Zeitschr. 
f. Nervenheilk. XI. 1897.) 

Bei einer 23jähr^en Dienstmagd wnrden schon vor 12 Jahren Anschwellungen 
in Geächt nnd an den Händen bemerkt, vor 4 Jahren stellten sieh starke Meu- 
^nahousbesehwerden and bald darauf Amennorrhoe ein, wegen deren die Castration 
^e^ommen wnrde. 1 Jabr darauf starker Zuckergehalt des Harns und erste Fest- 
*tiliug der Akromegalie durch den Verf. Die eingehend mitgetheilte Kranken- 
raehichte schildert die einzelnen Symptome des typischen Falles auf das Genaueste. 
Bnmders ins Auge springend waren die allgemeinen Verändemngen der Körper- 
die charakteristische Vergrösserung des Unterkiefers, die tatzenförmig ver- 
wtaheten Hände und Füsse and die Entwickelung eines Hypophysistumors. Die 
fitsumtdauer der Krankheit betrag 8—9 Jahre, während derselben war der Harn 
voribergebend zuckerfrei. Im Anschluss an den Diabetes oder an eine bestehende 
iKoatuwotia urinae stellte sich eine eitrige Pyelonephritis ein, deren Folgen die 
Kruke erlag. Bei der Section konnte aus äusseren Gründen nicht das ganze Scelett 
a Bebaeht gezogen werden. Die anatomische Untersnehung des Unterkiefers liess 
^kmoen, dass die Veigrössemng der einzelnen Tbeile nur durch ein abnormes 
Wiebsthom bedingt war, während sieb am Knochengewebe nirgends entzündliche 


oyGOOgIC 



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YeränderungeD feststellen Hessen. An der Schädelbasis fiel eine abnorme Breite der 
Sella tnrcica auf. Der Hypophysistumor batte den Charakter eines weichen, bös¬ 
artigen Sarcoms, das den Keilbeinkörper und den oberen Theil der Nasenhöhle ganz 
dnrcbwuchert und auch auf die linke Augenhöhle flbergegriffen batte. Während der 
nach dem Gehirn zu gelegene Theil der Geschwulst von mehr gutartigem, strumösem 
Charakter war, zeigte die untere, dem Knochen aufliegende Partie derselben sarco* 
matöses Verhalten, woraus bervorgeht, dass der ursprünglich gutartige Tumor nach 
und nach malignen Charakter annahm. Die Haut war fast au der ganzen Oberfläche 
des Körpers nicht nur verdickt, sondern auch erweitert und in Falten abhebbar. Bei 
der mikroskopischen Untersuchung derselben fand sich eine unter normal dünne £pi- 
dermis, während die Cutis und das subcntane Zellgewebe um das Doppelte und die 
Sübcutis um das Dreifache verdickt war, io ihrem Bau indessen normale Verhältnisse 
bot. Hierdurch werden die Untersuchungen Murray’s bestätigt, welcher nachwies, 
dass bei der Akromegalie die Vergrösserungen und Verdickungen der Zehen mehr 
durch eine Hyperplasie der Weichtheile, als durch eine Verdickung der Knochen 
bedingt sind. Im Bflckenmark fand sich, abgesehen von einer kleinen, absteigenden 
Degeneration in der Gegend des Gowers’schen Bündels im Halsmarke keine Ver¬ 
änderung; dieselbe ist offenbar nur als Folgeerscheinung des vorhandenen grossen 
Gehirntumors aufzufassen. In den Hintersträngen waren keine Veränderungen nach- 
zuweisen. Bemerkenswerth ist, dass Akromegalie und Sclerodermie, welche in Bezng 
auf ihre Erscheinungen in einem gewissen Gegensätze stehen, doch mancherlei 
Aehnlichkeiten darbieten. Bei beiden Krankheiten sind der untere Theil des Gesichts 
und die Hände betroffen. Während aber bei der Akromegalie die Haut hyperplastiach 
wird und die danmterliegenden Knochen mehr oder weniger mässig erscheinen, 
handelt es sich bei der Sclerodermie mehr om einen Schrumpfungsprocess, woran 
die Haut und die darunter liegenden Knochen tbeilnehmen. 

Was die Aetiologie dieses Leidens angeht, so nimmt Verf. als wahrscheinlich 
an, dass die Akromegalie zu den endogenen Krankheiten gehört, weiche durch eine 
von Anfang an bestehende abnorme Veranlagung des Körpers bedingt ist. Doch iat 
hierdurch nicht ausgeschlossen, dass in Folge einer Anzahl von „Gelegeuheitsursachen“ 
der B^^n der Krankheitserscheinungen hervoigerufen werden kann und sind hierzu 
vor Allem Traumen, psychische Einflüsse, acute Infectionskrankheiten und Erkältungen 
zu zählen. Die Hyperplasie und Tomorbildung bildet zwar eine fast regelmässige 
und durchaus specifische Erscheinung in dem Krankheitsbilde, ist indessen den übrigen 
hauptsächlichen Symptomen nur coordinirt und wahrscheinlich auch nur durch die 
bis jetzt unbekannte, endogene Ursache veranlasst. E. Asch (Frankfurt a./H.). 


9) Ett fall af akromegall, af Jarl Hageistam. (Finska läkaresälesk. handl. 

XXXVIII. 1896. S. 623.) 

Eine 40 Jahre alte Fran ohne erbliche Anlage hatte vier normale Entbindungen 
flberstanden. Im dritten Wochenbett hatten sich Schmerz und Schwellung an beiden 
Händen und Armen eingestellt, nahmen aber wieder ab, als die vierte Schwanger¬ 
schaft begann. Nach der vierten Entbindung hatte die Pat. einige Tage lang heftige 
cardialgische Schmerzen, und danach traten von neuem Schmerz and Schwellni^ in 
Bänden und Armen ein und blieben nun bestehen; auch Füsse, Lippen, Zunge und 
Nase nahmen allmählich au Dicke zu. Schon seit Jahren batte Pat. bemerkt, dass 
der untere Zahnrand vor den oberen rückte; die Zange begann unbeholfen und steif 
zu werden, die Sprache bekam ein tiefes, klangloses Timbre. Nach dem letzten 
Wochenbette hatten sich bei der damals 32 Jahre alten Pai die Menses nicht wieder 
eingestellt. Fat. litt seitdem beständig an Schmerzen in den Armen, im Hinterkopf 
und im Nacken, die in Kopf und Bücken und nicht selten über den ganzen Körper 
ausstrahlten. Das Sehvermögen war zeitweise herabgesetzt, das Gedächtniss wurde 



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MU«ebt, die Stimmung dephmirt. Seit 1 Jahre hatte Fai ein Oefühl von Schw&che 
b dra HflAfelenkra« wodurch das Gehen, namentlich das Treppensteigen, erschwert 
vode. Acch die Hände waren schwach, die Finger dick und plump. 

Bei der Anfnahme fand man die Haut an Händen und Füssen teigig verdickt, 
a den Übrigen Theilen des KOrpers in dicken Falten liegend, das Unterhautfett- 
bedeutend rednclrt, die Huskolatnr schlaff, etwas atrophisch, an den Händen 
wa nasentikh die Danmenballen saHällig redncirt, besonders links. Die Kraft 
<k Bände war bedeotend herabgesetzt. Der Kopf war verbältnissmässig gross, be- 
andcrs das Geeicht, Unterkiefer, Nase nnd Lippen waren bedeutend hypertrophisch, 
fiklit blfMs die Weiehtheile, sondern auch die Knochen; die Zunge war um das 
kippelte vergrössert. Die Schilddrüse war atrophisch. Die Bippenknorpel waren 
rwtsücbert und verdickt, die Wirbelsäule war im Brusttheile kyphotisch mit leichter 
Seeiioee nach rechts und bedeutender Lordose im Lendentheile. Die Hände waren 
Q bohea Grade hypertrophisch, kurz, breit und dick, die Finger wurstfbrmig auf- 
Rtritb» mit platten, der Lauge nach gerieften Nägeln. Ebenso verhielten sich auch 
d» Fasse, die kurz, dick und plump waren, an den UDterscheukelu bestanden Yarices. 

Ehe IntelUgenz war gut, die Hautsensibilität erhalten, die Patellarreflexe fehlten. 
D» Ai^en standen etwas hervor, auf dem linken bestand vollständige temporale 
Hoüfiopsie. Die Bespiration war oberflächlich, vorwiegend abdominal. 

Unter den Symptomen hebt Verf. als selten besonders dos Fehlen der Patellar* 
ndexe berror, sowie die Atrophie der Handmnskeln und die schmerzhafte Schwellung 
dcf Hüde und Arme, die nach ihrem ersteren Auftreten wieder zurückging. Die 
Rieaüre temperale Hemianopsie weist nach Yerf. auf eine partielle Yergrüsserung 
^ Bjpopbysis cerebri hin, die nicht constaot gewesen sein kann, da das Seh- 
sich zeitweiae besserte. — Thyreoidin, das wiederholt in diesem Falle an* 
fimdet wurde, hatte keine andere Wirkung, als dass die Pat. ihren vorher {piten 
-Ippebt verlor. Walter Berger (Leipzig). 


10) A eaae of aoromegalis with autopsy, by Brooks. (New York Medical 
Journal. Yol. LXY. 1897. Nr. 13.) 

Die sehr kurze Hittheiloug soll nur der Yorläufer einer grösseren Arbeit sein, 
*iltbe demnächst in The State Hospitals Bulletin erscheinen soll. Der 30jährige 
Mat bemerkte im Laufe der letzten 3 Jahre eine Yeränderung seiner Körperform: 
trHutnummer stieg von 7 auf 8^/^, die Schubgrösse von 7^/^ auf 11, Handschuhe 
7' ,) mussten besonders angefertigt werden; das Gewicht nahm um 7.5 Pfund 
1*0—250 Pfund) zu. 6 Monate vor dem Eintritt in das Hospital soll Pat. an* 
^hilis acquirirt haben und entsprechend behandelt sein. Später eintreteode 
an dem rechten Äuge wurden als luetische Iritis gedeutet, die Therapie 
*w erfolglos. In der letzten Zeit zunehmende Yeränderung der Psyche, anfallsweise 
tilket^e Dyspnoe und constanter, intensiver Durst. — Plötzlicher Stupor mit 
und mangelnder Beaction der rechten Pupille; Ausscheidung von Eiweiss 
10*^ und Zucker (7,6 7o) Exitus unter Steigerung der Temperatur 

‘(2.40% dee Pulses (128) und der Bespiration (88). Die Autopsie (3 Stunden 
y ■wten) eigab u. a. charakteristische Yeränderungen des Sceletts, Vergrösserung 
^Knochen, namentlich an den distalen Epiphysen der Unterarm* und Unterschenkel* 
Qocbn, und einen Hypophysistumor. B. Pfeiffer (Cassel). 


11) Heber die Benehnngen der Akromegalie 2 um Diabetes mellitus, von 
Dr. Friedrich Pineies. (Ällg. Wiener med. Zeitnng. 1897. Nr. 23—25.) 

24 Jahre alte Patientin. Seit 4—5 Jahren Stirnkopfschmerz in mehrwöchent* 
Intervallen; aeit 2 Jahren Amenorrhoe; seit IV 2 Jahren Zunahme der seit 


ig I ,:od oy CjOO^Ic 


122 


Emdheit bestehenden Struma und Auftreten einer Reibe von Beschwerden: Durst» 
Hunger, Mattigheit, Hautjucken, Furunculose; seit einem Jahre Abnahme des Seh¬ 
vermögens, seit einigen Monaten Volumszunahme des Qesicbts und der Nase. Fat. 
kam zur Aufnahme mit den deutlichen Zeichen des beginnenden Coma diabeticum 
(Benommenheit, tiefes geräuschvolles Äthmen, Acetongeruch der Exspirationsluft). Im 
Ham reichlich Zucker, Aceton, Acetessigsänre, (^-Oxybuttersäure, etwas Albumin. 
Furunculose. Gleichzeitig bestand Obstipation, Brechreiz und Uebelkeit, welche 
sowie das Coma nach auf AbfQbrmittel hin erfolgter Entleerung grosser Eothmengen 
schwanden, so dass hier möglicherweise jene Form von diabetischem Coma vorlag, welche 
als Folge von Autointoxication vom Darm her in Folge von abnormen Zersetzungs¬ 
vorgängen aufzufassen ist (Schmitz). Ton den fibrigen Symptomen seien erwähnt: 
Hände, FOsse und Gesicht im Vergleich zum Qbrigen Körper stark vergrössert, 
Knochen und Vfeichtbeile gleichmässig betroffen, im Gesicht besonders Jochbeine, 
Nase und Kinn befallen; Haut geschwellt, succulent, teigig; Oedem der unteren 
Extremitäten; Strama, Amenorrhoe in Fo^e vorzeitiger Involution des Genitale. 

Nach 11 monatlichem Spitalaufenthalte, während welcher Zeit die Akromegalie 
zugenommen hatte, Tod im diabetischen Coma. Sectionsdiagnose: Acetonämie. Pan- 
creatitis suppurativa acuta et necrosis telae adiposae circa pancreatem. Tumor Hypo- 
physeos (Mikroskopisch Sarcom). Akromegalia, Struma. 

Die mangels eingepr^er Symptome in vivo nicht diagnosticirte Pancreatitis 
lässt sich nach Verf. mit dem Diabetes durch die Annahme einer primären einfachen 
Atrophie des Oigans mit consecntiver eitriger und nekrotisirender Entzündung 
(Uansemann), die der diabetischen Gangrän und Furunculose gleichzustellen wäre, 
in Zusammenhang bringen, unter welcher Annahme die lucongruenz in der Dauei 
der Diabetes (2^j^ Jahr) mit dem pathologischen Befunde der eitrigen Pancreatitu 
nicht mehr stören würde und zugleich Uebereinstimmung mit der Erfahrung ge¬ 
schaffen wäre, dass Diabetes bei Entzündungen des Pancreas mit Vereiterung unc 
Nekrose meist vermisst wird, wogegen die einfache Atrophie des Pancreas in dei 
Aetiologie der Diabetes eine grosse Bolle spielt. 

Die Beziehungen zwischen Akromegalie und Diabetes werden nach Verf. ver 
ständlich durch den Umstand, dass beiden Erkrankungen eine Functionsstörung j« 
einer Blntdrüse, Hypophysis und Pancreas zu Grunde liegen, wobei noch unentschiedei 
ist, ob diese Functionsstörungen coordinirt sind oder ob die Störung des einen Organi 
auch das andere schädigen könne. J. Sorgo (Wien). 


12) Un oaso dl aoromegalia con emlanopsia bitenaporale e inferiore, pe: 

J. Monteverdi e C. Torracchi. 

Ein typischer Fall von Akromegalie bei einer 40jährigen Bäuerin, der sich nacl 
einer fieberhaften Puerperalerkrankung entwickelt hatte. Es bestand Vergrösseruu] 
der Extremitäten und des Kopfes, das Gesicht bot das typische Bild dar, Kypho 
scolioso im dorso-lumbalen Theil der Wirbelsäule, Makroglossie, Hyperhidrosis, übel 
riechende Schweisse, Polidipsie und Poliurie, leichte Peptonurie, vorübeigehend Albu 
minurie, melancholischer Gemütbsznstand, aofallsweise auftretender Kopfschmerz 
Die Glandula thyreoidea fehlte. Von Seiten der Augen beiderseits Hemianopsii 
temporalis et inferior und Nenritis optica. 

Die Kranke wurde in coroatösem Znatande mit zeitweise anttretenden Deliriei 
ins Krankeuhaus aufgenommen. Sie hot fast das Bild einer Meniugitiskranken dar 

Valentin. 


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123 


13) Soll’ Aorom^alia» per S. Paosinl (Oiom. int. delie ecienz. med. XIX.) 

?erf. theilt zonachat zwei eigene Beobachtungen mit: 

1 . Eine oOj&hrige Frau erkrankte im 28. Lebensjahre während der Lactation 
sh allgeseiner ^hwäche and Schläfrigkeit, dabei bestand onersättlicber Beisshanger, 
des At^estorbenseins in Fingern and Händen. In 6 Jahren war das voll* 
ioune Erznkheitsbild der Akromegalie entwickelt Vergrösserung der Hände, der 
hsw and des Gesichte, cervico-dorsale Kyphose, Sensibilität an Händen und Füssen 
wibsesetzt, eine Zone partieller Anästhesie für Berflhmng and Schmerz am Rücken, 
Ftkln der Patellarrefiexe, kein Stroma. Ein gesandes Rind gebar die Patientin za 
Beäm der Erkrankung, ein zweites, als diese schon in ihrer vollen Entwickelung 
nr; beide waren geistig and körperlich normal herangewachsen. — Auf Thyreoidin« 
nU^tten sobjective Besserong. 

3. Bei einem 33jähr. Schohmacher hatte das Leiden im 19. Lebensjahre begonnen 
lad mr mit Kopfschmerzen und Polyphagie, später Vergrössemng des Gesichts, 
iff Hüde and Posse, Aasbildung einer dorsalen Kyphose, Fehlen der Kniereflexe, 
Tabycardie, Dämpfung über dem Manubriom stemi (Erb’scbes Zeichen). 

W. geht dann an der Hand der Litteratur auf Wesen und Symptomatologie 
iw Atromegalie ein. 

Ihe Kyphose hält er für den Ausdruck des krankhaften Wachsthums der Wirbel. 
l*vcb dynamische Ursache wie Schwäche der Hnskeln, und zwar ausgesprochener 
2 da Bztensoren als in den Flexoren, Schwere des vergrösserten Kopfes kommt 
a der Osteoporose der Knochen die Verkrümmung zu Stande. 

Dw Verf. neigt nnehr der Theorie zu, die die Vergrösserong der Hypophysis 
^ eil ^ptom und nicht für die Ursache der Akromegalie hält. 

Valentin. 

K) Sopra an oaso di aoromegalia paraiale, per Antomivi. (Archivio di 

PäehUtria. XVin. 2—3.) 

Pwf. berichtet über einen Fall von partieller Akromegalie bei einem im übrigen 
'•Üg gesanden und gut entwickelten Idjäbrigen Mädchen. Die Veränderung betraf 
• Foger der rechten Hand und 2 Zehen des linken Fnsses, 3 des rechten Fasses 
'.sl I dw linken Hand. 

Die Maasse waren folgende: 

Hand, Länge der Finger: 


Daumen . . 

. . rechts 

56 mm 

links 

56 mm 

2. Finger . . 

•> 

82 „ 

9P 

93 „ 

3. Finger . 

« tf 

130 

•f 

110 .. 

4. Finger . . 

• • •» 

116 


105 „ 

5. Finger . . 

• • >f 

77 

M 

83 „ 

Fass, Länge der 
1. Zehe . . 

Zehen: 

. . rechts 

68 mm 

links 

35 mm 

2. Zehe . . 

• • »f 

65 


63 „ 

3. Zehe . . 

$P 

43 .. 


66 

4. Zehe . . 

• 1* 

16 ., 

tf 

21 „ 


Motilität und Sensibilität am ganzen Körper ohne krankhafte Veränderung. 
Ferf. glaubt, namentlich des symmetrischen Sitzes der Erkrankung wegen, dass 
4 baden eine centrale Ursache zn Grunde liege: eine pathologisch gesteigerte 
der Hypophysis oder eine krankhafte Reizung der frophischen Centren, 
^wgerafen durch toxische oder andere Schädlichkeiten, die vom mütterlichen 
'^no^os auf den des Fötus übergehen. Valentin. 


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124 


16) Die Akromegalie, von li. Sternberg. (Specielle Fatholog. n. Tberap. Hereua 
gegeben von. H. Nothnagel. Bd. Vll. 2. Theil. Wien 1897. A. Hblder.) 

Die Torzbgliche Monographie bietet viel wesentlich Nenes dar; das vorhanden 
Material ist mit umfassender Litteratorkenntniss kritisch verarbeitet. 

Im Capital „Geschichte“ bringt Autor den interessanten Nachweis, dass di 
Affection schon in früheren Jahrhunderteu beobachtet und von Magendie im Jahr 
1839 ziemlich genau beschrieben wurde. 

Bis jetzt liegen 47 Sectionsbefnnde unzweifelhafter Fälle vor. Am genauest« 
sind die Befunde am Enochensjstem erhoben worden. Typisch sind Vertiefnog de 
Geßssfurchen, Verstärkung der Muskel* und Bänderfortsätze, Auftreten kleine 
Exostosen ausserhalb der normalen Rauhigkeiten der Enochenoberdäche. Der Schade' 
umfang ist oft bedeutend vei^ssert, der Processus styloideus am Schläfenbeine aul 
fallend stark, die pneumatiseben Bäume sind erweitert; die Nähte verstreichen mii 
unter irfthzeit^. Die Hypertrophie der Enoeben an der Schädelbasis verengt in d( 
Regel die Nervenlßcher; der äussere knöcherne GehOrgang ist verlängert Genau 
Beschreibung der Veränderungen am Keilbeine! Die Eyphose ist in manchen Fälle 
in der Form der Wirbelkörper begründet Die Domfortsätze der Wirbel sind o 
stark verdickt, die Foramina transversaria der Halswirbel erweitert, die Intervertebra 
löcher hingegen verengt. Der untere Rand der Rippen erscheint sehr stark dnre 
Vergrösserung der Gefässfurche verbreitert Von den langen Röhrenknochen ist di 
Schlüsselbein am meisten charakteristisch (durch Verstärkung der normalen Banbi^ 
keiten) verändert. Am Handskelett zeigt vorwiegend die volare Fläche verstärk! 
Rauhigkeiten; an den Phalangen sind die Veränderongen nicht sehr ausgesprochei 
Eine Reibe gelungener Abbildungen neuer Fälle illustriren sehr gut die R 
Schreibung. 

Die Veränderungen des Skelettes stehen zum Theil unter einander in eine 
gewissen genetischen Zusammenhangs. So wird sich die starke Ausbildung d< 
Kauapparates, die Entwickelung der hypertrophischen Jochbögen, der erweitert 
pneumatischen Räume, die Zunahme des Himschädels erklären lassen. Die akr 
megalische Veränderung des Schädels ruft durch Verlagerung des Schwerpunktes u.s. 
die akromegalische Thoraxform, die akromegalische Eyphose hervor. 

Von Enochenveränderungen sind constant: Verdickung des Periostes, oft v( 
bunden mit Anflagemog neuer Schichten auf den Knochen; Veränderungen 
Knochenmarke mit Zunahme der Markränme und Hypertrophie der Enochenbälkch 
Auch im Bereiche der Knorpel findet Knochenneobildung statt. An den Gelenk 
entwickele sich öfters Arthritis deformans. 

Das Herz ist in der Regel vergrössert, Geföss(Arterien)veränderungen sind 8( 
häufig. Milztumor ist ein gewöhnlicher Befund. 

Die Dickezunahme der peripheren Nerven und Nervenwurzeln, sowie die V 
grösserung der Spinalganglien ist auf Zunahme des Bindegewebes zurückzufühf 
Die Veränderungen der Hypophysis köunen verschiedener anatomischer Natur ^ 
[einfache Hypertrophie, Hypertrophie mit colloider Degeneration (hierher sind viella 
auch die „cystiseben Tumoren“ zu rechuen), Adenom, Sarcom, Gliom], jedoch ^ 
die vorliegenden Befunde nur mit Reserve zu verwertben. . 

In einem besonderen Capitel ist alles Bekannte über Morphologie und Fh| 
logie der Hypopfaysis kurz und äusserst klar zusammengestellt. ' 

Symptome: Im Gesichte tritt manchmal mehr die Enochenveränderung, manckj 
mehr die Hauthypertrophie hervor; beides lässt sich durch die Aufnahme i 
Röntgen*Strablen unterscheiden. Die Volumszunahme der Hände hängt hd 
sächlich von den Weichtheilen ab. Verf. unterscheidet mit Marie die „verbrein 
massive akromegalische Hand“ und die „ganz vergrösserte, riesige Hand“. Von 1 
sorischen Erscheinungen kommen Schmerzen der verschiedensten Art und in i 
möglichen Körpertheilen vor. I 


D g ii/od oy GOO^ IC 



125 


DieKnnkbeit begann unter 20 Jahren: Bei 8 Männern (14,6 und 10 Frauen 
zwiechra21 und 30 Jahren bei 30Männern (54,5*^/o) und 85 Frauen (60'^/Q)t 
zfisckea 31 und 40 Jahren bei 14 Männern (25,47o) 18 Frauen (25,7 ^/o), 

Mch dem 40. Lebensjahre bei 3 Männern (5,5“^) und bei 7 Frauen (lO.O^o). Es 
skrukt also nahezu die Hälfte der Fälle zwischen dem 20. und SO. Lebensjahre. 

Kickt selten kommt ein apoplectiformee Einsetzen von Symptomen vor, aber 
ad sehr ausgiebige Kemissionen stellen keine Baritäten dar. 

Id Bezug auf Dauer und Form kann man drei Formen unterscheiden: Die be* 
aae Form mit einer bis 50jährigen Dauer und geringen Beschwerden; die gewObn* 
üde duDuische Akromegalie, Dauer von 8—30 Jahren; die acute maligne Form mit 
fiStf Dauer von 3—4 Jahren, ln allen Fällen der letzten Form — und nnr bei 
ima — fand sich ein echtes Sarcom der Hypophysis. 

Ein wichtiges Capitel handelt von den Beziehungen der Akromegalie zu anderen 
InkkeitsD und Zoständen (Cranium progeneum, MyxOdem und Cretinismus, Morbus 
Bisedovii und Biesenwochs, diffuse Hyperostose, Diabetes). Wahrscheinlich setzt der 
beaeBfucha eine Di^osition fhr das Auftreten allgemeiner Dystrophieen, und zwar 
3st«9Qodere der Akromegalie. 

Bezüglich der Pathogenese äussert sieh Yerf. mit aller Beserve dahin, dass in 
■s Aufbebimg der normalen Fnnction der Hypophyse die Ursache der Akromegalie 
aeebn sei. 

?o& besonderem Werthe ist die aasffihrliche Besprechung der Differentialdiagnose 
w Akromegalie gegenüber anderen, namentlich den seltneren Zuständen (Cretinismus, 
kjxideo, Osteitis defonnans, Pachydermie, allgemeine Hyperostose, Cranium pro- 
isna, lymphatischer Habitus, partieller Biesenwuchs, Hypertrophie einzelner Körper* 
Erythromelalgie, Osteo-Arthropathie, Adiposis dolorosa, Progressive Er- 
i’yonnt of bends il s. w.). Becht ausführlich sind die Darlegungen über den 
JubtUen SiesenwDchs. 

Verf. betrachtet die Berichte über die therapeutische Beeinflussung der Akro* 
atplieeu skeptisch, da spontane Bemissionen bei dieser Erkrankung Vorkommen. 

Ein ausserordentlich umfangreiches Litteraturverzeichniss beschliesst die Arbeit 

H. Schlesinger (Wien). 


14) Iotas on a oase of bypertrophio pulmonary • osteo • arthropathy, by 
John Edgar. (Glasgow Medical Journal 1897. Nr. 11.) 

Ib dem mitgetbeilten Falle handelt es sich um eine 72jährige Patientin aus 
^Boder Familie. Lues und Alkoholismus waren nicht nachweisbar. Die Pat. litt 
a ckroaischer Bronchitis. Im Sputum wurden keine Tuberkclbacillen gefunden. 
^ Ost&harthropathie entwickelte sich acut und unter Schmerzen innerhalb 
öliger Monate; die Anschwellnng der Hände ging theilweise im weiteren Ver¬ 
gab des Leidens zurück. Ausser diesen Momenten hält Verf. in seinem Falle eine 
’Wtutige Beschaffenheit der Palmarfläche der Hände und dunkle Pigmentirung 
^ letzteren, sowie der Füsse für bemerkenswertb. Auffallend waren ferner die 
l^wgTtiesemng der Carpo-metacarpalregion, die am meisten hervortreteiide Hypertrophie 
br proximalen Phalangen and die Kyphose an den oberen Abschnitten der Wirbel* 
dUe. Tberapeotbiscb erwies sich anscheinend Jodkalium als günstig. 

Bayerthal (Worms). 


17) Dell’ osteo-artropatis ipertrofica pneumlca, per B. Hassalongo. (Poli* 
clinieo. 1897. Nr. 20.) 

Zu ontersuchen, ob eine Krankheitseinheit, wie die von Marie beschriebene, in 
ctf Tkat besteht, das heisst, ob ein Zusammenhang zwischen chronischen Erkrankungen 


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126 


des Bespirationsapparates und der Oateo*artliropathie nachzuweisen ist, oder ob diese 
TOD anderen Ursachen ahfaäi^ ist der Zweck der Arbeit Der Verf. hat einen Fall 
von Osteo-artbropathia hypertrophica bei einem Bauer beobachtet der an hochgradiger 
Bronchitis und Bronchiectasie mit CavemenbilduDg der eineu und Emphysem der 
anderen Lunge litt. Hände und FOsse waren enorm Tei^Össert ebenso Vorderarme, 
Unterschenkel, Schulter* und Kniegelenk; letztere auch schmerzhaft bei actireu und 
passiven Bewegungen und crepitirend; Atrophie der Vorderarm* und Unterschenkel« 
muskeln, Oedeme der Hände und Fflsse. Die Erkrankung der Gelenke hatte viele 
Jahre vor dem Luugenleiden begonnen. Der Fall endete letal. Ausser den Ver¬ 
änderungen an Lungen und Extremitäten fand sich nur noch eine Neuritis des 
Nervus ulnaris, radialis, medianus und des Tibialis und Peroneus. 

Verf. hat 67 Fälle aus der Litteratur zusammengestellt. Von diesen bestanden 
in 17 keine Lungenveränderungen und in 10 gingen die Erkrankungen der Bxtre« 
mitäten dem Lungenleiden voran. In 13 Fällen war von Seiten der Extremitäten 
nur Trommelschl^erfinger constatirt. Nach Abzug dieser Beobachtungen bleiben 
also 27 übrig, in denen das Leiden voll entwickelt und das Lungenleiden das 
Primäre war. 

Von diesen handelt es sich 

12 Mal um eitrige Pleuritis, 

5 „ ,. Lungentuberculose, 

5 „ „ Bronchit. chron. und Bronchiectasie, 

1 „ „ acnte Pneumonie, 

1 ,. ., chronische, nicht eitrige Pleuritis, 

1 „ „ Lungengangrän, 

1 „ „ Lungensarcom. 

1 „ Lungencarcinom. 

Am häufigsten ist also eitrige Plenritis mit Osteo-arthropathia hypertrophica 
vergesellschaftet gefunden. Verf. glaubt aber nicht, dass zwischen beiden dirocte 
Beziehungen bestehen, weil die Pleuritis eine so ausserordentlich häufige Erkrankung 
ist und die Osteo-arthropathie so selten beobachtet wird. Wenn ferner die Besorptioc 
der bei der Eiterung erzeugten toxischen Stoffe das Euochengelenkleiden hervorruft 
wie dies von Marie angenommen, so ist nicht einzusehen, weshalb dies nur be 
Ehterungen der Pleura der Fall sein soll und warum andere Eiterherde nicht das 
selbe vermögen. Auch gegen den ursächlichen Zusammenhang anderer Lungeu' 
erkrankungen mit dem in Frage stehenden Leiden macht Verf. dieselben Bedenkei 
geltend. 

Auch die Frage, ob die Osteo-arthropathia pueumica eine Folge des durch da 
Luugenleiden geschädigten peripheren Blutkreislaufs sei, verneint Verf. Man könnt 
der Enochengelenks* und der Lungenerkrankung höchstens insofern einen ätiologische! 
Connex zugestehen, dass man annimmt, beide seien verschiedene Localisationeu des 
selben Erankheitsprocesses, z. B. Ansiedelungsstellen derselben Bakterien. 

Viele und verschiedenartige Ursachen sind es, die dem Verf. zu Folge da 
Leiden veranlassen können, und er schl^ deshalb vor, den Namen in Osteo-arthro 
pathia hypertrophica secundaria umzuändem. (Der Zusatz secundaria ist, da nac' 
des Verf.’s eigenen Angaben die Erkrankung der Extremitäten oft das Primäre isl 
nicht zutreffend. Bef.) Solche ätiologische Momente sind zunächst vorausgegangene 
Gelenkrheumatismus. — Auch die anatomischen Veränderungen unterscheiden sic 
nicht von den bei chronischem Gelenkrheumatismus gefundenen. — Ferner ein nei 
vöser Einfiuss, wie ein solcher durch Störungen der Sensibilität in einzelnen Fälle 
und durch die periphere Neuritis in dem des Verf.’s sich ausspricht, weiter Syphili 
und vielleicht noch andere infectiöse oder dyskrasische Erkrankungen. 




Valentin. 





127 


16) Degmeratiott of the nerves in slooholiam» by H. H. Tootb. (Transactions 

of the Patbological Society of London. 1894.) 

34jibr. Patientin, deren Eltern beide Alkobolisten waren, Fotatrix, sonst früher 
mund, klagt seit 14 Tagen über Prlkeln and Brennen in den Beinen, sowie Schwäche 
is deoealhen. Die Untersnchong ei^iebt Anämie, Leber* and HilzTergrösserong, 
Tmocr lingoae et mannom, Parese and Ataxie der Hände; Beine mager, Muskulatnr 
Khlal^ Drockanpfindlicbkeit, Fehlen der PatellarreSexe, faradische Erregbarkeit er* 
luelwn, Stdningen der Berfihrangsempfindlichkeit. Im weiteren Verlaufe nehmen die 
inztffeii zu. die Parese wird starker an allen Extremitäten. Plötzlicher Tod an 
HeilibmnDg. 

Die UDterauchnng des Rückenmarks ergab normale Verhältnisse. Dagegen 
bsioi sieb hochgradige Degenerationen der peripherischen Nerven, wenngleich überall 
xd ftomale Fasern zu finden waren. Die gefundenen Veränderungen entsprechen 
da tisberigeu Beobachtangen; Verf. betont noch, dass vordere und hintere Wurzeln 
Bun varen. Entzündliche Erscheinungen fehlen im ganzen, der Process hatte 
nriir dis Ansehen einfacher Degeneration. Bei der Untersuchung kamen folgende 
Xchoden zur Anwendung: Weigert*Fal, Harchi, Alauncarmin und Ehrlich's 
Btaitoxylin. Martin Bloch (Berlin). 


19) Aloooliame, höznipldgie gauohe ot epilepsle oonseoutive, soldrose 
atrophique, paohymdningite et meningo-enodphalite, par Bonrneville 
» Bellay. (BoU. de la Soc. anat de Paris. 1897. Nr. 8.) 

Id diesem interessanten Fall handelt es sich um ein lljähr., erblich belastetes 
Kod, welche im 4. Lebensjahr dem chronischen Alkoholismus verfiel: es trank näm- 
Id in Wirthsbans seines Grossvaters stets die in den Gläsern zurückgebliebenen 
aas. In demselben Jahr stellten sich Convulsionen ein, welche 17 Tage 
haRteo, auf der linken EOrperhälfte stärker waren und eine lin^eitige Hemiplegie 
ad snen Intelligenzdefect zorückliessen. Die Verff. betrachten diese Convulsionen 
>h das Aequivalent eines Delirium tremens. Weiterhin traten noch öfter epileptische 
ein, der InteUigenzdefect nahm zu. Die Sectiou eigab: Himgewicht 1010 g 
indttc Hemisphäre 810 g, linke 572 g), Seitenventhkel auch rechts nicht erweitert, 
allgemeine Atrophie, namentlich der Rinde der Centralwindungen, Insel frei* 
beiderseits sclerotische Herde und diffuse Heningoencephalitis (links aus* 
t^:nneter, rechts tiefer dringend), Dura mit dem Schädel allenthalben verwachsen, 
ttvobse Auflagerungen, Pia beiderseits stark verdickt. Tb. Ziehen. 


Psychiatrie. 

kl) Ueber alkoliolisolie Paralyse und infeotiöse Neuritis multiplex, von 
liÜDg. (Sammlung zwangloser Abhaudlnngen aus dem Gebiete der Nerven* 
ni Geisteskrankheiten, berausgegeben von Alt. Bd. II. 1897.) 

Wu man ftfiher als alkoholische Paralyse beschrieb, deckt sich fast völlig mit 
de ilkoboUschen und infectiösen Neuritis. Parcakow aber war es erst, der die 
Psychose bei derselben nachwies und zeigte, dass sie durch Alkohol, oder 
^ metallische Gifte, endlich durch Autointoxication entsteht. Verf. fand dann, 
die Neuritis und Amnesie die Krankheit ausmache und meist Pota* 
Vnom die Ursache darstelle. Ob metallische Gifte es wirklich erzeugen können, 
D(x;h dahin; auch die Identität der puerperalen, typhösen, gangränösen u. s. w. 


D g ii.:od oy GOO^ Ic 



128 


Neuritiden mit jenem Sjmptomencoroplez erscheint noch nicht ganz sicher. Schon 
bei den gewöhnlichen Potatoren sehen wir angedeotet die Symptome des Leidens, 
besonders aber die Ged&chtnissstörung bis zur Amnesie hinauf. Die Lähmung tritt 
ziemlich plötzlich ein. Dann schildert Verf. eingehend einen solchen Fall. Es zeigen 
sich sensible und motorische Störungen, Schmerzen in den Waden, aber auch Schultern 
u. s. w., mit Parästbesieen, Druckpunkte der peripheren Nerven sind schmenhaft, 
aber auch die Muskeln selbst; besonders die K^nsoren der Beine werden paretisch 
atrophisch, dann auch die Arme. Es zeigen sich schwankende Anästhesieen, event. 
Verlangsamung der Schmerzempfindung u. s. w. Herabsetzung der elektrischen Er¬ 
regbarkeit, sogar Entartungsreaction, mit Schwankungen. Puls ist constant be¬ 
schleunigt. Früher aber noch tritt die Gedächtnissstörung ein, mit secundärem Blr- 
greifen der Intelligenz. Um diese aaszugleichen, geschehen Erinnemngsfalschnngen 
und phantastische Ausschmückungen; zeitweise treten grössere Unruhe, Beängstigung 
mit Illusionen, auch Hallucinationen auf. Während alles Somatische allmählich ver¬ 
schwinden kann, scheint bei alkoholischer Neuritis die Gedächtnissstörung nur relativ 
reparabel zu sein. Die unterscheidenden Punkte von Dem. paralyi werden dann 
aufgezählt. Elektricität nützt wenig. Völlige Abstinenz nöthig. 

(Bef. möchte bemerken, dass man unter Alkoholparalyse aber auch Bilder bei 
Potatoren beschreibt, die der Dem. paralyt. oft sehr gleichen, bei denen keine oder 
nur sehr geringe neuritiscbe oder muskuläre Symptome da sind.) 

Näcke (Hnbertusburg). 


21) Sur l’absenoe d’altdration des oellules nerveuses de la moelle epinidre 
dans un oas de paralysie aloooiique eu voie d'amelloration, par Deje- 
rine. (Comptes rendns des söances de la sociöte de biologie. 1897. MaL) 

44jährige, dem Abusus spirituosorum sehr ergebene Patientin erkrankte im 
41. Lebensjahre an schwerer multipler Neuritis alcoholica aller Extremitäten; hoch¬ 
gradige Atrophieen und Contraeturen mit allgemeiner Hyperästhesie. Im Laufe der 
nächsten 3 Jahre langsame Besserung, so dass die oberen Extremitäten wieder zur 
Norm zurOckkehren; an den unteren nach wie vor complette Lähmung. Im folgenden 
Jahre Tod an Lebercirrhose. 

Bei der mikroskopiscben Untersuchung werden hochgradige Veränderungen der 
Haut- und Huskelnerven gefunden. Die Untersuchung des Rückenmarks geschah zum 
Tbeil nach Nissl, zum Theil nach Harchi und Weigert-Pal. Hit keiner Me¬ 
thode waren Veränderungen nachznweisen, Zellen, vordere and hintere Wurzeln, sowie 
die übrigen Theile der Medulla waren intact. 

Der Fall beweist, dass trotz sehr schwerer Veränderungen des peripherischen 
Nervensystems die Vorderhornzellen nicht verändert zu sein brauchen; die Verfif. be¬ 
nutzen ihn, um ihre Ansichten Über die Bedeutung der Chromatolyse, die ihrer 
üeberzeugung nach vorläufig nur histologisches, aber noch kein pathologisches bezw. 
physio-pathologisches Interesse beanspruchen dürfe, auseinander zu setzen. 

Martin Bloch (Berlin). 


22) Drankzucht en hare genezing, door Dr. Buysch. (Feestb. d. Nederl. Vereen. 

Yoor Psychiatrie. 1896. blz. 251.) 

Verf. geht von dem Grundsätze aus, dass die Trunksucht in genauer Beziehung 
zur Geistesstörung steht, weil sie oft eine psychische Krankheit zur Grundlage bat 
oder oft eine Vorstufe der Geistesstörung ist; durch zeitige, zweckmässige Behandlong 
von Trunksüchtigen kann in vielen Fällen der Ausbruch von Geistesstörung verhütet 
werden. In Irrenanstalten sind aber Trunksüchtige nicht am rechten Platze, für die 
in Irrenanstalten Verpflegten ist die Anwesenheit nicht von Vortheil, sondern sie 


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im Tieüaehr schädlich wirken. Terf. berichtet Aber Methoden und Anstalten zur 
BehudJang der Tmnksflchtigen nnd beschreibt das niederländische Sanatorium Hoog- 
tdkD an der Strasse von Groningen nach Assen, das in einem 1890 angekanften 
Ludgste errichtet ist. Es ist in hygienischer nnd administrativer Hinsicht vor* 
Biffikh eingerichtet nnd kann 22 Terpfegte aufnehmen. Das OffenthOrsystem wird 
Töiliti&dig daräigeführt nnd Niemand wird gegen seinen Willen gehalten, wer sich 
itf Beosordnong nicht fügen will, kann weggeben nnd, wenn er dies nicht freiwillig 
üBt, wird seine Familie genCthigt, dafür sn sorgen. Heber die An&ahme entscheidet 
ii de Segel der ärstliche Director, der auch die Behandlung, soweit möglich, 
ftatelich leitet, bei der die verschiedenen HQlfsmittel vertreten sind, auch Gym* 
aftik ood Sport, sowie verschiedene Arbeit nicht fehlt. Enthaltung von ÄlcohoUcis 
fird TOB An&og an dnrchgef&brt, dabei wirken psychische Rohe, kräftige Nahrung 
ad Bevegnng in freier Luft, sowie der Umgang mit den Angestellten. Veraltete 
Itlk, in denen es zu ernstlicher Degeneration gekommen ist, schwer psychopathische 
ad dipsomanische Patienten, sowie auch TrunksQchtige, bei denen sich deutliche 
GtstheiDoogen von Geistesstörung oder Epilepsie finden, werden nicht aufgenommen 
ad, TdQD sich eine derartige Complication erst nach der Aufnahme zeigt, entlassen. 

Die in Hooghnllen erlangten Besnltate sind im Ällgemeinen günstig, besonders, 
*00 der Änfenthalt der Patienten Jahr oder darüber dauert. In den Jahren 
1(91 — 1894 sind 69 Patienten aofgenommen worden (bis znr Zeit der Bericht* 
sSattong 120). Nach Abzug von 19, die die Anstalt bald wieder verliessen, ehe 
'Zi geheilt waren, oder entlassen werden mossten, oder starben, bleiben 50 übrig, 
^ deeefi 21 total abstinent blieben, 10 gebessert waren, 14 rück^ig worden, 
riiuad Ton 5 fernere Berichte fehlen; von den im Jahre 1895 Behandelten wurden 
M* , geheilt, 17 gebessert Dass die Resultate nicht günstiger waren, liegt vor 
lüea daran, dass viele Patienten zn kurze Zeit bleiben. Ein fernerer Gmnd zur 
ikkfilligkeit ist der Mangel an Leitung and Hülfe, wenn die Entlassenen in die 
itn Verhältnisse znrfickkehren, noch ein dritter Grund liegt darin, dass von Zeit 
n Zeit doch noch Patienten anfgenommeo werden, die in die Anstalt nicht passen. 

Walter Berger (Leipzig). 


8) Un CM dlvr oo s e patholc^que, par Repond. (Revue mddicale de la Suisse 
romande. 1896. Nr. 2.) 

32jähr., erblich unerheblich belasteter Pat, nicht epileptisch, der kein eigeut* 
TVinker ist, nnr hin und wieder in baccho exidirt, zeigt keine Intoleranz 
!%n Alcoholica, ist aber nach reichlichem Alkoholgenuss streitsüchtig und äussert 
^dbrtmordgedanken. Eines Nachte, 3 Stunden nachdem Pat. das Wirthshans verlassen 
wo er etwa 2 Liter Wein und etwas Schnaps getrunken hatte, steht er auf, 
*^ifi eine Büchse, schl^ mit dem Kolben auf den Fassboden, schreit zum ge* 
Fenster binaos „Feuer, Feuer“ und stürzt, nur bekleidet mit Hemd und 
^surbeinkleiderD, auf die Strasse und schiesst auf verschiedene Häuser. Verfolgt, 
'Teift er die Flacht nnd wird schliesslich 7 Standen nach Beginn der Attacke 
Icfnos 9 Uhr in der Nachbarschaft seines Wohnortes entwa&et and gefangen, 
der Polizei nach der Irrenanstalt gebracht, verfällt er in tiefen Schlaf, aus dem 
geordnet, aber mit völliger Amnesie für alles, was nach dem Verlassen des Wirths* 
U'uieg Torgegangen war, erwacht Bemerkenswerth ist, dass seine Zechgenossen an 
■ka oichte von Bansch batten wahmebmen können, sein Gang fest und sicher ge* 
war nnd anch in dem maoiakalischen Zustand blieb. Der psychische Zustand 
auch die nächsten Tage normal. Martin Bloch (Berlin). 


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24) Patronage des aliönös et alooolisme, par Dr. de Boeck. (Bevue de 
Vuniversitä de Bruxelles. 2^ Aimde: 1896/97. Nr. 4.) 

Verf. beschäftigt sich mit der Fr^e der Fürsorge der entlassenen und nicht 
in Anstalten untergebrachten Geisteskranken, sowie der Alkoholiker; er bespricht die 
für diese getroffenen Vorrichtungen in den verschiedenen Staaten, und kommt zu 
folgenden Schlüssen. Mit demselben Anspruch wie die entlassenen Strafgefangenen, 
bedürfen die Geisteskranken der Errichtung eines Schutzes (patronage). Die Er* 
fOUung des letzteren fällt in erster Linie localen Comit4s zu. Diese können jedoch 
erst in wirksame Thätigkeit treten, wenn ihnen gesetzlich das Becht verlleheu wird, 
nicht nur nachzuforschen, ob sich die Geisteskranken in hygienisch ausreichenden 
Lebens* und Emährungsbedh^nu^^ii befinden, sondern auch, dass sie berechtigt sind, 
ihr Hab und Gut zu verwalten und ihre gesetzlichen Vormünder zu werden. Das 
Ueberwachungscomitä bat sich auch mit der Familie, dem Erwerbszweig und dem 
Schatz des geistig Erkrankten bei seinem Eintritt in eine Irrenanstalt zu beschäftigen. 

Ein zweiter Punkt ist der Schutz der psychisch erkrankten Trinker. Diese 
finden in den Irreuanstalten nicht die für sie passenden Bedingungen zur Heilung; 
sie müssen rechtzeitig in Specialanstalten untergebracht und dort so lange zurück- 
gehalten werden, bis sie gesund sind. Die erschreckende Zunahme des Alkoholismus 
in Belgien rechtfertigt diese Haassregeln. 

Der Alkoholiker ist ein social geßbrliches Individuum. Man würde den B^ff 
der Freiheit profaniren, wollte man ihm die Möglichkeit lassen, d^enerirte und 
schwächliche Kinder, aus deuen Verbrecher und Epileptiker hervoi^ehen, in die Welt 
zu setzen, die für sie eine Last sind, wollte man ihnen gestatten, den Ihrigen 
ein verderbliches Beispiel zu geben und ihre Umgebung zu entehren. (Praktisch 
dürfte diese Lösung der Alkoholiker*Frage wohl noch auf erhebliche Schwierigkeiten 
stossen. Bef.) Samuel (Stettin). 

25) Du somnambulisme alooolique oonsiderd surtout au point de vue 
mödioo-ldgal, par Prof. Xavier Francotte (Li^e). (Journal de Neurologie 
et d’Hypnologie. Bruxelles. 20. Jan. 1897.) 

Das mit dem Nameu Somnambulismus bezeichnete Phänomen der geordneten 
Handlungen bei Verlust des Bewusstseins und nachfolgendem Erinnerungsdefect kommt 
ausser bei Hysterie, Epilepsie und der Hypnose, auch bei Alkoholwirkung vor. Diese 
Thatsache ist besonders in foro von Wichtigkeit. Bewusstseinsstörungen im Verlauf 
des acuten und chronischen Alkoholismus sind nicht selten, weniger bekannt ist, dass 
auch ein Somnambulismus sich auf gleicher Basis entwickeln kann. Verf. theilt 
folgenden Fall mit. Ein 32jähriger Mann wird wegen Unfug auf einem öffenüicben 
Platze festgenommen. Er ist nicht zum Sprechen zu bewegen, antwortet nicht, 
erscheint vollständig geistesabwesend, er macht den Eindruck eines Idioten. Dabei 
kein Zeichen von Trunkenheit. Am nächsten Morgen bei der ärztlichen Visite ist 
er klar, giebt an, vor ca. 48 Stunden an einem weit entfernten Platze, wo er 
aufgegriffen war, viel Alkohol zu sich genommen zu haben; für die folgenden Vor¬ 
gänge von 48 Standen Dauer fehlt ihm das Gedächtniss vollständig. Er giebt 
Excesse in alcoholicis zu, hat Zittern der Hände und der Zunge, bietet Degenerations¬ 
zeichen, eine Schwester starb geisteskrank. 

Das Bild, welches Pat. bot, war nicht eigentlich ein sonmambulisches, sondern 
glich mehr dem Stupor. Von Beobachtungen ersterer Art citirt Verf. mehrere und 
kommt zu folgenden Schlüssen. 

1. Es giebt einen alkoholischen Somnambulismus, das heisst einen durch Alkohol 
hervorgerufenen Zustand, in welchem die Person dem Anschein nach sich normal 
bewegt, aber ohne Bewusstsein davon zu haben, oder wenigstens, ohne sich dessen 
zu erinnern. 


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2. Id Wirklichkeit zeigen während dieses somnambnUscben Zustandes das Be* 
aeha«D, die Art sich zu geben, gewisse Abweichungen, letztere entgehen leicht bei 
^ oberdächUchen Untersochnng. 

3. Dieser Zustand scheint sich nur bei Degenerirten Torzufinden, oder wenigstens 
bä IndiTidnen mit hereditär psychopathischen Antecedentien. 

4. Die im alkoholischen Somnambulismus begangenen Thaten bedingen Unver* 
otTwtlichkeit, falls es sich nicht um eine beabsichtigte Trunkenheit handelt. 

Samuel (Stettin). 


W) Zur Katatonieflrage. von Sehfile. (Allgem. Zeitsehrift f. Psych. Bd. LIV. 

S. 516.) 

Ytrf. untersucht zuerst, welche Symptome der begleitenden Motilitätspsychose 
eoe pethogenetiscbe Function ffir gewisse psychische Krankheitszustände besitzen: 

1. Der als „Attonität** bezeichnete Starreznstand in der Muskulatur. 

1 Die leichteren Attonitätsgrade ans halb neurotischer, halb dunkel 
pejckMier Innerration (Verdrehungen des Körpers, Posen u. s. w.) mit oft krumpf* 
nüfir Lösung der Bewegnngsstereotypen, beeinflussbar durch Su^estion. 

3. Zwangsgeberden, Zwangshandlungen, automatische Acte, psychisch höher 
»tawkt als die Torige Groppe. 

4. Oemischt toni8Ch*cloniBche Bewegungskrämpfe, wandernd und 
^npDd, denen Yerf. einen eigenartig gemischt psychisch*neurotdschen Formcharakter 
tsKtnibt. 

5. Wechsel zwischen Starre und Erschlaffung in demselben moto* 
ntcbm Acte. 

6. Die gewollt scheinenden und paradoxen Zwangsbewegungen; hierhin gehören 
i» stundenlang fortgesetzten Bewegungsstereotypen und die Maniren in den Bewe* 

beim Essen und dergleichen. Auch diese sind psychomotorische Krämpfe, 
sbff Ton hoher geistiger Bewerthnng. 

Einen grossen Theil dieser motorischen Symptome erklärt Verf. als Reflexe aus 
Saiibilititsstdningen und als Wirkung Ton Uallucinationen auf im Beizzustand be* 
Mbcbe motorische Centren; ein anderer Theil ist direct als eine genuine motorische 
iMTotiscbe) Affeeüon zu betrachten. 

Alle motorischen katatonischen Bewegungen stehen in thatsächlichem klinischem 
hanmenhange, gehen in einander fiber und wechseln unter sich ab. 

Dar Bewnsstseinszustand zeigt alle Grade Ton traumartigem Dämmern bis zu 
fotlbtrgehender Klarheit. Der Debergang Ton einem Zustand io den andern erfolgt 
Miä ruckweise. Die Erinnerung ist oft nur eine summarische. Auf somatischem 
fi«Me findet iMn circulatorische, speciell vasomotorische Störungen, profuse Speichel* 
dmderm^, starke Schweisssecretion, Cessation der Menstruation. 

Ffir Verf. steht fest, dass die katatonen Symptome ihrer äusseren Artung, wie 
^ Genese nach der Vereinigung zu einem stets das Gleiche bedeutenden Begriff 
'MknZreben. Auch die klinische Erfahrung zeigt ihm, dass diese Erscheinungen 
in Vereinigung in einem eindeutigen Zustandsbilde nicht gestatten. 

Er vertritt den Standpunkt, dass katatonische Zustandsbilder Vorkommen: 

1. als Episode bei acuten und subacuten ParanoiaßUen, so dass man von „kata* 
^ Phasen*' sprechen kann; 

2. bei gewissen chronischen Paranoiaformen, namentlich bei den auf sogenannter 
■Nal« (spinal'sensibler) Grundlage stehenden Formen, auch hier als Episode; 

3. bei Stuporzoständen; 

4. bei gewissen Hanieen auf tieferer organischer Grundlage und Formstufe, 
^uMuUieb bei periodischen Manieen, mit Vorliebe bei juvenilen Periodikem; 

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5. beim circalären Stupor; 

6. gel^entlich bei echten Melancbolieen auf invalider, neurastbenischer Grundlage. 

Bei diesen Erkranknngsformen bilden die katatonischen Erscheinungen nur eine 

Phase, eine Abart; daneben aber giebt es Erankheitsbilder, in denen die katatonischen 
Symptome das Bild beherrschen. In der schwm^ren Form dieser Erkrankungen 
erkennt Verf. im Grunde nur eine primäre (sehr oft hebephrene) Demenz oder 
eine durch katatone Erscheinungen modificirte periodisch-circuläre 
Degenerationspsychose, in der leichteren dag^en ein hysterisches Irresein. 

Es würde den Rahmen eines Referats weit überschreiten, wenn Ref. versuchen 
wollte, die Einwände alle aufzuzählen, die sich der Schüle’schen „Auflösung des 
Eatatoniebegriffee*‘ entgegenstellen lassen. Nur das sei erwähnt, dass es ihm ganz 
unmöglich erscheint, die in Einzelheiten der Schilderung vorzügliche Zerlegung der 
katatonischen Symptome praktisch durchzuführen, und dass ihm nicht verständlich 
geworden ist, wie der Yerf. die Anhaltspunkte für die mehr oder weniger hohe 
„psychische Bewerthung*' der Erscheinungen gefunden hat. 

Aschaffenburg (Heidelberg). 


27) Osseaaioni sesauali oon Impulaloni al suloidio p«ar Impiooamento (ao* 
oessi dl Autoaadlamo), per A. Tamburini. (Riv. sperimeni di Freniatr. 
XXlIl.) — Asaasinio per voluttä (alluoinasioi^ sessuali osseaaive), per 
G.Guicciardi. (Ebenda.) — Autosadismo e Automaaoohismo, per A.Tam- 
burini. (Ebenda.) 

Als Autosadismus bezeichnet T. eine Yerbindung von Zwangsideeen geschlecht¬ 
licher und selbstmörderischer Natur, die er bei einem öOjähr. Manne mit leichten 
Degenerationszeichen und Atheromatose beobachtete. Diesem war eines Tags von 
einem Suicidium durch Erhängen erzählt worden. In der Nacht darauf erwachte er 
mit der Zwangsidee, sich zu erdrosseln und zugleich mit starken Erectionen des 
Penis. Zugleich bestand starker Blutandrang zum Kopfe und Yerwirrtheit Nach 
Befriedigung der geschlechtlichen Erregung an seiner Frau verschwanden auch die 
Selbstmordgedanken. Die Anfälle wiederholten sich alle 3—4 Tage. Sie verliefen 
alle in der gleichen Weise: zuerst rechtsseitige Schmerzen im Ausbreitungsgebiet des 
N. supraorbitalis, Hitze im Kopfe, Röthung des Gesichts, Klopfen in den Schläfen, 
einige Male auch Schwindel und Tremor; dann zunächst Eintreten der geschlecht¬ 
lichen Erregung, darauf des Dranges, sich die Kehle zuzuschnüren. Unter dem Ge¬ 
brauch von Bromkali hörten die Anfälle auf. 

Dass das Leiden epileptoider Natur war, glaubt Yerf. nicht. Auch um eine 
blosse Ideeenassociation habe es sich nicht gehandelt^ da der Kranke nicht wusste, 
dass der Tod durch Erhängen manchmal von Erectionen begleitet ist. Yielmehr 
glaubt Verf., dass bei dem ersten Anfall die Yorstellung des Zusammeuscbnürens der 
Gurgel eine Irritation des Rückenmarks bei dem Pat. hervorgerufen habe, die sich 
auch auf das Erectionscentrum ausbreitete. Später trat das Umgekehrte ein, zuerst 
die geschlechtliche Erregung und alsdann die impulsive Idee der Strangulation. Die 
Irritation verbreitet sich also vom Erectionscentrum im Rückenmark zu den höheren 
Tbeilen und brachte dann im Gehirn die Zwangsidee der Selbstbescbädigung hervor. 

Es handelt sich hier mithin um eine Combination von geschlechtlichen und 
selbstmörderischen Zwangsideen. Es ist dies eine neue Form von Sadismus, ein 
Autosadismus. Der Drang, mit der Befriedigung des Geschlechtetriebes zu töten oder 
zu verletzen, richtet sich nicht gegen andere, sondern gegen die eigene Person. 

G. berichtet von einem Degenerirten, bei dem der Gescblechtstrieb sehr früh¬ 
zeitig sich regte und allmählich nacheinander alle Formen der Perversion annahm: 
Onanie, die er so ausfübrte, dass er gleichzeitig dabei sich einen körperlichen 
Schmerz zufügt, Coitus mit brutalen und gewaltthätigen Handlungen, später benöthigte 


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V der iDsfftkniiig Ton Qrausamkeiten, om die WoUlost anzastacbeln, Anwachseo 
der ervtisebeD Bilder, so daes sie die Träome beherrschten nnd im Wachen zq 
EzliociDatioDen f&hrten, Homosexnalität and schliesslich Lastmord. Dieser bestand 
dzrü, dass er im Winter anf der Landstrasse einen Hann, mit dem er zosammen 
nnderte, und mit welchem er vorher in Streit gerathen war, anflel und za Boden 
Khleg. Er brachte ihm sodann eine tödtliche Yerletznng am Halse bei, welche die 
Cvotis doTchsebnitt, kam aber nicht dazu, wie es seine Absicht war, in der Wunde 
wise WolUust zu befriedigen, weil schon der Anblick des Blutes die Ejacnlation 
tavwrief. 

T, der an beide Fälle noch einige Bemerkungen anknfipft, fährt aas, dass es 
äch in beiden nm Antosadisrnns gehandelt hat, der im zweiten Falle aber nur das 
T^&ofentmliam zum eigentlichen Sadismus bildet. Es lag kein Antomasochismns 
rw, tr^ der Kranke beim Aasfähreo der betreffenden Handlang sich vorstellte, da«« 
& £• Misshandlung am anderen Geschlecht aasfOhrte, nicht, dass er selbst von 
iwem misshandelt würde. 

Terf. glanbt, dass bei jedem Sadisten und Masochisten ein solches Vorstadiam 
iiB iotosadismns und Antomasochismas vorhergehe, zu der Zeit, wo in dem Be* 
tnfiBBden zwar der krankhafte Trieb schon entwickelt ist, er aber noch nicht die 
Odegeoheit oder die Möglichkeit des Verkehrs mit dem anderen Geschlecht hat, 
d«Dso wie die Masturbation oft das Vorläoferstadium des Coitus bilde. 

Valentin. 


Therapie. 

S8) La thdrapeutique de raloooUsme par rintemement prolongd des 
buveais, par Dr. Marandon de Montyel. (Revue de M^decine. Janrier 
1897. S. 23.) 

Lesenswerthe Abhandlung über den Schatz der Gesellschaft gegen die Ge* 
vA&beiutrinker und über die Behaiidlang der letzteren in eigenen Anstalten. Verf. 
pkidirt fär ein staatliches Trinker-Gesetz, welches aach die zwangweise Unter- 
Iräguog der notorischen Trinker in die Anstalt ermöglicht. Unter den delirirenden 
Tnak»n sind diejenigen, deren Delirium mehr auf einer abnormen Gehimorganisation 
Iwzlit and dareb einen vielleicht an sich geringen Alkohol-Ezcess hervorgerofen 
wird, Ton den delirirenden Gewohnheitstrinkern zn nnterscheiden. Erstere sind nach 
Abisof des Deliriums unter strengen Ermahnnngen ans der Anstalt zu entlassen, 
rihrend die Gewohnheitstrinker möglichst frühzeitig and möglichst lange zn Intel'- 
tina sind. Von den nicht delirirenden Trinkern sind vor Allem die Verbrecher, 
die Delinquenten und die Öffentlich trunksüchtigen Scandalmacher in die Anstalt zu 
Hrte iage n. Auch der Trinker, welcher nur in seiner Familie Unheil stiftet, kann 
lach kztlicher und jorisüscher Constatining seines Alkoholismns zwangsweise in die 
Aaaalt gebraebt werden, welche ausserdem selbstverstäudlich dem sich freiwillig 
lUHoden offen steht Letzterer muss sich verpflichten die nOthige Zeit in der 
Amtah zu bleiben und kann dann hierzu gezwungen werden. 

Strümpell (Erlangen). 


tt) Die ohiroi^leohe TbAtlgkeit des Irrenantes in der Anstalt, von Käcke. 
(Irrenfreniid. 1897. Hr. 3 u. 4.) 

Verf. bespricht eingehend an der Hand einer sehr grossen Erfahrung dies wich¬ 
tige Capitel der praktischen Psychiatrie, wobei er fortwährend noch allerhand Neben- 
iiiMrkangen, die das Ganze beleben, macht. Er erwähnt, dass grosse Operationen 


'ig'ii^od Dy 


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in der Irrenanstalt sehr selten sind, dass aber offenbar die Menge der äusseren Leiden 
bei Irren ausser Zufall gewiss sehr Sache der Rasse, des Orts, der früheren Be* 
schäftigung u. s. w. sei, dass es viel zu weit gegangen sei, jede geisteskranke Fraa 
gynäkologisch zu untersuchen u. s. w. Seine Schlusssätze sind folgende: Vom Psy¬ 
chiater, wie von jedem praktischen Ärzte, kann man vernünftigerweise nur die Aus¬ 
übung der sog. „kleinen“ übiroi^e verlangen. Für grössere Operationen, wenn sie 
nicht, wie die Tracheo* oder Hemiotomie, aus vitalen Gründen sofort zu geschelien 
haben, soll man einen Specialisten berbeirufen oder bei grossen Anstalten eventuell 
einen Psychiater chirurgisch, in einer grossen Weiberanstalt speciell einen gynäko¬ 
logisch ausbilden lassen. Erwünscht ist es ferner, wenn der Psychiater etwas Privat- 
Praxis treibt, um immer Neues zu sehen und zu lernen, nicht aber am wenigsten, 
um in die Volksseele immer tiefer einzudringen, was ihm nachher bei seinen Irren 
grossen Vortheil verschafft. (Autorreferat.) 


30) Sur la valeur dlagnostlque de la ponotion lombaire, par 0. Denigia 

et J. Sabrazös (Bordeaux). (Revue de Mödecine. 1896. Octobre. S. 8S3.) 

Die Verff. konnten bei 7 Fällen von acuter tnberculöser Meningitis 6 Mal 
durch Lumbalpunction Flüssigkeit erhalten, welche 3 Mal reichliche Tuberkelbacillen 
enthielt. Bei chronischer Tuberculose des Gehirns und der Meningen war die 
Punction negativ. — In einem Falle von Lyssa wurden durch Lumbalpunction 
32 ccm Flüssigkeit entleert. Zwei Hunde, damit snbdural geimpft, erkrankten beide 
an ausgesprochener Rabies. Die chemische Untersuchung des Liquor cerebrospinalis 
ergab bei der tuberculösen Meningitis im Liter 2,33 g organische Substanz (Sernm- 
albnmin, Peptone, Harnstoff). Reducirende Substanzen wurden ganz vermisst oder 
nur Spuren gefunden. Die bei der Lyssa entleerte Flüssigkeit enthielt weniger 
organische Substanz im Ganzen, aber deutliche Mengen von reducirender Substanz. 
Verff. glauben, dass den verschiedenen Infectionen eine verschiedenartige Zusammen¬ 
setzung der Cerebrospinalfifissigkeit entspricht. Strümpell (Erlangen). 


ni. Aus den Gesellsohaften. 

Berliner Oesellsohaft f&r Fsyohlatrie und Nervenkrankheiten. 

Sitzung vom 10. Januar 1898. 

Eassirer stellt einen 8 Jahre alten Enaben vor, der aus gesunder Familie 
stammt. Im Älter von 1^/, Jahren soll Pat. eines Nachts mit einer Lähmung des 
linken Beins erwacht sein; er wurde darauf orthopädisch behandelt und lernte wieder 
gehen. Der Gang hat sich aber in der letzten Zeit wieder verschlechtert; er kann 
sieh aus der liegenden Lage nicht erbeben und sich nicht aufsetzen. Pat. zeigt 
gegenwärtig folgenden Befund: Das linke Bein ist stark auswärts rotirt und im 
Eniegelenk gebeugt; es besteht eine deutliche Atrophie des linken Ober- und Unter¬ 
schenkels; das Bein ist auch für gewöhnlich etwas cyanotisch und fühlt sich kühler 
an als das rechte; die Atrophie erstreckt sich auch auf die Enochen; der linke 
Unterschenkel ist deutlich verkürzt. Die Dorsalöection des Fasses gelingt unvoll¬ 
kommen; nur der äussere Fussrand wird etwas gehoben; die Planfarflection des 
Fasses wird gut ausgefübrt. Wenn Pat. den linken Oberschenkel erhebt, so fällt 
der Unterschenkel schlaff herunter. Der Lähmung entsprechend ist auch links das 
Kniephänomen nicht auszulösen. Die Sensibilität des Beins ist ohne Störung; die 


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(lekthsche UotersDcboiig ei^ab in einzelnen Mnskeln eine Yerlangsamang der Zncknng; 
die Moskeln reagiren aber sowohl anf den faradischen, wie galvanischen Strom. 
Die Erecbeinimgen am linken Beine sprechen fflr eine acute Poliomyelitis anterior. 

Bei dem Pat. besteht ferner eine sehr starke Lordose der Lendenwirbel; die 
Slnteealgegend springt stark heracs, theils durch Verschiebung des Beckens, theils 
ibw aoeh durch eine Pseudobypertrophie der Muskeln. Der Gang des Pat. zeigt 
eu CombinatioB von Hinken und Watscheln. Ans der liegeDden Lage kommt Pat. 
ii die sitzend^ indem er sich zuerst auf den Bauch w&lzt und sich dann mit den 
inan langsam auMchtet. Der rechte Oberschenkel bietet in der Bewegung keine 
S&angui dar, aber auch der rechte Unterschenkel kann nicht gestreckt werden, der 
ndie H. qoadrieeps functionirt gamicbt. Die Schulterblätter stehen von der 
VirMasole ab, es besteht das Phänomen der „losen Schultern". Das Erheben der 
Arme bis zor Horizontalen ist sehr schwach; die Unterarme erscheinen etwas hyper« 
tn^biseb. An den Händen besteht keine Atrophie, der Händedruck ist ziemlich 
KmaL Diese eben geschilderten Erscheinungen am KCrper sprechen für eine 
Dystrophia. Es liege hier also eine Combination einer abgelanfenen Poliomyelitis 
intcrior mit emer Dystrophie vor. Ein solcher Fall sei noch nicht beschrieben 
•orda, wenn es auch ähnliche Fälle gäbe, z. B. solche, bei denen in der Jugend 
HM Poliomyelitis aufgetreten, zu der dann im späteren Alter eine spinale Myopathie 
kinnlas. Der vom Vortr. vorgestellte Fall zeichnet sich besonders dadurch aus, 
iasB die spätere Mnskelerkranknng deutlich den Charakter der primären Myopathie 
tilgt, Bod dass dieee ziemlich rasch nach der Poliorayeliiie anterior aufgetreten ist. 

Hitzig schUesst sich bezftglich der Dit^ose Poliomyelitis anterior den Ans* 
fährrngsn des Vortr. an, die ausserordentliche Schlaffheit im Hflftgelenk spreche 
besoBders dafär. Er hält es indessen nicht fOr ausgeschlossen, dass Pai zuerst 
sOM Dystrophie gehabt hat, und dass zu dieser die Poliomyelitis binzugetreten ist. 
H. bilt die primären Myopathieen für keine eigentlich primären, sondern es sind 
nbiscbeinlich auch Räckenmarkserkrankongeu. Fasse man die Sache von dieser 
^ aof, so erscheint die Genese der Erkrankung nicht so unverständlich. 

Goldseheider: Wenn man die histologische Veränderung des RQckenmarks 
RB Aosgangsponkt der Betrachtung nimmt, so mnss man doch eingestehen, dass sie 
td der Moskeldystrophie eine andere ist, wie bei der Poliomyelitis, bei welcher die 
Tomderangen von den Gefässen ansgehen. 

Hitzig erwidert, dass es ihm femgelegen, beide Erankbeitsprocesse zu iden* 
er habe nur die Ansicht, dass auch die Myopathie vom RQckenmarke ausgehe. 

Bemak: Bei der Äussergewöhnlichkeit des Falles lasse sich gamichts dagegen 
cneodsD, wenn man hier, wie E. es gethan hat, eine Combination von zwei Pro- 
'OKD annehme. 

Jolly: Die Entstebui^f der Dystrophie aus spinaler Ursache ist zwar möglich, 
ibtr vorläufig nur eine Hypothese; denn es gäbe nur ganz vereinzelte Fälle, wo 
kiwbei Verändemngen im Bflckenmark gefunden wurden. 

Kassirer meint, dass ans der klinischen Beobachtung wohl bervorgebe, dass 
b« dm Pat die Poliomyelitis zuerst aufgetreten ist. Ein solcher Fall mache eine 
Hebung zwischen Poliomyelitis und Myopathie möglich, man könne aber Uber diese 
Braebung nichts genaueres aussagen. 

Bicbter (DalldorQ: Ueber Porenoephalie (mit Demonstrationen). 

unterscheidet eine voUständ^e und unvollständige Porencephalie je nachdem 
^ Porus bis in den Ventrikel vordrmgt oder vor demselben stehen bleibt. Unter 
^ Ursachen hebt er besonders das intra partum eintretende Tranma hervor. Die 
bä Porencephalie bestehende Atrophie des hinteren Balkenabschnittes erklärt Vortr. 

mechanische Weise. In der Horm bilden nämlich die Felsenbeine zusammen 
"MQ Winkel von 126Bei Idioten — nnd porencephalische Gehirne rühren von 


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Idioten her — ist dieser Winkel erheblich grösser. Die Auswärtsdrehnng der 
Felsenbeine bewirkt einen Zug am Tentorium cerebelU; dadurch wiederum wird die 
Falx cerebri etwas nach abwärts gezogen und drückt auf den hinteren Abschnitt 
des Balkens, wodurch dieser in seiner Ausbildung gehemmt wird. Vortr. demonstrirt 
Tiele Präparate, welche von zwei Fällen von Porencepbalie herrflhren. ln dem einen 
Falle sass symmetrisch im Schläfenlappen und an der Aussenwand des Seitenvenlrikels 
ein porencephalitischer Herd; im zweiten Falle waren viele Höhlen im Gehirn vor* 
banden. Man sieht an den demonstrirten Schnitten, dass vom Balken aus nach 
beiden Hemisphären starke Bindegewebszüge gehen, welche die Windungen auseinander 
zerren und häufig bis zur oberflächlichen Pia reichen; stets kann man die Membran 
der porencephalischen Herde bis zum Balken verfolgen. Die Poti brechen auch leicht 
in die Seitenventrikel durch, weil der Balken die Decke des Ventrikel ausmacht. Im 
Stimbirn trifft man selten porencephalische Defecte, weil das Genu corporis callosi 
nicht mit der Sichel in Confiict geräth. Die Balkenatrophie muss nach dem Vortr. 
central entstanden sein, weil sie auch das nicht nervöse Gewebe betrifft. Nicht nur 
der Forceps ist atrophisch, sondern auch die Tapete. 

Oppenheim: Ueber einen Fall von Tomor oereb^ 

Das Gehirn, welches Vortr. demonstrirt, stammt von einem iöjährigen Manne, 
der bis Ende 1896 gesund war. Er war ^philitisch inficirt und litt an eitrigem 
Ausfluss aus dem linken Ohre; seit einem halben Jahre bestehen Kopfschmerzen und 
Erbrechen. Nachdem Pat. zwei Mal kurze Zeit im Erankenhause gewesen, kam er 
in eine Ohrenklinik. Hier wurde Kopfschmerz am Hinterkopf, Erbrechen und 
Schwindelgefühl constatirt; es bestanden keinerlei Ausfallserscheinungen, hingegen 
war doppelseitige Neuritis optica vorhanden. Der Unke Warzenfortsatz war druck* 
empfindlich. Nach Aufmeisselung des Warzenfortsatzes wurde die Dura mater intact 
gefunden, weshalb von einer weiteren Operation Abstand genommen wurde; eine 
wiederholte Lumbalpunction hatte auch keinen Erfolg. Vortr. constatirte bei der im 
Juni vorigen Jahres vorgenommenen Untersuchung eine Sprachstörung. Pat. spricht 
zwar geläufig, aber er muss manche Worte umgehen, indem er den zutreffenden 
Ausdruck für manchen Gegenstand nicht findet. Das Nachsprechen und Wort* 
verständniss ist gut, ebenso Lesen und Schreiben. Das Merkwürdige war, dass sich 
während der Untersuchung der Charakter der Sprachstörung änderte. Er kann sich 
dann nicht recht verständUch machen, er glaubt nicht mehr gut hören zu können, 
er percipirt nicht die einfachsten Sachen. Diese letztere Störung tritt auf, wenn 
sich Pat. aus der liegenden Stellung aufricbtet und geht wieder zurück, wenn er 
sich hinl^; es trat also bei dem Pat. jedes Mal, wenn er sich anfrichtete, eine 
sensorische Aphasie hinzu. Vortr. stellte die Diagnose auf Tomor im Bereiche des 
Schläfenlappens ohne speciellere Localisation. Das Erankheitsbild blieb bis zum Tode 
unverändert. Bei der Obduction wurde ein Tumor im Bereiche des hinteren Tbeils 
der Fossa Sylvii gefunden; er nimmt seinen Ausgang vom linken unteren Scheitel* 
lappen, Gjrus snpramarginalis, welcher den Haoptsitz der Geschwulst bildet; von 
hier drin^ der Tomor in die erste Schläfenwindung ein und zersprengt sie gleichsam. 
Die Geschwulst erwies sich als ein Sarcom. Die Sprachstörnng bei dem Patienten 
war eine amnestische Aphasie und Paraphasie; die auffallendste Erscheinung war 
die, dass beim Anfrechtsetzen eine Worttaubheit hinzutrat; da sich bei Veränderung 
der Körperhaltung nur eine Aenderung allein in der Sprachstörung zeigte, so konnten 
circnlatoriscbe Störungen nicht deren Ursache sein; es hat vielmehr der Tumor beim 
Aufrichten des Körpers die erste Schläfenwindung mehr belastet und dadurch die 
Veränderung hervorgerufen. Aehnliche Erscheinungen einer Symptomveränderung findet 
man besonders bei Tumoren der hinteren Schädelgrube. Jacobsohn (Berlin). 


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Wlamichtftliche venammlnng der Aente der 8t. Petersburger TCifaifc 
fSr Nerven* und Qelsteskranke. 

SitzcQg vom 27. Fobniar 1897. 

Dr. Holzicger: Ueber Nervenkrankheiten in Abessinien. 

^ortr. hat in Abessinien 107 Fälle von nervOsen Erkrankungen beobachtet, 
tee vetaos grösste Zahl der Kranken litt an Epilepsie. Eie Epileptischen werden 
Tst da AbeoBiniem als von einem bösen Geist behaftet angesehen. An zweiter 
Stille aod die peripherischen Paralysen, grösstentheils traninatischen Orsprnngs, zn 
Moo. Die Paraparesis spastica wird häufig in Abessinien beobachtet, als Folge* 
endenoDg nach Genoss einer besonderen Erbsenart (Gnoja); diese Erknnknug ist 
aOw Wakrseheinliehkeit nach mit dem Latyrismns identisch. Von Tabeskranken 
hsa bloss sechs znr Beobachtung; ungeachtet dessen, dass in Abessinien die Lues 
pu usserordentUeh verbreitet ist, wird Tabes daselbst sehr selten angetroffen. 
Mi TOD Neniasthenie wurden unter der Localbevölkerung gar nicht beobachtet; die 
noMftigen und leicht err^baren Europäer wurden von den Einheimischen für 
swTaknnk gehalten und mit Menschen verglichen, „die morgen sterben wollen“, 
b« von Erkältung, sogar in den Fällen, wo dieselbe eine augenscheinliche 
Solle gespielt hat, ist den Abessiniern ganz fremd. Die Behandlung der Kranken 
e imserst primitiv; besonders oft werden von den einheimischen Zauberern An* 
keBBiogen und Aderlässen ai^ewandi Die Anbrennungen sind sehr populär und 
Tiria mit giähendem Eisen oder mit thönemen Krügen ausgeführt. Se^ verbreitet 
^ socb Haassregeln, die auf Abei^lauben fussen: so soll die Mutter, die mehrere 
Eiidtf verloren hat, ihrem Neugeborenen, damit er am Leben bleibt, einen Theil 
linken Ohrlappens abschneiden’ und aufessen. 

Dr. W. Larionow: Ueber oortloale Gtehorsoentra bei Hunden. 

Tortr. hat bei Hunden partielle Läsionen der Binde der Schläfenlappen aus- 
ffäbrt and das Gehör vor und nach der Operation untersucht und kam zu {folgenden 
Sdiusfo^emngen: 

1. Vnnk’s Ansicht Über ein einseitiges gekreuztes Centrum für jedes Ohr ist 

gau richtig, da jedes Ohr, wie es scheint, mit den corticalen Centra beider 

HenigpUren in Verbindung steht. 

2. Bei geringen partiellen Läsionen der Hirnrinde fallen einzelne Töne aus. 

3. In den corticalen Centra giebt es wahrscheinlich auch eine Tonleiter, wie 
Kkiie für die Schnecke bekannt ist 

4. Bei den operirten Hunden wurden Gehörstäuschungen beobachtet; sie wandten 
^wäl«) die Augen nicht in der Richtung zum Ursprung des Tones hin, sondern 
udi der entgegengesetzten Seite. 

h. Bei Verlost des Gehörs auf Töne reagiren die Tbiere noch deutlich auf 
ileiaacha 

6. Bei Beizung mit faradischem Strome der Binde der Schläfonlappen, sowohl 
o Odiiete des Gyrus angularis, als der 1. und 2. Schläfenwindung, werden 
^^^ngoDgen sowohl im gekreuzten Ohre, als auch in dem Ohre derselben Seite aus* 
|(U«t 

Stod. Akopenko (als Gast): Ueber den Hinfluss der Entfernung der 
Iddlddruse auf die Entwickelung des Organismus, banptsäoMioh auf die 
btwu^eluzig dee Knocbensystems. 

Vortr. entfernte die Schilddrüse bei jungen Thieren verschiedener Gattungen. 

aeoten Erscheinungen nach der Operation deuteten auf eine allgemeine Intoxi* 
dee Organismos hin. Die chronischen Folgeznstände worden bei allen Thieren 
^*^btet, die längere Zeit gelebt hatten und bestanden in einer Wachsthumshemmung 
^ Gewebe, besonders der Knochen. Es worden ausserdem trophische Störungen 


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138 


beobacbtet, in den Äugen Conjunctivitis und Trübung der Linse. Das allgemeine 
Aaseeben und der Charakter der Tbiere erinnerten sehr an Cretine. Nach Anücbt 
des Yortr. verdienen die oben angeführten Erscheinungen eine besondere Beachtung 
vom Standpunkte der Theorie des Cretinismus aus. 

Sitzung vom 27. März 1897. 

Sind. Wichrew (als Qast) demonstrirte den Anwesenden einen besonderen tos 
ihm erfundenen Apparat für stereoskopische Betrachtung der Böntgen’sohen 
Aufhahmen. 

Der Apparat ist nach dem Princip des gewöhnlichen Stereoskops construirt und 
ermöglicht nicht nur die nach Röntgen photographirten Theile des Organismus in 
plastischer Form zu betrachten, sondern auch (nach Umdrehung der beiden Spiegel 
auf 170^ sowohl die vordere, als auch die hintere Oberfläche (sammt Gefässen, 
eingodmngeneu Fremdkörpern u. s. w.) des photographirten O^ans in Augenschein 
zu nehmen. 

Dr. W. Ossipow: Geber centrale Endigungen des ZI. Kerrenpaares. 

Yortr. hat seine Experimente an jungen Kaninchen und Hunden aiigestellt. 
Der H. KI wurde im Rückenmarkscanal entfernt, zu dem man durch die Membrana 
occipito'atlantica gelangte; dabei wurde entweder der ganze Nerv, d. h. der 
Accessorius vagi und spinalis, oder bloss der letztere entfernt. Ausserdem 
wurde in einigen Fällen bloss der Huskelast des N. XI. entfernt. Die Tbiere lebten 
nach der Operation bis zu 33 Tagen. Untersucht wurde nach Marchi, Pal mit 
Nachfärbung mit oxalsaurem Carmin nach Wyrubon (mit neutralem Carmin), van 
Gieson und Nissl. 

Bei der mikroskopischen Untersuchung wurde gefunden: 

1. Atrophie der Wurzelbündel des N. XT, sowohl in der unteren Abtheiiung des 
verlängerten Markes, als auch im Rückenmark. 

2. Atrophie der Zellen im Dorsalkeme des N. X, besonders in dessen unteren 
Abtheilungen. 

3. Atrophie des solitären Bündels auf der Seite der Operation. 

4. Atrophie der vorderen Zellengruppe des Yorderhoms auf dem Niveau des 
unteren Abschnittes der Pyramidenkreuzung auf Seite der Operation. 

5. Atrophie einzelner Zellen des seitlichen Theiles des Yorderhoms auf Seite 
der Operation. 

6. Atrophie der Zellen des Seitenstrangkerns auf Seite der Operation. 

Auf Grund der gewonnenen Resultate kommt Yortr. unter anderem zu dem 
Schlüsse, dass die oberen WurzelbOndel des N. XI, d. h. diejenigen, die aus dem 
unteren Theile des verlängerten Markes berausgehen, als untere Wurzelbündel des 
N. X zu betrachten sind, da mit ihnen einen gemeinsamen Centralorsprung aufweisend. 
Als N. XI ist bloss dessen spinaler Theil (Accessorius spinalis) anzunehmen. 

Prof. W. V. Bechterew bemerkt in der Discnssion, dass auf Grund der Unter¬ 
suchungen des Yortr. der N. accessorius Willisii, d. h. eigentlich der Acces¬ 
sorius spinalis als eine der motorischen Wurzeln des gemeinsamen N. vagi- 
glossopharyogei-accessorii aufzufassen ist, dass ferner die sensiblen Kerne des 
N. vagi-glossopharyngei-accessorii allen diesen 3 Nerven gemeinsam sind and 
dass auch deren motorische Wurzelbündel einen gemeinsamen Ursprung besitzen, da 
der N. ambiguus, der als motorischer Kern des N. vagi-glossopharyngei gilt, 
im Grunde genommen im anatomischen Sinne eine Fortsetzung des Accessorinskems 
bildet. 

Nach v. B.'s Ansicht ist es wünschenswerth, die Untersuchungen fortzusetzen 
und die Frage zu entscheiden, ob der Muskelast des N. accessorii auch Fasern 
für den N. vagus enthält, wie es von einigen Autoren angegeben ist. 


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Dr. E. Giese: TTeber die Entwickelung der Neuroglia im Rückenmark 
d« Menacdieii. 

Diesbezügliche Untersucbnogen sind nach der Golgi’schen Methode an mensch* 
bdien Embijonen aiigestellt worden. Äoaaer See^tignng des bisher schon bekannten 
«nben sie noch einige neoe Details. Es wnrde gefonden, dass die zuerst von 
T. Leohossdk in der Sahst, gelatinosa Bolandi gefondenen Astroblasten mit atisser- 
cideetlieh stark sich Terästelnden Anslänfem bisweilen auch nnmittelbar vor derselben, 
sm in dem üoeseren Winkel des Yorderhoms anzntreffen sind. Ausserdem konnte 

Bestimmtheit constatirt werden, dass die Astroblasten in einer viel früheren 
Periode der embryonalen Entwickelung in die sogen. Astrocyten flbeigehen, als dies 
T-ie T. Lenhossdk angegeben worden ist und zwar wnrde dieser Uebergang bei 
eüma Embryo Ton nar 14 cm Länge gefnnden. 

In der Disenssion bemerkte Friv.’Doc. Erlitzki, dass ihm die Ansicht des 
Tortr. von dem ansschliesslicb epithelialen Ursprünge der Nenrogliazellen des Bücken* 
Bxrb nicht genügend begründet erscheint. Nach seiner Meinnng ist die Neuroglia 
reaiaebten Ursprungs: einerseits entwickelt sie sich ans Epithelzellen, andererseits 
ts9 Bindegewebsaellen; davon konnte er sich an seinen eigenen Präparaten über* 
uogen, die ebenfalls nach der Golgi’schen Methode angefertigt worden sind, nnd 
iB solchen mit Carminfärbnng: an denselben sieht man mit Deutlichkeit die cnmittel* 
bart Twbindong der Nenrogliazellen mit der Adventitia der Ge^e, ans der sie sich 
ugenscbeinlich entwickeln. 

Prof. W. T. Bechterew wies anf die Nothwendigkeit hin, das Yerhältniss der 
Xatrtigliazellen zn der Pia mater, sowie zn den Gemsen näher zn studiren. Ob 
he Zellen, die mit den Gefässen in Verbindung stehen, als eigentliche Neuroglia* 
zeQen anfznfassen sind, bedarf noch weiterer Erörterung; es ist anznnehmen, dass 
iü Xenroglia gemischten Ursprungs ist; zur endgültigen LOsnng dieser Frage sind 
meh andere Färbungen, ausser der Qolgi’schen, anzuwenden. 

Prof. W. V. Bechterew: Ueber oorticale Contra beim Aifen. 

Dieebezttgliche Experimente sind bereits im Jahre 1887 in Kasan begonnen 
vordm. Das letzte Experiment an einem Macacos wnrde vor kurzem vom Yortr. im 
Beiwin vieler Aerzte der hiesigen Klinik ansgeffihrt. Anf Grund seiner Unter* 
scebongen kommt Yortr. zn dem Schluss, dass der erregbare Theil der äusseren 
Oberfläche der Himrinde beim Affen sehr umfangreich ist. Ausser dem Schläfen* 
Uppen und dem präfrontalen Abschnitte des Gehirns giebl die ganze Oberfläche der 
Binrmde bei Seizni^ mit elektrischen Strome einen motorischen Effect ab, der in 
bestimmten Vuskelcontractionen sinh kundgiebt Am leichtesten erregbar sind die 
Cntra, die in beiden Centralwindnngen nnd in den hinteren frontalen Windungen 
r^egeu sind. Die verschiedenen motorischen Centra sind beim Affen anf der Hirn* 
nade fol^endermaassen vertheilt: in den obersten Theilen beider Centralwindnngen 
üegni von vom nach hinten die Centra für den Oberschenkel, Unterschenkel und 
ä« Hnger der hinteren Extremität Unterhalb liegen in derselben Folge die Centra 
Ar den Schwanz, den Bompf nnd den Hals, nnmittelbar unter ihnen die Centra für 
da Ober* und Vorderarm, nnd noch tiefer unten die Centra für das Handgelenk 
ad die Hnger der vorderen Extremität. Unterhalb dieser Centra befinden sich die 
Cotra für die Gesichtsmnskeln. Noch tiefer unten, am Ende der Centralwindnngen, 
&ber der Kssar. Sylvii, liegt das Centmm für die Bewegungen der Kiefer und das 
Sehlnckeeutram. Bei Beizung der Binde unmittelbar hinter diesen Centren, in der 
Xike des hinteren Abschnittes der Sylvi’scben Furche, wurde eine Bewegung im 
TUgegeugssetzten Ohre nnd oberen Angenlide erzielt. Nach vom von der vorderen 
>2e«tiralwindQng, in der Nähe der oberen Hälfte des Sulcus praecentralis, befindet sich 
iis Ceotmm für die Bewegung der Ohren; etwas niedriger, in der Nähe des mittleren 
Akeehnittee des Sulcus praecentralis, li^en die Athmungscentra. Die übrigen Theile 


D g :vod c, GoO^iC 



140 


des bioterea Abschnittes der Frontalwindongen sind von Centren ftir die Bewegungen 
der Augen und des Kopfes besetzt, ln den hinteren Abtheilnngen der Parietal* and 
Occipitallappen liegen die Centra für Pupillenerweiterung und fOr coordinirte Aagen* 
bewegnngen nach der entgegengesetzten Bicbtung, sowohl nach oben, als nach unten. 
Alle diese Bewegungen erinnern sehr an diejenigen, die bei Heizung des vorderen 
ZweihQgels ausgelöst werden. Diese Centra ftlr Bew^ungen der Augäpfel stehen, 
nach Ansicht des Vortr., in einem innigen Verhältniss zn den Centra, die in dem 
vorderen Zweihflgel gelegen sind und sind aller 'Wahrscheinlichkeit nach, wie es 
auch Mnnk annimmt, mit verschiedenen Theileu der Sehcentra coordmirt, die eben¬ 
falls in dem Occipitallappen gelegen sind. 

Bei Zerstörungen der Hirnrinde bei Äffen konnte Vortr. sich davon öberzeugen, 
dass den motorischen Störnngen sich stets eine Herabsetznng der Haut- und Muskel- 
Sensibilität hinzngesellt. Auf Grund dieses Factums nimmt Vortr. an, dass die sogen, 
motorische Region als senso-motorische aufzufassen ist, in der die Muskel- und Haut* 
emphndungen mit bestimmten Bewegungen coordinirt werden. Zum Schluss wies 
Vortr. darauf hin, dass die Vertheilung der motorischen Centra beim Menschen un- 
ge^hr dieselbe ist, wie beim Affen, wovon er sich bei ÄusfQhrung von Trepanationen 
überzeugen konnte. Dank diesem Umstande gewinnen die Experimente an Äffen sehr 
an Bedeutung. 

Sitzung vom 24. April 1897. 

Dr. Tekutiew: Zur Behandlung der Epilepsie mit Adonis vernalis. 

Vortr. demonstrirte einen 10 Jahre alten Kranken, der am 23. Februar 1897 
in die Klinik aufgenommen worden war und seit 2 Jahren an schwerer Epilepsie litt. 
Die epileptischen Anfälle, die 15—20 Mal am Tage auftraten, hatten bedeutend die 
Geistesfahigkeiten des Knaben geschwächt; ausserdem waren Paresen einiger Muskeln 
aufgetreten. In der Klinik wurde ihm folgende Mixtnr verordnet: Inf. adonis ver- 
nalis 1,25—360 Äq. destill, 0,12 Codeini und 4,0 Natrii bromati, 5—7 Esslöffel 
täglich; nach etlichen Wochen wurde die Dosis des Adonis vemalis auf 2,5 gebracht. 
Die Anfälle wurden allmählig seltener und schwächer, Ende März hörten sie toU- 
ständig auf und bis zum 23. April, an dem der Kranke die Klinik verliess, war 
kein einziger Anfall zu verzeichnen. Er sieht jetzt ganz munter und gesund aus. 
Die Möglichkeit des Wiederauftretens der Anfälle durchaus nicht in Abrede stellend, 
weisst Vortr. bloss hin auf die unzweifelhaft sehr günstige Wirkung des von Prof. 
W. V. Bechterew vorgeschlagenen Gemisches auf die Frequenz und Stärke der 
epileptischen Anfälle. 

Prof. W. V. Bechterew bemerkte, dass die Verordnung der Adonis vemalis 
mit Brompräparaten fast in allen von ihm behandelten Fällen von Epilepsie von 
grossem Nutzen gewesen sei. Bei einigen Kranken ist sogar von dauernder Heilung 
zu sprechen, da die Anfälle nach Verlauf von über 3 Jahren nicht wieder aufgetreten 
sind. In einigen Fällen war Digitalis von besserer Wirkung als Adonis vemalis. 

Dr. Ostankow: Ueber Hautveflexe im Anfengsatadlum der Tabes 
dorsalis. 

Vortr. bat 26 Tabeskranke auf Haut- und Sebnenreflexe untersucht und dabei 
Folgendes gefunden: Die Patellar-und Achlllessehnenrefleze fehlen bei allen 26 Kranken; 
von 11 Kranken in der präatactiscben Periode waren bei 10 die Bauchdeckenreflexe 
beiderseits stark gesteigert, bei 1 Kranken gut an^prägt. Von 10 Fällen in der 
atactiscben Periode waren die Baucbdeckenreflexe bei 3 Kranken stark gesteigert, 
bei 5 Kranken got aasgeprägt, in 1 Falle sehr tr^e und bei 1 Kranken waren sie 
gar nicht anszulösen. In 5 Fällen der paralytischen Periode fehlten in 4 die Baach- 
deckenreflexe vollständig, bei 1 Kranken waren sie verstärkt. Ans diesen Daten ist 
ersichtlich, dass in der präatactiscben Periode der Tabes dorsalis eine Erhöhnng der 
Baucbdeckenreflexe ausserordentlich häuflg beobachtet wird (10 Mal in 11 Fällen). 


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HffVMTobebeo ist aoch das beständige Fehlen ausser der Patellar- auch der Aclüllos« 
««banreflexe. Das Yorhandensein dieser beiden Symptome — der Yerstärkung der 
BaiKhdMkenreflexe ond das Fehlen der Patellar- und AchillessebnenreSexe — kann 
als frflbfls diagnostischee Merkmal der Tabes dorsalis incipiens verwerthet werden. 

Prof. W. ▼. Bechterew bemerkte, dass ausser dem vom Yortr. beacbriebenen 
ftfbilteD der Bancbdeckenrefleze er schon längst noch ein anderes Fräh^mptom 
iw Tabes dorsalis gefunden bat; in vielen Fällen von Tabes incipiens konnte er sich 
aialicb von einer Schmerzlosigkeit der Kn. poplitei bei Druck ond Beklopfen aber- 
»ga; dieses Symptom ist nach seinen Erfahmngen viel häufiger zu beobachten, als 
ü Sfioptom von BiernatzkL 

PriT.-Doc. Erlitzki demonstrirte in Ei^änznng seiner Entgegnung, die er in 
«er rergangenen Sitzung dem Yorredner voi^ebracht batte, dass nämlich die NenrogUa- 
läa nicht bloss epithelialen, sondern gemischten Ursprungs sind, Präparate, an 
iiM die Verblnduiig der Nearogliasellen mit der Adventitla der Gefitsse 
m sehen war. 

Prof. W. V. Bechterew erklärt sich nochmals f&r den gemischten Ursprung 
ier SeDToglitzellen. An Präparaten, die nach der Golgi’schen Methode aus dem 
fdinferten Marke angefertigt worden waren, konnte er an dessen Peripherie eine 
Koge Neorogliazellen beobachten, die ihre Ausläufer zor Peripherie schielen. Diese 
Bildw seien Qberzeugend ffir die Yerbindnng der Neorogliazellen mit der Peripherie 
iw Twliagerteo Markes ohne irgend welche Beziehung zum Centralcanal; auf Grund 
baa yerhaltens hat man einen gemischten Ursprung ffir die Neorogliazellen an- 
mxkairo: einen epithelialen und bindegewebigen. 

Dr. Korolkow: Heber Nervenendigtuigen in den Speioheldr&sen und 
a der Leber. 

Vortr. demonstrirte diesbezQgliche, vortrefTlich gelungene Präparate, die nach 
i? Golgi'scben Methode angefertigt worden waren. 

Dr. Boriscbpolski: üeber den Einfluss der Vibration auf die Erregbar- 
tait der Hirnrinde und auf die Blutoiroulation im Oebirn. 

Zor Erzeognsg der Vibration wurde der Charcot’sche Yibrationsappparat an- 
rrnadt Ezperimentirt wurde an Menschen und Thieren. Auf Grund seiner Unter- 
^vBimgen ist Yortr. zo dem Schluss gekommen, dass die Vibration keinen wesent- 
-'in Einflass anf die Blotcirculation im Gehirn und die Erregbarkeit der Hirnrinde 
Die Anwendung der Vibration als therapeutisches Mittel wird gerechtfertigt 
.erd die gfinsüge Beeinflnssong verschiedener snbjectiver Empfindungen bei Neurasthe- 
-ibm ond Hysterischen, besonders gute Dienste leistet dieselbe bei Schlaflosigkeit, 
'•‘t ados nach wenigen Sdancen beseitigt wird. Der Yortr. erklärt diese Wirkung 
« Vibration als anf psychischem Wege bedingt. 

Prof. W. V. Beehterew ist mit letzterer Erklärung des Yortr. nicht ganz ein- 
'«manden; die Frage bedarf noch weiterer Erörterung. 

Dr. Jnschenko (als Gast): Ueber das Verhältniss des Ganglion mesen- 
'wieom Inferina zur Innervation der Harnblase und über die automatischen 
Bnregungen desselben. 

Die Experimente waren an Katzen im physiologischen Laboratorium von Prof. 

' Pavlow angestelli Schlossfolgernngen: 

1. Der Harnblase sind automatische Contraetionen eigen. 

3. Id dem Ganglion mesenterienm inferins befindet sieb das reflectorische Cen- 

nicht nur ffir die Contraction, sondern auch für die Erschlaffung der Harnblase, 
h dieeem Ganglion ist auch das Hemmungscentrnm ffir die automatischen Bewegungen 
^ Bimblase gelegen. 

In beiden Kn. hypogastrici giebt es sensitive ond motorische Fasern. 


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Sitzung Tom 11. Mai 1897. 

Dr, Holzinger: Ueber den Latyrismos in Abessinien. 

Vortr. hat 15 Fälle von Latyrismus in Abessinien zn beobachten Gelegenheit 
gehabt. Die charakteristischen Symptome dieser Krankheit bestehen in einer sehr 
scharf ausgeprägten spastischen Gangart und Bigidität der Oberschenkel- und Gastro- 
cnemialffluskelu, in einer Erhöhung der Fatellarreflexe und Clonus der Patella und 
im Fussgelenk. Das Alter der Kranken schwankt zwischen 18—35 Jahren. Die 
Dauer der Krankheit beträgt 2—10 Jahre. Die Krankheit entwickelt sich nach 
Genuss von Gnoja, einer besonderen Bohnenart (Latbyrus sativus coeruleus). Der 
Latyrismus ist nach den Erfahrungen des Vortr. in Abessinien sehr verbreitet und 
wird daselbst Guoja baschetiÖ genannt. 

Dr. A. Trapesnikow: Ueber den Einfluss der Bettbehandlung anf die 
Geisteskranken der Uänner-Abtbeilung der hiesigen Klinik. 

Die Beobachtungen des Vortr. beziehen sich auf 29 Kranke, die nach Art der 
Erkrankung sich folgendermaassen vertheilen: Paralysis progress. 8, Amentia 6, 
Melancholia 5, Paranoia 4, zu je 1 Falle von Katatonia, Psychosis hysterica, De¬ 
mentia senilis und Lues cerebri. 

Anf Grund seiner Beobachtungen kommt Vortr. zu folgenden Schlössen: die 
Kranken gewöhnen sich Oberhaupt bald an die Bettbehandlung. Während des 
Aufenthalts im Bett wird die Zahl der Scblafstundeo (am Tage und in der Nacht) 
absolut vermehrt, oft zum Nachtheil des Nachtschlafs. Das Gewicht der Kranken 
fällt anfangs gewöhnlich, um nach einigen Wochen sich zuweilen wieder auszugleichen. 
Auf den Pols und die Atbmnng war kein anerkennbarer Einfluss zu constatiren. 
Das Bettregime giebt den Kranken gute Gelegenheit zum Onaniren, dessen Ueber- 
wachuug zudem sehr erschwert wird. Auf die Krankheitsdauer und den Ausgang 
der Krankheit Qbt die Bettbehandlung, wie es scheint, keinen Einfluss aus. 

Dr. W. Ossipow: Die Bettbehandlung in der Krauen• Abtheilung der 
Irrenklinik. 

Die Fälle, die zur Beobachtung gelangten, waren folgende: Dementia secundaria 3, 
Paranoia chronica 1, Psychosis hallucinatoria 2, Amentia 2, Exaltatio maniacalis 1, 
Melancholia 1, Psychosis circnlaris 1, Psychosis periodica 1, Dementia cerebri or- 
ganica 1. 

Vortr. stellt folgende Schlusssätze auf: 

1. Die Mehrzahl der Kranken gewöhnen sich leicht an die Bettbehandlung. 

2. Die Pflege der unsauberen Kranken, sowie Oberhaupt die Anfeicht über die 
Kranken, wird bedeutend erleichtert. 

3. Auf den psychischen Zustand der Kranken wirkt die langandanemde Bett- 
behandlong in einigen Fällen ungünstig, in anderen günstig. 

4. Das Sinken des Gewichts der Kranken während der Bettbehandlung ist nichi 
immer durch die Krankheit selbst bedingt, in einigen Fällen ist es dem Aufenthalte 
im Bette znzuschreiben. 

5. Der Schlaf, der Appetit und die Darmthätigkeit wird während der Bett¬ 
behandlung meist schlechter. 

6. Die Hypnotica müssen ebenso oft angewandt werden. 

7. Die Bettbehandlung ist streng zu individualisiren. 

ln der Discussion, die nach diesen beiden Vorträgen folgte, bemerkte Priv.-Doc. 
Bosenbach, dass er in den von den Vortr. gewonnenen Besultaten eine Bestä^ping 
seines skeptischen Verhaltens zur Bettbehandlung ersieht Wenn man alle dies¬ 
bezüglichen Beobaehtnngen znsammenfasst, so eigiebt sich daraas, dass man zui 
Bettbehandlung sich negativ verhalten soll. Der einzige Vortheil, den das Bettregimc 
bietet, besteht in der Erleichterung der Krankenpflege. 


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Prof. W. ▼. Bechterew hob in seinem Schlussworte herror: 

1. dass die Bettbehandlnng nicht schablonenhaft anzuweudeu sei; 

2. dass in grossen Anstalten sie eine Baumerspamiss bewirke; 

3. dass sie zwar die Isolimng nicht aufhebe, doch dieselbe nicht mehr an den 
ktberen Gefangniss^ns erinnern lasse und 

4 . dass die nnrähigen Kranken von den rnhigen zu trennen seien. 

Es erscheint wftnschenswerth die Beobachtungen fortzusetzen und zu bestimmen, 
vklta Einfluss die Bettbehandlnng auf den Stoffwechsel der Kranken ausflbt. 

Dr. Schnkowski: Ueber den Binflnss der Hirnrinde und der sub- 
entlegen Qnnglia auf die Atbmnng. 

Der Vortr. hat seine Untersnehungen hauptsächlich an Hunden ausgefQhrt. Die 
itfiffiong wurde wom Brustkörbe, der Diaphragma und der Trachea aus auf graphi* 
ttkem Wege Terxelchnei Zur ^izung der Hirnrinde und der subcorticalen Qanglia 
der faradische Strom. Schlussfolgerungen: 

1. Die AÜ^mongsbewegungen sind nicht von der ganzen Hirnrinde abhängig; sie 
verden bloes Yon bestimmten Punkten derselben ausgelöst, die in dem vorderen Ab* 
Khsitte des Orosshims, in dem Frontallappen und der motorischen Region gelegen sind. 

2. Die Ansicht von Fran 9 ois Frank und Bouchefontaine ist nicht stich* 
khig, da der Athmnngseffect bei Reizung bloss einiger bestimmter Punkte des vor¬ 
deren TheQee des Grosshims erzielt wird. 

3. ln der Hirnrinde giebt es ein Centrum fQr Athmungsbeschleunigung (Bech* 
tere« und Ostankow), in dem vorderen äosseren Theile des 6;ri praecruciati 
rekgen, sowie ein Centrum für Verlangsamung und Anbalten der Äthmungsbewegungen 
in d«' Exspiration (unweit vom Centrum ffir den Orbicularis oculi). Ein ebensolches 
CeDsmm bedeutet auch, wie es scheint, ein dritter Punkt, der vom Vortr. auf der 
«teren Oberfläche des Froutallappens gefunden ist und von dem ans anch ein An* 
kita der Athmangsbewegungen ansgelöst wird. 

4 . Nach Entfernung dieser drei Punkte bleibt der frQhere Rythmus und Charakter 
der Athmnngsbewegungen erhalten, sowie die Reflexe auf die Atbmung von der Haut, 
dea Sdileimhäuten und den Empfindungsoi^anen ans; auf Grund dieses Factums 
fkubt Vortr. Yoraossetzen zu dürfen, dass diese Centra keine reflectorischen seien, 
sndem aller Wahrscheinlichkeit nach unserem Willen untergeordnet sind und ausserdem 
a den Affecten theilnebmen, die von einer Veränderung der Atbmung begleitet werden. 

5. Das Abtragen der grossen Hemisphären bis zu den Ganglien bedingt eine 
Teränderung im Rhythmns und Charakter der Äthmungsbewegungen. 

6. Nach Einstich in die subcorticalen Ganglia und elektrischer Reizung derselben 
Yird ein motorischer Effect erzielt, der einerseits durch Reizung der Leituugsbahnen, 
adererseits durch Erregung von besonderen Centren, die in ihrer Tiefe gelegen sind, 
krrorgebracht wird. Bei Reizung der granen Substanz im vorderen Abschnitte des 
Tbalami optici und der Caoda corporis caudati beobachtete Vortr. ein Anhalten der 
AükanngslMwegUDgen. Beim Einstich in den mittleren Theil des Thalamus bis zur 
Wand des 3. Ventrikels trat ein Cheyne-Stoke’sches Atbmen auf, das nach 
Heauniehang der Nadel wieder aufhOrte. Beim Einstich in den hinteren Abschnitt 
d« Tbalamos traten seltene und tiefe Athmnngsbewegungen auf, bei Reizung wurde 
da Atbmen öfter ond tiefer. Bei oberflächlicher Reizung der Seitentheile des vor* 
^reo ZweibAgels trat eine Pause in den Äthmungsbewegungen in der Inspiration auf. 

Dr. W. Reimers: Ueber Degenerationen im Büokenmark naoh Duroh- 
•Aaaidnng der hinteren und vorderen Bfiokeninarkewuraeln. 

Die Experimente waren hauptsächlich an Hunden angestellt. Die Wurzeln 
vnrdes entweder im Wirbelcanal oder ausserhalb desselben durchschnitten. Behänd* 
lasg nach Marchi Hach DurchschneidUI^^ der hinteren Wurzeln waren folgende 
Vvtndenmgen im Rückenmark zu constatiren: 


Dig t'i’od 


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144 


1. Eine aufsteigende Degeneration in den Goirschen and Bnrdach'acben 
Strängen bis zn den Kernen dieser Stränge; 

2. eine absteigende Degeneration im ScWltze’scben Comma und in dem ovalen 
Felde von Flechsig; 

3. eine Degeneration in der Lissaner’schen Randzone, in dem VOTderhom and 
in der vorderen Commissur. Nach Darchschneidnng der vorderen Wnrzeln war so* 
wohl im centralen, als peripherischen Abschnitte derselben mne Degeneration za 
finden, wie auch eine in der vorderen Commissar and im Yorderhom. 

Prof. W. V. Bechterew demonstrirt zwei Gehirne von Kranken, die an einer 
Quetschung des verlängerten Markes durch EleinhlmgesohwIUBte za Grande 
gegangen waren. E. Giese (St. Petersbarg). 


IV. Vermisohtes. 

Einladung. 

Nach dem Beschlüsse der vom 17.—20. September 1895 zu Heidelberg abgebaltenen 
VIII. Conferenz, soll die IX. Conferenz Mr Idioten* und Epileptischen-Pfiege in Verbinduog 
mit Vorstehern und Lehrern an Schulen fQr schwacbbeföbigfte Kinder, in der ersten HilfU 
des Septembers 1898 zn Breslau stattfinden. 

Alle, welche sich fUr die genannten Zweige der FBrsorge interessiren, insbesondere 
Psychiater, Aerzte, Geistliche und Pädagogen, werden zur Theilnabme an dieser Conferwiz 
freundlichst eingeladen. 

Sie werden gebeten, Vortr^e nnd DcmoDstrationen spätestens bis 1. Juni 1898 bei dem 
Unterzeichneten Vorsitzenden, Director Bartbold, Hephata bei M.-Gladbach, Rheinland, 
anmelden zn wollen. 

Der Vorstand der VIII. Conferenz für Idioten-Pflege: 

C. Barthold, Director der Idiotenanstalt Hephata bei M.*Gladbach, Vorsitzender 

W. Geiger, Pfarrer, Inspector der Idiotenanstalt in Mosbach in Baden. 

Karl Richter, Schnldirector in Leipzig. 

H. Piper, Erziehnngsinspector in Dalldorf-Berlin. 

San.-Rath Dr. 0. Berkban, prakt. Arzt in Brannschweig. 


Die Bedaction des Archives für Physiologie (P^s. Abtheilu^ des Archives für Ana¬ 
tomie and Physiologie), welche nach dem Tode von £. da Bois-Reymond während des 
Jahres 1897 interimistisch in den Händen der Berliner Physiologischen Gesellschaft 
lag, hat vom Jahre 1898 ab Herr Prof. Dr. Tb. W. Engelmann in Berlin fibemommen. 


V. Berichtigung. 

Zn meinem Aufsätze „Ueber Zwangsvorstelinngen“ in Nr. 1 dieses Jahrgangs hat Herr 
Prof. V. Krafft-Ebing die Güte gehabt, mir mitzntbeilen, dass nicht Westphal, sondern 
er den Namen „Zwangsvorstellungen“ in die dentsobe Psychiatrie eingeführt hat, zuerst in 
seinen im Jahre 1867 erobieneneu „Beiträgen zur Erkennung und richtigen forensiseben 
Beurtbeilnng krankhafter Oemüthsznstände“. Ferner bat derselbe in seinem Au&stzs „Ueber 
formale Störungen des Vorstellens“ (Vierteijabrsschr. f. ger. u. öffentl. Medicin. 1870. Jan.) 
ansführlich die Zwangsvorstellungen besprocbeu. M. 


In Nr. 1 d. J., S. 34, Zeile 2 von oben, lies: „caudal“ statt „frontal“; S. 87, Zeile 7 
von unten, lies: „Körnebenaggregate“ statt Körnchenapparate“. 

In Nr. 2 d. J., S. 94, Zeile 8 von nuten, liess: „klinische“ statt „kritische“. 


üm Einsendung von Separatabdrücken an den Herausgeber wird gebeten. 

Eineendangen für die Redaction sind zu richten an Prof. Dr. E.Mendel, 
Berlin, NW. Schiffbanerdamm 20. 

Verlag von Vbit & Comp, in Leipzig. — Druck von Mbtzobr A Wiitio in Leipzig. 


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Dir. Arst: Dr. Emmerieh. 11. Arzt; Dr. Leibold. 


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ist das ganse Jahr hindurch geöffnet. 

1 Sui^tsrath Dr. Bindseil. Dr. W'arda, 

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Professor Dr. £. Mendel ^ 

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erscheinen zwei Nnnuneni. Preis des Jahrganges 24 Mark. Za beziehen dart^b 
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Nr. 4. 


15. Februar. 

Leipzig, 

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I^llriiersicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie 
und Therapie des Nerven^tems einschliesslich der Geisteskrankheiten. 

Heransg^beo von 


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Professor Dr. E. Mendel 

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»Bnehhandlnngen des ln* nnd Anslandee, die Postanstalten des Dentsohen Reiche, sowie 
direct von der Yerlagsbnchhandlang. 


15. Februar. 


Nr. 4. 


Oi^inalmiftbeiliiiisen. 1. Historische Notix zor Lehre vom Kopftetanns (Tetanns 
phobiens. Tetanns facialis, Edm. Bose), von Prof. M. Bernhardt in Berlin. 2. Heber 
Err^barkeit der Orossbimrinde nen^eborener Thiere, von W. v. Bechterew in 8i Peters* 
3. Beitrag xnr Pathologie der SpTnalgangUenzelle. von Dr. Otto Jullusborger nnd Dr. 
■eytr, Acmstenzärzten. 4. Notiz betoeSs des Bindenfeldee der Hinterstrangbahnen, 
Dr. med. Armin Toohermtk in Leipzig. S. Von der Bedentnog der Associationscentren 
iFbehsig xnr Erforsohong der Entwickeinng des Geistes, der Sprache, der Psychologie 
Sprache, arie anch der Lehre von der Sprachlosigkeit, von Dr. W. OtnszswsU. 
a. Rsfsrate. Anatomie. 1. On tbe endo^nons fibres in the Inmbo-saoral region 
^tb« eard, bj BniOs.— Experimentelle Physiologie. 2. Nene Versnobe über 
, I gslraniscben Beiz, von Diibols. 8. Snrvival movemente of bamaa infancy, by Nomford. 
;.ltt vaso*motenn des membree abdominanx. Bechercbee expdrimentalee, par Spallitta et 
— Pathologische Anatomie. 5. Beitrige xnr' pathologiecben Anatomie der 
kamarkecompresaioD, von Heysiann. 6 . AnatoroiBcbe ünteranohnngen Aber die comblnirte, 
'lehe Sebweiflähnmng nnd Sphincterenparalyae des Pferdes, von Dexler. 7. Deber 
in^sverändeniDgeD bei CareinomatOeen, von Lubarxch. 8. Sali’ exiologia delle dege- 
oi sistem^ebe primaiio del midoUo spinale, per Ceni. 9. Ueber den anatomischen 
im An&ogsatamnm der multiplen Sclerose, von Qoldschelder. 10. Pathogenese nnd 
*]e Anatomie der Srangomyelie, von Bckiosinger. — Pathologie des Nerven* 
IBS. 11. Beitrag xnr Kenntniss der bei der disseminirten Herdsclerose anftretenden 
lodemngeD, von IBbbert. 12. De la sclöroae en plaqnes a d^bnt apoplectiforme, 

' B y t maa. IS. Znr Frage Aber die mnltiple Sclerose nnd Gliose. Nebst einer Bemerknng 
r dk ViiMalarisatioDsve^ltniBse der Hednlla oblongata, von Rstiollmo. 14. A case of 
sclerosis, hj Hackney. 15. Znr Aetiologie der mnltiplen Sclerose, von Blum* 
und Jakoby. 16. Znr Bedeutung der Angennntersnchnng, speciell des opbthalmo* 
piMhen Befnndes, fAr die FrAbdiagnose der mnltiplen Herdsclerose, von Nagel. 17. Ueber 
anskelstSrnngen bei der mnltiplen Sclerose, von Kunn. 18. Ueber einen Fall von 
nmarketnberkel beim Kinde, nebst Bemerknngen Aber die mnltiple Degeneration, von 
19. Tumor of Üie spine, by Cladsk. 20. A case of Syringomyelie limited to one 
ior bom in Öie oervicu region, with arthropathy of the shoolder-joiDt and ascendiog 
aation in the pyramidal tracts, by Dercum and Spillsr. 21. Ueber eine seltene Locali- 
ttnsr Arthrops^e -bei Syringomvelie, von Hahtt. 22. Tronbles da thorax dans la 
Bvelie, par Maria. 23. Mydite cbronique consdcntive a nn tronble dana le ddveloppe* 

: la mobile dpinkre, par Hambargar. 24. Ueber Degenerationsberde in der weiesen 
I des Rückenmarks bei Lenkämie, von Nenne. 25. Historieche Notix Aber Degeneratione* 
in der weiesen Snbetanx bei Leukämie and Aber Degenerationen im Bfickenmark bei 
nakbeiten, von Scbaltza. 26. Znr Lehre vom RAckenmarkeabBcees, von Bchlcsinger. 
t Znr Kanntniaa der eentralen Hämatomyelie, von Bregmann. 28. A case of haematorrbaohis, 
t>nüa 29. üeber xwei Fälle von primärer, combinirter Strangerkranknng des Bücken* 
von Wagner. 30. Le mecanisme des monvementa rdfiexes. Un cas de compression 
tia Doelle dorsale aveo abolition des rdQexea, par van Oehuchten, 81. A case of pnrnlent 
spinal leptomeningitis, by Fry. 82. Pareso^analg^sie des exti^mitds infdrienres aveo 
aoalg^iqnes on maladie de Morvan. H^mipl^e droite et parapl4gie infdrienre, par 
lille. 33. Ein Fall von Sclerodermie erfolgreich behandelt mit Extraetnm thyreoideae, 
Vsbsr. — Therapie. 84. Ein Beitrag znr Chirurgie des Rfiokenmarks. Heilung einer 
intradnralen kalten Abscese bedin^n Compressionsläbmnng durch ErAffnnng des 
tes nach Lamineetomie, von Trapp. 

10 


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Googli 






146 


III. Aus den fieseilschnften. ÄerztUcher Verein in Hambarg. — Geselleohaft der Nenro- 
patbologen and Irrenärzte za Moskau. 

IV. VermlscMes. Zum Bchweizerischen Irrengesetz. V. Berlohtlgunf. 


I. Originalmittheilongen. 


1. Historische Notiz zur Lehre vom Kopftetanus 
(Tetanus hydrophobicus, Tetanus facialis, Edm. Rose). 

Von Prof. K. Bernhardt (Berlin). 

Seitdem ich im Jahre 1883 zum ersten Male Gelegenheit gehabt hatte, 
einen Fall von Eopftetanns (Tetanus hydrophobicus, Bose) zu beobachten^, ist 
mein Interesse für diese eigenthümliche Erkrankung dauernd r^ geblieben. 
Nun fand ich neulich in dem Bache des berühmten engliohen Physiologen und 
Pathologen Ch. Bell: The nerrous System of the human body. Embraoing 
tbe papers delirered tp the Boyal Society on the subjeot of the nerves, by 
Charles Bell, London 1830’, eine Beobachtung, welche, wie es scheint, 
dem ersten Beschreiber des Eopftetanus oder des Tetanus hydrophobicus, Edm. 
Rose, entgangen ist, und welche von Bell in seinem Werke als 42. Fall unter 
der Ueberschrift: Ein Fall von Trismus complioirt mit Geaichtslahmnng auS’ 
fuhrlich mitgetbeilt worden ist. 

Auch der spätere Bearbeiter dieses Gegenstandes, Conrad Brunner (Ex¬ 
perimentelle und klinische Stadien über Tetanus. Tübingen 1894) scheint von 
dieser Beobachtung keine Eenntniss zu haben, und auch in dem neuen Werke 
Bose’s in der 8. Lieferung der Deutschen Chirurgie, Stuttgart 1897, wo der 
Autor die Krankheit nunmehr als Kopftetanus, Tetanus facialis bezeichnet, ist 
die BsLL’sche Beobachtung nicht angeführt So möge man es denn Terzeihen, 
wenn ich die hochinteressante Mittheilung des englischen Autors hiermit der 
Vergessenheit entreisse. 

Beobachtung 42.’ 

Ein Fall von Trismus complicirt mit Oesichtslähmnng. 

Thomas Jones, 29 JahVe alt, ein Stallknecht, wnrde am 10. October in das 
Middlesex Hospital unter Herrn Bsll's Behandlung aufgenommen. Er klagte über 
eine schmerzhafte Steifheit der Kiefer; die Muskeln der einen Seite 
des Gesichts waren gelähmt Am letzten September versetzte ihm nach seiner 
Aussage ein Pferd während des Striegelns mit dem Yorderfuss einen Schlag auf die 
rechte Seite des Kopfes, so dass er zu Boden fiel und einige Zeit betäubt dalag. 
Als er wieder zu sich kam, fohlte er sich schwach und empfand etwas Uebelkeit 
Die Wunde befand sich oberhalb des Proc. angular, extern, des Stirnbeins. Es ge¬ 
schah nichts fOr ihn, und er behielt seine Lebensweise bei. Sein Dienstherr sagte 


' vergl. Zeitschrift f. klin. Medioin. 1684. Bd. Vll. S. 410. 
' Uebersetzt von M. H. Rojcbebo. 1882. Berlin. 

' 1. 0. S. 888. 


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147 


Ml, d«8 «r dmn Tranke sehr ei^beo sei, qnd dass in Folge dessen zuweilen Kopf 
Bod Uiade wie bei alten Leuten zitterten. Am 4. Tage nach der yerwundung be> 
a^te «g sneret die Verzerrung des Gesichts, auch wurde ihm das Sprechen und 
Schlu^oi schwer. Erst am 6. October wandte er sich an einen Arzt, welcher ihm 
die Aotnahme in das Hospital rieth. 

Das Gesicht ist nach der linken Seite gezogen, wie in den F&llen 
(rtlieher Libmnng, durch Verletzung der Portio dura; die Entstellung der 
äiächtszöge ist beim Sprechen am meisten sichtbar. Die Lider des linken Auges 
ktuDcn ginzlidi geeeblossen werden; auf der rechten Seite geschieht es unvoUstAndig, 
sad wihroid dessen sieht man die Cornea in die Höhe rollen. Das Gefflhl ist auf 
bödm Seiten gleich gut. Von der Beweglichkeit der Zunge kann man sich nicht 
ncht fibeneugen, weil der Kranke den Mund nicht frei öfoen kann; während des 
Smu beisst er sich leicht auf die Zunge und in die Backe. Die beinah geheilte 
Wade hat jetat das Ansehen eines Bitzes. Nach der Verwundung erfolgte keine 
Bltfaog ans dem Ohre, auch hört der Kranke auf beiden Obren gui 

IHe Gegend um den H. masseter der rechten Seite ffthlt sich aufgetrieben und 
!täf an; Herr Bkli. glaubt, dass auch vor dem rechten Ohre eine abnorme An* 
KbweUung bemerklieh seL (Es wurde das Anlegen von 12 Blutegeln vor dem Ohr 
nnr^wt, 10 g von den pilul. Colocynth. cum Oalomel., fftr den anderen Morgen ein 
Pngirtrank and za Fomentationen der schmerzhaften Stelle eine Solution von Piumb. 
*uL mit Opiam.) 

11. October. Der Stationschirurg wurde am Morgen zu dem Kranken gerufen, 
vikbv wie in einem Erstickungsanfalle dalag. Er schien an einer Hemmung 

E^eetoration zu leiden; die Kiefer waren fest geschlossen; das Gesiebt hatte 
«• hnde Farbe; die Mnskeln der rechten Seite waren erschlafft und 
aacb der linken Seite gezogen; die Halsmuskeln steif und in heftiger Action. 
Zvä Wärter waren erforderlich, um ihn im Bette festzubalten. Zwei Drachmen 
OpBBtiBctar wurden in kleinen Quantitäten zwischen den Zähnen eingeflösst, wo* 
Wb die ZnßUe anfhörten. Das Bewosstsein war während des Anfalls angetr&bi 
Die Kiefer sind fester aneinander geschlossen. Der Kranke klagt Ober einen 
baifaden Schmerz im Nacken. Stuh^ng ist erfolgt Der Puls ist hart und von 
UO Schlägen. (Blutige Schröpfköpfe auf dem Hinterkopf, 10 g Calomel, Drachme 
Opaatmebir, alle 3 Stunden. 

12. October. Heute sahen die Doctoren Latham, Watson und Hawkiks den 
knaken. Die Zähne sind noch fester aneinander geschlossen. Der Versuch zu 
^cklaeken Terursacht heftige Convulsionen im Halse und in der Brust; er 
ferweigert ans diesem Grunde das Getränk und Einnahmen von Arzneien, 
fr beklagt sich am meisten über den Schleim in der Kehle, welcher ihn zum Hasten 
nüt; er wirft den Speichel wie in der Hydrophobie aus. Während der 
iiftOe fihrt er im Bett in die Höhe; wir finden ihn auf der Seite sitzend, aus 
Fvebt vor der Bflckkebr des Paroxysmus beim Liegen. (Calomel 10 g, Clystir mit 

blotige SchrOpfköpfe an den Nacken, warmes Bad, Cataplasma mit' einer 
Bisuflösong and Opium auf die Wunde, Eztract. Tabaci., Ung. bydran^. zu gleichen 
Tbdbn, in Hals und Kiefer einzareiben.) 

13. October. Nach dem gestern genommenen Bade erfolgte eine starke Transpi* 
ratka und Erleichtarung. Heute ftberfielen ihn die Paro^smeu 4—5 Mal und dauerten 
i ÜfflutMi. Während derselben war er ausser Stande zu sprechen, Sein Kopf war 
köten ttbergeworfen, das Kinn stand in die Höhe, doch nicht in dem Grade, um die 
Kmkbnt Opistbotonos nennen zn können. Er hat nie Aber Krämpfe im Epigastrium 
StUagt, au^ besitzt er seine volle Gewalt fiber die Arme, die Beine and den Kopf. 
Ib Bette wird er von Zuckungen befallen. Gegen 7 Uhr Abends worden die Kiefer 
■sdlafB, anter den Symptomen des herannahenden Todes. Die Kräfte sanken all* 

10 * 



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C 


148 


mählich, nachdem noch mehrere Anfälle eingetreten waren, und der Tod erfolgte 
diesen Morgen 10 Uhr. 

Leichenbefund (24 Stunden nach dem Tode): Die OesichtszQge waren 
verzerrt wie im Leben. Das rechte Auge stand weit offen, während 
das linke geschlossen war. . Bei Untersuchung der Narbe fand man keinen 
krankhaften Zustand der verwundeten Theile: nur die Haut schien getrennt worden 
zu sein. Die Fasern des Orbicularis palpebrarum, welche unter der Narbe lagen, 
waren unverletzt, desgleichen der Knochen. Die Ohrspeicbeldräse, die Zweige des 
N. supraorbitalis und der Portio dura, welche bis in die Wunde verfolgt worden, 
verhielten sich normal. Eine kleine Drüse, von der Dicke einer Feldbohne, war in 
der Substanz der Parotis eingesackt und stand mit der Portio dura in Berftbmog; 
sie enthielt etwas eiterartige Materie, doch war der Nerv nicht mit ihr verwachsen 
und schien überhaupt von gesunder Structur zu sein. Nachdem der Schädel ge- 
öffiiet, fand man die Arachnoidea etwas trübe, und die Venen mit mehr Blut an- 
gefllllt, als gewöhnlich. Die Ventrikel enthielten eine kleine Quantität seröser 
Flüssigkeit Uebrigens zeigte sich weder im Gehirn, noch in den Nerven irgend eine 
Abnormität. Die Wurzeln des Quintus und die Portio dura in ihrem Verlauf 
durch das Schlafbein wurden auf der rechten Seite genau nntersncht und ge¬ 
sund befunden. Auch das Rückenmark hatte ein gesundes Ansehen. Die Nerven 
des sympathischen Systems in der Bauch- und Brusthöhle waren nonnaL Die Longen 
mit nicht mehr Blot überladen als gewöhnlich. Die Glandulae troncatae aof der 
Zungenworzel waren vergrössert, doch zeigte sich weder im Schlunde, noch im Kehl¬ 
kopfe eine Entzündongsröthe. 

Herr Bell machte in seinen klinischen Bemerkungen Über diesen 
Fall auf die Aehnlichkeit mit einigen anderen Fällen Örtlicher Gesichts¬ 
lähmung aufmerksam, in Bezug aof die Unfähigkeit das Auge zu 
scbliessen und Lippen und Backe zu bewegen. Doch fand insofern eine 
Anomalie statt, dass während auf der verwundeten Seite des Gesichts alle Hnskeln, 
die ihren Einfluss von der Portio dura erhalten, gelähmt waren, die Kiefermnakeln, 
welche vom Quintus versorgt werden, sich in einem tetanischen Zustande befanden. 
Er erwähnte zwar eines Falles von halbseitiger Gesichtslähmung, die ebenfalls durch 
einen Schlag aof den Kopf entstanden war; doch liess sich hier kein genügender 
Grund för die Annahme einer Hirnverletzung, noch weniger für eine Verletzung des 
Nerven in seinem Durchgänge durch den Knochen auffinden, und er vermuthete, 
dass es ein Trismus war, in Folge einer leichten Verletzung der Haot- 
decken der Schläfe, welche ihren Einfluss in einem krankhaft dtspo- 
nirten Körper geltend machte. Auffallend blieb die Erscheinung ört¬ 
licher Lähmung, und er konnte sich keines anderen Beispiels erinnern, 
wo dieser Zufall mit einem Trismus verbunden war. 



2. lieber die Erregbarkeit der Grosshimrinde neugeborener 

Thiere. 

Von Professor W. v. Beohterew in St. Petersburg. 

Die Frage nach der Erregbarkeit der motorischen Gentra neogeborraez 
Geschöpfe hat durch die Untersuchungen von Soltmakn^ wiseenscbafUicfae 

* Jahrb. t Kinderheilk. Bd. IX. 1876. - 


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149 


Bedoitaog erlangt Ei zeigte, dass jene Centraltbeile bei neugeborenen Welpen 
infingbeh ganzlidi nnerregbar erscheinen. Erst vom 10. Tage gelingt es 
doreh Beizaiig der Binde Bewegungen in der Yorderextremitat auszulösen; am 
13. beginnen solche in den distalen Gliedmaassen aufzutreten, und am 
16. Tage treten die Centra der (refflcbts- und Eztiemitätenmuskulatur bereits 
B ToUe Action. An Neugeborenen anderer Thierspecies (Kaniochen und 
Elte) sind späterhin von Tabohanoff^ und mir^ bestätigende Befunde ge- 
* 0 Bn^ worden. Der Erstgenannte erweiterte die SoLXMANM’schen Darstellungen 
in dem Sinne, dass jenen Thieren, die mit unentwickelten Bewegungscentren 
or Welt kommen, andere gegenüberstehen (z. B. Meerschweinchen), deren 
nrtonsche Rindenzone schon zur Zeit der Geburt gut ausgebildet erscheint 
Die fnglidie motorische Reizlosigkeit Neugeborener hange ferner nicht, wie 
ScOiTiiAnr glaabte, mit Unreifezuständen der Sinnesorgane, insbesondere der 
Geächtsfhnction, zusammen, sondern finde ihre Erklärung in mangelhafter Eut- 
ekkeiong der Pyramidenbahn und der Pyramidenzellen der Rinde. Meinen 
bnittenngen zu Folge bestehen bezüglich des Auftretens der Bewegungscentra 
bam Hunde recht erhebliche YariaÜouen. In manchen Fällen ist schon am 
10. Thge motorische Erregbarkeit nachweisbar, in anderen wird solche am 
12.—14., ja am 15. Tage nach der Geburt noch vermisst Die mangelhafte 
Iizitabüität kann hierbei unmöglich direct auf das Conto des Gesichtssions ge- 
lEtxt werden, denn es findet sich keinerlei Correlation zwischen dem ersten 
Aogenan&chlage und der Entwickelungsstufe der psychomotorischen Centra. 
Wikrsid ferner das ausgewachsene Thierhim zahlreiche, für die Thätigkeit be¬ 
samter Muskeigmppen streng difierenzirte motorische Centra aufweist, finde 
iek bä neugeborenen Hunden anfiinglich eine beschränkte Anzahl solcher er- 
ragb e e r Centra, deren Beiznng zudem nicht von Contractionen einer einzigen 
Itaskelgrappe, sondern von Zuckungen der ganzen hinzngebörigen Gliedmasse 
tentwortet wird. Sehr allmählich stellt sich im Laufe der Zeit eine strengere 
l^ierenzimng in Anpassong an bestimmte Einzelbewegungen ein. Clonische 
ZoftVnTigftTij dieses sp charakteristische Beizungsphänomen der erwachsenen Rinde, 
kaoen bei Neugeborenen bis zn einem bestimmten Alter nicht erzielt werden; 

dessen sieht man langsame einmalige Gliedmaassencontractionen. Beaohtens- 
wth erschien mir ferner das snccessive Anwachsen der Erregbarkeit der Be- 
ngoi^soentza vom Augenblicke ihres ersten Auftretens; in auHallender Weise 
Bsebte siäi eine starke Abmagerung (bezw. Ermüdung) der Centra, besonders 
ier jüngeren Yersnehsthiere, geltend. EpUeptiforme Anfalle waren bis zu einer 
gevinen Zeit nicht hervorrufbar. 

Die oben erwähnten Yersuebe Soltmanb's sind von Panbth^, Maboaggi^ 
aad LsKonfB^ nachgeprüft worden. Die Beobachtungen dieser Autoren deuten 


’ Die peyehoiDotoiiBcheD Centra neogeboreoer Tbiere and ihre Entwiokeinug. 1879. 
i*eteibiirg. VergL Arcb. Slaves de Biologie. 1886. 

* Wnlaeh. 1886. Nr. 84 (nusieoh). 

* Areb. f. A gea. Physiol. Bd. XXXVII. S. 203. 

* Qioma R. Aead. di Torino. 1882. ^ Th^ee de Paris. 1880. 


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150 


auf eine iu der Mehrzahl der Fälle relativ frühzeitige Entfaltung der motorischen 
Rindenerr^barkeit beim Hunde. Ja Lbhoime fand bei zwei neugeborenen 
Hunden und ebenso vielen Kätzchen die Rinde wie bei erwachsenen Geschöpfen 
erregbar. 

Im Hinblicke auf diese Differenzen hat Herr Dr. Babt auf meinen Vor¬ 
schlag es unternommen, die Entwickelung der motorischen Rindencentra bei 
neugeborenen Thieren einer systematischen Untersuchung zu unterziehen. 
Zahlreiche Experimente, insbesondere an Hunden und Katzen, sind von dem 
Genannten zu diesem Zweck angestellt worden. Bei jungen Hunden bis zum 
20. Tage ergab Reizung der Rinde ein positives Resultat in 25 von 38 Fällen. 
13 Mal, also etwa in Vs Fälle, war das E^bniss ein negatives, doch han¬ 
delte es sich hier ausnalimslos um junge Thiere unter 9 Tagen. Für das Aus¬ 
bleiben des Reizungserfolges waren nach Ansicht des Autors der Yersudie in 
gewissen Fällen Himbruch, Blutungen und Abkühlung der Eümoberfläche ver¬ 
antwortlich zu machen, immerhin aber bleiben 4 Fälle übrig, wo mit Rücksicht 
anf den Verlauf der mit aller Vorsicht angeführten Experimente eine derartige 
Erklärung nicht anwendbar erschien. Was die Fälle mit positivem Ergebnisse 
betrifft, so sind deutliche Gliedmaassencontractionen einige Mal bei Hunden 
schon am ersten Lebenst^e erzielt worden. Eine Reihe dieser Versuche, das 
mochte ich noch bemerken, geschah unter meiner unmittelbaren Leitung. Ver¬ 
gleiche ich die so gewonnenen Ergebnisse mit meinen friühereu bezüglichen 
Ermittelungen, so erweist sich die corticale Reizbarkeit neugeborener Geschöpfe 
in Abhängigkeit von sehr manigfacben, zum Theil sogar zußlligen Factoren, 
unter welchen neben verschiedenen Reifegraden der Versuchsthiere höchstwahr¬ 
scheinlich auch individuelle Schwankungen im Spiele sind. 

So erklären sich denn die differirenden Angaben der Autoren bezüglich der 
Zeit des Auftretens der corticalen Err^barkeit neugeborener Thiere in be¬ 
friedigender Weise durch die Inconstanz dieser Verhältnisse innerhalb einer und 
der nämlichen Thierspecies. 

Der langsame, schleppende Charakter der Contractionen trat auch in den 
Versuchen Babt’s hervor. Es erwies sich aber gleichzeitig die Latenzperiode 
der corticalen Muskelreizung bei neugeborenen Versuchsthieren von wesentlich 
längerer Dauer, als bei erwachsenen Thieren. Die Differenz zwischen jener 
Latenzperiode und der Muskelzuckung bei subcorticaler Reizung ist beim Neu¬ 
geborenen verschwindend klein. 

Die unentwickelte marklose Pyramidenbahn erscheint also, wie die dar¬ 
gelegten Befunde erkennen lassen, nicht völlig unerregbar. Wohl aber geht ihr 
die Fähigkeit ab, isolirte Reize bestimmten Muskeln und Mnskelgruppen zu- 
zufuhren. Diese Fähigkeit wird ihr im Verlaufe der späteren Entwickelung 
seit der Aufnahme der Markscheiden zu Theil 


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151 


[Aus dem Laboratorium der Irrenanstalt Herzbe^ der Stadt Berlin zu Lichten- 

berg (Geheimrath Moeli).] 

3. Beitrag zur Pathologie der SpinalgaDglienzelle. 

Von Dr. Otto Jnliiubarger und Dr. Emst Meyer, 

Assütenzärzteo. 

Die intereffiante und sehr bemerkenswertbe Arbeit Sohaffeb’s': „Das Ver- 
bah» der Spinalganglienzellen bei Tabes auf Grund Nibsl’s Färbung^^ giebt 
uns Teraolassong zur folgenden vorläufigen Mittheilung. 

Aoch wir wollen, wie Schafpeb, von v. LBNHOSsaK’s* vorzüglioher und 
wxM für alle zukünftigen Untersuchungen Richtung gebender Beschreibung der 
mrmslmi Structur der Spinalganglienzelle aasgehen; hierbei werden wir uns 
danof besdiTänken, die bedeutsamen Thatsachen in möglichster Kürze zu 
r^odncireD. 

Voran schicken wir die Methoden, die von uns angewendet wurden. Zur 
Härtong benutzten wir zum Theil 95 Alkohol und nachherige Celloidin- 
aabettung; Schnitte von derartigen Blöcken wurden mit Methylenblau- (Nissl^) 
oder Jodgrün + bas. Fuchsin^ gefärbt Sehr schöne Bilder erhielten wir mittelst 
ffirtong in MüLLEB-Formol und nachheriger Färbung mit Thionin, Neutralrotb 
oder Hamalaun.* 

Wir gehen in unserer Besprechung zunächst von den Befunden aus, die 
wir an den Spinalganglienzellen der Lendenregion eines 18jähr. Idioten fanden, 
da während eines seit mehreren Tt^en bestehenden fieberlosen Erregungs- 
tastandeB plötzlich starb. 

Die 4 Stunden post mortem rorgenommene Section ergab ausser einem 
stiriEen Oedem der Lungen keine bemerkenswertbe Veränderung der Organe. 

Die Spinalganglienzellen sind von einer bindegewebigen Kapsel umgeben, 
vd dermi Innenfläche wir ein einschichtiges Endothel sitzen sahen. Diese 
KxpaA steht mit dem fibrillären Bindegewebe des Ganglions in unmittelbarem 
Zonnunenhange; auch wir müssen betonen, dass wir das Letztere an den Prä- 
{■zMem von unserem jugendlichen Idioten sehr reichlich entwickelt und durch 
einen deutlich bervortretenden Kernreichtbum au^ezeichnet fanden. Hervor- 
gehbben sei das Vorhandensein zahlreicher Zellen, die wir als Mastzellen^ an- 
qredien; wir glauben in der Lage zu sein, zwei Gruppen derartiger Zellen 


* Nenrolo^ehe» Centrzlbl. 1898. Nr. 1. 

* AxelÜT f. Piyohiatrie. Bd. XXIX. S. 345. 

* Nizzl: MztbjIeDblaa B. pat. 0,875 + Venot. Seife 0,175 + Äq. deat. 100. 

* Poduiii bat. 0,6 + JodgrBa 0,2 + Aq. dest. 100. Färbung b-^-lO Minaten, Entfärbnug 

ia oder abeolutem Alkohol 

* Neoroli^. Ceutralbl 1897. S. 259. 

* Toyl Rocbvubim, Archiv f. Psychiatrie. Bd. XVII. S. 820. 


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152 


nnterscbeideD zu können, die sich den von uns angewendeten Farben gegenüber 
tinctoriell zweifellos Terschieden verhalten und auch wohl Differenzen in ran 
morphologischer Hinsicht zeigen, wenngleich wir geneigt sind, in der Fuben- 
reaction dos charakteristische Merkmal einer jeden Gruppe zu erblicken. 

Die einen Zellen (Ä), deren Protoplasma wie auseinandergesprengt erscheint, 
zeigen sehr grobkörnige, durchaus unregelmässig angeordnete Einlagerungen, die 
auf Präparaten gehärtet in 95 Alkohol und gdärbt mit Jodgrün + bas. 
Fuchsin leuchtend roth erscheinen; ihr mehr oder weniger rundlicher Eem zeigt 
feine blangrün tingirte Körnchen. 

Die andere Gruppe von Zellen (B), deren Protoplasma sich schärfer ab¬ 
grenzt und mehr zusammenhängend darstellt, enthält ungleich feinere und 
sehr dicht gedrängt gelagerte Körnchen, die sich mit dem erwähnten Farb- 
gemische deutlich violett färben. Ihr Kern liess uns keinen nennenswerthen 
Unterschied gegenüber demjenigen in den ersterwähnten Zellen auffinden. — 
Auf Präparaten gehärtet in MüLLEB-Formol, ge^bt mit Thionin erschienen die 
Granulationen in den Zellen der Gruppe A, die übrigens an Zahl Überwegen, 
roth mit einem Stich in’s Violett, die Körnchen in den Zellen der Gruppe B 
blau geßxbt; nach Färbung mit Neutralroth waren jene mehr ockerfarbig, diese 
leuchtend roth tingirt. 

Das Protoplasma der Zellen war stets in beiden Gruppen ungefärbt, die 
Grösse der Zellen wechselte. Wir möchten hierbei bemerken, dass wir im 
Bindegewebe der peripheren Nerven, in den extramedullären vorderen und 
hinteren Wurzelbündeln, in der Gehirnrinde, hier in unmittelbarer Nähe der 
Gefässe und im Gegensatz zu den erstgenannten Orten in sehr spärlicher 
Zahl, vorwiegend Zellen der Gruppe A bisher finden konnten. — Was die 
Spinalganglienzellen selbst anlangt, so möchten wir mit v. Lenhoss^k ihre 
Gestalt als rundlich bezeichnen, wenngleich auch wir gelegentlich mehr läng¬ 
liche und auch etwas eckige Formen sahen. Zwischen dem Leibe der Ganglien- 
zelle und der Endothelschicbt ihrer bindegewebigen Kapsel li^t kein präformirter 
Spaltraum, die Zelle liegt in der That normalerweise dem Endothel unmittel¬ 
bar an. Die schwache YergrÖsserung zeigt uns ein sehr buntes Bild, insofern 
der Unterschied in der Grösse und dem Färbungsgrad der Zellen sofort in die 
Augen springt. Der von y. Lenho8s£e gegebenen Aufstellung der wenigstens in 
ihren Extremen besonders scharf ausgesprochenen Zelltypen schliessen wir uns im 
Wesentlichen an; auch acceptiren wir die Znrückführung der verschiedensten 
Nüaucirungen der inneren Beschaffenheit der Zellen bei wesentlich gleichem 
Bauprincipe auf die Verschiedenheiten in der Menge, Grösse und Anordnung 
der „Tigroidkömer und Schollen'*, sowie auf die verschiedene Beschaffenheit der 
Grundsubstanz.^ MüLLBB-Formolpräparate mit Thionin gefärbt, Hessen die 
Zellengrundsubstanz bald so gut wie ungeförbt, bald ganz matt wssserblau, 
gelegentlich hellgrünlicb, hier zartviolett, dort stärker violett erscheinen. Die 
grossen hellen, in der That selten grobscholligen Zellen mit ihrer charakteri- 

' cf. V. Lbnhom6k, Archiv Hlr Psychiatrie. Bd. XXIX. S. 362. 


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153 — 


stuelien „körnerfreien Snbstanslage“ an der Peripherie sahen wir vorzugsweise 
tm Bande des Ganglions reihenweise li^n. Unter den kleinen Zellen fanden 
vir jene Individuen, die bei schwacher Vergrössening durch besonders dunkle 
nibang hervortraten; die Betrachtung mit starker Vergrössening lehrte, dass 
hia das Grundplasma stark gef&rbt war und einen besonderen Reichthum dicht 
geiigerter, mehr oder weniger grober Scholien aufwies. Besonders deutlich traten 
lUe diese Unterschiede an Präparaten hervor, die in MüLLSB-Formol gehärtet 
rad mit Uämalaon gefärbt waren. Die kömerCreie Bandscbicht, wie das Pol- 
Md, das an BlüiiLSB-Formolpräparaten uns dur(di seine Helligkeit auffiel und 
niwnai» gefifht odcr vou Schollen durchsetzt war, schien uns, mit Immersion 
betn^t^ eine änsserst feinscbaaxnige Strnctur zu besitzen. 

Die perinocleäre Zone, die allerdings nicht immer deutlich hervortrat, zeigte 
in Wesentlichen eine gleiche Färbung wie das übrige Grundplasma; hin und 
vieder sahen wir in ihr feine Körnchen. Nicht selten fanden sich unmittelbar 
um den Kern eine Schicht dicht gelagerter mehr oder weniger grober „Schollen“. 
Die Kfirnelnngen im Eem traten sehr schön und deutlich au Präparaten hervor, 
die in MüLUER-Formol gehärtet und mit Hämalann geerbt waren. Wenden 
vir ans endlich der Besprechung jener Gebilde zu, die Nissl als „Bruchstücke 

Aihbaren, d. h. sichtbar geformten Theiles des Nervenzellenkörpers^' be- 
rinieb» und für die v. Lenboss^k die Bezeichnnng „Tigroid“ vorgescblagen 

da na^ ihm diese Schollen nnd Körner dem Zellkörper oft ein scheckiges 
tigetfdl&hnlicbes Aussehen verleihen. 

Die Bezeichnung Granula verwirft v. Lenhoss^e, weil diese wieder aus kleinen 
Gnnnlis zusammengesetzt erscheinen. Nun giebt y. LsKHOSSfiK aber selbst an, 
das nur in einer Anzahl von Fällen hier der Zellkörper recht eigentlich scheckig 
enchemt, in der Bi^l ein mehr oder wen^r granulirtes Aussehen darbietet. 

Dieser Bemerkung können wir nur hinznfügen, dass nach unserer Auffassung 
die ^änalganglienzellen beim Menschen nie scheckig, sondern stets granulirt er- 
sebeinen; wir geben gern zu, dass das Aussehen der Vorderhornzellen, der Zellen 
m den motorischen Kernen, in den grossen Pyramidenzellen in den Central- 
vindungen hin und wieder an die Zeichnung eines Tigerfells erinnert. So bereiit- 
vd&g wir ancb einränmen, dass eine wirklich gute, knapp und präcis gefasste 
Beadebnung für die fraglichen Gebilde bislang fehlt, können wir doch nicht 
OBkhm, auch die Bezeichnung „Tigroid“ nicht als wirklich einwandsfrei zu be¬ 
zähmen, da eben, wenigstens nach unserer Auffassung, die grosse Gruppe der 
^fnalgaDglienzellen kdn scheckiges, tigerfellähnliches Aussehen darbietet 

Wir haben nns an anderer Stelle bei der Schilderung der fraglichen Ge¬ 
bilde in den Yorderhomzellen und den grossen Pyramidenzellen der Central- 
vindungen dahin ausgesprochen, dass sie nur Kömehenaggregate darstellen, die 
vir in Ermangelung eines besseren Namen kurzweg „Granula“ nennen wollen; 
vir können keinen sonderlich logischen Widerspruch darin sehen, dass wir von 
Grannla sprechen, die erst bei sehr starken Veigrösserungen als Aggregate mehr 
«der weniger feiner Körnchen erscheinen. Was nun die Spinalgaoglienzellen 
aalaxkgt, so können wir hier nur von Körnchen und Kömehen^^egaten sprechen, 


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154 


die — ganz wie das v. Lenbo8b£k für seine Tigroidschollen angiebt — mne 
„Tollkommene Ungezwungenheit der Ijagerung'^ erkennen lassen. £ine wirkliob 
concentrische Anordnung oder eine Zusammenfägung zu einem Netzwerk sahen 
wir nicht. Wie v. LenhossAk, so konnten auch wir jene sternförmigen Schollen, 
wie sie Nissl ^ abbildet, nicht auffinden. Nach v. Lenhobs&e sind „die Schollen 
und namentlich die grösseren unverkennbar zusammengesetzte Bildungen; mit 
starken Immersionen betrachtet, erkennt man an ihnen einen Aufbau einerseits 
aus kleinen GranuUs, andererseits ans einer difiusen, sich mit Toluidinblau etwas 
schwächer färbenden Zwischensubstanz.“ An den mit unseren oben angegebenen 
Methoden dargestellten Präparaten waren wir nicht in der Lage, in den 
Körnchenaggregaten die Substanz zwischen den feinen Körnchen tinotohell 
oder morphologisch von der übrigen Grundsubstanz der Zelle zu trennen.* Der 
Bandschollenkranz t. LenhossAk’s setzt sich aus verschieden grossen Körnchen* 
aggregaten zusammen, die untereinander nicht Zusammenhängen und bei schwacher 
Veigrösserung ein wedbselndes Aussehen zeigen. Die von t. Lbnhoss&e grob- 
schollig genannten Zellen lassen in ihrem ganzen Leibe solche Kömehenaggregate 
in regelloser Anordnung erkennen. Wir betonen in Uebereinstimmung mit 
ScHAPFEB namentlich unter dem Hinweis auf die Beurtheilung etwaiger patho¬ 
logischer Verhältnisse, dass in der Spinalganglienzelle Mensdien, wie dies 
der Schilderung y. LsnhosbAk’s schon zu entnehmen ist, die einzelnen, diffus 
angeordneten Körnchen ein normaler Befund sind, im Gegensatz zu dem 
Verhalten der Vorderhomzellen, der Zellen der motorischen Himnervenkeme, 
der grossen Fyramidenzellen in den Centralwindungen, wo ein derartiger Be¬ 
fund, falls er in sehr ausgesprochenem Grade vorhanden ist, schon als 
pathol<^i8ch angesehen werden muss; freilich bleibt es dann auch in der B^el 
nicht bloss bei einer diffusen Anordnung der Körnchen statt ihrer normalen 
Gmppirung zu Körnchen^gregaten, sondern es kommt dann auch zu einem 
mehr oder weniger deutlichen Schwunde der Körnchen. — Wenn wir uns 
nun zur Besprechung des Verhaltens der Spinalganglienzellen bei Tabes wenden, 
so beziehen wir uns hierbei auf die Untersuchungsresultate der Spinalganglieu- 
zellen ans der Lendenregion zweier klinisch und anatomisch ausgesprochenei’ 
und vorgeschrittener Fälle. 

Wir können uns hier ganz kurz fassen, insofern wir, was die anatomischen 
Befunde anlangt, im Wesentlichen zu den gleichen Resultaten wie Sohaffbic 
gelangt sind. Die chromatische Substanz, wie sie Sohapfeb nennt, oder um 
niitv.LENHOssfiK zu sprechen, die Tigroidsubstanz, nach unserer obigen Darleguii(' 
jene Körnchen und Kömehena^regate, zeigten in den Präparaten von unseren 
beiden Tabesföllen keinerlei Abweichungen vom Verhalten in normalen 
Spinalganglienzellen, wie wir dies der Schilderung y. LENHOsaks’s entnehmen; 
auch konnten wir keinen Unterschied sehen g^nüber den Präparaten von denk 
jugendlichen Idioten, der klinisch keine Spinalsymptome dargeboten batte and 

^ Nenrolog. Ceotralbl. 1894. S. 661. 

* Diflaelbe Ansicht haben wir auch von der ZasammenBetznog der Granola (Kömchei - 
aggregate) der Vorderhomzellen. 


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155 


doKO Hioterstniige anatomisch normal waren. Auch hinsichtUoh des Kerns 
imd KemkoTperchens konnten wir keine pathologische Veränderung constatiren. 
Digegen glaaben wir, den Eindrack gewonnen zu haben, dass die Zahl der Zellen 
äae finbnase erfahren hatte, dass namentlich die mehr kleinen und dunkleren 
Zden gegenüber den grossen nnd hellen Zellen in den Vordergrund traten; 
ndi wir eine grössere Zahl eckige Zellen, als dies wohl der Norm ent- 
^ridit £ine nennenswertbe Vermehrung des interstitiellen Gewebes konnten 
vir nicht featetellen, ebensowenig eine Vermehrung der Mastzellen.^ Aber selbst 
v«BB weitere Untersochnngen eine derartige, sich immerhin in engen Grenzen 
haHimdA Zahlverrmgernng nnd Formverändernng der Zellen als ganz gesicherte 
Tkatacbe hiiistellten, müsste man zngeben, dass wir es mit einem geringfögigen 
Befunds gegenüber der anatomisoh so stark ausgesprochenen 
Sntostiangserkrankung zu thun haben. Soweit beiden wir uns jedenfalls 
kWoent^dben in Uebereinstimmung mit Sobatfeb's anatomischen Befunden; 
BÜt den Schlüssen jedoch, die dieser Autor hieraus gezogen, können wir uns 
ucht b^OTuden. Sohavfbb sagt: „Die Auflösung der chromatischen Substanz 
at än an^omisdier Index der gestörten Zellvitalitat. Von diesem Standpunkte 
n müssen wir den Mangel von Veränderungen der ohromatisohen Substanz 
m da ^inalganglienzellen als einen Beweis dafür betrachten, dass die initiale 
Uaon der Tabes ausserhalb der Spinalganglien äch befindet 

Hierfür spricht auch schon der Umstand, dass der periphere Nenritast des 
Axeo^hiiders unverändert ist; würde die Spinalganglienzelle der Sitz der 
Idsion sein, so müsste nicht nor ihr centraler Neuritast, d. h. die 
hätme Wurzel, sondern auch ihr peripherer Ast, d. h. der periphere sensible 
Nerv, d^eneriren, da doch die trophisobe Bolle des Bpinalgai^lions wohl zweifel- 
hi ist Q. 8. w. — Mit der Localisation der primären tabischen Läsion in den 
ünteren Wurzeln, wobei der periphere Ast der Spinalganglienzellen intact bleibt, 
ifiiimt aufs Beste die Experimentaluntersnohung von Luuabo, laut welcher die 
SpinalgaDglienzdlen bei Durchtrennung des peripheren Astes eine tiefgehende 
Tcrändemig erfahren, hingegen normal bleiben, falls das Messer den centralen 
Aat tnV* So weit Sghai-fbb. 

Die Bdiauptung Lügabo’s, dass die Spinalganglienzellen normal erschienen, 
«am ihr centraler Nervenast durchschnitten war, widerspricht den Befunden 
am penpberen motorischen Neuron. Nach den experimentellen Untersuchungen 
htm Hum und den patholc^;isch-anatomischen beim Menschen kann es wohl 
»wmAt als eine völlig geaioherte Thatsaohe gelten, dass nach einer primären 
SAadiguttg eines peripheren Nerven secundär Veränderungen an den ent- 
^ceäieiiden Ursprangazellen wah^enommen werden, gleichgültig, welche Theorie 
■iB Ar ihr Zustandekommen annehmen will, gleichgültig auch hinsichtlich einer 
etwaagsn Bestitatio ad integrum der Zellen. Wir glauben gegen Luoabo nicht 
onbeadieiden za sein, wenn wir weitere Experimentaluntersuchungen für wünschens- 
vertli erachten nnd abwaiten wollen, ob die Behauptung dieses Autors, dass die 


* et OmKRMSM o. SixiaaLiKe, WoLLmtBa, GtotiDSOHiiDu, Stbobbb. 


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SpiDalganglieuzellen nach einer acuten, experimentellen Yerletzang ihres centralen 
Nerrenastes normal bleiben, wirklich vor jedem Zweifel gesichert dastehe; MSt 
dann kann es an der Zeit sein, diese Ei^ebnisse in die DisonssioD einzuföhren 
and weitere Schlüsse an sie zu knüpfen. Was den peripheren sensiblen Nerr 
anlangt, so glauben wir doch, dass schon bemerkenswerthe Untersuchungen vor* 
banden sind, welche über Verändorungen in den grosseren peripheren Nerren- 
stammen und in den feineren sensiblen Nervenveizweigungen berichten.* 

Wenden wir uns nun zu dem — wie uns scheiuen will — Haupteänwand 
Sohafvbb’s gegen die Theorie, dass die Erkrankung des Hinterstranges bei der 
Tabes von einer Läsion der Spinalganglienzellen abhängig sei. Nach ScHAFns 
ist diese Theorie unvereinbar mit dem Mangel von Veränderungen der chroma* 
tischen Substanz in den Spinalganglienzellen, denn „die Auflösung der chroma* 
tischen Substanz ist ein anatomischer Index der gestörten Zellvitalität“ Wir 
können nur betonen, dass wir den anatomischen Befund Sobaffeb’s in unseren 
zwei Fällen von Tabes bestätigen können; zwingt aber derselbe zu den Schluss¬ 
folgerungen dieses Autors? Wir glauben diese Frage verneinen zu mfissen. ln 
der Alteration der Granula — Schaffeb’s chromatischer Substanz — glauben 
wir, wie wir an anderer Stelle auseinander gesetzt haben, eine bereits anatomisch 
sichtbar gewordene Beaction der Zelle auf die durch die Kruikbeit, d. h. be^ 
sondere Beizvorgäoge, abgeänderten Lebensbedingnngen sehen zu können, inso¬ 
fern hierdurch in mehr oder weniger acuter Weise der ganze innere Betrieb und 
das Gleichgewicht der Zelle gestört wird.‘ Die Restitution der Granula ist für 
uns ein anatomisches Kriterium, dass die Anpassung der Lebensvorgänge in der 
Zelle an die äusseren Einflüsse stattgefunden hat Dies wird dann eintreten, 
wenn die abnormen Beizvorgänge abgeklungen sind und die Zdle jenen Beiz¬ 
einflüssen, auf die sie vordem eingestellt war, wieder unterworfen ist, oder falls 
in der Zelle Elemente hervortreten, die bei dauernder Einwirkung abnormer 
Reize diesen adäquat sind. Die Alteration der Granula ist uns ein anatomistflier 
Ausdruck einer mehr oder weniger acut entstandenen intracellulären Gleich¬ 
gewichtsstörung, die an sich uns noch nicht ohne Weiteres zu Schlüssen be¬ 
rechtigt auf die Art oder den Grad einer Störung der, sagen wir der KQrze 
halber, specifischen Function der Zelle; so glauben wir z. B. eine Verändening 
der Granula in den Vorderbomzellen nicht in einfache, directe Beziehung zu 
der Art oder dem Grade einer etwa vorhandenen Motilitätsstörung bringen an 
können. Kehren wir zu unseren Spinalganglienzellen zurück und machen wir 
die vielleicht nicht unberechtigte Annahme, dass auch fernere Untersuohnngen 
keine Veränderung der Körnchen und Kömohenaggregate in d^ Zellen darthnn 
werden. Man könnte vielleicht geneigt sein, besondere Hofihungen auf die 
Untersuchungen von Fällen zu setzen, die im allerersten B^finn der Hinter- 
strangserkrankung starben; jedoch ist zu bedenken, dass es sich hier sehe« nicht 
mehr um Frühfalle sensu strictiori handelt 


< StbOxpbll. Krankheiten des Nervensystems. 1892. Leipzig. S. 220. 

* ef. 0. Rosenbaoh. Qrandlageo, Anfgabeo and Grenzen der Therapie. 8.1S2. 1891. 
und: Die Krankheiten des Herzens und ihre Behandlung. 1897. 8. 648. Wien u. Leipzig. 


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157 


Ist es Olt zu aoatomisch siohtbuen Yerftodernngen in den Strängen ge- 
knimen, dann können wir wohl sicher annehmen, dass sdion abnorme Vor¬ 
züge Toraasg^angeD sind, deren erst anatomisch sichtbar gewordener Ausdruck 
^ jam Veränderungen sind. Schaffsb selbst berichtet über einen derartigen 
FtU und sagt, es fiel ihm auf, dass die chromatische Substanz sich hier inten< 
gesättigter förbte, während die Spinalgai^lienzellen Ton absoluter Tabes 
^äasei tingirt erschienen. Wir glauben aber, dass auch Sohafvbb hierin keine 
temtlicibe Differenz sieht 

Versuchen wir nunmehr in Efirze eine Erklärung für den Mangel an Ver> 
iadwnngen der Körnchen und Eömehen^gregate in den Spinalganglienzellen 
m g^)en, zunächst unter der erbetenen Voraussetzung, dass eine primäre Läsion 
a den Zellen secimdäT die Erkrankung der Hinterstränge anslöst Gleichgültig, 
■ckfae Vorstellung man auch über die eigentliche Ursache des tabischen Pro- 
asm hegen mag, so wird man das Eine wohl zugestehen können, dass die 
Zeilen bei ihm nicht mit einem Schlage abnormen Beizrorgängen unterworfen 
veideo, dass die gewohnten Lebensreize, auf die die Zellen bislang abgestimmt 
wen, erst allmählich ihre Herrschaft abtreten, so dass den Zellen Zeit gelassen 
oä wild, den sbgeänderten Lebensbedingungen sich etwa änzupassen. Wir 
kdkn uns nun vor, dass die Function der Spina^anglienzellen darin besteht, 
den von ds Peripherie zu ihr gelangmden Beiz in einer für die Hinterstränge 
Qöftigen Weise za metamorphosiren^; diese Thätigkeit der Zelle ist den normalen 
Beäfotgäng^ adäquat Wir yermuthen nun, dass, sobald letztere von abnormen 
Benemflräsen al^elöst werden, unter der Herrschaft dieser jene Transformations- 
fihigkeit der Zelle dahin abgeändert wird, dass statt der normalen Metamorphose 
des T<»i der Peripherie zur Zelle gelangenden Beizes eine abnorme zu Stande 
kommt, welche auf die Hinterstränge schädigend ein wirkt Da dieser Umwande- 
Ingsprocess der cellolären Thätigkeit sich nicht mit einem Schlage vollziebt, 
■udsn sidi als Product einer allmählichen Anpassung an die abgeäuderten 
Lehensbedii^angen darstellt, finden wir keine Alteration der Körnchen und 
Köracfaaiaggregate, in der wir nur einen anatomischen Ausdnick einer mehr 
oder wBiägeT acuten Beaction der Zelle bezw. den Mangel einer Anpassung 
abüekcai. Eine wesentliche Veränderung der specifisch functionirendeu Grund- 
—**^**» kräinen wir mit den hier angewendeten Methoden nicht nachweisen. 
SiOte die Fonnveränderung und Verkleinerung der Spinalganglienzelle als eine 
eswtante und sehr wesentliche Veränderung anerkannt werden, so könnte diese 
Tfasknebe unserer Auffassung nicht widerstreiten. Die Anpassung der Zelle an 
abgeänderten Lebensbedingungen können wir auffassen als einen Kampf 
der Tbefie, in welchem gewisse Elemente der Zelle zu Grunde gehen, während 
aadere überleben und weiter gedeihen.* — Mit dieser in Kürze dargebotenen 
Theorie w(filten wir nur den Versuch machen, den Mangel an Veränderungen 


* et. W. Bo0X, Der Kampf der Theile im OrganismoB. 1881. Leipzig. S. 175. — 
I. sMä HteBL, Aaaoeiatioa and Loealisatioa. Allg. Zeiteohr. f. Psychiatrie. 1897. Bd. LIV. 
3.9S«. 

• W. Booz, L c. 


D g ii/od oy GOO^ IC 


158 


der Eömchen and Eömchena^^te zn erklären, und daranf hinweisen, dass 
wir durch diesen negativen Befand nicht gezwungen sind, sofort die Yoistellang 
aufzugeben, dass die Erkrankung der Hinterstränge von einer primären Störnog 
der Spinalganglienzelle abhäi^ Natflrlich haben wir auch nicht den Beweis 
erbracht, dass eine solche primäre Zellläsion vorli^en muss, wir glaubten eben 
nur die M^liohkeit ihres Vorhandenseins im Hinbliok auf den nativen anato* 
mischen Betiind nicht bestreiten zu können. 

Es sei uns gestattet, im Anschluss hieran in Kürze über einen Fall za 
berichten, den wir in der Anstalt klinisch beobachten und hernach anatomisch 
untersuchen konnten. Ein 49jähriger Paralytiker zeigte etwa 7 Wochen vor 
seinem Tode im Anschluss an vorwiegend linksseitige paralytische Anfälle eine 
bleibende Hemiparesis sinistra. Für die anatomische Unterlage derselben sprachen 
wir einen Befund an, den wir den von BönsKsa und Juijusbubgbb^ be¬ 
schriebenen Veränderungen in ähnlichen Fällen von Dementia paralytica an die 
Seite setzten. In dem vorli^nden Fälle fanden wir eine Hinterstrangserkrankung, 
die den Charakter der Tabes trug. Sie zeigte zwei anatomische Ausdruoks- 
formen, einmal einen Steren Process, gekennzeichnet durch Atrophie bezw. 
Schwund von Fasern und Zwischengewebsvermehrung, zweitens durch einen 
jüngeren Process, der mittelst der MAnom-Methode in deutlichster Weise hervor¬ 
trat. Wir halten uns nun für vollständig berechtigt, die Hemiparese anzusehen 
als bedingt von einer primären Störung der Pyramidenzellen in den Central¬ 
windungen. Diese Thatsache könnte dem Gedanken Baum geben, auch die 
Hinterstrangserkrankung auf eine primäre Störung der Spinalganglienzellen 
Zurückzufuhren. Lehnt man diesen Gedanken ab, so ist man gezwungen, den 
Angriffsort der Erkrankung des Seitenstranges und der Hinterstränge nicht an 
einer gewissermaassen correspondirenden Stelle, nämlich den jeweiligen Urspmngs- 
zellen der Fasern, zu suchen, sondern beide Processe prindpiell zu trennen; 
acceptiren wir aber jenen Gedanken, .so haben wir wenigstens den einen Yor- 
theil, beide Processe, wenngleich wir ihren eigoitlichen Ausl^ungsvorgang nicht 
kennen, gleichsam auf eine gemeinsame Grösse, zurückfahren zu können, insc^em 
wir sie von einer primären Zellstörung abhängig machen, mag deren 
Charakter auch ein verschiedener sein. 

Weitere Beobachtungen und anatomische Befunde werden zu entscheiden 
haben, ob eine derartige Auffassung zu Recht besteht; wir wollten durch unsen 
Ausführung nur auf ihre Möglichkeit hinweisen. 

Zum Schlüsse erfüllen wir eine angenehme Pflicht, wenn wir unseren 
hochverehrten Chef, Hm. Geheimrath Mobli, für die üeberlassung des Materialei 
unseren ergebensten Dank auch an dieser Stelle aassprechen. 


,Google 


* Neurolog. Ceatralbl. 1897. S. 774. 


159 


4. Notiz betreffs des Kindenfeldes der Hinterstrangbahnen. 

Von Dr. med. Armin TBOhennak in Leipzig^. 

Kteh experimenteUer Zerstönmg der medullären Hinterstrangkeme bei 
Kstzen &nd icb^ den sog. Markscheidenzer&U nach Mabohi — abgesehen von 
ahlrädiea smtlichen Beziehungen, speciell zur Oliva inferior, zur Formatio 
reheolanB, zom Gran der Brücke und des hinteren Paares der Yierhügel — 
sicht bloss bis in die ventrolaterale Abtheilung des Sehhügels (und zwar in das 
?aitiile Kemlager des „Thalamnsmaffliys“, in die „Thalamnsschale“ oder Gitter- 
«üdit, zum Theil auch in das Centre mddian) sich erstrecken, wie dies die 
üdtengoi Untersncher, welche denselben eingeschlt^en haben (Sinoeb 
ond Mühzes, Febbieb und Tübneb, W. Mott), beobachteten. Ich konnte 
ridmshr eine nicht unbeträchtliche Anzahl degenerirter Fasern durch den Seh- 
Ugel hindoreh verfolgen, welche sehr bald nach dem Eintritte zwischen Schale 
Massiv des Thalamns (in den „Hilns thalami“) wieder austreten, aUerdings 
sieht za einem Bdndel geschlossen, sondern ziemlich verstreut. Die am mdsten 
veolnl getanen Fasern ziehen im Bogen durch den Himschenkelfnss nnd 
leben Collateralen an den Nnclens hypothalamicus (Corpus Lujsii) ab. Ein 
rohältniasmassig kleiner Theil der Fasern wendet sich medialwärts und läuft 
m Veatealrande des Pes pedoncnli, unmittelbar dem Tiactus opticus aufgelagert, 
meh der (jl^end des Tuber cinereum: diese Fasern bilden einen Bestandtheil 
der Cmnmasnra hypotbalamica media Metnbbt’s und gelangen nach dem 
Cebersäueiten der Mittellinie anf dem analogen Wege zwischen Peduncnlus 
nd Trachis in den Globos pallidus der anderen Seite, ein Verhalten, welches 
mast von Flecesio erkannt wurde. 

Dct grössere Theil jener Fasern, welche ventral and ventrolateral ans dem 
Diilamas wieder anstreten und den Himschenkelfnss durchziehen, gelangt in 
Lmsenkem derselben Seite, und zwar einerseits durch anfängliches Entlang- 
Beten längs der Basis tmd späteres Emporbiegen, andererseits durch direotes 
QMröbezziebeiL nach dem Globus pallidus. Die Faserveizweigung dortselbst 
aeteint nicht sehr erheblich zu sein, vielmehr verlässt wohl die Mehrzahl der 
Fasern, vorwiegend die Lamina medollaris medialis und lateralis, jedoch auch 
te Msrklamelle zwischen Putamen und Inselrinde benützend, den Linsenkern 
I vieder mul verstrent sich dorsalwärts in den Stabkranz. 

fine weitere Zahl von s(^. directen Fasern bricht lateral aus dem Seb- 
%el durch die Schale hervor in die innere Kapsel und steigt verstrent durch • 


* Die hier veröfibotliehten Ergebniwe habe ich bereits vor Jahreefrist in einem Vor* 
0^ is der Leipziger Biologischen Gesellschaft mitgetheilt. — Eine ansrührliehe Arbeit: 
tFebfT aentrsleo Verlauf der aofsteigenden Hinterstrangbahnen and deren Beziehungen 
n dm Behnen im VorderseiteDstrang" werde ich n&cbstens im Arcb. f. Anai von W. His 

fobfidriB. 



n, vGoogIc 


160 


deren Fasermasse, besonders längs der Dorsalfläohe des Linsenkems Terlaafend, 
in den Stabkranz empor. 

Es besteht also bei der Katze eine nicht unbeträchtliche Zahl sog. directer 
Fasern, welche ans den Zellen der contralateralen Hinterstrangkerne entspringeD 
nnd zur Grosshimrinde ziehen: es ist also, soweit die Voraussetzung zutrifft, 
dass der sog. Markscheidenzerfall anf das lädirte System innerhalb einer Leitnngs- 
bahn (wenigstens innerhalb 2—3 Wochen) beschränkt bleibt, bei der Katze 
ein kreuzendes Hinterstrangkern-Grosshirnrindensjstem zu er- 
schliessen, welches die Masse des Thalamus und theilweise auch 
des Linsenkems passirt und wohl mit ihr durch Seitenzweige in 
Beziehung tritt. Es ist aber wohl die erheblich äberwiegende 
Mehrzahl der langen Hinterstrangkernfasern, welche im rentralen 
Kernlager' des Thalamus definitiv endigt, also ein kreuzendes 
Hinterstrangkern-Thalamussystem darstellt. Meine Aussage hat natür¬ 
lich zunächst nur für die Katze Berechtigung. Jedoch machen mehrere Um¬ 
stände ein ähnliches Verhalten beim Menschen ziemlich wahrscheinliclL Ich 
glaube demnach die Anschauung, welche Fleohbio immer wieder bezüglich des 
menschlichen Gehirns vertreten hat, für die Katze erweisen zu können. 


Gyr. siymaides 

ßyr. Gyr. 
cruc. cruc. 
ont. 'post. 


Loh.olfact. 


Gyr. supraspJaüus g. ttjxtrguutHs- 

I {‘kSoyennnndung) ßyr. sapmsytviMS 

'"(SBoyemvmduny) 



'e»pwtt<ftgy 

- -Gyr lytviacus 
(Uoyaavmduny] 


Gyr eoronxüis 


V 

Anaxlomose Gyr.detosyU/iuB (ZMoyenmiubaty. 


Besonderes Interesse beansprucht jener Rindenbezirk, innerhall 
dessen die den Thalamus durchdringenden Fasern endigen. Es m 
dies, wie auf der obenstehenden Figur durch Scbrafürung angedeuteb, in erste: 
Linie der Gyrus coronalis (Pars anterior gyri supra^lvii), besonders dessei 
mittleres Höhendrittel und dessen bei der Katze häufige Uebezgangswindunj 
zur Pars anterior gyri ektosylvii; der letztere Bezirk entspricht gerade der First 
höhe des Putamen. In zweiter Linie kommt die angrenzende Pars an 
terior gyri ektosylvii und das vordere Drittel des Gyrus supra 
splenius in Betracht Dieses Gebiet lässt sich auch kurz als B^on hinte 
der Fissura coronalis bezeichnen, welch letztere bei der Katze häufig von de 
sonst anschliessenden Fissura lateralis (dritten Bogenfurobe) abgetrennt ist. 


Google 




161 


Welchen ^ndengebiete des menschlioben Gehirns entspricht jener Bezirk 
des Kstsenhirns? Mbtvebt^ hat wohl als erster die Fissura coronalis, nicht 
die Fissura cruciata, der Katzen als Homologon der Fissura centralis des 
Mfltsrhen erklärt nnd den Gjms coronalis, d. h. das vordere Drittel der dritten 
Bogenwindong (Pars anterior gyri suprasylvü) der hinteren Centralwindung 
giochgesetst Für das Hnndehim, welches im wesentlichen denselben Windungs- 
npQS anfweist, hat EijIiEnbeboeb’ allerdings die Fissura cruoiata in herkömm- 
lieber Weise als der menschlichen Centralfarche gleichwerthig bezeichnet, doch 
dcDtet er gleichfalls die M^Uchkeit der Homologie der Fissura coronalis mit 
ds CentralfoTche am’ 

Kadi Abtr^ang des Gyros sigmoides bei der Katze fand Monakow* die 
vatrale Kemzone des Thalamus und die Hauptschleife ziemlich intact, hingegen 
nach Rntfemong fast des ganzen Gyros coronalis (einschliesslich der Lateral- 
pntie des vorderen Drittels vom Gyrus suprasplenius und der Medialhälfte des 
Gjtqs snpia^lvias, zugleich Durchtrennung des ganzen Frontalmarks) Atrophie 
dff vorderen nnd medialen B^on des Yentralkernl^ers im Thalamus, sowie 
dff Hanptschleife und der contralateralen Hinterstrangkeme. Hält man diesen 
Befond mit meiner Feststellung über das Einstrahlungsgebiet des kreuzenden 
ffintostrangkem • Grosshimrindensystems zusammen und berüoksiohtigt man 
^eeieU den pathologischen Fall Flechsig-Hösel’s^ von completem Schwund 
ist Hanptschleife nach alter Zerstörung der hinteren Centralwindung, so erscheint 
wohl die zuerst von Meynebt geäusserte Ansicht sehr wahrscheinlich. Dem- 
tAch kann man sagen, dass das von mir bei der Katze nach- 
lewiesene directe System in dem Homologon der hinteren Central- 
vindnng des Menschen endigt, dass jenes Thier ein kreuzendes 
Hinterstrangkern-Centralrindensystem besitzt 

Eb entsteht nun die Frage, wo das thalamocorticale System einstrahlt, 
vridtes sich an die Stammfasem des Hinterstrangkem-Thalamussystems und 
whl auch an Collateralen des Hinterstrangkem-Centralrindensystems anschliesst 

Monakow schliesst aus seinen Versuchen an Katzen, bei welchen er ziemlich 
amgedehnte Verletzungen der Binde und des Hemisphärenmarks erzeugt hatte, 
im haapteächlicb die Zerstörung des Gyros coronalis (und der angrenzenden 
Thole des Ojms cruciatus posterior und des Gyrus ectosylvius anterior) zur 
Atroplüe des ventralen Kemhtgers des Thalamus führt’ Demnach hätten die 


* Oie Windnsgen der oonvezen Oberfliobe des VorderhlroB bei Menecheo, Äffeo and 
tiatehierea. Arch. i. Pejch. Bd. VIL 1876. S. 257. 

* Arefa. f. wies. n. prakU Thierheilk. Bd. XV. 1889. 

* flne*^”*** des Bundes. Berlin 1891. Parey. S. 494 n. 496. 

* Correspcmdenzbl. f. Schweizer Aerzte. 1884. Nr. 6 a. 7. S. anch Neorol. Ceotralbl. 
l ass g. NeS and Hanbenregion. 1895. S. 67 n. 70. 

* Nenrolog. Centralbl. 1890. S. 417 nbd Arcb. f. Psyclu Bd. XXIV. 1891. S. 452. 

* pnUiolog.-anatom. and experiment. ünterrachongen über die Haabenregion n. s. w. 

t.yi> ^ PByeh. Bd. XXVn. 1895. 8.1 n. 886. Anoh separat: Berlin. 1895. Birsohwald. 
AM. — Gioe genaaeie Anfklämng dieser Beziehnag, sowie eine Bestätigung 

11 


D g ii/od oy GOO^ IC 



162 


den Sehhügel einfoch dnrchsetzende und die wohl bedeutend faserreichere, im 
Thalamus „unterbrochene“ (umgeschaltete) Hinterstrang^Grosshimbahn bei der 
Katze denselben corticalen Endigungsbezirk, wie dies wohl von vornherein wahr¬ 
scheinlich ist 

Als gemeinsame Hanptendigungsstätte der kreuzenden Hinter- 
strang'Grosshirnbahnen bildet daher der Gyrus coronalis (das vor¬ 
dere Drittel der dritten Bogenwindung) der Katze das Homologon 
der hinteren Gentralwindung des Menschen. Ich vertrete damit 
die zuerst von Mbtnebt ausgesprochene, der herrschenden Ansicht 
aber widersprechende Gleichstellung der Fissura coronalis (Pars 
anterior fissnrae lateralis) des Katzenhirns (und wohl der Gehirne 
mit Yierwindungstypus überhaupt) mit der RoLANDo’schen Gentral- 
furche des menschlichen Gehirns. 

Aus eben jenem Bindenbezirk entspringen hinwiederum Fasern des Pyramiden- 
seitenstrangsystems, geht also zum Theil wenigstens die betreffende cortico- 
musculüre Bahn hervor. Dies ergiebt sich aus den Degenerationsbefunden, 
welche Mabcbi und Alohebi^ nach Bindenläsioneu am Hnndehim erhielten, 
welches dem der Katze durchaus analog gegliedert ist Die genannten Forscher 
fanden nämlich wohl schon nach Exstirpation des Gyrus sigmoides reichliche 
Schollen im Pyramidenseitenstrangfelde der G^enseite; das gleiche Resultat 
hatte aber auch die Exstirpation der oberen Hälfte des Gyrus coronalis und 
des vorderen Antheils des Gyrus suprasplenius und suprasylvius. Durch meine 
Befunde im Verein mit den angeführten Versnchsergebnissen an¬ 
derer erfährt die von Ghabcot auf Grund der klinischen Erfahrung 
am Menschen aufgestelite, von Flecbsiq anatomisch begründete, 
weiterhin vielfach verificirte These eine neuerliche Bestätigung, 
dass der um die wesentlich oberflächenvergrössernde* Gentralfurche 
gelegene Antheil der Grosshirnrinde die gemeinsame oberste Stätte 
motorischer wie sensibler Bahnen, speciell der Hinterstrangbahnen, 
darstellt 


meiner AnfateUongen ist eioerseita von dar Yerfelgong der Mvkseheidenenfcwiokelnng am 
Gehirn der Katze oder des Bandes, andererseits vom Stadium des Verhaltens der ^lleo 
(NusL'sche Methode) im rentralen Eerolager des SehhUgels, sowie in den contralateralen 
HinteratraDgkemen nach möglichst isolirter Läsion des Gyros coronalis, etwa mit dem 
Thermo* oder Galranokaater, za erhoffen. 

* Birista speriment di heniatria. Vol. XU. 1886. S. 208. — Allerdings ist beim 
Bande jede tiefergreifende Verletzang des Gyros coronalis mit Läsion des Stabkranzantheils 
des Gyros sigmoides verknOpft. 

* Die schon von Mbtnsbt heryorgebobene „Neigung zur Anastomosenbildnng" am 
Katzenhim bedeutet eine relative Verkleinerung der Oberfläche gegenOber dem sonst analogen 
Buodehim. 


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163 


[Abs der Anstalt far Sprachanomalien und Krankheiten der Nase und des 

Rachens in Warschau.] 

5. Von der Bedeutung der Associationscentren 
von Flechsig zur Erforschung der Entwickelung des Geistes, 
der Sprache, der Psychologie der Sprache, 
wie auch der Lehre von der Sprachlosigkeit. 

Von Dr. W. Otussewski. 

Die überaus interessanten anatomischen Forschungen Flechsio’s über die 
EBtwkkelung der Ijeitungswege, der Sinnes* und Associationscentren im Qehim 
’ict Embryo nnd Neugeborenen wecken, indem sie die immer mit Geheimnissen 
eifönte psychische Sphäre des Menschen betreffen, die Wissbegierde sowohl unter 
des Rülosophen, Psychologen, Forschem der Intelligenz und der Sprache, wie 
tadi unter den Logopathologen and Fsychiatren. Ohne die Bedeutung zu unter- 
xhitzen, welche diese Arbeit in allen benannten Richtungen haben wird, be- 
sektinken wir uns allein mit dem Hinweis auf die Wichtigkeit derselben für 
he Forschungen über die geistige, sprachliche und psychophysiologische Entwickelung 
^ Sprache, wie auch über die I^hre von der Sprachlosigkeit Obgleich sie für 
die Psychophysiologie der Sprache und die Lehre von der Sprachlosigkeit nicht 
diese Bedeutung besitzt, wie für die psychische Function des Gehirns, da sie 
her hist nichts Neues einführt, so giebt sie uns doch immer mehr die Mög¬ 
lichkeit zum erwünschten Ideale der Begründung einer rationellen Psycholc^ie 
der Spradie und der Classification der Aphasieen näher zu kommen, indem sie 
dmh anatomische Beweise viele früheren Deductionen bestätigt, die sich nur 
uf Beobachtungen über die Entwickelung der Sprache und der Intelligenz des 
Kindes, oder auf klinischen Beobachtungen der Sprachlosigkeit stützten. 

Ehe wir zum eigentlichen Gegenstände übergehen, erlauben wir ons die 
UatT mit dem Inhalt von Flbchsio’s Arbeiten^ bekannt zu machen, nicht in 
der ganzen Ausdehnung derselben, aber in der Richtung, die uns gegenwärtig 
ateressirt. 

Bei der Erforschung der Gehirne vor und nach der Geburt ist der Autor 
za der üeberzeugung gekommen, dass die Leitungen von verschiedener functio- 
BcHer Bedeutung zu verschiedener Zeit eine Markhülle erhalten. Zuerst reifen 
'fie Gefühlsnerven des Körpers, welche die Tastleitungen und allgemeinen Ge- 
ffihle, wie Hanger, Durst u. s. w., wie auch das Muskelgefühl enthalten. Fast 
reifen die Gerucbsleitnngen, die zur Rinde führen, etwas später die 
des Gesichts, am spätesten die des Gehörs. 


* Vom 4. intcrDStioDaleD Congreme für Psychologie in Mfiocben 1896: üeber' die Asso*' 
rwtt—uMbuM des mensehlidieQ Gebiras. — Die Localisatioo der geistigen Vorgänge. 189C. 

* ~ii|iiit: — Gehirn ud Seele. 1696. Leipzig. 

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Dig v7cö 


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164 


Anf Grund der ontologischen Difierencimng stellte Flechsig folgende 
Schlüsse anf, welche die Gruppirong verschiedener Sinnescentren in der 
Rinde betreffen: 1. sie nehmen beim Menschen nur Vs Hirnrinde 
ein, 2. sie sind kein verbundenes Ganzes, sondern von einander dotch Tbeile 
der Rinde abgegrenzt, zu welchen weder sensorische noch motorische Nerven 
gelangen, 3. sie machen vier verschiedene Gegenden aus, von denen die grösste 
die Tastg^end ist, die der allgemeinen Gefühle des Muskelsinnes (Körperfühl- 
gegend), die kleinste d^egen ist die Gegend des Geruchs (die unerforschte 
G^end des Geschmacks verbindet sich wahrscheiulich mit der G^end des 
Geruchs oder des körperlichen Gefühls). 



Rit^vgphort 


Die Localisiruug der Sinnescentren ist folgende: 

Die Verlängerungen der hinteren Wurzeln looalisiren sich, indem sie zu; 
Rinde gelangen, um die Centralfurche (Fissura centralis) in den mittleren Hiru 


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165 


windmigeDy dem Fass der StirDwindnngeD and theilweise im Gyros paraoentralis 
and im Gynm fomicatas. 

Keee ganze G^nd nennen wir die Sphäre des körperlichen Gefühls oder 
die T^stspbäre (Körperfühlsphäre). 

Ihe Riechleitangen localisiren sich im Bezirk der Himbasis, im Gyrus un- 
dsatos, theilweise im Stimlappen (Stimsphäre des Geruchs bis zom Anfang 
des (}yra8 fomicatas) nnd im Gyrus hippocampl 

Üe Ldtangen des (^sichte endigen in der G^end der Fissnra caloarina, 
timlweiae im Onneas, Ijobnlos lingualis und im hinteren Pol des Hinterhaupts- 
I^vpens. 

Die Wege des Gehörs localisiren sich hauptsächlich in der ersten Schläfen- 
vindong and in beiden Wurzeln derselben in der Tiefe der Fossa Sylrii. 

Aus den Snnescentren oder in der Nähe derselben gehen alle motorischen 
Xerrmi aas, und die Zellen, welche ihren Anfang bilden, unterscheiden sich 
doieh ihre Grösse und pyramidalische Gestalt Der grösste Theil der motorischen 
Kerren geht aas der Eörperfühlsphäre aus, und kaum Vs Gehörg^end. 

Die motorischen Fasern bilden den sog. Grosshimschenkelfuss (Pyramidenbahnen). 
So sind alle Sinnescentren im Gehirn gefühlsmotorische, die Hauptrolle in ihnen 
aber spielen die Gefühlsleitungen, welche auf dein Wege der psychischen Reflexe 
die motorischen Leitungen innerriren (Metkebt’s Projectionsfelder). 

Was die Thätigkeit der Sinnescentren anbelangt, so unterbot es 
kamem Zweifel, dass das Bewusstsein der Eindrücke, das ist Sinneswahr- 
oehmuiigeD, ohne Mitwirkung dieser Himgegenden unm^lich ist (so verursacht 
2 . B. die beiderseitige Zerstörung der Sehgegend Blindheit bei gänzlich gesunden 
Augen o. & w.). Wenn wir also unter dem Ausdruck Sinneswahmehmungen 
bewusste Bilder von im Augenblick erhaltenen Eindrücken ohne Beimisdiung 
irgend welcher Erinnerung verstehen, so unterliegt es keinem Zweifel, dass eben 
die Sinneaxntren diese Function vollbringen, nnd zu solchen Wahrnehmungen ist 
adam der Neugeborene fähig. Anders verhält es sich, wenn wir unter Wahr- 
DduDuogen eine gewisse Sammlung von Eindrücken und Erinnerungen ver- 
atdaoL Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Sinnescentren Wahrnehmungen 
in dieser weiteren Bedeutung bilden könnten, denn es handelt sich hier schon 
um p^chische assocürte Processe, die entweder aus Sinneswahrnehmungen ver- 
Khkdener Art oder aus der Verbindung von Eindrücken und Erinnerungen, 
die ach aof dasselbe Centrum beziehen, hervorgehen. 

Bei der näheren Forschung des Hirns von Neugeborenen überzeugen wir 
uns, daaa darin die Verbindungen zwischen den einzelnen Sinnescentren fast 
feUeo. Nor zwischen der Geruchsgegend und der Gegend des körperlichen Ge¬ 
fühls befinden sich wenige Associationsbündel, wie auch wenige aus der Gegend 
des Gehörs und des Gesichts zum Gentrum des körperlichen Gefühls ausgehende 
Faacru, welche den Reiz einer Gegend in die andere übertragen. Verhältniss- 
mäfifflg zeitig finden auch die Associationen mittels der Balkenfasern beider 
Gegenden des körperlichen Gefühls statt, denn schon bei reifen Neugeborenen 
geben Fasern von einer dieser Gegenden zur anderen über. 


IJig i'Fcö Cv" Google 



166 


Was f&r eine Bedeatung haben also jene Rindcnfelder, die dnrch keine 
Sinnescentren eingenommen sind und in keiner Verbindung mit der Zusammen- 
seteung der Projectionsfasem (gefuhlsmotoriscbe Leitungen) stehen ? Die 
Forschungen über die Himrindenentwickelung des Kindes, die rei^leicbende 
Anatomie (in dem Maasse, wie wir in der thierischen Hierarchie höher steigen, 
sehen wir die immer grössere Entwickelung der Associationscentren), wie auch 
die Pathologie (die Aphasieen, manche pathologische Frocesse im Qehim) werfen 
darauf für uns ein entsprechendes Licht. Schon im zweiten Monat bilden sich 
markhaltige Nervenfasern, welche von den Sinnescentren zu den erwähnten Feldern 
fuhren und dort verschwinden (Associationsfasem im Sinne Metkebt’s). Ihre 
Aufgabe ist verschiedene Theile der Hirnrinde unter einander zu verbinden nnd 
eben dadurch verschiedene Functionen derselben zu associiren. Beim weiteren 
Wachsthum des Säuglings durchlaufen Millionen dieser Associationsfasem die be¬ 
sprochenen Felder, wo sich die Zusammensetzungen der Associationen treffen, 
die aus dem Centrum des Gesichts, des Gehörs u. s. w. ausgehen. Nachträglich 
kommen die Fasern schon nicht aus den Centren, sondern aus jenen Feldern 
und gehen in die andere Halbkugel über (Balkenfasem). 

Im Einverständniss mit den dargestellten anatomischen Thatsachen giebt 
Fleobsiu den Rindenregiouen, die zwischen den Sinnesgegenden liegen, den 
Namen Associationscentren. Sie theilen die Sinnescentren nicht, sondern 
verbinden sie unter einander, aber dies findet erst einige Monate nach der Ge¬ 
burt statt. Diese Thatsache hat ein um so grösseres Gewicht, weil, wie oben 
gese^, sehr wenige unmittelbare Verbindungen zwischen den Centren existiren. 

Auf Grund der onthogenetischen Forschungen unterscheidet Flechsio drei 
Associationscentren, die aber unter sich eine innere Verbindung haben. Das 
grösste hintere liegt zwischen der Gegend des körperlichen Gefühls, des Ge¬ 
hörs und des Gesichts, theilweise zwischen der Gegend des Gesichts, des Gehörs 
und Gyros hippocampi. Weit weniger Raum nimmt das vordere oder Stirn- 
associationscentrum ein, das sich an der Spitze des Stimlappens und vor¬ 
nehmlich bei seiner Basis befindet. Das kleinste, insulare, liegt in der Mitte 
und nimmt Reil’s Insel ein. 

Bei Läsionen im hinteren Associatiouscentrum finden keine Störungen in 
den eigentlichen Sinneswahrnehmungen statt, und die Kranken sind allein nicht 
im Stande, die im gegebenen Augenblick erhaltenen Sinneseindrücke mit im Ge* 
dächtniss erhaltenen diesbezüglichen Bildern zu verbinden; zweifellos finden hier 
Störungen in den Associationen statt. Das sinnliche Gebörcentrum z. B. ist 
allein zur sinnlichen Wahrnehmung von Geräuschen und Lauten bestimmt, aber 
dient durchaus nicht zum Verstehen der Wörter, denn dazu ist die Mitwirkung 
weiterer Rindengegenden, die sich im hinteren - Associationscentrum befinden, 
nötbig, und die hinsichtlioh desselben einzeln oder zusammengenommen nach 
oben (Verbindung der Tastvorstellongen mit Wörteml, nach unten (Verbindung 
der sachlichen Gebörvorstellungen mit Wörtern), oder nach hinten (Verbindung 
der Gesicbtsvorstellungen mit Wörtern) gelegen sind. Dem hinteren Associations¬ 
centrum legt Fleohsiu eine wichtige Rolle in der innerlichen Sprache bei, denn er 


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167 


schreibt ihm di« Erinnerong der Wörter zu, and in den Gedäcbtniss- und Associations- 
sttfoBgeu, die hier stattfindea, äeht er den Ursprung der sensorischen transcorticalen 
Aphade, transooiücalen Alexie, der optischen Aphasie, und bei Erkrankung der 
erwiboten Centren in beiden Halbkugeln der Agnosie von Fbbud (Apraxie). In 
folgen Fällen localer Veränderungen des vorderen Associationsceutnims, welches 
mVobindang mit der Körperföhlg^end steht, erscheint eine Geistesabschwächung, 
die mehr ixn Verlust des Interesses, der Auhnerksamkeit, des Nachdenkens, also 
der praktischen Anwendung von B^riffen und selbständigen Handlungsmotiven 
bouht, als im Vergessen der Wörter und Vorstellungen. Was endlich das 
ButUoe Associationscentrum betritt, so hat schon Metkebt die Meinung au8< 
goprodtm, dass ach hier die Gegend befinden moss, welche mit dem Sprach- 
■eehuiisinas in Verbindung steht, dass hier ^so die Associationen der Gehör-, 
Bevegnngs- und Tastffihlcentren stattfinden, welche bei der Spradie betheiligt 
and. Im Einverständniss mit dieser Ansicht hält Fleohsio die Insel Beil’s 
% das Centmm, welches in sich alle Sinnesfelder, sowohl sensorische wie auch 
notmsche, die bei der Sprache betheiligt sind, vereinigt 

ln den Ässooiationscentren findet, wie wir gesi^t haben, die Association 
vsadtiedener Beize der Sinne^egenden, wie auch deren Gedächtnissbilder statt 
Uese Yerbindung ist wahisobeinlich die Thätigkeit vieler Zellen, deren einzige 
Angabe es ist, zu associiren, und diese Meinung eben bildet den Grundnnter- 
aAied in den Ansichten über den Mechanismus der Association zwischen dem 
Standpunkt Fi^hsio’s und den früheren TheorieenWEBNiOEs’s, Meteebt’s u. A., 
«ekhe behaupteten, dass verschiedene Sinnescentren mit einander unmittelbar 
dmeh Associationsfasem verbunden sind. Da es nicht den geringsten Beweis 
giebt, dass die Beschädigung der Associationscentren die sinnlichen Wahr¬ 
nehmungen beeinträchtigen könnte, so dürfen die Associationscentren nur bei 
Wahrnehmungen in der weitesten Bedeutung dieses Wortes thätig sein, wobei 
a den smnlichen Eindrücken die Gedächtnissbilder hinznkommen. 

Die centralen Felder der Associationscentren (Gentralnenrone) stehen in 
kdner Verbindnng mit den sinnlichen Feldern. Sie befinden sich nur beim 
Umsehen und menschenähnlichen Affen und haben gewiss eine besondere Be¬ 
deutung im psychischen Leben. Alle diese Centralneurone verbinden sieb mittels 
Inger Associationssysteme mit der Gegend des körperlichen Gefühls, welche der 
IGUelponkt der ganzen Rinde wird. Dadurch bildet sich die Einheit des psy- 
chisdm Functionsmeohanismusses. 

Die Sinnesoentaren imd Associationscentren nehmen zwar besondere Gegenden 
des Hirns ein, aber durch ihre Elemente sind sie in anatomischer und fonctio- 
ndkr Hin5i<dit so genau von einander abhängig, dass die Theilung derselben in 
mtm gut entwickelten Organe ganz unmöglich ist Das Yerhältniss derselben 
at dem Verhältniss der Sinnlichkeit znm Verstände im geistigen Leben ähnlich, 
zw e i er Beiche, die sich theoretisch theilen lassen, aber in Wirklichkeit wie am 
mgaten mit einander verbunden sind. Jedes Sinnescentrum ist der Ansgangs- 
punkt für unzählige Associationsfasem, welche, obwohl sie sich von demselben 
entfonoD, doch durch ihren Anfang als seine Bestandtheile bleiben. Die ein- 


GoogK- 



168 


zelnen Sinnesoeutren sind zugleich mit ihren AssoclationsznsammensetzangeD 
wirkliche Werkzeuge der Seele. Die Associattonscentren erleichtern die gemein¬ 
schaftliche Thätigkeit dieser einzelnen Werkzeuge und bilden die sog. Merk¬ 
systeme. Zur selbständigen Function, ohne Antheil der Sinnescentren, sind sie 
nicht fähig, der Inhalt ihrer Function ist durch die Sinne^egenden g^eben, 
aber das System, welches dieser Inhalt erhält, ist allein vom Associations- 
mecbanismus abhängig. Ohne die Associationscentren hätten wir nicht die 
Mc^lichkeit, die Beobachtungen, welche uns verschiedene Sinne verleihen, in ein 
einziges Ganzes zu verbinden, indem wir ans ihnen Vorstellungen von Gegen¬ 
ständen bilden.* 

Wir werden uns bemühen, die aufgezeichneten Resultate der anatomischen 
Forschungen Fleobsio’s bei den Problemen anzuwenden, die im Titel g^en- 
wärtiger Arbeit angegeben sind.* 

Sie finden vornehmlich die völligste Bestätigung in den Beobachtungen 
über die Entwickelung des menschlichen Geistes. Das geistige Leben des 
Neugeborenen beginnt von den Sinneswahmehmungen, den elementarsten Ge¬ 
fühlen, die sich unmittelbar mit den Sinnesempfindungen verbinden, wie auch 
von gewissen angeborenen Bewegungen (Reflex, Impuls, Instinct). Die eigent¬ 
lichen Wahrnehmungen, die von Sinneseindrücken, welche von verschiedenen 
Sinnen empfangen werden, abhängig sind, höhere Gefühle, wie Freude, 
Furcht u. 8. w., auch der impulsive Wille, als solche, die sich mit Vor¬ 
stellungen und Erinnerungen vereinigen, entwickeln sich und sind für 
unsere Beobachtung erst im 4. Monat zugänglich. Dasselbe betrifft das Be¬ 
wusstsein. Der Neugeborene hat anfangs kein einzelnes vollkommenes Bewusst- 


^ Ich wage nicht, die Arbeit FLtoBSiQ's, insbesondere in Betreff der anatomischen 
Seite derselben, kritisirend za beartheilen, denn ich besitze darin nicht die entsprechende 
Fähigkeit, and mit Hinaicht darauf ist es rathsamer, obgleich diese Arbeit, wie ich oben 
bemerkte, viele anserer frflheren Dedaotionen sowohl in Betreff der Psychologie, wie anch 
Pathologie des Hirns bestätigt, die Schlfisse derselben als hCchstwahrscheioliche Hypothesen 
anznnehmen, wenigstens so lange, bis andere Forscher die Ansichten dieses ansgezeiobneten 
und gewissenhaften Forschers nicht tbeilen werden. Ueberfaaapt haben sieb bis jetzt nnr 
sehr wenige Antoren ans dem Kreise der Aerzte mit der Kritik von Flecbbiq's Arbeiten 
befasst. Hierher gehört eine Notiz Schdi.tzb’s (Dentsohe med. Woohenschr. 1897. Nr. 6). 
welche die philosophischen Ansiebten FLsOBSie’s in Betreff des geistigen and körperliebeo 
Verhältnisses kritisirt, wie auch einige Bemerknngen Wbbkioke’s im Leitartikel der l. Nammer 
der Monatsschrift fiir Psychiatrie und Neurologie, deren weitere Entwickelung wir in der* 
selben Monatsschrift in der Arbeit von Saobb finden (Ueber FLBCBStu's VerstandseeotreD). 
Obwohl dieser Schriftsteller auf Grund seiner Forschnngen fiber die patbologiacbcn Hime 
Erwachsener mit Flbobsio einverstanden ist, was die Existenz and Function der Siuoea* 
centren anbelangt, so theilt er doch nicht dessen Ansicht hinsichtlich der Associations* 
centren und bebanptet, dass die Projectionsfasem bei Erwachsenen sich Ober die ganze 
Rinde verbreiten, womit er einigermaassen die Existenz der Associationscentren in Abrede 
stellt. Weitere Arbeiten in dieser Richtung werden von allen, die dieser Gegenstand inter* 
essirt, mit Ungeduld erwartet. 

* Die Einzelheiten, welche die Entwickelnng der Intelligenz und der Sprache des 
Kindes betreffen, kann man in meinem diesem Gegenstände speciell gewidmeten Werke finden: 
Die geistige and sprachliche Entwickelnng des Kindes. 1897. Berlin. 


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169 


säüy and jede Sinnesgegend stellt ein besonderes unabhängiges Werkzeug dar, 
Viehes die Eindröcke jeder Gattung mehr oder weniger rerarbeitet, d. i. ver- 
biodet und nach dem entsprechenden motorischen Werkzeug überträgt Der 
iofsDg des ännlichen oder sachlichen Bewusstseins, das allein die äussere Welt 
viedersjnegelt, Ton welcher das Kind sich noch nicht unterscheidet, ist für unsere 
Beohaefatimgen auch erst im 4. Monat zugänglich. Erst nach der Bildung der 
Posönlichkedt, welche mit dem Augenblick der Absonderung des körperlichen 
Ich TOD der äusseren Welt entsteht, was ungefähr zwischen dem 2. und 3. Jahre 
beginnt das Selbstbewusstsein sich allmählich zu bilden, welches der 
Erkennung seines Ich, als dem Subject, entspricht 

IHe Ansicht Flechsio’s in Betreff der Thätigkeit der Sinnes- und Asso- 
dationscentren können wir auch mit den Beobachtungen über die Entwicke- 
Isng der Sprache des Kindes einigen, wie auch mit unserer g^nwärtigen. 
Anaeht auf die Psychologie der Sprache, also auch der Lehre tou der 
Sprachlosigkeit, wir müssen aber hier gewisse Erklärungen und Ergänzungen 
biozafagen, wie auch einige in dieser Hinsicht eigene Ansichten aussprechen. 

Wir wissen aus der Entwickelung der Sprache des Kindes, dass das Laut* 
gfdäefatziias sich zwar im sensorischen Sinnescentrum (Webnioeb’s Gegend) 
nhischeinlicb ziemlich zeitig anhäuft, die Terbindung aber der Wörter mit den 
T(7stellongen, deren Sitz wir in dem hinteren Associationscentrum finden und 
die zur Bildung der Wortvorstellung unumgänglich ist, erscheint rerhältniss- 
Bässig spät ond zwar führen wir den Anfang derselben erst in den 8. Monat 
Es ist dies die leichteste und bei Kindern mit normaler Intelligenz die am 
lächteaten sich entwickelnde Periode der Sprache — das Verständniss. Mit 
ier WÜlenaentwickelang und hauptsächlich mit der Entwickelung der Nach- 
thmnng (uugeföhr gegen den 11. Monat) beginnt das Kind die gehörten Laute 
mit entsprechenden, von den Bewegungen in den Articulationswerkzeugen ab- 
Mi^igen Gefühlen, welche beim Aussprechen der Laute stattfinden, zu ver- 
bödes, und die Anssprache derselben bildet, indem sie im motorischen Sinnes- 
eeetmm der Rinde Spuren hinterlässt (Gegend von Bboga), das motorische 
Gedäebtniss (Articulationsgedäohtniss). Mit dem Maasse, me dieses mechanische 
Oedäebtniss sich immer mehr vergiössert, wie auch mit der Zunahme des sinn- 
Ikben Gehöigedächtnisses, beginnt das Kind Wörter zu wiederholen, und diese 
Wiederholung, welche sich, auf Tielfachen Associationen der sensorischen und 
notorischen Himgegend stützt, hinterlässt, wie ich muthmaasse, im mittleren 
AsBoeiaUoQsceDtmm Spuren, indem sie dadurch die am spätesten, weil erst zu 
Ende des 2. Jahres, sich entwickelnde Periode der selbständigen Sprache 
iwberatet. Ausser der Ausbildung des sinnlichen sensorischen und motorischen 
Gedächtnisses bis zu einem gewissen Grade, wie auch ausser der Anhäufung 
änes entsprechenden Vorraths von Wortspuren, welche als Ergebniss früher 
•tattgefundener zahlreicher Associationen von Lautreiben und Geräuschen (Wörtern) 
entsprechenden Bewegungen im Articulationswerkzeug entstanden sind, muss 
das Kind bei der selbständigen Sprache noch die Fähigkeit besitzen, diese schon 
ferbundenen sensorisch-motorischen Bilder an die Schwelle des Bewusstseins zu 


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170 


fahren, oder mit anderen Worten, die Fähigkeit der Worterinnemng haben. 
Alles dies geschieht anfongs mit dem Bewusstsein, geht dann in eine anto- 
matische Thätigkeit über, die den Yorstellnngs- und B^i&centren unteigeordnet 
ist Dasselbe betrifft mutatis mutandis den Lese* and Sohreibaot, wo die Ver* 
bindung der Gesichts- oder motorischen Gedächtnissbilder zum Schreiben mit 
den Lautbildem, wie auch die Fahlheit, sich dieser Bildern zu erinnern, eben¬ 
falls in diesem Gentrum stattfindet, anfangs mit Bewusstsein, nachher aber 
automatisch. Aus dem, was wir von der Entwickelung der Sprache gesagt haben, 
zeigt sich, dass die selbständige Sprache 8(^ar in ihren Anfängen wie die Wieder¬ 
holung oder die bei vielen Kindern in den frühen Perioden ihrer Entwickelung 
erscheinende — Sprache ohne Verständniss — kein Beflex ist, wie dies 
Kusskaul, Wbbkicke und Lichtbbim behaupten, sondern ein psychischer 
Frocess, welcher auf der bewussten Ausarbeitung der Sinnesgedächtnisse be¬ 
ruht, wie auch auf der bewussten Verbindung der sensorisch-motorisdien Laut¬ 
bilder im mittleren Associationscentrum. Zwar bleibt diese ganze intellectuelle 
Arbeit des Kindes, die zur Erzeugung des Sprachautomatismus unumgänglich 
ist, für den ungeübten Forscher verboten, besonders bei Kindern mit r^:el- 
mässiger Entwickelung, bei irgend welchen Störungen der Intelligenz jedoch 
entwickelt sich dieser Automatismus gar nicht und bei der Ausbildung der 
Sprache bei Kindern dieser Art sind wir erst Zeugen der mühevollen An¬ 
strengungen des Kindes, die zur Entstehung derselben nothwendig sind. 

(ScbloBa folgt) 


II. Referate. 


Anatomie. 

1) On the endogenoiu flbres ln the lumbo-aacral r^on of the oord, by 

Alexander Bruce. (Brain. Autumn. 1897.) 

Oenaue Beschreibung der Lage nnd des Verlanfs des comn • comissuralen und 
des septomarginalen BQndels der Hinterstränge in einem Falle von voigeschrittener 
Tabes. Die Beschreibung stimmt genau mit der jQngst von Hoche gegebenen 
Oberein. Das septomarginale BQndel liegt im Sacralmark entlang dem hinteren 
Septnm und an der mediansten Partie der Hinterseite der Hinterstränge; im unteren 
Lumbalmarke nimmt es das Gebiet des ovalen Feldes von Flechsig ein; weiter oben 
liegt es nur am hinteren Bande der Hinterstränge. Es enthält lange absteigende 
Bahnen. Ton welchen Zellen die betreffenden Fasern ausgehen ist noch anbekannt. 

Bruns. 


Experimentelie Physiologie. 

2) Neue Versuohe über den galvanischen Betz, von Dr. Dubois (Bern). 
(Correspondenzblatt fOr Schweizer Aerzte. 1698. Bd. XXYIII. Kr. 1 u. 2.) 

Wälirend bis jetzt als allgemein gOltig angenommen wird, dass die Intensität 


DiQ'iii’od 


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171 


ea«8 gilnniselim Strones der Maaasstab f&r seine physiologische Wirkung sei, ergiebt 
äd US den DntM^ochangen des Terf., dass es nicht die Stromstärke ist, die hier 
ii Betncbt kommt, sondern allein die Voltspannnng. Bei Beizung motorischer 
XerreB hitt die minimale Zucknng bei wechselnden Widerständen immer bei an- 
übtfnd gleicher Yoltspannong auf und nicht bei gleicher Intensität des Stromes. 
Der K^rwiderstand, von dem die Stromstärke abhängt, hat somit keinen Einäuss 
ttf die physiologische Wirkung des Stromschlnsses. 

Ein zweites interessantes und flberraschendes Ei^ebniss der Dubois'schen Ver* 
ist folgendes: Werden im Stromkreise des Körpers onbedentende Bheostat* 
nlentiode eingeschaltet, so bleibt die physiologische Wirkung ans, trotzdem der 
^nmtwiderstand nicht in Betracht kommender Weise rermehrt, der Hautwiderstand 
pdodi etwas Termindert and die Intensität des Stromes nur um weniges grösser wird, 
bst dntb Erfaöhnng der Voltspannung kann die verschwundene Zockung wieder 
wxislt werden. Verf. erklärt dies damit, dass die Bheostate eine erhebliche Seif- 
adKäon haben, dass also ihr scheinbarer Widerstand grösser sei, als ihr Ohm- 
vidwBtaod; für den Körper gelte gerade das Qegeutbeil; er habe einen grossen Ohm- 
vidntiad, aber einen minimalen Self-inductionswiderstand. 

Au diesen Yersneben eigiebt sich för die Praxis, dass bei physiologischen 
Sänenuehen das Galvanometer durch das Voltmeter ersetzt werden muss. Die 
Dcsinisg der Volts soll nicht mit dem Elementenzähler geschehen, sondern mittelst 
im Bheostat im Nebenschluss; im Hauptkreis darf kein fremder Widerstand ein- 
fssdtiltet sein. 

Die Anordnang der einzelnen Versuche kann nicht gut in abgekürzter Form 
ftgtheni werden, weshalb Interessirende anf das Studium der Originalarbeit verwiesen 
T«rdn fflössen. H. Wille (Basel). 


3) Survival mowetaents of human inlhiioy, by Alfred A. Numford. (Brain. 
Aotonui. 1892.) 

Verf. sucht die eigenthflmlichen Bewingen und Stellungen spedell der oberen 
ExtraDHäten bei Nengeborenen, die er „snrvival movements*', Bewegungen die ans 
^ Kiadheitsepoebe des Uensehengeschlechts übrig geblieben sind, nennt, auf bio- 
Weise zu erklären. Er führt zunächst au, dass die Hand des Menschen am 
Aehnlichkeit mit der der Amphibien habe. Die eigenthümlich hyperpronirte 
^dhmg der Unterarme and Hände, die viele Kinder besonders im Schlafe haben, 
IR uf SehwimmsteUangen zorückzuffihren; auch die Langsamkeit vieler Bewegungen 
^ Sügligga erinnere an Amphibien. Im Beginne des Lebens werden Daumen und 
Rnger gleichmässig nebeneinandergestellt zu Greifbewegungen gebraucht, wie 
^ uf Bäumen lebende ^iere anwenden; bei dieser Bewegung hätten die Kinder 
'’ti Nbr grosse Kraft. Die Opposition des Daumens zum Greifen zu benutzen lernten 
w licht vor dem 6. Monate. Früh zeigten sich auch Zeigebewegungen und Unter- 
«iriiimgen von Gegenständen mit der Spitze der Finger, die Verf. so erklärt, dass 
Ce^rbleibsel von Bewegungen waren, die die Affen ausführten, um in Spalten 
ad Löchern nach Nahrung zu suchen. Der Aufsatz ist jedenfalls interessant, ob 
i» &klärungen des Verf.’s sich halten lassen, vermag Bef. nicht zu sagen. 

Bruns. 


i) Im vaso-motenrs des membres abdominauz. Becherches expörimentales 
pir les Drs. Spallitta et Consiglio. (Arch. Ital. de Biologie. XXVIII.) 

Die Verff. haben bei grösseren Hunden Durchschneidung des Ischiadicus, des 
(^nlis, der vorderen Wurzeln des Ischiadicus bezw. des Cruralis, Durcbschneidung 
Btochstranges des Sympathicus, Exstirpation der lumbo-sacralen Kette desselben 


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172 


io - inannigfacben CombinaUonen voi^enommen und den ▼aaoniotoriacben mit 

Hülfe von Temperaturmessungen atudirt, wobei eine locale Temperatarsteigerang im 
Allgemeinen als Ansdrack einer Läbmnng der betreffenden Vasoconstrictoren angeaeben 
wurde. (Die bei angioparalytiscber Hyperämie der einen Seite auf der gekreuzten 
Seite auftretende Oligämie [Herabsetzung der Temperatur] betrachten die Verff. nur 
als einen passiven, hydraulisch bedingten Yoi^ang.) 

Es ergab sich im wesentlichen, dass die Durchschneidung der vorderen Wurzeln 
des Ischiadicus die Temperatur der correspondirenden Pfote erhöht; dies geschieht 
ebenfalls, und zwar in noch höherem Haasse, nach Exstirpation der betreffenden 
Lumbosacralkette des Sympathicus; die Durchscbneidung des Ischiadicus bewirkt nach 
blosser Dnrchschneidung des Banchsympathicus dauernd eine neue Temperatur- 
Steigerung der betreffenden Pfote, während diese ausbleibt, wenn vorher die Lumbo- 
sacralkette des Sympathicus exstirpirt ist. Die Yerff. scbliessen daraus, dass alle 
vasomotorischen Fasern des Ischiadicus durch den Banchsympathicus gehen, und zwar 
nach ihrem Austritt ans dem Rückenmark durch die vorderen Wurzeln und die Rami 
communicantes zunächst zu den sympathischen Ganglien und von da zu dem Kerven- 
stamm. Ganz entsprechende Resultate ergaben sich für den N. cmralis. 

_ Kaplan (Herzberge). 


Pathologische Anatomie. 

5) Beiträge zur pathologisohen Anatomie der Rüofcenmarkaoompreseion, 
von Dr. Bruno Heymann. (Yirch. Arch. Bd. CIL.) 

Yerf. berichtet über drei Fälle von Rückenmarkscompression bei Carcinomatose 
der Wirbel und liefert mit denselben einen bemerkenswerthen Beitrag zu der noch 
nicht geklärten Fr^e der ätiologischen bezw. pathologisch - anatomischen Entstehnng 
der sogen. Compressionsmyelitis. Er fand bei der postmortalen Untersuchung der 
Fälle, welche in ihrem klinischen Yerlauf das gewöhnliche Bild der Leitungsunter« 
brechung im Rückenmark dargeboten hatten, sowohl in den durch auf« und ab« 
steigende Degeneration secundär betroffenen Theilen, als auch in den direct dem 
Druck der Geschwulst ausgesetzten Partieen des Rückenmarks lediglich Yeränderungen 
degenerativer Natur, Yerminderung bezw. Schwund der Ganglienzellen, Untergang der 
Markscheiden, Zerfall der Axencylinder, Wucherung der Glia u. s. w., bei völligem 
Fehlen aller entzündlichen Erscheinungen. 

Besonders bemerkenswerth erschien das Verhalten der Blutbahnen an der Com« 
pressionsstello und in deren Umgebung. Es zeigten sich die abführenden Gefässe, 
Venen, Capillaren und Lymphbabnen, stark überfüllt und namentlich die letzteren 
ausserordentlich erweitert, während die Arterien auffallend blutleer waren und alle 
Kriterien eines entzündlichen Vorgangs, arterielle Hyperämie, Gefässnenbildnng und 
Rundzelleninfiltration der Umgebung, vermissen Hessen. 

Yerf. zieht hieraus den Schluss, dass die sogen. Compressionsmyelitis kein ent¬ 
zündlicher, sondern lediglich ein degenerativer Process ist, hervorgerofen durch die 
dnrch den Druck der Geschwulst bedingte ödematöse Durchtränkung und arterielle 
Anämie der betreffenden Rückenmarksabschnitte. Ob diese ödematöse Dnrchtränkung 
nur durch mechanischen Druck der Geschwulst zu Stande kommt, oder ob, wie 
Enderlen meint, die zum Zerfall neigenden Tumormassen ausserdem noch einen 
lähmenden Einfluss auf die Vasomotoren ausüben and dadurch ebenfalls eine Ver¬ 
mehrung der GewebsQOssigkoit herbeiführen, lässt Yerf. dahingestellt Jedenfalls 
widerlegen seine Befunde die von Leyden und Anderen festgehaltene Auffassung 
der Compressionsmyelitis als eines entzündlichen Proces&es und bilden eine Stütze 
für die Anschauung Kahler’s, welcher dieselbe im Gegensatz hierzu schon lange 
aus rein mechanischen Momenten erklärt und für einen lediglich degenerativen Vor¬ 
gang hält. Lilienfeld (Gr. Lichterfelde). 


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173 


S) Anatomische Unternuohnogen über die oombinirte, ohronlaohe Sohweif- 
tthiming und Sphinoterenparalyse des Pferdes, von Dr. Herrn. Dexler. 
(Wiener klio. Wochenrchr. 1S97. Nr. 33—35.) 

Yerf. berichtet über drei F&Ue einer in der Litteratur unter dem Kamen 
Hanuaelechwanz bekannten Krankheit des Pferdes, welche sich cbarakterisirt dnrch 
öae äch langsam entwickelnde, nnbeübare totale motorische Lähmung des Schweifes, 
der NastdanU' und Blasenmusknlatnr, sensible Lähmung der Haut des Schweifes 
md der Umgebung desselben und umschriebene Atrophieen der ßeckenmuskeln. Das 
aatomische Substrat der Krankheit war bisher nicht bekannt. Die Untersnchungen 
des Yecf.’s lehrten, dass es sich um eine chronische Entzündung in der Höhe der 
Cuda equina handelt mit massenhafter Neubildong von Bindegewebe und dadurch 
bewirtter Zerstörung der von diesem eingeschlossenen nervösen Elemente, der Kerven« 
haere und der Spinalganglienzellen. Letztere zeigten bei Kissl’scher Färbung 
tebwere Degeneration. Als besonders merkwürdiger Befund verdient das vollständige 
FdUn jeder aseendirenden secnndären Hinterstrangsdegeneration hervoigehoben zu 
«Bdmi, VI Marchi*, Weigert- and Carminpräparaten. Die Aetiologie der Krank- 
tät ist dunkel. J. Sorgo (Wien). 


7) UetaerBftofcenmarkSTerfindenmgen bei CaroinomatÖsen, von 0. Lubarsch. 

(Zeiteehr. f. klinische Hedicin. Bd. XXXI. S. 389.) 

In 10 Fällen von Magenkrebs, 3 von Darmkrebs, 6 von Krebs des weiblichen 
Genitaltractaa, der Gallenwege, des Pankreas und des Oesophagus wnrde bei der 
boft^ichen Üntersochung des Centralnerveosystems 9 Mal eine Veränderung des 
Sftrkenmarka voigefunden, nnd zwar 7 Mal bei Magenkrebs, 9 Mal bei Darmkrebs 
■Ml 2 Mal beim Krebs der Übrigen Organe. 

Diese Yeränderongen zeigten in den einzelnen Fällen verschiedene Ausdehnung, 
am Tbeil waren sie nur ganz gering und ohne begleitende Symptome während des 
Lebens, zum Tbeil waren sie bedentender nnd hatten während des Lebens klinische 
Eneheinnngen gemacht, znm Theil endlich waren sie sehr bedeutend und die Ur- 
meke einer wUxrend des Lebens bestehenden Bückenmarkserkrankung gewesen. 

Ihrer Katar nach waren die Verändemugen degenerativer Art und von Glia- 
vaditfnng bereitet Ihren Hauptsitz hatten sie in den Hintersträngen; häuSg waren 
die hinteren Wurzeln mitbetheiligt. Der Process zeigte eine äusserst diffuse Verbreitung. 

Vert hält es für zweifellos, dass das Carcinom wenigstens in einer Reibe von 
FilleB die Ursache der Verändernngen im Rückenmark abgebe, und zwar würde 
dwwlbe nach ihm auf dreifache Weise deletär auf die Kervenzellen einwirken können: 

1. dadurch, dass die bei Carcinomkachexie auftretende Oligämie und Uydrämie 
fie KtfvmzeUen schädige, oder 

2. dadurch, dass von dem Caronom ansgehende Gifte die Veränderungen er- 
leogten, oder endlich 

3. dass 68 sich am eine Antotoxie handele, welche durch die im Verdauungs- 
traetos durch das Carcinom hervorgemfenen Stoffwechselanomalieen bedingt sei 

Möglicherweise spielen in manchen Fällen alle drei Momente eine Rolle. 

K. Grube (Kenenahr). 


t) BoU* eriologla dolle degenorazionl slstematlohe primario del midollo 
spinale, per C. Ceni. (Bivista speriment di Freniatr. XXXUI.) 

Bs war die Absicht des Verf.’s zu untersncbeo, ob bei den toxisch nnd infectiös 
aMandeneo primären systematischen Degenerationen die Schädigung der weissen 
Sftckamarkasnbetanz wirklich primär entsteht, oder ob diese erst durch Alteration 
dar nspeetiven trophischen Zellen zn Stande kommt Zn diesem Zweck brachte der 
Varl BundMi anagedehntere Verletzungen der Haut bei nnd applicirte in diese pyo- 


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174 


gene Stoffe oder frischen Abecesseiter, anderen Händen brachte er das sch&dliche 
Agens nach Trepanation unter die Meningen oder in die Seitenrentrikel. Fast alle 
Thiere zeigten nach dem Tode Degenerationen der Hinterstränge and der gekrenzten 
Pyramidenbfindel. Hauptsitz der Erkrankung war das Cervicalmark, weniger häufig 
auch das Dorsalmark, am seltensten die lumbalen Abschnitte. 

Bei den Thieren, die von der Haut aus iuficirt waren, waren an Nissl-Pra- 
paraten fast keine Verändernngen nachweisbar, nur vereinzelt Zellen mit Vacuoleo, 
bei den anderen war der grösste Theil der Zellen in RQckenmark und öehim mehr 
oder weniger afficirt Sie waren gequollen, glasig, die Chromatinschollen blass, zer¬ 
sprengt, der Kern meist wenig verändert, nur etwas geschrumpft. 

Der Umstand, dass Zellveränderungen in allen Theüen des Böckenmarks an¬ 
getroffen wurden, dass sie auch in einem Falle, wo Degenerationen der weissen 
Stränge fehlten, vorhanden waren und ihr verschiedener Qrad und ihre verschiedene 
Art je nach dem Infectionsmodns bei gleichen Alterationen der weissen Substanz 
spricht dafOr, dass letztere primärer Natur und gleichzeitig mit den cellularen 
Läsionen durch die toxischen Stoffe veranlasst waren. Yalentin. 


9) Ueber den anatomlsohen Frooess Im Anfangsstadium der multiplen 
Solerose, von A. Goldscheider. (Zeitschr. f. klin. Medicin. Bd. XX9.) 

22jähriges Mädchen erkrankte mit Erbrechen, Gliederschwere, Schwindel, Seh¬ 
störung in Folge von starkem Augenzittern und Gehörsstörung. 

Befand: Starker Nystagmus meist mit Bewegung der Bolbi von unten nach 
oben, linke Pupille weiter als rechte. Bewingen der Arme unsicher und ver¬ 
langsamt, Kraft rechts herabgesetzt. Ataxie des rechten Beins; Patellarreflex ge¬ 
steigert; Zitterbewegungen des Kopfes. Gefühl von Taubheit. 

Der Exitus trat unter den Erscheinungen des Typhus abdominalis ein. 

Die Section ergab eine Encephalitis interst chronica diffusa. Das Gehirn und 
Bückenmark waren derb. Im Halsmark, im Pons auf der rechten Seite in der Höhe 
des Abducenskems, in der Schleife, im Dorsaltheil des Böckenmarks tenden sich 
Herde von diffuser, sehr intensiver Sclerose. Die Bln^efässe an der hinteren Peri¬ 
pherie des Böckenmarks, welche in die Hinterstränge eintreten und in den Septis 
verlaufen, waren stark mit Blut angefüllt und von grossen Hassen von Körnchenzelleii 
und fettigem Detritus umgeben. Auch im Inneren der Herde sah man kleine Gefftss- 
durchschnitte mit einem einfachen oder mehrfachen Kranz von Randzellen. Lagerung 
und Abgrenzung der Herde entsprachen vollkommen der Combination mehrerer 
Gebiete von hinteren peripherischen Geßissen. 

Bei den Herden im Pons und Halsmark handelte es sich um einen von den 
Gefässen ausgegangenen Process. der die Nervenfasern zur Aufquellung gebracht and 
dadurch bei einem Tbeile derselben eine Auflösung und Abbröckelung des erweichten 
Myelins hervorgerofen batte. 

Die Terändernngen batten sehr grosse Aebnlichkeit mit demjenigen der acuten 
Myelitis, sie stellten nur einen geringeren, d. i. nicht zur Erweichung führenden Qrad 
derselben dar. 

Verf. hält die disseminirte Sclerose für eine gewisse Form der dissemintrien 
Myelitis. K. Grube (Neuenahr). 


10} Pathogenese und pathologisohe Anatomie der Syringomyelie, von Dr. 
H. Schlesinger. Correferat erstattet auf dem internationalen Congresse zu 
Moskau am 7. August 1897. (Wiener med. Wochenschr. 1897. Nr. 38 u. 39.) 
In Bezug auf obige Arbeit wird auf die Congressberiebte verwiesen. 

J. Sorgo (Wien). 


Google 



176 


Pathologie des Nervensystems. 

U) BdMg rar Kenntnlas der bei der dlssemlnirten Herdaolerose auf- 
tretanden Angenver&nderangen, von Dr. Adolf Lflbbers, I. Assistenzarzt 
dflr Lothringiseheo Bezirks-Irrenanstalt in SaaigemOnd. (Arch. f. Psycbiatr. n. 
Nerfenkrankh. Bd. XIIX. S. 768.) 

Der Verf. hat tnnächst den klinischen Aogensymptomen bei 11 Fällen von 
fi—inirttf Herdsclerose seine Anfmerksamkeit zngewendet Ophthalmoskopisch 
ksd äeh in vielen dieser Fälle einfache trophiscbe Abblassung. Die Atrophie war 
BiroOstiBdig. Die temporalen Papillentbeile waren öfter und stärker ergriffen. 
Eilige Xile wordai abgelanfene bezw. acote nenritische Erschelnnngen an der Papille 
MpBtelli HehimalB war der AngenspiegelbefOnd normal Fnnctionsstörungen 
hl Selanants konnten fast bei allen Patienten gefunden werden. Dieselben waren 
lad Fons and Intensität sehr mannigfaltig und bestanden meist sowohl in Beein- 
tiidt^oBg der Sehschärfe als in Qesicbtsfeldanomalieen, Centrale Scotome mit 
fraw Geeiebtsfeldperipherie herrschten vor. Im Bereich der Scotome war. die 
Fin rt i QB s rt önnig vorwiegend relativ, oft nnr partiell Die Intensität der Sehstörnngen 
idivak^ entsprechend dem jeweiligen Ailgemeinznstand. Dauernde Erblindung war 
üMnt selten. lün außallendes Hissverhältniss bestand zwiacben dem Verhalten 
hr Sehfihigkeit and dem Angenspiegelbefnnd. Einige Kranke hatten geringfügige, 
iBT T(^beigebeDd vorhandene Paresen isolirter Augenmuskeln. Einige Wenige 
^atta Paresen assocürter Augenbew^ungen, welche sich ausschliesslich auf die Be- 
v^UBgea der Bolbi in seitlicher Bichtnng erstreckten. In allen Fällen bestanden 
''Uillatorische Augenbewegnngen, und zwar entweder Nystagmus oder 
ajikgiiiDSutige Zncknngen oder beide Formen zusammen. Eigentlicher Nystagmus 
ha io des Verf.’8 11 Fällen 6 Mal vor und war stets bilateral Die Bewegungen 
hr Bolbi erfolgten vorwiegend in seitlicher Bichtnng. Nyst^mns rotatorins wnrde 
a kwMB Falle beobachtet Die Pupillen boten, abgesehen von leichter und 
vedittlader Differens, nichts auffälliges. Einige Kranke batten geringe, andere erheb- 
BeeisträcbtigoDg der Lichtreaction. 

Tel hat sodann die N. optici eines Falles von disseminirter Herdsclerose genau 
ohnocht Klinisch handelte es sich ansser nm Angenmnskelparesen and nystagmus- 
vbgea ZoekongOD um wesentliche Sehstörnngen (centrales Scotom), mangelhafte 
Ueteeaetioa dtf Papillen and Abblassnng der Papillen. Die N. optici zeigten weit- 
näiode SehnuDpfung der Nervenstämme nnd ausgedehnte, herdförmige, atrophische 
^vfaderoi^eii, welche stellenweise die ganze Dicke des Nerven einnahmen and 
aihmkc^iseh die Zflge • der einfachen Atrophie darboten. Die Markscheiden waren 
^ Herden theils atrophirt, theils bereits in körnige Detritusmasse zerfallen, 
heitta der verkleinerten, atrophischen Markscheiden waren die Axencylinder stellen- 
"die noch nnversebrt vorhanden und auch in den Detritosmassen befanden sich 
nhtiv zahlreiche, gut erhaltene, nackte Axencylinder. Die Bindegewebsfasern waren 
'läutert, hatten fibrillär-faserige Structnr, enthielten partielle KemproliferatiODeu, 
■Umehe, meist sehr kleine Oefasse und Entzflndnngserscheinungen in der Umgebung 
^ OeSaee. An der inneren Opticnsscheide waren deutliche, perineuritische Er- 
«kcUaagen za bemerken. Erscheinongen secundärer absteigender Degendration fehlten. 
Ib« Old die damit in Znaammenbang stehende Qeringffigigkeit der ophthalmoskopischen 
Enchnaangen fährt der Verf. auf das Intactbleiben zahlreicher Axencylinder zurück. 

Heorg llberg (Sonnenstein). 


y t-j.vGooglc 


176 


12) De la solörose en plaques & döbut apopleotlfonne, par P. Boologne 
(de Lille). (Eevne de Medecine. Mai 1896. S. 404.) 

Bei einem 43jährigen Arbeiter trat ohne alle Vorboten plötzlich unter Be< 
wnfistseinsverlust eine totale Paraplegie der Beine mit fast vollständiger AnSstheeie 
und mit Sphincterenlähmung auf. Nach kurzer Zeit besserten sich die Erscheinungea, 
so dass Pat. wieder ziemlich gut gehen kounte, doch entwickelten sich im Laufe des 
folgenden Jahres die charakteristischen Erscheinungen einer multiplen Sclerose 
(Intentionszittem der Arme, schwankender Gang, Spinalepilepsie, leichte Sprach* 
Störung und Nystagmus). Auch diese Erscheinungen wurden langsam besser. 

Verf. glaubt eine multiple Sclerose diagnosticiren zu können, obgleich der 
Sectionsbefund fehlt. Er citirt vier ähnliche Beobachtungen aus der Litteratur, 
welche dartbun sollen, dass die multiple Sclerose zuweilen ganz plötzlich mit einer 
apoplectiform eintretenden Paraplegie beginnen kann. Auch in allen diesen 
Fällen fehlt aber eine Bestätigung der Diagnose durch die Section, so da^ man 
gewisse diagnostische Zweifel doch nicht unterdrücken kann. 

_ Strümpell (Erlangen). 


13) Zur Trage über die multiple Solerose und Qliose. Nebst einer Be* 
merkung über die VasoularisatlonsverhältniBae der Medulla oblongata, 
von G. Bossolimo, Privatdocent in Moskau. (Deutsche Zeitschrift f. Nerven- 
heilk. Bd. XI. 1897.) 

Ein jetzt l6jähriger, aus gesunder Familie stammender, aber in einer Malaria¬ 
gegend am östlichen Ufer des schwarzen Meeres lebender junger Mann hatte im 
3. Lebensjahre eine Verletzung erlitten. Januar 1895 Fieber, Erbrechen, Schwäche 
der rechten Hand und Undeutlichkeit der Sprache. Nach vorübergehender Besserung 
Zunahme der Beschwerden, besonders Schwäche im rechten Bein, Zuckuugen im 
rechten Facialis und in den rechten Extremitäten, Doppelsehen, Hamverhaltoug. 

Status: Der ganze parieto-occipitale Tbeil der linken Schädelhälfte voigewölbt, 
auf der linken Seite des Occipitalknochens eine Narbe, vor derselben eine Knochen- 
Vertiefung, Scoliose der Brustwirbelsäule, Parese der oberen Facialiszweige rechts 
und des rechten Hypoglossns, Diplopie und leichter Nystagmus, Pafese beider Abdn- 
centes, vorwiegend des linken, schleppende Sprache, rechter Arm nur schwach be¬ 
weglich, Contractnr der Beuger, Bewegungen im rechten Fussgelenk cnmOglich, 
Muskeln der Extremitäten rechts sehr rigide, elektrische Erregbarkeit normal. Gang 
erschwert, Sehnenreflexe erhöht, besonders rechts, auf der rechten Körperhafte, ausser 
am Kopf und Hals, geringe Herabsetzung der Sensibilität io allen Qualitäten, Pa¬ 
pillen — weit, von träger Beaction auf Licht, Gedächtniss abgeschwächt, kein Elr- 
brechen. Später auch Schwäche im linken Arm und linken Bein, Incontinentia 
nrinae, Zunahme des Schwachsinns. 

Bei einer kurz vor dem Exitus voigenommenen Trepanation in der Gegend der 
Enocfaenvertiefung fand sich beim Einstechen des Scalpells eine derbe Masse und 
wurde von weiterem Voigehen abgesehen. Die anatomische Uotersuchnng des Gtohlms 
ergab ein Ergriffensein des ganzen Corpus callosum, des linken Centrum semiovale 
in seiner ganzen Breite, hauptsächlich aber in seinem mittleren Drittel, sowie des 
inneren Theils. des Contr. semiovale der linken Hemisphäre. Ferner fand sicli am 
verlängerten Mark ein Herd, welcher sich vom äussersten, candalwärts gelegenen 
Ende der Fyramidenkrenzung bis zum hinteren Viertel der Brflcke erstreckt and 
beide Hälften des Organs einnimmt An dem peripheren Tbeil der Hedolla oblongata 
hat der Herd bis zum Calam. script die Form eines Dreiecks, dessen spitzes Bnde 
am Ceutralcaual liegt. Im Bückenmark konnte Degeneration beider Pyramidenseiten- 
und Pyramidenvorderstränge nachgewiesen werden, wobei der linke Türk’sche Strang 
and die Pyramidenseitenbahn in ausgedehnterem Maasse ergriffen war. Der Central- 


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177 


(aMl nai tibenll mit hyperplasirten Zeilen angefüUt und in seiner Form verändert» 
«M ftbiüe wmr mrgends nachznweisen. Es handelte sich also im Wesentlichen um 
Its tp^die Bild einer doppelseitigen secnndären Degeneration mit vorwiegenden 
Twtademngen in der Unken nngekreozten und rechten gekreuzten Bahn nnd einer 
Bjp^laaie da- Wandungen des Oentiralcanals. 

T^. erblickt in dem beechriebenen Frocess eine Uebeigangsform von der disse* 
Binirten Sclerose zur Qliose nnd bezeichnet dieselbe als ScIero'Qliose. Die Hyper- 
flasM der Qlia bevorzugt das Gewebe, welches den GefösSen oder dem Ependjm 
tngrensL Die Herde der disseminirten Sclerose können das Gebiet irgend eines 
fiefisoen einnehmen. Zur progressiven Wucherung der Neuroglia bei der multiplen 
Sdtfoee, der Sclero-GUose, der Gliose nnd dem Gliom können sowohl Traumen mit 
Bsebfolgenden Verletzungen der Glia, als auch im Blute bezw. in der Lymphe 
kreieoide Schädlichkeiten endogenen Ursprungs bei gleichzeitiger hereditärer Belastung 
TMznlassung geben. Es können dabei secundäre Degenerationen auftreten und zwar 
skht nur in Folge von Zerstörung von Äzencylindern, sondern auch unter dem Ein- 
äosse summirender Wirkung auf die gleichen Faserbfindel zweier oder mehrerer 
Tenadenmgen» welche einzeln dies nicht bewirken könnten. Die candale Hälfte des 
TsrÜi^erten Marks vom Calamus scriptorius an wird von der ventralen Seite durch 
die Art^olae spino-bulbares der Art spinalis ant. versorgt, während der fibrige 
Thail der MeduUa durch die von den Art. vertebrales angehenden Arteriolae vertebro- 
bulbares ernährt werden. E. Asch (Frankfurt a./M.). 


14) A oame ot disseminated solerosls, by Hackney. (Brit med. Jonm. 1897. 

March 6. S. 586.) 

fin 55 jähriger Zimmermann wird plötzlich bewusstlos, wie bei Apoplexie. Das 
Wentf war sehr heiss, man diagnosticirt „Hitzscblag". Der Kranke, zwar sehr an¬ 
gegriffen» erholt sich ohne irgend welche Lähmni^serscheinoogen. 

Bald darauf leichtes Zittern der Hände bei Bewegung; doch ist Pat arbeits- 
ftkig. — Nach etwa einem Monat ein zweiter „apoplectiformer" Anfall mit dem oben 
kmrhrirhftnnn. ähnlichen Verlaufe. Dann fo^n in ähnlichen Zeitintervallen 3—8 
Attaquen. Nach der letzten verringerte sich das Gedächtniss auffallend; 
Ihng^ die vor einigen Minuten passirten, sind nicht mehr in Erinnerung. Patellar- 
nfieze geeteigert, und beiderseitige Anästhesie» rechts am meisten. 

Also Intentionszittem neben gesteigerten Reflexen mit den apoplectiformen An- 
äOen begrfindeten die Annahme disseminirter Sclerose; zwar Zittern der Zunge und 
Lippoi, jedoch das Sprechen nicht abnorm. L. Lehmann I (Oeynhausen). 


15) Zur Aetiologie der multiplen Solerose, von Blumreich und Jak'oby. 

Ans der ü. medicinischen Dniversitätsklinik in Berlin (Geh. Prof. Gerhardt). 

(Deutsche med. Wochenscbr. 1897. Nr. 28.) 

Die Verft verfügen über 29 Fälle von multipler Sclerose (23 Männer nnd 
6 Frauen). Eine einheitlicbe und durchgreifende Aetiologie für die multiple Sclerose 
wt nidit vorhanden; die. Ursache bleibt in einer Reihe von Fällen verborgen, in 
anderen heben sich drei Groppen heraus: acute Infectionskrankheiten, Intoxicationen 
od Tranmen. Diese Scbädlichkeiteu können einmal direct die der Sclerose zu Grande 
iegCBden asatomisehen Veränderungen hervormfen: als einleuchtende Beispiele führen 
tyt Aut^MWO 5 traumatiscbe Fälle, sowie eine multiple Sclerose nach QuecksUber- 
veegiftuDgen. (Der Zasammenhaag ist in diesem Falle keinesw^ klar. Ref.) 
Sodann können die ai^effibrten Noxen lediglich die Krankheit aaslösen, so dass die 
bis fehlenden Symptome, nun erst auftreten; die ursprüngliche Veranlassong 

kma »ehr oder minder lange zurückli^en» congenital sein. Umgekehrt kum durch 

12 


D g : 7cd / G OOglC 


178 


die besprochenen Einwirkungen der Keim zu. der Krankheit gelegt werden, w&Jirend 
es anderen Zn^en Vorbehalten bleibt, aaslösend zu wirken. Jene Schädlichkeiten 
können sich schon iu utero geltend machen, eine Tbatsache, welche ffir diejenigen Fälle 
wichtig ist, in denen das Leiden offenbar schon congenital entstand. Unter Umständen 
ist ein Trauma nicht Ursache, sondern Folge der multiplen Sclerose, insofern 
dieselbe durch Schwindel und Unsicherheit des Ganges leicht zu einem Unfälle 
fahren kann. 

Die hier gewonnenen Erfahrungen müssen bei der Aufnahme der Anamnese und 
der Beurtheilung der Krankheit znm Zwecke gutachtlicher Äeusserung berücksichtigt 
werden. B. Pfeiffer (Cassel). 

16) Zur Bedeutung der Augenuntersuchung, speoiell des ophthalmo« 
skopisohen Befundes, für die Frühdiagnose der mulüplen Herd- 
Bolerose, von Dr. Günther Nagel, Tolontairarzt. Aus der Universitäts- 
Augenklinik in Breslau. (Münchener med. Wochenschr. 1897. Nr. 32.) 

Der ophthalmoskopische Befund, um welchen es sich handelt, stellt sich dar 
als eine absolut weisse Abblassung der temporalen Papillenhälfte. Diese Yerändemng, 
welche in dem einen von zwei angeführten Fällen nur einseitig vorhanden war, Hess 
an multiple Sclerose denken, und die in dieser Bichtang weitergefübrte Untersuchung 
bestätigte den Verdacht. Speciell der sonstige Augenbefund (Nystagmus und asso- 
ciirte Blicklähmung) bei relativ geringer Sebstörung ist für die Diagnose von Be- 
dentung. E. Asch (Frankfurt a./H.). 


17) Heber Augenmuakelstönmgen bei der multiplen Sclerose, von Dr. 

C. Kuno (Wien). (L. Voss, Hamburg-Leipzig.) 

Auf Grund genauer Beobachtungen einer Reihe von 20 Fällen von multipler 
Sclerose gelangte Verf. znr C.onstatirnng dreier in ihrem Auftreten bei der genannten 
Erkrankung für diese als charakteristisch anzusehender Symptome von Seiten der 
Augenmuskulatnr. Erstens ein in seinen klinischen Erscheinungen dem Intentions¬ 
tremor durchaus ähnliches „Einstellungszittem“ bei dem Versuche, die Augen aus 
dem Zustande des einfachen Geradeaossehens zur Fixation eines bestimmten Objectes 
zu veranlassen. Dies Pbäuomen charakterisirt sich durch ein entweder einmaliges 
oder wiederholtes Uebennaass in der angestrebten Conve^euz, gefolgt von einem zu 
geringen Convergenzacte, bis schliesslich der richtige Convergenzgrad erreicht ist 
Das zweite Symptom besteht im Auftreten eines echten concomittirenden — in Verf.’s 
Fällen stets convergenten — Strabismus, für dessen Zustandekömiben Verf. nach 
Ausschluss aller anderen etwa in Frage kommenden Ursachen, ganz besonders der 
leicht irrthümlicb anzunehmenden Paresen, folgerichtig eine dissociative Störung der 
vorderen associirt gewesenen Angenbewegungen supponirt, wobei er die Hypothese 
eines besonderen circumscripten Centrums für die Coordiuation der Augenbewegnngen 
verlässt, und statt dessen von der Annahme ausgeht, dass diese Coordiuation das 
Resultat einer durch Erfahrung und Uebung der associativen Bahnen erworbenen 
Fähigkeit in der Benutzung functionell sich unterstützender Muskeln sei. Auf 
gleicher Ueberlegung basirt Verf.’s Erklärung des dritten Symptoms, der plötzlich 
auftretenden Anisokorie nnd des bei Fixation eines bestimmten Objectes in Erschei¬ 
nung tretenden Hippns, welches ihm die Wahrscheinlichkeit nahelegt, dies Zittern 
als ein „Begleitsymptom zitternder Bewegungen des Ciliarmuskels*' aufTassen zu 
müssen. Ein durch Atropiueinträofelung und Anwendnug von Convexgläsern prompt 
gelingendes Experimentnm crucls scheint die Richtigkeit dieser Annahme zur Evidenz 
zn erweisen. 

Unter der vom Verf. mi^etheüten Casuistik verdient besondere Beachtung ein 


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179 


als Analogon za den Fällen von echter Sclerose zn betrachtender Fall von Pons- 
hlmonhagie, bei welcher recidivirende Blntangen gerade jene dissociativen Störoi^en 
der Angenbewegangen hervorriefen ehe schliesslich Lährnnng eintrat; diese Analogie 
ist am so flberzengender, als man nach Wernicke’s Vorgang in die Pons gerade 
die Ar aaeociirte Seitenbewegnng bestimmmten Fasern verlegt. 

Bichter (Hamm). 


18) Heber einen Fall von Büokenmarkatuberkel beim Kinde, nebst Be¬ 
merkungen über die multiple Degeneration, von Holz. (Festschrift des 

Stnttgarter ärztlichen Vereins 1897.) 

Ein Sjähriges Mädchen bekam nach mehrwdchentlichem Fieber eine schlaffe 
lAhmong beider unteren Extremitäten. Die Haut- an<l Sebnenreflexe an denselben 
varra völlig erloschen. Auch die BeckenmAskalatur war gelähmt, die Arme völlig 
frei. Nach einigen Monaten entwickelte sich eine Basalmeningitis; es trat zeitweise 
roinge active Beweglichkeit im Hfiftgelenk, sowie tonische Contractorstellung der 
Beme in Knie und Fassgelenk ein. Pat. ging in tiefem Coma za Gründe. Die 
S«cti(« ergab einen Bfickenmarkstnberkel in der Lendenanschwellung mit starker 
Erieichong der benachbarten Bfickenmarkspartieen. An der Hirnbasis bestand eine 
nibenmlöse Meningitis. Die Untersuchung des BQckenmarks ergab die bekannten 
Hcondären D^eneraiionen. Verf. gebt näher auf die wiederholt bei Compressioo 
dm Muskels beobachtete fleckweise Degeneration des Rückenmarks ein. Er unter- 
sdteidet Wucherungen der Adventitia der Gefässe, welche eigentliche Degenerations- 
bsde nnr vortänseben, nnd wirkliche Oegenerationsherde, die auch auf Gefäss- 
'«nndonngen zurflekzufühpen sind. H. Bothmann (Berlin). 


18 ) Tumor of the apine, bj Cladek. Bead before the Society of the Alumni 
of the City (Charity) Hospital. Mai 12. 1897. (New York med. Jonmal. 
1897. Vol, LXVI. Nr. 7.) 

Im Mai 1896 stellten sich bei dem 51 jährigen, luetisch nicht inficirten Hanne 
aecixlgische Schmerzen in der rechten Seite ein zwischen Rippenbogen und Darmbein, 
leitveiae in die Glans penis und den rechten Hoden ausstrablend. Gleichzeitig be- 
naad vermehrte .Ausscheidung von Harosäurekrystallen in dem häufig entleerten 
rrin. Trotz geeigneter Behandlung nahn^en die Beschwerden zu, das Allgemein- 
befinden wurde schlechter, Pat. machte den Eindruck eines Sebwerkranken. 

Anfang November wurde auch das linke Bein, später die linke Brustseite nnd 
Schalter schmerzhaft und nach ca. 14 Tagen erfolgte Lähmung der Unterextremitäten, 
ier Blase und des Mastdarms. Druckempfindlichkeit der unteren Region der Wirbel¬ 
säule ohne Deformitäten. — Die Sensibilität an den gelähmten Gliedern, zunächst 
cor abgeetampft, schwand völlig, es entwickelte sich Decubitus und am 9. December 
(rat der Exitas ein. Die Autopsie ergab eine anscheinend von der *Dura ausgehende 
G ee ch wnlgt (SpindelzeUensarcom), welche vom 2. Lendenwirbel bis znm 9. Brustwirbel 
nkkte^ den Spinalcanal vollständig aosfüllte, und durch die IntervertebralöShungen 
«ach aussen drang. Die Wirbelkörper und -bögen waren im Bereiche der Geschwulst 
wwekht, das Bflckenmark comprimirt, im Übrigen nicht verändert, an der Pia nicht 
idhärent. R. Pfeiffer (Cassel). 


90) A esse of Syringomyelie limited to one posterior hom ln the oervloal 
rsgion, vrith arthropathy of the sKoulder-joint and asoendlng dege- 
nerstion in the pyramidal traots, by F. H. Dercnm and W. G. Spüler. 
(AiDOTicaD joomal of the medical Sciences. 1896. December.) 

fin 45jähriger, hereditär nicht belasteter, bisher gesunder Hann erkrankt mit 

12 * 


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180 


Sdimeraen in den Beinen und der Brost Ällm&hlich entwickelt sieb eine Fareee 
beider Beine. Bei der Aofnabme in das Krankenhaus bestand spastische Paraplegie 
der Beine, zn der weiterhin beträchtliche Bengecontraeinren traten. Die Patellar- 
reflexe waren stark erhöbt Foesclonos Torhanden. Nach anfänglicher Betention von 
Stuhl and Urin trat Lähmung der Blase nnd des Hastdarms anf. Die Sensibilität 
war in beiden Beinen und am Bauch bis zum Nabel völlig erloschen; am rechten 
Arm nnd der rechten oberen Bmstbälfte bestand Aufhebung des Temperatarsions 
nnd Analgesie. Im Gebiet des 4.—6. linken Intercostalnerven bestand eise Neuralgie. 
Im 6. Jahre der Krankheit trat eine Schwellung der rechten Schulter ein, die all* 
mählich zn einer beträchtlichen Zerstörung der Gelenkenden führte. Nach 12 Jahren 
starb Pat an Erschöpfung. 

Bei der Section zeigte das rechte Schaltergelenk eine Luxatio subglenoidea des 
Humerus. Der Humeruskopf war völlig verschwunden; an der Gelenkböhle der 
Scapula hatten beträchtliche Knochenaaflagerangen Platz gegriffen. Die Untersuchung 
des in HQller’scher Flüssigkeit gehärteten BQckenmarks zeigte im Conus terminalis 
eine tumorartige Gliosis in der Mitte mit einer kleinen Höhlenbildung. Im oberen 
Sacralmark nahm die Höhle den vorderen Theil der Fissura post und beide Vorder* 
hömer ein, während der Centralcanal vor derselben lag. Die hinteren Wurzeln waren 
hier wie im ganzen Bückenmark normal, die vorderen nnr in einem Theil des Brust* 
marks d^enerirt. Im Lendenmark erstreckte sich die Höhle die Fissura post bis 
zur Pia entlang; beide Pyramidenseitenstränge waren degenerirt Vom 2. Lumbar* 
Segment bis zn den 3. domlen Wurzeln bestand Pachymeningitis. 

Im Brustmark ging fast das ganze Hark in Gliosis und Höhlenbildung anf; am 
obersten Ende desselben wurde die Höhle auf das rechte Hinterhom begrenzt nnd 
blieb hier auch im Halsmark. In beiden Seitensträngen, besonders dem rechten, und 
dem rechten Vorderstrang bestand Degeneration, ebenso in beiden GoU’schen Strängen. 
Im Halsmark waren letztere völlig degenerirt; die Degeneration an der Peripherie 
des linken Seitenstrangs war nur schwach, rechts war dieselbe stärker bis zum 
2. Halssegment zn verfolgen, am stärksten im Gebiet der Pyramidenbahn. Auch der 
rechte Vorderstrang bis hinauf zur Pyramidenkreuznng war degenerirt Zwischen 
der Höhlenbildung im verschmälerten rechten Hinterhom und dem Centralcanal lag 
eine Zone normalen Gewebes. Die Ganglienzellen der Vorderhöraer schienen normal; 
es bestand eine beträchtliche Faserverarmung der grauen Substanz. 

Bemerkenswerth war die aufsteigende Degeneration im Gebiet der Pyramiden- 
bahnen, 'die sich im rechten Vorder- nnd Seitenstrang vom oberen Brustinark bis 
beinahe zur Fyramidenkreuzung erstreckte. Das geringere Befallensein der Unken 
Seite kann man durch das küraere Bestehen der Affection auf dieser Seite erklären. 
Die Degeneration der Go wer s’sehen nnd Kleinhimseitenbahnstränge von einander zu 
trennen, war nnmöglich; sie liess sich bis zu den unteren Pedunculi cerebelll ver* 
folgen. 

Die Pachymeningitis halten die Verft nicht für eine Folge der Syringomyelie, 
sondern für gleichzeitig entstanden. Es gelingt nicht, bestimmte Veränderungen des 
Rückenmarks oder der Spinalganglien in der Höhe der unteren Cervicalwurzeln für 
die Erkrankung der rechten Schulter verantwortlich zu machen. 

Die Stömngen der Sensibilität werden durch den anatomischen Befand vollständig 
erklärt. Während im Halsmark die für Schmerz nnd Temperatursinn bestimmten 
Fasern durch die Höhle im rechten Hinterhom vernichtet sind, verlaufen die für die 
tactile Sensibilität bestimmten Fasern unbeschädigt durch den Burdach'schen Strang. 

M. Bothmann (Berlin). 


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181 


U) Haber etne seltene IjooalisatioD einer Arthropstfaie bei Syringomyelie, 
Dt. Priedr. Hahn. (Wiener Win. Wochensdir. 1897. Nr. 29.) 

IHe Galenkserkranknng beobachtete Yerf. bei einer 38 Jahre alten, an STringo- 
Bjclia Indenden Fran (hochgradige Skoliose, Moskelatrophieen im Bereiche des 
Seholtergtkrtals nnd beider H&nde nach dem Typoa Aran-Duchenne, trophische 
Sti^ongen der Hant nnd Nägel, yerbrennangsnarben, SensibilitätastOrongen, Spasmos 
dar rateren Extremitäten). Die Arthropathie war nach einem Tranma entstanden 
wi aahm das rechte EUenbogengelenk ein: Anftreibung nnd Yerdicknng der Um« 
geirang des Gelenkes, besonders an der radialen Seite der Cnbita bei intacter Hant; 
Oieennon deutlich tastbar; Ulna, so weit palpabel, normal; Hnmeronlna^elenk frei 
beweglich. An der Bengeseite des Gelenkes, medial Tom Capitnlum radii nnd scheinbar 
«tot Zosammenhang mit diesem ein baselnnssgrosser, knochenharter, Terschiebbarer, 
achmoWMer Tumor zn fQhlen; Capitnlnm radii dentUch zu fühlen, liegt aber nicht 
in der Hauptachse des Badius nnd lässt mch dnrch Druck anf den peripheren 
Badinsautheil verdrängen. Deutliches Reiben bei Bewegungen im Radioulnargelenk; 
SufänatioD und Pronation unbehindert. 

Das 'Böutgenbild zeigt geringe Verdickung des nnteren Hamerns- nnd oberen 
ühttrendes, erhaltenen Gelenkscontact beider, stumpfwinklige, gegen die Beugeseite 
gtfichtete Abknicknng des proximalen RadinsantheUes, sowie eine klaffende Lücke 
xwisdien Capitnlnm radii nnd Eminentia capitata humeri. Der khocbenharte, bew^- 
liehe Körper warf keinen .Schatten, und in der Tricepssehne oberhalb. ihres Ansatzes 
mh man einra dunklen bohnengrossen Fleck, wahrscheinlich als Ansdmck einer Ver- 
fcBöchemng der Sehne. Der erwähnte harte Tumor dürfte als ein freier oder ge« 
ftieltsr, aus Knorpel bestehender Qelenkskörper oder als Neobildung in der Kapsel 
n^fsaaen sein. Die Abknicknng des proximalen RadinsantheUes ist wahrscheinlich 
Folge einer dnrch das Trauma (Sturz von der Treppe) bewirkten Infraction des 
Eiccheas. 

Aafrallend ist die freie Beweglichkeit des Gelenkes trotz der bedeutenden Dif« 
formität. Den Einfluss des Trahmas anf die Entstehung der Arthropathie lässt auch 
dieser Fall dnnkel. J. Sorgo (Wien). 

23) Troubles du tborax dans la ayringomyelie, par P. Marie. Ans der 

Socidtd mddicale des höpitanx. (Progrös mddical. 1697. Nr. 9. S. 136.) 

Ymf. nnd Astie beobachteten bei der Syringomyelie eine neue trophische — 
theiax ea bäteao — benannte Thoraxbildung, die für diese Erkranknngsform charaktS' 
nttiecb sein soll. 

Sie besteht in einer vorderen nnd medianen Aushöhlung des Brustkorbes, der 
dadoicb einem Schiffe ähnlich meht. Sein vorderes Ende befindet sich an der Basis 
des Haisee — am Jogulum stemi, sein hinteres am unteren knöchern-knorpeligen 
bde des Brustbeines. Die Missbildung ist nicht die Folge einer Deviation der 
VirMaiule. Adolf Passow (Strassburg i./B.). 


S3) Myelite ohronique oonsdoutlve ä uu trouble dans le ddveloppement 
da Is modUe dplniäre, par Dr. Hamburger, Utrecht. (Revue de Mödecine. 
1696. Janvier. S. 45.) 

Anatomischer Befund einer chronischen Myelitis bei einem Pferde. Das Rücken¬ 
mark des Thierse zeigte ausserdem Formanomalien, welche congenitalen Ursprungs 
warte. Strümpell. 


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— 182 


24) Ueber Degeneratlonaherde in der weissen Substans des itüokenmarkes 
bei Xieukämie. von Dr. M. Nonoe. Ans dem Neuen Allgemeinen Krankeo- 
haus in Hamburg (Eppendorf). (Denteche Zeitschr. f. Nervenbeilk. X. 1897.) 

In zwei typischen F&Uen tod Leuk^ie, deren Krankengeschichten auszugsweise 
mitgetheilt werden, fand Yerf. kleine und kleinste herdfOrm^e, Uber den Bfickenmark* 
querschnitt irregulär vertheilte Degenerationen von acut parenchymatösem Charakter. 
Dieselben waren in den Pyramiden^Vordersträngen am zahlreichsten und traten voll* 
kommen unsymmetrisch auf. In der grauen Substanz konnten keine Yeränderongen 
festgestellt werden, auch waren nirgends Qeßssaffectionen oder Bundzelleninfiltration 
zu erkennen, In dem einen Pall bestand ausserdem in den Hintersträngen eine 
geringe Sclerosirung. Klinische Symptome von Seiten des Nervensystems waren nicht 
nachzuweisen. Offenbar handelt es sich hierbei um die gleichen, acuten, parenchy* 
matösen Degenerationen, wie sie von Käst in einem Falle von lienaMymphatischer 
Leukämie beschrieben wurden. E. Asch (Frankfurt a./lL). 


26) Hiatoriaobe Kotia über Degenerstionaherde in der weiaaen Subatanz 
bei Leukämie und über Degenerationen im Büokenmark bei Zehr- 
krankbelten, von Prof. Fr. Schultze io Bonn. (Deutsche Zeitschrift fär 
NervenheUk. Bd. XI. 1897.) 

Yerf. erinnert daran, dass er die gleichen Herde, wie sie neuerdings Nonne 
bei Leukämie geschildert (Deutsche Zeitschrift fär Nervenheilk. Bd. X), schon im 
Jahre 1884 nicht nur bei dieser Krankheit, sondern auch bei chronischer Nephritis 
gefunden und im Neurolog. Centralbl. beschrieben hat. Ferner macht er darauf auf* 
merksam, dass die jetzt häufiger erwähnten Degenerationen in den Hmterstr&ngen 
bei anämischen Zuständen schon vor langer Zeit von Tb. Simon bei Phtisis gesehen 
und als „Kömchenzellenmyelitis'' beschrieben wurde (Arch. f. Psychiatrie. Bd. 1 und 
II, besonders Bd. II. S. 351). E. Asch (Frankfurt a./M.). 


26) Zur Lehre vom Rüokenmnrkaabsoeea, von Dr< Hermann Schlesinger, 
Assistenten an der III. medic. Klinik in Wien. Aus Prof. Obersteiner's 
Laboratorium. (Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. X. 1897.) 

Bei einem 28jähr. Mädchen, welches klinisch nicht beobachtet wurde, stellte 
sich plötzlich complette motorische und sensible Lähmui^ der unteren Körperhalfte 
mit Gfirtelgeflihl und heftigen Schmerzen in den Beinen ein. Ausserdem bestand 
Steifigkeit und grosse Druckempfindlichkeit der Wirbelsäule, sowie Blasenlähmung. 
Sensorium dauernd frei. Etwa 9 Wochen nach dem Beginne des Leidens Exitus. 
Bei der Autopsie fand sich in der ganzen unteren Partie des Bfickenmarks (Lenden- 
mark und Conus medullaris)' eine Abscesshöhle, deren Abgrenzung stellenweise eine 
scharfe war, während sich an einzelnen Stellen eine beginnende Abkapselung nach- 
weisen liess. Ferner in der nächsten Umgebung des Abscesses, und unmittelbar an 
ihn anschliessend acute, myelitische Yeränderungen mit beginnender Gewebsneurose, 
in den Seitensträngen eigenartige Herde, welche Yerf. als anämische Nearoseu auf¬ 
fasst, sowie aufsteigende Degenerationen in den Hintersträngen, in den Gowers'schen 
Bflndeln und in den Kleinhimseitenstrangbahnen. E. Asch (Frankfurt a./M.). 


27) Zur Eenntniss der centralen Bämatomyelie, von Dr. E. Bregmann in 
Warschau. (Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. X. 1897.) 

Ein SOjähr., früher gesunder, niemals luetisch inficirter Hann, der durch seinen 
Beruf stets schwere Lasten auf dem Bücken zu tragen hatte, empfand plCtzUcb 


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183 


kiftige Sehmemn im Bdcken und Abdomen, aosserdem trat Betentio urinae und bald 
dtnnf Blasenlähmang nebst cystitiscben Erscheinungen binxn. Die 2 V 2 Monate nach 
in Beginn des Leidens vorgenommene Untersnehung ergab spastische Parese der 
lUa onterra, partielle Empfindangslähmnng der rechten unteren Extremität und 
der rechten onteren Bampfhälfte, ferner die gleiche Empfindungsstdrung am Bnmpf 
linke nsd an der Vorderfläche des linken Schenkels. Wirbelsäule gerade, Dornfortsatz 
d« 1. Lendenwirbels etwas druckempflndlich, Patellarreflex links stark erhöht, rechts 
ittähemd normal, ausserdem linksseitiger Fussclonos, Fasssohlenreflex links schwach, 
R^ts fehlend. Sämmtliche B^heinnngen mit Ansnahme der Sensibilitätsstörungen 
and einer gewissen Schwierigkeit beim Harnlassen gingen im Laufe der nächsten 
2Jahre wieder zurück. Verf. nimmt eine centrale Hämatomyelie an, wie sie Minor 
beechrieben hat und wobei neben Moskelatrophieen und Paresen eine partielle Empfin* 
dDgeiihmnng aufzntreten pflegt, welch letztere durch eine Affection der hinteren Tbeile 
dw gnoen Sobstanz bedingt ist Den Sitz der Blutung localisirt Verf. zwischen 
dca 8.-9. Brust* und etwa dem 3.—4. Lendensegmen^ doch spricht die entgegen- 
fwdzte Analgesie und Thermanästhesie, sowie die spastische Parese der linken 
utcren Extremität auch für eine partielle Zerstörung des linken Seitenstranges. 

E. Asch (Frankfurt a./M.). 


^ A case of haematorrhaohis, by William Braio. (Brit. med. Joum. 1897. 

Aug. 21. S. 453.) 

Ein 18jähr. Dienstmädchen, anämisch, am Morgen ihres Sterbetages noch wohl, 
flhlt nach Stahlentleemng (2 Pillen, unbekannt, was für welche) plötzlich „Ein- 
radkfensdn'* des ganzen Körpers and kann nur mühsam sich fortschleppen. Im 
B«tt( kann sie nnr mühsam athmen und fühlt Schmerz im Nacken. Intelligenz un* 
nstört; Sprechen mühsam nnd langsam. Pupillen normal; linker Arm und rechtes 
B«a gelähmt; Patellarreflex fehlt; Sensibilität verringert. — Plötzlich Stubldrang; 
vüiwige Denteation; CoUapsos nnd Tod. 

Antopsie: Unter dem 3. Cervicalwirbel, zwischen Dura und Spinalcanal ein 
Kütgerinnsel, dessen grösserer Theil rechterseits; Dura blulgeiärbt. Das Gerinnsel 
wibeckt sich vom 2. zom 3. Cervicalwirbei. L. Lehmann I (Oeynhausen). 


Ueber zwei Fälle von primärer, oombinlrter Strangerkrankong des 
Bfiokenmarks, von Arthur Wagner, Assistenzarzt am Landkrankenhanse 
n Cassel. (Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. XI. 1897.) 

1. SSjähr., hereditär nicht belasteter und Inetisch nicht inficirter Bäcker klagt 
m Weiboacbien 1891 über Abnahme des Gefühls in Händen und Füssen, Kraft- 
Twamdenmg in den Armen, Parästhesieen in den Beinen und zeitweilig auftretenfler 
lecmtiDentia nrinae. Status: Sensorium klar, Himnerven ohne Störung, linkes 
SchnUageleuk schmerzhaft, grobe Kraft der Arme nnd Hände etwas herabgesetzt, 
Spumongsgefühl in den Armen und Beinen, tactile Sensibilität und Temperatursinn 
u to Endpbalangen beider Bände besonders an deren volaren Flächen herabgesetzt, 
t*ctüe Seimbilität und Sdnoerzempfindang an der Planta pedis, besonders an den 
und den vorderen Fossrändem vermindert, anch werden an diesen Stellen 
crob« Temperatorunterschiede nicht erkannt, Triceps* und Patellarreflexe nicht vor- 
sndoi, Bömberg’sches Symptom nachweisbar, Gang unsicher, leichte Ataxie der 
Bkran Extrraütäten. Im Urin anfangs etwas Eiweiss, später nicht mehr. Nach 
twfibsrgehender Beesemng Zunahme der Beschwerden: Kopfschmerzen, Schwindel- 
Erbrechen, Schmerzen in Armen und Beinen, Ataxie nnd Verminderung der 
SnboB Kraft der. Arme, Anästhesie, Analgesie und Aufhebni^ des Temperatursinns 


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184 


am linken Arm nnd beiden Beinen, später auch Sensibilitätsstömngen an dem rechten 
Arm nnd Hand, Drockempfindlichkeit der Brustwirbelsäule, spastische Lähmnng .der 
Beine, Incontinentia alvi et orinae. Während der letzten Zeit der Krankheit wurde 
das früher erloschene Kniepbänomen wiederholt beobachtet, Plantarreflex beido-seits 
lebhaft. Kurz vor dem Tode Qescbmacksstürung auf beiden Zungenhälften, Trige* 
minus im übrigen frei, Fupillenreaction stets vorhanden. 

Die anatomische Untersuchung des Bückenmarks eigab symmetrische D^eneration 
der Pyramidenvorder- und •Seitenstrangbahnen, der Kleinhimseiten- und der Hinter* 
stränge. Die hinteren und vorderen Wurzeln, sowie die graue Substanz waren 
normal. 

2. 48jähr., früher gesunder nnd angeblich niemals syphilitisch inficirter Arbeiter 
klagt seit 3 Monaten über Schmerzen in den Armen, Beinen und im Leib, seit 
6 Wochen besteht ausserdem rasch zunehmende Schwäche der Beine. Status: 
Anämisches Aussehen, Himnerven normal, keine Muskelatropbieen, keine groben 
Sensibilitätsstörungen, Kraft der Arme gering, Hautreflexe schwach, Knieph^omen 
lebhaft,. Fussclonns, untere Extremitäten spastisch gelähmt, Urin frei von Eiweiss 
und Zucker. Zuletzt Sphincterenbetheiligung und Cystitis. Exitus. 

Bei der Untersuchung des Bückenmarks fand sich ebenfalls Degeneration der 
Pyramidenvorder* und Seitenstrangbahnen, der Kleinhimseiten* und der Hinterstränge. 
Auch in diesem Falle waren die vorderen nnd hinteren Wnheln, sowie die graue 
Substanz uormal. 

Die Degeneration der Hinterstränge beginnt im ersten Falle schon im Sacral* 
mark, im zweiten im untersten Lendenmark und ist beide Mal bis in das Keragebiet 
in der Medulla oblongata zu verfolgen. Die Pyramidenseitenstrangbahnen sind das 
eine Mal vom Samalmark, das andere Mal vom untersten Lendenmark bis in die 
Pyramidenkreuzung betroffen, und die Pyramidenvorderstraugbahnen sind in Fall 1 in 
ihrer ganzen Ausdehnung, in Fall II hingegen nur in der Höhe des Brust* und 
unteren Halsmarks verändert, während die Kleinhimseitenstrangbahnen in beiden 
Fällen von ihrem Beginn bis in die Corpora restiformia degenerirt sind. 

Die grosse Ausdehnung der Erkrankung, die scharfe Abgrenznug von der Um¬ 
gebung und die Symmetrie der Affection lassen diraelbe als eine systematische er¬ 
scheinen, und zwar handelt es sich um eine primäre Degeneration des Nerven- und 
secnndäre Wucherung des Stützgewebes. Eine secnndäre Degeneration der langen 
Bückenmarksbahnen, abhängig von einer primären Sclerose irgend eines Bückenmarks¬ 
abschnittes erscheint ausgeschlossen und ist die Vertheilung sowohl auf dem Quer¬ 
schnitt, wie in der .Längsausdehnung nicht mit dem Bilde einer Myelitis mit secnn- 
dären Strangerkrankungen in Einklang zu bringen. 

Gegen die Annahme einer Tabes sprach das Intactsein der hinteren Wurzeln 
und der Lissauer’scben Randzoue. E. Asch (Frankfurt a./M.). 


30) Le mdoaniame des mouTements röflexea. Un oas de oompreseion de 

Is moöUe dorsale aweo abolition des rdflexes, par A. van Gebuchten. 

(Journal de neurologie et d’bypnologie. 1897. 26. Juni.) 

Ein 68jähriger, hereditär nicht belasteter Mann leidet seit 2 Jahren au Urin- 
beschwerden, die in dem letzten Jahre sich wesentlich verstärkt und schliesslich znr 
völligen Urinretention geführt haben. Dazu trat starke Verstopfhng und Yerlust der 
geschlechtlichen Kraft. Es entwickelten sich Schmerzen im Bücken, Steifigkeit und 
Ermüdung der unteren Extremitäten mit spastischem Gang, zuletzt eine schlaffe 
liUmung der Beine. Die Sehnen* und Hantreflexe an denselben sind aufgehoben. 
Die tactile Sensibilität ist intact, ebenso der Muskelsinn. Schmerzempfiudung und 
Temperatursiun sind in der unteren KOrperhälfte hinauf .bis zum Domfortsatz dee 
10. Brustwirbels herabgesetzt Die elektrische Erregbarkeit der Nerven nnd Muskeln 


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185 


u den Dstereo Sxtremit&ten ist normal. Die Diagnose wird auf Compression 
dei DBtereo Tbeils des Brnstmarks gestellt. Im weiteren Verlauf l&sst sich 
ein Wiederaoftreten der Patellar- und Plantarrefleze constatiren, am deutlichsten am 
ncbtm Bein, während Cremaster*, Bauch-, Blasen- und Bectalreflex dauernd fehlen. 

Ist die Diagnose richtig, so ist das Fehlen der vom Lumbosaciulmark abhängigen 
Hut- and Sehnenreflexe beim Intactsein dieses Marktheils und der peripheren Nerven 
b<uiffkeoawerth, sumal bei Zerstdmffg des Brustmarks eine beträchtliche Steigerung 
disir Beflexe xn erwarten gewesen wäre. 

Entgegen den Ergebnissen der experimentellen Arbeiten geht aus der Qesammt- 
tat der klimschen Beobachtungen hervor, dass die vollständige Qoerschnittsläsion 
dn carrieodorealen Bflckenmarks eine schlaffe Lähmung der unterhalb der Compressions- 
^ ihre Innovation empfangenden Moskelo zur Folge hat, ohne dass die secnn- 
fin Degeneration der Fjramidenbahn Muskelrigidität oder Contracturen bewirkt. 

I Es k’>mDt ferner zur vbUigen dauernden Aufhebung der Patellarreflexe und der 
ricnlen Befleze, sowie der oberflächlichen Bantreflexe, bisweilen mit Ausnahme 
in Plutarreflexes. Dabei ist der Beflexbogen im Lnmbosacralmark intact. Es 
exuürt in der Litterator kein Fall von völliger Querscbnittsläsion des Cervicodorsal- 
Birks mit Erfaaltensein dieser Reflexe; die drei von Egger als solche angeführten 
Fidle weist Verf. als nicht beweisend zorflck. 

Aber auch eine einfache Compression des Cervicodorsalmarka ohne Degeneration 
ier veiasen Stränge und ohne deutliche Seusibilitätsstörung kann die gleichen 
tlaiecbsD Symptome darbieten, wie zwei von Kadner und Babinsky anatomisch 
utgsDchte FäUe und eine Reibe klinischer Beobachtungen, wie die obige des Verf., 
ivthan. In anderen derartigen Fällen kommt es allerdings zur spastischen 

Die bisher znr Erklärung der Aofhehung der Reflexe bei der cervicodbrsalen 
C«;rtt8ioo d^ Bflckenmarks aufgestellten Tbeorieen sind nicht geeignet, alle Fälle 
a trkliren. Der normale Hnskeltonus ist nur der Ausdruck des dauernden Er- 
v<8ifBznstaade6 der motorischeu Vorderhomzellen, der wiederum von den benach- 
knn mit den Zellen in Contact stehenden Nenronen beeinflnsst wird. Diese 
SfwoM sind: 

1- die Fasern der hinteren Wurzeln, 

2. die eorticospinalen Pyramidenfasem, 

3. die alnteigenden cerebelliMipiDalen Fasern, 

A die vorwiegend ans dem Mittelhim stammenden Fasern des hinteren Längs- 

Die hinteren Wnrzelfasem bringen den motorischen Zellen einen gewissen Grad 
^ Envgni^, die Pyramidenfasem haben einen hemmenden Einfluss, die cerebello- 
Fasern nnd das hintere Längsbflndel wirken offenbar eneigisch htimolirend. 
^ dnreh alle diese Einflüsse bedingte nervöse Tonus stellt in seiner Uebertraguug 
^ usaai den Hnskeltonns dar. Zum Anftreten des letzteren ist es nothwendig, 
^ dar oenöse Tonns nicht unter ein bestimmtes Minimum herabsinke. Eine 
dee nervösen Tonus kann sich wiederum nur zeigen, wenn der Mnskel- 
^ imtff einer bestimmten Grenze bleibt Zum Zustandekommen einer Reflex- 
oater normalen Bedingungen gehört ansser der anatomischen nnd functio- 
^ Intsetheit des nervösen Reflexbogeos ein bestimmter Grad von nervösem Tonus 
^ wotorischen Ganglienzellen. Eine Abschwächung des letzteren kann durch eine 
paripfaerische Reizung paralysirt werdeu. 

Dia Aufhebung einer Beflexbew^ng kann unter drei Bedingungen stattflinden: 

1- Bai anatomischer oder fnnctioneller Unterbrechung an irgend einer Stelle des 
Beflezbogens. 

2. Bei d)norm starker Hemmnngswirknng auf die Vorderhomzellen, z. B. beim 


D g : 7cd / G OOglC 


186 


3. Beim Herabsinken des nerrbsen Tonns der Vorderbornzelle unter ein be> 
stimmtes Minimnm, so bei der Querschnittsl&sion des Cerricodorsalmarks und oft bei 
einfacher Compression in diesem Abschnitt. 

Ist die Hemmungswirkung der Hirnrinde allein aufgehoben, so kommt es m 
Uuskelrigidität und Steigerung der Beflexe. Kommt es zugleich zur Unterbrecbaog 
der cerebeliospinalen Fasern, so entwickelt sich eine schlaffe Lähmung der Muskeln 
mit Abschwächung oder sogar Aufhebung aller‘entsprechenden Beflexe. 

U. Bothmann (Berlin). 

31) A Oase of purulent primary spinal leptomeningitis, b; Frank B. Fry, 
H. D. (Journal of nervous and mental disease. VoL XXI7. 1897. S. 458.) 

Nachdem der sonst gesunde 27jähr. Pat. angeblich einige Zeit an Forunkelo 
der Bdckengegend gelitten hatte, entwickelte sich unter lebhaftem Fieber und sehr 
heftigen Schmerzen eine von unten nach oben aufsteigende totale motorische und 
sensible Lähmung des Körpers und der Extremitäten, während das Bewusstsein und 
die HimnerTen völlig intact blieben. Der Tod erfolgte am 11. Tage durch Lähmung 
der Bespirationsmuskeln. 

Die Section ergab eine acute Leptomeningitis des Rückenmarks, ln dem eitrigen 
Exsudat fanden sich bei bakteriologischer Untersuchung Staphylococcus pyogenes 
albus und aureus, sowie Streptococcus pyogenes. 

Die vorausgegangeqe Furunkulose blieb die einzige Erklärung der Infection. 

Sommer (Allenberg). 

32) Paröso • analgdsie des extrAmitAs infArieures aveo panaris analgöaiquea 
ou maladie de Morvan. HAmlplAgie droite et paraplAgie infArieure, 
par Bourneville. (Arch. de Neurol. Vol. I. 1896. Nr. 6.) 

Die Hittheilung betrifft einen 21jähr. Pat. mit schwerer hereditärer Belastung. 
Bei demselben waren im Alter von 2 Jahren Krämpfe aufgetreten, nach welchen 
eine Lähmung der rechten oberen Extremität und der beiden unteren Extrenaitäten 
zurückblieb. Später entwickelten sich die nach einer cerebralen Kinderlähmung ge* 
wöhnlichen Erscheinungen als Atrophie, Contracturen u. s. w. an den gelähmten Seiten; 
ausserdem blieb die intellectuelle Entwickelung sehr zurück. Dieser Pat. zeigte nun 
noch die Erscheinungen der Morvan’schen Krankheit: typische sensible und tro* 
phiscfae Störungen und Huskelatrophieen an den oberen i^tremitäten. 

Der Yerf. nimmt als Grundlage der cerebralen Lähmung eine Meningomyelitis 
an, welche in Sclerose ausging. Zu dieser cerebralen Lähmung hat sich dann später 
die Morvan’sche Krankheit zngesellt. H. Weil (Stuttgart). 


33) £in Fall von Solerodenuie erfolgreioh behandelt mit Extraotun 
thyreoideae, von Leonhard Weber. (New Yorker med. Monatsschr. Bd. IX 
1897. Nr. 10.) 

33jähr. Frau, die mehrfach geboren hat, früher nie erblich krank war und ii 
früheren Jahren nie an Bheumatismus gelitten hat, klagt seit 6 Monaten Über leichb 
Schmerzen in den Knieen. Dieselben sind etwas geschwollen und zeigen die Er 
Bcbeioungen einer leichten snbpatellaren Flüssigkeitsansammlnng. Vor etwa 3 Jahre 
bemerkte sie, dass einzelne Stellen der Haut der rechten Seite des Halses, Nacken 
nnd Armes hart und steif wurden, dass diese Partieen an Umfang Zunahmen, d 
und dort confluirten nnd bretthart wurden. Seit iVg Jahren traten bandartige, aul 
fallend weisse Streifen an der Beugeseite des Vorderarms dazu, welche narbenartl 
her-vorr^end sich gegen das Hanc^elenk verlieren. Gebrauch der ExtremitI 
seitdem behindert. 




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187 


Bei d» UDtorsochuQg erweist sich, dass es sich um Scierodermie haudelt, die 
d«o rechten Arm, die rechte Schalter and die rechte Seite des Nackens and der 
obwen Bmsthälfle ergriffen hat. Einzelne Finger etwas steif, debrauch^ des rechten 
Arme im ganzen etwas gehindert. Anf Stirn, Kinn, Wangen und Unterlippe kleine, 
TCHse, fflteig harte Plaques, in Folge deren das Gesicht etwas verbreitert cnd der 
Assdroek etwas starr erscheint. Im Qbrigen normaler Befund. Zur Besserung von 
glachieitig vorhandenen Halariasjmptomen wurde zunächst Chinin, gegen die rheu* 
toiäschen Beschwerden Salol verabreicht. Beides blieb ebenso wie Arsen ohne Ein* 
Sui auf die Hautaffection. Dagegen brachte etwa 7 Monate lang hindurch fort* 
psetzter Gebrauch von Thjreoideatabletten völlige Heilung, die erst 6 Monate nach 
AasBetzen des Mittels einem leichten Becidiv Platz machte, das auf Th;n^eoidea 
verschwand. Ein auch später prophylaktisch angeordneter Gebrauch von 
Sctilddrüsentabletten liess emente Efankheitserscbeinungen nicht auftreten. 

Martin Bloch (Berlin). 


Therapie. 

U) Ein Beitrag sor Chirurgie des Büokenmsrka. Heilung einer durch 
intradarslen halten Absoess bedingten Oompreesionslfthmung durch 
Eröfinnng des Duralsackes nach Ijamineotomie, von Dr. Trapp. Aus 
der ehirurg. Klinik in Greifswald. (Münchener medicin. Wochenschrift 1897. 
Nr. 27.) 

ln der intereesanten Krankengeschichte handelt es sich zunächst nm die Folge- 
«ndtrinongeD einer Wirbelsäolenfractur in der Höhe des 6.— 8. Brustwirbels, welche 
»b der 20jähr. Kranke durch einen Sturz auf das Gesäss zugezogen batte. Sofort 
w^Gibbos nachweisbar, doch erst mit der allmählichen Yergrösserung desselben 
bddne sich nach und nach eine zunehmende Schwäche der Beine in Form einer 
iputiMhes Parese ohne Sensibilitätsstömng aus. Hierauf gründete sich die Diagnose 
sns’ Eftckenmarkscompression, und zwar wurde eine im Anschluss an die Fractur 
u^kretene, tnberculöse Caries angenommen. Nachdem die eingeleitete Extensions* 
bAndlmg erhebliche Besserung im Gefolge hatte, trat ein plötzlicher Rückfall ein, 
u dtt rieb allmählich eine progressive Yerschlimmerung des Zustandes anscbloss, 
» dts mit fernerer Berücksichtigung abendlicher Temperatnrsteigernngen und von 
Nadilstliweissen ein extraduraler, vom Knochen ausgehender kalter Äbscess angenommen 
nrde. Die auch im Hinblick auf die noch erbaltenen Reflexe und die intacte 
^(Kibilität indicirte und ausgeführte Operation bestand in der Eröfbung des Wirbel* 
amh oad — da eich extradoral kein Herd fand — anch des Duralsackes. Auf 
Eingriff hin entleerte sich dicker mit käsigen Bröckeln untermischter Eiter, 
geeigneter Wundbehandlung, wobei unter anderen ohne Schaden für das Rücken* 
Mri and die Leptomeningen Jodoformglycerin in Anwendung kam, besserte sich der 
häioi allmählich, um schliesslich unter Extensiou in völlige Heilung überzugehen, 
^ bri dem intradnralen Sitz des Eiterherdes mit Recht als bedeutsam hervor* 
wird. Ein dauernd zu tragendes Gypscorsett dient zur nothwendigen Stütze 
^ ScboDui^ der geschwächten Wirbelsäule. Der Yerf. hebt dann noch die dia* 
CKriBche .Bedentong des plötzlichen Rückfalles mit daran anschliessender weiterer 
Twsehlimmenu^ des Znstands als charakteristisch für den Durchbruch eines Eiter* 
sei es mit intra* oder extradnralem Sitz, hervor. Dass in dem vorliegenden 
FtU« keine allgemeine Meningitis spinalis eintrat, hierfür ist die Annahme einer 
RtttfiBdliehen Abkapselung des Herdes gewiss ein Postulat 

E.'Asch (Frankfurt a./M.). 


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m. Aus den Gtosellsohaften. 

Aerztlioher Verein in Hamburg. 

Sitzung Tom 15. Juni 1897. 

(Deutsche med. Wochenschr. 1897. Nr. 46.) 

1. Krause spricht Ober tuberoulöse Spondylitis. 

Diese beginnt fast stets an den WirbelkOrpem und zwar an den Stellen dee 
Hauptknochenwacbsthums, d. h. am Uebergang des Lig. longitudinale anterius in die 
vordere Fläche der Wirbelkörper und an der Grenze der Zwischenwirbelscbeiben und 
der Körper. Ausgeprägt ist bei der tuberculösen Spondylitis sodann die Neigung, 
in vielfachen Herden aufzutreten. Selten ist der Beginn in der Mitte eines Wirbel* 
körpers ohne Zusammenhang mit dem Lig. longitudinale anterius oder einer Zwischen¬ 
wirbelscheibe. Die tuberculösen Granulationen zerfallen bei weiterem Fortschreiten 
des Leidens eitrig, es entstehen prävertebrale Äbscesse, die Zwischenwirbelscheiben 
werden zerstört, die nur hinten gestOtzte Wirbelsäule bricht nach vorne zusammen, 
es resultirt ein Gibbns. — Selten entsteht dieser ohne Eiterung, wenn ein Zwischen¬ 
wirbelknorpel oder ein Wirbelkörper nur durch Qrannlationsmassen ersetzt wird. In 
diesem Krankbeitsstadium wirken als neue schädliche Factoren die gegenseitige In- 
fection der blossliegenden Knochen dnrch den tuberculösen Eiter und der Druck der 
Wirbelkörper auf einauder. Das Calot’sche Bedressement wird in der Mehrzahl der 
Fälle zur Correctur des Buckels genOgen, nur bei starkem, knöchernem Gallus soU 
nach Calot eine keilförmige Besection der Wirbelsäule vorgenommeu werden, eine 
Operation, der gegenüber sich Vortr. ablehnend verhält,-da das Leiden in diesen 
Fällen meist ausgeheilt, ein so schwerer Eingriff daher nicht gerechtfertigt ist. 

2. Hess: Demonstration eines Falles von rechtsseitiger Hemipl^e. 

Bei dem jetzt 672 jährigen Knaben trat mit Jahre plötzlich rechtsseitige 
Lähmung anf; Qesichtsbetbeiligung fraglich. — Das Bein besserte sich rasch, Pat 
lernte mit 1 Jahr laufen. Zeitig besteht Verkfirznng und Abmagemng des rechten 
Armes mit Beweglichkeilsbeschränkung und geringen Mnskelspasmen, an der rechter 
Untereztremität Verkürzung (besonders am Unterschenkel), Atrophie nnd Steigermig 
des Patellarreflezes. Sensibilität und elektrische Beaction intact. Undeutliche Sprache 
geringe Idiotie. — Keine Aphasie-, keine epileptischen Krämpfe, keine choreatiechei 
oder athetotischen Bew^nngen. — Normale Kopfmaasse. 

Vortr. nimmt als wahrscheinlich eine mehr allgemeine Erkrankung des Cortea 
etwa nach Art der Mikrogyrie an und neigt dazu, gröbere Narben, Cysten n. s. w 
and Hydrocephalns anszuscbliessen. Die Prognose des Falles ist relativ günstig 
doch können Complicationen (Epilepsie, Chorea, Äthetose) noch hinzntreten. - 

R. Pfeiffer (Cassel). 

Gesellschaft der Neurcpathclcgen und Irrenärzte su Heakau. 

Sitzung vom 19. December 1897. 

1. Dr. W. Semidaloff und Dr. W. Weydenhammer: Zur Frage über dai 
Delirium acutum. 

Nach vorangehender Uebersicht der letzten Arbeiten über das Delirium acotun 
gehen die Antoren zur Beschreibung ihrer Fälle Über: 

Erster Fall: Frau von 34 Jahren; in der Anamnese weder Lues'noch Abuaoi 
spirit. Mitte October 1896 grosse motorische Unruhe, Bewusstseinstrübung, Hallu 
ciuationeo. Von Mitte November aggraviren alle diese Erscheinungen, es könnei 
Popillendifferenz und Fehlen der Patellarreflexe constatirt werden, reichliches Grimas 
siren, Zockangen in verschiedenen Gebieten der Musknlatnr, hochgradiger KräfteverfaU 
Vom December Erhöhung der Temperatur bis anf 38,5*^, halb willkürliche Qrimassei 


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ia Oiaeht, Nahrangsyerweigerang; tod Mitte December adynamiscbe Phase der 
I[iukb«it ah stark aasgesprochenen tropbiscben Stdrangen. Tod den 31. December. 

Zveitsr Fall: Fran Ton 31 Jahren. Psychopathische Heredität Die letzte 
Gebot dm 25. März 1896, stillte selbst Die fast jedes Jahr sich wiederholenden 
Gebot« reiiiefen ohne Temperatnrerhdhnng, nach der letzten Geburt geringfügige 
das sobjectiven Befindens. Den 3. Jnli Erhdhung der Temperator bis anf 
3G,5*, Tom 6. Juli BewnsstseinstaHbang, Hallucinationen, starke motorische Unruhe. 
Pspillndiffereni ond Abschwächni^ der Patellarrefiexe. Bis zum 11. Juli, wo der 
Entos erfo^^te, bestand ausserdem noch hochgradiges Sinken in der Ernährung, 
SikfD^vMweigenmg, halb willkfirliches Grimassiren ond unregelmässige hohe Tem- 
^tcreo. 

Nach eingehender Betrachtung dieser Fälle vom Standpunkte der klinischen 
ErsebeiaiiBgan, scheiden die Autoren bestimmte Combinationen physischer und psy* 
{ittcW %mptome bei Delirium acutum aus und ziehen damit die Grenzen von den 
idvra Formen der Amnesie. Zur Unterscheidung des acuten Deliriums von den 
^•>ppirnden Formen prc^ressiver Demenz bleiben sie bei der Betrachtung eines 
THD SiD« genau untersuchten Falles galloppirender progressiver Paralyse stehen, bei 
nicboi der Symptonoencomplex des acuten Delirinms die Symptome der Paralyse 
tkkt Terviscbt batte, ln Bezug airf den Verlauf des acuten Deliriums werden von 
iliND aoGh Fälle mit protrahirtem Verlauf zi^elassen, wie das auch im ersten der 
Mkrisbenra föUe constaürt wäre. 

Die Obduction des ersten Falles ei^b folgenden Befund: Dura mater normal, 
h cer^inklis stark hyperämiscb, leicht ödematös; diffuse kleine Blutungen. Binde 
M Qroesfaiins stark hyperämiscb, unterscheidet sich scharf von der darunter liegenden 
viis« Substanz; dil^e punktförmige Hämorrh^ieen in der Binde, ln der Binde 
in Stimvindungen (namentlich der 3.), in der Insul. Bheilii, in der 1. Schläfen- 
^ in des Ceptralwindongen zerstreut liegende kleine encephalitische Inseln, welche 
ad ein wenig in die darunter liegende weisse Substanz fortsetzen. Die mikrosko- 
Untersuchung ergab das Bild einer subacuten hämorrhagischen Encephalitis, 
nlde in den makroskopisch sichtbaren, oben angeffihrten Herden stärker aus- 
fs^ben war. 

ln nreiten Falle ist die mikroskopische Untersuchung nicht ausgefdhrt worden. 
^ der aakroskopischen Betrachtung liess sich Folgendes coustatiren: starke Hyper- 
öie der Binde ond der Pia cerebralis. Punktförmige Hämorrhagie im centralen 
H^Uograa des 4. Ventrikels. Ungeachtet des Fehlens der mikroskopischen Unter- 
:'9dBg, nehmen die Antoren auch in diesem- Falle an, dass es sich hier wahrsehein- 
u eine acute hämorrhagische Encephalitis handelt, welche in Folge des raschen 
der Erkrankong nicht Zeit gefunden hatte, sich durch deutliche anatomische 
^atadernngen zn documentiren. 

htdem die Antoren die • Besnltate ihrer Untersuchungen mit den Ergebnissen 
^'tbetef Arbeiten vergleichen, kommen sie zur Ueberzengung, dass in der letzten 
^ dank den sorgffiJtigen Untersuchungen das anatomische Substrat des acuten 
sieh immer häufiger als eine acute hämorrhagische (Meningo-)Encephalitis 
*^«*(die Fälle von Biauco und Picciniui, Popoff, Chmelewsky, Suchanoff); 
B älteren Arbeiten ist ebenfalls in den meisten Fällen Encephalitis oder Meningo- 
und häufiger die hämorrhagische Form gefunden worden. Fälle, wo bloss 
Hjperämie der Binde oder sogar gar keine Veränderungen des Grosshims ge- 
worden, ^d mikroskopisch nicht untersucht worden, haben folglich keine 
Auf diese Weise halten es die Autoren ffir möglich, festznstellen, dass 
^ vollständig klinisch bestimmten Symptomencomplex des Delirium acutum in 
^ Alisa ms bestimmtes anatomisches Substrat und zwar die acute hämorrhagische 
^^^balitis entspricht In Anbetracht dessen halten es die Autoren für möglich, 
Ddiriom acutum als eine besondere selbständige Form mit bestimmtem anato- 
•Kbm Substist auszuBcbsiden und betrachten das Delirium acutum als eine voll- 


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kommen isolirte Unterart aus der umfangreicben Omppe der hämorrhagischen Snce- 
pbalitiden, als eine ebenso isolirte Unterart, wie die Formen von Strümpell. 
Wernicke, Poliencepbalitis inferior. In Anbetracht dessen, dass der Frocess banpt* 
sächlich sich in der grauen Substanz des Gehirns — in der Binde — localisirt, 
sind die Äntoren geneigt, das Delirium acntnm zur Gmppe der acnten Poliencepbali- 
tiden zuzuzäblen. Eine vollkommen strenge Abgrenzung von den anderen Formen 
der hämorrliBgiscben Encephalitis hat das Delirium acutum ebenso wie auch diese 
letzteren nach der Meinung der Autoren nicht; es ist eine Beihe von Combinationen 
und Debergängen zu den Formen Strümpell^ Wernicke und vice versa mi^Uch. 
Der Yerlauf der Krankheit bei Delirium acutum kann ein acuter oder subacuter sein. 
Im Allgemeinen lässt sich eine grosse Aehnlicbkeit des Verlaufs mit den übrigen 
Formen der acuten hämorrhagischen Encephalitis constatiren. Der Unterschied hängt 
von der Verschiedenheit der Localisation des Processes ab. — Die Äetiologie des 
Delirium acutum kann nach Meinung der Autoren eine verschiedene sein; die Grund* 
läge kaun, ebenso wie bei den anderen Formen der acnten Encephalitis, die Infection 
und Intoxication (im allgemeinen Sinne) abgeben. 

Discussion: 

Dr. W. Muratoff: Die von den Autoren gefundenen Veränderungen sind so 
wenig charakteristisch, dass bis jetzt noch kein Grund vorliegt, dieselben als eine 
besondere Gruppe der Encephalitiden aofzufassen. 

Dr. G. Bossolimo erwähnt, indem er sich mit den Schlüssen der Autoren ein¬ 
verstanden erklärt, eines Falles von Delirium acutum, bei dem die Section einen 
acut hämorrhagischen encephalitischen Herd im Gebiete einer Centralwindung ergab; 
die Ausdehnung des Herdes und der Blutnngen müssen von den Besonderheiten des 
ergriffenen Abschnittes des Blutgefösssystems abbängen. 

Dr. W. Serbskj hält die strenge Durchführung einer Grenze zwischen Ämentia 
nnd Delirium acutnm für nicht mügUch. 

2. Dr. N. Solowzeff: Ueber Uissgestaltungeii des GroashimB im Zu¬ 
sammenhang mit spinalen Veränderungen. 

Tortr. hatte Gelegenheit, im anatomischen Theater des Moskauer Findelhauses 
drei Kinder mit nnentwickeltem Grosshirn zn seciren; von denselben lebte eines 
60 Tage, die beiden anderen bis zu 6 Tagen. In allen diesen drei Fällen eigab 
die Section in der Schädelböhle nur das Kleinhirn and den Himstamm mit disfor- 
mirten Corpora qnadrigemina und Thalamus opticus, welche mit der Hirnhaut bedeckt 
waren, vom Grosshim jedoch war bloss ein formloser kleiner Auswuchs zu sehen. 
Die mikroskopische Untersuchung zeigte vollkommenes Fehlen der Pyramidenbabnen 
in ihrer ganzen Ausdehnung. Die Untersuchung der BQckenmarkszellen nach Niasl 
(nach vorbergegangener Formolhärtuug) zeigte interessante Resultate. Während die 
Zellen der Hinterhümer nnd der Intervertebralganglien, keine Abweichung von der 
Norm anfwiesen, bestanden die Zellen der Vorderhömer baoptsäcblich aus einem 
grossen Kern, welcher von einem bald schmäleren, bald breiteren achromatinen Netz 
von grobem Maschenwerk umgeben war, in dem nicht selten sich Vacuolen vorfanden. 
Chromatophile Körner fehlen gänzlich, obgleich die ebromatopfaUe Snbstanz angen- 
scheinlich in der Zelle enthalten ist, aber in diffusem 'Zustande. Parallele Unter¬ 
suchungen von nnaosgetragenen Kindern eigaben grosse Aehnlicbkeit der Vorderhorn- 
zellen in beiden Fällen: die chromatophilen Körner erscheinen erst im 7. Monat des 
intrauterinen Lebens. Ans diesem Umstande hält der Yortr. die Zellen in den drei 
beschriebenen Fällen als steheugeblieben in ihrer Entwickelung nnd siebt den Grund 
in der Abwesenheit der Pyramidenbahnen, welche die Vorderhomiellen tonisiren. Bei 
normalen Embryonen wachsen die Fasern der Pyramidenzellen der Hirnrinde bis an 
die motorischen Zellen der Torderhömer des Bückenmarks ungefähr im 7. Monat 
heran, nnd von dieser Zeit an beginnt die endliche Formimng dieser Zellen. 


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101 


Der Yortng wurde begleitet von Demonstration makro« and mikroskopiscber 
Pn{)tRte. 

io der durch den Vortrag hervoi^ernfenen Debatte nahmen die Herren Drr. Kor« 
aiUff, Moratoff, Kosbewnikoff und Pribytkoff Theil. 

3. Dr. K. M. Wersiloff: Myelitis oentralis acuta ascendens (mit Demon* 
nnuoo von Präparaten). 

Der 29 Jahre alte Kranke trat in die Klinik fQr Nervenkrankheiten (24. Nov. 
1895) mit den Erecbeinnngen einer vollständigen Paralyse der linken und Parese der 
rKkUn Hand, von Schwäche der Halsmuskeln, geringgradiger Sprach« und Schluck« 
^tsnokra ein; degenerative Atrophie der paralysirten Muskeln nnd dissociirte Än- 
uitsu des linken Arms und der linken KCrperhälfte. Diese Erscheinungen ent« 
rtckelMi sieb acut ohne Temperatursteigerung in wenigen Stunden im Juli 1895. 
li der Klinik langsame Besserung, aber Ende Januar 1896 allgemeine Schwäche, 
dtruf Parese des linken Beins, bald darauf Erschwerung des Athmens und Schluckens, 
lahif März vollkommene Unbeweglichkeit der Augäpfel; 14. März 1896 Exitus 
Die Temperatur erhielt sich während dieser ganzen Zeit normal. 

Die anatomische Untersuchung ergab einen entzündlichen Process im oberen 
Abacbsitt des Rückenmarks bis zum 3. Dorsalsegmeni Ergriffen erscheint haupt« 
^lilkb die vordere Hälfte des Bückenmarks: die Vorder« und Seitenhömer und die 
Snikibtedel der Vorder- und Seitenstränge; zur Peripherie des Rückenmarks ver- 
’nm sieb die Veränderungen. Die Zellen der Vorder- und Seitenhömer stark 
Hyperämie und Infiltration der Gefässe der grauen Substanz. Im Hirn« 
!=’iaB ist der Process um die Ventrikel herum loc-alisirt und hat die Kerne der 
Snaerren (UI, IV, VI, X u. s. w.) ergriffen. Degenerirt sind (an Marchi-Prä- 
die Corpora restiformia bis zum Wurm, die Fortsetzung der Orundbündel 
^ Vorder« und Seitenstränge bis zu dem Thalam. optic., die Gowers’schen Bündel 
-■i niffl Pons Varoli. 

Der i^ze Process muss als ein entzündlicher aufgefasst werden; das ist eine 
Hjtüds, welche im gegebenen Falle einen ascendirenden Verlauf genommen hat und 
ipiier das Bild einer Encephalitis zeigt. Der Bückenmarksprocess, der älteren Ur« 
ist, bat degenerative Veränderungen im Hirastamm hervorgerufen. 

Dm anatomische und klinische Bild gegen einander haltend, kann man annehmen, 
^ « äch hier um denselben Process handelt, wie bei der Poliencephalitis, nur 
i‘i a^r Vertheilung der entzündlichen Herde, um einen Process, welcher dennoch 
^ rvwissee ^stem und gewisse Begularität zeigt. 

Discussion: 

Prof. Roth ist der Meinung, dass im gegebenen Falle die Bezeichnung acut 

^ Gorrect sei, vielmehr ist das ein subacuter Process. Was die Anästhesie 
so könnte sie auch peripheren Ursprangs sein. 

Dr.Rossolimo und Dr. Orlowsky nehmen au, dass die Localisation der Er« 
biihQqr im gegebeuen Falle abhängig gemacht werden könnte von der Verbreitung 
<s PrricsgaM längs bestimmten arteriellen Systemen. 

An der Discussion nahmen ausserdem Theil: Kosbewnikoff, Mnrawjeff, 
•''bjtkoff und Moratoff. 


IV. Vermisohtes. 

Zorn sohwelzerlselieii Irrengesetz. 

la Bd. XXVIII des Archivs för Paychiatrie und der Monatseebrift für Psyohiatrie und 
Bd. II. H. 2 findet sich der Abdruck „der Grundsätze für ein Bundesgesetz zum 
der QcUteskraoken“, die vom Verein Schweizerischer Irrenärzte aufgestellt wurden. 
iet Verein sich jedoch überzeugte, dass einstweilen ein Bondesgesetz zum Schatze der 
*>nSeikiiakeQ nicht zn erlangen sei, beschloss er, eine interkantonale Vereinbamng anzo* 


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192 


Btreb«D. Die Änregang ward« güDstig aüfgeDommen und an der Conferenz, die auf den 
5. März 1897 einbemfen wnrde, nahmen Vertreter fast aller dentsch-BchwelzerUchen Kantone 
Tbeil. Die Gmndzüge fanden Zoatimmang nnd eine aoB den Theilnehmem der Conferenx 
erwählte, ans Abgeordneten der Regiemn^n nnd des Vereins der Sohweizerischen Irrenärzte 
bestehende Commission nahm folgende Vereinbarung an, die jenen EantonMi nnn znr Be- 
rathnng Überwiesen wnrde: 

Vereinbarung sum Sohutae der Oeisteskranlcen. 

Art 1. Die vertragschliessenden Kantone bestellen znm Schutze nnd zur Beauf¬ 
sichtigung der Oeisteskranken ein fachmännisch gebildetes und erfahrenes Inspeotorat, welehem 
ein Seeretär znr Verfügung beig^eben wird. 

Art. 2. Diese Beanfsichtignng durch ein Inspectorat erstreckt sich auf sämmükdto 
Geisteskranke, die 

a) in öffentiichen oder privaten Anstalten verflegt werden. 

b) ans solchen Anstalten als nicht geheilt entlassen und desshalb der privaten Pflege 
überlassen werden, 

c) bevogtet sind oder öffentlich unterstützt werden, 

d) sie von sich aus begehren. 

Art. 3. Die kantonalen Behörden sorgen dafür, dass dem InspMtor die Namen und 
der Aufenthalt aller im Kanton befindlichen, in Art 2 litt, a—d angerahrten Geisteskranken 
mitgetheilt werden. 

Art. 4. Der Inspector wird von den vertragschliessenden Kantonen ernannt und hat 
sich ansschliesslich der ihm übertragenen Aufgabe zu widmen, 

Art 6. Seine Wahl, die Festsetzung seiner Besoldung und der des Seoretärs. sowie 
der Erlass eines Reglements erfolgen durch eine Delegation der vertragschliessenden Kantone, 
wozu jeder derselben zwei Mitglieder abordnet. 

Art. 6. Die Besoldungen und die übrigen Kosten des Inspectorats werden im Ver« 
hältnisB ihrer Bevölkerungszahl auf die einzelnen Kantone- vertheilt. 

Art 7. Für die Be^tachtung der in Betracht kommenden rechtlichen Verhältnisse 
bezeichnet jeder Kanton eine bestehende Amtsstelle, an die sich der Inspector im gegebenen 
Falle zu wenden hat. 

Art. 8. Dem Inspector liegt ob: 

1. Die in den vertragschliessenden Kantonen befindlichen Irrenanstalten, sowie die in 

Art. 2 litt b —d genannte Kranken mindestens in den vom Reglement festzasetzenden 
Zeiträumen zu besuchen und Ober seinen jeweiligen Befund an me betreffende Kantons¬ 
regierung Bericht zu erstatten. * 

2. Alle von Geisteskranken oder von dritter Seite an ihn gelangenden Beschwerden, 
namentlich auch solche über Verpflegung und Behandlung, zu prüfen und zu Händen dei 
betreffenden ^ntonsregierung seine Anträge zu stellen. — Der endgültige Entscheid bldbl 
in allen Fällen den kantonalen Behörden Vorbehalten, deren Competenzen durch die gegen 
wärtige Vereinbarung in keiner Weise berührt werden. 

8. Der Inspector erstattet jährlich über seine Thätigkeit den vertiagschBeasendei 
Regierungen einen einlässlichen Bericht 

Art. 9. Die bisherige unmittelbare An&ioht Ober die Geisteskranken dnroh dl< 
Regiemngsorgane und die Aufsichtscommissionen, sowie ^e kantonalen gesetzlichen Bestim 
mnngen über Organisation und Verwaltung der Irrenanstalten werden durch diese Verein 
bamng in keiner Weise berührt. 

Diese Vereinbarung wird in Kraft treten, nachdem sie von den betheiligten Kantonei 
angenommen worden ist. 

Die Commission hat den kantonalen Regiprungen den Beitritt zn der Vereinbarunj 
unter ausführlicher Begründung empfohlen. H. Wille (Basel). 


' V, Beriohtlguiig. 

S. 119, Zeile 22 von oben, lies: Merck’sche statt Marchi’scbe. 


Um Einsendung von Separatabdrücken an. den Herausgeber wird gebeten. 

Einsendungen für die Bedoction sind zn richten an Prof. Dr.E. Mendel, 
Berlin, NW. Sohiffbanerdamm 20. 

Verlag von Vbt & Comp, in Leipzig. — Druck von HaTzena & Wirme in Leipzig. 


■ Dig'ii^od Dy 


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1. März. 


Nr. 5. 


* t OrifiMliiHtheltmien. 1. Ueber IjOcaUsation innerhalb des äusseren Knieg^nglions, 

iS L HtmdtM. 2. Die partielle Kreuzung der Sehnerven in dem Chiasma höherer 
kiere, von Prof. W. v. Bechterew in St. Petersburg. 3. Ein Fall von Hirngeschwolst 
Enken motorischen Sphäre, linkseitiger Lähmung, Abwesenheit der Pjramidenkreazang. 
Dr. PUlip Zenner. 4. Von der Bedeutung der Associationsoentren von Flechsig zur 
sdmng der Entwickelung des Geistes, der Sprache, der Psychologie der Sprache, wie 
der Lehre von der Sprachlosigkeit, von Dr. W. Otuszewtkl. (Schluss.) 

I * 1. Rclerala. Anatomie. 1. Quergestreifte und längsgestreifte Muskeln, von Scbullz.— 

' UBeriaentelle Physiologie. 2. Di nn riflesso papilläre di origine anrioolare, per 
IwA. — Pathologische Anatomie. 8. Contributo sperimentale alla conosceuza delF 
Mifed del rammoTlimento cerebrale iscbemico, per Bnizzettl. 4. Rhckeoroarksbefonde bei 
I AfaitimoreD, von Urtln. 5. Ulteriori ricerche istologicbe solle alteruzloni luetiche delle 
' Mae eerebrali, per Btanziaie. 6. Zur Eenutuiss der Meningocele spuria (Billroth’scheu 
lahUwit) in nenropatbischer Hinsicht, von Baysrthal. — Pathologie des Nerven- 
>JBtm& 7. Sensory aphasia with sector-shaped bomonymous defect of the field of Vision: 
* n localisatioD, by Thomson. 8. Un cas de surdite verbale pnre terminöe par apbasie 
■■■mUs sdvi d'antopsie, par Ddjorino et Sdrienx. 9. Ueber gewisse, den aphasisehen 
yjmi Stänrngen des mnsikaliscben Ansdmcksvermögens, von Knsusr. 10. Beitrag zur 
Mm dw amnestischeD Sprachstörungen, nebst Bemerkungen fiber SprachstSrnogen bei 
von BIsehoB. 11. Fall af afosi samt emboli af arteria mesenterioa soperior, af 
yM i 12. A hangköprö körpontok körtana (Pathologie der Laut bildenden Centren, von 
MdL n Du mntisme chez Tenfant qui entend, par Boysr. 14. Observation d’apbasie 
MjttMin pendant trente*hait ans, par Brunst. 15. Tronbles motears pröcddant l’articn- 
Ma de la parole eben uo dägdndrd, par Planat. 16. Hysterical mutism and other fonctional 
!^^defeets, by Bastian. 17. Hemianopsia, with especial reference to its transcent varieties, 
IvlMi. 18. Ueber doppelseitige homonyme Hemianopsie and ihre begleitenden Symptome, 
' Mft iHirmaBn. 19. Om Hemianopd, af Melsilng. 20. Et TieflUde af bitemporale hemi* 
. gpwk s Skotomer, af Pontoppldan. 21. Contribnto clinico ed anatomico allo stndio del 
dMMo del cervello umano, per Blannl. 22. Snlla fisiopatologia dei lobi prefrontali del 

R iiaai. 23. Beitrag zur Eenntniss der Stirnhimerkrankaiuen, von Voeyelo. 

leo im Gebiete der Yarolsbrücke, von Borowikow. 25. Fonr cases of cere- 
I autopsy) with reference to cerebellar hereditary atazia, by Spiller, 26. Un 
tminenz da cervelet (symptomes de compression et phönomenes ballucina* 
I et Antheaume. 27. Contribnto allo studio della ependimite acuta, per 
isuistische Mittheilungen aus dem Gebiet der Neuropathologie, von Dinklar, 
en der Gehirnblutung, von Pascheios. SO. Plötzlich tödtlicbe Gehimblntung 
m Knaben, von Jelllnik. 31. Hemiplegie in a yonng ebitd, by Abrahams. 

des Whrgreflexes, der Sprache und der Deglntition bei Hemiplegie, von 
eher das Yerbalton der Sehnenreflexe and der passiven Beweglichkeit bei 
Kritisches ^mmelreferat von Mann. 84. I movimenti aoxiliari degli emi' 
ta alla patogeneai ed alla prognosi delle contrattore, per Glutardlecl. 
lonleuTB prdbemiplögiqnes, par fM. — Psychiatrie. 36. Ein Fall von 
Irresein mit r&ckschreitender Amnesie, von Sander. 87. Note sur uo cas 
riable, par Fird. 38. Relazione su dne casi di obimrgia cerebrale per 
mtali, per Crospi. —* Therapie. 39. Zar Behandlung der Hemiplegie, von 
. Ue^r das Brisement des snckels nach Calot, von Lorenz. 

Gosotlschaftsn. Finska Läkaresällskap. 
tsa. Yerein der dentschen Irrenärzte. 


oyGOOgIC 




194 


I. Originalmittheilangen. 


1. TJeber Localisation 

4 _ 

innerhalb des äusseren Knieganglions/ 

Von S. E. Hensohen. 

Unsere Kenntnisse über die physiologischen Vorgänge and specieU über die 
Localisation in den Hirnganglien sind überhanpt recht dürftig. Indes ist 
ihre feinere Structar durch die Forschungen des letzten Decenniums bedeutend 
erweitert und der Zusammenhang der Nerrenfasern mit den GangUenzellen in 
ein klareres licht gestellt So z. B. wissen wir. dass ein^ Ganglien, welche 
in den yerwhiedenen Sinnesbahnen eingescboben sind, die Sinneseindrücke 
nur in eine gewisse Richtung hin leiten, obschon die Nervenfasern, 
welche den Sinneseindruck vermitteln, in diesen Ganglien unterbrochen sind; 
dass andere Ganglien Reflexe vermitteln, ist auch unzweifelhaft Aber ob in 
diesen Ganglien eine genauere Localisation hinsichtlich der Verbreitung der 
peripheren Sinnesnerveu stattfindet, so dass auch in den Ganglien eine 
Frojection vorhanden sei, darüber sind unsere Kenntnisse noch sehr mangel¬ 
haft Und überhaupt scheinen die Aussichten, hierhergehörende Fragen zu lösen, 
sehr gering zu sein. Betreffs der Ganglien der Geruchs- und Geschmaoksbahnen 
und der Gehöiganglien, sowie auch hinsichtlich der in die EmpfindungsbahQ 
eingeschobenen Himganglien, sind die Aussichten besonders trübe. 

Etwas lichter gestaltet sich die Sache betreC& der Ganglien der Sehbahn. 
Die anatomische L{^e dieser Bahn ist besser bekannt, die Bahn ist kürzer und 
der Schlusspunkt sowohl zur L^e wie Ausdehnung wenigstens meiner Meinung 
nach mit grösster Sicherheit erkannt, und endlich können Störungen in dieser 
Bahn bei dem Lebenden mit grösster Schärfe diagnosticirt werden. 

In Folge dieser Momente kann man auch hoffen, dass wir bei eventuellen 
Störungen der in dieser Bahn'eingeschobenen Ganglien zu einer tieferen Kennt- 
niss der in denselben abspielenden physiologischen Vorgänge eindringen werden. 
Aber nur durch die eombinirte, bei Lebzeiten vorgenommene klinische und die 
spätere pathologische Untersuchung werden wir dieses Ziel erreichen. 

Ein Beitrag in diese Richtung hin, betreffs der Sehbahn, erlaube ich mir 
hiermit mitzutheilen. Indessen wird es dabei nothwendig, zuerst eine Uebersicbt 
unserer g^nwärtigen Kenntnisse einiger Punkte betreffs dieser Bahn voraus- 
zuscbicken. 

Die optische Bahn (die Sehbahn), welche in der Retina anfängt und in 
der Rinde des Occipitallappens, bezw. Fissura calcarina endet, besteht wesentlich 


^ Vortrag, gehalten anf dem XII. mediciniBcben Congress za Hoskaa 1897. 


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ins zvei NeoroDen^ von denen das frontale sich von den Betinaganglienzellen 
US bis in das Corpus genicolatum, wo sich dieses Neuron verästelt, erstreckt; 
das occifätale geht von den Eni^nglienzellen aus und endet mit seinen Arbores- 
eeiizeo in der Kinde der Fissura calcarina. Das Enieganglion unterbricht also 
die CoDtüiuität der Bahn; hier wird der Seheindruck durch den Contact der 
Moalnerven mit den Ganglienzellen in den occipitalen Abschnitt übergeführt 
Wie diese Vermittelung stattfindet darfiber eiistiren nur Hypothesen, von 
deoeii die von v. Monaxow aofgestellte die am allgemeinsten anerkannte ist 
Was nun den frontalen Abschnitt der Sehbabn betriflt so kann man 
die Lagerung der Bändel vom Auge aus recht gut verfolgen. Wie ich in 
KDOD Werke: „Klinische und anatomische Beiträge zur Pathologie des Gehirns'* 
<tn.iLlILTh.), näher nachgewiesen habe, li^en hier die Bündel im allgemeinen 



Rg. 1. Frontalaclmitt durch das Cbiasma. l s links, r = rechts, kr ^ gekreaites 
Bändel, KAib' = aogekrenxtes BBndel (beide degenerirt). 


b'joiolog mit den Elementen in der Retina. Die Beweise für diesen Satz sind 
BKfarlactL Man war im Stande, die Lage des macnlaren Bändels genau ana- 
iM&iKh zu verfolgen; so konnte man auch in geeigneten Fällen die Lage der 
?^h^Qzten und ungekrenzten Bündel bestimmen. Auch klinisch-anatomische 
Beobachtungen, wie in einem Falle von Mabohand, einem von Nabbib, einem 
^ mir, eiistiren, welche alle miteinander darin übereinstimmen, dass der 


^.2. Frootalscbiutt durch das Corpus genicul. extemum {Cge) dextram. 

W s WaBRious Feld, D ^ Denuerirtes Feld, Og = ^ste, T « Temporale 
Blöde, H>= Gyros bippocai^i, SS Sehstrabluog, ES^ Hauhenstranlang, 

■Ve M Nueleos caudatue, Fl = Fascicul. loogitod., t' » Solcus temp. prim. 

•icaile Quadrant der Retina durch das dorsale Buudel des Sehnerven und des 
Tiaetus innervirt wird, nnd der ventrale durch das ventrale. 

Endlich ist Prof. Fick durch seine interessanten physiologischen Versuche 
m demselben Resultat gelangt. 

18* 



n.GoogK; 






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Die L^e der Bändel im frontalen Abschnitt der Sehbahn ist also genügend 
festgestellt. 

Was dann den occipitalen Abschnitt betrifft, so haben wir die corticale 
Fläche und die parieto-occipitale Bahn jede für sich zu betrachten. 

Die corticale Sehfläche beschränkt sich auf die Lippen der Fissnra 
calcarina. Hier entspricht die dorsale Lippe den dorsalen Retinalquadranten 
beider Äugen, wie der interessante Fall Hux zeigt. Das stimmt auch mit 
meinen eigenen Beobachtungen (s. mein Werk. I. Tbeil). Hinsichtlich der 
unteren Lippe existirten bisher nur wenig beweiskräftige Beobachtungen, aber 
unser werther College aus Mexico, Dr. Lavista, hat im Congresse zu Rom einen 
Fall Ton Abscess im Kleinhirn mitgetheilt, wo eine Quadranten-Hemianopsie 
nach oben beobachtet wurde. 

Zwar deutet Herr Lavista den Fall als einen Beweis für die Existenz 
eines Sehcentrums im Kleinhirn, aber es dürfte richtiger sein, anzunehmen. 
dass der Abscess auf das Sehcentrum im Occipitallappen eingewirkt hat, und 
zwar vorzugsweise auf den ventralen Abschnitt des Sehcentnims. So gedeutet 
wird der Fall ein werthvoller Beitrag zur Eenntniss der Anordnung der Fläche 
im Sehcentrum. 



Dntersucbt man den von Herrn Sachs neulich veröffentlichten, aus ana¬ 
tomischem Gesichtspunkte sehr complicirten FoEssTEB’schen Fall von bilateraler 
Hemianopsie, so bestätigt auch dieser Fall, sowie ich sehen kann, meine Ansicht 
über die Projection des Gesichtsfeldes im Sehcentrum. 

Endlich werde ich in der zusammengesetzten neurologisch-chirurgischen 
Section einen interessanten Fall mittheilen, wo eine Kugel aus dem dorsalen 
Abschnitte des occipitalen Lappens herausgenommen wurde, und wo die Aus 
messui^en des Gesichtsfeldes eine ventrale Quadranten-Hemianopsie zeigten, 
d. h., dass der dorsale Abschnitt des occipitalen Lappens dem oberen Ketinal- 
quadranten entspricht. 

Betreffend die parieto-occipitale Bahn sind die Beweise hinsichtlich der 


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Lagerang der Bändel sehr spärlich und schwach, aber zwei nicht zur Seotion 
gänaunene fMe, nämlich eine von Bbuns mitgetheilte Beobachtung, wo nach 
dnem Trauma von oben auf dem einen parietalen Lappen eine Quadranten* 
Hemianopsia nach unten entstand, und ein neulich im Neorologiscben Central* 
blatte mitgetheüter Fall, wo eine analoge, aber bilaterale Läsion mit Hemi* 
aoopsia borizontalis nach unten entstand, scheinen, wie auch ein ron mir mit* 
gethdlter Fall, zu beweisen, dass das dorsale Bändel der occipitalen Bahn dorsal 
liegt, und das ventrale ventral. 

FKsen wir diese Beobachtungen zusammen, so liegen also Beweise vor, 
dass das Bändel des dorsalen Quadranten der Retina sowohl in der frontalen, 
lie in der parietoK»ccipitalen Bahn dorsal li^ft, und dasjenige des ventralen 
Qoalniiten ventraL . Die Lagerung der Elemente sind also hinsichtlich der 
^erticalen Lage in der Retina und im corticalen Sehcentrum übereinstimmend. 

Xan könnte unter solchen Umständen vermnthen, dass eine analoge An¬ 
ordnung auch im äusseren Kniehöcker existire, aber bisher fehlte jeder 
Berns dafür. Ich bin jetzt in der L^e einen solchen klinisch - anatomischen 
Bereis zu bringen, wo eine im Eniekörper begrenzte Läsion eine Quadranten- 
HoniaDöpsie hervorrief, und zwar während längerer Zeit Der Fall dürfte um 
» flbmeagender wirken, da er erst von dem bekannten Specialisten Dr. Wui- 
saixn in Hambui^ beim Lebenden beobachtet und das Gehirn dann von mir 
tBatomisch untersucht wurde. 

Der Fall ist folgender: 

Eine oljähr. Fran fühlte sich, nachdem sie vorher ganz gesund gewesen, 
pi'liUlicb schwindelig and bekam eine Apoplexie mit Hemiplegie und Anästhesie 
m der linken Seite. Am 9./VI. 1889 wurde von Dr. Wilbrand eine links- 
seihge rollständige Hemianopsie nacbgewiesen, und zwar mit concentriscber 
Tätigung der rechten Hälfte des Gesichtsfeldes. Am 20./X. 1889 fand sich 
oar noch eine Hemianopsie des unteren Unken Quadranten vor. Am 8./IIL 1890 
rorde im Ganzen dieselbe Quadranten-Hemianopsie bestätigt, und endlich wurde 
noch 6 Wochen vor dem Tode der Patientin im März 1893 derselbe Sehdefect 
ec^iststirt, aber der Zustand der Patientin erlaubte nicht mehr eine Aufnahme 
flaer Perimeterkarte. Sie starb Ende April 1893. Bei der Section wurde eine 
MoKMThagische Cyste im occipitalen Abschnitt des Thalamus und des Fulvinars 
iDgetroffen, welche bis zur oberen Grenze des Eniekörpers herrordrang und so- 
^ den Tractus, wie die occipitale Sehhahn intact gelassen, aber die dorsale 
Hälfte des Eniekörpers zerstört hatte. ' 

leb schliesse ans diesem Falle: 

1. Dass der dorsale Abschnitt des Eniekörpers dem dqrsalen Quadranten 
ier Retina entspricht Hierdurch wird also eine Lücke in der von mir schon 
ausgesprochenen Ansicht über die Lagerung der Bündel in der Sehbahn 
vttl die Anordnung des Sehcentnims in erfreuUcher Weise gefüUt Die vielen 
soander ergänzenden Beobachtungen geben eine genügende Festigkeit der 'Hieorie 
^ die Anordnung der intracerebralen Sebbahn. 


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2. Weiter ist man berechtigt, anzunebmen, dass das afficirte Gebiet des 
Eniehöckers die beiden Retinahälften innervirt, denn die Quadrant- 
Hemianopsie war immer lateral — eine Ansicht, welche ich schon früher mit 
Stütze anatomischer Untersuchungen vertbeidigt habe (Pathologie des Gehirns. 
Theil 1). Also mischen sich im oberen Abschnitte des Eniehöckers die Fasern 
der beiden oberen Retinahälften, und wahrscheinlich gilt dies auch för jedes 
kleinere Gebiet des Kniehöckers; aber bis zum Eniehöcker verlaufen die Bündel 
der beiden Augen, wie ich nachgewiesen habe, völlig getrennt. 

3. Diese Quadrant-Hemianopsie war während mehrerer Jahre im Ganzen 
unverändert, nachdem erst die indirecte Wirkung der Blutung verschwunden 
war. Es können also die dorsalen und ventralen Hälften des Kniekörpers einander 
nicht vertreten. Es giebt also eine constante Localisation im Kniehöcker. 

Dieser Schluss steht mit anderen klinischen Thatsacben, welche ich in 
meiner Klinik beobachtet habe, in vollständiger Uebereinstimmung. Ich habe 
nämlich drei mit dem eben beschriebenen Fall ganz analoge Fälle von Quadrant- 
Hemianopsie beobachtet, in welchen aller Wahrscheinlichkeit nach die Läsion 
den dorsalen Abschnitt des äusseren Kniekörpers getroffen hat, und in welchen 
eine ganz constante Quadrant-Hemianopsie (in einem Falle selbst während 
mehrerer Jahre) vorhanden war. 

4. Wie man durch die anatomische Untersuchung weiss, enden die aus den 
Retinaganglienzellen herstammenden Nervenfasern in dem Eniehöcker böndel- 
fonnig; es liegt dann nahe, anzunehmen, dass auch jede solche Nervenfaser 
mit mehreren Ganglienzellen in physiologischer Verbindung stehe, und dass also 
beim Ausfall der Function einiger von den Retinalfasem ihre Function durch 
andere vertreten werden könne, und dass also auch beim Functionsausfall der 
dorsalen Hälfte des Ganglions die ventrale die Function übernehmen könne. 
Eine solche Annahme scheint in der That der v. MoNAKow’schen Theorie 
über. den Bau des Knieganglions und der occipitalen Sehbahn zu Grunde zu 
liegen. Er nimmt auch mit Vialet an, dass ein solches Suppliren der ver- 
scÜedenen Gebiete des Sehcentrums stattfinde. 

Schon früher habe ich im Congresse zu Rom dagegen mit Stütze 
anderer Thatsacben opponirt. Hier b^egnen wir neuen klinisch-anatomischen 
Thatsacben, welche mit einer solchen Ansicht in schroffem Gegensatz stehen. 
Wie schön auch die Lehre von dem Austausch und der Supplimng der ver> 
schiedenen Gebiete im Enieganglion sein möchte, so wird diese Lehre doch von 
den Thatsacben widerlegt. Auch sprechen die Degenerationen in dem angeführten 
Falle gegen eine solche Deutung der Thatsacben. Es' waren die ventralen 
Bündel der occipitalen Bahn verbältnissmässig erhalten, die dorsalen degenerirt. 

Alle diese Thätsachen deuten auf eine Frojeotion der Retina in dem Seh¬ 
centrum — eine auch früher von mir vertheidigte Theorie. 

5. Durch die neueren Untersuchungen ist es festgestellt, dass in den Ganglien 
jede Nervenfaser durch ihre Endbäumchen mit mehreren Ganglienzellen in 
OontMt tritt Es scheint also auch, als ob der Nervenstrom nach allen Seiten 
bin gleichförmig ausstrahlen könnte und, wie sich auch y. Monakow betreff 


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199 


des Knieböckers vorstellt> eine GesicbtsempfinduDg sich auch in vielen Bahnen 
fis^tflanaen könDte, aber der oben beschriebene Fall beweist, dass die Ver> 
Imdiuig der Endhäomchen mit den Ganglienzellen eine sehr begrenzte ist In 
der That spricht die Constanz selbst der kleinen Scotome intracerebralen 
UispniDgs dafür, dass die Nervenleitung nur in eine gewisse Richtung nach 
dem Sebcentrum hin fortgeleitet wird. 

Welche pbjsiole^schen Bedingungen dabei vorhanden sind, wird weiteren 
Forschangen Vorbehalten sein. 


2. Die partielle Kreuzung der Sehnerven in dem Chiasma 

höherer Säugethiere. 

Von Prof. W. v. Bechterew in St. Petersburg. 

Ob die Kreuzung der Sehnerven im Chiasma eine vollständige oder nur 
dse theilweise sei, ist eine Frage, die noch bis in die allerletzte Zeit hinein 
auf der Tagesordnung der neurolc^chen Discussion angetroffen wird. Während 
oie Mehrzahl der Forscher, gestützt auf anatomische und klinische Thatsachen, 
die Annahm e einer incompletten Kreuzung für die höheren Säugethiere und den 
Menschen mit Entschiedenheit aufrecht erhält, bat sich noch ganz unlängst eine 
eiste Autorität aof anatomischem Gebiete, Eöllikeb, gelegentlich des Anatomen- 
congre^es in Berlin und in der neuesten Ausgabe seines Handbuches der 
Gewebelehre mit aller Bestimmtheit für eine totale Sehnervenkreuzupg im 
Chiasma ao^esprochen. Es sind ferner neuerdings klinische Beobachtungen in 
dem letztgenannten Sinne mitgetheilt worden. Ist nun auch der Behauptung 
jedes Mal eine entsprechende Widerlegung fast sofort auf dem Fusse gefolgt, 
so gebt doch ans der ganzen Sachlage hervor, dass die Frage gegenwärtig noch 
aicht als endgültig erledigt erscheinen darf. Ihre Entscheidung ist auf ana- 
tomiscbem und klinischem Wege allein offenbar nicht zu erreichen. Andere 
Zweige des Wissens, so vor allem das Gebiet der experimentellen Nervenphjsio- 
kgie, können hier nicht umgangen werden. 

ln letzterer Hinsicht müssen wir auf die Arbeiten von Knoli. und Bbowk- 
StQUABD znröckgeben. Enoll constatirte nach Durchschneidung des Nervus 
optkns Erblindung des gleicbseit^en Auges mit Erweiterung der Pupille; Durch- 
biBiinmg des Tractus opticus batte den nämlichen Erfolg, aber an dem ent- 
eegengesetzten Ange. leider ist mir die Arbeit des Genannten^ im Originale 
nicht erreichbar gewesen und vermochte ich nicht zu eruiren, an welchen Thier* 
species seine Experimente ausgeführt worden, was für die hier vorliegenden 
Verfaälbiisse nicht belanglos ist. 


' Kiioll, Eckbard'B Beiträge zar Anatomie and Physiologie. Bd. IV. 1869. Giessen. 


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200 


Bbown-S£:qitabd’s Versuche' betreffen Meerschweinchen und Kaninchen. 
Es handelte sich um Durchscbneidung eines Tractus, Trennung des Chiasma 
in antero'posteriorer Richtung, Zerstörung des lateralen Kniehöckers und des 
Vierhdgels. Hierbei gelangten Sehstörungen der mann^achsten Art zur Beobach¬ 
tung; so nach Durchscbneidung eines Tractus Erblindung des gekreuzten Auges, 
nach, der angegebenen Beschädigung des Chiasma totale beiderseitige Blindheit 
Als wesentlichste E^ebnisse sind zu nennen: 

1. Zum binocularen Sehen genügt das Vorhandensein Einer Himbemisphäre; 
jeder Tractus opticus steht mit der gleichseitigen Hemisphäre, daher mit beiden 
Netzhauthälften in Verbindung. 

2. Die nach Beschädigung des Tractus opticus, des lateralen Kniehöckers, 
des Vierhügels und anderer Theile der gleichseitigen Hemisphäre auftretende 
Amaurose ist nicht Folge der Functionsstörung in den optischen Centren oder 
in der Leitung, sondern Folge des von der Läsionsstelle auf die Ernährung des 
Auges, bezw. des Nervus opticus ausgeübten Reizes. 

Wie natürlich konnte'diese Darstellung die Kliniker und Physiologen nicht 
befriedigen. Bei der Beurtbeilung der BBowN-SfiQUABD’schen Opticus- und 
Chiasmadurchscbneidungen macht sich ferner der Umstand geltend, dass hier 
Tbiere zur Verwendung kamen, bei welchen für das Bestehen einer.partiellen 
Kreuzung keine unzweifelhaften anatomischen Befunde beigebracht sind. Gubuen’s 
E xperimente versuchen allerdings für das Kaninchen diesen Nachweis zu fuhren, 
allein es liegt bisher keinerlei Bestätigung derselben vor. Auf jeden Fall ist 
auch beim Kaninchen die Anzahl der ungekrenzten Fasern im Verhältniss zu 
den kreuzenden verschwindend klein. 

Spatere Untersuchungen von Nicati^ führten zu abweichenden Ergebnissen. 
Bei der Katze hatte antero-posteriore Durchscbneidung des Chiasma weder auf 
dem einen, noch auf dem anderen Auge völl^e Blindheit im Gefolge, woraus ge¬ 
schlossen werden muss, dass bei diesem Thiere eine unvollständige Durchkreuzung 
der Sehnerven statthat 

Von mir^ liegen solche Versuche mit antero-posteriorer Chiasma- und mit 
Tractusdurchschneiduug am Hunde vor. Beide Versuchsreihen stimmen darin 
überein, dass sie mit Entschiedenheit auf eine partiale Kreuzui^ im Chiasma 
hinweisen. Nach der angegebenen antero-posterioren Durchscbneidung des 
Chiasma erweisen sich nämlich die operirten Hunde nicht gänzlich erblindet, 
denn es werden Gegenstände, die man ihnen vorhält, unzweifelhaft gesehen und 
vorsichtig umgangen. Nur eine gewisse Divergenz der Augenazen, wie beim 
Sehen in die Ferne, tritt bei den Tbieren auf. Die Pupillen aber zeigen deut¬ 
liche Licbtreaction. 

Durchtrennnng eines Tractus opticus beim Hunde ergab beiderseitige Hemi¬ 
anopsie mit gleichfalls beiderseitigem Ausfall der contralateralen Gesichtsfeldhälfte. 

- . - • 

* Arch. de PhysioL norm, et pathol. Bd. IV. 1872. S. 261. 

* Centralbl. f. med. WisseoBch. 1878. S. 449. 

‘ W. V. Bbchtebsw, EzperimentaltintersacbaDgeD über die EreoEnng der SebnerveD 
im Cbiasma nn. opticomm. Nearolog. Centralbl. 1881. 





201 


In meiner vorhin angezogenen Arbeit war ich nicht in der Ijage, die Ans- 
ddmong des Gesichtsfelddefectes an beiden Augen mit voller Genauigkeit zu 
eiautteln, konnte mich daher auch nicht in bestimmterer Weise hier äussem. ln 
der Folge aber habe ich mehrfach Gelegenheit gehabt, den Tractus opticus beim 
Hunde zu durchschneiden und vermochte da die Ueberzeugung zu gewinnen, 
<hss die Einengung des Gesichtsfeldes in dem contralateralen Auge stets eine 
iehr viel bedeutendere sei, als auf der Seite der Verletzung. Der Ausfall im 
<j«adit5felde wird bei den Thieren, wie genauere Pröfongen daithun, in beiden 
Augen durch eine verticale Linie b^reuzt. Allein das deutliche Sehen erscheint 
iü dem contralateralen Auge stets herabgesetzt, in dem homolateralen unversehrt. 

Zerstörung des Corpus geniculatum externum oder der weiteren Opticus- 
bahnen hat ganz densdben Erfolg, nämlich Hemianopsie mit Ausfall der ge- 
hiHsten Gesichtsfeldhälfte in beiden Augen. Der Defect ist auch hier in dem 
'k Lä^n entgegengesetzten Auge erheblicher. 

Die Wmte der Pupille erleidet durch die erwähnten Eingriffe im ganzen 
täifö infEallenderen Yerändernngen. Immerhin aber erscheint, wenigstens bei 
e?vohiilicher Beleuchtung, die Papille des entgegengesetzten Auges etwas er¬ 
weitert, mitsprechend dem stärkeren Gesichtsfelddefcct auf dieser' Seitc.^ 

Im wesentlichen erhalten bleibt auch die Pupilleoreaction. Wird die 
Profimg bei direct von vorn her einfallendem Lichte vorgenommeu, so sind in 
'iieser Beziehnng bei den Thieren keine nennenswerthen Abweichungen wahr- 
uhmbar. Meine ursprünglichen dahinzielenden Versuche ergaben mir daher 
i>efatiTe Resultate. In der Folge aber eruirte ich beim Hunde nach Durch- 
«bneidang des Tractus opticus sog. hemiupische Pupillenreaction, wie. sie Wil-; 
raisx» zuerst beim Menschen und andere Forscher^ auch an Versucbshunden 
m beobachten Gel^enbeit hatten. In einigen dieser Versuche erschien die 
I^püie des contralateralen Auges schon bei gewöhnlicher Beleuchtoug um ein 
»anges erweitert. • 

Es tritt hinzu, dass auch beim Affen Durchschneidung des Tractus opticus 
bwkMijme Hemianopsie beider Aogeu, auf der gekreuzten Seite mit hemiopischer 
Popüfenreaction zur Folge bat (Fsbbebb). In phjsiolc^cher Beziehung ist 
bisrlardi jeder Zweifel an dem Bestehen einer partiellen Kreuzung im Chiasma 
der höheren Säugethiere beseitigt Dieser Tbatsache werden jene Anatomen und 
Kliniker, die der Vorstellung einer vollständigen Sehuervenkreuzung im Chiasma 
Haom geben, wie mich bedünken will, sich nicht leicht verscbliessen können. 
Anatomische und klinische Befunde sind hier nicht die allein ausschlaggebenden 
FaetDren. Die vorhandenen experimentellen Ermitteluogen müssen widerlegt 
kn, ehe dazu geschritten vrird, jener Vorstellung die Form einer stricten Be¬ 
hauptung zn verleihen. 

Was aber den Menschen betrifft, so wird von der erdrückenden Mehrzahl 
IQiniker an der Tbatsache der unvollständigen Kreuzung der Sehnerven bei 


‘ W. T. BaCHTEREw, Neurolog. Centralbl. 1894. Nr. 22. 

* z. B. Sihaki, Verb. d. psjeh. Qesellsch. in Peteraburg. 1883. 


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202 


demselben gegenwärtig nicht der geringste Zweifel gehegt Gegentheilige Mel¬ 
dungen der Fresse stossen nach wie Tor auf unmittelbaren Widerspruch. Wie 
mir scheint ist die Zeit nicht mehr fern, wo die vorliegende Angelegenheit als 
för immer erled^t von der wissenschaftlichen Tagesordnung zu strachen 
sein wird. 


3. Ein Fall von Hirngeschwulst 
in der linken motorischen Sphäre, linkseitiger Jjähmung, 
Abwesenheit der Pyramidenkreuzung. 

Dr. PhUip Zenner, 

Docent der Neoropathologie an der CiDcinaati-Unirersität. 

Obscfaon Flechsig Abwesenheit der Pyramidenkreuzung als ein nicht sel¬ 
tenes Yorkommniss betrachtet, so weiss ich doch von keinem Falle in der 
Litteratur, wo diese Anomalie im Gehirn des Erwachsenen beschrieben worden 
ist und aus diesem Grunde halte ich folgende Veröffentlichung für angebracht 

W. D., 33 Jahre alt, Kellner, wurde am .18. Mai 1896 in's Spital auf¬ 
genommen. Er zeigte linksseitige Hemiparese. Beim Gehen hinkt er und dei 
linke Fuss schleift etwas, nach. Der Handdruck ist links schwächer als rechts 
Linke Facialislähmung, absolut im Gebiet der oberen, unvollständig in dem dei 
unteren Zweige des 7. Nerven; jedoch bestand keine Entartungsreaction. 

Beim Hervorstrecken der Zunge zeigte sich eine geringe Ablenkung nad 
links, auch wurde eine Neigung des Kopfes zum Vorwärtsfallen beobacbtei 
Patient empfand scheinbar mehr Schwierigkeit in der Links-, als in de 
Becbtsdrehung der Augen. 

Die Hautsensibilität war anscheinend normal, die Percussion des Schädel 
links schmerzhafter als rechts, Patient kl^ über Kopfweh über Stirn- un 
rechten Schläfengegend und grosser Schwäche. Die Intelligenz war sehr a1 
gestumpft, Antworten wurden in sehr langsamer Weise gegeben, überhaupt wi 
es unmöglich, eine zuverlässige Krankengeschichte zu erhalten. Von d 
Existenz der Facialislähmung hatte der Kranke keine Ahnung. 

Gleich hier will ich noch constatiren, dass der Patient, wie mir nach seine 
Tode von anderer Seite mitgetbeilt wurde, über den Zeitraum eines Jahres wiede 
holt Anßdle von clonischen Krämpfen der linken Seite gehabt haben soll 

Die ophthalmoskopische Untersuchung ergab* Congestion der Papille, l 
deutend erweiterte Arterien und Venen, jedoch keine an^esprochene Sehnervc 
entzundung. 

Patient war zwei Monate lang im Spital, ohne dass sein Zustand si 
wesentlich geändert hätte. ‘ Appetit und Verdauung blieben gut. Kopfweh v 
zuweilen heftig, dann wieder unbedeutend. Sein Ausdruck war stumpfsinii 
öfters melancholisch; auch Neigung zur Somnolenz wurde an ihm beobacht 


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208 


£r hatte während seines Yerweilens im Hospital zwei An&lle übergrosser 
Sdiwäebe, doch nie E^rämpfe. 

Ich batte nach der ersten Untersuchung die Diagnose auf Gehirntumor 
l«stelit. jedoch nicht mit vollster Sicherheit 

Während Patient sich unter meiner Beobachtung befand, ereignete sich 
akhts, das den Fall hätte mehr aufklären können; die Lähmung nahm nicht 
m, Kopfweh war meistens nicht allzu heftig, Sehnerveuentzündung hatte sich 
nicht entwickelt und auch von jACKSON’schen Anfällen war zur Zeit nichts 
beksDDt. 

Patient empfand keine Besserung und verliess unbefriedigt das Spital Er 
itirb jedoch am 4. August 1896 im Congoirw-Asyl, dem staatlichen Irrenhaus 
^ die Autopsie ergabt Gehirntumor. Dr. Hasman, der Anstaltsant, übergab 
BIT ^tigst das Gehirn zur Untersuchung. Die Geschwulst befand sich unter- 
hfb der Dora über den Centralwindungen und schien dieselben mehr zu ver- 
hiogen als zu zerstören. Ihre Ausdehnung war ca. 8 cm von oben nach 
SDtEn, 6 cm von vorne nach hinten und reicht 5 cm in die Tiefe. Wegen des 
schkdä erhaltenen Zustandes jedoch war eine genaue Untersuchung bezüglich 
f^ädser Lage und Eigriffensein der Nachbartheile nicht gemacht worden. Die 
suboskopische Untersuchung eigab: Gliosarcom. Die Geschwulst war in der 
hokm Seite, die paralytischen Erscheinungen betrafen die linke Seite; eine 
üvtersacbang der MeduUa oblongata und des continuirlichen Rückenmarks- 
üafes — Dr. S. P. K&amkb führte dieselbe aus und machte zahlreiche Schnitte 
TW oben nach unten — ergab: Abwesenheit der Pyramidenkreuzung. 

Zum Schluss möchte ich noch hervorheben, dass das einzige Symptom, das 
uf eine Läsion der richtigen Seite hindeutete, Schmerzhaftigkeit bei Percussion 
äof der Unken Seite des Schädels war. 


[Abs der Anstalt für Sprachanomalien und E^ankheiten der Nase und des 

Rachens in Warschau.] 

4. Von der Bedeutung der Associationscentren 
Ton Flechsig zur Erforschung der Eptwickelung des Geistes, 
der Sprache, der Psychologie der Sprache, 
wie auch der Lehre von der Sprachlosigkeit. 

Ton Dr. W. OtussewskL 
(ScbloBs.) 

Wie ich in Nr, 4 d. Centralbl. bemerkte, schreibe ich die anatomische Fähig- 
tei der Darstellung von Wörtern ohne Antbeil der Vorstellungscentren, welche 
a der innerlichen Sprache unentbehrlich ist, dem mittleren Centrum zu, welches 


DiQ'iii’od 


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204 


in den Anfangsperioden der Sprachentwickelung eine eben solche Bolle beim 
Spracliact spielte, wie jetzt das hintere Centrum bei der psychischen Sprache, 
d. h. bewusstsinnige Terbindung der Vorstellungen und Begriffe mit Worten 
erfüllt. Diese Hypothese findet ihren Grund darin, dass diese automatische Er¬ 
innerung der Wörter bei Erwachsenen sich zwar imm er mit Vorstellungen und 
Begriffen verbindet, denn wir denken vornehmlich mittels der Wörter, jedoch 
bei Kindern, sogar mit regelmässiger Intelligenz, haben wir bei der Sprach¬ 
entwickelung eine entsprechende Periode, in welcher dieselben ohne Verständniss 
sinnlos viel sprechen können, was sich besonders bei Kindern mit schwach ent¬ 
wickelter psychischer Sphäre zeigt, wo die automatische Sprache, ohne Antheil 
der Vorstellungs- und Begriffscentren sehr grell hervortritt. Für die Unab¬ 
hängigkeit unserer Wortbegriffe von der automatischen Erinnerung der Wörter 
spricht auch der Umstand, dass bei vielen Sprachlosigkeiten, die ihren Sitz im 
hinteren Associationscentrum haben, die automatische Sprache nicht aufhört m 
ezihtiren, obgleich die Kranken aufhören, die Vorstellungen und Begriffe mit 
Wörtern zu verbinden. Also die Localisation des Automatismusses der Sprache 
in dem mittleren Centrum widerspricht keineswegs der Behauptung Flbgbsio’s, 
welcher betont, dass die psychische Worterinnerung, d. h. die Verbindung unserer 
Vorsteilangen und Begriffe mit entsprechenden Wörtern, von dem hinteren 
Centrum abhängig ist. 

Die Hypothese hinsichtlich der Bestimmung des mittleren Associaüons- 
centrums steht ebenfalls nicht im W'iderspruch mit den bisherigen klinischen 
Beobachtungen verschiedener Formen von motorischer Aphasie, aber im Gegen- 
theil, mit Hülfe derselben können wir uns sehr viele, bisher nicht ganz ver¬ 
ständliche und sich hierauf beziehende Fragen erklären. Obgleich wir in der 
BaocA’schen motorischen Gegend die Sammlung des motorischen Wortgedächt¬ 
nisses (Sinnesgedächtniss) finden wollen, so rufen die hier stattfindenden orga¬ 
nischen Veränderungen höchstwahrscheinlich nur den Verlust der ArticulatioDS- 
bewegungen hervor, ohne die innerliche Sprache zu beseitigen, die früher s(^ 
subcorticale motorische Aphasie, wo der Kranke beim Verlust der selb¬ 
ständigen Sprache die Schrift versteht und schreiben kann, die functionelle Ab 
Schwächung jenes motorischen Gedächtnisses aber verursacht die früher sog 
transcorticale motorische Aphasie, wo der Kranke beim Verlust der selb 
ständigen Sprache nicht nur die Schrift versteht, sondern auch laut lesen und 
wiederholen kann (Ässociationstbätigkeit des peripherischen Reizes). Wenn unsen 
Muthmaassung hinsichtlich der Bestimmung des mittleren Centrums richtig ist 
so muss man erwarten, dass allein organische Veränderungen in der Insel Reil’i 
die gänzliche motorische Aphasie mit der Agraphie und Alexie verarsacben 
indem sie die Spuren angehänfter sensorisch-motorischer Associationsbilder, wi> 
auch die automatischen Erinnerungen der Wörter vernichten. Zwar fehlt es bi 
jetzt auch nicht an anatomisch-pathologischen Forschungen, welche bis zu einea 
gewissen Grade die Richtigkeit der oben angeführten Ansicht über verschieden 
Formen der motorischen Aphasie bestätigen, da man aber nicht in allen F^e 
die Aufmerksamkeit auf den Ort der Veränderungen, wie auch auf den Stan 


üig'V^od oy Google 



205 


des Lesens und Schreibens beim Verlust der selbständigen Sprache lenkte, so 
«ird sdiliesslich also die Aofklaning dieser Sache von genauen klinischen 
Beobaehtangen in dieser Richtung abhängen, wie auch von anatomisch>patbo> 
kgittben Forschungen, die genau die Veränderungen bei verschiedenen Arten 
der motorischen Aphasie bestimmen. 

Auf den Antheil der Insel Reel’s bei den motorischen Aphasieen hat zuerst 
Dfenaur die Aufmerksamkeit gelenkt Pascal hat in seinem Werke: „Du röle 
ie Finsola de Reil dans Taphasie“, Bordeaux 1890, diesen Gegenstand in allen 
Hözdoheiten bearbeitet und 12 Beobachtungen beschrieben, die hierher gehören 
ofid durch anatomisch-patholc^^he Forschungen bestätigt sind, ln allen diesen 
FiUen motorischer Aphasie war die dritte Stirnwindung ganz unbeschädigt und 
BSB hnd eine anatomische Läsion allein in der Insel Reil’s. Diese Beobach- 
nuga, ol^leich sie den, wie es scheint, heute schon keinen Zweifeln unter- 
üignideQ poeitiTen Pact bestätigen, dass Veränderungen der Insel von der moto- 
racba Aphasie begleitet werden, geben uns aber nicht das Recht, den wichtigsten 
Schfais m ziehen, und zwar in welchem Grade diese Kranken die innerliche 
^ndie verloren hatten, also in welchem Grade die Aphasie mit der Alezie und 
ignpbie verbunden war, denn der grösste Theil der Beobachtungen war nicht 
genug, entweder deshalb, dass man diese Symptome nicht berücksichtigte, 
ier dies die Kranken nicht zu lesen und zu schreiben verstandeu, oder auch 
die Fälle selbst waren durch anatomische Veränderungen in anderen Theilen 
ds Bims verwickelt. Aus der ganzen Reihe dieser Beobachtungen haben nur 
iwn för uns eine Bedeutung, und zwar der Fall von DEjerin, wo der Kranke, 
a^eseben von der motorischen Aphasie, schreiben und lesen konnte und der 
Fall Sjlbüeim’s, wo das Lesen und Schreiben in Verbindung mit der motorischen 
i;^taäe erschwert war. Ohne auch nur den Fact zu überschätzen, denke ich, 
mtrkfem die anatomischen Forschungen in der Zukunft ein genügendes Licht 
*af die uns hier Interessirende Sache werfen werden, dass wenn auch in dieser 
fiaäeht sich irgend welche Widersprüche zeigen würden, ebenfalls wie auch bei 
aaderen Aphasieen wir dieselben anf diese Weise einigen können, dass umfang- 
nebere (panische Veiändernngen der Insel die gänzliche motorische Aphasie 
wird, also mit der Alexie und Agraphie, unbedeutende Veränderungen 
'der fonctioneUe Störungen die motorische Aphasie ohne den Verlust der Schreib- 
ud Lese&higkeit (klangel der selbständigen Action des Centrums, die gemein- 
^doftiiehe Wirkung desselben mit den Gesichtsbildem der Laute oder mit dem 
'jdiehtaiss der Handbewegungen beim Schreiben). Der Unterschied zwischen 
ktzten Art der Aphasie und der motorischen organischer Entstehung, die 
•Im Ursprung in der dritten Stimwindung hat, würde allein im Verlust der 
idhstiiHligen Sprache beruhen, welcher im ersten Fall von der Stömng des 
mhefaen motorischen Gedächtnisses abhängig ist, im zweiten aber — von der 
beaikträchtigaiig der Fähigkeit, sich der Wörter automatisch zu erinnern. 

Zur Kategorie der sc^. subcorticalen and transcorticalen Aphasieen, die ihren 
^ im BBOCA'schen Centmm haben, und die bei anatomisch-pathol(^ischeu 
Foaehuagen bestätigt sind, zählen wir zwei Fälle subcorticaler motorischer Aphasie 


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206 


TOD D£j£bin, wo Dian in einem Falle eine Läsion nntor dem Centnim von Bboca 
fand, im anderen aber war eine Veränderung unter der Binde der dritten Stun* 
Windung, wie auch die Fälle transcorticaler motorischer Aphasie, und zwar önet 
von Maqnan, wo aus der harten Hirnhaut eine Neubildung herrorkam, die auf 
die linke Halbkugel überging und mit ihrem Gipfel bis zur dritten Stimwindung 
und bis zum vorderen dritten Theil des Bandes von Bbil's Insel reichte, und 
zwei Fälle von Hammond, wo man in einem Falle eine Sugillation im linken 
vorderen Stimlappen fand, welche sich bis zum hinteren Band desselben hinzog, 
und im anderen den Bruch der innerlichen Lamelle diplöes und ein Stückchen 
Knochen, welches auf die Windung von Bbooa drückte. 

Was unsere Ansicht über die Psychologie der Sprache betrifft, so muss 
man vor Allem bemerken, dass der Process der Sprache, wie auch alle geistigen 
Processe allein in der Rinde stattfinden, und ferner, dass wir jene Sinnesgedäoht- 
nisse jetzt nicht für irgend welche für die Sprache besondere Centren halten, aber 
für sinnliche und motorische Nervenden, welche gleichzeitig zur Aufnahme anderer 
Reize, ausser derjenigen, die sich zur Sprache beziehen, dienen.^ Die Bedingungen 
der Entstehung der Sprache sind dieselben, wie die der Erkenntniss, d. L das 
Gedächtniss, die Fähigkeit zu Associationen und die Aufmerksamkeit. Wie zur 
elementarsten Erscheinung der psychischen Seite des Menschen — der Wahr¬ 
nehmung, ausser den Sinnescentren höhere Associationscentren nöthig sind, ebenso 
spielen dieselben Factoren zu demselben Zweck eine analoge Rolle beim psy¬ 
chischen Sprachact, sowohl beim activen (Articnlation, Schrift), wie auch beim 
passiven (Verständniss der Sprache, der Schrift). Der Unterschied besteht alleio 


* Die Frage der LocaUairang des motoriacben und aensoriacheo SinDeagedachtniasea ii 
der dritten Stirnwindang nnd in der eraten Scbläfenwindang ist schon längst erledigt. Hin 
aicbtticb des GeaichtagedäcbtDiases der Bachataben nehmen einige ein besonderes Ccntmi 
an, andere dagegen, wie z. B. Wbbkicke. schreiben diese Rolle, was weit rationeller iai 
den Verzweigungen des Sehnerven bei. So oder anders nimmt der gesehene Laut ent dan 
die Bedeatung eines Bestandtheiles der Sprache an, wenn die AasoeiatioD deaselbeo mit dei 
acoatiacben Centrnm erfolgt, und das gelesene Wort verstehen wir dann, wenn wir da 
Gesicbtsbild desselben mit seinem Tonbild nnd dem Begriff oder der Vorstellnng, die dei 
gegebenen Worte eigen sind, verbinden. Was das Sinnescentrum des Schreibens aobelang 
welches sich in der zweiten Stirnwindang befinden soll (Ezhsr, Cbabcot, PiraEs), so ve 
sagen viele Autoren, einigermaassen ganz richtig, ibm das Recht der Bärgerscbaft and sehe 
es als ein gewöhnliches motoriachea Centrum an, welches eine Mnakelgrappe regiert, d 
beim Schreiben tbärig ist, und welches das Qedächtnias der Bewegungen einnimmt, die beii 
Schreiben nöthig sind. Dieses Gedächtniss kann bei Personen, die im Schreiben sehr geöl 
sind, oft selbst ansreicben, ohne das Gesicbtsbild des gegebenen Wortes im Geiste hervo 
znmfen. Dies bat bei den subcorticalen Alexieen eine wichtige Bedentnng, wovon weit 
unten. 

Das sinnliche Wortgedächtniss concentrirt sieb nur hauptsächlich in der linken Halbkagt 
Diese I.A>cali8ation erklären wir nns durch die mehr verbreiteten and sabtilen Bewegangi 
der linken Körperbälfte, denn es unterliegt keinem Zweifel, dass eine Verbindnog zwisch« 
diesen Bewegungen and der Entstehung der Spracbcentren existirt Daf&r spricht eine g 
wisse Parallele ihrer Entwickelung mit der Entwickelung des Gehens, die Entstehung dies 
letzteren in der rechten Halbkugel bei Personen, die sich der linken Hand bedienen n. s. ^ 


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207 


m der mehr oomplicirteii Action der Sprache aod zwar, dass sinnliche Wortgedäcbt- 
nae äeh znTor mit dem mittieren AssociatioDscentrum Terbioden müsseD, um 
he antomatische Sprache zu bilden, hingegen wir aber die Beobachtungen toIU 
indem wir nur rerschiedene Sinnesgegenden der Rinde im hinteren 
Aaociationscentram Tereinigen. Beim psychischen Sprachact sind also zwei 
Medunianen tbätig: der niedrigere bis zu einem gewissen Grade automatische, 
19 der Insel Rkh^’s befindliche, und der höhere für WortlM^iffe im hinteren 
iaocBtioiiscentnim (die G^nd Gyri supramarginalis und Gyri angularis). Der 
iadere dient zur Yerbindung unserer Vorstellungen mit Wörtern, die den ganzen 
InhsiK derselben in sich aufiiebmen. 

Sotsprechend den Ton uns dargestellten Grundsätzen der Psychophysiologie 
dff Sprache, die in ihren Anhaltspunkten in keinem Widerspruch mit Flbcbsio’s 
Irb^ stehen, nnd im völligen Einverständniss mit den eigenen Forschungen 
ober die Entwickelung der Sprache bleiben, wie auch auf Grund des reichlichen 
Xatehals von Störungen derselben, sehen wir die Sprachlosigkeit als eine 
Störung des Sinnesgedächtnisses (des motorischen, sensorischen und Ge- 
äcktsgedächtnisses der Buchstaben) oder des Associationsgedächtnisses 
HD mittleren oder hinterem Associationscentrum an, was sowohl die 
Itttigkät des sinnlichen motorischen Gedächtnisses, wie auch die Aufnahme 
fixerer Reize von den Sinn^centren der Sprache unmöglich macht, oder die 
Sporen der gesammelten automatischen Worterinnerung im mittleren Asso- 
iJttoiacentmm vernichtet, oder auch die Associationen, welche im hinteren 
isaciatioDscentrum beim Verständniss der Sprache, eventuell der Schrift, oder 
14 der Sprache (bezw. bei der Schrift) mit Verständniss, aufhebt, ln der 
ietmkgie der Sprachlosigkeit müssen wir uns ausser den organischen Ver- 
kbdeningen die fnnctionelle Abschwächung des Sinnesgedächtnisses oder der 
Aaoäationscentren als ein sehr wichtiges Moment ansehen, welche entweder 
xlbsUndig auftritt oder durch unbedeutende Veränderungen begründet als 
haietioiieUe Erscheinung ihrer verminderten Reizbarkeit. Im Eiuverständniss 
dsst unterscheiden wir ausser Sinnes* und Associationsaphasieen (sowohl 
ia mittleren wie anch im hinteren (^ntrum) noch organische und functio* 
aelle Apbasieen. 

Zu den organischen Sinnesapbasieen zählen wir: 1. die isolirte 
Botorisehe Aphasie bei Veränderungen in der dritten Stirnwindung (die 
•''.ctm sog. subcorticale motorische Aphasie), wo die Kranken bei dem Mangel 
in selbständigen Sprache die innere Sprache beibehalten, d. i. sie verstehen die 
Schrift und können schreiben; 2. die sinnliche Aphasie (Worttaubheit), die 
»dl damit charakterisirt, dass der Kranke die Worte und folglich auch die 
Sjsaebe nicht versteht, paraphatisch spricht, denn das mittlere Associationscentrum 
rirfct ohne Controle des sinnlichen Gehörgedächtnisses. In diesen Fällen haben 
vir auch die Alezie in Folge vom Mangel im Geiste der Tonbilder der Laute, 
iud also auch die Agraphie (mit Ausnahme solcher Personen, die sehr geübt 
im Schreiben sind, aber auch dann versteht der Kranke das Geschriebene nicht); 
S. die isolirte Alexie (die perceptive Wortblindheit), die darauf beruht, dass 


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208 


solche Kranken die Buchstaben sehen, aber sie nicht erkennen und nicht za 
benennen verstehen, also auch die Schrift nicht verstehen können.' 

Zu den organischen Associationsaphasieen des mittleren Asso- 
ciationscentrnms gehört die motorische Aphasie, die sich immer mit der 
Alexie verbindet (eventuell auch mit der Agraphie), weil wir in diesem Falle 
den Verlust der sensorisch-motorischen Associationsbilder haben, der Kranke kann 
sich die Wörter im Geiste nicht vorstellen und besitzt keine innerliche Sprache, 
abgesehen von der Existenz des sensorischen Sinne^edächtnisses zum Veisteheo 
der Sprache. 

Zu den organischen Associationsaphasieen des hinteren Gentrums 
zählen wir: 

1. die sensorische Associationsaphasie (vorhin sog. transcorticalische 
sensorische) bei Veränderungen in der Gegend Gyri supramarginalis, wo die 
Wörter, abgesehen von der Möglichkeit des verständnisslosen Wiederholens, 
Schreibens und Lesens (automatische Thätigkeit des mittleren Associationscentrums), 
nicht verstanden werden und der Kranke paraphatisch spricht; 

2. die Associationsalexie oder die Associations-Wortblindheit 
(früher sog. transcorticale Alexie von Webniokb) bei Veränderungen in der 
Gegend Gyri angularis, wo die Worte, abgesehen von der Möglichkeit des Lesens 
der Buchstaben und Wörter (automatische Thätigkeit des mittleren Associations¬ 
centrums), mit entsprechenden Vorstellungen nicht verbunden werden; 

3. die optische Aphasie, die darauf beruht, dass der Kranke dieO^en- 
stande sieht und erkennt, aber nicht im Stande ist, sie zu benennen, und erst 
dann im Stande ist, den Namen zu bezeichnen, wenn eine andere Sinnesg^nd 
der Rinde gereizt wird, und zwar die der Tastsinnsphäre, des Geruchs oder 
des Gehörs. Mit Hinsicht hierauf, dass das Sptachwerkzeng' solcher Kranken 
ganz unbeschädigt ist, können wir allein eine theilweise Störung der Associationea 


* In den FäHen, wo die Kranken, abgesehen von der erhaltenen inneren Sprache, wie 
auch der Möglichkeit des Wiederholene der selbständigen Sprache verlustig sind, haben wir 
die vorhin sogenannte transcorticalische motorische Aphasie. Was die vorhin sogenannten 
snbcorticalischen sensorischen Aphasieen anbelangt, so gehören deren Symptome zur extra¬ 
cerebralen Aphasie im eigentlichen Sinne des Wortes (extracerebralen Woittaubheit) und 
haben ihren Ursprung im Gehörorgane. Hierher zählen wir die Fälle beiderseitiger theilweiser 
Erkrankung des Labyrinths bei der angeborenen Taubstummheit und die Fälle erworbener 
beiderseitiger theilweiser Veränderungen im mittleren Obre. Die extracerebrale Worttaub- 
beit, welche der Taubstummheit mit erhaltenen Gebörresten ganz ähnlich ist, antersobeidet 
sich von der gewöhniicben Worttaubheit dadurch, dass die Kranken manche Wörter, be¬ 
sonders gewisse Beiben ihnen bekannter Benennungen, verstehen und sogar oft wiedeiholeD 
können, von der gänzlichen Tanbheit aber noterscheidet sie sich durch die Möglichkeit G«' 
rausche und Laute zu unterscheiden. Die sogenannte snbcorticale Alexie, die sich von dei 
gewöhnlichen dadnrch onteracheidet, daas beim Mangel des Verständnisses der Schrift di( 
Fähigkeit znm Schreiben erhalten ist (wobei der Kranke das Geschriebene nicht versteht 
mit dem Vertust der Fähigkeit zum Abscbreiben (Copiren), erklären wir uns ebenfalls dorcl 
die Möglichkeit des Schreibens ohne Gesichtsbilder, allein mit Hülfe des cheirolrinetiscbei 
Qe^hls der Hand, was meistens bei solchen Leuten stattfindet, die sehr geflbt io 
Schreiben sind. 


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ifia^ dem Wort* und Yorstelluiigscentrum annebmen und zwar zwischen 
ma OeschtsMmiponeDten; 

4. die Seelenblindheit,, die sich dadarch cbarakterisirt, dass der Kranke 
ia gröstai Theil seiner froheren Gedäcbtnissyorstellnngen rerliert und zugleich 
(halt aoeb die f^higkeit der Erhaltung neuer im Gedächtnisse. Solche Kranke 
Gegenstände, aber erkennen sie nicht und sind nicht im Stande, sie zu 
iiRKOBeD, dabei orientiien sie sich im Baume schlecht, denn sie haben keine 
Vergldchang der erhaltenen Sinneseindrücke mit den Gedächtnissbildem. Bei 
der SeetenUindheit leichteren Grades bleibt ein gewisser Theil der Gedächtniss- 
iiiidff erhalten, die Kranken haben einen Begriff vom Gegenstände, aber sind 
mir onfiLhig zur Identificirung neuer Eindrücke mit im Oedächtniss existirenden.^ 
Bä der Seeloiblindheit haben wir also Störungen der Associationen, welche von 
diei Snnen zum Yorstellungscentrum gehen, wobei die Gesichtscomponenten 
lek SQ meisten herrorheben, als solche die wichtigste Rolle bei der YoUführung 
oaerer Yoistellnngmi und Begriffe spielen. Den anatomischen Grund der Seelen- 
yiodbeit finden wir auf der äusseren Oberfläche des hinteren Hirnlappens und 
da ia seiner Nachbarschaft sich befindlichen Scheitellappens in beiden Halb* 
taildn. 

Iheselbe Eintheilung nehmen wir in Bezug auf die amnestischen 
ipbisieen (functioneile) an. Wir unterscheiden unter anderen folgende 
«BUKsfische.sinnliche Aphameen; 

1. die motorische, von welcher oben die Bede war; 

2. die sensorische, zu welcher die Aphasieen Gbashby’s gehören, ferner 
'fie FiOe, wo die Absohwächung des sinnlichen Gehöi^edächtnisses das Yer* 
^daia der au^esprochenen Wörter und Satze erschwert, und riele andere 
Fimn, welche GoiiDSOHsmEB ausführlich beschrieben bat; 

3. die Alexie; hierher gehören die Fälle der Unmc^lichkeit Wörter zu 
^ bei erhaltener Möglichkeit des Lesens der Buchstaben (was vom mehr 
^^Bpticirtem Mechanismus des Lesens der Wörter als der Buchstaben abhängt), 
Ik Fälle der Unmöglichkeit d^ lauten Lesens, obgleich das Gelesene verstanden 
*ini, die Fälle, wo der Kranke l^n, aber nicht schreiben kann, d. i, er kann 

Wmtbild im (jledäcbtniss so lange nicht behalten, bis er es aufgeschrieben 
^ »dlich die Dyalezieen (eine Art der intermittirenden Alexie), die sich damit 
^tuüteiiairt, dass der Kranke anfangs gut liest, nach einem Augenblick aber 
^bänt die Unmöglichkeit weiter zu lesen. 

Zu den functionellen Associationsaphasieen des mittleren Asso* 
{iatiooscentrums gehört die motorische Aphasie ohne Alexie uud Agraphie, 
wo wricher oben die Bede war. Endlich zählen wir zu den amnestischen 
l^soeistionsaphasieen im hinteren Gentrum die Fälle, wo der Kranke 


' Dm Siebter« Form der Seelenbliodheit dient als der beste Beweis der Unabhängig- 
4(1 VorsteUangseentnuns Tom Spraehaet, denn abgesehen von den Stönmgen der Asso- 
welche von allen Sinnen znm Voratellangsoentrani f&hren, bleibt die Tbatigkeit 
4« ^nebe i sowohl die Articolation, wie anch die Schrift) angestört. 

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nicht im Stande ist dem G^enstande, den er sich im Geist rorstellt, den 
entsprechenden Namen zu geben. 

Ausser der Bücksicht auf die oben ang^bene Eintbeiluiig der Aphasieen 
müssen wir in jedem concreten Falle noch die Aufmerksamkeit auf die ge¬ 
mischten Fälle richten, wo wir bei einer gewissen organischen Veränderoi^ 
functionelle Erscheinungen haben können, welche nur bis zu einem gewissen 
Grade das reine Bild der organischen Aphasie maskiren. Dennoch glauben wir 
nicht, dass wir irgend welche Schwierigkeiten antreffen könnten, wenn wir die 
Analyse der Erscheinungen, die jeder Form eigen sind, in allen Einzelnheiten 
durchfuhren. 

Wir glauben durchaus nicht, dass man die Acten der Psycbolc^e der 
Sprache, wie auch die Lehre von den Aphasieen schon jetzt schliessen könnte, 
von der Zeit aber des einst fast allgemein angenommenen Schemas von Wer- 
nioee-Lichtbeim haben wir gewiss einen bedeutenden Schritt vorwärts gemacht, 
indem wir eine weit rationellere Psychologie der Sprache geschaffen haben, wie 
auch, dass wir die ungemein verwickelten, und bis jetzt in vielen Fällen ganz 
unverständlichen Aphasieenbilder vereinfachten. Es unterliegt keinem Zweifel, 
dass uns dazu Fleohsio’s Arbeit von den Associationscentren geholfen hat, die 
wir bis jetzt mit irgend einer Unbekannten vertreten mussten. 

Weitere klinische Beobachtungen von Sprachlosigkeiten in Verbindung mit 
den anatomisch-pathologischen Forschungen werden uns vielleicht binnen Kurzem 
erlauben auch die Löcken auszufüllen, welche auch heute noch zweifellos uns 
auf den Gedanken bringen.^ 


11. Referate. 


Anatomie. 

1) Quergestreifte und längsgestreifte Muskeln, von P. Schultz. (Arch. f. 

Anat. u. Fhys. 1897. Fhys. Abth.) 

Verf. unterscheidet nicht glatte und quergestreifte Ifaskeln, sondern längsgestreifte 
und längs* und quergestreifte Muskeln. Die letzteren bezeichnet er auch abgekftrzt 
einfach als queigestreifte Muskeln. Physiologisch nnterscheiden sich beide Formen, 
insofern als die Contraction des längsgestreiften (d. h. glatten) Muskels trage erfolgt, 
die des quergestreiften hingegen als Zuckung, chemisch, insofern der längsgestreifte 
Muskel myosinfrei und wasserarmer ist und bei der Thätigkeit neutral reagirt, 
während der queigestreifte myosinhaltig und wasserreich ist und bei der Thätigkeit 
sauer reagirt. — Aus den experimentellen Arbeiten desselben Autors (ibid. S. 1 u. 
S. 307) kann hier nur hervorgeboben werden, dass Verf. gegen Engelmann die 
reflectorische Natur der peristaltischen Bew^nugen des Darms, Ureters n. s. w. dar- 
tbut. Er stützt sich dabei namentlich auch darauf, dass ihm der Nachweis sensibler 


* Diese Arbeit war auf der Sitzung des Warschauer ärztiioben Vereins am 15. Mai 1897 
vorgelesen worden. 


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211 


mfiur Appante in den bez. Hcukeln, welchen Engelmann vermisst hatte, ge- 
lufn ist Aoeh die Beobachtungen Ober den Einflnsa verschiedener Medicamente 
iif die gUtta) Hnskeln verdienen BerBckaichtignng. Th. Ziehen. 


Experimentelle Physiologie. 

I) Di an rifleeeo pupUlare dl origine enrioolare, per G. Piaenti. (AtU e 
mdie. della accad. med.-chirnr. di Ferogia. IX.) 

fis Patient mit einer nicht eitrigen Otitis media, den Yerf. unter anderem mit 
IiUiterisiren der Tnba Enstachü behandelte, zeigte, wenn die Sonde über den 
&>da der Choanen glitt, Blasswerden des Gesichts, Kleiner- and Tisngsamerwerden 
iti Polsea, Stillstand der Atbmang, Tbränen der Augen. Zugleich gerieth die Pu¬ 
pille, die sich anfangs verkleinert hatte, in lebhafte oscillatorische Bew^ungen, 
vdcbe Bach einigen Secunden aufhörten und dann mit geringerer Heftigkeit wieder 
sMetttn. Bin zweiter Sondirongsversuch, nach einer Pause unternommen, rief 
*nder die gleichen Erscheinungen hervor. Ebenso stellten sie sich nach einigen 
hgm m, als dorch den Katheter Luft in das Mittelohr eingeblasen wurde. 

8i haodelt sich hier zweifellos um einen Beflexvorgang. 3 Wege sind möglich, 
uf dott diesw Reflex zu Stande kommen kann: 

I. Durch die mechanische Beizung des Trigeminus wurde, da diese mit dem 
öaglkin ciliare durch dessen lange Wurzeln anastomosirt, auch dieses Ganglion 
rwttiL 

t Es worden die Nn. nasales inf. et post, die den unteren Nasengang und die 
Vien Hnsehel versorgen, irritirt Diese Nerven sind Zweige des N. palatin. vom 
spbeno-palatmum. Von dort aus verbreitet sich die Erregung weiter auf 
in Staom des Trigeminus und auf das Ganglion riliare. 

3. Der Reflex ist centralen Ursprungs. Durch die in das Hittelobr geblasene 
Uft giägt der Druck dort und mithin auch die Spannung im Tiabyrinth und den 
ulborkriförmigeD Canälen. In Folge dessen Beizung der Nervenendigungen in den 
AapalliD, Fortleitong der Beizung durch den N. vestibnlar. auf seine Kerne, auch 
üfdaDeiters’scben Kern. Dieser hat Yerbindni^ mit dem Abducens, der seiner- 
■itt wieder mit dem Oculomotorios in nah«: Beziehung steht Valentin. 


Pathologische Anatomie. 

3) Ooatribnto apezimentale alle oonosoensa deir iatogeneel del rammolll- 
nuBtü cerebrale ieohemloo, per F. Gnizzetti. (Archivio per ie scienze med. 
IW. Nr. 1.) 

Tirf. bat seine Versuche an Hunden angestellt. Kaninchen erwiesen sich un- 
Dem Versuchsthier wurde mittelst einer Fravaz'schen Spritze eine 
i^7>o)ogieche Kochsalzlösung, in welcher Korbsägemehl snspendirt war, in die linke 
eingespritzt (1—2 ccm). Nachher wurde die Arterie unterbunden. Die 
der UimstOcke, in welchen sich Erweichungsberde fanden, geschah theils 
s ^hnat, theils im Flemming’schen Säuregemiscb, theils ln einem Gemisch von 
und Essigsäure (1 %)> theils in Hflller’scher Flüssigkeit 
^ Iblicben Fär^methoden wurden angewandt namentlich auch die Färbung mit 
SifruiB (gesättigte Aniliuwasserlösung) und die Färbung nach Bizzozero-Vassale. 
^ Thisre starben, bezw. worden getödtet 14 Stunden bis 17 Tage nach der In- 
Der Befand wird für 7 Tbiere genau mi^tbeilt. Die Hauptergebnisse 
‘M Mgende: 

14* 


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212 


1. Die Fetti 6 riicheii 2 elien stammen Uieils ans ausgewanderten LenVoeyten, 
tbeils ans den vermehrten, transformirten endothelialen Elementen, welche die peri* 
vascniären Lymphscheiden begrenzen. Durch Karyokinese vermehren sich die Fett* 
kömchenzellen weiter. 

2. Die Ganglienzellen und Äxencylinder gehen sowohl in der Mitte des 
Erweichungsberdes, wie an seiner Peripherie zu Grunde, ohne sich je in Körnchen* 
zellen zu verwandeln. 

3. Die Neurogliazellen geben gleichfalls zu Grunde, ohne sich in Kömehen¬ 
zellen zu verwandeln; nur in der Umgebung des Herdes vermehren sie sich in 
mässigem Grade und hypertropbiren. 

4. Das Sttltzgewebe des ansgebildeten Herdes ist nur durch Vermehrang der 
Zellelemente der Geßsswandungen entstanden; unter bestimmten Umständen betheiligt 
sich an der Bildung des Stroma auch ein feines zusammenhängendes Baticnlum, 
welches ebenfalls vom Hesenchym abstammt. 

Zum Veigleich hat 7erf. bei 4 Hunden direct in die Hirosubstanz 2 Tropfen 
einer 2^/o Chromsäurelösung injicirt. Diese chronische Encephalitis zeigt ein cen¬ 
trales nekrotisches Gebiet und zahlreiche Hämorrhagieen. Yielkeraige Kömchenzellen 
scheinen etwas häufiger als bei der Erweichung. Einen Unterschied bexflglich der 
activen und degenerstiven Kömchenzellen (Virchow-Friedmann) lässt Verf. nicht 
gelten. Der Ursprung der Kömchenzellen scheint bei der chronischen Encephalitis 
derselbe wie bei der Erweichung. Einen Uebergang der Neurogliazellen, welche 
viel zahlreichere Karyokinesen zeigen, in Kömchenzellen scheint Verf. nicht ans- 
schliessen zu wollen. Die von Friedmann beschriebenen Spindelzellen leitet er 
nicht wie dieser von Neurogliazellen, sondern von Elementen der Gefisswand ab. 
Scheinbare Karyokinesen in Ganglienzellen finden sich bei der chronischen Encepha¬ 
litis nicht seiten, hingegen sehr selten bei der Erweichung. Th. Ziehen. 


4) BüokenmarkBbefande bei Oehirntomoren, von Dr. Josef Ursin. Ans der 

Klinik für Geistes- und Nervenkrankheiten des Prof. Dr. G. Anton in Ch». 

(Deutsche Zeltschr. f. Nervenheilk. Bd. XI. 1897.) 

An der Hand dreier einschlägiger, eigener Fälle, sowie der betreffonden Litteratar, 
weist Verf. nach, dass der Ansicht C. Hayer’s gewichtige Erscheinungen entg^en- 
stehen, wonach Bflckenmarksveränderungen bei Hirntumoren auf Drucksteigernng des 
Liquor cerebrospinalis, also auf hydrostatische Wirkung zurfickzuffibren seien. Dem 
gegenüber erklärt Verf. das wirksame Agens in Intoxicationsvoigängen und Er¬ 
nährungsstörungen und befindet sich im Grossen und Ganzen in Uebereinstimmung 
mit Dinkler, welcher ebenfalls zu einer von C. Mayer abweichenden ErklKrang 
gekommen ist. Es sollen hier nur die aus den eigenen Beobacbtnngen des Verf. 
sich ergebenden, seinen Standpunkt rechtfertigenden Momente bervorgehoben werden. 
So fand sich ein Hai überhaupt keine besonders nachweisbare Drucksteigernng and 
trotzdem Degeneration in den Hintersträngen (1. Fall). Umgekehrt standen sich ini 
3. Falle Zeichen bedeutend vermehrter Cerebrospinalflüssigkeit und relativ geringe 
Degenerationen io den Hintersträngen gegenüber. Ferner fand sich in den betreffender 
Fällen die Degeneration im Halsmark, also in einem höher gelegenen und dem Dmcl 
einer geringeren Flüssigkeitssäule ausgesetzten Abschnitt, viel stärker au^ebilde^ 
als im Lenden- und Sacralmark. Von Bedeutung ist auch, dass sich der eine, z. B 
der rechte Hinterstrang stärker lädirt erweisen kann, als der andere. Hierfür is' 
die event. Mitbetbeiligung der extramedullären Wurzelabschnitte ansschl^gebend 
welche dann zu der primären, intramedullären Hinterstrangerkrankni^ noch eim 
secundäre, aufsteigende Degeneration hinzntreten lässt. Dieser ganze „eleckive' 
Charakter des Processes erinnert eben sehr an die Wirkung toxischer Stoffe. 

E. Asch (Frankfurt a.^lC.^. 


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213 


S) Uttwiori rioerohe istologiohe suUe altanudoni luetiohe delle arterie 
esrebrali, per B. Stanziale. (ßiomal. ital. deile malatte venere et della pelle. 
IT. 1897.) 

Ab Rlleo von Himsyphilis mit hauptsäclilicber Betheiligrung der Geßsse studirte 
Tfli die Terindemogen an den Arterien. Io 3 Fällen waren die Meningen mitergriffen, 
ad nar Toniehmlich die Dura. Sie befand sich im Zustand der chronischen Ent* 
oder war gnmmös erkrankt 

Di» Affeetion der QeAsse ging stets von der Tunica externa ans: die Adventitia 
w UänwUig infiltrirt, ee bildeten sich neue Oeßsse, auch fanden sich oft Biesen* 
oßa. Weiter entwickelte sich in der Adventitia ein fibröser Zustand oder Coa* 
fdatkateekroee. Mach der Adventitia wird auch die Media kleinzell^ infiltrirt, 
dm itrophiseb und schwindet schliesslich gänzlich. Die Lamina elastica verdickt 
ad anfi^ zeigt später Unterbrechungen ihrer Continuität und kommt zum Schluss 
«Mills suffl Schwinden. 

Die lotiiDa, in den kleinen Arterien oft nur durch junges Bindegewebe mit 
mb nmd* und kleinzelligen Elementen verdickt neigt dazu in das fibröse Stadium 
brufML Die nengebildeten Geßsse obliteriren wieder. Da der Process an der 
baMtbe beginnt und das Epithel betheiligt kommt es leicht zur Gerinnung des 
Blib ood zur Thrombenbildnng. Arteriitis obliterans entsteht, wenn die Intima 
ii ärv ginzoi Circnmferenz an der Veränderung Theil nimmt die Betraction des 
Gewebes bewirkt Trennung der Intima von der Lamina elastica, und wenn 
w ningdBusig vor sieb geht die Bildung von Canälen und Lakunen, die, sich 
Bt Südothel anskleidend, dem Blotstrom wieder einen Weg bieten können. Die 
^dm^ihmg des fibrösen Gewebes löst ferner bei der Arteriitis obliterans die Intima 
den fib^en Gefässhäuten, lässt sie frei im Lumen flottiren und eventuell vom 
SnMn» foitffihren und Ursache einer Embolie werden. Eine neue Elastica kann 
Kt TOB der freien Seite der Intima her entwickeln. 

la allen Fällen mit Ausnahme eines einz^n fand Verf. miliare Aneurysmen. 
Alf Gnmd des histologischen Bildes kann man mit genflgender Sicherheit luetische 
iräcTertDdemngen von atheromatösen unterscheiden. 

Die Sehlflase, zn denen Verf. kommt decken sich mit den in einer seiner 
klMa Arbeiten aufgestellten. Valentin. 


I) Sir Kenntniss der Menisgooele spurls iBÜlroth'iohen Krankheit) ln 
aeaiopaäiisoher Hinnioht, von J. Bayerthal in Worms. (Deutsche med. 
Vocäsasehr. 1898. Mr. 3 u. 4.) 

Dw 31jährige Arbeiter G. S. stammt aus gesunder Familie. Im Alter von 
' I Jibm fiel dem bis dahin normal entwickelten Kinde ein Ziegelstein anf den 
M bQdete sich an der Stelle des Traumas eine pnlsirende Geschwulst welche 
int dem Schädel wuchs. Pat lernte erst im 4. Jahre gehen, entwickelte 
Ki aber im ftbrigen normal und hielt sich, von ärztlicher Seite auf die Lebens* 
aeiaee Zustandes bei eventueller Verletzung des Schädeldefects aufmerksam 
Mdt, nrgsam von allen Gelegenheiten zu derartigen Eventnalitäten fern. Vom 
ii Ubetwialire ab zeitweise Nenralgie des linken Supraorbitalis, seit 3 Jahren im 
laKUan an körperliche Anstrengungen epileptische Änßlle unter starkem Vordrängen 
^fimdiwulst eingeleitet durch Zucken in den Gliedern ohne bestimmten Ausgangs* 
iHe Unterenchnng ergiebt anf der rechten Hälfte des Stirnbeins eine 
sporia mit den Irischen Merkmalen, sowie eine geringe Schädel* 
'TMtrifl, indem 4ie rechte vordere Schädelpartie stärker entwickelt ist als die 
^ — Sonstiger Befund normal. 

Saeb konor, zusammenfrmsender Darstellung der Entstehungs* and Wachsthums* 
te äusseren Form und der pathologischen Anatomie der Meningocele sporia — 


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die Details sind im OrigiDale nachzulesen — kommt Verf. zar Besprechung der 
CerebralerschelDungen. Eis handelt sich um initiale und temporäre oder erst später 
anftretende und bleibende allgemeine Cerebral* oder Herdsymptome. Den initialen 
Brscheinnngen, welche im wesentlichen dem Symptombilde der Commotio cerebri 
entsprechen, folgen unmittelbar oder meist nach mehr oder weniger langer Latenz* 
Periode die daoerden Cerebralsymptome. Entsprechend dem Lieblingssits der 
Meningocele — das Scheitelbein deckt die Bolando’sche Furche — treten besonders 
halbseitige Bewegungsstörungen hervor, in geringerem Qrade an der Gesichtsmusku* 
latur, in höherem, aber wechselndem Haasse an den Extremitäten. Die Wachtsthoms* 
differenz der gelähmten Rörperseite beruht auf trophischen Einflüssen der Groashini' 
rinde. Die topische Diagnose ist bei dem falschen Gehimbrucb bisher zu wenig 
beobachtet worden. 

Weitere Symptome sind Erkrankungen des Sehnerven, Beizerscheinuogen 
iocalisirter Natur und solche, welche wie Athetose und Epilepsie auf allgemeinen 
Functionsstörungen der Hirnrinde beruhen. Die Meningocele spuria ist keine eigent* 
lieh chiroi^ische Erkrankung, sondern bezüglich des weiteren Verlaufs in erster 
Linie eine Erkrankung des Gehirns, deren Symptomencomplex nahezu völlig dem der 
cerebralen Kinderlähmung entspricht und der nur sehr selten durch operative Eis* 
griffe günstig beeinflusst werden kann. 

Die Prognose ist ungünstig, da auch in den leichtesten Fällen mit dem Ent¬ 
stehen der Meningocele eine intracranielle Verletzung verbunden ist, Epilepsie 
wahrscheinlich in keinem Falle bei genügend langer Beobachtungs* 
dauer vermisst wird. In allen Fällen von Meningocele spuria kommt nur eise 
Behandlungsweise in Betracht: das Tragen einer Schatzkappe gegen äussere Schädlich¬ 
keiten, die unabsehbare Folgen nach sich ziehen können. — Bei ihrer gotacbtlicben 
Beurtheilung müsste man sagen, dass chronisch entzündliche Vorgänge im Gehirn, 
die bisher schleichend verliefen, durch ein Trauma Epilepsie herbeiznführen vermögen. 

K. Pfeiffer (Cassel). 


Pathologie des Nervensystems. 

7) Sensory aphasla with aeotor-shaped homonymoua defeot of the field 
of Vision: a study in looalisation, by W. Ernest Thomson. (Edinburgh 
medical Journal. 1897. Mai.) 

Öljähr. Pat. leidet seit 8 Monaten an ÄnAllen von sehr heftigem Kopfschmen 
mit Erbrechen, die von allgemeiner Atgeschlagenheit gefo^ sind. Nach einen 
solchen Anfalle treten deutliche Symptome von amnestischer Aphasie und Faraphasi« 
auf, ferner partielle Bachstabenblindheit; Copiren und Dictatsebreiben ohne SÜmng 
keine Worttaubheit. Der auffallendste Befund wurde bei der Prüfung der Gesichts 
felder erhoben. Es fand sich nämlich ein homonymer sectorenförmiger Defect in dei 
rechten oberen Hälften beider Gesichtsfelder, deren stumpfer Endabschnitt rechts bi 
zum 5.^ links bis zum 10.° vom Fixirponkt reicht. Bemerkt sei, dass Pat. Übe 
Sehstömng nicht kh^^; es ist daraus der Schluss zu ziehen, dass es eich hie 
nicht etwa um den Uebeirest einer ursprfinglichen homonymen Hemiopie handelt, d 
eine solche auch snbjective Störungen voraussetzen lässt, sondern dass die jedenfall 
central bedingte Affection von vornherein grösseren Umfang nicht gehabt hat. 

Verf. ist geneigt, zwei Herde anzunebmen, einen älteren, der die Seh*, un 
einen jüngeren, der die Sprachstörung verursacht hat Ueber seine weiteren dit 
gnostischen Bemerkungen sei auf das Original verwiesen. 

Martin Bloch (Berlin). 


..-vGooglc 



215 


8) ÜB OM de Burdite verbele pure teminöe psr aphaaie BenBorielle Buivi 
d’aatoprie, per J. D^jerine et P. Serieux. (Comptes reod. de la socidtd de 
bedo;. 1897. 18. ddcembre.) 

Der von des Verff. beschriebene Fall von „reiner Wortstummheit“ schliesst eich 
wwiger bisher beschriebenen Fällen dieser Erhranknng' an (Licbtbeim, Pick, 
S^rieox, Ztebl), unterscheidet sich jedoch von ihnen dadurch, dass hier zum 
cntoi Male eine genaue makro- und mikroskopische Untersuchung des Central- 
MfrensystemB statt finden konnte. — Die betr. Patientin wies 5 Jahre hindurch 
(1887—1892) die Symptome „der reinen Wortstummbeit“ auf: Integrität des spon- 
taMs SpreehTenn^^gens, Unfilhigkeit Gehörtes za wiederholen, Fähigkeit spontan zu 
idreiben und zu eopiren, Unfähigkeit nach Dictat zu schreiben, Fähigkeit laut zu 
Ittca. — Im Jahre 1892 begannen non einige Symptome sensorischer Aphasie sich 
Rttiod XB machen, Paraphasie und Par^rapbie, nnd diese Erscheinungen steigerten 
Bcb sdihesdich xnm TöUigen Verlust des Schiiftverständnisses, zugleich nahm die 
Ixtelligeiiz and das Hörvermögen ab. — Die Kranke starb 1895 im Alter von 
05 Jahr«L 

Bei der Seetion fand sich eine beiderseitige hochgradige Atrophie der Schläfen- 
tipp» and zwar waren die obersten Windungen am meisten betroffen. — Das 
nize ftbrige Gentralnervensystem, insbesondere die Stimwindungen und die Insel 
*im abeolnt intact 

Bei der mikroskopischen Untersuchung der Binde der Schläfenlappen erwies sich 
die Atrophie vorwiegend als eine celluläre, und zwar betraf sie hauptsächlich die 
im BMisten peripherisch gelegenen Schichten. Die Zellen sind theils verkleinert, 
tkäls völlig geschwunden, Nenroglia und Kerne vermehrt Insbesondere sind die 
UnscD PTramidenzellen au^lend spärlich. Die Gefösse and die Pia mater sind 
vwdickt, die Badialfasem an Zahl vermindert 

Dieee Krankengeschichte ist nach verschiedenen Richtnngen hin interessant und 
lekrTeidi. Zunächst wird hierdurch definitiv bewiesen, dass die „reine Wortstumm* 
bet“ eine Bmdenerkranknng ist und zwar eine Poliencepbalitis chronica des Schläfen- 
lappeea. Ferner zeigt der Sectionsbefund, dass die surditd verbale pure auf eine 
Erkrankung der Hörsphäre znröckznfflhren ist, und nicht wie Lichtheim u. A. 
agokommen hatten, auf eine LeitungsnuterbrechuDg zwischen dem Hörceutrum und 
dem Worterinnenmgscentrum. 

fine genauere Beschreibung des eigenthOmlichen Falles, besonders im Hinblick 
asf die interessanten Beziehungen, welche sich hier zwischen der surditö verbale, der 
«eBBiriscfaai Aphasie nnd der Taubheit entwickelten, wird in Aussicht gestellt 

W. Cohnstein (Berlin). 


9) üebar gevrinee, den aphMlBohen analoge Störungen des musikollBOhen 
AoedmckBvermj^enB, von Enaner. (Deotsche med. Wocbenschr. 1897. 
Hr. 46.) 

fine SOjäbr., mit Horbas Basedowii behaftete, hysterische Patientin, welche für 
■aeik gr oo B o s Interesse und hohe Beßbignng besass und darin eine sehr gnte Aus- 
MMog genossen batte, verlor plötzlich in einer Hacht das Gehör für Töne und 
■rmkalieche Klangbilder, nachdem sie am Tage vorher noch normal musicirt batte. 
Aa OhreusaoBen schlossen sich Schwindel, Wftigkrämpfe, Kopfschmerzen, AnflUe von 
Bcwesstlosigkeit ohne voranfgegangene Aura, ziemlich etarke Schwerhörigkeit (L > B) 
snd Seblafloeigkeit Häufiges Ohrenklingen, das meist in Hören von Melodien Ober- 
ging. — Sprach eine Person allein zu ihr, so konnte Pat. sie zeitweilig verstehen; 
spndteo mehrere, so hörte sie ein unbestimmtes Geränscb. Wie die Untersuchung 
«rgab, wam verloren: das Tonklangverständniss, das Hoteuschriftverständniss, das 
Utariningea, das Hotenschreiben nach Gehör und Absingen von Noten, erhalten: 


Dg ii/od oy GoO^ Ic 



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das ScbreibSD von Kotenschriftzeichen u. s. w., das Notenabschreiben, das willkQrUcne 
Singen. 

Es handelt sich nach dem Verf. am einen reinen Fall von sensorischer Amuaie, 
von Musik oder Tontanbheit; die Beobachtung weist hin auf die grossen Änalogieen 
zwischen Sprachvorgängen (Articulation, sprachliche Aeusserung, graphische Dar* 
Stellung) und den musikalischen Functionen (Darstellung und Aufnahme musikalischer 
Töne und Klänge, schriftliche Wiedergabe derselben). 

„Es werden vom Individuum im Gehirn die antüogen Centra und Leitui^bahuen 
ebenso eingeübt für die Sprachvo^änge u. s. w. wie für die musikalischen Functionen.“ 

Der Eintritt der Gehörstörungen erinnert an den Heniöre’schen Symptomen- 
complex. Verf. ne^ dazu, das ganze Krankheitsbild einheitlich aufzufassen als 
Intoxicationsneuropsychose in Folge Parafunction der Schilddrüse. 

Die Details der Krankengeschichte mnd im Originale nachzulesen. 

B. Pfeiffer (Cassel). 


10) Beitrag zur Delire der amneetisohen SpraohstÖrungen, nebst Barner* 

kungen über Spraohstörongen bei Epilepsie, von Dr. E. Bischoff. 

(Jahrbücher für Psychiatrie u. Neurologie. Bd. XVI.) 

Verf. geht bei seinen Ausführungen von folgendem Falle aus: 

Ein indirect nenropathisch belastetes Kind hatte mit Jahren Fraisen, erlitt 
mit 2 Jahren eine Himerscbütterung und machte im 5. Lebensjahre die Blattern 
durch, es erkrankte im 6. Lebensjahre an anfallsweise auftretenden Zuckungen im 
Gesiebte, vorwiegend rechts, und im 10. Jahre an Schwindelanfallen, welche allmäh¬ 
lich in epileptische Krampfanfälle übergingen; diese waren wieder vorwiegend in der 
rechten Gesichtshälfte und im rechten Arm localisirt; später kam es zu allgemeinen 
epileptischen Convulsionen, die zeitweise Üblich auftraten und dann zu Dämmer¬ 
zuständen führten. Im 15. Lebensjahre stellte sich im Anschlüsse an einen Status 
epilepticus eine seither durch 2 Jahre bestehende Sprachstörung ein; dieselbe besteht 
iu bedeutender Einschränkung des Wortschatzes und dem Unvermögen, Gegenstände 
zu benennen, sowie in einer Störung des Dictatschreibens und des Lautlesens, während 
das Verständniss der Sprache und der Schrift, die Fähigkeit zu agiren und nacb- 
znsprechen intact sind. Ausser dieser als amnestische Aphasie bezeichneten Störung 
findet sich keine Abnormität im Gebiete der Hirn- und Extremitätennerren, das 
Gedächtniss, die Intelligenz sind nicht grob gestört, Gesichtsfeld und Sehschärfe 
sind normal 

Verf. stellt nun die Frage, ob diese Aphasie functioneU oder organisch be¬ 
gründet sei und wohin dieselbe zu localisiren wäre. Auf Grund einer Durchsicht 
der Litteratur kommt er zur Aufstellung folgender Sätze: Amnestische Aphasie kommt 
sowohl bei Läsion des motorischen, als des acustiseben Spracheentrums, als auch 
der optischen Centren vor. Dass amnestische Aphasie bet Läsion des Klangbilde- 
centrums oft vorkommt, beruht darauf, dass mit dem Klangbildecentrum zugleich oft 
auch das optische Centrum oder seine Verbindungsbahnen znm Spracheentmm zerstört 
werden. Zwei Fälle der Litteratur mit totaler Zerstöroi^f, im ersten Falle der 
linken 1. und 2. Schläfenwindung (Girodean), im zweiten Falle der rechten 1. und 
2. Schläfenwindung und der linken 1. Schläfenwindnng (Pick), in welchen voll¬ 
ständige Worttaubheit ohne amnestische Sprachstörung bestand, beweisen, dass am¬ 
nestische Aphasie bei Läsion des acustischen Spracheentrums nicht vorzukommen 
braucht, wenn die optischen Centren und Bahnen, sowie das motorische Spracheentmm 
intact sind. Bezüglich der amnestischen Aphasie bei Läsion des motorischen Spracb- 
centrums weist Verf. nach, dass dieselbe einen leichten Grad der motorischen Kern- 
aphasie darstellt Dies geht daraus hervor, dass sie sowohl bei partieller Läsion 
des Üentrums als auch während der Ausheilung anfänglich totaler motorischer Kem- 


D. . vGoogIc 



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beobachtet wurde. [>ie amnestiscbe Aphasie bei Läsioo der optischen Centren 
ni ihrer Bahnen deckt sich rollständig mit der optischen Aphasie. 

IHeee Befonde sind geeignet, die bisher von mehreren Seiten noch aufrecht er- 
Uteaen Ansichten betreffs der Aphasie etwas za modificiren, und zwar weisen sie 
duzaf hin, dass erstens nicht immer das Klangbildecentrum unerlässlich zn allen 
S]ffichfattction«i ist, sondern dass auch ohne Elangbildecentmm das Sprechen in 
Baaehen Fällen normal von statten gehen kann, and dass zweitens die Art einer 
Spachstörong nicht allein von der Lage der Läsion, sondern auch von dem Grad 
Bsd der Intensität derselben abhängig ist Man kann im Anschluss an Bastian 
3 FenctionsarteQ der Spracbceptren schematisch unterscheiden: 

1 . eine reflectorische, z. B. das einfache Nachsprechen gehörter Worte, 

2. eine innerhalb des Sprachcentmms selbst associativ ansgelöste, z. B. das 
Hersag« geläufiger Wortfolgen. 

3. mne spontane, welche durch associative Voigänge mit dem flbrigen Vorstellungs- 
cmplex aasgelöst wird. 

Die ers^enannte ist die einfachste, die letzte die schwierigste Function. Durch 
cifie gminge Läsion wird nur diese schwierigste Function gestört, and daraas entsteht, 
«CBO die Läsion das motorische Sprachcentrnm betrifft, die amnestische Aphasie, 
vekhe Yerf. mit der transcorticalen motorischen Aphasie fflr identisch halt. 

Diese Theorie ist geeignet, die verschiedenen Formen der suh* and transcorti- 
ciUa Aphasie za erklären, ohne anatomisch nnmöglicbe Localisationen anzonebmen. 

Auf die fnnctionellen Sprachstöningen Qbergehend, weist Yerf. aus der Litteratur 
aaclii, dasB diese daoemd nur in Form vollständiger Sprachanföbigkeit, z. B. Hysterie 
«wfcoBiiien, transitorisch aber r^elmässig in Begleitung motorischer and sensorischer 
Lähmaogseracheinangen anftreten, was zeigt, dass über grosse Himabscbnitte aus- 
S^reitste fosetioneile Störungen Ursache dieser Apbasieen sind. Das E^ebniss der 
Üiv nnr flöchtig skizzirten Uotemehmangen zwingt ffir den Fall des Aators znr 
tnihme einer organiacben Erkrankung, aller Wahrscheinlichkeit nach innerhalb oder 
ia Biester Bachbarsebaft des motorischen Sprachcentmms. Dafür spricht auch der 
BsgiBD der Erkrankung mit Krämpfen in der rechten Gesichtshälfte und im rechten 
Am. — Znm Schlosse stellt Yerf. die bei Epilepsie bisher beschriebenen Sprach* 
stäimgeo zosammen und führt in einem Litteraturverzeichniss die wicbt^ten Arbeiten 
ühm aainestiacbe Aphasie, über functionelle Aphasieen nnd über Epilepsie mit 
Aphasie an. Redlich (Wien). 


11) Fall af aflaai samt emboli af arteria meeenterloa auperlor, af Dr. 

Köster. (Hygiea. LII. 1897. S. 219.) 

Btt einer 53 Jahre alten. Frau war nach einem apoplectischen Anfall vor 
5 Jahieo imseh vorübergehende Parese der rechten Glieder beobachtet worden, und 
Spnehstönmg, die fortdanerte, mit Abnahme des Gedächtnisses. 8 T^e vor der 
hatte sie plötzlich heftigen Schmerz im Unterleib bekommen. Wenn sie 
redea wollte, quoll ein Strom von Worten mit vielen Wiederholungen hervor, oft 
«hat directen Zusammenhang mit dem, was Fat. sagen wollte. Es schien sich um 
öe Art von amnestischer Aphasie zu handeln (obwohl Pat. zu wissen schien, was 
■e agao W4^te, konnte sie nicht die rechten Worte finden), sowie um nicht an- 
tiedeutande Paraphasie; Worttaubheit schien nicht vorhanden zu sein. Pat. coUabirte 
oi starb an Embolie der Art mesenterica superior. 

B« der Section fand sich ln der Gegend der Fossa Sylvii keine Einsenkung in 
die Hiramasae, wo der Baum zwischen Pia und Gehirn von klarer Flüssigkeit erfüllt 
war. Dieae Höhle, die sidi von der Grenze zwischen dem vorderen and dem mitt- 
Drittel des“ Temporallappens nach hinten bis gegen den hinteren Band des 
OcdpitallappaDS erstreckte nnd ung^br 1 cm tief und 1^/^ cm breit war, war durch 


DiQ'iii’od 


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eine totale Atrophie der hintereD zwei Drittel des Gyrus temporalis primas nod die 
mittleren Theile der an der äasseren Seite des Gentrallappens gehenden Gyri gebildet; 
auch die unteren Theile der Insula waren atrophich, dagegen waren gesund und 
uDverändert der Gyrus temporalis secundos, der Gyrus angularis und supramarginalis, 
die Centralgyri und der Gyrus frontalis tertins. Das Centrum f&r die Klangbilder, 
dessen Zerstörung Worttanbbeit hervomift, war also zerstört, w&brend die 3. Stirn- 
Windung vollständig intact war. Nur die Paraphasie findet genügende Erklärung 
durch die Läsion der Insnla und der 1. Temporalwindnng. Ausserdem ergiebt sich 
aus diesem Falle, dass die Sebcentra in der inneren Fläche dm* Occipitallappen zu 
suchen sind, denn ein grosser Theil der äasseren Fläche war zerstör^ ohne dass 
irgend welche Sehstörungen vorhanden gewesen waren. 

Walter Berger (Leipüg). 


12) A hangkdprd körpontok körtana (Pathologie der Laut bildenden 

Oentren), von A. Önodi. (Hittheilung der ung. Akademie der Wissenschaften. 

1897.) 

Die vielfachen Untersnchungen des Yerf. an Tbioren führten zu der Brkenntniss, 
dass bei Thieren ausser des Rindencentrums noch ein „subcerebrales" Centrum auch 
vorhanden ist. Dieses Verhalten erklärt, dass die Lautbildung auch nach der Zer¬ 
störung der Binde möglich bleibt, ferner erklärt dieser Umstand wi^o die Destmc- 
tion des oberhalb des Vagusaustritts bis znr Vierhügelgegend reichenden Theiles die 
Lanthildong aufhebi So bestimmt auch diese Verhältnisse im Thierexperimente sich 
nachweisen lassen, decken sie sich nicht vollkommen mit den bisherigen Beobachtnngen 
an Menschen. Doch ist das Material der pathologischen Erfahrungen an Menschen 
noch sehr nngenügend und viel zu wenig zahlreich, als dass man die Gesetze der 
cerebralen Lähmungen der Stimmbänder schon jetzt definiren könnte. 

Jendrässik (Bndapeet). 


13) Dn mutisme ohez renftmt qoi entend, par Boyer. (Arcb. de Neurol. 

Vol. IV. 1897.) 

Bei einem Kinde mit normalem Gehör kann ans verschiedenen Ursachen die 
Entwickelung der articnlirten Sprache eine Verzögerung erfahren, es kann sogar die 
Ausbildung derselben ganz unterbleiben 1. Ln Folge einer physischen Schwäche, 
2. durch Schwäche der Intelligenz, 8. durch vorübergehende oder danemde nerröee 
Störungen, 4. durch Heredität, 5. durch locale Erkrankungen des Articolations- 
apparats. 

Der Verf. berichtet über einen Fall dieser Art Es handelt sich um einen 
10 jährigen, geistig nnd körperlich sehr zurückgebliebenen Knaben, der bei intactem 
Gehör anscheinend vollständig stnmm war, bei dem es aber gelang, durch geeigneten 
Unterricht die articnlirte Sprache zu entwickeln. Der Knabe wurde als taubstnmm 
zngeführt. Die Taubstummheit war nach Aussage der Eltern im Alter von 2 Jahren 
im Anschluss an Convnlsionen anfgetreten. Vor dieser Krankheit hatte das Kind 
kaum einige Worte sprechen können. 

Gleich bei der ersten Untersnchnng stellte eich nnn hersns, dass das Kind 
hörte, ja sogar einige einfache Worte verstand, es gab aber nur durch Gesten oder 
dnrch unverständliche Töne Zeichen, dass es hörte nnd verstand. Der Knabe war 
also stnmm, aber nicht taub. 

Die initiale Ursache des Mutismns und des Zurückbleibens der geistigen Ent¬ 
wickelung war zweifellos eine cerebrale Läsion; insbesondere dürften es wohl die 
Functionen der Aufmerksamkeit und des Gedächtnisses gewesen sein, die gelitten 
batten, welcher Umstand ohne Zweifel ein Hindemiss für die Entirickelnng der 


DiQ'iii’od 


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5KhikaiiDg8nUu(^keit war. Da nun die imitatorische Fähigkeit zur Krlemong der 
^neke aabedingt DÖthig ist, so ist es klar, dass der Knabe, obgleich er normales 
0^ hatte, die articolirto Sprache nicht erwerben konnte. Die Intelligenz des 
Sosbot war non, wenn auch verringert, so doch derart, dass man hoffen konnte, dem 
Ftt. donh geeigneten Unterricht die Fähigkeit, sein Qehör zu gebrauchen, wieder- 
pbtt 10 können und ihm damit die Erlemnng der articulirten Sprache zu ermög- 
bckoi. yielleieht war es auch möglich, zugleich hierdurch die Intelligenz des 
Kubtt 20 fördern, da die Entwickelung der geistigen Fähigkeiten zweifellos durch 
iu Mingel der Sprache gehemmt war. 

Der Verf. beschreibt nun eingehend die Methode seines Unterrichts. Der Knabe 
mrde, wie die Tanbstummen, znnächst präparatorischen Uebungen unterworfen, die 
da Zveek hatten, ihm den Oebranch der visuellen Aufmerksamkeit beizu- 
hogfo ood die Fähigkeit der Nachahmung ttben; dann wurde die Entwickelung der 
iiditiven Aufmerksamkeit versucht Diese Uebungen ergaben alle ein günstiges 
faultat; do' Knabe lernte anfmerken, bekam Oedächtniss und Verständniss. Nun 
urde die Eriiehnng der zur Sprachbildnng dienenden Organe vorgenommen. Das 
fdttg TRiaÖge der bei dem Unterricht der Taubstummen angewandten sog. „oralen** 
IttMe; zuvor war es aber nöthig gewesen, die Zungen- und Lippenmnskulatnr, 
de b« den Knaben sehr schwach entwickelt war, durch Oymnastik zu stärken. 
Ab/ diese Weise wurde, nach 2jähriger Unterrichtsdauer, erreicht, dass der Knabe 
iB nrtiältnissinässig recht zufriedenstellender Weise articulirt sprechen konnte. Wie 
utnouen war, trat zugleich mit der Beseitigung des Mntismus eine erhebliche 
ot^seto^e BasMrong ein; der Knabe fing an zu lesen und zu schreiben. 

Der Verf. betont, dass der Unterricht bei dem Knaben noch keineswegs beendet 

iariwsoodere ans dem Omnde, weil die auditive Fähigkeit bei ihm noch nicht 
ii aomaler Weise zur Ausübung kam; der Knabe hörte wohl ganz gut, wenn man 
eit ihs direct sprach, er war aber noch nicht im Stande zu hören, wenn nicht 
direct Bit ihm gesprochen wurde; die „andition indirecte", die für die Ausbildung 
dff Sisaehe sehr wesentlich ist, ging ihm noch ab. H. Weil (Stuttgart). 


Id) Observation d’aphaale atattonnaire pendant trente-holt ans, par D. 

Broset (Archives de Neurologie. 1897. Angnst.) 

iBteressanter Fall von motorischer Aphasie, Atrophie und Wortblindheit, der 
vi^d« Krankheitsverlaafs besonderer Würdigung werth erscheint Zn Tronsseau 
faa 1863 der damals 25jäbr. Patient. Die Hutter gab an, dass Pat mit 21 Jahren 
pUSttlkk mehrere Tage Kopfweb und Kopfschmerzen bekommen hätte. Dann sagte 
a n« Tags: „mir wird so eigenthümlich'*, worauf die rechten Extremitäten starr 
nrdta Die dann eingetretene Hemiplegie ging sehr langsam und nur gering zu- 
rtek; als Tr. den Pat sab, konnte dieser mit Mühe allein gehen und seine Hand 
iiv n den gröbsten Uantirnngen brauchen. Die Aphasie war jedoch seit dem Be- 
fiuM dieselbe. Seine Intelligenz war sehr gering; er konnte nor Non, maman und 
Namen mit der linken Hand schreiben. Er hatte wohl Lost am Kartenspiel 
Qd ergriff auch hie und da ein Bach mit scheinbarem Interesse; dieses schwand 
^ Mkr bald ond Pat starrte nur anf die Buchstaben. 

Aof die aasführlichea Notizen von Tr. gestützt, beobachtete Terf. den Pat 
nhw und konnte bis zum Tode im Älter von 59 Jahren (an Pleuropnenmonie) — 
^ während 34 Jahren — keine Bessemng der Aphasie constatiren. Sie war sich 
gleich geblieben. 

In den letzten 16 Jahren hatte Fat. mit der linken Hand noch zwei Worte 
jsdocb verkehrt geschrieben, statt FraD 9 oi 8 — Fraieu oder Frands ond statt 
^^^*wtte — Brontive. Die Intelligenz war geschwächt, er hatte kindliche Ideeen 
^ Inehte oft ohne Qrond. 


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Bei der Seetion fand sicli ein alter Herd in der linken Hemisphäre, welcher 
sich von der dritten Occipitalwindong bis zur dritten Frontalwindung erstreckte und 
die letztere nebst den Centralwindungen und die untere Parietalwindung in sich be« 
griff. Der Unterschied des Uewichts der Hemisphären betrug 250 g (rechts 575, 
links 325). Das ganze Oehim wog nur 1063 g. 

Der interessante Aufsatz schliesst mit einer Besprechung der Broca’schen An¬ 
sicht, des vicariirenden Eintretens der anderen Hemisphäre, was in diesem Palle 
während 38 Jahren nicht eii^etreten war. Adolf Passow (Strassbnif i./E.). 


16) Troubles moteurs prdoddant rartloulatloii de la parole ohes an de- 
gdndrd, par Planst (Arch. de Nenrol. Vol. II. 1896. Nr. 10.) 

Bei dem 19jäbr. Patienten, der mannigfache Zeichen der geistigen Entartung 
darbot, war im Anschloss an eine heftige Qemflthsbewegnng Stottern an{getreten. 
Kurz nachdem sich diese Affection eingestellt batte, trat eine andere anf, die eng 
mit der ersteren verknäpft war. Es zeigten sich stets kurz beror Pat. zu sprechen 
ao6ng, eigenthümliche Krampfe, die zunächst die Gesichtsmoskulatar betrafen, dann 
auf die des Halses, der Brnst und der Extremitäten Übergriffen. Im Gesicht Mieben 
die Krämpfe tonisch, während sie am Übrigen Körper zuerst tonisch, dann clonisch 
waren. Der Verf. weist darauf hin, dass diese Krämpfe in Bezug auf ihre Aus¬ 
breitung mit der Jackson’schen Epilepsie Aebnlichkeit haben, er betont aber zu¬ 
gleich, dass es sich in diesem Falle nicht um letztere Erkrankung handelt. Er ist 
vielmehr der Ansicht, dass eine Art von „Tic** vorliegt, der mit Stottern complicirt 
ist, zwei Affectionen, die bei Degeneration nicht eben selten sind. 

H. Weil (Stuttgart). 


16) Hysterloal mutiam and other ftmotional speeoh d^eots, bj Charlton 

Bastian. (Lancet 1697. 25. Sepi) 

Verf. giebt einen Ueberblick über die häufigsten fnnctionellen Formeu der 
Aphasie. Er fasst dabei den Begriff „functionell** erheblich weiter, als es sonst ge¬ 
schieht Er unterscheidet folgende Fälle: 

1. „Irritative Congestion oder Thrombose“ nach geistiger Ueber- 
anstrengung oder rheumatischen Einwirkungen (Fälle von Trousseau und Scoresby 
Jackson). 

2. Kleine Embolien (Nothnagel, Hammond). 

3. Gefässkrämpfe (Fall von Daly in Brain, 1887). 

4. Exogene Intoxicationen (Ogle, Heymann u. A.). 

5. Infectionen und constitutioneile Intoxicationen, wieTyphns, Malaria, 
Puerperalinfectionen, Diabetes, Gicht Verf. nimmt an, dass in diesen Fällen bald 
leichte oder vorübergehende Thrombose von Bindengeßssen, bald spastische, durch 
das Gift bedingte Gefässcontractionen, bald directe Schädigungen der Bindenelemente 
vorliegen. 

6 . Vor oder nach epileptiformen Anfällen vom Typus derJackson*- 
schen Epilepsie. Hierzu theilt Verf. einen eigenen Fall mit, der unzweifelhaft 
als Dementia paralytica aufzufassen ist. 

7. In Verbindung mit „Geistesstörung, Katalepsie und Ekstase.“ 

8 . In Folge starker Affecte (Schrecken u. s. w.). Hierher gehört z. B. je 
ein Fall von Kussmaul, Popham und Todd. 

9. Beflectorisch bei Neuralgieen, Helminthiasis u. s. w. Die Fälle won 
Aphasie bei Kothstauung im Dickdarm (Jones, Mattei) führt Verf. auf Auto- 
intoxication zurück. 

10. In Folge hypnotischer Suggestion. 

11. Bei Hysterie. 


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221 


Die Schilderang, welche Yerf. von der hyeteriscben Stammheit giebt, bietet 
aicbts Neoes. Br tbeilt auch kurz eiuen eigenen Fall mit, welcher wegen der 
Coid>ination dooischer ConTulsionen nnd p^chischer Erregangszaatände mit transi- 
toriadMT Aphasie bemerkenswerth ist Während Yerf. früher die hysterische Stumm« 
bdt als eine fonetionelle Leitnngsanterbrecbung der centrifugalen Sprachbahn, also 
als sobcerticale Aphasie anffosste, ist er jetzt anf Ömnd des von Banti mitgetbeilteu 
Falles geneigt, doch eine fonetionelle Läsion des Broca’schen Rindencentrums selbst 
assBBehmeD. Er glaubt, dass zwischen hysteiischer Aphonie und hysterischer Aphasie 
air dn gradneller Unterschied besteht. Das Broca'sche Centrum soll aus einem 
CwktrnB fOr FlflBterq>rache nnd einem Gentrum für Sprache mit Phonation bestehen; 
b«ide denkt er sich natürlich eng verbanden. (Hegen Charcot und mit Wyllie 
üBBt er an, dass auch bei der Flflstersprache Kehlkopfinnervationen betheiligt sind. 
Esdlkh ist nach Yerf. entsprechend seinen früher geänsserten Anschauungen die 
l^sterisehe Aphasie und Aphonie anf eine doppelseitige fonetionelle Erkrankung 
das Spraehcendiiins zorOckzuführen. Br bemft sich dabei auf die bekannten Locali« 
ashoBSverBnebe von Semon nnd Horsley und Bisien Rossel. 

Th. Ziehen. 


17) Hemianopaia, wlth espeoial refierenoe to ita transoent varieties, by 

Harris. (Brsin. 1898. Antunm.) 

Die Arbeit bietet eine gute Uebersicht über alle bisher bekannten Formen und 
Farlanfsweisen der Hemianopsie, wenn sie auch im allgemeinen nur die englische 
Istterator berücksichtigt Während die bitemporale Hemianopsie sehr hänfig und in 
ihrer Entwickelnng klar ist ist die binasale sehr selten. Hamilton will sie einmal 
ia einoD Falle von Aortenaneurysma gesehen haben nnd führt sie auf Ueröss« 
erkraaknngeD zurück — Bef. sah einmal bei einem Aneurysma des Arcus aortae 
bwnontale Hemianopsie nach unten mit entsprechender Atrophie der Papillen. Dass 
hä Hysttfie auch homonyme Hemianopsie Vorkommen kann, ist bekannt Yerf. 
he weiBt es durch einen sehr klaren Fall. Quadraotenhemianopsie fallt schwer für 
die Annahme einer Rindenaffection in die Wagschale, doch kann sie auch bei Läsion 
im iuieren Kapsel (ein Fall des Yerf.’s) oder des (Corpus geniculatnm (Henschen) 
•xUr der Sebstrahlungen im Hinterbaoptslappen (Bef.) Vorkommen. Dass, wie an- 
gegäien, bei BindenaSectionen der Ausfall des Gesichtsfeldes nicht gemerkt wird 
(Jmoa nnlle), bei Markaffectionen dagegen Scotome bestehen, stimmt auch nach des 
Esf. Erfahrnngen nicht Verf. glaubt dass bei Läsionen des Cuneus zwar subjective 
lieht- nnd Farbenersebeinungen entstehen kennten, dass aber beim Zustandekommen 
cMqdkirterOT Hallncinationen eine Beizung eines höheren optischen Centmms — des 
Öyns aagnlaris — stattfinden müsse; seine Reizung könne von allen Theilen der 
3ri>hahw aosgeheu; beweisen kann er natürlich diese Ansicht nicht Beim Eintreten 
äner Hemianopsie besteht zunächst häufig Blindheit der anderen Hälfte, oder wenig« 
stne Oesiehtsfeldeinengung (Bef.); hellt sich die Hemianopsie wieder auf, so thut 
äe das fiut immer vom Centrum zur Peripherie, so dass excentrische blinde Streifen 
oder (^nadrantenbemianopsie Zurückbleiben; sehr selten ist es umgekehrt so dass cen¬ 
trale Scotome fiberbleiben. Bei doppelseitiger Hemianopsie bleibt meist ein centrales 
(Seäehtsfdd frei, die Maculagegend des Cuneus muss besonders gnt vascularisirt 
aäa (Förster), dementsprechend lässt ancb jede oi^nische Hemianopsie das Macula- 
gebiet frei, wägend bei Hemianopsieen durch Erschöpfung, die meist rasch vorüber- 
g^mde siDd, die Trennnngsllnie nach Yerf. meist durch das Centrum des Gesichts- 
liUm gebt. 

Yorübergebende Hemianopsieen bat Yerf. bei Migräne — die er wie Jackson 
(b fine sensible Epilepsie hält —, bei Epilepsie, bei Paralyse gesehen, er glaubt 
aoi, dass sie bei Urämie Vorkommen wird, ln einem Falle, der zur Autopsie kam, 


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222 


waren die Krumpfanfäne umschrieben; hier fand sich eine C^ste im rechten Lobnios 
quadratus, dicht beim rechten Onnous. Sonst ist bei Jackson’schen Krämpfen 
Hemianopsie sehr selten. Dass sie bei Paralyse nach den Anfällen vorkommt, ist 
eine längstbekannte Sache. Der citirte anatomische Befund —. Cyste im Lobnlns 
quadratus — beweist, dass auch kleine Affectionen entfernt von der motorischen 
Zone umschriebene Krämpfe auslbsen können. Brnos. 


18 ) lieber doppelseitige homonyme Hemianopsie und ihre b^lettenden 

Symptome, von Dr. Karl Kaestermann in Hamburg. (Monatsschrift fQr 

Psychiatrie u. Neurologie. Bd. II. 1897.) 

Verf. bringt die Krankengeschichten von 2 Fällen von doppelseitiger homonymer 
Hemianopsie, von denen er den einen einer genauen mikroskopischen Untersuchung 
unterzogen hat. Aus der Litteratur hat er 27 einschlägige Fälle gesammelt, die er 
mit den selbstbeobachteten verglich. Es stellte sich heraus, dass sich die Papillen 
durchgängig normal verhielten, dass die Sehschärfe bei einer grossen Anzahl von 
Fällen völlig ungestört war, dass die Pupillen meisten normal reagirten, und daas 
die Function der änsseren Augenmnskeln fast ungestört war. Farbensinn war oft 
erhalten, zuweilen nicht zu prüfen, einige Male aufgehoben. Mehrfach fanden sidi 
Störnngen des Ortsgedächtnisses und der Orientirung, Seelenblindheit und hemi- 
plegische Motilitätsstörungen. Einige Kranke waren dnrcb den Oesichtsfeldauafall 
dauernd völlig erblindet; vielfach war der Fixationspunkt mit einem mehr oder minder 
grossen Stück vom peripheren Gesichtsfeld erhalten. Das besondere eines vom Verf. 
beobachteten Falles ist ein Ausfall des ganzen Gesichtsfeldes mit Ausnahme 
einer peripheren, homonymen Gesichtsfeldzone auf der linken Gesichte* 
hälfte. Bei diesem Falle handelte es sich zuerst um rechtsseitige homonyme Hemi* 
anopsie; in einem späteren Anfalle kam es durch Hinzutreten von linksseitiger 
homonymer Hemianopsie zur Erblindung. Mit diesem zweiten Anfall traten Störungen 
von Seiten des Ortsgedächtnisses (Ortssinn, topographische Vorstellung, Orientinings* 
vermögen) hervor, zeigten sich Symptome von Seelenblindheit nnd kam es zu einem 
Verlust des Empfindungs* und Vorstellungsvermögens für Farben. Bei der Section 
fanden sich Erweichungsherde in beiden Occipitallappen. Vom Gebiet der 
Fissura calcarina waren nur zwei symmetrisch gelegene Stücke am Boden einer jeden 
Fissur nahe der Spitze der Uinterhauptslappeu erhalten geblieben. 

Verf. kommt durch seine Untersuchangen zu der Ueberzeugui^, dass sich der 
Sitz des Sehfeldes in der Rinde der Fissnra calcarina oder ihrer nächsten Umgebung 
befindet, dass die homonymen Gesichtsfelddefecte von Erkrankungen der Fissnra 
calcarina abhängig sind, und dass Störungen des Ortsgedächtsnisses auf Erkrankung 
der Hinterhauptslappen hinweisen. In allen Fällen, in denen dauernd Störungen 
des Ortsgedächtnisses vorhanden waren, wurden Herde in beiden Occipitallappen 
gefunden. G. llberg (Sonneiistein). 

19) Om Hemianopai, af Aage A. Meisling. (Hosp.*Tid. 1697. 4. R. V. 33.) 

Unter den 10 Fällen von Hemianopsie, die Verf. mittheilt, betrafen 3 station&’e 
laterale Hemianopsie, in 2 von ihnen fehlte Hemiparese, im 3. war sie gleichzeitig 
mit der rechtsseitigen Hemianopsie auf der gleichen Seite aufgetreten, schwand aber 
wieder, während die Hemianopsie fortdaoerte, ausserdem war vorübei^ehende am* 
nestische Aphasie vorhanden gewesen. Im 4. Falle bandelte es sich nm Hemianopsia 
fugax altemans ohne Nervenerscheinungen. Im 6. Falle hatte der Fat. mehrere 
Jahre früher an Augenmuskelparesen (Rectus, Trochlearls) gelitten, später an 
Trigeminusneuralgie mit Neuritis uervi optici und bekam eine vorübergehende Hemi* 
parese der linken Glieder mit vorübergehender Hemianopsia dextra. Der 6. Pat., 


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323 


«a 64 Jihre alter Hann, batte schon 2 Mal Anftlle von rechtsseitiger L&hmnng 
gehabt, ff litt an wiederkebrender Hemianopsie der rechten Seite auf beiden Angen, 
G«»ABaek88t6rQDg nnd Herabsetzung der Sensibilität an der rechten Körperhälfte. 
Tolbtüdige bemianopiscbe faomonjme Farbenblindheit fQr Roth, Grfln, Blan und 
(Mb in liaken Sehfeld bestand im 7. Falle; die Störung ging zurück, nnd als die 
Fodion der linken Sehfelder fast vollständig wieder hergestellt war, trat plötzlich, 
l^nehtaiäg mit SensibUitätsstörungen an der rechten Körperhätfte und Schwäche in 
ln nditen Gliedern, Farbenblindheit auf einem begrenzten Theile der rechten Seh* 
fildhüfte auf beiden Angen auf. Im 8. Falle bestand ein fast vollständiger Defect 
ia ontffeD linken Quadranten der Sehfelder beider Augen, mit scharfer Abgrenzung 
B <kr Tffticalen, weniger schärfer in der schrägen Richtung; der Befund war noch 
md 13 Monaten derselbe. Im 9. und 10. Falle handelte es sich um temporale 
Hffiianopaie mit genauer Begrenzung des Defectes in der Mittellinie, im 10. Falle 
skh dieser Befnnd 10 Jahre lang unverändert. In beiden Fällen war erst das 
m, dasB das andere Auge ei^rüfen worden, in dem 9. Falle fand sich ausserdem 
laAelpareee am linken, im 10. Atropbia nervi optici am rechten Auge. 

Bei den homonymen Hemianopsieen waren Blutungen, eventuell Embolien als 
CoKhe angenommen worden, im 5. und 7. Falle konnte Himgeschwulst nicht ganz 
uaer ieht gelassen werden, nur im 4. Falle handelte es sich jedenfalls nur um 
•b faBctümeUes Leiden. Walter Berger (Leipzig). 


U) Bt TteflUde af bitemporale hemianopiake Skotomer, af Prof. Knud 
Pontoppidan. (Hosp.-Tid. 1897. 4. R. V. 48.) 

Bin 34 Jahre alter Gigarrenmacher, der an wesentlich im rechten Trigeminus 
nd in bffden Occipitales m^. localisirten Neuralgieen litt, hatte seit 4 Jahren 
•OMr häufiger werdende Anfölle von Schwindel, Kopfschmerz and Erbrechen. Tor 
iVj Jahren batte eine Angenuntersuchung Neuritis nervi optici retrobulbaris mit 
ScvtcBMu ergeben. Der Kopfschmerz wurde sehr heftig; neben den neuralgischen 
noch Mn diffnser, tief sitzender vorhanden. Die Schwindelantälle waren manchmal 
kunam Terlost des Bewusstseins und Contraction in den Extremitäten begleitet. 
Die äi^pfel prominirten etwas, zeigten aber weder Schmerz bei Druck, noch ver> 
Mhrte Spannung. Die Angennntersucbung erwies die Scotome als heteronyme laterale 
teaii ao|äsche Sehfelddefeete, später ei^b sie bannende Atrophie des temporalen 
Tbais 4er rechten Papille, Röthni^ und verwischte Begrenzung der linken. Nach 
5 Monaten (im Api^ 1894) bestand Abducenslähmung anf der linken Seite, 
lisch Tritereo 2 Monaten war die rechte Pupille grösser als die linke, das Seh- 
^vwbgra war zu Zeiten bis auf Lichtempfindung erloschen, die rechte Papille war 
weiss, die linke begann bei noch bestehenden Stauungserscheinungen an 
^ tiffponlen Mte weiss zu werden. Im September bekam Pat. einen Anfall mit 
fraehUftng des linken Arms, Zockungen in der linken Gesichtshälfte, Unfähigkeit 
n ^^ich«i und anfreiwilligem Harnabgang. Solche Anfälle wiederholten sich häufiger, 
Za^ngeo in den Gliedern bald links, bald rechts anftraten. Die Sehnerven- 
wurden vollständig weiss. Pai versank immer tiefer in Demenz und starb 
m l.Jzaiiar 1896. 

Bm der Seetion fand sich eine etwa wallnussgrosse Geschwulst (Sarcom) an der 
^ cerebri, sich vom vorderen Ende des Pons bis zum Chiasma nervosum opt. 
*^kend, in der die Corpora candieantia ganz, und die Tractus optici, namentlich 
te hake, theilweise aufgegangen waren, beide Nervi optici, namenüioh der rechte, 
in der Nähe des Foramen opticum stark abgeflaoht und ateophisch. Die 
*^wulst eretreckte sich bis zum Boden des 3. Ventrikels, dessen vorderen Theil 
Meamahm, inflltrirte die Commissura anterior und media und drängte die Colamnae 


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fornicis zur Seite; bis zo den grossen Ganglien reicht sie nicht, obtorirte aber das 
Foramen Monroi. Ausserdem bestand chronischer Hjdrocephalns intemns. 

Walter Berger (Leipzig). 


21) Contribato oUnioo ed anatomioo allo Studio del oistioeroo del cer- 

vello umano, per G. Gianni. (Riv. speriment. di Freniatria. 1897.) 

Krankheitsgeschichte eines hereditär nenropathisch belasteten Mannes, der von 
Kindheit an an Krämpfen litt Diese verschwanden im 20. fiObensjabr für ungefähr 
10 Jahre und traten in langen Intervallen wieder anf. Zwischendurch Anfälle von 
Geistesstörung charakterisirt durch zahlreiche schreckhafte Gesichts* und Gehörs« 
hallucinationen und durch Tobsucht. 5 Tage vor dem Tode trat ein Krampfanrall 
von ungefähr 1 Minute Dauer anf, der Kranke verlor das Bewusstsein und erlangte 
es nicht wieder. Die Anfälle wiederholten sich -in fast nnunterbrochener Aufeinander¬ 
folge bis 24 Standen vor dem Exitus. 

Sectionsbefund: Anf der Oberfläche der Hemisphären zahlreiche, mit trQber, 
gelatinöser FlQssigkeit gefällte Cysten von der Grösse einer kleinen Nuss and die 
graue Binde der ganzen Tiefe nach dnrchsetzend. Einige Cysten hatten im Centrum 
einen kleinen schwarzen Körper. Eine ungeheuere Anzahl gleicher Cysten in den 
Muskeln der oberen und unteren Extremitäten, Bauch* und Brustorgane fi«i. Es 
handelte sich, wie auch der mikroskopische Befand bestätigte, um Cysticercus 
cellnlosae. 

Das Krankbeitsbild war vollkommen das der genuinen Epilepsie, später mit 
psychischen Degenerationen. Dass eine solche Vorgelegen, bestreitet Verf. Die Ur¬ 
sache des beobachteten Symptomencomplexes waren die Cysticerken, die Epilei^ie 
also der gewöhnlichen Eintheilung folgend eine symptomatische. Der Fall zeigt nach 
des Verf.’s Meinung wiederum die Unhaltbarkeit der Scheidungen der epileptiscben 
Erkrankungen in genuine, symptomatische n. s..w. Valentin. 


22) Sulla flaiopatologia dei lobi prefrontali del oervello, per Dr. A. 

Christian!. (Manicomio. XIII. Nr. 1—2.) 

24jähr. Mann, stets gesnnd, niemals syphilitisch gewesen, nicht belastet, kein 
Alkoholiker, erlitt durch einen am Ende zngespitzten Balken eine Schädelverletzuug, 
durch welche, ganz wie bei einer Craniectomie, im Bereich der linken Frontoparietal- 
g^end von vom nach hinten ziehend, ein Stück Knochen nebst der damnter befind¬ 
lichen Hirnhant und Hirnrinde, ohne die weisse Substanz at^etragen wurde. Die 
Wunde war. 8 cm lang und 3 cm breit und die Rindenverletzung entsprach dem 
hinteren und mittleren Tbeile der ersten und zweiten linken Stimwindnng; im un¬ 
mittelbaren Anschluss an den Unfall leichte vorübergehende Commotio cerebri. Der 
Verletzte erlangte alsbald das Bewusstsein wieder und erschien bis auf die Wunde 
selbst ein völlig gesunder Mensch. Erst eine Stunde nachher ein Anfall von „psy¬ 
chischer Epilepsie“: Pat. glaubt, bei der Vorbereitung zur Operation, beim Anblick 
der Instrumente u. s. w., man wolle ihn umbringen, und gerieth unter dieser Vor¬ 
stellung in völlige Tobsucht; gewissermaassen ein Verstandsdelirinm mit hoebgradigfw 
emotiver und motorischer Beaction, ohne Sinnestäuschungen und Illusion; als der 
chirutgische Eingriff beendet und die bei demselben nothwend^f gewesenen mechaniachen 
Zwangsmittel abgenommen waren, wurde der Pat. wieder ruhig, bot aber noch lan^e 
Zeit eine auffallende Urtheilsschwäche bezf^lich der Gefährlichkeit seiner Verletzung, 
so dass er z. B. mit einem Heftpflaster puf der Wunde wieder nach Hanse gehen 
wollte; ferner eine merkwürdige furchtsame, ängstliche Anpassung seiner Umgebung, 
nicht nur während seines anfänglichen Aufenthalts im Einzelzimmer (unter beet&n- 
diger Aufsicht eines Wärters), sondern auch noch später als er in einen Krankensaal 


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225 


Tdegi worden, xmgeaclitet dessen, dass er schon Mher einmal als Patient in diesem 
durargiscben Spital gewesen nnd dasselbe geheilt und zufrieden verlassen hatte. 

geedlte sich daza und trat ganz in den Vordergrund eine allmählich zu- 
iMbaende geistige and gemüthliche Stumpfheit, Gedächtnissschwäcbe und verminderte 
EBteehluseßhigheit. 3 Monate dauerte dieser Zustand an, dann erfolgte eine ziemlich 
»dmeU vor ach gehende Rflckkehr der einzelnen Seelenvermögen und schliesslich 
völlige geistige 'Wiederherstellung auf den Status quo ante mit Krank- 
bötBänsieht. Stdmngen von Seiten der Sprache, Motilität, Sensibilität und Sinnes- 
«gue, sowie der Reflexe waren während der ganzen Beobachtungszeit nicht auf- 
noch nicht solche von Seiten der Blasen- nnd Hastdarminnervation, des 
Pols« nnd der Athmnng. Die linke Pupille war andauernd etwas weiter als die 
redte. Keine Krämpfe. 

Die Yerletznng war durch keinerlei Hämorrhagie, Entzündung u. s. w. compiicirt. 
Die Behandlang beschränkte sich auf antiseptische Verbände, unter welchen die 
Funbemie si^ znrfickbildete und mit einem festen pnlsirenden Narbengewebe be- 
4eekte. 

Da Fall hat die Bedeutung eines Experiments. Wahrscheinlich haben die 
«tsprechenden Partieen der rechten Hemisphäre den Ersatz der verloren gegangenen 
hiksBätigen flbemommen. Bresler (Freibarg i./ScbL). 


V) Betons snr Kenntnia« der Btlmhimerkranknngen, von H. Voegele 

(Freibaig i./Br.). (Allgem. Zeitschr. f. P^ch. Bd. LIV. S. 588.) 

Eme ledige Krankenwärterin erkrankte mit 32 Jahren unter den Erscheinungen 
rel^öeer Schwärmerei mit depressiven Vorstellungen, meist Selbstanklagen, Nahrungs- 
virweigeniDg, Umherknieen, Visionen. Während ihres Sjährigen Aufenthaltes in der 
Freiburger psychiatrischen Klinik war sie in der Regel theilnahmlos, äusserte Ver- 
ggsdigangsideeen, abstinirte zeitweise, so dass sie mehrfach mit der Sonde ernährt 
werden mnsste. Etwa Jahr, und dann wieder einen Monat vor ihrem an Pneu¬ 
monie erfolgten Tode traten mehrere typische epileptische Anfälle auf. Bei der 
Aatopeie fand sich eine von der Hypophyse ausgehende Geschwulst, über deren Natur 
Tsl nichts an^ebt. „Sie hat local durch Druck zerstörend auf die zunächst be- 
kofEaen Theile eingewirkt, sie hat offenbar auch einen Beizzustand gesetzt, der in 
iar entzftndlichen Hyperämie und Zellenanhäufung im Nervengewebe, ebenso wie in 
kr Vermehrung der Cerebrospinalflflssigkeit zum Ausdruck kam, und der letztere 
Ztstand wiederam hat die Compression der entfernter liegenden Himtheile im Gefolge 
fihabt“ 

Verf. findet, dass in der ersten Zeit der Erkrankung die Beizungserscheinangen 
(die epileptoiden nnd epileptischen Anfälle, die nebenbei erst ganz zum Schlüsse 
s&ftraten, ferner die Ueber- und Unterschätzungsideeen) vorwiegen, während die 
völlige Interesselosigkeit den terminalen Blödsinn als Ausfallserscheinungen auffaset. 
Er ^aubt, dass der Tumor erst durch Beizung des Stirnhirns eine Veränderung der 
Peradnlichkeit, insbesondere in ihrer Beziehung zur Äussenwelt nach Flechsig, 
h e rv oi g eru fen habe, dann durch Fortschreiten des Beizes auf die motorische Zone 
«pilqrtiscbe AnßUe; dann verhinderten die Ansfallserscheinungen die weitere 
Beobaehtang von Beizsymptomen. Dem Versuche die Flechsig’schen Sinnescentren, 
denn Beetahen doch einstweilen noch als mindestens unbewiesen betrachtet werden 
USB, mit klinischen Erfahrungen in Zusanunenhang zu bringen, dürften wohl be¬ 
rechtigte Bedenken entg^enstehen. Aschaffenburg (Heidelberg). 


16 


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24) Ueber Afibotionen im Gebiete der VaroUbrüoke. von Dr. Borowikov. 

(Wjestnik psichiatri i nevropatologii. 1897. XII. [B4iasisch.]) 

Eine klinische Beobachtung aus dem DQnaboi^er Milit&rhospital mit Sections* 
befund: 

Pat., ein 22jähr. Soldat, wurde am 12./iy. 1894 aufgenommen, mit folgendem 
Status: Hemiparese der linken Körperseite mit Einschluss des Gesichts (ausser dem 
Frontalast), geringfO^ge Ptosis linkerseits, Motilitätsstörung der Zunge und der 
Kaumuskeln rechterseits, Sprache etwas undeutlich, Parese des rechten N. abducens 
mit Diplopie, Hautsensibilität an der linken Körperhälfte und am ganzen Gesicht 
herabgesetzt. Die Anamnese ergab, dass die Erkrankung vor einem halben Jahre 
mit heftigen Kopfschmerzen begonnen batte, und dass Doppelseben, Störnngen beim 
Kauen und Schwäche der linken Extremitäten seit ungefähr zwei Monaten binzu- 
getreten waren. 

Im Laufe der ersten drei Wochen der Beobachtung nahmen die Parese der 
Extremitäten und des N. abducens, sowohl als auch die Sprachstörung allmählich 
zu, und ausserdem stellten sich Schmerzen im Hinterkopfe, Schluckstörungen, Schwindel, 
Gehörsschwäche am rechten Ohr nnd Sensibilitätsverlust an der Schleimbant der 
Mundhöhle und Zunge ein. Am 18./V. wurde ausserdem Gesichtsabnahme am rechten 
Auge nnd zeitweilige Erweiterung der linken Pupille constatlrt, ferner Geschmacks* 
Verlust Am l./VI. Beginn von Stauungspapille an beiden Augen, Parästhesieen an 
der linken Körperseite, Neigung zum ZurQckfallen und intellectuelle Störungen in 
Gestalt von Delirien und Aufr^ngsznständen. Am lO./Vl. entwickelte sich Parese 
des linken N. facialis und ausgeprägte Stauungspapille am rechten Auge. Am 20./VI. 
Muskelatrophie an der linken Oberextremität Parese des linken M. rectus internus. 
Seit Mitte Juli wurde der Allgemeinzustand bedeutend schlechter, die Kopfschmerzen 
nahmen zu, es kam häufig Erbrechen vor. Seit dem 23./VII. soporöser Zustand mit 
beschleunigtem Puls und Temperatursteigerung; zu den früheren Himsymptomen kam 
noch Parese des rechten Facialis hinzu. Am 7./VIII. Exitus letalis im comatöseu 
Zustande. 

Die Untersuchung des Gehirns ergab das Vorhandensein einer Neubildung in 
der Varolsbrficke. In beiden Hälften derselben waren grao*gelbe sclerotische, harte 
Knötchen eingesprengt von Weizenkom- bis Haselnussgrösse. Hauptsächlich war die 
rechte Fonshälfte afficirt, wo der ganze mittlere Theil von zwei sclerotischen Herden 
eingenommen war. Kleine Herde waren auch in der rechten Hälfte des verlängerten 
Marks zerstreut. 

Genauere Angaben über die feinere Structur der Herde und die Topographie 
der Ponsaffection fehlen. Im Anschluss an seine Beobachtung stellt Verf. nenn Fälle 
aus der Litteratur zusammen, in welchen Erkrankungen der Varolsbrficke ähnliche 
Erscheinungen bewirkt hatten. P. Bosenbach (St Petersburg). 


26) Four oasea of oerebellsr disease (one autopsy) with referenoe to 
cerebellar bereditary ataxia, by William A. Spiller. (Brain. 1896. 
Winter.) 

Verf. bringt 4 Beobachtungen angeblicher Kleinhirnerkranknngen, eise 
davon mit Autopsie. Von dem FaU 2 und 3 — der Fall 2 ennnert in seinen 
Symptomen ausserordentlich an multiple Sclerose — giebt er Übrigens selbst die 
Zweifelhaftigkeit seiner anatomischen Diagnose zu, nnd meint, dass es sich auch um 
cerebrale Diplegieen handeln könne; jedenfalls sei auch das Grosshim betheiligt.— 
wegen der Intelligenzstörui^. In Fall 1 ist die Intensität der Coordinationsstöning 
bemerkenswerth, der Pat bewegt sich meist auf allen Vieren; er kann aber nach 
einigermaassen stehen; eine Lähmung besteht nicht. Es besteht ausserdem Tremor, 


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227 


bcsMidera der Arme, Njetagmns, erhöhte Sehneiirefle:ce, die Sprache ist behiodert, 
<lie Inteliigeoz geschwächt Uit 3 Jahren hat der Pat. an epileptischen Anfällen 
gelittML Anch hier ist also eine reine Kleinhimerkrankang wohl nicht vorhanden. 
0eber den 4. Fall ist klinisch wenig bekannt gegeben; der Gang war unsicher, aber 
er konnte doch Mitglied einer Schulcompagnie sein und an Bxercir&bungen theil« 
oehmen. Es fand sich anatomisch sehr erhebliche Atrophie beider Kleinhimhemi* 
^^fairen nnd ein Balkendefect; die Atrophie der Eleinhirnhemispbäre ging von 
^erotischen Stellen in beiden Hälften des Cerebellum aus. Der Fall ist vom Verf. 
^fBsa anf Serienschnitten untersncht, die Befunde namentlich der secundären Dege* 
Kntboen entsprechen im allgemeinen den bisher bekannten. Klinisch will der 
Verf. diesen Fall xnr H^rddoataxie cdrdbelleuse von Marie rechnen. Bruns. 


20) Un cas de gliome voluminenx du oervelet (symptömes de oompression 
et phenonaenee halluoinatolres), par Trdnel et Antheauuie. (Arch. de 
Nenrol. Vol. IV. 1897. Nr. 19.) 

Anamnese: 64jähr. Frao. Beginn der Erkrankung vor 6 Jahreu mit Kopf- 
sckfltfReo, Erbrechen and Schwindelanfälle; letztere waren stets mit Schwäche im 
liakee Facialis und mit hochgradiger Blässe des Gesichts, gleichfalls suf der linken 
Seite, verbunden. Die Facialisparesen und die Gesichtsanämie schwanden stets 
wieder, wenn die Scbwindelanfälle vorüber waren. GehstOnmg seit 2 Jahren; pro- 
greasive Amaurose mit Gesicbtsballucinationen, progressive Taubheit, die linkerseits 
total wurde; Abnahme der Intelligenz, Depression and melancholische Wahnideeen, 
mehreren Jahren. 

Status: Gang paretisch und taumelnd. Im weiteren Verlauf Parese im rechten 
Bein und schliesslich Flexionscontractur der unteren Extremitäten mit Erhöhung der 
Seheenreflexe. Die oberen Extremitäten blieben intact. Pupillen weit, starr; oph- 
thalwMMkoplBch: Stauungspapille beiderseits mit Uebetgaug in Atrophie. Totale 
Amaurose mit eigentbümUchen Gesichtshallucinationen; die Pat. sah ganze Stuben 
TOD Personen and Gegenständen, die stets von links nach rechts sich bewegten, 
liess man die Pat nach links und oben blicken, so gab sie regelmässig an, eine 
t^eDsende Petroleumlampe zu sehen. Totale Taubheit links, rechts starke Herab- 
setzong des Gehörs. Auf psychischem Gebiet war Abnahme der Intelligenz pro- 
znaaver Art zu constatiren, ferner war die Pat. hochgradig deprimirt und producirte 
■«laDeholische Wahnideeen. 

Die Autopsie ergab ein gefässreiches Gliom, das vom vorderen Band der linken 
IQ^nhirahemiaphäre ausgehend die benachbarten Begicmen des Gehirns, des Klein¬ 
kims, der Brücke und des Bulbus comprimirte. Der linke N. trigemiDus zeigte 
Degenerationserscbeinnngen, der linke N. facialis eine geringe Verminderung 
za Nmenfasem, der linke Acosticus zeigte nur noch wenige Fasern und hochgradige 
Ds g rosia Üonserscheinnngen an denselben. 

Interessant an diesem Falle sind einmal die Erscheinungen von Blässe der 
liatoi Gesicbtshälfte, die mit den Schwindelanfällen zugleich aoftraten, und die 
■jenehtshallacinationen, zwei Symptome, die bei Kleinbimerkrankongen sehr selten 
bis jetzt beobachtet wurden. Das erstere Symptom führt der Verf. auf Beizung der 
Tasc>eoBstrictoren, die im N. trigeminus verlanfen, zurück. Was das Auftreten der 
Geäehtahallaeinationen anlangt, so ist dasselbe, nach der Ansicht des Verf.’s, nur 
erklärlich nüt der Annahme, dass die Pat. eine Disponirte ist, bei der aber in Folge 
dm Disposition ein „hallucinogener** Geisteszustand bestand, auf Grund dessen die 
darch die Stauungspapille im Opticus auftretenden Beize zu Hallucinationen führten. 

M. Weil (Stuttgart). 


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27) Contributo allo Studio della epondimito aouta, per D. Cervesato. (FoU- 

clinico. 1897. Kr. 20 u. 22.) 

Es sind namentlich bei Kindern acat unter Fiebererscheinangen einsetzeude 
Flüssigheitsansammlnngen in den Ventrikeln beobachtet, die durch entzQndliche Ver* 
hnderungen des Ependyms und des Plesus chorioideus und Erweichungen der nächst- 
gelegenen Uimtheile charakterisirt sind, ohne irgend welche Betheiligung der Hirn- 
häute und ohne andere Krankheitsherde, die mechanisch oder durch Infection die 
Ependymerkranknng verursacht hätten. Diese Ependjmitis ist sehr verschieden be* 
urtheilt worden. Während einige ihr Vorkommen ganz leugnen oder wenigstens für 
äusserst selten erklären, sehen sie andere fdr eine Abortivtnberculose an, bei der der 
schnelle Verlauf es nicht zur Entwickelung von Tuberkelknoteu hat kommen lassen, 
andere bestreiten die Theilnahme des Bpendyms an der Erkrankung, wieder andere 
halten sie für secundär im Gefolge von Bronchitis, Keuchhusten u. s. w. auftretend. 

Verf. hat 3 Fälle von Epeodymitis in seiner Klinik gesehen: 

1. djähriges Kind, das an Keuchhusten mit Bronchitis und Bronchopneumonie 
erkrankt war und dann von tonischen und clonischen Krämpfen befallen wurde, in 
denen es zu Grunde ging. Bei der Section fand sich das Ventrikelependym injicirt, 
mit punktförmigen Blutungen durchsetzt, bedeckt von zartem Exsudat. Die einzelnen 
Zellen nicht erkennbar. Die Glia proliferirt, mehr von der Oberfläche entfernt 
Lücken aufweisend, die mit homogenen, hyalinen Hassen ausgefflilt waren. 

2. Im zweiten Falle — 1^/g jähriges Kind — Bronchitis, später Convulsionen, 
Tod. Im Gehirn Ei^ss in den Ventrikeln, Hämorrhagieen nnd gelatinöses Ex¬ 
sudat auf dem Epeudym. 

3. Derselbe Befund im dritten Fall bei einem zweijährigen Kinde. 

Yerf. bestreitet nach seinen Beobachtungen, dass der acute, nicht tuberculöse 
Hydrocephalus so selten sei, wie es die meisten Autoren annehmen und dass er our 
ganz junge Kinder befällt. Die anatomische Grundlage ist eine EntzDndung des 
Ependyms, in einigen Fällen auch nur eine solche des Plexus chorioideus, oft beider 
zusammen. 

Intra vitam die Diagnose zn stellen, ist unmöglich, wenigstens wenn die Er- 
kranknng so schnell zum Tode führt, wie bei den drei vom Verf. beobachteten 
Kindern. Das klinische Bild zeigt neben Symptomen, die der einfachen Meningitis, 
solche die der tuberculösen Meningitis eigen sind. Ein sicheres ätiologisches Moment 
für die Bpendymitis ist nicht bekannt. Valentin. 


28) Caeuistisohe MitUieilongen aus dem Gebiet der Neuropathologie, von 
Prof. Dr. M. Dinkler, Oberarzt der inneren Abtheilong des LouisenhospitaU in 
Aachen. (Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde. 1897. XI.) 

I. Eucephalitis acuta haemorrhagica(?) recidiva. 

Bei einem neuropathisch nur schwach belasteten 4 jährigen Knaben traten im 
Gefolge von Kopftraumen, welche dem Kinde bei seinem ausgesprochenen Gang zum 
Klettern besonders häufig widerfuhreu, mehrmals eigenthümliche Außlle auf, deren 
Symptomeubild vor Allem durch seine flüchtige Däner anffallen musste. Bevor der 
kleine Patient eine derartige Äffection unter genauer Beobachtung im Hospital fiber¬ 
stand, war er schon 3 Mal iu ähnlicher Weise erkrankt und zwar mit zurückbleibender 
Herabsetzung der geistigen Fähigkeiten. Nach einem erneuten, übrigens unbedeuten¬ 
den Fall, stellten sich unter Fieber in der linken Körperbälfte Krämpfe, danach 
Bewusstlosigkeit und linksseitige Hemiplegie ein. In früheren Jahren war 2 Mal die 
rechte Körperbälfte der ergriffene Tbeil gewesen. Zu den genannten Erscheinungen 
gesellten sich ferner Incontinenz, Schlnckbeschwerden, Nackenstarre, Zähneknirschen, 
Dmckempfindlichkeit des Kopfes hinzu. Hit Besserung dieser Symptome stellte sich 


D g Ii^od oy GOO^ IC 


229 


•iae Tollst&odige AioaDrose beider Augen ein, die nacli 6—8 Wochen gleichfalls 
augeglichen war, so dass das Kind anscheinend geheilt entlassen werden konnte. 
ÜDter Betonung der Schwierigkeit der Diagnose motivirt Verf. seine gewonnene An> 
Khaoong des Falles. Während die Allgemeinerscheinungen einer Meningitis zuzu¬ 
schreiben sind, stellen die Herdsjmptome (Hemiplegie, doppelseitige Amaurose) unter 
glechxeitiger Berflcksichtigung des gfinstigen Ausgangs Momente fQr die Annahme 
einer niehteiterigen acuten Encephalitis dar. Bei Berücksichtigung der bezüglichen 
SectioDsbefunde ans der Litteratur ist an eine hämorrhagische Form der Entzündung 
u denken. Den Sitz des Herdes, oder vielmehr zahlreicher, kleiner Entzündungs- 
hwde verlegt Terf. in’s rechte Corpus striatum und giebt die Gründe an, die ihn von 
der Annalime eines corticalen Sitzes abhalten. Der doppelseitigen Amaurose ohne 
Papülarstönrngen soU eine Läsion des Marklagers in beiden Occipitallappen zu Grunde 
liegNL Hierzu kommt eine Meningitis, die sich in charakteristischen Symptomen 
Baaifestirte. ln ätiologischer Hinsicht ist der Verf. geneigt, den Traumen nur die 
BoQe von „agents provocateurs“ zuzuerkennen. Durch Schaffung eines Locus minoris 
neisteDtiae wurde die Ansiedelung von im Blute kreisenden Krankheitserregern ein- 
frieitet. 

n. Luetische Erkrankung des rechten Stiruhirnes mit Neuritis 
optica duplex praecipue dextra. 

Eine verdächtige Anamnese, der Befund von Pläques muqueuses der Mund- 
Khleimfaaut, heftige Nachts exacerbireude Kopfschmerzen, besonders in der rechten 
Stirn- nnd Scbläfengegend, wie schliesslich der Heilerfolg nach Anwendung von Jod- 
kaii, begründen die Annahme eines luetischen Processos. Herdsymptome, wie eine 
doppelseitige, rechts erheblich schwerere Neuritis optica mit geringer Mydriasis 
rechts and eine Gleichgewicbtsstürung, die sich in einer Zwangsbewogung nach links 
beiii Sitzen und Gehen änssert, weisen auf eine intrscranielle Erkrankung bin. 
Deren Ijocalisation ist mit grosser Wahrscheinlichkeit an den Verlauf der Sehnerven 

Chiasma zom Forsmen opticum zu knüpfen und zwar so, dass der Process seinen 
Ausgang im Bereich des rechten Nerven genommen und hier auch den stärkoren 
Gnd erreiebt hat. Die Gleichgewichtsstörung, ein allerdings cerebellares Symptom, 
wäre auf das benachbarte Gebiet des rechten Frontallappens zu beziehen, da neuere 
Sr^hmngen berechtigen, eine diesbezügliche Function für die Stirulappen in An- 
Tiwch IQ nehmen. 

fll. Syphilitische Gefässerkrsnkung im Bereiche der linken Art. 
fessae Sylvii. 

Ein Fall von prämaturer Lues cerebralis mit dem charakteristischen Kommen 
ssd Geben der Symptome und der Zngänglichkeit der specifischen Therapie, liegt 
dieser Mittbeilong zu Grunde. Das vielseitige Bild der Erscheinungen sneht der 
Verf. xn entwirren, indem er den anatomischen Process, seine Localisation und die 
Böke seiner Entwickelung einer kritischen Besprechung unterzieht Im grossen und 
aasen wird eine Erkrankung der linken Arteria fossae Sylvii und ihrer Aeste, also 
eine auf eirculatorischer Basis beruhende Ernährungsstörung dem klinischen Bilde 
a Grunde gelegt, wobei der Grad der Geßasverengerung bezw. des Elasticitätsver* 
Isstee die Intensität nnd vor Allem die Möglichkeit der Bespiration bestimmt. Für 
d» Localisation in dem Gebiet eines einheitlichen Gefässbezirkes wird mit besonders 
prwKim Gewicht hingewiesen, dass die nervösen Symptome an ein umschriebenes 
öehimtMTitorinm gebunden erscheinen. Eine transitorische Hypoglossuslähmung er- 
arheint corticalen Urspmngs. Hemiplegische Erscheinungen werden auf eine Alteration 
ia Bezirk des hinteren Kapselschenkels zurückgefOhri Symptome motorischer Reizung 
siad nicht ohne Weiteres auf corticale Störung zu beziehen, da subcorticaler Sitz 
enes Herdes ähnlichen Effect bervorhringen kann. Homonyme, rechtsseitige Hemi- 


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280 


aoopsie mit hemiopischer Fapillenreaction und Opticosatropbie vorwiegend des rechten 
Auges, — dieser Sehbefund nimmt in mehrfacher Beziehung das Hauptinteresse in 
Anspruch. Einmal liegt hier eine das ganze KrankheitsbUd soweit abschliessende, 
theilweise irreparable Affection vor. Andererseits bietet dieser Sjmptomencomplex 
die Möglichkeit einer besonders exakten Diagnose. Das erste optische Neuron auf 
der Stelle vom Cbiasma nervorum opticorum (excl.) bis zum Thalamus opticus (incL) 
hat den Sitz der Erkrankung abgegeben. E. Asch (Frankfurt a./M.). 

28) Ueber Varietäten der Qehimblutung, von W. Pascheies. (Wiener klin'. 

Wochenschr. 1897. Nr. 14.) 

Verf. konnte in 6 Fällen von Gehimhämorrhagieen die Diagnose des secundären 
Blutergusses in alle Gehimkammem intra vitam stellen. Die wichtigsten Phänomene 
waren: Typische Hemiplegie, Yertiefung des Comas und zeitweiliger Umschlag der 
motorischen Herderscheinungen in diffuse Reizsymptome, Polyurie und Glycosurie, 
bulbäre Lähmungserscheinungen, ln den prodromalen Erampferscheinungen ist nach 
dem Autor die Reaction der anfänglich betroffenen Hemisphäre auf ihre plötzliche 
Entlastung bei einem mächtigen Einbrüche des Extravasates in die Ventrikel zu 
suchen. Die sehr seltene primäre Ventrikelblutung ist klinisch wohl kaum zu 
diagnosticiren. Die secundären Ventrikelhämorrh^ieen bieten in den meisten Fällen 
die gleichen anatomischen Veränderungen dar. 

Differentialdiagnostisch kommen besonders in Betracht: Meningeale Blutungen, 
deren Convulsionen aber öfters den Charakter der Bindenepilepsie zeigen und Pons* 
blutungen, bei welchen aber das wichtige und beständige Symptom der ursprQng* 
liehen Halbseitigkeit der Lähmung, die Schlaffheit der Extremitäten ond die Parese 
des Facialis derselben Seite im Allgemeinen in Wegfall kommen. Frische doppel-* 
seitige Hirnblutungen werden nicht mit Beizerscheinungen der anfangs hemiplegischen 
Körperhälfte verlaufen. Einzelheiten sind in der Originalarbeit einzusehen. 

H. Schlesinger (Wien). 


30) Plötalioh tödtllcbe Gobirnblutung bei einem 8 jährigen Knaben, von 

Dr. A. Jellinek. (Allgem. Wiener med. Ztg. 1897. Nr. 45.) 

Ein 9jähr., vorher gesunder Knabe erwachte 4 Uhr Frflh mit starken Kopf¬ 
schmerzen. Hierauf Erbrechen, Stuhldrang, aber Unßhigkeit, einen Stuhl abzusetzen, 
dann MattigkeitsgefOhl, Bewusstlosigkeit. Bei der Untersuchung zeigten sich tonische 
Krämpfe der oberen and unteren Extremitäten, Hyosis, Pulsverlangsamung; Drnck 
anf den Nacken erzeugt Stöhnen. Später änderte sich das Bild: Die Krämpfe der 
Extremitäten wurden immer seltener, schwanden endlich; allmähliche Hydriasis ad max. 
erst der rechten, dann der linken Pupille, Cheyne-Stockes’sches Athmen, Exitoa 
V 46 Uhr Morgens. Die Section ergab eine reine Cerebralapoplexie in das rechte 
weisse Marklager zwischen die Ganglien bis an die Binde des ^heitel* und Schläfen- 
lappens. Himarterien zart ohne auffallende Verändernng. Ebenso Herzklappen. 
Wenn aoeh eine Veränderung an den Gefässen nicht nachzuweisen war, so müsse 
man doch bei dem sonstigen negativen Obductionsbefunde eine Structarveränderung 
der Gefässwände im Sinne Baginsky’s annebmen, in welchem Sinne sich auch 
Obdneent Prof. Haberda geaussert habe. J. Sorgo (Wien). 


31) Hemiplegie in s young child, by Bertram Abrahams. (Brit. med. Joum. 
1897. Oct 30. 8 . 1263.) 

Verf. stellt der klinischen Gesellschaft in London ein 2jäbr. Kind mit rechts¬ 
seitiger Hemiplegie vor. Eine Woche vor der Lähmung war Stickhusten eingetreten. 


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231 


dnaefa OonTnlsioneo ohne ^zUchen yorlnst des Bewasfitseios, bei 68 Respirationen 
and 103^F. Temperatur. Keine Aphasie. Albuminurie geringen Grades. — Wahr- 
sehMBÜch Hämorrhsgie. Das Bein besserte sich ansehnlich. 

L. Lehmann I (Oeynhausen). 


32) Ueber Störungen des Würgreflexes, der Sprache und der Deglutitlon 

bm Hemiplegie, von W. Eattwinkel. (Deutsches Archiv fdr klin. Medicin. 

Bd. LIX. 1897.) 

Das Verhalten der genannten Reflexe wurde bei zahlreichen Fällen von Hemi* 
pkgie geprftft. Einige Haie konnte die Section gemacht werden, und da fand sich, 
dass bei linksseitiger Hemiplegie mit SprachstCrungen die rechte dritte Stirowindung 
der Sita des Herdes war, während bei gleichzeitig bestehender Störung des Racben* 
Esd Kehlkopfreflexes und der Deglutition der rechte Linsenkern getroffen war. 

Bei 60 Fällen von linksseitiger Hemiplegie war der Wflrgreflex 40 Ma 
giitört, und zwar 25 Mal ganz erloschen und 15 Hai herabgesetzt; der Kehlkopf* 
refiex 29 Mal gestört: 11 Mal erloschen und 18 Mal herabgesetzt 

Bei 50 Fällen von rechtsseitiger Hemiplegie war der Bachenreflex 
7 Mal gestört: 2 Mal erloschen und 5 Mal vermindert; der Eehlkopfreflex 3 Mal 
gttidrt: 1 Mal erloschen und 2 Mal heral^esetzt 

Btt 38 f^en von Hemiplegie der infantilen Paralyse fand sich der Würg* 
refiex 10 Mal erloschen, bezw. vermindert unter 14 Fällen von linksseitiger Läh* 
aiD^ and 7 Mal unter 24 Fällen von rechtsseitiger Lähmung. 

Das Centmm fOr den WOrgreflex befindet sich wahrscheinlich im Corpus 
ätriatom. Es sprechen nämlich folgende Gründe dafür: 

1 . Die meisten Hirnblutungen entstehen durch Läsion der Arteria lenticulo* 
striata, and dabei ist das Corpus Striatum fast immer mit lädirt. 

2. Das Verhalten des Reflexes bei der Pseudobulbärparalyse; bei derselben ist 
Bämiicb das Corpus striatum stets lädirt, der WOrgreflex aber ist nach Untersuchungen 
TM P. Ha rie fast immer erloschen oder herabgesetzt, während er umgekehrt bei 
im wahren Bnlbärparalyse fast immer normal bleibt. 

Bei 50 Fällen von linksseitiger Hemiplegie fanden sich 41 Mal Sprach* 
•täroBgen, davon 25 Mal dauernde, 16 Mal vorübei^ehende. 

Bö 50 Fällen von rechtsseitiger Hemiplegie fanden sich 40 Mal Sprach* 
itörungen, dabei 11 Mal vorübergehende. 

Die Spraehsiörangen bestanden bei der linksseitigen Hemiplegie in reinen 
Dyfarthrieea, and zwar alle Stufen von der reinen Anästhesie bis znr leichten Kr* 
schwemm der Sprache. Znr Erklämng dieser Sprachstörung liessen sich nicht, wie 
es bänSg geschehen ist, Facialis* oder Hypoglossusparesen verantwortlich machen, 
Tieiaehr muss man annehmen, dass das Centrum für die Articulation sich nicht allein 
ia der linken dritten Stimwindung, sondern auch in der rechten befindet, und 
daas beide coordinirt wirken. Zwischen den beiden Centren verlaufen Associations* 
hahaea durch die beiden Corpora striata. Von dem linken Centrum, in welchem die 
Wortbilder liegen, werden die Impulse zum Sprechen dem eigentlichen Articulations* 
ccBtnua in der rechten Himhemisphäre mitgetheilt. 

%tzt der Herd in dem Assoeiationsbündel selbst, oder wird dasselbe sonstwie 
Mdirt, BO iat die Verbindung mit dem Broca'schen Lappen abgeschnitten, und es 
treten die Erscheinungen der sogen, subcorticalen motorischen Aphasie auf; die will* 
kärlidie Sprache, das Hachsprechen und Lautlesen sind aufgehoben, Lesen, Schreiben 

Verstehen der Sprache sind dagegen angestört. 

Stömngen der Deglutition fanden sich häufig bei linksseitigeu Hemiplegieeu. 
Dfli CsDtnuo derselben liegt im Corpus striatum, besonders in dem der rechten 

Hemigpbäre. 


D g : 7cd / G OOglC 



282 


Zam Schlnss fasst der Yerf. die Ej^ebotsse seiner Arbeit in folgenden 8&txen 
znsammen: 

1. Der Broca’scbe Lappen ist das Centmm ftlr die Wortbilder. 

2. Die dritte rechte Stirnwindnng ist das Centrum fQr die Articulation. 

3. Beide Centren sind durch eine Associaüonsbahn verbunden, welche durch 
das Corpus striatum geht. 

4. Das Beflexcentrum für den Bachen und den Eehlhopf befindet sieb im 
Corpus striatum, besonders demjenigen der rechten Seite. 

5. Daselbst liegt auch das Centrum für die Deglntition. 

K. Grube (Nenenahr). 


33) tTeber das Verhalten der Sehnenreflexe und der passiven Bew^Uoh* 

keit bei der Hemiplegie. Kritisches Sammelreferat von Dr. Ludwig Mann. 

(Monatsschr. f. Fsych. u. Neurol. S. 410.) 

Ueber den Entstebungsmechanismns der Reflexsteigemng und der Muskel* 
contractur bei den alten Hemiplegieen sind eine Beihe von Hypothesen von den 
verschiedenen Autoren anfgestellt worden. Yerf. erörtert zunächst einige physio* 
logische Yorfragen über das Wesen beider Erscheinungen und hält für sicher, dass 
die hemiplegischen Contracturen Steigerungen eines normaliter vorhandenen physio* 
logischen Muskeltonus (Hypertonieen) sind, dass die Sehnenphänomene wirkliche 
Beflexe sind, und dass die beiden genannten Symptome in keinem Abbängigkeits- 
verhältniss zu einander stehen, wenn sie auch in sehr vielen Fällen im gleichen 
Sinne beeinflusst werden. 

Yerf. bespricht alsdann eingehend und kritisch die zahlreichen zur Erklärung 
beider Symptome aufgestellten Theorieon, von denen keine zum Yerständniss sämmt* 
lieber Fälle ansreicht. Für den Grundfehler aber hält er es, dass man es bisher 
unterlassen hat, „vor der Aufstellung von Theorieen die thatsächlich vorliegenden 
klinischen Erscheinungen mit genügender Genauigkeit zu beobachten“, besonders auch 
die näheren Beziehungen der Localisation der Contractur zur Localisatien der hemi* 
plegischen Lähmung. Verf. und Wernicke haben gezeigt, dass bei alten, „resL 
duären“, Hemiplegieen nur ganz bestimmte Muskelgruppen gelähmt bleiben, und Yerf. 
kann nun nach seinen Beobachtungen behaupten, dass sich ein Contracturzustand nur 
in den relativ fnnctionsfähig gebliebenen Muskeln findet, niemals in völlig gelähmten; 
auch die Steigerung der Sebnenreflexe findet man vorwiegend in den ersteren. Ge* 
nauere Untersuchungen, die Yerf. in Aussicht stellt, sollen erst klarlegen, wie das 
zu erklären ist (vielleicht durch die Annahme, dass die excitomotorischen Fasern 
einer Muskelgruppe mit den hemmenden Fasern ihrer Antagonisten zusammenfallen?). 

Toby Cohn (Berlin). 


34) I movimexiti suxiUarl degli emiplegioi ln rapporta alle pstogenesi ed 

alls prognosi delle oontratture, per F. Glubardicci. (Policlinico. 1897. 

Nr. 22.) 

Früher bereits bat Yerf. Beobachtungen mitgetheilt, wonach es einigen Hemi* 
pl^kem möglich ist, die Contractur der Fingerbeuger durch Hülfe anderer Muskel¬ 
gruppen zu überwinden, ln 6 weiteren Fällen konnte Verf. dies bestätigen. Er 
definirt danach die von ihm auxiliäre (Hfllfs)Bewegungen genannten, als solche will¬ 
kürlichen Bewegungen bestimmter, für jeden Kranken feststebender Muskelgruppen, 
durch die es sich der halbseitig Gelähmte ermöglicht, die Beugecontractur zu Itlaeo 
und die Finger zu strecken. 

Diese Bewegungen betreffen eine oder mehrere Muskelgruppen; ihre Zahl und 
Yertheilung ist verschieden je nach der Schwere der zu Grunde liegenden Läsion 


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283 


Bei to gvwShnlichen Hemiplegie genügt zur Lösung der Beugecontractor die blosse 
Sspintion das Vorderarms; in schwereren Fällen ist diese verbanden mit Answärts* 
roUa das Hnmems, and in den allerschwersten wird zogleich die Schalter der 
kruho Seite gesenkt and der Bumpf znr Seite geneigt. In 2 Fällen von Rinden* 
x)awa des Gehirns wnrde znr Lösung der Contractnren der Vorderarm von den 
Eßoho pronirt and erhoben. Die Extensoren setzen in keinem Falle passiven 
Beicgvi^en iigend welchen Widerstand entgegen. 

Dia einzige Theorie, das Zastandekommen der Contracturen zu erklären, die 
nd das Terf.’a Heinnng sich mit den von ihm gefundenen Thatsachen in lieber* 
BBBhnuBQng bringen lässt, ist folgende: Die Contractor ist eine Steigerung des 
Muktitonns. Dieser ist eine Befiexfanction des BQckenmarks, die unterhalten wird 
tarcb die in den Ganglien und im Kleinhirn aufgespeicherten Kräfte und ausgelöst 
vird dareh Beize, die die centripetalen Nerven an der Peripherie treffen. Je nach 
dtr Stärke des Reizes richtet eich die Stärke der reflectorischen Contractur. Vom 
Ceotnffl ans wird nun von der motorischen Bindenregion auf dem Wege der Fjramiden* 
eis ständiger und langsamer Hemmungseinfluss auf diese Beflexthätigkeit der 
Cahactor lasgeäbi Die Hemmung ist stark genug, um bei Gesunden der von der 
Peipbarie kommenden Erregung das Gleichgewicht zu halten; nicht so beim Hemi- 
pitpker, weil hier die Wege für den hemmenden Nervenstrom verlegt oder die 
StthBidlen salbst geschädigt sind. Nor wenn sich die Thätigkeit der motorischen 
SaduoaUeD znr äussersten Leistung erhebt, das heisst bei willkÜrUchen Bewegungen, 
auch der Hemmangsstrom stark genug, um die Contracturen zu heben. Je 
^vmr also die Schädigung, je grösser die Widerstände in der Hemmungsbahn 
^ om so mehr Energie muss zur Ueberwindung dieser Widerstände und somit 
nr Usong der Contracturen entfaltet werden, eine um so grössere Anzahl von 
HodcBulleo muss in Thätigkeit gesetzt und mithin um so mehr Muskeln zur auxi* 
Bira Bewegung gebracht werden. Eine Besserung oder Verschwinden der Contractur 
Bkiäit tkb, wenn der Herd in der Binde selbst sitzt, durch ZurQckgehen des 
Enakbeitaprocesses und Wiederinkrafttreten von motorischen Bindenzellen, bei anderem 
Shz der Läsion dadurch, dass der von der Rinde kommende Hemmangsstrom sich 

Wege bahnt oder die alten wieder gangbar werden. 

Pn^ostiscb spricht die Möglichkeit, durch Auxiliärbewegungen die Contractur 
a Sberwmdeo, dafür, dass diese ganz zurOckgehen wird. Der Grad, bis zu welchem 
^ Qabraochsfähigkeit der Hand sich wiederherstellt, steht im umgekehrten Ver* 
Utn« zur Zahl der Muskelgruppen, die der Kranke in Thätigkeit setzen muss, um 
^ CoDtraetor zu lösen. Valentin. 


3S) Rote snr les douleun pröh^mipldgiqnes, par FdrA (La Normandie 
oidicale. 1897. Nr. 23.) 

Dm cerebralen Hemiplegieen gehen oft motorische und sensible Symptome vorauf. 
^ btsonders bei Erweicbungen, Geschwülsten, Porencephalitis und oft bei Hysterie. 
^(Ir Mitchell hat auch neuerdings auf die Schmerzen, die vor der Hemiplegie 
^iitrsteo, oft bis zu 2 Jahren vorher, aufmerksam gemacht, die in Anfällen oder 
'^wtiiiiirUeb die Gelenke oder deren Ränder oder Muskeln befallen (bisweilen mit 
^IskichweUnng), und zwar stets auf der gelähmten Seite. Verf. fand nun bei 
^plegikem 7 Mal in Nerven (6 Mal im Ischiadicus und 1 Mal im Badialis) ocker* 
Hrrde von alten Hämorrhagieen stammend, und zwar bandelte es sich 6 Mal 
^ die gelähmte Seite nach Apoplexia cerebri. Er musterte nun seine lebenden 
H«iiip]«gi)(er und fand, dass unter 126 Kranken 14 bloss über einseitige Schmerzen 
der lAhmnng geklagt batten. Meist waren sie an beiden Extremitäten, meist 
äie Gelenke, ihre Bänder oder Muskeln, bisweilen die Haut darüber betroffen, 
ujt handelte es sich um mehrere Gelenke, die selten etwas geschwollen und nie 


DiQ'ii^od 


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234 


geröthet waren. Die Schmerzen — bis auf 3 Jahre zurflckdatirend — zeigten sich 
continnirlich, oder in unregelmässigen Krisen (vermehrt durch Druck oder Bew^ung), 
nnd härten nach der Lähmung gewäbnlich ganz auf. Sehr selten sind blosse 
Schmerzen im Nervenverlaufe (5 Fälle hierfQr werden angeführt). Die Genese ist 
dunkel. Jedenfalls kännen also einseitige arthralgiscbe, mjo* und neuralgische, 
sich wiederholende Schmerzen als Vorläufer einer cerebralen Hemiplegie auftreteu. 

Näcke (Hubertosburg). 


Psychiatrie. 

36) Ein Fall von posteolamptiaohem Irreeein mit rüokachreitondor Am¬ 
nesie, von M. Sander (Frankfurt a./M.). (Allg. Zeitschr. f. Fsych. Bd. LIV. 
8 . 600.) 

Bei einer 29jährigen Primipara traten am Tage nach der Geburt eclamptische 
Änfölle auf, die nach 24stfindiger Dauer in ein ebenso lange dauerndes Coma über¬ 
gingen. Beim Erwachen aus der Bewusstlosigkeit zeigte die bis dahin geistig normale 
Frau einen deüriäsen Zustand, der nach etwa einer Woche allmählich abkiang. Die 
Erinnerung für den deliriäsen Zustand ist lückenhaft; ausserdem ist aber die Geburt 
selbst und ihre begleitenden Nebenumstände fast vüllig aus dem Gedäcbtniss ent¬ 
schwunden, und diese rückschreitende Amnesie erstreckt sich sogar auf einen Zeit¬ 
raum von etwa 4 Wochen vor der Geburt, obgleich die Kranke in dieser Zeit 
zweifellos nicht die geringsten Spuren von geistiger Stämng oder Benommenheit 
gezeigt hatte. Verf. glaubt, dass für den vorliegenden Fall nicht ein Verlast der 
Erinnerungsbilder, sondern eine Störung der associativen Elemente, welche die einzelnen 
Erinnerungsbilder verknüpfen, zur Erklärung der Amnesie herangezogen werden müsse, 
wofür besonders die Möglichkeit spreche, durch AnknOpfen an einzelne erhaltene 
Ereignisse nach und nach auch das Gedäcbtniss für die meisten anderen Geschehnisse 
der amnestischen Periode zurfickzurufen. Aschaffenburg (Heidelbei^). 


37 } Note Bur un oas de ,toxioomanie variable, par Förö. (Journal mddical 

de Bruxelles. 1897. Nr. 48.) 

Es sind meist nur mehr oder minder abnorme Personen (angeboren oder sp&ter 
so geworden), die den Trieb haben nach allerlei Excitantien, besonders nach Alkohol 
und Narcotica. Vergnügen bietet uns nicht nur die Reizung der Sinne, sondern auch 
die unserer Activität. Ziel der Erziehung und socialen Haassnabmen ist es, jene zu 
bekämpfen, diese auszubilden. Aber Gesetze können die Sinnesreize nicht unter¬ 
drücken; nur durch Ablenkung auf die Betbätigung der speciellen Individualität kann 
es geschehen. Nur durch Aufklärung des Volkes kann z. B. der Alkoholismuf 
schwinden; vor allem darf der Alkohol nicht durch andere Excitantien ersetzt werden 
Die erworbenen Toxicomanieen können auch das Symptom einer habituellen Ver 
giftung sein. Morphiomanie z. B. kann nach Horphinismns auftreteu, der in änderet 
Umständen dagegen wieder Folge von jener isi So bleibt gewöhnlich nach Be 
hebung des Morphinismus die Morphiomanie latent zurück, nnd dies gilt von allei 
übrigen Excitantien oder Narcotica. Je schneller nach scheinbarer Heilung da 
Becidiv eintritt, um so grösser war die constitutioneile Disposition, die sich besonder 
im Wechsel von Excitantien zeigt, wie ein ausfObrlicber Fall des Verf.’s beweis 
indem nach Sucht zu Alkohol, die nach Aether, wieder dann nach Alkohol, spät« 
nach Morphium, endlich nach Cocain anftrat. Man sieht also, dass je nach Gelegen 
heit dies Mittel gegen ein anderes umgetauscht werden kann. Specialasyle kdnn« 
nur erworbene Fälle heilen und oft auch diese nicht, wenn sie zu chronisch wurde 
Noch nicht stricte ward nacbgewiesen, dass durch Beglementirung des ALkohc 


ig ü^od Dy CjOO^Ic 


285 


ffftnocb Irrsioo oder Verbrecher sbnahmeD. Dies erklärt sich daraus, dass bei 
Tfftot fOB Alkohol SU anderen Mitteln gegriffen wird. Auch die bessere Recti- 
äcinog des Alkohols nfitst wenig. Es ist noch unbewiesen, dass die heutigen 
KS(^liairt«D Alkohole wirklich rein seien. Die Bestenerung ist schon besser. Der 
AlbW d^eoerirt bekanntlich und ist so eines der besten Selectionsmittel, das auf- 
iBfikaa rielleieht nicht gänzlich erwänscht ist. Wohl kann die Person der Vergiftung 
ndastriim, aber die Nachkommenschaft wird vergiftet. Die Abstinenz aber von 
Alkobol kann nur dann von Nntzen sein, wenn kein anderes gefährlicheres Mittel 
hfr datritt. Letzteres aber, meint Bef., ist vielleicht mit die schwierigste Frage 
kguieD Alkohol-Angelegenheit, die ganz verschwiegen wirdl 

Näoke (Hubertusburg). 


38) Belasione sn dne casi di chirnrgia cerebrale per lesione dei lobi 
frontall, per Crespi. (Atti e rendiconi della acad. med.-chir. di Perugia. 
ToLH.) 

Zwei Fälle von Bruch des Stirnbeins mit Verletzung des vorderen Stimlappens, 
Ü» beide dgenthfimlicbes psychische Verhalten zeigten. 

1. Hofrchlag gegen den rechten Stimhöcker, Splitterfractnr, Ver^ de Gehirns. 
^ vidieelten comatbse mit maniakalischen Zoständen ab. In letzteren macht der 
Dnke die Oeste de Pferdeantreibens, schnalzt mit der Zange und stöet dann einen 
Fluh atu^ eine Situation, in der er sich befunden, als ihn die Verletzung traf. 

Butfemung der Knochensplitter und Stillnng der Blutung eh Verf., dass der 
ivdere StimUppen fast zertrfimmert war und KnochenstQcke, Strohhalme und Schmutz 
0 andere Theils de Gehirns eingedrungen waren. Nach dem Eingriff Aufbören des 
laükalisehe Zetandes. 2 Stunden darauf kam der Kranke wieder zu sich, blieb 
*b(r in geinen Bewegungen ui^etftm, instiuctiv. Der Fat starb am 7. Tage unter 
<pileptiecben Krämpfen an einer acuten, diffusen Meningoenephalitis. 

Sturz von einer Treppe, Splitterfractur in der Gegend des rechten Stirn- 
V<beTs, Erbrechen, Coma, Blutung ans dem rechten Ohr und aus der Nase. Bei 
ketfiniQD^ der KnochenbmchstOcke sah Verf., dass zahlreiche Bisse die Schädel- 
dorchsetzten. Aach bei diesem Patienten propulsive Bewegungen: G^en« 
die er ergreifen wollte, riss er mit grosser Heftigkeit an sich, Getränke 
siRte er hinunter, und das Eteen verschlang er gierig. Valentin. 


Therapie. 

3>) Zar Behandlung der Hemiplegie, von Fr. Huchzermeyer. (Deutsche 
Bsi Wochensebr. 1898. Nr. 1.) 

Die fiblicbe Behandlungsmethode der Hemipl^e bedarf einer Modification. 
''^ktwtstisch für alle Fälle ist das Zoräckbleihen der Besserung in der Extremitaten- 
»dnlatar gegenfiber der stets vorhandenen erheblichen Besserung in der Gesichts- 
ad Sehloadmuskulatur, sowie die bedeutende Schmerzhaftigkeit bei Versuchen, ge- 
passive Bewegungen vorzunehmen. Diese Uebelstände heroben darauf, dass 
'hl licht regelmässige und geeignete passive Bewegungen in Verbindung mit activen 
sobald solche möglich sind. 

Dil Diät ist mehr zu individualislren, bei der oft vorhandenen Plethora einzu- 
«WiikiD, Alkohol, wenn möglich ganz zu verbieten. 

Wird das Sensorium frei, so beginne man mit passiven Bew^ungen der ge* 
and activen der gesunden Seite und achte bei ersteren besonders auf die 
‘^^^‘hioiuD der Gliedmaaasen nach der Seite der gewohnheitsgemäss am meisten 


D g : 7cd / G OOglC 



236 


gelähmten Maskelgruppen. Dieee Uebangen sind von gewissenhaften Masseuren unter 
häufiger Controlle des Arztes 2 Mal täglich V 2 Stunde lang vorzunehmen. Wöchent¬ 
lich sind 4—5 kräftige Eochsalzbäder (10, 20 und mehr kg) io der Wanne za 
geben, 26—27 warm, sobald als möglich aber die Gelähmten io ein kochsalz¬ 

haltiges und an COg reiches Soolbad zu senden. Das Bad gewährt die Möglichkeit, 
ca. 2—3 Monate früher Spuren von Eigenbewegungen sichtbar zu machen (Aufhebang 
des Gewichtes der Gliedmaassen im Bade mit specifisch schweren Flüssigkeiten, 
Fortfall des Beibungswiderstandes der Bett- und Leibwäsche, psychische Beein¬ 
flussung u. 8. w.). Aehnlicb wirkt die senkrechte Körperstellung, am besten in einem 
Laufstuhl, „so fest gebaut, dass er das Körpergewicht trägt, und so leicht, dass der 
Pat. den Stuhl, in ihm stehend, mit dem gesunden Arm vorwärts bewegen kann“. 
Diese 3 Anwendungsformen (passive Gymnastik, Bäder, Laufstuhl) müssen möglichst 
frühzeitig angewandt werden. Dem Ueilwertbe der Elektricität gegenüber nimmt 
Verf. den Moebius’schen Standpunkt ein, auch die Massage beurtheilt er abfällig, 
da sie neben anderen Nacbtheilen die Entwickelung der Contracturen gänzlich an- 
beeinflusst lässt. B. Pfeiffer (Cassel). 


40) Ueber das Brisement des Buckels nach Calot, von Lorenz. (Deutsche 

med. Wochenschr. 1897. Nr. 36.) 

Die bisherige, allerdings kurze Erfahrung hat festgestellt, dass die Gefahren, 
welchen das Rückenmark beim Redressement etwa ansgesetzt ist, weit überschätzt 
wurden, wenngleich gelegentlich prävertebrale Äbscesse bei diesem Verhalten platzen 
können und der frei gewordene Eiter in die umgebenden Gewobsräume eingepresst 
werden kann. Liegt demnach im ganzen kein Grund vor, sieb gegen das Redresse¬ 
ment auszosprechen, so warnt Verf. doch vor allzu übertriebenen Hoffnungen 
und hält bei dem destruirenden Charakter der Tuberculose eine grosse Skepsis be¬ 
züglich der Dauererfolge des Brisements für erforderlich. In schweren Fällen mit 
grossem Knochendefect und starkem Gibbus muss die nach dem Redressement 
klaffende Lücke in der Wirbelkörperreihe entsprechend gross sein und es ist äusserst 
unwahrscheinlich, dass derartig grosse Lücken durch neugebildetes Euocheninaterial 
zur Ausfüllung kommen sollten. Ohne genügende Enochenneubildung wäre aber eine 
statische Fizirung der Wirbelsäule nur denkbar, wenn an Stelle des Gibbim eine 
künstliche circumscripte Lordose träte, eine an der von vornherein lordotiseben 
Lendenwirbelsänle gewiss mögliche Einstellung. Verf. betont, dass Becidive bei den 
Calot’scben Verfahren mit grösster Wahrscheinlichkeit früher oder später zu er¬ 
warten sind, und warnt davor, alle befriedigenden Resnlte, die in Zukunft etwa nach 
den Calot’schen Vorschriften erzielt werden mögen, ohne weiteres der Methode zn- 
zuaebreiben, da auch die bisherige Spondylitistherapie grosse Erfolge aufweisen kann. 
Nach dem Verf. ist die Grösse des künftigen Gibbus von vornherein und lediglich 
durch die Grösse des Eraukheitsherdes bestimmt, durch unser Zuthun kann nnr 
erreicht werden, dass der Gibbus nicht grösser wird, als er unbedingt werden mnss. 
In der Einleitung und Weiterentwickelnng des Gibbus fällt die grösste uud wich¬ 
tigste Rolle den reflectorischen Muskelspasmen zu; durch die muskuläre Fixirnng 
des Rumpfes wird derselbe zweifellos auch in der Richtung der Längsaze comprimirt 
und zunächst unter dem Einfluss dieser Muskelpressung erfolgt die Bildung dea 
Gibbus. Auch der Calot'sehe Gypspanzer dürfte die Entstehung des Buckels bis 
zu dem unbedingt nöthigen Grade nicht absolut hindern können. Die durch para- 
gibbäres Redressement (Lange) gewonnenen orthopädischen Resultate sind weniger 
schön, aber dauerhafter als bei dem centralen Brisement. Calot’s Behauptung, dass 
seine Methode viel früher als alle anderen znm Erlöschen des Krankheitsherdes 
führe, bedarf erst der Begründung. Die Technik des Calot’scben Redressement 
ist sehr mangelhaft und verbesserungsbedürftig. „Das Calot’scbe Brisemen 


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0! V 


237 


steht und fällt mit der Frage, ob die Beproductionskraft der Nator 
der durch das Brisement an sie gestellten Fordernng gerecht in werden 
Termag.“ 

Yerf. sah bei einem Falle yon Spondylitis dorsalis saperior eine leichte Parese 
der Beine nach dem Redressement in complete Paralyse flbei^hen, eine Lähmung 
lon Blase ond Mastdarm dazutreten. Letztere ging allmählich zarfick, dag^en be¬ 
steht die Paraplegie 2 Monate nach der Operation noch nnverändert fort^ auch hat 
sich der Qibbns reprodncirt Ea ist somit das Brisement, zum mindesten eines 
oberen dorsalen Oibbns, keineswegs ein absolut harmloses Verfahren. 

B. Pfeiffer (Cassel). 


m. Aus den Gesellsohaften. 

Finaks Lftkaresällskap. 

Prof. Hom^n stellte in der Sitzung vom 22. Febmar 1896 (Finska läkare- 
Ällsk. bandl. 1896. JXXVIII. 3. S. 473) einen schon frQher (vgl. dies. Centralbl. 
1896. IV. S. 766) Torgefflfarten Pat. mit gekreuzter Anästhesie (aller Sensibilitäts* 
qualitäten) yor, die wahrscheinlich auf einer Läsion im Pons beruhte. Kach einer 
ecergischen Schmierkur mit gleichzeitiger innerlicher Anwendung yon Jodkalium trat 
bedeutende Besserung des Allgemeinzustandes wie der Himsymptome ein, und zur 
Zeit bestand nur noch für die Kälteempfindung eine ziemlich vollständig gekreuzte 
Ani^esie, stellenweise verbunden mit einem gewissen Grade von Dysästhesie, während 
die SU>ning der übrigen Oefühlsqualitäten bedeutend gebessert war. 

In der Sitzung vom 21. März berichtete Prof. Hom^n (a. a. 0. 6. S. 577) über 
seioe unter Mitwirkung von Cand. ned. Laitinen aasgeführten experimentellen Unter- 
scchongen über die Wirkung der Bakterien und Toxine auf das Nerven- 
lyitem. Diese Untersuchungen sind später von Prof. Homän (a. a. 0. 9. S. 626) 
n^ruhrlicber mitgetbeilt worden. Es wurde direct in den Ischiadicns, auch manch' 
aal in das Böckenmark von Kaninchen Bonilloncultnr eines durch Weiterimpfung zu 
hoher Virulenz gebrachten Streptococcus eingespritzt. Die Untersuchung der Nerven 
ergib bei den der Injection erlegenen oder getüdteten Thieren, dass sich die Bakterien 
xbon nach 24 Stunden auf dem Wege der Gewebsinterstitien und Lymphräume im 
guzen Verlaufe des Nerven, von der Injectionsstelle an bis zom Bückenmarke, wie 
Kcb in dem von der Injectionsstelle peripher gelegenen Theile ausgebreitet batten. 
J« veiter central, je näher den Centralganglien, desto mehr nahmen die Bakterien 
eine grössere Localisation an, sie fanden sich hauptsächlich im Perineurium und 
«Irugen in das Innere der Nervenfasern eiu, von der Peripherie nach dem Centmm 
n; wenn längere Zeit seit der Injection verstrichen war, drangen sie immer mehr 
in das Innere. Hit dieser Ausbreitong der Bakterien gingen histologische Ver- 
üdeningen Hand in Hand (kleine Hämorrhagieen, Entartung und Zerstörung der 
Nwyenfasem und Zellen), die 10 Tage nach der Injection den ganzen Querschnitt 
dorchsetzten, während dann Bakterien nicht mehr gefunden wurden. Im Rückenmark 
Bihnen die Yeränderongen den gleichen Verlauf; bei directer Einspritzung in das 
ÜideniDark geschah die Ausbreitung der Bakterien hauptsächlich zwischen den 
keningen und dnrch den Centralcanal. Nach Injection von aus denselben Bakterien 
iwriteten Toxinen traten ähnliche Veränderungen ein, die sich ziemlich in derselben 
Vriee verbreiteten, aber weniger scharf ausgesprochen waren. Diese Untersuchungen 
durften der immer mehr sich verbreitenden Ansicht als Stütze dienen, dass ver- 
äcUedene Bflckenmarksinfectionen infectiöser oder toxischer Natur sind, ausserdem 
dkftoi sie eine anatomische Grundlage für die Theorie der aufsteigenden Neuritis 

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2S8 


Dr. Lind4a berichtete in der Sitzung vom 11. April (a. a. 0. 7. S. 649) Aber 
einen Fall von Meningitis, die von einem Cholesteatom im innem Ohre aas¬ 
gegangen war. Der 38 Jahre alte Kranke hatte im Alter von 10 Jahren einige Tag« 
lang Ausfluss aus dem linken Ohre gehabt, im Alter von 13 Jahren vrar, wie Pai 
meinte, aus demselben Ohre Blut ao^flossen. Mehrere Jahre lang hatte Pai an 
unbestünmten, fOr rhenmatisch gehaltenen Erscheinui^en gelittw. Anfang Jauoar 
1896 war nach plötzlich aufgetretenem heftigen Kopfschmerz eine Lähmung des 
linken Facialis erschienen, die sich wieder besserte. Ende März hatte sich Schmerz 
im linken Ohr eingestellt, der den Charakter einer Trigeminusnenralgie annahm, die 
auf die rechte Seite ftberging. Daran schlossen sich meningitische Erscheinungen an, 
aber das Sensorium blieb frei und motorische Erscheinungen fehlten. Anfang April 
traten Schmerzen im Kreuz und in beiden Ischiadicis auf. Am 8. April wurde der 
sclerotische Processus mastoideus eröfhet, die hintere Wand des knöchernen Oehör- 
gangs abgemeisselt und ein zerfallendes Cholesteatom entfernt Der Zustand bessert« 
sich nicht und der Kranke starb am 9. Aiu-il. Bei der Section fand sich allgemeine 
Meningitis, am stärksten auf der linken Seite, sich bis in das Rflckenmark erstreckend. 
Der Acosticus und Facialis der linken Seite waren im Porus acusiicus erweicht und 
eitrig infiltrirt 

In der Sitzung vom 9. Hai stellte Prof. Buneberg (a. a. 0. 10. S. 837. 842) 
eine Pat. mit einer eigeoth&mlicheu Form vou motorischer Aphasie und Hemi¬ 
plegie der linken Seite in Folge von Thrombose der Art fossae Sylvii vor; die 
Pat war linkshändig und bietet ein Beispiel dafür, dass bei Linkshändigkeit das 
Sprachcentrum in der rechten Hiruhemisphäre liegt. 

In der Sitzung vom 7. November stellte Prof. Raneberg (a. a. 0. 12. S. 1060) 
einen Pat mit nach Trauma entstandener Paohymeningitis oervioalis hyper- 
trophioa vor. 

Dr. Sievers theilte in der Sitzung vom 6. December (a. a. 0. 1897. KXXIl. 1. 
S. 185) einen Fall von Brown-Sequard’soher lAhmuag bei einem 29 Jahre alten 
Seemann mit, der 2 Jahre nach einer ungent^end behandelten secundär syphilitischeD 
Halsaffection eine Lähmung des rechten Beines bekam, mit Erschwerung der Harn¬ 
entleerung, die nur tropfenweise vor sich ging. Die Darmtbätigkeit war sehr träg. 
An dem fast paralytischen rechten Beine bestand starke Hyperästhesie, der Patellar* 
reflex war gesteigert. Am linken Beine, dessen Bewegungen nicht gestört waren, 
bestand fast vollständige Analgesie und Lähmung des Temperatorsinnes, der Patellar- 
reflex war kanm bemerkbar. Auch Aber den unteren Tbeil des Bauches bis drei 
Fingerbreiten unterhalb des Nabels erstreckte sich eine Zone starker Hyperästhesie, 
weiter nach oben war das Gefühl normal. Nach einer Schmierknr nahm die Ij&hmung 
des rechten Beines ab, der Patellarreflex blieb aber erhöbt. Sensibilität» Ham- und 
Darmentleerung wurden normal. — Prof. Runeberg erwähnte bei dieser G^egenhei' 
einen gleichen Fall, in dem trotz der Behandlung die Krankheit fortschritt. Prof 
M. W. af Schnltöo erwähnte zwei Fälle, in denen die Krankheit tranmaUschei 
Ursprungs war. In einem von Dr. Holmberg beobachteten Falle besserte mch di< 
Blasenlähmung nach Pilocarpininjection. 

Dr. Krogius (S. 186) theilte einen Fall von schwerer liingualisneuralgii 
mit, in dem die Bwection des dritten Astes des Trigeminos nach KrQnie in aus 
geführt wurde. Der 60 Jahre alte Kranke hatte vor 2 Jahren plötzlich beim Elsse 
einen äosserst heftigen schneidenden Schmerz in der rechten Znngenhälfto bekommet 
2 Monate später kehrten gleiche ScbmerzanßUe in Zwischenzeiten von einigen Tage 
wieder, wurden häufiger und heftiger und traten schliesslich fast täglich auf, wiedei 
holten sich mehrere Male an einem Tage, bisweilen sogar mehrere Male in ein« 
Stande. Der Schmerz strahlte bis zur Schläfe und bis zom Ohre ans. EsBen ui 
Sprechen wurden immer schwieriger, weil Pat. sich bemühte, die Zunge so wen 


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iU Böglkh zu berflhreQ. Nach der Operation [kaom 3 Wochen vor der Hittheiluog] 
nr PzL vollständig befireit von den Schmerzan^en, konnte anbehindert essen und 
^neboi, doeb bestand Anästhesie in der rechten Zungenhälfte und in der rechten 
ÜGidDeferhälfte. Von zwei weiteren Fällen von Besection des 2. nnd 3. Trigeminus- 
nttf, die Krogius erwähnte, war in einem keine Heilung erzielt worden. Nach 
^Mitüieilung von Prof, af Schnltdn (S. 188) verschwanden in diesem Falle 
äcluaeneD, nach einer vorfibei^ehenden Exacerbation in Folge der Extraction 
BBS Weisbeitssahnes, nach einer Gussenbauer’schen Laxirmitte.lkur. Doch 
nr locb diese Besserung, wie Erogius io der Sitzung vom 6. Februar 1897 
tLiO. 1897. IXXIX. 3. S.Ö12. 513) mittbeilte, nicht von Dauer; Pat war 10 Tage 
% fro TOS Schmerz, batte dann 3 Tage lang wieder mehrere AnföUe; diese setzten 
iui aenlich 4 Wochen lang aus, begannen aber dann, trotz Fortsetzung der Kur, 
nte. Nuh Besection des Ganglion Gasser! war Pat. frei von Schmerz bis 
nr Zeit der Mittheilnng [25 Tage], af Schulten hat nach den von ihm aus- 
nßhles Nervenr^ectionen fast immer Becidive eintreten sehen, die Besection ist 
keUb Bub ihm nur als Ultimum refuginm zu betrachten. 

io einem von Wahlfors (S. 188) erwähnten Falle verschwand eine schwere 
^«eiditsBeunlgie nach der Extraction eines schmerzenden Zahnes, an dessen Wurzel 
OB» kieine ^ostose entdeckt worde. Hj. von Bonsdorff, der ebenfalls einen 
Beeeetion nach Krönlein behandelten Fall erwähnt, hat an dieser Operation 
dass das kosmetische Besultat nicht vollständig gut sei und die Function 
M Unterkioreis gewöhnlich eingeschränkt werde. 

Prof. Bornen (S. 188) stellte ln derselben Sitzung einen 19 Jahre alten Pat. 
r«, der an «ner Bolbäraffeotion mit gekreuater Lähmung litt. Pat. war am 
^ Angoät 1896 vom Pferde auf harten Grund gefallen, so dass der Hinterkopf 
^ auöchlog, und bewusstlos li^en geblieben. Als er nach einigen Standen 
nedar n sieh kam, hatte er Empfindlichkeit am Hinterkopfe, wo sich keine Wunde, 
Gmebwulat vorfand. Die Empfindlichkeit im Hinterkopfe liess nach einigen 
nach, aber es stellten sich oft spastische Zuckungen in den Haskeln der 
Gescbtsbälfte ein, bei Bewegungen des Kopfes hatte Pat. das Gefilhl von 
^aibed im Nacken. Ansserdem bestanden Bulbärsymptome (schwerfällige Sprache, 
^viengkeit beim Scblucken. Flössigkeiten kamen oft durch die Nase wieder heraus, 
l^rbeifebfiQd bestand Beschleunigung der Athmung und des Pulses). Bald trat 
^bvkie im linken Arme (die Nackenmuskeln der linken Seite, der linke Supra- 
Bad lafrupioatus und der hintere Tbeil des Deltoideus zeigten verminderte elektrische 
nnd üq rechten Beine auf, später auch eine gewisse Schwäche im rechten 
^ Bai der Aufiiahme, am 22. October, worde die Zunge gerade herausgestreckt, 
hl Gwfflsosegel hing links tiefer herab und war weniger beweglich als rechts, die 
war nicht anfällig gestört, aber das Schlacken. Der Patellarreflex war links 
^ KbwiclL Die active Beweglichkeit in einem Achselgelenk war bedeutend ein- 
namentlich konnte Pat. den Arm nicht hoch heben, im Uebrigen war 
w Am schwach, in geringerem Grade der rechte. Es war geringe Dermographie 
'wbadn. Der Znstand besserte sich allmählich. 

Ala Erankheitaursache war mit grösster Wahrscheinlichkeit eine Affection der 
kidtlla oblongata anznnehmen, and zwar an einer Stelle, wo die Kreuzung der 
MonKbes Bahnen für die ot^ren Extremitäten schon stattgefunden hat, die für 
^ nrtven noch nicht, worauf die Kreuzung der Lähmung hindeutet. Ausserdem 
wohl die oberen Cervicalnerven und ihre Verzweigungen bei dem Palle direct 
worden sein, wofür die relativ stärkere Affection der Nacken- und Schulter- 
spricht. 

der Sitzung vom 12. December 1896 stellte Prof. Runeberg (a. a. 0. 1897. 
2. S. 852) einen Pat. mit auf Blutung im Occipitallappen beruhender typischer 
^’l^her Apharie vor, sonwible nnd motorische Störungen fehlten ganz. Pat, der 


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240 


als Kind die schwedisclie and erst als Erwachsener die finnische Sprache gelernt 
hatte, konnte oft vorgezeigte Gegenstände unr finnisch, nicht schwedisch benennen, 
weil er, wie Vortr. meint, die schwedischen Benennangen mit Seheindrficken, die 
finnischen dt^egen mit GehOrseindrOcken verband. Walter Berger (Leipzig). 


IV. Vermisohtes. 

Verein der deutschen Irrenftrste. 

PreissoBBchreibnng ffir einen Leitfaden beim Unterricht des PflegeperBonsle. 

Bedingungen. 

Der Leitfaden soll dem Pfle^perBoual in die Hand gegeben werden. Er boU in ee- 
drängter Efirze und in ein&oher, leicht verBtandlicher and von Fremdwörtern freien Sprache, 
entsprechend der geistigen Ansbildung des DnrcbschnittspfiegerB, ihm den Grundriss eines 
UnterrichtscarBUB darbieten. 

Er soll jedenfalls folgende Gegenstände enthalten, deren Beihenfolge dem Yerfrsser 
hberlaasen bleibt: 

1. Einen ganz kurzen geechichtlichen Ueberblick Aber Krankenpflege, Irrenpflege, 
Irrenanstalten und Pflegepersonal. 

2. Einen Abriss der Krankenpflege im Allgemeinen. Hierbei ist Aber Bau and Ver- 
ricbtangen des menschlichen Körpers nnr so viel zn sagen, wie etwa in der oberstMi Stufe 
der Volkschnle gelehrt wird. 

Bei dieser Besprechang sind Aberall gleich Hindentnngen anf wichtdge krankhafte 
Zustände (oder Verletzungen) der besprochenen Theile zu machen, insofern sie Be¬ 
ziehungen zur Krankenpflege und Irrenpflege haben. 

3. Eine kurze Besprechung der Aufgaben und der Hygiene des Krankenhauses und 
der Irrenanstalt, mit Röcksioht anf die besonderen Einrichtnngen der Letzteren. 

4. ^ne besondere Anleitung zur Pflege der Geisteskranken. Hierbei ist unter Ver¬ 
meidung wissenscbaftUcfaer Abhandlungen Aber Psychiatrie, nur in soweit eine Beschreibung 
zu geben von der Aeusserungsweise des Imseins, als diese fAr die Anfgaben der dem 
Wartpersonal zufallenden Pflege in körperlicher und geistiger Hinsicht von Wichtig¬ 
keit ist. 

Der Leitfaden soll für alle dentschen Anstalten passen. Besonderes, was in der Haus- 
Ordnung und in der Dienstanweisnng fttr das Wartpersonal in jeder Anstalt gesagt ist, 
braucht der Leitfaden nicht zu enthalten. 


Sodann wird gefordert: 

Leserliche, druckfertig geschriebene Arbeit oder gedrücktes Heft. — Nachweialich vor 
dem Preisausschreiben im Dmck and Verlag bereits erschienene Arbeiten sind so wie sie 
sind, oder mit entsprechenden Nachträgen and Ergänzungen zngelassen. 

Die Arbeit (sofern sie noch nicht im Drucke erschienen ist) ist mit einem Keonworl 
(Motto) zn versehen ond in einem verschlossenen Briefumschlag, welcher das Kennwort aU 
Aufschrift trägt, der Name des Verfassers anzugeben. 

Die Arbeiten sind bis znm 1. Januar 1899 an einen der Unterzeichneten einzoreichea 

Der Preis beträgt 500 Mark. 

Das Antorreobt verbleibt dem Verfasser. Der mit dem Preis ausgezeichnete Leitfadoi 
muss sofort gedruckt werden. 

Der vom Verein gewählte Preisausebuss: 

Pelman (Bonn). Paetz (Altscherbitz). Siemens (fjiuenbuig i./Pom. 

Ganser (Dresden). Alt (Uchtspringe). 


Um Einsendung von SeparatabdrAcken an den Herausgeber wird gebeten. 

Einsendungen fAr die Redaction sind zn richten an Prof. Dr. E.Uendel, 

Berlin, NW. Schiffbanerdamm 20. 

Verlag von Vbit & Comp, in Leipzig. — Dmck von Mutzuu A Wime in Leipzig. 


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IPH ^7 1890 


OLOGiscHES Centralblatt. 


der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie 
und Therapie des Nervensystems einschliesslich der Geisteskrankheiten. 

Heramgegeben tod 


uhiter 


Professor Dr. E. Uendel 

n 


Jahrgang. 


IVtlidi «tsehemeD swei Nummern. Preis dee Jahrganges 24 Mark. Zn beziehen dnrcb 
ffinähandlan^D dM ln- nnd Anslandee, die Postanstalten des Denteehen Beichs, sowie 
direct von der Yerlagsbaohhandlong. 



15. März. 


Nr. 6. 



L OrifiBalnlttheilungeti. 1. Geber den Harkfasergehalt der Centralwindnogen eines nor* 

I ■iBBlicfaen Indiridnams, von Dr. Adolf Pattow. 2. Zar Casnistik der Kleinhimtnmoren, 
l>r. A. Boottiger, Nerrenaizt in Hamborg. 8. Zar Aetiologie der faDctionellen Neorosen 
and Nearastbenie). Ton Dr. e. Biernaeki, ord. Arzt am Wola-Erankenhans za Warschan. 

K. lWorate. Anatomie. 1. Beitrue zur Kenntniss der Hautnerven des Kopfes, 
Issdir. 2. Experimentelle Untersachangen &ber die Wurzelgebiete des N. glosso- 
ne and Accessorins beim Affen, von Kreidl. — Experimentelle Physio* 
el eerreaa in: Dictionnaire de Physiologie par Charles Bichet. § 1. Histo* 
§ 2. Böle de Pdeorce c4r4brale en g^n^ral. § 5. Des centres de l'^corce cdrdbrale. 
j. 4. Zar Frage der Ursachen der Linkshän^gkeit, von RothicMid. 5. Ueber den 
der Sebilddröse aaf den Stoffwechsel, von SchSndorff. 6. Experimentelle Beiträge 
drhaeofraee, ron Wormser. 7. Zar Lehre der SchilddrQse, von Munk. 8. Ueber den 
TOB SchiladiHsen in Steiermark, von v. Rositzky. 9. KehlkopfnerTennnd die Fanctionen 
•idea, von Exnor. — Pathologische Anatomie. 10. Till kännedomen om de 
Mpotationer nppkommande förändringama i nervsystemet med speciel hänsyn tili de 
dna neoronema, af Sibelius. 11. Les alt^rations de la moSile öpiniöre cbez les ohiens 
d’euUrpation dM glandes parathyr^oldiennes, par Vassale et Donnaggfo. 12. Beiträge 
Kaoatoiss Harkfaserge^tes der Grosshimrinde bei Idioten mit vergleicbenden 
eo, von Kaes. — Pathologie des Nervensystems. 13. Ett fall af per* 
V anemi med fCrändringar i ryggmärgens hakre strängar, af Johnson. 14. Notes 
goitre in northeast Bengiu, by Waters. 15. Da goitre exophtalmiqae, symptömes, 
traitement (seotion da grand sympathiqne cerncal), par Valenpon. 16. Natore 
it da goitre exophtalmiqae, par Abadie. 17. Ueber das Auftreten von Oedemen 
Basedowii, von L8w. 18. A case of acate Graves disease witb a description of 
anatomy and of a seri^ of mikroscopical sections, by Forwell. 19. M^lancolie et 
ooi^talmiqae, par Dovay. 20. Hyzoedema, by Davidsohn. 21. Hyzödem anf seltener 
von BarWurt. 22. Om myzbdem, af Pfannenstill. — Tvä fall af myzödem, behandlade 
jAgreoHBatabletter, af Pfannstill. 23. To Tilfölde af Myxödem, at MCIIor. 24. De la 
fm Tordoas. 25. Zwei weitere Fälle von jnvenilem Totalster bei Tetanie, von 
fllr. ^ Ein Fall von Pbosphorvergiftong mit Tetanie, von Stransky. 27. Jja tötanie 
PafMik, pv Oddo. 28. Ueber Tetanie im Kindesalter, von Kaüsehsr. — Psychiatrie. 
Tmiftsalisme myxoedömateni. par Brissaud. 30. Idiotie myzoedömatense (myzoed^me 
) tü rhifineDce par Tingestion de glande tbyroide da mooton, par Bourneville. 
6 eretinismo. per Cristiani. 32. Ueber das Bewusstsein der Hallacinirenden, 
S8. Die paerperalen Psychosen, vom ätiologischen, klinischen und forensischen 
von Shdarow. 34. Drei casois^ohe Beiträge zor Lehre von den Psychosen mit 
VM Kaator. 35. Zusammenstellnng der sich in dem bfirgerlicben Qesetzbneh fQr 
ergebenden, z. Tb. nenen Gesichtspunkte fhr die Erstattung von Gntacbten, 
36. Zwei Fälle sogen. Folie par transformation (Folie en common), von Pinkel* 
t1. CoBtribotion ä la pathologie des rapports sexnels. Paralysies postparoxystiqaes. 
S8. Betrmehtusgen Qber die Umkehrang des Geschlecbtstriebes. von Laupts. 89. La 
■tadiata nell’nomo e nella donna etc., per Murro. 40. Weiche besonderen An* 
|SB — abgeseben von den f&r den J^n von Krankenbänsem göltigen — sind bei 
JtariehtaDg einer grossen einklassigen Anstalt für Geisteskranke zn berficksiebtigenp 
L — Therapie. 41. Les distractions dans le traitement des aliänöe, par Nicke, 
whoataue Cbinim'njectionen, von K9bner. 48. Ueber Thyreoidinbebandlnng der 

16 


i.GoogIc 






242 


Stramen, von HmszoI. 44. Ein Beitrag znr Thyreoidintberapio, von Hiebei. 45. Troii cat 
d'idiotie m^ioed^mateoee traitde par l’ingcstion thyrdoidienno, par Boumevllte. 46. De la 
rösection bilaterale dn grand ayinpatbiqQe cervical dana le goitre exopbtalmiqae, par Gertr4- 
Marehant. 47. Rdsection bilaterale du grand ajmpathiqae cervical, dana lo goitre exopbtal- 
miqoe, par Rectus et Faure. 48. Le traitement da goitre exopht^rniqae par la aectioD on 
la rdaection du aympathiqae cervical, par Jabaulav. 49. Ein operirter Baaedow-F^dl. von 
Saenger. 50. Regrowtb of bair in mjxoedeina nnaer treatment witb thyroid tabloida, by 
Raven. 51. Le traitement des m^lancoliquea par le repoa an lit, par Sdrieux. 

Hl. Aus den Gesellschaften. Aerztlicber Verein zn Hamborg. (Scbloas folgt.) 


L Originalmittheilongen. 

[Aus der psychiatrischen Klinik (Prof. Dr. Fübstnee) in Strassburg L/E.] 

1. lieber den Markfasergehalt der Centralwindungen eines 
normalen männlichen Individuums. 

Von Dr. Adolf Fassow, II. Assistenten der Klinik. 

Die Arbeiten von Eabs über den Faserreichthum der Rinde erstrecken sich 
bis jetzt auf Gehirne von normalen, männlichen Culturmenschen von bis 
50 Jahren(l—3), auf zwei Gehirne von Angehörigen der niederen Basse(4) und 
auf je ein mikio- und makrocephales Gehirn (5). 

Da er aber bei seinen TJotersuchungen des ganzen Gehirns nur eine rer- 
bältnissmässig kleine Anzahl Schnitte berücksichtigen konnte, stellte ich mir die 
Aufgabe, den Faserreichthum der ’Centralwindungen genauer in einer fortlaufenden 
Reibe von Schnitten zu studiren und zahlengemäss festzulegen. 

Ich wählte dazu das Gehirn eines 33 Jahre alten Schreineis, welches icb 
der Güte des Prosectors am Hamburg-Eppeudorfer Erankenhause, Herrn Dr. 
Edoen Fbäneel, verdanke. Der Patient war geistig normal gewesen und an 
Phthise sehr schnell gestorben. 

Nach mehrwöchentlicher Härtung in MOLLSB’scher Lösung tbeilte ich die 
rechten Centralwindungen in sechs ungefähr gleich grosse Blöcke, numerirte sie 
so, dass der am grossen Längsspalt gelegene der erste, das Opercnlum dei 
sechste war, bezeichnete durch eine eingestochene Nadel die vordere Central- 
Windung, härtete in Alkohol fertig, bettete in Celloidin ein und fertigte dam 
Serienschnitte an, die die Zahl von 1741 einzelnen Schnitten ergaben. 

Geerbt wurden sie dann alle hinter einander nach der von Kaes modi 
ficirten WoLTEEs’schen Methode (6), deren Vorzüge auch ich nach jetzt fas 
4jähriger Benutzung für Markscheidenfarbungen des ganzen Nervensystems nicb 
warm genug empfehlen kanu. 

Die Benennung der einzelnen Schichten kurz berührend, schliesse icb micl 
den von Edinoeb vorgeschlageueu provisorischen Namen (7) an. 

Wenn ich auch an dieser Stelle von einer Mittbeilung der genauere 
Messungen absehe, ergeben sich doch bei einfacher makroskopischer, und noc 
mehr bei mikroskopischer Untersuchung interessante Facta, deren wichtigste ii 
folgenden kurz mitgetheilt seien. 


ig li^cd cy Google 



243 


Bebn Vergleich der Schnitte der vorderen rechten Gentralwindong finden 
äch unter dem Bchmalen glioeen Saum die Tangentialfasern von Block zu Block 
JOfläunend stärker geschichtet; ihre Breite ist im ersten am geringsten, im 
Tinten am grössten; dann wird sie im fünften und sechsten wieder geringer. 

Das Haaptinteresse wmidet sich aber der Betrachtung des darunter gelegenen 
iopenadiären Faserwerks zu, auf dessen Wachsthumsverbältnisse bereits Kaks 
in lanen VeröffentUchungen des öfteren hingewiesen hat 

Während im eisten Blocke basalwärts gerechnet nur einzelne Fasern auf* 
treten, finden wir im zweiten und dritten eine gleichmässige, stetig zunehmende 
Sehiehtnng, so dass im vierten diese bis an die Tangentialfasem heranreicbt 
fileiehzeitig geht mit wachsendem Faserreicbthnm ein Schmälerwerden der ganzen 
Sclbdit einher. Bei den beiden letzten Blöcken finden wir jedoch eine wieder 
biQter^ fast völlig faserlose Schicht 

Das intenadiäre Flechtwerk nebst äusserem (BaQlarger, auch Gennari ge¬ 
mimtem} Streifen bedingt das oben erwähnte Schmälerwerden des superradiären 
raseiwerkes, indem es gleichsam peripher gerechnet hinaufirückt Gleichzeitig 
vir sodann eine tiefer gelegene Schichtung des zweiten Baillaiger-Streifens, 
da sohmäler und wen^er dicht als der äussere ist Beide sind nicht scharf 
^tgegrenzt, sondern heben sich mit verschwommenen Bändern durch stärkere 
Sthichtnng hervor. 

Wir finden also in diesen 
beden Schichten ein regelmäs- 
^ sduittweises Auftreten von 
Tom ersten bis zum vierten 
Bkd, so dass wir in letzterem 
dia hserreicbsten Partieen vor 
um laben. 

Die flg. 1 entstammt dieser 
'rtgend und ist, mittelst Ocular- 
oifaoiDeter genau gem^sen, ab- 
foachnet Die Fig. 2 ist der 
wespondirende Schnitt der 
hinteren Centralwindung. 

Die deutlichen Unterschiede 
fiten Schichten springen uns 
siirt in die Angen; im allge- 
nMffien sind sie alle faserärmer, 
dicht und seltener mit 
di^n Fasern durchsetzt, wie 
die Tordeie Centralwindnng. 

Da interessantesten Befund bil- 
da viedenim das superradiäre 
FMenrerb^ond das interradiäre Flecbtwerk. Auch die verschiedenen Yerbältnisse in 
<te& Markstiahlen beider Windungen treten deutlich in den Zeichnungen hervor. 

18 * 



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244 


Ohne mich auf voreilige Schlüsse einzulassen, weise ich darauf hin, dass 
diese faserreichsten Partieen des vierten Blockes der Hand- und Fingerr^oii(8), 
die faserarmsten des fünften und sechsten der B^on des Kopfes, der Facialis- 
und Hypoglossu^^end entsprechen. 

Ich behalte mir vor, die genaueren Befunde meiner Hessungen in einer 
grösseren Veröffentlichung niederzulegen, zumal Ei>iiigeb(9) noch kürzlich den 
Werth solcher genauen Messungen anerkannte. Auch beabsichtige ich sodann, 
meine Besultate durch Zeichnungen aus den verschiedenen Blöcken zu illustriren. 


Xiitteratur. 

1 Kabs, Thbodob: Ueber den Markfasergehalt der GroBshimiinde eioee */ 4 j^rigeD 
mänolicbeo Kindes. Irrenanstalt Friedricheberg. Jahreebericbte der Hamburger Staat8> 
krankenanstalten. 1898—1894. 

2 Derselbe: Beitrüge zur Kenntniss des Beicbthoms der Grossbimrinde des Menscben 
an markbaltigen Nenrenfasem. Arch. f. Psyob. u. Nervenkrankb. XXV. 1893. S. 

8 Derselbe: Ueber die markbaltigen Nerrenfasem in der GroBshimrinde des Hensdien. 
Neurolog. Centralbl. 1694. Nr. 11. 

4 Derselbe: Ueber Groasbimrindenmaasse und Ober Anordnung der Markfasenysteme in 
der Binde des Menscben, ein Beitrag zur Frage: Untersobeidet sieb die Rinde des Cnltor- 
menscben von der der niederen Kasse. Vortrag, gebalten auf der Naturforsoberrersammlung 
zu Lübeck 1895. 

5 Derselbe: Beiträge zur Kenntniss des Harkfase^ebaltes der Grossbimrinde bei 
Idioten mit verglricbenden Rindenmessungen. Monatssebr. f. Psyob. n. Neurol:^e. 1897. 
S. 807 u. 879. 

S Derselbe: Die Anwendung der WoLTBBs’soben Methode auf die feineren Fasern der 
Hirnrinde. Nenrolog. Centralbl. 1891. Nr. 15. 

7 EnraaKK, Lnowio: Nervöse Centralorgane. 5. Aufl. Leipzig 1896. S. 228. 

8 TOK Monakow: Gebimpatbologie. Wien 1897. 8. 881. 

9 Edixqu, Ludwio u. Wallknbbbq, A.: Beriobt über die Leistungen auf dem Gebiete 
der Himanatomie. 1695—1696. S. 85. 


2. Zur Casuistik der Kleinhimtumoren.* 

Von Dr. A. Boettiger, Nervenarzt ln Hamboi^. 

Werner St, 11 Jahre alt, ana Altona, Eisenbahnbeamtensohn, kam am 14. De- 
cember 1897 in meine Sprechstunde. Er ist heredit&r nicht belastet, der zweite 
von sieben lebenden Geschwistern, die ausser ihm alle gesund sind; das erste Kind 
wurde tot geboren. 

Patient selbst wurde leicht geboren, litt dann an Bhachitis und lernte erst mit 
3 Jahren lanfen und noch etwas später sprechen. Er war immer stiller nnd mehr 
für sich als seine Geschwister und seine Altersgenossen, biess nnr immer der 
Träumer. Mit ca. 3 Jahren stürzte er von einem Wagen und musste 1—2 Tage zu 
Bett li^en, hatte eine grosse Beule am Kopfe. 


* Demonstration im inUioben Verein an Hambu^ am 18. Januar 1898. 


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245 


Yor einem Jihre fing er an, unsicher zn gehen; er schwankte zeitweilig, hatte 
nach rftckwärts zu fallen, ging breitbeinig and klagte Ober Schwindelgefbhl; 
(k^eebeint er onter Schwindel hanptsächlich nnr seinen nnsicheren Gang zn verstehen. 
Drdischwindel nach einer bestimmten Seite will er nicht gehabt haben, hingegen zuweilen 
SchviDdelan&Ue mit Hinstftrzen. Seit nngeßhr Jahre verschlechterte sich allmäh- 
lidi Kine Schrift in ganz aaffäll^er Weise and schliesslich in solchem Grade, dass 
k hehrer, nachdem er die sebriftUchen Arbeiten anfangs mit Censor 4 und 5 bedacht 
htt«, dieselbe endlich als krankhaft erkannte und den Patienten nach Hanse schickte, 
öläehseitig waren Kopfschmerzen, namentlich in der Stirn, und hin und wieder 
HuksBSteifigkeit anfgetreten, ferner Erbrechen, und zwar vorwiegend Nachts oder 
ttfui Morgen. Vor ca. 8 Monaten begannen Sehstörnngen sich bemerkbar zu 
nctra, er hatte Nebel vor den Augen und ab und zu Doppeltsehen, aber nur beim 
Bbck gnade ans and in die Feme. Änfallsweise soll auch Saasen in den Ohren 
batioden haben, ln letzter Zeit will er beobachtet haben, dass er beim Torkeln 
Mut nach der rechten Seite zn fallen droht Und den Eltern ist anfgefallen, dass 
ff a allen Hantimngen, beim An« und Anskleiden immer ungeschickter und lang* 
uw geworden ist 

Status: Patient ist ein mittelgut genährter Junge mit leicht benommenem 
Gokhtaausdmck; er hält den Kopf in steifer gerader Haltung fixirt steht breit- 
böng da und zeigt dabei deutliches Wackeln und Balanciren des Bumpfes. Lässt 
am Dm die Fftsse schliessen, so nimmt das Schwanken noch erheblich zu, nicht 
tbcr, wenn ausserdem noch die Augen geschlossen werden. Sein Gang ist gleichfalls 
^«tbtinig, schwankend, bei Wendungen noch besonders stark torkelnd, bei ge* 
Augen nicht unsicherer als bei offenen. Er scheint stets mehr nach 
ndtta als nach links zu schwanken. 

Die weitmw Untersuchong eigiebt keine Schmerzhaftigkeit des Kopfes bei Be* 
tiepfeo, namentlich auch nicht ttber der Stirn, wo die spontanen Kopfschmerzen 
^tien. 

Die Popillen sind normal, die Bulbi nach allen Seiten ausgiebig und gleich- 
sing beweglich: kein Nystagmus. Doppeltsehen vrird nicht ang^eben. 

^hachärfe etwas herabgesetzt, Zeitungsdruck wird mit jedem Auge erst in 
ca, 12—15 cm Entfernung gelesen. Keine Hemianopsie. Im Angenhinteigrund be* 
atikt beiderseits Stauungspapille mit frischen Blutungen, links stärker als rechts. 

Mimische Bewegungen sind anf beiden Seiten gleich gut Der linke Gaumen* 
togmi steht tiefer als der rechte und ist viel weniger gut beweglich. Die Zunge 
wird in ganz choreatischer Art und Weise im Munde spontan hin* und hergeworfen, 
nrode und ohne Zittern anf Geheiss heraasgestreckt. Sensibilitätsstörungen fehlen 
m Gesidit wie fibarhaopt am ganzen Körper. 

Gehör beiderseits gleich gut, Geruch und Geschmack ohne Abnormitäten. 

Hffz und Lungen normal. Puls 120—130, Athmung 14—16 in der Minute. 

Die Wirbelsäule ist auf Druck nicht schmerzhaft 

Ao den Armen ist die grobe Kraft beiderseits gleich, nur mässig; die activen 
Dewegoageo sind sämmtlicb au^iebig vorhanden, nur fällt bei den feineren Finger* 
Wwegiugeu rechts eine sehr deutliche Schwer^ligkeit und Verlangsamung im Ver* 
IST linken Seite auf. Die passiven Bewegungen sind frei. Bei Greifen nach 
GflgeastäadeD, namentlich bei raschem Tempo, sieht man rechts leichte Zick*Zack* 
bffveguugwi und etwas Ausfahren, links nichts derartiges. Die ausgestreckten Hände 
nicht; lässt man den Patienten hingegen schreiben, so beobachtet man an 
dam «Btblfiasten rechten Unterarm einen ganz langsamschlägigen rhythmischen 
Tims Ul, welcher den Bleistift in eine direct undulirende Bewegung versetzt Schreib* 
« mit der linken Hand, so fehlt dieses Symptom. 

Ich bringe einige Schriftproben aus der Zeit der Entwickelung der Krankheit, 
wa d ele e ich aus seinen Schulheften entnommen habe und die das allmähliche Fort- 


nyGOOgIC 



246 


scbmten* dieser StOnmg in ezqaifflter Weise veranschanliclieD. Abbildung 1 zeigt 
die,ersten An^ge, welche fast nur bei längeren Strichen hervortreten; die Schrift 
stammt vom 6./V. 1897. Schon un 26./yi. 1897 theilt sich der Tremor auch den 



Nr. 1. 









Nr. 4. 




Nr. 6. 


kleineren Strichen mit (Abbildung 2). Weitere Verschlimmerungen sehen wir au 
Abbildnng 3 und 4 vom 27./Vm. und 9./XI. 1897, Schriften, welche beide au 
häuslichen Arbeiten stammen, während bei Dictaten schon frflher noch hochg^radi^er 
StOmngen eraicbtlioh wnrden, wie Abbildung 5 vom 13./IX. 1897 zmgt. Kin 


Dig v7cö 


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247 


B&odiche Arlmt endUcli vom 2./XII. 1897 ist nur noch mit Höhe za entziffern 
(Abbildang 6) and wurde endlich als krankhaft in der Schrift erkannt. Der 
Ckankter der Stdrong ei^iebt sich ohne weitere Beschreibang aus den gegebenen 
Soehproben. 

Die Schrift mit der linken Hand zeigte hie nnd da Anklange an die rechts* 
seitigMi Stdmngen, aber nur in sehr geringem Grade. 

Im CTebrigen b^tand an den Armen noch beiderseits herabgesetzte mechanische 
Moskeierregbarkeit nnd Fehlen der Sebnenreflexe. 

An den Beinen ist gleichfalls kein Unterschied in der groben Kraft zwischen 
baden Seiten, actire and passive Bewegungen ohne Besonderheiten, uar werden die 
Zebenbewegimgen rechts etwas langsamer ausgefOhrt als gleichzeitig links. Bewegungen 
der Beine m Bflckenlage zeigen keine Ataxie, acch nicht bei geschlossenen Augen. 
Dw Kniereflex ist nur rechts und auch da nur mit JsNimAssiK’schem Kunstgriff 
IQ bekommen. Der Achillessehnenreflex ist rechts normal, fehlt links. Die Haut- 
refleze sind normal auf beiden Seiten. 

Blasen* and Hastdarmstörungen fehlen. Urin normal. 

Patient erhielt Jod und Eisen in grossen Dosen mit dem bisherigen Erfolg, 
dass das Erbrechen bedeotend seltener, die Schrift etwas deutlicher und die Stauungs¬ 
papille beiderseits etwas geringer geworden Isi Die Qbrigen Sjmptome sind ziemlich 
(mrerandert geblieben, die Unsicherheit im Geben und Stehen hat noch zugeDommen. 

Die Diagnose lautet im vorliegenden Falle auf einen Tumor des Kleinhirns, 
das steht wohl ausser allem Zweifel. Der Beginn mit Gleichgewichtsstörungen, 
das firöhzeit^e Auftreten von Erbrechen und Stauungspapille, sprechen fflr die 
hintere Sd^elgrube. Die Ataxie beim Gehen und Stehen zeigt zudem einen 
ganz cerebellaren Charakter. Und ausserdem haben wir noch constatirt: Fehlen 
des RoiTBEBu’scheD Symptoms und Ueberwiegen des Schwankens nach reohts, 
sowie Schwindelanfalle. Ferner Parese des linken Gaumeubogens, choreiforme 
Bewegungen der Zunge, Beschleunigung des Pulses; Behinderung der feineren 
Finger- und Zebenbewegungen rechts, deutliche, wenn auch nur geringe Ataxie 
im rechten Arm, Intentionstremor in der rechten Hand besonders bei com- 
plicirteren Bewegungen wie dem Schreiben, herabgesetzte mechanische Muskel¬ 
erregbarkeit (die elektrische war normal), Fehlen der Sebnenreflexe mit Aus¬ 
nahme des in normaler Stärke Torhandenen rechten Achillesreflexes und des 
itark abgeschwächten rechten Patellarreflexes. 

Um zu einer genauen Diagnose der Seite zu kommen, auf welcher der 
Tumor sich entwickelt bat, ist es nothwendig genau zu analysiren, welche von 
den Kiankheits^mptomen als directe Kleinhimsymptome und welche als sogen. 
Nadibarschaftssymptome zu betrachten sind. Wir werden dabei, wie alle 
neueren zn diesem Thema sich äussemden Autoren, zugleich die vorzüglichen 
physiologischen Forschungen Lüciaki’s zu berücksichtigen haben, welche ge¬ 
ebnet sind, wesentlich zur Klärung der uns beschäftigenden Fr^en beizutragen. 

Wir wollen zunächst absehen von den allgemeinen Hirndruckerscheinungen, 
Kqi&chmerz, leichte Benommenheit, Erbrechen und Stauungspapille; von letzterer 
ist nur speciell bervorzuheben, dass sie links stärker als rechts ist. Am frühesten 
trat bei unserem Patienten auf und beherrscht überhaupt das ganze Krankbeits- 
Idd die cerebellare Ataxie, die als directes Kleinhimsymptom zu deuten ist 
Das Schwanken findet mehr nach rechts statt nnd, wie mehrfach von anderer 


Google 



284 


Seite herrorgehoben worden ist, soll dies für linksseitigen Sitz Tumors 
sprechen. Doch sind auch Beobachtungen im entgegengesetzten Sinne gemacht 
worden, so dass vorläufig mit dieser Erscheinung noch nichts Sicheres anzu¬ 
fangen ist. 

Schwindelgefühl und Schwindelanfälle sind mit Läsionen des Labj' 
rinths oder des N. vestibularis in seinen peripheren oder centralen Bahnen in 
Zusammenhang zu bringen. Da Gehörstorungen bei dem Patienten fehlen, so 
ist eine Läsion des peripheren Vestibularis ausznschliessen, da sonst wohl eine 
gleichzeitige Schädigung des N. cochleae kaum ausbleibeu würde. Vielmehr 
haben wir an die Gegend des Corpus restiforme und der centralen Kerne des 
Kleinhirns, als die centralen Bahnen und Endausbreitungen, bezw. Ursprünge 
des Vestibularis zu denken. Doch kann bisher keine weitgehende Schädigung 
derselben stattgefunden haben, da der Schwindel doch nur vereinzelt zur Be¬ 
obachtung gelai^ ist 

Nach Lüciani ist der functionelle Einfluss des Kleinhirns auf die Körper¬ 
muskulatur ein dreifacher, nämlich sthenischer, tonischer und statischer, und 
Läsionen des Kleinhirns bedingen demnach Asthenie, d. h. Schwäche der Musku¬ 
latur, Atonie, d. h. Verminderung des Tonus derselben, und Astasie, d. h. co- 
ordinatorische Unregelmässigkeiten in der Aufeinanderfolge der Muskelcontractionen. 
Sind die Kleinhimläsionen auf eine Seite beschränkt, so zeigen sich diese 
Störungen auf der gleichen Körperseite. Von asthenischen Erscheinungen haben 
wir, wenn wir nicht nach dem Vorgänge Luoiani’s und beistimmenden Be¬ 
merkungen Anderer, z. B. Risien Bussbl’s, Bnims* und A. Steffen’s, die 
cerebellare Ataxie auf Schwäche der gesammten Muskulatur, und besonders der 
Rumpfinuskulatur zurüokführen wollen, bei unserem Patienten keine zu er¬ 
wähnen. Hingegen fiel bei ihm eine deutliche Herabsetzung der mecha¬ 
nischen Mnskelerregbarkeit auf und ich möchte hierin den Ausdruck eines 
herabgesetzten Muskeltonus erblicken. Auf ein Symptom möchte ich gleich hier 
noch eingehen, das ist das Verhalten der Sehnenreflexe. Sie fehlen links 
ganz und sind rechts zum Theil sehr herabgesetzt. Speciell das Fehlen der 
Patellarreflexe ist bei Eleinhimtumoren öfter beobachtet worden, ohne bisher 
eine sichere Erklärung zu finden, ln einzelnen Fällen, so von WoLiiBNBnBG, 
wurden ja Buckenmarksveränderungen gefunden, von Nonne auch gleichzeitige 
Sarcomatose der Buckenmarkshäute, aber es giebt eine grosse Beihe sicherer 
Beobachtungen, in denen das Fehlen der Beflexe bei uncomplicirter Kl einhir n, 
erkrankung bestand. Nonne hat noch kürzlich die verschiedenen in Betracht 
kommenden Theorieen zur Erklärung dieses Verhaltens zusammengestellt ^ Die 
erste derselben, Annahme der Aufhebung einer supponirten antagonistischen 
Wirkung des Kleinhirns gegenüber dem Befiel hemmenden Einfluss des Gross- 
hims, ist eine durch nichts bewiesene Vermuthang. Die zweite, welche das 
Fehlen der Beflexe auf einen complicirenden Hydrocephalus zurückführt, kommt 
in unserem Falle nicht in Betracht, da sich dann nicht erklären Hesse, warum 


^ Nenrolog. Centralbl. 1897. S. 266. 


D a l'/orl ny GOO^ IC 



249 


dk Beflexe linlm aufgehoben, rechts (wenigstens an den Beinen) jedoch tbeils 
Torhanden, theiis abgeschwächt sind. (Dasselbe Moment spricht Obrigens in 
tneerem Falle auch g^n die schon ausgesprochene Theorie von einem toxiscfaeu 
Emflos der Tomorsäfte auf die Hinterstrai^ des Rückenmarks und dadurch 
bedii^ Aosfallserscheinangen auf dem Gebiete der Beflexe.) Eine 3. Theorie 
nimmt Dnickreizung in der MeduUa oblongata an, wobei aber wunderbar bleibt, 
dam eine Beizung motorischer und Reflexbahnen die Reflexe aufheben soll, 
tag mit sonstigen pathologisch - anatomisch gestützten klinischen Beobachtungen 
im Widerspruch steht Endlich führt eine 4. Theorie das Schwinden der Reflexe 
uf Atonie der Muskulatur zurück, eine Theorie, die mir in unserem Falle am 
meeten anwendbar zu sein scheint, da wir ja auch schon die herabgesetzte 
mechanische Muskelerr^barkeit zu registriren hatten. Ausserdem lässt sich die 
Halbseitigkeit der Erscheinung sehr gnt mit den Eigebnissen Lüciani’s Te> 
doigen, nach denen halbseitige KleinhimläBioneD Atonie derselben Eörperseite 
benorrofen. Wir hätten demnach den Rückschloss zu machen, dass der Tumor 
bd oDserem Patienten linksseitig sässe. 

Ob die cboreatischeu Bew^ungen der Zunge als Zeichen von Astasie anf- 
niassen sind, lasse ich dahingestellt Ein directes Herdsymptom kann es sein 
BMh anderen Beobachtungen, z. B. denen von Pbtebsen, welcher bei einem 
Gliom des Mittellappens choreatische Bew^ungen in den Muskeln des Gesichts, 
Halses und aller 4 Extremitäten sah.^ 

Die nächste Gruppe Ton Erankheitserscbeinungen wollen wir zusammen- 
hetnehten, naxulich ^e TJnbeholfenheit in den feineren Finger- und 
Zehenbewegungen rechts ohne Herabsetzung der groben Kraft, die 
leichte Ataxie in der rechten Hand und dem Intentionstremor 
Bamentlich ebenda. Von der Ataxie ist gewiss, dass sie nicht als directes 
Hodsymptom des Kleinhirns anzusehen ist, dass sie vielmehr auf Druckwirkung 
uf den danmterli^enden Himstamm zurückzuführen ist, wie eine grosse Anzahl 
^ Knzelbeobachtungen beweist, cf. Oppenheim und Bbuns. Die cerebellare 
Ataxie cbarakterisirt sich durch gleichmässiges Betroffensein der ganzen Körper- 
ooskniatur, aber nicht einzelner beschränkter Körperabschoitte. 

Der in unserem Falle so schön ausgeprs^ Intentionstiemor des rechten 
Armes ist gleichfalls mit grceser Wahrscheinlichkeit auf Druck der Bahnen des 
Himstamnies zu beziehen, wie andere Fälle mit Obductionsbefund, z. B. von 
Oppesujum, Bbuns, Wollenbebo, Donath u. A. beweisen. Da durch den 
Druck des Tumors die Linksseitig verlaufenden, noch ungekreuzten motorischen 
ßahnmi betroffen sein müssen, weil ja die Storungen die rechte Seite befallen 
hat»i, IO hätten wir darin ein weiteres Aigument für die Annahme eines links- 
setig sitzenden Kleinhimtumoi^ gewonnen. Auch die Ungeschicklichkeit in den 
reehtai fingern nnd Zehen ist ein Symptom der Läsion der centralen moto- 
OBchen Bahnen zwischen Grossbirnrinde und Rückenmarksvorderbörnem, wie 
BBQ bei entsprechend sitzenden Tumoren des Grosshims oder Fons öfter 


Google 


I Joarnal of oarvoiu and mental disease«. Vol. XXI. S. 898. 



250 


beobachten kann. Auch sie spricht demnach für Druck auf die linke H&lfte 
des Hirnstammes. Man darf diese Ungeschicklichkeit übrigens nicht mit der 
halbseitigen Asthenie Luciani’s verwechseln. Zweifelhaft könnte schon eher sein, 
ob der Tremor ein Symptom der Asthenie ist, was aber für unseren Fall zu 
verneinen ist, da ja sonst der Tremor links auftreten musste. 

Erscheinungen seitens der Himnerven haben wir nur in sehr spärlichem 
Grade, solche der Augenmuskelnerven und des Trigeminus fehlen ganz. Da¬ 
gegen deutet wohl die Pulsbeschleunigung auf eine Beeinträchtigung des Yagos- 
centrums oder -Nerven. Für die Diagnose der Eörperseite ist damit nichts 
anzufangen. Ausserdem bat die Untersuchung nur noch eine Parese des 
linken Gaumenbogens ergeben und schliesslich hat Patient einmal geäossert, 
dass ihm das zuweilen auftretende Ohrensausen das linke Ohr zu be¬ 
treffen scheine. Diese beiden Symptome sind, wenn überhaupt, dann auf Be- 
tbeiligung des linken Facialis und Acusticus zu beziehen und würden also 
gleichfalls für linksseitigen Sitz des Tumors sprechen. Ferner deutet das 
Verschontbleiben der Augenmuskelnerven darauf hin, dass der Tumor so weit 
nach hinten im Kleinhirn sitzen muss, dass vorwiegend die distalen hümnerven- 
paare seinem Druck ausgesetzt sind. 

Alles in allem ergiebt die Analyse der Erankheitserscheinnngen, dass mit 
grosser Wahrscheinlichkeit ein Tumor des Kleinhirns, und zwar im hinteren 
Theil der linken Hemisphäre diagnosticirt werden darf. Welcher Art dieser 
Tumor ist, lässt sich schwer sagen. G^en einen Tuberkel spricht, wenn auch 
nicht absolut, dass Tuberculose in der Familie des Patienten nicht heimisch 
ist und Patient selbst auch keinerlei Erscheinungen sonstiger Tuberculose dar¬ 
bietet. Bleibt nur die Annahme eines Glioms oder Sarcoms. Das verhältniss- 
mässig langsame Fortschreiten der Symptome und demnach wohl auch nur 
langsame Wachsthum der Geschwulst lässt die Annahme eines Glioms berech¬ 
tigter erscheinen. Damit werden auch die Aussichten einer etwaigen Operation 
auf ein äusserst niedriges Niveau herabgedrückt Sollte eine Obductio iutra 
vitam oder post mortem voigenommen werden, werde ich nicht verfehlen, den 
Befund kurz mitzutheilen. 


3. Zur Aetiologie der functionellen Neurosen (Hysterie und 

Neurasthenie). 

Von Dr. E. Biernaoki, 
ordinir. Arzt am Wola-Krankenhaas za Warscbaa. 

Was im Nachfolgenden Über die Aetiologie und das Wesen der Hysterie 
und Neurasthenie mitgetheilt wird, kann vorläufig nur als Hypothese gelten. 
Es ist dies aber eine Fr^e, welche in so bequemer Weise und so beweiskräftig, 
wie z. B. die Aetiologie der Infectionskrankbeiten, kaum je beantwortet werden 
kann. Zweitens darf ich meine Auffassung ganz neu vielleicht nicht nennen: 


K.Googlc 



251 


dMS und jenes lässt sich wahrscheinlich hier und da aufßnden, die Idee exi- 
stirt, SQXQsagen, im schlammemden Zustande. Es scheint nur, dass die mitzn- 
täakmd^ Ansichten in der gewählten Form und Abrundnng noch nicht aus- 
g^rochen wurden. Und wenn anch in unserer Wissenschaft die geringsten 
Tbatsachen mit Recht mehr bedenten, als die geistreichsten Hypothesen, so wage 
kh doch meine Theorie zu pnbliciren in der Ueberzengang, dass sie besser als 
die bisherigen viele Erscheinungen der Hysterie und Neurasthenie klärt. 

Gegenwärtig werden Hysterie und Neurasthenie als primäre Erkrankungen 
des Nmensystems angesehen, welche sich mit ihrem Charakter und Symptomen 
foo einuider unterscheiden, doch sehr häufig zusammen Vorkommen („Hystero- 
BomsUienie^. „Die Symptome der Neurasthenie sind die der Ermüdung; die 
Neurasthenie ist eine durch Tbätigkeit herbeigeführte gesteigerte Ermüdbarkeit; 

grösser die angeborene Anlage, um so geringer braucht die krankmachende 
Thät^eit zu sein“ (Moebutb).^ Dt^gen ist die Hysterie gemäss den Arbeiten 
der französischen Schule (Ghabcot, Janbt) und in Deutschland vor Allem 
Moebiüs eigentlich eine Geisteskrankheit, deren Symptome meistens auf psy- 
cfasebem Wege entstehen. „Alle hysterischen Erscheinungen sind Suggestionen 
der Form nach, ein Theil von ihnen ist dem Inhalte nach nicht suggerirt, 
sondern räie krankhafte Reaction auf Gemüthsbewegungen“ (Moebiub).^ Was 
% ein Zustand der Nervenzellen den unmittelbaren Ausgangspunkt für die 
Jonetionellen“ Nervensymptome bildet, bleibt bisher vollkommen dunkel. Man 
kollt die Lösung der Frage auf anatomischem Wege zu finden. Allerdings liegt 
die Ursache dieses Zustandes (als Ursache der Hysterie) in der Heredität: bei 
angeborener Anlage haben anderweitige Momente — Gemüthserschütterongen, 
Trauma, dironische ConstitutionserkraDkungeu, chronische Intoxicationen u. dgl. —, 
velebe auch als „Ursachen“ der Hysterie angegeben werden, nur die Bedeutung 
roll ,^gents provocateurs“. 

Der Gedanke, dass der pathogenetische Schwerpunkt bei functionellen Neu- 
nsen nicht im Nervensystem liegen kann, ist bei mir anlässlich der Blut- 
untersuehuDg in zwei Fällen schwerer Neurasthenie vor einigen Jahren ent- 
Manden. Trotzdem das Blut bezüglich des Wasser- und Hämcglobingehaltes, 
«rita des Gehaltes an anorganischen Bestandtheilen, seitens der Blutkörperchen- 
aU D. 8. w. normal oder fast normal war, zeigte es einige Eigenthümlichkeiten, 
und namentlich einige Zeichen des defibrinirten Blutes: es sedimentirte so 
langsam, wie das defibrinirte Blut, und bildete dabei ein grosseres Sediment, 
als in der Norm. Es wurde sogar dieser Zustand unter dem Namen von 
sCHigoidasmie“ von mir beschrieben, indem deren Ursache Armuth an Fibrinogen 
n min schien. In der That liess sich das frisch aus der Ader gelassene 
Bhit dieser Neurastheniker sehr schwer defibriniren und war die Fibrinaus- 
Hketdung makroskopisch sehr gering. Ja, auch bei qualitativer Fibrinbestim- 
mung in zwei späteren Fällen von Neurasthenie mit „oligoplasmiscben“ Blute 
nn^ untemormale Werthe bestimmt (LT'^/oq statt der normalen 2°Iqq). 

* Hoebios, Neurobg. Beiträge. 11. S. 69. 

* L €. L 8. 3t. 


Google 



252 — 


Noch mehr machte auf sich aufmerksam ein Fall von hysterischer Stumm¬ 
heit bei einer 30jähr. kräftig gehanten Frau. Das Blut enthielt bei normaleo 
sonstigen Yerhältnissen ca. 4^/oo Fibrin, d. b. zweimal mehr als in der Norm, 
obgleich keine der üblichen Ursachen der Fibrinsteigerung (vor Allem Fieber) 
vorhanden war. Die Beobachtung blieb nicht vereinzelt: bald darauf habe ich 
in einem Falle von männlicher Hysterie Fibrin gefunden. 

Seitdem die spontane Blutsedimenürung, als eine wissenschaftliche und 
praktische Untersuchungsmethode angewendet worden war, konnten die obigen 
Beobachtungen systematisch fortgesetzt werden. Das Wesen der Methode^ 
besteht darin, dass mem die Geschwindigkeit der spontanen Blutsedimen- 
tirung, d. h. der Theilung des Blutes in zwei scharf abgegrenzte Schichten, die 
des Plasmas und die des rotben Bodensatzes im Oialatpulverblnte (ungeronnenen 
Blute), auch im defibrinirten Blute verfolgt Man bedient sich nur. kleiner, 
durch Function der Yena mediana gewonnenen Blutmengen (1 ccm), welche 
gleich nach der Entnahme in speciellen in Vio gotbeilten Gylinderchen zur 
Sedimentirung gelassen werden. Die Ausscheidung des Plasmas erfolgt sehr 
rasch, so dass der grösste Theil desselben häufig schon nach 1 Stunde abge¬ 
schieden wird. Man liest die angesammelte Plasmaquantitat nach Ys> 1 
und dann nach 24 Stunden ab, d. h. zur Zeit, als der Sedimentirungsprocess 
zu Ende gekommen ist In der Norm werden nach der ersten hiUben Stunde 
etwa 25—35%, nach der ersten Stunde 45—70% der gesammten (nach 
24 Stunden sichtbaren) Plasmamenge ausgeschieden. Für die normale Sedi- 
mentimngscurve erscheint es dabei charakteristisch, dass in der ersten halben 
Stunde annähernd ebensoviel, mitunter etwas mehr Plasma als in der zweiten, 
zum Yorschein kommt Endlich ist im normalen Blute das Yolumen des constanten 
rothen Sedimentes, merkwürdigerweise, der Zahl von Hunderttausenden Blutkörper¬ 
chen gleich, oder steht es ihr sehr nahe. So z. B. werden aus 5,35 Millionen 
Blutkörperchen im ganz normalen Menschenblnte etwa 51—54 Yol. Procent, 
aus 5,6 Mül. 55—58 Yol. Procent Sediment u. s. w. gebUdet 

Thatsache ist, dass die spontane Blutsedünentirong kein rein mechanis(dier 
Yorgang ist; Thatsache kann auch angesehen werden, dass die Geschwindig¬ 
keit der Blutsedimenürung mit dem Fibrinogengehalte im Zusammenhänge 
steht: mit der Zunahme des Fibrinc^ns n imm t die Sedimentirungsgeschwindig- 
keit zu, mit dessen Abnahme nimmt sie auch ab. * Eben dank diesem Umstande 
ist die Sedimentirungsgeschwindigkeit im defibrinirten Blute in der Kegel ge¬ 
ringer als im diesbezüglichen Ozalatblute. Die Fibrinogene erleiden aber im 
stehenden Ozalatblute eine Umwandlung und ihre Menge nimmt langsam, doch 
constant ab. Andererseits findet im stehenden defibrinirten Blute häufig eine 
Regeneration der Fibrincgene statt. Durch diese Frocesse und ihre verschiedene 


* Die Bescbreibnog der Methode a. in der Deatacheo med. WocbeDsohrift. 1897. Nr. 48, 
aooh Gazeta lekarska. 1897. Nr. 86 n. 87. 

* Die nähere Beapreohung dieser Thesen s. in meiner Arbeit: Weitere Beobaobtnngen 
fiber die spontane Blntsedimentirnng. Zeitschrift f. physiolog. Chemie. 1897. Bd. XXIII. 
H. 4 n. 5. 


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258 


Intoistät in veischiedenen Blutarten wird natürlich auch die Sedimentirungs- 
cone Uders, das g^nseitige quantitative Yerhältniss der zeitlich abgeschiedenen 
Flisma. and Semmportionen verschieden beeinflusst und modifioiTt. 

Be ünteisnchung von 18 Fällen von Hysterie und Neurasthenie, bezw. 
H/tiaooeaiastiienie habe ich nun ausgesprochene Yeranderungen der Blutsedi- 
nentinmg oonstant feststellen können, der Art, dass bei Subjecten mit vorwie- 
^atdeo Deuiasthenischen Symptomen sehr häu^ (doch nicht immer) eine abnorm 
latgBune Sedimentation, und bei den Kranken mit hysterischem Erankheits- 
Ude sehr häufig eine abnorm rasche Senkung zum Yorschein kam. Bei der 
tiiiK«iD langsamen Sedimentation war das Sedimentvolum trotz normaler Blut- 
loipachenzahl grösser und bei der abnorm raschen unter denselben Bedingungen 
tieiaer als in der Norm. Die Yeränderungen waren desto frappanter, als bei 
daer Beflte von diesen functionellen Nervenkranken, bei welcher auch das 
spedfiscbe Gewicht des Blutes u. dgl. bestimmt wurden, das letzte sich als 
oamal erwies. Unter 7 quantitativen Fibrinbestimmungen wurden dabei 2 Mal 
ihooim hohe (oben erwähnt) und 2 Mal abnorm niedrige Werthe getroffen. 

iuf meine Anregung unternahm Herr Dr. Luxenbubo, früherer Assistent 
ier hies^n medidnischen Facultätsklinik, die weitere Bearbeitung des Themas, 
ödem er ausser den Sedimentirungsverhältnissen zugleich den Wassergehalt des 
Geosimtblates und des Plasmas, die Blutkörperchenzahl und in vielen Fällen 
loeh den Hbringehalt in sorgfältigster Weise bestimmte. Die Untersuchung 
had in über 30 F^en Hysterie und Neurasthenie (meistens länger bekannte 
mie, darunter viele von „grosser“ Hysterie) statt Indem nun LiimTBUBG 
die Bhittörp^chenzahl und den Wasseigehalt des Blutes in der Fälle als 
abodat normal (auch bei anscheinend stark anämischem Aussehen der Kranken) 
fad, vermisste er Sedimentirungsanomalieen fast nie. ln den meisten 
lIQeo (etwa *|^) waren sie so stark ausgesprochen, dass ihre Existenz auch bei 
da treitesten Grenzen der Norm keinem Zweifel unterli^n konnte, in den 
tilgen zeigte die Sedimentirui^ allerdings diese oder jene Zeichen, durch 
vddte sie von dem normalen Yerhalten charakteristisch abwich. Besonders 
infes in letzteren Fällen häufig Anomalieen der Sedimentirungscorve stark 
so dass in der zweiten halben Stunde g^en die Norm 3—6 Mal mehr 
at^eschieden wurde, als in der ersten. Auch bei den quantitativen 
Rhonhestimmungen b^egnete Lijxenbubo abnorm hoben und abnorm niedrigen 
Ilbonwerttien nicht selten. 

Es sind also bisher ca. 50 Fälle von Hysterie und Neurasthenie auf die 
^^^dmentirongsverhältnisse untersucht; nach den Ergebnissen darf man behaupten, 
Im Abnormitäten der spontanen Blutsedimentirung bei diesen Krankheiten 
konstant ezistiren. Indem, wie gesagt, die spontane Blutsedimentirung mit 
^ Rbringehalte des Blutes im engen Zusammenhänge steht, darf man es als 
• ^*Bt e hen d annehmen, dass bei Hysterie und Neurasthenie der Gehalt 
laFibrinogenen, derenUmwandlung undRegeneration im absterben- 
*1^® Blute und die Fibrinmenge im Yerhältniss znr Fibrinogenmenge 
cftistant abnorm sind. 


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254 


Diese Thatsache gewinnt an Sinn und Bedeutung, nachdem die physio¬ 
logische Bolle der Fibrinogene einigermaassen geklärt worden ist Es gmd 
Körper, weiche dem Blute Eligenschaften des lebenden Gewebes yerleiheo; äe 
reguliren die Sauerstoficapacität und den Sauerstoffbestand des Blutes imd 
geht die Fibrinbildung mit der Bindung von lockerem Sauerstoff einher. Die 
FibrÜK^ene dürfen als in Oxydation begriffene Eiweisskörper angesehen werden.' 
Wenn nun einmal mittelst der q>ontanen Blutsedimentirung Anomalieen des 
Fibrinogenbestandes nachgewiesen werden, so gewinnt man dadurch mittelbar 
Hinweise auf einen abnormen Ablauf derjenigen Processe, welche mit der 
Regulation und dem Bestände an Sauerstoff zu tbun haben, d. h. der Oxy- 
dationsprocesse. Gewiss sind dies keine so genauen und bestimmten Hin¬ 
weise, wie sie mitunter durch die Harnuntersuchung (Nachweis von Zucker, 

. Aceton, Oxybuttersäure u. dgl.) geliefert werden. Dadurch kann aber der Werth 
der Blutsedimentirung nicht herabgesetzt werden in denjenigen Fällen, in welchen 
bisher keine Zeichen der abnormen Oxydation bekannt waren, Oberhaupt keine 
Methoden zur Ermittelung der letzteren existirten. 

Dass das oben gesagte speciell in Bezug auf die Hysterie und Neurasthenie 
keine zu kühne Schlussfolgerung, keine leere Hypothese ist, dafür spricht fol¬ 
gende merkwürdige Erscheinni^. Bei einigen Neurasthenikern ist mir schon 
vor längerer Zeit eine helle Färbung des venösen Blutes aufgefallen — 
um zu betonen — neben ganz normaler Blutkörperchenzahl und ganz nor¬ 
malem Wasser- und (natürlich) Hämoglobingehalte. Luzemboeq 
beobachtete dasselbe über 10 Mal unter seinen 30 Fällen, auch in dem Falle 
von klassischer traumatischer Neurose. Diese Helligkeit ist häufig so stark 
ausgesprochen, dass das venöse Oxalatblut im Gegensatz zu normalen Ver¬ 
hältnissen sich nur wenig mit seiner Farbe von dem arterialiarten defibrinirten 
Blute unterscheidet. Angesichts des Mangels von Hydrämie lässt dieses Ver¬ 
halten des venösen Blutes den Schluss machen, dass es zuviel Oxyhämoglobiii 
enthält, ln einem Falle von langsamer Sedimentirung bei einer Hysterischen 
habe ich in der That bei directer Gasbestimmung so viel lockeren Sanerstof 
im venösen Blute gefunden (ca. 13°/^), wie in keinem anderen, ln einen] 
anderen Falle von Neurasthenie mit nervöser Dyspepsie trat das abnorme Ver' 
halten des Sauerstoffbestandes im arterialisirten Flnoratblute hervor. In dei 
Regel findet man in solchem Blute desto weniger lockeren Sauerstoff je späte; 
es nach dem Aderlässe arterialisirt und entgast wird, während das defibriniit 
Blut am häufigsten das entgegengesetzte Verhalten zeigt (mehr 0 bei spätere 
Entgasung). Im Falle von Neurasthenie wurden 1 Stunde nach dem Aderlass 
im arterialisirten Fluoratblute 16,02 Vol. Procent, und 24 Stunden späte 
20,68 Vol. Procent Sauerstoff gefunden: es ähnelte also das Fluoratblut in dies« 
Hinsicht dem sonstigen defibrinirten Blute. 

Ich bin leider nicht im Besitze von Gasanalysen in den Fällen mit rasch« 


* Näheres darüber s. in meiner Abfaandlang: Beiträge zor PnemiDatologie d 
pathologischen MenBcbenblates a. s. w. Zeitachr. f. klin. Medicin. 1896—1697. 


Dig'ii7cd Cv" Google 



255 


SedimeoUtion bei functionelleD Neurosen: um nach sonstigen Krankheitsformen 
m benrüieilen, dürfte hierbei zu wenig Sauerstoff im venösen Blute zu erwarten 
seiiL Bs Mt ansserdem an solchen rasch sedimentirenden Blutarten bei Hysterie 
eise erhöhte Gerinnbarkeit häufig auf. Trotz Ueberschusses an Natriumoxalat 
(0^/,) bildete das Blut im Sedimentirungscylinderchen in einigen FäUen eine 
Gallerte, welche merkwürdigerweise manchmal sich wieder auflöste, um nachher 
isseh zu sedimentiren. Ehe Ich diese Eigenschaft kennen gelernt hatte, warf 
ich die Gallerte ans dem Sedimentirungsgefasschen fort und verlor somit die 
fieobaebtong. 

Beobachtet man einm^ zwei congruente Erscheinungen, so wird sofort der 
V^adit auf ihren gegenseitigen ursächlichen Zusammenhang erweckt Es 
s^tzt sich dabei natürlich die Frage dahin zu, was primär und was secundär 
isL Gemäss den modernen Ansichten über die Hysterie und Neurasthenie als 
Nervenkrankheiten würde die Auffassung der festgesteUten Sedimen- 
tinu^sanomalieen, als secundärer Erscheinungen Manchem ganz einfach 
cisdteineD. Dieser Annahme steht aber im Wege — die Constanz der 
Bhttreränderungen. Was secundär bei einer Erkrankung ist, pflegt vielleicht 
nm selten constant zu sein. Primäre Erscheinungen als Ursachen sind 
eoQstant und ansserdem specifisch. 

Nun sind diejenigen Sedimentirungsanomalieen, welche bei Hysterie und 
XeuiasUienie Vorkommen, zwar constant, doch durchaus nicht diesen Erkran- 
bogen allein eigen. Ganz dieselbe rasche Sedimentirung, wie bei Hysterie, 
bannt in der R^el bei febrilen Erkankungen, bei Tuberculose, bei 
iniinieen u. dgL vor; die langsame tritt bei Nierenkrankheiten, Herzfehlern 
acht selten ein. Es ist aber zu bemerken, dass die rasche und langsame Sedi* 
meatation bei anderweitigen Erkrankungen am häufigsten gleichzeitig mit Hy- 
dräfflie verschiedenen Grades existiren, während bei functionellen Neurosen, wie 
nmaJ erwähnt, das Blut nur ausnahmsweise erhöhten Wassergehalt zeigt. 

Han muss die Thatsache ins Auge fassen, dass die Sedimentirungsano- 
oalieen, indem sie auf gestörte Oxydation hinweisen sollen, an sich nur ein 
Symbol sind, in anal(^er Weise, wie das bronchiale Athemgeräusch Symbol 
V'a verschiedenartiger Lungenverdichtung ist. Somit kann eine und dieselbe 
Sedimentirungsverändemng Symbol von verschiedenartigen Oxydationsstörungen 
srio. Dem ist auch so: die rasche Sedimentirung bei Icterus und Infections- 
haakheiteD darf in der That auf identische Oxydationsstörung nicht hinweisen. 
Mag auch die rasche und die langsame Sedimentation bei functionellen Neurosen 
^eselboi Anomalieen des tbierischen Chemismus, wie z. B. bei Infectionskrank- 
beiten und Nephritis bedeuten, so haben wir in letzteren Erkrankungen mit 
^r Oi^nerkrankung und Infection zu thun, was beides in der Hysterie und 
Xmrasthenie fehlt 

Eine beweiskräftige Lösung der Frage nach der Specifität und dem Primär- 
^ der besprochenen Sedimentirungsbefunde lässt sich übrigens auf bisherigem 
nicht auffinden. Ich würde auch die Analyse dieser Befunde nicht so 
vät führen, wenn es eine Reihe von anderweitigen Thatsachen nicht gäbe. 


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256 


Diese Thatsachen stehen im besten Einklang mit unserer Deutung der 
Sedimentationsanomalieen bei Nervenkranken, als Zeichen der gestörten Oxr- 
dation; dadurch gewinnt auch diese Deutung immer mehr an Wahrscheinlichkeit, 
zugleich auch die Yermuthung, dass Störungen der thierischen Oxydation bei 
Hysterie und Neurasthenie primär sind. 

Thatsache ist es vor allen Dingen, dass der hystero-nenrasthenische 
Symptomcomplez im Anschluss, besser gesagt als Folge verschiedenartiger 
Constitutionserkrankungen (deren Au^ngspunkt gemäss der modernen Ansichten 
durchaus nicht im Nervensystem liegt) also seoundär sich einstellen kann. Den 
schlagendsten Bewete bietet die Chlorose.^ Die sc^nannten Ghlorosesymptome, 
abgesehen von unmittelbaren Symptomen der Hydrämie, anders die subjectiven 
Ghlorosesymptome bieten eigentlich Symptome einer allgemeinen Neurose, einer 
Hysterie, bezw. Hysteroneurasthenie, welche sich mit der Bluterkrankung ein* 
stellt und beim Zurücktreten derselben auch meistens verschwindet Das war 
schon Tboubbeäu bekannt; die meisten modernen Autoren wissen davon, wie es 
scheint, nur wenig, indem sie die subjectiven Symptome als echte Ghlorose^mptome 
beschreiben und ausserdem von der Gombination der Chlorose mit Hysterie 
sprechen. Von einer solchen Gombination dürfte vielleicht nur dann die Bede 
sein, wenn bei einer Hysterischen ohne Blutkrankheit sich erst nachher die 
Chlorose entwickelt. Wer aber den hystero-neurasthenischen Symptomencomplex 
einigermaassen kennt, für den unterscheidet sich die Ghlorotische Neurose von 
der „idiopathischen** durch Nichts. Sie ist gewiss nicht in allen Fällen gleich 
stark entwickelt, mitunter fehlt sie sogar bei der grössten Hydrämie fast voll¬ 
ständig, ein anderes Mal ist sie mehr monosymptomatisch, indem Globus, Kopf¬ 
schmerzen, Neuralgie, Intercostalneuralgie u. dgl. an eine andere Stelle treten. 
Diese „kleine“ Hysterie kann sich auch zu einer „grossen**, zu hysterischer Psychose 
steigern; nicht selten hat man eine typische „Irritatio spinalis** vor sich. Ich 
brauche das Alles mit Krankheitsgeschichten nicht zu illnstriren, denn jeder 
Arzt kann dasselbe in seinem Material wiederfinden. Practisch wichtig ist es, 
dass in manchen Fällen trotz des Zurücktretens der Blntkrankheit die Neurose 
fortbesteht: somit wird die Ghlorose zu „Agent provocateur*' der Hysterie. 

Diese enge Mitexistenz der allgemeinen Neurose und der BMchsncht tritt 
besonders beweiskräftig in den Fällen hervor, welche „Formes frustes“ der 
Ghlorose genannt werden können, d. h. Fälle, wo trotz an^esprochener Hydrämie 
äussere Zeichen der Ghlorose fehlen. Es werden solche Fälle von den einen 
Aerzten — ich sage das ans persönlicher Erfahrung —, als idiopathische 
Hysteroneurasthenie diagnosticiri^ während sie für die anderen — besonders, fidls 
man die Blntuntersucbung ausgefuhrt hat — nnr „chlorotische** Neurose mit 
sich bilden. 

Bekannt und anerkannt — um nach dem neuesten Referate von Eulen- 
BUBO zu beurtheilen — ist weiter das secundäre Auftreten der fonctionellen 


^ Vgl. meine AbhandlaDg: Heber den Krankheitebegriff der Cbloroee. Wiener medicin. 
Wocheneehr. 1897. Nr. 8—11. 


Dig'H^cd Dy Google 



257 


Neurose bei Morbos Basedowii. Es bandelt sich dabei nm Goexistenz einer 
Babe TOD specieilen Symptomen (Exophtalmus, Struma u.s.w.) mit einer Hystero* 
oamsthenie, welche bei Bessenmg der Erkrankung abnimmt oder vollkommen 
TfTscbwnidet. Indem der An^ngspunkt und das Wesen des Morbus Base- 
lofii in einer Erkrankung der Gl. thyreoidea und nachfolgender Intoxication 
btstdieo soll, die Entstehung der Hysteronenrastbenie bei dieser Krankheit 
^ Folge der Intoxication des Gentralnerrensystems auf der Hand. 

Drittens scheint das secundare Auftreten der Hysterie im Anschluss an 
tftbritBche Oxjdationsstömng auch höchst wahrscheinlich, vielleicht ganz 
aber sein. Es giebt eine Reihe von Personen im Alter von 36—45 Jahren, 
^ veicbeo neben allgemeinen Zeichen der harnsauren Diathese, wie Neigung 
Hans ZQ Sedimentnm lateritium, hartnäckiges Befallensein eines Nerven 
cderMoskels in der Nähe der Gelenke, hartnäckige Lumbago und Ischias o. dgl. 
sn klues Bild von Hysterie oder Neurasthenie sich allmählich einstellt In 
•fflieen eigenen Fällen, welche ich seit längerer Zeit beobachte, bessern sich die 
^ccifisthen Zeichen der Neurose (Globus, Parästhesieen neben objectiv constatir- 
baren Anastbesieen, Herzbeschwerden) im Sommer, um im Winter oder Frühling 
u lotenaität zuznnehmen: es ist dies also das analoge Vorhalten, welches von 
bövEHFELD in den Fällen von „Witterungsneurose“ beobachtet wurde. 

Dieses Auftreten der fnnctionellen Neurose auf Basis der harnsauren 
IHathese üel manchen Aerzten so stark auf, dass sie die Ansicht aussprachen 
- die batte nur wenig, wenn nicht keinen Anklang gefunden —, die Hysterie, 
^ die Psychosen seien nur Folge der Intoxication des Centralnervensystems 
mit Hajusänre. 

Es scheint, dass ancb anderweitige Erkrankungen eine functionelle Neurose 
seenodir herbeiführen können. Ich kenne einen Söjähr. Patienten, der bei 
Aussehen (in der letzten Zeit eine Neigung zur Corpulenz) seit 11 Jahren 
Ul schwerer Neurasthenie leidet, auch als Neurastheniker viele Jahre hindurch 
ambulatorischer Behmidlung) verschiedene antinervöse Curen mit verschie- 
icoem Erfolg dorchmachte, bis er erst vor 1 ^2 Jahren als Nephritiker entpuppt 
ist Der intell^ente Patient (ein Journalist) kennt seine Krankheits- 
?5^-bte recht gnt. 

Beasd erzählt in seinem Buche von der Albuminurie, als einer Folge der 
Nearastheme. Dafür kann ich aus eigener Beobachtung keinen Beweis liefern, 
leb käme aber einen anderen Fall von Nephritis nach Scharlach mit 14jähr. 
^n&kbeitedaoer, wo die „nepbritischen“ Symptome (leichte Oedeme, urämisches 
Erbreeben) erst sub finem eingetreten waren. Sonst bot der Fat. nur einen 
vaeesprodienen Habitus hysteriens. 

Die zweite Beihe von Tbatsachen bezieht sich auf die nahe hereditäre 
Verwandtschaft der Neurosen, speciell der Hysterie mit den Erkrankungen, 
Wesen auf abnormen Oxydationsprocessen beruht In den Werken von 
'•HiicoT ist häufig die Bede davon, dass in denselben ‘Familien, in welchen 
Nmalaankbeiten hereditär Vorkommen, auch Gicht, Diabetes, Adiposität, ohro- 
oaeäer Bbeumatismus zu treffen sind. Ich glaube, dies kann von jedem prak- 

17 


D g ii^od oy GOO^ IC 



258 


tischen Arzte aus eigener Erfahrung bestätigt werden. Ich möchte ein folgendes 
Beispiel anführen: Vater und Mutter Blutsverwandte, Vater gesund, Mutter seit 
vielen Jahren schwer hysteroneurasthenisch, die älteste Tochter (19 Jahre) seit 
mehreren Jahren „kleine“ doch hartnäckige Hysterie, ein Sohn (17 Jahr) Idio¬ 
tismus, die zweite Tochter (14 Jahre) monstruöse Adiposität, seit 2 Jahren hart¬ 
näckig und stetig sich entwickelnd. Aus derartigen Beobachtungen trägt man 
den Eindruck aus, dass es sich im Grunde um eine und dieselbe pathologische 
Störung handelt, welche je nach dem Subjecte specielle Richtung einnimmt. 

Endlich ist das Auftreten der Hysterie unter dem Einflüsse Ton 
rein materiellen Agentien höchst bemerkenswerth. Man hat sich gewöhnt, 
in der Anamnese dieser Krankheit vor Allem nach Gemüthsbewegungen zu 
suchen: ja, die Entstehung der Neurose nach Trauma führt man auch auf die 
psychische Erschütterung (Schreck) am liebsten zurück. Es hat aber die Ghab- 
coi’sche Schule genug Beweise dafür geliefert, dass ebenso häufig wenn nicht 
häufiger, die Hysterie unter dem Einflüsse der chronischen Intoxication mit 
Morphin, Schwefelkohlenstoff, Infectionskrankheiten u. s. w. als „Agents provo- 
cateuTs“ sich entwickeln kann. Seitens meiner Hysteriker und Neurastheniker 
wird die „Erkältung“ als Ursache der Krankheit nicht selten angegeben. Ich 
möchte — und das kann, glaube ich, jeder Arzt, — Beispiele anfuhren, wie 
sich hartnäckige Hysteroneurasthenie im Anschluss an Abortus (trotz Aus- 
gleichens der Uterusverändemngen) eingestellt hat, ein anderes — Becidiv von 
hysterischen „Attaques“ unter dem Einflüsse einer Angina Simplex u. s. w. In 
manchen solcher Fälle lässt sich die hereditäre Belastung nicht nachweisen und 
imponirt dann die chronische Metritis als echte Ursache der Erkrankung. 

Die aufgezählten Thatsachen passen für einander aufiallend. Nimmt man 
einmal die Existenz von secundärer Neurose für gesichert an, so entsteht die 
Frage,.ob nicht jede Hysterie, jede Neurasthenie nur ein secundärer Symptom- 
complex seitens des Centralnervensystems ist. Indem weiter die secondäre 
Neurose im Anschluss an auf Oxydationsstörungen beruhende Erkrankungen auf- 
treten kann und ausserdem als hereditäres Aequivalent solcher Krankheiten 
ganz deutlich sich vorstellt, taucht die Vermuthung auf, ob sie nicht auch eine 
Art von Oxydationsstorung mit secundären Nervensymptomen ist. Diese Yer- 
muthung erscheint desto mehr gerechtfertigt, als die Hysterie nach rein mate¬ 
riellen Agentien, unter denen viele in erster Linie die Oxydationsprooeese im 
lebenden Organismus (Intoxicationen, febrile Erkrankungen u. dgl.) beeinflussen, 
zweifellos sich einstellen kann. Dazu kommen endlich unsere Blutbefunde, 
welche auf die constante Existenz von Oxydationsstörungen bei Hysterie and 
Neurasthenie hinweisen. 

Die Verallgemeinerung aller dieser Erscheinungen in ihrem g^enseitigeu 
Verhältnisse gelingt non sehr leicht unter Zugrundelegung einer folgenden Auf¬ 
fassung. 

Es erscheint wahrscheinlich, dass die sogenannten functioneilen 
Neurosen (Hysterie und Neurasthenie) keine primären Erkrankungen 
des Gentralnervensystems, sondern nur secundäre Symptomen- 


Dig VCCI 3y CjOO^Ic 



259 


CDinpIexe in Folge der Einwirkang der Prodakte einer primären 
OxjrdatioDsstörang auf das Nervensystem sind. Somit sollen die 
HjsterieandNearasthenie Erkrankungen ganz von demselben Wesen 
»io, wie Znckerkrankheit, Gicht, krankhafte Adiposität, fiberhaupt 
pitbologische Znstände, welche anf abnormen Oxydationsprooessen 
iBOrgoniomas beruhen. 

Eb soll sich dabei natärlioh um eine speoifisohe Oxydationsstörung 
badeio, wie specifisch die hamsaure, diabetische und dgl Oxydationen sind: 
daomtsprecheDd entstände die allgemeine Nenrose bei Chlorose oder Gicht da- 
iutb, wol gleichzeitig „hysterische“ Oxydationsstörung herbeigefdhrt wird. 
Weniger wahischeinliob erscheint die Annahme, dass die Symptome der Nenrose 
M die Hydiämie oder hamsaure Diathese an sich allein ausgelöst werden, 
üebrigens giebt es kein Material zur weiteren Discussion über diese Frage, auch 
ar Ao^jse der gegensdt^en Verhältnisse der Hysterie und Neurasthenie. Ich 
riQ todi die Frage unberührt lassen, wo der Ausgangspunkt dieser hypothe- 
tsefats nDerröseo“ Oxydationsstörungen li^: ob sie auf einer allgemeinen fehler- 
bfteo oxydativen Function der Zellen beruht oder fehlerhaften Funotion eines 
mehnrer Organe, welche von specieller Bedeutung für die thierischen Oxy- 
smi In Uebereinstimmung mit der CHABOOT’schen Hereditätslehre 
allerdings eine angeborene Fehlerhaftigkeit des Oxydationsapparates 
^HMbehrlich zu sein, welcher unter gewöhnlichen Bedingungen im Gleichgewicht 
Kb befindet, doch aus demselben sehr leicht — im G^ensatz zu normaler Indi- 
^^'balitit — austreten kann.^ 

Gegen die au^esprochenen Ansichten können gewiss viele Einwände ge- 
Baebt werden: es wäre zwecklos dieselben bei g^nwärtigem Stande des Mate- 
iBles m aoalysiren. Dass die functionellen Neurosen nach Glemütbsbewegungen 
si<h entwickeln, beweist für die primäre Natur dieser Erkrankungen 
BD Xhe GicbtanMe oder Verschlimmerung der Zuckerkrankheit hat 
au aoeh unter denselben Einflüssen zur Genüge beobachtet Es werden aber 
bei unserer Aofibssung manche Erscheinungen leichter verständlich, 
biher. Es ist und bleibt Thatsache, dass sehr viele Symptome der Hysterie 
nf p^ehischem entstehen (Autosuggestionen): dies deute ich mir in der 

WasBidaaB dieProdnkte der hystero-neurasthenischen Oxydation die Sug^tibilität 
B oiloger Weise modificiren, wie der Weingeist den Gang der Associationen 
Gb kommen aber bei functionellen Neurosen rein materielle Symptome 

‘ Cm etwai^D MiasveratändDÜMeD vorzabongen, mosa ea anadrücklich betont werden, 
kb dabd «ine Steigerong der Oxydationen als wesentlich bei Hysterie and eine Ab- 
4ineU)en bei Neoraatbenie (waa Manchem angeeichta der oben angegebenen Blnt* 
ndMiiien mOchte) dnrohana niobt annebme. Die Blatbeüinde bilden fQr mich nnr 
diTon, daaa die Oxydationen bei Uysteriacben and Nenraatheniachen anders vor 
‘‘b Kdtti, als in der Konn. Ob ea sich a^r dabei am mangelhafte Oxydation, z. B. der 
^venkirper handelt, oder ob die wicbtigate Abnormität die der Oxydation voraaagegangenen 
betrifit, eventoell die wichtigste Rolle dem gegenwärtig so viel besprochenen 
'^'nätwislerment*' xokommt n. de^l., darüber lassen sich gegenwärtig keine entferntesten 
^«»«hagen aoBspreehen. 

17 » 


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260 


vor, welche von den Nenrologen vom Fach meistens nur wenig beachtet werdeo 
und deren Entstehung auf „psychischem“ Wege unmöglich erscheint Ich meine 
hier die so häufigen Anomalieen der M^ensaftsecretion (Hyperaciditat und Ana- 
ciditat), die so häufige Prostatorrhoe hei Neurasthenikern, Neigung zu Sohweissen, 
hysterisches Fieber u. dgl. Das Alles ist doch leichter verständlich bei Annahme 
von Toxinen, als Froducten der abnormen Oxydation, welche neben der Ein¬ 
wirkung auf das Centralnervensystem gleichzeitig mehr locale Einflüsse ausfiben. 
Eine Hyperhydrosis oder Hyperacidität bei Hysteroneurasthenikem erinnert z. B. an 
die Wirkung des Pilocarpins stark. 

Bemerkenswerth sind einige Eigenthümlichkeiten des Kranbeitsverlaufes der 
Hysterie. Eine gut entwickelte Hysterie oder Neurasthenie ist eigentlich un¬ 
heilbar, bezw. so selten heilbar, wie der Diabetes oder die Gicht. Diese Er¬ 
krankungen sind aber besserungsfähig. Seltener kommt es vor, dass die Hysterie 
von Anfang an in gleicher Intensität fortbesteht: im Gegensatz, treten am 
häufigsten Perioden der Besserung ein, welche für die Angehörigen als völlige 
Heilung imponiren. Nun zeigt der Verlauf mancher Fälle letzterer Art eine 
auffallende Aebnlichkeit mit dem der „regulären“ Gi(fiit Wie bei Gicht, ent¬ 
wickelt sich nach einem materiellen oder moralischen „Agent provocateur“ bei 
einer beanlagten Person ein Anfall von Hysterie mit vielen Symptomen, oder 
mehr von monosymptomatisohem Charakter, indem Hemianästhesie, Gontrac- 
turen, Aphasie, hysterisches Fieber u. dgl. einander Platz machen. Diese Periode 
dauert verschieden lange, wenige Wochen oder mehrere Sfonate, um unter der 
Behandlung, vor Allem Isolation und Suggestion, einer „Heilung“ Platz zu machen. 
Die Heilung dauert wieder verschieden lange Zeit, Wochen, Monate, seltener 
mehrere Jahre. Freilich kann auch in dieser Periode ein auffnerksamer Arzt 
Dieses oder Jenes auffinden, etwaige Eigentfaflmlichkeiten der Psyche, von Zelt 
zu Zeit einen Globus, oder eine Intercostalneuralgie, Magenbeschwerden (meistens als 
„Magencatarrh“ behandelt), was auf den latenten Zustand der Hysterie hinweist 
So kommt es auch zu gegebener Zeit zum zweiten Anfall, wieder Besserungs¬ 
periode, wieder Recidiv u. s. w. — endlich constantes Vorhandensein von leich¬ 
teren oder schwereren Symptomen. Obiges zeichne ich auf Grund einiger eigenen 
erlebten Fälle. 

üeber die Behandlung des Gichtanfalles gilt als das Beste „Geduld und 
Watte.“ Der Gichtanfall geht eigentlich von selbst vorüber um nach einiger 
Zeit wiederzukehren. Aehnliches darf man über die Behandlung der Hysterie 
aussprechen. Es unterliegt keinem Zweifel, dase die Si^estion und Isolation 
die Hysterie günstig beeinflussen können. Die Ueberfuhrung einer Hysterischen 
mit grossen Symptomen aus dem Elternhause in eine Nervenanstalt übt mitunter 
einen zauberhaften Einfluss aus: es verschwinden auf einmal viele unangenehme 
Symptome, vor Allem diejenigen, die durch Autosuggestion entstehen und für 
die Angehörigen sehr beschwerlich sind. In anderen Fällen entwickeln sich 
aber die Symptome trotz Isolation und Siggestion ununterbrochen, um auf 
einmal ohne nachweisbare Drsache zu verschwinden. Das macht den Eindruck 
aus, dass hierbei die Besserung von selbst eingetreten ist, wie sie von selbst, 


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261 


doreh Au^leichang der oxydativen Processe bei Gicht sich einstellt. Gemäss 
onserer Aoflassang Aber das Wesen der functionellen Neurosen wSrde ich die 
Beasenrngsperioden bei Hysterie vor Allem auf j^lbstheilung'' in Folge der 
(«nporärea Ao^leichung der speciellen Oxydationsstörung zurückführen. 


IL Referate. 


Anatomie. 

1) Beitrtge sar Kenntnias der Hautnerven des Kopfes, von Richard Zander 
in Königsbei^ L/Pr. (Anatom. Hefte, herau^eg. von Fr. Merkel in Göttingen 
nni R. Bonnet in Greifswald. 1897. Bd. Yll. H. 3.) 

Die vorUegende Arbeit enthält die Resultate zahlreicher Untersuchungen, welche 
uf den Wege der anatomisehen Präparation der Kopfhaut gewonnen wurden und 
^ircb SenaibÜitätsprllfnngen an Patienten ergänzt worden sind, denen ein oder mehrere 
«sUe Nerven durch Operation entfernt waren. Ausser ebenen PrQfungen dieser 
Art hat der Terf. eine Reibe in der Litteratur mitgetbeilter Befunde verwendet, 
hie anatomische Präparatiun geschah in der Weise, dass die Haut mit allen darunter 
•iagradeo Weiefatbeilen vom Knochen abgelöst und von den Nervenstämmen her die 
leiMtm Zweige bis in die innere Fläche der Haut verfo^ wurden. Zur Präparation 
iff famsren Nervenverzweigungen in der Cutis musste das derbe Bindegewebe der* 
Miba durch Essigsäure zum Aufquellen gebracht werden. Mit Hülfe von Lupen* 
fwgrtewwBgen gelang es, auf diesem Wege Nervenfädchen zur Darstellung zu 
hiagm, welche nur noch eine geringe Anzahl von Fasern enthielten. Dass zu dieser 
Xfltheds niefat nur viel Zeit und Geduld, sondern auch eine virtuose Geschicklickkeit 
ia dw Bandhabong des Messers gehört, ist leicht verständlich. 

Das Resultat der Untersuchungen Ober das „Ausbreitungsgebiet der Hantnerven 
dw Ki^ee und seine Tariabilität*' im allgemeinen wird in folgenden Sätzen zusammen- 
fdiart: 

1. Das Ansbreitnng^ebiet der einzelnen sensiblen Kopfnerven sowohl der 
Oenoloervenzweige, als der Verästelungen des N. trigeminns ist erheblich grösser 
utd ist in allgemeinen weiter peripberwärts ausgedehnt, als io den Handböchem 
ntgegeben wird. 

2. Es variirt an Grösse in erheblichem Maasse bei verschiedenen Individuen. 

3. Es variirt auf der linken und rechten Seite des Kopfes bei demselben Indi- 
n^DA. 

Der erste der mitgetheilten Sätze wird verständlich durch die anatomische 
fwtMeQnng folgender wichtigen Thatsache: entg^en den bisherigen Darstellungen 
äckneidsD die Ansbreitungsgeblete benachbarter Nerven nicht scharf gegen einander 
sondern in gewissen Zonen beeitzt die Kopfhaut eine doppelte und mehrfache 
faaervatioii. Wie diese Verhältnisse sich im speciellen verhalten, darüber muss auf 
^ Onginal verwiesen werden; hervorgeboben werde nur, dass eine doppelte Inner- 
vitioti besonders auch den der Mittellinie des Kopfes benachbarten Gebieten eigen 
st Von allen in Betracht kommenden Nervenzweigen können hier eine Anzahl 
fwiw Aestcben auf die entgegengesetzte Seite verfolgt werden. 

Am Schloss der Arbeit entwickelt der Verf. auf Grund dieser Befunde seine 
Am^aoong über das Zustandekommen partieller Empfindui^alähmangmi bei Läsion 


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262 


eines sensiblen Nerven, welche f&r den Neuropatbologen von besonderem Interesse 
sind. Durch 60 Figuren sind die erhobenen Befunde in vortrefflicher Weise illustriit 

Max Bielschowsky (Berlin). 


2) Experimentelle Untersuchungen über die Wurzelgebiete des N. gloeso* 
pharyngeus, Vagus und Aooessorius beim Affen, von Dr. A. Kreidl. 
(Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der Wiss. Bd. CVI. 1897. Wien.) 

Verf. giebt zunächst eine historische Uebersicht der Frage, wobei er insbeson¬ 
dere den Arbeiten von Grossmann gerecht wird. Seine eigenen, am Affen an- 
gestellten Versuche ffibren Verf. zu folgenden Schlussfolgerungen: 

1. Der N. laryngeus superior verläuft im oberen Bündel, und zwar in dem als 
„voroberstes** Bündel bezeichneten Aotheil (dabei betrachtet Verf. die drei genannten 
Nerven gemeinsam und spricht mit Grossmann von einem oberen, mittleren und 
unteren Bündel). 

2. Der N. laryngeus inf. bezieht seine Wnrzelfasem aus dem mittleren Bündel. 

3. Die Wurzelfasem für die Constrictoren und für die Hm. palaü^Iossos und 
palatopharyngens verlaufen im „vorobersten“ Bändel, und zwar die für die letz¬ 
genannten Muskeln im unteren Abschnitte desselben. 

4. Die Ursprungsfasem für die Muskulatur des Oesophagus lassen sich ebenfalls 
im „vorobersten** Bündel nachweisen. 

5. Die zum Levator veli verlaufenden Nervenwurzeln liegen im mittleren Bündel. 

6. Die herzbemmenden Fasern befinden sich ebenfalls im mittleren Wurzelbündel. 

7. Die Hering-Breuer’schen Fasern, und zwar jene« welche den Athemrythmus 
reguliren, verlaufen im „vorobersten'* Bündel. 

Verf. fand also im wesentlichen dieselben Resultate, wie sie Grossmann und 
Bdtha für das Kaninchen angegeben hatten. Für die Keblkopfmuskulatar, beaflgUeh 
deren bisher die grössten Meinungsverschiedenheiten herrschten, giebt Verf. an, dass 
alle Autoren die Innervation der einzelnen Keblkopfmuskeln den gleichen Warsei- 
fasern zumessen, dass der Streit vielmehr nur darum geht, ob die betreffenden Fasern 
zum N. accessorius oder zum Vagus gehören. Redlich (Wien). 


ExperimeDtelle Physiologie. 

3) Artikel oervesu in: Diotionnaire de Physiologie par Charles Bichet. 
I 1. Bistorique. | 2. Böle de rdooroe odrdbrale en gdndral. | 6. Pes 
oentres de rdooroe oerdbrale, par Jules Sonry. (Paris 1898.) 

Seit einigen Jahren erscheint in Frankreich der Dictiounaire de Physiologie 
von Charles Eichet Zahlreiche Mitarbeiter haben sich vereint, um, etwa in der Art 
des Wagner'schen Handwörterbuches, ausführliche Monographieen zu liefern. Wohl 
der besten eine ist sicher die Monographie, welche neuerdings Jules Soury dem 
Gehirne gewidmet hat, und auf sie möchte Bef. hier die Aufmerksamkeit der Fach- 
genossen lenken. Soury bekleidet an der Sorbonne eine Lehrkanzel, welche aus¬ 
schliesslich der Lehre vom Bau und den Verrichtungen des Gehirns gewidmet ist 
Mit welch’ peinlicher Sorgfalt er alle Forschungen auf diesem Gebiete verfolgt mit 
welch’ eingehender Kritik und vortrefflicher Darstellungskonst er sie zu verwmrihen 
weiss, davon haben mehrere Arbeiten in den letzten Jahrzehnten Kunde gegeben. So 
war es gewiss ein guter Griff, wenn Bichet gerade ihm die Bearbeitung einzelner 
Kapitel übertragen hat. Zunächst haben wir hier eine Geschichte der Himanatomie 
und Physiologie erhalten, wie sie wohl seit dem Erscheinen der grossen Burdach'- 
schen Monographie nicht mehr geschaffen worden ist 123 Seiten Grossoctav sind 


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263 


der fiotiriekelang unserer Kenntnisse von den ältesten Zeiten bis zu unseren Tagen 
berunter gewidmet. Für die Zeit von Willis bis Flourens haben wir gerade 
eben doreb Max .Kenburger auch ein deutsches Buch erhalten, das den gleichen 
Gegenstand trefflich behandelt Bef. weiss aus persönlicher HQhe und Erfahrung 
wohl 20 Bchätaen, was durch das Erscheinen dieser beiden Werke an Erleichterung 
ftr die Forschung an interessanter LectOre fflr den geboten ist, der sich einmal nur 
'xientiren will. Auch die specielle Anatomie und Physiologie der Qrosshimrinde ist 
Soary äbertraf^en. Ich glaube nicht, dass wir bisher eine Darstellung besitzen, 
Teiche anf eine so umfassende Kenntnis des vorhandenen Materiales gestfltzt mit 
Twtra Blicke eine so vortreffliche Uebersicht ermöglicht, wie die Sonry’sche. Von 
den Anfängen einer auf anatomische Beobachtung gestützten vergleichenden Psycho- 
kgu bis zu der so ansgearbeiteten Iiehre vom Bau und den Verrichtungen des Seh- 
t^antee, von dem ganzen Streit und über die Art wie man die Localisation in 
der Kinde anfznfassen bat bis zn Lehren von Flechsig, welche hier eine Art Ab- 
Mhloss geben möchten, findet man alles ausführlich und klar vorgetragen. Es ist 
OB liemlieh dicker Abschnitt jenes Handwörterbuches der Physiologie aus dem him* 
aostomischen Theile geworden. Wahrscheinlich würde es dankbar begrflsst, wenn 
4er Verleger ihn aoch separat atgeben wollte. Als genussreiche Lectüre und als 
reichhaltiges Nachschlagewerk ist er gleich werthvoll. Edinger. 


4) Zur Yrsge der TTraaohen der liinkshändigkeit, von Dr. A. Rothschild. 

(Jahrbücher f. Psychiatrie. 1897. Bd. XVI.) 

Ein Ueberblick der ln der Litteratnr vorhandenen Ansichten über die Links- 
bäa^keit führt den Verf. zn der Ansicht dass in einer kleinen Minderzahl eine 
Hröchende Erklärung für die Linkshändigkeit sich findet, nämlich dann, wenn 
pathologisch-anatomische Veränderungen des Gehirns in der linken Hemisphäre be- 
Mhee. — Unsicher ist die Erklärnng auf Grund der Vererbungstheorie, zweifelhaft 
st der Zusammenhang zwischen Linkshändigkeit und Transposition der Eingeweide 
Bd Anomalieen der Gefässe, am unsichersten ist die Theorie, welche die Linkshändig¬ 
keit tda Rückschlag im anthropologischen Sinne bezeichnet, wenn sie auch an nnd 
fllr lieb sehr plausibel erscheint. 

Schliesslich erwähnt Verf. eine eigene Beobachtong, Linkshändigkeit bei einem 
djährigen Mädchen betreffend, wo es ihm gelang, durch Hypnotismus Rechtshändig¬ 
keit hervorzomfen, die danemd anhielt Er schliesst mit Rücksicht auf diesen Erfolg, 
das in diesem Falle eine Präponderanz der rechten Hemisphäre die Ursache der 
lÄkil^digkeit nicht gewesen sein kann, sondern dass eine gleichwerthige Anlage 
hRdw Hemisphären bestanden habe. Redlich (Wien). 

5) Ueber den Einfluss der Sohilddrüse auf den Stoffwechsel, von B. Schön¬ 
dorff. (Pflüger’s Arch. 1897. Bd. LXVII.) 

Im Hinblick anf die zonehmende Verwerthnng der Schilddrüse selbst und ihrer 
Ectraete in der nenropatbologischen Therapie sind folgende Ei^ebnisse der erperi- 
Metallen Untersncbnng des Verf.’s hervorzoheben: Fütterung mit Schilddrüse (theils 
TaUatten von Borrougbs Wellcome, theils in vacno getrocknete Hammelschilddrfise) 
bewirkt bei einem im Stoffwechsel- und Stickstoffgleichgewicht befindlichen Hunde 
be gleichbleibender Nahrung eine bedentende Steigemng des Stoffwechsels. Der 
BweisBstoffwecheel wird dabei zunächst nicht beeinflusst, indem die anfönglicb auf- 
tretaude Steigerung der Stickstoffaosscheidnng wohl nur durch eine vermehrte Ans- 
Khaidung von Harnstoff nnd anderen stickstoffhaltigen Extractivstoffen bedingt ist. 
Daa gesteigerte Bedürfniss wird anfangs durch Verbrauch des vorhandenen Eörper- 
fattas gedeckt, was sich durch Gewichtsabnahme und Steigemng des Sauerstoff- 


.,Googlc 



264 


TerbrancliB bemerkUcb macht Erst «eno der Fettbestaad auf ein gewisses Hinimum 
gesunken ist, wird auch das Eiweiss angegriffen. Nach dem Aussetzen der Schild' 
drüsenfhiterung sinkt der Stoffwechsel wieder, und das Körpergewicht nimmt darch 
Ansatz von Fett und Eiweiss wieder zn. Eine Nachwirkung der Schilddr&se findet 
nicht statt Eine erneute Darreichung der Schilddrüse bewirkt daun keine Steigerung 
der Stickstoffausscheidung. Th. Ziehen. 


0) Experimentelle Beitrftge zur Sohilddrfieenfkage, von Edm. Wormser. 

(Pflüger’a Arch. 1897. Bd. LXVII.) 

Bei dem grossen Interesse, welches die Neuropathologie an der SchilddrOse 
nimmt, seien wenigstens die Hauptergebnisse der Wormser’schen Arbeit mitgetheilt. 
Verf. findet, dass das aus der-Schilddrüse von Schwein und Hammel nach ver¬ 
schiedenen Verfahren dargestellte Jodothjrin nicht im Stande ist, bei thyreoidec- 
tomirten Hunden die acute Tetanie und den Tod zu verhüten. Die mit dem Jodo- 
thyrin durch Essigsäure geföllten Eiweissstoffe erhöhen die Wirksamkeit des 
Jodotbjrins nicht. Die neben dem Jodothyrin in der Schilddrüse enthaltenen, durch 
Essigsäure nicht gefällten basischen Körper ergaben ebenfalls ein negatives 
Resultat. Einfache, wie organische, synthetisch dargestellte Jodverbindangen 
verhinderten die Anfälle und den Tod nicht. Getrocknete Thymus und NebeDuiere 
zeigten keinen Einfluss auf den Ablauf der Tetania thyreopriva. Eis bleibt nach 
Verf. also nur übrig mit Gottlieb zu sagen, dass keine der bis jetzt aus der 
Schilddrüse isolirten Substanzen (Fraenkel’sche Base, Jodothyrin, Kocber'sche 
Base) allein die ganze Function der Schilddrüse zu ersetzen vermag, sondern dass 
sie gemeinsam in den Organismus eingefübrt werden müssen, um den Ausfall der 
Schilddrüse zu decken. Verf. selbst nimmt an, dass das Jod der Schilddrüse zur 
Bereitung eines Antitoxins dient; findet sich zu wen^ Jod in der Nahrung, so kann 
das betreffende Gift nicht ganz neutralisirt werden, es sammelt sich in der Schild¬ 
drüse anr und führt zu einer Stroma parenchymatosa. Andererseits bedingt totale 
Aasschaltung der S<^ilddrüse Kachexie durch Anbänfung toxischer Substanzen im 
Blute. Th. Ziehen. 


7) Zur liebre der Schilddrüse, vou H. Munk. (Virchow’s Archiv f. patbol. 

Anatomie. Bd. CL. 1897.) 

Gerade in diese Zeit des „Schilddrüseo-Fanatisrnns und der Organotherapie^* 
fällt obige Arbeit des berühmten Berliner Physiologen wie eine Bombe. An der 
Hand sehr zahlreicher, an verschiedenen Thieren unternommenen Versnche weist 
Verf. überzeugend nach, dass die Schilddrüse nicht ein lebenswichtiges 
Organ ist, dass ihr Ausfall weder eine Vergiftung durch normale Stoff* 
wechselprodocte, noch myxödematöse Kachexie zor Folge bat, und 
dass der Glaube an ihren functionellen Ersatz durch eine trans- 
plantirte Schilddrüse unbegründet ist Wenn ihie Entfernung auch das 
Leben gefährden kann, so ist das noch kein Beweis dafür, dass sie ein lebens¬ 
wichtiges Organ ist. 

Künstliche Zufuhr von Scbilddrüsensubstanz in irgend einer Form verhütet oder 
beseitigt dorchaus nicht die durch Schilddrüsen • Exstirpation eventuell herbeigeführte 
Krankheit Von seinen operirteo Thieren erkrankten gar nicht oder nur leicht und 
vorübergehend über 50der Affen und Kaninchen, und etwa 25 "/g der Hunde 
und Katzen. Die Schilddrüse kann also kein lebenswichtiges Organ sein, wie Verf. 
dies schon vor 10 Jahren nachwies. „Die Hauptsache ist aber, dass viele der Qb^-- 
lebenden gar kein Schilddrüsengewebe mehr enthalten. Nie fand sich ein 
Ersatzorgan, weder die Hypophyse, noch die accessorische Schild- 


- , Google 



265 


drfts«. Nie sah Verf. etwas von HyxOdem o. s. w., wie es Horsley beschrieb, 
BOT dass der Kxstirpatiou „'Premor mit Paroxysmeo folgt oder richtiger folgen kann.“ 
Aosier an ACFen sab überhaupt noch nie Jemand an Thieren nach Schilddrüsen* 
^emosg Myxödem auftreten. Klassisch ist der Versuch Thuneberg’s, wonach 
Toa „12 Hondea die 11 mit Schilddrüsenextract behandelten Hunde alle erkrankten 
«lad starben, während der znr ControUe nicht behandelte Hund gesund blieb.“ Nie 
sah YerL nach der Operation Myxödem oder Cretinismus sich ausbilden, auch nur 
spsrweise, nie ward ein Äffe geistig immer schwächer oder apathischer. 

Man sieht also, meint Bef., wie vorsichtig und skeptisch man der ganzen 
Oigaootherapie gegenüber stehen muss, da es an grundlegenden Experimenten, wie 
4ie vom Verf., fast ganz fehlt, und selbst die anscheinend so überzeugenden von 
Horsley and von Eiseisberg, wie Verf. zeigt, durchaus nicht beweisend sind, 
bis ganze E^hre der für ein normales Fnncttoniren des Körpers angeblich so nöthigen 
Drfisensehrete der Schilddrüse, Hypophyse n. s. w. schwebt noch sehr in der Luft, 
Qtd es steht za befürchten, dass die ganze Organotherapie dereinst als reine Illnsioo 
ach wweist. Näcke (Hubertusburg). 


^ lieber den Jodgehalt von Schilddrüsen in Steiermark, von Dr. Alex. 

V. Bositzky. (Wiener klin. Wochenschr. 1897. Nr. 37.) 

Die an normalen und pathologischen Schilddrüsen von Erwachsenen und Kindern 
ach Raboardin’s calorimetrischem Verfahren gewonnenen Werthe sind folgende: 

Normale Drüsen Erwachsener; Dnrchschnittliches Trockengewicht 8 g (Hin. 
Mg, Max. 11,5g); Jodgehalt in 1 g Trockensubstanz 0,37mg (Min. 0,14mg, 
Mix. 0,62 mg), in der ganzen Drüse 3,21 mg (0,73 bezw. 6,21 mg). Das dorch- 
Khaittliche Trockengewicht ist etwas niedriger als jenes von Freibnrg (8,2 g), höher 
ils das von Hamborg (4,6 g), Breslau (7,2 g) und Berlin (7,4 g). Der mittlere 
Jedgvhalt ist geringer als jener der Drüsen von Hamburg (3,83 mg), Breslau (4,04 mg) 
od Berlin (6,6 mg), aber grösser als der vou Freiburg (2,5 mg). Dies spricht zu 
öesstea der Baumann’schen Ansicht, dass in endemischen Kropfgegenden der 
dorcbschnittliehe Jodgebalt der Drüsen geringer ist, als in den kropffreien Ölenden. 

Für ausgesprochene Kröpfe: Durchschnittsgewicht der frischen Drüse 150 g (8 
bezw. 231 g), der Trockensubstanz 38,85 g (11,5 bezw. 67 g), des Jodes in 1 g 
treekener Drüse 0,32 mg (0,06 bezw. 0,7 mg), in der ganzen Drüse 11,5 mg (3,38 
bezw. 27,5 mg). 

Eine zweite Tabelle zeigt, wie sehr eine dem Tode vorhergegangene Jodbehand* 

die Werthe zo beeinflussen vermag. Der Jodgehalt 1 g Trockensubstanz beträgt 
zvieehen 0,57 und 2,08 mg, in der ganzen Drüse zwischen 7,49 uud 22,05 mg 
(hei DAtmslen Drüsen). 

Bei Kindern fand Verf. ein durchschnittliches Trockengewicht vou 1,06 g mit 
eaea mittleren Jodgebalt von 0,28 mg. 

In 20 c«m des Inhaltes einer Eropfcyste liessen sich 0,193 mg Jod nachweisen. 

30 Stück Hypophysen (=3 2,5 g Trockengewicht) ergaben in Bezug auf Jod ein 
aegatives Besultat; wohl wegen der geringen Menge des verwertheten Materials. 

J. Sorgo (Wien). 


9) Kbh l k opflierven und die Functionen der Thyreoidea, von A. Exner. 
(Pflügeris Arch. Bd. LXVIll.) 

Verf. weist nach, dass einseitige Exstirpation der Schilddrüse und gegenseitige 
OorckschneiduDg der Nn. laryngei sup. und inf. bei der Katze eine leichte Tetanie 
hervomift. Tetanische Symptome traten auch dann noch ein, wenn zwischen der 
Sutiipation dm* Drüse und der Nervendurchschneidung geraume Zeit verflossen ist. 


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266 - 


Wird aoBser der DrOsenexstirpatioD nnr ein gegenseitiger Iferv (N. lar. inf. oder 
sap.) darchschnitten, so zeigen sich bald keine, bald schwächere tetanische Symptome. 
Doppelseitige Darchschueidung sämmtlicher Kehlkopfoerven (ohne DrOsenexstirpation) 
Qberlebte nnr eine Katze eine Woche lang. Dieselbe zeigte — trotz Heilnng per 
piimam — ansser leichten tetanischen Symptomen einen eigenartigen Nystagmns. 

Die Schilddröse zeigte bei keinem der operirten Tbiere Atrophie oder Hyper* 
trophie. Der. Jodgebalt der ScbilddrQse zeigte keine constaute Termehrnng oder 
Yerroinderang. ' Th. Ziehen. 


Pathologische Anatomie. 

10) TUl kännedomen om de efter amputationer uppkommande fSrändrin« 
gama 1 nervsyatemet med apeoiel hftns 3 m tUl de aplnokutana netiro- 
nerna, af Chr. Sibetius. (Finska läkaresällsk. handl. 1897. XXXIX 10. 
S. 1379.) 

Ans den genauen Untersnchnngen and Hessungen, die Verf. an der Leiche eioea 
an Pneumonie gestorbenen 70 Jahre alten Mannes ansgeführt hat, dem 5 Jahre vor 
dem Tode das linke Bein dicht oberhalb des Kniegelenks amputirt worden war, eigab 
sich, dass die Ganglienzellen im-vorderen Home im Lumbaltheile des Rückenmarks 
auf der der Amputation entsprechenden Seite geringer an Zahl waren, als auf der 
gesunden Seite. Die Yerminderung betraf hauptsächlich die postero-laterale Gruppe, 
aber auch, obwohl in geringerem Grade, die übrigen Ganglienzellengroppen in dem* 
selben Yorderhom (die commissoralen Groppen worden nicht untersucht). Die Yer> 
änderungen in den vorderen Wurzeln in der der Amputationsstelle entsprechenden 
Region waren ziemlich gering, bedeutend weniger hervortretend, als in den hinteren. 
Die grossen Ganglienzellen waren, obwohl verschiedener, afficirt in den sacralen und 
lumbalen Spinalganglien, theils waren sie zu Grunde gegangen, theils atrophirt; ganz 
besonders gilt dies von den unteren Spinalganglien auf der der Amputation ent¬ 
sprechenden Seite. Im linken Hinterstrang fanden sich, ausser einer allgemeinen 
Atrophie des vorderen Theiles derselben, Stellen mit deutlich rareficirtem Nerven- 
fasergehali Bei Verfolgung dieser Stellen Segment für Segment, sah man, dass 
ihre Lage einem Degenerationsfelde entsprach, das durch Läsionen der den hinteren 
Wurzeln entsprechenden Spinalganglien bedingt war. Die Beflexcollateralen waren 
in der der Ampotationss'telle entsprechenden Region bedeutend geringer an Zahl, als 
anf der gesunden Seite. Die Ganglienzellen in den Clarke'schen Säolen waren 
ebenfalls in der der Ampotationsstelle entsprechenden Region in der Dorsolumbal- 
gegend an Zahl vermindert. 

Nach Verf. beweisen die Yeränderongen in den Hintersträngen, den Wurzeln 
nnd den Spinalganglien, dass die spinocutanen Neurone in Folge von Beschädigung^ 
ihrer Fasern in den peripherischen Nerven degenerirt waren, und zwar nicht nur die 
centralen Ramificationen ihrer Nervenfasern, sondern auch ihre trophischen Centra, 
dass sie also demselben Gesetze unterliegen, wie die anderen Neurone. 

Walter Berger (I^eipzig). 


11) lies altAratlona de la mo611e epinlöre okez les obiena opAree d’exstlr- 
pation des glandes parathyrAoldiennes, par G. Yassale et A. Donnaggio. 
(Arch. Ital. de Biologie. Tom. XXYII.) 

Die Yerff. untersuchten das Rückenmark der Hunde, welchen Yassale nnd 
Generali die vier Qland. parathyreoldeae exstirpirt hatten, nnd welche von Seiten 
des Centralnervensystems im wesentlichen Depression, Trismus, Rigidität der Hinter- 


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267 


b«üie, aneicheren, scbwankendeo Qang, allgemeine Huskelschw&che und leichte 
Kaekaiigmi gweigt hatten (of. Bef.: Nenrolog. Centralbl 1897. S. 316). Es fand 
fiel) fine nach Härtong in Hüller bereits makroskopisch deutlich erkennbare syste* 
mtäche Degen « ation der gekrenzten Pyramidenbahnen und der Hinterstränge (bald 
ia Gebiete dee Qoirschen, bald des Bnrdach’schen Stranges). Mikroskopisch 
aieh die Axenzylinder der Fasern aufgebläht, granulirt und nicht scharf von 
te- atrophischen Myelinscheide abgesetzt; auch wurden varieüse Auftreibungen der 
atrz^hisehen Axencylinder beobachtet. Kaplan (Herzbeige). 


11) Beitrtse anr Kenntnise dee Markfteergehaltee der Oroeehimrinde bei 

Idlotem mit oeigleiohenden Bindenmessnngen, von- Dr. Th. Kaes in 

Hamborg. (Monatsschr. f. Psych. u. Neurolog. Bd. I.) 

Der durch seine ausserordentlich sorgfältigen Untersuchungen hinreichend be- 
knute Yerf. hat das Gehirn einer 21jäbrigen makrocephalen Zwergin, welches nach 
der Härtong 1590 g wog, und das Gebiru eines etwa 2 jährigen mikrocepbalen 
rndea, das nach der Härtung 233 g wog, in Bezug auf den Harkfasergehalt der 
änsslünirinde stodirt. So verschieden auch die Volumina beider Gehirne waren, 
hoskhtlich der Breite ihrer Hirnrinde waren sie einander sehr ähnlich, und zwar 
•tapre^en die Bindenmasse bei beiden Idioten denen eines 1—2jäbrigen normalen 
CDdes. Die mikrzMkopiscbe Untersuchung von Präparaten, die nach der Weigert- 
Woltere'sehen Methode angefertigt worden waren, ergab, dass die Badiärfaserzüge 
nd deren Aussbahlung mit fortschreitendem Alter noch weiter in die Binde hinein- 
gewaeheen waren, als bei einem normalen Kinde von 1—2 Jahren. Die Associations« 
bseaehiebten der Kinde zeigten bei der makrocephalen Zwergin eine etwas reichere 
cad TZHgeadirittene primäre Anlage als bei einem IV 4 jährigen Kinde. Das super- 
ndüre Faserwerk Edingers erschien aber bei der Zwergin fast faserfrei. Bei der 
Xikroecphalin waren in den wenigen, relativ entwickelten Windungen noch lange 
lidit soviel Markfasem vorhanden, wie bei einem 1jährigen Kinde. Aber selbst an 
in unentwickelten Stellen zeigte sich ein schwacher Versuch zur Bildung einer 
ndiären Aosstrahlnng Ueynert’scber Bogenzfige. Am wenigsten gehemmt war bei 
icT Mikrocepbalin die Entwickelung der Bindenfaserung deijenigen Gegenden, welche 
■it dem Biech-- und Geschmacksapparate in Beziehung gebracht werden. Die zonale 
Fmeiadiieht war, bei der Hakrocepbalin nur in Spuren vertreten, bei der Mikro- 
cepkalin dagegen war sie mächtig ausgebildet; hier war die Projectionsausstrahluug 
küatiaeiiieb, doch entsprach sie deijenigen eines normalen Individuums von IV 4 Jahren. 

G. Ilberg (Sonnenstein). 


Pathologie des Nervensystems. 

13) Ett fall af pernioiös progressiv aneml med fSrändringar 1 ryggZD&rgens 
bakre strüngar, af Dr. E. G. Johnson. (Nord. med. ark. 1897. VIII. 2. 
Nr. 33.) 

ln einem Falle von progressiver pemieiöser Anämie bei einem 33 Jahre alten 
Hanne, in dem binnen nicht ganz 2 Jahren der Tod eintrat, wurde der Pat. gegen 
du Ende dee Lebens nie reizbar und die Patellarreflexe verschwanden. Bei der Sec- 
tiea fand man eioe acute Pachymeningitis im Gehirn, im BOckenmark, Scierose in den 
Geirschen Strängen im Hals- und Brustmark, in geringerer Ausdehnung auch in 
im Bnrdach’seben Strängen, diese Scierose setzte sich in die mittlere Wurzelzone 
dw Hinterstränge im oberen Theil des Lendenmarks fort Petrdu (Nord. med. ark. 
1. F. VL 1896. 2. — Neurolog. Centralbl. 1896. S. 749) hält es für wahr- 


- ,Google 



268 


scheiolich, dass ein toxischer Znstand sowohl der progressiven pemicidsen Anämie, 
als auch der bei derselben in manchen Fällen vorkommenden Erkranknog des B&cken* 
marhs za Grunde liegt. Verf. meint, dass die Sclerose und die Entartung der 
nervösen Elemente von den rigiden, mit einer proliferirten Adventitia versehenen 
Gefassen aasgehe. Dass diese Veränderung der Gefässe durch einen toxischen Ein* 
fluss zu Stande kommen könne, sei wohl denkbar und wahrscheinlich, ebenso ist es 
auch denkbar, dass dieser toxische Einfluss auf dem Wege der Blutcircolaüon nach 
ohne Vermittelung einer Sclerose direct schädlich einwirken und Degeneration der 
Neurone bervorrufen kann. Walter Berger (Leipzig). 

14) Notes on endemio goitre in norUieast Bongal, b; E. E. Waters. (Brit 

med. Joum. 1897. Sepi 11. S. 650.) 

Im Baksadistrict (Bengalen), 2000 Fuss Seehöhe, in Nachbarschaft des hoch« 
gradig malariaverseuchten Terai nach Söden, und des Himalaya nach Norden, wurden 
vom Verf. folgende, die endemische Eropfbiidung betreffende Beobachtungen gesammelt 
Der Boden besteht aus vegetabilischem Dammerdegneis, Thon, Schiefer, Kiesel, 
weichem Sandstein ond etwas Jignit; in der Nachbarschaft reichlich Kalkstein. Der 
Bodeu ist sehr porös, so dass im Winter die Ströme streckenweis versinken. 

Es giebt zwei scharf von einander getrennte Bevölkerungstjpen: die dauernd 
dort Äns&gsigen (Bhutias), mongolischer Basse, handfeste, untersetzte fjeute, Arbeiter; 
die vorflbeigehend Ansässigen, d. b. Hilitärpersonen und deren Zugehörige. — Die 
ersteren sind arm, Omnivoren, leiden vor allem bedeutend an Malaria, Syphilis, Intesti- 
nalwörmem, Kropf. Die zweiten leben in guten Verhältnissen, sind fast alle V^e* 
tarier und meist frei von Syphilis. 

169 Personen (Bhutia), 12—70 Jahre alt, wurden auf ihre Gl. thyreoidea 
untersucht: 

Kein Kropf . . . 42 = 24,8 7^,. 

Sehr geringer ... 37 = 21,9 „ 

Geringer .... 36 = 21,3 „ 

Ziemlich bedeutend . 30 = 17,8 „ 

Sehr bedeutend . . 24 s 14,2 „ 

Also von 169 Bhutias hatten 127 = 73,2 7o Kropf. 

Kinder unter 12 Jahren wurden von der Beobachtung ausgeschlossen. Von 
diesem Alter an gezählt, hatten 87,5 7o ^20) Kropf. — Von Kindern nntar 
12 Jahren hatten nur 44,8 7o Kropf. 

Die Militärpersonen (Sepoys), 20 Monate in Baksa, gesund, hergekommen ans 
einem Landstrich ohne endemische Struma, zeigten unter 380 205 — 547o Struma 
(118 oder 30 7o hochgradig). 

Cretinismus kam dabei nicht vor, auch nicht Myxödem; desgleichen ist die 
Intelligenz der Befallenen intact. — Es gilt die Annahme als richtig, dass die Kröpfe 
in der Begenzeit zunehmen. Die Beobachtung ergab entsprechende FeststellungeD. 

Wasseranalysen, im Original zablenmässig mitgetbeilt (Eisen, Kalk, Härte), 
geben keinen ätiologischen Anhalt für die Entstehung der Struma. Kalk im Trink« 
Wasser kann nicht angescbuldigt werden; denn viele Bhutias, welche Kalkesser sind, 
haben keine Kröpfe, dagegen die Sepoys, welche keinen Kalk essen. 

Ist es nicht anzunehmen, dass Struma durch eine animalische oder vegetabilische 
Noxe entsteht? Verf. glaubt an ein animalisches Gift, etwa demjenigen in Malaria 
ähnlich. Die ßebandlungsresultate (Jod, Thyreoidea) sprechen daffir; ferner das Vor¬ 
kommen von Strumaepidemieen im Pungas und den nordwestlichen Provinzen. 

L. Lehmann I (Oeynhausen). 


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269 


If) Da gottre ezophtalmique, Bymptdmes, pathog^e, trsitement (Beotdon 

da grmnd sympaUiiqae oerrioal), par ValeQ 9 on. (Qazefcte des höpitanx. 

1897. 69.) 

Nach kurzen geschichtlichen, klinischen, ätiologischen Erörterungen bespricht 
Vsf. die Theorieen des Horb. BasedowU ond entscheidet sich für die Hypothese von 
kbsdie, wonach es sich ura eine permanente Erregnng der vasodilatatorischen Fasern 
des Halssympathicos handle. Für schwere Fälle, bei denen die auch vom Verf. he* 
sprocbeoen üblichen mediciniscben Behandlungsmethoden nicht ausreichen, empfiehlt 
Teff. von den verschiedenen Operationsverfahren am meisten die Resection des Hals* 
srnpatiiieas. Bei Durchschneidung oberhalb des mittleren Ganglion, oder Exstir« 
piti^ desselben soll der Exophthalmus verschwinden. Bei Durchschneidung unter- 
halb desselben soll die Thyreoidea zur Norm zurOckkehren. Bei extremer Tachy- 
canhe moss man noch tiefer berabgehen und die vom unteren Ganglion entspringenden 
Fasern durchtrennen. 

Terf. citirt einige in dieser Weise mit günstigem Erfolge operirte Fälle. 

B. Hatschek (Wien). 


IS) Vatare et traitement du goltre exophtalmique, par Abadie. (Gazette 

dee bOpitaax. 1897. 77.) 

Nach Yerf. beruhen die Brscbeinnngen des Morb. Basedowii auf permanenter 
Sxdtation der vasodilatatorischen Fasern des Halssympathicns, demgemäss hält er 
Derehsehneidang oder Resection eines kleinen Stückes des Halssympathicns unterhalb 
4«a oberen Ganglion für das rationelle operative Verfahren. Vollständige Exstirpation 
dee Sympathieusstranges und der Ganglien erscheint ihm überflüssig, da es sich 
nicht UD eine wirkliche Läsion des Sympathicns, sondern um einen abnormen Er- 
RgTmgBZUBtaDd handelt, der von den Centren des obersten Halsmarkes und des 
Btlbus aasgeht und vermittelst vasodilatatorischer Fasern auf die Kopf- und Hals- 
^flaae rawirkt. R. Hatschek (Wien). 


17) Ueber das Aaftx«ten von Oedemen bei Morbus Basedowii, von Br. 

Job. LÖw. (Wiener med. Fresse. 1897. Nr. 23.) 

Es kommen bei Horbas Basedowii 3 Grnppen von Oedemen vor, dyskrasische, 
cardiale und nervöse (Hillard). Die nervösen Oedeme charakterisiren sich gegen- 
iber den beiden anderen Arten zunächst dnrch die EigenthOmlichkeit der Localisation, 
bsBonders die Unabhängigkeit von dem Gesetze der Schwere und das Beschränktsein 
asf einen einzelnen Körpertheil. Ferner sind sie oft von sehr kurzer, nur stunden* 
la^er Dauer, können plötzlich auftreten und sehr rasch an Ausbreitung gewinnen. 
OMdositig finden sich noch andere vasomotorische Störungen, wie Erweiterung und 
Ekplbn der kleinen Arterien, abnormes Hitzegefühl, Congestionen, Erytheme, Urti- 
«Bia, Täehes c^räbralea n. a w. 

Anaser zweifellos ödematösen Anschwellungen kommen noch solche vor, welche 
Eowalewski als der erste dem Myxödem znrecbnete. Dieses kann voll entwickelt 
nfbeten oder auf einzelne Züge beschränkt bleiben. Verf. theilt zwei Fälle mit, in 
deren Verlanfe es zu prallen Anschwellangen an den unteren Extremitäten ohne 
Uffitsrlsssung von Fingereindrflcken kam. Das Dorsnm pedis blieb frei. 

Fall L 23jäbrig68 Mädchen. Entwickelung der Krankheit seit zwei Jahren 
ebne bekannte Ursache. B^nn mit Herzklopfen und Schwellung der Beioe. Bald 
dviof dunkle Pigmentimng der Hände mit helleren Flecken. Pigmentirung und 
SchveUimg wediselten an Intensität und Extensität im Laufe der nächsten 2 Jahre. 

Die Untersuchang ergiebt: keinen Exophthalmus, deutliches Stellwag’sclies, 
Gr&efe’sehes and Möbins'sches Symptom, dentlich schwirrende Struma, Verbreiterung 


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270 


der Herzdämpfong. PDlsbeschlennigung (120). Haut dea Gesichts, des Stammes, 
der oberen Extremitäten bis za den Fingern, der unteren bis znm Dorsam pedis 
dunhel pigmentirt mit Vitiligoflechen. Tom mittleren des Oberscbenhels an 
mächtige Volamszunahme der Beine in Form einer derben, prallen, keinen Finger* 
eindrnck hinterlassenden Anschwellnng. Dorsam pedis and Knöchelgegend frei 

Fall II. 24jäbrige8 Mädchen. Nach einem Traama stellt sich schon in den 
nächsten Tagen Herzklopfen, Exophthalmus, Stroma und Tremor manuum ein. Einige 
Monate später au den Enächeln beginnende Anschwellung der Beine und Ausfall 
der Haare. Status praesens: Ausser den Cardinalsymptomen des Morb. Based. Ver¬ 
breiterung der Herzdämpfung, Albuminurie, derbe, elastische, den Fingereindruck nicht 
zurQcklassende Schwellung der Beine von der Mitte der Oberschenkel an bis zu den 
Knöcheln. Dorsnm pedis nur in geringem Grade betheiligt 

Terf. wendet sich gegen die Schilddrüsentheorie des Horbas Basedowii nnd die 
von Möbius gegebene Erklärung der Coincidenz dieser Krankheit und des Myxödems, 
wonach die Basedow'sche Krankheit die Folge einer vermehrten Function der Schild¬ 
drüse, einer Hyperthyreoidisation des Organismus, das Myxödem aber die Folge einer 
schliessllchen Erlahmung der Schilddrüse, einer Athyreoidisation seL Eine Functions* 
änderung der Schilddrüse beim Morb. Based. sei noch nicht erwiesen, und da der 
Name „Myxödem“ eiue Lähmung der Schilddrüsenfunction zur Voraussetzung habe, 
so sei er für klinisch wenig ausgeprägte Fälle, wie die obigen, nicht am Platze. 
Die beschriebenen Anschwellungen liesaen sich, wie Sclerodermie, Pigmentanomalieen 
u. 8. w., als trophische Veränderungen deuten, ohne dass man eine gestörte Schild* 
drüsenfunction anzunehmen brauche. Die Möbias’sche Erklärung für das Zusammen¬ 
treffen von Morb. Based. und Myxödem habe zur Voraussetzung, dass das Myxödem 
der Basedow'schen Krankheit immer vorausgehe, die letztere substitnire. Ein 
solches Verhalten finde aber nur in der Minderzahl der Fälle statt In der Mehr¬ 
zahl blieben die Symptome des Morb. Based. bestehen auch nach voller Ausbildung 
des Myxödems, ja in einem Falle Sollier’s gingen die Erscheinungen des Myx¬ 
ödems denen des Horb. Based. voraus. Daher, dass man nicht gleichzeitig eine Hyper- 
und eine Athyreoidisation des Organismus annehmen könne, haben die Anhänger der 
Schilddrüsentheorie diesen Fällen gegenüber zur Annahme einer qualitativen Aenderung 
neben einer abnormen Vermehrung der Schilddrüsenfunction gegriffen. 

J. Sorgo (Wien). 


18) A oase of soute Oraves dlnease wlth a deaorlptioii of ita morbed 
anatomy and of a series of mikrosoopioal aeotiona, by Forweli. (Brain. 
Antumn. 1898.) 

In einem acnt verlaufenden Falle von Basedow — combinirt mit Tuberculoae — 
fand Verf. Veränderungen der Pia des Wurmes und des Ependyros des 3. Ventrikels, 
Erweichung der Oberfläche beider Thalami; sehr erhebliche Hyperämie nnd kleine 
Blutungen in der Rinde, der inneren Kapsel, in Kleinhirn und MeduUa. Auch die 
Kerne des 10. Nerven, des Funicolus gracilis und der Pyramiden waren sclerosirt 
Verf. hütet sich selbst, diese Veränderungen als Ursachen des Basedow aafznfaaaen. 

Brana. 


19) Mälanoolie et goltre exophtalmique, par F. Devay. (Arch. de neurolog. 
1897. December. S. 491.) 

Auf Grund der Complication eines Basedow-Falles mit Melancholie, wie unter 
Berücksichtigung und Würdigung der Litteratur kommt Verf. zu folgenden Schlüssen: 

1. Im Verlaufe der Basedow-Erkrankung kann es zu Melancholie wie eben 
so häufig zu Manie kommen. 


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271 


2. Di« Behandlung dieser Psychosen unterscheidet sich in nichts von der 
bei Dcgenerirten oder Hereditariero vorkommenden Geistesstörungen. Es muss aber 
gleiehxeitig das Basedow-Leiden behandelt werden. 

Adolf Passow (Strassbui^ i./R). 


30) Myxoedema, bj A. Davidsohn. (Brit med. Joum. 1898. Febr. 12. 

8. 437.) 

ln der mediein. Geeellschaft zu Liverpool berichtet der Verf. Über einen Fall 
Toa Myxödem, der vor 24 Jahren Struma exophtbalmica zeigte, gegenwärtig aber keine 
Tbyieoidea mehr fühlen lässt. 

Caater bebt dabei hervor, dass Myxödem auch ohne Atrophie der Thyreoidea 
aMehmi könne, und dass keineswegs Hypertrophie der Drüse und Myxödem sich 
Mfhiöesen. — Er rühmt gegen die Krankheit Fluorwasserstoffisäure, bei welcher 
4er Umfazig des Halses in einem seiner Fälle von 16 auf 12 Zoll hinäbgegangen 
äiL Daneben Thyreoideatabletten (5 g). Völlige Heilung. 

L. Lehmann I (Oeynhausen). 


31) Kyxodem auf seltener Basis, von Stabsarzt Dr. Burghart. (Charitö- 

Annalan. Bd. XXII. 1897.) 

Die Mittheilung ist die Fortsetzung der Krankengeschichte eines bereits von 
kubier mitgetheilten Falles von Actinomykose der Schilddrüse (Berliner klin. Wochen- 
.-cbrift 1894. Nr. 41), bei dem nach operativer Entfernung der erkrankten Partieen 
relative Heilung eingetreten war, die man vor späteren Becidiven der myxödematösen 
Erkianknsg gesichert glaubte. Bald nach ihrer Entlassung traten indessen Krank- 
bätsHBcheinimgen progredienten Charakters auf, wegen deren sie 2 Jahre später in 
im Kliailc Aofoabme fand. Es wurde alsbald das typische Bild des Myxödems con- 
fltatiit, Pat. erhielt Jodotbyrin mit ausgezeichnetem Erfolge; nach Aussetzen des 
MittMs Wiederanftreten der Symptome. Der Wechsel im Befinden der Pat. und das 
Herv«r- bezw. Zurüektreten der objectiven Krankheitssymptome konnte dann noch 
zwei Mal wie im Experiment je nach Gebrauch oder Aussetzen des Mittels constatirt 
«erden. An der specifischen Wirkung des Jodothyrins kann demnach nicht gezweifelt 
«erdoL Martin Bloch (Berlin). 


32) Om myxodezn, af S. A. Pfannenstill. (Uygiea. 1897. Bd. LIX. 12. 8 . 637.) 
— TtA Dali af myxödem, behandlade med tbyreoidlntabletter, af 
PfannstilL (Ibid. S. 682.) 

Aasser einer eingehenden Darstellung der Pathologie des Myxödems theilt Terf. 
tw« Fälle mit, in denen durch Anwendui^ von Thyreoidintabletten Heilung erzielt 
Wirde. Der erste Fall betraf ein 61 Jahre altes unverheirathetes Frauenzimmer, das 
ae^ mmdeetens 10 Jahren an Myxödem litt, das aber seit einer Beihe von Jahren 
keine weiteren Fortschritte gemacht hatte. Ueber Ursacbeu und Auftreten waren 
ksiae soverlässigen Nachrichten zu erlangen. Neben den gewöhnlichen Symptomen 
4es Hyxödents bestand stark ausgeprägtes Zittern des Kopfes, das durch die Behand¬ 
le^ ebenso beeinflusst wurde, wie die Übrigen Symptome und mit diesen schliesslich 
vecsAwand. Aach Uämorrhoidalscbmerzen, die zugleich mit dem Myxödem aufgetreten 
wiren, verschwanden durch die Behandlung. Die Schweisssecretion hatte nie auf- 
g^ört, obwohl sich die Krankheit in einem vorgeschrittenem Stadium befand. Als 
Pil 2 Monate lang mit Thyreoidintabletten behandelt worden war, traten In- 
taxicatioDseympiome auf, die sich in Kopfschmerz, Schwindel, Pulsbeschleunigung, 
Ifitiifuffthi zeigten und nach Verminderung der Dosis rasch verschwanden. Nach 
ftuwintiim der Behandlung kehrten die myxödematösen Symptome ziemlich rasch 


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wieder, woraus folgtj dass das Mittel nur auf die Symptome specifisch wirkt. Unter 
BeibehultuQg der Tabletten in geringer Dosis befand sich Pat. später wohl. — Im 
zweiten Palle war bei einer Witwe im Alter von 50 Jahren das MjxOdem anfgetreten 
mit Gebärmutterblutungen und Blutungen aus dem Munde. Die Krankheit bestand 
bei Beginn der Behandlung seit fast 20 Jahren und war weit vorgeschritten. Die 
royxbdematösen Symptome verschwanden unter Anwendung von Thyreoidiotabletten 
ziemlich rasch, und Fortnehmen der Tabletten in sehr geringer Dosis genflgte zur 
Erhaltung fortdauernder Besserung. In noch zwei anderen Fällen, die Verf. beobachtet 
hat, hatte diese Behandlung ebenfalls gfinstige Wirkung. 

Walter Berger (Leipzig). 


23) ToTilfAlde sf Myxödem, af J. S. Möller. (Hosp.-Tid. 1897. 4 B. V. .SO.) 

Verf. theilt zwei Fälle von Myxödem mit, von denen der erste eine 54 Jahre 
alte verheiratbete Frau aus gesunder Familie and mit Ausnahme einer in Folge von 
Arthritis deformans verkrüppelten Tochter, gesunden Kindern. Die ersten Anßnge 
des Myxödems waren vor 2 Jahren bemerkt worden. Die Schilddrüse war klein und 
sehr fest. Unter Anwendung von Schilddrüse wurde in etwa 2 Monaten der fiübere 
Zustand wieder hergestellt, doch blieb Neigung zu Recidiv vorhanden. Der zweite 
Fall betraf eine 47 Jahre alte Frau mit drei gesunden Kindern, bei der die Krank* 
heit kurz nach der Geburt des dritten Kindes (vor SVg Jahren) begonnen hatte. 
Durch Thyreoidintabletten wurde baldige Besserung erzielt, aber, wenn die Pai die 
Dosis der Tabletten verminderte, begannen die Krankheitserscheinungen sich wieder 
einzustellen. Walter Berger (Leipzig). 

24) De la tötanie, par E. Tordeus. (Journal de clin. et de thörap. infani 1897. 

Nr. 40.) 

Ausser einer kurzen Besprechung der Tetanie theilt Verf. eine Beobachtung einer 
seltenen Krampfform mit. Ein junges anämisches Mädchen, das schon ein Mal 
2 Monate früher gleiche Symptome dargeboten, merkte Morgens beim Erwachen, dass 
Kinn und Lippen nach links abgewichen and die Kiefer einander genähert waren. 
Die linken unteren Backenzähne standen vor den oberen, umgekehrt auf der rechten 
Seita Die Sprache war behindert, das Kauen unmöglich. Die Pat konnte nnr 
flüssige Nahrung zu sich nehmen, ln der Nacht verschwand der Krampf und trat 
am Morgen wieder auf. Auf Galvanisation Verschwinden der Symptome nach un- 
geßhr 3 Wochen. 

Es handelte sich nm einen Krampf der Pterygoidei. Ein gleicher Fall ist erst 
ein Mal in der Litteratur beschrieben, und zwar von Lenbe (Deutsches Archiv fOr 
klin. Med. 1869. Bd. VI.) Valentin. 


26) Zwei weitere Fälle von juvenilem Totalstar bei Tetanie, von Dr. Felix 

Wettendorfer. (Wiener med. Wochenschr. 1897. Nr. 36.) 

Verf., welcher bereits einen Fall von Cataract bei Tetanie mitgetheilt hat 
(Wiener med. Wochenschr. 1897. Nr. 11 n. 12), bringt zwei weitere einschlägige 
Beobachtungen. Im ersten Falle, bei einer 37 Jahre alten Strobflechterin, war die 
Tetanie combinirt mit epileptiformen Anfällen, die zum ersten Male während einer 
Gravidität anftraten. Äccommodationskrämpfe. die sich mit jedem Anfälle einstellten, 
waren anamnestisch nachweisbar. Im zweiten Falle, bei einem 29jähr. Mädchen, 
waren sie in der Anamnese nicht nachzuweisen, doch meint Verf., sie können in 
Folge der Schmerzhaftigkeit der Muskelkrämpfe der Wahrnehmung entgangen sein. 
Die Erklärung der Cataracte durch Äccommodationskrämpfe (Magnus) scheint Verf. 


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273 


wihndieiolieher als die durch tropbische StöruDgen, und spricht fQr erstere Auf» 
basQz^ ausser der Analogie mit den zahlreichen Fällen von Eigotinstar, welchen 
Aeeommodationskrünpfe yorangingen, auch das Aussehen der Cataracte, die dichten 
di&sen Corticaltrflbungen in der Höhe der Linsenpole, besonders der hinteren, da 
^ die Linsenpole die Hauptpforten fOr den Lymphatrom der Linse bilden. Wenn nun 
Buh der Kagnus'achen Theorie die Cataracte eine Folge der durch Accommodations- 
bispfe gestörten localen Lymphcircolation sind, so erscheint die stärkere Betheiligung 
to Corticalis an der AUgemeintrflbang in der Nähe der Pole erklärlich. Im zweiten 
Falle var^ zwar trophische Störungen der Kägel vorhanden, doch ist es fraglich, 
ob die Cataracta damit in Analogie zu setzen ist. 

Veif. rätfa, in allen Fällen von juvenilem Totalstar nach den Cardinalsymptomen 
der Tetanie zu fahnden. J. Sorgo (Wien). 


26) Riri Fall von PhospliorvergUtung mit Tetanie, von Dr. v. Stransky. 

(Prager med. Wochenschr. 1897. Nr. 32.) 

Verf. belichtet über einen Fall von Phosphorvergiftung, in deren Verlauf sich 
das Symptomenbild der Tetanie entwickelte. Ein ISjähr. Mädchen nahm in selbst- 
jadrdaiseher Absicht eine Auflösung von Zflndbölzchenköpfchen, entsprechend etwa 
ciiier Phoephormenge von 0,45 g. Die Erscheinungen der Phosphorvergiftung besserten 
ää bald wieder. 4 Tage später stellten sich, nachdem subfebrile Temperatur vor* 
UBgsgangen war, tonische Krämpfe in den oberen Extremitäten und im Gesiebte, 
sowie Parästbesieen ein. Die Krampfanfälle, die mit typischer Stellung der Hände 
äahsrgiDgen, dauerten 15Hinuten. Den folgenden Tf^ liess sich das Trousseau’sche 
P hiimiMwi nachweisen, den zweitfolgenden Tag war das Symptomenbild der Tetanie 
owplet geworden, was durch 4 Tage anbielt. Einige Tage später cessirten die 
soga. Krämpfe, später verschwand auch die mechanische Uebererregbarkeit der Nerven. 

Trotz des Zusammentreffens der Phosphorvei^iftung mit Tetanie hält der Antor 
iMztere ffir eine idiopathische, wenn auch vielleicht die vorhergehende Intoxicatiou 
ein prädisponirendes Moment fflr das Auftreten der Tetanie gelten kann. 

Eedlich (Wien). 


27) La tetanie ohea l’enfänt, par Dr. C. Oddo (Marseille). (Revue de Medecine. 

1896. Juin. JoUlei AoQt. Septembre.) 

Sehr ausführliche, umständliche, auf umfassende Litteraturstudien beruhende 
bcstcllong der Pathologie, Aetiologie und Therapie der Tetanie, mit besonderer 
Bertdskhtigung der Tetanie im Kindesalter. Da die Arbeit keine eigenen neuen 
Beobachtungen enthält, sondern rein referirender Natnr ist, eignet sie sich nicht zu 
eionn Aaszuge. Als litterarbistorische Quelle ist sie nicht ohne Werth. 

Strümpell (Erlangen). 


28) Xlebex Tetanie im Kindesalter, von Dr. S. Kalischer, Arzt für Nerven- 
knnkbeiten in Berlin. Ans der Nervenabtbeilung der Kinderpoliklinik des 
Privatdoc. Dr. H. Neomann. (Jahrbneb f. Kinderheilkunde. Bd. XLII.) 

Die Angaben der Aotoren Ober die Häufigkeit der Tetanie im Kindesalter 
aehwnkai, selbst wenn sie ans denselben Gegenden stammen; dies liegt znm grössten 
Thd io der so wenig flbereinstimmenden Änffassnng des B^riffes der Tetanie. Verf. 
päfisirt das Krankheitsbild genau und bezeichnet mit Tetanie nur die Fälle, wo 
typische Manische Krampfanfälle Vorkommen. Die Krankheit kommt in der Tbat 
bä Säof^gen nnd Kindern in den ersten Lebensjahren vor, wenn auch in Berlin 
aäta, ein gewisser, allerdings nur indirecter Zusammenhang mit der Rachitis ist 

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nicht völlig von der Hand zu weisen. Die Untersuchong der Kinder erfolgte nach 
einem, alle für die Tetanie bezüglichen Fragen enthaltenden Schema. Die Unter¬ 
suchung auf das Vorhandensein des Chrostek’schen Zeichens nnd des Tronsseau'- 
sehen Phänomens erfordert gewisse Vorsichtsmaassregeln. 

Von 9481 Kindern (1893—1896) litten 7 an Tetanie. Verf. untersuchte selbst 
5 Kinder bei im Glanzen 2191 zur Beobachtung gekommenen; von letzteren waren 
1116 rachitisch, davon hatten Tetanie 3, während von 1077 nicht rachitischen 2 Tetanie 
hatten. Alle Kinder waren in den beiden ersten Lebensjahren. 

Von den 5 Kindern litten S zugleich an fieberhaften Magendarmaffectionen, in 
allen Fällen bestand Spasmus glottidis, welcher als zum Symptomenbilde der Tetanie 
gehörig betrachtet werden muss, ebenso auch allgemeine Convulsionen, die mch bei 
3 Kindern fanden. Das Trousseau’sche Phänomen fand sich bei 3 Kindern, ea 
kann also bei Tetanie fehlen. Das Gleiche gilt vom Facialisphänomen. ln allen 
Fällen bestand eine erhöhte mechanische Erregbarbeit der motorischen und sensiblen 
Nervenstämme. Erhöhte galvanische Erregbarkeit am N. nlnaris und peroneus liess 
sich einmal nachweisen. 

Verf. untersuchte ferner 82 rachitische Kinder auf nervöse Erkrankungen, speciell 
auf einzelne tetanische Symptome (latente Tetanie, tetanoide Zustände). Von diesen 
82 litten 51 am Spasmus glottidis, 2 an Anßilleo von Apnoe, 14 zeigten das 
Troussean’sche Phänomen, 28 das Facialisphänomen. 3 Spasmns nutans mit 
Nystagmus, 1 Nystagmus allein, 2 Strabismus, 1 Hydrocephalus und 30 allgemeine 
Convulsionen. Von den 51 Kindern mit Spasmus glottidis batten 21 weder Facialis- 
Phänomen, noch das Trousseau’scbe Zeichen, 14 das Facialisphänomen allein, 2 
Trousseau'sches Phänomen allein, 12 beides. Bei 31 rachitischen Kindern ohne 
Spasmus glottidis fand sich nur 2 Mal das Facialisphänomen. Nie das Trousseau'sche 
Zeichen. 

Die Häufigkeit nervöser Affectionen bei Rachitis entspricht der von Kassowitz 
angegebenen. Weder der Grad der Rachitis, noch der Ernährungszustand der Kinder 
war von Bedeutung für die Intensität und Häufigkeit der nervösen Störungen. Auf¬ 
fällig ist der Umstand, dass mechanische Uebererregbarkeit der motorischen Nerven 
häufig vorkommt bei Rachitis, wahre Tetanie dagegen selten, Uebergang der sc^n. 
latenten Tetanie in manifeste wurde nie beobachtet. 

Das Facialis« und das Trousseau’sche Phänomen kommt auch in Gegenden 
vor, wo Tetanie unbekannt ist, während es andererseits bei der Tetanie der Er¬ 
wachsenen und Kinder fehlt, beide Zeichen reichen also zur Diagnose der echten nnd 
latenten Tetanie nicht ans. Der Laryngospasmus ist bei Erwachsenen sehr selten, 
bei Kindern sehr häufig; bei letzteren scheint die Tetanie häufiger alle vier Ex¬ 
tremitäten zu befallen, der Therapie zugänglicher zu sein und einen mehr aenten 
Verlauf zu nehmen, als bei Erwachsenen; hei diesen ist Tetanie in Berlin jedenfalls 
sehr selten. 

Symptome, der Tetanie ähnlich, finden sich bei Hysterie, Hydrocepbalie und 
Tetanus, Verf. erörtert die Differenzpunkte. Die Tetanie sei als selbstständige Krank¬ 
heitsform aufzufassen, etwa wie Epilepsie, trotzdem beide eine mannigfaltige Aetiologie 
haben. Allen Ursachen gemeinsam ist, dass sie zu einer chronischen Ernährungs¬ 
störung des Gesammtorganismus, speciell des Nervensystems, führen. 

ln einem Nachtrag theilt Verf. mit, dass er innerhalb 3‘/s Monaten 5 weitere 
Fälle von echter Tetanie beobachtet hat. Diesem gehäuften Vorkommen legt Verf. 
vorlänfig keinen Werth bei. Alle Kinder genasen; sie waren alle rachitisch, 3 hatten 
Spasmus glottidis und allgemeine Convulsionen, in 4 Fällen war das Tronsseau’sche 
Phänomen voriianden, in 3 das Facialphänomen. Alle 5 hatten erhöhte elektrische 
Erregbarkeit. Ein Kind hatte im ersten Jahre latente Tetanie mit Spasmus glottidis, 
im zweiten nur letzteren. Dieser verschwand, um einem echten Petit mal Platz zu 
machen, das bestehen blieb. Samnel (Stettin). 


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Psychiatrie. 

19) De l’intentüiame myxoedömatouz» par E. Brissaad. (Koqt. Iconograpbie 

de la Salpetridre. 1897.) 

TerC. yersteht n üebereinatimmQDg mit H. Neige onter Infantilismus Zustände, 
y^che dadurch gekennzeichnet sind, dass die körperlichen und geistigen Eigen* 
Khaften der Kindbeit in höherem Alter bestehen bleiben: körperlich danemd kind* 
hebe Proportionen, also verhältnissmässig grosser, runder Kopf, länglicher Rumpf, 
Tdret^ender Bauch, runde, volle Extremitäten; Fehlen der secundären Geschlechts* 
äanktere, also rudimentäre Geschlechtsorgane, Mangel der Behaarung an den Ge* 
«Ueehtsiheilen ond in der Achselhöhle, geringe Entwickelung der Brustdrflse u. s. w.; 
güög geringe Ausbildung der Intelligenz, rasches und abnorm leichtes Eintreten, 
aevie spttrloaes Verschwinden starker Affecte, tlbertriebene Neigungen n. s. w. — Unter 
Jn&ntüiame mjrxoeddmatenx“ versteht Verf. non die Zustände von Infantilismue, 
wüA» dadurch entstanden sind, dass die gesammte Entwickelung durch eine in der 
Jagend eingeiretene Störung der Scbilddrflsenfunctionen zum Stillstand gekommen ist. 
Di&isch zeigen solche Individnen natOrlich ausser den oben angedenteten infantilen 
figCBtbfLBlichkeiten auch mehr oder weniger deutlich die gewöhnlichen tbyreopriren 
Syp toae (Myxödem); jedoch betont Verf. besonders das Vorkommen von „formee 
fristss** sowohl des Myxödems, wie des Infantilismus, wobei eben nur einige, aber 
aidit BäBmtlide typische Erscheinungen nachweisbar seien. In Anbetracht der 
flisssaaden Uebergänge und der zahllosen Abstufungen bestehe auch zwischen dem 
Jsf. mjx.** des Yerf.’s und der „Idiotie myxoeddmatense'* von Bourneville kein 
gaahtativer, sondern nur ein quantitativer Unterschied, insofern als eben einerseits 
die Idiotie myx.*' den höchsten Grad des „Inf. myx.", den Infantilismus par ex- 
ireflsace darnteUte, während es sich andererseits bei den leichtesten Fällen von 
..Ul BDjx.“ im Principe such om Idioten bandele, wenn auch um „idiots trös 
sopdrioirs.“ 

Die Unterschiede der einzelnen Fälle führt Verf. 1. auf die Intensität der 
Sckdddrteenläsion zurück und 2. auf den Zeitpunkt, in welchem diese zur Entwieke- 
tosgahemDong geführt hat Andere als Infantilismus beschriebene Formen („type 
Leraia“, geringe Körpergrösee, aber Proportionen des Erwachsenen, geringe AusbUdong 
dar GaoitaliaD, Fehlen der sexoellen Functionen u. s. w.) trennt Verf. scharf von 
im etgentlicben Inf. (myx.); jene Formen seien nur Manifestationen allgemeiner 
Säwäeberastände, für welche besonders hereditäre Lnes, Alkoholismus, Störungen in 
itt Eatwickelni^ des Herzens und der grossen Gefässe („infantilisme anangioplasique“) 
van ätiol<^i8cher Bedeutung seien. Verf. beschreibt ond reprodocirt hierbei ein 
I8jähr. Individuum, welches die Grösse eines 4jähr. Kindes hat und eine Combination 
das „m&nUlisme anangioplasique“ und des „infantilisme myxoeddmateux“ zeigt; es 
w CBsafseits schwer hereditär belastet und trank selbst enorm, andererseits hatte 
es dar dl Lymphdrüsentubercolose die Schilddrüse eingebüsst. Zum Schluss betont 
Tatf., dass weder das complete, noch das abortive angeborene Myxödem unbedingt 
■it paychiachen Störungen einbergehen müsse; es sei daher mit Rücksicht auf die 
Siperijiieatalergebnisse über die Function der bei vielen Thieren noch getrennt von 
dar Thjreoidsa liegenden Gl. parathyreoideae (cf. Kef.: Vassale et Generali, Sur 
las aCata de l’exstirpation des glandes parathyrdoidiennes. Arcb. It de Biol. 
Tm. XXVL 1. — Vassale et Donaggio, Les altdrations de la moölle dpiniöre 
dai lea chiens opdrds d’exstirpation des glandes parathyrdoidiennes) anzunehmen, 
üMi das Aofhöreo der Function des tbyreoiden Gewebes die Dystrophieen der Haut 
aad des Skeletts Terorsachs, während die nervösen, speciell die psychischen Störungen 
«•( d«B Fonctionsansfall des parathyreoiden Gewebes zu beziehen seien. 

Kaplan (Herzberge). 

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30) Idiotie myxoed^matease (myzoedöme infantile) et rinfluenoe per 
ringeation de glsnde thyroide du mouton, par Bourneville. (Progr^ 
medical. 1897. Nr. 10—11.) 

Yerf. schildert den wohltMtigeo Einfluss der Verabreichung frischer Hammel* 
Schilddrüse bei zwei 4* bezw. 5 Jahre alten idiotischen Kindern, die ausserdem an 
MyxOdem litten. Eine Reihe Tabellen, Photographieen und Zahlen zeigen die Unter¬ 
schiede vor, während und nach der Behandlung. Da sämmtliche Hittheilungen sehr 
ausführlich und genau sind, eignet sich der Aufsatz leider nicht fOr eine kurze 
Besprechung. Es sei aber hiermit auf ihn aufmerksam gemacht. 

Adolf Passow (Strassburg i.'E.). 


31) Tiroide e oretlniamo, per Cristiani. (Annali di freniatha. 1897. S. 349.) 

Sehr eingehende, gründliche Arbeit mit grosser Litteraturkenntniss und wohl* 
thuender Objectivität geschrieben. Pathologisch und klinisch vergleicht Terf. den 
Cretinismus mit den Zuständen nach Exstirpation der Schilddrüse, dem Myxüdem, 
auch mit dem M. Baseduwii und kommt zu dem Schlüsse, dass der Cretinismus das 
Primäre einer Veränderung des Schilddrfisenparenchyms sei, die eine „Hypofunction“ 
derselben erzeuge und in Folge dessen durch Vergiftung direct das gesammte Central* 
nervensystem angegriffen werde und davon wieder abhängig die übrigen somatischen 
Zeichen, während die Stoffwechselveränderungen weniger in Betracht kämen. Freilich 
giebt es noch manche Punkte aufzuklären und bei dem endemischen Cretinismus sind 
die Resultate der Tbyreotherapie nicht so brillant, wie beim HyxÜdem. Verf. meint, 
dass das Ganze sehr bestechend wäre, wenn nicht ganz neuerdings die experimentelle 
Arbeit Mnnck's erschienen wäre, die alle bisherigen experimentellen Ergebnisse und 
Inductionen Anderer in Frage stellten. Er leugnet darin die Wichtigkeit der Schild¬ 
drüse für den ganzen Organismus, ebenso auch den Zusammenhang von Hjxüdem, 
Cretinismus u. s. w. mit der Thyreoidea, ebenso den Erfolg der Tbyreotherapie. 
Solchen gewichtigen und, wie Ref. glaubt, ausschlaggebenden üntersuchnngen gegen¬ 
über harrt unruhig die definitive Frage des Zusammenhangs von Schilddrüse und 
Cretinismus u. s. w. der Lösung. Verf. erwähnt einige interessante Daten. So ist 
vieler Orten erst Kropf beobachtet worden, später Cretinismus. Kropf hält Lombruso 
für abgeschwächten Cretinismus (l Ref.). Kropfkranke erkranken leicht psychisch, mehr 
als Andere, und zwar an den degenerativen Formen der Psychose, der Paranoia, 
Epilepsie und besonders der Idiotie. (Auch hierüber sind die Beobachtungeu noch 
zu spärlich. Ref.) Harzocchi und Antunini wollen ferner gefunden haben, dass 
bei den Irren mit Kropf weniger Hämoglobin, Harnstoff, P^Og und giftigerer Ham 
gefunden wurde, als bei den übrigen Geisteskranken. (Auch das wäre noch weiter 
zu erhärten. Ref.) Während aber hier die depressiven Formen vorherrschen, sollen 
bei M. Basedowii, wo es sich um „Hyperfunctiou“ handele, mehr erregte Psychosen 
und Zustände auftreten (? Ref.) Als eifriger Jünger Lombroso’s endlich hält Verf. 
die Degenerationszustände am Körper bei Cretins u. s. w. durch dystrophische Processe 
im embryonalen Leben für „ethnische Rückschritte, atavistische Charaktere" (! Bef.). 

Näcke (Hubertnsburg). 


32) TTeber das Bewusstsein der Hallnoinirenden, von Dr. Josef Berze. 

(Jahrbücher für Psychiatrie u. Neurologie. Bd. XVl.) 

Der Unterschied zwischen Perceptions* und Äpperceptionsballucination zeigt sich 
in genetischer Beziehung namentlich in der Verschiedenheit des Verhältnisses znx 
Bewusstseinsstörung. Die Perceptionsballucination an sich setzt keinerlei Bewusstseins¬ 
störung voraus; sie entsteht aus Roizvorgängen in dem betreffenden Sümeacentruti 
und stellt einen vom Zustande des Associationsorganes xar’ ganz unabbängi^et 

Einbrnch in das letztere vor, als dessen Ursache — zum Unterschiede von der physio 


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277 


logiKto} ^neewahrnehiDanK, bei der dieser Effect oor darcb die Einwirkaog aof 
dü eDtq>reehende p^phere Sinnesorgan bewirkt wird — eine spontane Entladung 
iis Simescentmms anxnseben ist Eine etwa doch vorhandene Störung des Bewosst* 
stias spielt demnach nur eine accidentelle Bolle und findet ihren Ausdruck iu der 
pathologischen Verwerthnng des Hallncinirten. Die Apperceptionshallucination weist 
iQf die eigentlichen Associationscentren als Drsprungsstätte und l&sst a priori eine 
Stufig des Bewofötaeins erwarten; diese ist nicht nur thatsächlich klinisch nach- 
vBsbir, sondern dürfte sogar, wie der Verf. ausznführen bestrebt ist, ohne Hinzu* 
tntn etnss weiteren pathologischen Factors die Oenese der Apperceptionshallucination 
Mgrt&den. Das Bewnsstsein erscheint nämlich bei den in Betracht kommenden 
Imtm gestört im Sinne einer Einengung aof einen Best von VorsteUungen, die in 
des ^e, als me wahnbaft entstellt sind, eben den Wahn vorstellen. Die Enge 
(stst^t in vowchiedener Weise, beispielsweise dadurch, dass der übrige Bewusstseins- 
ahzh in Folge Bindenerschöpfung ausser Function gesetzt ist, oder dadurch, dass 
er skh in Folge der erschwerten Auslösbarkeit in einem Zustande functioneller 
Uuu befindet. Zur Erläuterung der Genese der Apperceptionshallucination aus 
ieaim Zietande zieht der Verf. den Vergleich dieses Zustandes, den er kurz als den 
dir bzilarinatorisehen Disposition bezeichnen möchte, mit dem bjpno^chen Zustande 
ina. In diesem erßhrt der „fonctiooirende Best“ des durch die Hypnose ausser 
Fm^on gesetzten Associationsmecbimismas in Folge einer Weigerung der ideo* 
^anriillen Beflexerregbarkeit eine pathologische Verwerthnng in. der Bichtung, dass 
AM Unsetzong der Vorstellung in Empfindung erfolgt (Bernheim). Ganz dieselben 
Vwfailtaisse gelten für die ballucinatorische Disposition, welche demnach gelegentlich 
ar hallscinatorischen Wahmebmung der im eingeengten Bewnsstsein mit um so 
ntewer Potenz auitauchenden Vorstellung führen muss. Der Verf. stellt sich also 
för «fiese Form der Hallucinationen auf den Boden der centrifugalen Theorie, von 
der er aber anaftthrt, dass sie im Lichte der neuesten Forschungen (namentlich 
FUehaig’s) einen anderen Charakter gewonnen hat, dem gegenüber manche Ein* 
riade, welche gegen die centrifugale Theorie früher mit grösserer oder geringerer 
Bcecbfigoig ixi’s Treffen geführt werden konnten, an «Bedeutung wesentlich verloren 
tibcB. Von Seiten der Sinnescentren möchte der Verf. für die Entstehung der 
Ippwc^onshalludnationen eine erhöhte Ansprechbarkeit keineswegs postnliren, ob* 
*oU V die Erleichterung ihrer Entstehung im Falle des Bestandes der letzteren 
nagaben nicht versäumt. Erhöhte Ansprechbarkeit ist aber nicht etwa identisch 
Kt «aa zor spontanen Entladung tendirenden Beizzostande der Sinnescentren, der 
nr die Grundlage für die Entstehung von Perceptionshallacinationen bilden kann. 

Nebenher wird in der Studie die Frage nach dem Zusammenhänge von Beiz* 
aetäadsB in den peripheren Sinnesorganen — z. B. von entotischen Geräoschen — 
>n d« fotstehong von Sinnestäoscbnngen berührt. Unabweisbar ist zunächst die 
AnahB^ dass sie ebenso wie der durch äussere Objecte angeregte Beiz im Sinnes* 
wgue, die Grundlage für lUnsionen abgeben können; als naheliegend muss ferner 
he Aaaahme bezeichnet werden, dass sie bei dem Umstande, als sie einen Beiz* 
tvted ia Sinneeeentmm bewirken können, gelegentlich zu Perceptionshallncinationen 
könwii. Den Ueberl^ngen dagegen, welche den peripherischen Beizen auch 
tm fiedentimg bei der Entstebong psychischer Hallucinationen einränmen möchten, 
un dir Vmf. keine Berechtigung zosprechen. Hier sei znm Scblasse noch des in 
'« Studie nicht berührten Umstandes Erwähnong gethan, dass die von den Autoren, 
sieb mit dieser Frage beschäftigt haben, angeführten Gebörsstörungen zumeist 
der Natur sind, dass sie neben Beizerscbeinungen eine verschiedengradige Ver* 
üdwukg des Gehörvermögens bedingen; für die Entstebong von psychischen Halln- 
Qttfiooen scheint non dieser letztere Factor eher von Bedeutung zn sein, indem er 
den Ansf&ll der GehOrseindrOcke zor Entstehung einer Bewosstseinsenge bei* 
kann. • (Autorreferat.) 


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33) Sie puerpeimlen FsyohosMi, vom itiologiaohea, klinisohen und foren* 

eieoben Btandpimot, von Dr. Shdarow. (Moskau. 1896 [rosnseli].) 

Eine 436 Seiten umfassende Monographie. Als Binleitang dient ein aosgeseicli- 
neter historischer Ueberblick über die Lehre von den Puerperalp^chosen. Terf. theilt 
die Geschichte derselben in drei Perioden: die älteste beginnt mit Hippokrates ond 
reicht bis zum Anfang unseres Jahrhnnderts, als Pnzo's Theorie von den „Mildi* 
ablagemngen^ durch Cbossier (1801) gestOnt wurde; diezweite, mittlere, umfasst 
eine grosse Menge wissenschaftlicher Untersuchungen Ober dieses Thema und end^ 
1887, als durch Campbell Clark mit Bestimmtheit Intoxication als ätiolAgisches 
Moment der Puerperalpsjcboseu angesprochen wurde; seitdem ist eine Reihe Tun 
Arbeiten erschienen, die zur weiteren lüämng dieses, die neueste Periode kennzeich¬ 
nenden Standpunktes beitragen. Verf. scheidet aus seinem Untersuchnng^ebiet die 
Schwangerschaftspsjchosen und auch diqenigen aus, die zur eigentlichen Lactations- 
Periode gehören, und zählt zu den Puerperaipsjchosen nur solche Geistesstörungen, 
die im Laufe der ersten sechs Wochen post partum entstehen. Indem er die Häufig¬ 
keit derselben in diesem streng begrenzten Sinn berechnet, findet er, dass nach den 
Augaben verschiedener Autoren und Berichten verschiedener Anstalten die Puerperal- 
psychosen gegenwärtig ungeföbr 4—4,8°/o der Geistesstörungen ausmachen, die 
fiberhaupt bei Weibern beobachtet werden, und dass dieser Prucentsatz in frflheren 
Zoiten grösser war (bis zu 6,3*^/(,), dass also in neuerer Zeit eine Abnahme der 
Frequenz der Puerperalpqrchosen zu constatiren ist. Speciell in Russland ergpebt 
eine ZusammensteUung aus fünf grösseren Irrenanstalten, dass auf 2841 Aufnahmen 
geisteskranker Weiber 117 Poerperalpsychosen (also 4,1^/^) kommen. 

Das eigene klinische Material des Verf.’s beträgt 87 Fälle von Poerperal¬ 
psychosen, davon 45 persönliche Beobachtungen und 42 Krankengeschichten aus 
verschiedenen Moskauer Irrenanstalten. Die Analyse der ätiologischen Verhältnisse 
dieser Fälle zeigt, dass zur Entstehung puerperaler Psychosen ein Zusammenwirken 
mehrerer Momente erforderlich ist, unter welchen die Hauptrolle drei spielen, und 
zwu* hereditäre Belastung (^ie war in 79^/^ vorhanden), puerperale Infection 
(64,5 ^/q) und Gemfitbsbewegungeu (56,37o)* Ausserdem bat auch Eclampsie wesent¬ 
liche Bedeutung, aber dieselbe tritt wegen ihres verhältnissmässig. seltenen Vorkom¬ 
mens in practischer Hinsicht zurück. 

Was den klinischen Verlauf der Puerperalpsychosen bestrifft, so handelt es sich 
unter den 87 Fällen 70 Mal, also 80,ö®/o um Amentia. Andere Irreseinsformen 
kamen nur vereinzelt vor, imd zwar Melancholie und Cerebropathia toxaeinica je 
4 Mal, Paranoia acuta 3 Mal, Manla 2 Mal, und andere Formen 4 Hai. In dieser 
Weise gehört die Puerperalpsychose in den allermeisten Fällen in das Gebiet der 
Amentia, und Verf. vermisste irgendwelche klinische Unterscheidungsmerkmale zwischen 
der puerperalen Amentia und detjenigmi, die bei Weibern unter anderen Verhält¬ 
nissen zur Beobachtung gelangt. Ungefähr in drei Vierteln der Fälle kam es zur 
Genesung. 

Das forensische Capitel enthält hauptsächlich allgemeine Betrachtungen über 
Bewusstseinsstörungen im Puerperium in Bezug auf Kindesmord bei ansserefaeUchen 
Geburten. Im Bchlusscapitel hebt Verf. die prophylactiscbe Bedeutung hervor, die 
die Vermeidung von Gemfithsbewegungen (Schreck, Aerger, Aufregung) für die 
Puerperalpsychosen — neben dem Vorbeugen puerperaler Infection — besitzt 

Am Schluss der werthvollen Arbeit sind die 87 eigenen Fälle des Verf. in 
Tabellenform zusammengestellt und 529 Schriften über das ihn beschäftigende Thema 
angegeben. P. Rosenbach (St Petersburg). 


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34) Drei otuisttoohe Britrftg« lur Lehre von den Psyohoeen mit Chorea» 

TOD Dt. K Dauer in GKürUtx. (MoDataechrift fOr Psyebiatrie und Neurologie. 

Bi I. 1897.) 

Di« chofeatiaehen Bewegungsetörungen wurden bei einem erblich schwer be* 
ksU/M tBj&hrigen Knaben, der an Zwangsvorstellungen und Sinneetäuschnngen litt, 
kn «oer ll^/^ Jahre alten Patientin, die hallucinirte und verworren war, ond bei 
etHa erwachsraen M&dchen mit Cyclotbjmie beobachtet. Im ersten und im dritten 
FiU entwickelte sich die Chorea vor Ausbruch der psychischen Störungen, im zweiton 
Fall entstanden beide Krankheiten gleichzeitig. ö. ilberg (Sonnenstein). 


33) Eonammenstellang der sich ln dem bürgerlichen Gesetabuoh für den 
Psyohiater ergebenden, a. Th. neuen Oesiohtapunkte für die Eretattung 
von Ontechten, von Landgerichtsrath C. Schnitze in Berlin. (Honatsschrift 
fftr Psychiatrie ond Nenrologie. Bd. 11. S. 204.) 

Es ist für den Frieden zwischen Juristen und Psychiatern wohl wesentlich, dass 
t«i4« Parteien in ihren Schranken bleiben. Ein medicinischer Sachverständiger 
kau seinem Gntaebten* nnr schaden, wenn er sich allzusehr auf juristische Deduc- 
ÜMt eiolässt, deren Tragweite er in der Begel nicht ermisst. Mit Dank ist daher 
ei« vorBegende Arbeit zu begrOssen, deren Autor die ans dem Titel ersichtliche Aut- 
Ufifig ertheilt. Er bespricht, iowiefern Geisteskrankheit nach dem b&rgerlicheu 
öeeetibnch Grund ffir Entmflndigung, Einsetzung einer Pflegschaft, Bevormundung 
V-Iljihriger, Geschäfts* und Testiruniabigkeit und für Ehescheidung ist. 

Dorch die Entmflndigung wird die rechtliche Persönlichkeit eines Menschen 
T-jlfig aufgehoben. Mit Rfleksiebt auf die schwere Beeinträchtigung der persönlichen 
Fraknt haben alle Oesetzgebm^en diese Fälle möglichst einzuschränkeu versucht. 
Gcfiovärtig sind die Bestimmungen Aber die Entmflndigung Geisteskranker in den 
«auteen deutschen Staaten verschieden. Von medicinischer Seite ist namentlich 
gvgm dm in einzelnen Staaten gebränchliehen Ausdruck „des Vernunftsgebrauchs 
wubt'' lebhafter Widerspruch geäussert worden. \'om Jahre 1900 an tritt im 
faaae deotseben Reiche die einfache und klare Bestimmung des bfligerlicben Ge- 
»«tibochee in Kraft, dass, wer in Folge von Geisteskrankheit oder Geistesschwäche 
MIM Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag, eotmöndigt werden kann. Geistes* 
Inakbeit oder Geistesschwäche mflssen einen solchen Grad erreichen, dass der Kranke 
^ Schwache seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag. Unter Angelegen* 
keitCD ist die Geaammtheit aller Beziehaogen des Einzelnen zu seiner Familie, 
»MB Yermögen und zur Gesellschaft zu begreifeu. Seine Äogel^enheiteu besorgen 
tna aar Jemand, der mit freier Willensbestimmung bandelt, der eine klare Vor* 
caUsng der von ihm gewollten Handlung hat ond die Folgen seines Handelns, soweit 
tie Mnaler Weise voransznsehen sind, zn überlegen im Stande ist. Der begut* 
zcktende Psychiater musste bisher das von ihm Ermittelte in einer von dem mate* 
nsUsD Rechte vorgeschriebenen Formel zum Ausdruck bringen, die den Gegriffen 
Miaar Wissraschaft oft nicht entsprach. In Znkunft braucht er lediglich festzustellen, 
*k der EotffiAndigende geisteskrank bezw. geistesschwach ist oder nicht; ausserdem 
ist er das Material zu liefern, ob der Explorirte seine Angelegenheiten zn besorgen 
wnaag, d. b. ob er mit freier Willensbestimmung oder unter dem Einfluss abuormer 
^«•leathätigkeit handelt In jedem concreteu Falle soll die Eigenart des einzelnen 
iadividiioBis berücksicht^t werden. Es bleibt aber selbstverständlich Sache des 
I kickten zu entscheiden, ob die Yoraussetznngen fflr die EDtmflDdigaog thatsäcblich . 
I ahid. Der w^n Geisteskrankheit Entmündigte ist unfähig, Bechtsgesebätte 

'dB rachtswirksame Willensakte vorzunehmeo. Ist die Entmflndigung nur wegen 
G wn a aa chwäche ausgesprochen worden, so handelt es sich um geringere Rechtsver* 



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kürzui^. Auch io dem auf Wiederaufbebuog einer EntmOndigung gerichteten pro* 
ceseuaien Verfahren nach erfolgter Heilung oder derart^er Bessernng, dass Besorgong 
der Angelegenheiten möglich ist, hat der psychiatrische Sachverständige mltznwirken. 
Nach erfolgter Entmflndigong erhalten geschäftsunfähige Volljährige einen Vormund. 
In bestimmten Fällen kann das Vonnnndscbaftsgericht schon nach beantragter Ent- 
möndigong eine vorläufige Vormnndschaft eintreten lassen; dann kann ein 
Gutachten darüber nothwendig werden, ob der Kranke sich oder Andere zu gefährden 
geneigt ist 

Personen, die in Folge von geistigen Gebrechen einen Theil ihrer Angelegen¬ 
heiten nicht besorgen können, erhalten mit ihrer BewiUignng für die Besorgung dieser 
Angelegenheiten einen Pfleger, ohne den sie hierbei nicht rechtsverbindlich handeln 
können. Auch hier kann der Psychiater nach verschiedenen Riohtnngen mitzu- 
wirken haben. 

Oer wegen Geisteskrankheit Entmündigte ist geschäftsunfähig. Seine 
Willenserklärungen sind rechtlich unwirksam; z. B. ist eine während der Zeit der 
Entmündigung geschlossene Ehe bezw. ein während dieser Zeit errichtetes Testament 
nichtig. Aber auch die Willenserklärung des nicht Entmündigten ist nichtig, wenn 
sie im Znstand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistesthätig- 
keit abgegeben worden ist Und auch derjenige ist geschäftsunfähig, der sich in 
einem die freie Willensbestimmung ausscbliessenden Zustande krankhafter Störung der 
Geistesthätigkeit befindet, sofern dieser Zustand nicht seiner Natur nach vorüber¬ 
gehend ist Der Psychiater hat in solchen Fällen die Tbatsacbe der vorübergehenden 
oder nicht vorübergehenden krankhaften Störung der Geistesthätigkeit festzustellen, 
oder er hat die Umstände aufzuklären, die auf den Grad der Krankheit schliessen 
lassen. Den Schluss aber, ob die betreffende Person ohne freie Willensbestimmung 
gehandelt hat, hat der Richter zu ziehen. 

Das bürgerliche Gesetzbuch bat Geisteskrankheit eines Gatten als Bheschei- 
dungsgrund acceptirt, wenn die Krankheit andauernd, hochgradig und unheilbar 
ist. In einem derartigen Ehescheidongsprozess soll untersucht werden, ob der be¬ 
treffende Gatte ein Leiden mit den vorgedachten Eigenschaften hat and ob dadurch 
die geistige Gemeiuschaft zwischen den Gatten snsgeschlossen wird. Der Psychiater 
hat sich in seinem Gutachten darüber zu äussem, ob Geisteskrankheit vorliegt, ob 
sie 3 Jahre gedauert hat und unheilbar ist, ob der Zustand des Kranken einen 
dauernden Aufenthalt in einer Anstalt bedingt und ob Hoffimng auf Wiederherstel¬ 
lung der geistigen Gemeinschaft zwischen den Gatten ausgeschlossen ist. Dem Richter 
fällt die Aufgabe zu aus den gelieferten Materialien zu folgern, ob durch die Seelen- 
störung tbatsächUch die geistige Gemeinschaft zwischen den Ehegatten anfgehoben 
worden ist. 

Wir Aerzte würden ja sehr znfrieden damit sein, wenn wir ans in unserem 
Gutachten nur mit dem medicinischen Theil za beschäftigen hätten. Oft genog^ 
aber begnügen sich die Juristen in ihrer Fragestellnng hiermit nicht and verlutgen 
ein jnristische Begriffe enthaltendes Schlussurtheil. Auch aus dem obigen Referat 
der Scbnltze’schen Aasfübrungen dürfte hervorgehen, dass ein vollständiger Ver¬ 
zicht anf jnristische Dinge unmöglich nnd unthunlich ist Aber das muss anerkannt 
werden, dass die nach dem bürgerlichen Gesetzbach erforderten psychiatrischen Gut¬ 
achten — den Wünschen der Irrenärzte entsprechend — viel weniger jnristiscbe 
Dinge zu verarbeiten haben werden als die jetzigen. 

Znm Schluss möchte Ref. g^en die Bemerkung Schultze’s Verwahrung ein- 
legen, dass bei dem gegenwärtigen Stand der Seelenheilkuude die einzelnen Forman 
oder. Stadien der Geisteskrankheiten nicht genau untereinander abgegrenzt werden 
können. Das entspricht nicht mehr der Wirklichkeit. Im Gegentheil muss für jedes 
brancbbare Gutachten als erforderlich bezeichnet werden, dass die Beechreibung der 
Symptome nnd die Schilderung des Verlaufs mit einer bestimmten klinischen Diagnoee 


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281 


adigt Sur dann kaon Tom psyckiatrischowiffienschaftlichen Standpunkt der Beweis 
der Owstaskrankkeit als erbraclit angesehen werden. Dass es oft schwierig ist, eine 
n stellen, ist doch kein stichhaltiger Einwand; dann kann wenigstens ge¬ 
legt Terdra, welche Krankheitsformen in Frage kommen. Wer keine psychische 
DogBose etellen bezw. die fOr die Differentialdiagnose in Betracht kommende Ge- 
Khtipflfikte beortheilen kann, sollte sich eben der Abgabe psychiatrischer Gutachten 
atkalten. Georg llberg (Sonnenstein). 


36) Zwei Fälle sogen. Folie psr transformation (Folie en oommun), von 

Dt. Leo Pinkelstein. (Jahrb. f. Psych. Bd. XVI. 1897.) 

Ala Folie par transformation bezeichnet man jene Abart des inducirten Irreseins, 
f»bei von zwei Geisteskranken der eine seine Wabnideeen anf den anderen flberti%t, 
iba gerissermaassen inficirt Verf. giebt zunächst eine litterarische (Jebersicht dieser 
m Allgemeinen seltenen Vorkommnisse, dann bringt er zwei eigene hierher gehörige 
Bcobaebtongen. 

1. ln der ersten Beobachtung handelt es sich um zwei Paranoiker; nach Swöchent- 
Ikkca engen Beisammensein zeigte sich beim zweitangekommenen Kranken eine Nach- 
ibumg des ersten zunächst auf motorischem Gebiete, so dass er in seinen Bew^nngen 
SM g^rene Copie des ersten Kranken wurde. Später änsserte dieser zweite Kranke 
urh die Reichen Wahnideeen wie der erste, schliesslich eignete er sich dessen 
UaHocinztioBen und Wahnsysteme ToUständig an. Dabei äusserte der Kranke keine 
MBW früheren e^nen Wahnideeen und Hallucinationen. Der inducirende Theil 
«ir hier deotlich das acÜTe Element, der zweite Kranke durchaus passiv, wozu er 
jercb Mine schon früher bestandene Charakterschwäche und Trägheit geeignet war. 

2. Auch in der zweiten Beobachtung handelt es sich um zwei Paranoiker, die 
ihabehe Ideeen hatten, jedoch in ihrem sonstigen Verhalten sich verschieden zeigten, 
t Tige nachdem sie ein gemeinsames Zimmer bewohnt hatten, äusserte der zweite 
Inike eine von dem ersten entlehnte Wahnidee (hypnotisirt zu sein), und zwar 
ncht«t« sich dieselbe gegen den ersten Kranken selbst Nachdem die Kranken von 
RBoto getrennt waren, verschwand diese inducirte Wahnidee bald. Als nach 
ai^ Zeit wiederum eine Annäherung der Kranken erfolgt war, entlehnte der zweite 
Duke eine zweite Wahnidee von dem ersten, die er gleich wie beim ersten Vor- 
hveaisse guz gegen seine sonstige Gewohnheit mit grossem Affect vorbrachte. Die 
Mertkhe Entfernung des Kranken ans der Nähe des anderen liess diese Wahnidee 
^na bald verblassen. Aach dieser zweite Kranke war auffallend schlaff und 
ipathkch, ausserdem physisch abgeschwächt. 

lat legt für das Zustandekommeu der Folie transformde ausser auf die be- 
Momente, die zum grossen Theil auch für die Folie ä deux Geltung haben, 
Pwes Gewicht anf das Verhalten der emotiven Sphäre. Die activen inducirenden 
Snnte waren hartnäckige energische Natnren mit sehr ansgesprochener, mit ihren 
^tinädeeen zusammenhängender emotiver Veranlagnng, während die passiven Elemente 
apathische Natnren 'raren. Redlich (Wien). 


37) ContribntioB ä la pathologie des rapports aexuels. Paralysies post- 
paroxystSques, par Fdrd. (Revue de Mödecine. 1897.) 

Terf. macht zunächst auf die physiologischen Begleiterscheinungen beim Coitus 
^■tMrksam. Der (Toitns reservatus spielt besonders bei der Neurasthenie und hier 
bei der sexuellen eine grosse Bolle. Die Excitation beim Coitus kann 
*>nigbebe Störungen bei Disponirten bewirken, so z. B. epileptische Anfälle, Migräne, 
Dikaa, Hysterie, Irrsinn (besonders bei Frauen als „po6t>connubial insanity“)» eher 
^ Mhr tocalisirt als Hnskelkrampf, Zähneknirschen, Husten, Borborygmen n. s. w., 


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282 


auf seosiblem Gebiete: PhotöpsieeD, Brjtbropiaen, Obreosommen, Pruritus, Beflez* 
schmerz im Bachen u. 8. w., auf arteriellem: Gehimblutang (bei Greisen und Ärterio* 
sclerose; oft bei den Uausvögelo), Nasenbluten, Schveisse u. s. w., auf motoriscbem; 
kurz andauernde Paresen und Paralysen (Hemiparaplegieen). Die nach normaleai 
Coitus eintretende leichte Depression kann bis zur Erschöpfung geben, HerzstilUtsDd 
und Tod erzeugen, oder Circulationsstörungen zu Wege bringen: Polyurie, Durchfall, 
Hämotysen, oder Schmerzen, oder Amblyopie, Taubheit, Gefflhllosigkeit (bei Hysterie 
besonders) u. s. w. Bei Hysterie und Neurasthenie wird auch stupuröser ^hlaf nach 
Coitus beobachtet Der Tod der männlichen Biene nach dem Coitus erfolgt nur durch 
Erschöpfung in Folge der Erethismen. Aber nach Coitus kann auch leichte Bewusst* 
seinsstörung, Amnesie n. s. w. auftreten oder motorische Störungen, besonders gern 
bei Hysterikern, bei denen also der Coitus genau so wie Ermfldung, GemQtbs* 
affect u. s. w. einwirkt und die schwache Stelle trifft Bei gewissen Neurasthenikem 
tritt nach Coitus Aendernng der Sprache ein. Zum Schlüsse theilt Verf. noch zwei 
interessante, hierher gehörige Beobachtungen mit Im ersten Falle handelte es sich 
um einen Epileptiker, der wiederholt nach Krämpfen voröbergehende Hemiplegieen 
zeigte und später auch solche nach dem Coitns. Im zweiten Falle war es ein 
durchaus gesunder Hann, nicht hereditär belastet der nur spät hatte laufen lernen, 
immer in den Beinen einen gewissen Grad von ^hwäche behalten hatte und durch 
Sorgen neorasthenisch geworden war; danach stellte sich bei ihm transitorische 
Parapiegie nach dem Beischlafe ein, was nur nach Behebung der Neurastbouie ver¬ 
schwand. Näcke (Habertasbnrg). 

38) Betrsohtungen über die TTmkehrung des Gesohleohtstriebee, von Lanpts. 

(Zeitschr. f. Criminalanthrop. 1897.) 

Verf. stellt Uber obiges Thema interessante, originelle, aber nicht einwandfreie 
Betrachtnngen an. Für ihn sind Invertirte stets Kranke, die Inversion stets eine 
anormale Art der Liebe. Derselben liegen verschiedenartige Gründe vor. Bei durch 
das Uilien, die Mode u. s. w. erzeugten gelegentlichen Invertirten können ererbte 
Momente oder Stomata abgehen; sie öbemehmen die active Bolle, während der an¬ 
geboren conträr Sexuelle sieb passiv verhält und physische Stigmata anfweist (immer? 
Bof.) in den weiblichen Formen, doch kann es letztere auch bei normal sexuellen 
Hännem geben und einmal bei Jenen fehlen. Verschiedene Eintheilungen werden 
gegeben, auch Verf. giebt eine solche, die er in folgende Sätze schliesslich zusammen- 
fasst: 1. Physische Merkmale: wenn Mann, weibische conträr sexuelle Natur¬ 
anlage, wenn Weib, männliche conträr sexuelle Naturanlage. 2. Keine physischen 
Merkmale: Angeborene Inversion oder starke Prädisponirtheit; Mann: cerebrale 
Feminiphilie und Pädophilie; cerebrale Mascnliphilie; Weib: cerebrale Mascalipbilie, 
cerebrale Feminiphilie. 3. Zeitweise Homosexualität: Mann: zeitweise Femiui- 
pbilie und Pädophilie, zeitweise Mascnliphilie; Weib: zeitweise Mascnliphilie, zsitweise 
Feminiphilie. 4. Indifferentismus: Bloss zeitweise oder Prädisponirtheit, vielleicht 
anch angeborene conträre Sexualempfindung bei vorhandenen körperlichen oder cere¬ 
bralen Mängeln. 5. Verkommenheit: Entartnng. — Nur die angeborene Homo¬ 
sexualität ist Symptom der Degeneration. Verf. glanbt, dass die Inversion g^n 
früher nicht zugenommen hat; er sieht sie als eine mehr oder minder allgemeine 
körperliche Missbildung an, bald als bloss rein nervöse, bald als heil- oder unheil¬ 
bares Leiden und theilt die Homosexuellen also in difforme Kranke und bloss ge¬ 
legentliche. Er giebt endlich einige geschichtliche Daten und einen Fragebogen, um 
weiteres Material zur Lösung vieler schwebenden Fragen zn erlangen. 

Näcke (Hubertusburg). 


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2d3 


30) Upaberta studiftte nell’uomo e nella doima eto., per Murro. (Torino 
1897.) 

Das ToUkommenst« Werk, das je Aber die ^chtige Pubert&tszeit in anthropo* 
lo^W, psjehiatriacher, pädagogischer and soeiologischer Beziehang geschrieben 
▼irde, dflrft« wobi das Torltegende sein, ans dem verschiedene Partieen, z. B. die 
Pabfftitspsycbosen betreffend, in diesen Blättern schon referirt wurden, da die Hälfte 
d«s Boches, der theoretische Tbeil, bereits io den Annali di freniatria etc. verOffent« 
ikht ist Man staunt biUigerweise über die Fülle von Thatsachen, die hier aaf- 
nspaiehert liegen, and der Psychiater, Criminolog and Sociolog werden des Inter- 
«sastoi fiberall viel antreffen. Aber auch der praktische Theil, die Hygiene des 
Jto^ngsalters ist sehr breit ond tief behandelt und erst nach der Lection des 
Gaoia wird Einem klar, wie unendlich wichtig der Gegenstand für das 6e> 
dtiha der Oesellschaft L>t. Es sollte daher jeder denkende Henscheufreand das 
Bock lesen, dessen baldige Uebersetzang in's Deutsche nur zu wünschen wäre. Ref. 
grkkt eodlicb noch den Wunsch aus, dass Verf. in der gleichen Art, wie jenes 
Aott, ueh das Greisenalter und Climacterom behandeln möchte. 

Näcke (Habertusburg). 

40) Welebe besonderen Anforderungen — abgesehen von den fffr den 
Bau von Krankenhftuaem gültigen — sind bei Bau und Einriobtung 
einer groeaen einklaasigen Aziatalt für Qelateakranke au berüoksioh- 
tigenf von Dr. A. Passow. (Vierteljahrsscbr. f. ger. Med. u. öffeni Samariter« 
tonu) 

Torf, resamirt die Resultate seiner umsichtigen Arbeit ungefähr wie folgt: Die 
Antilt, welebe beide Geschlechter gemeinsam verpflegen soll, muss in der Nähe 
öir fisenbahnlinie und einer mittelgrossen Stadt, in gesunder Gegend gelegen, 
‘,4 k« pro Kopf gross, und nach dem Pavillonsystem und dem colonialen Princip 
wW im. Die — aussen und innen einfachen — Pavillons sind von grossen 
Giitca Dukgeben and in Abtbeilungen und Gruppen zu zerlegen; ihre Einrichtung hat 
aeb nefa dem Grade der Zuverlässigkeit der Kranken zu richten. Für eine Gruppe 
nw KriDken sind Abtheilungen mit ummauerten Gärten und vergitterten Fenstern 
«foritrlidi; die anderen Abtheilungen bilden üebergänge von Krankeuhäusem zu 
Woknkioaera ähnlich eingerichteten Gebäuden. Die Zahl der Einzelräume ist mög* 
^ht eumuchränken und soll zusammen mit den in grosser Menge vorhandenen 
nfoEthgeu Zimm ern gewöhnlicher Einrichtung ca. 10 % Belegungsziffer be- 
Es sollen nicht mehr als 8, oder ausnähmsweise 10 Kranke zusammengelegt 
’wdiu Gärten, Arbeitsstuben für alle Berufsarten, Ackerland mit vollem land« 
*^^^lxc}isfUicben Betriebe, müssen in möglicher Ausdehnung vorhanden sein. Auf 
KKI Kranke ist ein Arzt zu verlangen. Leiter der Anstalt muss der ärztliche 
l^Jfwtor sein. Paul Cohn (Berlin). 


Therapie. 

41} Lea dlstraotions dans le traitement des alidnds, par Näcke. (Revue de 
piychiatrie. 1807. Nr. 10.) 

7erf. bespricht ein nicht unwichtiges Kapitel der praktischen Psychiatrie, nämlich 
^ *encbiedenen Zerstreuungen für Geisteskranke and geht ziemlich eii^ehend 
«in, indem er dabei sehr wohl Unterschiede für frisch erkrankte, chronische, 
l^ets, ungebildete, Anstalts« und Privatkranke macht. Er verlangt namentlich 
^ 4ie chronischen Patienten der Anstalt ein möglichstes no-restraint auch nach der 


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284 


Bichtun? der VergnOgungen bin, da die Kranken, besonders chronische, yielmehr 
daran Theil nehmen können, als Manche wollen. Man muss so viel als möglich die¬ 
selben als erwachsene Personen und nicht als Kinder behandeln, ihnen möglichstes 
Vertrauen schenken, und kann in der LectQre, im Briefscbreiben u. s. w. ihnen 
möglichste Freiheit gewähren. Der Arzt muss natfirlich den Tact haben — der 
leider nicht angelernt werden kann — die richtige Grenze zu bestimmen und das 
Vergnügen wie Medicin richtig dosiren, wobei mao auf locale Gewohnheiten, Basse, 
Bildungsgrad der Kranken zu achten hat. Der Arzt muss nicht bloss guter Psycho¬ 
loge im allgemeinen, sondern anch Psycholog des Volks und der einzelnen Stände 
sein. Das innere Leben der Anstalt muss sich möglichst au das der betreffenden 
Volksschichten anlehnen, sollen sich die Kranken heimisch fühlen und Vertrauen 
gewinnen. Auch ist eine möglichste Berührung der Kranken mit der gesunden 
Aussenwelt im Interesse beider Theile und der Anstalt mit allen Mitteln anzustreben. 

(Aotorreferat) 


42) ITeber suboutane Chinininjeotionen, von Prof. Heinr. KÖbner, Berlin. 

Offener Brief an den Bedacteur der Wiener klin. Bundschan. (S. diese. 1898. 

Nr. 3.) 

Verf. erinnert im Anschluss an einen Artikel von v. Stoffella an die von ihm 
schon seit 1870 erprobte Anwendung subcutaner Chinininjectionen, durch welche es 
ihm u. A. gelai^ — schon bei Chinindosen, die viel geringer waren (0,12—0,15) 
als die vorher intern eingeführten — intermittirende Neuralgieen zu rascher Heilung^ 
zu bringen. Auch bei Intermittens erwies sich die subcutane Behandlung als zweck¬ 
mässig. Insbesondere aber gelang auf ähnliche Weise „die schnelle Coupirnng 
acuter Exaltationsepisoden bei chronischen Geisteskranken.*' (Dr. Bich. 
Kohn-breslau). 

Das zur Injection benutzte Chinin ist Chinin, hydrochloricum, dessen besondere 
Löslichkeit noch durch Zusatz von Glycerin and durch Erwärmen gesteigert werden 
kann. — 

Verf. warnt trotz der relativ geringen Schädlichkeit dieser Chioinlösungen vor 
Anwendung zu hoher Dosen — insbesondere bei der von Baccelli angewandten 
intravenösen Injection — und namentlich bei Personen mit Idiosyncrasieen gegen 
das Mittel, weil hier leicht unangenehme Nebenerscheinungen möglich sind. 

Paul Cohn (Berlin). 


43) Ueber Thyreoldinbehandlung der Strumen, von Dr. Fr. HanszeL 
(Wiener klin. Wocbenschr. 1897. Nr. 46.) 

Verf. erwähnt in der Arbeit auch eine mit Basedow behaftete Patientin 
(nähere Symptome sind nicht angegeben), bei welcher durch Thyreoidin, welches 
Uebelkeiten hervorrief, keine, durch Thymustabletten insofern eine Besserung des 
Leidens erzielt wurde, als sich Herzklopfen und Tachycardie verminderten. ObjectiT 
war keine Aenderung nachweisbar, und die Fat. entzog sich nach 6 wöchentlicher 
Behandlung der Beobachtung. J. Sorgo (Wien). 


44) Ein Beitrag zur Tbyreoidintherspie, von Th. Hiebei. (Wiener med. 
Presse. 1897. Nr. 37.) 

In Verwendung kamen die Präparate der Firma Wellcome u. Bourrougha, in 
steigender Dosis bis 5 Tabletten pro die. Beobachtet wurden während der Behand¬ 
lung ausstrahlende Schmerzen in den Extremitäten in 3—4 Anfällen täglich von je 
—Vi Uinnte Dauer; einmal Angs^efübl, Herzklopfen, Pnlsacceleration, Kopf* und 


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285 


Baüreofichmerz. Verf. berichtet Aber 4 Fälle von Obesitas und 1 Fall von Struma 
bd einer H^terischen. Nach jeder Bebandlungswoche war eine Abnahme des Körper¬ 
gewichts um 1—1^/, hg, ein Mal sogar von 2—6 kg zu verzeichnen, ln den ersten 
Wochen trat verhaltnissmässig die grösste Abnahme am Halse und Thorax ein, Ab- 
doiDM) and obere Extremitäten kamen erst in zweiter Linie, während ein grösserer 
Schwund des Panniculns an den unteren Extremitäten erst in den letzten Wochen 
erfolgte. In dieser letzten Zeit blieben die Verhältnisse am Halse stationär, oder 
erfoluen sogar eine geringe Zunahme. In dem Falle von Struma war die Verringerung 
des HaLsum&nges ebenfalls auf Fettverlust zn beziehen. Die Beeindussung des 
Eropftö scheint fraglich zn sein. J. Sorgo (Wien). 

45) Trois OS8 d’idiotie myxoedematense traitea par ringestlon thyreoldlenne, 
par Bourneville. (Arch. de Neurol. Vol. T. 2. sdrie. 1896. Nr. 1.) 

Der Verf. berichtet Aber 3 Fälle von Idiotie bei Myxödem, welche durch die 
Behandlung mit Schilddrüse günstig beeinflusst worden. Im ersten Fall handelt es 
äch um einen 30 Jahre alten Idioten, die beiden anderen Pat waren Mädchen im 
Alto^ von 20 bezw. 18 Jahren. In allen Fällen bestanden die myxödematösen Ver- 
indemsgen und die Idiotie seit der frühesten Kindheit. Die Besserung wurde durch 
Dvreiehung von Ho mm eis Schilddrüse in Substanz erzielt; Thyreoideaextract war 
&folg. Die Dosimng bestand im Beginn der Behandlung in einem halben 
lappen, später wurde ein ganzer Lappon gegeben. Besserung war bei den 3 Fat. 
sowohl in körperlicher Hinsicht, als anch in Bezog auf die intellectuellen Fähigkeiten 
n eonstatiren. Die Hautanschwellnngen gingen zurück, das Körpergewicht nahm 
ib, die vorker subnormale Temperatur ging in die Höbe, die Trockenheit der Haut 
Baebte einer profusen Scbweissabsonderung Platz, die Bewegungen wurden flinker 
atagefükrt. In intellectueller Hinsicht war zn bemerken, dass die vor Einleitung 
der Behandlung geist^ stampfen Pat. regsamer wurden, der Gesichtsausdruck wurde 
lebhafter und verrieth Affecte, die sich vordem nie gezeigt batten. Die Auffassungs- 
Shigkeit beim Unterricht nahm beträchtlich zu. Bei sämmtlichen Pat traten während 
der Behandlung Zeichen von Thyreoidismus auf, bestehend in Tachycardie, Zittern, 
Schwäche in den Beinen und Erregungszuständen, die ein zeitweiliges Aussetzen der 
BflhaBdlnng erforderten. _______ ^ Weil (Stuttgart). 


46) De la reeeotioii bilaterale du grand sympathique oervioal dans le 

goitre exophtalmique, par Qerard-Harchant (Gazette des böpitaux. 

1897. Nr. 74.) 

Die Patientin, bei der Verf. sich zur Operation entschloss, litt seit einem Jahr 
an hochgradigem Exophthalmus, dagegen waren die anderen Symptome des Morbus 
BuedowÜ, besonders die des Herzens weniger auffallend. Es wnrde beiderseits die 
untere Partie des oberen Cervicalganglion und ein ca. 4 cm langes Stück des Sym- 
yaÜDcns abwärts davon resecirt. Ein mittleres Cervicalganglion Hess sich beiderseits 
Bkht differenztren. An den Pupillen ging im Momente der Dnrchschneidung keine 
ändemng vor; am äusseren Segment des rechten Bulbus traten während der 
Operation kleine subconjnnctivale Blutergüsse auf. Verf. erklärt sich dieselben damit, 
im nach Durchschneidnug des Sympathicus bei Beizung des oberen Endes auf dem 
Umwea: über die Medulla die vasodilatatorischen Fasern des entgegengesetzten Sym- 
pethicos erregt werden. Unmittelbar nach der Operation erschien der Exophthalmns 
u de linken erst operirten Seite geringer, am folgenden Tage hatte er beiderseits 
adiktlicb abgenommen, die früher sehr weiten Pupillen waren enger geworden. Als 
die Patientin am 9. Tage das Spital verliess, war der Exophthalmus ganz ge- 
erikwunden, doch erschien er noch später bei Erregungen and bei Ermüdung in ge- 
nnfem Grade, ging aber stets wieder zurück. B. Hatschek (Wien). 


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47) Böseotion bilaterale du grand eympatbique oerrioal, dane le goltre 

exophtalmlque, par Reelaa et Fanre. (Gazette des höpitaux. 1897. Nr. 71.) 

Bei einer 81jährigen Patientin, bei der seit 10 Jahren die typischen EJrschei- 
nus^en eines Morb. Basedow in steter Progression bestanden, nahmen die Verff., 
durch die Schwere des Krankbeitsbildes veranlasst, endlich die SympathicusresecUon 
vor. Es wurde das rechte obere Cervicalganglion abgelöst, sammt dem Strange des 
Sympathicus voigexogen, letztere ca. 6 cm weit frei gemacht und — unterhalb eines 
anscheinend das mittlere Ganglion bildenden Plexus — durchschnitten. In derselben 
Weise erfolgte die Resection links, hier ein wenig erschwert durch vorliegende tober- 
culöse DrOsen. Während der Durchschneidnog des Sympathicus wurde* weder am 
Pulse, noch sonst irgend etwas besonderes wahrgenommen. Abends hatte der Puls 
zwar noch seine gewöhnliche Frequenz von 160, war aber viel regelmässiger; zum 
ersten Mal seit 10 Jahren war Lidschluss möglich. Am nächsten Hoigen betrug 
die Pulsfrequenz nur 100—120. Am 7. Tage complette Heilung der Wunde per 
primam. Im Beginn der dritten Woche ist der Exophthalmus bedeutend geringer, 
der Halsnmfang von 39 auf 36 cm zurflckgegangen, der Tremor, die Schweisse, 
Diarrhöen n. s. w. verschwanden: der Puls erhebt sich nicht Aber 60. Die Frau'e, 
ob es eich vielleicht nur um vor&bergehende Besserung bandelt, vermögen die Verff. 
nicht zu entscheiden. R. Hatschek (Wien). 


48) Le traltement du goltre exophtalmique par la aeotioii ou la rdaeotion 
du eympatbique oervioal, par Jabaulay. (Gazette des höpitaux. 1897. 
Nr. 85.) 

In 9 Fällen hat Verf. stets nach der Operation wesentliche Besserung oder 
Heilung eintreten sehen, ohne dass sonst nachtheilige Wirkungen derselben zur 
Beobachtung kamen, Die — auf die Rosenthal'Abadie’sche Theorie basirende — 
Operation wäre für die schweren, hartnäckigen Fälle, besonders fQr die bei Frauen 
mit starkem Exophthalmus zu reserviren. Die Resultate sind bei älteren Personen 
besser, was Verf. durch die mit dem Alter progrediente Functionsvermindemng des 
sympathischen Systems erklärlich findet. Häufig scheinen anatomische Abnormitäten 
zu bestehen, z. B. zwei Stränge zwischen oberem und mittlerem Ganglion, so dass 
Verf. räth, bei nngenOgendem therapeutischem Effect die Operation zu wiederholen, 
um die Anomalie aufzusuchen oder um nochmals höher oben zu durcbscbneiden. 

B. Hatschek (Wien). 


49) Ein opezirter Basedow-Fall, von Dr. Alfred Saenger in Hamburg. 

(MQnchener med. Wochenscbr. 1897. Nr. 14.) 

28jährige, früher gesunde Näherin flberstand im März 1896 eine schwere In¬ 
fluenza, nach welcher heftige Kopf- and KOckeoschmerzen zorflckblieben und allmählich 
noch Zunahmen. Ausserdem stellten sich Oemfithsverstimmung, Herzklopfen, Ne^ung 
zu Schweissen, Hervortreten der Bulbi und Anschwellung des rechten Lappens der 
Thyreoidea ein. Es wurde Morbus Basedowü fes^estellt und Anfang SeptemW 1895 
der vergrösserte Schilddrflsenlappen exstirpirt Abgesehen von einer vorQbergehenden 
Vennindemiig der Herzbeschwerden steigerten eich allmählich sämmtliche Symptome 
und ffihlt sich Patientin elender, als vor der Operation. Verf. hält die Stnimectontie 
für ein vorläufig noch recht gefährliches Unternehmen und möchte gern an der Hand 
operirter Fälle von Horb. Basedowü die schon oft geschilderten Dauererfolge kennen 
lernen. E. Asch (.Frankfurt a./ll.). 


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Wi Bagrowth of hair in myxoedema ander teeatment wiih thyroid tabloidSt 
by Thos. P. Baven. (Brit. med. Joorn. 1897. July 81. S. 214.) 

Ttrf. TerCffentlicbt 2 Pbotc^raphieen einer SGj&hrigen HyxödemkranlieD, vor 
nd aaeh 15 monatlicher Behandlung (täglich 2 Thyreoidtabletten). Die schlagend 
viitauie Terändemng der Physi(^omie der Patientin, neben der Wahmehmong, dass 
du Kopfhaar vorb^fflich wiederwncbs, sind gewiss der VerOffentlichnng wertb. Es 
(ä hier anf diese lUnstration anfmerksam gemacht 

L. Lehmann I (Oeynhausen). 


Sl) Ln traitement des melanoollques par le repos au lit, par S^rienx. 

(Bavne de peychiatrie. 1897. Nr. 8.) 

7efrf. vertritt mit aller Macht die Bettbehandlung bei aenten Psychosen, speciell 
b« der Melancholie, und erwähnt eingehend die Vortheile dieser Behandlung. Weniger 
bebnnt dürfte sein, dass nach Bayern in der Rahe weniger rothe BlutkCrperchen 
ucrtOrt werden, daher von ihm bei Chlorose empfohlen, ebenso auch, dass iodirect 
bei Frauen durch Ablegen des Corsetts die Dyspepsie nachlässt Schon Qurdain 
hit die Bettbehandlung bei Psychosen, speciell aber bei Melancholie 1862 empfohlen, 
Bsch ihm Fahret sen. Trotzdem hatte diese Methode nicht in Frankreich Wurzel 
{«griffm, und erst 1888 wiesen Belle und Lernoine von Nenem auf die vortreff¬ 
lich« Besnltats der Bettbehandlung bei der Melancholia anxiosa hiu, später Cullere, 
B«ges, Dagouet und DecbameL Yerf. ist mit Recht überzeugt, dass diese Be- 
baadnog nebst dem Non-restreint-, Open-door-System und die Colonisation zu den 
verthvoUston Brrnngenschaften der modernen Psychiatrie gehört. (Solchen Ansichten 
T«dfD sich denn immer mehr die französischen Irrenärzte zn, und es ist sehr zu 
bedanen, dass ganz kürzlich erst ein Mann wie Christian in der Socidtö m4dico- 
p^chologiqoe bezüglich der Irren und des Open^door-Systems u. s. w. vorsündfluth- 
ii^ Ansichten entwickelte. Bef.) Näcke (Hubertusburg). 


111. Aus den Gesellschaften. 

Aerstlloher Verein zu Hamburg. 

Sitzung vom 4. Januar 1898. 

Saenger stellt einen Fall von astbenisober Bulbärpsralyse vor. 

Bne 22jährige, seit iVs Jahren verheirathete, kinderlose Fran erkrankte vor 
4 Wochen angeblich nach einer Angina mit Kopfschmerzen. Es stellten sich hie 
«d da Schlaekstönngen ond Doppeltsehen ein. Früher war Pat. gesnnd. Als Kind 
Baehitia. Nie Lnes. Kein Alkoholismus. 

Die Anamnese ergab, dass schon vor der Angina Ängenstörungen bestanden. 

Die blasse Patienten hat einen schlaffen, müden Qesichtsansdrnck. Sie blinzelt 
fartwährend mit den Lidern, weil die Oberlider vor Müdigkeit zofalleu, und Fat. 
Hübe bat, dieselben zu heben. Des Abends fallen nach ihrer Angabe die Lider 
rgaaz herunter“. Die Augäpfel können weder nach aussen, noch nach innen bewegt 
Verden. Es besteht Doppeltsehen. 

Iris- und Accommodationsmuskeln functioniren normal. Pupillen sind beider- 
•oto gleich. 

Es bestehen hie und da Schluckstörungen. Das Gaumensegel wird schwach 

«hob». 

Beim Sprechen wird der Mondfacialis schwach und ungleich innervirt. 

Die Stimme ist schwach. Pat. bat einen trockenen Husten (keine Bronchial-, 
knie Longeoaffeebon). 


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Pols etwas bescbleuoi^; gleichmässig. 

Leichter Tremor mamnom. Hochgradige Herabsetzung der grobeo Kraft der 
oberen und unteren Extremitäten. Gang ist normal. Pat. ermfidet sehr beim Gehen. 

Hie und da Schwäche der Nackenmushulatur. 

Des Morgens sind sämmtliche Erscheinungen weniger intensiv als des Abends, 
wo es oft zu completter Ptosis kommt. 

Die Sensibilität, die Befleze, das Sensorium sind intact. Es besteht weder 
myasthenische, noch Entartungsreaction. 

Vortr. bespricht die etwa in Frage kommenden Krankheiten, und berichtet dann 
ftber einen zweiten Fall von asthenischer Bulbärparalyse, den er beobachtet bat 

Es handelt sich um ein 20jähr. Mädchen, das am 26. April 1896 mit doppel¬ 
seitiger Ptosis erkrankte, nachdem sie im Anfang April plötzlich einmal auf der 
Strasse bingefallen war. Die Untersuchung ergab: doppelseitige Ptosis und Oph- 
thalmoplegia ext. totalis. Binnenmnskeln frei. Stimme leise. Häufig Schluck- 
Störungen. Pulsfrequenz wechseln. Schwäche der Nackenmuskulatur und der Extre¬ 
mitäten. Ungleichheit des Mundfacialis, der sehr schwach innervirt wurde. Schlaffer 
Gesiebtsausdruck. Albernes, kindisches Wesen. 

Im weiteren Verlaufe Verschwinden und Wiederkehr der einzelnen Symptome. 
Schneller Wechsel in dom Grade der ErmfldbarkeiL 

Ende December 1896 Exitus letalis. Seetton nicht gestattet. 

Ferner demonstrirt Sänger einen Fall von geheilter hysterischer rechts¬ 
seitiger Hemiplegie mit Mutismus. 

Ein 26jähr. Mann war Ende November 1896 eine Treppe hinnntergestOrzt und 
hatte eine rechtsseitige Lähmung mit Verlust der Sprache davon getragen. Eine 
Privatunfallversicheniogsgesellscbaft, bei der der Fat. versichert war, meinte, es l^e 
ein Gehirnleiden vor, in Folge dessen der Mann die Treppe berontergefallen vräre, 
forderte daher den Vortr. zur Begutachtung auf. Der Hausarzt nahm eine trau¬ 
matische, organische Gehiroläsion an. 

Der Vortr. untersuchte den seit 3 Wochen im Bette liegenden rechtsseitig ge¬ 
lähmten, apbasischen Patienten und constatirte eine Parese der rechten oberen und 
unteren Extremität. 

Die Sehnenreflexe waren beiderseits gleich lebhaft. Der rechte Abdominalreflex 
war bei der ersten Untersuchung schwächer als der linke; bei Nachuntersuchungen 
jedoch gleich dem linken, ebenso Cremaster- und Plantarreflex. 

Rechter Mundfacialis nicht paretiseh. 

Zunge wurde mühsam gerade herausgestreckt. Die Aphasie stellte sich als 
Mutismus heraus. Bachen- und Conjunctivalreflex fehlten. 

Der Vortr. stellte die Diagnose auf traumatische, hysterische Hemiplegie und 
ordnete im Beisein des Hausarztes an, dass Fat. elektrisirt würde, wodurch rasch 
die Heilung eiuträte. 

Nach zwei Tagen stand Fat. auf, ging und sprach wieder. 

Die nunmehrige Untersuchung ergab noch das Vorhandensein einer linksseitigen 
hysterischen Amaurose. (Antorreferat). 

(Schluss folgt) 


Um Einsendung von Separatabdrficken an den Herausgeber wird gebeten. 

Einsendungen für die Bedaction sind zu richten an Prot Dr. E. Hendel, 
Berlin, NW. Schiffbanerdamm 20. 

Verlag von Veit & Coxp. in Leipzig. — Dmck von Mbtzobr & Wittio in Leiptig. 


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gegründet von SaiL*Kath Sr. Sichter. 

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Das ganze Jahr hindurcit geöffnet» 

Prospecte durch den ding. Ant n. Besiuer Dr. med. Bauke. 


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LVLBLATT. 



sbersicfil der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie 
und Therapie des Nervensystems einschliesslich der Geisteskran'Kheiten. 

tS So? H«r»aigegeben von 

Profeasor Dr, E. Mendel 

‘hoter n BtrUn. Jah^aDg. 

_erscheinen zwei Nammem. Preis des Jahrganges 24 Mark. Za beziehen durch 

^Bkehhandlangen des ln* und Auslandes, die ^stanatalten des Deutschen Reichs, 
sowie direot von der VerlagBhucbbandlung. 


]. April. 

Leipzig, 

Verlag von Veit & Comp. 
1898. 


Nr. 7. 


ANKÜNDIGUNGEN. 

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renovirt. ist das ganze Jahr geOffhet Geisteskranke an^eschloseen. 

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MMOLOGISCHES CeNTRALBLATT. 

Uebenicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie 
und Therapie des Nerven^ems einschiiessiich der Geisteskrankheiten. 

Heraosg^ben von 


Siebiehater 


Professor Dr. E. Mendel 

n BirilD. 


Jahrgang. 


Xoaaäi«h enehoneB zwei Nommern. Praia des Jahrganges 24 Mark. Zn beiiehen dnreb 
•De Bnebbaadlangen des In* and Aoslandee, die Foetanstalten des Deatechen Beicbe, sowie 
direct TOD der Yerlagsbaohhandlang. 

Nr.7. 


1898. 


1. April. 


I. OrifiaaliiltUieiiangen. 1. Heber die Bedeotong der Cardiaea bei der Bebandlang der 
Eptlepeie, von Prof. W. v. Bechlertw in St Petersburg. 2. Der Blnteobutz des verlängerten 
Xarkes, von Prof. Albert Adtnhiewicz in Wien. 3. ^ne Verbindang caudaler Hirntbeile der 
Tube mit dem Striatum (Tractus istbmo • striatns oder bolbo - striatnsP), von Dr. Adolf 
WaUenberf in Dusig. 4. Zwei Fälle von Friedreicb’soher Ataxie, von Dr. Paul Cohn. 

U. Roforate. Anatomie. 1. Les termiDaisons centrales de la racine labjrrinthiqne, 
par Themas. 2. The oortical motor centree of the opossnm, didelpbya Yirginiana. by Cun> 
— Experimentelle Physiologie. 3. Lea centree moteurs corticanx da cervean 
bnneü , par Laiuett. 4. Deoerebrate ri^^tj and reflex ocordination of movements, by 
StarrtaftM. 5. üeba Hemmung der ContractioD willkürlicher Muskeln bei elektrischer 
Beixung der Grosshinirinde, von Herlnf und Sherrington. 6. De la destructiou des cellules 
Berveuses par les lenoocytes ehes lee amioanx äg^, par Pugnat — Pathologiscbe Ana- 
toniie. 7. Heber die feineren NerTensellenverändeningen bei magendannkranken Sänglingen, 
veriioflger Bericht von SIHIer und Maaicatide* — Pathologie des Nervensystems. 
A Snila velodta della corrente nervosa negli epilettici, per Rotsl. 9. A stndy upon the 
disordered oonscioosness of epilepsy, by Clark. 10. A plea for a more accorate investigatioD 
of epQepsy, by Clark. 11. Kote snr rinfluence de Idsions c4rdbrales snr la forme des acc^s 
^emlepm prdüistante, par F4r4. 12. Alooolisme; bdmipUgie gauebe et dpilepsie consöontives. 
Sdereae atrophiqae, pacbym^ningite et m4ningo • enc^balite, par Bourneville et Rellay. 
IS. He ber die Beziehongen zwischen Alkoholismns and Efpilepsie, von Neumann. 14. Alkobo- 
Bawa und Epilepsie in ihren wechselseitigen Beziehungen, von Wartmann. 15. Notes npon 
the qubptie aura with report of some rare forms, by Clark. 16. Eqnivalenti mnsicab di 
fttamn — at^chi di canto, per Sante de ^nctls. 17. Befiex epilepsy, by Harris. 18. Pre- 
irtial reflex epileptifonu convalsions, witb report of a caae, by Hodgdon. 19. Zur Kenntniaa 
VnHersepilepsie" hn Allgemeinen und der „senilen artenoscIerotiBcben Epilepsie" von 
MmorL 20. Beitrag zum Verhalten des Respirationsapparates bei epileptischen Krämpfen, 
TU Brasler. 21. Note sur nn cas de m^lanoaermie rdenrrente chez an dpileptique, par Fdrd. 
& Heber das NebeDeioanderrorkommen von Epilepsie (bezw. cpileptiformen Änföllen) nnd 
Hsbetee mellitus (^w. Olyeosurie), von Ebstein. 23. Haut mal witb Jacksonian epilepsy, 

Ä Seitoe. _ M. Beiträge zur Pathogenese and Aetiologie des Pavor nooturnns, von Rey. 
La fcosdeitä del sudore negli epilettici, per Cabitto. 26. Les rüves chez les epileptiqnes, 
Nrd. —^ Therapie. 27. 11 bagno d’aria calda come mezzo terapeutico d’alcuni paros- 
^ B epilettici, per Cabitto. 28. Itoneflcial eifects of the withdrawal of bromides m the 
fcmMfa yu t of epilepsy, by Peterson. 29. Fyra operativt bebandlade fall af tranmatisk epi* 
MSB jämte statistiBk sammanställniDg af Operationresultaten vid 97 fall af samma affection, 
JS wuy- 30. Epilepevs its surgical treatment with the report of a case, by McGrew. 
SA. M odern metbods oi treating epilepsy, by Sudduth. 32. Zur Opiambebandlung der Epl- 
^ *' n*«b Flechsig, von Bratz. 38. Heber die Erfolge der PlecWg’schen Opinm - Brom- 
iiung, von Kdlner. 34. Erfabmngen über die Behandlung der Epilepsie mit Opium- 
voD Wardi. 

ID. Aus din GeselUchaften. Biolcwischo Abtbeilung des ärztlichen Vereins zn Ham* 
— Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. — Verein für innere 
ia in Berlin. 

^ VsTWischtes. III. Versammlnng mitteldeutscher Psychiater und Neurologen. — 
wamderTerBammlang der südwestdeutscEen Neurologen und Irrenärzte. 

V. Psrsoetliett. — VI. Bsrichtigung. 



19 


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290 


I. Originalmittbeilungen. 


1. TJeber die Bedentnng der Cardiaca bei der Behandlung 

der Epilepsie. 

Von Prof. W. v. Baohterew in Si Petersbnr^. 

Nach der Yeroffenülcbung meiner ersten Beobachtungen über die An¬ 
wendung von Adonis vemalis und anderen Cardiaca in Combination mit Bromiden, 
mit oder ohne Codeln habe ich meine Beobachtungen über die Wirkung dieser 
Combination fortgesetzt und bin g^enwärtig im Stande, und zwar schon an der 
Hand von bedeutendem Beobachtungsmaterial, meine in dem ersten Artikel aus¬ 
gesprochene Ansicht über die günstige Wirkung dieser Combination in einigen 
EpilepsieanMen vollkommen zu bestätigen.^ Meine Beobachtungen fanden ge¬ 
wöhnlich an Personen, bei welchen die Bromsalze allein gar keine, oder nur 
eine geringe Wirkung geäussert hatten, statt; wurde aber mein Bath von solchen 
hSpileptikem eingebolt, welche vorher keiner Brombehandlung unterworfen g^ 
wesen, so verordnete ich meist versuchsweise und des Vergleiches halber erst 
grosse Bromdosen und, nur nachdem ich mich über die Behandlungsresultste 
mit diesen Mitteln orientirt batte, verschrieb ich die in Bede stehende Com¬ 
bination. Der Vergleich der Behandlungsresultate zeigte, dass in vielen Fällen 
von Epilepsie dem Glemenge der Bromide mit den Cardiaca vor der gewöhn¬ 
lichen Therapie mit Bromiden unbedingt der Vorzug gebührt, was übrigens 
auch schon von anderen, meine Empfehlung berücksichtigenden Autoren be¬ 
stätigt worden ist Es ist mir in einigen, sc^ sehr 8(diweren Epilepsiefallen, 
wo die Therapie mit Bromiden gänzlich versagt oder nur von geringem Erfolg 
gewesen, gelungen, die epileptischen Anfalle vollständig zu beseitigen und eine 
dauernde Wiederherstellung zu erzielen; in anderen FäUen wurde die Zahl und 
die Intensität der epileptischen Anfalle durch den Gebrauch der Mixtur wirk¬ 
samer als mit den Bromiden herabgesetzt; und nur in verhältnissmässig wenigen 
Fällen, in welchen die Bromide keine Besserung bewirkt batten, ist es auch 
mit der Combination der Bromide mit den Herzmitteln nicht gelungen, einen 
merklichen Einfluss auf den Verlauf der epileptischen Anfölle auszuüben. Fälle 
aber, in welchen sich die Bromide bei der Epilepsie nüizlicher erwiesen hätten 
als die Mixtur, sind mir gar nicht vorgekommen. 

Ich verfuge schon jetzt über einige Fälle, in welchen mit Gewissheit eine 
dauernde Heilung der Epilepsie durch die in Bede stehende Combination be- 


* Codeln gehOrt nicht unbedingt mit snr Mixtur; es wird mit verordnet, wenn e« gilt 
deprimirte GemQtheetiinniang und allgemeiDe Beizbarkeit, welche bei Epileptikern nicht 
selten sur Beobachtung gelangen, zu beseitigen. 

' Keurolog. Bote 1893 und Neurolog. Centralbl. 1894. 


- i., Google 



291 


bupt^ frerden kann, denn es sind schon mehr als 3 Jahre verfloesen, und bei 
den mit der Mixtur Behandelten hat siob in dieser Zeit keine Andeutung von 
«pd^ttsGben AnMen gezeigt, während doch Torher dieselben Anfälle keiner 
Ikerapie gewichen waren. Zur Dlnstration des Gesagten sei folgender Fall 
togeßhrt: 

Pihent Q. ist 24 Jahre alt; sein Vater leidet an periodischer Psychose, und es 
bei ihm Nierensteine ab. Als Kind ist G. immer gesund gewesen. Beachtens* 
iwtb ist Bor, dass im Alter von 2 Jahren er eine Contosion erlitt; ausserdem ist 
in 8. Lebenqahre bei gymnastischen Uebungen mit dem Kopf auf die Diele ge> 
klln, ohne jedoch dabei das Bewusstsein zu verlieren. Es ist weder hereditäre 
Dodi erworbene Syphilis vorhanden. Die ersten epileptischen Anfälle stellten sich 
obnt äehtikheu Grund im 16. Lebensjahre ein: Sie tmgen den Charakter der ge* 
vflaliebeD, kramp&rtigen, epileptischen Anfälle, begannen mit einem Schrei und 
ni«a ?on vollständiger Be^nungalosigkeit ond Krämpfen begleitet. Sie traten 
aast in der Nacht, mehr gegen den Morgen, zuweilen aber auch am Tage auf. 
bä Freqoeaz der Anfölle war verschieden zu verschiedenen Zeiten; doch, mit Aus* 
der ersten Anßlle, wiederholten sie sich im Ganzen nach 2—4 Wochen, 
nwiln waren sie nur etwas häufiger oder auch seltener. Ausser solchen Krampf* 
uSdra hatte der Patient noch schwache Anfälle von epileptischer Bewusstseins* 
‘i’titng, wdebe der Kranke als „Nebel im Kopfe“ bezeichnete. 

Oie in November 1892 vorgenommene Untersuchung des Patienten eigab eine 
kcbe, dem Krankeu wie seinen Angehörigen schon lange bekannte Erhebung in der 
SdietelgegeDd, Aber deren Bntwickelungszeit er aber ansser Stande war iigend welche 
Ankehlflsse lu ertheiien. Gegen starke Perkussion ist. diese Stelle empfindlich, 
PpB änfaeho) Druck aber nicht Ausserdem bestand bei dem Patienten eine ge* 
^ Differenz in der Papillenweite. Im Uebhgen waren weiter keine objectiven 
^ptooe irgend eines krankhaften Zustandes vorhanden. Die Krampfanfälle fielen 
fol^de Zeiten: 

1892: 28. März, 19. October, 30. October, 4. December. 

1893: 10. Januar, 28. Januar, 6. April, 29. April, 15. Juni, 19. Juni, 7. Juli, 
• Siptemba-, 22. September, 2. October, 19. October und 1. November. 

UntOT dem Einfluss der Anfölle hatte sich schon bei dem Kranken Gedächtniss* 
Kbviebe aosgebildet und da die Anfölle selber durch geistige Anstrengung frequenter 
so musste der Patient den Besuch des Gymnasiums anfgeben. 

Üa i^er eine anhaltende Behandlung mit Bromiden, noch mit grossen 
TOD Jodkaliom und ebenso mit anderen Mitteln einen Einfluss auf die 
tpilephseben Anfälle ausgeübt hatte, so wandte sich die Mutter des Fat an 
tun sich über etwaige Trepanation, welche sie als ultimum refugium 
'Pachtete, zu beraten. Auf meinen Vorschl^, vor der Operation es doch 
»chfflals mit einer internen Behandlung zu versuchen, wollte sie in Anbetracht 
Kfolglosigkeit der bisber^n Behandlung gar nicht hören, und nur mit 
PMo* Mühe war sie zu überreden, es noch auf einen Versuch ankommen zu 
Wb. Zuerst verordnete ich Anfang November Bromide in grossen Gaben, 
W bald darauf, noch im November, stellte sich wieder ein Anfall mit der 
Intensität ein. Hierauf wurde eine Mixtur aus Inf. Adon. vemal. 
•A>180,0 und Kal. bromat 12,0 tägl. 6 Löffel verschrieben. Fast einen Monat 
Wof, den 4. December, trat wieder ein Anfall auf, war aber schon schwächer. 
^ Anbetiaeht dessen wurde das Inf. Adon. vemal. verstärkt, bis 2,6— 180,0, wobei 

19* 


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292 


das Bromkalium in der früheren Dosis und ebenso die Anzahl der Gaben der 
Mixtur blieben. Hiernach hatte der Pat den 23. December nur einen sehr 
schwachen Anfall, darauf aber schon gar keinen mehr und auch die Anfälle 
der Bewnstseinstrübung waren ganz verschwunden. 

Drei Jahre Iwg, bis zum November 1896, hat der Pat die Mixtur im> 
unterbrochen in derselben Zusammensetzung und Quantität eii^nommen. 
Während dieser ganzen Zeit hatte der Pat keinen einzigen epileptischen Anfall 
und sogar keine vorübergehende Bewusstseinstrübung und konnte wieder seine 
Beschäftigungen aufnehmen und hat auch das Abiturientenexamen bestanden. 

Zu erwähnen ist, dass Fat. in dieser Zeitperiode, an Scharlach erkrankt, 2 bis 
3 Wochen die Mixtur nicht gebrauchte und trotzdem während dieser, übrigens 
ganz günstig verlaufenden und keine üble Folge hinterlassenden Krankheit keine 
Zeichen der Epilepsie wahrgenommen hat Vom November an wurde der Ge¬ 
brauch von Adon. vemal. ganz eingestellt und nur Brom allein weiterg^eben, 
um bei dem Pat eine ruhigere Gemüthsstünmung zu unterhalten. Da bis dato 
schon mehr als 3Va Jahre vollkommen anfallsfrei verflossen sind, so muss wohl 
in diesem Falle eine dauernde, durch die Gombination von Adon. vemal. mit 
den Bromiden erzielte Wiederherstellung zugelassen werden. 

Der vorgefuhrte Fall beweist unter Anderem, dass Adon. veraaL mit Bromiden 
ununterbrochen im Verlaufe vieler Jahre ausgezeichnet vertragen wird. Auf 
meine Erfahrung gestützt, kuin ich bezeugen, dass trotz der äusserst lang- 
dauernden Behandlung mit Adonis vemalis nebst Bromiden mir gar keine un¬ 
angenehmen Folgen zu Gesicht gekommen sind. Verhältnissmässig selten sah 
ich nach der Verordnung von Adon. vemal. Neigung zum Durchfall auftreten, 
da ich aber gewöhnlich zu der Mixtur noch Godeln als beruhigendes Mittel 
gegen überflüssige Aufgeregtheit hinzufüge, so tritt die soeben erwähnte Wirkung 
von Adon. vemal. gewöhnlich nicht oder nur in äusserst seltenen Ansnahme- 
föllen auf. Der Codelnzusatz ruft im Gegentheil in einigen Fällen sogar Neigung 
zur Obstipation hervor, welche aber gewöhnlich durch gleichzeitige Verordnung 
von Tinct Bhei Dorelli oder RheumpUlen, wenn nöthig mit Aloäzusatz, leicht 
hinten anzuhalten ist. Den Zusatz von Godeln zu der Mixtur ans Adon. vemaL 
und den Bromiden halte ich aber durchaus nicht für gleichgfilt^, besonders in 
den Fällen, wo die epileptischen Anfälle von äusserster Beizbarkeit und ge¬ 
drückter Stimmung b^leitet sind, welche sich nidit selten vor dem Anfalle 
noch verstärken. In allen übrigen Fällen kann man zweifellos auch ohne Codeln 
auskommen. Nur in Ausnahmefällen wird Inf. Adon. vem^. sogar bei gleich¬ 
zeitiger Verordnung des Godelns vom Magen nicht vertn^en. In solchen Fällen 
gebrauche ich bei der Behandlung der Epilepsie eine Gombination von Inf. 
Digitalis mit Bromiden (Inf. digit 0,5—0,75—180,0 Natr. bromat et Kal. bro- 
mat ää 6,0—8,0, Codeln 0,15—0,2, täglich 4—8 Löffel voll). Ferner verschrieb 
ich diese Gombination, um den Pat. einige Erholung von der sidi durch einen 
bitteren Geschmack auszeichnenden Mixtur aus Adon. vemal zu gönnen. Auch 
dieser Gombination muss ich auf Gmnd persönlicher Erfahrung au^ezeichncte 
Eigenschaften bei der Behandlung der Epilepsie zuschreiben, ln einigen Fällen 


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293 


war kb sogar gezwungen, ihr den Vorzug vor der ersten Combination ein> 
TBnoIEKQ. 

Zq bemerken ist, dass ich anfangs Besorgniss hegte in Bezug auf die 
ramalitjre TVirknng von Inf. Digitalis, welche ja dem Adon. vem. al^ht In 

Fcdge überzeugte ich mich aber, dass Inf. Digitalis in der oben angegebenen 
Dsai Tiele Monate lang ohne j^liche Cumulation, welche wohl bei grossen 
Dosea zur Beobachtung gelangt, ausgezeichnet vertragen wird. In Anbetracht 
dasm jSng ich in der letzten Zeit an, auch zu der Combination von Inf. Digit 
DÜ Bromiden viel häufiger als in früherer Zeit meine Zuflucht zu nehmen und 
bin im Stande, aus meiner Praxis einige Fälle zu vermerken, in welchen die 
MimdhiTig mit der Combination ans Adon. vemal mit Bromiden obgleich 
Hiebt ganz nntzloe war, aber doch nicht die epileptischen Anfälle beseitigen 
boBste, während die Anwendung von Inf. Digitalis mit Bromiden zur voll* 
bflomeDen Rinstellnng der epileptischen Anfälle führte. Hieraus muss übrigens 
Bidit geschlossen werden, dass der Combination aus Inf. Digitalis mit Bromiden 
bd der Behandlung der Epilepsie überhaupt ein Vorzug vor der Mixtur aus 
Hol vemaL mit Bromiden einzuränmen wäre. Meine Beobachtungen sprechen 
in Gcgentbeil mehr zu Gunsten des Adonis vemalis, obgleich, wie ich erwähnt, 
in der Praxis einzelne Fälle angetroffen werden, in welcbeo Inf. Digit in Com- 
binatioQ mit Bromiden bessere Erfolge giebt, als Adonis vemalis in derselben 
Ccalmhon. 

MH gntem Grand ist anzunehmen, dass auch andere Herzmittel bei der 
Bebodlnng der Epilepsie nicht nutzlos sein müssen, über grosse Erfahrung 
}«docb verfOge ich in ^eser Hinsicht nicht Doch weiss ich, dass Tinot. convall. 

ihres schwachen Einflusses wegen in hes^H^ Hinsicht keine besondere 
Bachomg verdient 

Was die Frage über das Wesen der Wirkung der Cardiaoa bei der Epi- 
K]isie ubelangt, so ist es wohl kaum möglich, schon jetzt hierüber ein end¬ 
gültiges Votum abzngeben. Zweifellos ist hier der rc^^rende Einfluss der 
Cknhaea anf das Herz als Hauptfactor im Auge zu behalten. Dieser Umstand 
H'logt eine wesentliche Bedeutung, weil die Herztbätigkeit, wie ich beobachten 
benote, bei den epileptischen Anföllen gewöhnlich äusserst beschleunigt erscheint, 
^ das 8(^ dann, wenn der Anfall sich nicht durch allgemeine oder mehr 
«kr weniger ausgebreitete Krämpfe äussert, sondern nur von schwachen krampf- 
Infta Encheinungen begleitet ist oder sogar ganz ohne solche verläuft In 
ndeien Fällen beobachtet man schon vor dem Anfall eine vom Angstgefühl 
^«tete Beechleunigung der Herzschläge: und einige von den Patienten erinnern 
«h der Entwickelung der HerzjÄlpitationen vor dem epileptischen Anfall. 
1 b adeben F^en handelt es sich gleichsam um eiue cardiale Aura. Jedenfalls 
mtiner Meinung nach die Beschleunigung der Herzschläge zu den con- 
Symptomen der Epilepsie und ist aller Wahrscheinlichkeit nach nicht 
^ bedeutungsli» bei der Pathogenese der Anfölle selber. Von diesem Gesichts- 
Fokte ans fällt es nicht schwer, sich der Bedeutung der Oardiaca bei der 
^^barnjlnng der Epilepsie klar zu werden. Hinzuzufügen ist, dass einige von 


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294 


den Epilepsiefallen, in welchen duich die besagte Combination die Anfalle toU- 
ständig beseitigt wurden, letztere zweifellos mit stark ausgeprägter Beschleunigung 
der Herzcontraction b^leitet waren. Selbstrerständlich ist aber durch den soeben 
erörterten Einfluss auf die Herzthätigkeit die Wirkungsweise der Cardiaca bei der 
Epilepsie nicht erschöpft. 

Die Herzmittel, somit auch Adonis Temalis und Digitalis, wirken bekannt¬ 
lich gewissermaasssen harntreibend. Da wir nun Toraussetzen können, dass 
einige Epilepsiefalle durch im Blute circulirende Toxine bedingt sind, so ist 
wohl die Annahme zulässig, dass der günstige Einfluss der Cardiaca auf die 
Epilepsie theilweise auf ihrer gleichzeitigen Wirkung auf die Hamabsonderung, 
folglich auf der verstärkten Elimination unnöthiger Stofifwechselpmducte durch 
die Nieren beruht. 

Ferner ist bei der Erörterung der Frage über die Wirkungsweise der Gar- 
diaca bei den epileptischen Anfällen ein wichtiger Umstand, nämlich ihr Einfloss 
auf die vasomotorische Sphäre, auch nicht zu vergessen. Wenigstens für einige 
von ihnen, wie z. B. für Adonis vemalis, ist die gefässverengemde Wirkung mit 
in Betracht zu ziehen. Anderemeits ist durch die in meinem Laboratorium (von 
Dr. Todobski und Dr. Bobiohpolski) ausgeführten Versuche unzweifelhaft dar- 
gethan worden, dass die epileptischen Anfälle mit einem activen Zufluffi des 
Blutes zum Oehim nebst Erweiterung der Gebimgefasse einhergehen. In An¬ 
betracht dessen wäre es möglich, die Wirkung solcher Mittel, wie Adonis ver- 
nalis, durch die Verengerung der Gehimgefösse zu erklären. G^en diese 
Erklärung könnte aber der Einwand erhoben werden, dass ein elektiver Einfluss 
auf die Himgefösse allein für dieses Mittel noch nicht bewiesen ist, sondern 
eher eine gleiche Wirkung auf alle Gefässgebiete im Körper angenommen werden 
muss. Es kann deshalb wohl vorausgesetzt werden, dass die gefässverengemde 
Wirkung von Adonis vemalis auf irgend eine Weise die Function bedeutender 
innerer Organe (z. B. der Leber) beeinflusst und hierdurch einen günstigen Ein¬ 
fluss auf den Verlauf der Epilepsie ausübt, falls letztere in irgend welcher Be¬ 
ziehung zu der Functionsstörung dieser Organe stand. 

Welche von diesen Wirkungen bei der Entscheidung der Frage über die 
Bedeutung der Cardiaca bei der Epilepsie besonders in Betracht kommt, bleibt 
zukünftigen Untersuchungen nachzuweisen. Zur Zeit können wir aber wohl 
annehmen, dass diese Mittel bei der Epilepsie sowohl durch ihren Einflnsa auf 
das Herz und den Gefässapparat, wie auch auf die Nierenabsonderung wirk¬ 
sam sind. 

Schliesslich muss ich noch erwähnen, dass ich die oben angeführte Com¬ 
bination von Adonis vemalis mit Bromiden und zuweilen auch die von Digitalis 
mit Bromiden, oft mit gutem Erfolg auch bei Neurasthenie und ebenso bei 
anderen functionellen Störangen allgemeinen Charakters, besonders wenn letztere 
von nervösen Herzpalpitationen b^leitet sind, angewendet habe. 

Einzelne Fälle haben in mir die Ueberzeugung wach gerufen, daa« die 
Bromide in Combination mit den Cardiaca etwas leichter als allein vertre^n zu 
werden scheinen, was ich jedoch noch nicht als positiv entschieden betrachte. 


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295 


2. Der Blntschntz des verlängerten Markes. 

VoD Prof. Albert Adamklewioz in Wien. 

Unter den mannigfachen Krankheitseischeinnngen, welche die syphilitiscbe 
Iflfettion des R&ckenmarkes herrorbringt, giebt es eine, welche durch die Schärfe 
ihRs I^des, die Constanz ihres Verlaufs und die Häufigkeit ihres Vorkommens 
afiOi — In rdativ kurzer Zeit habe ich sie in ffinf congruent verlaufenden 
Ulia gesehen und als eine „syphilitische Tabes“ beschrieben.^ 

Ihr in die Augen springendes Symptom ist die Ataxie. — Aber eine 
Atixie, die mit Muskelschwäche einhergeht Daneben bestehen: Mai^l der 
Sehnaphänomene, tabische Parästhesieen, Störungen in der Function der 
Bed^xirgane, Int^iitat der elektrischen Erregbarkeit von Nerv und Muskel, 
Intigntat des Empfindungsvermögens für objective Reize. 

Sehr charakteristisch für die „syphilitische Tabes“ sind die beiden Au^;änge 
<iei Ladens. 

Ks giebt eine subacute Form der syphilitischen Tabes, die in eine gewöhn- 
bdie, chronische, stabile Form der Tabes ausläuft mit allen dieser Tabes eigen- 
thömliehen Zeichen. — Die schon erwähnte, auch hier die Ataxie begleitende 
XoAdschwäche nähert diese stabile syphilitische Tabes der FmxDBmOB’scben 
leeditären oder der W^TPBAL'schen combinirten Tabes. 

Und es giebt eine acut verlaufende „syphilitische Tabes“, die in schwere 
lihmoDgon übergeht und entweder mit dem Tode endigt, wenn sie sich selbst 
öb^iaen bleibt^ oder geheilt wird, wenn man sie rechtzeitig einer antiluetischen 
IHiMlimg unterwirft 

leb habe in den oben erwähnten Arbeiten die genauen und ausführlichen 
Bel^ fär diese Thatsachen groben. 

An dieser Stelle möchte ich kurz auf ein einzelnes Phänomen im Verlauf 
^ aenten Tabes aufmerksam machen, das zwar unter der Wucht der schweren 
^ptome der Krankheit verschwindet, durch seine eminente allgemeine 
Bedeutung aber weit über sie alle hervorragt. 

Wenn die acute Form der syphilitischen Tabes aus dem Stadium der atac- 
iBcko Buese in das der schweren Lähmungen öbeigeht, vollziehen sich diese 
0 einer ganz bestimmten, gesetzmässig verlaufenden Weise. 

Die Lähmungen b^innen an den ünterextremitäten, greifen auf die 
^^In des Beckens, des Bauches, der Oberextremitäten, des Nackens und des 
Baba nba und bleiben hier stehen, entweder bis der Kranke geheilt wird 
dB m den Folgen der über Rumpf und Extremitäten, also fast über den 
Körper verbeiteten Lähmungen, stirbt — Oder die Lähmungen springen, 
‘vfadem sie alle Muskeln bis an den Kopf brach gelegt haben, auf gewisse 
des Kopfes über, speciell auf die Nn. ooulomotorii, faciales, hypoglossi. 

’ Die degraentiven Krankheiten des Rückenmarkes. Stuttgart 1886. — Wiener med. 
18%. Nr. 4 u. 6. — Wiener med. Wochenachr. 1886. 


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296 


Das Kaueu und Schlucken, die Athmung und die Herzthätig- 
keit aber wird nicht gestört 

Das ist eine sehr bedeutsame Thatsache. 

Indem der Kranke trotz der Lähmung seines ganzen Körpers athmen 
d. b. leben, und schlacken d. h. sich nähren kann, kann sich das Wrack längere 
Zeit über Bord halten, und so die Natur oder die Kunst die Mittel gewinnen, 
dasselbe flott zu machen und zu retten. 

Unter solchen Umstanden muss es uns um so mehr interessiren, wissen* 
schaftlich au&uklaren, weshalb die syphilitische Lähmung an den Muskeln des 
Körpers in die Höhe kriecht, selbst auf Nerren des Gehirns öbei^ift und 
dennoch den Nervenapparat des Schluckmechanismus und der Yer* 
dauungsorgane, der Athembewegungen und der Blutströmung — 
mit anderen Worten das verlängerte Mark — verschont, als bei 
allen Formen der aufsteigenden Lähmungen analoge Wahrnehmungen 
gemuht werden können. 

Ich habe in einer der oben erwähnten Arbeiten dargelegt, wie die Syphilis 
des Rückenmarkes, indem sie in den Rückeumarksgefässen die Endarteriitis 
hervorbringt und durch dieselbe arterielle Stämmchen des Rückenmarkes verengt 
oder verscÜiesst, den Blutzufluss zu den von den eigriflenen Gefasschen ver¬ 
sorgten Röckenmarksabschnitten stört oder imterbricht und dadurch auch die 
Function der so betroffenen Rückenmarkstheile schädigt oder aufhebt. 

Nun entspringt im Gegensatz zu den Lehren der Anatomie der Hauptstrum 
des zum Rückenmark fliessenden Blutes nicht aus den Yertebralarterien, um in 
der Richtung nach abwärts zum Conus zu fliessen, sondern, wie ich^ gefunden 
habe, aus den Lumbalarterien, um umgekehrt in der Richtung nach 
oben zum Halsmark zu verlaufen. Das geschieht, indem aus den Lumbal- 
arterien eine mächtige Arterie, meine Art. magna spinalis, mit den vorderen 
Wurzeln des Plexus ischiadicus auf die vordere Fläche des Lendentheils gelangt 
und nach Abgabe eines abwärts gebenden Astes längs der Mittellinie des 
Rückenmarkes nach oben fliesst. 

Der mächtige Impuls der Art magna spinalis giebt dem gesammten in 
dem reichen Geiassnetz der Rückenmarksobei^äche kreisenden und von seit¬ 
lichen Zuflüssen, meinen Artt. spinales, unterstützten Blutstrom die Directive von 
unten nach oben. 

Da nun, wie ich an anderer Stelle gezeigt habe, die Art magna spinalis 
ihrer Grösse w^en unter allen Bückenmarksgefössen audi am leichtesten im 
Blut kreisende Infectionsstoffe aufnimmt und daher unter anderem auch für die 
Syphilis ein Haupteingangsthor bildet, so geht hieraus klar hervor, wie die 
Endarteriitis syphilitica gerade die Art. magna spinalis zu allererst befallen und 


* Adamkibwicz, Die BlotgefäsBe des meoBchUcheD Bflekenmarkes. Sitzongsber. der 
k. Akad. d. Wissenseb. za Wien. 1884. Bd. IV. 1882. Bd. LXXXV. — Ich sehe mich 
genöthigt, diesen meinen wissenscbaftlicbon Besitz besonders za sebfitzen, da der Yennch 
gemacht worden ist. ihn mir in doloser Weise za entreissea. 


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297 


nach Qud nach in der Stromesrichtang dieses Gefässes, d. h. in auf- 
steigender Bichtang am Rückenmark sich aasbreiten and in Folge dessen 
dieses Organ auch in derselben Richtung angreifen and krank machen 
mass. 

Die Art magna spinalis and weiter oben die an diesen Hauptstamm sich 
utsehliesaoide, ?on mir so genannte „Vordere Anastomosenkette", giebt, indem 
sie gerade über dem Salcos des Rückenmarkes Terläoft, die von mir so genannten 
riitt. solei“ ab, die in die Tiefe des Salons wie die Sprossen einer Leiter dringen, 
in die yordere Commissor sich einsenken, in die beiden Aitt. solco-commissurales 
äch spalten and dorch deren Vermittelung die Vorderhörner der grauen 
Substanz mit Blut verso^en. 

Ihraos ergiebt sich, wie die TOn einer Endarteriitis syphilitica der Art m^a 
qsnalis aas gdeitete Circulationsstörang in der vorderen Anastomosenkette ausser 
dem aohdeigenden Charakter noch eine zweite Eigenschaft besitzen muss, — 
die, die Fnnction der grauen Vorderhörner, d. h. die der multi’ 
polaren Ganglienzellen und also die Muskulatur des Körpers zu 
lahmen. 

Weäialb die Syphilis einzelne Gehimnerren angreift, ist leicht verständlich. 

Diejenigen Gehimnerren sind der syphilitischen Parese am meisten aus- 
ewtzt, welche in der nächsten Nachbarschaft ^hilitisoh erkrankter Arterien 
^ortaofen and daher ron den durch diese Erkrankung hervoigemfenen Gircu- 
lahcoffitörongen zu leiden haben. Aber noch ein zweites Moment tritt hinzu, 
welches neben der CirculationKtörung der angrenzenden Gefässe auf die Function 
oaudner Gehimnerren störend wirkt, das ist der Einfluss der syphilitischen, 
gunQceen Exsudationen aus den kranken Arterien. 

Bekanntlich finden letztere besonders dort statt, wo die Gefässe durch 
iookere Gewebe odergar Lymphräume rerlaufen. Im Gehirn bilden die sub- 
onrimoidealen Höhlen solche Räume, ln ihnen findet daher auch mit Vorliebe 
die kxsudation der ^hilitischen Gallertmassen statt. Daher werden auch die- 
Gehimnerren ron der Syphilis rorzngsweise ergriffen, welche am Circulus 
adeiioeas (N. oculomotorios), an der Art. basilaris (N. abducens, N. facialis) oder 
den Vertebralarterien (N. hypoglossus) rerlaufen. 

Wenn der Gang der ^hilitischen Lähmui^ des Rückenmarkes ron den 
Geseteo des spinalen Kreislaufs beherrscht wird, wenn der Antheil, den das 
^^ohim an der Syphilis nimmt, gleichfalls mit der Vertheilung und dem Ver- 
^ der Qefisse des Gehirns in Zusammenhang steht, dann lässt sich rermuthen, 
d» der relative Schutz, den das verlängerte Mark gegen die Syphilis findet, 
ebeofiiUs in speciellen Einrichtungen ihren Grund haben wird, welche im rer- 
lägerteQ Mark die Gefässe besitzen. Und es sich, ob diese Veimuthung 
mtriffL 

Darauf m^en folgende Thatsachen antworten: 

Injicue ich das Rückenmark ron der Art m^na spinalis aus, so schiesst 
dio Injectionsmasse züngelnd am ganzen Rückenmark in die Höhe, 
‘■balich wie die Flamme an der Zündschour eines Feuerwerkskörpers. 


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298 


An der vorderen Bäckenmarksflädie gelangt sie hoch hinauf bis zum 
Halsmark und zwar bis an diejenige Stelle desselben, wo die beiden Vertebrat 
arterien die Dura mater durchbrechen, wo also die Pyramiden ihren Anfang 
nehmen und das erste Gerricalnervenpaar entspringt ffier endet die vordere 
Anastomoeenkette mit der ersten Art sulci, die den grauen Vorder- 
hörnern des ersten Gervicalnervenpaares ihr Blut zuführt 

Wie die vordere, so kann auch die hintere Bückenmarksoberfläche 
von der Art mi^a spinalis aus ipjicirt werden. An dieser Flache gelangt die 
Injectionsmasse bis scharf an die Grenze des vierten Ventrikels. Ueber 
diese Grenze hinaus dringt, falls man zur Injection eine aus Glaserkitt bereitete 
oonsistentere Masse verwendet, dieselbe auch nicht um Ein Millimeter in das 
verlängerte Mark ein. 

Injicire ich umgekehrt von der Art basilaris in der Bichtung nach unten, 
so dringt die Injectionsmasse durch die Artt. vertebro-cerebellaree in das Klein- 
him, aber ebenfalls nicht in das verlängerte Mark. 

Es ist damit bewiesen, dass sich die groben Wellen des sichtbaren 
cerebralen, wie spinalen Blutstromes an den Grenzen des ver¬ 
längerten Markes brechen, dass also das verlängerte Mark that- 
sächlich gegen den directen Anprall der Wellen dieser beiden 
Hauptströme geschützt ist 

Wie wird nun das verlängerte Mark mit Blut verso^ und wie hält diese 
Blutversorgung die Isolirung des verlängerten Markes von den Strömen der 
beiden Hauptblutbahnen — des der Art basilaris und des der Art magna 
^inalis — aufrecht? 

Darüber habe ich folgendes feststellen können: 

Es giebt für das verlängerte Mark keine anderen gröberen Zuflüsse, als die 
beiden Gegeben, weldie direct unter dem Delta der beiden Vertebralarterien 
ai^ deren inneren Seiten entspringen und über dem unteren Abschnitt der 
beiden Pyramiden zusammenfliessen. 

Das sind die Artt vertebro-spinales anteriores, wie ich sie 
nenne. Die Anatomie nannte sie früher in der irrigen Meinung, dass diese 
Gefasschen längs des ganzen Rückenmarkes bis zum Conus verliefen und das 
ganze Rückenmark mit Blut versoigten, die „Artt spinales*^. 

Thatsächlich enden diese Arterien schon an der unteren Grenze 
der Pyramiden, dort, wo die vordere Anastomosenkette nach oben zu — in 
der Höhe des ersten Gervicalnervenpaares — anfhört 

Wenn nun die Injection der Art basilaris nach abwärts ansreicht, diese 
Stämmchen zu füllen, aber nicht genügt, die Medulla oblongata selbst zu inji* 
oiren; so musste, sagte ich mir, die Injectionsmasse beim Debertritt aus den 
Vertebro-spinales in das verlängerte Mark sehr grossen Widerständen be¬ 
gegnen. 

Diese zu überwinden, würde eine gesteigerte Injecüonskraft erforderiL. Da 
aber die Starke, mit welcher injioirt werden kann, an der Brüchigkeit cada 
veröser Ge&sse ihre ganz bestimmte Grenze findet, so steigerte ich den ge- 


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gebeneD Drock für das Injectionsgebiet dadurch, dass ich nur die Artt. 
mtehnH^BDales liess, alle anderen Gefasse aber, die yod der Artt. rerte- 
iinks aoagiiigen, unterband, und so von der Art. basilaria den zwar b^renzten, 
aber rollen Druck der Injection auf die Artt vertebro-spinales wirken Hess. 

Auf diese Weise steigerte ich den gegebenen und nicht veränderlichen 
injectionedmek nur relativ und zwar nur fär das zu injioirende Stromgebiet 

Nun drang Canninledm thatsachlich in das Innere des verlängerten Markes 
90 ond lehrte die wunderbare Einrichtung der Gefässversorgung in diesem so 
>ichtigeD Organ keimen, wie ich sie in meiner Arbeit über diesen Gegenstand 
goaoer dargelegt und in den Denkschriften d^ kaiserl Akademie der Wissen* 
idaften zu Wien veröffentlicht habe.^ 

Ililt schon der ausserordentlich grosse Unterschied in der Weite der 
litt, rertebro^pinales gegen ihre nächsten Stämme, die Artt vertebrales, schwer 
in’iGewidit, um for den Eintritt des Blutes aus den weiten Yertebralarterien 

du Stromgebiet der MeduUa s(^. „Uebergangswiderstände“ zu schaffen, so 
iß die Art und die Vertbeilung der Gefasse innerhalb der Medolla noch ganz 
geeignet, den Anprall der vertebro - spinalen Welle noch einmal zu 
breeben, bevor sie in das Gebiet des Point vital eintritt. 

Wäbteud es eine B^l ist, wie ich gefunden habe, dass dar arterielle 
ZofloBs zum Rückenmark mit der Mächtigkeit des zu versorgenden 
Singlienlsgers wächst und daher von um so grösseren Arterien besorgt 
je mehr das Bflokenmark an Volumen zunimmt, emandpirt sich die 
kdalla von diesem Gesetz, dem sie sich im Princip doch nicht entziehen 
hfiB, durch einen, wenn ich so sagen darf, sinnreichen mechanischen 
Kaustgriff. 

Nich der Zahl und der Bedeutung ihrer Ganglien sollte das verlängerte 
Hak Zuflüsse besitzeD, die die grössten spinalen Arterien, also selbst die Art 
lafos, an Umfang übertreffen müssten. Und doch ist das nicht der 
^alL Bb wird vielmehr das Bedürhiiss des verlängerten Markes an Blut nicht 
einzelne Gewisse von grossem Caliber, sondern durch eine grosse 
Zibl TOD Gefässchen kleinsten Calibers be&iedigt Was die Natur am 
käekenmark durch die Stärke derGefässe, erzielt sie am verlängerten 
Hirk doicb die Zahl der Gefässchen. 

Ws das im Speciellen geschieht zn schildern, mustf ich mir für meine 
^aiftlirlicbe Arbeit aufsparen. 

Hier beschränke ich mich darauf festznstellen, dass die doppelte Wellen- 
breebuQg, welche der Blutstrom erfährt, indem er aus den starken Artt ver* 
in die feinen Artt vertebro*spinales nnd ans den letzteren sofort in 
'ipillareu Antritt, nicht nur wie eine Doppelsobleuse, senden gleichzeitig 
^ wie cdn Doppelsieb wirkt Während letzteres das geweihte und heikle 
da* wi^tigsten Nervenoentren vor den zahllosen Feinden möglichst b^ 

' Die Arterien des TeriAngerten Markes vom Uebergang bis zur Brttoke. Denkschriften 
^ l Akad. d. Wiaseosch. zn Wien. Bd. LVII. 1888. 


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300 


hütet, welche auf der allgememen Strumbahn frei verkehren, schützt jene das¬ 
selbe Gebiet vor den heftigen Wellenbew^ungen und Dniokschwankungen des 
allgememen Blutstromes, die an allen C^n des Körpers leichter vertragen 
werden, als gerade dort, wo — wie im verlängerten Mark — für die Erhaltung 
eines Gleichmaasses der wichtigsten nervösen Functionen des 
Körpers eine möglichst grosse Gleichförmigkeit und Buhe des 
physiologischen Zustandes, und also vor Allem des Blutstromes 
eine unabweisbare Bedingung darstellt 


3, Eine Verbindung caudaler Himtheile der Taube mit dem 
Striatum (Tractus isthmo^striatus oder bulbo-striatus?). 

Von Dr. Adolf WsUenberg in Danzig. 

Bei meinen Versuchen, das Ganglion isthmi der Taube zu zerstören, bin 
ich mehrfach mit der Nadel in centrale Tbeile des Isthmus gerathen und habe 
daselbst in verschiedenen Höhen von der caudalen Mittelhimgrenze bis in die 
Quintusr^on hinein Läsionen verursacht, deren Folgen ich mit Maacbi näher 
studiren konnte. Bei dieser Gelegenheit habe ich constant eine Gruppe von 
Fasern aus dem Isthmus in das Vorderhim verfolgt. In der Höhe des Trochlearis- 
kemes (Fig. 1) li^ der rundliche Querschnitt (a) dieses Bündels ziemlich gidch 
weit entfernt von der Baphe, vom lateralen und ventralen Isthmusrande sowie 




von der ventralen Grenze des centralen Höhlengraues. Am proximalen Pule 
des Trochleariskernes und des Ganglion isthmi (Fig. 2) beginnt &ne partielle 
Kreuzung seiner Fasern zum gegenüberliegenden identischen Tractns (Figg. 2 
und da'). Während seines Verlaufes durch das Mittelhim nähert sich Hag 
Bändel in ventromedialer Bicbtung der dorsolateralen Grenze der Infundibolar- 
wand, li^t in der Höhe des Ganglion ectomammillare (EniKOEn) diesem dorsal 
auf, nur durch eine schmale Schicht von ihm getrennt (Fig. 4) und bildet von 


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301 


^ ab den Tentromedialen Abschnitt des Traetns strio^tbalamicos ventralis 
(Fig. 5). Mit diesem zieht es frontalwärts, bleibt aber proximal von der vorderen 




Commasor, irähTend die anderen Fasern dorsolateralwärts zum Putamen ßcher- 
förmig anstrahlen, bis in frontale Theile des Yorderhims als Längsbündel im 



des Fächers sichtbar (Fig. 6). Erst hinter der caudalen Grenze des 
Belbos ol&ctorios tritt in lateraler und dorsaler Richtung eine Auflösung des 



ßondds ein (Fig. 7). Seine Fasern verzweigen sich am ventralen Striatumrande 
!^tra mittleres Drittel), sowie in den anstossenden ventralen Tbeilen des proxi- 
ffiahten Lmsenkernabscbnittes (Fig. 8). 


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302 


Im Hinblick anf die von Tbobbbhak^ bei der Katze gehmdenen Hinter- 
strangkem-Linsenkem&sem dürfte die Thatsache interessiren, das bei der Taube 



eine Bahn vom Isthmus zu frontalen Theilen des Striatum existirt, die sich 
caudal vom Mittelhim theilweise kreuzt Da ich bisher nicht enteobeiden kann, 
ob die Fasern in caudalen Isthmusr^onen entspringen oder ihren Ursprung 
in der Meduila oblongata besitzen, muss ich mir die Benennung des Bündels 
(Tractus isthmo-striatus oder bulbo-striatus) noch Vorbehalten. 


[Aus der Prof. MsNDEL’schen Klinik.] 

4, Zwei Fälle von Friedreich’scher Ataxie.® 

Von Dt. Faul Oohn, Assistenten der Poliklinik. 

Die Fälle, zwei Brüder, sind am 22. Januar 1898 in die Prof. MENDKc'sche 
Klinik anfgenommen worden. Der ältere ist der jüngere fast 11 Jahre alt. 

Bezüglich der Familie liess sich emiren, dass die Grossmntter väterlicherseits 
an „Beissen" leidet und dass ihr das „Wasser ablänft“(?); die Grossmntter mfltter- 
licberseits leidet an Beissen in einer Schulter, zeigt objectiv — ausser einer geringen 
Pupillendifferenz — nichts besonderes. Die filtern sind nicht’ blntverwandt, auch 
besteht zwischen ihnen keine erhebliche Altersdifferenz. Die Matter der Pat. ist 
völlig gesund. 

Der Vater trinkt ziemlich stark; er klagt über Beissen im linken Arm, 
hat objectiv keine nennenswerthen Besonderheften. Eine ältere Schwester der Knaben, 
14 Jahre alt, ist noch nicht menstmirt, will häufig Kopf* und KreuzBchmeraen 
haben, fiin jüngeres Kind, Bruder, 4 Jahre alt, soll, wie die Hutter seit etwa drei 
Monaten bemerkt hat, zuweilen im Schlafe mit den Armen zucken. 

Nervöse oder geistige Erkrankungen sind in der Familie sonst, soweit bekannt, 
weder in anfeteigender*, noch in Seitenlinien vorgekommen. — 

Die gemeinschaftliche Anamnese der Knaben ist kurz folgende: 


* Aufm Tbohxbiuk, Notiz betreffs des Bindenfeldes der Hinterstrangbahnen. Nenrolog. 
Centralbl. 1898. S. 159. 

* Nach einem in der Berliner Qesellsohaft für Pejchiatrie nnd Nervenkrankheiten am 
14. Harz 1898 gehaltenen Vortrage. 

‘ Es wird dies deshalb besonders bemerkt, weil von mancher Seite dieser Factor bei 
der „ererbten“ Dispoeition zo der in Frage stehenden Krankheit mit in Bechnung gebracht 
worden ist. 


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303 


Sie sind nonnsl mr Welt gekommen and beide bis zn 1^/, Jahren von der 
Mutter — die nach 9 Monaten wieder zu menstmiren begann nnd auch w&hrend 
der jeweiligen Menstmation stillte — em&hrt worden. Sie haben sich beide normal 
entwickelt» zur rechten Zeit lanfmi nnd sprechen gelernt nnd niemals Erftmpfe gehabt. 
IWaeaä der ältere schon mit 1 Jahr sauber war» soll der jflngere noch bis zum 
ö. L^nsjahre ins Bett nrinirt haben. Beide haben in den ersten Lebmiqabren viel 
an (serophnlösen) BrflsensehwellaDgen gelitten» dem jüngeren wurde noch im ver¬ 
gangenen Jahre eine „vereiterte Drüse" am linken Ohre geüfhet; auch soU letzterer 
bis zum 6. Lebensjahre starke Hand- nnd Enüchelgelenke, sowie „0-Beine" gehabt 
haben. 

Beide haben, der ältere mit S^j^, der jüi^re mit 3 Jahren, Scharlach 
dnrebgemaeht; der ernte hatte 1 Jahr vorher auch Masern. 

Die Eraeheinnngen non, welche die Mutter bei dem älteren Knaben schon im 
5. Lebensjahre, bei dem jüngeren im 6. zu bemerken begann, waren im Wesentlidhen 
die gleichen. Das erste, was anffiel, war eine Yerschlechternng des Gehens. 
Der Gang wurde zuerst unsicher, dann wankend, schwankend, taumelnd; die Knaben 
fielen öfter hin. 

Dazu geeellte sich eine Unsicherheit der Hände. Die Bew^nngen derselben 
wordor ungeschickt, zitternd; beim an den Mund führen von Speisen bemerkte man 
hin und herfahrende Bewegungen, der Inhalt von Gläsern nnd Tellern wurde ge- 
kgentlich verschüttet 

Das Leiden hat in allmählichem Fortschritt bis zum heutigen Tage langsam 
ngenommen. 

Erbrechen nnd Kopfechmerz ist nicht dagewesen; indessen gaben die Knaben 
(auf Befragen) an, dass sie zuweilen früher Schwindel empfanden hätten. 
Schmerzen traten niemals auf; ebenso wenig eine Störung der Stuhl- oder Harnent¬ 
leerung. Doppeltsehen wurde nie bemerkt Auch Verschlucken beim Essen kam nicht 
vor. Der Appetit war gut, der Schlaf de^leichen. 

In der Schule sind die Knaben nur schwer for^ekommen, besonders machte 
ihnen das Bechnen Schwierigkeiten. Eine Abnahme oder mangelnde Entwickelung 
der Verstandeskräfte ist von nahestehender Seite aber nicht beobachtet worden. — 
In letzter Zeit wurde bemerkt, dass die Fat, besonders der ältere, häufig — auch 
ohne eraiehtliehe Ursache — lachen. — 

Es folge zunächst die Beschreibung des älteren Knaben, Willy 8., jetzt 
13V] J&hre alt (Ans seiner persönlichen Anamnese ist noch hervorznheben, dass 
er sieh in seinem 6. Lebensjahre in Folge eines Falles eine Verletzung des linken 
Beines znzog, welche zu einer zunehmenden Schwellung in der G^end des linken 
Kniegeloiks führte. Dieselbe wurde Jahre lang verschiedentlich erfolglos behandelt. 
Das Gelenk nahm langsam Beugestellnng an nnd konnte nur noch in mäss^er Ex- 
corsion im Sinne der Beugung bewegt werden. Vor 1*/, Jahren wurde chirutgischer- 
snts eine gewaltsame Streckni^ des Beins vorgenommen, und das Bein ca. 8 Wochen 
lang im Gypsverband gehalten. Das Bein ist seitdem in Strecklage unbew^lich, 
Pat hat seit Jahren das Zimmer nicht mehr verlassen nnd sich fast stets in 
idtaender oder liegender Stellung — besonders auch viel im Bett — gehalten. Es 
handelte sich bei der Erkrankung, wie der Augenschein auch jetzt lehrt, um einen 
Fungus genn). 

In Folge des dauernden Zimmeraufenthaltes hat sich bei dem Pat. eine etwas 
dqnriffiirte, weinerliche Gemütbsstimmnng ansgebildet. — 

Fall I. Pai, der in sitzender Stellung verharrt, ist ein für sein Alter etwas 
kleiner, blasser, schwächlicher, unserer Knabe. Der Gesichtsausdruck hat etwas Tristes. 

Der Kopf ist im Verhältniss zum Gesicht ziemlich gross, rund; auUallend ist 
die Kleinheit des Unterkiefers. 


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B04 


Die Ohrläppchen sind angewachsen, der innere Helix sehr tief. Beklopfen des 
Kopfes ist nirgends schmerzhaft. 

Han bemerkt bald eigenthfimliche, leichte, zuckende Bewegungen am Kopfe, 
meist kurze, altemirende Drehbewegungen in vorwiegend horizontaler Richtung. Der 
Sitz derselben sind, wie Augenschein und directes Befohlen ze^n, zum Theil sicher 
die Mm. stemocleidomastoidei. 

Die Zähne sind rhachitisch gekerbt, Gaumen*, Bachenbew^ngen, Bachenreflex 
in Ordnung. Die Zange wird gerade berausgeetreckt, zeigt aber bei im wesentlichen 
erhaltener Längsachse fast stet^ ziemlich grobe, nnruh^^e, zuckende Bew^^gen; 
zugleich mit diesen treten deutliche (lÜt)Bewegungen im Facialis um den Mund 
hemm auf (von denen sich in der Ruhe nur schwache Andeutungen zeigen). 

Die PrOfung der Himnerven ei^ebt sonst bis auf den eben zu erwähnenden 
Njstagmus nichts Abnormes; die etwas Ober mittelweiten Pupillen reagiren gut, der 
Angei^mnd ist normal. 

In der Buhe ist an den Augäpfeln nichts von abnormer Bewegung wahrzunehmen: 
dag^en treten bei stark seitlicher Blickrichtung, beim Fixiren eines seitlich gehal* 
tenen G^enstandes, bei schnellem VorbeifObren eines solchen, deutliche — wenngleich 
nicht sehr grosse — oscillirende Bewegungen der Augäpfel auf.' 

Am Rumpfe und den Annen ist die DOrftigkeit der Muskulatur au^allend. Die 
grobe Kraft der Muskeln ist ihrem Aussehen entsprechend gering. Beim Vorstrecken 
der Arme tritt starkes Schwanken derselben ein; die gespreizten Finger zeigen eigen* 
artige an Athetose erinnernde Bewegungen. 

Beim Greifen nach einem vorgehaltenen Gegenstände werden die atactischen 
Bewegungen der Arme sehr deutlich (links anscheinend etwas stärker als rechts); 
Augenschloss verstärkt sie in nur geringem Grade. 

Ausserordentlich erschwert sind complicirtere Bewegungen, wie z. B. KnOpfen. 

Anch das Schreiben geschieht nur sehr mOhsam, unter Anstrengung; die Schrift 
ist ungleichmässig und zittrig. 

Nimmt man mit den Endgliedern der Finger passive Bewegungen — auch solche 
von nicht ganz geringer Excursion — vor, so zeigt sich, dass die Richtung derselben 
(anscheinend links häufiger als rechts) oft falsch angegeben wird. 

Der Tricepsrefiex — es sei aus^flcklich darauf hingewiesen — ist vorhanden. 

Der Brustkorb des Pat ist asymmetrisch; die linke Brusthälfte tritt — wie 
bei Betrachtung von oben her besonders deutlich wird — merklich mehr hervor, als 
die fiacbere rechte. Die Wirbelsäule, an der eine Skoliose nicht sichtbar ist, ist 
nii^ends druckempfindlich. 

Die Betrachtnng des Unterkörpers in der Bettlage ei^iebt ein Tieferstehen der 
linken Beckenhälfte mit dadurch bedingter scheinbarer Yerlängerang des linken Beins. 
Die Beine werden mässig innen rotirt gehalten, die Fflsse stehen im Ganzen in 
SpitzfoBsstellung. Am linken Kni^elenke* ftllt eine onfOrmige Schwellung anf; die 
Haut Ober dem Gelenke ist etwas wärmer als anf der andern Seite. Das Qelenl 
zeigt sich völlig steif. Geringste Bewegungsversuche an demselben werden sehi 
sebmerzbaft empfunden. 

Die Haskulatur der Beine, namentlich der Unterschenkel, Ist sehr dürftig; be^ 
sonders der linke Unterschenkel ist sehr mager. Die grobe Kraft ist nach dem eher 
Gesagten nur rechts zu prüfen und hier, entsprechend dem Aussehen der Mnskelt 
gering. 

Prüft man das rechte Bein auf Ataxie, so ei^eben sich schon beim Yersnehe 
es gestreckt zn erheben, stark aosfabrende Bewegui^en desselben; es besteht dabei eini 


' Stadsohe und looomotoriMheCoordinatioDsstörong der Augenmuskeln. 

’ cf. oben Vorbemerkung. — BezflgUch dee ganzen Zustandes der Muskulatur an dei 
UutereztremitatcQ ist wohl die lange Inactivität derselben in BQebicht zu ziehen. 


:yGOOglC 




805 


Nai;8iig de« Beins, nteh links Mnfiber zu sinken. Der Knie-Hackenversach macht 
die Ataxie gl^Mslls sehr an^n^ig, namentlich bei Ai^nschlass. 

Das Bern zeigt aosserdem eine ausserordentliche Flexibilität; Fat kann dasselbe 
w lockt BBt Hftlfe der Hand soweit nach hinten bringen, dass der rechte Fnss 
Qif ia Kecken li^t. Stehen ond Oeben (ohne Sthtzapparat und gleichzeitiges An> 
talten) «t SOS den erwähnten Qrflndeo unmöglich. 

Die (d oben) im wesentlichen in Spitzfussstellong gehaltenen F fiese ze^en 
«taa aAz tiefe Excaratio plantaris ndt entsprechender verstärkter Krfimmung des 
FtatrfideBB. Die Zehen sind deutlich hyperextendirt, besondere die grosse; die 
Hilhmehae springt stark vor. 

B« PrfifuBg des Lag^ffihls an den Zehen ergeben sieh ähnliche unrichtige 
Angibea, wie bei den Fingern erwähnt 

Der Patellarreflex (links ist er nicht zu prflfen) fehlt; die Achillessehnen' 
rtaau desgleichen. Die Hautreflexe sind lebhaft 

Du TertttHai) der Sensibilität ist (bis auf die genannten StOmngen des 
latagMhls) am ganzen EOrper normal Die elektrische Erregbarkeit zeigt keine 
TnisAerengen. 

Wu endlich die inneren Organe anlangt, eo ergiebt sich als wesentlich eine 
SekaUferkfiramg und Schallabschwäehnng Aber der rechten Lungenspitze mit ver* 
k^iitni Exspirinm und inconstantem Qiemen. 

BHO fiberall abgeschwäcbtes Athmen. 

Am Herzen bOrt man Aber der Pulmonalis — Aber der Aorta weniger — ein 
ifddiich« hanebendes Geräusch; keine Verstärkung der zweiten TOne. 

Pols wMch, mittelToU, 100 p. Minute. 

Oerioge, al^m^e DrAsenschwellongen. — Urin &ei. — Gewicht 45,100 Pfund. 

Die Intelligenz lässt keine Störung erkennen.^ Die Sprache ist etwas langsam 
ita nyieifhmimrig. — 

BesfigUch des zweiten Bruders, Rudolf S., kOnnen wir uns kfirzer fassen, da 
ff ia Weeotlicben nur die Symptome des älteren in abgeschwächter Form wiederholt 

Pall IL Pat ist 11 Jahre alt und ganz gnt entwickelt; munterer Gesichts* 
iMtawi, gerandm Gesichtsfute. Stetige, ungleiche, abwechselnde Bewegungen des 
Kopte — der immer wenig vomfiber gehalten wird — in vorwiegend horizontaler 
kffbtaag; fortwährende leichte Verziehungen and Zockungen der mimischen Mosku- 
btar, kild hier, bald da, besonders auch im Gebiete des Frontalis. 

Ooiuger Njstagmus beim seitlichen Pixiren. 

PipflliD normal wmt, rechte ein wenig grosser als linke; Beaction o. B. — 
rechts */,, links ophthalmoskopisch erhebliche Abblassung bei* 
^«r Sehnerven. Geeichtsfeld links ffir alle Farben leicht eingeengt 

Zockende Bewegungen der herausgeetreckten Zunge. — Unskulatur am EOrper 
ftai gut entwickelt, nirgends Atropfaieen. Grobe Eraft genfigend. 

Ckomähalidie znekends Bewegoagen an Scfanltem, Armen ^ (Fingern), Beinen. 

DeoÜiche statische ond locomotorische Ataxie an Armen und Beinen, 
^teken unruhig; meist mit etwas gespreizten Beinen, vomAbergehaltenem Eopfe, oft 
IA mut Tendenz zur Schiefhaltung des ganzen EOrpers nach links* (keine 


* Am Unken Arm besteht in der Gegend des linken Condjlos ext hnineri eine 
terkcM TorwAlbung, die Folge Mnes daselbst vor 4 Jahren dnreb Fall von einer Schaukel 
B^taessn Bructaea. 

* Is ist dieM jetzt vtHhandeue Tendenz so einer einseitigen EOrperhaltung mit ihren 
^ B^eie 0«w<^aheU entstehenden Consequeusen viellmidit f&r die Entstehung einer 
^ «päter atvra entwickelnden Scoliose (wie sie bei der Erankbeit häufig ist) nicht ohne 
tadagiMtes ua4 mOgUeherweise auch therapeutisches Interesse. 

SO 


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306 


Scolioee); dabei anaser den schon in der Bnhelage Torbandenen — jetzt etwas wer- 
stärkten — verschiedenen Zncknngen noch grössere eqoUibrirende Bewegangen 
wechselnder Richtung am Rumpfe, an den Armen, an den Beinen. Unstetes Spielen 
der Fussstrecker. Zunahme der balancirenden Bewegui^en im Yerhältnias, in dem 
die Ffisse einander genähert werden (die Bäsis sich verkleinert). Bei Aneinander¬ 
stellen der F&sse Stehen mit offenen Augen kaum Secuuden lang möglich, bei 
Augenscbluss unmöglich. Gang unsicher, wankend, taumelnd, von der geraden Linie 
bald rechts, bald links (zuweilen auch länger plump nach ein und derselben Seite) 
abweichend, dem eines Trunkenen ähnlich. Dabei zuweilen Ueberkrenzen der Beine. 
Der linke Fnss wird auffallend einwärts aufgesetzt 

Langsames Gehen anscheinend schwerer als schnelles (hier mehr eine Art Yom- 
ftberfallen des Körpers). 

Ad den Füssen Ezcavatio plantaris sehr ausgesprochen, Neigung zu daaemder 
Hypereztension der grossen Zehen; an den Zehen leichte Störungen des Lagegefühls. 

Patellar- und Achillessehnenrefleze fehlen. (Tricepsreflez vorhanden.) 
Hautrefleze vorhanden. Sensibilität (cf. Zehen) normal. Elektrische Erregbarkeit 
normal. Systolisches Hauchen an der Herzspitze; verstärkter II. Ton. Puls 104, 
mittelvoll. — Geringe (Cervical- und Inguinal-) Drüsenschwellungea. — Urin frei. 
— Gewicht 51,100 Pfund. — Intell^nz gut Sprache langsam, zeigt angedeotet 
skandirenden Charakter. — 

Ueberblicken wir kurz die beiden Fälle, so haben wir es also mit einer in 
der Kindheit entstandenen Krankheit zu thnn, welche bei zwei Geschwistern 
auftritt, deutlich progreesive Tendenz hat und folgende Haupteymptome zedgt: 

1. (Statische und looomotorische) Ataxie. 

2. Fehlen der Patellar- (und Achillessehnen-) Reflexe. 

3. Intacte (Haut-) Sensibilität, doch Störungen des Lagegefühls. 

4. Intacten Blasen- und Mastdarmreflex. 

5. Nystagmus. — Geringe Sprachstörungen. 

6. Fbibdbbiob’ sehen Fuss (im einen Falle sehr ausgesprochen, im andere 
angedeutet). 

Dazu kommt im zweiten Falle 7. Opticusatrophie (im ersten ComplioatioD 
mit einem chronischen destructiven Process in der Lui^). 

Im Vordergründe des Erankheitsbildes steht die Ataxie. — Bei emem so 
ausgesprochenen Befunde wie dem unsrigen dürfte die Diagnose kaum Schwierig¬ 
keiten bereiten; doch mögen die wenigen Erkrankungen, welche überhaupt 
differentialdiagnostisch in I^age kommen, hier nachstehend einzeln ausgesohaltet 
werden. G^^en einen Theü derselben könnte man schon von vornherein das 
Auftreten bei zwei Geschwistern als sehr mitentscheidend in’s Feld führen; 
indessen möchte der — immerhin gezwungene — Einwand hingehen, dass es 
sich ja um ein zuföUiges Zusammentreffen handeln könnte, oder zweitens — was 
sich eher hören liesse — dass die hereditäre Disposition, welche dem Symptom- 
complex der FniEnBBicE’schen Krankheit zur Grundig dient, auch die Basis 
für jene anderen nervösen Erkrankungen (z. B. infantile Tabes) abgeben könnte. 

Es bleiben auch dann ausreichend differentialdiagnostisohe Kriterien, um 
die Auffassung unserer Fälle als solcher von FniEDBEiOH'scher Ataxie zu 8i<dienL 

Krankheiten wie Chorea infantilis — die zuckenden Bew^fungen wären 


Dig :vod 


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307 


dis aozige Symptom, welches daran erinnert — können nicht wohl in Frage 

knmiiwm. 

Es bleiben etwa übrig: 

1. Multiple Sclerose; — leitet sich nicht mit Ataxie ein, der Tremor 
st mit der Ataxie unserer Fälle nicht zn Terwechselu, die Reflexe sind meist 
gotegert. 

2. Tabes; — (abgesehen vom Alter) entscheidet die Ansdehnimg der Ataxie 
(hierBompf), die Art des Ganges (der hier tabetisch nnd cerebeliar), der 
Maogel an Sensibilitätsstörungen, an Pupillensjmptomen, die Intactheit der 
Bliseo- und Mastdarmfnnction. 

3. Hereditäre Lues; — auch wenn die Anamnese nidit das Fehlen der 
Lote be den Eltern ergeben würde, würde der Verlauf unserer Fälle (langsam 
hdiclimteDd, kein Remittiren), das Kicht-Auftreten von Anfällen, der Mangel 
u degenerativen Lähmungserscheinungen genügen. 

4. Ataktische Faraplegie (Gowebs); — das jugendliche Alter der Fat, 
da Mlen der Fatellarreflexe sind zur Widerlegung hinreichend. 

5. Eieinhirntumor; — der Mangel an Eopfejmptomen, das Mitbetheiligt- 
w der Arme hier spricht d^^n. 

6. nHdrddoataxie cöröbelleuse“ (durch F. Marie als selbständige Form 
'VS der FBiSDSEiCH’schen Ataxie al^eschieden); es genügt die Angabe, dass 
dieR bkrankung viel später auftritt, dass die Sehnenreflexe normal oder ge- 
dsgert sind, daas der Muskelsinn ungestört ist. Niemals wurde auch der 
FoDaEica’sche Fuss beobachtet 

Ke Frage, ob und inwieweit Entwickelungshemmungen des Kleinhirns 
BQdff von FmBDBEiCB’soher Krankheit erzeugen können, scheint uns noch 
okbt genügend geklärt, um „füri^ oder „gegen“ mit herangezogen zu werden, 
iach Vermuthungen darüber anzustellen, wie etwa genau in unserem Falle 
P^tb(dogiach.anatomisch der Erankheitssitz im Rückenmark sich begrenzen 

wäre nach den numerisch zu geringen und in sich oft noch gar nicht 
onbetoehtlich Terschiedenen E^ebnissen, welche bisher vorliegen, verf^t und 
eine präcise Localisation der Ausbreitung des Frocesses wenigstens 
^ lä jrtzt nicht möglich. — 

Bä der rigorosen Schärfe, mit welcher in jüngerer Zeit von mancher Seite 
u dem genau umschriebenen und eng umgrenzten Symptomenbild, wie es 
^^odkiioh selbst gezeichnet hat, festgehalten wird, scheint es nicht so ganz 
itetÜQaig, einem Einwande zn b^gnen, der etwa gegen den zweiten Fall 
^boba werden könnte.^ Die Opticusatrophie nämlich ist in der urspröng- 

Beschreibung Fbiedbeicb’s nicht mit vorhanden nnd fehlt thatsächlich 
>Qeb in der wdt überwiegenden Mehrzahl der bisher sonst beschriebenen Fälle. 

‘ Dw EiiiwaDd, dass im ersten Fall daa kliniache Bild — wegen der oben begrün* 
^ ümSgliehkeit, linkeraeita den Fatellarreflex zn prüfen and daaelbst eine exacte Ataxie* 
■Bornttong Tomnebmen — nicht „eomplet** sei» dürfe wohl von keiner Seite gemacht 

20 * 


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Nun, — erstens hat der Schöpfer des in Rede stehenden Krankheits¬ 
begriffes bei der allgemeinen Seltenheit der Erkrankung nur relativ wenige Fälle 
sehen können; zudem stammten die von ihm selbst geschilderten Fälle ans nur 
zwei Familien. Es ist nicht anzunehmen, dass bei einer so beschränkten Zahl 
gleich alle vorkommenden Formen des Erankheitsbildes zu sehen waren, — 
abgesehen davon, dass die aus gleicher Familie stammenden Fälle nach einigen 
Angaben überhaupt einen in sich ähnlichen Typus zeigen sollen.^ 

Zweitens sind Fälle von hereditärer Ataxie mit Opticnsatrophie seiüier 
von anderer Seite mit Sicherheit mehrfach beobachtet worden. 

Drittens schliesslich wäre aber auch theoretisch nicht recht einzusehen, 
warum ein ausgeprägter Fall von FniEDBEiCB’scher Krankheit w^n einer zn 
dem übrigen degenerativen Process im Gentrainervensystem noch hinzukommen¬ 
den Opticusatrophie nicht mehr als FBiEDBSiCH’sche Krankheit bezeichnet werden 
sollte. Dass das anatomische Substrat in beiden Fällen bezüglich sein« topo¬ 
graphischen Begrenzung nicht ganz genau das gleiche ist, kann doch 
nicht wohl als cardinaler Unterschied angesehen werden. So lange wir wenig¬ 
stens mit dem Begriff eines bestimmten Krankheitebildes einen bestinuuten, sich 
im Wesentlichen stets gleich bleibenden Symptomencomplex meinen and 
nicht ex post nach der räumlich genau beschränkten (wennm^lich mikroeko- 
pischenl) Gleidiheit des eventuell später festgestellten patholc^isch-anatomischen 
Befundes schematisch die Krankheiten rangiren wollen, — so lange wird eine 
solche Anschauung hinsichtlich der Betrachtung unserer Krankheit nicht maass¬ 
gebend sein dürfen. 

Es heisst also nicht: Kein Friedreicb, weil Opticusatrophie, sondern: ein 
Friedreich mit Opticusatrophie; statt durch die Opticusatrophie umgestossen za 
werden, gewinnt der Fall durch sie nur ein um so grösseres Interesse. — 

Was die Disposition zu der „hereditären Ataxie“ in unsem Fällen anlangt 
(vielleicht wäre die Krankheit als „familiäre“ Ataxie zu bezeichnen, weil sie 
wohl meist mehrere Glieder aus einer Familie betrifft, aber nur ausserordent¬ 
lich selten direct „vererbt“ wird), so möchte daran erinnert sein, dass der 
Vater Potator ist, und dass beide Knaben in frühen Jahren Scharlach durch¬ 
gemacht haben. 

Der erste Factor ist ja auch sonst bei nervösen Erkrankungen in der 
Descendenz mit in Rechnung zu ziehen, und für unsere Krankheit von LAPAirg 
besonders betont worden. Der andere, die Scarlatina, könnte in zweierlei 
Richtung gewirkt haben: 

a) sie hat die vorhandene Disposition zur Erkrankung nur gesteigert (wie 
auch andere Infectionskrankheiten das im Stande sind), oder 

b) sie hat die latente Disposition zum Ausdruck gebracht, als „agent pro¬ 
vocateur“ gewirkt. Dass eine noch so starke Scharlachinfection für sich allein 
(„Toxine“) bei sonst intactem Nervensystem die in Bede stehende Krankheit 
erzeugen könnte, dürfte wenigstens unwahrscheinlich sein. 


* Von dieaem Verhalten würden unsere Fälle also eine Ausnahme machen. 


■ .Google 





309 


(Ob die Tabereolose, mit welcher sich im einen Fall das Krankheitsbild ver* 
knöpft, die Di^osition zur Erkrankung etwa mit gesteigert hätte, möchte aller¬ 
dings dahingestellt bleiben.) 

Sollte nnn auch Ton den erwähnten Factoren jeder für sich Tielleicht 
nidit einfloasreich genug gewesen sein, so könnte doch ihr Zusammenkommen 
geognet sein, das Entstehen der Krankheit zu begünstigen. — 

Aosser der Opticnsatrophie — über deren mögliche Ursachen an dieser 
Stdle nicht discutirt werden soll — erscheinen dem Yerf. die oben beschriebenen 
^«lartigen, tbeils tic-ähnlichen (Kopf), theils auch an Athetose und Chorea 
(fh^) gemahnenden unregelmässigen Bewingen der geringen Beachtung 
akht ganz würdig, die ihnen allgemein bisher zn Theil geworden ist. Ein Theil 
doselben tritt bloss beim Stehen oder bei aufgerichtetem Oberkörper ein und 
i?1 Ti^l«<dit TOTwi^nd als auf equilibrirender Tendenz basirend aufeufassen. 
Eis anderer Theil aber geht — wie sich jeder Zeit beobachten lässt — auch 
schon in der Ruhelage ror sich. Wir erinnern besonders an dem zweiten 
Pitienten. 

Es ist wohl nicht unberechtigt, diese Bew^ungen in Anal(^ie zu den bei 
Taläkem häufig im Geleit der Ataxie auftretenden „Spontanbew^ungen“ zu 
wtzeo. Mit diesen haben sie auch gemeinsam, dass sie den Kranken selbst 
nicht zn Bewusstsein kommen (ein Factum, das vielleicht in den Störungen 
des Mnskelsinns seine Erklärung findet).^ 

Bezüglich der Therapie möchte Yerf. das Hauptgewicht (ausser der robo- 
nraalen Emährong) auf Massage und besonders auf nach FBENi:sL’schen Prin- 
opien voizunehmende, compensatorisohe Hebungen gelegt wissen. 

Der oomplidrenden Spitzfassstellung im speciellen Hesse sich vielleicht im 
rwöten Falle noch durch möglichst dünn gewählte Bettbedeckung, durch rechtzeitig 
ai^elmtete Massage, event. auch durch einen frühzeitig ai^elegten, im en^egen- 
gesetzten Sinne wirkenden elastischen Zngverband mit einiger Wahrscheinlichkeit 
rorbeogoi. Ebenso wäre eine frühzeitig eingeleitete, zweckgemässe Hasste bei 
da ersten Anzeidien einer Neigung des Körpers zu seitlicher Yerbiegung 
'cf. Kranhengesdiichte R) vielleicht geeignet, der Entwickelung einer Scoliose 
in za einem gewissen Grade vorzubeugen. — 

Herrn Prof. Mehdsl, meinem hochverehrten Chef, sage ich auch an dieser 
>%rile für die mir liebenswürdig überlassene Bearbeitung der Fälle meinen 
<:fgebenen Dank; desgleichen danke ich Herrn Collegen P. Schustbb bestens 
fir die mir freondlichst gestattete Einsiobt in die klinischen Krankengeschichten 
und seine stets bereite thätige und forderliche Theilnahme an den Unter- 
w e hnD gep. — 


^ Wenn auch in der Buhetage eine Coordination noch statt hat, so ist vielleicht theo- 
rstisefa die Annahme nicht gänzlich von der Hand zu weisen, dass auch jene Bewegungen 
sur der Anzdrack dieser geatOrten „Coordination in der Ruhe*' sind, and somit statische 
C«ardioationBStdrungen geringsten Grades darstellen. 


Dk 


nyGOOgIC 


310 


Litteratnr. 

StbOkpbll, Lehrbocb der gpedellen Pathologie and Therapie der inneren Krankheiten. 
Bd. U. 1. 

OppBNHBiif, Lehrbnch der Nerrenkrankbeiten. 1894. 

Gowbbs, Handbuch der Nervenkrankheiten (deutsch von K. Obdbb). 1892. Bd. I. 
Cbabcot, PoUklinisohe Vorträge (deutsch von Fbbxtd). 1894. 

Neurolog. CentralbL Jahigang 1890—1897. 

Fbibdbbioh, Virchow's Archiv. 1868. XXVI und XXVII. 1876. LXVIII („Ueber 
Ataxie mit besonderer RBcksieht der hereditären Form*'}' 1877. LXX. 
liBYDBH, Klinik der Rfiokenmarkskrankheiten. 1875. II. 

Minn, Vorlesungen Ober die Krankheiten des Rfickenmarka (deutsch von Dr. Waiss- 
Wien). 1894. 

Dbjbbiitb et Lbtullb, Sur les canses de l’int^Titd de la sensibilitd dans la maladie 
de Friedreioh etc. BulL mäd. 1890. 26. Febr. 

P. Blooq et Q. MiBiHBBOtr, Sur l’anatomie pathologique de la maladie de Friedreicb. 
Sdance de la sociätä de Biologie. 1890. 1. Mars. 

Bboussb, Sur la maladie de Friedreich. 1882. 

Sbhatob, Ueber hereditäre Ataxie. Berliner klin. Wochenschr. 1893. Nr. 21. 1894. 

Nr. 28. 

ScHtTLTZB, Deutsche Zeitschrift fllr Nervenheilkunde, 1894. V. — BerliDer klln. 
Wochenschrift. 1894. Nr. 38 (Erwiderung u. s. w.). 


II. Beferate. 


Anatomie. 

1) Lob tenDinsiBons oentraloB de la raoine labyrinthique, par Andr 
Thomas. (Comptes rendns de la Soci^td de biolog. 1898. 12. Fdvr.) 

Um die noch schwebenden Streitfragen Ober die centrale findignngsweise de 
N. acusticus definitiv zn erledigen, hat Yerf. bei einem Hände die intracraniell 
Dorchschneidung desselben vorgenommen, das Versnchstbier nach 14 Tagen getödte 
und das Gehirn sodann, nach Harchi behandelt, untersucht 

1. Ramus cochlearis. ESr endet im Nucleus lateralis and im Tuberculum acusti 
cum. Diejenigen Fasern, welche im Nucleus lateralis enden, treten von unten nac! 
oben senkrecht in denselben ein nnd vertheilen sich durch seine ganze Ansdehnims 
Bin kleiner Theil der Fasern zweigt rechtwinklig ab und dringt in die obere; 
Olivenkeme and die Nebenolive der gleichen Seite. — Einige vereinzelte Faser 
kreuzen bei ihrem Austritt aus dem Nucleus lateralis die absteigende Wurzel de 
Trigeminus und scheinen im Facialiskem zu enden. 

2. Ramus vestibularis. Die Fasern desselben dringen oberhalb der CooMearü 
fasern in die Hedulla ein, kreuzen das Corpus restifonne und erreichen die wordersl 
Spitze des Deiters’schen Kerns. Hier tbeilen sie sich in zwei Zweige, einen at 


,Google 




811 


Dd liiNB toCrteigeDdeiL Der letxtere, kürzere, endet grOeetentbeils im Deiters’- 
lete Bzd Beehterew'echen Kern, nnr wenige Fasern traten in das Kleinhirn ein, 
u hkr tn anden. — Der absteigende Zweig l&sst sich weit herunter bis in den 
Xafitkow'ecben Kern rerfolgen. EÜn Ueberscbreiten der Mittellinie lässt sieb bei 
köar Faser des ganzen Bamns Testibnlaris eonstatiren. 

W. Cohnstein (Berlin). 


S) The ooTtloal motor oentrea of the opoasnm, didelphya Virglniaoft, bj 
B. H. Canningbam. (Joomal of Pb^ology. XXII. 4. S. 264.) 

Ter£ ontersnehte anatomisch nnd physiologisch das Gehirn des Opossnm nnd 
hii daas^ in Bezog auf die Configoration seiner Solei nnd Gyri sehr ähnlich 
kä m Hann nntersochten Gehirn des Igels. — Physiologisch gelang es ihm, 
a diB tief narcotiairtett Tbiere dnreh sehr starke Ströme Rindencentren für die 
des Vorderbeins, des Gesichts, des Mondes, der Ohren, der Zange, der 
Sckliagnukeln n. s. w. nachznweisen, während Centann für die Bewegoi^f der Ängen 
nd der ffinterbmne nicht mit Sicherheit localisirt werden konnten. 

W. Cohnstein (Berlin). 


Experimentelle Physiologie. 

3) hesoentree motenrs oorttoaux du oerveau humnln, par Luden Lamacq. 
(ArehiTee cliniqnes de Bordeaux. 1897. Nr. 11 n. 12.) 

Anf Grund aller bisher bekannt gewordenen Fälle, in welchen eine elektrische 
Bcöcg der blossgelegten Groeshimrinde beim Menschen stattgefunden hat, giebt 
^sf. (ine töUige Localtopographie der motorischen Centren beim Menschen. Trotz* 
ka « betont, dass hier gewisse indiriduelle Schwankungen nicht in Abrede zu 
MOm aind, so glaubt er doch im grossen und ganzen für die wicht^ten Muskel- 
snffm die dasi^ehörigen ^dencentren anatomisch festigen zu können. Die 
KiaikeHen d^ nmfuigreichen Arbeit entziehen sich der Wiedei^be im Beferai 

W. Cohnstein (Berlin). 


t) Deoorebrate rigldity and reflez ooordinatlon of movements, by C. S. 

Skerrington. (Jonmal of Physiology. XXII. 4. S. 319.) 

Warn man einem AfEen, Hnnd, Katze, Kaninchen oder Meerschweinchen unter 
NgietflB CantelsD die Groecdiimhemisphären ezstirpirt, so entwickelt sich nach dem 
Bneebm des Thioes ans der Narkose bald ganz plötzlich, bald mehr allmählich 
«M ligsithümliehe Steifigkdt in rerschiedenen Mnske^mppen, welche der Yerf. als 
•^mrÄnte rigidi^* bezeichnet. Dieses eigenthümliche PÜnomen beobachtet man 
* hiAtisten, wenn man das operirte Thier frei am Bnmpf in der Luft hält und 
ka Kopf nnd die Extremitäten herunter hängen lässt. Während die letzteren bei 
«« Iki« z. B. mit dorchschnitteoem Halsmark völlig frei herabhängen und nur 
d« Gesetxen der Gravitation gehorchen, bemerkt man bei dem Thier mit ent- 
Oroeshimhemisphären eine besondere Zwangslage der Glieder und einen er- 
Widerstand in den Gelenken gegenüber passiven Bewegungen. — Diese 
weldie besonders die Hals- and Nackenmosknlatur, sowie die Extensoren 
^ Vwderex tr emität betrifft, rührt her von einem tonischen Krampf gewisser 
welche unter Umständen viele Ständen, ja mehrere Tage, anhalten kann. — 
^veetka beben das Phänomen anf, passive Bewegungen steigern es, halbseitige 
^■Kkaehoeidnng des Bflekenmarkes in der Hals- und Lendenanschwellung heben das 
FMsomo in der gleichseitigen vorderen bezw. hinteren Extremität auf, desgleichen 


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verhindert eine halbseitige Dnrobschneidiing der HedoUa oblongata oberhalb dir 
Kreuzung das Zostandekominen des Phänomens auf der gleichnamigen Körperhälfie. 
Die Abtragung einer Grosahimhemisphäre bewirkt eine einseitige Muskelsteifigkeit, 
und zwar auf der gleiohnamigen Seite, doch ist das Phänomen weder so constant, 
noch so charakteristisch, wie nach Entfernung beider Grosshimhemisphären. 

Hat sich nach Yomahme dieser Operation das Phänomen in voller Deutlichkeit 
entwickelt und man durchschneidet nun die — vorher freigelegten — hinteren 
Wurzeln, so fällt die dazu gehärige Extremität sofort völlig erschlafft herunter. — 
Auch die Beizung bestimmter Stellen der Kleinhirn und Grosshimrinde kann einen 
hemmenden Einflnss ausfiben. Einen constanteren hemmenden Effect auf das Phä* 
nomen ftbt die Beizong gewisser periphaer Nerven aus: so hört z. B. die Steifigkeit 
und Bigidität dm: Nackenmuskulatur sofort auf, wenn dm* 2. Cervicalnerv oder einer 
seiner Aeste elektrisch gereizt wird. AehnUch, aber allgemeiner, wirkt die Beizui^ 
des Trigeminus oder seiner Äeste. Ja, auch die locale Beizung mner beetnmten 
Hautpartie vermag die Bigidität gewisser Muskelgruppen aufzuheben und diü)ei oft 
gleichzeitig die Contraction uiderer Muskelgruppen anzuregen („reciprocal inuervatioD^')» 
wodurch sehr complicirte geordnete Beflexbewegungen resnltiren. 

W. Cohnstein (Berlin). 


6) Ueber Hemmung der Ctontraotlon willkürlioher HusKeln bei elek- 
ferifloher Beisung dw Qroartiimrinde, von E. H. Hering und G. S. Sher- 
riugton. (Pflfiger’s Arch. Bd. LXVIII.) 

Die Verff. haben an Affen operirt. Die Thiere wurden zum Zweck der Beob* 
achtung horizontal aufgehängt. Es wurde ein Stadium der Aethemarkose ab> 
gewartet in welchem das Thier irgend welche Muskeln anhaltend contrahiri Bei 
nicht za tiefer Narkose tritt ein solches Stadium fhst stets ein. Beizt man nun die 
Hirnrinde, so erschlaffen die Musitein, um nach Sistarung des Beizes alsbald fast 
stets wieder in den Contraotionszustand znrflckznkehren. Am beeten stellt man die 
Erschlaffnog durch directe Palpation des Muskels fest; zn diesem Zwecke erhält 
man durch G^endruek die Extremität dauernd in der durch die Contanctibn herbei* 
geffihrtoD Stellung. Bei einer bestimmten Stromstärke erhtit man nicht von der¬ 
selben Bindenstelle aus Erschlaffung und Contraction eines ond desselben Muskels, 
sondern die beiden Stellen liegen oft ziemlich weit auseinander (z. B. bei einem 
Cjnocepbalns über 1 cm). Mit der Erschlaffnog des contrabirten Muskels tritt oft 
zugleich eine Contraction seiner wahren Antagonisten und einiger anderer Muskeln 
ein. Die Erschlaffung scheint dieser Contraction zeitlich ein wenig vorausiugehen. 
Eine gleichzeitige Contraction eines Muskels und seines wahren Antagonisten wurde 
bei localisirter faradischer Bindenreizung niemals beobachtet. Die tonische Anziehung 
der Extremitäten in der Halbnarkose erfolgt auch nach Dorcbscbneidang der hinteren 
Wurzeln und ebenso auch nach Exstirpation der Bxtremitätenceutreo; sie ist also 
subcortical. Aoch die Erschlaffung der tonisch angezogenen ExtremitAt durch Binden- 
reizung wird durch die Durchsohneidnug der hinteren Wurzeln nicht aufigeboben. 
Dagegen fiel auf, dass eine durch Bindenreizung hervorgerufene Contraction einer 
durch Hinterworzeldarchscfaneidung centripetal gelähmten Extremität nach Sistimng 
des Beiles rascher erschlafft als diejenige einer centripetal nicht gelähmten Extre¬ 
mität. Th. Ziehen. 


6) De la ddstraotion des oellules nerveusea par les leuoooytes ohes lea 
aminaux ägds, par Cb. A. Pugnai (Comptes rendus de la Socidtd de biolog. 
XXVI. 2. 1998.) 

Bei der Untersuchung der Spinalguiglien älterer Thiere machte Y^f. die Wahr^ 
nehmung, dass zahlreiche Gaoglienzellen in ganz au^lender Weise von einem Haufen 


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318 


m LMkBCjtn omgeben waren, Ja, in dnigen Fällen konnte er sogar im Inneren 
dr KamosellaD Lrakoejten nachweisen nnd gleichzeitig eine abnorme Herabsetzung 
dr nrbbsrkait, ja einen molecnlaren Zerfall des Hanglienzellenprotoplasmas fest- 
— Yerf. mmmt mit Hodge an, dass die Nervenzellen im höheren Älter zu 
Önrade gehen and glaubt nun in seinen histologischen üntersuchungsergebnissen den 
Tfhltinnnl di^Qr gefunden zu haben, in welcher Weise die Elimination der abgestorbenen 
HsveneUen jor säcb geht Wie Oberall, so sollen es auch hier die Leukocyten 
fäk, w^hen die Aufgabe erwächst, flberflOssige und abgestorbene Elemente aus dem 
fli gitam na sn entfernen. W. Cohnstein (Berlin). 


Pathologische Anatomie. 

7) tfet>er die feineren Nervenzellenverftndemngen bei magendarmkranken 
Bknglingen, vorläufiger Bericht von Br. Erich Holler und Dr. Manicatide. 
Aus der Kinderklinik der königlichen Cbaritd in Berlin. (Deutsche med. 
Woehenschr. 1898. Nr. 9.) 

In 7 zur Untersuchung gelangten Fällen fanden sich Veränderungen in den 
TtSitsk des Gehirns und BOckenmarkes, Läsionen verschiedener Intensität, auch im 
finml&Ile, neben geringen Abweichungen hochgradiger Zerstörung. — Die Nissl- 
sdioi Körperchen erscheinen im Anfangsstadium der Veränderungen unregelmässig 
u^eordnet, dann folgt allmähliche Auflösung in difhiser VerUieilung, mehr partiell 
oder mit bestimmter Localisation (Zellkern, Zellperipfaerie). Hit dieser Auflösung 
ist must verbunden eine Verkleinerung, ein blasses verschwommenes Aussehen der 
Körpereben, seltener erscheinen diese grösser, dunkler und abgerundet. Weiterhin 
seht «««n an Stelle der verschwundenen Körperchen ein Netz feiner Fibrillen und 
ia den Haschen nngeförbte Substanz. Schliesslich verlieren die Zellen ihre Gestalt, 
tkre scharfen Grenzen, die Fortsätze verschwinden oder werden nnr auf kurze Strecken 
aaehweiabar. Die Kerne sind in den Zellen, die Nucleoli in den Kernen oft ver- 
lagert; in stark veränderten Zellen erscheinen die uniformge^bten Kerne dnnkler, 
<fie Karnk^kpveben vergrösseri 

Dl 4 Fällen waren die Verändemngen stark ausgepr^^ in den 3 Übrigen ge¬ 
ringfügig: Fieber, Intensität und Dauer der Erkrankung spielten dabei keine Bolle. 
Die ZellvetäudemDgen gleichen denjenigen, welche schon frftber bei experimentell 
enaogten Intoxicationen und Infectionen besobrieben sind. 

B. Pfeiffer (Cassel). 


Pathologie des Nervensystems. 

9^ raloGitä della oorrmite nervosa negli epilettioi, per 0. Bossi. 

(Bit. speriment di Freniatria. XXIII. 2.) 

Um die Geschwindigkeit der Nervenleitung bei Epileptikern zu prüfen, bediente 
adi Verl dee D’Assonval’scben Elektrochronoskopes nnd der von Oehl modi- 
ficBten Helmholtz’schen Methode. Er nimmt als Hittelwerth der Totalzeit von 
der Snwirkang des Reizes bis zor erfolgten Beaction auf Grund eigener Unter- 
■■th—igwn und der Oebl’s bei Reizung der Haut des linken Mittelfingers 0,16", 
bm Beizimg der Stimbaut 0,13" an, mithin fflr die Geschwindigkeit der Leitung im 
peripbaren Nerven 30,66 m in der Seennde. 

Das Besnltat der an 12 Kranken angestellten zahlreichen und äusserst sorg- 
ftitigwo Untergacbui^en dee Verf.'s ist folgendes: 


ig |i.:od oy CjOO^Ic 


314 


In den aofallsfreien InterTallen Ut das Mittel der Totalzeii bei den Epileptitorn 
gegenüber der Norm erbeblich erhobt: dnrchschnitÜioh 0,183" für den Finger und 
0,162" für die Stirn. Die Differenz zwischen der Beactionsseit von Finger nnd Stirn 
ist kleiner als gewöhnlich, mithin die Leitung in den peripheren Nerren beschleimigt 
(anf dnrchschnitüich 47,06 m in der Secnnde), Termehrt die Däner der centralen 
Uebertragung. 

Noch beträchtlicher ist die Verlangsamnng der Beaetionazeit kora nach dem 
AnfoU: dnrohschnittlicb 0,221" für Finger and 0,194" für die Stirn. Hier ist die 
Differenz zwischen beiden Zeiten grosser als in der Norm, mithin sowohl die Zeit 
für die periphere Leitung wie die für die centrale Uebertragung verlängert 

Unter der fortgesetzten Einwirk ong von Bromkali betragen die betreffenden 
Durchschnittszeiten 0,199" und 0,173". Es vermindert sich im Yeigleicb zom post> 
convnlsiviscben Stadium die Dauer der Totalzeii nnd der centralen Periode fkst 
gleich bleibt die Geschwindigkeit der peripheren Leitung. Valentin. 


9) A study upon the disordered oonsoiousness of epilepsy, b; Pierce 
Clark. (New York med. JoumaL 1897. Vol. LXVI. Nr. 11.) 

Nach einleitenden Bemerkungen über den Begriff des Bewusstseins betont Verf. 
mit Nachdruck die psychisch-sensorische Seite des epileptischen Anfalls. Die peri¬ 
odischen Bewnsstseinstrübungen bilden das Wesen der Epilepsie, die Grundlage der 
epileptischen Geistesveränderung; die motorischen Phänomene besitzen erheblich ge¬ 
ringere Bedentung, kOnnm bekanntlich vollkommen fehlen. — Einzelheiten sind im 
Original nachzulesen. B. Pfeiffer (Cskssel). 


10) A plea for s more aoourate Investigation of epilepsy, by Pierce 
Clark. (New York med. Journal. 1897. Vol. LXVI. Nr. 12.) 

Um in das Wesen der Epilepsie nnd verwandter Erankheitszustände tieferen 
Einblick zn gewinnen, sind weitere exact nnd systematisch dnrobgefübrte Dnter- 
snchnngen erforderlich, die im Einzelfalle n. a. besonders die Anra, den G^rad der 
BewnsstseinsstOmng, den Einflnss der einzelnen Attaquen auf den Geisteszustand an 
berücksichtigen haben. B. Pfeiffer (Caaeel). 


11) Note aur l’inflnenoe de Idsions odrdbrales sur la forme des aood« 
d’dpUepsie prdezistante, par Cb. Fdrd. (Socidtd de Biologie. 1897. 1. IffaL) 

Verf, berichtet über einen (hereditär belasteten) Mann, der seit seinem 39. Jedire 
an epileptischen Anßllen und Absencea litt. Im 64. Lebenqahre erfuhr derselbe 
eineu apoplectischen Insult, welcher eine erhebliche Schwäche der linken Oberextre- 
mität und eine sehr geringe Beeinträchtigung des Ganges zurücklieas. Die epilep¬ 
tischen Anfälle nach dem Insult unterscheiden sich nnn insofern wesentlich von den 
früheren, als Pat. beim Hinsinken anf die linke Seite fiel, als das Gesicht nach 
links gewendet war, und als besonders die linksseitigen Extremitäten an den fol¬ 
genden — früher symmetrischen — cloniacben nnd tonischen Zocknngen nicht mehr 
Theil nahmen. Auch dauerten die Bewusstlosigkeit nnd der Stnpor weniger lange 
als früher; beim letzten Anfall verlor der Kranke das Bewosstsein überhaupt nicht 
mehr. 

Verf. schlieast, dass die Generalisation der Convnlaionen sich dnrch die ^nde 
vollzieht. Er erwähnt noch einen Fall von Meessen, in welchem bm einer Para¬ 
lysis agitans nach einer Hemipl^ie das Zittern anf der befallenen Seite w^bUeb. 

Paul Cohn (Berlin). 


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315 


Alooolisme; häzniplögie gaoohe et öpUepeie ooneöoatlTee. Solörose 
g^phique, paobyinönii^te et m^nüigo-eno^phalite, per Bourneville 
et Bellay. (Pn^te medical. 1897. 8. 177.) 

AoeftUirUche Krankesgesdiichte und Sectionsbefund eines Falles von Älkoholismus 
in Alter von 4 Jahren. Ohne besondere Heredit&t, von gesunden Eltern stammend, 
das j&Dgste von drei gesunden Oescbwistem, entwickelte sich Pat. gut und war bis 
iQB 4. Lebenqahre völlig gesund; erkrankte dann an Krämpfen, die 3 T^e ohne 
ufnböfen andanerten, von völlig aufgehobenem Bewusstsein begleitet waren und 
räe Paralyae der linken Körperseite, wie auch eine totale Verminderung der Intelligenz 
zur Folge hatten. 

Nachforschungen ergaben, dass Pai unbeobachtet die Beste in den Oläsem bei 
RbMm Groesvater, einem Oastwirthe, getrunken hatte; am Tage seiner Erkrankung 
bitte ön Volksfest stattgefunden, während dem besonders viel Gäste anwesend ge> 
v«HD waren. 

In der Folge nahm die Demenz rapide zn, die Anfälle traten sehr häufig ein, 
» dass Anstaltsanfenthalt sich nothwendig erwies. Während diesem, der l^s Jahre 
dasefte, haben Brom und Jodsalze keinen Einfluss auf die Anfälle gehabt; letztere 
tratai sowohl als leichte Schwindel-, wie auch als schwere Anfölle auf. Aus der 
paam Beobachtungszeit stammen genaue Aufzeichnungen der Temperatur vor und 
Bseh den Attaquen und der Häufigkeit letzterer. 

Exitus trat in Folge fOtider Pleuritis auf; die Obduction ergab chronische 
Pachymeningitis, Encephalitis, die die ganze rechte Hemisphäre in ihrer Entwickelung 
biaten angehalten batte, und Atrophie des linken Kleinhirns. In den Schlusssätzen ist 
auf das Fehlen anderweitiger Veränderungen an den inneren Organen, welche auf 
Alfatholismus bezogen werden körmten und des öfteren beschrieben sind, hingewiesen 
nad bei dieser Gelegenheit auf einige kftrzlich erst publicirte Fälle von Älkoholismus 

das kindlicbmi Alters aufmerksam gemacht. /c. . . 

Adolf Passow (Strassburg i./E.). 


IS) Xfaber die Beziehungen awisohen Alkoholiamus und Epilepsie, von 

Max Neumann. (Inaug.-Dissert Strassburg i./E. 1897.) 

Yarf. war von Prof. Fflrstner die Aufgabe gestellt worden, die Beziehungen 
zviaelMO Alkoholismus und Epilepsie zu untersuchen. Demgemäss zer&Ut die Arbeit 
ia zwei Hauptabschnitte, in deren ersten die durch Älkoholismus erzeugte Epilepsie 
abgehandelt wird. In Folge des Studiums der zahlreich vorhandenen und vom Verf. 
«Dgehend berflcksichtigten Litteratur lehnt er sich dem von Böhn aufgestellten 
Scbena der verschiedenen Formen der Alkoholvergiftung an und stellt als erste 
Tksae Folgendes auf: 

Die Alkoholepilepsie sensu stricto ist die durch habituellen 
Älkoholismus erzeugte Epilepsie. 

Glekhzeitig begründet Verf. dieses näher, zumal er sich dadurch mit der Auf- 
fsMBBg von Hagnau in Widerspruch setzt. 

Im zweiten Theile wird die Statistik besprochen; nach Alter, Geschlecht, Erblich¬ 
keit, Traumen u. a. m. sucht Verf. ein genaues Ei^ebniss zu finden, beschränkt sich 
lattrtiehenreise auf wenig resflmirte Punkte, da das Missliche aller Statistiken — 
ihr allgemein anerkannter, theilweise recht mittelmässiger Werth — auch hier sich 
ctitend macht 

Genaneete Beschäftigung mit der Materie verräth der dritte Theil, der sich mit 
der GifkArage beschäftigt Leider ist es in dieser kurzen Bespreebong nicht möglich 
■ef&hriieher darauf einzugehen, so dass die fünfte These aufgeffthrt sein mag: 

Der Aethylalkohol ist kein Krampfgift im toxikologischen Sinne, 
wohl aber die Absinthessenz. 


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316 


Trotzdem könne die Annahme Ma^nan’s, daes die Absinthessenz die eigent* 
liebe epileptogene Toxe sei, nicht anfreebt erhalten werden. Vielmehr glanbt der 
Verf., dass Epilepsie durch den Äethjlalkohol und ihre normalen Substanzen erxeogt 
werden könne. Gebührend berücksichtigt ist anch Legraod da Sanlles Stellnng- 
nähme zur Absinthfrage. 

Oie pathologisch-anatomische Seite der Beziehungen zwischen den zwei Erkran¬ 
kungen ist mit Becht nur kurz gestreift, da wir zur Zeit keine bestimmten Befunde 
im Centralnervensjstem haben, die für Alkoholismos oder Epilepsie sprechen. Sammt« 
liche, jemals letzterer als solcher angehörend und sie bedingend hingestellten histo> 
logischen Veränderungen des Gehirns sind der Art, dass sie sehr wohl anch durch 
Alkoholismns erzengt werden konnten. 

In dem klinischen Theile werden die verschiedenen Formen besprochen, in denen 
die Epilepsie und epileptoide Zustände als Folge der übermässigen Einführung von 
Alkoholicis in den Organismus zu stände kommen; auch die verechiedenen Be¬ 
dingungen, unter denen dies geschieht. 

Es folgt als Schluss des ersten Hauptabschnittes die Besprechung des deletären 
Einflusses, den der Alkoholmissbrauch in der Ascendenz durch Prädisposition für 
Epilepsie in der Descendenz ausübt. 

Der zweite Abschnitt der Dissertation beschäftigt sich mit dem Alkoholismos als 
Folge der Epilepsie und Parallelismen zwischen beiden. Verf. weist auf den Einfluss 
der erblichen nenropathischen Belastung bin, welche Alkoholismos oder Epilepsie 
bedingen können. 

Ferner wird die Dipsomanie besprochen, die in mancher Beziehung der Epilepsie 
recht uache stehi Sodann wird das vom Normalen abweichende moralische und 
intellectuelle Verhalten der Patienten beider Erankheitsformen berücksichtigt 

Im Schlussworte kommt Verf. in Folge seiner Beschäftigui^ mit dem Gegen¬ 
stand zu folgender (10.) These: 

Das Wesen der epileptogenen Wirkung des Alkohols stellen wir 
uns so vor, dass der Alkohol schwächend, bezw. lähmend auf gewisse 
snpponirte Hemmungsvorrichtnngen im Centralnervensjstem wirkt, 
durch deren Ausschaltung der epileptische Anfall zu stände kommt 

So interessant und verlockend diese Ansicht ist und mit so ttberzengender 
Wahrscheinlichkeit der Verf. sie zu begründen sucht, so bedarf sie doch noch späterer 
Nachprüfung. 

Ein reichhaltiges Litteraturverzeichniss ist der fleissigen Arbeit beigefügt 

Adolf Passow (Strassbuig i./E.). 


14) AlkoholismuB und Epilepsie in ihren weohselaeit^en BesiehoBgen, 
von Assistenzarzt Dr. E. Wartmann. Aus der Berliner städtischen Anstalt 
für Epileptische (Director Hebold). (Archiv für Paych. Bd. EIX. 8.933.) 

Verf. coDstatirt zunächst an der Hand der Litteratur, dass die Ueinongen ver- 
schiedener Forscher über die Abhängigkeit der Epilepsie von Alkobolmissbrancb weit 
anseinandergehen. Er berichtet sodann, dass er unter 452 männlichen Epileptikern 
206 Trinker gefunden hat lieber die Hälfte von diesen 206 Trinkern war von 
Jugend auf epileptisch und wurde erst später trunksüchtig. Bei 92 war vor dem 
Trunk kein epileptischer Anfall beobachtet worden. Bel diesen 92 Kranken, die der 
Trank selbstverständlich schwer geschädigt hat, war derselbe aber nnr sehr selten 
das einzige in Frage kommende ätiologische Moment zur Epilepsie. 33 von ihnen 
standen nnter dem Einfluss schwerer psychopathischer Familiendisposition. Mindestens 
18 andere waren von Jagend anf psychopathisch veranlagt Mehrere hatten Rbaehitis, 
Scrophnlose, Lues, bezw. schwere Infectionskrankheiten vor dem ersten epileptischen 
Anf^l gehabt. 12 Fälle waren auf traumatischer Grundlage erwachsen. Nicht selten 


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317 


iudm sich ansssr dem Tnmk Combinationeo von verschiedenen Schädlichkeiten. 
Nor bei 4 Epileptikern war ein besonderes ätiologisches Moment ausser dem chronischen 
Alkobolmissbraiich nicht zn emiren; hier war aber die Anamnese nngenaa. Verf. 
betont die bekannte Schädlichkeit des Alkohols fär die Epileptiker; er sah die 
Hiofigkeit nnd die Heftigkeit der Anfälle zunehmen, er constati^ namentlich aach 
eine wesentliche Veischlimmerung der psychopathischen Symptome. Ein besonderes 
knnkheitsbild: Alkobolepilepsie anfzosteUen, hält er jedoch für unnöthig und nicht 
gerechtfertigt. 

Es sei fibrigens nicht unerwähnt, dass bei 452 der untersuchten Epileptiker 
Tnmksucht der Eltern 130 Mal erwiesen wurde, dass ein nicht unerheblicher Procent* 
atz unter den Nacbtheilen anehelicher Qebnrt gelitten batte, und dass die Krankheit 
aalend oft ledige Individuen traf. Georg Ilberg (Sonnenstein). 


15) ZTotea upon the epileptic aura with report of some rare forms, by 

Pierce Clark. (American Journal of insanity. 1897. Jnly.) 

Yarf. beschreibt eine Reihe von Fällen mit ungewöhnlicher Anra: In dem einen 
Fallt ist es ein Wort, das unmittelbar vor dem Anfall der Kranke beständig wieder* 
Mt, in einem anderen eine 15 Miooten vor dem Anfall unmotivirt einsetzende 
Tnarigkeit mit lautem Weinen; ein Kranker klagt vor einem Drittel seiner Anlalle 
iha ein Schmerzgefäbl im linken Hypoebondrium (nach Oowers sehr selten), ein 
aadaer ist als Aura ly« Standen ^nommen; noch andere zeigen als Aora eine 
ICgäne, Maseeterenkrampf, eine eigentbflmliche Geruchsempfindong (Holzgemch), 
ScaaibilititsetOning in der Zunge n. s. w. Lewald. 


16) Equiwalenti moaloali di attaoohi — attaoohi di canto, per Sante de 
Sanctis. (Bivista quindicinale di psicologia, psichiatria. 1897.) 

Auf die Gesänge der Epileptiker während oder statt des Anfalls ist bisher nicht 
geachtet w<MrdeB. Früher veröffentlichte Verf. schon einen Fall von musikalischer 
Aera. Jetzt besdireibt er zunächst einen Epileptiker mit sehr verschiedenartigen 
AafiUlen. Anschliessend an eine Gruppe solcher zeigten sich parozysmenartige Ge* 
säDge, die aber wahrscheinlich keine eigentlichen Äequivalente darstellten, sondern 
AittOBatiameD, wie solche am Ende eines Anfalls so häufig auftreten, nm so mehr, 
als glaidiseitig mit dem Gesänge auch kurze krampfhafte Bewegungen und Elrregt* 
heit eintraten. Ein andermal traten Gesang and gewisse rhythmische Bewegungen 
^eichzeitig und ohne vorangehenden Krampf anf. Man kann also hier von Gesangs* 
atiaqoeo, nicht aber von Aequivalenten reden. Dagegen fehlte jedes krampfliafte 
Symptom bei einem Anfall einer Epileptikerin, wo allein Gesang auftrat, mit völliger 
Aa u t cwi e. Hier handelt es sich also um eine wahre Aequlvalenz. 

Näcke (Hubertosbnrg). 


17) Beflex epilepsy, by Wilfred J. Harris. (Lauest. 1897. 28. Aug.) 

Verf. tiieilt einen jener seltenen Fälle mit, in welchen eine epileptogene Zone 
im Sbxne Brown*Sdquard’8 nnd Hughllngs Jackson’s nachweisbar war. Es 
handelt sieh am ein schon im 7. Monat geborenes, jetzt 5 Yjjähriges Mädchen. Der 
Vater ist syphilitisch inficirt gewesen. Mit 3 Jahren hatte sie eine Reihe von 
KnaDpfanfUlen. Jetzt stellten sich letztere nach langer Panse im Anschlnss an 
«aes Fall wieder ein. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass der Fall bereits einem 
KzaapfanfaU zuznschreiben war. Die Anßlle traten nunmehr täglich bis zu 12 Mal 
ad. Bach 2 oder 3 Monaten fiel der Mutter auf, dass jede unerwartete Berührung 
im Kopfes einen Anfall aoalöste. Die Anfälle waren typisch epileptisch. Halb* 


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318 — 


8 eitig 0 Symptome fehlten ganz. Leider ist nicht genauer angegeben, welcher 
Hautbezirk des Kopfes als epileptc^ene Zone wirkt. Th. Ziehen. 


18) Frepntial reflex epileptiform oonvulaions, wlth report of a oase, by 
A. L. Hodgdon. (The Alienist and Kenrolc^t. Yol. XVIII.) 

Ein ungeföhr 4 Monate altes Kind, das an hochgradiger Phimose litt, so dass 
der Urin nur tropfenweise abging, litt seit 3 Monaten an fast täglich wiederkehrenden 
Convnlsionen. Yerf. führte die Circnmcision ans. Nach der Operation traten nur 
noch ein Mal, am zweiten Tage, die Krämpfe anf imd blieben dann dauernd fort 

Yalentin. 


18) Zar Keimtnlss der „HersepUepsie“ im Allgemeinen und der „senilen 

arterlosolerotisolien Epilepsie*', ?on Dr. Frans Mahnert (Wiener med. 

Wochenschr. 1897. Nr. 33—35.) 

Nach kurzer Uebersicht über die in der Litteratur verzeichneten Fälle tod 
durch Herzkrankheiten bedingter Epilepsie theilt Yerf. drei eigene Beobachtungen mit. 

1. Fall. Ein 66 Jahre alter Pat., welcher schon seit Jahren an Äthem- 
beschwerden und Herzklopfen gelitten hatte, bekam den ersten epileptischen Än^ 
Hochgradige Arteriosclerose; Puls klein, unregelmässig, verlangsamt; systolisches 
hauchendes und schwaches diastolisches Blasengeräusch Aber dem Ostinm aortae. 
Anßlle wiederholten sich in Zwischenräumen von einigen Wochen. Nach 2 Jahren 
Exitus. Potatorium zugegeben. Keine hereditäre Belastung. 

2. Fall. Erster Anfall bei einem 55jährigen, hereditär nicht belasteten Stabe- 
offleier, der in mittleren Lebencgahren eine Lues acquirirt batte, die zu allgemeiner 
Arteriosclerose führte. Anßlle wiederholten sich. Diastolisches schlürfendes Geräusch 
über dem Ostium aortae und der Basis des Sternums. 

3. Fall. Hereditär nicht belasteter Beamter. Seit dem 40. Lebensjahre gich¬ 
tische Erscheinungen, die zu sclerotiscben Veränderungen an Hers und Geflissen 
führten. Im 60. Lebensjahre erster epileptischer Anfall. Hypertrophie dee rechten 
Yentrikels, präsystolisches Geräusch an der Spitze, Arythmie. 

Yerf. möchte diese auf Grundlage arteriosclerotiscber Veränderungen entstandenen 
epileptischen Anfälle sondern von der bei jüngeren Individuen mit Klappenfehlern 
auftretenden Herzepilepsie und sie letzterer g^enüberstellen unter dem Titel „senile 
arteriosclerotische Epilepsie“. 

Neben der gangbaren Erklärung dieser Epilepsiefälle als Folgeerecheinung der 
durch die arteriosclerotischeu Veränderungen des Herzens und der Gefässe bedingten 
Circulationsstörnng im Gehirn (anämische Epilepsie) glaubt Yerf. auch der directen 
Schädigung und Reizung der Ganglienzellen durch die rigiden Gefässe eine Bedentnog 
zusprecheu zu dürfen. 

Therapeutisch empfiehlt Yerf. neben der causalen und allgemeinen hygienisch- 
diätetisch auf die Kräftigung des Herzmuskels abzielenden Behandlung, wozu auch 
die bekannten medicamentOsen Herzmittel zählen, Arsen in Verbindung mit Eisen 
und Brompräparate. __ J. Sorgo (Wien). 


20) Beitrag z\im Verhalten des Bespirationsapparates bei epUeptiaohen 
Krämpfen, von Dr. Bresler. Aus der Frovinzial-Heil- und Fflegeanstalt in 
Freiburg l./Schl. (Deutsche med. Wochenschr. 1897. Nr. 43.) 

Epileptiker haben nach den Anföllen häufig Schmerzen in der Seite, auf der 
Brust, im Bücken, oder die Beschwerden werden jedesmal und genau längs des An¬ 
satzes des Zwerchfells bis an die Wirbelsäule localisirt. Eine physikalisch nach- 


Googlc 



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nislwra Unterli^d war nicht aofsofinden, mnss aber theoretisch construirt werden, 
and swar Tttmiaachen wahrscheinlich snbplenrale Petechien zasammen mit einer 
Zerrung der Pleoranerven die oben erw&hnten Beschwerden (vielleicht in Form einer 
locdimrten und schnell verschwindenden Pleuritis sicca). Terf. fand an den Leichen 
^nleptiacher Plenraverändemngen fast constant, seitdem er sein Aogenmerk darauf 
ri^tete, h&lt aber eine Nachprüfang für wflnschenswerth. In 2 Fällen konnte Verf. 
Sccbjmoeen nnter der Kierenkapsel, ja in einem derselben auch in der Schleimhant 
des NiflimibeckeiiB constatiren, obwohl hier Krämpfe nicht anfgetreten waren, „ein 
Beweia dafür, dass das Entstehen von Erstickongsecchymosen nicht auf den mit 
SnapfeD einhergebenden Erstickungstod beschränkt ist" (Hoffmann, Gerichtliche 
Medkin). 

Stannagshyperämie der Niere, im epileptischen Anfall momentan vorhanden, er¬ 
klärt wohl die besonders nach gehäuften Attaquen anftretende Albuminurie. Die 
Mfi^kbkeit, dass durch energische Zwerchfellcontraction, wie sie ja zweifelsohne im 
•pleptischen Anfall statthat, die Aorta zum Theil comprimirt werden kann, ist nicht 
pat von der Hand zu weisen, und es wäre dieser Umstand ffir den eventuell tddt- 
Ikba Ausgang sehr wichtig. B. Pfeiffer (Cassel). 


21 ) Note anr un oas de mdla&odermie rdouxrente ohei un dpileptique, 

per Fdrd. (Nouvelle Iconographie de la Salpätridre. 1897.) 

Ee handelt sich am einen 31 jährigen, belasteten Epileptiker mit verschiedenen 
Forma der Epilepsie, der seit 1892 drei Hai auf nur sehr kurze Zeit in tiefste 
D ep r ee oi on mit starker Körperabnahme verfiel, wobei mit Ausnahme des Gesichts, 
dir Hände und der FtLsse der ganze Körper mehr oder minder tief bronzirt, mit 
kMan rundlichen Flecken marmorirt erschien, bei Abwesenheit irgend einer localen 
IrritatMm, wie Ausschlag, Ungeziefer oder Kratzen. Hier ist also offenbar die Ur¬ 
sa^ in dem niedergedrflckten Geistes* und Körperzustande zu suchen, denn sobald 
£aee verschwanden, verschwand zugleich auch die dunkle Hautförbung. Unter 
solcha Umständen sind trophische Störungen, z. B. an den Nägeln und Haaren 
beeWehtet worden, nicht aber diese Hautverfärbung, wie überhaupt in der Aetioiogie 
der Malanodermid die Nerven* und Geisteskrankheiten bisher nicht erwähnt wurden. 
Leichter Grad der dunklen Haut findet sich in allen Krankheiten mit starker Ab* 
magenu^, local nach Ausschlägen, Ungeziefer („Yagsbundenkrankheit“) u. s. w. Der 
Mediantsmns ist durchaus unklar. Näcke (Hnbertusburg). 


22) UebCT das Nebeneinandervorkommen von Epilepsie (besw. epilepti- 

finmen AnftUen) and Diabetes mellitus (bezw. Olyoosurie), von Wilh. 

Ebstein. Aus der medicin. Universitätsklinik zu Göttingeu. (Deutsche med. 

Wodienschr. 1898. Nr. 1 u. 2.) 

Nach einleitenden Bemerkungen Ober die verschiedenen denkbaren Beziehungen 
dm Epilepsie zum Diabetes bezw. zur Glycosnrie folgt die Mittbeilung von drei ein* 
wAlä^gen Fällen. 

L Die 21jährige, früher im wesentlichen gesunde Patientin erkrankte vor 
ea. 3 Jahren an einem Schlaganfall mit Lähmung der rechten Körperhälfte, Sprach* 
Störung und gleichseitigem Urindrang. Die klinische Beobachtung ergab epileptisdie 
AaSUe nach dem Typus der Jackson’schen Epilepsie, intermittirenden Diabetes 
mallitus dedpiens, gel^entlich sehr geringe Albuminurie, häufige Cylindrurie, ferner 
Fhthiris und mit Wahrscheinlichkeit einen Bicuspidalfebler. — Die Urinverändemngen 
gxagoi zurflck, der Ernährungszustand besserte sich, die epileptischen Anfälle blieben 
uaverindeil 


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II. 50jä)uiger Htno mit coog^niUler Missbildoog des lieken Aimta (Sehirand 
des M. pectoralis m^or, fehlende Ornndpfaalanx der Finger, deren beide PhaUmgen 
durch membranöse Verwachsung mit Ausnahme des Daumens miteinander mehr oder 
minder fest verbunden sind). Früher Lungenentzündung und Masern. Sät 20 Jaton 
magenleidend, behauptet Pai sät 2V| Jahren an plötzlich anftretenden, an HfcuÜg* 
keit zunehmenden Ohnmacht- und KrampfanliUen zu leiden. Bs besteht Parese d« 
rechten Hundfacialis und des rechten Hypoglossns, ferner intermittirender Diabetes 
mellitus decipiena. — Der weitere Verlauf macht das Vorhandmisän einer rasch 
fortschreitenden cerebralen Erkrankung zweifellos. 

III. Der 20jährige Schlosser H. leidet seit 3 Jahren an SchwindelanAUen, die 
bald den Charakter von epileptischen annahmen. — Die klinische Beobachtung e^b 
neben epileptischen Anfällen eine Insufficienz der Bicuspidalklappe, intermittirenden 
Diabetes mellitus decipiens und gelegentliches Tieferstehen des Unken Mundwinkels 
in den anfallsfreien Zeiten. 

Es eigiebt sich die Notbwendigkeit, bei Epilepsie, namentlidi dem Jackson’- 
sehen Typus, den Urin genauer zu untersuchen, als es bisher wohl in der Begel 
der Fall gewesen sein mag. B. Pfeiffer (Cassä). 


23) Haut mal wlth Jaoksonian epUepsy, by J. H. Benton. (Edinburg med. 

Joum. 1897. Juli.) 

Ein 12jäbrige8 idiotisches Mädchen litt seit den ersten Lebensmonaten an 
häufigen epileptischen Anföllen. Einige Zeit vor dem Tode traten ErampfanßUe auf, 
die ToUkommen Jackson’scheo Charakter zeigten. 

Sectionsbefund: 12 Tumoren ziemlich gleichmässig Über Frontal-, Parietal’ und 
Ocäpitallappen vertheilt; jeder von ungefähr Taubeneigrösse, mikroskopiaeh aus 
gliosarcomatösem Gewebe bestehend. Bundzellensarcome in Lelmr und Niere. 

Valentin. 


24) Beiträge nur Pathogenese und Aetiologie des Fa vor nootumun, von 

Dr. J. G. Bey in Aachen. (Jahrbücher für Kinderheilkunde. Bd. VL.) 

Verf. kann sich nicht der Anächt derer ansebUessen, weldie, wie vor Keriem 
erst Braun im Jahrbuch für Kinderhälknnde Bd. KLIIl ausführtä Pavor nootumos 
als eine infantile Neurasthenie auffassen. Auf Grund von 32 innerhäb zwäer Jahre 
beobachteten Fällen fand er bei allen adenoide Vegetationen, mit deren ßiUenraiig 
auch der Pavor noctumus versebwand. Der Znsammenhang beider Affectionen kann 
daher kein zufälliger sein und der Pavor noctumus ist demnach nichts anderes als 
das Besultat einer durch Behinderung des Athmens im Schlafe allmählich entstandenen 
Kohlensänreintoxication. Samuel (Stettin). 


26) La toeeioltä del sudore negli epUetUoi, per C. Cabitto. (Biv. sperim. di 

Freniatr. XXIU. 1.) 

lieber die Giftigkeit des Urins, des Blutes und des Magensaftes der Epileptiker 
liegen bereits Untersnebnngen vor. Verf. prüfte nun auch den Schweiss, indem er 
denselben Kaninchen in die Ohrvene injidrte. 

Der kurz vor dem Anfall abgesonderte Schweiss erwies äeh als stark giftig. 
Durchschnittlich waren 18,5 ccm hinreichend, um ein Kaninchen zu tödten. Die 
Thiere zeigten starke Prostration, Sinken der Körpertemperatur, Exophthalmus, Ver¬ 
engerung und darauf folgende Erweiterung der Pupillen, Cyanose, Lahmungserschei- 
nungen und schliesslich tonisch-clonische Zuckungen. Der Tod erfolgte im Opistho¬ 
tonus. 

Der nach dem Anfall und in der anfallsflreien Zeit abgesonderte Sohwäss wirkte 
nicht toxisch und verhielt sich nicht anders als der von Gesunden. Valentin. 


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86 ) Les rd^es ohes les äpUeptlqnest par Y6r6. (La m^decine moderne. 1897. 

& Dec.) 

Es ist bei Epileptikern der Schlaf durch meist böse Träume gestört, die beim 
ErmeheD merkwürdige oder gefährliche Handlangen ausiösen können oder aber ein 
Dwbr oder minder langes Delirium entstehen lassen. Bisweilen scheinen sie die 
Anfälle anznzeigeo, selten scheinen sie dieselben zu ersetzen, was besonders bei 
Knr, speciell nach Bromkali eintritt. Ziemlich häufig gehen Träume 
nächtlichen Anßllen voranf, oft in derselben Art ond Weise. Terf. bringt nun drei 
höchst isteressante Krankengeschichten bei, die zeigen sollen, dass Träume Vorläufer 
Too Anfällen sein können, die noch nicht da waren oder die wieder sich einstellen 
«erden; im Verlaufe einer Kur können sie das Seltnerwerden oder Aufhören der 
Krämpfe Toransaagen lassen. Sie haben also eine gewisse prognostische Bedeutung. 
Die nähere Betrachtung der Träume zeigt ferner, dass es sich um einen echten 
Aborüranfall handelt, der im Bewnsstsein seine Spor hinterlässt. Merkwürdig ist, 
itäs Manche, die von dem Verlaufe ihrer Krämpfe nicht die geringste Erinnerung 
haben, im Traume alle die einzelnen Phasen derselben sehen nnd nachher beschreiben. 
Bef. müehte hierbei auf das noch so sehr Temachlässigte Studium der Träume bei 
Oasteskzmnken, Epileptikern n. s. w. binweisen; denn was wir hierüber bisher wissen, 
ift bintwenig und wenig vertrauenswürdig. Er hat sich schon lange bemüht bei 
Geisteekranken hierüber sichere Daten zu gewinnen, bisher aber leider vei^ebens, da 
4eT Fehlerquellen zu viele sind. Näcke (Hnbertusburg). 


Therapie. 

87) n bagno d’arta oalda oome mezao terapeutioo d’alouni paroeelami 
epUettiai, per C. Cabitto. (Biv. sperim. di Freniatria. XXIU. 1.) 

Auf Omnd experimenteller Untersnohungen Ober die Giftigkeit des Schweisses 
Bpileptiacher wandte Verf. das heisse Lnftbad als tfaerapentisches Mittel an, am mit 
iem Sehwöas einen Theil der toxischen Substanzen zo entfernen. Er fand, dass 
das Mittel im Stande sei, Zahl, Dauer und Schwere der Anßlle herabzusetzen und 
«pfahh ee im Verein mit Abführmitteln nnd Antiseptik des Magendarmcanals znr 
dehaadloDg der Epilepsie. Valentin. 


2S) Beneflcial effeota of the withdrawal of bromides in the treatment of 
epüepay, b; Frederih Peterson. (New York med. Journal. Vol. LXVI. 
1897. Nr. 13.) 

Terf. zeigt an einer Reihe von Beispielen, dass entgegen der gewöhnlichen 
mehr oder minder schnelle Entziehung der Bromide bei seit langer Zeit 
BÖS Breasalzen gesättigten Epileptikern keine nachtheiligen Folgen bat, ja oft von 
«rhrt»Ucher Bessenmg gefolgt wird. Diese Thatsache macht zur Pflicht, in solchen 
FäRen nach plötzlicher Bromentziehnng mit der Benriheilung des Heilwertbea eines 
tmnea Medkamentes vorächtig zu sein. R. Pfeiffer (Cassel). 


29) Vyn operstivt behandlade fall af traumatiak epilepsi jämte statietisk 
■mmmans^^MiTiing af operationresiütaten vid 97 fall af samma affection, 
af 0. V. Siven. (Finska läkaresällskap-bandl. XXXIX. 3. 1897. S. 427.) 

Terf. tiwUt 4 Fälle von tranmatischer Epilepsie mit, in denen in der chirur> 
^m^ ärn. Klinik in Helsingfors die Operation ansgeführt wnrie. Im 1. Falle begannen 
die AsK&Ua mit Drehung des Kopfes, über dem linken Schläfenbeine fand sich eine 

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Karbe (nach einem Schlage). Nach Gntfenmng der deprimirten Knochen erfolgte 
nur ▼orflbergehende Bessemng. Nach einer 2. Operation, bei der bankhaft Ter« 
änderte Himsubstanz, dem Centrum für die Drehungen des Kopfes entsprechend, 
excidirt wurde, wurden die AnHille allmählich seltener, so dass manchmal Vs 
ohne Anfall vergehen konnte, während früher das längste Intervall 4 Wochen be¬ 
tragen hatte. Ob aber diese Besserung wirklich als Folge der Operation zu betrachten 
ist, ist nicht sicher zu entscheiden, da Pat. Jahre lang nach der Operation Brom- 
kalinm einnahm. 

Im 2. Falle, in dem Pat. einen Schlag auf die Scheitelgegend bekommen hatte, 
wurde zunächst sclerotisirter, deprimirter Knochen mit dem Meissei entfern^ wonach 
die Anfälle wiederkehrten, nach einer neuen Trepanation, bei der eine kleine subdnrale 
Cyste incidirt wurde, blieben die Anßlle einige Zeit lang aus, kehrten aber wieder. 
In diesem Falle hat die Operation nichts genützt, man müchte sogar das Entg^en* 
gesetzte annehmen, denn die freien Intervalle, die vor der Operation ungeßhr zwei 
Monate betragen hatten, waren dV^ Jahre nach der Operation auf ungenthr eine 
Woche reducirt. 

Im 3. Falle, in dem die Verletzung in einem Hufschlag an der rechten Seite 
der Stirn bestanden hatte, waren die Krampfanfalle nicht typisch. Uer Pat hatte 
sich 13 Jahre nach der Verletzung im allgemeinen gut befunden, und war nach 
einem neuen Stoss an den Kopf in einen Status epilepticus verfallen, der ungeAhr 
drei Wochen dauerte. Die nicht typischen KrampfanÄlle vor der Anfoahme waren 
wohl Folge einer vorhandenen Meningitis. Der Pat starb ungefähr 14 Tage nach 
der Operation, bei der eine Cyste im linken Frontallappen erüffiiet wurde, an deren 
Boden, wie die Section ergab, eine Fistel mit dem rechten Seitenven^kel com- 
municirte. 

Im 4. Falle, in dem der Pat. eine Verletzung über dem rechten Auge erlitten 
hatte, begannen die Anßlle in der linken Gesichtshälfte, von der die Krämpfe anf 
die linken Extremitäten fibeigingen, die paretisch waren. Bei der Operation, die an 
der Narbe über dem rechten Auge ausgefflhrt wurde, wurde ein durch die Dora in 
die Himsubstanz eingedrungener Knochensplitter entfernt und zwei Cysten ia der 
Hirnrinde wurden erüfifnet; danach hörte der vorhandene Kopfschmerz auf, aber die 
KrampfannUle dauerten fori Bei einer 2. Trepanation über der Mitte des Sulcus 
Bolando wurde nichts Abnormes im Gehirn gefunden. Die Parese blieb danach nn- 
verändert, die Rrampfanntlle schienen etwas seltener zu werden, bestanden aber fori 

Aus 97 Fällen mittels Operation behandelter Epilepsie, die Verf. ana der 
Litteratur gesammelt hat, scheint sich zu ergeben, dass der Pai nicht zu alt sein 
und die Epilepsie nicht zu lauge bestanden haben darf und die Krämpfe nicht 
allgemein sein dürfen (höchstens halbseitig), wenn eine Operation Aussicht auf Erfolg 
gewähren solL Die zwischen dem Tranma und dem ersten Anfall verflossene Zeit 
scheint keine nennenswerthe Bedeutung zu haben. 

Walter Berger (Leip^). 


30) EpUepsy: ita aurgioal treatznent witb the report of a oaae, by F. A. 

McGrew. (Medicine. 1897. May.) 

36jähr., erblich nicht belasteter Mann, früher stets gesund, springt im Jafare 
1882 anlässlich eines Brandes ans dem 4. Stock eines Hanses anf die Strasse ond 
erleidet schwere Verletzungen an den rechten Extremitäten ond am Kopf. Heilung 
nach 3 Monaten. Eine halbe Stunde nach dem Unfall erster epileptischer Insult» 
und von da an 13 Jahre lang t^lich mindestens ein Anfall mit Ausnahme einer 
Pause von 6 Tagen nach Anlegen eines Haarseiles und einer von wenigen Wochem 
nach einer im Jahre 1894 voigenommenen Operation am Schädel Vorf. beobechtetei 
den Pat. vom Jnni 1894 an. Im Jahre 1888 nach einem schweren Anfkll Monate 


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latg aBh«haode Stommlieit and Taabheit Bei der Uniersaehang fanden sich an der 
üsken Sebddelh&lfto swei Narben« eine lineare and eine bafeisenfOrmige, letztere, die 
des Tranmas« an der hinteren Partie des Os parietale nahe der Lambdanaht 
pbgee. 

Im IQrz 1895 tritt nach einem schweren Anfall abermals völlige Aphasie and 
Tiabhmt ein. Schrdben and Ijesen, sowie die Intelligenz im fibrigen ungestört 
Kuhdem dieser Zoetand volle 9 Monate bestanden, entschloss sich Yerf. auf das 
Dtingen dee Fat zor Operation. 

Besil^ich der technischen Einzelheiten sei auf das Ordinal verwiesen; bemerkt 
m Bor, daas Yerf. den Knochen an der Stelle des Traumas resecirte, die Dura indess 
ädt erSffoete. Der Knochendefect wurde durch eine silberne Platte, Ober der die 
Bart Toni&ht warde, gedeckt Unmittelbar nach der Operation Schwinden der 
äffsdi- and GehOrstömng. Der weitere Effect war, dass Pat bis zum Zeitpunkt 
4« PublkatHm — 16 Monate nach der Operation — frei von Änföüen geblieben ist. 

Die An&lle von Aphasie and Taabheit sind als functionelle Störungen auf* 
nifitwnn: beeondeia eiatere ist nach epileptischen Anfällen öfters, wenn auch noch 
üdt in solcher Extensität, beobachtet worden. Martin Bloch (Berlin). 


91) Kodern m^hods of treating epllepay, by W. Xavier Sudduth, A. M., 

M. D. (Medidne, monthly Joom. of Med. and Sargery, Detroi^ Mich. 1897.) 

Aiugshend von der Erfahrong, dass die die Err^barkeit herabsetzenden Medi* 
mamts bei Epilepsie aaf die Dauer das Centralnervensystem schädigen können, und 
petfttzt auf die (flbrigens keinesw^ bewiesene, Bef.) Hypothese, dass psychische 
Satfiaae das Wesentlichste beim Zustandekommen und Andauern der epileptischen 
Zoetände nnd« und dass die Epilepsie eine „Krankheit des Bewusstseins*' (disease of 
;ke eoaadoaaness) ist, empfiehlt Yert gegen derartige Zustände suggestive, eventuell 
hypaotiaehe Behandlang, besonders moralische Beeinfluseang und „Bewachung der 
änttthabowegangen*', verbanden mit allgemein hygienischen und diätetischen Yor- 
tthnfkao« sowie Anhalten za r^elmässiger Beschäftigung, am besten in einer dem 
Pst MBon Umgebong. 

Wann schon die Einzelheiten dieser AusfObrangen durchwegs einen ausserordent* 
Mai^l an kritischer Sichtung erkennen lassen, so wird es vollends wohl 
aihsi den wohlwollendsten Leser unverständUch bleiben, was Yerf. mit seiner zum 
ScUasa eapfohleneo, offenbar „modernsten“ Behandlungsmethode der Epilepsie meint, 
fia daria besteht, die Epileptiker „AthmungsAbungen auf einem bestimmten Ton au* 
iteflen sa lassen, welche die KOrperschwingungen auf einen normalen Tonus bringen 
seflaa, and eveotaell mit Clavierbegleitung vo^enommen werden können.“!! 

Toby Cohn (Berlin). 


99) Sor Opinmbehondliuig der EpUspsie naoh Tleohalg, von Bratz (Wühl* 
garten). (AUgem. Zeitsehr. f. Psycb. Bd. LIY. S. 208.) 

Abermals nne Yermehrang der YerOffentlichongen, die neben einzeluen guten, 
a e hiT eo fra^chen and meist negativen Resultaten der Opiumbrombehandlnng von 
•sesei die groese QefäbrUchkeit dieser Therapie illostriren. Von 43 in Wuhlgarten 
mdl Fleebsig’s Methode behandelten sind 3 während der Behandlong im Status 
SO ^ande gegangen; einer der Kranken hatte früher nie einen Status 
tmtßkaUn. 28 regelmässig wöchentlich gewogene Kranke nahmen durchschnittlich 
^nod dar Opiumdarreichong om 3360 g ab! 6 Mal traten in der ersten Brom* 
liinü Tage bis Woeben lang andauernde epileptische Psychosen anf, bei einer Reibe 
vm Ktaiffc*« während der Opiombehaadlong Ddirien. Bei zwei weiteren Patientinnen 

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entwiokfllta sieb ir&hrdnd der OpinmmedicatioD ein bedrohlicher coonüsiTisdter Zb* 
stand, der nach einer soforti^n Verabreichni^ Rösser Bromdosen wich. 

Asobaffenbnrg (Heidelberg). 

33) Ueber die Erfolge der Fleohsig'sohen Opium-Brombehaadlang, von 
Kellner. Aus den Alsterdorfer Anstalten bei Hamburg. (Deutsche nwi 
Wocbenschr. 1898. Nr. 5.) 

Verf. wandte die Flechsig’scbe Kur in 12 geeigneten Fällen an, bei welchen 
noch keine Demenz bestand, der Kräfteznstand gat war; die gewShnlicbe Brom* 
behandlnng hatte keinen Erfolg. — Die grossen Opiumdosen wurden gnt Tertmgoi. 
Heilung erfolgte in keinem Falle, 5 Kranke blieben nnbeeinSusst, 6 wurden aDTw* 
kennbar gebessert, ein Pat. verliess die Anstalt gleich nach der Kur und entzog sich 
weiterer Beobachtung. B. Pfeiffer (Cassel). 


34) Brlkhnmgen über die Behandlung der Epilepsie mH Opinm^Brrnn, 

Ton Dr. Warda in Blankenbnig-Schwarzatbal. (Honatsschr. f. Psycb. n. Neo* 

rologie. Bd. II. 8. 257.) 

Verf. hat 43 Patienten mit der Flecbsig’schen Opium-Bromkur behandelt und 
hat die Ueberzengnng gewonnen, dass 55 ‘'/q dadurch entweder wesentlich oder leicht 
gebessert worden sind. Die Kur besteht bekanntlich darin, dass in allmählkh an¬ 
steigenden Dosen Opium purum gegeben wird — Erwachsene erhalten zuletzt 1,0 
und mehr —, dass dann das Opium plötzlich entzogen und sofort Brom in grossen 
Dosen mindestens 2 Monate lang gereicht wird. Verf. giebt Erwacbsmien das Brom 
in der Dosis 6—9 g, Kindern etwa 3 g pro die, und behäUt dieses Quantum, falb 
keine Störangen eintreten, ^ 4 — Vs ^ in jedem ]^e zu deut¬ 

lichem Bromismus kommen. Er geht dann ganz allmählich von Halbjahr zn Halb¬ 
jahr zurück; noch nach 2 Jahren erhält der Kranke täglich 1—2 g Brom. Monate 
lang führt der Verf. Bettruhe durch und sorgt für gute Krankenpflege. 

Ein guter Erfolg der Kur wurde namentlich bei jugendlichen Epileptikern 
erüelt. Das Ueberwiegen von petit mal-Anfällen, das Vorkommen von länger dauernden 
Aequivalenteu und anderen psychischen Störungen, und das Vorherrschen stärkerer 
psychisch-epileptischer Degeneration gaben eine ungünstige Prognose. Kranke mit 
intacter Psyche oder geringerer Degeneration reagirten auf die Behandlnng gut 
Verf. widerräth die Kur bei körperlich hemntei^kommenen Patienten. Obwohl aber 
der Emährungszcstand vor Beginn der Kor gehoben worden war, geriethen 2 Patienten 
durch Opinmintozication in einen Status epUepticus, in dem bei dem einen Kranken 
der To'd erfolgte. In einem anderen Falle, in dem nach der Opinmlrar 3 Wochen 
lang täglich 7,5 und dann iVj Monate lang 6,0—7,5 Brom pro die verabreicht 
worden waren, kam es zn schwerem Bromismos mit Temperatursteigening, nnregel- 
mäasiger Athmnng und Pericolum vitae! G. Ilberg (Sonnensteio). 


m. Aus den Gesellsohaften. 

Blologisohe Abtheilung des Sratllohen Vereins su Hamborg. 

(Sohloas.) 

Sitzung vom ll.Jannar 1898. 

Goebel hält seinen angekündigten Vortrag: Zur patholegisohen AnatMile 
der Landry’sohen Paralyse. 

Vortr. bespricht die Litterator; er glaubt, dass seit der Eicbhorst’scbei 
PubUcation über Neuritis acutissima progressiva eine grosse Aniafal von Fällen dei 


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UBdrj’acb«D Ptrmlyse lagBreehnet w&reo, welche anderswo gut unterzubrmgen 
HMB, imd desB mui deshalb die engen Grenzen, welebe Landry, und nach ihm 
Westpkal dem nach ihm benannten Symptomenbilde gesteckt habe, im Grossen und 
flww mdit ZQ flbonchreiten brauche. 

]n dem Torli^enden Falle handelt es sieb um einem vor 4 Jahren luetisch 
{leaBajien, im übrigen soliden, dem Trünke nicht eigebenen Tapezirer, welcher 
4 Wochen vor dem Aufbeten der spinalen Erscheinongen sich stark erkältet hatte 
Dd darnach ein Gefühl yon Druck in beiden Oberschenkeln bekam. Einen Monat 
iptter stellte sich plötzlich eine schlaffe Faraparese der unteren Extremitäten ein 
Aufhebung der Sehnenreflexe, ohne Teränderungen der elektrischen Erregbarkeit 
nd ohne SenSibilitttsstömngen. Der Tod erfolgte 17 Tage später bei freiem Sen- 
imoB in einem Anfall von Athemnoth, nachdem unter ascendirendem Verlaufe der 
Uhmungeii, und besonders unter dem Auftreten yon Augenmuskel', Rau- und Schluck- 
'ihsuBgen Ton sehr starker Ausdehnung, schliesslich noch eine zweifelhafte Ab- 
stnpfoig des Gefühls an den Füssen und geringe Urinbeschwerden sich bemerkbar 
rMMht hatten. 

Eb fanden sich die peripheren Nerven, frisch gezupft in Osmiumsäure nnd ge- 
firbt nach Weigert and mit Carmin, normal, in einigen Muskeln Vermehrung des 
ateistitiellen Gewebes nebst frischen Degenerationen der Fasern, in den meisten nur 
ktztere; in einzelnen Bündeln der Cauda equina herdweiser Untergang von Nerven- 
fusm in der Umgebung eines stark gefällten Geßsses, mit Wucherung der Stütz- 
cohstanz ohne EemvermehniDg, ebenda nach Harchi frische D^eneration einiger 
Axacylinder nnd Markscheiden, bei Intactheit des Rückenmarks — Weigert, C^min, 
larchi —, and besonders der vorderen Wurzeln — Weigert. Carmin, Osmiumsäure. 
Oie Gegend oberhalb der I^ramideokreiizong bis zu den Oculomotorinskemen zegte 
a dar Manhimethode zugängliche Veränderungen, und zwar eine Querschnittsmark- 
d^ SDurat ion geringen Grades ohne myelitische Processe, sowohl der langen Bahnen, 
aia aoeb der extra- und intramednllären Wurzeln incl. des intranocleären Fasemetzes, 
abae daae Carminpräparate eine wesentliche Alteration der Ganglienzellen erkennen 
itmm. Das aobcortioale Marklager war sehr gering affleirt. Die sehr vergrösserte 
sad wusch# MUs wurde bakteriologisch nicht, das Rückenmark mit negativem Resul¬ 
tate cultsreU untersucht. Auch tinctorielle Versuche am gehärteten Rückenmark 
sad in der Cauda equina fielen negativ aus. 

Oer Vortr. weist noch hin auf einige analoge Krankheitsbilder, in denen die 
waihle ^häre klinisch im allgemeinen intact bleibt, anf die Bleilähmungen, die 
Tate&ia^ den Tetanos, die paroxysmale familiäre Lähmung, die Myasthenia gravis 
pauudopanlytica, io umgekehrter Richtung anf die Tabaksamblyopie und die Amaurose 
arb Donrnng von Extractum filicis, und betont, dass er die gefundenen Veränderungen 
aof^mst als das anatomische Substrat der stattgehabten schweren Lähmungen, 
mmIsa als den mikroskopisch nachweisbaren Ansdmek einer durch eine nns noch 
cBhekaimte — Infectionsbankheit? — Noxe eiogetretenen Intoxication. 

(Autorreferat.) 

Könne schlieast sich dem Vortr. darin vollkommen an, das in der Litteratnr 
hAer eine ziemliche Verwirrung herrschte in den als „Landry’sche Paralyse** mit- 
zithefltea Arbeiten; er bezeichnet den Fall von 6., der von seiner eigenen Abtbeilung 
m Erankenhause stammt, als einen absolut reinen; auch dieser Fall beweise, eine 
13# Eeiau finactiou die Marehimethode sei: erst mit der Marchimethode habe G. Dege- 
amsUaneo naebgewieeen da, wo die sonstigen Methoden nichts Pathologisches gezeigt 
kMten. And) N. ist der Meinnng, dass die nachgewiesenen Degenerationen nicht 
4» uMtomiflcbe Ursache der klinischen ErscheinangeD, sondern nur der Ausdruck 
ter atettg^nhten Infsetion bezw. Intoxication des CentralDervensysiems seien: ebenso 
UMU die aeoteu parenchymatösen Veränderungen, die in vielen Moakeln oaebgewiesen 



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werdeo konnten, nnr ein symptomatischer Ausdruck dieser Intoxication. N. weist Ar 
diesen Fall speciell auf die vielfache Incongmena xwischen dem Befund in eQud&M 
Nerven — nach Marehi — und Muskeln und den klinischen L&hmungserscheinuiigen 
bin. Schliesslich berichtet N. Aber einen Fall, den er vor 2 Jahren beobachtet hat 
und der ganz der „bnlbären Form der Landry’sehen Paralyse** entsprach: Bise 
37 jährige Frau erkrankte mit febrilen AUgemeinstÖrnngen, ohne dass eine somatische 
Ursache uachgewiesen werden konnte; sie hatte in den letzten Monaten viele Er* 
reguugen in der Familie durchgemacbt; Fat. fing an zu halluciniren, und wurde 
leicht err^t; dann wurde die Zunge schwer bew^lich, dadurch, ebenso wie durch 
eine Parese der Lippenmuskeln, die Sprache undeutlich, von Mbnlb&rem** Charakter; 
Fat. begann sich zu verschlucken; dies spielte sich im Laufe von ca. -10 Tagoi ab; 
die Paresen der Schluckmuskulatur nahmen zu, meningitisehe Erscheinungen fehlten, 
die Temperatur war subfebril. Im Laufe der nächsten 4 Tage trat eine abnorme 
Erhöhung der Pulsfrequenz, dann Irregularität und In&qualit&t des Pulses auf, die 
Bespirationsmuskeln wurden ebenfalls paretisch, während die — interioren und ex* 
terioren — Augenmuskelbewegungen intact blieben. Unter Hera* und Athemlähmnng 
erfolgte, nachdem in den letzten 3 Tagen wegen completer Schluckläbmung die 
Magensondenernährung hatte durcbgefflbrt werden mflssen, der Ehritus. An den 
oberen und unteren Extremitäten waren keine Lähmungen aufgetreten, das Verhalten 
der Refiexe und der elektrischen Err^barkeit blieb bis zum tödtlichen Ausgang 
normal. 

Bei der anatomiscben Untersuchung erwiesen sich die basalen Himnerven — 
geprüft in 1 Osmiumsäure —, ebenso wie die ganze Mednlla oblongata — goArbt 
mit BoraX'Carmin und nach FaNWolters — ganz normal. Eine bakteriologische 
Untersuchung wurde nicht voigenommen. 

Saenger fragt an, da bei Landry’scher Paralyse nur äusserst selten Augen* 
muskellähmungen Vorkommen (er selbst habe sie nie beobachtet), ob Yerändonngen 
luetischer Natur gefunden seien, zumal der Patient Lues gehabt habe. Die auffiUlig 
starke Betheiligung der Augenmuskeln rechtfertigte sehr den Verdacht auf genannte 
Affection. 

Auch sei vielleicht eine Polioencephalitis sup. et inf. nicht luetischer Natur in 
Pri^e zu ziehen, wenngleich der klinische Verlauf gegen diese Annahme spräche. 
Ebenso die jetzt häufiger beobachtete asthenische Bulbärparalyse. 

S. hatte die bakteriologische Untersuchung des vom Vorti*. irrthAmlich als nicht 
zutreffend erwähnten Eisenlohr’schen Falles vorgenommen. Das Eigebniss sei da¬ 
mals positiv gewesen, und er bäte um Anskonft darüber, welches culturelle Verfizbren 
in vorliegendem FaUe eingeechlagen worden sei. 

Bötticher fragt, wie das Verhalten der Ganglienzellen im Bückenmark und in 
der MeduUa oblongata gewesen sei, und ob diese nach Nissl untersucht worden 
wären. 

B. erwidern Herr Nonne und Ooebel, dass die Nisslmethode eingehend an¬ 
gewandt worden sei und hier durchaus keine sicheren Anomalieen angezeigt habe, 
im Uebrigen erinnert N. an die Befunde von Goldscheider-Flatau, die uns von 
jetzt an grosse Vorsicht in der Verwertbung von Nisslverändemngen der Ganglien¬ 
zellen auferlegen müssen. 

Vortr. antwortet Herrn Saenger, dass für die Annahme einer Polioencephalitis 
Superior et inferior weder das klinische Bild, noch der mikroskopische Befund ge¬ 
sprochen habe; Vortr. betont noch einmal, dass das Verhalten der Gefäaee, auf 
deren elastische Fasern er sein besonderes Augenmerk gerichtet habe, ein ganz 
normales war; die Untersuchung auf Bakterien in Schnitten, sowie das Cultnrreifahren 
(Bückenmark, periphere Nerven, Milz) habe kein sicheres Resultat ergeben. 


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Sitzung vom 1. Febrnar 1898. 

Nodd« stallte vor: 1. einen 28jiUuigen Matrosen, der das Bild der pseudo- 
iputiiohen Puwe mit Tremor bietet; die Bewegungsstörung, die im Uebrigen 
^ d(B Cbarscter Mgt, wie ihn Tortr. seiner Zeit beschrieben hat, ist in diesem 
PiU laf die rechte untere Kxtremit&t allein beschränkt Die ganze Extremität ist 
laalgetiKh und hypästheilscb für die anderen Qualitäten der Sensibilität; ausserdem 
bstAt doppelseitige, sehr hochgradige Einengung des Oesicbtsfeldes. Die Psyche 
ui^ hjstarisdie Zflge. ln diesem Fall stellt also, wie auch in einzelnen der frOher 
TOB Tortr. beschriebenen Fälle, der pseudospastische Schütteltremor eines 
TOD DDbreren hysterischen Stigmata dar. Das auslOsende Moment in 
dtamfUl war eine schwere Malaria gewesen, die Pat yor drei Monaten durch- 
paedit hatte. 

2. zwei Fälle, die Tortr. in das Gebiet der maladie des tics verweisen will: 
ij dOjihriger Mann hatte vor zwei Jahren im Anschluss an ein Kopf- 
TriDBi ~ Fall von einem Eisenbahnwagen auf die Schiene — eine rhythmische 
Geb^Stdrung bekommen. Der Gang war nur noch als Springschritt möglich, 
nach Art des Echternacher’schen Processionsschritts. Beim Stehen und 
Süta besteht ein fortwährendes streng-rhytmisches Wiegen des Kopfes und Rumpfs, 
iea «oer Pagode nicht unähnlich; mit geringen Remissionen besteht diese Störung 
](Bt söt ca. zwei Jahren; objective hysterische Stigmata bestehen in diesem Falle 
lidit; lof psychischem Gebiete besteht eine mittlere Depression und Neigung zu 
ijpochoodrischen Zwangsvorstellungen. 

b) Ein ISjäbriges Mädchen war vor drei Monaten im Anschluss an einen 
Sekreek ~ als Eindei^ärtnerin liess sie ein ihr anvertraotes Kind auf der Treppe 
fdlea — mit einer rhythmischen Bewegungsstörung der oberen Extre- 
■itiiiD ond des Kopfes erkrankt Pat macht fortwährend sägende und mähende 
Btviftmgeo, mit dem Kopfe, dabei rhythmische Kreisbewegungen beschreibend. Auch 
Bjstaie ist eine monosymptomatiscbe, insofern als objective sonstige Stigmata 
lidt nachzuweisen sind. Der Name „Chorea rhythmica" ist für diese Fälle kein 
fileklieber, da im Gegensatz zur eigentlichen Chorea hier die rhythmischen Bewe* 
fnga bei intendirten Bewingen sistirt werden, und da ferner die Bewegungen 
hmnn Fälle streng coordinirt sind. 

Saeoger: Ueber ftinotionell>ixeryöBe Erkrankungen im xindesalter. 

Ebenso wie Bruns weist Tortr. den von dem Neurologen Sachs io seinem 
itnlieh erschienenen Lehrbuch aufgestellten Satz zurück: „wenn Hysterie beim Er« 
y*ckineD eine seltene Krankheit ist so ist sie noch seltener beim Kinde*'. Tuczek, 
Sciligmaller, Smidt, Jolly, Charcot, Briquet haben schon längst die Häuüg- 
der Hysterie im Kindesalter betont Neurasthenie in diesem Alter leugnen 
bervomgende Neurologen (Charcot, Krafft-Ebing). Andere, wie Emming- 
Oppenheim und besonders Arndt sind en^egengesetzter Äosicbt Tortr. 
^ diesen Autoren bei und stützt seine Ansicht durch eigene, während einer 
'Jibrigea Beobachtungszeit an der Polikliuik des Alt. allgem. Krankenhauses zu 
ihnbrng gewonnene Erfahrungen. 

Dis Mehrzahl der nervösen Kinder kam wegen Sehstörongen in die Äugen* 
P^Hkimik des Hm. Dr. Wilbrand, auf dessen Anregung Tortr. jedes dieser Kinder 
"BfDkad neurologisch uutersucbte. Unter 30 759 Angenpatienten befanden sich 
rmder, die an nervöser Asthenopie litten. Letztere kommt am meisten zwischen 
^ 10. and 14. Jahre vor. 


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828 


Yortr. tbeilt die kleinen Patienten in vier Gruppen ein: 

1. Neurasthenie. 

2. Hysterie. 

3. Gemisch von Neurasthenie und Hysterie. 

4. Hereditäre Neuropathie. 

Symptome der 1. Gruppe: Heist Anämie. Leichte ErmQdbarkeit, AengsÜicbkeit^ 
Neigung zum Weinen; sehr erregbar; Herzklopfen, Schwindel, erhöhte vasomotorische 
Erregbarkeit. Oft Depression; UnlustgefQhle, Schlaflosigkeit, Yerstopfung. Znweilen 
echte Fhobieen (Agoraphobie). Beinahe stets Zittern der Lider bei leichtem Augen* 
schloss. 

Symptome der 2. Gruppe: Analgesieen, Gesichtsfeldeinschränkongen, Fehlen des 
Conjunctival- und Bachenreflexes. Häufig mono-symptomatisches Auftreten, Haltungs* 
anomalieen (hysterische Scoliose; Torticollis, eigene Beobachtungen mit rascher Heilnng), 
Chorea; Blepharospasmus, Ptosis byst; hysterische Amaurose. Krampfanfälle, bypnolde 
Zustände und bei einer Reibe von hysterischen Kindern Enuresis nocturna, die durch 
Wachsuggestion geheilt wurde. 

Symptome der 3. Gruppe: Hysterische und nenrastbenische Erscheinungeo neben 
einander, rasche Ermüdbarkeit beim Lesen; nervöse Asthenopie, Gesichisfeldein* 
Schränkung; Fehlen des Bachen* und Conjunctivalreflexes. Hallucinationen des Ge¬ 
sichts, Gehörs; Nachtwandeln. 

Symptome der 4. Gruppe: Heist erbliche Belastung, ln den ersten Lebens¬ 
jahren Convulsionen. Später ticartige Zustände. Grimassenschneiden. Choreaartige 
Bewegungen. Diese Kinder sind sehr empfindlich, eigensinnig, jähzornig und sehr 
furchtsam. Frühe hypochondrische und egoistische Züge. Frühauftretende sexuelle 
Triebe. Onanie. Psychopathische Minderwerthigkeit (Koch). 

Yortr. giebt Beispiele für die einzelnen Groppen, deren Prognose bis auf die 
vierte günst^ ist. 

Die Therapie bestand in Hebung der constitutioneilen Ursachen: (Eisen) Kalt- 
wassercnr; frische Luft und in Anwendung der Elektricität, welche namentlich bei 
der zweiten Groppe das beste und unschädlichste Wachsuggestionsmittel ist. Yortr. 
braucht die Hypnose nicht. 

Für schwerere Fälle, namentlich bei hereditär Belasteten, ist AnstaltsbehandloDg 
zu empfehlen. 

Zum Schloss geht Yortr. auf die theoretischen Schlussfolgerungen ein, die sich 
aus seinen Erfahrungen im Kindesalter eigeben. 

Er wendet sich gegen die namentlich von Höbius vertretene Auffassung der 
Hysterie, dass alle Aeusserungen derselben auf Yorstellungen beruhen, da die Stig¬ 
mata, Befiexanomalieen, Aenderungen der elektrischen Erregbarkeit den Hysterischen 
gar nicht zum Bewusstsein kommen. Yortr. hält die Hysterie für eine Neurop^cbose, 
bei der abnorme functionelle Veränderungen im Centralnervensystem Vorkommen, di« 
uns bis jetzt unbekannt sind. Schon die klinisch so vielfältig beobachtete Thatsache 
der Combinirung organischer Nervenaffection mit Hysterie, der eigenthümlidien Hal¬ 
tung der Gifte (Alkohol, Blei) zur Auslösung der Hysterie weisen darauf hin. 

Ferner hebt Yortr. hervor, dass er den Beginn der Hysterie im Kindesaltsr 
studirt habe. Dieselbe kündigt sich durch die bekannten Stigmata, nicht durch Vor- 
stellungsanomalieon an. 

Schliesslich bespricht Yerf. noch die Neurasthenie und meint, dass einzelne 
Formen derselben analog der nervösen A.sthenopie auf einer Unterwerthigkeit der 
nervöseu Endorgane in einzelnen Organbezirken beruhe. 

Als Ursache der functionell nervösen Erkrankungen im Eindesalter hebt Yortr. 
die mangelhaften Lebensbedingungen, die Schulüberbürdung, die Heranziehung der 
Kinder zum Erwerb bei maugelhafter Erholung hervor. 


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329 


Di* soMbmMide Kerfositat zeige eich am craesesten in der Zunuhme der Kinder« 
i^lbstotonie; daher'sollen Aente ihr Augenmerk mehr auf die nerrdseen Krkrankungen 
in Kiadeadter richten und die Behörden sollten Schulärzte anetellen. 

(Autorreferat). 


Sitzung vom 15. Februar 1898. 

Bdtiiger demonstrirt zuerst einen 47jähr. Patienten, bei dem sich im An- 
Khlos IO eine schmutzige Sehnenverletzung und Phlegmone am linken Unterarm 
m Neoritis des N. medianus entwickelt batte, die eich in typischer Weise durch dege- 
sntiie Atrophie der DaumenbaUenmnsknlatur und der - twei ersten Lumbricales, 
toch mteprechende Sensibilitätsstdrungen, und ausserdem durch tropbische Störungen, 
Bhan imd Geschwüre, in der Haut der drei ersten Finger und der Radialseite des 
4. Ffai^en maoifestirte. Zugleich fand sich bei weiterer Untersuchung des Pat be- 
pimde Dementia paralytica mit tabischen Erscheinungen. Lues war vorhergegangen. 
Vortr. bespricht kurz den fast dnrcbgehends zu beobachtenden Unterschied in der 
VtrhrntQog von Sensibilitätsstörungen bei Tabes dorsalls und Taboparalyse, nament- 
M die grosse Regelmässigkeit derselben am Rumpf bei ersterer, und das fast stete 
Wn dmzelben bei letzterer ebenda. Ausserdem giebt er zu bedenkeu, ob nicht 
«otnie Leiden mit das Auftreten trophischer Störungen im Gebiete der Neuritis 
Miigt haben mag. 

Sodann demonstiirt Tortr. einen Patienten mit Tumor des Kleinhirns, welcher 
uBg» intSFMsante Symptome darbot. 

DiKQssion fiber den Vortrag des Herrn Saenger: Ueber functionell - nervöse 
Erkrankungen im Kindesalter. 

Hess: Mao kann über die Eintheilung Saenger’s discutiren, je nachdem man 
dm heste von ihm als in die IV. Gruppe der hereditären Psychopathie gehörigen 
^it«i Fall wegen des Fehlens der Sprache schon als geringen Grad der Idiotie 
ufiuBt Bestimmend sind vielleicht die Kopfmaasse. 

^>6080 wie bei Erwachsenen kommt bei Kindern im Anschluss an schwere 
uatoaiech« Erkrankungen des Nervensystems Neorastbenie und Hysterie vor (Fall 
närtaseitiger spinaler Kinderlähmung — Atrophie, Tenotomie, Schiene — mit 
l‘j JihreD, der jetzt Symptome der Hysterie — Globus, Änfölle — zeigt); oder 
e Ma ZQ anderen fonctionellen Neurosen hysterisch-neurastbeniscbe Symptome 
hua (lOjihrigee Ittdcben mit Chorea minor bat jetzt Cephalalgieen und Herz- 
Pdpittiinien). 

fhr die Aetiologie kommt, abgesehen von der Heredität, besonders Ueber- 
in der Schule in Frage, jedoch glaubt Vortr. nicht, dass die vielen 
^^Betaordfl unter den Schülern, die nach Saenger in Deutschland am zahlreichsten 
ganz allein auf die Neurasthenie znrfickznführen sind, da in anderen Ländern 
letztere grösser ist (Autorreferat.) 

Nonne stimmt, gegenüber früher an diesem Orte von Böttiger geäusserten 
1‘fatbeiligeD Ansichten, mit Sänger überein, dass die objectiven hysterischen 
-tifaita eine sehr wesentliche diagnostische Dignität haben, als dieselben 
^ bei Kindern in charakteristischer Weise Vorkommen und dass die Ansicht, die- 
Men stets vom Untersucher ansuggerirt, verkehrt sei. Vortr. will nicht die 
Cbireot’sche Lehre von den objectiven Symptomen der hysterischen Amaurose ent¬ 
kalket sehen; besonders häutig siebt man motorische Beiz- und Lähmungszastände 
'CoBtnetoren und Paralysen) mit tiefen Alterationen der Sensihiltät — im Sinne 
^ Hyparistheeie sowohl wie der Anästhesie — bei Kindern vergesellschaftet. — 
den Beobachtungen bei erwachsenen Unfall-Nervenkranken sieht man aoch 
bd — nervöeen und anscheinend nicht nervösen — Kindern die Symptombilder der 


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830 


— localen and allgemeinen — traamatiBcben Hyeterie, der „{fran^^ hystdrie, der 
cerebralen und spinalen Nearasthenie auftreten. Vortr. brii^ einzelne diesbezOgliche 
Beobachtungen, schildert speciell auch F&lle von traumatisch entstandener hysterischer 
Astasie «Abasie bei Kindern. Als besonders hartn&ckig und nicht selten — wie so 
oft bei Kindern — monosymptomatisch auftretend, erwähnt Yort die excesrnve 
Onanie oüt pathologischer Beactionsform. — Ton einer „Nearasthenie“ der Säuglinge 
and ganz kleinen Kinder will Vortr. g^nflber Saenger nichts wissen; zu der £nt« 
stehung der Neurasthenie gehöre neben der Disposition auch das Milieu, und dieses 
wirke erst bei dem Kinde, wenn es beobachte und verstehe; die Binswanger'sche 
Definition der für den Neurastheniker charakteristischen „einseitigen, ^ocentrischen 
Verarbeitung des gesammten YorstellangS'lnhalts, welcher aus der pathologisch ge« 
steigerten Beschäftigung mit den Zuständen des eigenen Körpers herrorgeht,“ zeige 
auch, dass erst von der Zeit der Möglichkeit eines Yorstellungslebens an von einer 
eigentlichen „Neurasthenie“ gesprochen werden könne; dazu sei aber die bereits er« 
folgte AnsbilduT^ der Associationssysteme im Qehim nöthig. Die grosse Häufigkeit 
der Neurasthenie bei jai^en Kindern hat Yortr. in seinem Erfohrungskreise nicht 
bestätigen können; auch Binswanger sah unter 131 Neurasthenikern nur 4 Fälle, 
die sich im ersten Decennium des Lebens befanden. 

Yort. rühmt den Nutzen, den die Behandlung mit hypnotischer Su^estion bei 
Kindern häufig bringt; gerade die Thatsache, dass schwere Symptome hier besonders 
häufig monosymptomatisch auftreten, berechtigt zur Anwendung derselben. Yortr. 
hat unter vielen Fällen niemals den geringsten Schaden beobachtet und hält die 
gegentheiligen Behauptungen für übertrieben und nicht durch die praktischen Er« 
fahrungen in vorsichtigen Händen erhärtet. Yortr. wendet die Elektricität nur noch 
in denjenigen, für den Praktiker weit häufigeren Fällen an, in denen ein suggestiver 
Nutzen von ihr zu erwarten ist; die auf dem Frankfurter Klektrotherapeutencongress 
geforderten experimentellen Beweise für die Heilkraft der Elektricität bei 
organischen Affectionen des Nervensystems seien bisher ausgeblieben. 

Dr. Liebrecht: Die Symptome an den Augen bei der Hysterie sind objective, 
beruhen nicht aof snbjectiver Yorstelluog oder Einbildung der Kranken oder auf 
Suggestion. Es kommen dabei in Betracht: 

1. Die Sehstörungen. Abgesehen von der bekannten ausgesprochenen hyste¬ 
rischen Amblyopie und Amaurose treten auf geringgradige Sehstörungen, die meinee 
Erachtens nur auf Accommodationsstömngen zurückznführen sind. Han findet in 
kurzem Wechsel geringen hyperopischen Ast^matismos, geringe manifeste Hyperopie, 
dann wieder Myopie, bis eines Tags wieder Emmetropie vorhanden ist und alle 
Gläser verworfen werden. Dass diese AccommodationsstOrnngen nicht simnlirt sind, 
sieht man daraus, dass nur mit dem betreffenden corrigirenden Glase volle Sehschärfe 
erreicht wird. 

2. Das Doppelsehen. Unter etwa einem Datzend von Fällen konnte ich 
mich nicht von der Lähmung eines einzelnen Muskels Überzeugen, sondern es war 
das Zasammenwirken der Muskeln gestört, wie es für die associirten Bewegungen, 
für das physiologische Einfachsehen beim gesunden Menschen vorhanden. Die in 
den ersten Lebenswochen erlernte Association der Angenbew^ungen ist eine Zeit 
lang verloren gegangen, daher der häufigo Wechsel in der Stellung der Doppelbilder. 

3. Die Pupillenerscheinungen. Ich habe keine reflectorische oder absolut 
starre Pupille auf Hysterie zorückführen können. Wohl aber kommt zeitweil^ ein¬ 
seitige Pnpillenerweiterang vor, die nach einem gewissen Zeiträume wieder schwindet 
Dabei ist die Beaction der Papille auf Licht und Conveigenz nicht beeinträchtigt 

4. Die Sensibilitätsstörungen der Bindehaut und Hornhaut Bei 
Berührungen der Bindehaat oder Hornhaut in der Lidspalte erfolgt kein Blinzelreflez. 
(Dabei ist za beachten, dass schon physiologisch die Berührung der unter dem 
Unter- und Oberlide befindlichen Bindehaat meist keinen Befiex hervorruft) 


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331 


fi. Di« Gesiehtsfeldeinscbr&Dkungen, sowi« die mangelnde Adap* 
Utioisfihigkeit der Netihaat im Dunkeln hei einer Anzahl Hjsterisoher kann 
kh ToUkonmen best&tigen. (Antorreferat) 

Lenhartz bezweifelt nach «einen Erfahrungen die grosse U&nfigkeit der Keu* 
nsthoüe bei Kindern; er weist darauf hin, dass auch bei Kindern F&lle Ton Simu- 
Torkomoen; man mflsse sich vor einer Schreck • Therapie — körperliche 
Zielitigaag — hüten, da unter Umst&nden durch intensiven Schreck eine wahre 
^lilepsie eintreten könne. 

fiöttiger verficht die Möglichkeit des Vorkommens der Menrasthenie bei 
Sktglingen; er tritt fOr den physikalischen Heilwerth der Elektrotherapie ein und 
Tmrirft die hypnotische Behandlung, die gefährliche Folgezust&nde zeitigen könne. 

Die AofsteUang der Gruppe „HysterO'Nenrasthenie“ von Sa enger will er nicht 
uekeonen, da Hysterie und Neurasthenie hinznkommende Erankheitsbilder seien. 

Kaufmann: leb möchte mich vom allgemein ärztlichen Standpunkt gegen das 
dbtore Bild auflehnen, das Saenger uns von den nervösen Erkrankungen im 
Cudtodter entworfen bat Mir ist wiederholt der Gedanke gekommen, wie auf- 
kllead es ist, dass trotz der bedeutenden Zunahme der nervösen Erkrankungen der 
frvaehseDen, und trotzdem, dass diese Menschen ihre Nachkommenschaft in hohem 
Kaaase belasten, die nervösen Erkrankungen im eigentlichen Kindesalter nicht zu- 
SnoniBeii haben. Erst vom Eintritt der Pubertät an habe ich eine Zunahme 
ksobsditei Und da war es vorzugsweise das männliche Geschlecht, das an dieser 
ZsBihiDe betheiligt war. Tabak, Alkohol und vorzeii^er Umgang mit dem anderen 
GoUeeht werden als Ursache hierfür anznsehen sein. In manchen Fällen wird 
neb wohl die viel berufene Ueberbürdung in den Schulen eine Bolle spielen. In 
ka bsotaenden Klassen soll das Einjährig-freiwilligen Zengniss unter allen Umständen 
cHiOft werden. Kommt hier nun zu mangelhafter Veranlagung ein zart besaitetes 
HffTBBijstem, dann ist der Neurasthenie Thür und Thor geöffnet. Non wird Herr 
Sseiger vielleicht entgegnen: Ja, Ihre Beobachtungen sind nicht beweisend. Das 
Ktitrial des einzelnen Antee ist zu klein und einseitig. Es reemtirt sich immer 
damlben Kreisen. Hier kann nur klinisches oder poliklinisches Material be- 
*Mnid sein. Das will ich bis zu einem gewissen Grade zngeben, obwohl zu bedenken 
ht, din ffir die nervösen Zustände nicht nur die Kranken in Betracht kommen, die 
BO direct behandelt, sondern dass sich hier die Beobachtung auf den grossen Kreis 
Heaaehen erstreckt, mit dem man im täglichen Leben zusammenkommt. Aber 
ud die Kliniker und FoUkliniker lassen Herrn Saenger im Stich, ln der ersten 
bbftnloog seines Vortn^ hat Herr Saenger sich beklagt, dass in keiuem Lehr- 
^ der Kinderkrankheiten etwas Nennenswerthes über die nervösen Erkrankungen 
in Kisdesalter sn finden ist Ja selbet das snsgezeichnete Buch von Henoch 
sich über dies Thema vollständig ans. Nun, woran das? Es ist 
uimtluneB, dass allen diesen Herren so wenig neorasthenisebe Kinder und hyste- 
riitkB Sänglinge auf ihren Wegen begegnet sind, dass es ihnen nicht möglich oder 
Bidig erschien, sich Ober diese Zustände weitläufig zu verbreiten. Auch über die 
Aibologie hat Herr Saenger nach meinem Empfinden viel zu düstere Farben anf- 
fikageB. Es sieht in unserer Kinderwelt durchaos nicht so trübe aus, selbst nicht 
a d«D nnteren Klassen. Abgeeehen davon, dass unsere Mortalitätsziffem beständig 
werden, möchte ich Herrn Saenger bitten, sich einmal in die Nähe der 
T(dhBehnlen zu begeben, und sich die Kinder anzusehen, wenn sie beim Schluss 
te Klsssen herausstrOmen. Da gewinnt man nicht den Eindruck der Nervo- 
Btit. Und wenn ein Theil von den Kindern dazu angehalten wird, in einigen 
Abndstunden die Eltern beim Austragen von Victualien oder Zeitungen zu unter- 
mn, 80 ist dies auch krine übertriebene Zumnthung für ihren Körper. Allerdings 
inoer noch ein ^wieser Procentsatz ärmster Bevölkerung Zurückbleiben, wo 


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332 


es durch Krankheit, Arbeitslosigkeit, Tninksacht u. s. w. der Eltern den Kindern 
traurig geht. Wenn wir hier den Hebel ansetzen, und solchen Kindern zu einer 
besseren Ernährung, Behandlung und Erziehung rerhelfen, so werden iiir ein sehr 
gutes Werk thun, ein besseres jedenfalls, als wenn wir sie polypragmatisch behandeln. 

(Antonreferai) 

Beselin schildert die Bedeutung der Suggestion bei Kindern mit oerTbsen 
Augenleiden. Sie begfinstige das Auftreten z. B. bei Angenerkrankung anderer 
Familiemnitgliedor durch Selbsttäuschung eigener Augenkrankheit, sie sei bei der 
Diagnose werthroll, indem man bei fnnctioneller Sehscbwäche durch Yorsetzen indiffe* 
renter Brillengläser und entsprechenden Zuspruch höhere Sehschärfe erziele. Thera¬ 
peutisch sei sie besonders wichtig; man mOsse, nach Aufklärung der Eltern in Ab¬ 
wesenheit des Kindes, diesem das Augenleiden als harmlose vorübergehende Schwäche 
bezeichnen. — Ueberanstrengung der Augen, znmal bei Astigmatismus und Hyper- 
metropie, begünstigt die Eatstebnng. — Die Möglichkeit functioneller Lähmungen 
werde durch die Fälle von Convergenz- und von Accommodationslähmung bewieeen. 

(Antorreferai) 

Franke hebt hervor, dass der Gesichtsfeldbefnnd bei nervöser Asthenopie erst 
im Verein mit den anderen nenrasthenischen Symptomen seine Bedeutung gewinnt. 
Man findet gelegentlich bei gesunden Kindern concentrische Gesicbtsfeldeinengung 
oder Ermüdungserscheinungen, ohne dass nervöse Asthenopie besteht. Auch bei 
Kindern mit accommodativer oder muskulärer Asthenopie kann man ähnliche Befunde 
erhalten. In diesen letzten Fällen ist zunächst eine Correction der ßefractions- oder 
Muskelanomalieen nöthig. 

Eine richtige Therapie ist von Wichtigkeit in Rücksicht auf die sdiädlichen 
Folgen längerer Unthätigkeit eines Kindes, sowie auf den Nachahmnngstrieb bei 
Kindern derselben Klasse. (Autorreferat) 

Engelmann: Die Symptome, welche Herr Saenger für Gruppe 1 und UI 
schildert, würde ein Unbefangener auch für die der sog. Aprosexia nasalis nehmen 
können. Auch das Lidzittem könne er nicht für ein neurasthenischee Symptom 
halten — trotzdem es ihm erst kürzlich von neurologischer Seite als solches bo- 
zeichnet sei —, das käme sehr oft bei ganz Gesunden vor. 

Herr Saenger habe gesagt, Kinder mit adenoiden Vegetationen hätte er in 
Herrn Ludwig’s Poliklinik geschickt, da bäte E. nun um Angabe, wie diese Dia¬ 
gnose gestellt wäre. Viele Kinder haben Mandelschwellnngen mittleren Grades — 
die Füllung des adenoiden Gewebes wechsele leicht —, noch mehr die der Nasen- 
schwellkörper. Im Liegen werden sie blutreicher — und die Kinder sind im Schlafe 
an der Nasenathmnng behindert —, während man am T^e der Athmong nichts 
besonderes anmerkt 

Bei diesem Zustand kommen sie natürlich herunter. Die von Herrn Saenger 
eingeachlageue Therapie spricht nicht g^en E.’s Anschauung — denn diese Fälle 
behandelt E. auch mit roborirenden Mitteln mit gutem Erfolg, ohne zu operiren. 

(Autorreferat) 

Saenger (Schlusswort) betont gegenüber Herrn Lenhartz und Kaufmann 
nochmals die Häufigkeit der Neurasthenie im jugendlichen Alter und weist daranf 
hin, dass schon recht oft in der Medicin Krankheiten erst erkannt worden smen, 
nachdem auf sie speciell geachtet und untersucbt wurde, so vor allem die männliebe 
Hysterie, die Hemianopsie, Basedow, Akromegalie u. s. w. 

Den Standpunkt des Herrn Böttiger, der die 3. Gruppe der Hysteronenrasthenie 
nicht gelten lassen will, theilt S. gamicht, indem er sich auf Charcot bezieht, und 
betont, dass es vor allen Dingen nöthig sei, die klinischen Bilder so zu schildan, 
wie sie sich in der Natur darbieten. So geklärt, wie B. sich die Ansichten über 
Hysterie und Neurasthenie denkt, sind dieselben noch lange nicht Für b«de Br- 


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338 


knatang« steheo wir bis jetzt noch anf dem Boden der Hypothese. Was speciell 
Aasiebt ron B. betrifft, dass die 8<^. hysterischen Stigmata s&mmtlich snggerirt 
mm, m iut schon Nonne anf die Ünhaltbarkeit dieser Behauptung hingewiesen, 
^•deil fllr die Gesichtsfelder hebt S. her?or, dass dieselben durch die neue Wil> 
briad'icbe Untennchnngsmethode mittelst Dunkelperimeters an Gzactheit sehr ge- 
voeaeo haben. Bs sei zu bedauern, dass bis jetzt auf deutschen Hochschulen diese 
Methode nicht die Beachtung gefunden bat, die sie verdient 

S. erwidert Herrn Nonne, dass er die Hypnose deshalb im Kindesalter nicht 
wwHide, weil er dieselbe als eine kflnstliche Hysterie ansähe, die das Kind noch 
hjiteriKber machen könne als es ist, und da es viel weniger schäd^ende, ebenso 
rauh nm Ziel führende Heilfactoren gäbe. Ferner berOhrt 8. die Frage nach der 
Tirbuikeit dn Blektrotherapie, die Nonne überhaupt nur als Suggestivmittel be- 
taiebte. Bei der Hysterie trifft das zu, nicht jedoch bei einer ganzen Beihe von 
Srfaukongen der Nervensystems, da es sehr wohl auf die Art und den Ort der 
Bthtfidlnog ankäme. 

Zzm Schloss weist S. nochmals auf die zunehmende Nervosität im Kindesalter 
bin, vwbalb die Anstellung von Schulärzten ein unbedingtes Erfordemiss der Zeit 
•i- (Autorreferat.) 

Nonne (Hamburg). 


Berliner oeeellsohaft f&r Fsyohiatrie und Nervenkrankheiten. 

Sitzong vom 14. März 1898. 

Faul Cohn (als Gast): Vorstellung sweler Fälle von Friedreioh’aoher 
Atazle (cf. Originalmittheilung in dieser Nummer). 

Geelvink: TJeber alimentäre Olyoosurle bei Nervenkrankheiten. 

V<Htr. führt aus, dass die Ässimilationsfähj^keit für eine und dieselbe Zuckerart 
bei Gesunden schwankt und zeitlichen Differenzen unterlegen ist; auch die 
zwischen physiolc^^ber und pathologischer Glycosurie ist eine schwankende. 
Tn Tersoehen, welche man in dieser Richtung anstellte, müssen Patienten mit irgend 
vdehn Terdauangstömngen (auch Alkoholiker und Fettleibige) ausgeschlosseu werden, 

die Assimilationsfähigkeit in diesen Fällen in der einen oder anderen Weise 
foUrt sei 

Jieksch hat znerst die Ansicht ausgesprochen, dass die Herabsetzung des 
Aüüahonsvennt^ens zn den Symptomen der Neurosen gehöre. In ähnlichem Sinne 
hmevte sich Strümpell. Die neuesten Untersnchongen über diesen Punkt sind 
TU Straoss, F. Mendel n. a. angestellt, an welche sich die Yersnche des Tortr. 
annihsiL 

Tortr. nntersnchte 82 Patienten; von diesen litten 46 an organischen Erkran- 
kogen des Centralnervensystems nnd 36 an Neorosen. Bei der ersten Kat^rie fand 
Tortr. io 6,5 ein positives Besoltai Unter den 36 Fällen von Nenrosen waren 
3} Kilo von Neurasthenie. Ton diesen 32 waren 24 Patienten, welche ihre Krank- 
k«t nf einen Unfall znrflckffihrten. F. Hendel fand unter 25 Fällen von sogen, 
^naahecher Neurose 5 Mal alimentäre Glycosarie, während Strauss bei seinen 
Tcnehan einm höheren Procentsatz hatte; letzterer legt deshalb dem Trauma eine 
l*riise Bedeutung bei für die Entstehung der Glycosurie. Yortar. fand in dieser 
Bassbang swisohen tranmatiscber nnd nicht tranmatisober Neorose nur einen an- 
vMallkhen Untwechied. Bei den organischen Erkrankungen, deren Entstehong auf 
m Trsoma lurflckgefübrt wurde, fand sich kein Fall, der positiv aasfiel. Auch 

Usseen eich IMne besonderen Symptome bei Nenrasthenikem, welche alimentäre 
%coearie zagten, nachweisen, durch welche sie sich vor den anderen irgend me 


Dig'H^cd Dy Google 



3S4 


aüszeichoeten. Yortr. meint, dass aoch ans seinen Yereuchen herroi^be, dass der 
diagnostische Werth der aliment&ren Olycosnrie ein sehr geringer sei 

Hirschfeld kann dem Yortr. bez&glich seiner Ansicht Aber den diagnostischen 
Werth der aliment&ren Gljcosorie nur beistimmen. H. fand bei wohlgen&hrten Per¬ 
sonen nach einer Periode reichlicher Em&brong und Rahe Zncker im Urin anftreten; 
dieses Pb&nomen sab er wieder schwinden, wenn diese Personen anf schmälere Kost 
gesetzt waren and reichliche Moskelth&tigkeit ansUbten. 

Arndt hat anch diesbezftgliche Yerenche bei Hysterischen and bei Psychosen 
angestellt nnd kam dabei zn ähnlichen Besaltaten wie Stranss. Er kann deshalb 
dem positlT aosfallenden Yersncbe, wenn er beständig ist, and Complieationen nicht 
vorliegen, einen gewissen diagnostischen Werth nicht abspreohen. 

E. Mendel schliesst sieh den Anschaaongen des Yortr. an; die sehr kleinen 
Kahlen, mit denen Arndt operirt hat, sind nicht beweisend, ebenso wenig die kleinen 
Procentdifferenzen; H. hat sich mit der Frage vielfach beschäftigt, ein bestimmtes 
Resultat aber ist nicht erzielt worden. 

Falkenberg ftagt an, ob die Patienten, die Arndt untersacht hätte, besonders 
unruhig waren and ob sie dabei vielleicht eine starke Haskelth&tigkeit aa^Abt 
hätten. 

Arndt bestätigt letzteres. 

Schlapp: Ueber die ortUohen Versohledenhelten der Oroeshlmrinde. 

Angesichts der verschiedenen Anschaaongen Aber die Schichtung der Hirnrinde, 
in dem einzelne Autoren (Bevan Lewis) annehmen, dass die Hirnrinde Artlieb ver¬ 
schiedene Schichtungen zeigt, andere dag^en (Bamdn y Cajal) der Ansicht sind, 
dass die Hirnrinde überall einen gemeinsamen Typus, nämlich einen vierschichtigen 
Bau aufweise, hat Yortr. noch einmal diese Frage einer genaueren FrAfung unter¬ 
worfen. Zur Losung derselben hat er bei verschiedenen Thieren, Pteropns, Katze, 
Affe, und auch beim Menschen Frontal- und Horizontalschnitte durch die Grosehim- 
hemisph&ren gelegt und letztere nach der Nissrscben Methode geerbt Yortr. 
demonstrirt an diesen Präparaten den Bao der Hirnrinde in den verschiedenen 
Gegenden. Während bei Pteropus die Zellen der Hirnrinde einen ziemlich gleichen 
Bao zeigen und sich bei diesem Thiere ziemlich durchweg ein fünfschichtiger Typus 
aufBnden lasse, ist die Hirnrinde bei höheren Thieren und beim Menschen je nach 
der Oertlichkeit verschieden. So sind z. B. die Schichten der grossen Pyramiden- 
zellen bei ihnen mehr an die motorischen Regionen geknüpft; ausserdem schwankt 
die Zahl der Schichten vielfach und man kOnne Rindenbezirke von nur vierschichtigrai 
Bau und solche bis zu achtschichtigem Baue unterscheiden. Yortr. demonstrirt ferner 
an seinen Schnitten, wie gewisse Zellschichten an einzelnen Stellen mitunter sich 
allmählich verlieren, zuweilen sogar plötzlich aufhOren. Er kommt dann speciell anf 
die Schichtung der Rinde der Sehregion zu sprechen, die von einzelnen Autoren in 
den Gyros angularis, von anderen (Munk) um die Fissura calcarina verlegt wird. 

Auf Grund seiner Untersuchungen kann er sich bezüglich dieses Punktes oor 
den Anschauungen Munk’s anschliessen. 

Jacobsohn fri^ ob Yortr. ausser den schonen grossen Schnitten, die er an- 
gefertigt hat, vielleicht aoch noch aus den einzelnen Regionen der Hemi^b&re 
kleinere Stücke genommen und alle in gleicher Art, nämlich senkrecht zur Ober¬ 
fläche geschnitten habe. Anf solchen grossen Schnitten werde die Hirnrinde in den 
einzelnen Partieen zn verschiedenartig getroffen, die einen Theile mehr senkrecht, die 
anderen mehr horizontal Je senkrechter nun der Schnitt falle, um so sicherer sei 
man, dass man alle Schichten der Rinde vor sich habe, und umgekehrt, je boriaon- 
taler die Rinde durchschnitten werde, um so weniger Schichten werden getectfen 
sein. Dass diese verschiedene Schnittrichiung hier vorliege, gehe aus der ausser- 
ordentlich verschiedenen Dicke der Hirnrinde hervor, welche man an den Präparaten 


Dig i/oö 


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335 


sibe. Je schriger die RiniriDde dorchsctmitten sei, um so weoiger pr&ge sich aach 
di« Sebichtimg derselben aas. 

Schlapp erwidert, dass er die Hemisphären nach allen Sichtangen hin durch* 
sdiaittaD habe, and dass die Vergleiche der einselnen Theile immer za denselben 
ff» ihm demonsbrirten Besoltaten geführt haben. Jacobsohn (Berlin). 


Verein für innere Medioin in Berlin. 

Sitzung Tom 17. Januar 1898. 

(Deatsche med. Wochenschr. 1898. Nr. 7.) 

Qoldscheider; Veränderungen der Nerrenaellen bei fiebernden 
Xeoaoheo. 

Qoldscheider and Flatan fanden behanntUch bei erwärmten Kaninchen Yer* 
iadenuigRi der Nervenzellen mit Nissrs Methode. Ganz analoge Anomalien fanden 
sieh an den motorischen Ganglienzellen zweier fieberhafter Fälle: einmal handelte es 
sieb um einen Tetanaskranken, welcher den letzten Tag 39,9 batte, im zweiten Falle 
sa ein seharlachkrankes Kind mit Temperataren von 40,5—40,9 in den letzten 
ewei Lebensstonden. Ein Functionsaosfall der veränderten ^Uen trat nicht za Tage. 
Bei welcher Temperator die Zellenveränderungen aoftreten, ist nicht sicher za sagen. 

In der Discassion demonstrirt zanächst Brasch, Assistent Goldscheider’s, 
die Pliparate der besprochenen Fälle. 

Klemperer fra^ an, ob die GanglienzellenTeränderai^n wirklich nnr von der 
Fieberhitze herr&hren and ob nicht eventaell Wirkung des Scharlachgiftes vorliegen 
ttaae. 

Brasch konnte die gleichen Veränderungen in einem Falle von Myelitis und 
Maingitis mit terminaler Temperatnrsteigercng erheben, und glaubt daher, dass die 
Veriodemngen der Ganglienzellen auf der Hyperpyrese allein beruhen, zamal ähn* 
Ikhe Teränderungen bei Infectionskrankheiten, welche ohne so hohes Fieber eiuher- 
giagoi, anscheinend nicht beobachtet sind. 

von Leyden mdchte wissen, ob die Veränderungen, welche das Tetanu^ft in 
den OangUen^len erzengt, von den durch hohe Temperatur bedingten verschieden sind. 

Jakob bittet um Auskunft, ob die durch das Tetanustoxin bedingten Ver* 
iad«a^;en bereits abgeklongen waren oder diese Veränderungen durch diejenigen, 
wdebe »hdhte Temperaturen herbeifOhren, nnr verdeckt worden sind. 

Litten erinnert an seine Arbeiten Ober parenchymatöse Degeneration durch 
Uebohitzong, und frägt, ob die Ganglienzellenveränderungen an stark erhitzten Thieren 
•bofiüls rfickbildungsfähig sind. 

Goldscheider bejaht die letzte Frage unter Hinweis auf seine früheren Mit* 
ibmlwngen. Bei tetanisch gemachten Thieren findet sich eine Schwellung des 
Eerakürperchens und der Nisel’sehen Körperchen, weiterhin tritt Zerfall ein, endlich 
Ssititiition. Bei Ueberhitzung lösen sich die NissTschen Körperchen bis auf 
Beste auf, die Zelle wird gleichmässig hellblau, das Kemkörperchen oft eckig und 
verUesnert, die Plasmafortsätze schwellen an, werden homogen, die Nissl’schen 
K^perehen lösen sich in ihnen auf. Der Tetanuskranke starb am 6. Tage, die Frage 
dir Beziehung der gefundenen Zellveränderungen zu den tetanischen Veränderungen 
vftrde complidrtere Besprechung erheischen. 

Jastrowitz: Znr Kexmtniss and Behandlung der Nearalgia oooipltalis. 
(TsröfleBÜicbung erfolgt später in der Deutschen med. Wochenschr.) 

B. Pfeiffer (Cassel). 


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336 


IV. Vermischtes. 

Zn der' am SO. April and 1. Mai d. J. in Jena stattfindenden TTT Venammlung 
mitteldeutsoher Fsyoliiater und Neurologen beehren sich die nnterzeichneten Ge¬ 
schäftsführer ganz ergebenst einznladen. 

Sonnabend, den 30. April, von 8 Uhr Abends an: OeselUge Vereinigung im Hötel znm 
schwarzen Bären. 

Sonntag, den 1. Mai: I. Sitznng: 9 Uhr Vormittags; II. Sitzung: 1 Uhr Nachmittags, 
beide in der psychiatrischen Klinik, Oberer Pbilosophenweg 3. 

Festmahl: 4'/« Uhr Nachmittags im Hotel znm schwarzen Bären. 

Tagesordnung: 

1. Hitzig (Halle): Ein Beitrag znr Himchimrgie. — 2. Oppenheim (Berlin): Uber 
Brachialgie und Brachial-Nenralme. — 3. Mavser (Hildburghansen): Beitrag zur Lehre von 
der Manie. — 4. Sänger (Hamburg): Ueber hysterische Angenmnskelstbrnngen. — 5. AU 
(Uchtspringe): Ueber Gbeel und die dortige familiäre Irrenpfiege. — 6. Sohäfer (Boda); 
Ueber angeborene isolirte Facialislähmnng. — 7. Warda (Blankenburg i./Tb.): Ueber d%e- 
nerative Ohrformen. — 8. Teuscher (Dresden): Einige Hittheilungen über sn^estiTe Be¬ 
handlung. — 9. Laudenheimer (Leipzig): Ueber nervöse und psychische Störungen der 
Qnmmiarbeiter. — 10. Möbius (Leipzig): Psychiatrische Qöthestudien. — 11. Stintzing 
(Jena): Beitrag zur Lehre vom Tetanus. — 12. Ilberg (Sonnenstein): Die Bedeutung der 
Katatonie. — 13. Ziehen (Jena): Beitrag znr Pathologie des circularen Irresmns. — 

14. Mattbes (Jena): Ueber Bückenmarksveränderungen bei Polion^elitb acuta. — 

15. Eöppen (Berlin): Ueber Porencephalie. — 16. Hösel (Zschadrass); Ueber einige seltene 
secund^e Degenerationen nach Herden in der Insel und im Thalamus opticus. — 17. Bins- 
wanger (Jena): Patbolo^ch-histologische Demonstrationen, a) Zur Lymphcircnlation der 
GrosAimrinde. b) Artenosclerotische Hirndegeneration. 

Wenn auch eine Zeitdauer für die einzelnen Vorträge nicht bestimmt ist. so wird doch 
gebeten, dieselben thunlicbst nicht über 20 Minuten und diejenige der Bemerkungen in der 
Discussion nicht Über 5 Minuten auszudehnen. 

Anmeldungen zu weiteren Vorträgen werden baldigst, Anmeldn^en zn dw Theilnahme 
am Festmahl (Gedeck 4 Mk.) werden bis zum 20. April an den I. Geschäftsführer (Bins- 
wanger-Jena) erbeten. Die Herren Theilnehmer werden in der Lage sein, die Abwd- 
Schnellzüge in der Bichtang Weimar, Gera, Grossheringen und Saalfeld zu benntzen. 

Das Hötol znm schwarzen Bären and das Hötel zur Sonne werden als Absteigeqnartire 
empfohlen. 

Um Weiterverbreitung dieser Einladnng wird gebeten. 

6“te ri-J willkommen. OeschäfUfShror, 

Biuswanger (Jena). Hitzig (Halle). 


Die diesjährige Wanderversammlnng der südwestdeutsohen Ifetirologen 
Irrenärzte nndet am 21. und 22. Mai in Baden-Baden statt, (jeaohäftsfübrer sind 
Director Fr. Fischer (Pforzheim) and Prof. J. Hoffmann (Heidelberg). 


V. Personalien. 

Unser verehrter Mitarbeiter Herr Dr. Sarbö wurde znm PriTatdooeoten an der 
Universität zu Budapest emanut 


VI. Berlohtlgung. 

Neurolog. Centralbl. 1898, Seite 169, Zeile 16 von oben statt: von sobweren Formen 
der Amnesie — schweren Formen der „Amentia**; Seite 232, Zeile 11 von unteu, statt: 
Glnbarducci — „Ghilarducci“. 


Um Einsendung von Separatabdrficken an den Heraasgeher wird gebeten. 

Einsenduagen für die Redaction sind zu richten an Prof. Dr.B. Mendel, 
Berlin, NW. Schiffbanerdamm 20. 

Verlag von Vkt & Comp, in Leipzig. — Dmck von & Wime in Leip^. 


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Das mediciD. Aotiquariat von Franz Deuticke in >Vien I kauft stets 
ganze Bibliotheken und einzelne Werke bei streng gewisseuhalter Sehätzung. 

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und Therapie des Nervensystems einschliesslich der Geisteskrankheiten. 

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Professor Dr. E. Mendel 

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ebhkndlon^en des In- and Aoslandes. die FosUnstsiteu des DentucheD Reichs, 
sowie direct Ton der Yerl&gsbuchhsndlnng. 

| 3 ,y^y' 15 . April. Nr. 8 . 

Leipzig. 

Verlag von Veit & Comp. 

1898. 

ANKÜNDIGUNGEN, 
Bekanntmachung. 

Die Stelle des Oberwärters so der Königlichen Ujüversitatä-i>sycbm' 
tiod ^erreii'Klinik zu Halle a. S. ist zum 1. Juni 1898 mit einem 
litaar«thdienst, insbesondere der Pfl^e von Geisteskranken, erfabreneu 
neu zu l>esetzen. Anfangsgehalt 800 Mk. neben Familieowobnung und 
ataiioD im Werthe von 600 Mk. Meldungen sind die Direction 
ds vagenannten Klinik zu richten. 

HalU> u. 8.. den 5. .April 1898. Prot. Hitaig. 


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Hoitttlieh erscheinen zwei Nnmmem. Preis des Jahrguiges 84 Mark. Zn beziehen durch 
ftUe BnchhandloBgen des In« and AnsUndes, die Fostanstalten des Dentschen Reichs, sowie 
direct TOD der Yerlagsbachhandlnng. 

\m 15. April. “ Nr. 8. 

I. OrigiuümHtheiliiNgen. 1. Zar Aetiologie der fanotioDellen Nenrosen (Ujsterie and 
NeorsstheDie}, von Dr. R. Vigeuroux. 2. Oeber die allgemeine progressive PsrMjse der Irren 
bei Frsnen, von Dr. med. B. BreideRberg. 8. Untersacbangeo Aber das Röckenniark und 
das Eleinh^ der V5gel, von Dr. k. Friedllnder. (Fortsetznng folgt) 

U. Referate. Anatomie. 1. Die I^eitungsbabnen des Rückenmarks und des Gehirns, 
TOD V. Bechterew. — Experimentelle Phvsiologie. 2. Ueber colorirten Geschmack, von 
Oersen. 3. Note snr no nouveau cas d’auiUtion colorde, par firafd. 4. Further remarks on 
coloar bearing, by Colman. 5. Interferenz zwischen verschiedenen Impulsen im Central* 
KmnsTstem, von Hofbauer. 6. Zu J. Rosentbal's (Erlangen) nnd M. Mendelsohn’s (St. Peters* 
borg) Mittheiluog: lieber die Leitungsbabnen der Reflexe nnd den Ort der Reflexfibertragung, 
TOB Erben. — Pathologische Anatomie. 7. Contributo all’ anatomia patologica del 
tnnma nervoso, per de Luzenberger. 6. Sn d’una speciale alterazione delle cetlule gangliari 
pmdotta da tranma sperimentale, per de Luzenberger. — Pathologie des Nervensystems. 
9. üeber Unfalierkrankangen, von Schutz. 10. Ein Fall von schwerer Schädelläsion mit 
gtBstigem Aasgange, von Kunze. 11. Ueber einen weiteren Fall von nervösen Folffeznständen 
nseh Gehimenchütterung mit Sectionsbefnod, von Friedmann. 12. Sabarachnoideale seröse 
E i sad at ion nach Kopfverletzungen and dadurch hcrvoigerufene Drocksymptome, von Walton. 

13. Ueber das AuRreten vou Himgeschwülsteu nach Kopfverletzungen, von Adler. 14. Von 
der Terwachsung oder Steifigkeit der Wirbelsäule, von v. Bechterew. 15. Bemerkung über 
die ehronische ankylosirende Entzündung der Wirbelsänle und der Hüftgelenke, von Strümpell. 

14. Snr an cas de cyphose heredo*traamatique, par Marie et Aatid. 17. Experimentelle Unter* 
swangen über RüCKeniharkserschätteruDg, von Kirchgisser. 18. Zar Beurtbeilnnff der nach 
fiNnbahnnnfallen auftretenden Erkrankungen, von Stadelmann. 19. ConcassioD of the ^inal 
eocd (railway spine), bv Wlllard and Splller. 20. Beitrag zur Beurtheilung der nach Eisen* 
bahnunfäUen auftretendeu Srkraukungen, von Stepp. 21. Ueber traumatische BlutuDgeu um 
nad in das Rückenmark, von Stolper. 22. Zur Lehre von den UnfallserkrankoDgeQ des 
Bflekenroarks: Ueber Poliomyelitis anterior chronica nach Trauma, von Erb. 23. Poliomyelitis 
saterior acuta nach ünfalL von Franke. 24. Ueber Nervenkrankheiten nach Kücken* 
verietzungen, voo Laebr. 25. Zur Beurtheilung der Rückenschmerzen bei Unfallpatienten, 
von tcbisler. 26. Ueber oiganiscbe Nervenkrankheiten nach Unfall, von Singer. 27. Notes 
OB a case of traumatic injury of the pnenmogastric, bypoglossal and sympathetlc nerves, 
bj Hirsch. 28. Traumatic neurastbenia and byateria, by Knapp. 29. Ett fall af trauroatisk 
hyiteri, orsakad af en nal, som intrangt i veostra Daten, af Dahlborg. 30. Een geval trau* 
natiache bysterie, door Muakeus. 81. Hysterische Tachypnoe nach Trauma, von Goldschmidt. 
32. Hystenscbe Hemiplegieen, von Auerbach. 83. Ueber hysterisches Stottern, von Cramar. 

' 34. üeber Lufldruckläbmungen, von Dräsche. 35. Minenkrankbeit, von Lazarus. 36. Die 
^ Muskelthätigkeit in der pnenmatiachen Kammer, von v. Liebig. — Psychiatrie. 87. Eine 
I neae Form der periodischen Psychosen, von Ziehen. 88. An analysis of three thousand 
eaeee of melaneholia, by Mitchell. 39. Headache with visnal hallacinations, by Mitchefl. 
, 40. Contribnto allo studio della demenza consecutiva, per Mondio. 41. Ein Fall von acuter 
Pr(eh>^e als Tbeilerscheinong einer SalicylsäureintoxicatioD. von Saloschln. 42. Ueber In* 
le^tionspeycbosen, von WestpfaaL 48. Ueber einen Fall von QuerulanteDwabDsInn mit 
ieUem Ansn^ in „Delirium acutum“ bei einem SyphilitiBchen, von Henneberg. 44. Simu¬ 
lation von ueistesstörung, Typus: Copie des Kindes, 1'/,jährige „L^mung“, von Dietz. 
45. Om Simulation af Siudssygdom, af Kirstein. 

Ul. Persanalien. _ . 

22 


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338 


1. OriginalxDittheilongen. 


1. Zur Aetiologie der functioneilen Neurosen 
(Hysterie und Neurasthenie). 

Von Dr. R. Vigourouz, 

U^decin de PIoBtitat Monioiptl d’^lectroth^rapie (ä )a Salpdtri^re) Paris. 

Unter dem oben genannten Titel hat soeben (Neurolog. Centralbl. 1898. 
Nr. 6) E. Biebmacki eine interessante Arbeit veröffentlicht, über die einige Be¬ 
merkungen zu machen ich für nothig eiachte. Der Verfasser fasst folgender- 
maassen seine Schlusssätze zusammen: 

„Es erscheint wahrscheinlich, dass die sogenannten fnnctionellen 
Neurosen (Hysterie und Neurasthenie) keine primären Erkrankungen 
des CentralnerTensystems, sondern nur secundäre Symptomen- 
complexe in Folge der Einwirkung der Producte einer primären 
Oxydationsstörung auf das Nervensystem sind. Somit sollen die 
Hysterie und Neurasthenie Erkrankungen ganz von demselben 
Wesen sein, wie Zuckerkrankheit, Oicht, krankhafte Adiposität, 
überhaupt pathologische Zustände, welche auf abnormen Oiydations- 
processen im Organismus beruhen.“ 

Im Anfänge seiner Mittheilung kündigt Biebkacki diesen Schluss an und 
fügt hinzu: 

„Darf ich meine Auffassung ganz neu vielleicht nicht nennen: dieses und 
jenes lässt sich wahrscheinlich hier und da antfinden, die Idee existirt, scnu- 
sagen, im schlummernden Zustande. Es scheint nur, dass die mitzutheilenden 
Ansichten in der gewählten Form und Abrundung noch nicht ausgespitK^n 
wurden.“ 

Diese Annahme scheint mir nicht den Thatsachen zu entsprechen. Ich 
glaube im O^ntheil, dass diese Erklärung der Neurosen schon ganz klar ge¬ 
geben worden ist und selbst, wie wir es später sehen werden, in ganz gleichen 
Ausdrücken, wie diejenigen, deren sich Biebnacki bedient hat. Einige Gitate 
sollen den thatsächlichen Stand der Frage zeigen. 

Betrachten wir zuerst Auszüge aus einem Kapitel über die Elektrotherapie, 
die ich im Traitö ]^lömentaire de Thörapeutique de Manqnat (3. Au^be) ver¬ 
öffentlicht habe (Paris bei Bailliöre). Ol^leich das Werk die Jahreszahl 1898 
zeigt, ist es thatsächlich Mitte 1897 erschienen. Im II. Bande, Seite 914 
heisst es: 

„Neurasthenie. La forme de la maladie oü röussit le mienx le traitement 
ölectrique et hygiönique est celle oü une influence arthritiqne est dömontröe, 
soit par les antöcedents, soit par Texamen urologique. C’est d’aiUeurs la 


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339 


forme la plus commune et de beaucoup. L’aualyse de Turine constate 
rinsiiffisaiice de la d^sassimilation et snrtout un abaissement notable du 
coefficient azoturique.“ 

Seite 915: 

„Hysterie. Le choix des mojens de traitement d6pend de l’id^e que Ton 
äe de la nature de la maladie. Dans ces demiers temps a prevalu l’opinion 
qni consid^re Thyst^rie comme une psychose. Noos ne la discuterons pas ici; 
Hais eu admettant qa’on ne se soit pas exagere l’importance des troubles psy- 
eiuqaes, lesqaels ne sont pas oonstants d’aUleurs et qu’oo n’ait pas systd* 
mabqnement ecartd les symptomes d’ordre commun, il n’en reste pas moins 
^tre et certaines diatb^ses, des relations qui ne sauraient §tre iudififi^- 

renta. En d’autres termes, nous ne pouTons pas n^liger le terrain oü drolue 
«eäe psychose. Or, on connait ddjb cliniquement les rapports de 
• hyst^rie arec le groupe dit arthritique. Dans les nombreuses ana* 
ijses que nous arons fait faire d'urines proreuant de malades at> 
teints d’bysterie convulsiTe ou non, nous avons toujours constatd 
etiondegrd trds marqud, les caraotdres qui indiquent un ralen- 
tissement des combustions et de la ddsassimilation. ... 11 y a donc 
ckezies bystdriques une maladie diathdsique qui a prdcddd la psy- 
cbose et Taccompagne. Et nous avons ainsi k enrisager le traite- 
Qest i deux points de Tue: 1^ la diatbdse ou l’dtat de la nutrition; 
2^ les accidents nerveux pioprement dits. De ces deux points de 
le Premier est sans contredit le plus important.“ 

Seite 91Ü: 

„Maladie de Basedow. Cette maladie forme avec les deux precddentes 
Nenrastbdnie et bysterie) une triade indissoluble pour plusieurs raisons. D’abord 
^ les rencontre frdquemment assocides ou combindes; ensuite eiles ont les 
aiemes traits caracteristiques en ce qui concerne la nutrition et les 
fflemes affinitds cliniques. Elles se relient toutes trois b un groupe de 
aialadies, telles que le diabdte, le rhumatisme, la lithiase hdpa- 
tiqae et renale, l’obdsitd, la goutte, la choree, la migraine, qui les 
eofflpiiqaent frdquemment ... L’examen de l’urine suffit alors k montrer 
raitemance k intervalles irreguliers de deux dtats opposes de la nutrition. L’un 
'^canetdrise par la diminution de tous les excrets normaux et la faiblesse du 
-oeffieieDt azotuhque; c’est la persistance de la diathese. L’autre diamdtralement 
et dü b Tintoxication thyroldienne, prdsente tous les caractdres de la 
^otiition rapide etc.“ 

DiCBe Auszüge wiederholen nur die Ansichten, welche ich seit langer Zeit 
ö einigen Zeitschriften und zwei Büchern (at^enblicklich Tei^iffen) vertreten habe. 

Idi werde nur von den beiden letzteren sprechen. Das erste betitel sich: 
Die Neurasthenie von Leyilläin, mit einem Vorwort vou Prof. 
Cbabcot und einer therapeutischen Mittheilung von Dr. R. Vioou* 
üorx, Paris 1891, bei Maloine. 

22 * 


Google 


340 


In dieser Mittheilung, welche von der vollständigen Behandlung der Neur¬ 
asthenie handelt, empfehle ich als hauptsächlichstes elektrisches Mittel die 
Franklinisation, und ich begründete meine schon langjährige Ansicht durch die 
Wirkung, welche die statische Elektricität auf den organischen Stoffwechsel 
und hauptsächlich auf die Oxydationen ausübt. Mnner Ansicht nach muss auch 
die Behandlung der Hysterie im Wesentlichen derjenigen der Neurasthenie 
gleichen. 

In dem zweiten Werke ist die Frage enger begrenzt, wie es schon der 
Titel anzeigt: Neurasthenie und Arthritisme von R. Vigouroux, Paris 
1893, bei Maloine. Ich will davon nur einige Zeilen hervorbeben, um das so¬ 
eben Mitgetbeilte zu vervollständigen. 

Seite 2: 

„U est pourtant naturel de reconnaltre que Peiäment nerveux n’est pas 
isole dans l’oiganisme et qu’il est soumis aux mämes infiuences communes que 
les autres. Ainsi il se nourrit, il est en contact avec le plasma; sa maniäre 
d’etre, ses fonctions doivent se ressentir des variations eventuelles de la com- 
position du sang. G’est donc par une dMuction logique que dans la thära- 
peutique des n4vrose8, apr^s avoir accordd Tattention voulue ä la 
forme des troubles fonctionnels, nous cheroherons une influence 
possible dans l’ätat de la nutrition.“ 

Seite 23: 

„La maladie (diath^se) acide, öcrivait Bence Jones en 1867, est 
caractdrisee par la dimlnution des oxydations et rinsuffisance de 
reiimination des dächets. 

C’est exactement Vetat morbide si bien etudiä plus tard par Boucbard sous 
le nom de ralentissement de la nutrition et qui correspond, comme on sait, ä 
l’arthritisme de Bazin et ä rherp4tisme de Lancereaux. 

Les neurasth^niques sont donc des arthritiques. La proposition 
n’est pas nouvelle; mais jusqu’ä präsent eile ne s’appuyait que sur des consi- 
därationscliniques, c’est-ä-dire discutables. L’urologie lui donne l’objectivite 
et la nettete d’un fait chimique.“ 

Seite 39: 

„L’hypothermie est le räsultat Evident de la moindre oxydation. Chez les 
neurastb4niques ce räsultat peut avoir une influence patbogänique. Ainsi rin¬ 
suffisance du caloriqne produit dätermine des prooessus de compeusation tendant 
ä diminuer la perte de chaleur par rayonnement Tels sont les spasmo vas- 
culaires qui ischämient les t4guments et donnent lieu ä des andsthdsies cntandes 
ou ä des sensations de froid. 

Donc l’unique conclusion ä tirer de ces donndes est que l’ar- 
thritisme est une condition ndcessaire au ddveloppement de la 
neurasthdnie. Aller plus loin serait se jeter dans les hypothdses. 

Parmi celles-ci, une des plus acceptables est Pauto-intoxication. 


- r i.,GOOglC 



341 


Je ferai remarquer qu’ou pect Tadmettre sans Ini suppoeer, comme foyer d’ori* 
^e, one dilatation de restomac. 

Les conditions de la notritioD, Tinsuffisance de r^limination chez les artbri- 
tiqees rendent vraisemblable la formation et la r^tention des mati^res toxiques.. 


Seite 100: 

„Le ^ndrome de Basedow qoi, aiosi qu’on le sait, complique parfois la 
oeorastb^nie.“ 


Seite 109: 

„Reflexions generales sur le traitement de la neurasthenie. Le 
caract^re prinoipal de ce traitement est d’dtre antidiathesiqne et 
aoD symptomatique. II est fondd sur T^tat de la nutrition apprdoie 
ao moyeu de l’urologie.“ 


Seite 111: 

„La L^klinisation agit ^videmment sur l’^lement nerveux, mais I’obser 
Taüon cbnique et rexpdrimentation pby8iol<^que prouvent qu’en outre eile active 
les processus de la nutrition.“ 

Im Vorgehenden habe ich zur Genüge gezeigt, dass ich ganz klar die 
Theorie der Neurosen seit einer Reihe von Jahren auseinandergesetzt habe. Ich 
fäge noch hinzu, dass ich mich bei meinen Auseinandersetzungen einerseits auf 
Hunderte von Analysen, andererseits auf therapeutische Resultate stütze. 

Es ist sehr beachtenswerth und sehr erfreulich, dass Biebnacki auf ganz 
anderen W^en zu denselben Schlüssen gekommen ist. Diese Thatsache wird 
genügen, auf eine gleich wichtige, sowohl theoretische, als auch praktische Frage 
aufmerksam zu machen. 

In einer demnächst erscheinenden Arbeit über die Neurasthenie werde ich 
Gel^enheit haben, die wichtige Rolle, welche die Dyscrasie spielt, zu betonen 
und die beschränktere Rolle der psychischen Einflüsse und der TJeberarbeitung 
zu zeigen. Dabei werde ich zugleich einige urolc^ische Thatsachen meiner 
Arbeit von 1893 berichtigen. 



2. Ueber die allgemeine progressive Paralyse der Irren 

bei Frauen.^ 

Von Dr. med. B. Oreldenberg, 

dirigirendeiD Arzt der LandesirrenaDstalt zu Symferopol (Erini>BiiBElaDd). 

Hochgeehrte Versammlung! Wenn ich mir die Freiheit nehme Beute vor 
mem solchen competenten Auditorium mit einem Vortrage über die allgemeine 
Paralyse voizntreten, so thne ich es gewiss nicht desw^en, weil ich Ihnen 


* Vortrag, gehalten io der Section fQr Nerven* und Qeuteskrankheitea des XII. inter- 
utionalen Congresees in Hoekan im Angnst 1897. 


Google 



342 


etwas Neues über diese Allen hinlänglich bekannte Krankheit mittheilen könote, 
sondern weil — wie ich schon einmal Gelegenheit hatte in einem anderen Vor¬ 
trage über dasselbe Thema mich aasznsprechen ^ — die progressive Paralyse 
eine par excellence individuelle Krankheit darstellt, sie trägt an sich nm so 
mehr als irgend eine andere psychische Form locale, nationale, intellectuelle, 
professionelle, sociale und noch andere Merkmale der Kranken, dass jeder 
Psychiater, welcher ein ziemlich genügendes klinisches Material besitzt, immer 
noch über diese E^nkheit sein Wort änssem kann. In der letzten Sitzung 
des Vereins russischer Aerzte zum Andenken PmoooFp’s in Kiew theilte ich 
meine Beobachtungen über die progressive Paralyse im Allgemeinen mit, heute 
will ich über diese Krankheit speciell bei Frauen sprechen. 

Die Geschichte der Lehre über die progressive Paralyse bei Frauen stellt 
etwas Merkwürdiges dar. Noch Mitte unseres Jahrhunderts wurde die Krank¬ 
heit bei Frauen gänzlich verleugnet, und sogar im Jahre 1859 behauptete eiu 
solch’ erfahrener Psychiater wie Neumann, dass die progressive Paralyse eine 
ausschliesslich männliche Krankheit sei, dass er keine Ausbildung einer echten 
progressiven Paralyse bei der Frau ebensowenig wie z. B. eine Nymphomanie 
bei dem Manne zulassen könne. Aber schon im Jahre 1870 stellte Sakdeb 
die Ansicht auf, dass die progressive Paralyse nicht zu den seltenen Formen 
der Psychosen bei Frauen gehöre, dass die Häufigkeit derselben bei den letzteren 
nicht minder sei als bei den ersteren. Seitdem nnd im Laufe des verflossenen 
Vierteljahrhunderts interesärte die progressive Paralyse bei Frauen die Irren¬ 
ärzte immer mehr und mehr, und in Folge dessen besitzt sie jetzt eine ziemlich 
umfangreiche Litteratur. Heber die weibliche Paralyse schrieben in Deutsch¬ 
land nach Sander: Keappt-Ebing, Sioli, Kornfeld, Juno, Fritsch, 
SCBÜLB, SlEMERLING, WOLLENBERG, KelLNER, FrAENEBL, GrEPPIN, BeBO, 
Näckb, Hulisoh; in Frankreich: Adam, Ret, Gilbert, Petit, K£ois. 
CoLoviTCH, Nicolau, Ratmond, Cullerre, Garnier; in England: Clevengeb; 
in Dänemark: Jacobson; in Italien: Sepilli und endlich bei uns in Russland: 
Tichomirow und Jdanow. 

Ausser den allgemeinen Fragen der Lehre über die prcgressive Paralyse 
interessirten sich die Autoren, welche speciell diese Form bei Frauen erforschten, 
hauptsächlich für zwei Fragen: 

1. die Häufigkeit der Paralyse bei Frauen im Vergleich mit Männern und 

2. die Besonderheiten ihres klinischen Bildes. 

Diese beiden Fragen werden bis zur letzten Zeit von verschiedenen Autoren 
verschiedenartig gelost, was gewiss ganz natürlich ist, wenn man alle die viel- 
nnd verschiedenartigen Bedingungen beachtet, welche zusammengefasst die 
Aetiologie der progressiven Paralyse bilden. 

Meine eigenen Beobachtungen beziehen sich auf den Zeitraum von 12 Jahren, 
vom Jahre 1885 bis zum Jahre 1896. Während dieses Zeitraums wurden in 


' Zar Statistik oad Aetiologie der allgemeiDeo progressiven Paralyse der Irren. Neurolog. 
Centralbl. 1897. Nr. 10. 


- Google 


343 


die Ton mir geleitete psyobiattische Abtheilung des LandeskraDkenhauses in 
Symferopol — die znrückläufigen und recurrirenden Einkommenden ao^nom- 
men — eingeliefert: 


Männer 

Frauen 

1 Total 

Gdsteskraake öberbaapt. 

1795 1 

776 

2571 

Ton dknea an Paralyse erkrankt .... 

272 

68 1 

340 

ln Proeenteo. 1 

15,15 

8,76 

13,26 


Wie man sieht, kommen in der genannten Periode auf je 100 Einlieferungen 
etwas mehr als 15 Fälle von Paralyse bei den Männern und fast 9 bei den 
Fnuen; anders gesagt: bei den Männern kam 1 Fall Ton Paralyse auf je 6 Ein¬ 
beferungen und bei den Frauen auf je 11. 

Das Zahlenverhältniss der beiden Geschlechter war: nicht relativ 272:68 
oder 4:1, d. b. auf je 100 eingelieferte Paralytiker-Männer kamen 25 Frauen, 
und relativ 15,21:8,76 oder 1,13:1, d. h. auf je 100 Erkrankungen an Para¬ 
lyse bei Männern kamen 58 bei Frauen. Diese Zahlen sind höher als diejenigen, 
welche bisher von den anderen Autoren, die sich mit der Statistik der pro- 
gressiTen Paralyse bei Frauen beschäftigten, erlangt wurden. Unbeachtet der 
früheren Statistiken, in welchen die Zahlen der Paralytiker-Männer bedeutend 
die der Paralytiker-Frauen übersteigen (bis 50:1, wie bei EaLEyMETEB) und 
DüT die späteren beachtend, sehen wir, dass bei den meisten Autoren das Ver- 
bihniss der beiden Geschlechter für die progressive Paralyse zwischen 3—4—5:1 
schwankt. Bei Juiro z. B. gleicht dieses Verhältniss 4,5:1, bei Siembblino 
3,5:1, bei Kabs und Mbtnbbt 3,4:1, bei Kbafft-Ebino steigt es bis 6:1 
und bei ScHüiiE sc^ar bis 7:1. Nach den Forschungen von Jdabow schwankt 
dieseg Verhältniss für Dänemark, Oesterreich, Spanien, Deutschland und Russ¬ 
land cm. 3,5:1 und für England, Belgien und Frankreich ist es etwas grösser, 
stdgt aber nicht über 2,4:1. Durchschnittlich gleicht das Zahlenverhältniss der 
beiden Geschlechter für die progressive Paralyse in diesen Ländern 3,08: 1, 
<L h. auf je 100 Paralytiker-Männer kommen 30 Frauen und nur in Frankreich 
und Belgien 40. Aus den Journalen der Poliklinik für Nervenkranke von Prof. 
llzwnKL in Berlin fand HüiiiscH unter 23 500 Ambulanten 290 Fälle von pro¬ 
gressiver Paralyse, 231 Männer nnd 59 Frauen, d. h. ein Zahlenverhältniss von 
3,9:1 oder fast 100:25. Gabnieb auf die Zahlen der Pariser Polizei-Präfectur 
ftr die Jahre 1886, 1887 und 1888 bezugnehmend, fand ein absolutes Zahleu- 
verfaittniss 2,5:1 und ein relatives 1,7:1, d. h. dieselbe Zahl, welche auch ich 
gefunden habe. Speciell für Russland fand JnAifOw, nachdem er mehr als 
10000 Geisteskranke analysiit hatte, dass die pn^ressive Paralyse bei Männern 
13,8 EHnliMenmgen giebt, bei Frauen 4,38"/o im Vergleich mit anderen 
pey^iieehen Krankheiten, so dass das Verhältniss der Erkrankungen an Paralyse 
rmhoi beiden Geschlechtern gleicht 3,5:1. Meine Zahlen sind also 2 Mal höher. 

Die Zunahme der Erkrankungen an pn^restiver Paralyse bei Frauen, schon 
von JoHO angedeutet, unterliegt jetzt, wie es scheint, keinem Zweifel mehr, da 


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344 


es ?on einer ganzen Reihe Autoren durch zahlreiche Statistiken bestätigt wird 
PLAKks und Qabnier, welche beide das Material der Pariser Polizei'Präfector 
benutzten, bekamen in dieser Hinsicht sehr beweisende Resultate, nämlich: 


ij 

ij Jahre 

Zahl der paralytischen Kranken in Procent 

H&nner 

Pranen 

VerbiltnisB 

Planes. 

! 1878—1886 

i 12.0 

5.0 

2,4:1 

GA&MIEa. 

' 1886—1888 

; 14.7 

8,7 j 

1.7;! 


In der Zwischenzeit von 10 Jahren nahm die Zahl der Erkrankungen bei 
Frauen relativ bedeutend mehr zu als bei Männern. Nachdem Gabmieb die 
Zahlen über die progressive Paralyse im Zeitraum von 15 Jahren (1872—1888) 
zusammengestellt hatte, gelangte er zu dem Resultate, dass die alljährliche Zahl 
der Erkrankungen während dieser Zeitperiode sich verdoppelt hatte, wobei bei 
Männern weniger als doppelt (von 137 bis 251) und bei Frauen 2^2 Mal mehr 
(von 37 bis 103). Ebenfalls solche instructive Resultate bekam auch Kbafft- 
£bino nach der Zusammenstellung der Einlieferungen der paralytischen Kranken 
in den deutschen Irrenanstalten während der letzten 20 Jahre. Und zwar 
war in der Berliner Charitä das Procent der Einlieferungen der paralytischen 
Frauen in den Jahren 1873—1877 = 6,65 ®/o> aber in den Jahren 1888—1892 
= 14,1 ®/(,. In der Wiener psychiatr. Klinik war der Procentsatz der aufgenom* 
menen paralytischen Frauen in der ersten Periode 4,4 und in der zweiten 10®/o. 
Nur Stbwabt kam in seiner letzten Arbeit, auf die statistischen Angaben der 
englischen Irrenanstalten gestützt, zu dem Resultate, dass die Zunahme der 
Erkrankungen an progressiver Paralyse wenigstens in England den Männern 
ausschliesslich zugeschrieben werden muss. 

Diese Zunahme der Einlieferungen der paralytischen Kranken fand auch 
bei uns statt, indem sie relativ auch bei Frauen schroffer war als bei Männern, 
wie man aus folgender Tabelle sieht: 


AafgeDommen 


Jahr 

Qesammtzahl der Kranken 

Damnter mit Paralyse 


Männer 

Franen 

ToU) 

Männer 

Procent Franen 

Procent 

Total 

Procent 

1885—1890 

858 

368 

1221 

91 

10,7 18 

4,9 

109 

8,9 

1891—1896 

942 

408 

1350 

181 

19,2 j 50 

12,3 

103 

17,1 


In der zweiten Hälfte dieser Periode war die allgemeine Zahl der anf- 
genommenen Kranken mit progressiver Paralyse doppelt so gross, als in der 
ersten, wobei die Männer relativ weniger und die Frauen fast 2^1^ Mal mehr 
Einliefemngen gaben. 

Die g^enwärtige Zahl der paralytischen Kranken in der Abtheilung ver¬ 
änderte sich g^n ihre allgemeine Zahl in dem Zwischenräume von 12 Jahren 
sehr bedeutend, nämlich: 


Du vGoogIc 












345 


Geeammtzabl 
der Kraoken io der 
Äbtheilnog 


Daronter mit 
progressiver Paralyse 


VerhältnisB in Procent 


Männer 

' Frauen i 

1 1 

Total 

Männer 

Franen 

1 Total 1 

Männer 

1 Franen 

: Total 

l.Juuar 1896 

150 

84 

234 I 

1 ^ 

1 2 

' 10 1 

5,S 

2.4 ! 

4,2 

I Juaarl897 ' 

263 

16t 

1 424 ' 

30 

1 1 

12 

42 1 

11,4 

7.5 

9,9 


Mit anderen Worten, die Zahl der Paralytiker vergrösserte sich relativ 
kfpi^lt and die der paralytischen Frauen dreifach. 

Xach den gewöhnlich gebräuchlichen Kat^orien gaben die paralytischen 
Frauen folgende Zahlen: 

1. Alter. Das finheste Alter unserer Kranken war 22 und das späteste 
M Jahre; in diese beiden Grenzalter kam je eine Patientin. Bei den Männern 
Viren beide Grenzalter 21 und 66 Jahre. Im Alter vor 30 Jahren wurden 
öKranke auigenommen (d. h. 8,87o)> vor 35 Jahren 12 (17,C®/©)- Di® höchste 
Zahl der Einlieferungen war in dem Alter von 35—50 Jahren 20 (29,5 7o)* 
Wie man sieht, gleichen diese Zahlen denjenigen, welche ich früher bei Männern 
^langte, so dass es hinsichtlich des Alters der Erkrankung an prc^essiver 
Paralyse zwischen beiden Geschlechtern keinen bedeutenden Unterschied giebt. 

2. Stand. Fast alle unsere Kranken waren ans dem einfachen Stande 
iBüerinnen, Kleinbürgerinnen, Landfranen); nur vier gehörten dem mittleren 
Stande an: eine Beamtenfrau, eine Adelige, eine Kanfmannsfran und eine aus 
dem geistlichen Stande. Hinsichtlich des Standes verhielten sich beide Ge- 
%hleehter ausserst verschieden. Die mehr oder minder privilegirten Stände 
vtiten 52 Einlieferungen bei den Männern und nur 4 bei den Frauen, die ein- 
häteren aber 221 Einlieferungen bei Männern und 64 bei Frauen, was den 
Procentsato bei den ersteren 19,17o Männer und 5,97o Frauen und bei den 
rweiten 80,97© Männer und 94,17© Tranen bildet. Mit anderen Worten: in 
den privilegirten Ständen gaben die Franen über 3 Mal weniger Einlieferungen 
als die Männer, in den einfacheren umgekehrt — fast 157© als die 
Mianer. Auf die ausschliessliche Verbreitung der prc^essiven Paralyse unter 
den Frauen der niederen Klassen und im Vergleich auf ihr selteneres Vor- 
hmmeD bei den Franen höherer Klassen wiesen die Autoren schon längst hin. 

eiebt SmoK an, dass Erlsnueybb und Mabtini in den Privat- und 
PensioDsanstalten für Gemütbskranke wohlhabender und höherer Klassen unter 
100 Männern 34 mit progressiver Paralyse, unter 117 Frauen aber nur eine 
^Bdeo. T.AgHR behauptete, in seiner Anstalt unter 800 geisteskranken Frauen 
m 3 paralytische zu haben. Nach den Zahlen von CoiiOvitch konnte man 
B den französischen und deutschen Privatanstalten auf 310 Paralytiker-Männer 

16 Frauen vorfinden, d. h. 5 auf 100 oder 1 auf 20. 

3. Beruf. Fast die Hälfte aller unserer Kranken (32 von 68 oder 477©) 
*ann du Haosfraoen, die andere Hälfte bildeten Dienstboten (9 oder 13,2*^/©), 
S^BOdenimen (7 oder 10,3*^/©) und verschiedene zufällige Arbeiterinnen, meisten- 
dois Tagelöhnerinnen; rine Kranke war Prostituirte. 


D:y 


Google 







346 


4. Wohlstand. Mit einzelnen Ausnahmen gehörten unsere Kranken den 
ärmsten Klassen an. 

5. Ehestand. In dieser Hinsicht waren die Kranken folgendermaassen 
vertheilt: verheirathete 40 (60,37o)i ißdige 11 (16,2“/^), Wittwen 9 (13,3®/o) 
und nicht Ermittelte 7 (10,3 “/o)* 

6. Wohnort Die grösste Zahl der Kranken — 53 oder 78% — ge¬ 
hörte den städtischen Einwohnern, die mindere — 15 oder 227o — länd¬ 
lichen an. 

Aetiologie. Vollständig sichere anamnestische Angaben konnte ich nur 
bei 39 Kranken feststellen und zog vor, zweifelhafte oder wenig wahrscheinliche 
Angaben gänzlich wegzulassen, um zu ganz sicheren Resultaten durch unum- 
stössliche Zahlen zu gelangen. Nachdem ich, wie in meiner ersten Mit¬ 
theilung, fünf hauptsächliche Ursachen der progressiven Paralyse — Lues, 
Alkoholismus, Heredität, moralische Erschütterungen und Trauma — festgestellt 
hatte, erhielt ich folgende Zahlen: 



1 Einzeln 
' genommen in 
Procent 

Conibinirt 
miteinander 
in Procent 

Laes. 

25,6 

41.0 

Alkoboliamus. 

17.9 

43,6 

Heredität. 

12,8 

23,0 

Moralische ErschütteroDgeo . . 

12,8 

12,8 

Trauma. 

5.1 

10,2 


Zum Vergleiche der Zahlenverhältnisse der combinirten Ursachen der Para¬ 
lyse bei Männern und Frauen kann folgende Tabelle dienen: 



In Pr 

Männer 

ocent 

Frauen 

Lues. 

67,0 

41,0 

AlkohoUsmas . . 

36,4 

43,6 

Heredität. 

20,0 

28,6 

Moralische Erschatterangen . . 

9,1 

12,8 

Trauma. 

4,1 

10,2 


Wenn wir also die fast bei beiden Geschlechtern identische Heredität aus- 
scfaliessen, so finden wir, dass nur die Procentzahl der Lues bei den Männern 
viel stärker ist, nämlich P/a Mal mehr; die übrigen drei Ursachen um¬ 
gekehrt, bei den Frauen bedeutend stärker als bei den Männern, nämlich: Älkoho- 
lismus und moralische Erschütterungen P/^ Mal mehr und Trauma sogar 2Va 
mehr. Da aber die Zahl der durch Trauma bedingten Fälle relativ sehr gering ist 
und das grössere Uebergewicht der moralisohen Erschütterungen bei Frauen in der 
höheren Err^barkeit ihres Nervensystems im Vergleiche mit dem der Männer 
die Erklärung findet, so bekommt eine besondere Bedeutung der Alkoholismus, 


...Google 














347 


auf dessen ätiologische Rolle bei der pn^ressiven Paralyse bei Fraaen iob schon 
in meinem ersten Tortrage hinwies. Diese Bedeutung des Alkobolismus zeigt 
sich noch deutlicher, wenn man die Vertheilung der Ursachen der prc^essiven 
Paralyse bei den Patienten mit und ohne früherer Lues nebeneinander stellen 
will. Es zeigt sich dann: 


Männer Fraaen 

Mit Syphilis lohne Syphilis,, Mit Syphilis j Ohne Syphilis 


Prucent 


Alkoholümas. 

1 18.6 

17,8 i 

1 15.4 

' 23,0 

Heredität. 

11.8 

7,7 ; 

2,6 

20,5 

UoTsliscbe ErschntteroDgen 

j 0.4 

8.6 ! 


12,8 

Tnoma. 

: 0.4 

4.1 1 

0.4 

10,2 


Man sieht, dass der Antheil des Alkobolismus in der Aetiologie der Para¬ 
lyse bei Männern bei den Syphilitikern ebenso stark wie bei den Nicht-Syphi- 
litikem au^edrückt ist, bei Frauen dagegen gaben die Nicht-Syphilitischen eine 
bedeutend höhere Procentzahl des Alkoholismus, fast Mal mehr als die 
Syphilitischen. Ebenso erwies sich die Heredität bei den Männern in geringerer 
Abhängigkeit von der früheren Lues als bei den Frauen: bei den ersteren gaben 
die Syphilitischen ein nur geringeres Uebergewicbt der Heredität im Yeigleiche 
mit den Nicht-Syphilitischen, bei den letzteren war die Heredität 8 Mal grösser 
(in Procent) als bei den Syphilitischen. 

üeber die Bolle des Ehmakteriuzns, welchem einige Autoren früher eine 
zu grosse Bedeutung in der Aetiologie der progressiven Paralyse bei Frauen 
zuschrieben, kann ich nichts Positives sagen; die Mehrzahl unserer Patienten 
kam in die Anstalt vor der Klimakteriumsperiode und menstruirte während ihres 
Aufenthaltes in derselben bis zum Beginne des paralytischen Mainsmus ziemlich 
regelmässig. 

Was die sexueUen Excesse betrifit, so kann ich denselben auch keinen be¬ 
sonderen Ort in der Reihe der Ursachen der Paralyse bei Frauen anweisen. 
In den jedenfalls wenigen Fällen, in welchen diese Ursache in der Anamnese 
der Kranken besonders verzeichnet war, existirte beständig auch eine andere 
active Ursache — der Alkoholismus. 

Ich sagte absichtlich bisher nichts über die von Allen als die häufigste und 
wirksamste anerkannte Ursache der Paralyse — den Kampf ums Dasein — und 
nicht desw^n, weil ich derselben eine zu geringe Bedeutung in der Aetiol(^e der 
genannten Krankheit zugeschrieben hätte, im (j^nteil, weil ich diese Ursache 
mit einzelnen Ausnahmen für eine allgemeine in den meisten Fällen der Para¬ 
lyse bei beiden Geschlechtern rechne. Aber die Sache ist die, dass der Kampf 
ums Dasein eigentlich kein bestimmtes ätiologisches Moment ist, sondern ein 
coilectiver B^iff zur Benennung des ganzen Complexes der ungünstigen Lebens- 
verfaältaiisse, in welchen unsere heutige (^lesellschaft lebt und wirkt fast ohne 
Ausnahme der Classen und Stände. Der Kampf ums Dasein bereitet den 


Diy 


Google 














348 


Boden Tor, auf welchem die verschieden ungünstigen Momente wie Lues, Alkoho¬ 
lismus, moralische Erschütterungen u. s. w. sich leicht und schnell äussem. 

Klinisches Bild. Wenn die ersten Autoren, welche über die progressive 
Paralyse bei Frauen schrieben, mehr oder weniger das klinische Bild bei der¬ 
selben von dem bei Männern abgrenzten, so sind in der letzten Zeit mehrere 
Aerzte der entgegengesetzten Meinung, indem sie behaupten, dass das klinische 
Bild der Paralyse bei beiden Geschlechtern keinen bedeutenden Unterschied dar- 
stelle. Es scheint mir, dass die Wahrheit auch hier wie in vielen anderen 
Fällen in der Mitte zu suchen sei. Vielleicht giebt es jetzt keine rationellen 
Gründe, eine speoielle weibliche Form der Paralyse, wie es Ball und Uegis 
vorlegten, aufzustelleu, es unterliegt aber keinem Zweifel, dass die so zu sagen 
klinische Physiognomie der Krankheit bei Frauen im ganzen in den meisten 
Fällen eine besondere Eigenthümliohkeit vorstellt. 

Schon im Jahre 1870 wies Samdeb auf folgende Gruudbesonderheiten der 
Paralyse bei Frauen hin: 1. den Auftritt in einer etwas höheren Altersstufe, 
2. den langsameren Verlauf, 3. das üebergewicht der dementen Form der 
Krankheit, 4. das lange Prodromalstadium und den langsameren Uebergang zur 
vollkommenen Ausbildung der Krankheit, 5. den milden und ruhigen Charakter 
des Wahnes, 6. die Seltenheit der paralytischen Anfalle und 7. die wen^er aus¬ 
gesprochenen anatomischen Veränderungen des Centralnervensystems. Die 
späteren Beobachtungen bes^tigten im Allgemeinen diese Thesen von Sander, 
die erste (Alter) und sechste (Seltenheit der paralytischen Anfalle] vielleicht 
ausgenommen. Aber dank den bedeutenden Fortschritten der letzten Jahre in 
der Lehre über die progressive Paralyse im Allgemeinen verbreitete sich die 
Kenntniss ihrer speoiellen Symptomatologie bei Frauen. 

Ohne viel ins Einzelne überzugehen, kann man im Allgemeinen annehmen, 
dass in dem klinischen Bilde der Paralyse bei Frauen im Gebiete der soma¬ 
tischen Erscheinungen die Ausfallsymptome diejenigen der Err^ung und in 
dem Gebiete der psychischen Erscheinungen die ruhige Demenz die manische 
Exaltation übersteigen. 

Im Folgenden gebe ich eine vergleichende Tabelle der relativen Häufigkeit 
der klinischen Hauptsymptome der Paralyse bei beiden Geschlechtern an: 



In Procent 

Männer 

Frauen 

BewegangsetöroDgen .... 

59,6 

47,1 

StöroogeD der Sprache. . . . . 

64,7 

52,9 

Paralytische An&llc.| 

86,7 

26,5 

Grössenwahn.i 

34,2 

33,8 

Hallacinationeo. 

15,8 

14,7 

Verfolgungswahn.' 

8,3 

18,3 


Die Störungen der Motilität und der Sprache waren bei den Männern 
häufiger als bei den Frauen, ebenso wie die paralytischen Anfälle; der Grröseeu- 


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349 


iralm aber und die Hallucmationeri gaben fast dieselben Zahlen bei beiden 
Geschlechtern, der Verfolgungswahn sogar bedeutend grössere bei Frauen; 
könnte es nicht in Folge des grossen Antheils bei ihnen am Älkoholismus in 
der Anamnese sein? 

Der Verlauf der progressiven Paralyse bei den Frauen ist ein langsamer, 
nibiger nnd milder, ohne stürmische AnfiUle maniakaler Aufregung, die so 
cfaaraktehstiscb bei den Männern sind. Deswegen dauert die Krankheit bei 
den Frauen auch länger als bei den Männern. Wenn man die späten Ein- 
b^eningen und die zufälligen Entlassungen ausschliesst und nur die Mittel¬ 
tahlen der Dauer der Paralyse bei beiden Geschlechtern in Acht nimmt, so 
»gt es aich, dass bis zum Exitus letalis in der Abtheilung blieben: 



Die achiielle Zunahme der Erkrankungen an progressiver Paralyse bei 
Frauen stellt ohne Zweifel eine der merkwürdigsten Erscheinungen der Neige 
onseres Jahrhunderts dar. Sie beweist, da^ die Frauen ihren früheren Vorzug, 
das Eeberwiegen functioneller Erkrankungen des Nervensystems, der Neurusen, 
schnell verlieren, im G^ensatz zu den Männern, bei welchen die organischen 
Erkrankungen uberwiegen oder wenigstens bis jetzt überwogen, und dass die 
Frauen auch hinsichtlich der Erkrankungen des Nervensystems zur Gleichheit 
mit den 31ännem streben. Speoiell für die Paralyse bestätigen sich mehr und 
mehr die Worte Ritti’s: „La femme, pour avoir laissö longtemps le triste pri- 
de la paralysie gönörale ä Thomme, cherche ä le lui disputer; m§me pour 
eette afiirense maladie eile veut devenir l’ögale ä l’homme.“ 

Wo soll man die Ursache dieser Tbatsaohe suchen? 

Die hauptsächlichste, wenn auch nicht die einzige Ursache besteht darin, 
dass die Frau in der letzten Zeit mehr und mehr in den allgemeinen Kreislauf 
dea Kampfes um’s Dasein hineingezc^en wird. Im Laute vieler Jahre dazu er¬ 
zogen und gewöhnt, an diesem Kampfe keinen Theil zu nehmen oder wenigstens 
darin unter dem Schutze des Mannes, ihres natürlichen Vertbeidigers und Be¬ 
schützers zu sein, stellt sie sich jetzt — bald aus eigenem Willen, bald aus 
Xothwendigkeit — ihm gleich und manchmal sogar wetteifernd mit ihm. Aber 
weder durch die Bedingungen ihrer psycho-physischen Constitution noch durch 
ihre Ve^angenheit zn diesem Kampfe vorbereitet, verliert die Frau schnell den 
Vorrath ihrer Nervenkräfte, unterhält sie noch einige Zeit durch verschiedene 
Mittel (Eidtantia, Alcoholica), aber am Ende fallt sie im ungleichen Kampfe. 

D» diese neue active Richtung in der Thätigkeit der Frau zu allererst unter 
den niedereu und theilweise mittleren Classeu vorkam — die höheren mit 
waiigeii Ausnahmen besitzen bis jetzt noch die frühere passive Lage der Frau — 


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350 


so versteht sich von selbst, weswegen die ersten Opfer der progressiven Para¬ 
lyse unter den Frauen eben in dieser Classe Vertreter fand und weswegen bis 
jetzt die Paralyse in den höheren Classen so selten vorkommt. In dieser Hin¬ 
sicht ist das Verbreiten der progressiven Paralyse bei beiden Greschlechtern voll¬ 
ständig entgegengesetzt: bei den Männern begann sie von oben nach unten, von 
den höheren Classen zu den mittleren und niederen, bei den Frauen umgekehrt 
— gebt sie von unten nach oben, von den niederen und mittleren Classen zu 
den höheren. Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir in nächster Zukunft die 
Möglichkeit haben werden, die Vereinigung dieser beiden Richtnngen zu constatiren. 

Da man durch zahlreiche klinische und statistische Beobachtungen fest¬ 
gestellt bat, dass die einzelnen Ursachen, welche zusammengefasst die Aetio](^e 
der Paralyse bilden, von einer ganzen Reihe Bedingungen allgemeiner, und 
specieller, localer und individueller Natur abhängen, so ist es vollkommen natürlich, 
dass die Zahlenangaben hinsichtlich der Häufigkeit der Erkrankungen an der 
Paralyse im Allgemeinen und bei den Frauen hauptsächlich so verschiedenartig 
bei verschiedenen Autoren sind. Ich wies schon auf diese Thatsache in meiner 
ersten Mittheilung hin und möchte jetzt noch hinzufögen, dass eben hinsichtlich 
der Frauen, deren sociale und sogar persönliche Position so verschieden nicht 
nur in verschiedenen Ländern, sondern auch in verschiedenen Theilen desselben 
Landes ist, die Häufigkeit der Erkrankungen an prt^essiver Paralyse in den 
weitesten Grenzen schwanken muss. Deswegen scheint es mir — und darin 
finde ich Rechtfertigung meines Vortrages — dass nur die allerweiteste Be¬ 
arbeitung der faktischen Angaben der prcgressiven Paralyse in verschiedenen 
Ländern und im Falle der Nothwendigkeit in verschiedenen Theilen eines jeden 
Ijandes uns der Lösung der Fr^e über die wirklichen Ursachen, das Wesen, 
die Prophylaxe und vielleicht auch die Therapie dieser schrecklichen Krankheit 
näher bringen kann. 

Speciell für die Erklärung der Ursachen solch häufiger Erkrankungen au 
progressiver Paralyse im Allgemeinen und besonders bei Frauen des Taurischen 
Gouvernements kann ich auf folgende locale Bedingungen hinweisen: 1. Der 
rapide Aufschwung des städtischen Lebens mit allen seinen ungünstig auf das 
Nervensystem wirkenden Momenten, 2. mehrere Hafenstädte, welche eine ganze 
Reihe von Momenten zur Erkrankung des Nervensystems darbieten: einerseits 
der immer zunehmende Kampf um das t^liche Brod, andererseits ein relativ 
leichter und hastiger Verdienst, dann die unvermeidlichen Begleiter des Lebens 
in Hafenstädten — der Alkoholismus, die Lüderlichkeit, Prostitution, Lues; 
3. beständige Anwesenheit grösserer Mengen fremden Volkes, meistentheils Hand¬ 
werker und T^elöbner, eines zufalhgen Elementes, welches keinen organischen 
Zusammenhang mit der Landesbevölkerung des Gouvernements hat, meistentheils 
mit bescholtenen Sitten, Alkoholismus, Müssi^fang und ihren unvermeidlichen 
Folgen. 

Alle oben angeführten Tbatsachen führen uns zu folgenden Schlössen: 

1. Die Erkrankungen an prcgressiver Paralyse bei Frauen nehmen in der 
letzten Zeit viel zu und zwar relativ mehr als 1^ den Männern. 


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351 


2. Das Zablenverhältniss der ErkraDkungen an progressiver Paralyse bei 
Fnoeo and Männern hängt von einer ganzen ^ihe allgemeiner und individaeller 
Bedingungen ab und kann desshalb natürlich nicht überall dasselbe sein. 

3. Für das Taorische Qonvemement ist dieses Verhältniss nach unseren 
Zihloi im Zeitraome von 12 Jahren gleich fast 2:1. 

4. Das Verbreiten der prcgressiven Paralyse in den verschiedenen Klassen 
ut bei den Männern und den Frauen vollkommen entgegengesetzt: bei den 
Kännem b^iinnt die Paralyse in den höheren Classen und ging erst allmählich 
zu den mittleren und niederen über, bei den Frauen umgekehrt kommt sie bis 
zur letzten Zeit fast ausschliesslich nur in den niederen Classen vor und dringt 
ent jetzt in die mittleren und höheren; bei den Männern wird die prc^essive 
Pmiyse aus einer ^^aristokratischen“ Krankheit eine mehr oder minder „demo¬ 
kratische“, bei den Frauen umgekehil 

5. Die einzelnen Ursachen der progressiren Paralyse sind bei den Männern 
ud Frauen dieselben, ihre Combinationen aber sind bei den letzteren etwas 
bäufigv, als bei den ersteren. 

6. Das klinische Bild der prc^fressiven Paralyse bei den Frauen enthält 
änige Eigenthflmlichkeiten, welche ihm ein besonderes Gepräge geben. 

7. Der Verlauf der prcgressiven Paralyse bei den Frauen ist ein langsamerer 
^k bä den Männern, desshalb ist die mittlere Dauer der Krankheit k«i ihnen 
öe etwas längere als bei den Männern. 


[Ans dem Dr. SKNCKBnBBBO’schen Institute für patholcgische Anatomie 

zu Frankfurt a./M.] 

3. üntersachnngen über das Rückenmark und das Klein¬ 
hirn der Vögel. 

Ton Dr. A. Friedländer, 
zur Zeit ao der pBjchiatriBcben Klinik io Jena. 

Die spärlichen Thatsachen, welche über das Centralnervensystem der niederen 
Tertänaten bisher bekannt wurden, sind fast alle auf dem Wege des Studiums 
va g^ärbten Scbnittserien normaler ausgewachsener Thiere gewonnen worden. 
Wo die Schwächen eines derartigen Verfahrens liegen, ist bekannt 

Da die letzten Jahre uns mit Methoden beschenkt haben, welche die Ver- 
kilfung degenerirter Faserstränge in so scharfer und deutlicher Weise gestatten, 
das aimh einzelne Fasern in dem kleinen Bückenmarke der niederen Thiere 
geraden werden können, so war es verlockend, an leicht zugänglichem Materiale 
«Dsehlägige T7ntezsnchungen ansznfübien. 


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352 


loh habe auf Rath von Prof. Edinoeb unter den mannigfachen vorliegenden 
Problemen ein, wie mir scheint, besonders wichtiges hersnsgehoben und versuchte, 
die Verbindungen zu ermitteln, welche zwischen dem relativ hochstehenden 
Rückenmark der Y^l und dem wesentlich nur aus einem Wurm bestehenden 
Kleinhirn dieser Thiere vorhanden sind. 

Benutzt wurde ausschliesslich Columba domestica, die Versuchsreihe er¬ 
streckte sich über 70 Operationen, am lebenden Thiere in der Aethemarkose 
ausgefuhrt 

lieber das Centralnervensystem der Vögel ist im G-anzen nicht sehr viel 
gearbeitet worden. Am besten sind noch die Hinmervenkeme durch Stibda\ 
Kbeis^, S. R. t Cayal^ und van Gshuohtek* beschrieben, denen sich in 
letzter Zeit Bbandis’ mit mehreren ausführlichen Studien anreihte. Zu den 
ältesten descriptiv-anatomischen Arbeiten dürften wohl die von Coiteb 1573*. 
von Thomas Willis* aus dem Jahre 1664 und die von A. von Halles* 
aus dem Jahre 1768 gehören; eine genaue Anatomie des Vogelgehims lieferte 
Meckel', einige anatomische Mittheilungen finden wir beiSoHüLOiN*, zusammen- 
fassende Untersuchungen sind von Hans Gadow* in Bbonn’s Klassen und Ord¬ 
nungen niedergelegt Ueber Gross- und Kleinhirn finden wir einige Angaben 
bei Jblgebsma^*, über die Hirnrinde bei Sala t Poms^^ 

Der feinere Bau des Vorderhims ist von Bumm*^ und von dem oben¬ 
genannten SoHULQiN, .in neuerer Zeit namentlich von Edinoeb^* bearbeitet 
worden. Ueber den Thalamus sind wir im Wesentlichen durch Edinoeb orientirt, 
ebenso über die Faserung und die Ganglien des Mittelhims. Das Mittelhim- 
dach und die Opticusendigungen sind am besten von BELLONa^*, spater mittels 


’ Ludwig Stibda , Studien fiber das centrale Nerveoaystem der Vögel und Säugetbiere. 
1868. Leipzig. 

* Kbbis, Zur KenntnisB der Medolta oblongata des VogeUiims. Dissertation. 1882. 
Zürich. 

* S. R. Y Cajal, Estractora de los Centros nenriosos de las aves. Revistrega triniestral 
de histolog^a normal y patologica. 1888. Madrid. 

* V. Qbbdohtbk, Bull, de l’Acadam. r. d. Sciences de Belgique. 1892. Nr. 11 (Ente). 

* F. Bbandis, Untersuchungen Ober das Gehirn der Vögel, Arch. f. mikrosk. Anat. 
Bd. LXI n. f. 

* CoiTBB, De anatomia avium. Ext. et int. principal. corporie huiuani tabul. Norim¬ 
berg. — Thomas Willis 1664, (^rebri anatome. Jjondon. — A. v. Hallbb 1768, De cerebro 
avium. Lausanne. 

^ Mbokbl , Anatomie des Gehirns der Vögel. Deutsches AroL f. Physiol. Bd. II. 

* M. A. SoHULQjR, Phylogenesis des Vogelgehims. DissertatioD. 1885. Jena. 

* Bbokms Classen und Ordnungen des Thierreichs. Vögel von Hans Gadow. 

G. Jellqbbsma, De groote en de kleine herseoen by soogdiereo en vogela in verband 
met hunnen algemeenen hersenbouw. Aus den Verhandlangen der II. Nederlandsch Natuur 
en Oeneeskundig-Congres. 1889. Leiden. 

“ Cl. Sala y Poks, La Corteza cerebral de las aves. 1893. Madrid. 

A. Buhm, Das Grosshim der Vögel. 

L. Edinqbb, Nervöse Centralorgane. 1896. 

J. Bbllokoi, Ueber die centrale Endigung des Nerv, opticus bei den Vertebraten. 
Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. XLVII. 1. 


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der GoiQi-Metiiode von yäs Gebugbtbk S. B. t Gayal ^ nnd von y. KdL* 
UKSB^ beedurieben worden. 

Fftr die Toriiegende Stndie intereesirt zunächst nicht, was durch diese 
i^orai gewonnen wurde, sondern wesentlich das, was über das Kleinhirn und 
di8 Bdekenmark bekannt geworden ist 

Die einzige Arbeit, welche die Kerne des Eleinbims der Vögel genuier 
•diüdert, ist die yon Bbahdib. 

Die änssere Form derselben ist früher Tielfach beschrieben worden. Im 
vesentlicben stdlt das Yogelkleinhim eine flache Platte dar, um welche gleich 
^^odien eines Bades die einzelnen Markblätter angeordnet sind. Die Zahl nnd 
Aatsdnong der Blätter wechselt för die einzelnen Vogelarten ganz ansserordent- 
lick, wie dies namentlich Bbaitdis^ gezeigt hat, dem wir eine aosführliohe 
Aibeit, die sich anf 209 Arten erstreckt, verdanken. Im Allgemeinen mödite 
idi ans dieeer Untersoohong schUessen, dass die Speichen mit der grösseren 
flogtechnik der verschiedenen Spedes im geraden Verhältnisse zonehmen. Den 
Fnrdien, die durch das Aaseinandertreten der weissen Markmasse zu den oben 
«wähnten Speichen entstanden sind, entsprechen die au der Oberfläche des 
Kkmhrms ächtbaren GyrL Auf einem sagittalen Längsschnitt finden wir die 
d«D Lebensbaome der ^uger analoge Bildung; der Stamm desselben wird durch 
die Schenkel des Kleinhirns gebildet Die untere (ventrale) Wurmfläche über- 
daäit den 4. Ventrikä and liegt je einem Pfeiler auf, der durch die Kleinhirn- 
aheokä gebildet wird. Cerebralwärts finden wir, dicht vor dem Ursprung des 
troehleaiis, die Valvnla cerebelli. Der 4. Ventrikel setzt sich als Ventrikel des 
Kkohims in da^lbe fort, auf seinem Verlaufe än verschiedenes Lumen zeigend. 
Dcf Ventriculns cerebelli bewirkt eine deutliche Scheidung der Kleinhimmasse 
m onen rechten und linken Theil und trennt die Ganglien des Kleinhimkörpers 
ron einander. 

Das ganze Kleinhirn der Vögel entspricht, wie bekannt, nur dem Wurme; 
öl dorsaler Theil (Oberwurm) ragt hoch hina uf in den Schädel, der der Bauten- 
grabe zngewendete Unterwarm betragt kaum Vs ganzen Masse: mitten im 
Kkinhimkörper U^en die zuerst von BnAimis näher beschriebenen Kerne des- 
Bribat; es änd dies jederseits zwei grosse Ganglien, die er als inneren und 
haiNen Kern beschreibt Der innere (bedeutend grössere) wird von EnmaER 
den Noclens globosos des Saugerklänhims gleichgestellt Ob der laterale dem 
Noriais frstigü oder dem Nucleus dentatus entspricht, bleibt noch festzustellen. 

Mcglidierweise aber haben wir auch in zerstreuten kleinen Zellmassen, 
wäche noch weiter lateral liegen, ganz kleine Corpora dentata zu erblicken. 

Qva lateral li^en dann noch von Brandib und von S. Bamön y Gayal 


* ▼. Gbboohtbn, La stractare des lobes optiqaes. La oellule. VUI. 1692. 1. 

* 8. B. T Cajal, Estractora del löbnlo öptieo de las aTsa jorigen de los nervios öpticos. 
Mfea trinestral de Histoloäa normal y Patologia. Madrid 1889. 

* T. ICllub, Handbaeh der Gewebelehre. Bd. Q. 

* F. Brawdu , Das Kleinhirn der Vögel in seiner Beäehnng sor ^stematik. Jonmal 
fa Omithologin. XLIY. 1896. Jnli. 

29 


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354 


näher beschriebene Zellgruppen, welche zum Acusticus und vielleicht aadi zum 
Trigeminus in Beziehung stehen. 

Die Angaben von BnAnnis und von Edinobb Qber die Bahnen bezw. 
Fasern, welche zum Kleinhirn ziehen, stimmen gut überein. Beide kennen einen 
vorderen Schenkel (Tractus tegmento cerebellaris B.) (Pedunculus cere- 
belli ad cerebrum) und einen hinteren Schenkel — Corpus restiforme 
(Pedunculns cerebelli inf. Brachium oerebelli ad med. obL). Eine 
Brücke fehlt den V^eln; daher finden wir auch nicht den mittleren Kleinhim- 
Schenkel der Sauger, das Brachium cerebelli ad pontem. 

In das Corpus restiforme will Bbandib hineinverfolgen: eine Eleinbim* 
seitenstrangbahn und zahlreiche Fasern aus den Hintersträngen, welche 
ungekreuzt längs der dorsalen Peripherie zum Kleinhim hinau%ez<^n sind. 
Ausserdem Züge aus der Formatio reticularis. Schliesslich hat BBAimis durch 
die MABOBi’sche Methode noch Fasern nachgewiesen, die er für einen Oliven- 
antheil hält 

Aus 'meinen Untersuchungen will ich im 'Wesentlichen das mittbeilen, was 
sich über Verbindungen zum Bückenmarke aassagen lässt. 

Das Rückenmark der Vögel ist durch die bisher genannten Autoren, ausser¬ 
dem aber auch von v. Köllikeb^ beschrieben worden. 

Die älteste ausführliche Arbeit ist die 1855 erschienene Dorpater Dissertation 
von MsTznEB.* Gerade in den letzten Jahren ist uns das Vogelrückenmark 
nadi Zellen und Faserverlauf durch van Gbhuohten^ und Rbtziüs^ besser 
bekannt geworden; mit der GoLOi-Methode arbeitend, haben diese Autoren das 
nun vielfach für das Rückenmark festgestellte Typische (Wurzelzellen, Commis- 
suren-Strangzellen, Aufsplitterung der hinteren Wurzel) feststellen können. 

Das Rückenmark der Vögel bildet einen weissen, an der dorsalen Seite von 
einem Blotleitei bedeckten Strang, der eine Hals- und eine Lendenauschwellong 
ze^ entsprechend dem Abgänge des Plexus brachialis und ischiadicus. Erstere 
ist die bedeutendere und gehört der Höhe des 11.—14. Spinalnerven an. Das 
Brustmark hat einen geringeren Durchmesser, als das Halsmark. Während die 
hintere Längsfiirohe im oberen Halstheile des Rückenmarkes in geringe 'Defe 
geht, erreicht sie in der Intumescentia cervicalis und im Brusttheile die hintere 
graue Commissur; gleichzeitig wird sie auch auf der Oberfläche sichtbar. In 
der Lendenanschwellung treten die beiden Hinterstränge auf eine Strecke von 
ca. 1 cm auseinander, um sich caudalwärts wie aneinander zu l^n. Auf diese 
Weise entsteht ein rautenförmiger Schlitz, der sc^enannte Sinns rhomboidalis 
sacralis. Dieser Sinus ist von einer durchscheinenden röthlich-braunen bis 
-gelben Substanz von weicher Gonsistenz ansgefüllt Trotz zahlreicher Unter¬ 
suchungen konnte bis heute eine Einigung über Wesen und Entstehung dieser 


‘ V. Köixixn, B. 0. 

* MnzLBB, De medalla spioalis avium textura. Inang.-DiBBert. Dorpat 1855. 

* V. OsHiJOHiTir, La «eUala. VIL 1891. 

* RBTznre, Biologiache Untersachnngen. Bd. VII. 


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355 


Sabsteuz nicht eizielt werden. E. A. machte dieselbe zom Gegenstände 
emer IHseertation, Lbxdio* hält sie fdr gallertiges Bind^ewebe, ebenso Mbtz< 
leb’, SruiLiHa^ lasst sie ans nindlioh-polyedrischen Zellen zusammengesetzt 
sein und spricht ihr nerrösen Charakter zu, Stibda^ aber bestätigt Leydio’b 
und Heizlkb’s Angaben. Dütal* weist in ihr blasige Zellen nach und findet 
die Mdong des Sinus rhomboidalis in der Obliteration der Primitivrinne erklärt, 
indem nur der feine Gentralcanal übrig bleibt Die gallertige Substanz, scheinbar 
retiealär, bestönde aus Zellen, die sich dnrch Umwandlung von Elementen des 
embryonalen Medullarrohres bildeten. Einige Gefasse und Nerven&sem sind 
in die Substanz eingeschlosseu. Letztere Ai^abe kann ich auf Grund meiner 
Pi^Arate insofern bestätigen, als ich in der Substantia gelatinosa zuweilen 
d^nerirte Nervenfosem und immer blasige, durchsichtige Zellen, zwischen 
deim 8i(^ Blutgeßsse und Lymphräume erstreckten, fond. 

Gadow ' meint, die Substimz entstamme dem Ependym und hält den Sinus 
rbombrndalis nicht für embryonale, sondern nachträglich erworbene Bildung 
innerhalb der Classe der V^el; bei Yogelembryonen fand er keine Spur eines 
Sims; er Tersncht eine phylogenetische Erklämng, der zufolge die dinosauzier- 
aitigen Vorfahren entsprechend den mächtigen hinteren Extremitäten ein viel 
ää^eres Mark —. besonders in der grauen Substanz — besassen, und dass nun 
ds nicht länger nöthige Ranm durch das wuchernde nicht nervöse, auf indifib* 
miter Stufe stehen bleibende Gentralgewebe ansgefüllt wird. Eine Cauda equina 
fehlt, denn die Nerven treten sofort ans dem Wirbelcanal ans, ohne wie bei 
den lagern eine Strecke neben einander zu ziehen. Ein Filum terminale im 
ägentlichen Sinne ist nicht da. Der Gentralcanal ist geschlossen, kreisrund, 
durdischniUlich 0,03 bis 0,04 mm breit An Spinalnerven unterscheiden wir 
12 Nervi cervicales, 7 Nervi pectorales, 13 Nervi Inmbales, 7 Nervi caudales. 

Untersuchungen, welche wesentlich mit der von TObe bei Säugern inaugu* 
lirten, von Westphal, Sinueb, Löwenthal u. v. A. ausgebildeten D^enerations« 
methode Vorgehen, liegen für das Rückenmark der Vögel, soweit ich sehe, bis 
jetzt nicht vor; deshalb wissen wir auch noch nicht — wenn wir absehen von 
den Mittheilimgen bei Bbandis —, wie weit einzelne Bückenmarksbabnen him« 
värts ziehen. 

ScH&ADKB^ SiNUEB^ MüNZEB, EoiNaEB, die bei Vögoln eine Hemisphäre 
exstir{Mrten, fanden niemals eine vom Grosshim absteigende lange Bahn d^ene- 
rirt, die als Homologen der Pyramidenbahn der Säuger gelten könnte, und 

* E. A. Hat, De sma rhomboidali in medoUa spinali avium. Inaug.'Diee. Halis 1844. 

* LsTDid, Histologie der MeDscheo ODd der Tbiexe. MOllib’s Archiv. 1864. S. 884. 

* s. o. 

^ Stiu;,iko, Monographie Über dae Rhckenmark der Vögel. 

* s 0. 

* Dwai. Matbu 8, Beehercbee enr le Sin. rbomb. des Oiseaox, snr son däveloppement 
nr la D^vrolgie p4ri4peiidymoire. Joum. de TAnat. et de ta Pbjsiol. Paria 1877. 

’ s. o. 

* Sachs P. Bbahdu, UDtersoehoogeD bber das Gehirn der Vögel 1. Tbeil. 

28* 


DiQ'iii’od 


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356 


leognen daher mit voller Bestimmtheit die Existenz ^es Tractns oortico- 
spinalis. 

Anch Bbandxs* erhielt bei zwei Tanben, die er nntersaohte, ein natives 
Besnltat 

Saioiicetbb^ dag^eUf der seine Thiere längm* als einer der anderen Antoren 
leben liess, fand eine deutliche secnndäre Degeneration hn Rückenmark an d» 
Stelle der Pjramidenbahn, weshalb Bbawds meint, die Frage müsse dmeit 
noch offen bleiben. Eigene Untersnchnngen, die ich anstellte, sind derzeit noch 
nicht abges(^ 088 en. 

Ueber directe Bahnen zwischen Bückemnark and Thalamus, ebenso über 
solche zwischen Bückenmark und Mittelhim ist, wenigstens mit der Degenerations¬ 
methode, die doch hier den Aasschlag giebt, noch nichts ermittelt Ihre Existenz 
wird behanptet. 

Bei diesem Stande der Frage schien es wünschenswerth, die eigenen Unter¬ 
suchungen in zwei Abschnitte zu gliedern. 

A. Durchschneidungsversnche am Bückenmarke, welche ent¬ 
scheiden sollen, ob und welche Fasern aufwärts degeneriren. 

B. Verletzung verschiedener Theile des Kleinhirns. 

Ad A. Um mich über Bahnen, die vom Bückenmarke in’s Kleinhirn anf- 
steigen, zu orientiren, durohschnitt ich das Bückenmark in verschiedenen Höhen. 
Bei 6 Tauben durchsohnitt ich es ganz, bei 30 l^te ich eine Halbseitendorch- 
scbneidung in verschiedenen Höhen des Hals*, Brust* und Lendenmarkes an. 

Die Schwierigkeit der Operation ist naheliegend. Das kleine Bückenmark liegt 
tief eingebettet in dem knöchernen Ganale; tritt nach der Darchschneidong des 
Rückenmarks eine Blutung anf, so ist ein Uebersehen des Operationsfeldes, eine 
Gorrectur des Schnittes unmöglich. Endlich machte das Thier in vielen F&llen, 
selbst io tiefer Narcose, in dem Momente, da die Spitze des Scalpells die Dara 
spinalis berührte, Beflex(Abwehr)bewegungen, die häufig ein Abgleiten oder Ueber- 
schneiden zur Folge batten. 

Diesen Schwierigkeiten konnte ich bei Operationen im Sinus rhomboidalis ent¬ 
gehen. Ans der oben gegebenen Beschreibung erhellt, dass an dieser Stelle eine 
Theilnng des Bflckenmarks gewissermaassen . schon phjsiolo^ch angedeutet ist; ein 
Ueberschreiten der Mittellinie konnte nur die oben geschilderte „Substantia gelatinosa** 
verletzen, kaum aber nervöse Gebilde. 

Ad II. Da ich bei der Untersuchung der Gehirne von am Bückenmark ope- 
rirteu Tauben d^nerirte Bahnen bis ins Kleinhirn verfolgen konnte, machte i<^ 
eine Beihe von GontroUversuchen, am Kleinhirn, indem ich bei 25 Tauben an ver¬ 
schiedenen Stellen desselben Zerstörungen vomahm. 

Was die Auswahl der Thiere für diese Operationen anbelangt, so zeigten sich 
ältere der Äethemarcose gegenüber ansserordentUch widerstandsßhig, während jüngere 
grosse Vorsicht nothwendig machten. 

Die operativen Eingriffe, selbst solche schwerster Natur, überstanden die Tanben 
ausnahmslos. Zum Festhalten des Tbieres diente der EwAxm'sche Tanbenhalter, der 
den Kopf und den Bumpf in beliebiger Stellung festhalten kann, ohne das die Ath- 
mung iigendwie beeinträeht^ würde. 

War das Thier „eiogeepannt“ und durch einen in der Medianlinie geführten 
Schnitt die Hant nnd die Bflckenmusknlatnr durchtrennt, so nahm ich die weitere 
l’räparation stnmpf vor, da insbesondere am Halse eintretende Blutungen schwer au 


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357 


itiila «inn. Termocbte ich allerdiogi aooh Mhr bedentender, sogar Sinus* 

klitugiD Herr ni werden durch die Anwendosg eines, so weit ich weise, neuen, 
■ir TOS Prof. Edinqbb empfohlenen Mittels. Ich drfiekte ein Sttkekchen Tanben* 
■whlibir auf die blntende Stelle^ was ein fast sofortiges Qerionen des Blutes be* 
tirh Bei den leisten Operationen (15) entnahm ich stets ein Stflokchen Bnist- 
■rtilatar von dem an operirenden Tbiere, um solches frisches Blntstillongsmaterial 
nr Hand so haben; flbrigens gelingt die Blutstillong auch mit Mnshulatnr, die 
bsKwe Zeit io Formel gel^^ hatte. 

Hidi der Eröffiinng des RQckenmarkcanals sieht man in der Tiefe das Bficken* 
avk ah einen gl&niend wdasen Strang lieg»), an seiner dorsalen Seite von einem 
filatleiter bedeckt, dessen Verletznng schwere Blntong herbeifflhrte, so dass ich ihn 
w dw Lision stets stumpf zur Seite .drfiekte. 

Bach aosgelfihrteT Operation wurde das znifickgeklappte- Knoebenstflek auf die 
loa^ gelegt, die Haut mit Catgut genäht and mit Sublimatcollodium flbergossen. 

Die Operationen am Kleinhirn zerfielen auch in mehrere Gruppen. Erstens 
aKbie ich etwas oberhalb der Protoberantia occipitalis mit einem feinen Trepan eine 
tMobeai)SDang, durch die ich, dem WALLBWBXBo’schen Verfahren folgend, einen 
hf~l BUB langen Tiaminariastift einschob, der dann bei seiner Quellung eine Zer- 
dirag der dorsalen Binde Terursaebte. (Derselbe wurde bei der nachfolgenden 
UDtnachong stets mitgeschnitten.) ln anderen Fällen schob icb einen längeren 
Stift weiter hinan (ventralwärts) und setzte auf diese Weise eine Verletzung des 
Bnbinkbrpeis. Bin anderes Mal durchstach der Stift den Pednnculns cerebelli, 
anal drang er zni&IIig durch die dorsale Binde in den Ventrikel des Kleinhirns 
u; KQBt werde ein Sealpell durch den Knochen in das Cerebellum eingestossen, 
id piiparirte, den Sinus der Schädeldecke ausweichend, die knbeheme Be- 
ti^mg weg und Idffelte einen Tbeil der Kleinhimsabstsnz aus, welch letztere 
Kethode ich ihrer Sicherheit wegen zum Schlosse fast ausnahmslos anwandte. 

Die Brsebeinungen an den Thieren nach der Operation waren zumeist so con- 
*tat gsd, idi möchte sagen, patbognomiseh, dass ich mit wenigen Worten einen 
^tag ans den FrotocoUen ge^. 

Alls Tauben, bei denen eine wollständige Dorchtrennni^ des Bfickeomarks statt- 
hatte, lagen nach der Operation mit an den Leib angezogenen Beinen und 
ugelegten Flfigeln passiv im Käfige. Vollständiges Unvermögen, den Ort zu 
tadcB. Am nächsten Tage versuchten die Tbiere, aus ihrer Lage aufgeschreckt, 
Tffwirtsbewegnngen dadurch auszufOhren, dass sie die Flfigel spreizten und mit 
heftigen Schlägen, mehr kriechend als fli^end, der verfolgenden Hand ent- 
ticiiflB. Dieee Thiere mussten gefüttert werden. 

iBtereasantw war das Verhalten jener Tanben, bei denen das Bflckenmark nur 
zm Tkeil dorehsehoitten war. Stets zeigte sieh die gleichnamige hintere Extremität 
nach der Operation (Halbseitenläsion rechts angenommen) das Thier 
<hr rechten Säte. Das rechte Bein wird im Hfift- and Kni^elenk gebengt. im 
l^iteneheokelfnsegelenke mit gespreizten Zeben gestreckt gehalten, meist mit nach 
gwichtetem Dorsnm der Klaue. Der Schwanz ist nach links abgebogen und 
Mteb abwärts gehalten, sodass ein dorsalwärts convexer Bogen entsteht. (Ueber- 
der beeeer innervirtmi linken Musknlator des Schwanzes.) Scheucht man das 
^ ans seiner Bube auf, so werden wir zunächst auf den unsicheren Gang anf* 
Die Taube schleppt das rechte Bein nach, das in schlaffer Lähmung 
Oftinals stolpert sie Aber dasselbe oder tritt mit dem Dorsnm der 
Auf. Erregt man ein Geräusch, das sie zur Flacht mahnt, so entfaltet sie 
^ hebt sieb in die Höbe, stellt das gesunde Bein auf, stfltzt die Schwänz¬ 

le auf den Boden und vermiß dann, ein wenig Aber die Elrde erhoben, halb 
halb laufend, stets das rechte Bein nachschleppend und öfters binfallend, 
^ (tik<KDmsn. ^greift man sie, eo kann sie niebt in die Höbe fliegen. Lässt 


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358 


man sie aber von oben hinabfallen, so entfaltet sie die Fl&gel, and den nach links 
abgebogenen, non aasgebreiteten ^hwanz gewissermaassen als FaUschirm benfitaend, 
gelangt sie fast wie eine gesande Taube auf den Boden. 

Was die Sensibilität und die Reflexe anbelangt, so konnte ich bei deren Prüfung 
nicht zu eindeutigen, übereinstimmenden Resultaten gelangen, doch schien mir in dra 
meisten Fällen auf der der Operation entgesetzten Seite eine Herabminderung dM- 
Schmerzempflndung vorhanden zu sein, auch glaubte ich häuflg, den Oreifreflex auf der 
gelähmten Seite leichter und intensiver aaslösen zu können, als in normaler Weise. 

In wie weit die sehr merkwürdige Erscheinung, dass die Thiere das gelähmte 
Bein oft mehrere Centimeter hoch mit Dejecten, Sand u. s. w. bedeckt batten, während 
die ungelähmte Seite stets mit der den Tögeln eigenen Sorgfalt geputzt erschien, 
etwa mit nervösen Binflüssen (Änästhesiel) zusammenhängt oder mechanischen Ur¬ 
sachen zuzuschreiben ist, vermag ich nicht zu entscheiden. 

Das oben geschilderte Verhalten in motorischer Beziehung gilt für die ersten 
Tage nach der Operation. Ende der ersten Woche zeigt sich schon eine Besserung 
des Zustandes; das Thier steht meist auf beiden Beinen, noch ist die Schwanzhaltung 
pathologisch, bei dem Wunsche, zu entfliehen, stolpert die Taube leicht über das 
gelähmte Bein und fällt hin. Immer mehr aber erstarkt die kranke Extremität, and 
oft unterscheidet sich gegen Ende der zweiten Anfang der dritten Woche das operirte 
Thier von dem gesunden nur durch eine geringe Schwäche im paretisehen Beine, 
durch ein leichtes Abbiegen des Schwanzes nach der gesunden Seite hin, was eine 
meiner Kranken jedoch nicht hinderte, sich meiner Hand zu entwinden und in kurzer 
Zeit über das Dach fainwogfliegend, für immer zu entschwinden. 

Was nun die Erscheinungen an den Tauben anbelangt, denen das Kleinhirn 
verletzt wurde, so eigab die Beobachtung detjenigen, denen die dorsale Binde des 
Eleinbims durch einen Stich oder durch einen Laminariastift in grösserer oder 
kleinerer Ausdehnang zerstört worden war. keinerlei Alteration des Allgemeinbefindens. 
Anders dagegen verhielten sich die Thiere, denen der Kleinhirnkörper durch einen 
Laminariastift verletzt worden, oder bei denen durch eineu kleinen scharfen Löffel 
eine grössere oder geringere Menge von Kleinhimsnbstanz entfernt worden war. 
Oleich nach der Operation traten die Erscheinungen des gestörten Oleichgewichts 
auf, die durch ihre Art, ihre Intensität und ihre Dauer von den rauschartigen Be¬ 
wegungsstörungen, die häufig auch bei den Tbieren, die am Bückenmarke operirt 
worden waren, in Folge der Aethemarkose auftraten, leicht zu unterscheiden waren. 

Stürmische Drehbewegungen des Körpers, Ueberschlagen desselben über den auf 
den Boden aufgestützten Kopf, Schiefbalten des Kopfes, Taumeln, Umfallen beim 
Versuche, sich aufrecht zu erhalten, Rückwärtsbeweguageu im Kreise. Auch hier 
Hess das Stürmische der Erscheinungen in den nächsten Tagen nach. Die Thiere 
standen ruhig im Käfige, doch verloren sie, beim Suchen der Kahmng n. s. w,, noch 
häufig das Gleichgewicht, taumelten, fielen hin und zeigten eine Schiefhaltung des 
Kopfes. Bei einigen Tauben gelang es mir, die dorsale Binde des Kleinhiros und 
einen grossen Tbeil des Körpers zu zerstören. Diese Thiere zeigten die oben be¬ 
schriebenen Erscheinungen gestörten Gleichgewichtes und aufgehobener Coordination 
am deutlichsten. In den ersten Tagen taumelten sie im Käfige hemm, schlugen mit 
dem Kopfe auf den Boden auf oder gegen die Wände und hielten den Kopf schief 
um 180*^ gedreht, dass der Schnabel dorsal gerichtet war. Das Taumeln liess nach, 
die Drehung des Halses dagegen blieb bestehen; Nahrung zn finden war diesen 
Tauben unmöglich, da sie keine coordinirte Bewegung auszufOhren im Stande waren. 
Bis zu ihrer Tödtung mussten sie gefüttert und getränkt werden. Bei mehreren 
dieser Tauben schien die eine Seite des Körpers deutlich schwächer zu sein als die 
andere, doch handelt es sich hier kaum um Lähmung — etwa durch unabsichtliche 
Verletznng der ventral vom Cerebellum gelegenen MeduUa oblongata bewirkt — 
vielmehr um eine Schädigung des Orientirungsvermögens im Baume und der zom 


■'ig: ^cd 


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359 


AfaUxif üner Bewegung nbgestoften Kraft der der motoiiacfaen Centren, 

ihnlkh den Ergebnissen, die Bibdi.* fand, der auch die motorische Schwäche und 
die CooTdinationsstörnng in den Kopfmuskeln, aosgedräckt durch die Schiefhaltung 
das Kopfs, bei jenen Thieren, denen er den hinteren Kieiohimstiel dnrchtrennt hatte, 
als Ataxie nach W^all einer hemmenden Bahn, die er vom Cerebellum aus in die 
Seitansträi^e des Büchenmarks verlaufend ansprechen möchte, erklärt. 

In meinen Fällen war die motorische Schwäche auch meist einseitig, oder doch 
«kseit^ viel stärker, was das üeberwiegen der Coordinationsstörnng anf einer Seite 
erklären wOrde. 

Als besten Zeitpunkt fär die Tödtung der Thiere möchte ich bei BQckenmarks* 
lääonen den 13.—14. Tag, bei Eleinhirpoperationen den 16. —18. Tag angeben, nach 
wdeherZeit ich stets die Degenerationen am schönsten und deutlichsten entwickelt fand. 

Die Wirbelsäule schnitt ich im Zusammenhangs mit dem Kopfe ans dem Thier» 
Imbe ans, legte sie in (ö^/^) Müller- (10 7o) FormoUösnng (10:1) durch 6—8 Tage, 
«ntw^hm dann unter thunlichster Vermeidung aller Zerrungen das Gehirn and Rücken- 
Bark, das in dieser Zeit bereits so hart geworden war, dass man es viel leichter 
ohne Verletaangen herauspräpariren konnte, als wenn man dies gleich nach der 
Tödtnng des Thieres versucht nnd legte es in kleinen Stückchen io die bekannte 
Marchi-Mischung auf 2—6 Tage. 

Bei dieser Gel^enheit möchte ich auf einen kleinen Kuns^riff aufmerksam machen, 
der mir in vielen Fällen gute Dienste leistete nnd znmindest viel Zeit ersparen lässt. 

Bevor ich an die Härtung ging, entnahm ich dem Bflckenmarke ober- und 
unterhalb der Operationsstelle, die durch den Enochendefect oder durch die Naht 
Mtlich markirt ist, ein kleines Stückchen seiner Sobstanz. Diese brachte ich auf 
dem OeMermikrotome zum Gefrieren, machte ein^e Schnitte, legte sie auf 1—2 Stunden 
ia das Marchi-Gemisch und konnte ich mich auf diese Weise nach kürzerer Zeit 
davon Aberzeugen, ob das Material zur Weiterbehandlung geeignet sei oder nicht. 
Daas der bei der Qefriennetbode verdunstende Aetber anf die Degenerationsproducte 
m keiner Weise einwirkte, dass die Behandlnng von 20—40 /i dicken Schnitten mit 
Marelü durch die oben angegebene Zeit zur deutlichsten Sichtbarmachung der Degu- 
aeratioomi genüge, davon Überzeugte ich mich dnrch entsprechende ControUversuche. 

Was die Ergebnisse der Sectionen anbelangt, so fand ich sowohl die Bflcken- 
•Is die Kopfwunden stets reactionslos verheilt, mit Ansnabme eines einzigen Falles, 
in weichem ich an der Operationsstelle (Operation in der Höbe der HalsanschweUung) 
grünliche Verßrbnng der Haut, Gangrän der Weichtbeile und den Bückenmarkscanal 
ob«- und unterhalb der Operationsstelle mit missHirbiger Flüssigkeit erfüllt fand, 
so dass ich wohl an eine von aussen statigehabte Infection denken musste, weshalb 
diese Taobe von der Dntersnchong ansschloss. 

Am halbseitig dorchtrennten Rückenmark fand ich bänfig eine Art Vernarbung 
vor, so Aitna die Continuität oberflächlich bergestellt erschien, doch denke ich hier 
nicht an eine wirkliche Regeneration von Nervengewebe, erkläre vielmehr die deutlich 
anftiwtende Beaserong in dem Beflnden der in den ersten Tagen halbseitig gelähmten 
Tki«e ans der bekannten Erscheinung vom Vicariiren (anderer) gesunder Bahnen 
Ar die zu Grunde gegangenen. Im G^ensatze hierzn berichtet Bboww-Sequabd, 
er habe bei einer Taube, der das Rückenmark völlig durchschnitten war, bei ihrer 
Tödtung nach 3 Monaten dasselbe vollständig verwachsen gefunden; die Yerwachsungs- 
•tolle zeigte sich ärmer an Ganglienzellen nnd Nervenfasern, Empfindong nnd will- 
kftiikbe Bewegung hatten sich nicht bergestellt, die Reflexaction an den gelähmten 
Mnakelo war prompt. 

' Er konnte eine solche Bahn mikroskopisch nacbweisen; ich glaube auob Fasern der- 
idhea bei meinen Tauben, die am Cerebellum operirt wurden, gefunden zu baben. 

(Fortsetzung folgt) 


DiQ'ii^od 


c.GoogIc 



360 


XL Referate. 


Anatomie. 

1) Die Leitungsbahnen des Bflokenmarks und des Oehinxs, yon Prof. Dr. 
y. Bechterew. (2. Äufl. 11. Theil. 1898. Kicker. St. Peterabui^.) 

Die in russischer Sprache nunmehr erschienene 2. Auflage des 11. Theils der 
„Leitungsbahnen" enthält so viel neues, dass sie als völlig umgearbeitet bezeichnet 
werden darf. Das ganze Werk ist in vier grosse Kapitel zertheilt, in welchen die ge¬ 
summte Architektonik des Centralnervensystems und die physiologische Bedeutung 
der einzelnen Fasersysteme, in einer erschöpfenden Weise besprochen wird. Das 
erste Kapitel bandelt Ober das Kleinhirn. Verf. bespricht zunächst die bisher sicher 
gestellte physiologische Bedeutung dieses Organs und speciell die Bolle, welche das¬ 
selbe fflr die Erhaltung des Gleichgewichts spielt. Dabei werden nicht nur die 
Experimente, sondern auch die Besultate aus der menschlichen Pathol(gie kritisch 
erläutert Es folgt dann eine genaue Besprechung des feinen histologischen Aufbaues 
der Kleinhimrinde und der grossen grauen Ansammlungen im Markkem, wobei die 
mit der Golgi'scben und anderen Methoden dargestellten Präparate als Grundlage 
der zahlreichen, sehr gut ausgefOhrten Abbildungen dienten. Was die Fasersysteme 
betrifft, welche das Kleinhirn einerseits mit dem Grosshim, andererseits mit dem 
Bäckenmark verbinden, so berichtet Terf. in dieser Auflage Ober die wichtigen Er¬ 
gebnisse, zu denen er und seine ScbOler auf Grund der Anwendung der Harcbi'- 
sehen Methode gekommen sind. In eingehender Weise bespricht Verf. die Bahnen, 
welche in den vorderen, mittleren und hinteren Kleinhimschenkeln verlaufen, Uber 
die Verbindungen der Olive mit Cerebellum, Aber die Beziehung des N. acusticus 
zu dem letzteren u. s. w. 

Im zweiten Kapitel findet man alles, was bis jetzt Ober die Projections- und 
Associationsfasem im Grosshim bekannt geworden ist. Verf. berichtet hier Ober 
seine eigenen zahlreichen Ergebnisse und berficksiefatigt ebenfalls stets die Arbeiten 
anderer Forscher. Auch hier giebt Verf. zunächst ein Bild der physiologischen Be¬ 
ziehungen verschiedener Abschnitte des Gehirns zu einander und geht dann zur 
Schilderung des feineren histologischen Aufbaues der Hirnrinde und der Grosshim- 
ganglien Aber. Besonders eingehend ist die sehr wichtige Frage der Localisation der 
Sensibilität in der Hirnrinde besprochen. Der morphologischen Beschreibung sind 
auch hier zahlreiche Abbildungen der verschiedenen ZeÜen (Zupfpräparate, Golgi’sche 
Bilder, Carminschnitte) beigegeben. Es folgt eine Schilderung der weissen Substanz 
der Gehirne, wobei zunächst die Projections- uud dann die Associationsfasem ge¬ 
schildert werden. Bei den Projectionsfasem werden zunächst die Faaersysteme be¬ 
schrieben, die aus dem Himstamm nach den Grosshirnbemispbären verlaufen, dum 
die Projectionsfasem, welche die letzteren mit dem Grosshimganglien verbinden. 
Dabei werden die entwickelnngsgeschichtliche und die Gudden’scbe Methode in 
vollem Maasse berAcksichtigt. Bei den Associationsfasem bespricht Verf. zunächst 
die Commissuralfasem und dann die kurzen und die langen Associationsfasem und 
•faaersysteme. Stets wird dabei die physiologische Bedeutung einzelner dieser Babuen, 
so weit sie bekannt, angegeben. 

Das dritte Kapitel behandelt die Leitungen innerhalb des Centralnerven^tems 
(Keuronentheorie, Leitung in demÄxencylinderundindenFrotoplasmafortsätzenu.s.w.). 

Im vierten Kapitel findet man ein Abersichtliehes Besumö und Aufzählung der 
auf- und absteigenden Bahnen im gesammten Centralnervensystem. 


Dig ti/cn-i 


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361 


Diene gisse eehwierige Miteriil ist sehr klar and flbersichtlkb angeordnet 
nd geschildnt. Die 266 Textflgaren and eine firbige lithographische Doppeltafhl 
■leiehtem weeentlieh die Otientinmg in diesem schwierigen Gebiete. Das Literator* 
mseichniaB enthält 867 Arbeiten. 

Wir wfinschen diesem ansgeseiobneten Werke, welches demnächst in deutscher 
Sprache erscheinen soll, eine grosse Verbreitnng. 

Edward Flatau (Berlin). 


Experimentelle Physiologie. 

S) Ueb«r ooloiirtwn Gwnohmiok, von Dr. U. Eberson. (Wiener med. Presse. 
1897. Nr. 49.) 

thmlt mit, dass schon seit einer Beihe von Jahren bei seiner Person die 
SrnpfindoBg einer blauen Farbe beim Kosten einer Säure und der rothen oder gelben 
Farbe beim Schlnckm) einer bitteren Substanz auftrete; umgekehrt sei der Anblick 
ein«’ blanen Farbe mit der Empfindong einer Säure verbunden. Oft genfige schon 
der Gedanke an etwas Saures, um die Sensation einer intensiv blauen Farbe zu er* 
halten. Beim Schmecken von etwas Sflssem werde keine Sensation aufgelöst. 
Untersuchungen anderer lioute daraufhin fielen negativ aus. 

J. Sorgo (Wien). 

S) Hote sor rm nouveau oaa d’audition oolorde, par A. Grafd (Liöge). 
(Bevue de Mddecin. 1897. Mars. S. 192.) 

Die Erscheinung des Auftretens bestimmter Farbenbilder („Images et non iddes‘0 
beim Hören laut gesprochener Vocale beobachtete Yerf. bei einer jungen Dame. 
De- Yoeal a rief die Empfindung schwarz, der Yocal i die Empfindung roth hervor. 
Alle übrigen Yocale waren mit keiner Farbenempfindung associirt, ebenso wenig die 
ConSonanten. Bei der blossen Yorstellung der Yocale und beim leisen Lesen der* 
sdbso tnt die Erscheinung nicht hervor. Strümpell (Erlangen). 

4) Fuxther remarka on oolour hearlng, bj W. S. Colman. (Lancet. 1898. 
Jan. 1.) 

Yerf. stellt anf einer farbigen Tafel die Farben zusammen, welche 21 Individnen 
bei ton Hören der 6 Yocale empfinden, nnd welche 7 Individuen bei dem Hören 
aller Buchstaben des Alphabets empfinden. Es ergiebt sieb daraus wiederum, dass 
£sae seeundären Siunesempfindnngen, wie auch Bef. betont hat, bei verschiedenen 
PersoBen ausserordentlich verschieden sind. Th. Ziehen. 


ä) iBterfsrens awisohen versohledeneu Impulsen im Centralnervensystem, 
TOB L. Hofbaner. (Fflflger’s Archiv. Bd. LXYUI.) 

Tmf. bat den Einfluss starker Sinnesreize auf die ergographisebe Curve unter- 
sueht Bekanntlich ist die ergographisebe Technik noch keineswegs einwandfrei. 
Um so werthvoUer sind die Bemühungen des Yerf.’s einige wesentliche Fehlerquellen, 
m Bameiitlicb die Unzulänglichkeit der Fixation, aoszuscbalten. Als Sinnesreiz dienten 
blinde Bevolverschlüsse. Es ergab sieb zunächst, dass dieselben Gewichtshebongen 
hsTTomfen, welche diejenigen der maximalen Willensanstrengung erheblich übertreffen. 
Y«rt sehlissst daraus, dass „der quergestreifte Muskel eine grössere Arbeitsleistung 
aBfnhtngen vsnnag, als in dem Falle, wo er ausschliesslich vor einem maximalen 
WQlemrapuIs getroffen wird.“ Im Allgemeinen ist dies Plus um so grösser, je 


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362 


weiter die Ermadasg des Haskels durch TorausgegangeBe Willkürarbeit voi^^hritteD 
ist So glaubt Yerf. auch die pathologische Erfahrung erkl&ren zu küDoen, dass bei 
herabgesetzter Leistungsßibigkeit oft die Befiexthätigkeit gesteigert ist 

Wird die Versuchsperson sofort nach dem Schuss durch ein Signal zur Hebung 
des Gewichts aufgefordert, so föllt die willkürliche Hebung zu schwach aus und 
Terspätet sich merklich. Beträgt das Intervall zwischen Schuss und Signal mehr 
als Vi Secunde, so ist die Verringerung der Hebhühe kaum noch merklich, während 
die Verspätung noch deutlich ist Letztere fällt erst dann weg, wenn das Intervall 
mehr als eine Secunde betr^. Seltsamerweise erwähnt Verf. die analogen Ver¬ 
suche über die Beactionszeit (z. B. von Wundt) nicht 

Versuche mit faradischen Hautreizen und optischen Beizen eigaben zum Theil 
ähnliche Besultate. Verf. schliesst daher ganz allgemein: Fällt der Tusch (d. h. der 
starke momentane Beiz) nur wenige Zehntel Secunden vor die Willkürreaction, so 
pflegt er diese zu hemmen; fallt die Willkürreaction einige Zehntel Secunden vor 
den Tusch, so pflegt sie den Effect des letzteren zu hemmen. 

Sehr bemerkenswerth ist auch, dass ein zweiter Tuschreiz einen motonscben 
Effect auslüst welcher nicht nur die Grösse des durch den ersteu Tnscfareiz erzielten 
erreicht, sondern in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle übertrUTt Es wirkt also 
der Ablauf der ersten Tuschwirkung bahnend (im Sinne Exner’s) auf den Ablauf 
der zweiten. Diese Bahnung ist am erheblichsten, wenn inzwischen eine Intentions- 
znckung r^elrecht abläuft Eine dritte Tuschzuckung erscheint in der Curve noch 
höher als die zweite. Die bahnende Wirkung ist auch dann noch bedeutend, wenn 
das Intervall zwischen den Tuschreizen bis auf 2 Secunden steigt 

Das Qesammtergebniss seiner interessanten Versuche formnlirt Verf. dahin, dass 
„eine dem Ceotralnervensystem zugeführte starke Err^ung einerseits die motorische 
Leistungsfähigkeit desselben Über das Normale hinaus steigert und andererseits den 
Einfluss der WillkOrintention herabsetzt“ Tb. Ziehen. 


6 ) Zu J. Roaenthal’s (Erlangen) und M. Uendelsohn’s (St Petersburg) 
Mlttheilung: Ueber die Leitungsbahnen der Reflexe und den Ort der 
Beflexübertragung (Neurolog. Ceotralbl. 1897. Nr. 21), von Dr. S. Erben 
in Wien. (Wiener Win. Wochenschr. 1897. Nr. 49.) 

Verf. sieht in der Arbeit Rosenthal’s und Hendelsohn’s eine Stütze für 
seine früher ausgesprochene Ansicht „dass die grossen Nervenzellen des Vorderhoms 
nicht jene Centra sind, wo die aus der Peripherie kommende Erregung in centrifngale 
nmgesetzt wird“ (Neue Beiträge zur Eenntniss der Reflexe. Wiener med. Wochen¬ 
schrift. 1890. Nr. 21). Die beiden Autoren verlegen die Stellen für den Ablauf 
der Reflexe bei geringsten Beizen auch für die unteren Extremitäten in den obermi 
Theil des Halsmarks unterhalb der Spitze des Calamus scriptorins auf Grund von 
Tbierversuchen und klinischen Beobachtungen. J. Sorgo (Wien). 


Pathologische Anatomie. 

7) Coutributo all' anatomia patologloa del trauma nervoso, per A. de Luzen - 
berger. (Annali di Nevrologia. XV. 3.) 

Die feinere Anatomie der Veränderungen des Nervensystems, die durch indirectes 
Trauma bervoigebracht werden, ist schon von vielen stndirt und beschrieben worden. 
Der strittige Punkt dabei ist immer der, ob es sich um rein regressive oder um 
entzündliche Vorgänge handelt. 

Von 7 Meerschweinchen, die nach Hammerschlägen auf den Schädel oder nach 
anderen Insnlten, wie Stoss mit dem Kopf gegen eine Hauer epileptisch geworden 


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363 


wen, nntersachte Verf. das CwtralnerTeiisystem Tornebmliob an Nissl'Pr&parsten. 

Ywf. beeebreibt die bei den einxelnen Thieren erhaltenen Resnltate nnd kommt 
n folgenden Scblfiseen: 

1. Die allgemeinen EmähnmgsstOnuigen nach einem Traoma, das das Nerren* 
■^stOD getroffen, xe^ sich loerst in der Vermebrong der regreasiv ver&nderten 
Qaaglienzellen. 

2. Die dem Tranma folgenden circamscripten Läsionen verdanken ihren Ur* 
^nng dem Contrecoup und der durch den Liquor cerebro-spinalü fortgeleiteten 
bsdiQUerung. 

3. Auch wenn gröbere Veränderungen fehlen, finden sich mikroskopisch oft an 
den dem Contrecoop an^esetsten Stellen Zellalterationen und Zerreissungen der 
Harknebeiden auch in weiter Entfernung vom AngriSepunkt des Traumas. 

4. Die Yeränderongen der Ganglienzellen bestehen in einer eigenthfimlichen 
ptdaren Anordnung des Cbromatins. 

5. Hammerschläge, selbst wenn sie auf den Kopf eingewirkt haben, können 
Tarinderungen im Bfickenmark setzen, die eine Heterotopie Vortäuschen. 

6 . Im Bfickenmark finden sieb in Folge des Traumas oft sclerotiscbe Inseln, 
vornehmlich dort, wo die Zerreissung am stärksten. 

7. Das Oefösssystem reagirt auf Traumen durch Erweiterung der Capillaren 
■nd Voien. 

8 . Folgt Kachexie auf die Verletzung, so ähneln die Zellveränderungen oft den 

bei der progressiven Paralyse beobachteten. Valentin. 


8 ) 8a d’ona speoiale alteraslone delle oellule ganglisrl prodotta da 
tranma aperimentale, per A. de Luzenberger. (Giomale delV Ass. dei Hed. 
e Naturelisi VII. 4.) 

lieber die anatomischen Qmndlagen der traumatischen Neurose gehen die An* 
ächten sehr weit auseinander. Verf. untersuchte nun die Gehirne von Meer« 
scbweittchen, die nach Hammerseblägen auf das Schädeldach mit epileptischen Con« 
TDlsioaeD erkrankt waren, ohne dass Hämorrhagieen oder gröbere Zerreissungen dem 
Trauma gefolgt werden. 

Von einem solchen Thier, das 56 Tage nach dem Trauma getötet wurde, und 
usaer der Lähmung einer Pfote keine krankhaften Erscheinungen mehr darbot, be« 
öckreibt Verf. einen eigenthflmlichen Befand. Die Ganglienzellen der Scheitel« und 
SchÜfenlappeo beiderseits zeigten an NissUPräparaten eine Anhäufung der stärker 
färbbaren Sobstanz an einem Fol der Zelle, während an dem anderen das Froto« 
plasaa rareficirt erschien. Der Kern bildete die Grenze zwischen beiden Abschnitten. 
Dieee Verändemngen fanden sich an den dem Einwirkungsort des Traumas näebst- 
geiegenen Bimtheilen. 

Die wiederholten Hammerschläge hatten hier zwei Snbstanzen von verschiedenen 
qweifiseheD Gewicht getrennt, die in der Begel innig vereinigt sind. Man kann das 
axpminentell nachahmen, wenn man in einer Böbre ein leichtes und schweres Pulver 
■iseht. Fährt man ScÜäge gegen die Hfindung der Böhre aus, so trennen sich 
beide Pulverarten. Valentin. 


Pathologie des Nervensystems. 

-•) Ueber (Jn&llerkrankazigeii, von Prof. Dr. Bichard Schnlz. (Festschrift 
zur 69. Versammlnng deutscher Naturforscher und Äerzte. Braunschweig. 1897.) 

Vof. skizzirt znerst den augenblicklichen Stand der wissenschaftlicheu Ansichten 
hes&glich der Nervenerkrankni^en nach Unfall, bringt dann einen ausgeprägten Fall 


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364 


von Bailwayspine, welchen er seit 1879 onter Beobaohtang hatte. Der Zoatud 
desselben war im grossen Gänsen in dieser langen Zeit immer derselbe geblieben. 
Gewechselt batte nnr die Art und Weise der Anffassnng des Erankheitsbildes, ein 
Wechsel, den Verf. an sich selbst dnrchgemacht hatte. Seine AnadmonngeB über 
die traumatischen Nenrosen sind im wesentlichen knrz folgende. Be ist awar anin- 
streben, jedesmal den Krankheitsfall unter die bestehenden ErankbeitsbildCT dw 
Nenrastbenie, Hysterie, Hypochondrie, Melancholie u. s. w. einxoreihen, jedoch ist « 
nicht nnpraktiscb, wenn Jenes nicht mOgUch ist, es bei der Bezeichnnng „temna* 
tische'* Heorose an belassen. Dies hat anch den Tortheil, dass die Aosdrtcke 
Hypochondrie und Hysterie, welche für den Bichter „anrüchig** sind, TermiedM wtfdeo. 
Was die Pathogenese betrifft, so wirkt in erster Linie die p^chische Erschütterung, 
Begebrangsrorstellui^en (Strümpell) haben allenfalls eine krankbeitsunterhalteude 
Bedeutung, aber keine krankheitmachende. In dieser Beziehung will Terf. die schweren 
Unfallneurosen von den leichten geschieden wissen. Bei den letzteren schliesst Verf. 
sich der Strümpell’schen Auflassung vollstftndig an. 

Von grosser Bedeutung ist anch der chronische Alkoholismus. Was die Simu* 
lation angeht, so glaubt Terf., dass dieselbe sehr selten ist, jedoch aber unbewusste 
Uebertreibung sehr h&nfig anftritt Die Symptome von Seiten des Hantgefühls und 
die Graichtsfeldeinengungen sind, wenn genau untersucht, von grossem Werth, weniger 
Bedeutung hat die Steigerung der Herzthätigkeit und der Sehnenrefiexe. Das fibril- 
l&re Huskelzucken ist ein werthvolles Symptom, sobald man das ESltezittem ans* 
schliesst Die Prognose ist bei ülteren Unfallsnenrosen schlecht Grosser Werth ist 
auf die baldige Unterbringung der Patienten in solche Erankenh&user zu legen, in 
welchen in Unfallkrankheiten erfahrene Aerzte sind. 

Im zweiten Theil seiner Arbeit bringt Terf. zwei interessante organische Unfall* 
erkraukungen. 1. Kopfcoutusion mit Bruch des Oberkiefers im Jahre 1886. Kopf¬ 
schmerzen bis 1895. In diesem Jahre Steigerung der Kopfschmerzen, GedäcbtaiiBs- 
schw&che, Anssetzen der Arbeit Befund 1895: freies Sensorium, weinerlicbo 
Stimmung; Andeutung von amnestischer Aphasie; rechte Pupille weiter als links; 
normale Beaction; doppelseitige Stauungspapille; geringe Schwäche des rechten Facialis. 
Schwanken nach rechts beim Gehen und Stehen. Steigerungen der Beflexe am linken 
Bein. Die Beaction zeigte ein Gliosarcom des linken Schläfenlappens. Terf. kam 
zum Schluss, dass die Geschwulst sich in Folge des Unfalls entwickelt hatte. 

2. 22jähriger Hann, welchem 1892 ein 6 Centner schwerer Stein auf den 
Bücken fiel. Lähmung der Beweglichkeit und des Gefühls beider Beine, Urinver¬ 
haltung, onwillkfirlicher Abgang des Stnhls. Die Untersuchung ergab ein Torspringen 
nach hinten nnd links des 2. Brustwirbels und 1. Lendenwirbels. Gang watsefaebd 
mit sehr starkem Pendeln des Beckens. Geringes Kachziehen des rechten Beines. 
Bücken und Aufrichten schwerfällig. Beide Beine aetiv nnd passiv frei bew^lich. 
Gesässmuskeln schlaff und welk, besonders rechts. Anßi^Uche Lähmungen des 
rechten und linken Beines und aiifönglicbe Peroneuslähmung mit EntartungsreactioD 
waren zurückgegangen. Desgleichen die anfönglichen Schmerzen im Erenz und in 
den Beinen. Bestehen blieb Empfindungsstürung im Bereich des N. cut. ferner, 
poster. des Bam. cut cmr. later., des K. peroneus, des N. peron. superficialis, der 
N. clunium inferiores und des Plexus pudendalis bei Freibleiben des Gebiets des 
K. cmralis und Obturatorius. Atrophieen und Schwäche der betreffenden Mnsknlatni 
fanden sich im Ischiadicusgebiet und dem des H. gluteus super, und Inferior. Terf 
stellt keine sichere Localdiagnose, vermuthet nur den Sitz der Läsion der Cauds 
equina in der Hübe zwischen 1. und 2. Lendenwirbel. Paul Schuster (Berlin). 


D g I ,:od oy GOO^ Ic 



365 


10) Bn IWI von Bohwwm SohädolUsioA mit gäimtlgem Aiugange, toq 

SflgioMBtatrst Dr. Ericb Knote in Badapeak (Wiaier med. Wocbensobr. 

1898. Nr. 6.) 

fin 38jfthriger Btttooeister etflnte Tom Pferde. Aus der Nase sickerte Blnt, 
&M tat Ohren nicbi Tiefer Sopor, anwUlkflrlicher Urin- nnd Kothabtping, B. 16, 
P. 62, T. 37,9; beide Papillen reaetionslos, beide Corneae nnempfindlicb; Ubmniq; 
te rechten Oenlomotorins nnd Facialis, rechtsseitige Hemiplegie; Sfacher Knochen- 
bnd des Unterkiefers. 

Dis Diagnose wnrde gestellt auf Commotio cerebr. Blntaostritt in die Sch&del- 
UUs an der Qehimbasis entsprechend der rechten Scala media, wahrscheiulioh in 
P»lge foo Kssnra baseos. 

Der Sopor dauerte 10 Tage. In den ersten S Tagen Cheyne-Stockes’sches 
A th msa. Urin and Koth gingen durch 3 Wochen nnwillkftiiich ab. Ton der tweiten 
Wo^ an Besserung aller fymptome. Am l&ngsten danerte die Oenlomotorins- 
Uhnnng. Nach 4 Wochen ka^ er langsam geben, es besteht noch etwas Oed&cht- 
nenehwfiche. Ophttialmoskopischer Befand: Papille abgeblasst, an der temporalen 
Me lahesn pergamentfarbig, die kleinen Gefftsse temporalw&rts atrophirt, die grossen 
GmtralgeSsse abgeflacht. Concentrische Qesiohtsfeldeinschrftnkaag, Hwabeetzong des 
ftrbeiishuiee, besonders für Qrfln. J. Sorgo (Wien). 


11) Ueber einen weiteren Fall von nervösen Folgesoatänden nach Oehim- 
mohöttanmg mit Seotionsbefand, von Dr. M. Friedmann io Uannheim. 
(Deotsche Zeitschrift für Nervenheilknode. IX. 1897.) 
fin 48jähriger, früher lebensfroher und energischer Mann von hünenhaftem 
Wochs, bis snm Krieg 1870/71 stets gesund, erlitt in diesem Feldzug durch die 
^kütter einer in seiner unmittelbaren Nähe platzenden Bombe eine Gehirnerschütterung. 
In Ansehlnas daran langes Krankenlager mit mebrw&chentUchem Bewasstseinsverlost 
aad Amnesie vom Angenblick der erlittenen Terletznog an. Nach Jahresfrist ist 
PitisBt zwar wieder arbeitsfähig, aber in Wesen and Charakter vollständig verändert 
■nd zwar jetzt forchtsam, energieschwach nnd hypochondrisch, ansserdem gegen 
hiiparikbe Anstrengungen nnd Alkohol sehr intolerant Es gesellte sich eine mit 
da Jahren progressive, essentielle Gedäcbtnissechwäche, nervöse Reizbarkeit nnd 
9tiäigkrit dee Ganges hinzu. Etwa 23 Jahre nach dem Unfall kamen zeitweilig 
uftnfceDde Schwindelanfalle mit lallender Sprache, erhöhte Pnlsfrequenz mit Parese 
da reehtai Arms hinzo, doch verschwand letztere nach kurzer Zeit wieder. Nach 
öBw stärkeren körperlichen Anstrengnng stellte sich 2 Jahre später die Armparese 
vwda ön, am nicM mehr zu schwinden. Aoaserdem beetand bei dem Kranken sehr 
datBche Intoleranz gegen den galvanischen Strom. September 1896 apoplectischer 
Isalt, Lähmong der ganzen rechten Eörperhälfte, lallende Sprache, Fnlsverlang- 
aiwo fc Dmckempflndlichkeit der linken Schläfenschuppe (Gehimabscess?), Somnolenz, 
KxRbs. Bei der anatomischen Untersuchnng des Gehirns fand sich dessen Substanz, 
aaar einem frischen hämorrhagischen Herd im linken Schläfenlappen, normal. An 
dar Art vertebralis, besondere aber an der Art. basilarie Hessen eich indessen dent- 
viM Tsrändaungen nachweisen, welche als Endarteriitis obliterans mit frühzeitiger 
Artsnosderoee aofiafasaen waren. Für die erst vorübergehend vorhandene und später 
daasnd znräclq^kehrte Parese des rechten Armes liess sich keine anatomische Grand- 
Itfs findMi, nnd ist es wahrscheinlich, dass dieselbe mit den Gefässveränderungen in 
dm liakeo Centralwindungen in Zusammenhang zn bringen ist. Die lüttheilnng 
^ewi Pdles beweiset recht dentlich, dass functionelle Lähmungen bei Commotio 
wnbri anch auf anderem Wege, als durch Hysterie zn deuten sind. Ferner ei^iebt 
äcä danMis, in der allsn einseitigen Verwendung des „psyohogenerischen'* oder gar 
da aocialp^ebologischen Ei^läningsmottTB bei hartnäckigen nnd dennoch scheinbar 


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einfach functionell bleibenden Folgexost&nden des Gehirnsboeks in Zaknnft etwa« 
zorückbaltender zn sein. Nach der Ansicht des Yerf. bildet das Auftreten eaeen- 
tieller Gedäcbtnissschwäche jedenfalls ein wichtiges Moment f&r die Annahme molo' 
cnlarer Ver&ndeningen innerhalb der Nervenzellen. E. As oh (Frankfart a./H.). 


12) Sabaraohnoideale seröse Bxsudation nach Kopfrerletsungen und da* 
durch hervorgemfene Druoksymptome, von Walton. (American Neoro* 
logical Association. 1897.) 

Schlusssätze: 1. Eine Scbädelverletznng kann zu localer Qnetschnng und 
Congestion mit snbarachnoidealer seröser Ezsndation führen. 2. Die Flflssigküt kann 
abgekapselt sein und focale Lähmung bedingen. 3. Der Process ist nicht compen- 
satorischer Natur, er ist verwandt mit Quinke’s seröser Meningitis. 4. Die Läsion 
ist circumskript (selMimiting). 6. Die Differentialdiagnose gegenüber einer Blutung 
ist schwer; atypischer Verlauf ohne Steigerung der Symptome und Erhaltenbleiben 
des Bewusstseins sprechen mehr für seröse Ezsndation. 6. Eine sofortige Operation 
bei focaler Lähmung ist nicht unbedingt nöthig, vielleicht jedoch stets gerechtfertigt. 
7. Diese Affection ist besonders zu berücksichtigen vor Operationen an Kindern und 
jungen Leuten. 

An der Discusslon beth^igen sich Putnam, Collins, Patrick, Angell, 
Herter, Bullard, Prince, Sachs und Allen Starr: sie theilen kurz ähnlidie 
Fälle mit und treten im Wesentlichen den Ausführungen des Yerf.’s bei. 

B. Pfeiffer (Cassel). 


13) Ueber das Auftreten von Hlmgesohwülsten nach Kopfverletzungen, 
von Dr. Adler in Breslau. (Archiv für Unfallheilkunde. Bd. II.) 

Yerf. hat aus der Litteratur mit sehr grossem Fleiss diejenigen Fälle von Hirn¬ 
tumor zusammengestellt, in welchen in der Anamnese eine Kopfverletzung verzeichnet 
ist und will an der Hand dieses Materials nach Kriterien suchen, auf Grund deren 
der Gutachter im speciellen Fall seine Entscheidong treffen kann. Dabei zeigt sich, 
dass weder in Bezug auf Geschlecht und Lebensalter, weder in der Natur des Tumors, 
noch in seinem Sitz zwischen „traumatischen“ und „nicbttraumatiscben“ Hirn- 
geschwülsten ein erheblicher, für den Gutachter in Betracht kommender Unterschied 
besteht. Es macht aber demgegenüber in einer Anzahl von Fällen schon die Anam¬ 
nese einen Zusammenhang zwischen Verletzung und Geschwnlstbildungen wahrschein¬ 
lich, wenn sich nämlicb au die traumatischen Beschwerden allmählich typische 
Tumorsymptome anschliessen. ln zweifelhaften Fällen wird eine ungefähre Alters¬ 
bestimmung des Tumors ans dem anatomischen Befunde zu versuchen sein. Andere 
Male wird die Uebereinstimmung des Angriffsortes der Gewalt mit dem Sitz des 
Tumors eventuell Residuen der Verletzung an den weichen Schädeldeckeu, dem 
Schädelknochen oder den Hirnhäuten an correspondirender Stelle die ätiologische 
Bedeutung des Schädeltraumas ausser Zweifel stellen. Doch ist damit nicht gesagt, 
dass nicht auch an von dem Angrifbort weit entfernten Bimstelleu auftretende Ge¬ 
schwülste die Folge der Verletzung sein können. In solchen Fällen wird wledemm 
die Anamnese zu Bathe zu ziehen sein. Bezüglich der Details ist auf die 118 Fälle 
enthaltende Tabelle zu verweisen. Paul Schuster (Berlin). 


14) Von der Verwaohniing oder Steifigkeit der Wirbelsäule, von Prof. W. 
V. Bechterew in St. Petersburg. (Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde. 
XI. 1897.) 

Die Casuistik der vom Verf. schon früher als eine besoodere Erkranknngsfonn 
beschriebenen Stei&gkeit der Wirbelsäule wird in der vorliegenden Abhandlung um 


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«HD neacD Fall boaicbert Dt derselbe in den Bahmen der früher gegebenen 
SpQtoBttologie passt, sollen an dieser Stelle nur die wichtigsten Momente beeproehen 
«erd«. Die eigeothümliche Brkranknng betraf einen 52j&brigen Hann. ^ fand 
sich eme Kjpboee im oberen Bmst- and unteren Halsabschnitt der im Bereich der 
finutwirbel «ollkomm« nnd in den übrigen Theiten beträchtlich versteiften Wirbel* 
Male. Wnrxelsymptome sind stark nnd mannigfaltig, besonders in der Brostg^nd, 
ngesproehen, nnd stellen sich für den Patient« änsserst qualvoll dar. Da die 
Maakeln des Thorax paretisch nnd theilweise atrophisch sind, nimmt die Athmung 
im abdominalen Typus an. Als ätiolc^isches Hom«t ergiebt sich ans der Anamnese 
Une HseditAt, wohl aber Trauma, ferner sei noch eine vor 15 Jahren erworbene, 
sehr Tsraarhläasigte, luetische Infeetion daraas hervorgehoben. Die Prognose der 
laagsam pr ogre ooi ven Krankheit lautet quoad valetadinem ungünstig nnd wird hierin 
aach nichts durch die Therapie geändert, deren Qrnndxüge vom Verf. «gegeben 
«erden. E. Asch (Frankfurt a./M.). 


15) Bemericong über die ohrozdeohe ankyloslrende Entaündung der 
Wirbelaftule und der Hüftgelenke, von Prof. Dr. Adolf Strümpell in 
Erlangen. (Dentsche Zeitschrift für Nerv«heilkande. XI. 1897.) 

Im Anschluss « die Bechterew’sche Arbeit theilt Verf. die Krankengeschichte 
•iaes SSjUuigen, früher vollkommen gesunden Bauersmranes mit Ohne besondere 
Sehmenen hatte sich hier allmählich eine Versteifung der Wirbelsäule auBgebildet, 
wovon die Hals- und ober« Brustwirbel frei geblieben waren. Ferner best«d 
WM mäauge Bei^econtractur im rechten und eine unbedeutende Contrsctur im 
liak« Hüftgel«k. Sowohl die Beinmuskulatur, als auch die hingen Bückenmuskeln 
fühlt« sich gespannt «d fest «, letztere erschienen zugleich atrophisch. Doch 
war die Steifigkeit nicht durch die Muskelspannung bedingt, da sie aoch in der 
Chloroformnarkose unverändert besteh« blieb. Es handelt sich wahrscheinlich um 
^ Aukylosirang auf „chronisch-entzündlicber“ Basis, doch ist der Process ausge* 
zeiehMt durch das Fehl« von stärkeren Schmerzen, von auffallenden Deformitäten 
ond eotzfindlidien Ergüssen in die Gelenke, sowie endlich durch die alleinige Loca- 
liatkm an der Wirbelsäule und den Hfif^elenkeo. In Ernmngelung pathologisch- 
aatomischer Befände ist nach Terf. die Clsssificirung dieses Falles, sowie zweier 
ihnlieher, früher beobachteter Fälle nicht sichergestellt. 

E. Asch (Frankfurt 

16) Bur an oaa de oyphose heredo-traumatique, parPierreHarie et Charles 
AstiA (Presse medicale. 1697. Octobre.) 

Ein 1897 fiOjäbriger Tischler wurde im Jahre 1886 von heftig« allgemeinen, 
Mr^gieehen Schmerzen in Armen nnd Beinen befallen. Der Al^emeinzustand blieb 
gut. Trotzdem musste der Kranke beim Gehen einen Stock benutz«. Um diese 
Zeit fing er « etwas krnmm zu gehen mit einer leichten Krümmung im dorso^cervi- 
cal« Theü. Diese Haltung war Übrig«6, wie die Nachforschung ergab, in seiner 
Emilie erbUdi. Im April 1890 fiel er auf der Strasse so unglücklich, dass ein 
Topf nnd eine Kanne unter seinen Bücken zu liegen kamen. Dabei empfand er 
aokb« Schmerz, dass er bewusstlos wurde. Nach einigen Minuten kam er zu sich, 
m wurde von Passanten aufgehoben und ging weiter. Er that dann seine 
Arbeit weiter bis znm Abend. Beim zu Bette gehen trat« wieder heftige 
SehaMrz« auf. Zwei Tage blieb er zu Bett, konnte aber d«n nicht mehr arbeiten. 
Setdem hatte er das Gefühl eines furchtbaren Gewichtes auf dem Bücken und konnte 
kaum mehr geb«. Seit dem dritten Tag nach dem Unfall war sein Rücken nun 
stark g^Tümmt und zwar trat diese starke Verkrümmung in 24 Stuuden ein. Seit 


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den xwei letxten Monaten soll die Verkrflmmnng stetig sogenoBmen haben. Objeeti? 
bestand eine enorme Kyphose der ontem Hals* und der ganien Brnstwirbeleftiüe. 
Anaserdem bestand eine nnbedentende ScoUose. Absolute Immobilit&t der Wirbel* 
sftnle. K^e Difformit&t im Lendentheil, keine Atrophie der Bomi^aekeln, keue 
Besonderheit an den Beinen, keine Zeichen von Bhachitis. Gang mit KrOoksn, 
aim anch ohne solche xnr Noth möglich. Kmne Dmekempfindlichkeit der 
Wirbels&nle, keine Sensibilitätsstömngen, normale Patellarreflexe. 

Die Yerff. bringen ihren Fall in Beziebnng sn den von Eflmmel, Henle n. A. 
beschriebenen F&ilen ron traomatisoher Kyphose and lassen es offen, ob bei einig«! 
dieser letsteren F&lle nicht Hysterie mit im Spiele sei. Fftr ihren Fall, der analoga 
in denjenigen findet, die Bechterew 1893 beschrieben hat, schlagen sie nnter 
besonderer Betonung der hereditären Pr&dispoeition den Kamen Kyphose heredo- 
tranmatiqne vor. Pani Schuster (Berlin). 


17) Experimentelle Untersaohongen über Büokenmarksersohütterung, 
von Dr. Gisbert Kirchgässer, Assistenzarzt an der medtcin. Klinik in Bonn. 
(Dentscbe Zeitschr. f. Kervenbeilk. XI. 1897.) 

Verf. folgt bei seinen üntersuchnngen im Grossen und Ganzen der zuerst durch 
Schmans beechriebeneu Tersnchsanordnnng, Die sechs Yersnchsthiere wurden nach 
8—14 Tagen getödtet, das BQckenmark sofort heransgenommen und dreimal nach 
Harchi gefärbt, während die Präparate der drei ftbrigen und der Controlthiere 
nach Harchi und Weigert behandelt wurden. Die anatomische Untersuchung ergab 
eine sich stets am Orte der Einwirkung der Sohlte, also hier in der unteren Hälfte 
des Dorsalmarks, durch Zerfall der Markscheiden und Ausfall ganzer Fasern cbarak* 
terisireade Querschnittserkrankung nebst secundärer ab* und aufsteigender Degeneration. 
Dieselbe war jedoch offenbar von der Starke der ausgef&hrten Hammerschläge ab¬ 
hängig und war in einem Falle, in welchem die Versuche unterbrochen werden 
mussten, nur angedeutei Verletzungen der Wirbelsäule oder Blutungen in den Wirbel¬ 
canal oder in das Rückenmark selbst wurden nicht bemerkt 

E. Asch (Frankfurt a./M.). 


18) Zur Beurtheilung der noch Eisenbahnunföllen auftretenden Er¬ 
krankungen, von Dr. Stadelmann in Wfirzburg. (Münchener med. Wochen¬ 
schrift 1897. Nr. 46.) 

Verf. vertritt auf Grund seiner Erfahrung die Ansicht, dass die im Gefolge 
eines Eisenbahnnnfalls auftretende Neurose nicht auf den mec^niscfaen Shok, sondern 
auf den psychischen Affect zurückzuführen sei, derart, dass die fortwirkende Vor¬ 
stellung des erlittenen Schrecks in Verbindung mit A^ociationen ähnlichen Inhalts 
das Krankheitsbild functioneller Störungen hervorroft. Demgemäss wirkt die anf 
BU^estivem Wege erzielte „Vetgessenheit des grossen Schreckens" als Heilung. Verf. 
zeigt dies besonders an der Hand eines Falles, in welchem nach secbswöcbeutUcher 
Krankheit der nach einem Eisenbahuunfall anfgetretene Symptomencomplex geistiger 
und körperlicher Alteration verschwand, nachdem es gelang, die Erinnerung an die 
B^ebenheit aus dem Ideeenkreis des Betroffenen aaszuschalten. 

E. Asch (Frankfurt a./M.). 


18) Oonoussion of the spinal oord (railway spine), by Forest Willard 
and William G. Spüler. (New Tork medical Journal. 1897. March 6.) 

Nach einer durch’ heftigen Stoss entstandenen Fractur des 11. Brustwirbels trat 
völlige Lähmui^ beider Beine mit Verlast der Sensibilität an denselben mit Ans- 


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otha« d«B Bttarks des N. cateneiu exi ein. Die Bflokennarksläeion war im ersten 
bis dritta Lombalsegment localisiri Eb bestand Betentip orinae et alvi. Der Tod 
trat am 6. Tage nach dem Unfall ein. Die Section ergab Blatnngen im Muskel* 
oad Bindegewebe an der Fractnietelle; im Vertebralcanal extradnral ein Blut* 
kzagalnm. Innerhalb der intacten Dnra war keine Blutung. Das Bflckenmark war 
libwaU feet» von normaler Gestalt. Die nach Härtung in Müller’soher Flflssigkeit 
■ikroskopiecb gtfundenen Terändenmgen im ersten bis dritten Lumbalsegment be* 
a taad en in Verlagerung von Fasern auf der einen BQckenmarksh&lfte, in zahlreichen 
ffistui^eai, Ter&ndeitem Blutpigment» zahlreichen Eörchenzellen, nekrotischem Gewebe, 
gsaehwoll^iai Axen^lindem nnd Ganglienzellen und einer Bundzelleninfiltration. 
Die Nerrenwuneln zeigten Schwellung der Axencjlinder und matte Färbung der 
Markscheiden. Die BlutgeBlsse waren stark erweitert 

Der Fall entspricht' dem von A. Westphal, dessen Patient den Unfall 7 Tage 
äbwiebte; hier waren die grössten Veränderungen im Sacralmark. Kacb den sich 
immer mehr häufenden positiven Befunden im Bückenmark nach Bflckenmarks* 
«seh&tterung ist es gewiss nicht mehr angebracht, auch nur einen beträchtlichen 
TImU der nach solcher Erschütterung auftretenden Symptome als rein functionelle, 
auf nne Neorasthenie zu beziehende, aufzufassen. M. Bothmann (Berlin). 


90) fimitrmg nx Beartheilang dar naoh Btaenbahmmflülan aoftretenden 

Ericrmnkiuigen, von Dr. Stepp, Bahnarzt in Kflmberg. (Münchener med. 

Woebesischr. 1897. Kr. 41 n. 42.) 

Der Terf. kämpft g^en die Bezeichnung „Neurose" des nach Eisenbahnnnßllen 
aaftreteodm, nervösen Krankheitsbildes nnd ersetzt sie mit dem Ausdruck „tarauma* 
tiscbe Kervenerkrankung". Hierdurch wird der Charakter rein functioneller Störung 
Ar viele Fälle in Abrede gestellt und die somatische, wenn auch nur moleculare 
LiäoD des Gesammtnervensystems io den Vordergrund gerückt. Eine grössere Beihe 
von eigenen Beobachtungen dient zur Stütze dieser Ansicht In dem vielgestaltigen 
Symptomencomplexe sind in dieser Hinsicht von besonderer Bedeutung die objectiven, 
körpetiicben, auch jede Simulation ansschliessenden Erscheinungen, wie z. B. multiple, 
periphere Nenrome, Atrophie der cntanen Gebilde des Kopfes mit Ej^rauan und Ans- 
&ll«i der Haare n. A. AU Ursache der Nervenläsion erkennt Verf. die Erschütte* 
ni^ und legt auf das „Mehrfache" des Traumas, vrie es gerade für EisenbabnunnUle 
mit ihrem Hin* und Herschütteln charakteristisch ist, besonderen Werth. Hierzu 
paast auch die Beobachtung, dass einmalige, wenn auch schwere mit Verlust von 
Extremitäten einhergehende Verletzungen den nervösen Symptomencomplex nicht im 
Gefolge babra. E. Asch (Frankfurt a./M.). 


91) Ueber trsomatiaohe Blutungen um und in das Rückenmark, von 

Dr. P. Stolper. (Monatsschr. f. Unfallheilkunde. 1898. Nr. 2.) 

Vsrf. berichtet Über 59 Fälle von tödtlichen Bückgratverletzungen. Er kommt 
gemäss den Autopsieen zu folgenden Schlüssen: 1. Blutungen um und in das Bücken* 
mark kommen bei allen schweren Bflckgratsverletzongen vor, selten ohne solche. 

2. Me extramednlläreQ Blutungen waren nie so gross, dass durch sie eine tödtliche 
Markgoetaehong oder eine Verblutung hätte hervorgemfen werden können. Sie waren 
iteta mit einer Markquetschung verbanden, hatten aUo keine selbständige Bedeutung. 

3. Die «xtradurale Blutung reichte über den Quetschungsherd hinauf. 4. Intra* 
■tadnlläre Kutangen fanden sich nur im Halsmark (wohl deshalb, weil Lendenmark* 
verietzungMi selten früh zur Section kommen). 6. Die centralen Blutungen bestanden 
■■acr neben Quetsctanngsarscbeinnngen. 6. Die Verbreitung der Blutung erfolgte 
alats in der Längsaxe. 7. Ausser der Anamnese sprachen auch die anatomischen 

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Befunde dafftr, dass die Bflckenmarksieerrang fflr die Blutung zu beschuldigen ist 
Frische, extramedulläre Blutungen sind nur daun geßhrlich, wenn sie so gross sind, 
dass sie das BQckenmark comprimiren. Dies ist aber aus mehreren drttnden von 
vornherein unwahrscheinlich. Die intramednlläre Blutung tritt dort am ehesten auf, 
wo die Wirbelsäule am leichtesten überbogen wird. Für die „Bübrenblntung" kommt 
auch die Zerrung des Rückenmarks sehr in Betracht. Eine centrale Blutung ledig* 
lieh durch directen Stoss gegen die Wirbelsäule ist anatomisch nicht erwiesen. Yerf. 
glaubt daher nicht an eine Commotio*medol]ae. Einen Fall von intramednUärer, 
centraler Blutung im Halsmark, welcher die Besonderheit hatte, dass er mit sehr 
geringer Markquetschung combinirt war, beschreibt der Terf. Es handelte sich um 
einen Fall auf Hinterkopf und Nacken, bei welchem ein Bruch in der Halswirbel- 
Säule vorlag. Die 4 Extremitäten, die Äthmung und die Papillen waren gelähmt 
Der Patient starb nach 32 Stunden. Die, wie gesagt, kaum mit Quetschung ver¬ 
bundene Blutung reichte vom 4. bis 2. Halssegment. In einem wetteren Pall bandelte 
es sich um eine Böhrenblutung mit massiger Quetschung im 7. Cervicals^meot. Bin 
dritter Fall zeigte ähnliche Verhältnisse ohne eine greifbare Knochenverletzung. Im 
Allgemeinen besteht der Satz zu Recht, dass die graue Substanz bevorzugt wird. 
Klinisch sind zu unterscheiden reine Zerrongsblutungen (d. h. solche ohne Quetschung 
und Quetschungsblutungen). Die ersteren kommen häufiger vor, als sie erkannt 
werden. Charakteristisch für dieselben ist, dass sie frisch eine stetige Zunahme der 
Lähmungen zeigen, welche in Yenigen Stunden ihren Höhepunkt erreichen. Sie be* 
dingen 1. Kemsymptome (durch Zerstörungen der Kerne) und 2. Femsymptome. Die 
letzteren werden dadurch erzeugt, dass das auatretende Blut einen von innen heraus 
gesteigerten Druck in dem betreffenden Querschnitt sohaffL Zum Schlnn wird noch 
Über einen Fall von centraler Blntong in das 6. und 9. Halssegment zur Erläuterung 
des Gesagten berichtet und dabei der Ansicht gedacht, dass in manchen traumatischen 
Blutungen der Ausgangspunkt von Oliose und Syringomyelie zu suchen sei. 

Paul Schuster (Berlin). 


22) Zur XioKre von den Unfallserkrankongen des Büokenmarks: Ueber 
Poliomyelitis anterior olironioa nach Trauma, von W. Erb. (Deutsche 
Zeitschr. f. Nervenbeilkunde. Bd. XI. 1897.) 

Auf der letzten Versammlung südwestdeutseber Neurologen und Irren&tte (Baden- 
Baden, Juni 1897) hat Yerf. über die beiden einschlägigen Fälle eingehend berichtet 
und sind die Krankeogesebiebten und der Befand in dem Referat über die genannten 
Verhandlungen ausführlich mitgetbeilt (siehe Neurolog. Centralblatt. 1897. Nr. 13). 
An diese reibt Verf. nun noch mehrere eigene Beobachtungen, sowie eine kleine Zahl 
von Fällen aus der Litteratur an, in welchen nach Trauma Erkrankungsformen anf- 
traten, die in das Gebiet der Poliomyelitis auterior chrou., bezüglich der prograss. 
Huskelatrophie im weiteren Sinne zu rechnen sind. Es dürfte darum angebracht 
sein, dieser Frage demnächst ein erhöhtes Interesse znzuweuden. 

E. Asch (Frankfort a./lC). 


23) Poliomyelitis anterior aouta naoh Unfiall, von Oberarzt Dr. Franke. 

(Honatsschr. f. Unfallheilkunde. 1898. Nr. 3.) 

Ein 45jähriger Maurer fiel am 28. Dec. 1896 von einem Gerüst 4 m tief 
herab mit dem Kreuz auf einen Baum. Er war einen Augenblick bewosstlos und 
ging dann allein nach Hause. Er klagte über Schmerzen im Krenz und im Rücken. 
Im Krankenhaus wurde damals Druckschmerzhaftigkeit der Lendenwirbelsäule und 
der Gegend beiderseits von ihr, Druckschmerz einiger rechtsseitigen lurtercostalneiren 
und Druckempfindlicbkeit im oberen Drittel des rechten N. ischiadicos vermerkt. 


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Sout fteg&ti?er Befasd, besoiid«8 von Seiten der Beieze. Im weitM^n Verlauf keine 
vötera Verändenuig, aoaser einer SeneibUit&testörang im rechten Bein. Snde M&rz 
var der Befand im Wesentlichen der gleü^. Sa wnrde gntachtlich angttommen, 
da» ,4te nnteren Bflckenmarkstheile in irgMd welcher Weise geschädigt sind“. Der 
Vsrletste erhielt 45 Froc. Bente, arbeitete aber nicht. — Im Juli waren die Klagen 
& nimlkhep wie fMiher. Der Befund hatte sich in zwei Punkten geändert: die 
Hjpäs t heme am rechten Bein war verschwunden und die Knieeehnenrefleze ebenso 
vie die fianob- nnd Uodenrefleze fehlten. Ende Juli 1897 trat nun taubes Oeftthl 
ia den Beinea und Heftigerwerden der Kreusachmeraeo auf. Die Untersuehnng ergab: 
fast väUige Lähmung des linksseitigen N. facialis, Druckschmerzhaftigkeit einzelner 
latereoetalnervai, Schmerzhaftigkeit auf Druck der mittleren Lmidenwirbel, fast völlige 
Uhnng beider Beine bis auf schwache Fussbewegungen, Schwäche der oberen Bz' 
trsmitätm and im Wesentlichen normale elektrische Verhältnisse. Die Sensibilität war 
mtaety die Sehnen« und Hautrefleze fehlen an den Beinen. Keine Blasen* und Mast« 
darmstörangeB. Fieber hatte ebenfalls nicht bestanden. Der weitere Verlauf der 
Saalümi bestand darin, dass unter Hg-Behuidlung die Lähmung der Beine abnahm 
nd ebenso die oberen Eiztremitäten stärker wurden. Die Peronealmnsculatur blieb 
SB schwächsten. Es trat des Weiteren ein starker Muskelschwund ein (welcher 
sieht gmaantf vom Verf. prädsirt wird), sowie starke elektrische Herabsetzung fär 
blade Stro m e oa rten auf. Verf. stellt die sichere Diagnose der Poliomyditis anterior 
aeata oder sabacuta. Da nichts für Lues oder AlkohoUsmus sprach, so wurde gut« 
aehtliefa ein Zasammenhang mit dem Unfall angencumnen. Die beobachtete Facialis- 
tthmnag fasst Verf. als Kemlähmung and Parallelersoheinnng der Vorderhoment« 
zindang aof. Paul Schuster (Berlin). 


24) Ueber Hervenkrankheiten nftoh Büokenverletsuxigen, von Dr. M. Laehr. 

(Charitd-Annalen. 1897. Jahi^. XXII.) 

Von 800 in den Jahren 1893—97 in der Hervenklinik der Charitd behandelten, 
u den verschiedensten fnnctionellen und organischen Erkrankungen des Nervensystems 
lädttden Patienten habmi 127 ein schweres direotes oder indirectes Trauma des 
Säekaae erlitten. Von diesen 127 Patienten litten 56 an einer organischen, 72 an 
«MT fonctionellen Nervenkrankheit. Werden von diesen letzteren 17 Fälle al^e« 
zogen, bm denen es sich vorwiegend um Kopfverletzungen handelt, so verbleiben 55 
Bit BBT fonctionellen Störungen flbrig, von denen aber 46 lediglich znm Zweck der 
Untellbegntaehtong anfgenommen worden waren, während nur 9 keine BentenanspilLche 
m marhen hatten; von diesen besserte sich der Zustand bei 5 Frauen relativ schnell, 
bei den 4 Männern war nur in 2 Fällen ein Zasammenhang der Krankheit mit dem 
UbIüI aazunehmen. — An der Grenze der organischen und fonctionellen Erkrankungen 
ein Fall von Paralysis ^itans und einer von Bsynand’seher Krankheit, in 
«ekheo beiden der directe ätiologische Einfluss des Traumas nicht als sicher ange« 
■emmen werden kann. 

V(m doi Kranken mit organischen Nerven^ectionen bandelt es sich fflnfmal 
am bei dem Unfall eingetretene peripherische Verletzungen, einmal um eine Stich« 
verietcnng des Bäckenmarks. Von Interesse ist der von Jolly anch an anderer 
SteOe mitgetheüte Fall von Dystrophia mnscnl. progr. (vergl. Neorolog. Centralblatt. 
1897. Nr. 13). In sechs weiteren Fällen Hess das Nervenleiden eioMi Zusammen« 
kttK mit dmn Trauma nicht erkennen. 

Verf. tbeilt nun in der sehr umfangreichen Arbeit die sämmtlichen anderen 
in denen es sich um organische Bückenmarkserkrankongen handelt, ansföhrlioh 
^ zaaächst Fälle, in denen der Zasammenhang mit dem Trauma klv ersichtlich 
iek (3 Fälle von Wirbelverletznng, re^. dem Unfall folgender «erkrankung mit Böcken« 
BvksaffectioneD, 4 Fälle von traumatischer Hämatomyelie), ferner 8 Fälle von Syringo- 

24* 


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372 


mydUe, ron deneo in einem Fall die Krankheit aber wahrscheinlich schon ?or dem 
Unfall bestanden hat; in den flbrigen schwankt die Zeit zwischen Unfall and er¬ 
kennbaren Zeichen der Krankheit nngemein; sie beträgt 1, 2, 3, 4 (zweimal), 13 
and 19 Jahre. Rs folgen: ein Fall T(m Erkrankung der granen YorderhOmer des 
Cervicalmarks, ein Fall von amyotrophischer Lateralsclerose und ein Fall von spastischer 
Spinalparalyse und ein Fall von progressiver Muskelatropbie (Typus Dache nne- 
Aran) mit tabischen Symptomen. Ton 5 Fällen von multipler Sderose sind drei 
sicher schon vor der Verletzung krank gewesen, wenn auch das Trauma erheblich 
verschlimmernd gewirkt zu haben scheint. Im 4. Fall liegt der Unfall 28 Jahre 
zurbck, während im fflnften dem Unfall wohl ätiologische Bedeutung beizumessen ist. 
Schliesslich werden 4 Fälle von Tabes mitgetheilt; nur bei einem derselben ist kein 
Anhaltspunkt für Lues vorhanden; in allen Fällen kommen ausserdem noch andere 
ätiologische Ifomente in Fr^. 

Es sind demnach die verschiedenartigsten Krankheitsprocesse, bei denen ein 
voraufg^ngmies Trauma von Einfluss gewesen sein kann. So leicht meist die 
Fälle directer traumatischer Erweichoi^ zu deuten sind, so schwer kann die 
Beurtheilung eines Unfalls fflr die Entwicklung der verschiedenen chronischen Er¬ 
krankungen des Nervensystems werden, der functionellen, wie der organischen, ln 
der B^el ist hier die mechanische Verletzung nor eine unter mehreren Krankheits¬ 
ursachen. Dies gilt nicht nur fflr die organischen, sondern auch in der Mehrzahl 
fflr die functionellen Erkrankungen nach Unfällen. Ein nicht kleines Moment haben 
wir hier auch in „dem Bewusstsein eines Rechts auf Rente*' zu suchen. Verf. stellt 
sich damit auf den jetzt wohl von den meisten Neuropathologen eingenommenen 
Standpunkt von Strflmpell und theilt zum Schluss noch einige den Lauenstein'- 
schen Beobachtungen (vergl. Neurolog. Centralblatt. 1896. S. 846) analoge Fälle mit. 

Martin Bloch (Berlin). 


26) Zur Beurtiiellung der Büokensohmerzen bei UnflaUpstienten, von 

Dr. Paul Schuster. (Berliner klin. Wocheuschr. 1898. Nr. 10.) 

Da ca. 20aller Unfallnervenkranker Aber Rflckenschmerzen klagen, so ist 
die besondere Betrachtung jenes Symptoms gerechtfertigt. Alle organischen Rflcken- 
markskrankbeiten, innere Krankheiten und Wirbelerkrankungen, soweit letztere nicht 
traumatisch sind, sollen unberücksichtigt bleiben. 

Die erste Gruppe solcher Aber Rflckenschmerzen Klagenden bilden die gewöhn¬ 
lichen Neurastheniker, Hypochonder und Hysteriker. Bei ihnen tritt aber der Rflcken- 
schmerz nicht in den Vordergrund des subjectiven Interesses, er wird vielmehr nor 
nebenbei oder höchstens als gleichwerthig mit den vielen anderen Klagen geänssert. 
Die Wirbel sind oft druckempfindlich, ohne dass eine Bewegangsbehinderung beim 
BQcken besteht. Die Erwerbsföhigkeit wird durch diese Rflckenschmerzen an und 
fflr sich nicht wesentlich gestört 

Die zweite Gruppe bilden die Kranken mit Kflmmerscher Krankheit Hierbei 
handelt es sich um Kranke, welche ein directes oder indirectes Trauma der Wirbel¬ 
säule erlitten haben. Ohne sichtbare äussere Verletzung tritt ein Schmerz in der 
Wirbelsäule auf, der 2—8 Tage besteht und dann wieder scheinbar normaler Arbeits¬ 
fähigkeit weicht. Erst nach Wochen oder Monaten treten Rflckenschmerzen, Inter- 
costalneuralgieen, Motilitätsstörungen der Beine, Gibbus und Druckschmerzbaftigkeit 
auf. Die Chirurgen nehmen eine schleichende Spondylitis an. Der wichtigste Punkt 
fflr die Differentialdiagnose ist der Nachweis eines Gibbns. Das Steifhalten des 
Rflckens oder die Druckschmerzhaftigkeit genflgt nicht zur Stellui^ der Di^ose. 
Oft wird eine rein nervöse Erkrankungsform als KAmmeTsche Krankheit angesehen 
(vergl die Arbeit von Marie und Astid [Presse mddical. 1897. October; ref. Neurol. 
Centralbl. 1898. S. 367], welche sieh in gleichem Sinne äussem). 


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373 


Die dritte Groppe betrifft eine Klasse von Unfallkranken, deren Terf. ca. 12 in 
dir Menderscben EUnik beobachtet hat Es handelte sich oin Kranke, die ent> 
tedtf abgestfint waren, in den B&cken einen heftigen Stoss bekommen hatten, su* 
omMogedrfickt worden waren oder dergl. Gewöhnlich bestehen keine insseren Yer* 
ItbBDgm. Die sofort anfbetende ond von da ab das Krankheitsbild beherrschende 
Bap bildet der Bflckenschmerz. Nebenher nur werden andere Beschwerden geklagt 
Bä ia Untersachnng fallt die abnorme Steifheit des Büekens auf: Lendenlordose 
Di Brostkjphose sind al^flacht; nur in seltenen F&llen besteht abnorm starke 
Iltiiosa Bficken gosehieht nur durch Benotsnng der Hüft- und Kniegelenke. Beim 
werden kleine* Schritte gemacht und die steife Blickenhaltung bewahrt Viele 
dar ErukeD tragen ein Corset Niemals ist ein Gibbus vorhanden. Die Druck* 
wbnanliaftigkeit ist gewöhnlich nicht auf einen Punkt beschränkt, sondern betrifft 
da poxra Lendentheil und das Kreusbeiu. Das Aoffallendste bildet jedoch eine 
Cootnctnr des H. longissimns dorsi und des M. erector trunci. Manchmal sind die 
Donfwtsätse w^en der Contractur kaum fOhlbar. Bei weitem in den meisten dieser 
ftU» fudsn sich noch Schwächezustände der Arme und Beine, gesteigerte Beflexe, 
SaaibilitätsstöraDgen, Arteriosclerose ond Pulsbeschleunigong. Das Krankheitsbild 
BQU bü jetzt als funcüonelles anfgefasst werden. 

Die Contractur der BQckenmuskeln bildet das Coustante in der zuletzt be* 
>{Ddieiiai Gruppe; sie ist wahrscheinlich eine reflectorische, durch abnorme sensible 
Bäu bedingte. Die Erwerbsfähigkeit wird in bedeutender Weise — bis zu 60 7o 
— geeehädigt 

Du zuletzt beschriebene Krankheitsbild ist kein neues; es ist jedoch in seiner 
^BUMüdigkeit mit dem starken Zorflcktreten der sonstigen Attribute der Hysterie 
m u wenig gekanntes. (Autorreferai) 


^ Ueber orgazUsohe Nervenkrankheiten nach Unteil, von A. Sänger. 

(Monatsschr. f. Unfallheilkunde. 1897. Nr. 10.) 

Di« Forderung Erbs, dass möglichst viel Casuistik betreffs des Zusammenhangs 
Nervenleiden mit dem Trauma gebracht werde, erf&Ut Verf. durch Be* 
Hebt üta eine Beihe derartiger eigener Fälle. Bei zwei Fällen von unzweifelhafter 
TäM wv die Krankheit angeblich vor dem Unfall nicht bemerkt worden. Verf. 
^ «8 unentschieden, ob bei diesen Fällen das Trauma ätiologisches Moment war. 
h mrihnt jedoch, dass fQr Lues kein Anhaltspunkt , vorhanden war. Wir sind noch 
nkkt in der Lage, das Vorkommen der traumatischen Tabes rundw^ zu leugnen, 
« auch wahrscheinlich ist, dass in vielen Fällen schon vor dem Trauma die 
bestand. In zwei Fällen von Syringomyelie war ein Trauma in der Anamnese, 
*ädtM mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ätiologisch wirksam war. Das Trauma 
bg allerdings in einem der Fälle 12 Jahre zuräck. G^en die Annahme einer 
lleuritB ascendens verhält sich Verf. in höchstem Grade skeptisch. Des Weiteren 

Aber eine junge Fran berichtet, die nach einem Sturz in der Schwangerschaft 
■Bkiple Scleroee bekam, sowie äber eine Erweichung mit Blutung im unteren Ab* 
des Bflekeumarks bei einer Potatrix. Schliesslich bringt Verf. in der sehr 
bMBivertben Arbeit zwei Fälle von Tabes, welche ein in der Unfallpraxis sehr 
*i^hgu Moment erläutern. Es bestand nämlich in beiden Fällen die Tabes schon 
fv dem UnfalL Sie war dem Kranken aber nicht aufffUlig zum Bewusstsein ge* 
und hatte jedenfalls die Arbeitsflthigkeit nicht beschränkt Auch in solchen 
ist eine Bente am Platze. Zur Erkläjmng der Pathogenese der traumatischen 
^^*v*nkrankheiten verweist Verf. auf die Arbeiten von Nölaton, Bokitanski, 
Giiiiobaner, Schmaus, Bossolimo und Bickeles. 

Faul Schuster (Bwlin). 


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374 


27) Notei on a osie of trsomatlo iajary of the pnennogutrlo, hypo- 

gloisal, and aympathetlo nerves, by Will. Hirscli. (New York Medical 

Journal. Vol. LXVI. 1897. Nr. 24.) 

Der 49jäbrige Arbeiter F. B. machte folgende Angaben: Im October 1896 war 
er beschäftigt, einen BevoWer zn reinigen; dieser entlad sich, das Geschoss drang 
angeblich durch die Mitte des harten Gaumens ein, an der linken Seite der Nasen¬ 
wurzel in der Nähe des Auges heraus — es soll von der Schwester des Pat. später 
in dem Zimmer gefunden worden sein. Der Kranke wurde bewusstlos nnd musste 
ca. 7 Wochen in einem Hospital bleiben. Seither Behinderung, der Sprache, Gefßbl 
von Schwere in der Zange, unter deren linke Hälfte Anfangs leicht Nahmngspartikel 
geriethen; auf der linken Seite werden alle Gegenstände dunkler gesehen. Anfäng¬ 
lich bestehendes hartnäckiges Erbrechen und Salivation schwanden vor einigen Wochen, 
die völlige Stimmlosigkeit ging ebenfalls zurück; die Stimme blieb aber heiser und 
rauh. Statns (8. März 1897). Eine kleine Narbe an der linken Seite der Nasen¬ 
wurzel m der Nähe des Auges, eine zweite in der Mitte des harten Gaumens (siehe 
oben). Verkleinerung der linken Papille bei etwas träger Lichtreaction, Verengerung 
der linken Lidspalte, Zurflckgesunkenseio des linken Bulbus. Atrophie der linken 
Zangenhälfte, welche an der Basis im Vergleich zn rechts prominirt, keine fibrillären 
Zuckungen. Die Zungenspitze weicht in der Mundhöhle nach rechts, ausserhalb 
derselben nach links ab: die Zunge wird in der Mundhöhle gut bewegt, die aus- 
gestreckte Zunge dagegen kann nicht von links nach rechts über die Mittellinie ge¬ 
bracht werden. Directe und indirecte faradische und galvanische Erregbarkeit au 
der linken Znngenhälfte erloschen. Parese der linken Pharynzmuskeln, complete 
Lähmung des linken Stimmbandes bei erhaltener Larynzsensibilitäi Constante ^Is- 
beschlennigung (108). Sonst normaler Befund. — Die Symptome erklärten sich am 
besten durch die Annahme, dass das Geschoss die Nerven (Vagus, Hypoglossos, Hals- 
sympathicos) direct lädirt hat und nicht aus der Wunde am Nasenrücken aus¬ 
getreten ist Eine Böntgenphotographie bestätigte diese Diagnose, wie die bei- 
g^ebene Abbildung zeigt: das Geschoss lag in der Höhe des Proc. spinosns des 
4. Halswirbels, und zwar wie die Extraction zeigte, im Muse, stemo-cleido-roastoideus. 
— Verf. localisirt die Läsion in den Bereich des Ganglion cervicale nervi vagi, 
welches mit dem Halsganglion dos Sympathicos in naher Beziehnng steht und vom 
N. hypoglossos gestreift wird, und nimmt an, dass der Vagus unterhalb der Abgangs¬ 
stelle des N. laryngens superior verletzt wurde, die Oaumensegelaffection auf einer 
Betheilnng des Plexns pharyngeus beruht. 

Unter sorgfältiger Berücksichtigung der Litteratur erörtert Verf. in der Epikiise 
die Einzelheiten des interessanten Falles. B. Pfeiffer (Cassel). 


26) Trsumatio neuraatheniw and hyateria, by Coombs Knapp. (Brain. 

1897. Äntumo.) 

Die Arbeit des Verf.’s enthält einen eingehenden Bericht dieses Neurologen 
über seine Ansichten in Bezog auf die heute am meisten strittigen Fragen anf dem 
Gebiete der Unfallsneorosen, speciell der Hysterie und Neurasthenie nach Trauma. 
Es werden namentlich die Fragen berührt, die durch die Discussion swischen 
Strümpell, Oppenheim und Mendel in den Vordergrund des Interesses i^eechoben 
sind. Verf. vm'fügt über grosse eigene Erfabrnngen und stellt 70 Fälle von Hysterie, 
60 von Neurathenie zusammen. Es handelt sich sowohl um Fälle mit Entechädi- 
gnngsprocessen wie ohne solche. Von den 70 hysterischen waren 50 Proceesfme, 
Dor 20 keine solchen; von den 60 neurasthenischen nur 29 ProceesfiUle. Die Pro- 
cessfälle zeigten deshalb ein grosses Ueberwisgen der Hysterie. Verf. erkennt die 
Beg^ungsvoTSteUangen Strümpell’s namentlich für die Dauer und Hartnäckigkeit 
der Krankheit wohl an, kann in ihnen aber nicht die wichtigste Ursache sehen. 


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d75 


Dm Sjmptome können in F&Uen ohne Entsehädigungsanspr&che und Proceee ganz 
äanlben wie mit deoeelben. Er b&lt psychische Fsetoren, speciell den Schreck, 
fBr dm 'nebtigsten bei der Entstehnng der Unfallsnenrosen; aber er will die Wir* 
ksDg des physischen Shok nicht ansscbliessen luid sacht ans seinem Materiale zu 
beweisen, dass die schwersten Fälle, speciell der Hysterie, mit und ohne Processe 
aoeh nach schweren Unfällen entstanden seien. Ob ein physischer Shok allein ge* 
lässt sich allerdings schwer beweisen. Von den Symptomen, die der Unfalls' 
Bsonstheme und Hysterie gemeinsam sind, hebt Verf. als wichtig die Erhöhung der 
S^enreflexe, die Beschleunigung der Herzthätigkeit und speciell das Hannkopf’sche 
^Bptom herror; auf letsteres vertraut er sehr, mehr als nach des Bef. und Anderer 
bfahraogen znlässig ist In den hysterischen Fällen findet er fast immer Anästhe* 
aeen oder Analgesieen and noch r^lmässiger Gesichtsfeldeinengangeoi er hebt die 
Wichtigkeit dieser Befnnde fftr die Diagnose hervor und wendet sich gegen Strfimpell 
and Mendel, die meinen, beides würde wohl durch die Untersnchnngen darauf nur 
iBggerirt. & glaobt aber nicht, dass die Anästhesieen, auch nicht einmal die 
Hsmianästbemeen und die Geeichtsfeldeinengongett nur bei Hysterie verkämen, und 
iaa m nöthig sei, immer an eine Combination mit Hysterie zu ^nken, wenn man diese 
Sympttmie mit organisch bedingten zosammenfasst Dass die Anästhesiegebiete bei 
Hystsfie and Syringomyelie die gleichen seien, wie Verf. noch glaubt, ist durch 
Lihr viderlegt; damit fällt auch die Behauptung, die Aasbreitungsgebiete der ein* 
ssüico Bflckeninarkss^pmente in der Baut seien andere wie die der spinalen Wurzeln. 
Die Prognose ist nach Verf. bei Hysterie eine schlechtere als bei Neurasthenie; 
Verf. ist eine schnelle Heilni^, wie es so erwähnt vrird, nach Festsetzung der 
fatHchftdignng nicht b^egnet, wohl abör öfters eine langsam eintretende, was ja 
aiteb ganz natürlich ist nnd was auch Bef. gesehen hat. Im Allgemeinen bieten 
die niclit klagenden Fälle eine bessere Prognose; aber in Verf.’s Zusammenstellung 
wirsB sie ron Anfang an leichter, auch wenn die Unfälle bei ihnen weniger gewaltig 
gewesen. Die Schwere der Symptome steht speciell bei Hysterie nicht im Verbältniss 
»r Schwere der PrognMe. 

Aoeh Verf. hält die Arbeit für ein wichtiges Heilmittel der Unfallneurosen; 
m muichen Fällen sei aber noch unbedingte Buhe nöthig; also Bube ohne Sollen 
>ad Querelen durch Angehörige nnd gute Frennde. Die Processe müssten so schnell 
wie möglich entschieden werden. Es sei ein grosses Unrecht, Allen, die nach Un* 
fUlen um Entschädigung klagten, den Makel des Schwindlers anzuhängen, was in 
Ankerika Ton Seiten des Pnblicnms meist geschähe. Bruns. 


S9) Btt fall af traomatisk hysteri, oraakod af en n&l, som Inträngt i renstra 
b&lem, af Carl Dahlborg. (Hygiea. LIX. 1697. S. 356.) 

Die Torher ganz gesunde, erblich nicht belastete 27 Jahre alte Kr. hatte sieh 
«M Näbaadel in die linke Ferse gestochen, deren Spitze nach ihrer Meinung zurück* 
gsUiebai war, aber bei mner in unvollständiger Narkose ausgefübrteo Operation 
nieht geAinden wurde. Nach der Operation stellten' sich heftige Krampfanfälle ein, 
die 13 Stnadmi anhielten nnd erst nach einer kräft^en Morphinminjection anffaörten. 
Bmb OMien hatte Pat. nach der Operation keine Störung mehr, nur hier und da 
Steakea, aber es stellten sich Krankheitserscheinungen ein, die immer schlimmer 
wardma. Pat. schlief schlecht, verlor Esslnst und Arbeitslust, brsch fast alles Ge* 
■ se s eps wieder ans, magerte ab, fühlte sich matt, wenn sie etwas vomahm, es stellte 
meh Lähmangsgetthl in den Gliedern ein, ungewohnte Empfindungen verursachten 
Kzanpteiftlle, sie war beständig unruhig nnd äuss^st reizbar. Dabei batte sie bei 
tesiem Anftreten wieder Stechen in der Ferse. Die Bewegungen waren hastig, nicht 
vollständig beherrscht, hier und da, auch im Gesicht, traten Zuckungen auf. Pat. 
konata einen G^fenstand nicht direct ergreifen, es zeigten sich Spuren von Inten- 


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376 


tioDSzittern. Die Sprache war stoseweiae, and es bestanden Sparen von geringm* 
amnestischer Aphasie. Der Fremdkörper worde mittels Böntgensüablen nachgewiesen 
und eztrahiri Danach war das Gehen ganz angebindert, der Zustand besserte sich 
und nach einer Mastkur und Anwendung ron Massage erschien die Kr. ganz geheilt 

Walter Berger (Lmpzig). 


80) Een geval yan tramnatiaohe hysterle, door Dr. L. J. J. Huskeus. (Med. 

Tijdscbr. t. Geneesk. 1897.) 

Ein gesunder Soldat wird von einem Hufschlag auf seinem Occiput (redite) 
betroffen. Es stellten sich Verworrenheit, Hallucinationen und motorischer Drang 
ein: die getroffene Kopfstelle ist sehr überempfindlich; ausser einer Bluteztravasation 
wird keine tastbare organische Veränderung gefunden. Dieser Zustand geht nach 
einigen Tagen zurück, lässt jedoch eine Teränderte, minderwerthige PersönUchkeit 
hinter sich. Mach zwei Monaten deutlich hysterische, rechtsseitige Hemiplegie nnd 
Hemianästhesie. Der zum Militärdienst ungeeignete Pai wird zur Entlassung Tor* 
getragen. 

Der Verf. bespricht die Geschichte des von Oppenheim eingeführten Krsnkheits- 
bildes der traumatischen Neurose, und meint, dass jenes Bild als solches nicht mehr 
aufrecht zu halten ist. Alle in den letzten Jahren publicirten Fälle können unter 
Hysterie und Neurasthenie untei^ebracht werden. Die Unfall^eset^ebnngen haben 
ihren Theil in der Schaffung dieser eigenthflmlichen Form jener zwei Krankheiten. — 
Erwähnenswerth scheint dem Verf. der Fall, weil man hier vor seinen Augen einen 
schweren Fall viriler Hysterie entstehen sah, mit einer Incubationszeit von zwei 
Monaten, welche Zeit Pat. im Familienkreis zubrachte. 

Kurze Krankenhausbehandlung mit Isolation, möglichst wenig medicinische Unter¬ 
suchung, baldige Wiederaufnahme der Arbeit scheint das zweckmässigste. 

(Autorreferat) 


31) Hysteriaohe Tachypnoe nach Trauzna, von Hugo Goldschmidt (Inaug.- 

Dissert 1898. Würzburg.) 

Verf. bringt nach einleitenden Bemerkungen über Physiologie der Athmung, 
über ihre Beeinfiussbarkeit durch Grossbim und periphere sensible Beize zwei Fälle 
von hysterischen Tachypnoe ans der Prof. MendeTschen Klinik. 

Fall I. 34jähriger, nicht belasteter Arbeiter, kein AlcohoUsmus. Das Trauma 
bestand darin, dass Pat, der Steine tragend, ein mit einem Brett bedecktes Keller¬ 
fenster passirte und dabei in Folge Durchbrechens des Brettes einbracb. Br blieb 
mit der Brust in dem durchgebrochenen Brett zwischen Himmel und Erde hängen, 
erlitt eine Quetschung des Brustkastens und eine Bimerscbüttening. Er wurde be¬ 
wusstlos und spie Blut Ein Arzt diagnosticirte eine Pleuritis. Die Athmung betrug 
48. Nach einem Jahr klagte er noch über Brustschmerzen; der Arzt diagnosticirte 
nun eine Neurasthenia celebralis. 4 Jahre nach dem Unfall kam der Verletzte in 
die Mendel'sche Klinik. Man fand leichte Schwäche des linken 7. und 12. Nerven, 
Schwäche der Arme, Tremor manuum und Tachypnoe. Es erfolgten 34 Inspirationen 
per Minute unter Oeffoung des Hundes und Erweiterung der Nasenfiügel. Die inneroi 
Organe, auch das Zwerchfellphaenomen waren in voller Ordnung; die Athmange- 
frequenz blieb während der wochenlangen Beobachtung stets be6chleuniS:t, oft bis ‘sn 
50 L M. Manchmal Wüigbew^ngen und globns. Nie objective Zeichen von Athem- 
notb, Cyanose und deigl. Puls zwischen 70 nnd 80 i. M., leichte chronische Laryn¬ 
gitis. Psychisch bestand ausgesprochener Depressionszustand. 

Fall II. 53jähriger .Zimmermann ohne Belastung. Mittlerer Alcoholismos, ein 
6 Centner sdiwerer Balken schlug gegen seine rechte Halsseite, währmd er selbst 


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877 


aaf die Unke Seite fiel. Keine Bewusstlosigkeit Scbmenen an den linksseitigen 
behinderte Athmung, abgebrochene tonlose Sprache waren die unmittelbaren 
Pol^. Bippenbruch links (7. Bippe). Athmung und Sprache waren von da ab 
behiodo'. ln der Menderschen Klinik ein Jahr nach dem Unfall wurde konstatirt: 
Stton im orbie. oculi beim Augenschluss, Zittern der Zunge und Hände, Laryngitis 
chronica, pharyngitia chronica. Ausserdem Heiserkeit und Störung der Sprache in 
F(dge der Athemnoth. Die Athemnotb bestand auch wenn Pat nicht sprach. 20—30 
lasinrationen L M., hörbare Inspiration mit geölfoetem Mond und erweiterten Hasen* 
Mgeln. Tiefe Inspiration war unmöglich. Normaler Befund der inneren Organe, 
Deberreet dee Bippenbrochs nicht mehr fOhlbar. Keine Cyanose, Puls 84 L M. 
Sone Aenderung während der Beobachtung. 

Im Fall 1 wurde die Tachypnoe, „die zuerst eine affective war, dann aber durch 
das organisdie Leiden auf der Höhe gehalten wurde, zuletzt funktionell.“ Im 
Fall 11 bandelt es sich um einen AlcoboUsten, bei dem die somatische Unfallfolge 
sich am Orte der Binwirknng des Traumas documentirte. Die chronischen Entzön* 
daagen ia den Luftwegen wirkten b^flnsügend. 

Die Pathogenese kann man sich so denken: das cerebrale Athmungscentrum 
wird durch das peyehisebe Trauma getroffen; das Oblongatacentrum wird gereizt 
dorch die direct getroffenen sensiblen Fasern der Brust- und Baucborgane, beide 
Baiae, won denen jeder allein schon bei einem gesunden, vorttbergehend Tachypnoe 
«neagen kann, vereinigen sich und bringen bei einem „nervösen“ Menschen dauernd 
Tachypnoe hervor. Mit einer Litteraturflbersicht schliesst die Arbeit. 

Paul Schuster (Berlin). 


Hyaterisohe Hemiplegieen, von H. Auerbach. (Inaug.-Dissert 1898. 

Wörzborg.) 

Die in Prof. Hendel’s Klinik angefertigte Arbeit beschäftigt sich mit zwei 
Kllen hysterischer Hemipl^ie mit Beziehung zum Trauma. Nach einigen ein- 
Intendeo Seiten über die hysterischen Zustände nach Verletzungen im Allgemeinen 
Rferirt Verl die klassische Beschreibung der hysterischen Hemiplegie von Todd: 
acute Entstehung, kern Bewusstseinsverlust, keine Facialisbeteiligung, eigenthfim- 
Ikhee Nachschleppen des kranken Beines, welches den Boden „fegt“. 

Oer erste Fall, den Verf. vorbringt, betrifft einen 32 jährigen Tischler. 6e- 
liiger Fotos, keine Belastung. Vor zwei Jahren allmähliches Schwäcberwerden des 
leckten Beines mit Faraesthesieen. Gelegentlich eines Falles in Folge Stolpems auf 
der Strasse trat non plötzlich totale Lähmung des Beines ein. Pai konnte sich 
aicbt allein anftichten. Kein Bewnsstseinsverlust. Die Untersncbung ei^b keine 
Stärungen im Facialis und den anderen Himnerven, keine Gesichtsfeidverenguog. 

Der rechte Arm zeigt bei freier passiver Beweglichkeit eine bedeutende Kraft- 
TtramdeniDg io allen Gelenken und Zurückbleiben beim Erheben. Das rechte Bein 
Wirde beim Gehen wie ein toter Körper nacbgeschleppi Seine passive Beweglichkeit 
wir frei, bedeutende Verminderung der activen Kra^ Patellarreflexe lebhaft. Sonst 
Mgativer Befund. Erhebliche fast acute Besserung in den ersten Tagen des klinischen 
Aifeothaltes, dann vorübej^ehende Verschlechterung and Entlassung mit beinahe nor* 
aal« Status. 

Fall n. 21jährige Schneiderin. März 1894. Kribbeln in den Beinen, nachher 
ia ganzoD Körper, Schwindelanfälle und angebliche allgemeine Gefühllosigkeit Um 
däM Zmt bestand vorübergehend der Verdacht einer organischen Krankheit. Von 
Oetober 1894 bis Oktober 1896 völlige Gesundheit. Dann bekam Pat nach einer 
Aafregnng über Nacht eine rasch zunehmende Lähmung dee rechten Armes. Keine 
S(iwmdaiaD&Ue und dergl. Bei der Aufnahme zeigte sich eine Parese der rechten 
tbanan Extremität mit geringen Spasmen und starker Hypästhesie. Geringe Schwäche 


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dds recbt6D BeineB. Lebhafte Patellarreflexe. Sensibilit&t aoeh am Rompf and dem 
linken Bein geetdri Änsserdem hochgradige Stbnmg des stereognoatischen Sinn« 
der rechten Hand nnd Ataxie der rechtsseitigen Glieder. Während der Behandlui^ 
sprang die Parese des rechten Beines unter Bessemng desselben auf das linke Bein 
Aber. Entlassung mit bedeutender Besserung, so dass Fai wieder arbeiten konnte. 
Neuausbruch der Krankheit mit hochgradiger Schwäche im rechten Bein, nachdem 
Pat. im Dunkeln gestolpert war. Sie musste sich beim Gehen jetzt an Gegenständen 
im Zimmer anhalteo. In Bettl^e passiv freie Beweglichkeit des rechten Beines, 
motorische Kraft gleich = 0. Zoatand des rechten Armes wie zu Beginn der Er« 
kranknng. Später trat eine linksseitige Zungencontractur hinzn, während der Am 
sich besserte. 

Bewusste Simulation wird in beiden Fällen ausgeschlossen. Bentenansprficbe 
bestanden nicht Paul Schuster (Berlin). 


88) Ueber hysterisches Stottern, von Max Gramer. (Inaug.'Dissert. 1898. 

WQrzburg.) 

Yerf. giebt zuerst einen Abriss Aber Symptomatologie, Verlauf und Aetiologie 
dos Stotterns. Er bespricht ferner den Ssik-orski’schen Versoch einer Localisation 
des Stotterns im motorischen Sprachcentrum und wendet sich dann zu seinem spe« 
ciellen Thema, dem hysterischen StotteiD. 

Das Symptom des hysterischen Stotterns ist von Charcot in die Wissenschaft 
eingefAhrt und von Ballet und Tissier, sowie von Pitres nnd von Cartai in 
der Symptomatologie der Hysterie gesichert worden. Aoch in Deutschland ist un« 
gefthr nm die gleiche Zeit von Singer hysterisches Stottern und zwar ebenso wie 
Pitres — nach einem psychischen Shok beschrieben worden, ln der Folgezeit 
veröffentlichten eine grosse Reihe von Autoren ähnliche Krankheitsfälle. Zum 
Schluss seiner bis auf die neueste Zeit berichteten Casuistik bringt Yerf. einen 
Fall, den er in der Klinik von Prof. Mendel zu beobachten Gelegenheit batte. 
Es bandelte sich um einen 44 jährigen Kutscher, der einen Fotos mittleren Grades 
concedirt hatte. Derselbe wurde im Januar 1893 derart von seinem Kutschersitz 
herabgeschleudert, dass sein Kopf mit der linken Seite auf das Pflaster und seine 
linke Schalter auf das Rad fiel. Bewusstlosigkeit, keine äussere Verletzung. Nach 
Wiedererlaognog des Bewusstseins bestand sofort Fistelstimme und Stottern. Bei 
seinem Aufenthalt in der Klinik, Sommer 1897, klagte der Verletzte Aber abnorme 
Sensation in der Kopfhaut, Schwindel, Aber Krampf in den Händen beim Anfassen, 
Aber Zittern u. s. w. Mittelgrosser, mässig genährter Mann. Hypästhesie auf der 
linken KOrperseite, Schwäche der Extremitäten besonders links. Kein tremor manuum. 
Starker Bömberg. Absolute Fistelstimme, Stottern. Nur der Wortbeginn macht ihm 
Schwierigkeiten, gleichgiltig ob derselbe mit einem Consonanten oder Vocal besteht. 
Anfangssilben werden wiederholt: Nie Wiederholung von Silben oder Buchstaben in 
der Mitte oder am Ende des Wortes, Wiederholung des gesprochenen bessert den 
Zustand nicht Keine Zuckungen im Gesicht. Bei der Phonation krankhaft starkes 
Znsammenpressen der Stimmbänder. Bei ruhiger Athmung atactische Bewegungen 
der Stimmbänder. In der Klinik wurden hysterische Krampfanfälle beobachtet welche 
besonders bei körperlichen Anstreogungen anftraten. 

Die Arbeit schliesst mit einem Versuch der Erklärung des Stotterns mit Fistel¬ 
stimme. Paul Behoster (Berlin). 


34) Ueber liuftdruoklähmungen, von Prof. Dr. Dräsche in Wien. (Wiener 
med. Wocbenschr. 1898. Nr. 1.) 

Der erste in Wien beobachtete Fall von Laftdmcklähmung bei einem Caisson¬ 
arbeiter (1890). 


D g : 70d 3y G OOg Ic 


S70 


Bin 44 jähriger Arbeiter arbeitete 6 Stonden in Caisson Qber 20 m nater dem 
Waaserspiegel (2 Atmoepbarra Ueberdrock). Bei Aossehleussen Parästhesieeo in 
Huden and Yorderarmen, stechende and reissende Schmerzen in beiden Beinen. 
Haeh 12 Tagen ans dem Krankenhanse entlassen arbeitete er nieder 6 Standen bei 
2—3 Atmtmph&ren Ueberdnick. Danach die froheren ZaftUe, aosserdem Ohren* 
sausen. Flimmern, Tanbheit beider Beine, OppressionsgefOhl and stechende Schmerzen 
ia der rechten Bmstseite, Spsnnang and Aofgebl&htseio des Unterleibes, and ein 
nvisser Grad von Benommenheit Nach mehreren Standen Schlaf kam er wieder 
ni Bewusstsein, konnte aber weder stehen noch gehen and batte bis Ober das Knie 
pT kräie Empfindung. Einzelbewegnngen der Füsse aber konnte er ausfOhren. 
loBserdeiD litt er an Betentio arinae und Obstipation. Die Untersuchang ergab: 
UbmoBg des rechten Facialis in Bezug aaf unbeHbsichtigte mimische Bewegungen; 
die willlcfirlichen blieben frei; Empfindlichkeit des unteren Tborazsegroents auf Be* 
klopfen; Schwächung namentlich der Ab* und Adductoren der unteren Extremitäten 
«ad der Extensoren der Unterschenkel. Druckempfindlicbkeit der Nervenstämme an 
Anen und Beinen, Steigerung der Patellar* und Achillessehnenreflexe, Fehlen des 
Crmnuter* and Baachreflexes, paretischen, breitspurigen, schleifenden, nicht atac* 
dachen Gang, keinen Bombeig, keine objectire Sensibilitätsstdrung. Besserung des 
Ziistandes trat nicht ein. 

Die einleitenden Erörterungen über das Entstehen der krankhaften Erscheinnngen 
Bich dem Ausscfalenssen durch das plötzliche Freiwerden der unter dem hohem 
Ufidruck in das Blut eingepressten Gase, bringen nichts Neues. 

J. Sorgo (Wien). 


36) lOBeiikraokhelt, von Dr. J. Lazarus. (Real*Encykl. der ges. Heilkunde. 
Bd. vn.) 

Aof Grund genauer Litteraturzusammenstelluog giebt Verf. zunächst eine kurze 
Üabomdit Aber die Technik der Kriegführung in Minen und setzt dun die ver* 
Khiedenen Formen der sog. Mlnenkrankheit auseinander, welche durch Einathmeo der 
bei oatehrdiscben Sprengungen sich entwickelnden Gase entsteht Es stellt sich 
zuest Kopfschmerz, Schwindel und manchmal süsslicher Geschmack ein; in leichteren 
^eo kommt Benommenheit bezw. eine mehrere Stunden anhaltende Energielosigkeit 
4azB; bei den schwereren Formen stürzt der Betreffende nach der Rückkehr in die 
stao^häriscbe Luft plötzlich bewusstlos zusammen, macht nach ca. 10 Minuten 
WtagtiMwegnngen, kehrt allmählich ins Bewusstsein zurück und klagt über heftige 
K^fisdunerzen; in noch schwereren Fällen treten clonische und tonische Zuckungen, 
Ujinuia and Pnpillenstarre auf; endlich sind auch Zustände von lebhafter, heiterer 
Eiragan^ welche u Trunkenheit erinnern, beobachtet worden. Ans den Symptomen 
dw Minenkrukhelt, sowie aus der Thatsacbo, dass es gelungen ist, in dem Blute 
der an Mmenkrankheit Verstorbenen spectroskopisch Kohlenoxyd nachzuweisen, folgert 
Verf., dass als ätiologischee Moment die Kohleooxydveigiftong anzosehen sei, zumal 
<ia aacbgewiesen sei, dass bei Anwendung dos sog. Sprengpulvers sich in erster Linie 
Kokleooxyd entwickle. Kaplan (Herzberge). 


36) Die Koakelthätigkeit in der pneumatischen Kammer, von G. v. Liebig 
(Beieheoball u. München). (Deutsche med. Wochenschr. 1898. Nr. 9.) 

Die grössere Sanerstoffaafnahme unter erhöhtem Luftdruck und die erzielte 
KriAigong giebt sich o. a. kund in der längeren Ausdauer bei einer Kraftäussemng, 
man nnto demselben anstelli Verf. machte einen derartigen Versuch in der 
PBeamaiisehmi Kammer zn Beichenhall und eonstatirt, dass in der Kammer nnter 
i.AtBospbärsD eine grössere Kraftänasening möglich war, als aoseerhalb derselben. 


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880 


Kacb Folej können die Arbeiter in den eisernen Schachten bei bis za 2 Ätrno* 
Sphären erhöhtem Luftdruck leichter arbeiten, als ausserhalb, sie ermQden weniger 
leicht, ihre Stimmung ist gehoben. Es scheint, dass der mehr aufgenommene Sauer* 
Stoff nicht nur Kraft erzeugt, sondern auch auf das Gehirn wirkt, so dass Muskel* 
tbätigkeit schwerer zur ErmQdung fflhrt (Mosso). B. Pfeiffer (Cassel). 


Psychiatrie. 

37) Eine neue Form der periodisohen Psyohosen, von Prof. Dr. Th. Ziehen 

in Jena. (Monatsschr. f. Psychiatrie u. Neurologie. 1898. 6d. III.) 

Verf. unterscheidet zwei Arten von periodischer Psychose: erstens die Art, bei 
der die Anfangspunkte der einzelnen Krankheitsanfalle um ungefähr gleiche Intervalle 
von einander entfernt sind, und zweitens die Art, bei der das sympbomft'eie Intervall 
zwischen je zwei aufeinanderfolgenden Krankheitmnfällen stets ungefähr gleich gross 
ist, während die Dauer der An^le schwankt Die erste Art ist ausser an eine be¬ 
stimmte Disposition zuweilen an periodische körperliche Processe oder periodisch 
wiederkehrende Aenderungen der Lebensweise bezw. des Berufs gebunden. Die zweite 
Art die eine ungünstigere Prognose hat ist von Gel^enheitsursachen unabhängig. 
Verf. erwähnt von den verschiedenen Formen periodischer Seelenstömngen: die 
periodische Manie, die periodische Melancholie, die periodische und acute ballucina* 
torische Paranoia, und als novum die periodische acute einfache Paranoia. 

Ich will auf die leidige Verwirrung nicht eingehen, die dadurch zu Stande ge¬ 
kommen ist und vom Verf. noch jetzt genährt wird, dass man den vorbeffliehen 
Namen Paranoia auf die von der chronischen Verrücktheit so himmelweit verscbie* 
denen acuten Formen des Wahnsinns übertragen bat Ich vrill nur von Neuem da¬ 
gegen protestiren, im Namen aller der Fachgenossen protestiren, die den bedeutenden, 
scharfen Differenzen in Symptomen, Verlauf, Ausgang und Aetiologie der betreffenden, 
einander doch sehr fremden Psychosen gerechte Würdigung zu Theil lassen wollen. 

Die periodische acute hallucinatorische „Paranoia** kommt u. a. als 
periodische Menstruationspsychose und bei einfacher und compUcirter Migräne vor. 
Im Anfalle sind bei dieser Form manchmal körperliche hysterische Symptome nach¬ 
weisbar, die im Intervall fehlen. 

Die periodische neurasthenische Verstimmung kann Beziehnngen zur 
Menstruation haben, kommt aber auch ohne solche Beziehungen vor. 

Beider periodischen acuten einfachen „Paranoia** bilden primäre, nicht 
aus Hallucinationen hervorgegangenen Wahnvorstellungen das einzige Haupteymptom. 
Verf. bringt von dieser letztgenannten Form einen, freilich noch nicht bis zn Ende 
beobachteten Fall und theilt mit, dass er periodische einfache „Paranoia** ebenfalls 
im Zusammenhang mit der Menstruation, und zwar meist prämenstrual beobachtet 
habe. Wie wenig diese letz^enannte Kategorie mit der echten Paranoia zu thun 
hat, beweist seine eigene Angabe, dass hier die Formulirung einer bestimmten Ver- 
foigungsvorstellung häufig ganz unterbleibt. G. Ilberg (Sonnenstein). 


38) An analysis of three thousand oases of melanoholia, byS. Weir Michell, 
M. D. (Journal of nervous and mental disease. 1697. Dez. S. 738.) 

Statistische Untersuchungen über den (unwesentlichen) Einfluss der Jahresaeit 
auf den Ausbrnch der Melancholie, über das durchschnittliche Alter der Melancholiker 
bei der Erkrankung und über die Becidive u. s. w. 

Hervorzuheben dürfte sein, dass das Climacteriam — im G^nsats zu der 


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381 


InAtafigen Anschaam^ — die Wabrscbeiolichkeit an Melancbolie zu erkranken, 
Bidit erhöht, and dass es andererseits auch nicht bereits bestehende Psychosen 
stetig ni l^inflossen scheint. Sommer (Allenberg). 


39) Headaohe vlth Tlsoal hallnoinations, by John K. Mitchell, M. D. 

(Joomal of nervous and mental disease. XXIV. 1897. Oci S. 620.) 

Sonst völlig geennde Terheirathete Fran, die seit etwa 3 Jahren an folgenden 
Äfi&Ueo leidet: unter allm&hlich zunehmenden Kopfschmerzen wird ihr dnnkel vor 
te Aogen, dann erscheint ihr die Gestalt eines kleinen Zwerges, die sich aus 
gnm Entfernung nähert und dabei immer grösser wird. In der Nähe wird sie 
n dnem gigantischen Gladiator, der eine Keule schwingt, und während die immer 
keftigw gewordenen Kopfschmerzen sich auf besonders schmerzhafte Punkte auf dem 
Steftel oder anf den Parietalseiten des Schädels concentriren, schlägt die Erschei- 

mit der Keule auf das gewaltsamste auf die Patientin los. Diese verliert dann 
te Bewusstsein und vernült in Convulsionen mit Opisthotonus. Die Dauer des 
pascB Anfalls dauert bis zu 8 —24 Stunden, die der heftigsten Schmerzen und der 
CosTulsionen 15—40 Minuten. 

Tof. ist geneigt, diese AnföUe auf Hemicranie zurOckzufOhren. 

Sommer (Allenberg). 


40) Contribnto allo Studio della demenza oouseoutiva, per G. Mondio. 

(Annali di Nevrolog. Bd. XV. Nr. 5.) 

Krankheitsgeschicbte einer 50jährigen Fran, die vor 14 Jahren während der 
lactationsperiode schon einmal maniakalisch, emotiv religiös und erotisch erregt mit 
GesiehtB* nnd Gehörshallncinationen eingeliefert wurde. Solche Anfälle kehrten im 
LsofB der Jahre einige Male wieder, aber schwächer, ln den freien Intervallen 
vurde die Intelligenz immer schlechter. Becken osteomalaktisch, zahlreiche Fracturen 
te Luxationen der Extremitäten. Im 33. Lebensjahre war die linksseitige Ptosis, 
ätnbifiBus extemns, Doppeltsehen, Erweiterung nnd Starre der Papille, Verlust der 
teahoosbewegungen des Auges aufgetreten. Ausserdem bestand Endocarditis chronica 
itteuBatosa. 

Qehimbefnnd: Pachymeningiüs und Arachnoiditis chronica. Weisse Substanz 
aäaiseh, graue verblichen, braune Erweichung im rechten Thalamns opticus. Mikro- 
iko^h: vordere Wurzeln normal, in den hinteren Wurzeln, hauptsächlich rechts 
te im Donolombaltheil, eine grosse Anzahl leerer Myelinscheiden, viele Axencylinder 
i> Tmekisdenem Grade alterirt. Im ganzen B&ckenmark doppelseitige Sclerose der 
Katmtringe, besonders ergriffen die am meisten dorsal gelegenen Abschnitte, am 
äärksten und am weitesten lateral ausgedehnt im Lendenmark, weniger und vor- 
vNfnd dorso-ventral im Cervical- und Dorsalmark. Die rechten Hinter- und Selten- 
b&räer weniger nmfangreich als die linken. Commissura anterior degenerirt, Central- 
3Bal mit Zellen angeflUlt 

In der Uimrinde Vermindemng der Ganglienzellen, in der weissen Substanz das 
FuRnetz weniger dicht als normal. An Golgi-Präparaten die Form der Zellen an- 
ngtimäasig rund oder spindelförmig. Die Protoplasmafortsätze mit Knoten und 
Höckern besetzt; selten waren die Axencylinderfortsätze ergriffen. Aehnliche Ver- 
ietenogen an den Nervenfasern and den Gliazellen. Gleiche, nur weniger aus- 
teproebeoe Bilder boten die Zellen des Kleinhirns. An den Gefässen miliare An- 
(oryoMB ond V^ickung der Wandungen. Valentin. 


DiQ'iii’od 


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882 


41) Bin Fall von aontar Psyohoaa als Theileraoheinang einer Salioylslure- 

Intozloation, von Dr. Stloschin. (Wiener klinische Bandst^ao. 1898. 

Nr. 6 0 . 6.) 

Eine 21jäbrige W&scherin, welche von Seiten des Taters (potator strenuos) be> 
lastet schien und von jeher ein scheoee, verschlossenes ond leicht erregbares Wesen 
hatte, wurde mit Poljarthritis rheomatica ond Bndocarditis recens an der Notb* 
nagel’schen Klinik anfgenommen. Sie erhielt 18,0 Natr. salicjrlic. auf 36 Standen 
vertheilt. Es entwickelte sich ein acutes, sich rasch steigerndes Krankheitsbild, das 
mit allgraieiner Erregung einsetzte und im Laufe von einigen Stunden zu einem 
Anfälle von schreckhaften Wahnideeen, Qesicbts« und GehOrshallucinationen und da* 
durch bedingten Fluchtversuch sich entwickelte. Nach 18 Stunden verschwand es 
vollständig. Nebenerscheinungen waren: Kopfschmerz, theilweise vorhandene Be¬ 
nommenheit, Ohrensausen und Schwerhörigkeit. 

Da die Psychose am 10. Krankheitstage auftrat, wo der acute Oelenksrheuma- 
tismus bereits im Abklingen begriffen war, und zu einer Zelt, wo die Fiebertempe- 
ratur (39,0) durch das Salicyl bereits zur Norm gebracht war, so wird die Psychose 
mit Becht dem Natr. salicylic. und nicht der rheumatischen Polyarthritis zügeschrieben; 
acute Psychosen nach Polyarthritis gehen Hand in Hand mit hohen Temperaturen. 

Aus einer Zusammenstellung der Casuistik ergeben sich folgende Schlfisse: Das 
weibliche Geschlecht ist numerisch bevorzugt, ebenso alte, schwächliche und marastieehe 
Individuen. Bei jungen, kräftigen Personen kann hereditäre Belastm^ oder voraus- 
g^angmes Trauma eine Disposition ergeben. 

Die Bilder sind wechselnd; bald nur allgemeine Erregung, Unruhe, Angstgefühl, 
oder psychisches Wohlbefinden mit Lns^efühlen, al^emoiner Fröhlichkeit, bald aus¬ 
gesprochene Gkistesstömng mit Delirien, Wahnvorstellungen, Gesichts- und Gehörs- 
hallncinationen, maniakalischen Anftllen; endlich Bewusstseinsverlnst, Sprachstömngen, 
Hemiparese, Coma, Krämpfe. Begleitersoheinnngen sind: Kopfschmerz, Ohrensausen, 
Schwerhörigkeit, Mydriasis, Strabismus, Schluekbescbwerden, Schweisse, Dyspnoe 
Nephritis. — Der Ablauf ist rasch (8—10 Stunden); die längste Dauer war 3 Tage. 

Die Intozicationserscheinnngen können bei den verschiedenstra Grandkrankheitra 
auftreten, naturgemäss am häufigsten bei Polyarthritis. Ein Unterschied in der Wir¬ 
kung der Salicylsäure nnd ihres Natronsalzes besMit in dieser Hinsicht nicht. Die 
Die Erscheinungen können auch bei mittleren Dosen (12,0—20,0 Na salicyl zu 1,0 
28tflndl.) nnd bei Kindern, Frauen oder bei vorhandener Idiosyncrasie auch schon 
nach kleinen Dosen (4,0 Acid. salicyl. pro dos.) auftreten. J. Sorgo (Wien). 


42) Ueber ZntozieationpByohotett, von Dr. A. Westpbal. (Charitö-Annalen. 

1897. Jahrg. XXU.) 

Fall 1 ist bereits von Ihlow in einer Dissertation (Berlin 1895): „Ueber 
Morphiococalnismus und haUucinatorische Cocain-Paranoia“ mitgetheilt worden. 

Fall 2. 39jähr. Krankenpflegerin, seit 10 Jahren merpbiumsflchtig, hat bereite 
mehrfach Entsiehni^knren dnii^gemacht, nach der ersten im Jahre 1887 ein Monate 
lang dauernder, hallucinatorischer Verwirrtheitszustand mit heftigen WutbanfaUen. 
Seit 2 Jahren spritzt sie Cocain mit Morphium, und zwar täglich ca. 1,0 Cocain und 
0,6 Morphium. Seit dem CocaIngebranch lebhafte Verfolgnngsideeen mit Qebörs- 
hallncinationen. Bei der Entziehung treten neben den gewöhnlichen Entziebungs- 
erscheinangen intensive lUosionen und Hallocinalionen des Gefühls- und Gesichtssinnes 
anf. Parästhesieen an verschiedenen Stellen des Körpers, „es sind kleine Tiere, die 
sich in die Haut bohren und wieder heransschlOpfen“. Nach der Entziehung Zorück- 
treten der Erscheinungen. Nach einem chiruigischen Eingriff hochgradige Erregungs¬ 
zustände mit schreckhaften Hallucinutionen aller Sinne. Im nächsten halben Jahre 


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S88 


•Uattlieb« Voncbwinden derselben. Nnr die HallDCiaationen des OefQfalssinnes per* 
ösbreii and f&hren zeitweilig zn etärkeren Brregangssnständen. Wenn die Bmpfiu* 
do^en besonders stark sind, klagt PaL öfter Ober Absterben, Kalt- and Weiaswerden 
der Hftnde; diese Angabe kann auch ftrztlicberseita öfter Tsrifteirt werden. AUm&b- 
lieb Tencbwindai indessen auch diese Erseheinangen and mit ihnen die Hallncina- 
ttooen. 

Die Annahme, dass die rasorootrischen Störangen an der Peripherie Far&sthesieen 
enengt haben, die von dem erkrankten Centralorgan dann wabnhaft amgedentet 
wesdn sind, ist nicht von der Hand za weisen. 

Fall 3 ist in der Dissertation von Hoehstettern: „Ein Pall von Morphinismos 
mit Chorea** (Berlin 1894) mitgetheilt Martin Bloch (Berlin). 


43) Deber einen Fall von QaerolwtenWahnsinn mit letalem Ausgang im 

»4>elirimn aoutom** bei einem Syphilitisohen. von Dr. K. Henneberg. 

(Charitd-Annalen. 1897. Jabrg. XXII.) 

Ein 39j&hziger, angeblich erblich nicht belasteter Eaofmann, vor längerer Zeit 
^Tphilitiseb inficirt, zeigt bereits seit dem Jahre 1896 Anzeichen psydiischer Störung, 
indem er Beeioträchtignngsideeen äussert Im Verlaufe eines sich durch 6 .labre 
kinziebenden, fOr den Pai ongfinstig verlaufenden Processes Entwickelung eines 
^fischen Querolantenwafansinns. Znm Zwecke der Begatachtong seines Geistes- 
zwtandae wird Fat in die Charitd anfgenommen. Bald nach seiner Aufnahme ent- 
vkkeH mch hochgradige motorische Erregang, tiefgreifende BewosstseinstrObung und 
Kbadltt' Kräfteverfall, knrz, das Bild des Delirium acatam, dem Pat. 20 Tage nach 
der Aufnabm« erliegt Die anatomische Untersuchung ei^ebt Besidnen einer cirenm* 
soriptra Meningoencephalitis, wahrscheinlich syphilitischen Urspmngs, des Ober- 
wnras des Kleinhirns, Hyperämie des Hirns, kleine Hämorrhagieen, Erweiterung 
der perivasenlären und pericellnlären Bäume, Auswanderung weisser und roter Blut¬ 
körperchen in die adventiciellen Scheiden, Veränderungen in den Ganglienzellen der 
Binde in Form von Schmmpfungen, Kemverändemngen. Wncherungen der Glia und 
AaganiUUaserschwnnd waren nicht naebzaweisen. Martin Bloch (Berlin). 


4^ Simulation von OeisteMtOrung, Typus: Oopie des Kindes, iV^jährlge 

HlAhmnng**, von Dietz (Stnitgart). (Allg. Zeitschr. f. Psych. Bd. Llll. S. 1.) 

Terf. beschreibt den Fall eines 32jährigen, des Betrugs und Diebstahls ange- 
UagtSB Schreiners, der 6 Monate lang hochgradigen „kindischen Blödsinn“ und 
lA iifpiig der unteren Extremitäten mehr als iVs Jshre hindurch simulirte, auch 
noch der Vemrtheilung noch. Der Blödsinn war, wie meist in solchen Fällen, in- 
mnarqiinnt und voller Uebertreibongen. Der Zweck der Simulation der „Lähmung** 
and vor allem dee Festhaltens an der Simnlation im Znchthause ist noch nicht auf- 
pklärt Aschaffenburg (Heidelberg). 


45) Om Simulation af Sindssygdom, af E. Kirstein. (Hosp.-Tid. 1897. 

4 R. V. 49, 50, öl.) 

Verf. theilt 4 Fälle aus der unter Leitung Prof. Knud Pontoppidan’s Lei- 
tang stehenden 6. Abtheilung des Communehospitals in Kopenhagen mit. 

Im 1. Falle bandelte es sich um einen wegen Diebstahls und Landstreicherei 
mebrmab bestraften, dem Tnmke ergebenen und dadurch körperlich und psychisch 
b et ' nn t^gekoamenen Menschen, der wiederholt znr Beobachtung in das Hospital ge- 
bradii wurde und auf der Ba^ p^chischer Verkommenheit anzweifelhafte Merkmale 


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384 


der Simulation von OeistesstOmng zeigte, neben einer wirklichen P8ych(»e und zam 
Theil mit dieser abwechselud. Während der letzten Beobachtangszeit bekam er 
Krämpfe, die mit denen einer hysterischen Patientin, die sich zur Zeit im Kranken« 
hause befand, zu grosse Aebnlichkeit batten, um den Gedanken an Simulation wankend 
zu machen. Mangel an Energie und Unfähigkeit, mehr als die augenblirklicbe 
Situation zu 1)erfickBichtigen, hinderten ihn, seine Simulation in einem ausgeprägtm 
Maasse und längere Zeit dnrchzuffihren. 

Der 2. Fall betraf ebenfalls einen, mehrfach mit dem Gesetz in Conflict ge« 
kommenen, dem Tranke ergebenen Dieb, der unzweifelhaft wiederholt simuUrt, auch 
einmal schon einen fingirten Selbstmordversuch in Scene gesetzt hatte, sich dann in 
sein Schicksal zu ergeben schien, sich aber schliesslich erhängte. Auch dieser 
Selbstmord wurde als versuchte Simulation angesehen, weil er zu einer Zeit ange¬ 
führt worden war, wo das Hinznkommen des Aufsehers zu erwarten stand. Terf. 
ist nicht geneigt, diese Anschauung zu theilen, weil die Erhängnng zu gnt ange¬ 
führt war. ln hinterlassenen Schriftstücken batte der Verstorbene Leiden, die er 
nicht zu ertragen im Stande sei, als Motiv des Selbstmordes ai^^eben; hypochon¬ 
drische Klagen und Vergiftungsfnrebt, die sich darin ausdrflckte, hatten an und für 
sich das Gepräge der Wahrheit, da Pat. thatsäcblich psychische Abnormitäten dar¬ 
geboten hatte, aber aof der andern Seite schien der hochtrabende Stil auf Affect 
berechnet zu sein. 

Der 3. Fall bebifft einen schon häufig wegen verschiedener Vergehen bestraften, 
trunksüchtigen Dieb, der schon früher an Delirium tremens gelitten haben sollte 
und wiederholt versucht hatte, zu simnliren, um der Strafe zu entgehen. Im Ver¬ 
hör batte er verwirrtes Zeug gesprochen, so dass Zweifel an seiner Zurechnungs¬ 
fähigkeit aufstiegen. Im Hospitale simulirte er allerhand Zustände und Handlungen, 
wie er sie von andern Kranken gesehen hatte, wurde unreinlich und sog sich beim 
Zerschlagen von Fensterscheiben eine Schnittwunde am Arm zu. Er litt an rechte- 
seitiger Facialisparalyse und beiderseitiger chronischer Otitis sicca. Unruhige und 
ruhige Perioden, je nachdem es die Umstände mit sich brachten. 

Auch der 4. Fall betraf einen wiederholt bestraften Dieb, bei dem sieh schon 
in der Kindheit häufig Stehlsucht gezeigt haben sollte; ancb während der Beobach¬ 
tungszeit im Hospitale stahl er wiederholt, vielleicht nur um Kleptomanie zu simu- 
liren. Es bestanden bei ihm Imbecillitä^ kindisches Wesen und kindische Neigungen, 
namentlich aber Mangel an moralischem Gefühl. Pai kam wiederholt zur Beobach¬ 
tung; seine erste Aufnahme geschah nach einem Erbängungsversuch, dem lange 
Bewusstlosigkeit folgte and nach dem die Strangrinne noch lange sichtbar blieb, an 
den er sich Anfangs nicht erinnern wollte, den er aber später als simulirt bezeichnete, 
auch dass er epileptische Anfölle nur simulirt hatte, gestand er später. 

Walter Berger (Leipzig). 


ni. Personalien. 

Unser verehrter Mitarbeiter Herr Dr. Passow wurde zum I. Assistenten der psychi¬ 
atrischen Klinik in Btrassbarg i./E. befördert 


Um Einsendung von Separatabdrücken an den Herausgeber wird gebeten. 

Einsendungen für die Redaetion sind zu richten an Prof. Dr. E. Hendel. 
Berlin, NW. Scbiffbanerdamm 80. 

Verlag von Vbit & Cohp. in Leipzig. — Druck von Murobb & Wimo in Leipzig. 


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t/UN ^7 ]898 


Ieurologisches Cmtralbutt. 

iUenicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie 
. und Therapie des Nerven^ems einschliesslich der Geisteskrankheiten. 

Heransge^beD von 


MMkiter 


Professor Dr. E. Mendel 

n Bartia. 


Jahrgang. 


k#lliäieb oseheiiieii zwei Nonunern. Freie des Jahrgaogee 24 Hark. Za besiehen dorcb 
ShBaehhasdlangen des ln* and Aoelandea, die Poetanetalteo dea Deatsoben Beiebe, sowie 
direot von der VerlagsbacbbaDdlang. 


1. Mai 


Nr. 9. 


i. 


L OrifiialnlttteUMgea. 1. lieber Pboe|>horIäbmang, von Prof. Dr. 8. E. Henichen io 
2. Ein Fall von Nenritie optica mit 4w0cheDtUcber d^pelboitiger, in complete 
»o^egaogener Blindheit, von H. Higler (Warechan). 8. Untersacbangen über daa 
Bark and daa Eleinhini der Vögel, von Dr. A. Friedlinder. (Fortsetzung n. Soblase.) 

L iilerate. Anatomie. 1. Ueber das Bieebhim der Sängetbiere, von Ldwenlhal. 
dwsale (Sebiet der spinalen Trigeminosworzel and seine Beziehungen zam solitären 
beim VeDschen. Ein Beitrag zor Anatomie and Physiologie des Trigeminus, roo 
— Experimentelle Physiologie. 8. Bidrag tili känoedomen om hudeus 
oät rann — punkter, af Ainitz. 4. Om fömimnelseo „bett“, af Airulz. 5. Om den 
. temperatar fonumnelserna, af Alrirtz. — Pathologische Anatomie. 6. BeU 
ZV Pstholc^e der Nenrenz^n, von Qoidsehelder, 7. Ueber den Einäuss verschiedener 
insB auf die Kervenzellen des Bflckenmarks, von Babes. — Pathologie des 
•ssyatems. 8. Familiendisposition bei symmetrischer Atrophie des Schädeldaches, 
k 9. Tbree cases of the family type of cerebral diplegia, by Dercum. 10. Maladie 
äsymptomes cdrebello-mddullaires, par Pauly et Bonne. 11. Dritte Mittbeilnng über 
tyi^le, ^miliare lAbmnng, von Beidflam. 12. Ueber Paralysis spastica und über 
.immea Nervenkrankheiten im allgemeinen, von Jendrässifc. 13. Epidemie of infantile 
‘ in the aame family, by Pasteur. 14. Sopra an caso di tabe spasmodica famigliare, 
si e Rmi. 15. Die amaurotische, familiäre Idiotie, von Sacht. 16. Weitere Hit* 
über eiuen Fall von chroniscbem Hvdrocephalns bei hereditärer Syphilis, von 
17. A contribution to the study of spinal syphilis, by Spiller. 18. Over syphilitische 
’yse, door Miiskeui. 19. Acute Myelitis und Syphilis, von Rosln. 20. Anatomical 
a of brain syphilis, with report of tbres cases, by Kraust. 21. Aggiunta alla 
£ an caso di malattia di Erb. Nota per Murri. 22. Ein Fall von Myasthenia psendo« 
graris oad intermittirender Ophthalmoplegie, von Eulonburg. 28. Ueber Myasthenia 
ytica gravis, von Cohn. — Psychiatrie. 24. Typhoid fever among the insaoe, 
25. Des psycboses religieuses ä ^volntion progressive et ä systdmatisatiou ditc 
par Mario n Vallon. 26. Belehmngen für das Wartepersonal an Irrenanstalten, 
ir. 27. Deuz exemples de la forme affeotive du ddlire gdneralisö — Verwirrtheit 
SNBfeale), par Franeetfe. 28. L’ohsession de la rougeur (drentbophobie), par PItros 


•Ti 

31 

■vm 


1 


IB> Am den QaMlitohaften. Verbandlaiigen des 16. Congresses für innere Medicin vom 
Ap^ 1898 zu Wiesbaden. 


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386 


L OriginalmittheilTingen. 


1. Ueber Phosphorlähmnng. 

Von Prof. Dr. 8. £. Hensohmi in Upsala. 

Obschou VeigiftQDgen mit Phosphor überhaapt) und besonders in imserem 
Lande, sehr allgemein sind, so sind dooh unsere Kenntnisse über die Binwirkang 
dieses Giftes auf das Nervensystem des Mensohen besonders dürftig. Unter 
einer nicht unbedeutenden Anzahl von Phosphorvergiftungen, welche in meiner 
klinischen Abtbeilung in Upsala behandelt worden sind, habe ich nie 
Lalimung gesehen. Wahrscheinlich kommt dieses daher, dass die meisten 
solchen Patienten binnen wenigen T^n sterben, aber selbst bei denen, welche 
genasen, habe ich Lähmungen nicht gesehen. 

ln der mir zugänglichen Litteratur finde ich auch in dieser Beziehung 
nichts, au^nommen, dass in allen Abhandlungen über Neuritis Phosphor unter 
den Giften eingereiht ist, welche Neuritis hervormfen. Diese Auss^ wiederholt 
sich fast überall. Sucht man aber einen Beleg für diesen Satz, so kann man 
das Begister der ganzen Reihe von Bänden des Neurol<^. Gentralblattes von 
1882—1898 durchsuchen, ohne einen einschiffigen Fall aufopüren zu können, 
und zwar weder einen Fall von Neuritis, noch einen von Phosphorlähmung in 
anderer Form. 

Durch experimentelle Untersuchungen bei Thieren über die Einwirkung 
des Phosphors ist dag^en nacbgewiesen, dass wirklich Veränderungen im Nerven¬ 
system nach Phosphorvergiftung Vorkommen. So z. B. fand Danillo beim 
Hunde nach letalen Dosen Alterationen, welche er als Myelitis, entweder 
centraler oder diffuser Natur, bezeichnet. Grosse Dosen rufen eine Mjelitis 
centralis in der ganzen Länge des Eückenmarte hervor mit Bildung von Extz^ 
vasaten und Pigment; die geringeren und wiederholten Dosen erzeugen eine 
Myelitis diffusa, die graue und weisse Substanz ergreifend. Während des Lebens 
sah Danillo eine Reihe krankhafter nervöser Symptome, welche als Effecte der 
Myelitiden betrachtet werden müssen.^ 

'Kreyssig d^egen fand ausser capillären Blutungen in der grauen Sub¬ 
stanz keine pathologischen Veränderungen im Rückenmark der vergifteten Thiere, 
welche 4—66 Tage nach der Vergiftung starben.* 

Dagegen fand Gurbibbi* im Rückenmark eines mit Phosphor ve^ifteten 
Hundes die GoLL’schen und BuBDAOH’sohen Stränge d^nerirt 


* Neorolog. CentralbL 1882. S. 11. 

* Neurolog. Centralbl. 1886. S. 6. 

* Bev. Bper. di Freoiatr. Vol. XIX. — Neorolog. Centralbl. 1895. S. 279. 


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387 


In Anbetracht dieser mangelhaften Kenntnisse daräber, wie sich das Nerven« 
sjitem beim Menschen nach Phosphorve^iftong verhält, verdient folgender Fall, 
otecbon nnr klinisch beobachtet, veröffentlicht za werden. 

Hansson, Qroesknecht, 70 Jahre alt. 

Dem Pat, welcher hUher immer geeond and arbeiteAhig war, wurde von einem 
Dmrtm&dchen am 39. Juli 1896 um 12 ühr Mittags Phoephor im Kaffee eingegeben. 
Cb Nachmittags stellte sich Erbrechen ein, und zwar unaufhörlich, bis nur 

„klares Blut" erbrochen wurde. Pat. musste zu Bett gehen und fohlte sich sehr 
Kkvsch. Ein Arzt wurde gerufen, und dieser hat mir brieflich mitgetheilt, dass 
Pit Symptome von Phosphorismns acutus hatte. Uebrigens war er nicht benommen; 
er kooDte sehen. Das ÖehörvermOgen war auf beiden Ohren herabgesetzt, and 
tt hatte Schwierigkeit zu schlocken. Pat. wurde indessen nicht ikterisch. Im 
Aagoat bekam er Schmerzen üx den Füssen und in den Knieen, dann wurden die 
FQsm gelähmt, so dass er nicht stehen konnte. Die Beine tragen ihn auch 
oieht mehr, aber er konnte sie im Bett bewegen; d^^en waren die Finger 
Kel&hmt Er mnsste dann fast den ganzen Winter das Bett hüten. Pat. war in 
ter Zeit schwach, litt aber nicht au Herzklopfen. Er bat Verdacht, dass er in 

Zwisdienzeit mehrmals vergiftet wurde, und anch sein Sohn bekam Qift. Nach 
do Tergiftnng litt Pat. auch an allgemeiner Depression, sowie an Parästhesieen. 

Erst im April 1897 b^nn er zu gehen, und seit dieser Zeit besserte sich 
^ImäUich der Zustand, so dass er im Juni 1897 den „Sätra Brunn'^ wo ich Arzt 
Hb, besQcben konnte. 

Statns am 11. Juni 1897. 

Körperbau gut, Körperfülle gut, wie auch die Kräfte. Er hat einen guten 
Appetit und regelmässige Darmentleernng. Der Körper zittert. 

Sobjectiv hat er keine Schmerzen, aber er leidet an Parästhesieen. Es 
kribbelt und sticht in den Unterschenkeln und in den Händen. Die Muskeln der 
Arne ond der Beine sind in hohem Grade empfindlich gegen Dmck. 

Die P^che ist normal, wie auch Urthellsvermögen, Gedächtniss und Wille. 
Kerne Aphasie. 

Krsnialnerven: I. Geruch beiderseits gut. II. Gesicht auch gut, Seb- und 
Firbeofelder von normaler Ausdehnung. IlL, IV., VI. Augenbewegungeu normal; 
die Pupillen klein. V. Gefühl gut. Vll. Keine Anomalie. VIII. Gehörschärfe 
teidersmts bedeutend herabgesetzt. IX.—XII. Nerven zeigen nichts abweichendes. 

Sensibilität. Sowohl an den Händen, wie an den Füssen ist der Tastsinn 
bedeutend herabgesetzt, vielleicht mehr in den Händen. 

Schmerzsinn. Pat. ist etwas byperalgetisch, und sowohl die Hände, wie 
die F&sse sind bis über die Ellenbogen und die Knie hinauf sehr empfindlich. 

Temperatursinn normal. 

Kuskelsinn schlecht, und Pat. hat Schwierigkeit einen Knopf zu knöpfen 
ud kann eine Stecknadel nicht vom Boden aufnehmen, vielleicht mehr in Folge des 
ttn^vlhaften Tastgefühls, als des Fehlens des Muskelgefübls. 

Motilität Er ist schwach in den Händen und Füssen, steht mit gebeugten 
Bnaeu. 

Ataxie. Er geht mit gespreizten Beinen und mit Schwierigkeit, besonders 
bei geecblossenen Angen. 

Atrophie. Die Muskeln der Hände sind etwas, aber nicht sehr atrophisch, 
ib« die Hände sind angescbwollen, wie durch ein chronisches Oedem. 

Reflexe können von den Hoskeln der Vorderarme ausgelöst werden. Patellar* 
refleze fehlen. 

Die Blase zmgt weder jetzt noch früher irgend welche Störungen; ebenso ver* 
bäh lieh der Darm jetzt, wie auch früher, normal. 

25* 


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388 


Trophiscbe Störangen. Äasgenomioen das eben erw&hote Angescbwollenseio 
der H&nde and FOsse and die nicht hochgradige Atrophie der Moskeln der H&nde, 
findet sich keine Atrophie. 

Innere Organe. Das Herz ist nicht veigrössert. Die Töne sind rein. Der 
Puls normal. 

Behandlung. Pat. wurde mit B&dem (Moorbädern u. s. w.), Massage und 
Elektricität jeden behandelt und befand sich dabei gut. 

7./V11. 1897. Bei der Abreise wird bemerkt: Pat bat sich auffallend ge¬ 
bessert, er geht recht gut mit offenen Augen, schlechter mit ge8cbl<^nen; geht 
jedoch immer mit gespreizten Beinen. Er kann jetzt die Enöpfe knöpfen. Die 
Plantarseiten der Füsse sind beim Gehen und bei der Bewegung empfindlich und 
schmerzhaft, besonders in der Kälte. Die Empfindlichkeit erstreckt sich bis Ober 
die Knie. 

Die Hände sind empfindlich und schmerzen etwas in den Endphalangen, nicht 
wie fräber in den ganzen Fingern. 

ln der Kürze lautet die Erankengescbichte also folgendermaassen: 

Ein 70jähr. Mann wird einem, Tielleicbt selbst wiederholten Veigiftimgs- 
Tersnchen mit Phosphor ausgesetzt. Die gewöhnlichen Veigiftungssymptome 
stellten sich ein, wie Bluterbrecben, Schwäche u. s. w., und er musste Monate 
laug das Bett hüten. Binnen einem Monate stellten sich Schmerzen in den 
Füssen ein und dann Schwäche und Schwierigkeit zu gehen. Aber er konnte 
die Beine im Bett bewegen. Darnach wurden auch die Finger gelähmt F.rst 
nach etwa 9 Monaten konnte er anfstehen. 

Nach Jahresfrist findet man bei der Untersuchung keine Störung der 
Psyche oder der Kranialnerven, aber Pat. leidet an ausgesprochener Schwäche 
in den Händen und Füssen, sowie an Herabsetzung des Tastsinns in diesen 
Tbeilen. Ausserdem sind die Extremitäten bis über die Knie und Ellenbogen 
hinauf, wie überhaupt die Muskulatur schmerzempfindlicb. Die Hände sind 
angeschwolleu und die Handmuskulatur ist etwas atrophisch. Die Beflexe von 
der Armmuskulatur aus bestehen, aber die Patellarreflexe sind verschwanden. 
Keine Blasen- oder Darmstonmg. 

Er hat Schwierigkeit zu geben, und eine au^^prochene Ataxie ist vor¬ 
handen. 

Diagnose. Bei einem Versuch die Art und Localisation des Processes zu 
bestimmen, ist daran zu erinnern, dass die ersten Symptome der Krankheit 
Schmerzen in den Händen und Füssen waren, und dann Sohwierigkdt zu geben, 
wahrscheinlich theils als Ausdruck einer Ataxie, theils der Schwäche jener Theile. 
Die Symptome, welche seitdem bestehen geblieben sind, deuten theils auf Nen- 
ritis, theils auf Veränderungen im Rückenmark. Im Ganzen ähneln die Symptome 
in h(^em Grade denen bei derArsenikvei^flung. Auch hier spielen die Schmerzen 
eine auffallende Rolle. Hier vrie da ist Ataxie vorhanden. Für Neuritis spricht 
besonders die grosse Schmerzempfindlichkeit bei Druck anf die Mnskolatar. 
Und da die Patellarreflexe fehlen, und die Localisation sich besonders auf die 
Spitzen der Extremitäten beschränkt hat, so ist wohl kein Zweifel, dass hier 
eine Neuritis phosphorica vorli^; und dass sowohl sensible wie motoriscdie 
Nerven ergriffen sind — ganz wie bei der Arsenikvergiftung. 


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389 


Da inzwischen aa<^ Ataxie Torhanden ist, so müssen auch Theile im 
Böekenmark eigriffen sein, denn die Ataxie kann kaum durch die vorhandene 
Anästhesie genügend erklärt werden. Welche Theile aber daselbst zerstört 
worden sind, darüber lohnt es nicht die Mühe zu disoutiren. Ich weise in dieser 
Himieht auf die von mir, sowie Eblitzki und Btbalkin daigel^^n Befunde 
bä der Arsenikrergiftung hin. Wir fanden, dass die grossen motorischen Zellen 
atrophisch waren, und in meinem Falle konnte ausser einer hämorrhagischen 
0^ auch eine ausgesprochene Degeneration der GoLL^schen Strange nach- 
gewiesen wMtien. 

Ich bin also geneigt, sowohl eine Neuritis, als auch degenerative Processe 
im Bückenmark anzunehmen. Dagegen fehlen alle Anzeichen eines cerebralen 
Lädena 

In Bezug auf die Symptomatologie hebe ich hier nur die auffallende Aehn> 
hehkät mit Arsenikveigiftung hervor. Doch finden sich hier ausserdem eine 
anfEillende Anschwellung der Hände, ein höherer Grad von Sohmerzempfindlich« 
kät noch nach 1 jährigem Bestehen des Leidens, welche besonders au den Fuss- 
sohlen und in den Fingerq)itzen ausgesprochen ist Dagegen war die Atrophie 
Terfaältnissmassig geringfügig. 

ln wie weit alle diese Symptome für Phosphorvergiftnng charakteristisch 
oder constant sind, darüber kann nur weitere Erfahrung belehren, aber die 
Asalcgie mit der Arsenikvergiftung spricht doch dafür, dass hier ein typischer 
Fili von Phoephorlähmung vorliegt. 

Das allmähliche Eintreten der Lähmung erst längere Zeit nach den wieder¬ 
holten (?) Ve^iftnngsversuchen giebt eine genügende Erklärung, warum so selten 
Pboq)borlähmungen beobachtet worden sind. 


2. Ein Fall von Neuritis optica mit 4wöchentlicher doppel¬ 
seitiger, in complete Heilung ausgegangener Blindheit. 

Beitrag zur Klinik der genuinen und concomittirenden Sehnerven- 

entzündnngen. 

Von H. Higier (Warschau). 

Unter den gemeinen Sehnervenentzündungen ist bekanntlich die häufigste 
die Neuritis optica retrobulbaris. ^e macht etwa die Hälfte der gesammten 
Sämervenaffectionen aus und ist deshalb als klinische Erkrankungsform sowohl 
in theoretischer als praktischer Hinsicht ausserordentlich wichtig, für den Nerven¬ 
arzt nicht minder als für den Augenarzt. Sie stellt eben nichts mehr als eine 
■äitte, durch das Ophthalmoskop unserem Auge direct zugängliche Entzündung 
änes Himnerven dar, die vom pathogenetischen Gesichtspunkte aus mit den 


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390 


sonstigen peripheren Neuritiden viele Berührangspnnkte besitzt Von beiden 
kennen wir eine acute und chronische Form, wobei letztere entweder vom An¬ 
beginn an als solche auftritt, oder Ausgang der acuten Varietät 4ar8tellt. Die 
zahlreichen ätiologischen Momente der Neuritis optica lassen sidi, nach Aus¬ 
schluss der örtlichen Ursachen (orbitale Cellulitis, Periostitis am Foramen opti- 
cum), ebenso wie bei der Neuritis multiplex in vier Hauptgroppen eintheilen: 
in Intuxicationen, Infectionen, Traumen und Erkältungsnrsachen. 

Unter den anorganischen und organischen toxischen Schädlichkeiten spielen 
bei der Sehnervenentzündung die Hauptrolle: Alkohol, Blei, Chinin, Tabak und 
Schwefelkohlenstoff. Von den infectiösen Noxen kommen die abnormen Stoff- 
wechselprodncte in Betracht, die bei den meisten acuten und chronischen All¬ 
gemeinkrankheiten producirt werden und toxisch wirken. Hierher gehört somit 
die Neuritis optica bei Typhus, Influenza, acutem Rheumatismus, die bei Lues, 
Diabetes, Solerose, Gicht, Gravidität, Puerperium u.6.w. Eine weniger ansehn¬ 
liche Bolle spielen die traumatischen Kopfverletzungen (Adaxtük) und das 
refrigeratoriscbe Moment, besonders die Einwirkung plötzlicher Abkühlung der 
Kopf- oder Gesichtshaut (Sahelsohn). 

Klinisch lässt sich die acute retrobulbäre Sehnervenentzündung, wie die 
sonstigen Neuritiden, durch die Schmerzhaftigkeit des Nerven, den Ausfall der 
Function und das Schwinden der physiologischen Reaction erkennen. In allen 
frischen Fällen sind die Augenbewegungen schmerzhaft, die Empfindlichkeit auf 
Druck des Augapfels in der Richtung von vom nach hinten erheblich gesteigert 
Das Sehvermögen nimmt im ergriffenen Auge in ziemlich kurzer Zeit — von 
wenigen Stunden bis Tagen — stark ab, wobei intensive Reizungserscbeinungen 
in Form von feurigem Nebelsehen und Lichtblitzen dem völligen Erlöschen der 
Function vorausgehen. Die Pupille ist mittelweit und auf directen Licbteinfall 
völlig reactionslos, trotzdem die consensuelle Reaction noch bei völliger Amaurose 
erhalten bleibt In den schweren Fällen ist die Erblindung total, in den leich¬ 
teren nimmt letztere nur das centrale Gesichtsfeld ein. Das Scotom, meist in 
Gestalt einer central liegenden Ellipse, ist für die gewöhnliche Neuritis optica 
retrobulbaris äusserst charakteristisch, viel seltener sind Ringscotome oder peri¬ 
phere Einschränkui^. Indem die Abnahme des Lichtsinnes in Abhängigkeit 
von der Extensität des Scotoms ist, soll die Sehschärfe nur von der Intensitiit des¬ 
selben abhängen. Interessant ist es, dass das Farbenobject, sobald es in Bereich 
des Scotoms tritt, zunächst seine Nuance, d. h. seine Helligk^t und dann erst, 
näher dem Kern des Defectes, seinen Ton verändert Am Bande des Scotoms 
erscheint das weisse Prüfungsobject grau, am Gentrum schwarz. Wo die 
Amaurose complet zu sein scheint, lässt sich zuweilen uaoh Samblsohe bei 
Prüfung im dunklen Zimmer mit sehr schwachen Lichtquellen eine dumpfe 
Lichtempfindung in der Peripherie feststellen, wo die Untersuchung mit Reflexen 
eines Augenspiegels n^ativ ansfallt. 

Der Augenspiegelbefund ist in den ersten Tagen meist ganz n^tiv. Im 
weiteren Verlaufe bildet sich allmählich Oedem und capilläre Röthung an der 
Papille ans, die hier und da zum Bilde der typischen Stauungspapille führen 


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391 


kuL SdtMier fehlt dieses Stadinm ganz nnd nur die conseoutive Opticus- 
(Abblassung der temporalen Hälfte der Papille) macht auf die Natur 
des duci^machten Leidens aufmerksam. Ab und zu soll die mit plötzlicher 
Eiblindaiig einteetende Neuritis optica — falls das entzündliche Transsudat 
foade die Eintrittsstelle der Sehnerrengefösse oomprimirend trifft — unter dem 
KIde der acuten Netehautisohämie mit auffallender Verengerung sowohl der 
Aitehm ab Venen-Terlaufen. 

Anatomisdies Material für die im Grossen und Ganzeu ziemlich seltene 
aeote Nenritis liegt bis jetzt nicht vor, und sind wir gänzlich auf die anatomisch* 
psdiokgischen Stunde bei den chronischen retrobulbären Neuritiden angewiesen, 
die trotz mancher beachtenswerther klinischer Differenzen (sehr schleichender 
Beginn, progressiTer Verlauf, Fehlen der Schmerzhaftigkeit, der Pupillenanoma- 
1^ and d^ Schwellungserscheinungen an der Papille, sehr spätes Nachfolgen 
einer temporalen Atrophie der Papille ohne Betheiiigung der Centralgetässe) sich 
ebohlls durch das centrale Scotom — absolutes, relatiTes oder nur für Farben 
— haopteächlioh aaszeichnen. Bei diesen Formen wird mit auffallender Begel- 
miss^eit ein ganz bestimmtes Nervenbündel von der interstitiellen Entzündung 
e^Sen, und zwar das sog. papillO'maculare Bündel, das den gelben Fleck und 
zwischen ihm und dem temporalen Rande der Papille goldenen Abschnitt 
der BetiDa vetso^ Dasselbe kann in jeder Stelle seiner Längsausdehnung vom 
Entzändungsprocess betroffen werden: von derjenigen Stelle, wo es im Canalis 
opüens als Cylinder axial gelagert ist bis zu dem Punkte, wo es den temporalen 
Bind des Nerven erreicht und dicht am Eintritt der Centralgetässe die keil* 
ßimige Gestalt annimmt Nur ausnahmsweise localisirt sich die chronische 
Xraritis im peripheren Theil des Opticus bezw. dehnt sich vom axialen Gebiete 
uf den peripheren Abschnitt, was sich klinisch in Sehstörungen an den excen* 
UBckeo Theilen des Gesichtsfeldes kundzngeben pflegt 

Weehalb mit Vorliebe gerade dieses Bündel betroffen wird, lässt sich nicht 
mt fiestimmtbeit anssagen. M^Ucherweise bat die hochgradige functionelie 
hnpfindlicbkeit der am meisten in Anspruch genommeneu Fasern des directen 
Seheos, oder das Passiren des Hauptlymphstromes durch das Ceutrum des 
Kcnen daran Schuld. Dahingestellt muss es immerhin bleiben, ob es that* 
ridükh für jeden Fall einer besonderen, etwa angeborenen Prädisposirion in 
9«talt einer besonderen Emährungasohwäche der centralen Nervenbündel be¬ 
dürfe, einer Schwäche, die onter den geringfügigsten begünstigenden Momenten 
io eioe Entzündong dieser Bündel umschiägt 

Die acute Nenritis retrobulbaris ist eine verhältnissmässig seltene Erkrau* 
hng. ln Samkuohr’s^ Statistik figurirt sie unter 119 Fällen kaum 18 Mal, 
Qd nor ansnahmsweise doppelseitig. So konnte noch Beissebt * im Jahre 


' SAjaOiiOHH, Neuritis retrobolbaria. Biblioth. der geeammten medicin. Wissensch. 
Udcr.tSS. 8.504—512. 

* B. Russkbt, Eia Fall von Neuritis retrobolbaris. Arcb. f. Angenheilk. Bd. XXVIII. 
ä.45«-54. 


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392 


1894 keinra unanfechtbaren Fall von acuter Sehnerrfflientsöndni^ mit bdder- 
Beitigei vollständiger Erblindung aus der Literatur anföhreo. Angesichts eben 
der Seltenheit dieser Fälle erlaube ich mir kurz über einen einschlägigen Pa¬ 
tienten zu referiren, den ich ein Jahr hindurch zu beobachten Oel^eoheit hatte. 
Der Fall ist besonders ausgezeichnet dnrch den foudroyant aufgetretenen Seh- 
yerlust, durch die eigenthümliche Aetiol<^ie, durch die vom eisten T^e der 
Erkrankung sehr au^esprochenen Entzündungsersoheinungen an den Papillen 
(Papillitis), durch den eclatanten Erfolg der subcutanen Pilocarpininjectionen 
und durch die Tollkonunene Restitution der Sehschärfe trotz der 4 Wochen an¬ 
haltenden doppelseitigen Blindheit 

Cbiel Lilienstein, 38 Jahre alt, Geschäftscommis, erkrankt am 5. Juni 1896 an 
Kopfschmerzen und Flimmern vor dem rechten Äuge. Im Laufe des Tagee stmgem 
’ sich die Schmerzen and sinkt die Sehschärfe unter Nebelsehen an beiden Augen sehr 
bedeutend. Nach etwa 3 Tagen, als ich den Fat das erste Mal zu sehen bekam, 
war er beinahe gänzlich erblindet. Die damals gemeinsam mit Collegen Oepnar, 
Kramsztjk und Spielrein vorgenommene Untersucbung e^ab ziemlich wenig 
Anhaltspunkte zur Beurtheilung der Natur und Aetiologie des schweren Leidens. 

Der in psychischer Hiusicht völlig normale, keine Spur von Bewusstseinstr&bang 
anfweiseude Patient klagte fiber diffuse Parästhesieen im Hinterhaupt und der rechten 
Schläfe. Bei Bewegung der Augäpfel empfindet er in den Extremstellnngen, beson¬ 
ders in der Gegend der medialen Orbitaiwand, intensive Schmerzen, weshalb die 
maximale Anstrengung der äusseren Bnlbosmuslnilatur absichtlich vermieden wird. 
Bulbns auf Druck mit dem Finger empfindlich. Kein Exophthalmus oder Strabismns. 
Lider, Conjunctiva, Cornea und Iris normal, optische Medien durchsichtig. Die gleich¬ 
weiten Pupillen sind stark mydriatiscb, reagiren nicht anf Licht, ziemlich gut auf 
Convergenz. Lichtsinn und Sehschärfe sind am rechten Auge gänzlich erloschen, am 
linken scheinen sie in geringem Maaase erhalten zu sein. Bei Exploration des 
Gesichtsfeldes im etwas abgedonkelten Zimmer mit der Hand eigiebt sich, dass die 
Handbewegnngeu in der Bichtong nach oben nnd innen einigermaassen erkannt 
werden. Vom Farbensinn ist keine Spar eruirbar. Ophthalmoskopisch lässt sich 
feststellen eine, an beiden Ängen gleich ausgesprochene Neuritis optica, die geradezu 
an die Stanungspspille bei HimgeschwQlsten erinnert: excessive Schwellung nnd 
capilläre Böthung der Papillen und des circumpapiUären Gewebes, Verstriehensein ihrer 
Grenzen, Erweiterung und Schlängelung der Venen. 

Vom sonstigen Verhalten des Nervensystems ist zu erwähnen: Asymmetrie des 
Gesichtes, Abweichung der Uvula nach links, diffuse analgetische Plaques, Steigerung 
der Patellarrefiexe, Abwesenheit cerebraler Allgemeinerscbeinungen, wie Benommen¬ 
heit, Schwindel, Erbrechen. 

Innere Organe intact. Zostand fieberlos. Puls von normaler Frequenz and 
Falle. Milz nicht vergrössert Ham eiweiss- nnd zuckerfrei Appetit nnd Schlaf 
nicht gestört Symptome einer chronischen Intoxication sind nicht vorhanden, eben¬ 
falls fehlen Ersebeinungen, die anf eine durchgemaebte Lues oder vorhandene Taber- 
culose hinweisen. 

Vom Pat wird Lues entschieden n^irt, ebenfalls will er keine acute Infection 
in der letzten Zeit durchgemacht haben. Der Kranke raucht mässig, trinkt hie and 
da übermässig, ist jedoch im Allgemeinen kein Potator. Traumen, Erkältung, grössere 
Blutverluste, medicameutöse Vergiftung werden in Abrede gestellt Einen Tag vor 
dem Ausbruch des Augenleidens behauptet er, psychisch intensiv afficirt gewesen zu 
sein durch die uuerwartete deprimireude Nachricht aber das Ueberfahrensein seines 
Sohnes. Pat. stammt aus einer neuropatbisch veranlagten Familie, seine zwei 
Schwestern leiden an Hysterie. 


"Q'Iii’Od 


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893 


Den Kt»nk«n wurden ez eonsiUo Terordnet: absolute Bube, dunkles Zimmer, 
wazme Pimchläge an dmi at^esehlossenen Augen, leichte Abführmittel, flüse^e Diät, 
ein Gonisch von salicjlsaurem Natrium mit Jodkali. Das Leiden zeigte jedoch absolut 
kone Besserung. Im Oegentbeil, die minimale Sehßhigkeit schwand gänzlich, so 
dsn bei der uAcbsten Consultation mit Collegen Qoldflam der Pat. complet blind sich 
»viea. Die Pupillen waren ad mazimum erweitert, ganz reactionslos, die Papillen 
Didi inteoaiver geechwellt und die Venen an denselben dilatirt Da der Kranke weder 
das Salicyl noch das Jod wegen eingetretener unangenehmer Nebenerscheinungen gern 
nahm, so wurden Torsuchsweise Quecksilbereinreibuogen (2 g täglich) verordnet; sie 
ausaten jedoch nach der 5. Inunction in Folge der sich eingestellten Stomatitis auf* 
gegeben werden. Es wurde dann zu Pilocarpiniqjectionen (0,2:10,0) geschritten, 
eine Pravaz’sche Spritze subcutan. Die Sialorrhoea und Schweissreaction 
sofort nach der Einspritzung einzutreten. Nach etwa der 6. Injection — 
am 24. Tage der Krankheit — liessen sich die ersten Zeichen der Besserung con* 
itatirmD. Fat. fing an mit dem linken Auge die am Tische brennende Kerze von 
dw dunklen Umgebui^ einigermaassen zu uuterscheideu. Die Pupillen reagirten träge, 
abar deutlich. 

Von jenem Tage an begann die Besserung sehr rasch vor sich zu gehen. Nach 
ier 16. und zugleich letzten Injectioq war schon Pat. im Stande ohne Hülfe im 
2Mmer hemmzaspaziren, erkannte Handbew^ngen sehr genau in der Entfemong, 
otziffeile einzelne grosse Buchstaben, zählte Finger iu m Distanz, unterschied 
emgermaassan weisse von grell gefärbten G^nstanden. Die Reaction der Pupillen 
w ganz prompt, jedoch mit der Eigenthümlichkeit, dass die Pupille cur momentan 
verengt blieb und erst dann wieder die Verengerung deutlich za Tage trat, wenn 
das Aoge nochmals nach einer minütlichen Verdunkelncg stark beleuchtet wurde. 
Die Hjdrimse blieb mehrere Wochen hindurch erkennbar, sowohl im dunklen als hell* 
keieochteten Zimmer. Das ophthalmoskopische Bild änderte sich sehr wesentlich, 
indem die Scbwellungserscheinnngen am Papillarkopf und der Umgebung gänzlich 
ȟcktonten. 

Bei der, 7 Wochen nach Beginn der Erkrankung voi^enommenen Untersuchung 
4m Qesiditsfeldes auf Weiss und Farben liess sieh ein cectralee, ziemlich nmfacg- 
naehes Seotom an beiden Augen bei ganz normalem peripherem Gesichtsfelde fest- 
ftdlen. (Das Perimeter konnte leider wegen des mebrwöcbentlichen Verbleibens des 
HL an ^use beim Erankenezamen nicht angewecdet werden. Aus demselben Grunde 
liem sich die präcise Untersuchung dos peripheren Gesichtsfeldes mittelst schwacher 
Liehtcootnste nicht vornehmen.) 

Von Farben konnte zn jeder Zeit nur das Rothe mit dem linken Auge einiger- 
■aaMD unterschieden werden. 

Deo Kranken sah ich dann über 4 Monate nicht mehr. 6 Monate nach dem 
Anriimeh des Leideoa ist vom Collegen Eramsztyk Folgendes constatirt worden: 
Ujpermetropie an beiden Angen ^/, D. Links = normale Sehschärfe, rechts » 7s' 
Papülni gleich und normal weit, reagiren prompt auf Licht und Accommodation. 
Weder periphere Einschränkung des Gesichtsfeldes noch centrale Lücken an demselben. 
FarbenblindbeiL Keine Beweglichkeitsdefecte an den Bulbis. Am Angenhintergnmde 
kaiM Abweichui^ von der Norm. Lästige subjective Blendungserscbeinungen. 

Unter fortwährendem Gebrauch vou Strychninpillen besserte sieb der Zustand 
■sofero, dass die vom Augenärzte, Collegen Steinhaus, im Juni d. J. augestellte 
CHtenoehiuig eine vollkommen normale Sehschärfe an beiden Augen ergab, keine 
Spir von Farbenblindheit, normales, am Perimeter aufgenommenes Gesichtsfeld, intacte 
Intea, in ihren temporalen Hälften etwas abgeblasste, in der Umgebung leicht 
^meotirte Papillen. Die Blendungsphänomene, die dem Pat. besonders lästig fielen, 
iiad durch Verordnung einer dunklen Schutzbrille gänzlich gehoben worden. 


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894 


Die Diagnose des Falles machte im Beginn der Krankheit nicht geringe 
Schwierigkeiten. Der Hausarzt dachte nicht mit Unrecht zunächst an Hysterie. 
Die ziemlich rasch entstandene Amaurose, die analgetischen Pl&ques an der 
Haut, die Abwesenheit nachweisbarer intoxioatorisdi-infectiöser Momente, der 
Torausgegangene intensive p^chische Shook, schienen einigermaassen die M^licb- 
keit einer acut entstandenen Hysterie zu rechtfertigen. Die jedoch rasch darauf 
sich einstellende Mydriase und Beactionslosigkeit der Pupillen bei fortgesetzter 
Lichteinwirkung lenkte unsere Aufmerksamkeit nach anderer Richtung ein. 
G^en Embolie, Thrombose, Blutung und sonstige locale Processe an der Netz¬ 
haut sprach sowohl der ophthalmoskopische Befund, als die prodromalen Beiz- 
erscheinnngen. Von urämischer Amaurose konnte nach der Anamnese and 
angesichts des Hambefundes nicht ernst die Rede sdn. Die Annahme eines 
centralen Leidens war trotz der exquisit ausgesprochenen Papillitis kaum zulässig, 
bei Abwesenheit j^licher cerebralen Symptome, die auf einen gesteigerten Him- 
druck hin weisen könnten. Nachdem die scheinbare Parese des Gesichts und 
Zungenzäpfchens als angeborene Asymme^, die Pseudoparese dw äusseren 
Augenmuskulatur als vom retro-oculären Schmerz abhängig sich erwiesen und 
das Sensohum im weiteren Verlaufe der Krankheit stets intact blieb, war auch 
die Möglichkeit einer acuten, mit Neiuitis optica sich oombinirenden PoUo- 
enceph^tis ausgeschlossmi und per exclusionem die Annahme einer retrobulbären 
Neuritis, oder, wie wir es för unseren Fall vielleicht richtiger sagen können, 
einer intraocularen Neuritis (Papillitis acuta) gerechtfertigt 

Von den charakteiistisohen Symptomen der acuten Sehnervenentzündung 
war an unserem Patienten nur die Schmerzhaftigkeit der Bulbi bei Druck und 
seitlichen Bewegungen, Mydriase und Beactionslosigkeit der Pupillen festzustellen. 
Der sehr acute Verlauf verhinderte das An&uchen der typischen centralen und 
paracentralen Licht- und Farbenscotome. Zu bemerken ist jedenfalls, dass am 
3. Tage, wo das eine Auge schon gänzlich erblindet war, am anderen, trotz 
centraler Amaurose, an der Peripherie Bewegungen mit der Hand bei gedämpfter 
Beleuchtung noch erkannt wurden. Beim Zurückgehen des Krankheitsprocesses 
liessen sich, wie wir sahen, ziemlich deutlich centrale Defecte am Gesichtsfelde 
beider Augen für Weiss eruiren. Farbenblindheit, beinahe complette, bestand 
noch ein halbes Jahr hindurch, um schliesslich ebenfalls, wie die Sehschwache, 
zu schwinden. Trotzdem also genauere perimetrische Aufnahmen uns weder 
vom acuten Stadium der Entzündung, noch von der beginnenden B^neration»- 
periode zur Verfögung stehen, so lässt sich doch der Typus, wie er der Neuritis 
retrobulbaris zukommt, im Grossen und Ganzen nicht verkennen. Die, speciell 
Chiasmaerkrankungen eigenthümlicbe Doppelseitig^eit der Affection, sowohl ah 
die vom Beginn ausgesprochenen Entzündungserscheinungen am Augenhintergrundc 
sind zwar wenig charakteristisch für die retrobulbäre Neuritis, sprechen jedocb 
nicht gegen dieselbe, da die Erankheitsnoxe gleichzeitig beide Nerven afficiren 
karm und nicht allein in ihrem retrobulbären, sondern auch im intraocalarei 
Verlaufe. Das gleichzeitige Afficirtwerden beider Nerven dürfte uns nicht wun¬ 
dem, wenn wir berückaiobiigen, dass in anatomisch-physiologischer Hinsicht 


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395 


giädiweTthige oder analoge KörperÜieile und O^ne bestimmten Krankheits- 
anaehen a priori analogen Widerstand leisten. Ist doch die Symmetrie geradezu 
tfpiscfa für sonstige acute — nicht tianinatische — Keuritiden. 

Die mehrere Wochen anhaltende absolute Blindheit weist jeden&Us darauf 
hin, dass das im Gentram des Opticus an^eschiedene entzündliche Exsndat 
fornberg^end doioh Druck sammüiche Fasern functionsunfahig machte, wenn* 
es am intensiysten das centrale, papillo-maoulare Bündel betraf. Dass 
die rigmthömUche Pupillarreaction im Begenerationsstadium auf beral^esetzte 
Empfindlichkeit der Betina znrückzuführen ist, braucht bloss erwähnt zu werden: 
sor ein grdler Uebergang Tom Dunkeln ins Helle brachte, und zwar bloss 
Tiiräbe^heiHl, den Reflex seitens des Oculomotorius zu Stande. 

Ein Wort über die Aetiolt^e und Therapie in unserem Falle. Es ist 
^«er äne definiÜTe Entscheidung zu treffen, ob der vom Patienten stark be* 
tonte ätiolc^iache Factor — grosse Anfr^ng bei der unerwarteten schrecklichen 
Nachricht — thatsachlich eine dominirende Bolle beim Zustandekommen der 
Keuritis spielte. Unwahrscheinlich ist diese Genese durchaus nicht, wenn man 
bedeekt, welch’ uhgebenre Tasomotoriscbe Pertorbationen (Herzstillstand, Taoby* 
caidie, Blasse des Gesichts), welche schwere Revolution im Stoffwechsel (Phos- 
pbatorie, Glycosurie), welche uachdauemde Anomalieen in der Function des 
viefatigsten Centralorgans (Hysterie, Chorea, Dementia paralytica) eine intensive 
psjch^die Err^ong bervorzurufen vermag. In therapenthischer Beziehung wäre 
idi geneigt den snbcntanen Pilocarpininjectionen einen sehr begünstigenden 
Einfluss aof den Verlauf der Krankheit zuzuschreiben. Ich wendete mich 
dieeem Mittel, dessen diaphoretische Wirkung änsserst prompt und rasch ein* 
zntreten pflegt, desto lieber zu, als der Kranke, wie erwähnt, keines der sonstigen 
Mittel (Jod, Salicy], Quecksilber) ohne üble Nebenwirkungen vertrug. 

Von der nm&ngreidien Gruppe der acuten Sebnervenentzfindungen mödite 
ich noch anhangsweise anf einige kurz eingeben, die entweder durch manche 
hflerentiell-diagnosüsche Eigenthfimlichkeiten oder das Abweicfaen vom typischen, 
i)bai geschilderten Erankheitsbilde bezw. durch das gleichzeitige Vorkommen 
Bit ioiistig«i Nervenleiden eine specdelle Besprechung erforderu. Bei rasch sich 
«ttvickdnder Amaurose kommen folgende gelegeotlioh in Fr^e: 

i. Neuritis optica retrobnlbaris peripherica. Bei derselben werden 
aoBchbesalicb die peripheren Nervenbündel afficirt: das centrale Gesichtsfeld 
Naht intact, das periphere mehr oder minder eingeschränkt Vorübergehend 
Um das Exsudat bei dieser Form das axiale Büudel drücken uud temporäre 
Amaorase bedingen. Bei nnbedentendem Ergriffensein des Nerven ergiebt, trotz 
Urtehmder subjectiver Beschwerden, die gewöhnliche Exploration des Gesiohts- 
k^ides am Perimeter — schwarzes Quadrat an weisser Unterlage — keine Ano¬ 
malie des Gesichtsfeldes (Fall Moll^) und nur bei Anwendung schwächerer 
Coottiste werden Einengongen entdeckt (Fall Katz‘). Der primäre Sitz der 

* Holz., CestralbL f. Aagenbeilk. 1894. S. 266. 

* K. Kats, Wiertoik OftalmologiL 1895. Jtüi. 8.1. 


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396 


Entzandang wird Termuthet im Periost des Foramen optdcam, was das Tor> 
wiegende ßetroffensein der peripheren Faserbündel Terständlioh macht AdamOk ^ 
nennt diese Form mit Ileoht „Perineoritis retrobulbaris'* im Gegensatz zur 
„Neuritis axialis s. centralis“ mit centralen Scotomen und „Neuritis disseminata“ 
mit zerstreuten unregelmässigen Scotomen. Von der chronischen Varietät der 
retrobulbären Neuritis zeichnet sich durch die peripheren Qesichtsfelddefecte 
besonders die Bleineuritis aus. 

2. Recidivirende Neuritis optica. Findet ihr Analogon in der wohl 
bekannten, wenngleich seltenen recurrirendeu Polyneuritis. Beruht wahrscheinlich 
auf chronischer Periostitis am Foramen opticnm, die unter dem Einfluss neuer 
Insulte, meist Erkältung, exacerbirt. 

3. Hereditäre und familiäre Neuritis optica retrobulbaris 
(LEBEB'sche Form). Entwickelt sich meist subacut im Mannesalter, berorzugt 
das männliche Geschlecht, zeichnet sich ebenfalls durch centrale und paracentrale 
Scotome aus. ln einem von mir beobachteten, a. a. 0. beschriebenen Falle* 
befiel das Leiden drei männliche Familienglieder in den 20. Jahren. Eine weite 
Analogie ist etwa in der familiären neurotischen Muskelatrophie (Hoffkank, 
Chaboot-Mabie) zu ersehen, bei der die peripheren Nerreu chronisch, seltener 
subacut afficirt zu werden pflegen. 

4. Neuritis optica im Verlaufe der Polyneuritis. Ist als Theil- 
erscheiuung des allgemeinen Leidens aufzufassen. Bei einem einschlägigen 
Patienten aus meiner Behandlung, wo Arsenve^iftung in Frage kam, ging die 
OpticusaffectioD den sonstigen polyneuritischen Erscheinungen voraus. 

5. Neuritis optica bei Tabes dorsalis. Kommt sehr selten vor und 
ist zu betrachten als eine gewöhnliche, den Rückenmarkssohwund complicirende 
Neuritis, wie man es hie und da von acut bei Tabikern entstehenden Entzündungen 
peripherer Nerven zu sehen bekommt 

6. Neuritis optica bei acuter Encephalitis. Scheint auf dasselbe 
infectiöse Virus zuruckzuführen zu sein, wie die Entzündung der Rindensubstanz 
bezw. der grauen Nervenkerne.* Die Opticusafiection ist somit nicht als Stauungs« 
papille oder Neuritis in Folge Meningitis der Sehnervenscheide aufzufassen. 

7. Neuritis optica bei acuter und subacuter Myelitis. Kommt 
viel Öfters vor, als man es nach den spärlichen Angaben der Autoren (21 Fälle 
nach K. Katz^) glauben könnte. Ihre Abhängigkeit von Lues wird zwar betout, 
jedoch nur selten bewiesen, ln 3 Fällen, die ich zu sehen Gelegenheit hatte, 
war die Syphilis nur in einem Falle ausser Zweifel. Im 1. dieser Fälle trat 


‘ £. AsamOs, Etwas zar Pathologie der Nervi optici. Arch. f. Aogenheilk. Bd. XXIX. 

s. in. 

* H. Hioibb, Zur Klioik der familiären Opticnsaffeotionen. Deutsche Zeitschrift für 
Nervenheilk. Bd. XI. S. 490. 

* H. Oppbhhsix, Die Encephalitis. Specielle Pathologie u. Therapie von Nothhaosi.. 
Bd. IX. S. 1. 

* E. Eatz, Deber das Zosammenvorkoinnien von Neuritis optica nnd Myeliris acuta. 
Arch. f. Ophtbalm. Bd. XLII. S. 1. 


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397 


die Neuritis optica gleichzeitig mit der Myelitis fondrojant auf, im 2. ging sie 
um 5—6 Tage voraus, im 3. trat dieselbe etwa 7—8 Wooben nach dem Zurfick- 
treten der acuten Myelitis, zunächst an einem, dann am anderen Auge auf. 
in der Mehrzahl der Fälle kommt wohl ohne Zweifel eine acute Infeotion oder 
iotensiTe Erkältung in Bede. Dass man bei spontan entstandenen bezw. experi¬ 
mentell hervorgemfenen infectiosen Myelitiden und Myelencephalitiden nicht 
selten Entzündungserscheinungen am peripheren Nervengebiete findet, haben 
uns wiederholt Obductionen gelehrt (vergl. liAia>Bv’sche Paralyse, polyneuritische 
P8y<^o8e, Myelonenritis der fi^nzösischen Autoren). Ebenso genau wissen wir, 
dass unter dem Einflnaa von Kälte bei Tbieren experimentell sowohl partielle 
Neuritiden (Lassae), als Myelitiden (Hochhaus) hervorgerufen werden können. 
Es handelt nch somit bei dieser Gruppe um ein coordinirtes Zusammentreffen 
der Opticasaffection und des myelitischen Processes, um gemeinsames Abstammen 
Tun derselben krankmachenden Schädlichkeit her. 

8. Neuritis optica bei multipler Sclerose. Tritt gelegentlich acut 
als erstes Symptom des schweren cerebrospinalen Leidens auf. Ophthalmoskopisch 
nicht schwer diagnosticirbar, klinisch oft durch disseminirte Scotome au^^eicbnet. 
Ueber den pathogenetischen Zusammenhang dieser klinischen Gruppe mit den 
zwei letztgenannten (6 und 7) gehen die Meinungen einzelner Autoren sehr 
auseinander. 

9. Neuritis optica bei der GEBLiEB’sohen Krankheit (vertige 
paralysante) und der mit ihr sehr nahe verwandten japanischen 
Knbisagari.^ Beide infectiös-toxischer Natur und in ihrem klinischen Verlaufe 
tbeils an die asthenische, theils an die paroxysmal-familiäre Lähmungen (Gold- 
vlam) erinnernd. Als funotionelle Poliencephalomyelitiden aufgefosst, reihen sie 
sich sehr eng an die oben besprochenen Formen an. 


[Aus dem Dr. SBNOKEMBBBo'schen Institute für pathologische Anatomie 

zu Frankfurt a./M.] 

3. Untersuchungen über das Rückenmark und das Klein¬ 
hirn der Vögel. 

Von Dr. A. Friedländer, 
zur Zeit an der psychiatrUcbeo Klinik in Jena. 

(FortsetEnng u. SohluM.) 

Zar Besprechung des mikroskopischen Befundes übergehend, will ich einer 
konen und übersichtlichen Darstellung wegen die Benennungen der einzelnen 
Segmente der weissen (Leitungs-)Sub3tanz feststellen. 


* Hicra, Ueber Knbüagari. Hittheilongen der mediein. Faeult d. kaiserl.-japanischen 
ürnreTs. zn Tokio. 


DiQ'ived Oy 



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398 


Ich nenne die Areale, die der nach bei den Sängern der Pyramiden- 
vorderstrangbahn + Gnmdbündel der VorderseitenstraDge einerettts nnd der 
Pyramidenseitenstrangbalin andererseits entsprechen — Vorderstrangbahn nnd 
Seitenstrangbabn ss YB und SB. 

Die beiden Zweige der Kleinhimseitenstrangbahn (KSB), den Tractns cere- 
bello-spinalis dorsalis nnd den Tractns cerebello-spinalis rentralis bezeichne ich 
mit Tr. dors., bezw. Tr. ventr. 

Die den GoLL’schen nnd BüBDAon’schen Strängen entsprechenden Partieen 
der Hinterstränge werden mit medialem (^m.H.) und lateralem An- 

tbeil des Hinterstranges bezeichnet, ohne dass ich deshalb eine solche scharfe 
Scheidung für den Hinterstrang der Taube als erwiesen annehme. Unter 
„Warzeleintrittszone“ (= W.Z.) — einem kleinen Felde medial TomBcBDAOE- 
strange, zwischen diesem und dem Hinterhom — und „ventrales Feld der 
Hinterstränge (=v.F.H.) — ein schmales Band dorsal der grauen Commissur 
zwischen den Basen der Hinterstränge — verstehe ich dem Säugennckenmarke 
analoge Partieen. 

VS. Vorderstrang, SS. =* Seitenstrang u. s. w. 

Sämmtliches Material, das mir durch die 70 Operationen geliefert wurde, 
habe ich nach Serienschnitten mikroskopisch untersucht Im Folgenden werden 
nur typische Fälle mit übereinstimmendem Befunde beschrieben. 

1. Operationen am Bückenmarke. 

1. Dnrchschneidung des ganzen Rückenmarks. 

2. Durchneidungen, die mehr oder weniger von der Hälfte des 
Querschnittes verletzten. 

3. Genaue Halbseitenläsionen. 

Ad 1 . Boten die Resultate nur für das Stadium auf- und absteigender 
Degenerationen bei völliger Durchtrennung des Rückenmarks, nicht aber für die 
Fragen, die uns hier beschäftigen, Interesse. Ich verzichte daher auf ihre 
Wiedergabe an dieser Stelle. 

Ad. 2. 1. Operation am Brustmarke in der Höhe des vierten 
N. peotoralis. (Figg. 1—8.) 

An der Operationsetelle (Fig. 5) ist die ganze weisse Substanz von Degenerations- 
prodncten durchsetzt; zwischen denselben wenige normale Faserbezirke. 

Anfsteigend: In das Bmstmark setzen sich die Degenerationen in etwas ver- 
minderterer Dichte fort, nnd zeigt die eine Hälfte des Schnittes ein Deberwiegen der 
Degenerationen auf einer Seite. (Fig. 4.) 

Im Halsroarke (Intamescentia cervicMis) (Fig. 3) sammelt sich eine Degeneration 
zu beiden Seiten der Fissora dorsalis zu einem dreieckigen Areale, dessen Spitze 
dem Centralcanale zugewendet ist und den ganzen Bezirk des m. H. einnimmt. In 
den SS ist das ganze Oebiet des Tr. dors. auf beiden Seiten (anf einer stärker) 
d^enerirt, ebenso die Peripherie der VS. Das gleiche Verhalten, dieselben dent- 
lichen Degenerationen sehen wir im Halsmark oberhalb der Ini cervieal. Im obersten 
Halsmark nimmt die dreieckige Degeneration im m. H. ab, dagegen hat die Dege¬ 
neration des Tr. dors. zugenommen und sind auch in den übrigen Antheilen der SS 
viele Fasern zu Grunde gegangen. An Schnitten des Halsmarkes, knapp vor dem 


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Fig. 1. Medalla oblongita. 





Fig. 4. Brastmark. Fig. 5. Operationsteile (Brastmark). 

Der Schnitt ist senkrecht auf die 
Längsaxe des Rflckenmarks za 
denken. 

m die Medalla oblongata (Fig. 2) sehen wir die US noch schwächer, 
im Tr. dors. dentlich degeneriit, die VS und SS nur mit spärlichen schwarzen 
Mtdlen imd Pflnktcben bedeckt. 

Die Mednlla oblongata erweist sich beiderseits im Corpus restiforme deutlich 
(nf dner Seite wieder stärker) degenerirt. 



^g. 6. Ob. liOndeDmark. 


Fig. 8. Untent«8 Leadeomai^. 



Absteigend: Im Brustmark, in der nächsten Nähe der Operationsstelle, sind 
die VS bis an die Commissur stark degenerirt, ebenso der ganze SS einer Seite, 
während der andere, so wie die beiden HS nur zerstreute Degenerationen anfweist. 

Im Lendenmark (Fig. 6) ist der VS jeder Seite peripherwärts und centralwärts 
zu beiden Seiten der Fissura ventr., besonders deutlich längs derselben degenerirt, 
so dass hier kaum normale Fasern fibrig bleiben. Der Tr. dors. ist beiderseits in 
seiner ganzen Ausdehnung degenerirt, die HS dagegen sind fast frei Das gleiche 
Verhalten linden wir im Sinus rhomboidalis (Fig. 7), nur bat sich die auf den lyfiberen 
Schnitten über den ganzen VS zerstreute Degeneration mehr auf den medialen An- 
theil des VS zurückgezogen. Im untersten Lendenmarke (Fig. 8) tritt zu den deut¬ 
lichen Degenerationen im VS und dem Tr. dors. eine zerstreute im HS auf, die als 
Kuppe der hinteren Wurzel aufsitzt. 

2. Operation am unteren Halsmark; die Läsion geht quer durch das 
Rückenmark, desselben (die weisse Substanz und das Vorderbom bis über 
den Oentralcanal) yerletzend. 

Die Schnitte in nächster Nähe der Operationsstelle zeigen fast vollständige 
D^eneration der VS des SS einer Seite, während der SS der anderen Seite schwächer, 
der US kaum degenerirt ist. 

Aufs teigend: (Int. cervicalis). Degenerirt sind auf beiden Seiten die YS und 
die Tr. dors. Im obersten Halsmarke ist stark d^nerirt auf beiden Seiten die 
Kleinhimseitenstrangbahn (KSB), ausserdem zeigen sich zersirente Degenerationen in 


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401 


ganzen Gebiete der SS nnd VS. Auf den Schnitten in nftchster N&he der Mednlla 
obloQgata deatliche Degenentioo der ESB in ihrer ganzen Aosdebnang, zerstreate 
Degenerationen in geringstem Grade in den SS und VS. 

In der HeduUa oblongata finden wir wieder eine starke Degeneration an der 
Stelle des Corpns restiforme anf beiden Seiten eine dentlicbe, wenn ancb schwächere 
Degeneration der ventralen Bogenfasem von der Mitte der Peripherie bis in die 
Gegend der Oliven und Ober dieselben hinans sich erstreckend, sowie zerstrente, 
geringe Entartung der Kervenkeme. 

Absteigend: Das Brnstmark erweist sich stark degenerirt in den VS beider 
Seiten, im SS der einen Seite, schwächer im SS der anderen Seite; desgleichen im 
Tiondenmarke, die ESB tritt durch Zahl und Stärke der degenerirten Fasern be¬ 
sonders hervor. 

Auf- und absteigend zeigte sich anf manchen Schnitten das v. F. H. und die 
WZ degenerirt. 

Ad 3. Genane Halbseitenläsionen. 

a) Im Halsmark, nnd zwar ober> und unterhalb der Int. cervi- 
calis, sowie in den Höhen verschiedener Cervicalnerven. 

Die gleichartigen Befände werden durch einen Typus erläutert. 

An der Operationsstelle ist die eine Hälfte des Rückenmarks (weisse und graue 
Substanz) durch den Eingriff zerstürt, die andere zeigt starke Degeneration der KSB, 
schwächere im übr^en Tbeile des SS. 

An der Operationsstelle sehen wir in diesen, wie in manchen anderen Fällen 
in Folge von Vemarbnngsprocessen intra vitam, oder von Zerrungen, Quetschungen 
bei der Herausnahme des Räckenmarkes Verzerrungen der Hörner, unregelmässige 
Vorsprünge an der Peripherie der Leituugssubstauz, sogen. Heterotopieen. Ich 
erwähne sie nur, weil sie bei Säugern vielfach missdeutet, zum Theil sogar als 
Missbildungen aufgefasst und beschrieben wurden. 

Aufsteigend: Die Degeneration im Halsmark oberhalb der Operationsstelle 
betrifft die KSB einer Seite. Auf den Schnitten in der Nähe der Medulla oblongata 
Status idem. 

In der Medulla oblongata ist das Corpus restiforme einer Seite stark degenerirt. 

Absteigend: In der Ini cervical. ist die ESB dentlich, der HS und VS 
schwächer degenerirt. Auch hier bleibt die Degeneration auf eine Seite beschränkt. 
Im Brust-, sowie im Lendenmarke bis in die untersten Schnitte bleibt die Dege¬ 
neration, wie oben beschrieben, zu verfolgen, doch wird sie gegen das Ende des 
Rückenmarks zu immer undeutlicher. 

b) HalbseitenläsioneD in verschiedenep Höhen des Brustmarks. 

An der Operationsstelle finden wir fast die Hälfte des Markes durch die Ope¬ 
ration zerstört. Der übrig gebliebene Theil erweist sich wieder in allen Partieen 
degenerirt. 

Aufsteigend: Im Brustmarke degenerirt deutlich abgegrenzt der m. H., die 
KSB und die Peripherie des VS. 

ln der Int. cervical. Status idem, desgleicfaeu im Halsmark oberhalb derselben. 
In den Schnitten vom Halsmarke in der Nähe der HedtiUa oblongata ist nur mehr 
die KSB deutlich, einzelne wenige Fasern des m. H. degenerirt. In der Medulla 
oblongata ist das Corpus restiforme degeuerirt. 

Absteigend: Im Brustmark unterhalb der Operationsstelle ist die KSB and 
zwar schwächer, ferner die VS degenerirt. Im Lendenmark Status idem, in der 
F^tssa rfaomboidalis nnd im unteren Ijendenmark sind nur einzelne Fasern der KSD 
degenerirt. 


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26 



402 


c) Halbseitenläsion im Lendenmark oberhalb und an verschie¬ 
denen Stellen der Fossa rhomboidalis. 

Das Rückenmark ist halbseitig durch einen linearen Schnitt, der an der Peri¬ 
pherie der weissen Substanz beginnt und das Vorderhom vom Hinterhorn scheidet, 
durcbtrennt. 

Die verletzte Seite zeigt in der weissen Substanz allenthalben degenerirte Nerven¬ 
fasern. (Fig. 9.) 



Fig. 9. ■ Halbseitige Operation am Leudenmark in der Gegend des Sinns rlioniboidalis. 
Der Schnitt ist senkrecht auf die Läugsaxe des Rückenmarks zu denken. 


Äufsteigend: Im Lendenmark oberhalb der Operationsstelle (Figg. 9—11) ist 
die ganze Peripherie von schwarzen Schollen bedeckt. Hervortretend durch die 
Masse der zu Grunde gegangenen Fasern erscheinen die Bezirke des VS, der ESB 




Fig. 10. Intnmescentia cervicalis (Beg. 
äufsteigend). 


Fig. 11. Lendenmark (Deg. 
absteigend). 


und des ganzen H. einer Seite. Im Brustmark Status idem, in der Int. cervical. 
(Fig. 10) finden wir deutliche Degeneration der ESB, abgegrenzte deutliche Dege¬ 
neration des*m. H., schwächere Degeneration im VS. Im Halsmark oberhalb der Int. 
cervical. Status idem. 

Absteigend: Im Lendenmark unterhalb der Operationsstelle Degenerationen 
längs der ganzen Peripherie der VS und SS, sowie des ganzen HS. Auf tieferen 
Schuitten des Lendenmarks finden wir deutlich nnd auf einer Seite degenerirt die 
ESB (Fig. 11). Die Degeoeration der ESB in geringem Maasse, auch die der VS, 
ist bis in die untersten Schnitte dos Lendenmarks deutlich zu verfolgen. 


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408 


Fasseo wir die Ergebnisse der Versuche am BOckenmarke zusammen, so köunen 
wir sagen: Bet DurcbscbnelduDgen der Medulla spinalis in verschiedenen Höben finden 
vir auf- und absteigend degenerirt drei Arten von Bahnen. In nicht umschriebener 
Weise degeneriren Faserbezirke, in welchen Lage, Anordnung nnd Caliber der ent¬ 
arteten Fasern auf kurze Strecken hin sich gleichbleiben. Diese Bahnen, die wir in 
verschiedenen Anhöhen auf geringe Entferoangen hin auf- und absteigend von dem 
Schnitte, auf dem wir ihnen zuerst begegneten, entartet finden, möchte ich als kurze 
oder Associationsbahnen ansprecben. Von laugen Bahnen zeigten sich, und zwar bei 
genauen Halbseitenläsionen auf die eine Hälfte beschränkt, eine Bahn im Vorder- 
säang and im medialen Antheil des Hinterstranges auf- und absteigend degenerirt. 
Dieses Resultat bot sich mir aber nicht constant, sondern nur bei der Mehrzahl der 
UntersoehUDgen. In den Übrigen Fällen fand -ich zwar auch Degenerationen in den 
oben genannten Bezirken der Leitungssubstanz, doch verschwand gelegentlich die eine 
oder die andere dieser Bahnen nach kürzerem oder längerem auf- und absteigenden 
Terlaafe, oder ich konnte sie aufsteigend bis in das Halsmark, nicht aber absteigend 
in das Lendenmark, wie anch umgekehrt, verfolgen. Constant in ihrem Verlaufe 
aad in ihrer Lage, Unterschiede höchstens aufweisend in der Zahl nnd Stärke der 
antergegangenen Fasern, erscheint ein Feld, das von der Hinterwurzel des Bücken- 
narks in einem gegen den Centralcaual offenen Bogen längs der Peripherie bis zum 
önmdbündel der Vorderseitenstränge einerseits, bis an das Gebiet der ausstrahlenden 
■otoriaehen Wurzelfasem andererseits sich erstreckt. 

Dieeee Feld geht ins Corpus restiforme über und gehört daher der Eleiubim- 
seiteastrangbibn an. Wir können sie durch das ganze Bflckenmark hin verfolgen 
und steigt sie, nnähnlicb ihrem Verlaufe bei den Säugern, im Lendenmark bis in 
die letzten Schnitte hinunter, aus welchem Umstande sich auch die Frage, ob eine 
(^uda equina und ein Filum terminale im Sinne der Säuger vorhanden ist, vemeiuen 
Üat Oeflers finden wir Degenerationen im ventralen Feld der Hiuterstränge und 
der Wnrzeleintrittszone. 

IT. B&ckenmark and Kleinhirn. 

Die folgende Beschreibnng bezieht sich auf Frontalserien und werden wieder 
wie oben zwei Typen erläutert 

1. Bei der Operation wurde mehr als die Hälfte des Bückenmarks verletzt. 
Das Eleinhins gehört zu dem oben bescbriebeneu Bückeumarke. (Figg. 1—8.) 

Auf deu Schnitten der Medulla oblongata zunächst dem Halsmark sehen wir 
n beiden Seiten (auf einer starker) einen grossen Theil der Fasern des Corpus 
restiforme degeuerirt. Entsprechend dem Verlaufe des Strickkörpers sehen wir diese 
Degeneratiob aof Schnitten, die sich dem Kleinhirn nähern, frontal wandern und mit 
äes eaudalen Kleinhimstiel in dasselbe eintreten. Im Kleinhirn nun zieht die 
Degeneration frontalwärts in die einzelnen Gyri, deren Markblätter wir in ihrer 
^zeo I/änge mit scbwarzeu Schollen in wechselnder Dichte bedeckt sehen. Wenn 
die Marksubstanz allmählich zwischen die Gyri eindringt, dieselben, sich verbreiternd 
aasÄBanderdrängt, bildet sich so der Körper des Kleinbims (Fig. 12), in dessen 
Xitta die grossen Ganglien (Ggl. mediale und laterale) • liegen, vom Kleinhirnventrikel 
mg. 12) geschieden, wie wir dies in der anatomischen Einleitung beschrieben haben; 
jetzt tammelt sich die Degeoeratiou, die in laugen Zügen von beiden Seiten kommend 
die Gan^ien ventral nnd medial in einem gegen die sagittale Medianebene zu cou- 
«ezan Bogen umgreift; hierauf Überschreitet sie zum Theil die Mittellinie (partielle 
Creazuog), um sich auf frontaleren Schnitten als eine Degeneration zu zeigen, die 
deutlich drei Tbeile aut'weist (Fig. 13). Zu beiden Seiten der Medianlinie finden 
wir symnietrlseh je eine Degeneration, die das Ganglion mediale an seiner ventralen 
Sette begrenzt, von aussen nach innen schmäler werdend. Dort, wo diese beiden 

26 * 



Googli- 



404 


Degenerationen aneinanderstoaeen, befindet sich die Spitze einer keilförmigen diei- 
theiligen D^eneration mit der Basis des Keils dem Ventrikel anfsitzend. Sein Ende 
findet das gekrenzte Bfindel zum Theil in den Gyri der yentralen Binde (s. Fig. 15.) 





Fig. 14. FrootaUcbnitt durch 
den Körper des Kleinhirns (C. c.) 
und die Hed. obl. Zerstörung 
des Eleinbirnkörpers in der 
Gegend der Ggl. med. lat Diese 
selbst sind io ihrer Structur kaum 
zu erkennen. 


Fig. 13. 

2. Genaue Halbseitenläsion am ßrustmark. 

Die einseitig vorhandene Degeneration im peripheren Tbeile des Seitenstranges 
zeigt das oben beschriebene Verhalten. Was die Degeneration im Kleinhirn anbelangt, 




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405 — 


ao können wir dort, wo die dorsale Binde in den MarkkOrper des Kleinhirns Aber* 
ireht, deutlich sehen, wie die Degeneration ans zwei Tbeilen besteht, ans einem ven- 
tralen und einem dorsalen, die auf en^egengeeetiten Seiten liegen. Im eigentlichen 
K<'>rper des Kleinhirns finden wir das Ganglion mediale von zerstreuten Degenerationen 
bedeckt, während die ventrale Degeneration ausgezeichnet durch Dichte und Caliber 
der entarteten Fasern die ganze eine Seite des Ventrikels einnimmt. Ton der Spitze 



desBelben zieht eine D^eneration Ober die Mittellinie zn der oben erwähnten, eben* 
&ils sehr starken dorsalen D^eneration, welche sich Aber die ganze obere Peripberie 
des medialen Kleinhimganglion bogenförmig erstreckt. 

Ad B. Die Ergebnisse der Untersuchungen am Rückenmarke führten zu 
der Frage: Giebt es absteigende Cerebellnmbahnen? Zur Beantwortung 
dieser Frage wurde, wie schon bei der Technik erwähnt, das Kleinhirn an ver* 
schiedenen Stellen zerstört. Die Läsionen wurden an der dorsalen Rinde sowohl, 
wie an dem Körper des Cerebellum gesetzt 

1. Ein grosser Theil der dorsalen Binde wurde durch die EinfOhrung eines 
Laadnariastiftes zerstört. 

Im Cerebellum diffnse Degenerationen, bewirkt durch die Quellung des um mehr 
üi das Dreifache seines ursprAnglichen Volumens vergrösserten Laminariastiftes. 
Cerefaralwärte ist die Hednlla oblougata frei. Candalwärts sind einige zerstreut 
hegeode d^enerirte Fasern zu sehen, die sich im obersten Halsmnrk in die Gegend 
der Aoatrittsstelle der motorischen (Vorder)wnrzeln begeben, um auf tieferen Schnitten 
4eo ganzen Vorderstrang auf beiden Seiten einzunehmen. Das gleiche Verhalten 
iaden wir bezüglich der Vorderstränge im Brust- und Lendenroarke, doch finden 
vir im letzteren auch noch zerstrente Degenerationen im Seitenstrange. 

2. Das Cerebellum wurde durch einen Stich durch die Frotuberantia occipitalis 
verletzt 

Im Klembim(Fig. 14) finden wir dieGyri der Binde degenerirt, im Körper desselben 
Etarke Degeneration des Ganglion mediale und laterale beider Seiten (anf der operirten 


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406 


Seite s^ker), eine Degeoeration (d) io der i^ähe des Ventrikels (V), endlich eine 
lange Degeneration (a) ventral von den Ganglien unterhalb des Ventrikels anf die 
andere Seite hinüberziehend, um in den candalen Kleinhimstiel za gelangen. Auf 
frontaler gelegenen Schnitten sehen wir eine gekreazte Bahn zum lateralen Theile 
der Oblongata ziehen. Sie gelangt da theils in das Corpus reatiforme, theils in 
jenen Bezirk, der dem AHLBOBN’scben Acusticnsfeld entspricht. 

In der Medulla spinalis finden wir keine sicheren Degenerationen. 

3. Das Cerebellum warde in 
seinem Körper verletzt: 

a) dadurch, dass Laminaria- 
stifte das eine oder andere Ganglion 
durchstachen, 

b) dadurch, dass Cerebellammasse 
bis zu ihrem dritten Theile ausgelöffelt 
wurde. 

Wieder wird von dou Befnnden 
bei den verschiedenen Serien das 
Typische hier angeführt. 

Den nach der Operation übrig 
gebliebenen Theil des Kleinhimkörpers 
sehen wir diffus degenerirt Auf 
Schnitten, auf denen Kleinhirnkörper, 
Binde und Mednlla oblongata ge> 
troffen sind, sehen wir den caudalen 
Kleinhimstiel mit Degenerationen 
Obersäet sich in die Medulla obloii' 
gata einsenken; eine zweite Dege¬ 
neration zieht von dem Kleinhirn* 
körper bogenförmig anf die andere 
Seite, am sich in die Gjri der ven* 
traten Binde anfznsplittem. Auf 
caudaler gelegenen Schnitten der 
Hed. obl. finden wir 1. eine breite 
Degeneration aus dem Kleinhirn längs 
des Corpus restiforme an die Feh* 
pherie O&teral) gelangen, um sich 
ventral unterhalb eines zu beiden 
Seiten der Baphe gelegenen grossen 
Ganglion (oliva med. obl.) (Fig. 15, o) 
und um den Trigeminus herum auf 
Pig. 16. Schief sagittaler Schnit durch Cerebellum andere Seite zu begeben. Auf 
und Med. oblong. manchen Schnitten hat es den An¬ 

schein, als ob degenehrte Fasern 
in diese Kerne zu verfolgen seien; 2. sehen wir anf dieser Seite eine begrenzte 
Degeneration an dem Uebergange der ventralen in die laterale Peripherie. Oberhalb 
dieser Degeneration, wieder deutlich abgegrenzt, eine dritte Degeneration, dem Corpus 
restiforme angehörend. Endlich erscheint eine vierte Degeneration als Fortsetzung der 
oben beschhebenen gekreuzten Kleinbirnbahn, welche in fast parallelen Zügen dor.^al 
gegen das Centram der Medulla zu streicht. Was die Degeneration der oben er¬ 
wähnten ventralen Bogenfasera betrifft, so ist zn bemerken, dass sich dieselbe nicht 
durch die ganze Medulla hin findet, sondern um so schwächer wird, je mehr cere- 
bralwärts wir nntersnchen, uro zu verschwinden, wenn die Degeneration im Corpus 
restiforme am stärksten geworden ist. 



: yGOOgIC 


407 


Bei einer Sehe fand sich der Bindearm d^eneiirt, bei einer anderen konnte 
dardi die ganze Medolla obloogata eine einseitige, deutlich umschriebene Degeneration 
nachgewieeen werden, die ich der Lage nach als Degeneration der absteigenden 
Trigeminuswurzel bezeichne. 

Was die D^eneration im Bückcnmark anbelangt, so finden wir: Im Baismark 
in der Nähe der Mednlla oblongata zerstreute Degenerationen im VS, eine stärkere, 
ordnete Degeneration im SS lateral vom Kopfe des Hinterhoms, diesem anliegend. 

In der Intumescentia cervicalis degenehrt starker der VS, die WZ (nicht bei 
allen Serien spärliche Degenerationen im SS.). 

Im Lendenmark degenerirt im Sinus rhomboidalis der VS in geringem Maasse, 
desgleichen der VS im unteren Lendenmark. 

Resnm^. 

I. Bahnen, die nach Halbseitendurchschneiduug des Rücken¬ 
markes in demselben auf- und absteigend degeneriren; 

1. An sämmtlichen Präparaten fällt zunächst auf, dass sich degenehrte 
Fasern in den gleichen Bezirken sowohl über als unter der operirten Stelle 
finden. Es müssen also in den mmsten Bahnen des Vogelrückeumarkes doppel- 
annig gerichtete Leitungen vorhanden sein. 

ln geringem Maasse ist dies bei den Hintersträngen der Fall. Diese 
sfoden caudal nur auf kurze Strecke degenerirte Wurzelantbeile, während sie 
cerebral bis in die Mednlla oblongata hinauf entarten. Das entartete Feld wird 
dabei immer faserärmer, so dass die Annahme gemacht werden muss, es gelange 
bet den Yögeln nur ein ganz geringer Theil der Hinterstrangfasem in den 
kleinen Hinterstrang der Oblongata, während der grössere Theil schon unterwegs 
m der grauen Substanz verschwindet; bei den Säugern erreicht bekanntlich der 
grösste Theil der Hinterstrangfasem jene frontalen Kerne. 

ln anderer Beziehung gleicht die Zusammensetzung der Hinterstränge jener 
der Säuger; das gesammte Hinterstrangareal im Lendenmark liegt — allerdings 
bedeutend an Fasern redncirt — in frontaleren Ebenen beiderseits dicht neben 
der Fissura dorsalis als medialer Hinterstrang. 

Die Fasern aus den frontaleren sensiblen Wurzeln legen sich auch bei den 
V^ln lateral an die bereits eingetretenen an. So kommt ein medialer und 
ÖD lateraler Hinterstrang zu Staude. 

2. Auf' und absteigend entartet ist immer in ihrer ganzen Ausdehnung 
die Eleinbirnseitenstrangbahn. 

3. ln den Vordersträngen, aber auch in den Seitensträngen finden 

auf- und abwärts Fasern entartet, welche nächst der Operationsstelle beide 

erwähnten Bezirke einnehmen, in einiger Entfernung von ihr sich aber wesent¬ 
lich auf die Vorderstränge, und zwar deren mediales Gebiet beschränken. Diese 
Faaem sind wohl zum grössten Theile endogenen Ursprungs und zweifellos von 
verschiedener Länge. befinden sich aber unter ihnen auch, wie die nachher 
am CVrebellum zu schildernden Ergebnisse zeigen werden, eine Anzahl von aus 
dem Kleinbiro stammenden Bahnen, die man alsTractus cerebello-spiualis 
Teotralis medialis bezeichnen müsste. Au Rückenmarksdurchschuitten lassen 
ach diese Fasern nicht von den intraspinalverlaufenden treuneu, da sie ja mit 




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408 


ihnen abwärts entarten. Wahrscheinlich erscheint mir die Annahme, dass za 
den endogenen (intraspinalen) Bahnen auch eine lange Bahn gehöre, welche, in 
den Vorderstrangen li^end, nicht bis ganz in die Oblongata verfolgt werden kann. 

II. Bahnen, die nach Halbseitendurchschneidung des Rücken¬ 
marks im Kleinhirn entarten. 

In das Kleinhirn setzen sich von den Rückenmarksbahnen nur diejenigen 
fort, welche in der Peripherie des Seitenstranges verlaufen. 

Fertigt man Sagittalschnitte (Fig. 16) von einer Halbseitenläsion an, so er¬ 
kennt man deutlich, wie sich die ganze Fasermasse in das Corpus restifomie 
einsenkt und mit diesem dorsalwärts zieht Der grösste Theil endet ungekreuzt 
in den sämmtlichen dorsalen Windungen des Wurms. Die ventralen and fron¬ 
talen bleiben frei. 

An Frontalserien (Fig. 12 u. 13] aber siebt man, dass die Verhältnisse 
nicht so einfach liegen. Man erkennt, dass aus dem Corpus restiforme zunächst 
zwei Bündel werden. Eines, welches bis fast in die frontiüsten Ebenen desselben 
zieht, um sich dann, aufwärts und .rückwärts biegend, in das Eldnhira einzu¬ 
senken. Das sind aber nnr wenige Fasern und sie entsprechen wahrscheinlich 
dem, was man bei Säugern als ventralen Abschnitt der Eleinhirnseitenstraogbahu 
(Tractus cerebello-spinalis ventralis) bezeichnet bat Wenigstens ist der 
Verlauf der gleiche. 

Von dem zweiten Bündel tritt, wie vorhin erwähnt, der grösste Theil der 
Fasern zur dorsalen Wurmrinde, ein kleinerer umgreift die grossen medialen 
Kerne des Kleinhirns an ihrer ventralen Seite, kreuzt sich in der Mittellinie 
und verliert sich vielleicht zum Theil in jenen Kernen, zum Theil auch in der 
ventralen Wurmrinde. 

Die periphere Schiebt des Vi^lrückenmarks end^ also im Wurme des 
Kleinhirns, sie enthält im Wesentlichen Fasern, die, aus dem Rückenmark 
stammend, bei Halbseitenläsionen aufsteigend — vom Bereiche der letzten 
Lumbalwurzel bis in die Kleinhirnrinde — d^neriren. 

III. Bahnen, die nach Verletzung des Kleinhirns absteigend 
entarten. (Figg. 14 u. 15.) 

Neben kurzen Bahnen, die anf der der Operation entsprechenden Seite 
(Associationsbabnen) und auf der ungleichnamigen Seite (Gommissurenbabnen) 
degeneriren, und die ich als Eigenbabnen des Kleinhirns bezeichnen will, ent¬ 
artet eine lange gekreuzte Bahn, deren kleinerer Antheü in die Gegend des 
ABLBOBH’schen Äcnsticnsfeldes ansstrahlt, deren grösster als ein breites 
Band durch den caudalen Eleinhirnstil in die Medulla oblongata und in den 
Seitenstrang der Medulla spinalis zieht. Diese lange Bahn entspricht dem 
Tractus cerebello-spinalis, der aus Fasern der dorsalen und ventralen 
Kleinhirnseitenstrangbahn zusammengesetzt ist Die dorsale Bahn finden 
wir in der Medulla oblongata im cerebraler gelegenen Abschnitte des Corpus 
restiforme, während die ventrale Bahn (das GowBu’sche Bündel) durch Faser- 


,Google 


409 


Züge repräsentirt erscheint, die ventral von den Oliven und vom Trigeminus 
reriufeiL 

Ais nicht constante Befunde erwähne ich eine Degeneration im Brachium 
coajunctivtim, in den Hbrae arcuatae externae et internae Medullae oblongatae. 

Das Telencephalon, sowie das Mesencephalon blieb bei allen Ver¬ 
buchen von D^enerationen vollständig frei 


II. Referate. 


Anatomie. 

1) Ueber das Biechiiirn der Säugethiere. von Dr. S. Löwenthsl, Nervenarzt 
in Braonscbweig. (Festscbrift zur 69. Versammlung deutscher Natorforscber und 
Aerzte. Braunschweig 1897.) 

Der Arbeit liegen die Untersuchungen von 12 Thieren zu Grunde, bei denen 
■rotweder die Bnlbusanschwellnng dicht vor dem Uebergsng in den Lobua olfactorius, 
-ier der Ober die Spitze des Stimlappens bervorragende Theil des Lob. olfact. durcb- 
«clmitten worden war. Die Gebime wurden nach der Harcbi’scben Methode be- 
Ixnddt Der Verf. legte sich besonders folgende Fragen vor: 

1. Welches sind die directeo Verbindungen des Bulbus olfactorius mit anderen 
Hiratheilen? 

2. Giebt es sichere Kreazongen von Fasern innerhalb der Riecbbahnen? 

Ans den Befunden werden folgende Schlüsse gezogen: 

1. Als Biechbahn zweiter Ordnung ist ausschliesslich zu betrachten der Tractus 
•llKtor. lateralis. 

2. Von Riechbabnen dritter und höherer Ordnung entspringen aus Zellen des 
UbiK olf. ant. Fasern des Tractus olfact. medialis, die zum Theil im Lob. pjrif. 
QTid Ammonshom beider Hemisphären, zum Theil im Buib. olf. der anderen Seite 

eoden. 

3. Es besteht mithin eine theilweise Kreuzung dieser Riechbabnen höherer 
C'rdiuBg. 

4. Die vordere Commlssor führt eine Anzahl solcher gekreuzter Fasern. 

Hax Bielschowsk; (Berlin). 


-) Das dorsale Gebiet der spinalen Trigeminuswurzel und seine Be- 
zSahungen sum solitären Bündel beim Menschen. Ein Beitrag zur Ana¬ 
tomie und Physiologie des Trigeminns, von Adolf Wallenberg io Danzig. 
(Dentsche Zeitscbr. f. Nervenheilk. 1897. XI.) 

Bei einer 33jähr. Frau, die mehrfach Aborte erlitten, traten an verschiedenen 
k<'3per8tellen, und zwar an der linken Mamma, in der rechten Axillargegend, am 
Eäeken, Baneh and linken Oberschenkel mnltiple Tumoren auf, die sich nach und 
rapide vermehrten. Hierzu gesellten sich anfangs diffus verbreitete, später in 
«er Unken Gesichtshälfte localisirte Kopfschmerzen. Später Hindernisse beim Sprechen, 
Tzflbheitsgefühl an der Hundschleimbaut und am Zabnfloisch links, sowie im Bereich 
linken Auges und dessen Umgebnng; ausserdem Doppelbilder beim Blick nach 
Im linken Leberlappen und der Milz apfelgrosse Tumoren, welche starke 
St’baierzen im Gefolge hatten. 


i.vGoogl 


c 


410 


Die genaue klinische Untersuchung ergab Hjrposnrie der linken Seite, links* 
soitige, stark wechselnde Äbducenspareae, Neuralgieen und Anästhesie in den Gebieten 
aller drei Aeste des linken Trigeminus. Es blieb dabei verschont die Partie lateral 
vom Jochbein bis zum Ohr und zum Unterkieferwinkel, an der Stirn eine breite 
^one neben der Mittellinie; geringe Gjpästhesie bestand in der Begio zygomatica 
und am äusseren Hand der Orbita. Stärker betroffen war die Supraorbitalgegend 
und seitlich vom Mundwinkel, dann folgt NasenrQcken, Nasenschleimhaut, Cornea 
und Conjunctiva, während die Schleimhaut der Zunge, der Mundhöhle und der Lippen 
sm meisten afficirt war. Ausserdem fand sich geringe Parese der linken Kau¬ 
muskulatur, Verlust der Geschmacksempfindung auf dem linken Zungenrücken, totale 
Atrophie der linken Znngenhälfte mit Paralyse und einer Art faradischer Entartungs- 
reaction. Der Masseterreflox war noch erhalten, Stauungspapille war nicht nach¬ 
weisbar. Unter diffusen Schmerzen aber den ganzen Schädel, Erbrechen und Schlack- 
lähmung trat der Exitus ein. 

Bei der Section waren Dura und Pia mit feinsten, schwarzen Knötchen Obersät, 
während in der Binde des linken Gyrus orbitalis, im ventralen Rand der rechten 
Centralfnrche grössere Tumoren sassen. Die dorsale Hälfte der linken Eleinhini- 
hemisphäre war in einen wallnossgrossen Tumor verwandelt. Im linken Abducens 
eine Anzahl kleiner Knötchen. Eine Compression des linken Zungennerven am 
Foramen hypoglossi führte peripher zur atrophischen Paralyse der linken Zungen- 
hälfte, centralwärts zu einer Degeneration der Wnrzelfasem und schweren Alteration 
der Zellen des linken Hypoglossuskems. Ausserdem ist die Portio major des linken 
Quintus durch einen hauptsächlich in ventraler und lateraler Richtung entwickelten 
Tumor cm vor dem Eintritt in die Bröcke theils zerstört, theils comprimirt. 
Derselbe setzt sich auf das Ganglion Gasseri und den Ursprung des dritten Astes 
fort, die Portio minor ist nicht betroffen. Hierdurch lässt sich die geringe Kau- 
muskelparese leicht erklären. Die Ausbreitung der'Sensibilitätsstörung einerseits, der 
Läsion des Ganglion Gasseri andererseits bietet ganz auffallende Änalogieen, sobald 
die Scbleirohautäste des Mundes in die mediale Hälfte des R. inframaxillaris verlegt 
werden. Auch wenn man eine doppelte Innervation der Gegend des Kieferwinkels 
(Auricnlaris m^uns und Trigeminus) und der Haut an der Medianlinie (beide 
Trigemini) berOcksichtigt, so ist das Preibleiben weiter Strecken besonders lateral 
von der Orbita mit der Anhäufung normaler Zellen und Fasern am lateralen und 
medialen Band des Ganglion in Verbindung zu bringen. Zwischen den Stellen 
stärkster Sensibilitätsstörungen und der Vertheilung secundär zur Degeneration ge¬ 
brachter Fasern der spinalen Quintuswurzel lassen sich in ähnlicher Weise Beziehungen 
nachweisen, wie nach experimentellen Läsionen des Wurzelqnerschnitts bei Kaninchen, 
aber nur dann, wenn die bereits bekannten anatomischen und. physiologischen Diffe¬ 
renzen genOgend berOcksichtigt werden. 

Da in diesem Falle hinter der Zungenspitze Schleimbanianästliesio und Agensie 
festgestellt wurde, und die anatomische Untersuchung des Glossopharyngeus und der 
Portio intermedia Wrisbergii normale Verhältnisse ei^ab, so wäre durch diese 
Beobachtung der stricte Beweis geliefert, dass ln der Portio major trigeminii Geschmacks- 
fasern verlaufen. Als centrales Ende derselben ist, wenn auch nicht mit vollkommener 
Sicherheit, so doch sehr wahrscheinlich, die Gegend anzuseben, welche sich nicht 
wcseutUch von der Endkemsäule des Glossopharyngeus und vielleicht auch der Portio 
media unterscheidet. Es würden als Geschmacksfasem jene Degeneration anzuseRen 
sein, welche vom dorsalen Pol der spinalen Trigeminnswurzel zur cerebralen Fort¬ 
setzung des Tractus solitarins und seiner gelatinösen Substanz zieht. 

E. Asch (Frankfurt a./M.). 


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411 


fixperimentelie Physiologie. 

3) Bidns tili kftnnedomen om hudens kall — ooh varm — pankter, af 
Sydney Alrutz. (Upsala läkarefören. förhaodl. 1897. N. F. II. 3. S. 246; 
Skand. Archiv für Physiologie. VII. S. 321.) 

Bei den vom Verf. an 126 intelligenten Personen angestellten exacten Ver* 
suchen ergab sich (bei Anwendong von spitzigen Nadeln), dass die Kältepunkte so 
klein sind, dass sie nur mit Schwierigkeit exact markirt werden können; die Wärme* 
ponkte sind grösser, aber noch schwerer zu markiren. Dass sowohl Kältepunkte als 
Wärmeponkte sehr verschiedene Empfindlichkeit besitzen, hat auch Verf. feststellen 
k-joneo, er glaubt gefunden zu haben, dass die Temperaturpunkte, die die intensivsten 
Sensationen geben, zugleich diejenigen sind, die auf die schwächsten Heizmittel 
reagiren. Bei Anwendung von mechanischen Reizmitteln reagiren die Wärroepunkte 
viel schwerer als die Kaltepunkte. Die fOr adäquate Reize empfindlichsten Kälte* 
punkte hat Verf. so empfindlich fQr mechanische Reizmittel gefunden, dass selbst die 
leiseste Berflbrung eine vollkommen deutliche Kälteempfindung hervorruft, bisweilen 
entsteht eine Kälteempfindung, wenn der Druck aufgehoben wird. Die Empfindung, 
die der faradlsche Strom in der Hant im Allgemeinen bervorruft, macht nach des 
Vert's Erfahrung an den Temperaturpunkten einer Temperaturempfindling Platz, wenn 
der Strom nicht zn stark ist; auch hier hat Verf. gefunden, dass die Kältepunkte 
auf schwächere Ströme und rascher reagiren, als die Wärmeponkte. Mittels des 
nivaaiseben Stromes kann man an Kältepunkten, sowohl bei der Schliessung, als 
bei der Oeffiiung und auch während des Stromes, Kältesensation erhalten, an den 
Wimepankten erhält man Wärmeempfindnng nur während des Stromes und mit 
fieserer Schwierigkeit, bei der Schliessung und Oeffnung nicht. Schmerz tritt an 
d?B Temperatarpunkten weniger stark auf oder fehlt ganz. Die Möglichkeit einer 
pvadoxen Kälteempfindung hat Verf. bestätigen können, paradoxe Wärmeempfindung 
benorznrofen, ist ihm aber nicht gelungen. Durch concentrirte Schwefelsäure konnte 
Tnperatarempfindung an den Temperaturpunkten hervorgerufen werden, ebenso durch 
^jlpetersäure und Natronlauge, doch war dabei Schmerzempfinduog vorhanden; die 
Wänseempfindung trat bei chemischen Reizen später ein, die Kälteempfindung manchmal 
froher, gleichzeitig oder etwas später als die Schmerzempfindung; dadurch wird Verf. 
in der Ansicht bestärkt, dass die Wärmepunkte tiefer unter der Haut liegen, als die 
Eiltepimkte. FOr Dmekempfindungen sind die Temperatnrpnnkte nach Verf.’s Beob* 
»ebtiiiigen weniger empfindlich, als die eigentlichen Druckpunkte. Bei Erregung 

Schmerz durch Stiche nimmt Verf. an, dass man den Tempersturpunkt nicht 
man getroffen habe, wenn nicht gleichzeitig eine Temperaturempfindung entsteht; 
die meisten Temperaturpnokte sind nach Verf. fQr durch Stechen erregten Schmerz 
aoalgetisch, ebenso fär den durch Temperaturen erregten, weniger sicher lässt sich 
dies f&r den durch Elektricität erzeugten Schmerz feststellen. Ermüdung der 
T«ap9storpankte scheint bei mechanischen Reizen eher einzutreten, als bei ther* 
atsden. Die Temperatorponkte, und zwar in erster Reihe die Wärroepunkte sind 
«It in kleineren Gruppen oder auch in Reihen angeordnet. 

Walter Berger (Leipzig). 

4> Om förziimnelsen „hett**, af Sydney Alrutz. (Upsala läkarefören. förhandl. 

1897. N. P. II. S. 340.) 

Starke Wärmereizmittel (Hitzereizmittel) lösen nicht bloss Wärmeempfindungen 
MS, sondern auch Kälteempfindungeo, uro aber auf einer mit normalem Kälte* und 
^ärmealDO versehenen Hautoberfläche Kälteempfindung wohl von der Wärmeempfindung 
li'din ZQ erlangen, müssen gewisse Kuns^riffe angewendet werden, die entweder darin 
*^hen, man solche Reizmittel anwendet, bei denen die Kälteempfindungen 


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412 


merkbar eher eintreten als die Wärmeempfindungen, oder darin, dass man das Wärme* 
Organ ermfldet Die psychologische Analyse ei^iebt, dass die Hitzeempfindong eine 
einfache (nicht rein psychisch in mehrere Bestandtbeile zu zerl^ende) ond reine 
Temperaturempfindung ist, die qualitativ von den Kälte* und Wärmeempfindoogen 
verschieden ist. Die experimentelle Analyse bestätigt die psychologische darin, dass 
sie die Hitzeempfindung nicht als eine hloss gesteigerte Wärmeempfindung (wie man 
leicht vermuthen könnte) erkennen lässt. Dies wird theils dadurch bewiesen, dass 
an Stellen, an denen der Wärmesinn sehr schwach ist, bloss Hitzeempfindungen und 
schwache Wärmeempfindungen erhalten werden können, dagegen keine starken 
Wärmeempfiodungen, theils dadurch, dass an Hautstellen, denen der Kältesinn fehlt, 
keine Hitzeempfindungen ausgelöst werden können. SpecifiscLe Hitzenerven oder 
Hitzepunkte finden sich nicht. Die experimentelle Analyse lehrt ferner, dass die 
Hitzeempfindung in dem Sinne eine zusammengesetzte Empfindung ist, dass sie durch 
eine Verschmelzung von Kälte* ond Wärmesensationen entsteht. An Stellen, wo 
entweder Kältepunkte oder Wärmepnnkte fehlen, kann nämlich keine Hitzeempfindung 
ansgelöst werden. Durch Ermöduogsversuche ist der Beweis fQr diese Annahme ge* 
liefert. Die Kälteempfindung scheint von grösserer Bedeutung für die Intensität der 
Hitzeempfindung zu sein, als die Wärmeempfindung; bei Anwendung aller stärkeren 
Hitzereizmittel dürfen die Kältenerven immer mehr gereizt werden, als die Wärme* 
nerven. Taunberg’s Versuche mit gleichzeitiger Anwendung von Kälte- und 
Wärmereizung zeigen, dass die Kälteempfindong znm Zustandekommen der Hitze* 
empfindung beiträgt Kälte* nnd Wärmesinn müssen ln gewissen Proportionen gereizt 
werden, um zu einer Hitzeempfindung zu verschmelzen. Die VorsteUung, dass starke 
Kältereizmittel unter physiologischen Verhältnissen eine Hitzeempfindung bervorbringen 
können, dürfte unrichtig sein nnd auf einer Verwechslung der Uischempfindung 
Schmerz nnd Kälte beruhen, die sehr kalte Gegenstände hervorrufen, und die mit 
der durch sehr heisse Gegenstände bervorgemfenen Mischempfindung Schmerz* und 
Hitzeempfindung eine gewisse Aehnlichkeit bat Die Hitzeempfindungen geben ein« 
erhöhte Fähigkeit hohe Temperaturen richtig zu beurtheilen, aber wie weit dies« 
Fähigkeit erhöht wird, kann noch nicht festgestellt werden; sie dürfte fQr ver¬ 
schiedene Hautstellen verschieden sein, je nach dem wechselnden Werth des Minimums 
perceptibel für Hitze* und Schmerzempfindungen. Walter Berger (Leipzig). 

5) Om den s. k. perversa temperstur fSmlmnelaema, af Sydney Alrutz 
(Upsala läkarefören. förhand). 1897. F. III. S. 106.) 

Die sogenannte perverse Kälteempfindung ist nach Verf. ein physiologische: 
Phänomen, das in pathologischen Fällen, in denen der Wärmesinn herabgesetzt ist 
mit vermehrter Deutlichkeit hervortritt; sie dürfte besser als paradoxe (oder contrüre 
Kälteempfindung zu bezeichnen sein. Die sogenannte perverse Wärmeempfindung ha 
Verf. unter physiologischen Verhältnissen nicht naebweiaen können, nicht einmal fü 
ihr Vorkommen unter pathologischen Verhältnissen sind nach Veif. genügende Beweis' 
geliefert; dass sie trotzdem existiren kann, will Verf. keineswegs bestreiten, sie dürft' 
aber dann pathologischer Natur sein und müsste deshalb die Bezeichnung als pervers 
Wärmeempfindung behalten. Verf. präcisirt die Bezeichnungen „pervers, parados 
conträr und pathologisch“ folgendermaassen: Paradoxe Empfindungen sind diejeniget 
die unter physiologischen Verhältnissen durch inadäquate Beize ausgelöst werden 
perverse sind diejenigen, die nur unter pathologischen Verhältnissen durch inadäquat 
Beize ausgelöst werden; conträre sind solche, die dnreh Reizmittel ao^löst werdei 
die sonst die gerade entgegengesetzte Empfindung auszulösen pflegen; patholog:isch 
Empfindungen, die durch pathologische Veränderungen in den nervösen Organen d« 
Sinnes selbst ansgelöst werden oder in Folge dieser Verändernngen. 

_ _ Walter Berger (Leipzig). 


Google 


413 


Pathologische Anatomie. 

6) BedtrSge sur Pathol<^e der KerveuMllen, von Prof. Dr. Ä. Goldscheider 
ODd Dr. B. Flatao. (Fortschritte der Hedicin. 1897. 1. April. Kr. 7.) 

YerüL haben buchst interessante Untersuchungen an den Yorderhornzellen des 
B&ekenmarhs bei Kaninchen angestellt, denen sie 1^/oige Lösungen von Malonnitril 
is verschiedenen Dosen injicirten, und die sie auf der Höhe der Giftwirkung tödteten: 
di« Zellen gewährten nicht mehr den Eindruck scharf contnrlrter, durch helle 
Zwiseheor&ome von einander getrennter KissTscher Zellkörperchen, sondern zeigten 
Terwascbenee Aussehen, bedingt durch die MitHtrbung der Zwiscbensubstanz und 
ihfilveise Verlagerung der Zellkörperchen. — Je nach der Dauer der Gifteinwirkung 
vNhselien die Intensität der anatomischen Veränderung. — Wurden die Thiere auf 
d«r Höhe der Giftwirkung durch Injection einer l”/o Natrium subsulfuricum-Lösung 
Od refracta dosi) entgiftet, so fand sich schon 19 Stunden nach der letzten Injection 
tbeilweise, 71 Standen nachher eine völlige Bestitution der Zellen. Das normale 
Bewegnngävermögen des Thieres trat bereits 10 Minuten nach der 
Entgiftnng wieder ein, zu dieser Zeit zeigten sich aber die motorischen 
Zöllen noch stark alterirt. — Injection der EntgiftungsfiQssigkeit allein zeigte 
keine wesentliche Abweichung von def Norm. 

In einer zweiten Versuchsreihe wurde der Einfluss der Erbühung der Körper« 
tmperatur bei den Tbieren (durch Erhitzung der Thiere im Thermostaten) auf die 
Zeilen geprüft, und es fand sich merkliche Veränderung der Zellen, sobald die Tem- 
pentor des Thieres Ober 43gesteigert wurde, erste Anzeichen von Veränderung bei 
Uagerem (ca. SstOndigem) Bestehen einer Temperatur von 41,7—42: das Zell- 
TolBmen war verwässert, kein einz^ea scharfes Nissl-Körperchen; durch den homo- 
feaen, opak-mattblanen Grund des Zellleibes schimmerte feine Körnelnng, bezw. ein 
cndeutlfches Fadennetz, hie and da Beste von Nissl’schen Körperchen; der Kern 
*ar nkbt wahmebnibar oder homogen blau, feingekömt, nicht scharf abgegrenzt, die 
I^riten matt blassblan und geschwollen, enthielten keine normalen Spindeln, sondern 
QBd^tllche feine Kömelung, ebensolche enthielt der Axencylinderfortsatz. — Wurden 
die fiberhitzte Thiere wieder ans dem Thermostaten entfernt, so konnte an den Zellen 
eiee allmähliche Bestitution nacbgewiesen werden, die schon nach 2 Stunden 20 Min. 
begann und nach 68 Stunden vollendet war. 

Die Verff. glauben, dass die KissTschen Körperchen keine lebenswichtige Be¬ 
deutung für die Zelle, bezw. deren Function haben, und sie nehmen an, dass Scbädi- 
gaagen der Zelle eine Functions-, und bei gepügender Stärke eine Nutritiunsstörung 
Mtzeo, erstere kann sich schnell aasgleichen, letztere klingt erst allmählich ab. — 
Die nach vielen Richtungen lehrreichen Versuche zeigen besonders auch, dass „sich 
a Zellen derselben Species (Vorderhomzellen) differente Alterationen nachweisen 
h w c n, welche in ihrer Eigenart durch das Speciflscbe der Schädigung bestimmt 
siad.'* Toby Cohn (Berlin). 


') Ueber den £influ88 veraohiedener infeotionen auf die Nervensellen 
des Rdckenmarks, von V. Babes. (Berliner klin. Wochenschrift. 1898. 
Sr. 1—3.) 


Dia Fortachritte in der mikroskopischen Technik haben auf dem Gebiete der 
pathologiecheD Histologie der Nervenzelle vielfach neue Anschauungen und Thatsachen 
a Tage gefördert. 

Verf. hat sich in seiner Arbeit die Aufgabe gestellt, Ober die wesentlichen 
Teiiadeningen der grauen Substanz bei, oder nach den verschiedenen acuten In- 
kdurndnankheiten klare Vorstellnngen zu schaffen. 

Bis zom Jahre 1889 kannte man bloss eine einzige Krankheit, deren Virus 



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414 


aosscbliesslich im Nervensystem seinen Sitz bat nnd dort eine entzündliche Beaction 
vernrsacht. Es ist dies die Hundswiitb, deren entzündliche Verändemngen von 
mehreren Äntoren und vom .Yerf. selbst nachgeviesen worden. In dieser Krankheit 
konnte der Yerf. entzündliche Yeränderungen an den Nervenzellen selbst, namentlich 
eine Änhäofung von Qranulationszellen, sowie eigenthümliche Modificationen an den 
zu der Zelle gehörigen kleinen Blut* und Lymphgefässen nachweisen. Diese Yer- 
änderung der Nervenzelle, sowie die umgebende Zellwocherung ist fast charakteristisch 
zu nennen und wurde von ihm mit dem Namen Wnthknötchen belegt 

Yfas die genauere Beschreibung der Zellveränderungen bei Hundswuth betrifft, 
konnte der Yerf. Folgendes constatiren: 

1. Eigenthümliche Yeränderungen des Kerns der Nervenzellen. 

2. Eine Concentration der chromatophilen Elemente um den Kern. 

3. Schwund der chromatischen Elemente in der Mitte der Zelle, deren Kern an 
die Peripherie verschoben wird. 

4. Beginnende Proliferation der Zelle mit karyokinetiscber Figur des Kerns, 
was auch von Qolgi beschrieben worden ist 

5. ln späteren Stadien Schwund der chromatischen Elemente des Zellkerns und 
der Fortsätze mit Deformimng der Zelle. 

6. Sinnöse Erweiterung des zum Tbeil von Bundzellen eingenommenen peri> 
cellularen Baumes nnd Einwanderung derselben in die Zelle. 

Der Yerf. giebt der Meinung Ausdruck, dass die Wuthknötcbeo wahrscheinlich 
die Parasiten der Krankheit enthalten. 

Auf Grund dieser seiner eingehenden mikroskopischen Untersuchungen am 
Centralnervensystem bei Hundswuth, glaubt sich der Yerf. berechtigt zu bebaopten, 
dass die typischen infectiösen Myelitiden durch entzündliche Gefässveränderudgen 
ausgezeichnet sind. 

Als Beweismaterial für die von ihm vertretene Ansicht bringt der Yerf. auch 
eine vortreffliche Abbildung, die in überzeugender Weise das Yorhandensein der 
Wuthknötchen wiedergiebt. 

Die Behauptung derjenigen Autoren, welche keinen Unterschied in der Wirkung 
der verschiedenen Bakterien auf das Rückenmark zugeben, erscheint dem Verf. un> 
begründet 

Die Nissl’scbe Methode, sowie das Tbionin und das vom Verf. verwendete 
anilinisirte Bubin gestatten eben ein viel genaueres Studium der Nervenzellen nnd 
ihrer Erkrankung, als die älteren Methoden. 

Dank der vollkommenen Beherrschung der Nervenzellendarstellungstechnik und 
im Besitze eines geeigneten Materials konnte derselbe einen Anhaltspunkt für die 
eigenthümliche Wirksamkeit verschiedener Bakteriell liefern. Ferner konnte er für 
einige Infectionen die Woge der infection des Bückenmarks näher bestimmen. 

Ergebnisse der diesbezüglichen Untersuchungen tbeilt Yerf. in folgenden Aus¬ 
führungen mit: 

Es giebt Infectionen, io welchen das Yirus selbst in die Nervenzellen eindringt 
Und hier verschiedene mehr oder minder charakteristische Yerändernngen hervor- 
bringt solche, welche die Prutoplasroafortsätze der Zellen, andere, welche den Azen- 
cylinderfortsatz, den Kern oder das Kemkörperchen zunächst alBcireu, andere, welche 
nicht in die Zellen oder überhaupt nicht ins Bflckenmark eindringen und welche 
dann in eigentbümlicher Weise durch ihre Tozine wirken. 

Gewisse Infectionen dringen auf dem Blutwege, andere auf dem Lymphwege, 
manche auf dem Wege der Nerven und deren Gefässe, andere nach vorheriger Ver¬ 
mehrung im Centralcanal in die Bückenmarkssubstanz, in jedem Falle aber besteht 
die Tendenz des Eindringens in die graue Substanz und der Scbädignng der 
Nervenzellen. 


, crinyGOOglC 



415 


Die Rahmen des Referates lassen nicht zu auf die Einzelheiten und den ganzen 
reichen Inhalt der Arbeit eiozogehen. 

Der Verf. bespricht eingehend die Veränderungen des centralen Nervensystems 
in einem Falle von Proteusinfection and in einem anderen von Infection mit einer 
sehr pathologischen Abart des Colibacillns, bei welchen er Bacillen in erheblicher 
Menge im Centralcanal und in den Nervenzellen der Vorderhömer fand. Diese 
interessanten Befunde sind mit nach Originalpräparaten stattlich ausgeffihrten Ab¬ 
bildungen illustrirt. 

Die Veränderungen der Nervenzelle bei der Pest sind ebenfalls durch eine sehr 
interessante Abbildung dargestellt, sie sind sehr deutlich ausgesprochen. Die graue 
Substanz ist dabei sehr alterirt. Han sieht da die Pestbacillen eine pericelluläre 
Capillare verlassen, um in den Lymphraum und dann hier in die Nervenzelle zu 
gelangen. Auffallend ist die Blässe und der Zerfall des peripheren Theils der Zelle, 
was den Eindruck hervorruft, als ob die Grenze der Zelle verwischt und die Zelle 
in einem grannlirten Baum eingeschlossen wäre. 

An der Hand eines sehr reichen Materials bespricht der Verf. sehr eingehend 
die Beziehungen der Bacillen zu den Nervenzellen bei Lepra, dieser in Rumänien 
ziemlich häufigen Erkrankung. 

Von besonderem Werthe ist die ausföhrlicbe Beschreibung der Nervenzellen- 
läsionen. Bei der tuberösen Form der Lepra constatirte der Verf. die Anwesenheit 
von Bacillen nicht bloss in den Spinalganglienzellen, sondern auch in den grossen 
Zellen der Vorderhömer, ohne bedeutende Veränderungen dieser Zellen und ohne 
Symptome während des Lebens. 

Sodann folgt die detaillirte Besprechoi^ der Verhältnisse der toxischen Läsionen 
zu den bakteriellen. Auch dieser Theil der vorzQgHchen Abhandlung bietet viel 
wesentlich Neues dar. 

Eine besondere Aufmerksamkeit hat der Verf. den Nervenzellenläsionen bei 
Lyssa zugewandt und giebt die Resultate seiner diesbezüglichen Untersuchungen in 
seiner eingehenden, sorgsamen Arbeit Schritt für Schritt unter Beibringung exacter 
Belege bekannt Die in grosser Anzahl beigcgebenen vortrefflichen Abbildungen 
sind hier besonders hervorzuhebeu. 

Was die Rolle und die Bedeutung der Mikroben bei den Läsionen des Rücken¬ 
marks angeht, konnte der Verf. nicht eine einheitliche und charakteristische 
Zellläsion anoehmen, sondern eine ganze Reihe von celluläreu, pericellulären, vascu- 
lären und Neurogliaveräuderungen für die verschiedenartigen Virus, für ihre Fern- 
und Spätwirkungeo. 

Der Inhalt dieses Theiles dieser Abhandlung lässt sich in folgende Shtze 
zusammenfassen: 

1. Die Unterscheidung centraler, peripherer und partieller Chromatolyse hat für 
die infectiösen Proce.sse des BQckenmarks nur geringe Bedeutung. 

2. Es ist von grösster Bedeutung, ob in Folge einer Infection bloss einzelne 
Zellen oder aber Zollgruppen, der Centralcanal, Geiässe und namentlich die Umgebung 
der Nervenzellen ergriffen sind. 

3. Das Ergriffeosein der verschiedenen Antheile des Rückenmarks hängt von 
der Art des Virus und seines Eindringens ln das Rückenmark ab. 

4. Die in Folge der vom Verf. untersuchten lofectionen verursachten Verände- 
roDgen sind sehr verschieden, was deren Grad und deren Ausdehnung betrifft. Bei 
veracbiedenen Infectionskrankbeiten findet man Bakterien im Inneren der Nervenzellen, 
welche nach der Art der Bakterien mehr oder weniger verändert erscheinen. Die 
Bakterien liegen gewöhnlich im Inneren der Vacuolen des Zellprotoplasmas. Deren 
Gegenwart in den Nervenzellen ist oft von geringer Bedeutung für die 
Function der Zellen als die Wirkung der Toxine auf dieselben, während 


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416 


io anderen Fällen schwere Erkrankungen und tiefgreifende Zell* 
verändernngen an die Gegenwart des Tiros selbst im Niveau der Nerven* 
seilen gebunden sind. Schneyer (Bucarest). 


Patholog-ie des Nervensystems. 

8) Familiendisposition bei symmetrischer Atrophie des Schädeldaches, 
von Dr. B. Bloch. (Prager med. Wochenschr. 1897. Nr. 13 u. 14.) 

Terf. giebt zunächst eine kurze Uebersicht über die bisher beschriebenen Fälle 
von symmetrischer Atrophie des Schädeldaches (Einsenknng der Scheitelbeine) und 
weist darauf hin, dass die Ursachen dieser Erscheinungen bisher noch nicht geklärt 
sind. So soll nach den einen (LÖbstein, Rokitansky) eino Atrophie der Diph«ü 
die Ursache sein, nach den anderen (Tirchow) die Lamina extern, zuerst schwinden, 
und erst später die Diploä. Ebenso unklar ist die Aetiulogie.. Verf. giebt dann die 
Beschreibung eines eigenen Falles, eine 86jähr. Fran betreffend, bei der beiderseits 
im Bereiche der Scheitelbeine eine Einsenknng zu finden war, rechts von rundlicher 
Form, links an correspondirender Stelle, d. i. ca. 3 cm von der Pfeilnaht entfernt, 
eine Vertiefung von dreieckiger Gestalt, und kleiner als die rechte. Äosserdem fand 
sich links eine kleine Delle an der Coronarnaht. Entsprechend der Sagittalnaht 
fand sich eine 6 cm lange und 1^3 cm breite Kinne, die sich an der Lambdanaht 
in zwei Aeste gabelte. Psychisch bot Pat. das Bild der Angstmelancliolie dar; vorher 
hatte sie lange' an Kopfschmerzen gelitten. Aus der Anamnese sei erwähnt, dass 
auch die Mutter der Patientin ähnliche Vertiefungen am Kopfe gehabt 
haben soll. 

Bei der Obduction fanden sich am Schädel ansser den erwähnten Vertiefungen 
noch solche an beiden grossen KeilbeioflOgeln. Die genauere Untersuchung ergab, 
dass an den vertieften Stellen die Lamina extern, und die Diploe geschwunden waren. 

Bezüglich der Ursache dieser Atrophie im vorliegenden Falle Hess eich zunächst 
Syphilis .ansschliessen, de^leichen Circulations* and tropbische Störungen oder Usur* 
atropbie in Folge von Neubildungen, entzündliche Processe u. s. w. 

Bezüglich des Zustandekommens nimmt Verf. an, dass offenbar unter dem Einfiuss 
einer Familiendisposition im höheren Alter, und zwar ohne sonstige nachweisbare 
äussere Ursache, diese Atrophie sich ansbildete. Die klinische Bedeutung solcher 
Fälle ist noch unklar, dagegen kommt ihnen, wie leicht ersichtlich, eine forensische 
Bedeutung zu. Redlich (Wien). 

9) Three oaaea of tbe fiamily type of cerebral dipl^ia, by F. X. Dercum. 
(Journal of nervous and'mental disease. XXIV. 1897. S. 396.) 

Drei Brüder von 11, 6 und 2 Jahren leiden an spastischer Parese aller Rxtre* 
mitäten mit gleichzeitiger Imbecillitäi Zwei von ihnen leiden auch an epileptischen 
Krämpfen. 

Bemerkenswerth ist, dass in der Familie der Mutter bereits ein .analoger Er* 
krankungsfall vorgekommeo ist und dass von den 4 Kindern nur diejenigen diplegiscb 
geworden sind, die während einer Epidemie von Masern ergriffen wurden. Es sclieint 
also zu der hereditären Veranlagung noch eine toxische oder infectiöse Schädigung 
hinzugekommen zu sein. Sommer (Allenberg). 


10) Maladie fazniliale ä symptomes oör4beUo*medullaire8, par Pauly et 
Ch. Bonne (Lyon). (Revue de Mödecine. 1897. Mars. S. 200.) 

Die Arbeit enthält eine interessante Hittheilung Ober einen bei drei Brüdern 
beobachteten eigenthfimlichen norvOsen Symptomencomplex. Heredität war nicht vorr 


ig ü^od oy CjOO^Ic 



417 


hcnda, nMhrere Schvestern waren TfiUig gesund. Die Krankheit b^ann bei den 
beiden Utoen Brüdern im Alter von ca. 12—14 Jahren, bei dem jüngsten Bruder 
m 6. Lebensjahre. Bai den ersteren war die Gehstörung das erste anffallende 
^ptMn, btt dem ieUteren der Kystagmus. In der Buhe sind die Beine bei allen 
drei Brüdern leicht gebeugt, künnen nicht vollständig gestreckt werden and aeigen 
eüM sehr starke Contractur der Adduoturen. Im Al^emeinen entspricht also diese 
Ualtong dem Zustand der Beine bei der Little'schen Krankheit Der Gang ist 
theUs spastisch, theils schwankttid. Bei dem jüngsten,'jetzt lljährigen Knaben, 
ist das Gehen ebne Uaterstütznng gar nicht mehr möglich. Bomberg’sches 
Symptom and Ataxie fehlen vollständig. In den Armen besteht keine Pares^ aber 
etwas intentioDszittem. Alle drei Brüder haben Nystagmus, verlangsamte monotone 
Sprache, gesteigerte Sehnenreflexe, beginnende-Atrophie der Optici. Vollständig 
Bormale Sensibilität and vollständig normale Intelligenz. 

Die vorliegenden Beobachtungen ähneln am meisten den von Felizäus (Archiv 
Ar Faychiatrie. Bd. XVi) nnd Higier (Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilk. 1896) 
■itgetbeilten Fällen. Sie stehen etwa in der Mitte zwischen der „bdrddo*ataxie 
ckÄeUense^* nnd der hereditären spastischen Spinalparalyse. 

Strümpell (Erlangen). 


11} Dzttte Mlttheilong über die perosyamale, familiäre LUunung, von 

Dr. 8. Gold fUm in Warschau. (Deutsche Zeitechrift f. Nervenheilk. 1897. 

Bd. XL) 

Zo dieser interessanten Krankheit werden theils neue Beitr^e geliefert, theils 
frühere Daten bestät^ Die Anfälle zeigen .sich an den zahlreichen Mitgliedern 
enee «eiteren Zweiges der schon bekannten Familie und erscheint so aufs Neue die 
iukQiire Disposition als der ansschlaggebende, ursächliche Factor des Leidens. Der 
tjpiaehe Anüu setzt Abends oder in der Macht ein. Alle Patienten räumen der 
FiUnng des Magens mit Entschiedenheit eine ursächliche Bedeutung ein, wobei es 
Btcht aof die <)nalität der Speisen, sönderä eben nur auf die Menge des Magen- 
iataaHee anznhonunsn scheint. Eine freiwillige Hungerkur war in einem Falle die 
Folge diesttr Erkenntniss. Im Gegensatz zur Magentetanie ist keine Störung der 
Msgeafnetion naehznweisen. Im Sommer steigt - die Frequenz der An^le. Die 
fnhe lüaft and das Volumen der Masknlatur erinnert an die bei der Dystrophia 
wusmlarie {wogr. ebarakteristis^ea Verhältnisse. Die galvanische, neuromnsknläre 
breghark^ ist im wesentlichen durch träge, tonistflw Zucbnngen and Neigung zu 
Teten ua ehnrakterisirt, welche mit der von Bemak and Marina beschriebenen, 
■eerotoBmelien, ^ktrisdien Beection gewisse Aehnlidikeit hat. Hie and da fand 
sieh ausserdem faradiscbe Entattnngsreaotioo. Von Interesse ist femmr der Befhnd 
TM) Kwoss, retfaen Blotkörperchen und verfetteten Nierenepithelien in dem zu Ende 
des Aniirils gelassenen Uriu. Bei eonstimtem Vorkommtti dürften diese Erscheinungtti 
als Stittie der Gifttfaeorie heraDgez(^n werdtti. Es kommen auch foudroyante An- 
fiOe parcsyssaaltt Lähmnng vor, so daw gelegentlich Landry’sche Paralyse diffe- 
reatialdiagnostiscb in Betracht kommen könnte. 

Die mikroskopische Muskelantersuehung ergab bei einem Gliede dieses Familien- 
Zweiges denselben Befund, wie er früher bei den Verwandten desselben erhoben 
wvde. Die Alteration besteht im wesentlichen in Bareficirung der Muskelsubstanz 
ind in Vaenoleobildong. Dass dieser Zustand nicht die Fo^e der häuflgen Lähmungen, 
gteiehaaa ^ Wirkung dee mathB)aa8sliche& Giftes anzusehen ist, geht daraus httvor, 
4»m sid) bei dMs jüngsten Brudar des Patimiten, einem erst selten und nur von* 
laichten Anfällen betroSentti 7^/,jährigen Knaben, die gleidien Verändernngen fest- 
ztelltti lieseen. Um einem weiteren Einwande zu begegnen, dass nämlich die Struciur- 
TeriadeniBg nnr eise eoordinirte, selbständige und znßllige Familieneigenthümlich- 

27 


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keit darstelle, ^eht Verf. zq einer anderen Familie Ober, in welcher von 6 Geschwistern 
3 von dem Leiden betroffen waren. An einem dieser Repräsentanten wnrde eine 
Muskeluntersucbang vorgenommen, und zwar mit dem gleichen^ positiven Resultat. 

Zum Schluss zieht Verf. Untersuchungsbefunde einiger ^Muskelerkranknngen zum 
Vet^leich heran. Es ergiebt sich da eine weitgehende Uebereinstimmung mit den 
bei der Thomsen’schen Krankheit beobachteten Veränderungen, während sich der 
Befund bei der Dystrophia mnscularis progr. und bei der Polymyositis von dem bei 
der paroxysmalen Lähmung wesentlich unterscheidet. 

fi. Asch (Frankfurt a./H.).. 


12) Ueber Paralysia spastioa und über die vererbten Nervenkrankheiten 

im allgemeinen, von E. Jendrässik. (Deutsches Archiv lOr klin..Medicin. 

Bd. LVin.) 

Die spastische Paralyse ist keine selbständige Erankheitsform, sondern eine 
Symptomengruppe mit verschiedenen anatomischen Veränderungen, fOr die nur das 
sichelgestellt is^ dass die Pyramidenbahnen dabei betheiligt sind. 

Verf. selbst zweifelt daran, dass es sich bei dem Leiden um eine primäre 
Degeneration der Pyramidenbahnen handele, vielmehr ist nach seinen Beobachtungen 
der Ausgangspunkt des Prbcesses entweder in den UrspruqgszeUen der motorischen 
Pyramidenbahnen oder iigepdwo im weiteren Verlaufe derselben gelegen. Auch Fälle 
von milder, in Heilung flbergegangener Myelitis können unter dem Bilde der spastischen 
Paralyse äuftreten, d. h. ohne absolute Lähmung und unter Bestehenbleiben von 
Rigidität Die Mehrzahl dieser Fälle sind luetischer Natnr. Leichter ist die Er¬ 
kennung des Sitzes der Affection, wenn sie sich oberhalb des verlängerten Markes 
befindet Hierher gehören*die im Eindesalter häufigen Fälle von Encephalitis, Por- 
encephalie und die nach Traumen während des Geburtsactes entstandenen Fälle. 

Alle bisher anfgezählten Formen von spastischer Paralyse werden am richtigsten 
als „symptomatische spastische Paralyse" bezeichnet 

Daneben bestehen noch zwei Formen der Affection, die sog. Little’sche 
Krankheit und die hereditäre oder familiäre Form der spastischen Paralyse. 

Diese letztere hat Verf. in 3 Familien zu beobachten Gelegenheit gehabt 

1. Familie. Sjähriger Knabe, Sohn eines gesunden Feldarbeiters. Grossvater 
väterlicherseits gesund, Grossmn^r väterlicherseits ebenfalls; sie hat 'auffallend kurze 
und dicke Hände und Ffisse. Mutter des Knaben lebt; sie hat einen auffallend, be¬ 
sonders beim raschen Gehen watschelnden Gang. Die Grossmntter mfitterlicherseits 
soll ebenfalls unbeholfen gehen und kurze Hände und FOsse haben. Die Familie 
mfitierlicberseits ist ausgezeichnet durch Fettleibigkeit Eine 6jährige Schwester des 
Knaben soll gesteigerte Patellarreflexe haben.. 

PaÜent war bei der Geburt sehr unentwickelt, er begann erst mit 2 Jahren zu 
laufen, der Gang ist spastisch, die Patellarreflexe sind gesteigert Sonst keine 
Abnormitäten. Auffallend kurze Hände und Fflsse. 

2. Familie, a) 12jähriger Knabe*. Eltern gesund, 7 Kinder, von denen das 
fönfto im Alter von wenigen Monaten an nnbekannter Krankheit starb. 

Das Leiden wnrde bei dem Knaben zvrischen seinem 7. und 8. Lebensjahre 
zuerst bemerkt: seitdem Zunahme, der Erscheinungen. 

Der Gesichtsansdruck ist simpel; das Sehvermögen beträgt nur die Augen- 
beweg^ingen geschehen nach innen und oben mit geringer Excursion, und werden 
von nysti^usartigen Pendelbewegungen b^leitet Beim gewöhnlichen Sehen weicht 
das linke Auge nach aussen ab. Beiderseits Stigmatismus. Die Sprache ist näselnd 
und stockend. An den unteren Extremitäteu spastische Erscheinungen. Geben und 
Stehen unmöglich. 

b) Die 8jährige Scbwepter soll in ihrem 6. Lebensjahre erkrankt sein. 



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419 


SehyennGgen Mheint nur wenig abgenommen zu haben; Augenbewegungen er- 
fblgra prompt Beide Papillen aind dentlicb abgeblasat. Die Sprache ist näselnd. 
Die spastiscbmi Erseheinnngen an den unteren Extremitäten aind geringer als bei 
dem Bruder. Die Patellarreflexe stark gesteigert; es besteht Fussdonus. 

3. Familie, a) ISjäfar. Mädchen yon gesunden Eltern stammend. Ausserdem 
soch zwei ältere gesunde Geschwister. Die Erkrankung begann im 10. I^ebensjahre. 
Zur Zeit der Beobachtung bestanden folgende Erscheinungen: Strabismus divergens, 
Aagenbewegungen nach allen Richtungen hin beschränkt; SehrermCgen hochgradig 
herabgesetzt Beiderseits centrales Scotom; Sehnerrenatrophie. Spastisch-paretischer 
Gang. Kniereflexe gesteigert, Fussdonus auslösbar. 

Geistig erscheint Pat normaL 

b) Die 10jährige Schwester war bis zum 9. liebensjahr gesund. 

Sehyerm^n &= Ve» Bedecken des einen Anges weicht das andere leicht 
ab; Gesichtsfeld eingeschränkt Atrophie der Sehnerven; Das Stehen ist noch gut 
möglich. Gehen erfolgt mit Schwierigkeit. Kniereflexe stark gesteigert, Fussphänomen 
anslOsbar. 

Bei beiden Kranken ist aaffallend, dass sie nnr geringes Bewnsstsein von der 
Vermhidemng der Sehkraft haben. 

Aetiologisch ist zn bemerken, dass die Eltern der Kranken bezw. ihre Aseen- 
dnten nabe verwandt waren. 

Aus einer Betrachtung der bisher mitgetheilten Fälle von familiärer spastischer 
Fteljae ergiebt sich die constante Erscbeinnng, dass die Fälle der einzelnen Familien 
*OQ denen anderer Familien gesonderte Krankheitsbilder geben, unter einander jedoch 
stets nabezn in gleicher Form entstehen nnd höchstens so viel Unterschied auf« 
veieen, als es dem vorgeschritteneren oder dem erst bannenden Stadium entspricht 
Han kann daher alle auf hereditärer Basis sich entwickelnden chronischen Dege- 
nentionen znsammenfassen. Die Krankheitsformen nehmen nur verschiedene Gestalt 
an, je nachdem die Terkflmmemng des Kervensystems verschiedene Gebiete betrifft 
ihre gemeinsame Basis ist aber eine einfache Degeneration innerhalb- des Nerven¬ 
systems. K. Grabe (Neuenahr). 


13) Spidamio of infentUe paralysls ln the same ftunily, by Pasteur. 

(Brit med. Journ. 1897. Apr. 3. S. 857.) 

V^. berichtet ip der Londoner klinischen Gesellschaft Aber eine epidemisch, 
allerdings nnr in einer Familie vorgekommene fieberhafte Erkrankung mit darauf¬ 
folgender Lähmung. 7 Kinder dieser Familie erkrankten sämmtlich unter heftigem 
Kopfweh und mässigem Fieber. 7 Tage nach Beginn der Erkrankung trat bei 
3 Kindmn (11, 9 und 5 Jahre alt) eine nicht typische Lähmung ein; bei dem einen 
linde eine scÜaffe Armläbmnng links; bei dem 2. Kinde rechtsseitige Hemiplegie 
Bit Muskelrigor in Arm und Bein, und vorübergehender Lähmung des Gesichts und 
des wekhen Ganmens derselben Seite; beim 3. Kinde fiäbmuDg des linken Beins mit 
««or. Bei 2 Kindern trat Tremor, auf, der einige Tage dauerte; zwei andere, auch 
IMMrhaft afficirie Kinder blieben von Lähmung und Tremor verschont. Acute 
Exaotkeme, Diphtherie, Influenza konnten als nicht vorhanden ausgeschlossen werden. — 
Diese Fälle ^weisen, dass ein Toxin Lähmungen hervorbringen kann, die nicht 
ieimer d«i Charakter der acuten amyotrophischen Kinderlähmong zeigen, sondern 
uKb Erkrankung anderer Regionen des Nervensystems erkennen lassen. Schliesslich 
sprechen dieselben deutlich zu Gunsten der Annahme, dass Kinderlähmung eine 
Infeetionakrankheit ist. L. Lehmung I (Oeynhausen). 


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14) Sopr* un ouo dl tabe epasmodioa famlgUare, per B. Tembroni e 
J. Finzi. (Biv. sperita. di Freniatria. XXIII. 3.) 

Unter 8 Geachwistem, von denen die fibrigeo gesund waren, erkranltten 2 Brflder 
an spastischer Spinalparalyse. Der Vater körperlich nnd geistig gesnnd, die tfntter 
ans nervöser Familie stammend nnd selbst an Neuralg^een nnd Kr&mpfen in' den 
Beinen leidend. Beide BrQder von sehr geringer Intelligenz, bei beiden, namentiieh 
beim älteren grosse Schwäche der Sphincteren. Die spastische Paralyse entwickelt 
sich beim einen im 14., beim anderen im 15. Lebensjahre. Der eine litt an Waden* 
krämpfen, besonders links, der andere an Schtnerzen beim Gehen, deren Hanptsitz 
die rechte Hflfte war. Bei beiden bestand Parese des unteren linken Facialis. Die 
unteren Extremitäten nur in sehr geringer Ausdehnung activ beweglich, Kniereflexe 
s^r verstärkt, Fussclonus (beim älteren Bruder nur rechts und ausgesprochener als 
' beim jüngeren), spastischer Gang, scandirende Sprache, Kystagmus. 

Valentin. 


16) Die amaoroäsohe, Hunilläre Idiotie, von B. Sachs, in Kew York. Nach 

einem für den Moskauer internationalen medicin. Congress bestimmten Vortrage. . 

(Deutsche med. Wochensohr. 1698. Nr. 3.) 

Die Hauptsymptome dieser Erkrankung sind: 

1. Abnahme des Sehvermögens, die inr totalen Blindheit ßlhrt (Yerindtfungen 
in der Macula lutea nnd später Opticnsatrophie). 

2. Psychischer Defeot, in den fVfihen Lebensmonaten bemerkbar; später abeolute 
Idiotie. 

3. Schwäche aller Extremitäten bis enr völ%en Lähmung, spastischer, aalten 
schlaffer Natur. 

4. Die tiefbn Beflexe können normal, vermindert oder erhöht sein. 

5. Marasmus und letaler Ausgang, meist vor Ende des zweiten Lri>eD8jahreL 

6. Die Erkrankung betrifft mehrere Mitglieder derselben Familia 

Seltenere Symptome sind Nystagmus, Strabismus, Hyperaknsis oder Abnahme des 
Gehörsinnes. Verf. fand bei der mikroskopischen Untersuchung die Hauptverände* 
rangen an den grossen Pyramidenzellen, welche in allen Bindenregionen fehlten oder 
auffallend degenerirt waren (die neueren Färbungsmethoden waren damals unbekannt). 
Die weisse Faserung schien wenig ausgeprägt, die Tai^entialfaserung nii^ends nach* 
weisbar. — Normale Bln^&sse; keine Zeichen eines Entzflndangsiwocessea. In 
einem zweiten Falle waren die grossen Ganglien, Chiasma, Pons und MedoUa normAl, 
dagegen fand sich in beiden Seitensträngen des BQckenmarks — das ffalsmark wurde 
nicht untersucht — sehr deutliche Degeneration. Die Vorderstränga waren iionnaL 
Die Untersuchung der Retina konnte ans äoseeren Gründen nicht stat^den. Verf. 
lässt es unentschieden, ob die Degkieration der Pyramidenbahnen im Bückenmark 
secnndär und unabhängig ist von der Bindenveiündernng, glaubt aber, die ErktankuDg 
„als eine nach vielen Richtungen hin fehlerhafte Anlage des Centnlnerveosyatema 
denten zu müssen**. — Die Beüehungeh der amaurotischen familiären Idiotie^ wel<flie 
zeitig von den cerebralen Dipl^een besser abgetrennt wird, zu andermi familiärem 
Erkrankungen sind naheliegend nnd wichtig. Der Charakter der defecten Anlage 
entscheidet wohl über das frühere oder spätere Auftreten der familiären Erkrankungen, 
dagegen ist anbekannt, warum sich diese HemmungsbUdnngen mascbmal im Gehirm 
am deutlichsten, in anderen Fällen m den Seitmstnng* oder Hiatentrangbahuen den 
Rückenmarks sich entwickeln. 

Die Aetiologie des Leidens ist völlig dunkel, Lues spielt jedenliUs keine BoUa. 
Ob die Krankheit, deren familiärer Charakter deutlich ausgepii^ ist, auch hereditär 
ist, kann noch nicht entschieden werden; sie kommt besonders — fast ausschliess* 
lieh — bei Kindern jüdischer Familien vor. Den Augenärzten, welche am ehesten 


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421 


4itae-KUe Mhen, gidbt Verf. die HalmaBg, lu denken, daee es sieh nicht nur 
am einen merkwürdigen and seltenen Ängeobefand bei einem Kinde 
handelt, sondern dass dieser Befand Theilerseheinnng einer wohl 
eharakterUirten familiftren Affeetion ist R. Pfeiffer (Cassel). 


16) Weiter« MitCheUongeii über einen lUl ron ohronieohem Hydro« 
eephelne bei hereditirer Syphilis, toi Dr. JbL Heller. Nach einer 
Demonshntion im Verein für innere Medicin am €. Dec. 1897. (Deutsche ined. 
Wechenschr. .1896. Nr. 5.) 

Die orsprfingliche Hittheilnng des Falles erfolgte 1892, Deuteche med. Wochen« 
echhft (Kn Fall von chronischem Hydrocephalns bei hereditärer Syphilis). Wichtig 
irt, dass dw jetzt Knabe niemals Zeichen ton Rhachitis griiabt hat 

Im Sommer 1897 erkraidte er an doppelseitiger interstitieller Keratitis (Wertheim) 
oad zeigte bei einer Untersuchung im August neben den AugenTeränderongen Hot- 
chinson'sche Schneidezähne, ein coDdylomähnlicbes Gebilde an der Unterlippe und 
parioatale Gommata an der. Unken Tibia und dem linken Humems. — Specifische 
Ikoapie brachte rasche Heilung. Ein Skiagramm Ton dem periostalen Gununi am 
ünkeD Hamerns znr Zeit seiner höchsten Entwickelung zeigt an der dem Tumor 
atq>r8dienden Stelle einen 6 ein langen, kreissegmentförmigen Schatten, welcher der 
dmülich erhaltenen Contonr des Hnmerusschattens auf der Innenseite des letzteren 
asfli^t, Tersehiedene Intensität und in maximo d’—5 mm Breite besitzt Nach Verf. 
iat iie Schattenbildnng der Ausdruck der Kalkablagerung an der Grenze des Knochens 
and das pehMtalen Gummi, '„das Rönlgenbild hat somit einen gewissermoassen 
pstbologiseh-anatomischeo Vorgang mit ^ausserordentlicher Schärfe zur Anschaaung 
gebra^'*. * R. Pfeiffei: (Cossel). 


17) A oomtribi^on to tha atudy of apinol ayphiUa, by Will. Spüler. 

(New York Uedie. Journal YdL LXVI. 1897. Nr. 13.) 

Dia 35jährige Schauspielerin P. 0. war seit dem 19. Lebensjahre dem Tranke 
ergeben, batte zu der gleichen Zeit Syphilis acqoirirt and smther an periodischen, 
Tbeamatieefaen Schmerzen gelitten, besondws ^tark im Mai 1895. Am Anfang Sep¬ 
tember deaselben Jahres steUten sich heftige Schmerzen in den Beinen ein, die Kraft 
nahm ab trad ent am 12./IX. wurde die Paraplegie ToUständig, nachdem zherst das 
redite, bald anefa das linke Bein gelähmt war. Einige Wochen später (October) 
bonerkte Pai eine Gef&hlsabnahme an den Unterextremitäten and wenig später Urin- 
reteation. Btatns: Starke Anämie, lebhafte Schmerzen in den Beinen und am Rumpfe. 
ÜBz^lmäasig angeordnete Anästhesie an den Beinen, besonders rechts, bis zur Knie- 
Näw, FehJoi des rechten, Herabsetzung dös linken Kniephänomens, träge Pupillen* 
reaetion. Cystitis pnrnleuta. .Exitus am 3. December 1895; Die Section (2 Tage 
spiter) e^b o. & die vordere und besonders hiptere Rückenmarksfläche von einem 
fbriDfe-enbrigen Bxoidat bedeckt, Adhärenz der Dura an der vorderen Fläche des 
obe re n und mittleren Dors^mailra, Erweichung des Rückenmarks ln der unteren 
Brest- und Lexkdenr^ion. Die Geftese an der vorderen Pmipheiie schienen stb’ker 
pioattii a u t und' dilatirt als normal, hinten waren sie durch das Exsndat verdeckt. 
Die Gefasmsabstenz erschien makroekopisek normal, die Basalgefässe nicht sehr 
rtbaromatöe. Die mikroskopische Untersnehnng ergab neben einer ansgeeprochenen 
Bndartorüfe der A baeilaris and ihrmr Venweigongen ^ stärksten Veränderungen 
im Beniehe dea nattlereo nnd unteren Dorsalmarks: sehr beträchtUche zelUge Infil* 
tretien der Hänte, Dtrebsetznng denelben mit miliaren Gamszata, Gefässneabildung 
b 4 Verdidang, Wurzeldegeoeration, nnregelmäeeige Betbeiligung der BOckeemarke-, 
periphRie o. a. w. Verf. kennt keine Veränderungen mikroskopischer Natur, die für 


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422 


die Syphilis des. Nervensystems pathognostisch wären, und beruft sich u. a. auf 
Gowers. ln der Epikrise erörtert der Verf. die Existenzberechtigong der syphi¬ 
litischen Spinalparalyse Erb’s und streift sodann knrz eine Beihe wichtiger und 
strittiger Fragen in der Anatomie und Pathologie des Rflckenmarks, so die Bedeatang 
der Degeneration der Pyramidenbahnen ftü* das Zustandekommen der Contractoren 
und der ’ Beflexsteigerung, das Erlöschen der Behnenreflexe bei totaler Querschnitts- 
läsion des oberen RQckenmarks (Bastian), die syphilitische disseminirte Sclerose 
Becbterew’s, die hereditäre Syphilis und ihren eventuellen Einfinss anf die Kut- 
stehung von Tabes und allgemeine Paralyse u. s. w. (Details siehe im Original.) 

Die neueste Litteratur findet Beracksichtigung. B. Pfeiffer (Cassel). 


16) Over syphilitisohe Spinalparalyse, door Dr. L. J. J. Muekeus. Vortrag. 

(Psychiatrische en Neurologische Bladen. 1897. Nr. 4.) 

Nach Demonstration eines typischen Falles von syphilitischer Spinalparalyae 
giebt Verf. eine kurze LiCteratuigeschicbte dieses neuen Erankheitsbildes. Nachher 
lenkt er die Aufmerksamkeit auf die Erscheinungen, die’ man beim Pat. wahmimmt 
als Folgen des Percussionshammerschlages auf das Lig. pat propr. und sacht die¬ 
selbe zu analysireu. Es giebt nämlich nicht eine massale Contraction des H. qiuMlri- 
ceps, sondern eine ganze Beihe solcher (4—6); des weiteren bleibt eine bei genauerer 
Betrachtung sichtbare Unruhe des Muskelbauches nach. Die letzteren maasalen 
Contractionen des M. quadriceps lösen sich auf in erst grössere fascicqläre, später 
kleinere, bis fibrilläre Contractionen, welche letztere mit einer gewissen RhyUimih 
fortdauem können (sie können leider noch nicht r^pstrirt werden). — Ohne damit 
einen alles erklärenden Gesichtspunkt geöfhiet haben zu frollen, will der Verf. doch 
binweisen auf einen eventuellen Zusammenhang dieser Erscheinung mit der yod 
Engelmann (Pfl^er’s Archiv. Bd. LXV) aufgestellten Vermathung, dass Neigung 
zur automatischen Rhythmik eine aller Muskelsubstanz inhärente Eigenschaft sein 
sollte. — Verf. sah die Eischeinung noch einmal bei einer alten E^u mit einem 
myelitischen Herd im Lumbalmark. 

- Zum Schlüsse demonstrirt Verf. beim Pat., dass selbst starke elektrische Beizung 
des Lig. patell. prop. in allen Bicbtungen keine Contraction des U. quadriceps hervor- 
zurufen vermag; nur erfolgt diese, wenn eine der Elektroden auf dem Muskel selbst 
aufgesetzt wird. Dieser Versuch, wie der von Gowers angegebene (S(^lageu mit 
dem Hammer aof die Seite des Lig., indem man von der anderen Seite das Lig. 
stützt) kann nur der Auffassung der nichtreflectorischen Natur des Patellarphänomens 
das Wort reden. (Autorreferat). 


19) Aoute Myelitis, und Syphilis, von Heinr. Bosiu. (Zeitschrift f. Iclin. 

Medicin. XXX. 1. u. 2.) 

Fall von acnter Myelitis auf syphilitischer Basis: dljähr^er Tischler bat vor 
2 Jahren eine Gonorrhöe und gleichzeitig einen syphilitischen Aasschlag , durcbgemacbt. 
2 Jahre später traten plötzlich Beschwerden beim Uriniren und Stuhl Verstopf ung 
Diese Beschwerden nach 3 Wochen gebessert. 3 Monate später Rückkehr derselben 
Stömngen und gleichzeitig Schwächezustände und Schmerzen in den Beinen, allgemeine 
Mattigkeit und Gürtelgefühl. 

Befand: Mittelgrosser Mann mit spastischem Gang, spastischen Erscheinungen 
in den Extremitäten besonders der rechten Seite. Die motorische Kraft der Unter¬ 
extremitäten herabgesetzt. Sensibilitätsstörungen fehlen; die Reflexe sind gesieigert- 
Fussclonus ist vorhanden. Der Urin kann spontan nicht entleert werden; der Stobl 
ist continuirlich aogehalten. 


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423 


In weiteren Yerlaufe stellten sich Paralyse des rechten Beines, Incontinentia 
ohnae, Parese des linken Beines, nahezu vollständiges Erlöschen der Sensibilität für 
alle Qualitäten in den Extremitäten und am nnteren Theile des Rumpfes bis zur 
Nabelhöhe ein. Die spastischen Lähmungen verwandeln sich in schlaffe Lähmungen, 
die Reflexe verschwanden, zu der Incontinentia urinae trat Unmöglichkeit den Stnhl 
zu halten und unter Erscheinungen von Cystitis, Decubitus und Pneumonie trat der 
Tod ein. 

Die Untereuchong des Bflckenmarks ergab eine Querschnittsaffection desselben 
in der Höhe des 4,—9. Brustwirbels, von der nach oben und unten secundäre Dege> 
oeratioDw ansgingen. Ausserdem liess sich durch das ganze RQckenmark eine 
SanddegeneratioD nachweisen. Die Gefässe des RQckenmarks waren in besonderem 
erkranlrt Sie waren verengt, thrombosirt und obliterirt. Die Intima der* 
sriben war bedeutend verdickt. Die vorderen und hinteren Wurzeln waren bis zom 
Halanarh theils atrophlrt, theils degenerirt. 

Im weiteren Verlaufe seiner Arbeit bespricht Verf.- an der Hand der ein* 
sehligigeD Litteratnr die Merkmale, welche die syphilitische Myelitis als solche von 
der onfaehen primären Myelitis unterscheiden lassen. Es sind das zunächst klinisch 
f(dg«ade Merkmale: der eigentlichen EntzQndnng geht bei der Myelitis syphilitica 
ngelmäffiig ein längeres Prodromalstadium vorher, dessen Symptome sehr mannich* 
Mtig und wechselnd sind. Diese Erscheinungen kommen und gehen, haben ihren 
anatomischen Sitz an Stellen, an denen später der myelitische Herd sich nicht ent* 
wickelt Fmimr tritt Retentio urinae et alri schon von Anfang an auf, und endlich 
s^en die Patellarreflexe ein schwankendes Verhalten, indem sie bald erhöht, bald 
'bmab gooe tzt sind, bald ganz fehlen. Es lässt sich demnach schon aus dem klinischen 
Varianfe auf den wahrscheinlichen Zusammenhang der Erkrankung mit der Syphilis 
a^eesega. 

Hi8tol<^i8ch entsprach der Befund dem der acuten Myelitis, nur dass zu dem 
ftlde^ wie ee fOr diese letztere Erkrankung typisch ist, noch Veränderungen hinzu- 
getreten waren, die als fOr die Syphilis chära^eristisch bezeichnet werden mussten. 
Meaelben betrafen hauptsächlich die Geßsse. Die Gefässe der Meningen in der 
ÜBgebimg des Bflckenmarks, sowie die in Tumoren desselben befindlichen waren 
tiieiU stark mit Blut gefällt, theils.waren sie hochgradig verengt und selbst ganz 
Tsadiloasen. Die blutflberfflUten Geflüsse hatten bei normaler Intima und Muscularis 
tine verdickte und •mit zahlreichen Kernen besetzte Adventitia, während bei den ver* 
engten Gefieseu hauptsächlich die Intima bedeutend gewuchert und die Adveutitia 
nur zuweilen verdickt war. 

Dieee Qefässveränderungen hatten im Bereiche des myelitischen Herdes die 
gruaste Intensität, erstreckten sich aber im flbrigen auf das ganze RQckenmark. 

Verf* betiacbtei die Erkrankung auf Grund des klinischen, wie pathologischen 
Befundee als eine acute Myelitis, welche auf syphilitischer Basis entstanden ist. Die 
Syphilis hat die Geßsserkrenkung hervorgerufen, und nachdem durch das Weiter* 
•chrmteo des Processes an den Geßsseu die Ernährung hochgradig gestört war, trat 
nt der Stelle des Bflckenmarks, welche fflr acute Erkrankungen die empfänglichste 
a sein scheint, nämlich im Dorsalmark, die Erkrankung auf, welche als acute 
Myelitis za bezeichnen und auf Ernährungsstörungen in diesen Fällen zurflckzufflhren 
ist. Dagegen ist der vorliegende Process nicht der sogen. Rflckenmarkssyphilis als 
Kote Perm unterzuordnen. K. Grube (Neuenahr). 


ao) Anotomioal oonsideration of brain syphilis, witb report of three oases, 
by William C. Kranss. (Buffalo Medical Journal. 1897. April.) 

Verf. berichtet zunächst einen gerichtlich-medlciuisch interessanten Fall von 
HinthAmorrbagie in Folge syphilitischer Gefltssveränderungen.' Ein 35jähriger Mann 


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424 


vurde, nachdem er in betrunkenem Zufitande geschlechtliche Annfthernngsversache 
auf eine verheiratbete Frau gemacht hatte, auf den Kopf geschlagen und starb sofort. 
Die Section zeigte grosse Blntmassen in der hinteren Sch&delfaöhle, die ans einw 
breiten Oefonng der Ä. basilaris, dicht vor ihrer Theilong in die Cerebrales poator., 
stammten. Die ’Basilararterie ze^te starke Endarteriitis mit Bethefl^nng dor 
anderen Qeßsshäate, die an einzelnen Stellen zur Verdickung, an anderen rar Ver* 
d&nnung der Wand geftthrt hatte. An einer der letzteren Stellen war es zur Baptur 
gekommen. Obwohl nichts von einer syphilitischen Infection bekannt war, ist die 
Arterienerkrankung doch mit Sicherheit anf Syphilis zurnckzufOhren. 

Die charakteristische Form der Himsyphilis ist die Gommibildung. Verf. hat 
einen derartigen Pall beobachtet, der allerdings nicht zur Section kam. Eine 23 j&far. 
Frau wurde gleich nach ihrer vor 4 Jahren erfolgten Terheirathung von ihrem Mann 
syphilitisch inficirt. Seit einem Jahre entwickelten sich Cerebralsymptome, heftiger 
Occipitalkopfschmerz, Erbrechen, völlige Erblindung. Es entwickelte sich doppelseitig 
Ptosis. S&mmliche Extremitäten zeigten leichte Parese mit starker Erhöhnn^ der 
Sehnenreflexe. Die Diagnose wurde mit grösster Wahrscheinlichkeit auf einen ^azn- 
mOsen Tnmor im Pons oder im Intercmralranm mit Debeigreifen anf beide Crara 
cerebri gestellt. Es kam zum Exitus; jedoch wurde die Section verweigert. 

Endlich berichtet Verf. einen Fall von syphilitischer Ueningoencephalitis. Sine 
25jährlg6 Frau, die vor 4 Jahren Syphilis acquirirt hatte, klagte Aber KopfBehmeraen, 
Schwindel und Erbrechen. Trotz Quecksilber und Jodbebandlung kam es zü syphi¬ 
litischer Roseola. Jedoch brachte weitere energische Qoecksilberbehandlung 
Besserung. Nach 6 Wochen Bflckfall mit Neigung zum Fallen nach rechts, Photo¬ 
phobie nnd Paraphasie. Der Kopfschmerz war jetzt am stärksten in der linken 
Frontal- und Parietalgegend mit Dmckscbmerz daselbsi Deutliche beiderseitige 
Stauungspapille. Die ganze rechte Körperbälfte, Gesiebt, Zunge, Arm und Bein, war 
leicht paretiseb. Es wurde mit Sublimatinjectionen begonnen. Es kam im weiteren 
Verlauf zu schuell vorObergehenden Anfallen von stärkerer rechtsseitiger Parese mit 
Andeutnug von Aphasie. Alsdann besserte sich der Zustand unter hochgradiger 
Salivation. Erst nach 6 Monaten kam es zu einem B&ckfall mit den alten Symptomen; 
unter colossalen Dosen von Hydrai^. bichlorat snbentan nnd Einreibungen der Ell¬ 
bogen- und Kniegelenke, in denen Pat Aber Schmerzen klagte, mit Quecksilbersalben 
kam es zwar zu allgemeiner Besserung; aber es entwickelte'sich eine Neuritis mer- 
curialis an den Extremitäten. Unter Auslassung der Quecksilbei^räparate ond durch 
elektrische Behandlung schwand anch diese, und es löm zur Heilung. 

Der Sitz der Krankheit war mit Sicherheit in die linke Himbälfte zu verl^^n 
und zwar in die oberflächlichen Partieen der Hirnrinde. Nur dnreh die Anwendung 
ganz ungewöhnlich grosser Qnecksilberdosen — 10 Tage hinter einander. IVs K 
Snblimat intramuskulär — gelang es, den verzweifelten Zustand zu bessern. 

H. Botbmann (Berlin). 


31) Agginnts alle Storla dl an oaao di malattia dl Brb. Nota per Prof. 

Aagusto Murri. (Policlinico. 1897. Vol. IV—VII.) 

Bei der 1896 vom Verf. veröffentlichten Patientin (Polidinico. 1896. Nr. 9 - 
cf. Nenrolog. Centralbl. 1897. S. 269), die im Janoar 1896 starb, ergab die genaue 
Untersuchung des Centrainervensystems: 1. zahlreiche Blutungen und Hyperftmie fbei 
intacten Qefässen) im Himstamme, die Verf. — in Uehereinstimmung mit den Be¬ 
fanden des Bef. — als agonale auffasst; 2. in einem Pr^arate ans dem Hypo^ossus- 
kem (Hämatoxylin) in einzelnen Zellen Kemchromatolyse (verwaschene Zeichnung 
und Umgrenzung des Kerns). Er hält diesen letzten Befund zwar nicht für ein 
charakteristisches Merkmal der „Erb’schen Krankheit'* (Myasthenia peeudoparalytica 
gravis), aber doch fOr wichtig genug, um weiter darauf zu achten. 


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425 — 


.Mit Becht beatraitet er die Beweiskraft der von Tidal und Harinesco ge* 
fbudenen Chroinatolyeen in ihrem nicht reinen Falle (Kenrolog. Centralbl. 1897. 
S. 509); aber Bef. mOchte doch anch Yerfs Befanden gegenOber an einem Cadaver, 
der errt 6 Tage nach dem Tode obdncirt wnrd^ trotz aller Controllversnche, die 
Verf. angestellt hat, scharf die Mdglicbkeit betonen, dass es sich am Ver&nderangeh 
handeln möchte, die postmortal * sind oder doch mit der Krankheit nichts zn than 
habeiL Tobj Cohn (Berlin). 


22) Ein Fall von Myasthenia pseudoparalytioa gravis nnd intermlttirender 

Ophthalmoplegie, von Ä. Enlenbnrg. Tortr^^ and Krankendemonstration 

im Verein flir innere Hedicin am 6. Dec. 1897. (Deutsche med. Wochensohr. 

. 1898. NM.) 

Der 28jährige, aas geennder Familie stammende Patient hatte einige Monate 
vor B^inn des Leidens eine Ualsentz&ndung „mit diphtherieartigem Belag"; keine 
Lass, kein Alkohol* oder Tabakmissbrauch. Ende December 1894 trat ziemlich 
plöt^ich Doppelsehen auf, wobei die Bilder, des rechten Auges bedeutend höher 
standen, und gleichzeitig rechts vollkommene Ptosis; später gesellte sich links ein 
analoger Zostand hinzu. Unter Jod* und Chiningebrauch schwand die „Uhmung“ 
bis Februar 1895 vollkommen. Ende November 1895 zeigten sich die Lähmungs* 
Symptome ganz allmählich zum zweiten Male, und zwar soll der rechte Bectus ini 
zuerst afficirt gewesen sein, dann successive die anderen Muskeln des rechten und 
linken Anges. Wiederum völlige Genesung, so dass bei mehreren in der zweiten 
Hälfte 1896 und der ersten Jahreshälfte 1897 vorgenommenen angenärztliohen Unter* 
SQchungen normales Verhalten der Angenbewegnngen constatirt wurde. Seit Juni 1897 
Unregelmässigkeit der Herzaction mit aufallsweiser Beklemmung. Anfangs Juli 
Dipl^e bei seitlicheo Blickrichtungen und rechter Ptosis, in 2—3 Wochen Er* 
griffensein faist aller äusseren Augenmuskeln. Die Ptosis war abwechselnd rechts 
und links stärker. — Inunctionskuren und Thermalbäder in Oeynhausen hatten nur 
geringen Nutzen, ja es stellte sich gegen Ende der Kur und nachher bedeutende 
Schwäche' in Armen und Beinen (zuerst rechts) ein. 

Status: Beiderseitige totale Ophthalmoplegiä exterior: die äusseren Augen* 
mnskeln sind nicht alle in gleicher Intensität, anch zu verschiedenen Zeiten in leicht 
wechselndem Grade befallen; beim Sehen in der Nähe gekreuzter in der Feme gleich* 
mäseige Doppelbilder. Rechts Dilatation und trägere Beaction der Papille, weiss* 
liebere Färbung der Papille ohne Functionsstörung (später reagirten die erweiterten 
Papillen kaum anf Licht, links active Hyperämie des Opticus, die Doppelbilder 
standen sich näher und rOckten ffir die Nähe bei einem Fass Entfernung znsammen). 
Deutliche Adynamie im Gebiete beider Faciales, besonders an den Angenschliess* 
mnskeln; Schwäche der Ksa*ZangenmaskelQ (ohne Atrophie), der Musknlatnr des 
weichen Ganmens and der Schlingmnskeln. Links starke Herabsetznng des Gehörs 
fhr tiefe Töne (Insnfficienz des Tensor tympani?). Wechselnder Grad von ErmOdbar* 
keit und Mnskelschwäche an Bumpf and Gliedmaassen' mit anffallender Steigerung 
der Mnskelsensibilität für elektrische, besonders faradiscbe Reiznng, and myasthe¬ 
nischer Beaction an den Streckmoskeln des linken Vorderarms, am rechten Extensor 
ind. proprins, andentnngsweise anch an den rechten Interossei. Erhebliche, vorflber* 
gehende Bessernng nach längerer Ruhe. Keine Maskelatrophie, keine Entartnngs* 
reactioD, erhaltene Reflexe, intacte (s. o.) Sensibilität. Diagnose: Myasthenia pseudo* 
paralytica. Auffallend ist das intermittirende oder periodisch recidi* 
virende Auftreten der Ophthalmoplegie mit dazwischen liegenden 
längeren, zum Theil mehr als einjährigen, symptomfreien Intervallen. 

Verf. glaubt, dass der Erkrankung eine Stoffwechselanomalie zu Grande liegt, 
dass die Mnskelschwäche, das Cardinalsymptom, durch Anhänfong von ermfldend 


Dig ü^od Dy CjOO^Ic 



426 


wirkenden Stoffwecbselproducten, besonders muskelermüdenden Stoffen bedingt^ ist. 
Therapeutisch steht zeitig kräftigende Diät und Körperruhe im Vordergründe, daneben 
wären schwache galvanische Ströme, namentlich in aufsteigender Richtung durch den 
Muskel geleitet, zu versuchen (Heidenhain’s recreirende Wirkung). 

B. Pfeiffer (Cassel). 

23) Ueber Myasthenia pseudoparalytloa gravis, von Toby Cohn. Vortr^ 
im Verein für innere Medicin am 12. Jnli 1897. (Deutsche med. Wochenschr. 
1897. Nr. 49.) 

Bei der 16jährigen, -nervös nicht belasteten Patientin trat im Februar 1893 
plötzlich Doppeltsehen ein, dann kurzdauerndes Kopfweh. Dazu gellten sich all* 
mählich Ptosis des linken, später des rechten Anges, Lähmung und Steifheit des 
Gesichts, näselnde undeutliche Sprache, Äthemnoth bei körperlichen Anstrengungen, 
Schluck* und Kaubescfawerden, sowie Schwäche in den oberen, zuletzt auch in den 
unteren Extremitäten. Wernicke diagnosticirte eine chronische atrophische Spinal* 
lähmnng mit Betheilig^ng der Himnerven (ev. amyotrophische Lateralsclerosis + Polio* 
encephalitis sqperior) — vetgl. Dentsche med. Wochenschr. 1893. Nr. 46; Sitznngs* 
bericht der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur. 

Die Untersuchung in der Mendel'schen Klinik eigab folgende Anomalieen: 
Nasale Sprache, etwas leichte und belegte Stimme. Fast complette, doppelseitige 
Ophtbalmoplegia externa, bedeutende Kanmuskelschwäche, beiderseitige, fast totale 
Lähmung der oberen und unteren Facialisäste, Parese des Palatum molle, Schwellung 
des hinteren Larynx und leichte Schwäche der M. adductores laryngis — Anaesthesin 
pharyngis et laryngis. Die etwas dünn erscheinende Zunge wird nur eine ganz 
kurze Strecke herausgebracht. Athmnng: 30 pro Minute; Puls 82. Bedeutende 
Schwäche der Nackenmuskeln und sämmtlicher Muskelgrnnppen an den Oberextremi¬ 
täten mit besonderer Beeinträchtigung der Armhebnng, namentlich in sitzender 
Stellung. Aufricbten aus der Bettlage mit gekreuzten Armen unmöglich; mangelhafte 
Hebung der Beine im Hüftgelenk. Geringe Spasmen, lebhafte Patellarreflexe. — 
Schlaffheit der paretiscbeu Muskeln ohne deutliche Atrophie, ohne wesentliche elek¬ 
trische Veränderungen. 14 Tf^^e später plötzliches Zusammenstürzen in Asphyxie, 
Exitus. — Wahrscheinliohkeitsdiagnose: amyotrophische Lateralsclerose mit hohem 
Beginn, bezw. einer coniplicirenden Himstammerkankung. 

Die genaue bidtologische Untersuchung — makroskopischer Befund normal — 
ergab im gesammten Centralnervensystem Dilatation der Gefösse ohne Wandveränderung 
und zahlreiche frische Blotnngen, namentlich im Himstamm, sonst keine Anomalieen. 
Ganglienzellen intacti (Niss 1-Färbung).. Verf. fasst die Gefasserweiterungen und 
Blutungen als agonal entstanden auf, „vielleicht begünstigt durch eine im Wesen 
der Krankheit begründete, anatomisch nicht nachweisbare (toxische-?) Gefössalteration.** 
Der Verf. zieht die Bezeichnung „Myasthenia pseudoparalytica gravis** den 
anderen, zahlreich voigeschlagenen Namen vor. ' B. Pfeiffer (Cassel). 


Psychiatrie. 

24) Typhoid fever among tbe insane, by Ralph. A. Goodner. (Medicine. 
Vol. III. Nr. 2.) 

Verf. theilt, an der Hand einschlägiger Krankengeschichten, «eine Erfahrung 
über den Einfluss des Typhus auf Psychosen mit Bei 40 Geisteskranken, die an 
Typhus erkrankt waren, konnte er nach Ablauf des Fiebers theils vorübe^ehende 
Besserung, theils dauernde Heilung beobachten, letztere 84^ar in Fällen von vorn¬ 
herein ungünstiger Prognose und hauptsächlich bei der Melancholie. Verf. ist der 


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Ansicht, da«8 Typhös viel seltener Geisteskrankheit hervorrult, als man gewöhnlich 
glanbt. Wo es der Fall, ist es in der Regel die Folge secondärer körperlicher 
Erschöpfung, nicht primärer Tozinwirkung. Erklärt wird dieser gbnätige Einfluss 
des T;^hos durch seine Wirkung auf die Ei^eweide „by renovating and improving 
tfae condition and functions of the intestines“. Bei den Melancholieen ist dieser 
gönstige Einfluss am mächtigsten „as they commonly originate in derangement of tfae 
gastro>entestinal tract“. 

Nach der Ansicht des Bef. hält Verf. noch zu sehr an der Anscfaanung der 
älteren Psychiatrie fest, wonach die Hämorrhoiden, die Stauungen im Phortader' 
System, die „Verstimmungen“ der Unterleib^eflechte eine sehr grosse Bolle bei der 
Entstehung von Geisteskrankheiten spielten. Gegenwärtig sieht wohl die grosse 
Mehrzahl der Psychiater wenigstens bei frischen Geisteskrankheiten in den Verdauungs¬ 
störungen vielfach die Folge der psychisch bedingten Unr^elmässigkeit in der 
Nahrungsaufnahme und nicht die Ursache der Psychose. Bayerthal. 


26) Des psyohoaea religieoses a Evolution pr^ressive et ä systdmatisation 

dite primitive, par Marie et Vallon. (Arch. de. Keurol. Vol. II. 1896. 

Nr. 12. VoL m. 1897. Nr. 13 u. 15.) 

Nach einigen Bemerkungen Aber den Einfluss des Milien auf den Inhalt der 
Wabnideeen bei der chronischen Paranoia — die Wahnideeen im Mittelalter hatten 
•in anderes Gepräge, wie die der Neuzeit — geht der Verf. zur Besprechung der 
religiösen Form der chronischen Paranoia über. Er entwickelt zunächst die Unter¬ 
schiede zwischen den religiösen Wahnideeen der „persöcotös religieuz“ und der 
„meiancholiques religieux“. Bei beiden Gruppen treten Beeinträcbtigungsideeen mit 
religiöser Färbung auf; sie sind beide „Demonomanen“; während aber nnn die „mölan- 
cboliques religieox“ vollständig von dem Teufel in Besitz genommen werden (Dömo- 
aotnanie interne), wirkliche „possödös*' sind, leisten die „persdcutös religieux“ dem 
bösen Geist Widerstand; derselbe gelangt gewöhnlich nicht in den Besitz ihres 
Körpers (dömonomanie externe), wenn dies doch geschieht, so entledigen sie sich des¬ 
selben nach kürzerer oder längerer Zeit; sie gehen stets aus dem Kampf mit dem 
bösen Geist ^ Sieger hervor. Dank einer gewissen mysteriösen Hilfe, deren gött¬ 
licher Ursprung sfch ihnen am Ende enthüllt.' Der Verf. bespricht dann die syste- 
maüscbe Entwickelung der Krankheit, deren drittes Stadium die „Thöomanie“ ist, 
(das Stadinm der Grössenideeen). Der Charakter der bei dieser Erkrankungsform 
aoftretenden Hallncinationen, die verschiedenen Arten derselben, ihre Beziehung zur 
Verdoppelung der Persönlichkeit werden an der Hand von zahlreichen Kranken- 
beobachtungen eingehend geschildert. M. Weil (Stuttgart). 


26) Belehrungm für das Wartepersonal an Irrenanstalten, von Schröter, 

(Wiesbaden 1897.) 

Das vorli^ende Büchlein ist als Leitfaden für die Unterrichtscurse des Warte¬ 
personals gedacht und vom Verf. an der seiner Leitung unterstehenden Anstalt 
Eiehbeig als solcher gebraucht worden. Der Inhalt entspricht im Allgemeinen dem, 
was auch an anderen Anstalten gelehrt wird; ob Abschnitt III mit einem kurzen 
Abriss der Symptomatologie der Psychosen dem Intellect des Wartepersonals — wie 
ich es kennen gelernt habe — noch adäquat ist, erscheint zweifelhaft Der Hinweis 
auf die „socialdemokratischen Anschauungen, welche Freude au Klatschsucht, an 
Verdrehnng der Wahrheit und internationaler Verhetzerei haben“, dürfte überflüssig, 
die politische Stellung eines Wärters, so lange er in der Anstalt darüber nicht spricht 
und seine Pflicht thnt, gleichgültig sein. Unzweckmassig erscheint, in einem für 


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428 


Laien berechneten Buche von „Bisciplinirun^* eines Kranken (S. 21) zn reden. Im 
Uebrigen enthält das Bnch, wie es ja bei der Person des Verf.’s als langjähriger 
Leiter einer öffentlichen Anstalt selbstverständlich ist^ eine grosse Beibe practischer 
Hinweise und Bemerkungen. Lewald (Eowanowko). 

27) Detuc ezemples de la forme affeotive da d4Ure gdndralisA — Ver¬ 
wirrtheit (oonfüsion mentale), par Francotte. (Gand 1897.) 

Terf. nennt „d41ire gönöralis^“ Zustände von Bewusstoeinstrflbnng, in welchen 
Unorientirtheit Qber 'Zeit und Umgebung, mangelhafter Znsammenbang, ev'ent völlige 
Incohärenz der m&ndlichen Aeuaserungen, sowie lUnsionen nnd Hallucinationen be* 
stehen, also im wesentlichen Zustände, welche gewöhnlich als „Verwirrtheit“ be> 
zeichnet werden. Yerf. unterscheidet im allgemeinen vom klinlsch'symptomatologischm 
Standpunkt , ans je nach dem besonderen Hervortreten der betreffenden Erscheinui^en 
das „dölire gÖDÖralisd hallucinatolre“ nnd das „d. g. affectif'; letzteres zerfällt wieder 
in das „d. g. mölancboliqne ou däpressif“, in welchem der nnorientirte Kranke 
„Ideeen . trauriger Natur äussert“, nnd das „d. g. maniaqne on expansif“, wobei 
ausser der Unorientirtheit expansive Verstimmung und HyperacÜvität besteht. Zar 
Ilinstration der beiden letzten Formen führt Verf. je eine ^obachtong an. 

Kaplan (Henbei^e). 


28) L’obaession de la rongeur (dreathophobie), par Pitres et Bdgis. (Arcb. 

de Neurol. Vol. III. 1897. Nr. 13.) 

Unter denjenigen Individuen, die znm Erröthen neigen, unterscheiden die Verffl 
solche, die durch das Erröthen für den Moment in Verwirrung kommen, die aber 
nicht mehr daran denken, sobald das Erröthen vorüber ist; diesen. Zustand nennen 
die VerS. „drentbose simple“. Andere werden von der Idee, dass sie roth geworden 
sind, bennruhigt and verfolgt, selbst in der intervallären Zelt, sie müssen daran 
denken, und häufig bringt dieser letztere Umstand allein sie wieder zum Eiröthen, 
das ist die „drenthose dmotive“. Bei einer dritten Gruppe gesellt sich zu dem un¬ 
angenehmen Gefühl über ihr Erröthen die beständige Furcht roth zu werden, und 
zwar dermaassen, dass sie jeden Augenblick, bei allen ihren Handlangen sich ver¬ 
legen, beunmhigt und ängstlich zeigen; sie erröthen bei den geringsten Anlässen, 
schon aus blosser Angst, dass sie roth werden könnten. Sie bringen die Idee, dass 
sie erröthen müssen, gar nicht mehr los und leben beständig in der Furcht za 
erröthen; bei ihnen tritt also das Erröthen als Zwangszustand auf, diesen Zustand 
nennen die Verff. „Ereuthophobie". Diese „^euthose simple“ hat nichts Patho¬ 
logisches an sich. Unter der Gruppe der „äreuthose dmotive“ finden sich vorwiegend 
junge Leute beiderlei Geschlechts, bei denen die Affectiou zur Zeit der Pubertät 
anftritt, ferner Frauen im Elima^erium; bei diesen ist der Zustand nur vorüber¬ 
gehend vorhanden und verschwindet im Laufe der Jahre. Bei andereu' dauert er 
fort, gleichsam einen Bestandtheil des Temperaments bildend; diese finden sich unter 
den Individuen mit schwacher Coustitution; es sind Tuberculöse, Arthritiker, Nenro- 
patheo. Die „Ereutbophoben“ sind constitntionelle -Nenrasthenikec, einige direct als 
hereditär Entartete zu bezeichnen. Von dieser letzteren Gruppe haben die Verff. 
8 Fälle beobachtet. An der Hand dieser wird die Entwickelung und Sjmptomato-* 
logie des Leidens ausführlich geschildert. Die Verff. heben hmwor, dass die Fälle 
erkennen lassen, dass bei der Entwickelung des Leidens das vasomotorische Moment, 
die Tendenz znm Erröthen, welche gewöhnlich ererbt ist, die Scene eröfhet, dann 
kommt das emotionelle Moment, das Gefühl der Verwirrnng und Verlegenheit, hinza, 
dann erst das intellectuelle, die Zwangsvorstellung. 

Den Schluss der Arbeit bildet eine psychologische Analyse der Affectkm, wdohe 
die Verff. zu der Ansicht ffihr^ dass bei derselben die Emotion das fundamentale 
und constante Element ist nnd nicht die Vorstellnng. M. Weil (Stuttgart). 


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429 


HL Aus den Oesellsohaften. 

Verhandlusgen dea 16. Ooxkgresaes fdr innere Medioin 
vom 13.—16. April 1898 zu Wiesbaden. 

Von Vortr^n nenrologisclien [nhaltes beben wir Folgende hervor: 

Sdinger (Frankfurt a./M.): Experimentelle Erzeugung tabee&hnliober 
Bfiokenmarkskrankheiten. 

Wenn die Anforderungen, welche man an die Leistnng einer Nervenfaser stellt, 
abDono hohe sind, dann jeicbt der normalerweise der Function gegenflberstehende 
Sraats nicht ans, and es kann zn Zerfall der Faser kommen. Die sogen. Arbeits- 
paresen sind dafür gnte Beispiele. Es kann auch — falls der Körper geschw&cht 
»t — der normalen Function gegenüber der Ersatz angenügend sein. Dann wird 
schon diese zu Faseruntergang führen können.. Der Vortr. hat an diese Iieitsätze 
ukDüpfend schon vor Jahren eine Hypothese mitgeth^t, welche besagt, dasa viele 
Nervenkrankheiten, insbesondere die der Neuritis und der Tabes nahestehenden so 
IO Staude kommen, dass im durch Syphilis, Heredität u. s. w. disponirten Organismus. 
der Donnalen Function ein ungenügender Ersatz g^enübersteht Ein besonders gutes 
Beispiel für seine damals ausführlich erörterten Anmchten boten die BOckenmarkskrank» 
bttten der Anämischen, denen er heute die bei Cachektischen, Carcinomatösen, Ad¬ 
dison 0 . 8. w. vorkommenden Affectionen anschliessi Der bis dahin nur klinisch ge¬ 
stützten Lehre hat er jetzt im Verein mit Helbing eine experimentelle Basis geben 
können. Wenn man gesunde Batten lange schwer arbeiten lässig erkranken neben spur- 
weisen Veränderungen in verschiedenen Theilen des Bückenmarks die Hinterstränge und 
Hinterwurzeln ganz wie bei Tabes. Sie degeneriren progressiv. Viel schneller aber 
kann man die tabesartigen'Veränderungen bekommen, wenn man die Thiere während 
der ganzen Versucbszeit anämisch hält Das zu der Anämlsirung nach dem Vorgänge 
Ton V. Voss iMnutzte Pyrodin erzeugt an sich so gut wie keine Vekänderungen. 
Damit ist jedänfalls der sichere Nachweis erbracht, dass Hyperfunction, 
auch relative, im stande ist Hinterwnrzelkrankheiten zu erzeugen. Für 
die Anffassang und die Therapie der Tabes ergeben sich hier neue 
Qeziehtspnnkte. Vortr. erläutert -an den einzelnen Tabessymptomen wie sie alle 
in der Beibenfolge der Inanspruchnahme zu Stande kommen, wie die Function auf 
knakhaftem Boden das Symptomenbild schafft Wie die wechselnde Beleuchtung 
lonichst den Lichtreflex der Pupillen, die viel in Anspruch genommene Accommo- 
dation später den mitsprechendeu Beflex zum Untergang bringt, wie die satischen 
Apparate und die Sehnenreflexe früh leiden müseen und wie sich später auch die 
rasistmiterM motorischen Neurone (Zangen und andere MuskelatropUeen) als ge- 
sätidigt verratben. Oelegmitlicb, aber seltener werden sogar die Magen- und Herz- 
Mrv«n geecbädigi Die Blasenlähmung &88t Vortr. ganz spedell als entstanden 
dzieh in langes Bambaltmi auf. Sie lässt sieh vermeiden, ja es gelingt überhanpt 
dm Fwtschreitmi der Ataxie und anderer Störungen Einhiüt zu gebieten, wenn man 
dei Gmndsätz» entsprechend handelt» welche, die Fnnctionshypothese bringt Vortr. 
bat, stit er so verfährt, nur noch ganz wenige Fälle. von Tabes schlechter werden 
gvs^ea. Vortr. glaubt auch durch entsprechende Bathschläge an Syphilitische und 
a solche, welche bereits EVflbsymptome der Tabes zeigten, dem Fortschritt da und 
dort Einhalt geboten tu haben. Auf die therapeutischen Grundsätze wurde näher 
«ingagangen und spedell davor gewarnt die jetzt viel getriebene Bewegungstherapie 
ZBuwendea, wem man nicht durch ein gut gradoirtes Gewicht das Gewicht der 
Beils aasgleichen kann. Jede Anstrragung kann bei Tabischen zum Verlust des 
aBgeetrengten Neimms führra. Genaue Anamnesen zeigen, dass in ziemlich allen 
VMi Vortr. beohac^eten F^n dw Anstrengung eine* verarsacb^de, bezw. ver- 


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430 


schlechtemde Wirkung zukam. Einige Beispiele erläutetn, dass isolirte Thsüe, eine 
Pupille allein, die Anne, welche Krücken tragen u. s. w., erkranken können. 

In der Debatte wies Vortr. darauf hin, dass das motorische Kenron zweifellos 
resistenter sei, als das sensible, dass es dabei bekanntlich bei alten Tabesfallen ancli 
erkranken könne. Schulze antwortend will er nicht leugnen, dass anch Gliflwirkui:^ 
da und dort yorhanden sein könne, aber er verlangt jedesmal den Kachweis, wie 
viel dem Gifte und wie viel nur der Functionsweise an der Schädigung zukommt. 
Einscblagende Versuche, die diphtherischen Lähmungen betreffend, sind im Gange. 

Der von Stricker berichtete Fall von rasch eintretender Athemsohwftolie bei 
einem Individuum mit angeborenem atrophischen Vagus findet ein Analogon in der 
Friedreich’schen Tabes, deren Veränderungen Vortr. auffasst als zu Stande kommend 
durch die Function des Gehens und Stehens bei Individuen mit angeborenem kleinen 
Rflckenmarke. Das gleiche gilt' für die cerebellare Form der gleichen Krankheit, wo 
mehrfach zu kleines Cerebellum gefunden worden ist Immer bandelt es sich, ganz 
wie bei den Versuchsratten, um einen Fasemntei^ang, wo der normalen Function 
ein ungenügeoder Ersatz gegenübersteht. 

Discussion: 

P. Jacob (Berlin) knüpft an die Bemerkungen Edinger’s an, dass bei der 
üebungstherapie die grösste Vorsicht anzuwenden sei, um keine Ueberanstrengungen 
hervorzufen. J. hat gelegentlich seiner Vorträge über dieses Thema nachdrücklichst 
gerade auf diesen Punkt hingewiesen, und betont, dass die üebungstherapie nur 
unter Aufsicht eines in derselben bewanderten Arztes vorgenommen werden sollte. 
Während der ersten Wochen sollen die Glieder der Patienten theils passiv durch 
geeignete Schwebevorrichtungen, Galgen u. s. w., theils activ durch die Hand des 
Arztes gehalten und an die betreffenden Punkte die getroffen werden sollen, geführt 
werden; und erst allmählich wird den Patienten eine gewisse Selbständigkeit ein¬ 
geräumt. Schliesslich betont J. noch, dass es zwar nicht unbedingt erforderlich, 
aber aus den verschiedenen Gründen sehr zweckmässig ist, die Üebungstherapie an 
geeigneten Apparaten anszuführen. 

J. Gad (Prag): Fhysiologisohes aor Nenronlehre. 

Vortr. hebt hervor, dass die neueren Bereicherungen unserer Kenntnisse von dem 
feineren Bau des Centralnervensystems das wahre, physiologische Verständniss noch 
wenig gefördert haben. Die ZaM der mit den histologischen Befanden vereinbarten 
Erklärungsmöglichkeiten und Hand in Hand damit die Zuversicht auf eine schliess- 
liehe Erklärung vieler centraler Processe sei zwar gewachsen, die Entscheidung 
zwischen den verschiedenen Erklämngsmöglichkeiten zunächst aber erheblich erschwert 
Hit den Collateralen namentlich sei der Hypothesenbildung Thür und Thor geöffnet 
ünter allen ümständen müsse an .dem Grundsatz festgehalten werden, dass die für 
die peripherischen Kervenfasem sicher nachgewiesene Doppelsinnigkeit der liOitungs* 
nihigkeit im Centralnerven^stem Ünterbrechungen erfahre. Auf Grund physiologischer 
Thatsachen tritt Vortr. dafür ein, dass die Nervenzellen des Centralnervensystems 
Durchgangsorte der Erregung seien und doch io oder zwischen' ihnen Hindernisse 
für allseitige Ausbreitung der Erregung gegeben wären. Vortr. vertheidigt zwar 
gegen Kölliker seine AufTassung der Protoplasmafortsätze (zunächst der motorischen 
Ganglienzellen) als erregungsleitende Gebilde, glaubt aber auf Grund physiologischer 
Thatsachen (ebenso wie Ramön y Cajal auf Grund histologischer) anuehmen za 
müssen, dass sie die Erregung (oder Hemmung) nur ihrer eigenen Zelle und deren 
Azencylinderfortsatz übermitteln und nicht von ihr aus weiter tragen zu anderen 
Neuronen. Die Spinalganglienzelle werde wahrscheinlich von der durch die sensible 
Nervenfaser zugeleiteten Erregung durchsetzt und diese gelange erst durch Ver* 
mittelung der Zelle zur hinteren Wurzelfaser, doch erscheine es deshalb nicht geboten, 
erstere als Protoplasmafortsatz und nur letztere als Azeni^linderfortsatz zu deuten; 


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431 


hierfOr fehle die faistologieche Orandlage. Vortr. discotirt ferner die mögliche Be- 
deatoDg einiger seltener histologischer Befonde, so von CoUateralen an Axencylinder- 
fortsätaen motorischer Nervenzellen; von langen Protoplasmafortsatzen dieser Zellen, 
welche sich erst nach Krenznng in der centralen Commissar zu Dendriten auflösen; 
sowie von* CoUateralen der Vorderseitenstrangfasem, welche sich in den Hintersäulen 
n Endbäumchen anflösen, um sich mit solchen von hinteren Wnrzelfasem zn ver- 
seluinken. 

. Oscar Wyss (Zürich): tJeber aoute bämorrhogisohe Uyelitis. 

Vortr. berichtet über eine klinisch and makroskopisch anatomisch als acute 
hämorrhagische Myelitis zn dentende Erkrankong, in welcher durch genaue histo¬ 
logische Untersnchnng nachgewiesen werden konnte: 

1. die dnrch die ganze Länge des Bflckenmarks verbreiteten, in dessen Mitte 
niazimslen Blntextravasate sind bedingt durch vielfache Venenthrombosen der Venen 
des Rückenmarks, sowie znm Theil auch der Pia; 

2. der sichere Nachweis, dass die Thromben intra vitam existiren, ist durch 

a) die steUenweise reichlichen hyalinen Thromben in kleineren GefäsSen, 

b) durch Blutplättchenthrombeo und geschichtete Thromben io grGsseren, 

e) durch Reaotionserscheinnngen seitens der GeHisswaadungen (Leukocyten- 
Infiltration der letzteren; Imigration von Leukocyten in den Thrombus von der Veneo- 
waod her) geleistet; 

3. die Thrombosen und die Blutextravasate sind die Ursache der Rückenmarks- 
erweidmng, bezw. sogen. Myelitis (hoc loco im anatomischen und klinischen Sinne); 

4. als Ursache der Bückenmarksvenenthrombose ist, da die Arterien an der 
Occlnsion sicht participirten, ein vorhandenes Neoplasma, ein Gliosarcom der Rücken- 
markssobstanz anfzufassen, das das Rückenmark an einer umschriebenen Stelle com- 
primirte und theilweise auch zerstürt hatte; 

6. der Tumor selbst war derart* von thrombosirten Gefassen und Blutextravasaten 
darchsetzt, dam seine makroskopische Erkennung unmöglich, und sogar seine mikro¬ 
skopische Diagnose sehr erschwert war. Die Klarlegung des Falles ist nur der 
modernen histologischen Färbetechnik und Serienschnitten zn verdanken. 

Jacob (Berlin): Ueber DuralinfUsion. 

Im Jahre 1891 hatte Quincke auf dem 10. Congress für innere Medicin über 
ein neues Verfahren berichtet, nach welchem es ihm gelungen war, dnrch Einstich 
in den Rflckenmarkscanal die darin beSndUche Flüssigkeit zu entleeren. Diese von 
Qainke als Lnmbalpunction bezeichnete Methode ist während der letzten Jahre von 
dm meisten Kliniken anfgenommen worden und hat wichtige diagnostische Äuf- 
ächldsse ergeben; dag^n hat dieselbe therapeutisch nur wenig geleistet Um letzteres 
zu erreichen bat Vortr. seit 2 Jahren Versuche ausgeführt und berichtet über die¬ 
selben. Diese Versuche bezwecken zunächst, genaueren Aufschluss über die Druck- 
verhältnisse zn erheben, welche in der Himrückenmarkshöhle unter normalen wie 
pathologischen Verhältnissen bestehen. 

Es ergab sich, das« m gelingt> bei normalen Thieren grosse Mengen von Flüssig¬ 
keit in die Himrückenmarkshöhle zn infundiren, ohne dass irgend welche erhebliche 
Störungen danach eintreten. Ans diesem Gmnde wird die von dem Vortr. als Dural- 
mfumon benannte Methode in manchen Fällen von Himhautentzündnng u. s. w. 
Ofinatigea leisten können, nm so mehr, als wie aus einer zweiten Reihe von Ver¬ 
suchen hervorgeht, es auch gelingt, direct medicamentöse Stoffe in den Subarachnoidai- 
num zu bringen. Die Versnche wurden bisher grösstentheils an Hunden ausgeführt; 
doch glaubt der Vortr. dieselben soweit abgeschlossen zn haben, dass er die An- 
venduog der Methode auch in den diesbezüglichen KrankheitsHillen beim Menschen 
empfehlen kann. 


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482 


Sternberg (Wien): lieber dieLfthmungen des äuisereiLAooeesoriiisttstes. 

Qraaue EeoDtnifis der Nerven, welche die Halsmuskeln versorgen, ist fOr die 
Beortheilong der Lähmungen und die Diagnose vieler Bflckenmarkskrankheiten äusserst 
wichtig, lieber die Verhältnisse im Gebiete des sogen, äusseren Astes dos N. acces- 
sorius besass man nun bisher keine gesicherten Kenntnisse, weil die massgebendsten 
Forscher ihre Schlösse nur aus klinischen Beobachtungen abgeleitet und wider* 
sprechende Besultate erhalten hatten. Vortr. hat Experimente an Affen angestellt.. 
Die seit 2 Jahrhunderten rätbselbaftS „doppelte“ Innervation des Stemocleidomastoideus 
durch den Accessorius und die Cervicatnerven klärt sich dahin auf, dass der Acces* 
sorius die motorische, die Cerviceläste die sensible Innervation dieses Muskels be¬ 
sorgen. Der Trapezius wird von beiden Nervenästen piotorisch versoi^ Neue 
Beobachtungen des Vortr. bestätigen die Ansicht Bemak’s über die Vertheflung der 
Nervenfasern in diesem Moskel, insbesondere ein Fall von Lähmung, die dadurch 
entstanden war, dass ein'Kind zum Scherze am Kopfe in die Höhe gehoben wurde. 

Kohlrausch (Hannover): Heber Aufisahme photosraphieohet Bilder¬ 
reihen vom Gange nervenkranker Personen nnd deren Wiedergabe daroh 
Projeotion. 

Die vorzuföhrenden Bilderreihen sind mit einem vom Vortr. öonstniirten Apparat 
in grossem Format auf 26 Platten (9X12 cm) aufgenommen und werden in gleicher 
Tactfolge, wie bei der Aufnahme, wieder auf die Leinwand projicirt So werden die 
Eigenthömlicfakeiten der Gangstörui^n verschiedener Krankheitsformen, Tabes dors. 
in verschiedenen Stadien, Herdsclerose, Schüttellähmung u. a. m. an überlebensgrossen 
Figuren sichtbar gemacht. Vortr. verdankt diese Anregung Herrn Prof. Hitzig (Halle). 

Der Anfnahmeapparat, ursprünglich für physikalische Untersuchungen nnd zur 
Zerlegung turnerischer Bew^ungen hergestellt (auch solche turnerischen Bewegungen 
werden vorgeführt), ist zur Untersuchung kurzer periodischer Bewegungsvoigänge, 
wie des' Doppelscbrittes eines Kranken, besonders geeignet, weil die Bilder ver* 
hältnissmässig gross und detailreich werden, nnd weil die Aufnahme in völligem 
Gieichtact erfolgt. Er ist älter als der Kinematograph, der die grössere Zahl von 
Bildern vor jenem voraus hat, also für länger dauernde Bewegnngsvoigänge besser 
geeignet ist, aber sehr viel kleinere Bilder. liefert nnd keine Gewähr für gleich* 
mässige Tactfolge bietet 

Die Aufnahmen erfolgen bei dem Apparat vom Vortr. auf rotirenden Platten 
hinter rotirenden Objectiven, die Wiedergäbe geschieht vermittels rotirenden Lichtes 
durch Diapositive, die im Kreise fes^estellt sind. Der Projectionsapparat ist äusserst 
einfach construirt (auch die Auswechselung der Bilderreihen ist leicht und schnell 
zu bewerkstelligen) und würde sich besonders zur Demonstration der Gangstörnngen 
beim klinischen Unterricht ei^en, da die Bilder sehr gross, klar und detailreich 
sind und in Folge der Herstellung der Diapositive ruhig liegen. 

Vortr. denmnstrirte seinen Apparat am 16. April im Kurhause etwa 60 Mitgliedern 
des Congresses. 

6. Laquer (Wiesbaden). 


Um EinBendnng von Separatabdrücken an den Herausgeber wird gebeten'. 

Einsendungen für die Bedacfion sind zu richten an Prof. Dr.E.Mendel, 
Berlin, NW. Schiffbauerdamm 20. 

Verlag von Vbit & Cokp. in Leipzig. — Druck von Mbtsqbb & Wittm in Leips^ 


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Uebersicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie 
und Therapie des Nervensystems einschliesslich der Geisteskrankheiten. 

Heraasg^eben von 

Professor Br. E. Mendel 

Siebzehnter " Jahrgang. 

Monatlich erscheinen zwei Nommem. Preis des Jahrganges 24 Mark. Zn beziehen dnrcb 
alle Buchhandlungen des ln- nnd Auslandes, die Postanstalten des Deutschen Reichs, sowie 
direct von der Verlagsbuchhandlung. 

15. Mai. “ Nr. 10. 

I. Origlnalmlttheilungen. 1. Beitrag zuin Faserverlaof der Hinterwurzeln im Cervical- 
marke des Menschen, von Oocent Dr. Karl Schaffer. 2. Nervenendigung in den Central¬ 
organen, von Dr. med. Leopold Auerbach, Nervenarzt zu Frankfurt a./M. 

il. Referate. Anatomie. 1. De oorsprong der motorische oogzenurven bij de vogets, 
door Jelgerstna. 2. Ueber die Ziele der modernen Ncrvenzelleoforsehungen, von Goldscheider 
und Fiatau. — Experimentelle Physiologie. 8. La non-eqnivalence des deuz hemi- 
spberes cerebranx, par Klippel. 4. The vaso-constrictor fibres of the great auricnlar nerve in 
toe rabbit, by Fletcher. 5. Der Einäass des Quecksilbers auf das Nervensystem des Kaninchens, 
ton Brauer. 6. Ueber Bogengänge und Raamsinn. von Breuer. 7. Salle funziuni dei canali 
bcmicircolari, per Lugarl. — Pathologische Anatomie. 8. Ricerohe solle lesioni delle 
fibre nervöse spinal! nelle psiconevrosi acute e contriboto anatomien allo studio della paralisi 
spinale spastica, per Donaggio. 9. Solle alterazioni delle cellole nervöse dell’ asse cerebro- 
spinale consecutive all’ inanizione, per Ganfini. 10. Cbanges in the central nervous system 
after aseptic injury, by Sailer. — Pathologie des Nervensystems. 11. Patogenesi e 
semeioiogia della vertigine, per Sllvagni. 12. Einige Bemerkungen zur Lehre vom Obren- 
Schwindel, von Ebstein. 18. Ueber einen typischen Fall von .Meniere’scher ASection. — 
Heilnng, von Bing. 14. Les hydrocephalies, pur d'Astros. 15. Sarcoma della fossa crauicu 
posteriore destra con idrocefalo o scolo di liquido cerebro-spinale del naso, per Campo. 
16. Chronic hydrocephalus treated by intercranial drainage, by Sutherland. 17. Ein Beitrag 
za den selteneren Fällen der Sehstömngen bei intracraniellen Erkrankungen, von Uhthofi. 
18. Die Bedeutung der Äugeustörungen für die Diagnose der Hirn- und Rückenmarks- 
krankbeiten, von Schwarz. 19. Ein transparenter Kugelpcrimeter aus Celluloid für den Hand¬ 
gebrauch, von Ascher. 20. Coutributo allo studio delle paralisi alternanti dei muscoli uculuri, 
per Mingazzini. 21. Remarques sur quelques troubles oculaires depeudant de l'etat general, 
par Berger. 22. Zur Symptomatologie der Augenmuskellähmungen, von Sachs. 23. Augeu- 
maskellähmongcn durch Geschwulstmetastasen. von Elschnig. 24. Doppelseitige congenitale 
externe Ophthalmoplegie, von PflDger. 25. La dissocintion de la visioii binoculaire cbez 
qoelqnes strabiques et quelques hysteriques, ä propos d’un cas d’amaurosc nionocolaire 
bvsterique, pur Antonetli. 26. Ueber Paralysis agitans und ihre Bebandlnng, von Erb. 
27. Puralysis agitans und Senilität, von Sander. 28. Paralrsis agitaus at thirty-four years 
of age, immediately following typhoid fever, by Fry. 29. Ueber das Zittern bei Paralysis 
agitans, von Gerhardt. SO. Tremor ten gevolge van induenza, door de Buck en de Moor. 
31. Psychro-aesthesia (cold sensations) and psychru-ulgia (cold pains), by Dana. 32. ^n- 
Beitrag zu den primären corobinirten Systemerkrankungen im Kindesalter, von Luce. 
33. Ueber amyotrophiscb-paretische Formen der combinirten Erkrankungen von Nervenbahnen 
(sog. primäre combinirte Systemerkrankungj, von Pal. — Psychiatrie. 34. La copfnsion 
mentale primitive et secondaire, par. de Moniyel. 35. Acute hallucinatore waanzin, genezen 
door cataractextractie, door Meljer. 36. Een paar gevallen van periodische Krankzinnigheid, 
door van Kip. 

III. Aus den Gesellschaften. Unterelsässischer Aerzteverein in Strassburg. — Gesellschaft 
der Neoropathologen und Irrenärzte zu Moskau. 

IV. Bibliographie: Gehirndurehsebnitte zur Erläuterung des Faserverlaufs, von Nebelthau. 

V. Mittheilung an den Herausgeber und Erwiderung darauf. 

VI. Vermischtes. XXlli. Waiidetversammlung der südwestdeutschen Neurologen uud 
Irrenärzte. 

28 


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434 


I. Originalmittheilungen. 


[Aus der Nervenabtheüung und dem histolog. Laboratorium des städtisohen 
Sichenbauses „ Elisabeth in Budapest] 

1. Beitrag zum Faserverlauf der Hinterwurzeln im 
Cervicalmarke des Menschen. 

Von Docent Dr. Earl Sotaaffer, Ordinarius der Abtheiinng. 

Die Fr^e über den Aufbau der Hinterstränge, speciell über die Rolle der 
Hinterwurzeln ist, trotz der sich immer häufenden so experimentellen wie 
pathologisch-anatomischen Forschungen, in all ihren Einzelheiten noch nicht 
gelöst Die fundamentalen Arbeiten von Simqsb und Mürzes, von Kahles 
und Pick, welche eine erfreuliche Bestätigung durch die Mittheilungen von 
SoTTAS, Pfeiffeb, Souques u. A. gefunden haben, entheben uns allerdings 
nicht der Aufgabe, Fälle von reinen Wurzelläsionen beim Menschen zu bearbeiten, 
um dadurch die Kenntniss über die Antheilnahme der dorsalen Wurzeln im 
Aufbau der Hinterstränge zu vertiefen. Im llachfolgenden wiU ich eben über 
zwei Fälle von Wurzelerkrankung berichten, welche sehr geeignet sind, einen 
Beitrag zur oben angeföbrten Frage zu liefern; vorangehend sei mir jedoch 
eine kurze Bemerkung über die Forscbungsmethoden des fraglichen Themas 
gestattet. 

Die Erschliessung des Aufbaues der Hinterstränge geschah lediglich mit 
Hülfe zweier Methoden. Die ältere, in ihren Resultaten jedoch noch nicht ab¬ 
geschlossene Methode ist die Markscbeidenentwickelnng Flechsiges, welche in 
den Hintersträngen je nach der Reihenfolge der Medullarisation sich abgrenzende 
verschiedene Territorien ergab.^ Nachdem die wesentliche Antheilnahme der 
dorsalen Rückenmarkswurzeln im Aufbau der Hinterstränge genügsam bekannt 
ist, so steht es wohl ausser allem Zweifel, dass die nach gewissen Arealen sich 
vollziehende Medullarisation der Hinterstränge gleichbedeutend ist mit der, in 
gewissen Portionen der dorsalen Rückenmarkswurzeln ablaufenden Markscheiden¬ 
bildung. Die Mjelinisation stellt somit einen electiven, weil gesetzmässig 
auf bestimmte Wurzelabschnitte i. e. Hinterstrangstellen sich beschränkenden 
Vorgang dar, von welchem in manchen Punkten die Resultate der soeben zu 
erwähnenden zweiten TJntersuchungsmethode abweichen. Letztere besteht darin, 
dass entweder experimentell mit dem Messer am Thiere, oder durch einen 
circumscripten pathologischen Process am Menschen (carcinomatöse oder tuber- 


* Besonders Flechsig: Ist die Tabes eine SystemerkrankaogP Neorolog. Ceotnl- 
blatt. 1890. 


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485 


colöse UmwacbsuDg und schliesslich Krstickung der HinterwuTzeln) die dorsalen 
Roekenmarkswaizeln zerstpöit werden und durch die darauffolgende secundäre 
Degeneration der intraspinale Verlauf sichtbar gemacht wird (SmosB, Sdyoeb 
a Müxzeb, Kaht.fr u. Pick, Schultzb, Tootb, Sottas, Souques, Dejebine, 
Pfeiffeb, C. Mayeb u. A.)* 

Sollen wir nun in Flechsiu’s Zonen gewisse Systeme erblicken, welche 
ins dem gesammten sensiblen System ln Folge des electiven Vorganges der 
Hyelinisation sich herausbeben, und welchen eventuell gewissermaassen differente 
physioli^che Leistungen zukommen (V), so erscheint die experimentell-patho¬ 
logische Methode, wie ans Obigem ersichtlich, nur zur Feststellung der Topo- 
mpbie der Wurzelantheile der Hinterstränge. Beide Methoden haben ihre Be- 
leehtigoDg und Nutzen; insbesondere ist die experimentell-patholc^ische Methode 
in Folge ihrer einfachen und präcisen Resultate in erster Linie dazu geeignet, 
ans über die Bolle der dorsalen Rückenmarkwurzelu im Aufbau der Hinter- 
^tnnge einen klaren Einblick zu verschaffen. 

Fall 1. Bei der TOjährigen Frau lautete die Diagnose auf Pacbymenin- 
däs cervicalis. Die Section ergab eine, der dorsalen Fläche der spinalen Dura 
aitlang der obersten drei Dorsalwurzeln anhaftende tuberculöse Granulation 
;s.Rg. 1), sowie eine Verdickung der Dura. Die zweite und dritte Dorsalwurzel 
l'eiderseits ist zwischen dem Spinalganglion und dem Duralsack in ein dickes 
Giaaulationsgewebe ebenfalls tuberculöser Natur eingebettet Dementsprechend 
vTscbeiaen die 2. und 3. hintere Dorsalwurzel bereits makroskopisch abgeplattet, 
relblich durchscheinend, total degenerirt (s. Fig. 1), während die Vorderwurzel 
deiselben Höhe mikroskopisch eine Entartung viel minderen Charakters zeigt, 
näoüich stellenweise hochgradige Varicosität und Myelinscbolleu nebst dilatirter, 
prall gefüllter Gefasse, central in der motorischen Wurzel liegend. 

Dieses Bild entspricht wohl sicher der von Bbegmamn, Dabksouewitsch, 
C. Mateb ü. A. beschriebenen aufsteigenden Degeneration der motorischen Hiru- 
Hockenmarksnerven. Mikroskopisch zeigt das Rückeumark in der Höbe zwischen 
i- Dorsal- und 8. Cervicalwurzel ganz beginnend-myelitische Veränderungen: 
fas Mark ist diffus, auf dem ganzen Querschnitt blasig gedunsen, Gefasse prall 
gefüllt, stellenweise erscheint die weisse Substanz siebartig durchlöchert Von 
‘fer 8. Cervicalwurzel aufwärts hören aber diese Erscheinungen vollkommen auf, 

graue wie weisse Rückenmarkssubstanz erscheint vollkommen intact, ab- 
gesehen von jenen secundären Veränderungen in den Hintersträngen, welche 
un der totalen Degeneration der 2. und 3. sensiblen Dorsalwurzel sich ergeben 
müssen. Wie ein Blick auf die Figg. 1—4 lehrt, so erscheinen in den Hinter- 
ftrangen rechts und links symmetrisch gelegene Degenerationsstrejfen, welche, 
im oberste Dorsalmarke noch dem Apex des Hinterhorns anli^end, aufwärts 
median gelagert sind. Des Näheren gestaltet sich der Verlauf des ent- 
iiteten Streifen folgend: 

2. Dorsalworzel. (Fig. 1.*) Der Spitze des Hinterhorns liegt beiderseits 


' Simmtliehe Figaren lind nach Wbiobbt behandelten Präparaten gezeichnet. 

28 * 


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436 


ein schmaler lichter Streifen an, welcher aus, au markbaltigen Fasern armem 
Gewebe besteht. Diese Stelle entspricht der sogen. Wurzelzone. 

ö. Cervicalwurzel. (Fig. 2.) Der degenerative Streifen hat eine auf¬ 
fallende Verschiebung medianwärts erlitten, indem derselbe hart an das Septum 
paramedianum gerückt ist, von welchem es an der dorsalen Peripherie des 
Hinterstranges nur durch einen kleinen dreieckigen Zwickel markhaltigeu Ge¬ 
webes (r) getrennt ist. Der Streifen hat die Form eines schwach gekrümmten 
Bogens, dessen Convexität einwärts gerichtet ist und dessen zwei Enden schwach 
keulenförmige Anschwellungen aufweisen. Der dorsale Keul des entarteteu 
Streifens reicht bis au die dorsale Peripherie des Hinterstranges, während der 
ventrale Keul den lateralen Theil der hinteren Commissur streift. Aus dem Ix^u- 


Fig. 1. Dh — hyperplastische Dura, 

A = Arachuoidea, « = degeuerirte sensible 
Wurzeln, m = aufsteigend entartete muto- 
rische Wurzeln, T= tuberculöse Granu¬ 
lation. 

förmigen Verlauf wird es verständlich, dass der Scheitel des entarteteu Bogens 
fast au den mittleren Theil des Septum paramedianum heranrückt, während 
die abgekrümmten, keulenförmigen Endstücke bereits im medialen Abschuitte 
des sogen BuRDACH’schen Stranges zu liegen kommen. 

5. Cervicalwurzel. (Fig. 3.) Der d^enerative Streifen behält seine Po¬ 
sition, nur seine Form ändert sich, indem der Scheitel des Bogens sich aus¬ 
wärts krümmt, somit mit seiner Convexität nun auswärts blickt. Die knopf- 
förmigen Eudanschwelluugen nehmen beinahe denselben Platz ein wie in der 
Höhe der 8. Cervicalwurzel, nur mit dem Bemerken, dass der dorsale Keul das 
Septum paramedianum so zu sageu berührt, während der ventrale Keul niil 
seiner schwanzähnliehen Verjüngung dem Septum mediauum beinahe auüegt 
Somit erscheint, Alles in Allem, der degenerative Streifen in dieser Höbe nocl 
mehr mediauwärts gerückt. 

2. Cervicalwurzel. (Fig. 4.) Die degenerirte Zone liegt dem flaschen 
förmigen GoLL’schen Strang eng an, hat die Form eines auswärts convexei 
Bogeus, welcher mit seinem dorsalen Ende die hintere Peripherie des Hintei 



Fig. 2. z = markbaltiges Gewebe. 



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437 


Stranges •erreicht, während sein ventrales Knde dem Septum, mediamim post, 
geh eoe anschmiegt und die hintere Commissur streift. 

.Ausser der soeben geschilderten aufsteigenden Degeneration liess sich 
im vorliegenden Falle auch eine absteigende Entartung wahrnehmen, welche 
darin besteht, dass in der Höhe der 4. Dorsalwnrzel in beiden Hintersträngen 
symmetrisch gelegene, schwache Entartung zeigende Stellen sich vorfinden, 
»eiche genau dem ScHULTZB’scheu Komma entsprechen (s. Fig. 5). Tiefer liess 
ach diese Degeneration nicht verfolgen. 

Das kurze Kesumä des vorliegenden Falles lässt sich im Folgenden geben: 

.Auf die Läsion der 2. und 3. Dorsalwurzel durch Unwucherung mittelst 
töberculOser Granulation entsteht die totale Entartung der genannten Wurzeln 
und zwar nicht nur in deren extraspinalen, jedoch intraduralen, sondern zu¬ 
gleich in dem intraspinalen Verlauf derselben. Die intramedulläre Wurzel- 
d^neration giebt sich in der Hohe der 2. Dorsalwurzel durch ein, die Wurzel- 



Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. 


Zone uccupireudes, degeueratives Feld kund, welches in den höheren Etagen in 
Fonn eines bugenartigen Streifens entlang der ganzen Dicke des Hinterstrauges 
unmer näher dem Septum paramedianum, somit einwärts rückt, und letzteres 
iD der Höhe der 5., noch mehr aber in jener der 2. Cervicalwur/el auch er- 
rachL Somit erscheint der GoLL’sche Strang vou der 5. Cervicalwurzel ange¬ 
fangen aufwärts von einem Saum degenerirten Gewebes umrändert, jedoch. sei 
hier hervuigehoben, dass der entartete Saum nicht absolut degenerirt erscheint, 
da er in sich noch, wenn auch etwas spärlich, gesunde markhaltige Fasern 
liirgt. Die geschilderte Wurzelläsion Ist auf die Streke von einer Wurzel auch 
abwärts von absteigender Entartung gefolgt, welche dem Typus der Schultze- 
!^D kommaformigen Degeneration genau entspricht. 

Fall 2. Im Rückenmarke eines dementen, an pnralytiformen Krämpfen 
leidenden Individuums fand ich nach Härtung iu MüLLER’scber Flüssigkeit die 
grane Degeneration der rechten 7. Cervicalwurzel und zwar iu deren extra- 
wie intruduralen Theil, worauf eine typische aufsteigende intraspiuale Wurzel- 
degeneratioD im rechten Hinterstrange entstand. Die Einzelheiten des Falles 
lassen sich in folgender Weise darstellen: 

Der extradurale Theil der 7. rechten Cervicalwurzel (s. Fig. 6) zeigt voll¬ 
kommen normale vordere Wurzel, während die hintere Wurzel theils gesund. 


Dl; : i ^vGooglc 









438 


theils entartet erscheint Die WEiOEBT’schen Präparate demonstriren dieses 
Verhältniss kl^; die kleinere Hälfte der hinteren Wftrzel, welche durch önen 
starken Zug fibrösen Gewebes von der grösseren Hälfte getrennt ist, zeigt nur 
äusserst spärlich schwsrzgefärbte Ringe, ist so zu sagen leer {Rps)^ während die 
grossere Hälfte mit, wenn auch etwas schwächer, geschwärztem Marke wie nor¬ 
mal besäet ist, ausgenommen ungefähr ein Viertel, welches durch ein etwas 
stärkeres Septum getrennt, gleichsam halb sklerosirt erscheint Somit können 
wir in der hinteren Wurzel drei Zonen dem Markgehalt entsprechend unter¬ 
scheiden. Auf eine grosse Zone beinahe gesunden, markhaltigen Gewebes {Rp) 
folgt, ein kleiner Abschnitt mit Torgescbrittener Sklerosirung, hierauf erscheint 
eine dritte Zone, deren Sklerose als beendet betrachtet werden kann. Die theil- 
weise Entartung der hinteren Wurzel ist somit klar, nur fragt ^ sich, da im 
vorliegenden Falle keine, die Wurzel grob makroskopisch treffende Ijäsion sich 
constatiren liess, welchen Ursprunges die Wurzelsclerose ist Zur Beleuchtung 



Pig. 6. Ra = vordere Wnrzel, Rp = hio- Fig. 7. Rp$ = shlerotischc hintere WnrzeL 
tere Warzel, deren gesunde Hälfte, Rp» = 
sklerotische Hälfte der hinteren Wurzel. 

dieser Frage verfertigte ich aus denselben Schnitten mit Hämatoxylin-Eosiu ge¬ 
färbte Präparate, welche mir klar nachwiesen, dass um die Wurzel herum, be¬ 
sonders in den Bindegewebsspalten, eine reichliche Ansammlung von Ruudzellen 
sich vorfiudet, die Gefasse prall gefüllt sind und mit verdickter Wand erscheinen. 
E^entliche Zeichen einer Entzündung fehlten. Somit wiesen die Hämatoxylin- 
Eosin-Präparate einen chronisch-hyperplastischen Process in Peri-, Meso- und 
Endoneurium nach, vou welchem sich die consecutive Entartung der Wurzel 
ohne Zwang ableiten lässt Dieses Bild stimmt nach Obigem vollkommen mit 
jenem überein, welches J. Naoeotte^ für die tabische Wurzeldegeneration als 
charakteristisch und pathogenetisch beschrieb. Verfolgen wir die soeben ge¬ 
schilderte extradurale Wurzeldegeneration aufwärts. 

Höhe der 7. Cervicalwurzel. (Pig. 7.) Heller Fleck in der Wurzelzone 
rechte, welcher sich somit der Spitze des rechten Hinterhorns eng anscbmiegt. 

5. Cervicalwurzel. (Fig. 8.) Im rechten BuuDACH’schen Strang findet 
sich ein degenerativer Streifen vor, welcher in der Form eines schwach ge- 

' La leeiou primitive du tabes. Paris. Steiubeil, Miteur, 1895; sowie; Etode aur an 
ras de tabes uniradiculaire cbez un paralytique g^ndra). Revue Neurolog. 1896. 


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439 


krümmten B<^ens von der Gegend der Wurzelzone ventralwärts zieht. In 
äonem dorsalen Ende ist er vom Septum paramedianum durch einen breiten 
Zwickel normalen f markhaltigen Gewebes getrennt, der Scheitel des Bogens 
Terläoft, ohne das Septum paramedianum zu erreichen, im BuBDACa’scheu 
Stange, seine Spitze reicht bis an die hintere Commissur heran. 

4. Cervicalwurzel (Fig. 9.) Lagerung des degenerativen Streifens wie 
obra. Bemerkenswerth ist der gleichfalls breite Zwickel zwischen dem Septum 




Fig. 8. Fig. 9. 

paramedianum und dorsalem Ende des lichten Streifens, welcher im weiteren 
Teriaof auch getrennt bleibt vom paramedianen Septum. 

2. Cervicalwurzel. (Fig. 10.) Der degenerative Streif berührt den dor- 
äleo Rand des Hinterstranges nicht mehr, da er in dieser Höhe nur mehr das 
mittlere und ventrale Drittel des BuBDACH’schen Stranges ocöupirt, wobei er 
»:> lateralwärts vom inneren Rande des Hinterhoms, wie auch vom GoLL’schen 
Strange getrennt bleibt. 



Fig. 10. 


Fig. 11. 


Gleich wie Fall 1 weist auch dieser Fall eine ScHCLTzs’sche absteigende 
kommaförmige D^eneration auf (s. Fig. 11) und zwar auch nur eine Wurzel- 
läog« abwärts. Fernerhin möchte ich hierorts ebenfalls constatiren, dass der 
degenerative Streifen nicht als absolut markloses Gewebe erscheint, sondern 
»>riich zerstreute normale Fasern enthält. 


TJeberblicken wir nun die oben kurz angeführten Einzelheiten zweier Fälle 
isolirter Wurzelläsion, so müssen wir vor Allem als allgemeinste Thatsache 
berrorheben, dass bei Läsionen der obersten Brüste wie untersten Halswurzel so 




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440 


iE auf- wie absteigender Richtung eine intraspinale Degeneration erfolgt. In 
erster Linie sei die absteigende Degeneration erwähnt. 

Wie bekannt, wird der in den Hintersträngen bei Querläsionen des Rücken¬ 
marks vorkommenden absteigenden Entartung seit den Arbeiten von Westphal, 
ScHULTZB, Kahler und Pick gebührendes Interesse zugewendet; die neuesten 
OoLGi’schen Forschungen, welche die Y-Spaltung der Hintenvurzelfasern er¬ 
schlossen, erleichterten das Verständniss dieser Degeneration. Doch sei vorweg 
hervorgehoben, dass die absteigende Hinterstrangsentartung in mehreren Formen 
erecheint; als sichergestellt sind zu betrachten die ScHüLTZE’sche kommaformige 
Degeneration, sowie die Entartung des ovalen Hinterstrangsfeldes. Eine gelungene 
Zusammenstellung dieser Arten der Degenerationen findet sich bei Redlich^ 
vor, weshalb auf diese Quelle hingewiesen sei. In meinen beiden Fällen fand 
sich jene Form vor, welche wir die ScHULTZB’sche Degeneration nennen. Es 
sei mir daher erlaubt an dieselbe anknüpfend, nur soviel zu erwähnen, als auch 
meine Fälle dazu geeignet sind, einen Beitrag zu der erwähnten Entartung zu 
liefern. 

Die Frage über die kommaformige absteigende Entartung der Hinterstränge 
harrt noch einer einheitlichen Auffassung, da ein Theil der Autoren meint, die 
genannte Entartung wäre von einer Läsion der grauen Substanz und nie von 
einer Wurzelläsion abhängig, während Andere eben aus letzterer die erwähnte 
Erscheinung ableiteu. Schültze, der Entdecker, meint, dass die Degeneration 
den absteigenden Schenkeln der Hinterwurzeln entspreche, welcher Auffassung 
ich mich bereits im Jahre 1894 gelegentlich der Untersuchung eine Falles von 
Querläsion des Rückenmarks ‘ anschloss. Damals erschien mir die absteigende 
Degeneration, auf Grund von Erwägung der modernen anatomischen Thatsachen, 
nur durch die Läsion von Wurzelfasern erklärlich, obschon mein Fall einen 
directen Beweis hierzu nicht lieferte. Dieser hätte vielmehr zur Stütze der 
ersteren Auflassung dienen können, wonach nur die Affection der grauen Sub¬ 
stanz von der absteigenden Entartung gefolgt sei. Nicht allein Dejbbine und 
SoTTAS*, sowie Gombault und Philipp*, sondern auch Tooth und Marie* 
folgen letzterer Ansicht; Tooth bekämpft Schultze’s Auffassung mit dem Ar¬ 
gument, dass die kommaformige Degeneration bei experimenteller Durchschnei- 
dung der hinteren Wurzeln nicht zu beobachten ist und meint, dass es sich 
vielmehr um die Zerstörung von Commissuralfasern handle. Nun, soviel steht 
fest, dass bei Querläsiouen des Rückenmarks die kommaformige absteigende 
Entartung vorkommt; ein in letzterer Zeit von mir unterauchter Fall von Quer¬ 
läsion (Zerstörung dos Brustmarkes in Folge von Spoudylitis) Hess dies deutlich 

‘ Die Pathologie der tabiscbeo HmterstraogserkraDkaog. 1897. Gnstav Fischer. Jena. 

’ Beitrag z. Histol. d. sec. Degeneration. Ärch. f. mikr. Anat. 1894. 

^ Sar la distribntion des fibres endogenes dans le cordon post4riear de la nioelle et 
snr la Constitution du cordon de Goll. Extr. des Compt. rend. des s^anc. de la 8oc. de 
Biol. 1895. 

* Archives de M^decine eip^riment. 1897 and Sem. M^d. 1895. 

* Le^ons snr les tnaladies de la moelie. 


Dig: ^od 


Google 



441 


erkennen. Wohl ist hervorzubeben, dass die so gründlichen Untersuchungen 
Ton SiNGEB und Münzbb’, welche am Thiere Wuneldurchschneidungeu be¬ 
handelten, sowie der klassische Fall von PFEIFFEB^ welcher die von einem 
Tomor hervorgemfene Wurzeliasion (1. Dorsalwurzel) beim Menschen betraf, 
von einer absteigenden Entartung im Hinterstrange nichts erwähnen; sogar 
Pfeiffer hebt besonders hervor „unterhalb der 2. Brustwurzel lassen sich deut¬ 
liche Abweichungen von der Norm an grauer und weisser Substanz nicht mehr 
iiachweisen‘‘ (1. c.). Doch sind meines Erachtens diese negativen Fälle nicht 
beweisend gegen meine hier angeführten positiven Fälle, besonders nicht gegen 
meinen zweiten Fall, in welchem die denkbar reinste Wurzelläsion ohne eine 
Spar von spinaler (etwa myelitischer) Domplication vorlag. Im Falle von 
De-terine und Thomas*, welcher die isolirte Läsion der 8. Cervical- und 
1. Dorsalwurzel (links) durch eine gummöse Infiltration darstellte, Hess sich 
gleichfalls eine absteigende Degeneration, ungeföhr auf eine Wurzellänge 
verfolgen; aus diesem Falle, dessen aufsteigende Entartung unten noch erwähnt 
werden muss, folgern Dejebihe und Thomas ebenso wie ich, eine Entartung 
des absteigenden Schenkels der hinteren Wurzel. Mit dieser Beobachtung recti- 
ficirt Dejebine seine mit Sottas gemachte (1. c.) Äeusserung; „La dög^näres- 
cence descendante en virgule de Sgbultzb .... rdpoud saus doute ä la d^- 
gdndration de ces fibres d’origine spinale, en effet, cette degäneresceuee qui 
s’observe ä la suite de läsions transverses de la moelle dans lesquelles la sub- 
stance grise est atteinte, fait d^faut, ainsi que Pont monträ Mm. Gombault et 
Philippe dans les läsions radiculaires extraspinales.^* 

Nagbotte erwähnt in seinem Falle (1. c.) von isolirter Wurzelläsion (2. 
und 3. Dorsalwurzel) gleichfalls absteigende, dem Komma entsprechende De¬ 
generation. 

Fasse ich obige Erörterungen zusammen, so lässt sich die Frage der ab¬ 
steigenden kommaformigen Degeneration in folgender Weise zwanglos aufiassen: 

Die absteigende Entartung der Hinterstränge kommt so bei totaler Quer¬ 
läsion des Buckenmarks, wie auch ganz sicher bei Läsion der hinteren Wurzeln 
vor. Da einerseits sicbergestellte anatomische Tbatsachen iur absteigende 
Wnrzelfasem im Hinterstrange sprechen, andererseits aber bei reiner Wurzel¬ 
läsion die ScHULTZE’sche Degeneration zweifellos zu constatireu ist: so halte ich 
entschieden dafür, dass 1. die absteigende Entartung der Hinterstränge durch 
Läsion absteigender Wurzelfasem zu erklären sei und 2. die Annahme endo¬ 
gener Nervenfasern in der Bildung des ScHULTZE’schen Bündelchens überflüssig 
ist Denn bei einer Querläsion des Rückenmarks am Menschen sind hintere 
Wurzeln, wenn auch nur intramedullär, jedoch immer mitergriffen. Hiermit sei 
sicherlich nicht jene Ansicht angegriffen, nach welcher aus der grauen Substanz 

* Beitr. z. Anat. des CeDtralDerrensystemB. Deskschr. d. kaiserl. Akad. Wien. 1890. 

^ Zwei Fälle von Lähmoa^ der unteren Wurzeln des Plex. bracbialis. Deutsche Zeit¬ 
schrift f. Nervenheilk. 1891. 

’ CoutributioDs ä l'^tude du trajet intra-medullaire des racines posterieures dans la 
r4gion cervieale et dorsale etc. Soc. de Biol. 1890. 


Dig: /Cu 


Google 



442 


für die HintersträDge Fasern entspringen; beweisen doch die Untersuchungen 
über Aortaligatur, wobei hauptsächlich die graue Substanz leidet, ausdrücklidi, 
dass die Hinterstränge, insbesondere in deren ventralem Abschnitte, erkranken. 
Doch ist die Form der Degeneration in beiden Fällen, d. b. bei der Aortaligatur 
und bei Wurzelläsion, ganz verschieden, wie dies ein Vergleich der Figuren von 
SiNO£B und Münzer (1. c. Figg. 20 u. 21) und von mir (Figg. 5 u. 11) auf 
den ersten Blick lehrt. Somit hebe ich von Neuem hervor, dass meiner Ansicht 
gemäss im ScHüLTZR’schen kommaförmigen Felde nur die absteigenden 
Schenkeln der hinteren Wurzeln enthalten sind; ob sich ihnen noch 
Fasern aus den Strangzellen des Hinterhoms beimischen, wie dies LekhossEe ' 
und Marie annehmen, könnte möglich sein, ist jedoch keinesfalls erwiesen. 

Schreiten wir nun zur Analyse der aufsteigenden Entartung meiner 
Fälle. Hier kann ich mich kurz fassen, da meine Resultate mit den Beobach¬ 
tungen von Peeiffeb^, Sottas^, Dejerinb und Thomas*, gleichwie mit den 
experimentellen Ergebnissen von SiNaEB und Münzer* vollkommen überein- 
stimmen. Meine Fälle sind gleichfalls dem KAHr.BR-SiNQEB*schen Gesetze con- 
form, d. h. die degenerirten intramedullären Wurzelfortsätze rücken von der 
Wurzeleintrittzone successive einwärts im Verlaufe von der Hohe der lädirten 
Wurzel angefangen gegen die Oblongata hinauf, sowie die den entarteten obersten 
Dorsal- und untersten Cervicalwurzeln entsprechenden Zonen liegen vom Septum 
paramediauum auswärts. 

Bezüglich des ersten Punktes sei hervorgehoben, dass meine Präparate das 
Einwärtsrücken der degenerirten Zone derart erkennen lassen, dass in der auf 
die degenerirte Wurzel folgenden nächsten Wurzelhöfae die entartete Stelle viel¬ 
mehr ventralwarts als seitlich einwärts geschoben erscheint, da der helle Fleck 
dem Kopf des Hinterhoms anliegend ist, von welchem er nur durch einen 
schmalen Streifen von gesunder Markbrücke getrennt ist Nun folgt in der 
nächsten Etage das wirkliche Einwärtsrücken, indem die wirkliche ^ne etwa 
in die Mitte zwischen Hinterhom und Septum paramedianom post gelagert 
erscheint; schliesslich rückt sie hart an dieses Septum heran, welche Stelle nun 
definitiv bewahrt wird. Also auch meiue Fälle beweisen den Umstand, dass 
vom Septum paramedianum bezw. vom GoLL’scben Strange auswärts, im s(^. 
BuRDACH’schen Strange, nur Fasern der Cervicai- und obersten Dorsalwurzeln 
liegen. 

Vergleiche ich nun in dieser Beziehung meine beiden Fälle, so lässt sich 
folgendes charakteristisches Moment constatiren. Im Falle 1 (Läsion der 2. und 
3. Dorsalwurzel) Figg. 2 und 3 erscheint die entartete Zone am dorsalen Rande 
des Hinterstranges vom Septum paramedianum nur durch einen verschwindend 

' Der feinere Ban des Centr&lnervensjstems u. s. w. 2. AaS. 

» l. c. 

^ Contribation ä Tdtude de degenerescences de la moelle consecatives aux Idsiona des 
arcines postdrieares. 

* 1. c. 

» 1. c. 


Dig: /cd c/ 


Google 



443 


kiemen Zwi<d(el Ton Markbrücke gesondert zu sein; dieser Zwickel ist im Fall 2 
(Uaon der 7. Geiricalwurzel) bereits bedeutend grösser (s. Fig. 8)^ d. h. die 
D^enerationszoue befindet sich bei höheren Wurzelläsionen mehr seitwärts. Da 
QQZL bei der Läsion der 2. und 3. Brustwurzeln die entartete Zone dem Sept. 
paninedianum fast eng anliegt, so dürfte ich gewiss folgern, dass ausserhalb 
d«s GoWseben Stranges die obersten vier Oorsalwurzeln und natürlich alle 
CoricalwarzelD liegen. Ob nun die unteren acht Dorsalwurzeln (nämlich deren 
aaätdgende lange Schenkeln) im OoLL'schen Strange enthalten sind, könnten 
nur respe(^Te Fälle Ton Naturexperimenten (Tumoren dieser Wurzeln) endgültig 
eatscheden; in Anbetracht der sehr schmächtigen Dorsalwurzeln ist es sehr 
nhischeinlich für mich, dass im GoUi’sohen Strange nicht nur die Sacral- und 
Lumbalwurzeln, sondern auch das untere der Dorsalwurzeln enthalten ist. 

Dass diese meine Vermuthung richtig ist, bewies mir ein Fall von lumbaler 
Tabes, ln diesem waren sämmtliche Sacro-Lumbalwurzeln, sowie die unteren 
4 Doralwnrzeln d^nerirt; die 8 oberen Dorsalwurzeln erschienen vollkommen 
mttrt. Die tabische Hinterstrangsentartung beschränkte sich dieser Ausbreitung 
atsprechend, im oberen Dorsalmark, sowie im Cervicalsegmente auf den sogen. 
OoLL*schen Strang, während der BunnAOH’sche Strang normal ist. Nun liess 
sch aber eben im Cervicalmark deutlich nachweisen, dass die entartete flaschen- 
icrmige Zone nicht den ganzen GoLL’schen Strang einnimmt, indem die Scleroee 
uebt bis an das Septum paramedianum heranreicht, sondern von letzterem 
doTch mnen schmalen markhaltigen Streifen geschieden ist Dieser kann 
/veifelsohDe nur den mittleren Dorsalwurzeln entsprechen, da die obersten drei 
Dorsalwurzeln, wie dies aus Dkjeeinb's und meinen Beobachtungen erhellt, 
auswärts von Septum paramedianum liegen. Tbierexperimente über 
diese Frage fehlen uns, da, wie dies Sinoeb und Mükzeb hervorheben, die 
stärken Wirbelfortsätze und relativ mächtigen Muskelgefasse der Dorsalwirbel 

Messer aussergewöhnliche Hindernisse entgegensetzen. 

Die zwei Abschnitte der Hinterstränge, wie GoLL’scher und BuRDACH’scher 
Strang, als solche, lassen sich auch meines Erachtens nur im Cervicalmarke 
’Jiterscbeiden, woselbst das starke, vasoularisirte Septum paramedianum eine 
■Rötliche Grenze bildet. Somit wäre der GoUi’sche Strang dorsal und lateral 
’iiiischriebeii: seine ventrale Grenze lässt sich so sicher nicht ziehen, zumindest 
l^hlt es an äusseren Merkmalen. Ueber diesen Punkt möchte ich nur so viel 
'■emerken, dass in der Cervicalanschwellung der GoLL’sche Strang ventral bis 
tur hinteren Commissur sich erstreckt und hier mit zwei seitlichen Ausbuch- 
tjngeu den medialen Rand des Hinterhorns erreicht; im obersten Cervicalmark 
tritt die bekannte Flaschenform auf, deren Hals jedoch nicht mehr zum eigent- 
üeben GoijL’schen Strang gehört, sondern, wie dies Fig. 10 klar zeigt, durch die 
untersten Fasern des BüBDAcn’schen Stranges, durch die obersten 3—4 Brust- 
rciieln gebildet wird. 

Ich greife auf die Topographie. der entarteten Wurzeln nochmals zurück. 
&bald die degenerative Zone im BuBDACH’scben Strange ihren Platz eingenommen 
hat so bildet sie ein dorso-ventral längliches, die ganze Dicke des Hinterstrauges 


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444 


oinuehmendes Band, wie dies aus den Figg. 2, 3 und 4, sowie 8 und 9 deutlich 
zu sehen ist. Im höchsten Abschnitte des Cervicalmarkes jedoch reducirt sich 
die entartete Wurzel zu einem Streifen, welcher, von der hinteren Gommissur 
ausgehend, mit dem medialen Rande des Hinterhoms parallel verlaufend, am 
Uebeigange zwischen Caput und Apex aufhört, somit die dorsale Peripherie des 
Hinterstranges nicht erreicht (s. Fig. 10). Die soeben geschilderte Configuration 
kommt, von der 1. Dosalwurzel angefangen, den Cervicalwurzeln zu; Pfbiffbb 
bildet in seiner Fig. 5 bereits in der Höhe der 5. Cervicalwurzel bei Entartung 
der 1. Brnstwurzel dieses Verhalten ab, welches ich selbst in meinem 2. Fall 
erst in der Hohe der 2. Halswurzel constatiren konnte. Jedoch schon die 2. 
und 3. Brustwurzel weichen in ihrer Topographie ab, da, wie dies mein Fall 1 
beweist, der degenerative Streifen während seines ganzen Verlaufes in dorso- 
veutraler Richtung fast die ganze Dicke des Hinterstranges einnimmt. 

An dieser Stelle sei die aufsteigende Entartung des Falles von Dejebine u. 
Thomas erwähnt. Die Topographie entspricht so ziemlich geuau jeuer meines 
ersten Falles; in der Höhe des 0. Cervicalnerven sind die beiden Enden des 
degenerativeu Streifens gleichfalls knopfartig angeschwollen [in meinem 1. Falle 
in der Höhe des 5. Cervicalnerven), im Niveau des 3. Cervicalnerven liegt die 
entartete Stelle des Septum paramedianum ebenfalls hart an, und nimmt gleich¬ 
falls annähernd, wenn auch nicht vollkommen, die ganze Dicke des Hinter¬ 
stranges ein. 

Schliesslich sei noch ein Umstand ausdrücklich hervorgehoben. In beiden 
meiner Fälle stellte sich die entartete Zone des Hinterstranges nicht als eine 
absolut marklose, allein Gliagewebe enthaltende Stelle dar, sondern nur als bei 
Weigebt’s Färbung etwas hellerer Fleck, in welchem unter dem Mikroskope 
noch zahlreiche Markfasern, wenn auch spärlicher als in ganz gesundem Gewebe, 
sich vorfinden. Die entartete Zone Hess sich bei ganz schwachen Vergrösse- 
rungen, besouders aber makroskopisch am, in Mülleb’s Flüssigkeit gehärteten 
Object erkennen. Aus diesem Umstande konnte ich folgern, dass die einzeinen 
Wurzeln intramedullär nicht exclusiv situirt sind, sondern mit den nächsten 
oberen und unteren Wurzeln innigst vermengt sind. Auf diesen Umstand 
wiesen bereits Simqeb und Mümzeb ’ sowie C. Mateb * deutlich hin. Die 
erstgenanuteu Autoren durchschnitten an zwei jungen Hunden die hinteren 
Wurzeln von der 26.-28., hierauf in derselben Sitzung die 20.—22. Nun 
fanden sie im Hinterstrange des Brustmarkes zwei mit einander parallel ver¬ 
laufende, schief gerichtete Degenerationsstreifen, welche nicht nur successive 
einwärts, sondern auch zu einander näher rücken, noch im Brustmark zu ver¬ 
schmelzen beginnen, um schliesslich im Halsmark bereits gar keine Trennung 
erkennen zu lassen, denn die degenerirten Markscheiden bilden eiu kleines drei¬ 
eckiges Areal der hinteren Medianfissur eng anliegend. Auch die Betrachtungen 
C. Mateb’s haben ergeben, „dass die anfangs gesondert neben einander ver- 

‘ 1. c. 

^ Zur patbologiscben Anatomie der Räckenmarkshinterstränge. Jahrbücher f. Psych. o. 
Neurol. I89ö. 


Dig I /cd c/ Google 



445 


laufenden aufsteigenden Fasern aus den einzelnen Hinterwurzelgebieten im Auf¬ 
stiege cerebralwärts allmählich in einanderfliesseu. Die Vermengung der aus 
der vierten Lumbalwurzel stammenden Faserautheile mit den aus tieferen Wurzel¬ 
gebieten aufsteigendeu, sonach näher dem hinterdu Septum gelegenen, scheint 
schon im unteren üorsalmark zu beginnen und ist im mittleren Dorsalmark 
eine vollkommene.“ 

Ich resumire meine Beobachtungen über die aufsteigende Wurzeldegeueration 
im Hinterstrange in Folgendem: 

1. Meine Fälle von Degeneration der 2. und 3. sensiblen Brustwurzel, bezw. 
von jener der 7. hinteren Cervicalwurzel bestätigen vollinhaltlich das Kahleb- 
SiKGBK’sche Gese'tz über den Verlauf des aufsteigendeu Schenkels der hinteren 
Wurzeln. 

2. Der GoLL’sche Strang erscheint nur im Cervicalmark seitlich durch das 
Septum paramedianum abgegreuzt, während ventral eine sichtbare Grenzlinie 
fehlt Hier enthält der GoLL’sche Strang ausser den Sacral- und Lumbalwurzeln 
noch die unteren 8 Dorsalwurzeln; dies folgere ich aus dem Umstand, dass bei 
Entartung der 2. und 3. Brustwurzel die Degenerationszone (abgesehen von einem 
sehr kleinen dorsalen Zwickel gesunder Nervensubstanz) dem Sept. paramedianum 
hart anliegt. 

3. Die dem Verlauf einzelner Wurzeln entsprechenden Streifen des Hinter- 
stranges verfügen nicht über exclusive, allein ihnen reservirte Läugsebenen, 
sondern die intramedulläreu Fortsätze der Hinterwurzeln sind mit den benach¬ 
barten innigst vermengt 

4. Läsionen hinterer Wurzeln werden, im Gegensätze zu den Behauptungen 
von Tooth, Dejebine und Sottas, sowie Gombault und Philipp, ganz sicher 
von absteigender D^ueration im Hiuterstrange gefolgt; es ist dies die Schultze’- 
sche kommaformige Entartung, welche die Milte des sogen. BuBDACH’schen 
Stranges eiunimmt. Dieselbe erschöpft sich bereits bis zur nächsten unteren 
Wunel, ist somit von kurzem Verlauf. Die echte ScHüLTZE’sche Degeneration 
visd ausschliesslich durch Läsion von Hinterwurzelfasern bedingt; endogene 
Fasern nehmen nachgewiesenermaassen nicht daran Tbeil. Uebrigens bildet die 
ScHüLTZE’sche Entartung nur einen Brucbtbeil vom Geeauimtbilde der ab¬ 
steigenden Hiüterstrangsdegeneration. 


2. Nervenendigung in den Centralorganen. 

Von Dr. med. Leopold Auerbach, 

Nervenarzt zu Frankfurt a./M. 

In der so schwerwiegenden Frage, welche Beziehungen zwischen Nerven¬ 
zellen und letzten Axencylinderverzweiguugeii bestehen, ward in der allerjüugsten 
Zeit durch Held, dessen verdienstvolle Studien auf diesem Gebiete keiner Hervor¬ 
hebung bedürfen, ein neuer — der dritte — Beitrag geliefert. Aus dem Üm- 


'ig v7C(i 


Google 



446 


stand, dass die in dieser Abhandlung niedei^l^ten Resultate, welche der ge* 
nannte Forscher seiner besonderen Methodik verdankt, zweifelsohne berufen sind, 
den Ausgangspunkt fernerer Untersuchungen zu bilden, leitet sich meines 
Erachtens die Verpflichtung hb, zu denselben so bald als m^lich Stellung zu 
nehmen. Ein Zufall wollte es nun, dass ich selbst von Held’s Publication, die 
nicht der gewöhnlichen Serie, sondern einem Supplementband des Archivs für 
Anatomie und Physiologie einverleibt ist, erst jetzt Kenntniss erhalte, in einem 
Augenblick, da ich gerade eigene, auf durchaus verschiedener Methode basirende 
Arbeiten über dasselbe Problem zum Abschluss gebracht habe und beschaffet 
bin, meine Befunde,' welche zum Theil mit den seinigen harmoniren, in anderen 
wesentlichen Punkten wieder von seinen Angaben abweichen, in einer ausführ¬ 
lichen Veröffentlichung zu erörtern und mit Abbildungen zu belegen. 

Schon auf der Frankfurter Naturforscher- und Aerzteversammluug im 
Herbst 1896 konnte ich auf Gtund eines neuen Färbeverfahreus davon berichten, 
dass aller Orten im Gentralnervensystem nicht allein die Ganglien¬ 
zellen, sondern auch deren Dendriten von einem Maschenwerk um¬ 
sponnen sind, das, einem dichten Gewebe gleich, sie einhüllt und 
sich aus Nervenfäserchen, die Knötchen tragen, gebildet erweist 
Dieser, wie ich mich bereits an anderer Stelle^ ausdrückte, unendlich dichte, 
stellenweise unentwirrbare Faserfilz, welchen die marklosen Endbäumcben bilden, 
ward von mir im Sommer des vergangenen Jahres noch eingehender erforscüit, 
als ich an Paraffinpräparaten Einzelheiten feststellte, die auf dickeren Schnitten 
der Wahrnehmung minder zugänglich waren. Betrefis der quantitativen Ver- 
theilung erfuhr ich freilich nichts wesentlich Neues, wenn schon die überwältigende 
Fülle der Nervenendigungen in ein um so helleres Licht trat, als ich nun längs 
der Zellränder und der Dendriten die einzelnen Endknöpfchen zu zählen und 
schätzungsweise ziemlich genau für die Gesammtoberfläche einer Ganglienzelle 
nebst den dazugehörigen grosseren protoplasmatischen Fortsätzen den enormen 
Heichthum an Endbäumchen abzuleiten im Staude war. Die so erhaltenen viel- 
stelUgen Zahlen mussten die Phantasie noch mächtiger anregen, als der ver¬ 
schwommenere Begrifi' einer unbeschreiblichen Menge, bei der sozusagen kaum 
ein Plätzchen an der Zellperipherie unbesetzt bleibt. 

Ich finde nämlich diese blauen Knötchen mittels meiner Silberhämatoxjlin- 
farbung^ recht oft weit massenhafter noch um die Zellen angebäufl, als dies aus 
Held’s Präparaten, soweit die seiner Abhandlung beigefögten Reproductionen 
mich zu einem Urtheil berechtigen, ersichtlich scheint. Während so die £nd- 
knöpfcheu in gedrängter Reihe die Peripherie von Nervenzellen und Dendriten 
einfassen, entzieht sich bei meinem Verfahren, das die Nervenfasern in ihrer 
Gesammtheit zur Darstellung bringt und nicht bloss die an Granulis reicheren 
Partieen hervorhebt, ebensowenig deren Ursprung der Beobachtung. Hierin 
darf ich wohl gerade einen schätzbaren Vorzug im Vei^leich zu der von Held 

‘ Xearolog. CcDtralbl. 1897. Nr. 10. 

’ Paraffioscbnitte erheischen dabei eine sehr bebatsame DifTereDziniDg. Man Terweode 
eine KaliamperrDangaDatlÖBUOg von Vs—iVoo- 


- vGoogIc 


447 


modificirten Eisenhämatoxylinmethode erblickeD. Demgemäss sind die Schwierig« 
keiten für die Anffossang nicht sowohl in dem übersichtlichen and in voll« 
ständiger Pärbang hervortretenden Bilde der sich netzartig durchquerenden 
Axencjlinderendigungen, sondern in dem misslichen Dilemma begründet, dass 
dickere Schnitte eine Continnitat vortauschen können, wo eine Kreuzung statthat, 
dünnere immer nur einzelne Theile eines etwaigen in sich geschlossenen Netzes 
vor Augen zu führen vermögen. Immerhin geben Schnitte von 5 ft die Ueber« 
Zeugung von der Existenz jenes aus höchst zarten Fäserchen bestehenden 
Maschenwerks in der Umgebung der Ganglienzellen, auf welches ich schon 
früher aufmerksam machte, ohne mich damals über seine nähere Beschaffenheit 
bestimmt zu äussem. 

ln Anbetracht, dass man unter bewandten Umständen bei der Feststellung, 
ob es sich in der That um echte Maschen bandelt, kaum mehr einem Irrthum 
OQterli^en wird, glaube ich heute das Vorhandensein eines wirk* 
lieben Netzes, das stellenweise die Zellen umspinnt und an deren 
Versorgung mit Endbäumchen sich betheiligt, mit grosser Wahr¬ 
scheinlichkeit annehmen zu dürfen. 

Die umfangreicheren motorischen Zellen pfl^ so ein Kranz stärkerer Axen¬ 
zylinder, von denen ein Theil der Endbäumchen seinen Ursprung nimmt, zu 
umrahmen. Die Endbäumchen streben demgemäss vielfach in radiärem Zuge 
za ihren Insertionspunkten, die sie häufig nach kurzem Verlauf schon erreichen. 
Gabelungen derselben sind nicht selten zu beobachten. Ein anderer Theil der 
mit Endknöpfchen versehenen Axencjlinder, und darunter solche, welche die 
Dendriten versorgen, lässt sich jedoch über weitere Strecken verfolgen, ohne auf 
dem langen Wege mit den übrigen Nervenfasern in Verbindung zu treten. Bei 
ihnen kann weder von einem Geflecht, noch einem netzartigen Masebenwerk 
die Rede sein. Endlich gewahrt man hie und da noch in der Nachbarschaft 
der Nervenzellen jenes dem Anscheine nach echte in sich geschlossene Netzwerk, 
das ich oben erwähnte. Es bildet sich aus viel feineren Fäserchen, die einander 
nicht kreuzen, sondern durch zahlreiche Anastomosen in einander übergeben 
dürften, und in sein Maschenwerk sind kleine, den Endknöpfchen im Allgemeinen 
an Umfang nachstehende Varieüsitäten eingeschaltet, die insbesondere die Knoten¬ 
punkte auszeichnen 

Wenn ich mich in dieser Beziehung den von Goloi, Sala, Luoaro, Dooiel 
und zuletzt von Held vertretenen Ansichten nähere, so betone ich andererseits 
^flissentlich, dass ich im grossen und ganzen der Existenz von Nervenend- 
uetzen zuneige, während meine Studien nicht so weit vorgerückt sind, um mir 
die Abtrennung bestimmter Kategorien von gewissen durch Endnetze versorgten 
Nervenzellen g^enüber anderen, welche dieselben entbehren, zu ermöglichen. 
Inwieweit dieses Verhalten, das, wie Hbld richtig bemerkt, einem functionellen 
Ausgleich in der Vertheilung der zoströmenden Erregung zu dienen berufen 
scheint, allgemein sich verbreitet zeigt, bin ich bis heute nicht in der Lage 
anzugeben. 

Während nun an den von mir daraufhin untersuchten motorischen Zellen 


- . vGooglc 



448 


neben einem wohl als Enduetz zu deutenden, höchst zarten Maschenwerk überall 
noch Fasern uachzuweisen waren, die ohne Anastumosen einzugehen, die Stätte 
ihrer Endigung erreichen, gilt das Gleiche niclit von einem sensiblen Bezirk. 
In den Hinterbörneru und insbesondere auch in der Substantia 
gelatinosa Rolaudi constatire ich bloss ein allem Anschein nach 
ununterbrochenes Mascheuwerk, ausgestattet mit sehr zahlreichen 
dickeren, unregelmässig gestalteten Anschwellungen, wie es Golgi 
ähnlich iu seinen Sublimatpräparateu gesehen haben muss und in seinen ,,Unter* 
suchungen über den feineren Bau des centralen und peripheren Nervensj'stems“ 
S. 249 u. 250 schildert. 

Noch ein anderer District lehrte mich ein Netz kennen, welches den Ein¬ 
druck erweckt, als ob es über räumlich sehr weit auseinander liegende Strecken 
sich verbreite, ja — sofern sich dies überhaupt ermessen lässt — als ein diffuses 
Maschenwerk, eine riesige Provinz des Centralnervensystems occupirte: ich meine 
die Körnerschicht des Kleinhirns und deren Moosfasern, die ich als 
eine für sich isolirt dastehende Einrichtung ansehe und mit den sonstigen 
Nervenfasern weder iu anatomischer noch in functioneller Hinsicht auf eine 
Linie stelle. 

Bei meinem Färbeverfahren piäsentiren sich nämlich zwischen den 
Haufen der Körnerzellen des Kleinhirns sehr zahlreichci blaue, un¬ 
regelmässig contourirte Körper, deren durch blässere Färbung ge¬ 
kennzeichnete Aussenzoue in ein aus Nervenfasern gebildetes, auf 
das Vielfältigste anastomosirendes Geflecht ausläuft, während das 
zackig umrandete oder in buschige Zweige sich aufsplitternde Centrum als ein 
viel satter tiugirter Kern sich von ersterer abhebt. Wenn man nun die 
charakteristischen Umrisse dieses Centrums mit OoLGi’schen Imprägnationen 
vergleicht, so erhellt, dass durch diese nur eben der Kern zur Darstellung ge¬ 
langt und dass man es mit Moosfaseru zu thuu hat, deren feinerer Bau bei 
meiner Färbung klar zu Tage liegt, von deren zwei Zonen aber, die streng zu 
unterscheiden sind, die äussere den bisherigen Beobachtern völlig entgangen 
sein muss. In der inneren sind bei sehr starker Vergrösseruug mittels 
leistungsfähiger Systeme* ziemlich weite, dunkelblaue Maschen zu er¬ 
kennen, die sich aus relativ groben Faserzügeu aufbauen und deren Knoten¬ 
punkte als verhältuissmässig voluminöse Verdickungen hervortreten. Innerhalb 
der Maschen erblickt man ausserdem eine etwas minder blaue, dichte, nicht 
genau definirbare Masse, deren Anhäufung für die centrale Region der in Rede 
stehenden Gebilde den auffälligen Contrast gegenüber der hellblauen Ausseuzone 
mit hervorrufen dürfte. Letztere ist, wie ich vermuthe, ärmer an dieser den 
Farbstoff speichernden Substanz, jedenfalls erscheint sie unvergleichlich viel 
durchsichtiger, einem zarten Gewebe ähnlich; in das die Maschen der Mittelzone, 
während sie sich gleichzeitig etwas lockern, cuntiuuirlich hioübergreifeu. Der 
matten Färbung und dem Gesammtcbarakter entsprechend ist desgleichen die 


Google 


‘ Seibert. .\pochroiuatimmersiou 2uim, Ap. 1,30 Ocular 18. 



449 


B^nznng nach aussen eine höchst zarte und bei sanftem Wechsel der Etn> 
Stellung gewahrt man recht hübsch, wie hie und da dieses Randgebiet als ein 
lichter, membranöser Schleier eine Eömerzelle theilweise einhüllt oder sich 
zwischen den Haufen der Körner hinzieht und mehrere Zellindividuen zusammen 
um&ngt Dasselbe Grewebe, in welches die Maschen der Aussenzone eingelagert 
sind, schiebt sieh aber auch über die tou ihr abzweigenden Nervenfasern, die 
ihrerseits aus dem beschriebenen Maschenwerk hervorgehen and, dem zu Folge 
zu mehreren ebenfalls in eine äusserst zarte Membran eingebettet, den Ursprünge 
liehen Charakter der netzförmigen Durchüechtung völlig wahren. Membranöse 
Züge, welche Netze von Nervenfasern tragen, sind demnach durch 
die Eörnerschicht ausgespannt, sie bilden ein einheitliches System, stehen 
überall in Zusammenhang, und nicht selten ist die Verbindung der moos* 
ähnlichen Körper eine solch intime, dass mehrere Bandzonen ohne Vermittelung 
längerer Nervenbahnen in einander übergreifen und ihre Maschen austauschen. 

Auf diese Weise werden im Kleinhirn Vorrichtungen getroffen sein, die 
über weiteste Strecken einen raschen und vollkommenen Ausgleich der nervösen 
Errang bezw. Hemmung gestatten, was sowohl mit den Aufgaben des Organs 
als öleichgewichtscentrum sehr wohl übereinstimmt, wie auch mit der sonst 
kaum verständlichen Thatsache, dass geradezu enorme Defecte des Kleinhirns 
durch die restirenden Regionen in ihrer funotionellen Leistung gleichwerthig zu 
ersetzen sind. 

Ueber die weiteren Beziehungen der moosartigen Anschwellungen ist wegen 
der Häufung der Kömerzellen, deren Protoplasma sehr arm an der Färbung 
zugänglicher Grundsubstanz, deren Dendriten nur an sehr spärlichen Stellen 
doigerznaassen klar zu verfolgen sind, ein abschliessendes ITrtheil schwieriger zu 
fallen. Zu berücksichtigen bleibt ferner, dass man es mit Membranen ^ zu thun 

welche sich den Wölbungen der Kömerhaufen auf das engste anschmiegen. 
Bei der hierdurch bedingten nahen Berührung wäre eine directe Beeinflussung 
der Zellen durch die centrale Zone der moosartigen Anschwellungen allenfalls 
denkbar und so lässt sich vorerst, streng genommen, die Berechtigung, diese 
ds Endoi^ne anznsehen, nicht abeolnt bestreiten. Keinesfalls jedoch darf man 
sie den sonstigen Axencylinderendigungen gleichstellen. Dies geht schon daraus 
hervor, dass von ihrem Maschenwerk wiederum feine Fäserchen ab> 
zweigen, die dadurch als echte Nervenendigungen gekennzeichnet sind, 
dass sie an den Leib der Köroerzellen sich mit typischen Endknöpfen an¬ 
setzen. 

Es erübrigt mir noch, an dieser Stelle mich in m^Iichster Kürze einem 
Paukte zuzuwenden, der in physiolc^soher Hindoht von hervorragendem Inter- 

‘ Aach deckt die oben gegebene Besohreibnng nicht sämmtlicbe Befände. Die looos- 
sitigen Anscbwellangen grensen nicht immer mit einer Anesenzone an die in der Nähe be¬ 
findlichen Kdmerzellen, aondem das tiefblaue Centram kann anf der einen oder anderen 
Seite direct mit diesen in BerUhraog treten, indem ee sich mit halhmondfUrmigem Aosschnitt 
an sie anlebnt, oder das Eerngebilde kann sich frei, gans ohne Anssenzone präsentiren. Es 
bängt dies eben davon ah, welcher Darcbschnitt der Membranen gerade im optischen Bilde 
mHegt 

29 


Dig.'.vod 


Googli 



450 


esse ist. Nachdem Rahön t Gajal, später Köllikes und andere mit der 
GoLQi’schen Methode arbeitende Forscher sich der „Gontactlehre" zugewandt, 
galt diese in weitesten Kreisen als unbestrittenes Axiom, bis in letzter Zeit 
Held daran rüttelte und statt der einfachen Berührung von Zellprotoplasma 
und Axencjlindeiendigungen eine wirkliche Verwachsung, die im reifen 
Organismus den embryonalen Contact ersetze, statuirte. Eine eigentliche Grenze 
zwischen dem letzten Nervenende und der Ganglienzelle würde somit nicht 
existiren, weil eine und dieselbe Flasmaschicht beiden angebörte und nach 
Willkür der Zelle oder dem Axencylinder zuzuzählen wäre. Dadurch würde 
natürlich auch funotionell ein weit engerer Connex zwischen beiden hergestellt 
und a priori wäre es mindestens nicht undenkbar, dass selbst eine Massen¬ 
bewegung, sagen wir z. B. ein Transport der HELD’scben Neurosomen per con- 
tinuitatem sich von der Axencylinderendfiäche auf die Grundsubstanz der Zelle 
fortpflanze. Indem zugleich die anatomische Diflerenz beider Theile in solchem 
Maasse zurückträte, wäre auch eine physiolc^ische Parallelisirung vielleicht eher 
erlaubt So könnte allenfalls unter gewissen Umständen die nervöse Erregung 
von einer Axencylinderendigung auf eine andere mittels einfacher Qnerleitang 
durch die Zelle hindurch sich übertragen, ohne dass der Hauptmasse des Zell¬ 
leibes bei dem gedachten Vorgänge eine active Bolle zufiele. Es erscheint mir 
übrigens müssig, die so eröffneten Perspectiven noch detaillirter darzulegeu, weil 
ich der HELD’schen Prämisse beizupfllcbten gar nicht in der bin. Die 
reiflichste Prüfung, welche ich an den verschiedensten Punkten des Central¬ 
nervensystems immer und immer wieder vomahm, hat die Ueberzeugung in. 
mir gefestigt, dass nirgends ein solcher ununterbrochener Uebergang 
des Protoplasmas von Nervendigungen und Ganglienzellen zu 
beobachten ist 

Wie ich Eingangs ausführte, pflegen die Endbäumchen nach verschieden 
langem Verlauf zuletzt in radiärer Richtung an die Zell- bezw. Dendritenperipherie 
heranzutreten, so dass ihre Endknöpfchen im Allgemeinen mit dem grössten 
Durchmesser senkrecht zu dieser Oberfläche gerichtet sind. Ein derartiges End¬ 
knöpfchen stellt ein kegel- oder kelchformiges Gebilde dar, dessen seitliche Be¬ 
grenzung stärker oder schwächer convex gewölbt ist, dessen mediale Fläche 
vollkommen der Oberfläche entspricht, für die dasselbe bestimmt ist, also an 
dem Zellleib meist eine Delle b^tzt, an den protoplasmatischen Fortsätzen an¬ 
nähernd in einer Ebene verläuft Während ich nun schon lange damit vertraut 
war, wie ungemein enge sich diese innere Fläche an die betreffenden Ganglien¬ 
zellen anscbmiegt, und ich hieraus betreff der Zellen der Grosshimrinde 
sogar die Möglic^eii einer dauernden functioneilen Verkettung hypothetisch zu 
folgern wagte, zeigt mir andererseits die ^naueste Musterung auch meiner 
späteren sehr dünnen Paraffinschnitte stets eine haarscharfe Linie als 
Grenze zwischen markloser Nervenfaser und Ganglienzelle, und es 
kann bei meinen Präparaten kaum jemals ein Zweifel darüber obwalten, wo die 
eine aufhört, die andere ihren Anfang nimmt Ich bin gezwungen, diese prin- 
cipielle Differenz g^enüber den Feststellungen Hsld’s auf dessen Färbemethodik 


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451 


zarückzafahren, welche ihm die Nervenendigung im wesentlichen bloss unter 
dem Bilde gehäuft stehender Granula zeigt, ohne hierbei das die Axencylinder- 
eodigong mit constituirende Plasma in der wönschenswerthen Klarheit zur 
Darstellung zu bringen. Bei meiner Färbung verrathen die Nervenendigungen 
gleichfalls eine mehr oder minder körnige Structnr^, nur dass die Granula sehr 
fän sind, sowie durch eine Zwischenmasse verkittet scheinen, jedenfalls sich 
nicht von einander im einzelnen distinct abheben. Während ich das Maschen* 
werk der Zellwaben mit grösster Leichtigkeit aufznlösen im Stande bin, gelingt 
mir gleiches nicht bei den Endbäumchen, zum Theil, wie ich aunehme, darum, 
weil dieselben ein Hyaloplasma besitzen, welches sich meiner Färbung zugänglich 
erweist, auf diejenige Held’s nicht reagirt’ 



Ganglienzelle ans dem FacialUkem .vom KaDiDcbeo. (ParaffiDpräparat. 3 ^ dick.) 

Nebenbei bemerkt sind gerade in Bezug auf das Neurohjaloplasma 
unsere Kenntnisse bis heute recht beschränkt Dass in der Ganglienzelle ein 

^ Nicht an allen Stellen gleichmässig, mitnnter in minimalem Grade. 

* Diüier T&brt der gar nicht zn verkennende üntersobied der Vertbeilnng und Menge 
ia Endbäumchen in unseren Präparaten, der mich z. 6. für die Körnerschiebt des Klein* 
hinis zu entgegengesetzten Resoltaten führt Ünd wie ich daselbst den Zellkörper der 
Körner von Eodbänmehen versorgt finde, so ergiebt sich unter anderem aach in der Molecular* 
Kbicht des Kleinhirns ein Reichthum an Nervenendigungen, von dem Hbld's Abbildungen 
kdne rechte Vorstellung geben. 

29* 


Dir; 


rrl nyGOO^lC 



452 


solches als ein während des Lebens präexistirendes, die Waben füllendes Element 
vorhanden ist, ist nicht zu bezweifeln. Wenn die der Färbung znganglii^e 
Grandsubstanz wie etwa in den Kömerzellen des Kleinhirns quantitativ so in 
den Hintergrund tritt, dass man nur ab und zu ein zartes Plasmafadchen in 
ihnen entdeckt, so müssen die Silber- und Quecksilberimprägnationen, welche 
die Totalität der Zelle treffen, darauf beruhen, dass ein anderer, in weit be¬ 
deutenderer Menge vorhandener Zellbestandtheil die Reduction der in Bede 
stehenden Salze verursacht Ich sehe mich veranlasst, demselben eine besondere 
physiologische Wichtigkeit beizumessen, weil es mir unerfindlich ist, wie sonst 
die zahlreichen Endknöpfchen mancher Nervenzellen, die äusserst arm an dw 
Färbung unterli^ender Grundsubstanz sind, die nervöse Endung übermitteln 
könnten. Gonstatirt man doch z. B. an den Zellen der Hinterhömer auf das 
Vielfältigste, wie die Endknöpfchen sich an eine anscheinend ganz leere, d. b. 
der Färbung völlig unzugängliche Partie ansetzen. Mag solches übrigens an 
Zufalhgkeiten des jeweiligen Schnittes gelegen sein und sich in der That stets 
ein wenig Gerustsubstanz in der Nachbarschaft der Endknöpfchen befinden, so 
springt unter allen Umständen hier und anderwärts (z. B. Molecularschicht des 
lOeiuhirns, Grosshirnrinde u. s. w) das Missverhältniss zwischen den recht statt¬ 
lichen Endknöpfchen und der minimalen Menge der structurirten Grundsubstanz 
in die Augen.^ 

Ob jedoch unter dem Polster der Endknöpfchen reines Hyaloplasma lagert 
oder spärliche dünne Bälkchen der netzartigen, bezw. wabigen Gerüstsubstanz 
ihm naberücken, allüberall tritt die Zellcontour deutlich und klar hervor, es 
steht die Zellgmndsubstanz mit den Axencylinderendigungen ni^nds in un¬ 
unterbrochenem Zusammenhang. Von der soeben geschilderten Art des Nerven- 
ansatzes führt des weiteren ein allmählicher üebeigang zu jenen Endbäumcben, 
die den Ganghenzellen mit wohlentwickeltem Maschenwerk zugetheilt sind. 
Man sollte nun insbesondere da, wo man es mit schön differencirter Qrund- 
substanz zu thun hat, im Falle die Verwachsung zu Recht bestände, eine ver¬ 
waschene Zellcontour oder mindestens unter einem jeglichen Endknöpfchen eine 
ausgesprochene Anhäufung von protoplasmatischen Fädchen und Körnchen er¬ 
warten. Ganz im Gegentheil verläuft der Zellrand in einer glatt und s^iarf 
gezeichneten Linie, die Endknöpfchen springen nicht nach innen vor, und was 
unter denselben von Protoplasma zum Vorschein kommt, zeigt sich bei exacter 
Einstellung als der übrigen Grandsubstanz,völlig gleichartig, ohne dass eine 
locale Verdichtung ersichtlich wäre. Dass dieses Verhalten bei der Majorität 
der Nervenzellen, deren periphere Zone eine etwas lockerere Structur besitzt, 
leichter festzustellen ist als an den in Minderzahl vorhandenen Zellindividuen, 
in welchen sich ein höchst dichtes Gefüge bis zum äussersten Rande erstreckt, 


‘ £b verdient bervorgehobeD za werden, daes die quactitativa Vertbeilaoa von Hyalo¬ 
plasma ond Maecheawerk im allgemeinen einen geeetzmaseigen Charakter bewahrt and den 
vereehiedenen Begionen bestimmte Zelltypen entsprechen. In wie weit daneben ein variaUtf 
Factor als Aosdnick der Thätigkeitsphasen in Bechnang za setzen ist, werden, wie ieh 
hoffe, experimentelle Stadien an Netzhaut, Vorderhornzellen u. s. w. ergeben. 


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453 


will ich nicht in Abrede stellen, dem ungeachtet lassen selbst die letzteren be- 
gr&ndetem Zweifel nur ganz ausnahmsweise Raum. 

Im Rinklang mit der älteren, durch die GoLOi’sche Methodik und vitale 
Metbjlenblaußrbung gewonnenen Anschauung, die erst jüngst wieder in Semi 
Metes ^en überzeugten Vertreter fand, muss ich daher auf Grund meiner 
mittels meines eigenen Färbeverfahrens erhobenen Befunde au der 
Contactlehre und den ans dieser abzuleitenden Folgerungen fest- 
halten. Wie ich diese Lehre auffasse, wirken die Endbäumchen durch das 
Polster ihrer sich auf das engste an die Zelloberfläche anlehnenden Endknöpfchen, 
otme Tennittelung einer ferneren Zwischensubstanz, jedoch als differente Gebilde, 
auf das Protoplasma der Ganglienzelle in uns noch unbekannter Weise ein. 
Dass nebenbei während des Lebens in hinctionellem Sinne eine innigere Yer- 
bindong bestimmter Zellen oder Zellterritorien sich ansbüdete, ist möglich, 
nelleicbt wahrscheinlich. Ich denke aber bei den functionellen Zuständen weder 
an eine amöboide Bewegungsföhigkeit, denn die Endbäumchen finden sich, soweit 
wir untersuchen, xmansgesetzt innig an die Zellen und deren Dendriten an¬ 
geschmiegt — noch kann ich auf der anderen Seite eine Vermischung, ein 
Inönanderfliessen, eine dauernde Verwachsung der Protoplasmamassen anerkennen, 
vd meine Präparate mir davon niemals Kunde geben. Ob aber eine func- 
oouelle Verkettung durch irgend welche andere, vielleicht moleculare Verände- 
nmgen, die zugleich die Endknöpfchen sowie die Zelle träfen, resultiren, ob 
fkr beide trotz fortbestehender anatomischer Discontinuität auf solche Weise eine 
oäbere funcüonelle Einheit geschaffen werden könnte, das muss eine offene 
Frage bleiben. 

Mäne Stellung zu den von ApXtht und Bbthe entwickelten Anschauungen 
des Ansfübxlicheren zu begründen, muss ich mir versagen, indem ich mir Vor¬ 
behalte, demnächst hierauf in meiner grösseren, von erläuternden Abbildungen 
begleiteten Arbeit zurückzukommen. Die Tbatsachen, welche ich erhärtet zu 
bffiten glaube, stehen, wie dem Leser ohne weiteres klar sein wird, theilweise min¬ 
destens in Gegensatz zu den Ansichten, welche sich die genannten Forscher in 
Beheff eines aus Primitivfibrillen hervorgehenden Elementargitters (Neuropil) 
ond dessen physiologischer Dignität gebildet haben. Was den Bau der Grund- 
lobstanz der Nervenzelle anbeiangt, so habe ich meine Befunde in einem vor 
einiges Monaten der „Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie*^ zugestellten 
Aolsatze wiedergegeben und beschränke mich heute auf die Bemerkung, dass 
kb mich von dem netzartigen Charakter, den ich auf eine wabige 
Strnctur beziehe, mit absoluter Sicherheit überzeugt halte. Ich vermag also 
um drawillen die Ganglienzelle der bohren Thiere nicht einfach als eine 
Stitte zu betrachten, welche Primitivfibrillen, ohne ihre Individualität einzubüssen, 
nf ihrem Wege zum Neuropil passiren sollen. Aber auch abgesehen hiervon 
genagt meiner Meinung nach ein Blick auf die zahllosen Endknöpfchen 
una beliebigen gr^seren Nervenzelle und ihrer deutlich verfolgbaren Dendriten 
(lB. Zellen der motorischen Kerne, Fyramidenzellen der Grosshimrinde), um 
Mfbit ttnen B^riff von der organischen Zusammengehörigkeit beider zu gewinnen. 


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454 


Unwiderstehlich drängt sich dem Beobachter der Gedanke anf, dass in diesen 
die Nerven wie ein dichter Filz umkleidenden Elementen diejenigen 
Organe zu suchen sind, welche in den Zellen selbst, theils durch 
directe Beeinflussung des Zellleibs, theils durch Einwirkung auf 
die ebenfalls der Beizaufnahme dienenden, centripetal leitenden 
Dendriten eine Thätigkeit auslösen. ln der mannigfachen Variation ihrer 
Erregungszustände bei gleicbzdtiger activer Betbeiligung des Zellprotoplasmas, 
in dem untrennbaren Zusammenwirken von Endbäumohen einerseits, Ganglien« 
zellen und Dendriten andererseits müssen, bei den höheren Xhieren zum 
wenigsten, sicherlich die Functionen des Nervensystems wurzeln. 


11. Referate. 


Anatomie. 

1) De oonprong der motorische oogzenurven bü de vogels, door Dr. Q. 

Jelgersma. (Psjchiatr. en neurol. Bladen. 1897. Nr. 1. biz. 23. Haart.) 

Der Nervus abducens entspringt wie bet den Sängetbieren an der Seite der 
Baphe ond geht in gerader Linie, ein wenig nach der Baphe za verlaufend, nach 
seinem Kern, der einfach ist und aus dem alle Fasern des Abducens der entsprechenden 
Seite hervorgeben, ans dem Kern der entgegengesetzten Seite stammt keine Faser, 
auch Commissuralfasern zwischen den Kernen sind nicht nachzuweisen. Der Kern 
besteht aus gewöhnlich grossen mnltipolaren Ganglienzellen, nnd liegt nicht, wie bei 
den Sängethieren, ventral von der centralen grauen Substanz des Ventrikels, sondern 
er wird von ihr durch sich kreuzende Bündel dicker markhaltiger Nervenfasern ge¬ 
trennt, die mit dem Acusticuskeme in Verbindung stehen, aber nicht mit dem 
Abducenskeme. 

Der Nervus trochlearis entspringt, wie bei den Sängethieren total gekreuzt 
und der Stamm verläuft an der Hinterseite des Lohns opticus zwischen diesem und 
dem Seitenrande des Cerebellum nach oben; die Trochleariskreuzung bildet einen 
Tlieil des breiten Bandes von markhaltigen Commissurfasem, die sich zwischen beiden 
Lnbi optici ausbreiten. Der Trochlearis überschreitet die Mittellinie nur wenig, biegt 
plötzlich centralwärts um nnd tritt, durch das Lumen des 4. Ventrikels verlaufend, 
in seinen Kern, der direct dorsal von dem Fasciculus longitudinalis in einer Aus¬ 
höhlung desselben liegt und einfach ist Manchmal biegen die ans dem Kern ans- 
tretenden Fasern nach kurzem Verlauf in lateraler Bicbtung dorsalwärts um in die 
Kreuzung, die das Dach des 4. Ventrikels bildet, bisweilen sieht man ein Bündel 
etwas weiter verlaufen in die graue Substanz des Bodens des 4. Ventrikels nnd 
später in dorsaler Bichtung umbiegen; der Eintritt dieses Theils des Nerven in das 
Velnm medulläre kommt deshalb mehr lateral zu Stande, und der Nerv verläuft in 
-grösserer Ausdehnung quer durch das Dach des 4. Ventrikels. Diesen etwas com- 
plicirten Verlauf sieht man am besten bei sehr jungen Vögeln (Tauben, Krähen), 
•die erst wenige Tuge aasgekrochen sind. Da der äusserst zusammengesetzte 
Bau der Substantia reticularis, in der Nervenfasern in allen denkbaren Richtungen 
durcheinander verlaufen, eine Verfolgung dieser unmöglich macht, kann Verf. über 
die Verbindung des Trochleariskems mit dem Gehirn nur angeben, dass ein aus dem 


D g li^od Dy GoOg IC 



455 


Kern eotspringendee Bündel feiner markhaltiger NerTenfasem, das sich dorch die 
Feinheit seiner Fasern Ton den Wurzelfasem des Trochlearis selbst unterscheidet» 
bei sn^wachsenen Thieren bis znm Nnclens dorsalis nerri optici rerfolgt werden 
lann, wo es wahrscheinlich endigt Im Trochleariskem sieht man Fasern entspringen, 
die sich direct Tentro-medialw&rts wenden, in den Fascicolns longitadinalis eiotreten, 
io dem sie in derselben Bicbtnng verlanfen, man kann sie eine kurze Strecke rer- 
folgen, dann hüren sie plötzlich anf ond biegen wahrscheinlich in der Längsrichtnng 
des Bündels nm; in den in der Kähe gelegenen Ocnlomotorinskem kann man sie 
nicht ansstrahlen sehen. 

Beim Nervns ocnlomotorins sind Verlauf and Brsprang bei den Vögeln and 
Säogethieren rerschieden. Bei den Sängethieren li^en alle Kerne des Ocnlomotorins 
dorsal vor dem Fascicnlns longitndinalis, bei den Vögeln liegt der ventrale Kern 
reotral von diesem Bündel. Bei den Sängethieren verlaufen die Fasern des Nerven, 
sowohl gekreuzte, als nngekrenzte, durch den Fascicnlus, bei den Vögeln verlanfen 
sie all^ auch die gekreuzten, in medialer Bichtnng. Bei den Sängethieren entspringt 
das gekreuzte Bündel aus dem am meisten doreal gelegenen Oauglion, das sich 
kreuzende Bündel passirt die Kerne an derselben Seite und kreuzt sich erst dann, 
bei den Vögeln passirt das sieh kreuzende Bündel die anderen Kerne nicht, sondern 
nur das nicht gekreuzte Bündel verläuft aus dem dorso-lateralen Kern durch den 
vestraleu Kern derselben Seite. Walter Berger (Leipzig). 


2) Feber die Ziele der modernen NerveniellenforBohangeD, von Gold* 
Scheider und E. Flatan. Ans dem Krankenhanse Moabit in Berlin. Nach 
einem Vortrage mit Demonstration im Verein für innere Hedicin am 21. Febr. 
1898. (Deutsche med. Wochenschr. 1898. Nr. 11.) 

Znsammenstellnng der Forschungsresnltate Über den normalen Ban der Nerven¬ 
zellen, die pathologische Anatomie derselben und die weiterhin erstrebenswerthen 
Ziele. Der Inhalt mnss im Original nachgelesen werden. 

B. Pfeiffer (Cassel). 


Experimentelle Physiologie. 

3) La non-äqaivalenoe des deax hdinlspliäres odrdbraax, par M. Klippe 1. 

(Presse mödicale. 1898. 29. Jannar.) 

Die beiden Himhemispbären sind wohl symmetrisch, aber nicht äquivalent. 
Der bekannteste Unterschied ist die Localisation des Sprachcentrnms auf der licken 
Seite. Die Unterschiede erstrecken sich auf Entwickelung, Configaration, Gewicht» 
physiologische Functionen, Häufigkeit der Erkrankung, pathologische Symptome in 
Folge der letzteren and auch auf die secnndären Degenerationen nach Zerstörungen 
der einen oder anderen Seite. Die in der Pyramidenbaba aoftretende absteigende 
Degeneration ist nach Läsion der linken Himhemisphäre ansgesprocfaener. Sie findet 
sich anch noch nach linksseitigen Erweichungsherden, die vor dem Gyros frontalis 
aseendens localisirt sind; bei allen Läsionen der Bolando’schen Windungen, der 
centralen grauen Kerne und der inneren Kapsel ist die Degeneration bei linksseitigem 
Site des Herdes eine stärkere. Die Pyramidenvorderstrangbahn ist bei linksseitigen 
Herden häufiger mitdegenerirt. Ebenso findet sich bei diesen häufiger Degeneration 
der nngekrenzten Pyramidenseitenstrangbahn. Verf. glaubt, dass von der linken 
Himhemisphäre aus eine ansgedehntere Verbreitung corticaler Fasern im Bflekenmark 
Plate greift, eine Folge des functionellen Ueberwiegens der linken Hemisphäre. 

Die linke Hemisphäre ist fast constant schwerer als die rechte; die Behauptnng 
ron Loys, dass sieh dieses Verhältniss bei Geisteskranken nmdreht, konnte Verf. 


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456 


nicht bestätigen. Ton 28 Geisteskranken war 15 Mal die linke, 11 Hai die rechte 
Hemisphäre schwerer; 2 Mal varen bcdde gleich. Während beim Menschen die 
Sprache in der linken Hemisphäre localisiit ist, die rechte Hand kräftiger und ge¬ 
schickter ist, findet sich kein noch so hoch stehendes Thier, bei dem die Gleichheit 
beider Himhemisphären in physiologischer Beziehnng nicht vollkommen erscheint 

Was die Pathologie betrifft, so scheint ausser der allbekannten Localisation 
der Aphasie auf der linken Seite, eine stärkere Erregung eine Folge der von der 
rechten Himhemisphäre ausgehwden Störungen zu sein, ferner eine Aufhebung dee 
Pharynx* und Larynxreflexes. Auch die Dysarthrie scheint bei Läsionen der rechtra 
Hemisphäre weit häufiger aufzutreten, so dass dieselbe in enger Beziehung zu den 
Bewegungen der Zunge und der Lippen zu stehen scheint Auch die funcüonellen, 
speciell die hysterischen Hemiplegieen sind häufiger linksseitige; die Hemianästhesie 
ist öfter links zu constatiren. Es wäre also die rechte Hemisphäre leichter von 
dynamischen Störungen betroffen, die linke mehr von tiefgreifenden, oi^anischen. 
Man könnte die linke Hemisphäre als männliche, die rechte als weibliche bezeichnen. 
Vielleicht lassen sich auch die bei Geisteskrankheiten zu beobachtenden Verdopp¬ 
lungen der Gedanken auf eine auseinandergehende Thätigkelt der beiden Hemisphären 
beziehen. 

Die fehlende Aeqnivalenz der Himhemisphären unterscheidet den Menschen von 
allen Thieren. M. Bothmann (Berlin). 


4) The vsso-ooBStriotor flbree of the great aurioular nerve in the rabbit, 
by W. M. Fletcher. (Journal of Physiology. XXII. 8.259.) 

Verf. bestätigte die zuerst von Schiff festgestellte Tbatsache, dass die Beizung 
des N. anriculans magnus beim Kaninchen eine Verengerung der Ohrgeftsse hervor- 
rnft und ferner, dass die betreffenden vasoconstrictorischen Fasern nicht aus dem 
Halssympathicus stammen, da die gefässverengende Wirkung auch nach Exstirpation 
des obersten Halsganglions bestehen bleibt 

Mach den Angaben des Verf.’s stammen die betr. Fasern aus dem Ggl. stellatum 
des Sympathicns, treten durch dessen Bamus vertebralis in den 3. Cervicalnerven 
und von diesem in den Auricularis magnus. Diese Ursprungs- und Verlaufsweis» 
wird durch Exstirpations- und Beizversuche sicher gestellt 

W. Cohnstein (Berlin). 


6) Ser Einfluss des Queohsilbers auf das Nervensystem des Kanlnohens, 

von Dr. Ludolph Brauer, Privatdocent in Heidelberg. Aus der mediciniscben 
Klinik und dem pathologischen Institut zu Heidelberg. (Deutsche Zeitschrift ffir 
Mervenheilk. 1897. XII.) 

An einer Versuchsreihe von 28 Kaninchen wurden die verschiedensten Quecksilber' 
Präparate unter den mannigfachsten Applicationsmethoden erprobt Von den ge- 
wminenen Besultaten der toxicologischen Wirkung des Quecksilbers sollen die Alte¬ 
rationen des Mervensystems eine nähere Besprechung finden. Bei rascher Ueberfhhrung 
grosser Giftmengen in den Kreislauf wird das klinische Krankheitsbiid beherrscht 
von allgemeinen Lähmungssymptomen mit Beflexsteigerung und Ataxie, Ersi^ieinnngen, 
welchen eine Schädigung im Centralnervensystem zu Grunde liegt Ueber das Ver¬ 
halten der nervösen Elemente im Gefolge von Quecksilbereinfuhr giebt die mikro¬ 
skopische, auf die feineren Structurverhältnisse gerichtete Untersuchung Aufschlnaa. 
Unverändert zeigten sich Gehirn, periphere Merven, Spinalganglien, Mervenwurzeln 
und die Fasersysteme des BQckenmarks. Dagegen eigab die MissTsche Methode 
der Zelluntersnchung Veränderungen an den motorischen Vorderhomiellen dee B&cken- 
marke, Zeichen der D^eneration, welche in leichtester Form auch bei ThierMz 


crinyGOOglC 


457 


beobachtet worden, die, ohne klinische Symptome einer Kervenläsioo, der an Nieren 
and Darm entfalteten Giftwirkung erl^en waren. Die Veritnderongen am Zellleibe 
beetehen im wesentlichen in einem körnigen 2^rfall der Nissrschen £örper and 
der V^trenong der Zerfallsprodocte über den Zellkörper. Als Aosdrock stärkerer 
Schädigung im Gefolge von grossen Giftmengen findet man ein Zosammenballen der 
&bbaren Substana zo Klumpen, sowie Terkleinerui^ der ganzen Zelle. Kern* 
Veränderungen spielen keine besimdere Rolle. Ob man an die erwähnten Abweichm^en 
TOD dem normalen Zellbilde Anfangsstadien der nervösen Fnnctionsstörongen zu Grunde 
l^eo darf, lässt Terf., und zwar mit Recht, vorerst unentschieden. Dagegen geht 
ans den Yersnchen hervor, dass selbst von einer das Nervensystem treffenden Ver« 
giftong mit Quecksilber der periphere Nerv nicht in lütleidenscbaft gezogen wird. 
Die vom Yerf. angestellten Experimente geben somit keine Grundlage ab für die 
Annahirifl einer Polyneuritis mercurialis. E. Asch (Frankfurt a./M.). 


6) Geber Bogengänge und Baumainn, von J. Breuer. (Fflüger’s Archiv, 
Bd. LXVIII.) 

Cyon hat kürzlich unter demselben Titel eine Abhandlung im Arch. f. Änat. 
Q..Phy8. 1897. Phys. Abth. veröffentlicht Nach der bekannten, schon 1878 aus¬ 
gesprochenen Hypothese dieses Autors entsteht ans den Empfindungen der halbbogen¬ 
förmigen Canäle unsere „ideale Raumanschauung'' und zwar im wesentlichen onto- 
genetisch. Yerf. kritisirt diese Hypothese und die Argumente, welche Cyon in seiner 
neuesten Arbeit zu ihren Gunsten angeführt hat Während Cyon die bekannte 
Eopfwendung von Fröschen, Tauben und Kaninchen auf der Rotationsscheibe als 
passives Zurückbleiben des Kopfes deutet, fasst sie Yerf. — offenbar mit Recht — 
als active Drehung auf. Während ferner Cyon annimmt, dass es sich bei den 
Kopfwendungen um reine Gesichtsphänomene handele, weist Yerf. durch Wieder¬ 
holung älterer Yersuche nach, dass bei geblendeten Fröschen die Kopfwendung nur 
in Folge einer Reflexhemmung für einige Zeit ausbleibt, dann aber vollständig ein- 
tritt. Die Eopfwendung wird also nicht nur von der Retina, sondern auch von den 
Bogengängen ausgelöst. Th. Ziehen. 


7) Sülle fonxioni dei oanali seznioiroolari, per E. Lngari. (Riv. di patolog. 
nerv, e ment 11.) 

Yerf. hält die halbcirkelförmigen Canäle für Organe, die nur dem Gehör dienen 
ihres anatomischen Zusammenhangs mit dem Ohr wegen und, weil sie nach den drei 
Dimensionen des Raumes angeordnet, geeignet sind, die Localisationen des Schalles 
ZQ percipiren. Die aus den Canälen entspringenden Nerven treten mittels ihres 
zweiten Neurons in Contact mit den Kernen der Angenmuskelnerven und mit Nerven- 
kemen im Cervical- und vielleicht auch Dorsalmark. Dadurch ist von den Canälen 
ans eine Reflexwirknng auf Bewegungen der Augen und des Kopfes ermöglicht 

Yalentin. 


Pathologische Anatomie. 

8) Bioerohe snlle leaioni dolle fibre nervöse spinall nelle psiconevroal 
aonte e oontributo anatomioo alle Studio della paralisi spinale spastioa,. 
per A. Donaggio. (Riv. speriment di Freniatria. XXIII.) 

Anatomische Untersuchnngen des Rückenmarks bei 5 an Manie und 3 an aentem 
Ynfolgungswabn erkrankten Patienten. In 5 Fällen fand Yerf. doppelseitige, sym- 
netrische Strangdegenerationen und initiale, nur in einem Falle schwerere, Yer- 


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458 


änderaog'en der Kerrenzelleo. Die Strangdej^eoerationen erstreckteo sich nicht höher 
als bis zur Cerricalgegend. Es waren betroffen: 2 Hai die Hinteretränge, 2 Hai 
Hinter- and Fyramidenseitenstränge, 1 Mal nur die letzteren. Die Degenerationen 
wiesen die von Vassale för primäre als charakteristisch beschriebenen Eennzeichen 
anf, wie negatives Resultat mit der Harchi’schen Methode n. e. w. Die primären 
Degenerationen sind nicht nar nnabhängig von Zellverändernngen, sie können die 
Faser anch in jedem beliebigen Abschnitt ihres Verlaufs ergreifen, sie gleichen den 
bei Vei^iftungen beobachteten und verdanken selbst wahrscheinlich einer Antointoxi- 
cation ihr Vorhandensein, ebenso wie die acnten Psychosen, bei denen sie anftraten. 
Sie sind der Heilung zugänglich. 

Ein Kranker mit Mitrallnsufficienz and Leber- und Nierenaffectionen, bei dem 
die Section primäre Degeneration der gekreuzten Pyramidenbflndel ohne Betheilig^ng 
anderer Stränge oder der Nervenzellen erkennen liess, bot während des Lebens voll¬ 
kommen das Bild der spastischen Spinalparalyse. Valentin. 


8) Sülle alteraiionl delle oellule nervöse dell* asse oerebro-splnsle oon- 
sacutlve all’ Inanlslone, per C. Qanfini. (Honitore zoolog. 1897. VIII.) 

Bei Kaninchen, die 5—7 Tage gehungert hatten, fand Verf. nach der Nissl’- 
sehen Methode die Zellen der Vorderhömer weniger gefärbt als normal, bald mit 
gut umgrenzten Chromatlnscbollen, bald mit diffuser Eömelung. Der Kern ist grösser 
als bei nicht hungernden Thieren. Auch die Neurogliazellen sind weniger stark 
gefärbt. Hinterbörner- und Himrindenzellen ohne Veränderung. Valentin. 


10) Changes in the central nervoos System after aseptio injury, by Jo¬ 
seph Sailer. (Proceedings of the pathological society of Philadelphia. 1898. 

January 15.) 

Nach dem Vorgänge von Tedeschi und Marinesco untersnehte Verf. die 
Wirkungen einer einfachen aseptischen Zerreissaog des Q-ehims, indem er einer Katze 
ein feines Loch durch die Hirnschale bohrte und durch dieses einen sterilisirten 
Platindraht in das Gehirn einstach und hin and her bewegte. Die anfangs be¬ 
stehenden Störungen in der Bewegnng des Hinterbeins verschwanden bald. Nach 
72 Ständen wurde das Thier getötet; an der Stelle der Läsion zeigte sich Hervor- 
qnellung von Himsnbstanz nnd beträchtliches Bluteztravasat. Die Untersuchung 
des in 96Alkohol gehärteten Gehirns zeigte in unmittelbarer Nachbarschaft der 
Läsion keine Zunahme der Neurogliazellen; das ganze Gewebe färbte sich nicht 
Direct hinter dieser Zone zeigten sich Capillaren mit Wucherung der Endothelzellen, 
deren Kerne theilweise Karyokinese erkennen liessen. Die Neurogliazellen waren 
leicht vermehrt, die Ganglienzellen stark degeneriri Noch weiter entfernt ze^te 
das Nervengewebe normale Beschaffenheit. Die Neurogliafasem waren in der Nähe 
des Coagulum dicker und breitmaschiger als normal. Das Neurogliagewebe ersetzt 
nach aseptischer Zerreissang der Himsubstanz das zerstörte Gewebe, hauptsächlich 
durch Verdickung der Fasern, weniger durch Wucherung der Neurogliazellen. Die 
Ganglienzellen dieser Gegend erhoben sich nicht wieder zu fuuctioneller Thätigkeit 
In der ganzen afBcirten Hemisphäre waren die pyknomorpheu Zellen zahlreicher als 
in der gesunden. M. Bothmann (Berlin). 


Pathologie des Nervensystems. 

11) Fatogenesl e semeiologia della vertigine, per L. Silvagni. (Roma. 1897.) 

Die vorliegende, änsserst sorgföltige und von grosser Belesenheit in der ein¬ 
schlägigen Litteratur zeugende Monographie enthält zunächst einen mit eiusichtsvoller 


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Kritik gdscbriebenen hiBtoriscben Ueberbliek Ober die verscbiedezien Theorieeo tod 
Wesen nnd Patbogenese des Schwindels und der n seiner Erklärong beraDgez(^eneD 
Erecheinongen, wie der Function der balbcirkelfbnnigen Can&le, des Ranmsinnes, der 
Erbaltnng dee Körpergleiehgewicbts. Ueber den intraeraniellen Blatdrnck unter ver- 
schiedenen experimentellen Bedingungen, wie Compression einer oder beider Carotiden, 
der Tertebralis n. s. w.. sowie Aber den bei Durebleitong des galraniscbeu Stromes 
durch den Kopf entstehenden Schwindel und seinen Einfluss auf Athmung und Blut- 
circulation bat Terf. Tbierrersnche angestellt nnd tbeilt die betreffenden Curven mit. 

Schwindel kann auf zwei Arten in Erscheinung treten: subjectiv mit schein¬ 
baren. in Wirklichkeit nicht Torhandenen Bewegungen der Umgebung und objeetiv 
mit Bewegungen des betroffenen IndiTidunrns selbst Zur Aufrechterhaltnng des 
Eörpergleichgewichts sind antoAatiscbe Bewegungen erforderlich, die geregelt werden 
Ton sensitiven Beizen. Aber nicht nur von Beizen einer einzelnen Gruppe von 
Sinneeoiganen; die automatischen Bewegungen sind vielmehr das complexe und ein¬ 
heitliche Besultat aller von der Peripherie zu den Centren gelangenden Sensationen. 
Uebereinstimmung muss auch vorhanden sein in der Uebertragnng jener falschen 
Sensationen betreffs unserer Beziehungen zum Raum, die den Schwindel veranlassen. 
Und ob er vom Auge, vom Ohr oder von den tactilen Nervenendigungen seinen 
Ursprung nimmt, Schwindel wird nur entstehen können, wenn alle peripheren Sinnes¬ 
organe DDS Übereinstimmend die Empfindung einer nicht vorhandenen Lage zur Um- 
gebnng übermitteln. Der Ursprung des Schwindels ist also eine Täuschung des 
Baumsinnes. Diese Täuschung ist keine Hallucioation, wie Niemeyer und Sau- 
vages, keine Illusion, wieLnsaana, Nothnagel, Frank annehmen, sondern nach 
Ansicht des Verf.'s eine Verkehrung (pervertimento). Ohne Bewusstsein giebt es 
keinen Schwindel; dieser ist „die Wahrnehmung der Verkehrung des Baumsinnes, 
die vorübergehende Erregungen der zur Aufnahme, Uebertragnng und Ausgestaltung 
der Baumesempfindung dienenden Nervenelemente begleitet, nnd die durch Kreislauf- 
stömngen, durch die Wirkung toxischer Substanzen oder durch die plötzliche Er¬ 
schöpfung der Nervenelemente selbst bervorgerufen werden kann.“ 

Zum Schluss folgt eine Eintheilnng der verschiedenen Schwindelfonnen in physio¬ 
logische oder occasionelle, sensorielle, reflectorisch, toxisch, symptomatisch entstandene, 
in essentielle und in solche bei Psychosen und aus verschiedenen Veranlassungen 
vorkommende, nnd ihre allgemeine nnd specielle Symptomatologie. Valentin. 


12) Einige Bemerkungen aur liehre vom Ohrenschwlndel, von W. Ebstein. 

(Deutsches Archiv f. klin. Hedicin. 1897. Bd. LVIII.) 

Verf. berichtet über Fälle von Obrenscbwindel, bei denen die Natur des Obren- 
leidens festgestellt wurde, und welche ätiologisch und symptomatisch interessante 
Einzelheiten ergaben. 

In einem Falle bandelte es sich um eine bei einem Oichtiker unter dem Bilde 
des Ueniöre’schen Schwindels auftretende Vertigo. Bei dem Kranken bestehende 
Gehörsstörungen waren die Folge einer Erkrankung des inneren Obres nnd des 
Acusticusstammes. 

Ferner wurden Schwindel und Erbrechen mit rechtsseitiger Schwerhörigkeit bei 
mner an Bheumatismus deformans erkrankten Frau, Gicht, Schwindel und Gehör¬ 
leiden bei einem dritten Patienten, der gleichzeitig eine Verkalkung des Trommel¬ 
fells hatte — möglicherweise hamsaure Salze — beobachtet 

Zu den bisher bekannten Fällen von Labyrintherkrankung bei Influenza fügt 
Verf. einen dritten eigener Beobachtung. 

Endlich noch wurde der Ohrenschwindel beobachtet bei einer an Tuberculose 
und Diabetes leidenden Kranken, sowie in Verbindung mit Supraorbitalneuralgieen 
und hochgradiger Coprostase nnd endlich bei Syphilis. K. Grube (Neuenahr). 


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13) Ueber einen typisohen Fall von Meniöre’soher Affeotion. — Heilung» 

von Or. Albert Bing, Frivatdocent in Wien. (Wiener med. Wochensohrift. 

1898. Nr. 4.) 

Typischer Meni^re’scher Schwindel (Morb. Menidrei apoplectiformis) mit voll* 
ständiger nervöser Taubheit rechts. Fat war 42 Jahre alt, frflher immer gesnnd, 
litt in letzter Zeit oft an Congestionen zom Kopf. Verordnung: Jodsalz 0,5 pro die, 
Empl. vesic. am rechten Warzenfortsatz. Nach 3 Wochen Heilnng. Hörvermögen 
wieder ganz normal. Welcher Art die pathologische Veränderung war (Capillar* 
apoplezie, seröse Ezsodation), und in welchem Theile des Gehörapparats sie sass, 
liess sich nicht bestimmen. 

Man soll, meint Verf., wenigstens in der Otologie von Morbus Meniörei nor 
sprechen bei apoplectiformem Auftreten der Trias (fo dass es eigentlich nur einen 
Morb. Men. apoplectiformis giebt), und wenn die pathologischen Veränderungen im 
Endapparate des Acnsticns oder längs seines centralen Verlaufs sitzen. Den Ans* 
druck Meniöre’scher Symptomencomplex sollte man fallen lassen und bei Auftreten 
der Trias, z. B. nach Einwirkung eines Traumas anf das Ohr, nur von Boptor, 
Commotio labyrinthi, Hämorrhagie u. s. w. sprechen, aber nicht von Meniöre, ebenso 
nicht, wenn bei Ansammlung von Cerumen, Katarrh, Ausspritzung der Obren, Loft* 
einbreibung u. s. w. sich sog. Meni^re’sche Symptome einstellen. 

J. Sorgo (Wien). 


14) lies hydrooephalies» par Dr. d’Astros, Mödecin des Höpitauz de Marseille. 

(Faris. Steinbeil 1898. 341 S.) 

Eine monc^raphiscbe Beschreibung Ober Hydrocepbalie entspricht gewiss einem 
BedOrfniss und der Verf. wird durch die Art und Weise, in der er seine Aufgabe 
erfüllt bat, gewiss des Dankes und der Anerkennui^ seiner Facbgenossen sicher 
sein. Nach einer historischen Einleitung und nach Besprechung der anatomischen 
und physiologischen Verhältnisse, wie der Symptome der Krankheit kommt er zu der 
Fathogenie der Krankheit; er nimmt eine Hydrocepbalie durch venöse und lymphatische 
Stase an und eine andere inflammatorischen Drsprungs. Im 6. Kapitel bespricht Verf. 
die congenitale Hydrocepbalie, im 7. die Hydrocepbalie der Degenerirten, im 8. ln* 
fection und Hydrocepbalie, im 9. das Verhältniss von Ehacbitis zur Hydrocepbalie. 
Ein besonderes Kapitel ist sodann der Discussion der Meningitis serosa (Quincke) 
gewidmet Wenn Verf. auch eine solche Meningitis serosa besonders in der acnten 
Form annimmt, so meint er doch, dass die chronische Form Quincke’s, wenn er 
dieselbe auch nicht bestreitet hier besonders mit Bflcksicbt darauf eine Einschränkung 
erfahre» müsse, als mehrere der Quincke’scben Fälle wohl latente congenitale 
Hydrocephalieen seien, welche durch accidentelle Einflüsse zur Erscheinung gekommen 
sind. Es werden sodann die Hydrocephalieen bei Folioencephalitis, bei Hirntumoren, 
bei Hirntuberculose, bei hereditärer Syphilis und endlich der Hydrocephalus eztemus 
besprochen. Nach einer Erörterung der Diagnose der Hydrocepbalie kommt Verf. zu 
der Therapie, in welcher er nach Aufzählung der verschiedenen chirurgischen Ein¬ 
griffe zu dem Schluss kommt Aass unsere Heilkunst in dieser Krankheit noch sehr 
wenig vorgeschritten sei. 

Die Litteratur, auch die deutsche, ist eingehend berücksichtigt. Die Ausstattung 
des Boches ist eine sehr gute, und wir können das Werk auf das Beste empfehlen. 

M. 


16) Sarooma della fossa cranioa posteriore destra oon idrooefialo e soolo 
di liquido oerebro-epinale del naso, per L. A. Campo. (Biv. sperim. di 
Freniatria. XXIII.) 

24 jähriger Mann erkrankte im 7. Lebensjahre an einem Ohrenleiden, daranf 
entwickelten sich nach und nach die anderen Beschwerden: Kopfschmerzen, schwan* 


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461 


kioder Osog, Ezophtbalmos, Schwellung der Kopfvenen, Hjdroeephalns, Ataxie des 
Bompfes und der Glieder, L&hmuQg des rechten Facialis, Nystagmus, Zorftchbleiben 
des rechten Auges bei Convei^enzbewegungen. Aus dem linken Nasenloch floss fast 
ständig Cerebrospinalflflssigkeit ans, die Terf. chemisch untersuchte und mit den 
Analysen anderer Beobachter, sowie mit der durch Quincke’sche Lumbalpnnction 
bei seinem Kranken entleerten Flüssigkeit vei^lich. Wurde der Ausfluss aus der 
Hase geringer oder bürte er zeitweilig auf, so steigerten sich die Beschwerden des 
Patienten. 

Bei der Section fand sich ein voluminOser grossentheils cystischer Tumor io 
der rechten hinteren Schädelgrobe, der Hinterfläche des Felsenbeins anhängeod, der 
die nmgebenden Himtbeile stark comprimirt batte. Es war ein cystiscbes Sarcom 
endothelialen Urspmngs. An der Arachnoidea sassen Verdickungen, die mikroskopisch 
Pacchioni’schen Granulationen glichen und die Dura und stellenweise den Knochen 
Dsorirt hatten, so am Sinus ^ontalis. In diesen hinein war denn auch die Flüssig¬ 
keit vom Vorderhom des linken Seitenventrikels durch die verdünnte Nervensobstanz 
gesickert und weiter durch das Infundibulum in die Nase. Valentin. 


16) Chronic hydrocephalus treated hy interoranial drainage, by G. A. 

Sutherland. (Brit med. Joum. 1898. March 19. S. 758.) 

Verf. berichtet in der klinischen Gesellschaft über einen, gemeinschaftlich mit 
Watson Cheyne behandelten Fall von congenitalem Hydrocephalus bei einem 
6jährigen Kinde mit hereditärer Syphilis. Ein Drainrohr von Catgnt wurde in den 
mteren linken Winkel der grossen Fontanelle eingeführt, ein Ende zwischen Dura 
ond Gehirn, und ein anderes in den Ventrikel. Aus diesem floss nur wenig Flüssig¬ 
keit ab. Dann wurde die Oeffnung in der Dura mit Catgntnaht verschlossen, die 
äossere Wnnde wie gewöhnlich. 6 Tage nach der Operation war die Wunde völlig 
zQgebeili Der Erfolg der Operation war, dass der Schädelnmfang ansehnlich ver¬ 
ringert, die Fontanellen worden sehr viel kleiner, dichter mit Pulsation. — Das Kind 
starb 3 Monate später an BasUarmeningitis. Im snbduralen Kaum fand sich eine 
grosse Menge Flüssigkeit. Das Gehirn war klein, cystisch zum Theil; die Ventrikel 
nicht erweitert 

Watson Cheyne berichtet dazu über einen anderen, analogen Fall mit eben¬ 
falls vorgenommener Operation. Es sei eine Hoffnung vorhanden, die Entwickelung 
eines solchen Gehirns zu erzielen, wenn die Operation vorgenommen werde, bevor 
Draekentzündung im Gehirn entstanden sei. L. Lehmann I (Oeyubansen). 


17) Ein Beitrag au den selteneren Fällen der Sehstöningen bei intrs- 
oraniellen Erkrankungen, von Prof. XJhtboff in Breslau. Unter Zugrunde¬ 
legung eines in der scblesLschen Gesellschaft für vaterländische Cultur (medic. 
Section) gehaltenen Vortrages mit Krankendemonstration. (Deutsche med. Wochen¬ 
schrift 1898. Nr. 9 n. 11.) 

Fall I. Die 7jährige Patientin H. F. erblindete vor 3 Jahren im Anschlnss 
an eine epidemische Cerebrospinalmeningitis vollständig nnd blieb auch später im 
gewöhnlichen Sinne des Wortes blind, wenngleich sich etwas Lichtempfindnng ein* 
stellte. Bei der Untersochnng (Juni 1897) erwiesen sich die inneren Organe Intact, 
der Nervenstatns annähernd normal, insbesondere keine Läbmnngserscheinongen nnd 
Sensibilitatsstörungen, keine Imbecillität n. s. w. Angenhintergmnd normal, Emme- 
tropie. — Prompte PupUlenreaction anf Licht, Accommodation nicht zo prüfen. 
Keine Lähmungen, kein Nystagmus; Strabismus diveigeus, namentlich des linken 
Auges. Das Kind behauptet nichts sehen zn können, fixirt nicht, macht keine 
positiven Angaben und verhält sich bei der Orientirung im Raum wie eine Blinde. 


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462 


Eine genanere Pr&fang ei^ab, dass das Kind thats&cblieh nicht ?ollsUndig blind war, 
dass es zeitweise anf keine Prflfang reagirte, an anderen Tagen folgte es grösseren 
vor den Aogen bewegten Dingen, griff mit den Händen danach, fixirte dagegen nicht 
mhig gehaltene, namentlich kleinere Objecte. Ziemlich sicher umging das Kind 
grössere Hindernisse und zwar mit vorgestreckten Händen oft ohne die Gegenstände 
zu berühren. — Trotzdem behauptete Pat. dnrchweg gamicht sehen zu können und 
benutzte, sich selbst überlassen, d. b. ohne Aufforderung und Erregung ihrer Anf* 
merksamkeit, das geringe, offenbar vorhandene Sehen gar nicht Richtige Wahr¬ 
nehmungen von Farben konnte das Kind anscheinend nicht gewinnen, lieferte auch 
keine Anhaltspunkte zur Beoriheilang der Sehschärfe. Das Gesichtsfeld war an¬ 
scheinend noch ziemlich im normalen Umfang erhalten, jedenfalls keine Hemiopie 
nachweisbar. — Durch methodische Uebung wurde das Sehen und die Verwertbung 
desselben etwas gefördert 

Verf. hält Hysterie fQr sicher ausgeschlossen und nimmt eine doppelseitige 
Himrindenläsioo in der Gegend des Sehcentmms an mit sehr hochgradiger, dauernder 
Beeinträchtigui^ der Sehfunction. Der Eintritt des Leidens im Alter von 3 Jahren 
erklärt, dass das Kind bei seiner weiteren geistigen Entwickelung das restirende, 
geringe, wenig nützende Sehvermögen allmählich ganz vernachlässigte und im gewöhn¬ 
lichen Leben völlig blind erschien, dass ferner Anregung der Aufmerksamkeit und 
Belehrung das Sehen anfangs ein wenig besserte, während das Kind, sich selbst 
überlassen, sich als ganz erblindet fühlte. — Eine längere Beobachtung in der 
psychiatrischen Klinik bestätigte die Annahme und machte wahrscheinlich, dass bei 
dem Kinde auch die tactUen Grössen- und Raumvorstellungen mangelhaft entwickelt 
waren. 

Fall II. Sehr complicirte Krankheitssymptome bei einer 28jährigen PaUenün, 
und zwar linksseitige homonyme Hemianopsie mit Uebergreifen auf die rechten 
Gesichtsfeldhälften, doppelseitige Ophthalmoplegie interna, leichte Atrophie der Papille 
(rechts, später auch linlte) und Morbus Basedowii (Struma, Herzpalpitationen, Tremor, 
Hyperhidrosis, psychische Erregungszustände u. s. w., kein Exophthalmus). Besserung 
durch antilnetische Kur. — Die Sehstömng weist nach Terf. sicher auf das vordere 
Ende des rechten Tractus opticus hin mit Uebei^eifen auf das Chiasma. — Eine 
einheitliche Erklärung des ganzen Krankheitsbildes ist unmöglich. Einmal könnte 
man die Sehstörung mit einer Hypophyaiserkrankung, diese wiederum mit der Schild- 
drflsenerkrankung, der eventuellen Ursache des H. Basedowii, in Zusammenhang 
bringen: unerklärt bliebe die Ophthalmoplegia interna. Weiterhin könnten die 
Tractusläsion und Ophthalmoplegie luetischer Natur sein und bei der schon länger 
bestehenden Entartung und Vei^rOsserung der Schilddrüse der Ausbruch des H. Base¬ 
dowii durch den Eintritt der intracraniellen Erkrankung begünstigt sein. Die dritte 
Möglichkeit der Deutung, die Basedow’sche Erkrankung als das Primäre anznsehen, 
die Sehstörungen als secundär und davon abhängig zu betrachten, hat am wenigsten 
Wahrscheinlichkeit. Die Anamnese ergab, dass die Struma schon seit dem 14. Lebens¬ 
jahre besteht, in letzter Zeit aber zugenommen hat, dazu traten vor einigen Monaten 
Verschlechterung des Sehvermögens, rechtsseitige Kopf-, Gesichts- und Zahnschmerzen, 
gelegentlich Ohnmachtsanfälle. — Lues geleugnet. R. Pfeiffer (Cassel). 


18) Die Bedeutung der Augenstdrungen für die Dii^ose der Hirn- und 
Rüokenmarkskrankheiten, von Dr. Otto Schwarz, Privatdocent an der 
Universität Leipzig. (Berlin. 1898. S. Karger.) 

Das Büchlein verdient die Beachtung der Neurologen in vollstem Maasae. Nach 
schätzenswerthen ophthalmologischen Vorbemerkungen werden die Augenstörungen 
bei den verschiedensten Krankheiten der Hirnhäute, des Hirns, des verlängei^n 
Marks, des Rückenmarks, sowie bei einer Anzahl fnnctioneller Neurosen namentlich 


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463 


u diagooetischer nnd differentialdiagnostiseher Hiosicht besprochen. Interessant sind 
BaMDtUeh die Kapitel Über die Geschwülste und über die Syphilis des Central* 
stfTeii8[^teiii8, über Paralyse, Tabes and die mnltiple Sklerose. Am eingehendsten 
lind die pathologischen Angensymptome bei der Hysterie behandelt, die nicht nur 
«ae branchbare Znsammenstellung der Arbeiten anderer Forscher, sondern selb* 
stindige, nene and vertraaenswürdige Beobachtongsresoltate enthalten. 

Q. llberg (Sonnenstein). 


19) Ein transparenter Xngelperizneter aaa Celluloid für den Handgebrauch, 

Ton Dr. Jnlins Ascher, Aogenarxt in Frankfort a./H. (Ophthalmol. Klinik. 

1898. Nr. 5.) 

Verf. hat einen neuen handlichen Perimeter constrairt, der in der Hauptsache 
its mem Hoblkagelsegmeni ans transparentem Celluloid besteht Aaf seiner con* 
Texen Seite befindet sich ein Qesichtsfeldschema mit Grenzen für Weiss ond Farben, 
daran ein Bügel mit Handgriff and Augenstütze. 

In Folge des geringen Gewichts des Cellaloids (der ganze Apparat wiegt 460 g) 
kiiiD der Patient den Apparat leicht and sicher vor dem zu antersochenden Auge 
kalten. Oer transparente Mantel der Hohlkngel gestattet einerseits in allen ihren 
Th^o dieselbe Beleuchtung, andererseits die Prüfungsblättchen aof die convexe 
Säte der Hohlkngel zu vorigen. Darcb diese Verlegung kann 1. die UnfÜrmigkeit 
dar alten Apparate durch einen kleinen, handlichen ond bequem transportirbaren 
At^israt ersetzt werden, 2. wird die Dntersuchaog dem Arzte dadurch bequemer, sie 
liegt ihm handgerechter und 3. fällt das dem Gesichte des Patienten so nahe Bin* 
od Uerbew^en der Sehobjecte fori 

Das Resultat wird direct auf der Kogel mit weicher farbiger Kreide aufgezeicbnet 
Barch eine im Pole der Kugel sich befindende röhrenförmige Oeffnong, dnrch welche 
kiadurch das zu untersuchende Auge einen fernen Gegenstand fiziren soll, wird die 
AceMBBodation genügend entspannt Die Transparenz des Mantels gestattet dem 
Atzte die Blicklinie eeiner Patienten bequem zu überwachen. 

Das Perimeter ist zu beziehen durch F. Benningen, Frankfurt a./M., Bibergasse 2, 
oad kostet 48 Mark. Fritz Mendel. 


SO) Oontributo allo Studio delle paralisi oltemanti dei musooli ooulari, 
per Q, Mingazzini. (Soppl. al Policlinico. 1897. IV.) 

2 Fälle altemirender Angenmuekelläbmung: 

L Eine 46jährige sehr schlecht genährte Fran, die früher an hysterischen 
Krämpfen gelitten ond vor 10 Jahren bereite an Doppeltsehen erkrankt war, wurde 
deo rechten Ange von Lähmung des Hebers des oberen Angenlides und von 
Deppätsehen befallen. Nach einem Monat Heilung. Vs dahr später rechts Lähmung 
im Levator palpebrse snp., Bewegung des Anges nach oben stark eingeschränkt; 
Saks Lähmung des Levator, Hebung, Senkung, Aussen* ond Innenrotation des Bulbus 
hst 0eicb Noll Schmerzen im Verlauf des linken N. olnaris. 

IL 38jähriger, luetischer Mann. Seit 6 Jahren fast jährlich Aogenmuskel- 
ähacng und zwar beim ersten Mal dee Obliquus superior rechts, später links. Jetzt 
lähmnng des linken Levat. palpebr. sup. and des M. obliques sup. links. Pnpillen 
li^tstanr. Zugleich Gefühl von Schweiss in den unteren Extremitäten und lauci- 
inode Schmerzen. Wahrscheinlich beginnende Tabes. 

Die altemirenden Aogenmnskeilähmuogen nntersebeiden sich dem Verf. zufolge 
tiht von der Ophthalmoplegia chronica progressiva. Valentin. 


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21) Bemarqaes Bur quelques troublee ooulaires d^pendant de l'4tat g4n^ral, 
par Emile Berger. (Arch. d’Ophtalmol<^ie. Paria. 1897. aoöt.) 

Terf., welcher zunächst allgemein darauf hinweist, dass eine im Verlauf oder 
nach einer anderen Krankheit auftretende AugenstOrung darum noch nicht lediglich 
auf diese bezogen werden dürfe, sondern dass es auch wesentlich auf den Allgemera- 
zustand ankomme, führt mehrere derartige eigene Beobachtungen an. So trat z. B. 
in einem Falle im Anschluss an gelbes Fieber die Unföbigkeit auf, Nadeln einzn- 
födeln u. 8. w.; objectiv fand sich bei Untersuchung des Oesichtsfeldes eine rasch 
zunehmende Einengung für Weiss (Spiralgeeichtsfeld) und „ Ermüdungstjpus too 
Foerster“, sowie allgemeine Symptome von Neurasthenie. 

In einem anderen Falle trat im Anschluss an die Taucherluftdruckkrankheit 
•(„Haladie des Caissons“) Sehstürnng ein; objectiv Anästhesie der Conjunctiva des 
linken Auges, concentrische Einengung und Inversion der Farbenempfindungsgrenzen. 
Letzteres fand sich auch in einem Falle, in welchem die subjectiven Sehstümngen 
im Verlauf von Broncekrankheit aufgetreten waren. 

Verf. betont, dass die Augenstörnngen in diesen und ähnlichen Fällen eben 
nicht ohne weiteres direct auf die betreffende Krankheit, sondern auf Nenrasthenie 
oder Hysterie zu beziehen seien, welche sich im Laufe oder in Folge derselben ent« 
wickelt hätten. Kaplan (Herzbeige). 


22) Zar Symptomatologie der Aogenmoakellähmangen, von P. Moritz Sachs 

(Wien). (Uräfe’s Archiv für Ophthalmologie. 1897. XLIV.) 

Verf. fand bei von ihm untersuchten Fällen von einseitiger Abducensparese, dass 
sowohl beim Blick von links nach rechts, als beim Blick von rechts nach links 
Scheinbewegungen auftraten, und zwar in der Bichtung der intendirten Blickbewegung. 

Äuffallenderweise fand sich, wenn die Prüfung bei Offenbleiben des gesunden 
Auges stattfand, eine falsche („spastische“) Localisation auch im Bereich des asso« 
ciirten Internus der gesunden Seite; es wurde also z. B. bei rechtsseitiger Abducens- 
parese ein rechts gelegener Gegenstand, mit dem linken Auge betrachtet, nicht am 
richtigen Orte, sondern nach links verschoben gesehen. Um eine durch irgend 
welche Lähmung am linken Auge bedingte Localisationsstörung konnte es sich dabei 
nicht handeln, da bei einer solchen der Gegenstand stets nur nach der Bichtung 
verlagert erscheint, io welcher der geschädigte Muskel das Auge dreht. 

Von den Doppelbildern, in die bei rechtsseitiger Abducenslähmung ein rechts 
gel^ener Qegensünd zerfallt, wurde demnach keines m dem wirklichen Lageorte 
des betreffenden Gegenstandes, sondern das eine rechts, das andere links daneben 
gesehen. 

Verf. erklärt diese „spastische“ Localisation mit einem rascheren Ablauf der 
Blickbewegung und der dadurch entstandenen Soheinbewegung, und nimmt an, das 
der associirte Internus einen erhöhten Tonus besitzt, dem zu Folge die Impulse zur 
Bechtswendung rascher die gerade erforderliche Contraction aofbringen. 

Die Scheinbewegung führt zu einer Verlagerung der Gegenstände und damit zu 
einer falschen Localisation (nicht umgekehrt die falsche Localisation zur Scheio- 
bewegung!). Diese Scheinbewegung der G^enstände ist nach Verf. auch die Ursache 
des Schwindels, an welchen Individuen mit Augenmuskellähmung leiden. 

Paul Cohn (Berliu). 


23) AugeamuBkellähmangen durch Oesohwulstmetaatasen, von Docent Dr. 
A. Elschnig in Wien. (Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 5.) 

1. Fall. Augenmuskellähmnogen durch metastatisches Carcinom der Augen« 
mnskeln. 73jährige Frau. Carcinom des Cervix, Metastasen in der Haut Das 


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linke Auge erfuhr zunehmende Protrusion bis zur ?oUständigeD Unbeweglichkeit. 
Ftosis des oberen Lides, Än&sthesie der Augapfeloberfläche, neuroparalytisehe Kera¬ 
titis. Pupillen gleich weit, reagiren gut, Fundus normal. Bel der Section fanden 
sich in allen Augenmuskeln mit Ausnahme des Obliques inf. unmittelbar an ihrem 
Ursprünge Geschwnlstmetastasen, in Form je eines härtlichen, die ganze Dicke der 
Muskeln einnehmenden Carcinomknoten; im Obliquus sup. deren zwei. 

Die Lähmung der Al^fenma8keln kann mnscnlären (durch mechanische Beliin- 
demng der Contraction und Leitungsnnterbrechnng der NerTenansstrahlungen im 
Muskel selbst) oder neuralen Ursprungs (durch Druck auf die motorischen Nerven 
vor ihrem Eintritte in die Muskeln) gewesen sein. Ersteres hält Yerf. fflr wahr¬ 
scheinlicher, weil die Pupillenfasem des Ocnlomotorius intact waren. Daneben spielte 
wohl ancb die Compression der Nerven eine Bolle; die Anästhesie der Augapfel- 
Oberfläche dürfte durch Drucklähmung des Bamus ophthalmicus des Trigeminus ent¬ 
standen sein. 

Schon geringfOgige Geschwulstmetastasen an den Ursprongastellen der Augen¬ 
muskeln müssen Läbmui^ erzeugen, denn die für die einzelnen Muskeln bestimmten 
Nerven legen sich unmittelbar nach ihrem Eintritte io die Orbita an die Innenfläche 
des entsprechenden Muskels, und strahlen fächerförmig in seine Substanz aus, die in 
die Knoten eingebetteten Nervenbündel vriesen auch thatsächlich hochgradige Atrophie 
auf. Geschwulstmetastasen in den Augenmuskeln sind enorm selten. Es ist bisher 
nur ein Fall beobachtet worden (Horner). 

2. Fall. Totale Ophthalmoplegie des linken Auges durch metastatisches Carcinom 
im Sinns cavernosus sinister. 

Ein 47jähriger Manu erkrankte ö Wochen vor dem Tode an Ptosis des Unken 
Auges, Paralyse aller äusseren und inneren Augenmuskeln, Anästhesie der Äugapfel- 
oberfläche; Fondue und Sehvermögen normal. Carcinom der Schilddrüse. Bei der 
Autopsie zeigte sich in der Gegend des Sinus cavernosus sin. eine denselben erfüllende 
Geschwnlstmasse, mit seiner Wand und der Carotis interna innig verbunden. Die 
Obturation setzt sich nur eine kurze Strecke in den einmündenden Yenensinus fori 
Die Nervenstämme im Sinus sind im Zustande entzündUcher Degeneration. Ein 
Hineinwachsen von Geschwulstmassen in dieselben ist nirgends nachzuweisen. Die 
Nervenfasern sind fast vollständig zu Grunde gegangen. Die Yena opbthalmica und 
deren Zweige sind durch Geschwulstmasse verschlossen; Opticus normal. 

Die seltene Localisation erklärt sich aus dem Durchbruche des Schilddrüsen- 
carcinoms in die Yena jugularis externa. 

Einfache Yerstopfung des Sinus cavernosus durch Neoplasmen oder Thrombose 
braucht keine venöse Stauung au der Augapfeloberfläche und der Betina hervorzu- 
rufen, da die Yena opbthalmica mit den Gesichtsvenen durch weite und zahlreiche 
Auastomosen verbunden ist (Sesemann), so dass bei der Klappenlosigkeit der Yena 
ophth. vielleicht schon normalerweise ein Abfluss des Blutes aus dem Sinus caver¬ 
nosus in die Yena ophth. erfolgen kann. Stauungserscheinungen in den Orbital¬ 
gebilden sind immer Symptome einer auf die Orbitalvenen übergehenden Thrombo¬ 
phlebitis. __ J. Sorgo (Wien). 


24) Doppelseitige congenitale externe OphUialmoplegie, von Pflüger (Bern). 

6. Sitzong des Medicin.-Pbarmac. Bezirks-Yereins Bern. (Corresp.-Blatt für 

Schweizer Aerzte. 1S97. Nr. 11.) 

Yerf. beobachtete einen Fall von Ophtalmoplegia externa bei einem Manne, 
dessen Yater von ganz demselben Leiden befallen war; er erinnert an einen von 
Dr. Goarfein (Bev. mäd. de la Suisse XII, 1896) publicirten Fall, wo die Con- 
genitalität eclatant war, indem Yater and 4 Sühne an totaler Ophthalmoplegie litten, 
währMd die Mutter und Töchter frei davon waren. Die Frage, ob in solchen 

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Fällen Nuclearläbmung vorliegt oder der Charakter der Erkrankung dem der pri¬ 
mären Mjopathieen gleich zu achten sei, wird noch discutirt Richter (Rannn). 


26) La disBOoiation de la vision binoculaire ohee quelques strabiques et 

quelques bystdriques, a propos d’un cas d'amaurose monooulaire 

byst^rique, par A. Antonelli. (Archires d’ophtalmologie. 1897. XVII.) 

Oer Fall, welcher dem Yerf. die Veranlassnng zu obiger Abhandlung gab, war 
kurz folgender: „ISjähriger, von väterlicher Seite erblich belasteter Knabe, bis zum 
12. Jahre — abgesehen von Kinderkrankheiten — gesund, begann an Schlaflosigkeit 
zu leiden, änderte seinen Charakter sehr auflallend in malam partem; während dieser 
Zeit erfährt er eines Tages, dass sein Vater in eine Anstalt für Geisteskranke ver¬ 
bracht worden sei, alterirt sich änsserst heftig darftber, ßllt einige Tage darauf 
mässig heftig mit dem Kopf auf eine Treppenstufe, wird nach 5 Tagen von inten¬ 
sivem Kopfschmerz befallen und bemerkt nach weiteren 2 Tagen beim Aufstehen am 
Morgen eine plötzlich auftretende Erblindung des linken Auges.“ Die Untersuchung 
ergab eine leichte Hypoasthesie der Banchdecken auf der linken Hälfte, desgleichen 
der linken Cornea. Links keine Lichtempfindung — Verf. schloss Simulation sorg- 
föltig aus — bei vollkommener Beflezfreiheit der Pupille; rechts nahezu normale 
Sehschärfe, charakteristische Gesichtsfeldeinengong; der ophthalmologische Befund ohne 
Belang. Versuche mit stereoskopischen Proben (Dahlfeld) zeigten, dass Pai nur 
mühsam eine Fusion der Figuren (z. B. Schildwache und Schilderhäuschen u. ähnl.) 
bewerkstelligen konnte, dagegen relativ leicht und flott Zeilen lesen konnte. 

Während der ans organischer Ursache — so auch Schielen — AmblyopUcbe 
oder Amaurotische sich — jedenfalls im Anfang der Erkrankung — entschieden 
durch die unvermeidlichen Störungen in seiner Sehfabigkeit, bezw. in dem Bereiche 
seines Sehvermögens, geniert fählt, ist dies ganz im Gegensatz dazu bei einem 
Hysterisch-Amaurotischen nicht der Fall. Bei letzterem besteht vielmehr ein voll¬ 
kommenes „Sich - Unbewusstsein“ über seinen Zustand, den er sich erst durch Ver¬ 
schluss des „sehenden“ Auges in das Bewusstsein rufen kann. Der ganze nervöse 
Apparat des binocularen Sehvermögens ist dabei völlig intact, nur ist die Verfügung 
Ober denselben in der Weise eingeschränkt (rötröcie), dass es eines ziemlich ener¬ 
gischen Stimulans bedarf, om wirklich binocnlares Sehen zn erzielen. Es spielt daher 
bei Hysterischen die Aofmerksamkeit — das Stimulans also — eine sehr grosse 
Bolle; wird diese, wie es beim Lesen von Sätzen unter dem Stereoskop erforderlich 
ist, sehr energisch angespannt, so kann der Fat. fliessend lesen, während das blosse 
Bestreben, zwei StereoskopÖgoren richtig zu vereinen, die Aufmerksamkeit — dem 
Fat. selbst unbewusst — nicht genügend stark wirken lässt. Dies Fehlen des „sich 
seines Zustandes Bewusstseins“ (inconscience) stimmt ganz überein mit dem Verhalten 
Hysterischer gegenüber allgemeinen hysterischen Parästbesieen. Verf. bezeichnet es 
demnach auch als eine hysterische Anästhesie des das binocnlare Sehen vermittelndeo 
sensoriellen Apparates. Es entwickelt sich auch bei dem hysterisch Amblyopischen 
oder Ämaurotischen weder Simoltansehen, noch echtes Honocularsehen, eben weil der 
sensorielle Apparat, wenn auch dem Träger unbewusst, functionirt. 

Richter (Hamm). 


26) Ueber Faralysls agitans und ihre Behandlung, von W. Erb. (Zeitschr. 
f. prakt Aerzte. 1898. Nr. 5.) 

Verf. berichtet über 2 Fälle von Paralysis agitans bei einem Sljäbrigen und 
einem 44jährigen Manne. Bei dem ersteren entvrickelte sich die Krankheit etwa 
Jahr nach einem mit heftigen Schrecken vorhandenen Fall in den mit Eis be¬ 
deckten Rhein, in dem zweiten sofort nach dem Herabstürzen von einem Baum. In 


'ig: 7CÖ : 


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btides F&Ueo sind die zwei Haaptsymptome der Paralysis agitans scharf ausgeprägt, 
das Zittern und die Muskelsteifigkeit. Ffir das Zittern ist besonders charakteristisch, 
dass es bei rölliger Kühe des Körpers besteht, dagegen im Schlafe völlig sistirt. 
Durch willkQrlicbe Bewegnngen ist es in den Anfangsstadien noch zu nnterdrOcken. 
Die Mnskelsteifigkeit und Spannung, die eine Verspätung der Bewegungen verursacht, 
bedingt das charakteristische Bild der Krankheit, vor allem auch das Symptom der 
Propnlaion und Retropnlsion in Folge der Schwierigkeit, rasch die Gleichgewichtslage 
das Körpers zn ändern. Die beiden Hauptsymptome sind nicht immer in gleichem 
Qnde entwickelt, ja das Zittern fehlt bisweilen ganz, so dass die Diagnose sehr 
BcbwM^ zn stellen ist 

Die Paralysis ^tans ist eine Krankheit des höheren Alters, tritt selten vor 
dem 50. Lebensjahre aof; Heredität spielt eine mässige, Syphilis gar keine Rolle. 
I^ehiscbe Einflfisse sind dagegen von grösster Bedeutung für die Entstebnng der 
Krankheit Der Sitz des Leidens muss im Gehirn sein, vielleicht im Himstamm in 
der Käbe der motorischen Leitongsbahnen. Eine sichere und constante anatomische 
Grundlage der Paralygis agitans kennen wir bis jetzt nicht. Die Prognose ist schlecht; 
dar Tod tritt nach qualvollen Jahren mit Sicherheit ein. 

Die vom Verf. geübte Therapie besteht in Regelung der Diät und Lebensweise 
des Kranken, dann in der innerlichen Anwendung des Arseniks. Daneben muss 
Bektricität, am besten io Form der faradischeo, bipolaren Bäder, angewandt werden, 
ferner eine milde Hydrotherapie. Was die symptomatische Behandlung betrifft, so 
nad gegen Zittern und Steifheit die Hyoscinsalze, besonders Hyoscin. hydrobromicnm 
(Merck) in Dosen von 2'—4 dmgr 1—2 Mal täglich aozuweoden. Äehnliche Wirkung 
bat das Dnboisin in Dosen von 6—12 dmgr pro die. Der auf Grund der gönstigen 
BfahroDgen mit Eisenbahnfabrten von Charcot vorgeschlagene „Zitterstubl“ ist kaum 
zn empfehlen. H. Rothmann (Berlin). 

37) FanlysiB agitass und Senilität, von Dr. H. Sander, Assistenzarzt an der 

städtischen Irrenanstalt Frankfurt a./H. (Monatsschr. f. Psychiatr. u. Neurolog. 

1898. Bd. III.) 

Es ist wiederum aus der Frankfurter Irrenanstalt in der vorliegenden Abhand* 
loag ein sehr bemerkenswerthes Resultat hervorgegangen, das einen Fortschritt unserer 
aaatomiachen Kenntnisse von den Kervenkrankheiten bedeutet Verf. hat das Rucken* 
■ark eines Falles von Parkinson'scher Krankheit untersucht, bei dem die Krank* 
bötssymptome etwa in den 50 er Jahren begannen, in gleichmässigem, immer stärker 
werdendem Zittern, permanenten Spannnngen der Mnsknlatur, die sich bis zu spabtiscfaer 
LihBong steigerten, cbarakteristischer Körperhaltnng und später hinzutretender 
Deaenz bestanden. Verf. verwandte die Pal’sche and die Harchi’sche Methode 
nd die Weigert’sche Oliafarbong. Er constatirte einen diffusen Untergang von 
Hervengewebe in verschiedenen Abschnitten der Vorder- und der Seitenstränge, und 
zwar einen nach Änsdehnnng and Stärke in den verschiedenen Abschnitten des 
Säckenmarks wechselnden Degenerationsprocess. Die Pyramideiibahnen waren vielfach 
bstheiligt, doch bestand keine Systemerkrankung der ganzen Pyramidenbahn. Die 
Kaadzone war in besonderem Grade afficirt. Am Weigert’schen Gliapräparat wurde 
eise czcessive Wocbemng der Stötzsobstanz gefunden. Hier lag erstens ein grober, 
diäter Gliafilz am die Gelasse, der eine, die umgebenden Nervenfasern erdrückende 
peiivascoläre Sklerose darstellte. Zweitens war die Gila in der Randscbicht vermehrt; 
von hier drang ein dichter Gliafilz in die Substanz ein. Ausserdem fanden sich im 
Bftekeamark arteriosklerotische Processe an den feinen und feinsten Geßsseo und 
Cerpon amjlacea. 

Alle diese Veränderungen finden sich nun, wie Verf. in Uebereinstimmuog mit 
iDdcrea Forschem angiebt, bei senilen Rückenmarken nicht selten. Bei dem unter* 

30* 


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468 


suchten Falle ?on Faralysis agitans war aber auch die graue Substanz betbeiligt 
und zwar in viel höherem Grade als bei anderen senilen Bflckenmarken. ln den 
VorderhOmem und in der Gegend der Clarke’schen Säulen war die Glia stark 
vermehrt; zahlreiche Spinnenzellen lagen in der grauen Substanz, wo auch die 
arteriosklerotischen Veränderungen deutlich ausgeprä^ waren. 

Verf. kommt zu dem berechtigten Schluss, dass eine Wucherung der Stfitz- 
Substanz in den Vorderhömem zu Leitnngshinderungen in der motorischen Innervations* 
bahn fährt, dass sie den innigeu Contact zwischen den Endausbreitongen des moto* 
rischen Neurons erster Ordnung und den Dendriten der Vorderhornzelle beeinträchtigt. 
Als klinisches Symptom dieses anatomischen Frocesses kann man sich recht g^ut den 
Tremor vorstelleo, der ja io einer besttod^en Unterbrechung des motorischen 
Inuervationsstroms am leichtesten seine Erklärung findet. Schreitet dieser Frocess 
weiter fort, so wird es in der grauen Substanz zu degenerativen Veränderungen an 
den feinsten Verzweigungen der Nervenfasern kommen, was sich in einer Abnahme 
der Seitenstranginnervation, also in zunehmenden spastischen Symptomen äussem mnhs. 
Die Sklerose der grauen Substanz ruft endlich Hinderungen in der reflectoriscben 
Huskelinnervatioo hervor; die Körperhaltung, die Fropulsion, die Störungen des 
Ganges der Kranken mit Paralysis agitans sind vielleicht so zu deuten. 

G. Ilberg (Sonnenstein). 


28) Paralysis agitans at thirty-four years of age, immediately following 
typhold fever, by Frank B. Fry, M. D. (Journal of nervous and mental 
disease. 1897. XXIV. 8.466.) 

Verf. berichtet fiber einen Fall von typischer Faralysis {^tans, die sich bei 
einem erst 34jäbrigen sonst gesunden Mann im unmittelbaren Anschluss an einen 
Äbdominaltyphus entwickelte. Zuerst wurde der rechte, dann der linke Arm ergriffen 
und nach wenigen Honuten erkrankten auch die Untereztremitäteu. Der Tremor, 
die Haltung, der Gang, der Gesichtsausdruck, die Sprache u. s. w. sind jetzt in jeder 
Beziehung charakteristisch. Sommer (Ällenbeig). 

29) Heber das Zittern bei Faralysis agitans. von Dr. D. Gerhardt, Privat* 
docent und Assistent an der medicin. Klinik in Strassburg. (Deutsche Zeitschr. 
f. Nervenheilk. IX. 1897.) 

Die Arbeit ist nach einem auf der 20. Wanderversammlung slldwestdeutscher 
Neurologen und Irrenärzte im Juni 1896 zu Baden-Baden gehaltenen Vortrag zu* 
sammengestellt. In Nr. 14 d. Centralbl. 1896. S. 667 findet sich über denselben 
schon eine Mittheilung und sei an dieser Stelle darauf hingewiesen. 

E. Asch (Frankfurt a./U.). 


SO) Tremor ten gevolge van influensa, door D. de Buck en L. de Moor. 

(Med. Weekbl. voor Noord- en Suid-Nederl. 1897. 9. Jan.) 

Ein öl Jahre alter nüchterner Mann ohne erbliche Anlage bemerkte bei der 
Genesung von einer Influenza mit hauptsächlich nervösen Erscheinungen ein Imchtes 
Zittern im rechten Arme, das den Fat. nicht an der Ausübung seiner Zimmermaons* 
arbeit hinderte, bei der es etwas geringer zu werden schien. Ein Jahr später wurde 
Fat. zum zweiten Male von Influenza befallen, wieder mit derselben Form wie das 
erste Mal. Danach fühlte er sich viel matter, das Zittern wurde stärker und trat 
anch, aber viel schwächer, im linken Arm und im rechten Bein auf. Im wadien 
Zustande dauerte das Zittern unaufhörlich fort, im Schlafe hörte es auf; Anstrengungen 
vermehrten es, ruhige Arbeit schien es aber eher zu vermindern. Die Muskelkraft 


D g :i.:od oyGoO^lC 


469 


war iD dem rechten Arme vermindert SeosibilitätsetöruDireii bestanden nicht. Ent- 
artongaweaetioii beetand nicht, anch keine bemerkbare Atrophie, auch sonst fand sich 
keine Abnormität Nach Anssohluss aller anderen Möglichkeiten halten die Yerff. 
das Zittern wahrscheinlich ffir hjsteriscber Natnr nnd nehmen an, dass bei dem Fat 
dsreh wiederholte Infeeiiooskrankheiten (Malaria, TTphos), an denen er gelitten hatte, 
das Nerrensjstem geschwächt war, so dass ein Locos minoris resistentiae geschaffen 
wurde. Unter snbcntaner Injection von Sperminnm hydroebloricom besserte sich der 
Zsstand, 80 dass Pat so got als geheilt angesehen werden konnte. 

Walter Berger (Leipzig). 


31) PayohrcKaeetheeia (oold aenaatioiu) and psyohro-algia (oold pains), 
by Charles L. Dana. (New York Medical Journal. 1898. Vol. LXVII. 
Kr. 9.) 

Kältegefühl — die Bezeichnung Psychroästhesia, von ifnix^og « kalt hergeleltet, 
atammt von Pollaisson —, selten zum Schmerz gesteigert, findet sich bald mehr 
diftis an einer ganzen oder mehreren Extremitäten and in Verbindung mit anderen 
Faiästheeieen, Schmerz, vasomotorischen Störungen oder als isolirte Störung und 
uf btttimmtc^ circumscripte Bezirke beschränkt (eigentliche, reine Psychroästhesie). 
Als Sitz der Läsion müssen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle die peripheren 
Neran gelten, ausnahmsweise finden sich ausgesprochene Kälteparästhesieen isoHrt 
oder in Verbindung mit anderen Sensationen auch bei Bückenmarkserkrankungen, 
locMBotorischer Ataxie, besonders bei Syringomyelie. Bei dieser Krankheit handelt 
• sieb selten um circumscripte, isolirte Eälteparästbesie; interessant wäre es, den 
Anotdnangs^us in derarUgen Fällen zu beachten (Bef.). 

Als ätiologisches Moment kommen u. a. in Betracht Alkohol, Lithämie, Traumen, 
Heignng in Bhenmatismus, begünstigend wirkt auch neuropathische Constitution. 

Die Therapie ist ähnlich oder gleich der Behandlung bei Neuritis. 7 kurze 
Krankengeschichten illustriren die Angaben. B. Pfeiffer (Cassel). 


33) Sin Beitrag sn den primären oombinirten Systemerkrankungen im 

Kindeaalter, von Dr. Hans Lnce, Assistent der medicinischen Universitäts- 
Poliklinik zu Strassbnrg i./E. Aus dem pathologisch-anatomischen Institut da¬ 
selbst. (Deutsche Zeitsebr. f. Nervenheilk. 1897. Xll.) 

Bn b^/jjähriges Mädchen bot die Erscheinungen totaler spastischer, spinaler 
Panplegie dar. Keine ätiologischen Anhaltspnnkte. Aus dem Symptomencomplex 
Tvdie&en noch folgende Besonderheiten hervui^eboben zn werden: Initiale Erschei- 
BiBgwn der Gleichgewichtsstörung, sehr frühzeitig completer Spracbverlnst (bnlbärea 
Symptom), das klinische Bild bebenschende, excessiv gesteigerte Beflexerregbarkeit. 
Äch 9 Monaten Exitns letalis. Die eingehende Cntersnchung des Centralnerven- 
^stems förderte sehr interessante Befunde zn Tage, die, trefflich verarbeitet, dem 
heebachieton klinischen Bilde die anatomische Grundlage gaben nnd somit den ganzen 
FaQ als eine werthvolle Bereicherung der Nervenpathologie erscheinen lassen. 

Hach der negativen Seite hin ergab sich als wichtiges Besultat das Fehlen 
jeglicher entzündlicher Verändemngen des Gehirns, Bückenmarks and der Häute. 
Hiagagen fanden sich combinirt Verändemngen, welche für Tabes und amyotrophisebe 
lateralacleroee in Anspraeh genommen werden müssen. Anf einige Details soll hier 
«■gegangen werden. So konnten Verändernngen des Harkfasergehalts der Grosshim- 
nade coastatirt werden. In den proximalen Brückenabsebnitten fanden sich partielle 
De g eaer a tion der Grossbimbrückenbahoen nod Barefication des intertransversalen feinen 
f hee ra e tios . Verf. ist geneigt, diese anatomischen Verändemngen in der Brücke als 
Onadlage anzosehen einerseits für die beobachtete Gleichgewichtsstörung (Functions - 


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470 


Störung des Kleinhirns), andererseits für die in so ausserordentlichem Grad gesteigerte 
Reflexerregbarkeit. Das Fasemetz der XII. Kerne konnte als leicht gelichtet be¬ 
zeichnet werden, woraus die Existenz einer beginnenden, partiellen Pseudobaibär- 
paralyse bervorgeht. An den tabischen Veränderungen betheiligten sich die langen 
Bahnen, allerdings nur in Form einer sich allein im Halsmark findenden partiellen 
Degeneration der GoU’sehen Stränge. Doch sind die sonstigen Befunde im sensiblen 
System charakteristisch genug; besonders sei auch auf die bestehende Degeneration 
der spinalen V. und IX. Wurzeln hingewiesen. Hit Glück zieht Verf. Erb's und 
StrümpeH’s Hypothese Tom Mechanismus des trophiseben Einflusses der Spinal¬ 
ganglienzellen heran. Zar Kenntnissnahme weiterer Einzelheiten und Besonderheiten * 
des so interessanten Falles, sowie einer lichtTollen Darstellung der Theorie com- 
binirter Systemerkrankungen sei das Original empfohlen. 

E. Asch (Frankfurt a./H.). 


33) Ueber amyotrophisoh-paretiaohe Formen der oomblnirten Erkrankungen 

von Nervenbahnen (sog. primäre oombinirte Systemerkrankung), von 

Dr. J. Pal. (Wiener med. Wochenschr. 1898. Nr. 7, 8 u. 10.) 

Eine 45jähr. Frau erkrankt unter heftigen Ischialgieen mit Schwäche im linken 
Beine, begleitet von Atrophie und fibrillären Zuckungen der Muskulatur. Die 
Ischialgieen schwanden wieder. Darauf amjotrophische Parese der Unken oberen 
Extremität, und während des Spitalaufenthalts der rechten unteren, sodann der rechten 
oberen. Dabei wurden die proximalen Muskelgruppen immer zuerst ergriffen, and 
zwar kam es erst zur Atrophie, dann erst zur Parese. Nach 9 monatlicher Dauer 
Tod unter Atbmungslähmung. Vor dem Tode trat noch leichte Incontinentia urinae 
auf und waren geringe sensible Störungen an Händen und Füssen nachzoweisen. 
Die Diagnose wurde gestellt auf Poliomyelitis subacuta, obwohl die anatomische 
Grundlage der sensiblen StÖrangen nicht klar war, und fand in der histologischen 
Untersuchung ihre Bestätigung. 

Diese ergab: ausgedehnte Zerstörung der Ganglienzellen im Bückenmarke and 
der Medulla oblougata (am stärksten in den Torderhömem und den Clarke'schen 
Säulen); linkes Yorderhom schmäler als das rechte; Degenerationen der vorderen 
Wurzeln und weniger intensiv auch der Wurzeln einiger motorischer Himnerven, 
des IV., des motorischen Theils des V. und des IX.—XII. (ohne klinische Er¬ 
scheinungen); und endlich bedeutende Degeneration in den weissen Strängen des 
Bückenmarks und der Medulla oblongata: im Burdach’schen Strang, der Kleinhirn- 
seitenstrangbahn und dem Gowers'sehen Bündel, den Pyramidenseitenstrangbahnen, 
und mehr zerstreut auch in der Pyramidenvorderstrangbahn und dem Vorderseiten- 
stranggrondbündel. Entsprechend der Degeneration der Bimnervenkeme ist aneb das 
hintere Längsbündel et^iffen und schliesslich auch die Schleife (sensible Störungen). 
Spinalganglien intact, keine polyneuritischen Veränderungen der peripheren Nerven 
und keine Geßsserkrankuug im centralen Nervensysteme. 

Ein Tbeil der vorhandenen Degenerationen kann als seenndär in Folge der 
Zellveränderungen aufgefasst werden (Vorderseiteostrang, hinteres Läugsbüodel), aber 
der Hauptantheil muss als primäre, degenerative Erkrankung der directen and in- 
directen Neurone hingestellt werden. 

Verf. bespricht die in der Litteratur vorhandenen Fälle von combinirten Strang* 
erkrankungen und unterscheidet auf Grund dieses Materials zwei Hauptgruppen von 
„combinirter Erkrankung von Bückenmarksbahnen"; 

1. jene Fälle, in welchen im wesentlichen nur Strangerkrankung vorliegt und 
daher diese das klinische Symptomenbild bestimmt (die primäre combinirte Strang- 
erkrankung der Autoren), 

2. jene Fälle, in welchen ausser der Strangaffection eine Erkrankung der 


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471 


OanglieDzellen, speciell in den yorderhi3rDerT) besteht, welch letztere das Krankheits* 
bild beherrscht (schlaffe oder, bei frhhzeitigem Ergriffensein der Pyramidenbahn, 
spastische amyotrophische Parese). Die Erkrankung der anderen Bahnen als der 
certicomnscalären macht klinisch entweder gar keine Symptome, oder kann, wie in 
obigem Falle durch geringe Sensibilitätsstdrungen, eventuell auch Ataxie, an* 
gedeutet sein. 

Bei dieser 2. Gmppe kann man folgende 3 Typen unterscheiden: 

a) Combination der Erkrankung des spino-musculären Endnenrons mit Erkran* 
kuDg langer Hinterstrangbahnen. 

b) mit Erkrankung der Cerebellarbahn, 

c) mit Erkrankung beider. 

Voriger Fall wflrde der letzteren Kategorie angehören, da die Schleife, welche 
miterkrankt war, znm Theil die centrale Fortsetzung der langen Hinterstrangbahnen 
ährt. 

Die Poliomyelitis chron. der Erwachsenen und die amyotrophische listeralsklerose 
sind beide echte primär*degenerative Erkrankui^en nnd diejenigen Fälle dieser beiden 
Erkrankungen, in welchen ansschliessUch der cortico-muscnläre Leitungsapparat in 
einem Abschnitte ergriffen ist, bilden gewissermaassen nnvoilkommene Formen der 
Erkrankung, da vorgeschrittenere Entwickelung obiger Fall darstellt. 

^ J. Sorgo (Wien). 


Psychiatrie. 

34) La oonfUsion mentale primitive et seoondalre, par Haradon de Uon- 

tyeL (Gazette des höpitaux. 1897.) 

Verf. kommt in seiner Studie zu folgenden Schlftssen: 

1. die Verwirrtheit ist ein Syndrom, das man mehr oder weniger ausgesprochen 
snm mindesten als episodische Erschelnnng bei allen Psychosen finden kann. (Verf. 
vergleicht sie mit dem Fieber bei anderen Erkranknngen). Sie manifestirt sich in 
dem Mangel an zeitlicher nnd Örtlicher Orientirung, in Unklarheit und Dissociatioo 
der Vorstellnngen, in psychischer Desorientirnng, Langsamkeit des Denkens, Ab* 
Schwächung des Gedächtnisses nnd der Aufmerksamkeit, mangelhafte Perceptions* 
ßhigkeit, 'Willensbemmung. 

2. Die Verwirrtheit findet sich auch bei ein nnd demselben Kranken zu ver¬ 
schiedenen Zeiten, in verschiedenen Graden. Han kann 3 Grade unterscheiden. 

3. Wenn sie an^esprochen ist, verleiht sie dem Krankheitsbild ihr Gepräge und 
kaon die anderen Symptome maskiren. 

4. In seltenen Fällen macht sie die ganze Krankheit aus: Confnsion mentale 
primitive. 

5. Am häufigsten ist sie secundär durch delirante und hallucinatorische Stö¬ 
rungen. 

6. Sie (die secondäre Confnsion) ist stets ein Symptom, sei es einer Intoxi- 
catioD, einer Neurose, einer Geistrakrankheit. 

7. Sie findet sich bei allen psychischen Intoxicationen, bei progressiver Paralyse, 
bei Nenrosen, Epilepsie u. s. w., seltener bei Manie, am seltensten bei systematischen 
WahnzQständen, wo sie niemals bis zum Stupor führt. 

8. Die hochgradige Verwirrtheit bei Melancholie muss als Complicatioo, nicht 
als eigene primitive Erscbeinnng angesehen werden. 

9. Die Erscheinung der Verwirrtheit versetzt die Psyche in gewisse Functions- 
hedii^uDgen, wodurch der ursprüngliche Geisteszustand beeinflusst wird; diese Rück¬ 
wirkung giebt jedoch kein Recht, die Verwirrtheit als primordial anfzufassen. 


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10. Leichte and mittlere Grade der Verwirrtheit können unter dem Bilde der 
Demenz erscheinen, der weitere Verlauf sichert erst die Dia^ose; Bessernngen und 
Heilungen geistiger Schwäche bei Intoxication; Neurosen, progressive Paralysen hingen 
meist von dem Schwinden der Verwirrtheit ab. 

11. Die Verwirrtheit mittleren Grades kann Jahrzehnte lang dauern und doch 

heilen (Fseudodemenz). B. Hatschek (Wien). 


36) Aonte halluoinatore waanain, genezen door cataraotextraotie, door 

L. S. Meijer. (Psychiatr. en neuroi. Bladen. 1897. Nr. 1.) 

Von Geistesstörung nach Eataraktextraction sind mehrfach Fälle bekannt ge¬ 
worden, in denen das Krankheitsbild des acuten hallucinatorischen Wahnsinns be¬ 
stand und die Erscheinungen viel Uebereinstimmendes mit der Dementia senilis hatten, 
von der sie aber durch die kurze Dauer sich unterschieden. In dem vom Verf. 
mitgetheilten Falle, der eine 68 Jahre alte fVau betraf, die einige Monate vorher an 
Ulcus cruris gelitten hatte, entwickelte sich auf beiden Seiten Altersstar, der rasch 
zur Beife kam. Pat, die nur Lichtempfindung hatte, begann Abends unruhig zn 
werden und hatte Angstanfälle, bekam Geeichtshallucinationen und das Gefähl von 
Bewegungen des Bettes. Diese Erscheinungen kehrten immer nur Abends wieder 
(am Tage war Pai ruhig), nur mit Hülfe von Sulfonal konnte die Pai zum Schlaf 
in der Nacht gebracht werdea Nach Kataraktextraction auf dem linken Auge ver¬ 
brachte Pat. die beiden ersten Nächte ruhig, dann traten die früheren Störungen 
wieder auf, nachdem aber das Sehvermögen sich bedeutend gebessert hatte, hörten 
die Störungen auf und Pat fand sich psychisch normal. Verf. nimmt an, dass die 
hallucinatorischen Erscheinungen theils durch die schemenartige Licbtwahmehmung 
der Pat hervorgerufen worden seien, theils durch damit in Zusammenhang stehende 
Schwindelzustände. Dass diese Erscheinungen nur in der Nacht auftraten, bringt 
Verf. damit in Zusammenhang, dass Pat bei künstlicher Beleuchtung die Schatten 
der an ihr vorbeigehenden Personen sab, was am Tage nicht der Fall war. 

Walter Berger (Leipzig). 


36) Een paar gevallen van periodlsohe Krankztnnigheld, door D. M. J. 

van Erp Taalman Kip. (Psychiatr. en nenrol. Bladen. 1897. Nr. 1.) 

Im ersten der drei vom Verf. mitgetheilten Fälle, der einen 29 Jahre alten, in 
der Irrenanstalt Dortrecht zuerst im Jahre 1883 aufgenommenen Arbeiter betrifft, 
war die Diagnose auf ImbecUliiät gestellt worden, aber die psychischen Erscheinungen 
wiederholten sich in Anfällen von verschiedener Dauer und Intensität In den 
Zwischenzeiten zwischen den Anfällen war Fat ruhig, und zwar in Bezug auf die 
Intelligenz etwas unter dem Mittel, war aber noch lange nicht als imbecill zu be¬ 
trachten. Alle Anfälle zeigten dieselben Erscheinungen (grossen motorischen Drang, 
Geschwätzigkeit und allerhand Klagen), und zwar mit denselben speciellen Eigen¬ 
heiten, und begannen stets in derselben Erscheinung. Sie schienen an Häufigkeit 
znzunehmen, die freien Intervalle betrogen früher etwa 1 Jahr, später nicht mehr 
als i—2 Monate. 

Ebenso bis in das Einzelne und in manchen unwesentlich erscheinenden Kleinig¬ 
keiten gleich waren die AnHille in dem zweiten Falle, der einen 50 Jahre alten Mann 
betraf. Fat. war schon im Alter von 20 Jahren und seitdem mehrere Male wegen 
im Ganzen mehr oder weniger gleicher Anßlle von Err^heii oder Depression in der 
Irrenanstalt zu Dortrecht behandelt worden. In den freien Zwischenzeiten war Pat 
vollkommen normal, abgesehen von einer besonderen Neigung zum Aberglauben. 

Im dritten Falle, der einen 37 Jahre alten Landmann betrifft, waren zwischen 
zwei grossen AnflUlen, die zwar keine Uebereinstimmung im ganzen Charakter der 
Krankheit zeigten, aber doch einzelne übereinstimmende Züge, mehrere kleinere. 


g :zod.;GoOglC 



478 


nscbw Torlaofende Anf&lle aufgetreten. Der erste grosse Anfall hatte mit Angät* 
zostiBdai begonnen, der zweite begann plötzlich nach einer geringfügigen Ver- 
nlissnng. Zwischen den Anßllen verhielt sich Fat. normal. 

Walter Berger (Leipzig). 


m. Aus den Gesellsohaften. 

XTnterelsässlsclier AerztevereiD in Strsaaburg. 

Sitzung vom 29. Mai 1897. 

(Deutsche med. Wochenschr. 1897. Mr. 48.) 

Fflrstner bespricht die Erkrankungen des Nervenaystems, die durch 
bereditäre Basis und familiäres Auftreten ausgezeichnet sind, und demonstrirt 
sodann zwei Brüder, bei denen das motorische System offenbar zu Erkrankungen 
ä^oirt war, wo aber zunächst zwei verschiedene Abschnitte desselben erkrankten. 

Fall L J. L., 9 Jahre alt Beginn der Krankheit im 7. Lebensjahre, watschelnder 
Gaag, mflbaames Aufstehen; Anomalien am Schultergflrtel waren unbemerkt geblieben. 
Status: Asymmetrischer, bydrocephaler Schädel, starke Lordose der Lendenwirbelsäule 
Wiffl Stehen, Schulterblätter im unteren Winkel abstehend, von der Wirbelsäule ab* 
lirtckt Schwankender, watschelnder Gang (Atrophie des Glutaens med.). Kaum 
mch aoslöebare Patellarrefleze, symmetrische Ifnskelatrophie, und zwar der Ober* 
VBaoskeln, der Pectorales, Latissimus dorsi. Qoadrati lumbomm treten wulstartig 
teiTor. Trappensteigen, Aufricbten ohne starke Stütze nicht möglich, Oberschenkel 
dtas, Glotaäi nnd Waden fühlen sich hart an, Marmorirung der Unterschenkel. 
Istacts Swsibilität — keine fibrillären Zucknngen —, keine Entartungsreaction, Blase 
eud Mastdarm normal. 

Fall U. E. L., 14 Jahre alt Im 7. Jahre wurde eine Aenderung des Ganges 
beawkt Nachschleppen der Beine, Berühren der Kniee. Status (1891): Leichter 
Tmor der Zunge, vereinzelte fibrilläre Zuckungen im Facialisgebiet. Die Beine 
vwden beim Gauge im Knie fiectirt gehalten, die Kniee berühren sich oftmals, die 
FuBEpitae schleift Sehr lebhafte Fatellarreflexe, geringe Spasmen an den Unter* 
eztremitäten. 1898 und 1897 Nystagmos bei Endstellnngen, starke Moskelspannungen 
■H Contzactoren, enorme Steigerung des Patellaneflexes, Dorsalclonus. Beim Gauge 
Bwühren dv Innenfläche der Kniee, häufiges Uebertreten der Beine. Linkes Bein 
ii toto abgemagert — Intacte Sensibilität; Blase, Hastdarm intact. 

Im Maten Falle der peripherste, im zweiten der cortico-spinale Abschnitt des 
■otoriMhMi Systems erkrankt. 

V<Mlr. demonstrirt dann noch einen FaU von spastischer Paraparese, dessen 
Fstwiekelang erst im 12. Jahre begann. B. Pfeiffer (Cassel). 


Ocaellaohaft der Nenropathologen und Irrenänte au Moskau. 

Sitzung vom 23. Januar 1898. 

W. A. Muratoff: Zur l>ehre von den Zwsngabewegungen. 

Tortr. demoostrirt einen Kranken von 67 Jahren, welcher 1888 einen cerebralen 
iMlt erlitten hatte. Ee blieben eine rechtsseitige Hemiplegie und hemichoreatische 
in den betroffenen Extremitäten zurück, welche einen Monat nach dem In* 
mk beginnend sich allmählich entwickelten. Der gegenwärtige Zustand bietet 
Mfenden Befhnd: Hemipl^a dextra, Dysartria (ohne Aphasie), Parese des rechten 
Fhdalis, Anästhesie des rechten Trigemious, Atrophie der Muskeln. In der Ruhe 


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474 


in der recbteo Hand und rechten Fuss athetoide Krämpfe, welche bei willkOrlichen 
Bewegungen sich leicht weiter ausbreiten und an Hemichorea erinnern. Der mntb« 
maassliche Herd: im Gebiete des linken Uimschenkels mit wahrscheinlicher Be¬ 
theiligung des rothen Kerns. Ein analoger Fall bot sich dem Vortr. klinisch za 
beobachten und anatomisch zn untersuchen im Jahre 1891. Vor 2 Jahren hatte der 
Kranke eine gewöhnliche linksseitige Hemiplegie überstanden. 2 Monate vor seinem 
Eintritt ins Krankenhaus ein neuer Insult, dessen Folgen in einer Störnng des 
Körpei^leichgewichts (der Kranke kann weder stehen, noch gehen) and in hemi- 
choreatischen Krämpfen in den linken Extremitäten, hauptsächlich in dem linken 
Arm, nur bei willkürlichen Bewegungen, bestanden. Der Kranke ging an Dysenterie 
zu Grunde. Bei der Section ergab sich ein alter Herd in der rechten inneren 
Kapsel, ein frischer Bluterguss in die linke Hemisphäre des Kleinhirns. Degeneration 
des linken Brach, conjunct., des rothen Kerns, des linken Corpus restif., der rechten 
Pyramide und rechten Olive. 

Da das System der oberen Crura cerebelli die Grosshimganglien (Thalamos 
optic. u. nucl. lenticularis) mit dem Kleinhirn verbindet, erklärt der Vortr. die 
Zwangsbewegnngen nach Apoplexie als eine Störung in dem Gleichgewichte der 
Functionen zwischen Thalam. opt. und dem Cerebellum. Der Ausfall des Systems 
der rothen Kerne gab im Falle Bouhoeffer ebenfalls Symptome von Hemichorea. 

Ihrer Genese nach klassificirt der Vortr. die motorischen Störungen der Remi- 
plegiker auf folgende Weise: 

1. Tremor bei willkürlichen Bewegungen und Krämpfe — Degeneration und 
Beizung der Fyramidenbahnen (Kahler, Pick). 

2. Complicirte Zwangsbewegungen — Hemichorea, Athetose, Ausfall des Systems 
der rothen Kerne, welche die Grosshimganglien mit dem Kleinhirn verbinden (Bon- 
hoeffer, der Vortr.). 

3. Protrahirte corticale Krämpfe mit clonischem Charakter — Degeneration der 

Bogenfasem der motorischen Sphäre. (Autorreferat) 

Discussion: 

Prof. Koshewnikoff und Dr. Minor erklären sich mit der Bezeichnung der 
beschriebenen Krämpfe als choreatische nicht einverstanden. 

Dr. Murawjeff hält die Ursache der Krämpfe im zweiten Falle für unklar 
und die Folgerung Ober die Localisation des Herdes im ersten Falle nicht für be¬ 
gründet « 

Dr. Serbsky findet im gegebenen Falle den Terminus „Zwangsbewegnngen'' 
nicht am Platze. 

Dr. Bossolimo bemerkt dass die Untersuchung der feineren Zellstructur des 
Systems der Kleinhimfasera auf die Genese der consecutiven Krämpfe im Stande 
gewesen wäre einiges Licht zu werfen. 

Von Dr. Korniloff wurden einige Bemerkungen gemacht 

Sitzung vom 20. Februar 1898. 

1. Dr. L. S. Minor: Ueber eine motorUobe Störung bei Kreuzsohmenen 
(Trauma, Lumbago, Cariea u. a. w.) und bei leohias. 

Oer Vortr. lenkt die Anfmerkeamkeit anf die Bedeutung motorischer Störungen, 
welche im Gefolge verschiedener Schmerzen auftreten, da in einem solchen Falle 
an Stelle eines subjectiven Symptoms (Schmerz) ein objectives Symptom (Dyskioese) 
eintritt. 

Ein besonderes Interesse bieten solche Dyskinesen, welche einen bestimmten 
Schmerz chsrakterisiren. Vortr. zeigt anf Grundlage seiner Beobachtungen, dass bei 
Ereozschmerzen, welchen Ursprunges sie auch sein mögen, ihre Doppelseitigkeit vor¬ 
ausgesetzt diejenige Art und Weise sich vom Boden zu erheben cWakteristisch ist 


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475 


T«lche bei der Pseudohypertrophia m. progress. beobachtet wird. Solche Kranke, 
aof den Boden gesetzt» verlegen zuerst den Schwerpunkt ihres Körpers nach vorne, 
stötzen sieb anf die Handteller und die Kniee, stellen sich auf alle 4 Extremitäten, 
tm eadlich ihren Körper aufzurichten, indem sie mit den Händen entlang den Beinen 
gkifea. — Bei der Ischias ist die vom Vortr. beobachtete Art und Weise sich vom 
Boden zu erheben ebenfalls eigenartig und constant. Ein auf den Boden gesetzter 
Enoker ist nicht im Stande, ohne Hülfe der Hände sieb 7n erheben; er setzt die 
Anse nach hinten, schiebt das Becken in die im Knie gebeugten Beine durch den 
Zviichenraum der Arme allmählich nach hinten und erhebt sich erst darauf, indem 
die eine Hand and das Knie der Reibe nach zur Stütze auf dem Boden benutzt 
vird, während die andere in der Luft balancirt. Diese letztere Art und Weise des 
hrkabens vom Boden kann gelegentlich auch bei anderen einseitigen Schmerzen 

Beine beobachtet werden. Zu ihrem Zustandekommen ist das Bestehen von 
S(hserzen in einer Seite erforderlich und sie wird ebenfalls bei einseitigen Schmerzen 
io Krem nnd am Steissbein beobachtet. 

Zorn Schluss weist Vortr. auf den Nutzen hin, welchen die Kenntniss der be* 
Kiiriebenen Dyskinesen zur Erkennung von Simulation bringen kann. 

An der Besprechung des Vortrages nahmen Prof. W. K. Roth, G. J. Rosso* 
ÜBo, A- A. Korniloff und Prof. A. J. Koshewnikoff Theil. 

2. Dr. W. W. Murawjeff: Experimentelle Untersuohungen über die 
tMchzeitige Wirkung des Streptokokken und des diphtheritiaohen Toxins 
stf das Iferwexuyatem. 

Kaeh der Meinung einiger Forscher spielt bei der Diphtheritis die Infection 
Bit Streptokokken fast dieselbe Bolle wie die Infection mit dem Löffler'scben 
Barillna. Ans diesem Grunde stellt sich die Nothwenigkeit heraus, die Wirkung 
beder Infeetionen anf das Nervensystem sowohl getrennt, als auch combinirt zu 
Qstemehen. 

L Die Wirkung des diphteritiseben Toxins, welches Meerschweinschen injicirt 
wurde, iossert sich zuerst dariu, dass die motorischen Zellen der Torderhömer des 
kfekiiuBarks eigriffen werden: die Zellen quellen; die cbromatopbilen Körner werden 
barbüg and ^en auseinander; das Protoplasma der Zelle wird homogen; an der 
Poipbme der Zelle und ihrer Ausläufer bilden sieb zahlreiche Yacoolen, welche tiefe 
tevtörongen in der achromatischen Substanz hervorrufen. Der Kern erwirbt die 
Kbigkeit sich mit Methylenblau zu färben und im Laufe der Zeit wird die ganze 
Zelle atrophisch. Die Veränderungen in den peripheren Nerven beginnen erst nach 
4—6 Wochen post injectionem und bedingen die Entwickelung der Paralysen. Die 
AanabBe, dass die Neuritis sieb secundär in Folge von ausdauernder Emährungs* 
der Zellen entwickelt, scheint am nächsten zu liegen. 

IL Unter dem Einfluss wiederholter Injectionen von Streptokokkeukulturen ent* 
WKk^ rieb bei den Meerschweinchen diffuse Veränderungen in der weissen Substanz 
dtf CcDtnlDervensystems und systematisirte Veränderungen in den hinteren Wurzeln 
Bad Hifitersträngen des Rückenmarks. Die Veränderungen in den Zellen der 
Intnartebralganglien sind nnbedeutend, deshalb ist die pathogene Einwirkung des 
Str^kokkmgiftes auf Nervenfasern eine directe. Die Veränderungen in den Vorder- 
boiaeUaD snd nicht charakteristisch; zuweilen nur eine Schwellung des Nissl’schen 
Ikpers and eine Unr^elmässigkeit ihrer Vertheilung, zuweilen dieser und jener 
€tid der Cbromotolyse. In den peripheren Nerven lassen sich deutliche Verände* 
mgoa nicht naebweisen. Die Veränderungen in der weissen Substanz des Bücken* 
■■ks sind bst ausschliesslicb mit der Formalinmetbylenblaumetbode nachgewiesen 
die nach Marchi behandelten Präparate gaben keine bestimmten Resultate. 

HL Der pathogene Effect gleichzeitiger Einwirkung des dipbtberitischen Toxins 
ui der Streptokokken ist gleich der Summe der Einzelwirkung beider dieser Agentien. 


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476 


Zum Schluss giebt der Autor der Meinung Baum, dass das Studium des Zu¬ 
standes der chromatophilen Zellensubstanz nicht sowohl an und ffir sich, als vielmehr 
als Hinweis Aber den Zustand der Zelle im Allgemeinen, besonders aber ihrer Er¬ 
nährung von Wichtigkeit ist. 

Der Vortrag wurde mit Demonstrationen von Präparaten begleitet, die nach 
der Formalinmethjlenblaumethode und nach der Marchi’schen Methode behandelt 
worden waren. 

Discussion: Dr. W. A. Huratoff ist der Meinung, dass die von ihm gefun¬ 
denen Teränderungen in den Zellen des Bflckenmarks bei diphtheritischen Lähmungen 
der Kinder als secundäre, von der Erkrankung der peripheren Nerven abhängige 
aufzufassen sind. 

An der Discussion betheiligte sich ausserdem noch Prof. Ä. J. Eoshewnikoff. 

3) Dr. Ch. E. Bosch: Ueber eine Färbungsmetbode seonndärer De¬ 
generationen des Nervensystems mit Osmiumsäure. 

Die Marchi’sche Methode weist speciell in ihrer Technik einige sehr wesentliche 
Mängel auf, von denen wohl der wesentlichste die geringe Fähigkeit der Osmium¬ 
säure in die Tiefe der Nervensnbstanz einzudringen ist. Dieser Mangel kann aber 
beseitigt werden, wenn man die Osmiumsäurelösung mit einer Lösung von Natrium 
jodicum (NaJOj) zusammenbringt, welch’ letztere die Osiumsäure an einer zu raschen 
Zersetzung verhindert und ihr dadurch die Möglichkeit giebt, in die Tiefe der Ge¬ 
webe einzudringen. Die Färbungsmethode besteht also kurz im Folgenden: Ein in 
Formalin gehärtetes Präparat von 1,12 cm Dicke wird in eine Lösung gebracht, 
welche besteht aus: 1,0 Äc. osm. aus 3,0 Natrium jodicum und 300,0 Aq. destilL 
In dieser Lösung verbleibt das zu übende Stflck 5—7 Tage. Von hier kommt es 
in Alkohol von steigender Conceutration und darauf in üelloidin. Die Schnitte zeigen 
dieselbe Färbung wie die nach der Harchi’schen Methode behandelten Schnitte, nur 
mit dem Unterschied, dass das normale Gewebe heller geHirbt ist, in Folge dessen 
das degenerirte Feld sich schärfer differencirt und schon mit unbewaffnetem Auge zu 
sehen ist. An diese Mittheilung knflpft sich die Demonstration von Präparaten. 

An der Discussion betheiligen sich die Drr. L. S. Minor, T. J. Pribjtkoff, 
A. A. Korniloff, G. J. Bossolimo und Prof. A. J. Eoshewnikoff. 

G. Bossolimo, A. Bernstein. 


IV. Bibliographie. 

Gehlmdurobsohnitte nur Erläuterung des Faserverlaulis. 33 Chromolitho- 
graphirte Tafeln mit ebenso vielen Erklärungstafeln und einem kurzen Text. 
Herausgegeben von Dr. Eberhard Nebelthau, Privatdocent und Oberarzt an 
der medicinischen Universitätsklinik zu Marbui^. (Wiesbaden. 1898. Verlag 
von J. F. Bergmann.) 

Das vorliegende Werk mit seinen Tafeln, welches in Bezug auf Technik der 
Schnittf&hrung und Färbung der Schnitte unzweifelhaft unAbertroffen dasteht, zeigt 
alles das, was sich mit unseren jetzigen anatomischen Untersnchungsmethoden in 
Bezug auf den Verlauf der Fasern und die Lagerung der Kerne im Gehirn des Er¬ 
wachsenen nachweisen lässt. 

Von den 83 Schnitten, welche vorliegen, sind 12 Horizontal-, 11 Frontal- und 
10 Sagittalscbnitte. 

Jeder Tafel ist eine erläuternde Erklärung beigefAgt, und dem Gan z(i g 
eine gedrängte Besprechung der Himanatomie voraus. 

Dem Uimanatomen wird das Werk selbstverständlich in seiner Bibliothek nicht 
fehlen dArfen, aber auch derjenige, welcher die entwickelnngsgescbichtliehe Methode 
der Hirnuntersuchung betreibt oder pathologische Befunde im Gehirn deuten will» 



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wird den Vergleich mit dem, was hier von dem entwickelten und normalen Gehirn 
geboten wird, nicht entbehren können. 

Die Ansstattnng ist selbetveretändlich eine TorzflgUehe. M. 


V. Mittheilung an den Herausgeber. 

Das von Herrn Könne erstattete Beferat ttber die Febrnarsitznng des Ham¬ 
burger ärztlichen Vereins in Kr. 7 d. Centralbl. enthält einige Irrthttmer bezQglich 
meiner Stellung zur Hysterie und ihrem Wesen und giebt meine Äeossenmgen in 
der Discussion so kurz und falsche Auffassungen begflnstigend wieder, dass ich mir 
im Folgenden einige Klarstellungen erlauben möchte. Dem hochverehrten Herrn 
Herausgeber fOble ich mich ffir Anfnabme derselben zu ganz besonderem Dank verpflichtet 

Was zunächst das Vorkommen von Kenrasthenie bei Säuglingen betrifft, so 
habe ich betont, dass es Qeschmackssache sei, ob man einzelne unzweifelhaft in den 
ersten Lebensjahren zn beobachtende nervöse Erscheinungen mit dem Kamen der 
Kenrasthenie bellen wolle oder nicht Jedenfalls könne ich der Ansicht des Herrn 
Könne nicht beipflichten, welcher als ein fOr das Wesen der Kenrasthenie charak¬ 
teristisches Moment die „einseitige, egocentrische Verarbeitung des gesammten Vor- 
stellnngsinhalts, welcher aus der pathologisch gesteigerten Beschäftigung mit den 
Zuständen des eigenen Körpers hervorgeht“ (Binswanger), betrachte und aus dem 
natuigemässen Fehlen dieses Moments bei ganz kleinen Kindern auch die Unmöglich¬ 
keit des Vorkommens der Keorasthenie bei ihnen herleite. Ich hob demgegenüber 
hervor, dass dieses psychische Moment keineswegs zur Diagnose der Keurastbenie 
erforderlich, vielmehr ein Charakteristikum der häufig die Kenrasthenie eomplicirenden 
Hypochondrie oder hypochondrischen Vorstellungen sei Auch nach Binswanger 
liege das Wesen der Kenrasthenie in einer abnorm leichten Erschöpfbarkeit und 
Reizbarkeit des Kervensystems und ich könne nicht einsehen, warum diese Symptome 
nicht gelegentlich auch bei ganz kleinen Kindern in Erscheinnng treten sollten. 

Bezüglich der Elektrotherapie habe ich gesagt, dass ich dem elektrischen Strom 
zwar keine gebeimnissvollen Kräfte znscbreibe, dass jedoch bei den verschiedenen 
Arten seiner Verwendung sich Wirkungen beobachten liessen, die der Wirkungsweise 
der Massage und der Concussoren, oder der Vesicatoren n. s. w. durchaus analog 
seien, und dass es unlogisch sei, den letzteren Maassnahmen einen physikalischen 
Heilwerth znzngestehen, ibn der Elektrotherapie aber ganz abzusprecben. 

Die hypnotische Behandlung verwarf ich in erster Linie deshalb, weil ich sie 
für entbehrlich halte. Ich betonte, dass meiner Meinung nach ein Arzt, der bei 
seinen Kranken genügend Vertrauen und Autorität besitze, mit Wacbsnggestionen 
stets znm Ziel kommen werde. Bei Kindern und Hysterischen liege ansserdem die 
Gefahr vor, dass durch hypnotische Procednren ihre so wie so schon mässige Selbst¬ 
beherrschung und WillenssÜirke eine weitere Einbnsse erleide, wodurch der erforder¬ 
lichen psychischen Behandlung ein Schlag ins Gesicht versetzt werde. 

Der Aufstellung einer gesonderten 3. Krankheitsgmppe „Hystero-Keurasthenie“ 
im G^ensatz zn 1. Kenrasthenie und 2. Hysterie stimmte ich deshalb nicht bei, 
weil es überhaupt schwer hält, Fälle von Hysterie zn beobachten, die ganz frei von 
neorasthenischen Symptomen sind, wie ja überhaupt sich neurastheniscbe Erscheinungen 
zn allen möglichen nervösen oder nicht nervösen chronischen Krankheiten, auch zu 
chronischen P^chosen hinznzngesellen pflegten, ohne dass man deshalb dem Kamen 
dieser Krankheiten gleich noch die Kenrasthenie mit anhängte. Ansserdem seien 
Hysterie und Kenrasthenie streng zn trennende (im Beferat ist versehentlich ver- 
drackt „hinznkommende“) Krankbeitsbilder, und es empfehle sich, nach dem Vorgänge 
Cbarcot’s bei Combination beider Krankheiten die Zugehörigkeit der einzelnen 
Symptome zn jeder derselben zu analysiren. Und zwar sei dasselbe nach unseren 
j^zigen Kenntnissen durchaus möglich. Auch Charcot habe es bei seinen poU* 


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klmiächen Vorträgen ganz besonderes Vergnügen bereitet, diese scharfe Trennung 
yorzunehmen. Es sei festzuhalten, dass Hysterie und Neurasthenie sich häufig zur 
HysterO'Neurasthenie verknüpften, dass es jedoch ungerechtfertigt sei, diese Com> 
bination ihren beiden Componenten als gesonderte Gruppe gegenüber zu stellen. 

Schliesslich wandte ich mich in meinen Erörterungen noch gegen die Aensserungen, 
welche vorher Herr Nonne über meine Ansichten über das Wesen der Hysterie 
gemacht hatte. Ich sollte von den sogenannten objectiven hysterischen Stigmaten 
f^rOher behauptet haben, dass sie keine wesentliche diagnostische Dignität besässen 
und dass sie stets vom Untersncher ansuggerirt seien. Nun, solchen Unsinn habe 
ich nie behauptet. Es sind da Herrn Nonne einige kleine Irrthümer und Ver* 
Wechselungen passirt, und ebenso Herrn Sänger in seinem nachherigen Schlusswort. 
Von den sogenannten hysterischen Stigmaten habe ich seinerzeit gesagt, dass dieselben 
an sich den Namen der Stigmata nicht verdienen; denn charakteristisch für das 
Weeen der Hysterie sei vor allem die Entstehungsweise dieser Symptome auf 
psychogenem Wege. Damit habe ich doch natürlich die Bedeutung dieser „Stigmata“ 
nur anf ihr richtiges Maass zurfickschrauben wollen, ohne ihnen jegliche wesentliche 
diagnostische Dignität dadurch zu rauben. 

Und wie kann man überhaupt das „Ansuggeriren“ mit „psychogener Entstehung“ 
sich decken lassen. Wenn man nur ein klein wenig psychiatrisch zu denken ge* 
wohnt ist, sollte das doch unmöglich sein! Also ich wies in Erwiderung auf diesen 
Irrthum noch einmal darauf hin, dass die Hysterie eine Psychose sei mit formalen 
und inhaltlichen Störungen auf dem Gebiete der Gefühls- und Empfindni^stbätigkeit 
und besonders auf dem der Vorstellungsthätigkeit, dass auf beiden Gebieten nament¬ 
lich eine gesteigerte Anspnicbsfahigkeit und ferner abnorm leichte Verknüpfung von 
VorstellnDgen unter Wegfall wägender und hemmender Vorstellungsthätigkeit und 
perverse Bichtung des Vorstellongsinhalts vorliege. Daher auch die erhöhte Suggesti- 
bilität und das Unterworfensein onter massenhafte Antosuggestionen, als ein Tbeil 
des krankhaften psychischen Zustandes der Hysterischen. Ich forderte zum Schluss 
auf, in der Bezeichnung von Krankbeitssymptomen als hysterisch etwas kritischer 
und wählerischer zu sein und hob hervor, dass anf den psychogenen Ursprung der 
Symptome nach wie vor der grösste Werth zu legen sei. 

Hamburg, den 4. April 1898. ^ „ 

® ^ Dr. Boettiger, 

- Nervenarzt in Hamborg. 

Erwiderung auf vorstehende Mittheilung. 

Auf obige Hittheilung des Herrn Boettiger erlaube ich mir, zu erwidern, dass 
ich Herrn Boettiger’s Behauptung, seine Aensserungen in der Discussion über Herrn 
Sänger’s Vortrag wären in meinem Referate „kurz“ wiedergegeben, für durchaus 
richtig halte, dass ich jedoch seiner Ansicht nicht beipflichten kann, mein Referat 
enthielte „einige Irrthümer bezüglich Herrn Boettiger's Stellung znr Hysterie und 
ihrem Wesen“, ebenso wenig wie ich mich der Meinung des Herrn Boettiger an- 
schliessen kann, dasselbe gäbe seine Aensserungen „falsche Auffassungen begünstigend“ 
wieder. 

Den Inhalt des ersten Absatzes der obigen „Mittheilnng an den Herausgeber“ 
hatte ich zusammengefasst in dem Satz; „Boettiger verficht die Möglichkeit des 
Vorkommens der Nenrastbenie bei Säuglingen“; Herrn Boettiger’s obiger Passus 
scheint mir nicht geeignet, die Richtigkeit dieses Satzes nmzustossen. 

Bezüglich der Elektrotherapie giebt Herr Boettiger in dem zweiten Absatz 
seines Schreibens an den Herrn Herausgeber zu, dass er „für den physikalischen 
Hellwerth der Elektrotherapie eintritt“ (mein Referat); ich unterliess zu erwähnen, 
dass Herr Boettiger die „Analogie der Massage und der Concussoren, der Vesi- 
catoren u. s. w.“ herangezogen batte, und zwar aus dem Grunde, weil ich glaubte. 


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470 


Herr Boettiger lege keinen besonderen \^'e^th darauf, vor den Lesern dieses 
Blattes die Ansichten noch einmal aasznsprechen, die s. Z. anf dem Congress der 
Elektrotherapenten in Frankfurt a./H. ausführlich zur Sprache gekommen waren. 

In dem dritten Absatz bestätigt Herr Boettiger ebenfalls die Richtigkeit 
meines Referats, wenn ich schrieb: „Herr Boettiger verwirft die hypnotische Be* 
bandlung, die gefährliche Folgeznstände zeitigen könne“; ich habe die Gründe, die 
Herrn Boettiger zu dieser Ansicht führen, nicht referirt, weil den Lesern dieses 
Centralblattes die Ansichten der Gegner der hypnotischen Behandlung — dieselben, 
die Herr Boettiger anführte — bekannt sind. Aus demselben Grunde batte ich 
das Referat über meine eigenen Bemerkungen hinsichtlich der Elektrotherapie und 
der Hypnosebehandlung absichtlich kurz gefasst 

Ich kann des weiteren nicht zugeben, dass Herr Boettiger mir betreffs seines 
vierten Absatzes obiger Mittheilung einen anderen Vorwurf als den der Kürze mit 
Recht machen kann, wenn ich den genannten Passus mit den Worten zusammen* 
fasste: „die Aufstellung der Gruppe „Hystero • Neurasthenie“ von Sänger will er 
nicht anerkennen, da Hysterie und Neurasthenie zu trennende — Herr Boettiger 
bat in freundlicher Weise schon den Druckfehler „hinzukommende“ berichtigt — 
Krankheitsbilder seien.“ 

Bis hierher kann mein Referat also nur als „kurz“ und nicht als „falsche Auf¬ 
fassungen begünstigend“ bezeichnet werden. Da mein Referat hier jedoch schllesst, 
80 kann es auch nicht der weitere Torwurf treffen, es enthielte „einige Irrthümer“ 
meinerseits „bezüglich der Stellung“ des Herrn Boettiger „zur Hysterie und ihrem 
Wesen“. Zur Sache selbst erlaube ich mir noch Folgendes zu bemerken: 

Herr Boettiger hat io seinem Vortrag, den er am 27. April 1897 — siehe 
Neurolog. Centralbl. 1897. S. 515 — im ärztlichen Verein zu Hamburg gehalten bat, 
allerdings scharf betont, und es in der anschliessenden Discussion wiederholt, dass 
er an die spontane Entstehung der Sensibilitätsstöniogen und jener bei Hysterischen 
häufig objectiv nachzuweisenden Symptome, die wir seit Charcot’s Vorgang als 
„Stigmata“ bezeichnen, nicht glaube, und dass nach seiner (Jeberzeuguog und Er¬ 
fahrung jene objectiven Symptome vom Untersucher ausuggerirt seien. Ich erinnere 
mich, von Herrn Boettiger die Aeusseruug gehört zu haben, dass er bei einer vor¬ 
her noch nicht untersuchten hysterischen Person noch niemals eine Hemiaoästhesie 
constatirt habe. Durch persönliche Mittheilung von Herrn Sänger erfuhr ich, dass 
Herr Boettiger dieselbe Ansicht auch Herrn Sänger gegenüber mündlich geäussert 
hat, worauf Herr Sänger Herrn Boettiger auftorderte, sich in der Poliklinik der 
Herren Wilbrand und Sänger vom Vorkommen derartiger Fälle zu überzeugen. 
Gegen diese Auffassung des Herrn Boettiger, die ich nicht theilen kann, habe ich 
am 15. Februar 1898 im „Aerztlichen Verein“ Verwahrung eingelegt, allerdings 
würde ich mir nicht erlaubt haben, diese Ansicht des Herrn Boettiger als „Unsinn“ zu 
bezeichnen. Im Uebrigen freue ich mich mit Herrn Sänger, dass nach Obigem auch 
Herr Boettiger jetzt diesen „Stigmata“ doch eine Bedeutung zuspricht. 

Zu meinem lebhaften Bedauern sehe ich jedoch Herrn Boettiger seinerseits in 
einen Irrtbum befangen, wenn er behauptet, „man“ — es ist nicht klar, ob Herr 
Sänger oder ich oder wir beide gemeint sind — wolle „ansnggeriren“ mit „psycho¬ 
gener Entstehung“ sich decken lassen. Niemals haben wir etwas derartiges — ich 
sage wieder nicht „Unsinn“ — gedacht oder gesagt. Gerade Herr Boettiger hat 
ja früher die Behauptung aufgestellt — ich muss zu meinem Bedauern, im Verein 
mit Herrn Sänger, dabei bleiben —, jene sogenannten Stigmata seien vom Unter¬ 
sucher ansuggeiirt; wir behaupten demgegenüber nur die durch das Wesen der 
Hysterie bedingte Existenz dieser „Stigmata“, während wir über ihre Erklärung noch 
im Unsichem sind. 

Da Herr Boettiger endlich die Einsendung eines Autorreferats dazu benutzt 
hat, um eine nachträgliche Kritik zu üben an dem zur Discussion von Herrn Sänger 


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480 


und mir s. Z. Oesa^eo, so kaon auch ich hier nicht nrnbin, meinerseits die kritische 
Bemerkung zu machen, dass der Ton, den Herr Boettiger in der zweiten Zeile des 
letzten Absatzes anschl^, nach Obigem sachlich mir nicht gerechtfertigt und in der 
Form derartig zu sein scheint, dass es meinem Geschmack und meiner Gewohnheit 
nicht entspricht, Herrn Boettiger hierin zu folgen. Dr. Nonne. 


VI. Vermisohtes. 

Die XZHL WanderTerssmmiung der südwestdentsohen Neurologen und 
Irrepftrate wird am 21. und 22. Mai in Baden-Baden im Blamensaale des Converaatioiu- 
haoaes abgebslten werden. 

Die erste Sitzung beginnt Sonnabend, den 21. Mai, Nachmittags 2*/« Ohr, die zweite 
am Sonntag, den 22. Mai, Vormittag 9 Uhr. 

Anf I lie erste Sitzung folgt ein gemeinsames Essen im Restaurant dea Converaations- 
b.toses. 

Die Unterzeichneten QeschiftafGbrer laden hiermit zum Besuche der Versammlung er¬ 
gebenst ein und bitten diejenigen Herren, welche an dem gemeinsamen Essen theilzunehmen 
beabsiflbtigen, um eine betreffende baldgefallige Mittheiluog. 

Bia jetzt sind folgende Vorträge angemeldet: 

1. Prof. Dr. Erb (Heidelberg): Uelwr das intermittirende Hinken und andere nerrSse 
Symptome in Folge von Arterienerkrankuog der Beine. — 2. Prof. Dr. Siemerling (Tfl- 
hingen): Zur Diagnose der multiplen Sklerose. — 8. Priratdocent Dr. Brauer (Heidelbera): 
Ueber Huskelatropbie Sei multipler Sklerose. — 4. Prof. Dr. FBrstner (Strassboig i/E.): 
lieber nervöse Symptome bei Urämie. — 5. Privatdocent Dr. Gerhardt (Strasabujm i./E.): 
lieber das Verhalten der Reflexe bei Rückenmarkaläsionen. — 6. Dr. Möbius (Leipzig): 
Thema Vorbehalten. — 7. Dr. Buohbottz (Marburg): Ueber einen eigenartigen Fall sj^hi- 
litischer Erkrankong des CentralnervensystemB. — 8. Prof. Dr. v. Monahow (Zflrich): 

a) Ueber die Faserbestandtbeiie der Sebstrablongen und der retrobulbären inneren Kapsel. 

b) Ueber einen Fall von Mikrocephalie (mit Demonstrationen). — 9. Dr. Friedmann 
(Mannheim): Zur lichre von der nicht-eitrigen Encephalitis and hbtf spastische Spinalparalyse 
bei Influenza. — 10. Prof. Dr. v. Ström pell (Erlangen): Zar Äetiologie der acuten Mjetitis. — 
11. Prof. Dr. Fr. Schulze (Bonn); Thema Vorbehalten. — 12. Privatdocent Dr. Nissl 
(Heidelberg): Rindenbefande bei Vergiftungen. — 13. Dr. Bethe (Strassbarg i./E.): Dis 
Verhalten der PrimitivffbriUen in den Ganglienzellen des Menschen and bei Degenerationen 
in peripheren Nerven. — 14. Dr. Kobnstamm (Königstein i./T.): Zur Anatomie and Phjno- 
logie des Pbrenienskemes. — 15. Dr. Passow (Strassbuiv i./E.): Der Markfasersehatt no^ 
maler Centralwindnngen beim */ 4 jährigen Kinde and bei einem 83jährigen Erwaäiseoen.— 
16. Prof. Dr. Edinger (Frankfurt a./M.): Demonstration von Bflckenmarken, deren Hinter- 
stränge durch Ueberarbeit zur Degeneration gebracht sind. — 17. Prof. Dr. Dinkler 
(Aachen): Ueber einen lethal verlaomnen, doreb Hemipl^e und psychische Störungen com- 
plicirten Fall von Basedow’scber Krankheit. — 18. Privatdocent Dr. Asohaffenburg 
(Heidelberg): Die Entmöndigung Geisteskranker nach dem bürgerlichen Gesetzbuch. — 
19. Prof. Dr. R. Ewald (Strassburg i./E.): Ueber könstlicb erzeugte Epilepsie. — 20. Prof. 
Dr. Emminghaus (Freioui^ i./B.): lieber Cysticerkeoinvasion, Epilepsie und impulsive 
Brandstiftung. — 21. Medioinalrath Dr. Baumgärtner (Badeoj: Ueber Lambalpunction.— 
22. Dr. Löderitz (Baden): Ueber die Veränderungen in den BmterBträn|TOD bei progressiver 
Paralyse. — 28. Dr. van Oord (Heidelbe^): Tabes dorsalis mit Hysterie ^ectionsberand). — 
24. Dr. W. Weygandt (Heidelberg): Kritische Bemerkungen zur geistigen Hygiene der 
Schale. — 26. Prof. Dr. J. Hoffmann (Heidelberg): a) Zur Kenntniss der Neuritis mul¬ 
tiplex. b) Demonstrationen. — 26. Prof. Dr. Ernst (Heidelberg): Mehrfache Bilduogsfebler 
des CentralnervensystemB bei Encephalocele. 

Herr Tallermann (T/rndon) wird auf Veranlassung von Herrn Gebeimratii Bäumler 
einen Heissluftapparat zur Bebandlnng hartnäckiger Ichias und chronischer OelenkaffbctioDen 
im Landeabad an Kranken demonstriren. 

Die Gesohäftsfflbrer: 

Dr. Fr. Fischer Prof. Dr. J. Hoffman 

(Pforzheim). (Heidelberg). 

Um Einsendung von Separatabdröcken an den Herausgeber wird gebeten. 

Einsendungen für die Redoction sind zu richten an Prof. Dr. E.Mendel, 

Berlin. NW. Schiffbauerdamm 20. 

Vertag von Veit & Coup, in Leipzig. — Druck von MarzuBB & Wittio in Lopsig. 


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Leipzig, 

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1898. 


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■AiaUich eneheineii swei Nummern. Freie des Jahrganges 24 Mark. Zn benehen durch 
M|Buehha&dluugen des In* und Auslandes, die Fostaastalten des Deutschen Reichs, sowie 
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1. JniiL 


Nr. 11. 



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der secundären Degeneratiouen nach Rackenmarkscompreasion, Ton Dr. F. Queosel. 
imenteller und pathologisch •anatomischer Beitrag zur Lehre von der chronischen 
dCelkohlenstoffrergiftong, von Dr. Qeerg KSstsr. 

tL Itefnrats. Anatomie. 1. On the chrome-silrer impregnation of formalin-hardened 
by Betton. 2. On tiie origiu, course and ceU'Connections of the viscero-motor ncrves 
nmaS intestue, bj Busch. 8. A suboccipital lobe in the braio, by Weod. — Ezperi- 
lie Physiologie. 4. ^träge zur Eriorsohuug des Sympathlcuseinflusses auf die 
le Pupille, von TOminnzew. 5. üeber die Wahrnehmung der Farben, von Friden* 
On Test, sieep and work and the conoomitant changes in the circulation of the 
by Hitt. — Fathologische Anatomie. 7. Solle alterasioni degli elementi de! 
nervoso centrale nelf insonnia sperimentale, per Daddi. 8. I. Note on mnscle spindles 
lobypeTtrophie paralysis, W Orunbtiim. II. Observatious on sensory nerve enmngs in 
Bnry museles. by Ruffinl. III. Short note ou seusa organs in mnscle and on the pre- 
dkm of mnscle spindles in conditions of extreme moscular atropby, foUowing section of 
nerve, by Hersley. 9. Ueber Activitätshypertrophie der willk&rlicben Muskeln, 
10. Alterazioni cadaveriche della cellola nervosa stodiate ool metodo di Nissl, 
li. üntersuchungen Aber Beri'Beri, von KDstsrmann. — Pathologie des Nerven* 
s. 12. Ein FaU von Lepra, von Habsl. 18. Vorläufige Hittbeiluog aber einen mit 
■illa’sehem Serum behandelten Fall von Lepra, von Buzzi. 14. Ein Fall von sc^n. 
'■dier Paralyse. Böckgang der Lähmung. Tod an Longentubercnlose, von BurgharL 
£ nn easo m paralisi del Landry. Bieerche istologiche e batterioscopicbe, per Picci* 
IB. Feripheral nenritis from arsenic, by Colman. 17. Ueber die psycbisoben Stbmngen 
tyaenritis, von JoHy. 18. Et tilßldo af bemiatrofia facialis progressiva, af le Maire, 
by of the tongne, by Hsysr. 20. Zar Kenntniss der DermatomyositiB. von 
21. Die Initialsymptome der Osteomalacie, von Rissmann. 22. De beraepsatroplüe 
nijders, von Balsmonson. 23. Beitrag zur Casoistik der neuritischen Muskel- 
von Einhard. 24. Urticaria and acute curcumBcribed eutaneous oedema, by Oppsn- 
2b. Gase of angio-neurotic oedema with history of injury to the bead, by Qibson. 
of aogionenroBis of the face, by Haynss. 27. A case sDowing some of the features 
and of Raynand’B diaease, by Rollsston. 28. Ueber Erythromelalgie. 
nad anatomische Untersnchnng, von Auerbach. 29. Zwei Fälle von acnter 
ie, von Helmattn. 80. A remarkable angeionenrosis of the ton^e, due to the 
diromie aeid to granniations on the npper and posterior portions of the tym- 
A contribntion to the pbysiology of the corda tympani nerve, by Lewis, 
ie oombbirt mitFanotionsetörnngen von seiten des Gehiras, von Johannessee. 
el asphyzie locale des eztrdmitds, par Mongonr. 38. Cerebral compUcatioDs 
’e disease, by Osler. 84. Ett fall af neurotisk gangrän, af KOstor. — Psychiatrie. 
Katalepsie und PqrcboBe bei Icterus, von Damsch und Kramer, 86. A case of 
wHb remarks upon obsessions, ^ Jenes. 87. Snila patogenesi della sttofobia 
lati di mente, per Cbristiani. — Therapie. 88. Die moderne Pathologie und 
der Migräne, von Stshel. 89. Zur Behandlung der Bemicranie, von Laquer. 
km den Besellscbaftsn. Berliner GeBellschaft für Psychiatrie und Nervenkrank- 
"^ULTereammlung mitteldentscher Psychiater und Neurologen in Jena am 1. Mai 1898. 

Wft) 

BirmMries. Jahreaversammlnng des Vereins der deutschen Irrenärzte in Bonn. — 
betreffend. 


I Aapbyzi 
ne ec s 


31 


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482 


L Originalmittheilungen. 


[Aus der psychiatr. und Nervenklinik der Universität Leipzig (Prof. Flechsig).] 

1. Ein Fall von Sarcom der Dura spinalis. 

Beitrag zur Kenntniss der secundären Degenerationen nach Büekenmarks- 

compression. 

Von Dr. F. Quensel, 

L ÄMuteosarzt der Klinik. 

Seit durch den ersten von Hobslet und Gowsbs im Jahre 1887 erfolgreich 
operirten Fall von Bückemnarksgeschwulst dies immerhin seltene Leiden als 
unter Umstanden heilbar eine erhöhte Bedeutung gewonnen hat, sind einschl^l^e 
Beobachtungen mehrfach veröffentlicht. Bbuhs^ zählt in seiner Mon(^raphie 1897 
bereits 20 zur Operation gekommene Fälle auf. immerhin glaube ich, dass zur 
Zeit noch jeder Beitrag zur Erweiterung und Festigung unserer Kenntnisse von 
Werth ist, und gebe im Nachstehenden einen Fall, welcher in der Leipziger 
Universitätsnervenklinik zur Beobachtung kam. 

Am 26./VII. 1896 wurde der dSjährige Landarbeiter E. in die Klinik anf* 
genommen. Die Matter des Pat. ist nervenkrank, gelähmt, sonst ist irgend welche 
erbliche Belastung nicht nachznweisen. Er selbst will bis zn seiner jetzigen Er* 
kranknng immer gesund und rflsüg gewesen sein. Getrunken hat er nicht. S;phi> 
litische Infectiou wird entschieden in Abrede gestellt. 

Vor 2 Jahren fiel Pat. von einem Schober etwa 3 m hoch herab anf Rücken 
und Hinterkopf. Er war vorfibei^ebend bewusstlos, erholte sich aber rasch and 
konnte nach einigen Tagen wieder arbeiten, war auch weiterhin gesund bis Weih¬ 
nachten 1895. Damals verspürte er, ohne dafür eine Ursache angeben zu können, 
Blasenbeschwerden und Schwäche in den Beinen. Die Fflsse worden allmählich kalt, 
schwer und taub. Schwäche und Blasenstürong nahmen langsam zu. Seit März 1896 
kam Pat nicht mehr ans der Stabe, seit Pfingsten 1896 bat er das Bett nicht 
mehr verlassen können. Die Beine sind völlig gelähmt und gefühllos, Kot nnd Urin 
gehen unwillkürlich nnd nnbemerkt ab. Seit einiger Zeit bat sieb Deenbitns ein¬ 
gestellt 

Pat ist ein mittelgrosser Mann, von schwacher Mosknlatnr, geringem Fettpolster. 
Die Haut ist znmal an den Beinen sehr schlaff. Gesichtsfarbe leicht gelblich, 
Schleimbänte sehr blass. Schädel hoch, symmetrisch. Hinterhanptshöcker stark vor¬ 
stehend. Znnge nicht belegt Zähne sehr defect Auf der rechten Backe znm Kinn 
abwärtsziehend eine Karbe (von dem Falle herrübrend). 

Herz intact Lnngengrenzen normal, keinerlei Dämpfung, Spitzen beiderseits 
gleichstehend. Athemgeränseb überall rein, hinten nuten einzelne Rasselgeränsche. 
UntersneboDg des spärlichen schleimig - eitrigen Answurfs ei^b niemals Tuberkel- 
bacillen. 


* Bbüns, Die OeschwfllBte des Kervensjstems. 1897. 


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483 


Leib weich, leicht eindrüchbar, nicht schmerzhaft Leber nicht vergrbssert 
Blasendämpfang reicht bis 2 Qaerfingerbreit über die Symphyse. Urin l&sst sich 
nicht aosdrflcken. Seine Zeichen fOr Fsoasabscess. 

Urin gelb, wolkig getrfibt, reagirt alkalisch and riecht ammoniakalisch. Im 
Sediment reichlich Leakoi^then, einzelne Erythrocytheo, keine Cylinder. Träufelt 
ständig anbemerkt ab. Stahlgang erfolgt spontan, selten and ohne dass Pat. etwas 
dsTon merkt 

Genitalien ohne besonderen Befand, Penis ohne Narben. Ton Zeit zu Zeit er¬ 
folgen Erectionen, welche dem Pat. sehr lästig sind. 

Pols 72 p. Minnte, von geringer FflUnng and Spannung, regelmässig, Athem- 
frequenz regelmässig, normal, Temperatur desgleichen. 

Popillen mittel- and gleichweit reagiren prompt and ausgiebig, bei Belichtong 
vie beim Naheseben. Stimrunzeln, Augenschiass, Mandfacialisinnervation normal, 
sjmmetiisch. 

Zunge gerade, nicht zitternd vorgestreckt 

Kopfbewegungen frei, schmerzlos. 

Ärmbewegangen activ and passiv ungestört grobe Kraft leidlich. 

Bespiratorische Bippenmuskalator fonctionirt anscheinend ganz ungestört. 

Bampfbew^angen: Pat kann sich nur mit Hülfe der Arme im Bett aofrichten, 
drehen and beugen, hat dabei heftige Schmerzen in Bücken and Kreuz. Liegt an- 
beweglich in passiver Rückenlage. 

Baachmoskulatar bei der Athmang passiv gedehnt kann willkürlich zar Baach- 
preese nicht verwendet werden. 

Beine stark abgemagert rechts mehr als links. Beide li^en gestreckt etwas 
abdueirt nach aussen rotiit, Füsse fühlen sich kalt an. Beiderseits in der Mitte 
des Schienbeins eine Brandnarbe. 

Willkürliche Bewegung der Beine vollständig aufgehoben, passive Beweglichkeit 
in allen Gelenken vollkommen erhalten. 

Mechanische Mnskelerregbarkeit überall stark gesteigert Die idiomoskuläre 
Contraction hält in den Beinmuskeln lange Zeit an. 

Plantarreflex: rechts dentlicb leises Zacken in den Wadenmuskeln and aussen 
im Quadriceps, links nar einmal merklich zu erzielen. 

Cremaster-, Baachdeekenreflexe fehlen. 

Gaumen- and Wfligreflex erhalten. 

Patellarreflexe: rechts beim Beklopfen der Patellarsehne deatiiche Zockang in 
Quadriceps und Addactores auch der linken Seite, der Fass wird dabei andeatangs- 
weise nach innen rotirt Links stärker, das ganze Bein wird leicht nach innen 
rotirt, clonische Zacknngen in Quadriceps und Addactores beider Seiten. 

Achillessehnenreflex nicht zu eräelen. Kein Fass- oder Patellarclonus. 

Anconaeassehnenreflex beiderseits deutlich. 

Beklopfen, des Periostes im oberen Drittel der Tibia ruft rechts clonische 
Zuckungen der Oberschenkelmnskulatur hervor, links erfolgt schwache einmalige 
Zuckung. 

Die Sensibilität ist für alle Qualitäten erloschen abwärts von einer Linie circulär 
m den Leib, hinten in der Höhe des 11. Lendenwirbeldomfortsatzes, seitlich der 
IX. Rippe, vom 3 Qnerfingerbreit über dem Nabel. Empfindlich, und zwar für alle 
Qualitäten, sind nur noch die Genitalien, ein sattelförm^es Gebiet um den After 
und an der Hinterseite der Oberschenkel, sowie ein Fleck auf der lateralen Hälfte 
der Plantae pedis jederseits. Ausserdem giebt Pai an, dass er eine Lageveränderung 
dw Beine reflectoriscb beim Beklopfen der Patellarsehne, wie auch in Folge der häafig 
spontan anftretenden, trägen, ihm sehr lästigen Contractionen der Oberschenkelmnskeln 
empfinde, doch scheint dies nur durch Uebertragen der Erschütterung auf die empfln- 
dffide Partie des Körpers zu Stande zu kommen. 


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31 * 


484 


Endlich ergab sich noch als bemerkenswerther Befand ein ziemlich deotlicher 
Gibbus der Brostwirbels&nle mit der Spitze im 8. Domfortsatz and eine locale 
Schmerzhaftigkeit bei Druck besonders aof die seitlichen Partieen in diesem Tbeile 
der Wirbelsäule. 

Es handelt sich also bei unserem Patienten um eine Querschnittsunterbrechung 
des Rückenmarks, welche unyollstandig war und ungefähr in der Höhe oder 
dicht über der Stelle sass, auf welche auch die Deformität der Wirbelsäole 
hinwies. Der weitere Verlauf machte uns dann noch mit einer Reihe Ton Daten 
bekannt, welche es gestatteten, die Diagnose schärfer und sicherer zu stellen. 

Zunächst ergab die sorgfältige und fast tägliche Controlle des Verhaltens der 
Anästhesie fönendes Resultat: 

Am lO./VllT. fand sich eine Unsicherheit der Empfindung fär alle Qualitäten 
vom von dicht unterhalb des Schwertfortsatzes, seitlich von der VIII. Rippe rechts, 
der IX. links und vom X. Dorsalwirbeldomfortsatz hinten abwärts. Von der X. Rippe 
abwärts, Übrigens in denselben Grenzen wie oben angegeben, totale Anästhesie und 
Analgesie, die empfindenden Hantpartieen an Plantae pedis und Genitalien waren 
etwas eii^eengt Rur sehr starker Druck und ganz tiefe Stiche wurden bisweilen 
noch bis in die loguinalfalten, hinten bis znr Höhe des Dannbeinkammes und seit* 
lieh am Oberschenkel bis handbreit unterhalb des Trochanter maior undeutlich em> 
pfänden und ganz ungenau localisirt. 

Am 17./VIII. reichte die Unsicherheit der Empfindung beiderseits bis zur 

VIII. Rippe, die Anästhesie bis zur X. beiderseits. In dem Gebiete, wo, wie am 
lO./VIII. ang^eben, nur vereinzelte tiefe Stiebe noch wabi^nommen wurden, be* 
stand für dieselben zugleich starke Verlangsamung der Schmerzleitung (Dissociaüon) 
und langdauemde Nachempfindung. 

Die zuletzt angegebenen Grenzen blieben bestehen bis zum 24./VI1I. Es Hess 
sich in dieser Zeit deutlich coustatiren, wie die Feinheit der Empfindung an den 
Plantae pedis und den Genitalien abnahm, zuletzt wurden an beiden Stellen nur 
noch gröbere BerObrungen empfunden und nur tiefere Stiche als etwas schmerzhaft, 
leichtere einfach als Berührung angegeben. 

Am 20. und 23./V1IL kouuten wir eine deutlich ausgesprochene Hyperalgesie 
vom von der Vlll. bis ungeßhr zur VI. Rippe, hioteu vom II. lumbalen bis zum 

IX. dorsalen Wirbeldorofortsatz reichend, coustatiren. Ausserdem klagte Pat fast 
ständig über sehr heftige reissende Schmerzen, welche gürtelförmig etwa in der O^od 
des Rippenbogens den Thorax umgaben, über ein Gefühl von Zusammengeschnürtsmn. 
Einmal gab er voröbe^ebend Parästhesieen an den Fnsssohlen an. 

Auf das Verhalten der Reflexe war besonderes Augenmerk gerichtet. Die 
Achillessehnenrefiexe fehlten während der ganzen Beobaebtungsdauer. Die Fatelkr* 
reflexe waren im Anfang gesteigert, und zwar, wie angegeben, r. < 1., im August 
begannen sie schwächer zu werden und waren am 15./Vlll. beiderseits fast erloschen. 
Dieser Befand war indes vorübergehend. Am 24./VIII. bestanden sie beiderseits 
wieder etwa in normaler Stärke. Die Plantarrefiexe waren dagegen im Anfang schwach, 
und zwar r. > 1., gegen Ende August waren sie beiderseits leichter und uDgefilhr 
gleich gut hervorzurufen. Von den übrigen Hautreflexen fand sich nur noch einmal 
der hypogastrische Reflex links, also auf der Seite, wo die Anästhesiegrenze tiefer 
stand, bei den schlaffen, nur passiv gedehnten Bauchdecken können wir darauf iudes 
keinen Werth legen. 

Die Motilität zeigte während des Verlaufs keine Veränderung ihres Verhaltens. 
Die elektrische Erregbarkeit der Beinmuakulatur war bis zuletzt erhalten. Es waren 
zwar für den galvauischen Strom unverbältnissmässig höbe Stromstärken erforderlich, 
doch erfolgten alsdann blitzartige Eathodenschliessnugszuckungen. Auch die Sphinkteren« 


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485 


UbmoDg blidb ganz constant. Bei regelmässiger Entleerong der Blase darch Katheter 
stellte sich zeitweise die Schlassßhigkeit wieder her, doch kam es zuletzt doch 
nieder za completer Incootinenz. 

Die aogeföhiten Symptome gestatteten es non, die Höhendiagnose der 
rcvliegeDden ünterbrechnng mit ziemlicher Sicherheit za stellen. Von den 
Segmentsymptomen hatte die meiste Bedentang die Sensibüitätsstörnng. Totale 
Anästhesie bestand in der Höhe des X., zum Theil auch des IX. Dorsalsegments, 
ganz sicher musste also letzteres, wahrscheinlich aber auch das VIII. noch mit 
in die stärkste Gompression einbegriffen sein. Aber auch das Projectionsfeld 
ks vm. S^ments zeigte noch eine deutliche Abstumpfung der Sensibilität. 
Man musste demnach darauf gefasst sein, die Gompression noch höher, d. h. im 
Berdch des VII. Segments anzutreffen. Deshalb waren für uns die Wurzel- 
wmptome ganz besonders bedeutsam. Die lancinirenden Schmerzen waren zwar 
n ihrer Localisation zu unsicher, um mit Erfolg verwerthet zu werden, dag^en 
liess die bis ins YI. S^ment hinein sich erstreckende Hyperästhesie erkennen, 
dass aller Wahrscheinlichkeit nach die VII. hintere Wurzel noch mit er- 
jriffen sei 

Schwieriger zu entscheiden war für uns die Natur des comprimirenden 
Proeesaes. Aus der Anamnese ging hervor, dass ein Trauma stattgefunden 
hatte. Lange nach demselben hatten sich Lähmungserscbeinungen und Em- 
ründungsstömngen langsam und anscheinend durchaus symmetrisch eingestellt. 
Uncinirende Schmerzen, überhaupt Wurzelerscheinnngen waren vorher nicht 
aofgetreten, von einem charakteristisohen Beginn und typischen Verlauf wie bei 
Tamoren war keine Bede. Dazu fand sich nun ein Gibbus, welcher an sich 
s<?bon auf eine tubercnlöse Erkrankung der Wirbelsäule hiuweisen konnte. 
Immerhin war derselbe im Verbältniss zur Gompression auffallend gering, glich 
sich auch bei Lageveränderung vollkommen aus, so dass er direct kaum Ursache 
<ier Unterbrechung sein konnte. Irgend ein sonstiges Zeichen für eine tuber- 
'olöse Erkrankung fehlte. Die Annahme eines comprimirenden Tumors hatte 
somit die gleiche Berechtigung und es erschienen dafür die Wurzelsymptome 
^rseits, die zeitweilig constatirte geringe Asymmetrie andererseits beachtens- 
vortb, wenngleich beide natürlich auch bei einer Caries Vorkommen konnten. 
Ueber die Natur eines eveiftuellen Tumors liess sich kaum etwas vermutben, 
ebenso wenig über seinen extra- oder intraduralen Sitz zumal nach der 
sehr mangelhaften Anamnese. Bei dieser Ungewissheit der Diagnose drängte 
ades der Allgemeiozustand des Pat auf ein energisches Handeln. Eine anfangs 
«ägeleitete antisyphilitische Behandlung blieb absolut erfolglos. Die Gystitis, 
Tekbe Pat mit hereingebracbt batte, war nicht zur Heilung zu bringen, ein 
tnregdmässig remittirendes Fieber stellte sich ein, es begann Decubitus am 
Kreuzbein. Wenn überhaupt, so war es sicher, dass dem Pat. nur noch durch 
an« Operation geholfen werden konnte. Vielleicht war es möglich, die Com- 
noch zu beheben, wenn wir uns auch von Anfang an klar waren, dass 
Oie Chancen eines operativen Eingriffs keine allzu glänzenden seien. Wir ent- 
i^oasen uns, dem eigenen Wunsche des Pat. nachgebend, zu der Operation, 


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486 


welche am 25./VIII. 1896 in der Klinik Yon Herrn PriY.-Doc. Dr. Gabten 
aasgeführt wurde. 

Der Yerlaof derselben war mit Uebei^ehung der rein chirurgiecben Fragen 
folgender: 

Der Wirbelcanal wurde nach Urban eröffnet und von unten angefangen der 9. 
bis zum 6. Dorsalwirbelbogen resecirt und nach oben zurhckgeschlagen. Bereite ent> 
sprechend dem 8. und 7. Dorsalwirbelkörper fand sich eine rauhe, blutreiche, wenig 
feste Qeschwulst von etwa Taubeneigrösse, welche der Dura hinten und seitlich auf* 
sass, die 8. und 7. Wurzel mit umfasste und mit letzterer beiderseits in das Foramen 
intervertebrale bineiuzog. Das Aussehen der Dura war ober» und onterbalb des 
Tumors ganz normal, oberhalb bestand dentliche Pulsation, welche abw&rts Ton der 
Geschwulst fehlte. Es wurden nnn mit Pincette und Messer, bezw. mit dem scharfen 
Löffel die Tnmormassen ausgeräumt, darunter kam die Dura in anscheinend normaler 
Beschaffenheit znm Vorschein. Eine deutliche EinschnOrung oder Consistenzveränderung 
des Bflckenmarks bestand nicht. Rechts musste die 7. Wurzel durchschnitten werden. 
Nach Entfemui^ der Geschwulst stellte sich auch im unteren Segment dentliche^ 
wenn anch schwache Pulsation wieder ein. Die Wunden wurden durch einige 
Situationsn&bte geschlossen and mit Jodoformgazestreifen drainirt 

Leider war der Wandverlauf kein aseptischer. Nach 2 Tagen stieg die Tem* 
peratur wieder an und beim Verbandwechsel entleerte sich aus der Wunde unter 
starkem Druck stehendes, blotig seröses Sekret. Die Pulsfrequenz ging bei gleich' 
bleibendem Fieber allmählich in die Höhe. Am SO./VIII. wurde Pai benommen, 
stöhnte viel, zeigte lebhafte Hyperästhesie an den Armen, fuhr mit denselben oft in 
der Loft herum, es traten clonische Zuckungen in der Gesichtsmnsknlatur, tonische 
Contractur im Gebiete des linken unteren Facialisastes ein. W'eitere Erscheinungen 
ffir Meningitis fanden sich nicht. Am 31./V1I1. erfolgte der Exitus. 

Hinsichtlich der Compressioaserscbeinnogen konnte nur noch eine Besserung der 
Sensibilitätsstömngen bis znm Tode constatirt werden. Am Tage nach der Operation 
kehrte die Sensibilität ffir Berflhrnng nnd Schmerz an den Oberschenkeln bis etwa 
handbreit Aber dem Knie an Vorder« und Innenseite wieder, am 29./Vin. wurden 
Nadelstiche an den Unterschenkeln bisweilen empfunden. Motorische Paraplegie, 
Blasen- und Hastdarmlähmung bestanden fort, auch das Verhalten der Reflexe blieb 
unverändert. 

Bei der Section fand sich ausser starker, eitriger Bronchitis und Cystitis ein 
starkes Oedem der weichen Häute des Rückenmarks und des Gehirns, beginnende 
Meningitis basilaris, stärker ausgeprägte der Convexität auf das Kleinhirn übeigreifend, 
beginnende eitrige Meningitis des Dorsalmarks, entsprechend zwei Stellen der Operations¬ 
wunde. Es bestand eine starke senile Arthritis der Wirbelgelenke, doch blieb un¬ 
bestimmt, ob diese die Ursache der Wirbelsäulendeformität al^^ben batte. Der 
Tumor, mikroskopisch ein Sorcom, war bei der Operation vollständ^ entfernt worden, 
auf der Dura fanden sich nur Blutgerinnsel. 

Die Configuration des Rückenmarkes erwies sich als unverändert, dag^n 
war die Consistenz im Gebiete des IX. and X. Dorsals^mentes an einer ca. 2 cm 
langen Stelle weicher als normal. An Querschnitten war deutlich au&teigende 
D^eneration der GoUi’schen Stränge, undeutliche der Kleinhimseitenstrai^- 
bahnen, absteigend eine D^eneration der Pyramidenseitenstrangbahnen za 
erkennen. 

Die mikroskopische Verfolgung der Degenerationen geschah mittels der 
MABCHi’schen Methode. In der Höhe des IX. and X. Dorsalsegmentes findet 
sich eine über den ganzen Querschnitt verbreitete Läsion der grauen und weissen 


Dig: /cd: 


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487 






Sabstanz bei erkennbarer Rückenmarkszeichnnng, überall finden sich massenhaft 
Uarkscheidentrümmer und Fettkömcbenzellen. An nach Pal gefärbten Prä¬ 
paraten erkennt man allerdings immer noch einzelne normal aussehende Mark- 
äserquerschnitte, am meisten in 
den Yorderstrang-Grondbündeln. 

An Kemfarbnngspräparaten sind 
die Ganglienzellen znm Theil hoch¬ 
gradig gequollen, zum Theil atro¬ 
phisch, es finden sich reichlich 
grosse Spinnenzellen und erwei¬ 
terte Gefösse. Ueber die von 
dieser fast totalen Querschnitts- 
Unterbrechung abhäi^gen Dege¬ 
nerationen im Rückenmark will 
ich mich kurz fassen, Sie stimmen 
im Allgemeinen mit den genugsam 
bekannten, insbesondere aber mit 
den Ton Hocbe ‘ mitgetheilten Be¬ 
fanden überein. Absteigend sind 
d^enerirt die Pyramidenseiten¬ 
strangbahnen bis insnntersteSacral- 
mark, in der gleichen Längen- 
aosdehnung eine Bahn im Yorder- 
strange. Lage und Ausbreitung 
leteterer stimmt mit den Angaben 
Löwbrthaij’s * über die Ausdeh- 
nong des Faisceau marginal antd- 
rieor bei Thieren nicht ganz über¬ 
ein, wohl aber mit den sonstigen 
Befanden beim Menschen, ln den 
Torderseitenstrang - Gmndbündeln 
schwinden ebenso wie aufwärts die 
konen Bahnen sehr bald bis auf 
ganz Terein 2 elte Scholien, eine 
D^eration am Yorderseiten- 
strangrande lässt sich mit einzelnen 
Fasern bis ins unterste Sacralmark 
verfolgen, ln den Hintersträngen 
hnde ich abwärts d^enerirt das SoHULTZE’sohe Comma deutlich bis zum mitt¬ 
leren Lombalmark, ein zweites Feld ganz so wie es Hoche (1. o.) beschrieben. 
Eine stärker ausgesprochene Tentiomediale’ D^nerationszone finde ich an 






Fig. 1. 




‘ Hoch*. Arch. f. Psych. XXVni. 

' Löwrsthal, loternatioDale MoDatsschr. f. Anat. n. Physiol. 
* Zaffebt, Neorolc^. Centralbl. 1898. Nr. S. 


1898. 


Dil; 


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488 


memen Präparaten nicht. Ansteigend degenerirt sind ansser den knrzen Bahnen 
die GoUi’schen Strange, die übrigens noch eine ganze Anzahl normal aus¬ 
gehender Fasern, ansserdem aber b^nmende Sclerose zeigen und ein kleiner 
Streifen im dorsomedialen Theil der BüBDACH’schen Stränge. Bei D; (Fig. 1) 
sieht man sehr schön die Einstrahlung der beiderseits total d^nerirten 
7. hinteren Wurzel Es sind ferner aufsteigend d^^erirt die Eleinhimseiten- 
strangbahnen und die GowEBs’schen Bändel, endlich von letzteren durch eine 
kleine relativ d^enerationsfinie Stelle getrennt eine Bahn im Yorderstrang und 
ganz vereinzelte Fasern im Bereich der Pyramidenseitenstrangbahnen. 

Die Verfolgung der 4 compacten langen auSteigend d^enerirten Bahnen 
bis zu ihrem Ende ergiebt nun folgendes Resultat: 

Die im Yorderstrang aufsteigende ist deutlich zu erkennen nur bis zur 
Fyramidenkrenzung. Ob nicht einzelne Fasern in den Yorderseitenstrangrest der 
^ttellinie oder die Formatio reticularis eingehen, lässt sich an den Präparaten 
nicht entscheiden. Die Kleinhimseitenstrangbahn gebt ganz in das Corpus restiforme 
ein und zieht in demselben rings umgeben von normalen Fasern aufwärts. 

Die Verfolgung der Degeneration in den Hinterstrangen ist möglich bis zu 
den Kernen derselben und zwar ist der GoLL’sche Kern in seiner ganzen Aus¬ 
dehnung, der BuBDAcn’sche nur in seinen medioventralen Abschnitten von dei^ 
selben betroffen. Von der Höhe der beginnenden Schleifenkrenzung an sieht 
man nun continniriich einzelne Fasern die Spitze der GoLL’schen Sträi^e mit 
der gleichseitigen Kleinhimseitenstrangbahn verbinden. Eine gekreuzte der¬ 
artige Verbindung ist jedenfalls nicht in nennenswerther Stärke aufzufinden. 
Es handelt sich wesentlich um feine Fasern im Gegensatz zu den sehr groben 
Schollen im Gebiet der Kleinhiraseitenstrai^bahnen. Weiter aufwärts, kurz vor 
der Höhe des sich ofhenden Centralcanals findet sich auch eine periphere 
Verbindung zwischen den genannten beiden Gebieten (Fibrae arcuatae ex- 
temae dorsales). Sie vereinigen sich mit den hier dorsolateralwärts ziehenden 
Fasern der Kleinhimseitenstrangbahn zur Anlage des Corpus restiforme. Diese 
Bahn bleibt auch nach dem Verschwinden des GoLL’schen Kernes auf Quer¬ 
schnitten noch bestehen, zieht also über denselben aufwärts hinaus, ja er¬ 
scheint an dieser Stelle stärker als unterhalb. Auch hier schickt dieselbe noch 
einen breiten Ausläufer nach vom um die innere Seite der absteigenden Qnintos- 
Wurzel herum. Einige Fasern schliessen sich auch, zum Theil dicht neben der 
Olivenzwischmischicht herabziehend, den Fasern im Gebiet des GovmBs’schen 
Bündels an. (Fi^. 2—4.) 


Fig. 2. QaembDitt io der Fig. 8. Qaereoboitt in der Fi^. 4. (^nenebnitt in der 
Höbe d. Pjramidenkreaznng. Höne d. anftretenden grossen Mitte der grossen OUyeo. 

Oliven. 

Das GowsBs’sche Bündel b^innt in der Höhe der Schleifenkreuzung sich 
entlang dem dorsalen Bande der ^ramiden nach innen auszubreiten. Mit dem 




Googl 


C 


489 


Auftreten der grossen OÜTen siebt man seine Fasern scharf nach aussen und 
dorsalwärts abbi^en, sie scheinen hier znm Theil sich dem Corpus restiforme 
mit znzQwenden, die Hauptmasse liegt danemd dorsal von den grossen Oliven 
und Tentrolateial der Kleinhimseitenstrangbahn angeschlossen. Eine gleichseitige 
Yerbindung mit den OoLL’schen Strängen ist bereits erwähnt Ob Fasern zu 
dem hier dem GowEss’schen ßftndel unmittelbar anliegenden Seitenstrangkem 
in Beziehung treten, vemu^ ich nicht zn entscheiden. Der weitere Verlauf der 
Bahn gestaltet sich ganz confonn der Beschreibung von Hoohb. Beim Eintritt 
in die Brücke b^innt sie sich von der Kleinhimseitenstrangbahn zu trennen. 
Sie tritt unter die Brflckenarme zwischen mediale Schleife, obere Olive und 
Faeialiskem, lateralwarts die untere Spitze der Badiz descendens trigemini er¬ 
reichend, eingestreut in die Quer&sem des Corpus trapezoides. (Figg. 5—7.) 


Fig.l.* Qaenobnitt durch die 
Brtcke. Rechte Anftreten des 
Keroes dee Corpus qaadrig. 
post., links Höhe des lateralen 
Schleifenkemes. 




Fig. 5. Qaerschnitt durch die 
Brücke rechts oberhalb, links 
in der Höbe des Äcusticos. 
eintritts. 



Fig. 6. Qaersebnitt durch die 
Brtcke rechts in der Höbe des 
lateralen Schleifenkemes. 
links des Trigeminnseintritts. 


Bis hinauf zur Höhe des Trigemiuuseintrittes sieht man immer noch eiuzelue 
Fasern sich dorsal- und lateralwärts znm Corpus restiforme begeben. Die Haupt¬ 
masse zieht um und durch den sensiblen Kern des Trigeminus nach aussen, 
oben und vorn, verlauft in der Spitze der lateralen Schleife, umgreift die Binde- 
arme und zieht in die Himklappe, in welcher man nach vom bis zur Trochlearis- 
kreuznng sowohl kreuzende als auch in sagittaler Bichtung zum Kleiuhimwurm 
zurückverlaufende Fasern sieht (Figg. 8—10.) Ein kleiner Theil der degenerirtcn 



Fig. 8. Querschnitt in der 
H^e der Bindeannkrenznng. 



Fig. 9. Querschnitt in der 
Höhe rechts des Brach, con- 
iunct. corp. quadrig. post, 
links dee Corp. quadng. post. 



Fiff. 10. Querschnitt in der 
H^e rechtsdes Corp. quadrig 
ant, links des Corp. quadrig. 
post. 


Fasern läuft in der Spitze der lateralen Schleife weiter. Er tritt mit derselben 
unten aussen an den Kern des hinteren Vierhügels heran, ob zum Theil auch 

* Umfang nnd Stärke der degenerirten Bahn sind in Figg. 7—11, um deren Lage 
deutlich zur Anschauung zu bringen, zum Theil etwas übertrieben. 


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490 


io denselben, ist nicht zu entscheiden, liegt weiterhin tiefer unter dem Bindearm 
des hinteren Yierhügels. Bevor der Best als oberer Knopf des lateralen Schleifen- 
theiles in den Thalamus seitlich abbiegt, sieht man noch eine ganze Anzahl 
Fasern in der hinteren Commissur zur anderen Seite hinäberkreuzen. (Fi^. 11,12.) 



Fig. 11 . Querschnitt ln der Höbe 
re^ts der Commissnra posterior, 
links des Corp. qnadrig. ant. 



Fig. 12. Horizontolschnitt doreb 
den reohtan Tbalamns optiens, 
etwas nach Tom abfallend. 


lieber das endgültige Schicksal der degenerirten Fasern in der lateralen 
Schleife geben etwas schräg nach vom abMende Horizontalschnitte durch den 
Thalamus gute Auskunft. Man sieht nämlich von der dorsalen Spitze des 
lateralen Antheils der Schleife aus lange Körachenketten vor und unter dem 
Corpus geniculatum interaum lateralwärts ziehen. Nach seitwärts zu breiten 
sich dieselben auch etwas in das vor ihnen gelegene Ansstrahlongsfeld der 
medialen Schleife aus. Der Faseizug bildet einen nach vorn convexen Bogen 
und steigt in seinem Verlauf lateralwärts etwas empor. Der Breite nach finden 
sich seine Fasern jedenfalls über den ganzen vorderen unteren Quadranten des 
Corpus geniculatum int ausgebreitet Hinter dem Centre mödian und dem 
schalenförmigen Körper vorbeistreichend lassen sich seine letzten Ausläufer bis 
zu den hinteren Theilen des Nuoleus ezternus thalami verfolgen. Für dneo 
Theil der Fasern ist allerdings in Folge des Wechsels der Yerlanfsebene der 
Verbleib lateralwärts über die Sagittalebene des Centre mödian hinaus nicht 
festzustellen. Finden sich einige aberrirende Fasern aus dem äusseren Gelnet 
der medialen Schleife auch schon in der Höhe des Corpus quadr^m. ant zu 
diesem Bündel hinzu, so habe ich doch eine isolirte Bahn in derselben, wie 
Y. SöLDBB beschrieben bat, nicht anifinden können. 

Die aufsteigenden Degenerationen bieten in unserem Falle etwas wesentlich 
Neues nicht, das Hauptinteresse beanspruoht das Verhalten des Gownns’scheu 
Bündels. Wie schon Patbiok^ angiebt, war dasselbe auch vor der GowEBs’soben 
Veröffentlichui^ keineswegs unbekannt, er führt an Metoebt’, FLBCB 8 I 0 ^ 
Wbstphal*, welche sämmtlicb die Zweitheilung der EleinhirnseitenstrangbahD 
beim Uebergang in die Brücke kennen, ohne indes das Gowsns’sche Bündel 


^ Patrick, Arch. f. Psych. XXV. 

* Mbykrbt, Arch. f. Psych. IV. 

> Flbohsio, Leitaogsbahnen 187U. 

* WBBTPaAi., Arcb. f. Psych. X. 


a :/od./GoOglc 


491 


als Ganzes principiell von der Klembimseitenstrangbahn abzosondem. Soweit 
ich sehe, hat dies zuerst auf Grund entwickelungsgeschichtlioher Befunde 
Bbohtebew^ gethan. Sonderbarer Weise erklärt er als völlig sicher, dass es 
sidi keinesfalls über die oberen Oliven hinaus in die laterale Schleife fortsetzt. 
Die GowEBs’sche Veröffentlichung* betrifft nur den spinalen Verlauf unserer 
Bahn. Eine Arbeit von Tooth*, welcher das secundär degenerirte Bündel bis 
in die Höhe des VL und VII. Himnerven verfolgt hat, war mir nicht zugäng¬ 
lich. 1890 erklärte Flbohsig^ dass er sich nunmehr durch Befunde bei der 
Katze aufmerksam gemacht, im G^ensatz zu seiner früheren Annahme von 
der Fortsetzung des Bündels in die laterale Schleife überzeugt habe. 

Eine wesentliche Eigänzung dieser Daten brachte zunächst das Thier- 
ezperiment. Nach Durchsohneidungen beim Hunde beschrieb Löwsnthal* den 
gesammten Verlauf des von ihm so benannten ventralen Antheils der Elein- 
bimseitenstrangbahn bis in den Oberwurm. In einer ausführlicheren Arbeit^ 
konnte er seine Angaben insofern vervollständigen, ^s nunmehr die Endigung 
der Fasern in der Rinde des ventralen Theiles des Oberwunns fest^stellt war, 
und als Gewährsmann für die Richtigkeit sdner Befunde Aüebbaoh ' anführen. 
Er bestreitet dagegen, dass das v. Monakow schon früher* beschriebene aberrirende 
Seitenstrangbündel, welches auch neuerdings wieder mit dem Gowsbs 'sehen 
Bündel für identisch gehalten wird, diesem seiner nach entspreche. Ohne 
dies entscheiden zu wollen, möchte ich nur erwähnen, dass ich selbst an Prä¬ 
paraten von Kaninchen, denen das Rückenmark in verschiedener Höhe durch¬ 
trennt war, diese Differenz in der Lage der D^enerationön bestätigen konnte. 
Während v. Monakow's Bündel lateral von der oberen Olive sich findet, sieht 
man das GowESs'sche Bündel ventral und eher nach innen von derselben, 
mehr der Peripherie genähert verlaufen. Heber die V. Wurzel hinaus fand ich 
bei Kaninchen in der lateralen Schleife, übereinstimmend mit der Angabe 
V. Monakow's keine deutliche Degeneration. Immerhin vermutbet derselbe 
Uebei^ang in die laterale Schleife. Dass in dieser Gegend übr^ns neben dem 
GowEBS'schen Bündel noch andere Bahnen verlaufen, beweist schon y. Monakow’s 
eigene Angabe* über eine gleichzeitig auf- und absteigende D^eneration des 
aberrirenden Seitenstrangbündels. Auch Hkld^* localisirt ja hier sein Seiten¬ 
strangbündel aus dem rothen Kern der Haube, das sich von diesem abwärts 
in der gleichen Bahn bewegt, die y. Monakow sein aufsteigendes Bündel 
nehmen lässt. 


‘ Bbchtbbbw, Neorolog. Centralbl. 1885. 

* Gowbbs, Nearolog. Centralbl. 1886. 

* Tooth, Oolstonian leetnres 1889 (cit. Patrick 1. c.). 

* Flbchsio, Nenrolog. Centralbl. 1690. 

* I.ÖWBRTHAL, Bevne mM. de la SniBse Komande. 1886. 

* Derselbe, Internationale Honatsschr. f. Anat. und Pbye. 1893. Bd. X. 

* Adbbbach, TireboVs Arcb. Bd. CXXI. S. 201. 

■ T. Monakow, Arcb. f. Psych. XIV. 

* Derselbe, Arfh. f. Psych. XXII. 

*• Hbld, Neurolog. Centralbl. 1890. S. 481. 


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492 


Nach Mediandnrchscbneidung deS'Lnmbalmarkes bei A£fen rermochte Mott^ 
Ausläufer des GowEBS’schen Bündels mit der lateralen Schleife hinauf zum 
vorderen Yierhägel zu verfolgen. Er leitete sie baaptsächlich aus den im Bucken* 
marke central und hinten getanen Partieen dieses Bündels ab. Nicht ganz 
weit gelangte Tooth^ nach einer experimentellen Durchschneidung in der 
MeduUa oblongata eines Affen, nämlich bis zur Höhe des Trochlearis. 

Ein von Bbuns* klinisch beobachteter Fall von Eöokenmarkscompression 
in der Höhe des 8. Cervical* und 1. Dorsals^mentes gab Patbice^ Gel^n* 
heit, auch beim Menschen diese Bahn bis zur Höhe der Bindearmkrenzung in 
der lateralen Schleife zu verfolgen, das ihm vorli^nde Material gestattete aber 
nicht, die weiteren Verlaufsverhältnisse zum Gerehrum und Cerebellum zu 
eruiren. Hoohb® hat zuerst an einem Falle von Querschnittsunterbrechung in 
der Höhe des 9. und 10. Dorsalsegmentes die Angaben Löwbmthal’s bezüglich 
des Verlaufs des OowEBs’schen Bündels zum Kleinhirn bestätigen können. Es 
folgte V. SöiiDEB^ mit einem Falle von Qnerschnittsunterbreohung im unteren 
Cervicalmarke. Während nun aber Hoche eine Degeneration über die Ebene 
des hinteren Vierhügels aufwärts nicht constatiren konnte, liess sich von dem 
Herde im Cervic^mark aus eine Degeneration bis in den Thalamus verfolgen. 
Das Neue an unserem Befunde ist 1. dass das von v. Söldbb beschriebene 
Bündel, wie zu erwarten, jedenfalls zum Theil aus einer unter dem Niveau des 
9. und 10. Dorsalsegmentes gelegenen Begion stammt; in dem von uns unter¬ 
suchten Halsmark fand sich keine weitere Erkrankung, ausserdem aber 2. dftös 
es gelungen ist, Fasern desselben bis zu den Zellen des Nucleus extemus tha* 
lami zu verfolgen. Sie finden also hier gemeinsam mit einem Tbeile jeden¬ 
falls der übrigen sensiblen Leitungen aus den hinteren Wurzeln ihre Unter¬ 
brechung. Auffallender Weise findet sich in einem Falle von Hösel^ bei einer 
alten apoplectischen Cyste, die den inneren Kniehöcker, den unteren Theil des 
Pulvinar und die hinteren Partieen der ventralen Thalamnskeme zerstört hat, 
unsere Bahn fast isolirt erhalten bei übrigens completer Degeneration der 
Schleife. Die Abbildungen Hösel’s von dieser dorsalsten Spitze des lateralen 
Schleifentheües geben durchaus die Darstellung der Lage unseres Bündels. 

Epikritisch möchte ich in unserem Falle noch bemerken, dass derselbe eine 
Ausnahme bei dem durch Bbüns^ anfgestellten Erfahrungssatze: „dass, wenn 
die höchst zu localisirenden Ausfallssymptome in einem bestimmten Falle auf 
die Läsion eines bestimmten Wurzelgebietes hinweisen, diese im Allgemeinen 
an der Austrittsstelle dieser Wurzel aus dem Marke in der Segmenthöhe und 


* Mott, Brain. 1892. XV. 

^ Derselbe, Braio. 1895. XVUl. Part. 1. 

* Tooth, Brain. 1892. XV. 

* Bbüks, Arcb. f. Psych. XXV. 8.759. 

* Patrick, 1. c. 

0 Hoche, 1. o. 

^ V. SCldbb, Nearolog. Centralbl. 1897. S. 308. 

* Hösel, Ärch. f. Psych. XXV. S. 1. 

^ Bbdrs, I. c. 8.329. 


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493 


nicht an der betreffenden Wurzel während ihres intraspinalen Verlaufes statt- 
gefonden hat“ Bei dem extradoralen Sitze der Geschwulst fand sich der extra- 
dorale Theil der 7. Wurzel bei ihrem Austritt aus dem Wirbelcanal ergriffen, 
der Tumor sass demnach um IV 2 Segmente und sicher um eine Wirbelkörper> 
höhe tiefer als man ihn nach dieser B^l hätte erwarten müssen. 


2. Experimenteller und pathologisch-anatomischer 
Beitrag zur Lehre von der chronischen Schwefelkohlenstoff- 

vergiffcung/ 

Von Dr. Georg Köster, 

Assistenten an der Nerrenabtheilnn^ der med. UniTersitäts-PoUklinik za I^eipzig. 

Meine Herren! Gestatten Sie mir, Ihnen in kurzen Worten die bisher ge- 
wonnenen klinischen und anatomischen Resultate meiner an Kaninchen Torge- 
Dommenen chronischen Vergiftungen mit Schwefelkohlenstoff zu schildern. 

Zwar habe ich meine Untersuchungen noch nicht beendet, bin aber nach 
einer Richtung hin zu einem Abschluss gekommen, so dass mir eine vorläufige 
Mittheilnng des bisher Gewonnenen gerechtfertigt erscheint 

Ich wurde zur Vornahme der Veigiftungen angeregt durch die Beobachtung 
eines Falles von chronischer ScbwefelkohlenstoffTergiftung, welcher ausser hoch¬ 
gradiger hypochondrischer Verstimmung, Verlust der Potenz, schwerer Chorioiditis 
und Retinitis, ausgedehnten Sensibilitätsstörungen an allen Extremitäten eine 
ganz exquisite Herabsetzung der Muskelerregbarkeit für beide Stromesarten bei 
directer und indirector Reizung darbot Ich kann auf diesen Fall hier nicht 
näher eingehen und will nur erwähnen, dass die Err^barkeit der Muskeln sich 
im Laufe von ca. 9 Monaten gehoben hat, aber immer noch beträchtlich unter 
den oberen Grenzwerthen SrmrziNa’s zurückbleibt. Dieser hochinteressante 
Fall wird seiner Zeit noch eingehend von mir mitgetheilt werden. Im physio¬ 
logischen Institut zu Leipzig habe ich nun mit fireundlicber Erlaubniss des Herrn 
Geheimrath Hebing Kaninchen chronisch mit CS| vergiftet und zwar von den 
bisher anatomisch untersuchten Thieren eins 14 Tage, eins 4 Wochen, zwei 
2 Monate, zwei 3 Monate und eins 3^8 Monate lang. Ueber die Methode der 
Vergiftung will ich mich hier nicht weiter verbreiten, es mag genügen, dass die 
Thiere das Gift auf dem W^e der Athmung ihrer Blutbahn einverleibten. Ich 
habe nun Folgendes feststellen können. 

Das Körpergewicht nahm bei allen Thieren, sofern sie sich vorher (und das 
war meist der Fall) unter günstigen Ernäbrungsverhältnissen befanden, in den 


‘ Kach einem in der 111. Versammloiig mitteldeotscher Psychiater and Nenrologen am 
1. Uai 1898 za Jena gebalteaen Vortrage. 


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494 


ersten Tagen etwas zu, dann aber, nach Ausgleich des Stoffwechsels, langsam 
und stetig ab, trotz guten und überreichlichen Futters. Nur ein einziges 
2 Monate veigiftetes Thier nahm bis zu seinem Ende fortgesetzt zu. Mit der 
Gewichtsabnahme ungefähr parallel ging eine Zunahme der faradischen Muskel* 
err^barkeit Hand in Hand. Die elektrischen Prüfungen wurden physiolcgisch 
ezact ausgeführt, stets mit derselben Yersuchsanordnung, so dass jeder Millimeter 
Bollenabstand von Werth sein und beobachtet werden konnte, und alle 14 Tage 
wiederholt Da zeigte es sich denn, dass die anfänglich z. B. bei 145 mm Rollen* 
abstand eintretende Minimalznckung, nach 2 Wochen schon bei 170 und nach 
weiteren 2 Wochen schon bei 190 und schliesslich bei 230 mm Bollenabstand 
anszulosen war. Ein andres Versuchsthier bot vom Beginn der Yergiftung bis 
zur 8. Woche eine Steigerung von 195—270 mm Bollenabstand. Gewiss eine 
erhebliche Steigerung der Erregbarkeit! 

Mit der Steigerung der electrischen Erregbarkeit stellte sich eine deutliche 
Ermüdungsreaction ein, sobald die Zunahme der Erregbarkeit eine Zeit lang 
gedauert hatte. Es musste dann der Bollenabstand nach und nach mitunter 
um 30 mm verringert werden, um eine neue minimale Zuckung hervorzurufen. 
Diese reizbare Schwäche machte meist von der 6. bis 7. Woche an einer all* 
mählichen Herabsetzung Platz, welche am intensivsten sich entwickelte bei den 
Thieren, die chronisch an den Folgen der CSj-Yeigiftung dahinsiechten. Jedoch 
sank der Werth der grössten erzielten Herabsetzung nicht unter den zu Beginn 
gewonnenen Bollenabstand herunter. Ebenfalls gleichzeitig mit der Erhöhung 
der electrischen Erregbarkeit entwickelte sich eine deutliche Hyperästhesie an 
den Extremitäten. Eine leise Berührung mit der Nadelspitze genügte, um eine 
unverhältnissmässig grosse Abwehrbewegung hervorzurufen. Anfangs hielt ich 
die im Yeigleich mit nicht vergifteten Thieren beobachtete Hyperästhesie, weil 
subjectivem Ermessen bei der Beurtheilung zu sehr unterworfen, nicht für ein¬ 
deutig. Als ich aber bei 2 Thieren der Hyperästhesie eine Anästhesie an den 
Pfoten folgen sah, der Art, dass man ohne jedwede Reaction von Seiten des 
Thieres ihm eine Nadel durch die ganze Pfote stecken konnte, ward mir die 
voranfg^ngene Hyperästhesie zur Gewissheit Die Anästhesieen beschränkten 
sich bei meinen 2 Objecten nicht auf bestimmte Nervengebiete, sondern um¬ 
fassten die Pfoten und die Mittelhand. Weiter hinauf verschwanden sie. Hinter- 
und Yorderpfoten waren gleichmässig anästhetisch. Abmagerungen der Muskeln 
habe ich nicht constatiren können. Bei jeder einzelnen Yeigiftnng wurden die 
Blutgefässe des Kopfes stark erweitert, die Ohren, die Nasenschleimhäute und 
Conjunctiven rötheten sich intensiv und der ganze Kopf fühlte sich heiss an. 
Mehrfach wurden aus den acuten Reizungszuständen chronische Bindehaut- und 
Bronchialcatarrhe. Die Pupillen wurden weit und reactionslos, imd in 4 i^en 
gelang es mir, eine dauernde Erweiterung der Pupillen, in einem Falle eine 
dauernde Differenz hervorzurufen. Nach jeder Ye^iftung waren die Thiere eine 
Zeit lang (etwa 1—2 Stunden) paretiscb xmd atactiscb und schleppten mühsam 
die Hinterbeine einzeln nach. In 2 Fällen wurden die Paresen der Extremitäten 
schliesslich constant und in den letzten Wochen ihres Siechthums setzten sie 


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495 


statt gleicbmassig sich al^toasend zu springen, die Beine auf wie ein Thier, 
welches kriecht, indem sie unsicher die Hinterbeine einzeln an den Baudi heran* 
zogen und die Vorderbeine einzeln vorsetztcu. Diese Thiere waren zi^leich 
anlsthetisoh an den Pfoten. 

Sie benahmen sieh beim Laufen ähnlich wie ein anderes Kaninchen, dem 
ich zur Gewinnung von Controlpräparaten zur MAscHi-Methode einige vordere 
und hintere Wurzeln durchschnitten hatte. Auch dieses war anästhetisch, 
atactisch und zog die Hinterbeine einzeln an den Leib heran, ohne sich gleich* 
massig mit ihnen abzustossen. Bezüglich des Allgemeinbefindens der Thiere 
kann man, ohne sich in Phantasieen zu ergehen, noch sagen, dass sie anfangs 
und etwa so lange, als ihre Hyperästhesie und gesteigerte Muskelerregbarkeit 
bestand, aufger^ waren. Sie sprangen beim Anklopfen an ihren Käfig wild 
durch einander, während späterhin die zwei im 3. Monat verstorbenen Thiere 
stumpfsinnig wurden, trotz directen Anstossens sich nur träge von der Stelle 
bew^ten und schliesslich den ganzen Tag auf einer Stelle hockten. 

Bei den übrigen Thieren kam es deshalb nicht zum Stupor, weil sie noch 
bei relativem Wohlbefinden nach einer kurz vorher vorgenommenen zu starken 
Vergiftung verstarben. 

Wir haben also, wenn wir das experimentell gewonnene klinische Bild über¬ 
blicken, im Anfänge der Veigifbung Beizerscheinungen, im weiteren Verlaufe 
Ausfallserscheinungen beobachten können. 

Bei allen 7 bisher verstorbenen Thieren konnte makroskopisch eine Ver* 
äoderung, namentlich eine Verfettung der inneren Organe (Leber, Nieren) nicht 
festgestellt werden. Auch mikroskopisch erwiesen sich die Leberzellen durchaus 
nicht abnorm fetthaltig. Um eine gewöhnliche Cachexie konnte es sich also 
nicht handeln. 

Das Gehirn und Rückenmark war stets sehr blutreich und weicher als 
normal. Die Muskulatur bot nichts Besonderes weder bei makroskopischer noch 
mikroskopischer Besichtigung. 

Ferner wurden Stücke der Nn. Ischiadici nach der ExKTEB’scheu Methode 
mit dem Osmiumkochsal^emisch behandelt und fein zerzupft. In keinem Falle 
war es mir m^lich, eine Neuritis festzustellen. Die Markscheiden waren hornigen 
schwarz gefärbt, und nur an einigen Stellen fand ich unregelmässige, jedenfalls 
beim Zerzupfen herausgedrüokte Myelintropfen theils in, theils neben dem Nerven 
liegend vor. Dasselbe war bei der weissen Substanz des Bückenmarkes der 
Fall. Gerade die Unregelmässigkeit dieser vereinzelten Myelintropfen spricht mir 
für ihre arteficielle Natur im Gegensatz zu den bohnenförmigen, länglichen 
Markscheideelementen, die sich bei der degenerativen Atrophie des Nerven reihen¬ 
weise angeordnet vorfinden, ln den Ganglienzellen des Gehirnes, des Rücken¬ 
markes und der Spina^anglien habe ich nach vorausg^;angener Behandlung mit 
dem ExNsn’schen Gemisch schwarze, kleine Kügelchen in verschiedener Zahl 
(2—8 in einer Zelle) gesehen. Bereits Bosin hat im Jahre 1896 nachgewiesen, 
dass mit Osmium sich schwärzende Kügelchen beim Menschen physiolc^isch von 
der Pubertät an immer, beim Kaninchen dag^en niemals sich finden. Da ich 


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496 


nun ebenso wie Bosin bei normalen Kaninchen diese Kügelchen nicht gefunden 
habe, da sie sich durch Zusatz von Alkohol oder Aether nach mehreren Stunden 
langsam lösten, so haben wir es unzweifelhaft mit Fett zu thun. Der nahe* 
liegende Gedanke, dass es sich etwa um irgend eine die Osmiumsaure redudrende 
Eiweisssubstanz handeln könne, wurde durch den Zusatz von Essigsäure wider¬ 
legt, welche das eventuelle Eiweiss gelöst haben würde. Ich weiss nicht, ob 
die von Hahfe in seiner aus der Leipziger Irrenklinik hervorgc^angenen Disser¬ 
tation flüchtig erwähnte Verfettung der Ganglienzellen im Auftreten dieser 
Kügelchen besteht. 

Auch kann man am frischen Präparat die Anwesenheit von Vacuolen unter 
Umständen sehen und noch öfter aus der blasigen, schwammigen Structur der 
Zellen bloss ahnen. Weiter kommt man aber mit der Untersuchung des frischen 
Materials nicht. Die Feinheiten der normalen und pathologisch veränderten 
Zellstructur kann man in brauchbarer Weise nur mit der Nrssii-HELn’schen 
Methode mit vorheriger Fixirung in Formol oder vak GEHUCHTEN’schem Gemisch 
erkennen. Ich habe nun von jedem der 7 gestorbenen vergifteten Thiere 
3—400 Schnitte von 3—Dicke aus allen Theilen des Bückenmarkes und 
Gehirnes, sowie den verschiedensten Spinalganglien nach Nissn-HELi) gefärbt 
und ausserordentlich charakteristische Veränderungen an den Zellen gefunden. 
Diu'chschuittlich zeigen die am längsten vergifteten Thiere, welche auch klinisch 
die erhöhte resp. herabgesetzte Erregbarkeit, Anästhesien und Paresen darbuten, 
auch die intensivsten Degenerationszustäude ihrer Ganglienzellen, während die 
nur kurze Zeit vergifteten Thiere weniger schwere Veränderungen aufwiesen; 
jedoch spielt beim Kaninchen wenigstens das Alter und das Körpergewicht ent¬ 
schieden eine Bolle. So wies z. B. ein 9 Monate veigiftetes anfangs 7 Pfund, 
beim Tode noch 4^2 Pfund schweres Thier, erheblich geringere Veränderungen 
seiner Zellen auf als ein gleichfalls 3 Monate ve^tetes Thier, das um ein 
Gewicht von annähernd 2 Pfund auf- und abschwankte. Ich will nun in kurzen 
Zügen an der Hand der bei jedem Thiere constatirten Veränderungen das patho¬ 
logisch-anatomische Bild der verschiedenen Stadien der Zelldegeneration bei der 
chronischen CSa-Vergiftung schildern. 

Die normalen anatomischen Verhältnisse setze ich bei der Kürze der zuge¬ 
messenen Zeit als bekannt voraus und gebe Ihnen jedesmal eine Abbildung der 
jeweiligen normalen Zellen und sodann Zeichnungen der verschiedenen Degene¬ 
rationszustände herum. Die Zeichnungen sind nach meinen Präparaten mit 
Oelimmersion Leitz Ocular IV und unter Benutzung eines Auerbrenners 
als Lichtquelle angefertigt worden. Das Auerlicht ist nöthig zur Erkennung 
feiner Details, welche einem bei gewöhnlichem Tageslicht oft entgehen können. 

Ich b^:inne mit den Spina^anglienzellen. 

Die SpinalgangUenzellen zeigen als mildeste Degenerationsform nicht selten 
eine Erweiterung des pericellnlären Baumes, Einbuchtungen und Anszadnmgen 
des Kernes, Beschränkung der NissL-Granulirung auf eine ringförmige Zone 
um den Kern herum und eine solche am Bande der Zelle. Oder es findet sich 
nur ein Kreis von nicht mehr scharf getrennten, sondern confluireuden, chro- 


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497 


matophilen Elementen nm den Kem hemm. Bei weiter fortschreitendem 
Zerfall schmmpft der Kern oder die Eemmembran löst sich auf, ja sogar das 
Eenikörperohen kann sich aoflösen. 

Die Nissl-Granula zerMlen staubförmig, wobei sie die Zelle mit einem 
hoDK^nen, feinen Staube ftberziehen und ihr einen lila Farbenton verleihen 
oder die chromatophilen Elemente klumpen sich zu einer bei aller Anstrengung 
nicbt zu differenzirenden blauen Masse um den aufgelösten Kem zusammen. 
Dabei treten Vacnolen auf im Kem und noch häufiger am Eemrande im Proto¬ 
plasma oder in der Mitte des Zellleibes, so dass ein Ring von Vacuolen schliess¬ 
lich ooncentrisch um den Kem hemmliegt 

Ausser den Vacuolen stellen sich noch grobe, bmite Spalten im rotl^efarbten 
protoplasmatischen Grundgewebe ein, offenbar als Erweitemngen der präformirten 
TOD Held nacfagewiesenen Gewebslücken. Schliesslich kann die ganze Zelle 
zerkrfimeln, so dass nur iu dem erweiterten Zellraume ein blassblauer, vacuolen- 
dorchsetzter, homc^ener Protoplasmarest übrig bleibt 

In analoger Weise degeneriren auch die Zellen der Sjmpathicusgang^en. 
Auf dem Bilde, das ich Ihnen hier hemm reiche, erkennen Sie die Schrumpf- 
ang bezw. Auflösung der Kerne, die Vacuolisimng und staubförmige Granuli- 
rung des Protoplasmas, sowie am freien Bande der Zelle eine confluirende Masse 
m chromatopÜlen, blau nber^bteu Elementen. 

Die multipolaren Yorderhomgan^lienzellen zeigen im Frühstadium der Ent¬ 
artung oft eine starke Erweitemng des pericellulären Baumes, die leichten Aus- 
zackungen oder Einbiegungen des Kernes, späterhin Verlust der Eemmembran, 
Auflösung des Kernes und oft Verlust des Kernkörperchens. Aebnlich den 
Veränderungen bei den Spinalganglien sind auch die Entartungen des Proto* 
plasmas, nur dass hier die Cbromatolyse und die völlige Auflösung der Zell¬ 
substanz an den Protoplasmafortsätzen beginnt. An den Dendriten sieht man 
die staubförmige Vertheilung der NissL-Granula zuerst, die Dendriten verschmä- 
lem sich, zerbröckeln oder vacuolisiren am Fusse und brechen schliesslich ab. 
Dabei kann das Zellprotoplasma und die NissL-Granulimng noch leidlich erhalten 
sein. Die NissL-Körper finden sich vielleicht bloss noch um den Kern hemm 
deutlich, während die periphere Zellmasse frei von NissL-Körpem oder staub¬ 
förmig granulirt ist. Oft sieht man in diesem Stadium schon grobe Spalten in 
dem Protoplasma, späterhin grosse Vacuolen in oft reichlicher Zahl. Die Nibsl- 
Körper zerstieben schliesslich zu Staub, welcher der oft formlos breit gequollenen 
Zelle eine Lilafärbnng verleiht oder es tritt Klumpong der chromatophilen 
Elemente mit Üeber&rbung der Zelle ein. Bei staubförmig granulirten Zellen 
seht man oft rothe, aller blauen Granulimng beraubte, unregelmässige Inseln 
im Zellleib bis in die geschrumpften Dendriten hinein sich erstrecken. Wir 
haben es dann mit glasiger oder hyaliner Entartung der Zelle zu thun. In den 
spatesten Stadien der Entartung haben sieb alle Fortsätze abgelöst und spärliche, 
stark entartete Protoplasmareste in dem erweiterten Zellraume deuten die Stelle 
an, wo einst eine wohlgebildete Zelle lag. Auch ein Abreissen der den Zellleib 
umspinnenden Axencylinderendbäumchen konnte häufig oonstatirt werden. 

82 


ig : /od CjOO^Ic 



498 


Bei allen Thieren zeigte sich eine pralle Gtel^follnng, auch der kleinsten 
pericellulären Capillarschlingen und in zwei Fällen konnte ich sehr zahlreiche 
lüsche capillare Blutungen in den pericellulären Baum und in die graue Masse 
naohweisen. Es handelte sich hier bei den an Athmungslähmung verstorbenen 
Thieren Termuthlich um agonaie Blutung, wie man sie bei Erstickten findet 

Um nicht zu ermüden, will ich nur kun bemerken, dass die Zellen der 
Brücke, des verlängerten Markes und des Himstammes, sowie die Zellen der 
Hinterhömer ganz analoge Veränderungen zeigen und dass mir im Ganzen be¬ 
trachtet, die Degenerationen der Hinterhomzellen geringer zu sein scheinen. 

Natürlich finden sich, namentlich bei den relativ ürüh verstorbenen Thieren 
noch erhebliche Mengen ganz oder annähernd normier Zellen und auch bei 
den am schwersten befallenen Thieren sind die Unterschiede der Entartung 
innerhalb ein und derselben Zellsorte sehr beträchtlich. Ich lege auf die Con- 
statirung dieses Unterschiedes grossen Werth, da durch denselben der Vorwurf, 
es könne sich um postmortale Veränderungen handeln, hinfällig wird. Zudem 
wurden die Sectionen und Uebertragung in die Fixirflüssigkeit mit Ausnahme 
eines Falles direct nach dem Absterben der Thiere vorgenommen. 

Aehnlich wie die übrigen Zellen des Centralnervensystemes verhalten äck 
die der Hirnrinde. Auch hier finden sich die verschiedensten Degenerations¬ 
stufen innerhalb ein und derselben Bindenschicht Ich kann nicht mit absoluter 
Bestimmtheit sagen, dass ein Hirnabschnitt vor einem anderen, z. B. das Stirn- 
him vor den Centralwindungen bezüglich der Degeneration seiner Zellen einen 
Vorzug hatte. Vielmehr finden sich in allen Tbeilen des Gehirnes degenerirte 
Zellen, bei einem Thiere weniger, bei dem schwerer vei^fteten Thiere mehr. 
Doch machen mir bei früh verstorbenen und noch weniger stark chronisch ver¬ 
gifteten Thieren die äusseren Rindenzellschichten, vielleicht weil sie wegen ihrer 
isolirteren Lage besser zu studiren sind, durchschnittlich einen mehr entarteten 
Eindruck als die der unteren reihenweise aneinandergeschmiegt liegenden Zellen. 
Bei stärker, d. h. längere Zeit vergifteten Thieren, verschwinden diese Unter¬ 
schiede. Die Veränderungen bestehen in Erweiterung der pericellulären und 
perivasculären Räume und der Lympbspalten. Ferner finden sich leichte und 
schwere Kemschrumpfungen, Verschwommensein der Kemmembran, staubförmige 
Granulirung des Protoplasmas oder klumpige Chromatoljse und Vacuohsirung 
des Zellleibes. Die Vacuolisirung beginnt immer an der Peripherie des Kernes 
in Gestalt einer länglichen den Kern ablösenden Vacuole. Schliesslich liegt der 
geschrumpfte Eem in einem weitmaschigen durchlöcherten, grösstentheils ver¬ 
loren gegangenen Protoplasma, so dass man Mühe hat, in diesem Rudiment noch 
die fixere elegante Zelle zu erkennen. 

So wie die Zellen der Grosshimrinde sind auch die PuBKmxE’schen Riesen¬ 
zellen des Kleinhirns erkrankt. 

Die Kerne sind geschrumpft, oft durch randstäudige Vacuolen vom Proto¬ 
plasma theilweise abgehoben, der Zellleib mit staubförmigen NissL-Kömem be¬ 
streut und zuweilen ganz aufgelöst, ln anderen Fällen wieder klumpige 
Schrumpfung der Zelle unter Ueberfarbbarkeit Frühzeitig schon entarten die 


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499 


Dendriten. Zuweilen sieht man, wie an den Vorderhornzellen, so auch an den 
PuRKXNjs’schen Riesenzellen starker roth geübte unr^elmässige Partieen im 
Zellleibe als unzweifelhaften Ausdruck glasiger Entartung. Der pericelluläre 
Baum ist oft erweitert. Blutungen habe ich im Gehirn bei keinem Thiere 
nachweisen können, wohl aber stets strotzende GefassfüUung. 

Können wir nun, ohne den Dingen Gewalt anzuthun, die anatomischen 
Befunde mit den beim Kaninchen erzeugten klinischen Bilde in Einklang bringen 
and dürfen wir uns einen Rückschluss auf die Verhältnisse bei der chronischen 
CSg'Veigiftnng des Menschen gestatten? Es liegt mir zwar noch ob, das Ver< 
halten der Neuroglia zu studiren und mit der MABCHi-Methode auf Mark- 
scheidenzerfall in der weissen Substanz und im peripheren Nerven zu fahnden, 
und ich bezweifle auch nicht die absolute Unmöglichkeit eines Markscheiden¬ 
zerfalles, aber ich halte nach meinen bisherigen Befunden eine primäre Neu¬ 
ritis nicht für wahrscheinlich. Die Sensibilitätsstörungen sind bei meinen Thieren 
onzweifelhaft ^s centrale anfzufassen, denn die Zelle des ersten Neurons ist er¬ 
krankt und die Hyperästhesie, sowie später die Anästhesie werden nach dem 
Gesetz der excentrischen Ferception an der Peripherie, d. h. den Pfoten empfunden. 
So erklärt sich die Sensibilitätsstorung, welche sich bei meinen Thieren nicht 
auf bestimmte Nervengebiete beschränkte, meiner Meinung nach zwanglos. 

Die Erhöhung der elektrischen Erregbarkeit, sowie ihre Herabsetzung in 
Verbindung mit Ermüdungsreaction, sowie die Paresen finden ihre Erklärung 
iu dem Jeweiligen Zustand der Vorderhomzelle. Die Functionen der gestörten 
Zellen werden von den relativ oder ganz intacten Zellen noch, so gut es gehen 
mag, übernommen. Dass es mir bisher nicht gelang, eine complete Paralyse der 
Extremitäten und Muskelatrophieen zu erzielen, schiebe ich auf den vorzeitigen 
Tod der Thiere, welche ich bisher im längsten Falle nur 8 Vs Monate am Leben 
habe erhalten können. Aber auch wenn man degenerative Atrophie im peri¬ 
pheren Nerven finden sollte, so wird man daraus nicht ohne Weiteres auf eine 
primäre Neuritis schliessen dürfen, da der Markscheidenzerfall mit Verödung 
der Nerven ja eine einfache Folge der Zerstörung der trophiscben Zelle des 
motorischen Neurons sein kann. Ich erinnere nur an die auf Intozication be¬ 
ruhenden „Neuritiden“, die sich im Anschluss an Diphtheritis und andere Infections- 
krankheiten entwickeln können, sowie an die fragliche „Arsenikneuritis“. Bei 
allen diesen Krankheitszuständen hat man in neuester Zeit primäre Degenera¬ 
tionen der Vorderhomzellen nacbgewiesen. Ebenso ist eine gewisse Analogie 
zur Poliomyelitis ant. acuta hier unverkennbar, denn auch hier erkranken nach 
der Ansicht vieler Autoren die Vorderhomzellen primär und das weit vorge¬ 
schrittene oder abgelaufene Kr ank heitsbild lässt sich zuweilen nur schwer von 
dem einer Neuritis im Endstadium unterscheiden. 

Der Entartung der Gehirnzellen entspricht meiner Ansicht nach auch das 
p^chische Verhalten der Thiere bei Lebzeiten. Den initialen Zelld^enerationen 
entspricht die Erregtheit der Thiere, den späteren der Stupor. Leider klingt es 
gewagt, beim Kaninchen von einer Psyche zu reden. Es erscheint mir aber 
— ich will mich hier mit aller Vorsicht ausdrücken — nicht zu kühn, wenn 

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500 


man anch beim chronisch mit CS^ ye^iffceten Menschen, wo ja aach im Wesent¬ 
lichen Beiz- oder Ansfallserscheinungen bestehen, primäre ZeUdegenerationen 
annimmt als die Ursache der verschiedenen Symptome. Gerade das vielgestal¬ 
tige Erankheitsbild der CSj-Fsychoseu könnte seine Erklärung finden in den 
ausserordentlich variabeln Zelldegenerationen innerhalb der verschiedenen Rinden- 
schichten, wobei kein Himabschnitt constant vor dem andern bevorzugt, sondern 
bald dieser bald jener mehr betroffen wird. Auch die relativ schwere Heilbar¬ 
keit der CS 2 'Psycho 8 en dürfte darauf sich zuiückfuhren lassen, dass es die Zellen 
des Gehirnes sind, die nachweisbare Yeränderungen erfahren haben, und dass 
die schwerer degenerirten Zellen mit vollständiger Chromatolyse, Yacuolen und 
Verlust der Fortsätze einer Regeneration nicht mehr ßhig sein dürften. Bei 
geringeren CS^-Vei^iftungen, wo Reizerscheinungen vorwiegen, werden die Zellen 
d^^en nur leichtere Entartungszeichen an sich tragen und sich wieder herstellen, 
wenn der Kranke nicht weiter dem Gift au^esetzt wird. 


II. Bef erat 6. 


Anatomie. 

1) On the ohrome-silver impr^:nation of formalin-hardened brain, by 
J. Shaw Bolton. (Lancet. 1898. Jan. 22.) 

Yerf. härtet das Gehirn in Formalinlösang je nach der Grösse 5 Wochen 
bis 12 Monate. Alsdann werden kleine Stücke ohne vorheriges Auswaschen in eine 
Ammoninmbichromatlösang eingelegt (einige Standen bis 5 Tage). Ans dieser 
werden die Stücke nach Abspülen in Aq. dest. ln eine 1 Arg. nitr.-Lösnng für 
16—24 Stunden gebracht Weiterhin folgt mehrstündige Härtnng in 60% Alkohol. 
Paratfinelnbettung u. s. f. Th. Ziehen. 

2) On the orlgin, ooorae and oell-ooimeotions of the visoero-motor nervee 
of the small intestine, by J. S. Bunch. (Journal of Fhysiology. XXII. 
S. 357.) 

Verf. untersuchte die automatischen Bewegungen des Dünndarms und deren 
Beeinflusaung durch Gifte und Nervenreize. Er fand dabei, dass der Yag^ einen 
constanten Einfluss auf den Ablauf der Bewegungen des Dünndarms nicht besitzt, da 
die Beizung desselben am Halse und im Thorax nur ein einziges Hai unter 25 Ver¬ 
suchen eine Veränderung im Ablauf der normalen Darmbewegungen bewirkte. 

Ganz constant war dagegen eine Beeinflussung der Darmbewegungen durch 
Beizung des peripherischen Endes des durchschnittenen N. splanchnicus hervorzurufen. 
In der Mehrzahl der Fälle, besonders beim Hunde, wurde hierdurch eine tonische 
Contraction bedingt io anderen Fällen aber, vorwiegend bei der Katze, war der Effect 
dieser Beizung eine tonische Erweiterung des Darmrohres. Verf. schliesst hieraus, 
dass im N. splanchnicus zwei antagonistisch wirkende Gruppen von Nervenfasern 
verlaufen, deren eine die Erweiterung, deren andere die Verengerung des Darmrohres 


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501 


iMwirkt, und welche, je nach der Thierspecies in Terechiedenen Hengenverhältnissen 
Torkommen. — Die betreffenden NerveDfasem stammen ans dem BQckenmarh nnd 
treten durch dMi 6. Brastnerven bis herunter znm 5. Lombalnerren in den N. splan- 
chniens ein. Es scheint, dass sie nor eine Zellstation im Plexus solaris zu passiren 
haben. W. Cohnstein (Berlin). 


3) A snboooipital lobe in the bratn, by Wallace Wood. (Lancet 1898. 

Peb. 26.) 

Verf. beschreibt bei dem Binde 2 Läppchen auf der dem Kleinhirn zugekehrten 
Oberfläche des Occipitallappens, welche der „Ligula oder dem Oyms temporo^occipi* 
talis medialis" und dem Lobulns teioporo'occipitalis lateralis des Menschen entsprechen 
sollen. Seltsamerweise sollen beide Läppchen bei dem Zugochsen (draught) relatir 
Terkilmmert sein. Th. Ziehen. 


Experimentelle Physiologie. 

4) Beiträge snr Erforeohnng des SympathionaeinfluBses auf die contra* 
laterale Pupille, von N, TQmianzew. (Fflflger’s Ärch. Bd. LXIX.) 

Kaeh Enucleation eines Auges bei dem Kaninchen fand Verf. Degeneration in 
der mittleren, weissen Vierhfigelschicht, im Corp. genic. lai, Pnlvinar, Thalamus 
und im Tractus pedunc. transversus der entgegengesetzten Seite. Auf der gleichen 
Seite war die Degeneration geringer. Die Gndden’sche Commissur, die Opticus¬ 
wurzel Bagrow's und der Fascicnlus tuberis cinerei blieben intact. In der Heynert'* 
sehen Commissur fanden sich beiderseits degenerirte Harkschollen, was Verf. auf die 
besondere Zartheit dieser Fasern und die „nicht gehörig vorsichtige“ Behandlung des 
Gehirns zurflekfflhrt. Mit Hfllfe der Methjlenblanmethode stellte er fest, dass bei 
der Katze nnd dem Kaninchen ein Theil der Fasern des Tract. pedunc. transv. aus 
einem besonderen, auf dem vorderen Bindeanh, dicht am vorderen Bande des vorderen 
Vierbfigels gelegenen Ganglion entspringt. Einzelne Angaben Aber den Ban des 
vorderen YierhQgels und Gangl. geniculat. lat. sind im Original nachzuleaen. Die 
Oberfläche des Conariums (unter der Membr. propria) fand Verf. mit GangltenzeUen 
besäet. Anf der Oberfläche einiger Ganglienzellen des Conariums fand er zuweilen 
vaiicbse, den ZellkSrper nmfleebtende Fäden, welche mit einer knopfförmigen An* 
aehwellung auf der Zelloberfläche endigen. 

Zu den physiologischen Versuchen verwendete Verf. meist Katzen. Die Pupillen- 
weite wurde an einer Millimetertheilong abgelesen. Verf. glaubt naebgewiesen zu 
haben, das die von Dogiel angegebene Pupillenverengerung bei faradischer Beizung 
des centralen Sympathicos nicht durch die Veränderungen in dem anf der Seite des 
gereizten Sympatbiens befindlichen Ange bedingt ist und auch nicht ganz als eine 
Folge der consensnellen Pnpillenreaction aufgefasst werden kann, sondern wahr* 
sebeinlich eine neu entdeckte, durch die in der Gegend des Sinus cavernosus den 
Himnerven sich hinzugesellenden Sympathiensfasem vermittelte Beflexerscheinnng 
darstellt Wahrscheinlich kommen dabei speciell Sjmpatbicusfasern in Frage, welche 
im Sinus cavernosus zum Oculomotoriusstamm sich binzugesellen und in seinem Stamm 
bis zu seinen Centren verlaufen. Es würde also der neue Beflex unter dem Einfluss 
pupilleuverengender Oculomotoriusfasem zu Staude kommen. 

Nebenher ei^ab sich, dass die Hauptmasse der Sympathiensfasem bei der Katze 
aus dem oberen Halsknoten nicht mit der Art. carot. int, sondern anf einem anderen 
W^e, ähnlich dem von Fr. Franck angegebenen, zum Sinus cavernosus gelaugt, 
sowie dass „die FnpUienerweiterer . sogleich vor dem Ganglion Gasseri in der Form 
einiger Bündel oder Fasern verlaufen“. Th. Ziehen. 


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602 


6) Ueber die Wahrnehmung der Farben, von P. Fridenberg. (New Torker 
med. Honatsschr. 1898. März.) 

« 

Verf. bespricht zunächst kurz die Farben des Spectmms, deren Combinationen, 
Farbenton, Beinbeit und Helligkeit und gebt dann zur Sinneswabmehmung der 
Farben über. Ein Zapfen der Netzhaut genügt, um eine gesonderte Gesichts* 
empfindung zu Termitteln. Zur Empfindung eines doppelten Reizes ist die Erregung 
von mindestens 2 Zapfen nothwendig. Von der Sehzelle der Retina wird der Nerven- 
Impuls dann bis zur sensiblen Zelle der Grosshimriude for^eleitet. Nach der Yonng- 
Helmholtz’schen Theorie enthält das Endotgau jeder Nervenfaser eine Sehsuhstanz, 
photochemischer Natur, welche vom Lichte zersetzt wird. Durch diese Zersetzung 
wird die entsprechende Nervenfaser gereizt. Man unterscheidet non rotb, grün und 
blau empfindende Endorgane, je nachdem ihre Substanz am meisten von den rothen, 
grünen oder blauen Strahlen des Spectmms erregt wird. Diese Theorie erklärt gut 
die Erscheinungen der positiven und negativen Nachbilder, sowie diejenige der 
Farbenblindheit („Bothblindheiti*, „Grünblindheit“, „Blaoblindheit“). Neben derselben 
besteht noch die Hering'sche Ilieorie, nach welcher unsere Farbeneindrflcke auf 
6 Grondempfindungen zurückgeführt werden, welche, in 3 Paare angeordnet, den 
complementären Empfindungen weisa-achwarz, roth-grün, gelb-blau dienen. Nach 
Verf.’s Ansicht liefert jedoch die Toong-Helmholtz’sche Theorie eine bessere Er¬ 
klärung aller Erscheinungen. Kurt Mendel 


6) On rest, sleep and work and the concomitant changes in the oirou- 
lation of the blood, bj C. Hill (Lancet. 1898. Jan. 29.) 

Der arterielle Blutdruck wurde mit dem Hill-Barnard’schen Sphygmometer 
an der rechten Art. brachialis gemessen. Es eigah sich, dass er im Schlafe sehr 
erheblich abnimmt (z. B. von 120—125 mm Hg auf 90—95 mm Hg). Mit guten 
Gründen bestreitet jedoch Verf., dass dieses Sinken des Blutdrucks die Ursache 
des Schlafs sei; es ist vielmehr nur auf die Bettwärme und die horizontale Ruhelage 
zurückzoführen. Daher ist der Blutdruck z. B. Morgens, wenn die Veraochsperson 
wach, aber ruhig im Bett li^ ebenso niedrig wie Nachts im Schlafe. Mnskel- 
bewegnng und Affecte steigern den Blutdruck und die Pulsfrequenz am erheblichsten. 
Die Ursache des Schlafs ist durch die seither aufgestellten Theorieen noch nicht 
genügend aufgeklärt. Th. Ziehen. 


Pathologische Anatomie. 

7) Bulle alterasioni degli elementi del slstema nervoso oentrale uell’ in- 
Bonnia sperimentale, per L. Daddi. (Biv. di Patolog. nerv, e ment. 1898. 
Nr. 1.) 

Bei 3 Hunden, die nach einer schlaflosen Periode von 17, 8 und 13 Tagen 
gestorben waren, untersuchte Verf. das Nervensystem. Einer von den Hunden hatte 
auch die Zeit über gehungert. 

In den Intervertebralganglien und dem Kleinhirn Zerfall der Chromatinschollen 
zu einem feinen Pulver, im Cytoplasma zuweilen Vacuolen, der Kern gegen die 
Peripherie verrückt und oft homogen erscheinend. Im Grosshim namentlich stark 
die Läsion der nngefärbten Frotoplasmasubstanz. Es fanden sich häufig neben 
Gruppen stark veränderter Zellen solche von ganz normalem Aussehen. Blutgefässe 
und Neuroglia ohne krankhafte Veränderungen. Bei dem hungernden Hunde waren 
die Läsionen am schwersten. Die Zellen des Rückenmarks und der Med. oblongata 
erschienen normal. 


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503 


Nach der Golgri’scben Methode die Zellen uDregelm&seig begrenzt» ihre Proto¬ 
plasmafortsätze Terschmälert nnd varicbs entartet, der Nervenfortsatz normal. 

Der Schwere der Läsion nach stand in erster Reihe der vordere Lappen des 
Qrosshims; es folgten der Occipital- nnd Parietallappen, die psychomotorische Be^on, 
das Kleinhirn nnd die Intervertebralganglien. 

Die Läsion der einzelnen Zelle gleicht der unter vielen anderen Umständen 
beobachteten; das Gesammtbild der Verändernngen aber und ihre Yertheilnng hält 
Terf. ßlr die flbermässige Änstrengnng und UebermQdung fQr charahteristisch. 

Valentin. 


8) 1. Note on musole spindles in pseudohypertrophio paralysis, by S. Grun- 
baum. — II. Obserratlons on sensory nerve endinge in voluntary 
musoles, by A. Buffini. — III. Short note on sense o^^ana in musole 
and on the preservation of musole spindles in oonditions of extreme 
musoular atrophy, foUowing seotion of the motor nerve, by J. Horsley. 
(Brain. 1898. Autumn.) 

I. Bei Psendohypertrophia muscularis soll die Hushelspindel Veränderungen 
eingehen. Da nach Sherrington solche Verändernngen nach Durchschneidung der 
motorischen Huskelnerven nicht eintreten, so spricht nach dem Verf. sein Befand 
dafllr, dass der Process bei der Hnskelpsendohypertrophie ein primär muscnlärer ist. 

II. Die Uuskelspindel ist ein sensorisches Oigan. Die Vertheiluug und Endigung 
der Nerven in die Huskelspindel ist eine verschiedenartige. Verf. unterscheidet eine 
bandartige spiralige oder ringförmige Endigung, eine solche in Form eines Blomen- 
stransses und eine endplattenartige. Genaueres muss im Original nachgesehen werden. 
Ausser den Mnskelspindeln kommen im Muskel als sensorische Organe die Golgi’- 
schen Organe in den Sehnen vor; bei diesen beschreibt Verf. neben dem eigent¬ 
lichen einen etwas anders sich verzweigenden „begleitenden" Nerv; und schliesslich 
Pacini’sche Körper. Die Untersuchung muss sich bei Störungen des Mnskelsinns 
anf diese Dinge richten. 

III. Verf. hat nach Durchschneidung des Ischiadicus die Endplatten geschrumpft 
aber sonst erhalten gefunden; auch er findet Pacini’sche Körper in den Muskeln. 

Bruns. 


8) üeber Aotivitätsbypertrophle der willkürlichen Muskeln, von Prof. 

Morpurgo in Siena. (Virch. Archiv. Bd. CL.) 

Verf. stellte seine Untersuchungen in der Weise an, dass er bei Hunden den 
H. Sartorius der einen Seite vor dem Versuch sorgföltig entfernte und ihm dann mit 
dem gleichnam^en Muskel der anderen Seite, der erst nach einer zweimonatlichen 
Arbeitsperiode entfernt wurde, makroskopisch und mikroskopisch hinsichtlich des 
Volumens, der Zahl, Länge und Dicke der Muskelfasern und einzelnen Muskel- 
elemente, Kerne u. s. w. verglich. Er kam dabei zu dem Ergebniss, dass die Äc- 
tivitätehypertrophie der vrillkürlichen Muskeln ein Beispiel von wahrer Hypertrophie 
im Sinne Virchow’s ist, d. h. ohne Vermehrung der quergestreiften Muskelfasern 
lediglich durch Verdickung der letzteren zu Stande kommt Eine Verlängerung der 
Fasern findet hierbei nicht statt, und die Verdickung geschieht nur durch Vermehrung 
des Sarcoplasmas, ohne merkliche Vermehrung oder Verdickung der Primitivfibrillen. 
Auch die Zahl der Kerne ist nicht vermehrt, im Gegensatz zu der meist mit be¬ 
trächtlicher Kemwnchemng einhergehenden pathologischen Muskelhypertrophie. 

Lilienfeld (Gr. Lichterfelde). 


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10) Alterasioni oadaveriohe della oellula nerroBa studiate ool metodo dl 
Kissl, per Ot. Levi. (Birisi di Fatolog. nerv, e meat 1898. Nr. 1.) 

Die ersten Leichenverändemngen 2 eigen eicli an den Zellen von Gross- and 
Kleinhirn nnd zwar schon 18—24 Standen nach dem Tode, an den Spinalganglien 
erst 36—48 Stunden und in den YorderhOmem des BQclcenmarks 60 Standen post 
mortem. Anfangs erscheint die Zelle mehr oder weniger intensiv gefärbt, ans einer 
pulTerfdrmigen Masse zusammengesetzt, in der hier und da einzelne anregelmässige, 
stärker tingirte Schollen liegen; der Kern undeutlich begrenzt, Nucleolas unverändert 
Auf dieses „hyperchromatische“ Stadiam folgt eines, in dem das Protoplasma bloss 
violett erscheint, die Zollgrenzen unregelmässig und verschwommen, der Kern nicht 
mehr unterscheidbar, das EemkCrperchen deformirt, aber noch förbbar ist. 

Diese Ergebnisse stehen mit denen früherer Beobachter, so von Barbacci and 
Campacci (s. d. Centralbl. 1897. S. 1042) in sofern im Widersprach, als diese 
von dem „hyperchromatischen“ Stadium nichts angeben. Yalentin. 


11) Untersuohungen Über Beri-Beri, von Dr. Earl Küstermann. (Hit- 

theilungen aas den Hamburgischen Staatskrankenanstalten. 1897. Bd. 1.) 

Etwa 25 Jahre alter Chinese, seit 12 Tagen krank, macht bei der Aufnahme 
einen schwerkranken Eindruck. Temperatur normal, Puls klein, sehr beschleunigt, 
100—125 p. M., über der Herzspitze and der Pulmonalis anämische systolische 
Geräusche. Beine, besonders Unterschenkel abgemagert, an den Armen keine Atro- 
phieen. Wadenmnsknlatur sehr drockempfindlich. Patellarreflexe erloschen. Sensi- 
bilitätsprüfung mangels Verständigung mit dem Pat. unmöglich. Elektrische Unter- 
suchnng musste wegen des ernsten Zustandes des Pst. unterbleiben. Zonehmendes 
Herzklopfen, schnell fortschreitende Schwäche. Anßlle von Angina pectoris. Doppel¬ 
seitige bypostatische Pneumonie, der Pat. erliegt. Vom Sectionsbefunde sei hier der 
Befund an den Muskeln und dem Nervensystem mitgetheilt; erwähnt sei nur, dass 
die bakteriologische Untersuchung negativ ausfiel, und dass am Herzen eich fieck- 
weise fettige Degeneration fand. Die Muskulatur der Arme zeigte normalen Befand. 
An den Mm. tibiales ant. fanden sich einzelne Muskelfasern blasser geßrbt, etwas 
gequollen und an den Ecken abgerundet, einige vacuolisirt, die Kerne verme^; auf 
Längsschnitten schien die Querstreifung stellenweise verloren gegangen, das Sarco- 
plasma in der Richtung der Querstreifung in einzelne Trabekel zerfallen, die bald 
durch grössere Abstände sarcoplasmafreien Gewebes von einander getrennt sind, bald 
noch lose zusammenhängend in der Parallelrichtung von einander verschoben den 
Sarcolemmscblauch lose aasfüllen. M. tibialis anticus dexter stärker degenerirt als 
der linke, ganz gering war der rechte Gastrocnemius atöcirt, die übrigen Bein- 
muskeln intact. 

Die Nerven der Arme gaben normalen Befund. 

Beide Nn. vagi waren in der Höhe der Carotis communis ziemlich 
stark degenerirt. 

Von den Beinnerven waren am stärksten degenerirt die Nn. peronei und be¬ 
sonders die intramusculären Aeste derselben. Eigenthfimliche Bildungen zeigte der 
Stamm des Nerven anterhalb des Capitulum fibulae. Es fanden sich neben theilweise 
oder vollkommen marklosen Fasern Gebilde von kreisrunder oder ovaler Form mü 
festergefügtem, von lockerem grosszeiligem Bindegewebe umgebenem Centrum, das 
eine genauere Differenzirung mittelst Färbung nicht zuliess; nur liessen sich an ein¬ 
zelnen derartiger Gebilde elastische Fasern &bea, ohne jedoch den Eindruck gewinnen 
zu lassen, dass es sich um sichere Gefässelastica handelte. Aehnliche Gebilde sind 
bereits von Pekelharing nnd Winkler bei Beri-Beri, später auch von Bosen- 
beim, sowie von Oppenheim-Siemerling ans den Hautnerven eines Tabikers 
beschrieben worden. 



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In der MedoUa oblongata fanden sieb in beiden Vagoskemen GeHtsse und 
Capillaren strotaend mit Blut gefüllt und zahlreiche capill&re Blutungen in die Sub« 
stanz (könnte dieser Befund nicht auch pönalen Ursprungs sein? Bef.); Die QangUen* 
zellen waren zum Tbeil stärker gefärbt und kugelig geschrumpft; sonst boten Gehirn 
und Bflckenmark normales Anssehen dar. 

Klinisch handelte es sich zweifellos um einen Fall von acuter pemieiöser car* 
dialer Form von Beri-Beri (Sehenbe). Martin Bloch (Berlin). 


Pathologie des Nervensystems. 

12) Ein Fall von Lepra, von Ä. Habel. Ans der medic. Universitätsklinik in 

Zürich. (Deutsche med. Wochenschr. 1898. Nr. 9.) 

Der aus gesunder Familie und völlig leprafreier Gegend stammende Pat erwarb 
seine Krankheit in Brasilien, wo er öfters mit Leprakranken in Beziehung kam. Es 
entwickelte sich allmählich eine Lepra nervosa, die zu einer dissociirten Anästhesie 
des grössten Theiles der Körperoberfläche (Anordnnngstypns? Bef.), zu Verlust von 
Nägeln, Haaren, Augenbrauen uud Cilien, zu Hodenatrophie, Kasengeschwüren, 
Septumperforation und Iritis führte. Die klinische Beobachtung ergab ferner starke 
Hautabschnppung nach Sublimatbädem, plötzliches Entstehen und Verschwinden von 
eigentbfimlichen Hautverdichungen im Gesichte, Auftreten von Femphigusblasen an 
verschiedenen Körperstellen und von Verdickungen am rechten Ulnaris, Ab 8 t(M 8 ong 
einiger Nägel an den Zehen, rechts Peroneusparese und blaues Oedem an Händen 
und Füssen. — Leprabacillen wurden in den Hautschuppen, dem Nasensekret, dem 
Inhalt der Femphigusblasen, den auf der Nasenschleimhaut vorhandenen Borken and 
dem Staub in der Umgebung des Kranken gefunden, im Schweiss und Blut dagegen 
vermisst. Die bacillenbaltigen Hautschuppen — die Haut Lepröser tendirt oft zur 
Abschuppung — bilden eine Ansteckungsgefahr, eine Thatsache, die n. a. grosse 
Bedentui^ erlangen kann. Das Auftreten von blauen Oedemen bei Lepra ist insofern 
interessant, als es auch bei Syringomyelie beobachtet wird und beide Krankheiten 
bekanntlich eine Beihe gemeinsamer Symptome aofweisen. B. Pfeiffer (Cassel). 


13} Vorläufige Uittheilung über einen mit Carrasquilla’eoliem Serum be* 

handelten Fall von Lepra, von Bozzi. (Deutsche med. Wochenschr. 1897. 

Nr. 42.) 

Der betreffende löjähr. Patient bot das typische Bild der Lepra; seine Gross- 
mutter litt an der milden Form dieser Krankheit (Mal de San Antonio), die Eltern 
sind gesund. Da alle bekannten, innerlichen und äusserlichen Mittel, methodisch an¬ 
gewandt, keinen dauernden Erfolg hatten, wurde das Carrasquilla’sche Serum be¬ 
nutzt, und zwar wurden vom 7./1I.—9./VII. d. J. „regelmässig am Vormittag gegen 
9 Uhr 26 Einspritzungen in die Nates gemacht“. Anfangsdosis 0,3 ccm, spätere 
Oabe 3^/4 ccm, bisheriger Verbrauch 42 ccm Serum. Die Injectionen wurden zunächst 

2 Mal, später 1 Mal wöchentlich gemacht, dazwischen 2 Mal 14tägige Pausen ein- 
geschoben. An der Injectionsstelle entstand ein lebhaftes, entzündliches, schmerz¬ 
haftes Oedem, das der angewandten Serummenge annähernd parallel ging, am Abend 
des Injectionstages am stärksten war und in einigen Tagen schwand. Die Injection 
selbst vnirde bei grösseren Gaben als sehr schmerzhafter Eingriff empfunden; keine 
Abecessbildung. Beunruhigende AUgemeinsymptome fehlten meist, nur 2 Mal kam 
es zu bedrohlichen CoUapserscheinungen. Nach einem starken Schüttelfrost, 2 bis 

3 Stunden post injectionem, stieg die Temperatur und erreichte meist 8 —10 Stunden 
nach der Einspritzung das Maximum (39—40*^). In der Nacht erfolgte Abfall 
unter mehr oder minder grossem Scbweissausbruch, dann wiederholten sich die Fieber- 


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anfäUe in den nächsten Tagen, dnrcb geringeren Frost eingeleitet und mit sehr 
starken Schweissen endend. — Nnr in einer einzigen Injection trat vom 3. Tage ab 
Fieberlosigkeit ein. Das ganze Aussehen des Kranken erfuhr eine durchgreifende 
Äenderung zum Besseren; Allgemeinbefinden, Appetit und Gewicht hoben sich. Ver« 
einzelte Nachschübe der Krankheit wurden während der Kur und auch später, fast 
4 Monate nacli Sistirung der Injectionen, beobachtet^ doch waren dieselten milder 
und die neugebildeten Knötchen wurden bald wieder resorbirt 

Nach des Verf.’s Ansicht ist das Mittel zu empfehlen und einer weiteren Prüfung 
werth. E, Pfeiffer (Cassel). 


14) Ein Fall von sogenannter Landry’soher Paralyse. Rückgang der 

Iifthmung. Tod an Lungentuberoulose, von Stabsarzt Dr. Bnrghart. 

(Charitd-Annalen. 1897. XXII.) 

Tuberculös belastete 16jährige Patientin hat in der Kindheit an Keratitis und 
Lymphdrüsenschwellungen gelitten, erkrankt plötzlich bei bestem Wohlbefinden, indem 
die Beine unter ihr zusammenknicken; sofort völlige Lähmung derselben; am Abend 
plötzlich völlige Paralyse der Arme; zwei Tage später häufiges Verschlucken. Am 
nächsten Tage Aufnahme in die Charitö. 

Die Untersuchung etgiebt: Facialis, Bjpoglossus, Pupillen ohne Störungen, des¬ 
gleichen Augenmuskeln. Gaumen und Uvula, sowie Stimmbänder ohne Läbmungs- 
erscheinungen. Sprache tonlos, fast flüsternd. Erhebliche Parese der Kopfbeber. 
Anfsetzen und Umdrehen im Bett unmöglich. Arme und Beine völlig schlaff gelähmt. 
Sensibilität überall intact Haut- und Sehnenrefleze Überall erloschen. Athmnng 
regelmSasig, nicht deutlich angestrengt, es bewegen sich dabei nnr die oberen Thorax- 
hälften. Husten tonlos, unter grosser Anstrengung, Expectoration erschwert, Sputum 
kann nicht ausgespieen werden, fliesst über die Lippen. 

In den nächsten Tagen Bewegungen des Kopfes noch mehr erschwert, Parese 
im Gebiet beider oberen Faciales. Etwa 4 Tage nach Beginn der Krankheit Besserung 
der Function der Gesicbtsmusknlatur, nach 10 Tagen zuerst minimale Bewegungen 
in den Vorderarm- und Handmuskeln, nach weiteren 10 Tagen die ersten Bewegungen 
in den Muskeln der Oberschenkel. Nackenmusknlatur wieder normal functionirend. 
Von non an allmählich zunehmende Besserung in der Function sämmtlicher Muskeln. 
Die indes schon bei der Aufnahme constatirte Lungenaffection machte rasche Fort¬ 
schritte und ihr erlag Patientin 2 V 2 Monate nach B^inn der Erkrankung. Zuletzt 
waren an den Armen auch die Sehnenrefleze hervorzurufen, während die Patellar- 
refiexe bis zuletzt nicht nachweisbar waren. Die Muskeln waren sämmtlich sehr 
mager, aber mit Rücksicht auf die hochgradige Cachexie nicht deutlich atrophisch. 
Die elektrische Untersuchung ergab am 14. Krankheitstage complete Entartungs- 
reaction, 6 Wochen später an den Armen Wiederkehr der indirecten Erregbarkeit 
für den galvanischen Strom, bei directer Beizung keine träge Zuckung mehr; nach 
weiteren 10 T^en ist die Erregbarkeit an den Armen für beide Ströme nahezu 
normal, an den Beinen noch partielle Entartungsreaction. 

Die Untersuchung des Blutes ergab einen dem Streptococcus pyogenes aureus 
ähnlichen Coccns. 

Die Untersuchung des Rückenmarks und der Medulla oblongata ergab in Carmin- 
nnd Weigertpräparaten normalen Befund; bei der Untersuchung nach Nissl fanden 
sich die Nissl’schen Körperchen in einem Theile der Zellen verschwunden und durch 
eine aus feinsten und gröberen Körnchen bestehende, den ganzen Zellkörper gleich- 
massig erfüllende Masse ersetzt. Die peripherischen Nerven Hessen Verbreiterung 
und Kemwuchening im Endoneurinm erkennen. Mittels Marchi konnten Dege¬ 
nerationen weder im Rückenmark noch in den peripherischen und intramnsculären 
Nerven nachgewiesen werden. Die bakteriologische Untersuchung des Rückenmarks 
war ohne Ergebniss. Martin Bloch (Berlin). 


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16) Sa dl nn oaso di paralisl del Landry. Bioerohe istologlohe e batterio> 

Bcopiohe, per F. Piccinino. (Ännali di Nerrologia. 1897. XY.) 

Ein 23jähriger Soldat erkrankte während seines Äofenthalts ln Afrika an Fieber 
mit Schflttelfmt, Banchschmerzen and Diarrhöe, welche 3—4 Tage andauerten and 
dum föUig Terschwanden. Es entwickelte sich aber bald Schwäche in den oberen 
Extremitäten ohne deotlicbe Störung weder der sensiblen Sphäre, noch der Reflexe. 
Die Parese der oberen Extremitäten wurde dann zur völligen Lähmung, und es ent* 
stand aosserdem Parese der unteren Extremitäten, Schluckbeschwerden, Schwand der 
Patellarreflexe, Temperatur 36,4 ^ Am nächsten Tage völlige Paraplegia superior et 
inftfior, Athem- and Schlockbeschwerden und Tod. 

Terf. rechnet diesen rapide verlaufenden Fall zu den sogenannten descendirenden 
Formen der Landry’schen Paralyse. 

Bei der mikroskopischen Untersuchung des Centralnervensystems wurde auch die 
NissUsche Methode angewandt Im Lumbalmark zeigte die Mehrzahl der Zellen 
(speciell die \ orderbomzellen) normale Structurverhältnisse; in einten Zellen konnte 
nan eine mehr diffuse Färbung constatiren, wobei die Kissrscben Zellkörperchen 
(Schollen) einen pulverartigen Zerfall zelten und der Kern excentrisch lag, oder 
lieht vorhanden war. 

Im Dorsalmark fand man an manchen Zellen eigenthflmliche knotenartige Aus- 
Täehse an der Basis der Protoplasmafortsätze oder am Zellkörper selbst Verf. meint, 
<lai8 diese vegetationsartigen Gebilde Leukocyten darstellen, welche in die Nerven- 
telJec bineindringen wollen. Ausserdem sieht man, dass manche Dendriten theil- 
veise oder total abgebrochen sind, was aber kaum etwas Specifisches fflr diese 
Enohbeit darselle. 

Han findet ferner im gesammten Bftckenmark Zellen mit blasenartiger Degene- 
ntioD, wobei die NissTschen Zellkörpercben in eine palverartige Hasse verwandelt 
verdeo und der Kern excentrisch liegt event. verschwindet 

Die bakteriolc^ische Untersuchung zeigte intracelloläre Mikrokokken. Ferner 
tonnte man die«e Mikrokokken in den pericellulären Bäumen und in den Geßssen 
lacbweisen. Die Mikrokokken waren oval oder länglich und zi^espitzt Selten 
varan sie za kurzen, aus 3—4 Kokken bestehenden Ketten verbanden. Am meisten 
winnerten sie an die Fraenkel’schen Diplokokken. 

Terf. nimmt als Ursache der Krankheit eine Infecüon an, die bald das peri- 
pheriscbe, bald das centrale Nervensystem in vorwiegendem Maasse befällt. 

Edward Flatan (Berlin). 


16) Peripherol nenrltia firom anenlo, by Colman. (Brit med. Joam. 1898. 

Jan. 22. S. 215.) 

Terf. stellte der klinischen Gesellschaft in London ein 12jährige8 Mädchen vor, 
vslebes g^n Chorea Arsenik bekommen hatte (3 Mal täglich 10 g Liq. arsenic. 

36 Tage hindurch). Die Chorea heilte. Aber 14 Tage später entwickelte sich 
Uhmimg der Extensoren am Unterschenkel and Fassgelenk, Parese. Degenerations- 
niction. Aach die Muskeln am Vorderarm waren paretisch; doch hierbei keine 
Degeneration. — Beaction bei herabgesetzter faradiseber Reizbarkeit Beinmnskalatnr 
•ebmerzbaft; doch Sensibilität ohne Anomalie. Deutliche Araenpigmentation am Halse 
^ an den Lenden. — Nach Behandlung mit Elektricität und Massage Heilung. 

Daran anschliessend verweist Beevor auf die Nothwendigkeit, mit Arsentherapie 
Toniebtig za sein, unter Mittheilnng eines dem obigen analogen Falles, in welchem 
ia Pat nach 6 wöchentlichem Ärsengebranch (16 g 8 Mal täglich) 2 Jahre gelähmt 

L. Lehmann I (Oeynhausen). 


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17) TJeber die psyohisohen Storungen bei Polyneuritis, von F. Jollj. 

(Cbarit^'ÄüDalen. 1897. XXII.) 

Die zaerst von Korsakow in charakteristischer Weise geschilderte eigeoart^e 
psychische Störung, die als besonders häufige Complication der multiplen Neuritis 
zur Beobachtung kommt, beruht auch nach Ansicht des Verf.’s zweifellos auf toxä- 
miscber Basis. Es entsteht nun die Frage, ob dieses ätiologische Moment geeignet 
ist, als solches den erwähnten Störungen eine Sonderstellung zu geben, derart, dass 
sie als toxämische Geistesstörung xai* zu bezeichnen wäre. Diese Frage ist 

zu Temeinen, da es erstens Fälle geistiger Störung von frappanter Äehniichkeit mit 
dem Eorsakow’schen Syndrom ohne nachweisbar toxischen Ursprung giebt, vor* 
nehmlich aber, weil toxämische Geistesstörungen in viel grösserer Mannigfaltigkeit 
Vorkommen, als dass sie auf dies eine Bild beschränkt werden können. So ist in 
erster Linie das Delirium tremens als toxämische Psychose zu betrachten. Die 
klinische Forschung wird zu untersuchen haben, ob zwischen letzterer Psychose und 
dem Eorsakow’schen Symptomencomplex Uebergänge bestehen, sowie des weiteren 
festzustellen haben, dass dieser Symptomencomplex auch unter anderen, als toxämischen 
Bedingungen zur Beobachtung kommt. Verf. bat zu diesem Zwecke ans dem Material 
seiner Elinik in der Charitd erstens die Fälle zosammengestellt, in denen die Poly* 
neuritis ohne Betheiligung der Psyche verlief, zweitens die, in welchen psychische 
Störungen von anderer Form als der Eorsakow’schen die Erankheit complicirte, 
drittens die Fälle von Polynenritis mit der bezeichneten Störung und viertens 
Fälle, in denen ohne neuritische Störungen das Bild des Eorsakow’schen Symptomen* 
complexes zn Tage trat. 

Aus seinen-Beobachtungen seien einige wesentliche Thatsachen mitgetheilt: 

Erstens ergiebt sich, dass wenigstens ein Drittel der Fälle von Folyneuritis ohne 
psychische Complicationen verläuft. Ein weiteres interessantes Factum ist, dass in 
den Fällen der 3. Gruppe es sich durchweg um mittelschwere oder schwere Formen 
der Neuritis handelte, während in der 2. Gruppe die überwiegende Mehrzahl den 
ganz leichten Formen der Neuritis angebört. Die psychische Störung dieser Groppe 
trat theils als einfaches reguläres Delirium, theils als Abortivform des letzteren auf. 
Bemerkenswerth ist weiter, dass die relative Häufigkeit des Hinzutreteus des Eor* 
sakow’schen Syndroms zur Neuritis hei Frauen viel grösser zu sein scheint, als bei 
den Männern. Was non das Verhalten des Eorsakow’schen Symptomencomplexes 
zum Delirium angeht, so geht aus den Untersuchungen des Verf.’s, aus der von ihm 
angestellten Analyse der Symptome hervor (näheres darüber ist im Original nach¬ 
zulesen), dass zwischen beiden viel weniger ein qualitativer, als ein quantitativer 
Unterschied, namentlich auch im zeitlichen Verlauf zwischen den beiden Formen 
besteht: das Delirium stellt die acutere Störung dar, bei der indessen die beideu 
der Eorsakow’schen Geistesstörung eigenthümlichen Symptome der eigenartigen 
Gedächtnissstömng und der Pseodoreminiscenzen auch nicht selten, wenn auch 
nur andeutungsweise zur Beobachtung kommen; die Eorsakow’sche Störung ist 
die protrahirter verlaufende Form und steUt eine tiefere, schwerer ausgleichbare 
Störung der Geistesthäligkeit dar, als das Delirium, wie auch der gelegent¬ 
liche Uebei^ang io das Bild der Dementia paralytica mit, wie Verf. gezeigt 
hat, auch anatomisch verwandtem Befunde beweist. Auch Uebergang in Paranoia 
hat Verf. beobachtet. Dieser Aoffassung entspricht auch der schon oben erwähnte 
Unterschied in der Schwere der die eine und die andere psychische Störung be¬ 
gleitenden neuritischen Symptome. Jedenfalls thut man aber gut, beide Störungen 
auseinander zu halten und die Eorsakow’sche Form aus den oben angeführten 
Gründen nicht als die polyneuritische oder die toxämische Geistesstörung zn be¬ 
zeichnen; vielmehr schlägt Verf. als neutrale Bezeichnung den Namen „Eorsakow’- 
sches Syndrom*’ vor. Martin Bloch (Berlin). 


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18) Et tUAlde af hemiatrofls faoialis progressiva, af M. le Maire. (Hosp.* 

Tid. 1897. 4. B. V. 29.) 

Die Pai, ein 9 Jahre altes Mädchen ohne erbliche Anlage, hatte im Alter von 
2 Jahren ziemlich schwere Masern, aber ohne Complicationen, flberstanden. Ungeföbr 
IV 3 Jahre darnach bemerkten die Eltern vor dem Unken Ohre einen kleinen, gelb¬ 
lich braunen Fleck, der grösser worde und mit einigen anderen, in seiner Nähe ent¬ 
standenen verschmolz, ungeföhr 1 Jahr später wurde eine Yerminderung des Volumens 
der Unken Oesichtshälfte bemerkt, die immer deutUcher wurde und von keinerlei 
anderer Störung begleitet war, nur der Fleck, an dem die Äffection begonnen batte, 
war etwas empfindlich bei Beröhrung. Am Schädel war keine Atrophie vorhanden, 
sondern nur am Gesicht, das ungefähr in den untern zwei Dritteln in den Dimensionen 
verkleinert war; die Atrophie betraf das snbcntane Gewebe, die Knochen und zum 
TheU die Mnskulatur und setzte sich nicht scharf gegen die gesunde Seite ab; die 
Haut über den erkrankten Theilen zeigte keine Veränderung, nur dicht vor dem 
Ohre verlief von der behaarten Kopfhaut an, in diese noch etwas hineinreichend, 
bis etwa 2 cm oberhalb der Clavicula ein schmaler, ungefähr 13 cm langer Streif, 
der das Aussehen einer Karbe nach einer tief gehenden Verbrennung hatte; wo die 
Atrophie am geringsten war, zeigte sich die Haut bräunUch pigmentirt, an der Stelle 
aber, die zuerst verändert gewesen war, sah sie weissUch aus. Während das sub- 
cntane Gewebe vollständig geschwunden war, zeigten die Muskeln nur eine partielle 
Atrophie, die sich nicht bloss auf die vom Facialis innervirten Muskeln beschränkte, 
sondern auch die Kaumuskeln ergriffen hatte. Das Unke Ohr war entschieden kleiner 
als das rechte, das linke Auge erschien nur kleiner, weil es wegen Atrophie der 
Gewebe in der Augenhöhle tiefer in dieser lag. Die linke Seite der Zunge war stark 
atrophisch, weniger die linke Seite des Gaumensegels; Störungen der Sensibilität 
fanden sich weder an der Haut, noch an der Schleimhaut an den erkrankten Stellen. 

Verf. meint, dass eine für alle Fälle passende ätiologische Erklärung des Leidens 
sich zur Zeit noch nicht geben lasse, dass eine Infection wohl eine Bolle zu spielen 
scheine, dass sie aber in manchen Fällen sicher das Nervensystem auf irgend eine 
Weise als Mittelglied erfordere, um die Atrophie zu Stande zu bringen (ascendirende 
Neuritis?). Walter Berger (Leipzig). 


18) Hemiatrophy of the Tongue, b; Hoyer. (New Yorker med. Journal. 1897. 

Vol. XXVI. Nr. 6 .) 

Ein 25jähriger Mann erhielt am 22. November 1892 einen Bevolverschuss in 
die linke Wange: die Kiefer waren unmittelbar danach fest auf einander gepresst 
md konnten erst 8 Wochen später soweit von einander entfernt werden, dass kleine 
Nahrungsmengen per os eingefQhrt werden konnten. Der Kranke bemerkte dabei, 
dass er auf der linken Seite des Mundes schlechter zu essen vermochte, und dass 
die Nahrung auf dieser Seite trocken und geschmacklos erschien. Etwa 1 Jahr 
nach dem Unfall war eine Abmagerung der linken Zungenhälfte bemerkbar, gleich¬ 
seitig bestanden Störungen beim Sprechen und geringer Speichelfluss. Die Symptome 
gingen zum Theil zurück, die Salivation wurde kaum merklich, die Sprache bei lang¬ 
samer Articulation klar und deutlich, blieb unverständlich, sobald Patient versnchte 
schneller zu reden. Die Untersuchung ergab vollkommenen Verlust des Geschmackes 
auf der ganzen linken Zungenbälfte bei intacter Berübrungsempfindlichkeit, normalem 
Stand des Velnms und erhaltenem Bachenreflex. Sensibilität im Gesichte, Gerucbs- 
ann, Kinnreflex vorhanden. — Eine Photographie zeigt die sehr ausgesprochene 
Hemiatrophie der Zunge. B. Pfeiffer (Cassel). 


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20) Zar Kenntniss der DermatomyoBitis, von Oberarzt H. Köster. Aus der 

medicin. AbtheilcDg des allgemeinen Erankenhaoses zu Ootbenbui^. (Deutsche 

Zeitschr. f. Nervenbeilk. 1898. XII.) 

Im Anschluss an einen, von geringen Abweichungen abgesehen, typischen Fall 
von Dermatomyositis werden weitere Beobachtungen mitgetheilt, die sich theils von 
dem charakteristischen Bilde beträchtlich entfernen, theils gewissermaassen die Haske 
der eigenthömlichen Krankheit angenommen hatten oder in anderer Weise anfgefasst 
werden mussten. Bei dem ersten Falle ergab die anatomische Untersnchung d^ene- 
rative Veränderungen der Muskeln und ausserdem im interstitiellen Gewebe eine 
hochgradige Dilatation der Capillaren und kleineren Blutge^se, während sich nur 
geringfögige interstitielle Veränderungen entzfindliclier Natur fanden. Ein zweiter 
Fall, der in Heilung ausging, konnte die Diagnose erschweren vor allem durch das 
Fehlen jeglicher Oedeme und ausgesprochener Hautveränderungen, die sich auf geringe 
Blutungen um einige Gelenke herum beschränkten. Doch lässt sich daraus eben nur 
auf die Inconstanz bezw. Variabilität dieser Symptome im Krankheitsbilde schliessen, 
weshalb Verf. eine abortive Dermatomyositis annimmt Auch die in diesem Falle 
beobachtete, acute Nephritis wird als Stätze der Diagnose hauptsächlich gegenäber 
einem in fVage kommenden acuten Rheumatismus angeführt, dabei aber die Angina, 
mit welcher die Krankheit begann, und welche doch für die Nephritis von Bedeutung 
gewesen sein dürfte, sonderbarerweise ganz übersehen. Noch schwieriger ist eine 
rheumatische Affection in einem 3. Falle auszuschliessen, der ein Dienstmädchen be> 
traf und mit einer Endocarditis einherging. Klarer liess sich in einem 4. Falle er* 
kennen, wie auf rheumatischer Basis viele Züge aus dem Erankheitsbilde der Der« 
roatomyositis au^eprägt sein können. Gelenkschwellung und Sallcylsäurewirkung 
sprachen hier für die rheumatische Natur des Leidens. Schliesslich zeigt ein 5. 
interessanter Fall multiple Neuritis, der ein der Dermatomyositis vielfach ähnelnder 
Symptomencomplex zu Grunde liegt. Die myositischen Symptome erscheinen hier 
als Folge der Neuriüs (Neuromyositis). 

Zum Schloss untersucht Verf. die Frage, ob die Hauptsymptome der Dermato* 
myositis, die Haut*, Unterhautödeme und Muskelveränderungen auf eine einheitliche 
Grundursache zurückzofOhren seien und weist in dieser Beziehung auf die Dilatation 
der kleinsten Huskelgefasse hin, ein Befund, der auch in intacten oder sehr wenig 
veränderten Muskelgebieten erhoben wurde und für eine primäre Alteration des 
Gefässystems (centralen Ursprungs?) verwerthet werden könnte. 

£. Asch (Frankfurt a./M.). 


21) Die Initialsymptome der Osteomalacie, von Dr. P. Bissmmann (Hannover). 

(Monatsschr. f. Geburtshülfe und Gynäkologie. 1898.) 

Verf. berichtet über 2 Fälle. In beiden fanden sich — ausser Druckempfindlich* 
keit der Stammesknochen — 1. objective Symptome „neuritischer Processe“ im Plexus 
lumbalis (Paresen der Oberschenkelmuskulatur und einiger Beckenmuskeln); 2. eigen* 
thümliche subjective Beschwerden (Schwere in den Beinen, nächtliche Schmerzen, 
Muskelzittem; charakteristische Schmerzen, Gürtelgefühl, Crampi u. s. w.). Im zweiten 
Falle waren die Erscheinungen des osteomalacischen Beckens noch nicht vorhanden, 
während die erwähnten Symptome bereits deutlich waren. 

Die schnell eingeleitete Phosphorbehandlnng hatte in beiden Fällen guten 
Erfolg. 

Verf. schliesst, dass die erwähnten Symptome von Seiten der Nerven und Mos* 
kein als Initialsymptom der Osteomalacie anzusehen sind, und misst dieser seiner 
Annahme besonderen therapeutischen Werth insofern bei, als sich seines Erachtens 
dann durch eine rechtzeitig eingeleitete energische Behandlung (Phosphor, phosphor* 


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saurer S[alk, event Castration) die schwersten EnochenTerändeningen der Osteomalacie 
«ft vermeiden lassen dfirften. Paal Cohn (Berlin). 


22) De beroepaatrophie der diamantsnijdera, von Dr. J. E. A. Wertheim 

Salomonson. (Weekbl. van het Nederl. Tijdschr. vor Geneesk. 1897. I. 21.) 

Bei einer Dlamantschneiderin fand Yerf. beträchtliche Atrophie des Interoasens I 
der linken Hand, von dem nur wenige Beste noch vorhanden waren, der Inter* 
ossens 11 schien auch etwas eingesunken, aber nicht viel, die fibrigen Haodmuskeln 
boten bei der InspecÜon and Palpation keine Abweichongen dar. Bei der elektrischen 
Untersuchang fand sich im Interoasens primos vollständige Entartongsreaction, später 
aeigten aaeh der Interosseos seeandus und der Äddoctor pollicis partielle Entartungs« 
reaction. Im 4. Finger bestand eine geringe Tenninderong des TastgefOhls und 
Prickeln, das früher auch im Zeigefinger bestanden haben soll. Nach Behandlung 
mit Buhe und Elektricität trat allmähliche Besserung ein, die Atrophie ging zurück; 
am längsten bestand die Sensibilitätsstürung im 4. Finger. — Noch in 2 anderen 
Fällen hat Yerf. die gleiche Affection bei Diamantschneidem beobachtet, das eine 
Ual betraf sie, wie im mitgetbeUten Falle, die linke Hand, das andere Mal die 
rechte. — Die Ursache dieser Erkrankung liegt in der Art und Weise, wie das 
Zoschneiden der rohen Diamanten für das Schleifen geschieht, das namentlich bei 
kleinen Steinchen schwierig ist Der in einer Eittmasse am Ende eines Halters be* 
festigte, za bearbeitende Stein muss mit der linken Hand feetgehalten werden und 
wird mit einem anderen, in gleicher Weise befestigten Diamanten, der von der rechten 
Hand geführt wird, bearbeitet. Da die Abßlle bei dieser Arbeit immer noch sehr 
werthvoU sind, werden sie in einem Behälter gesammelt, über dem die Bearbeitung 
geschehen muss; Daumen and Zeigefinger der linken Hand halten dabei den Halter 
und der Zeigefinger wird an den Band des zum Sammeln des Abfalls bestimmten 
Gefässes gedrückt Walter Berger (Leipzig). 


23) Beitrag zur Casuisük der nenrltisohen Muskelatrophie, von Dr. Bein- 
hard. Aus der medicin. Elinik in Leipzig. (Deutsche Zeitschr. f. Nerven- 
heilk. 1897. XI.) 

Yerf. beschreibt ausführlich die Krankengeschichten zweier Brüder, welche das 
typische Bild der neuritischen Muskelatrophie darboten. Ausserdem soll eine Schwester 
von dem gleichen Leiden befallen sein, doch war dieselbe nicht zam Eintritt io die 
Klinik zu bewegen; 4 weitere Geschwister sind gesund, ferner starben 3 in früher 
Kindheit. Hereditäre Belastung ist nicht nachweisbar. Das Leiden befiel ohne be¬ 
sondere Ursache die vorher anscheinend ganz gesunden Brüder im 10. u. 11. Lebens¬ 
jahre, and zwar trat dasselbe gleichmässig zuerst an den Füssen und Händen auf. 
Es stellte sich Schwäche und leichte Ermüdung ein, die sich besonders in den 
Extensoren der Yorderarme bemerkbar machte. Später entwickelte sich schlaffe 
Läfamang and Muskelschwund. Das Leiden war an Händen und Füssen am stärksten 
entwickelt und nahm von der Peripherie nach dem Centmm zu ab. Die Extensoren 
waren stärker betroffen, als die Flexoren, die Rumpfmnskulatar war frei. Gontrac- 
toren und spastische Erscheinangen bestanden nicht. Die Befieze waren abgeschwächt 
oder ganz aufgehoben. SensibiÜtätsstümngen waren nicht nachweisbar, doch bestand 
an den Extremitäten ein deutliches Kältegefühl Beide Brüder erkrankten vollkommen 
gleichmässig, nur ist das Leiden bei dem älteren Bruder etwas weiter fortgeschritten, 
als bei dem jüngeren. Die elektrische Untersuchung ergab hochgradige Herabsetzung 
oder Erloscfaensein der faradischen und galvanischen Erregbarkeit in den gelähmten 
Muskeln und dazagehörigen Nerven. In Fall I war an der Muskulatur des Daumen- 
ballens auch Entartungsreaction nachzuweisen. E. Asch (Frankfurt a./M.). 


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24) Urtiioarift and aonte oirotunsoribed ontaneoas oedama, bj H. Oppen¬ 
heimer. (Lancet. 1898. Feb. 26.) 

Verf. hat ln 4 Fällen ein Zusammentreffen von Urticaria und acutem eircum- 
shriptem Oedem (Quincke) beobachtet Aus den mitgetheilten Krankengeschichten 
wgiebt sich, dass wahrscheinlich stets ein tossches Moment (Santeläl, in Fänlniss 
flbergegaDgeoes Fleisch, Natrium 8 ali( 7 licom, Muscheln) eingewirkt hat Das Oedem 
war namentlich an den Augenlidern, an den Lippen und am Präputium sehr aus¬ 
geprägt. In 2 Fällen waren auch die Hand- und Fassgelenke sehr stark geschwollen. 
Der Verlauf zog sich 1—2 Wochwi hin und führte stets zu Tülliger Heilung. Verf. 
glaubt, dass das acute cireumskripte Hautödem mit der Urticaria absolut identisch 
ist; die Verschiedenheit des äusswUchen Bildes soll von der Intensität und Locali- 
satiou des Prooessee, sowie von der „Tiefe abhängen, bis zu welcher die Haut be¬ 
fallen ist“ Th. Ziehen. 

25) Caee of angio-naurotlo oedema with hiatory of iQjtuy to the head, 

b; J. B. Oibson. (Lancet 1898. Feb. 26.) 

Ein 32jähriger Mann leidet seit einer Kopfrerletzung im Bereich der linken 
Schläfe (mit Bewusstseinsverlust) an periodischen Anfällen Ton Erbrechen, Schmwxen 
an der Stelle der Verletzung und Frostgefühl. Die Anfälle dauerteu höchstens 
2 Tage. Nach 16 Jahren trat ein neues Symptom im Verlauf der Anfälle auf: ein 
oder beide Arme nahmen für 1—2 Standen eine weisse Farbe an (mit Cutis anse- 
rina), und hierauf stellte sich ein prickelnder, aber nicht juckender, erhobener, 
erytbematöser Ausschlag (namentlich auf der Beugefiäche des Hand- und Ellenbogen- 
gelenke und in der Umgebung des Auges) ein, welcher nach l^i—2 Tagen rasch 
wieder verschwindet Zuweilen sind auch die Schleimhäute un^ angeblich auch die 
Pleura (Schmerzen und Beib^eräusch) befallen. ' Th. Ziehen. 


26) A Oase of angionenrosis of the flaoe, by W. Haynes. (New York med. 

Joum. 1897. Vol. liXVI. Nr. 26.) 

Das nervös stark belastete, 19 Monate alte Kind zeigt neben Bhachitis eine 
congenitale Hypertrophie der rechten Gesichtshälfte. Sobald das Kind eine süss- 
oder sauerschmeckende Substanz in den Mund nimmt, tritt eine scharlachähnliche 
Böthe und deutliche Schwellung der hypertrophischen Gesichtshälfte au^ um nach 
Entfernung des auslösenden Beizes rasch zu schwinden. Das gleiche Phänomen ist 
auch beim Gähnen nachweisbar, wenngleich von momentaner Dauer. 

Verf. erinnert an den in der gleichen Zeitschrift veröffentlichten Fall von Lewis, 
zu welchem seine Beobachtung ein Gegenstück bildet. B. Pfeiffer (Cassel). 


27) A oaee ehowlzig some of the feataree of erythromelalgia and of 
Baynaud’e disease, by H. D. Bolleston. (Lancet. 1898. March 19.) 

Bei einem 28jähr. Manne stellten sich Schmerzen in Händen und Füssen ein, 
ausserdem beobachtete er, dass sie anschwollen, wenn er sie der Kälte aussetste 
(zumal wenn er sie herabhängen Uess). Dabei bestand eine erhebliche Hyperästhesie. 
Der Urin war normal. Vor 6 Jahren hatte eine syphilitische Infection stattgefonden. 
Die Hände waren so gross, dass sie an Akromegalie erinnerten. Sonstige Symptome 
der letzteren fehlten. Die rotbe Farbe der Hände entsprach der Erythromrialgie. 
In der Kälte steigerten sich die Beschwerden. Gerade hierin erblich Verf. eine 
Annäherung an das Bild der Baynand’schen Krankheit, während die Böthung and 
Hyperästhesie der Hsnt nur zu der Eiythromelalgie passt. Interessant ist auch die 


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keuldof&rmige Sehwellong im Bereich der BndphaUmgen, auf welche Griffithe echMi 
aufmerksam gemacht hat („clobbing cf the Angers"). Bemerkenswerth ist endlich die 
DroekempAndliehkeit der Muskeln and die abnorm mnskal&re Ermüdbarkeit Die 
Knieph&nomene waren gesteigert Th. Ziehen. 


28) Uebersrythromalalgle. Eine kllnlsohe und anatomisohe Untenoohtuig, 

Ton Dr.tSiegmnnd Anerbach in Frankibrt a./M. (Dentsdie Zeitschrift für 

Nervenheilkande. 1897. XI.) 

L 67j&hr. Schmied, mit 26 Jahren Gonorrhoe and wahrscheinlich Lnes, seit 
dem 28. Jahre in beiden Waden, besonders links, krampfhaftes Ziehen, wUirend des 
Feldsnges 1870/71 Zimahme der Schmerzen, Herbst 1878 Erftiemng beider Fnss- 
ballen, Steigemng der Schmerzen and Anftreten ron röthlich>blanen Flecken an den 
Tersohiedensten Tbeilen der Fflsse, hanpts&dilioh links. Diese Verf&rbnng wird be- 
soadeiB dentlich bei dem Herabb&ngen der Fflsse. Hant nnter den N&geln auffallend 
rosaroth; an dem Kagelglied der linken grossen Zehe eine eitrige Entzflndnng. 
Sensibilit&t in allen Qualitäten Überall intact, Hant* und Sehnenreflexe erhalten. 
Niigends Muskelatrophieen. Pupillen von guter Beaction, Urin frei von Eiweiss und 
Zucker, keine arteriosclerotisehen Erscheinungen. Der Pat. befindet sich noch in 
Behaarung des Terf.’s. Wiederholte Badekuren in Nauheim, grosse Dosen von Jod* 
kali und zuletzt Ergotin bewirkten Linderung der Beschwerden. 

U. 46jähr., hereditär nicht belasteter Mann, 1869 wahrscheinlich luetische 
Infeetion, in zwei Ehen sechs gesunde Kinder, kein Missfall Ende 1870 Erfiierang 
des rechten Fasses, langsame Heilung, starke Schmerzen auf der Plantarseite der 
rechten grossen Zehe. Die beiden nächsten Jahre vollkommen schmerzfrei. Winter 
1874/75 im ganzen rechten Fass starkes Zacken und „Flimmern", später heftige 
landrende Schmerzen in beiden Beinen, besonders rechts. 1876 und 1878 nnter 
grossen Schmerzen militärische Uebnngen, dabei Durcbnässung, Zunahme der Par« 
isihesieen im ganzen rechten Beine. Bald darauf Hitzegefflhl und Böthe in dem 
rechten Fnase. Wegen der Vermehmng der Schmerzen wurde eine Amputation in 
Erwägung gezogen, indessen unterlassen, weil in der Zwischenzeit starkor Verdacht 
aaf Tabes bestand, welche Diagnose sich auch bald bestätigte. Unblutige und blutige 
Dehnung der N. ischiadicus nützten nur vorübergehend, am meisten linderten kalte 
und abwechselnd warme Fassbäder die furchtbaren Schmerzen. 

Statns: Papillen sehr eng, gleichweit, Beacüon auf Licht sehr träge, leichter 
Tnmor beider Hände, keine Ataxie, Sensibilität an den obmen und unteren Extrem!* 
tttm intact, nur an den Beinen deutliche Nachempfindung bei schmerzhaften Ein* 
griffen, Triceps* und Patellarreflexe nicht vorhanden (October 1888 Patellarreflex 
redits links 0, Gang normal, Bomberg’sches Symptom deutlich, an der 
Wurzel des Penis und am Scrotum mehrere Narben, Drüsen der rechten Leisten* 
und Schenkelg^nd stark geschwollen, rechter Fass blaorotb verftrbi Haut des 
Fasses heiss und gespannt, Haut des Zehen verdickt und theilweise nässend, Nägel 
brüchig und rissig. Ham dauernd frei von Eiweiss und Zucker, Blutbefund normal 
In den letzten Wochen vor dem Exitus Auftreten von Geschwüren and Abscessen 
an verschiedmen Körperstellen, sehr langsame Heiloi^ derselben. Die erst 43 Standen 
post mortem vorgenonunene Autopsie mosste aaf das Bückenmark nebst Spinal* 
giaglien und eine Anaahi von Nerven der nnteren Extremitäten beschränkt bleiben. 
Btt der anatomischen Untersuchnng fand sich eine Degeneration der Wurzeln L, 
vielleicht aneh des IL Sareal* und untersten Lumbalnerven nebst einer entsprechenden, 
ttiftte^enden Degeneratkm. der Hinterstränge, welche auf den medialen Theil der 
Qoirschen Stränge besdiränkt blieb. 

In beiden Fällen ging wahrscheinlich Lues voraus; arteriosclerotiscbe Vttände- 
rangen waren nicht nachweisbar. Die Formen von Erythromelalgie, welche anf der 

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zuletzt genanuten Basis beruhen, sind jedenfoUs von der nervösen Form dieses Lödois 
zu trennen. Der anatomische Befund entspricht dem klinischen Bilde, wenn es auch 
noch nicht klar ist, wodurch die EiTthromelalgie zn Stande kommt and welcher Art 
die Wnrzeld^eneration sein muss, welche die Affection hervormft. 

E. Asch (Frankfurt 


29) Zwei Fälle von aonter Erythromelftlgie, von H. Heimann. (Berliner klin. 

Wochenscbr. 1896. Nr. 61.) 

Der eine Fall betrifft einen 54jähr. Stmnhaner, der zweite ein Hädchen von 
13 Jahren. Bei beiden Kranken spielte sieh der Frocess im Verzweignngsbezirke 
des HandiUckenastes des Nervus radialis ab, so dass ansschllesslicb der Daomen, 
der Zeigefinger und der Mittelfinger von den Krankheitserscheinnngen — Böthnng, 
Schwellung, Farästbesieen — befallen waren. In beiden Fällen trat Heilung ein. 

Bielschowskj (Breslan). 


30) A remarksble angeloneuroels of the tongue, due to the appUcation 
of chromio aoid to grannlations on the npper and posterior portlons 
of the tympanio membrane. A oontribntion to the phyaiolc^y of the 
oorda tympani nerve, by Bobert Lewis. (New York med. Jonm. 1897. 
Vol. LXVI. Nr. 15.) 

In dem vorliegenden Falle rief die Aetznng von Granulationen an den oberoi 
und hinteren Abschnitten der Membrana tympani mit Chromsänre eigentfafimliche 
Störungen hervor. Nach der ersten Säureapplication folgte einige Stunden später 
nach Angabe des Fat. eine kurzdauernde, sehr starke Schwellung der Zunge; eine 
erneute Anwendung der Cbromsäure (ca. 6 Monate später) hatte nach etwa 12 Stunden 
starkes Oedem der Zui^ und der Submaxillarregion, sowie kleine ödematöse An- 
Schwellungen ftber dem rechten Stimhöcker, beiden Danmenballen, dem inneren Malleo¬ 
los eines Fnssgelenkes nnd unter dem Ballen des rechten Fasses zur Folge. Die 
Athembeschwerden waren so hochgradig, dass an Tracheotomie gedacht wurde; 
24 Stunden nach Einwirkung der Chromsäure waren die Oedeme geschwunden. Yerf. 
führt das angionenrotische Zungenödem auf Beizung der Chorda tympani durch die 
Chromsäure zurück und versucht die Seltenheit der Erscheinungen durch Annahme 
einer Idiosynkrasie zu erklären, ohne selbst durch diese Hypothese befriedigt zu sein. 
Eine dritte Attaque mit Schwellung der linken Rand und des linken Pussballens 
ohne Zungenödem trat übrigens später, anscheinend nach Gemfltbserregnng, auf. 
Den Schloss der Arbeit bilden Auszüge aus einigen Handbüchern über die Functionen 
der Chorda tympani. B. Ffeiffer (Cassel). 


31) liooale Asphyxie oombinlrt mit FonotionsstÖraiigen von seiten des 
Oehims, von Johannessen. Vortrag, gehalten in der medicin. Gesellschaft in 
Christiania am 28. Oktober 1896. (Deotsche med. Wochenscbr. 1897. Kr. 34.) 

Ein normal entwickeltes, 16—17 Monate altes Kind ftngt an, ohne nachweis¬ 
bare Ursache unruhig und verdriesslidi zn werden; 1—2 Monate später AnschweUung 
beider Füsse, dieselben werden kalt, juckend, stark blänlicbroth und mit „Beulen“ 
bedeckt Gleichzeitig wird das Kind schlaff, kann den Kopf nicht aufrecht halten, 
sich nicht auf die Beine stützen und verlernt das Sprechen. Häufig anhaltendes 
Schreien. Derselbe Zustand der Haut zeigt sich später an den Händen und es er¬ 
folgt dann an Handflächen und Fasssohlen starke Häutung in grossen Fetzen mit 
Abfallen eines Nagels. Etwa 5 Monate nach B^inn des Leidens, im September 1896, 
hören das Jacken und die Häutung an den Füssen auf, das Kind wird ruhiger. Die 


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B«3s«niDg achreitet allm&hlicli fort, and es kommt za einer ToUst&ndigen Heilnn? 
(Joli 1896). — Die charakterisiischen ZQ^e des Krankheitsbildes waren Stömngen 
der Haat (stark bl&alichrothe Färbang, bedeatende bdematöse Infiltration, Kfible und 
retehüdie Abschälang an Händen and Füssen) nnd Fanctionsstürnngea des Glehims 
(Aofhebnog der Fähigkeit zu sprechen, bedeatende Schlaffheit and Apathie mit er* 
schwarten Bewegongen, anhaltendes Schreien). Aehnlicbe Fälle hat Prof. Bock in 
QiristUnta beot^ehten können. Verf. glanbt, dass es sich am eine besondere, noch 
okfat beaehriebeoe Form der Tasomotorischen Störungen handelt, die ihren Urspmng 
ia krankhaften cerebralen Terändemngen haben oder mit ihnen im Znsammenhang 
Mben. B. Pfeiffer (Cassel). 


32) Si^tiame et aephyzie looale des extrdmitds, par Dr. Cb. Mongonr. 

(Archives elin. de Bordeanz. 1897. Joillet.) 

Terf. berichtet Aber einen Fall localer Asphyxie bei einer 35jähr. Fran, der 
dadnrdi ausgezeichnet war, dass ansser den CircnlationsTerändernngen sich trophische 
Stömogen seitens des Zellgewebes nnd der Nägel entwickelten. Letztere beschränkten 
äch beaehtenswertherweise anf die Innenfläche der Nägel (trockene Abschnppnng, 
iUi^ung des Nagels). Ansserdem bestanden analgetische Zonen in der be* 
bUetien Bepon. 

Die inneren Oigane waren intact; der Urin zeigte eine merkliche Yermindemng 
der Hamsto&assefaeidnng. 

Yerf. gelangt zn dem Schlosse, dass, einmal die symmetrische Asphyxie der 
Extnmitäten nicht in jedem Falle (wie Ehlers behauptet) auf einer Ergotin* 
iitTXieation beruht, nnd zweitens, dass bei der vorhandenen Coincidenz der Symptome 
nt dn geschilderten trophischen Veränderungen der Haot möglicherweise eine Ab* 
käa^keit der Krankheit von irgend welchen Läsionen des peripheren Nervensystems 
Torliege. Paul Cohn (Berlin). 


93) C e re b ral oompUoations of Baynaud's disease, by Dr. W. Osler. (Journal 
of nervons and mental disease. 1896. XXIII. S. 628.) 

Terf. macht kurz daraof aufmerksam, dass er im Yerlanf der sogenannten 
•Bayaand'schen Krankheit“ im Anschlnss an die einzelnen Anßlle der localen 
Aq>hyxie und Oangrän Störungen von Seiten des Centralnervensystems beobachtet 
habe, die er anf analoge spastische Vorgänge im QeßLsssytem des Gehirns snrflcksn* 
fUuwn geneigt ist. So namentlich Attaqnen von Epilepsie, Aphasie nnd Eztremi* 
tätesparalyse. _ Sommer (Allenbeig). 


94) Btt fhll af neurotlsk gangrän, af H. Köster. (Irsber. frän allm. och 
Sahlgrenska sjnk. i Göteborg for är 1896. Göteborg 1897. Med. afd. a. 23.) 

Bin 16 Jahre alter Knabe bekam plötzlich ohne bekannte Yeranlassnng ^en 
•{aleptif(Mineo Anfall, der etwa 3 Minuten dauerte; vorher batte er Schmerz and das 
GeAU von Anschwellnng in der linken Seite des Halses gehabt Nach dem Anfall 
Ahlte OT sich matt nnd klagte ftber Gefühl von Schwere im Kopfe and heftigen 
Sch m er» in der linken Hinterbacke, wo sieh binnen einer Stande Böthnng nnd Schwellung 
«nsteUte, worauf sich eine Menge kleiner Blasen mit wasserhellem Inhalt bildeten, 
fia ta fanstgrossen Blasen conflnirten. Nach Entieerni^ der Blasen bildete sich 
iheiflSfhliche Gangrän an dem veränderten Tbeile der Hant, die etwas in die Tiefe 
pag, aber das snbcntane Gewebe nicht ergriff. In der Folge traten zeitweilig nn- 
metmrte choreatische Bewegungen von geringer Intensität auf und Zittern der Hände 
nd Arme. Doch verschwanden diese Symptome bald wieder, die Gangrän heilte 

88 * 


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516 


und Fai konnte geheilt entlassen werden. — Ein Tranma hatte nicht stattg^mden» 
dagegen sprach schon die yielbeh gebnchtete Form des gerOtheten Hanttheiles, in 
deren Ultte sich ein umrandeter Fleck find. Die AfTection bot grosse Aehnliehkeit 
mit dem von Chareot als Deonbitns scntns beschriebenen Zustande, nur der Vn* 
lauf war gflnstig, wie Verf. annimmt, wahrscheinlich deshalb, weil die dem epileptischen 
Anfalle za Grande li^nde StOnmg im Gehirn sich in seinem Falle verh&ltninm&ssig 
rasch wieder ansg^lichen hat, w&hrend in Chareot's Falle irreparable Veränderongen 
Vorlagen. Walter Berger (Leipzig). 


Psychiatrie. 

36) 0eber Katalepsie und Psychose bei loterns, von Damsch undEramer. 

(Berliner klin. Wochenschr. 1898. Nr. 13 n. 14.) 

Die Verf. bringen Beobachtungen: 

1. Ueber kataleptische Symptome bei gatarrigem Icteros im Eindeealter. Die* 
selben worden bei epidemischem Icteros mehrfach constatiil Schon ganz jonge 
Kinder waren unter den Erkrankten. Alle FftUe nehmen nach 2—3 Wochen einen 
gflnstigen Verlauf. 

2. Ueber sogenannte maniakalische Zost&nde, richtiger Verwirrtheit, mit Aof* 
regong unter dem Bilde der acoteu gelben Leberatrophie. Es wird ein Fall be* 
riditet, der ex jovantibus die Annahme einer Autointoxication rechtfertigt, da nach 
einer Kochealzinfosion, die die Ausscheidang der in den Geweben angeh&aften toxischen 
Substanzen ermöglicht, Amt momentan Beeserong eintrai 

3. Ueber die CompUcation dee Icteros mit ausgesprochener F^cbose. 

Ein 64jfthr., geistig gut entwickelter, erblich nicht belasteter Kaofmann, litt 
seit langem in jedem Jfabre an Icterus, complicirt mit togstlicher, hypochondrischer 
Verstimmung. Zuletzt setzte die Erkrankung im November 1895 ein; der Icterus 
war besonders stark. Die psychischen Symptome entsprachen einer gürten Me¬ 
lancholie. Unter anhaltendem Ictmus trat Coma ein. Dw Exitus erfolgte dnrch eine 
Pneumonie. Da die schweren Cerebralerscheinungen durch die mikroskopische Unter¬ 
suchung dee Centralnervensystems keine Aufklärung fanden, so ist anzunehmen, dass 
der Icterus das veranlsasende Moment fOr die Psychose war. 

_ Bielschowsky (Breslau). 


36) ▲ OM« ot agorapbobia, with ramarks npon obseesioiifl, by Bobert 
Jones. (Lancet 1898. Feb. 26.) 

Verf. tbeilt einen interessanten Fall von Agoraphobie bei einem 39 jährigen Manu 
mit Die Gesiditefelder waren normal (ob auch während eines ^oraphobisdien An¬ 
falls, bleibt zweifelhaft). Neben den agoraphobischen Vorstellungen scheinen auch 
Wahnvorstellungen bestanden zu haben. W^ die agoraphobischen Zustände bei dem 
Pli anscheinend periodisch auAreten und g^egentlich Bettnätfeo vorkommt, denkt 
Verf. an eine Verwandtschaft mit Epilepsie. Th. Ziehen. 


37) Bulla patoganeal della aitofobia alienatl di mente, per A. Cristiani. 

(Annali di Nevrologia. XV.) 

An einigen magengesnndmi Geisteekrwken, die die Nahrungsanfhahme ver¬ 
weigerten und bm denen andere Schädlichkeiten, wie Alkoholismus aussnschlieasen 
waren, mitersuehte Verf. nach dem Tode den Magen anatomisch. Er ftnd diesen 
ein wenig erweitert, die Schleiinhänte geschwollen, verdickt, mit zahlreichen ponkt- 
Ibrmigra und grosseren Hämorrhagieen durchsetzt, histologisch das Epithel sttwt6rt. 


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517 


n dar Drflsaosclüdit das Bindegewebe hypertrophisch, die DrOseDepithelien im 
k&nigan ZarbU; also Befunde wie sie nicht durch die Inanition allein entstanden 
m Utanen. Dies bestätigten Ymeache des Terf.’s an Kaninchen. Liess er ge> 
lande Thioe hongem, so seigten sich nur geringe Yerftaderongen im Magen, während 
«dche, deooi rorher ^e Hirnrinde diffus verätzt war, sehr schwere Läsionmi anfwiesen. 

Ea sind also andi, so sdilieset Yerf., bei den Qeisteskranken mit Nahmngs- 
Tffwaigerang Uraache der schweren Magenveränderongeo nicht das Hangern, sondern 
die bn Urnen angetroffenen menu^o^encephalisehen Alterationen and so die Oastritis 
dtt YennlBSsang zor Sitophobie. Die trophische Wirkong anf den Magen ftbt das 
Gebiiii saf dem Wege des Sympathicas aas. Yalentin. 


Therapie. 

S8) Die moderne Pathologie und Therapie der Migräne» von Dr. Wilhelm 
Stekel in Wien. (Wiener med. Wochensohr. 1897. Nr. 46—48.) 

Terf. sehliesst sich für die Mehrzahl der Fälle der Intoxicationstbeorie an. 
Dieaotsprechend müsse auch die Behandlnng sein; sie müsse eine Steigerang des 
Stofveehsels anstreben, am die Ansscheidung der Toxine anzar^en and die nicht 
«ijifirten Stoffwechselprodncte za rerbrennen. Die meist angewendeten Medicamente 
enUm diese Aufgabe nicht Eine sichere Steigerang des Stoffwechsels kann erzielt 
Tvden dnrcb Dampfkastenbäder oder prolongirte Binpackongen mit nachfolgenden 
hltm Procednren. Damit verbindet Yerf. ein entsprechendes diätetisches B^ime 
(Tefotabilische Kost, Kefir, Yerbot von Thee, Kaffee, Alkohol, süssen and sauren 
Sp^). Die näheren Vorschriften mögen im Original nachgelesen werden. 4 mit- 
fc^te mie illnstriren die günstige Wirkung dieser Therapie. Bei Erkrankungen 
de Hnren und Oeftsse sind Dampfkastenbäder contraindicirt und selbst in leichten 
ftU« nur mit Vorsicht anzuwenden. J. Sorgo (Wien). 


30) Sur Behandlung der Hemlonmle, von B. Laquer. (New Yorker medic. 

Xnatsschrift 1898. März.) 

Yerf. empfiehlt zur Behandlung der Migräne alkalische Wässer, sodann Verab- 
nichiiBg von Laetophenin. 0,4—0,75, Coffein, oitr. 0,2—0,3, alle 2 Stunden ein 
PqWv, im Ganzen höchstens 3, endlich Ansfübmng eines „gedankenlosen" Spazier- 
aof ebenem Terrain mit Einstellung der Augen auf die Feme. Esslust 
**ide langaam and durch leiriitverdaaliefae Speisen an befriedigen ist nnd Polyorie 
MQa sich bald ein, und „eine Tasse starken Kaffees ohne Milch verscheocht die 
bta« Ernte der Hemicranie“. Diese empirischen Vorschriften hat Yerf. in vielen 
mit sehr gntem Erfolge angewandt Knrt Hendel. 


m. Aus den Gesellsohaften. 

Bariinar Qoellaohaft fOr Psyohtetrle und Nervenkrankheiten. 

Sitzung vom 9. Mai 1898. 

Westphal stellt vor der Tagesordnung eine Kranke vor, welche eigenthümliche 
XnmpfhnAiie darbietei Sie ist bereits zwei Mal wegen hallacinatorUeber Yer- 
^^ntheitesiistände aof hysterischer Basis ia der psychlatrisohea Kliaik der ChariU 
a Babaodlaag gewesen. Bei da jetzigeo Aafhahme (SO. April d. J.) kommt eie als 
•hapfkiank", bietet kmne Zeichen einer psychischen Erkrankung dar. Sie ist am 
3. Xin entbanden worden, hat das Kind bis zuletzt gestillt Während des Stillena 
*omte lie angestrengt plätten and setzte sich dabei Erkältungen aas. 


D g : 7cd / G OOglC 



518 — 


Am 29. April traten die ersten Erampfanf&Ue anf, die spontan entstehen, sich 
anch leicht dnrch Drnck auf die GefSss* und l^ervenstämme im Sulcns bicipitalis 
internus, sovie durch Druck beliebiger Stellen der Mnskulatar der betroffenen Ex* 
tremitfiten anslösen lassen. Die Anf&lle treten gewöhnlich halbseitig, mitunter auch 
gekreuzt auf. 

Vortr. demonstrirt an einem solchen durch Druck auf den linken Snlcns bicipii 
int. ausgelösten Anfall, dass es sich um sehr starke tonische Contracturen gewisser 
Muskeln der linksseitigen Extremitäten handelt, durch welche dieselben in eigen* 
thilmliche Stellungen gerathen. Am meisten betroffen sind der Tibialis anticus, 
Gastroenemins an der unteren, der Biceps an der oberen Extremität Hand und 
Finger sind mitunter gebeugt nach Art der „Gebortshelferstellnng'*, mitunter gestreckt. 

Die bretthart gespannten Mnskelbäuche springen scharf — wie modellirt — 
unter der Haut hervor. 

Die Crampi sind änsserst schmerzhaft, werden eingeleitet durch Geffthl von 
Eingeschlafensein und Formicationen. Die Schmerzen flberdanem die Anfälle, es 
bleibt ein Geftihl von Steifheit und Spannung in den betroffenen Muskeln zurfick, 
in denen man verhärtete Stellen „wie Knubbel" noch längere Zeit nachweisen kann. 

Es handelt sich also bei der Fat um anfallsweise auftretende, sehr schmerzhafte 
Crampi, die eine Aehnlichkeit mit den bei Tetanie auftretenden tonischen Krämpfen 
nicht verkennen lassen. Jedoch sind die Abweichungen von dem gewöhnlichen Bilde 
der Tetanie — das unr^elmässige, nicht symmetrische Auftreten der Anfälle, das 
Fehlen der fär Tetanie so charakteristischen Stellung beider Arme und Hände — 
in die Augen fallend. 

Das Tronsseau'sche Phänomen ist vorhanden, es lassen sich indessen die 
Anfälle nicht nur durch Druck auf die Hauptnerven und Gefässstämme, sondern anch 
von beliebigen anderen Stellen der Extremitäten auslösen. Eine Steigerung der 
mechanischen Erregbarkeit der motorischen Herven, welche im N. ulnaris, medianns 
peronens anfangs vorhanden war, lässt sich nicht mehr nachweisen. 

Das Facialisphänomen ist nicht deutlich auslösbar gewesen. 

Eine Steigerung der Erregbarkeit der sensiblen Nerven besteht nicht. 

Die elektrische Untersuchung (Geb. Rath Jolly) ergab keine Steigerung jder 
Erregbarkeit der Nn. nin., med. und facialis. 

Ob die Erregbarkeit des N. peronens bei 1,0 H.*A als eine leichte Steigerung 
bezeichnet werden darf, ist fraglich. 

Die körperliche Untersuchung ei^ebt nut Ausnahme einer linksseitigen Herab* 
Setzung der Geschmacksempfindung und einer Einei^ng des Gesichtsfeldes fär Farben 
nichts Abnormes. 

Die eigenthflmliche Art der Anslösbarkeit der Krampfanfälle, bei der offenbar 
su^^estive, psychische BinflOsse von Bedeutung und, die Unregelmässigkeit des Auf¬ 
tretens und der Localisation der Crampi, der Umstand, dass wir den Pat. schon 
Jahre lai^ als Hysteriker kennen, lassen es nicht zweifelhaft erscheinen, da«p hyste¬ 
rische Momente augenblicklich im Vordergrund des Krankheitsbildes stehen. 

Nicht gerechtfertigt ist es, mit dem Feststellen der Hysterie Tetanie ganz 
ausznschliessen. Die grosse Schmerzhaftigkeit der tonischen Hnskelkrämpfe, das 
Trousseau’sche Phänomen, der Umstand, dass die Crampi während der Lactation 
aufgetreten sind, weisen darauf hin, dass trotz des Fehlens wichtiger Zeichen der 
Tetanie, wahrscheinlich neben der Hysterie anch diese Affection bei der Pai besteht, 
zumal wir wissen, dass wohl keins der Symptome der Tetanie ganz constsnt ist, 
und dieselben mitunter nur in gewissen Stadien der Krankheit nachweisbar sind. 

Die Annahme einer Complication von Hysterie mit Tetanie führt durch die 
Vorstellung, dass die Natur der KrampfanflUle durch eine Verschmelzung der Er- 
soheinungen beider Krankheiten bedingt ist, am leichtesten zum Verständniss des 
nngewöhnlichen Krankheitsbildes. 


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519 


Zorn Soliliiss weist der Vortr. aof die Beziehimgen dieses Falles za interessanten 
TOD Fr. Schnitze, Minow, Schlesinger, Raymond n. A. gemachten Beobach« 
tnngen hin. 

Mendel fragt an, ob es gelingt, die Än^e zu conpiren; sollte dies möglich 
sein, so wQrde dadurch die Katar der Erkrankung deutlicher hervortreten. Der Fall 
w&re jedenfalls fftr Tetanie ein ongewOhnlicher. 

EOnig hat ein Kind mit cerebraler Kinderl&hmang beobachtet, welches nach 
epileptischen Anfällen stets auch einen tetanischen bekam. 

Lilienthal hat einen ähnlichen Fall vor zwei Jahren in dieser Gesellschaft 
To^estellt, bei welcher ähnliche Contractnren ansgelOst werden konnten. Diese 
Fälle sind als Diathäse de contracture tod der Chareot’scben Schule bezeichnet 
worden. 

Bothmann hat ähnliche Fälle bei Influenza beobachtet, wo es gelang, Ton der« 
selben Stelle, Ton welcher der Anfall herTorgerufen wurde, denselben auch zu 
coapiren. 

Jolly meint, dass die grosse Schmerzhaftigkeit, welche die Patientin in jedem 
Anfälle äussere, mehr für die Crampi spreche. Es sei m<^lich, dass im weiteren 
Verlaufe die Hysterie auf die Auslösung der Krämpfe einen Einfloss gehabt hat; 
das zunächst auslösende Moment scheint aber ein der Tetanie ähnliches. 

Westphal meint, dass Yerbindangen von Epilepsie und Tetanie häufig vor¬ 
kämen. 

Brasch stellt ebenfalls vor der Tagesorduui^ ein anatomisches Himpräparat 
vor, welches von einem 51jäbrigen Manne stammt. Dieser war am letzten Abend 
vor dem Tode noch ganz gesund zu Bett gegangen, am nächsten Morgen fand man 
ihn in tiefem Coma, dem wenige Stunden darauf der Exitus folgte. Bei der Heraus- 
nähme des Gehirns riss die Brflcke ein und es floss eine tr&be Flüssigkeit aus der¬ 
selben ans. Die nähere Besichtigung dieser Stelle ergab eine Blutung von sehr 
grossem Umfange im Pons, welche Aber die Baphe sich auf beide Seiten ausgedehnt 
hatte. Die makroskopische Untersuchai^ ergab keinen Aufschluss über die Ursache, 
durch welche die Hämorrh^e zu Stande gekommen war. 

Trümmer: Ueber trauznatiaohe Tabes (ErankenTorstellung). 

Vortr. referirt über drei einschlägige Fälle, von denen er einen verstellt Es 
handelt sich um einen 62jähr. Patienten, bei dem weder Lues, noch irgend welche 
hereditären Momente vorliegen. Pat. verunglückte bei einem Versuche, einen Baum 
umzDSchlagen; hierbei wurde er mit anderen Arbeitern zusammen umgerissen, doch 
so, dass er zu unterst zu liegen kam und die anderen auf ihn darauffielen. Hierbei 
erlitt er eine Verletzung am linken Fuss. Ungefähr 8 Tage nach dem Unfall stellten 
sich Schwäche im linken Fnss und blitzartige Schmerzen in diesem Beine ein. Im 
weiteren Verlauf entwickelte sich bei dem Pat. das typische Bild der Tabes, welches 
Vortr. im weiteren demonstrirt und aus welchem besonders die Tbatsache Erwähnung 
verdient, dass die Herabsetzung des Schmerzgefühls auf der linken unteren Extremität 
stärker ist und sich weiter proximal erstreckt als auf dem rechten Bein, welches 
bei dem Unfälle keine Verletzung erlitt. Ferner ist in diesem Falle bezüglich der 
Anamnese zu erwähnen, dass die Ehefrau des Pat. zwei Hai in der Irrenanstalt zu 
Henbeige gewesen ist und Papillenstarre gehabt hat. 

Bei dem zweiten Falle handelt es hieb um einen Patienten, der vom Postwagen 
hemnterflel und aof dem Bücken au&chlug. Nach dem Unfall traten zuerst Schmerzen 
im Bücken, Unsicherheit beim Gehen auf, worauf sich dann allmählich der tabische 
Symptomencomplex entvrickelte. Aetiologisch liegt nichts vor; die Ehefrau soll einen 
Abort gehabt haben. 

Im dritten Falle handelt es sich um einen Stoss gegen den Arm, darauf Influenza 
und im weiteren Verlaufe die Erschemungen der Tabes. 


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520 


Vortr. meiiit, dass diese F&Ua Tom wisseaschafUioheii Btandpnnkte beb^htet, 
Bidit als ganz sichere Fälle von tnonatischer Tabes zn betrachten seien, dass aber 
in pra^ wo es nch nin Gewährong einer UnMlsrente handele, die Entstehung der 
Tabes durch Trauma nicht Temeint werden könne. 

Leppmann hat den ersten Torgestellten Fall gleichfalls za begatachten gehabt 
und sich ähnlich au^esprochen wie der Vortragende. Besonders bemerkenswerth 
seien die Fälle, in welchen das Trauma peripherisch gewirkt, weil die entsprechende 
Extremität dann gewöhnlich stärker bei der nachfo^nden Tabes betroffen sei, als 
die nicht verletzte. Unter denjenigen Fällen, in denen die Verletzung eine centrale 
war, hat L. nur einen gefunden, der allenfells als kaumatisohe Tabes anfzufassen 
wäre. Erwähnenswerth sei ferner, dass diejenigen Fälle von Tabes, welche auf 
Trauma beruhen, anfangs einen verhältnissmässig raschen Verlauf nehmen. Ehras 
ähnliches werde bei Paralyse beobachtet, der ein schwerer Unfall votaufg^ngen ist. 

Cron fragt an, ob im voi^tellten Falle noch besondere Complicationen vor¬ 
handen sind. 

Bemak hält es nicht fOr ausgeschlossen, dass im ersten Falle eine Complication 
mit Hysterie vorliegt; in wissenschaftlicher Beziehung hat B. noch nicht die Ueber- 
Zeugung gewonnen, dass eine traumatische Tabes vorkomme. 

Leppmann hält es flir ausgeschlossen, dass jemand auf einer Seite grössere 
Ataxie simuliren kann, als auf der anderen. 

Lewandowsky meint, dass man zu weit gehe, wenn ein Abort von seiten der 
Ehefireu vorliege, gleich Verdacht auf Lues zu haben. 

Nach einigen Schlussbemerkungeu des Herrn Trflmmer spricht 

Eoenig: lieber die bei den cerebralen Kinderlähmnngen in Betracht 
kommenden prädlsponirenden und ätislogischen Uomente. (Erscheint ans- 
fährlieh in der Deutschen Zeitschr. f. Nervenheilk.) 

Vortr. unterscheidet zirischen eigentlich ätiologischen und prädisponirenden bezw. 
eine Prädisposition documentirenden Momenten. 

Zu den ersteren rechnet er: 

a) die schwere bezw. asphyctische Oeburt, 

b) das Trauma capitis, 

c) die Infectionskrankheiten. 

Zu den letzteren: 

a) die psyebo-nenrotische Heredität, 

b) Phthise in der Ascendenz, 

c) Potus des Vaters, 

d) Lues in der Ascendenz, 

e) Blutsverwandtschaft der Eltern, 

f) somatisches oder psychisches ’^uma matris in graviditate, 

g) Frühgeburt, 

h) Ers^ebort, 

i) uneheliche Gebart (unter Umständen), 

k) unter Umständen späteres oder letztw Kind einer längeren Generationsreihe, 

l) angeborene Idiotie, 

m) epil^tiscfae Anfälle, welche der Lähmung längere Zmt voransgehen, 

n) Kind schwächlich von Gebart an, 

o) Tod zahlreicher Geschwister früher Ji^end, bezw. 

mehr oder weniger verdächtige Aborte, eine Prädisposition do- 

p) Nervenkrankheiten, Phthise bezw. Sciefnloae bei cumentirende Momente. 

Geschwistern. 


- . vGooglc 



521 


Von den fttiologinchen HomMten können die beiden ersten g^^entlich eine 
pridisponirende fioUe spielen. 

Bie Untersnehnn^ des Vortr. basiren auf 70 F&Uen eigentlicher cerebraler 
Kinderlähmung mit Ansschluss der awischen denselben und einfacher Idiotie stehenden 
Zwischenformen. 

VerC. weist zunächst nach, dass zwischen den einzelnen Lähmungsformen mit 
Bezug auf die prädisponirenden wie ätiologischen Momente ein prindpieller Unter* 
schied nicht besteht, und bespricht die Besultate seiner Untersuchungen im Ganzen. 

Nur in 17 Fällen von 70 konnte die Aetiologie im Sinne des Vortr. nach¬ 
gewiesen werden. 

Darunter betrafen 8 Fälle die schwere, bezw. asphTCÜsche Geburt, 5 Fälle das 
Eopftrauma und 6 Fälle Difectionskrankheiten. 

In 13 dieser Fälle waren prädisponirende Momente vorhanden. Vortr. 1^ 
Oberhaupt grossen Werth auf den Nachweis derselben und zeigt, dass auch in fast 
allen FÜlen „ohne Aetiologie*' mindestens eins und meist mehrere derartige Momente 
vorhanden waren. 

Unter den 70 Fällen war der Gebnrtsverlauf 42 Mal normal, 3 Mal nicht be¬ 
kannt, und in den Qbrigen Fällen handelte es sich um Frflhgeburt, schwere bezw. 
sspbjetische Geburt ln 4 Fällen konnte der Einfluss des letzteren Moments nicht 
fes^estellt werden, in 1 Falle wirkte er prädisponirend, insofern er au congenitaler 
Idiotie führte, zu welcher sich 2 Jahre später die Lähmung gesellte, und in 2 Fällen 
war die asphyctische Geburt sicher ohne jeden Einfluss. 

Nur in 19 Fällen bandelte es sich um Ers^burt 

Das Maximum der Lähmungen flel in Uebereinstimmung mit anderen Autoren 
in die ersten 3 Lebensjahre. 

Unter 89 Fällen eigener Beobachtung befisnden sich 49 männliche und 40 
weibliche Kinder. 

Vortr. resumirt sieh folgendermaassen: 

1. Wir kennen nur drei ätiologische Momente für die cerebralen Kinderlähmungen: 
1. die schwere bezw. asphjctische Geburt, 2. das Eopftrauma und 3. die Infections- 
krankheiten. 

2. Alle anderen in Betracht kommenden Momente können bei dem heutigen 
Stande unserer Kenntnisse nur als prädisponirende, bezw. als eine Prädisposition 
docnmentirende angesehen werden, womit natürlich die H(^lichkeit, dass das eine 
oder andere derselben gel^entlich audi ätiologisch wirksam sein könnte, nicht aus* 
geschlossen werden soll. 

3. Die schwere, bezw. asphjctiscbe Geburt, wie das Eopftrauma können unter 
Umständen die Rolle eines prädisponirenden Momentes spielen. 

4. Auch in den Fällen „mit Aetiologie*' begegnen mr sehr häufig prädisponirenden 
Momenten. 

Ö. In der Mehrzahl aller Fälle, in welchen eine genaue Anamnese erhoben 
werden kann, lassen ach mehrere prüisponircmde Momente nachweisen und Freud 
bat ganz Recht, wenn er das „Concurriren** mehrerer solcher Momente für beachtens- 
werth hält 

6 . Der traumatischen cerebralen Kinderlähmung kann vorläufig eine Sonder- 
stellmig nicht eingeränmt werden. 

7. Die psycbo-neurotische Heredität, sowie der Potus des Vaters nehmen eine 
ziemlich hervorragende Stellung unter den prädisponirenden Momenten ein. 

8 . Von noch grösserer Bedeutung ist das Vorkommen familiärer Eachexieen. 

9. Die Phthise in der Ascendenz scheint einen gewissen prädisponirenden Einflnss 
zu habm. 

10. Dem Rinfln« der Syphilis in der Ascendenz kann, soweit dies nachweisbar, 
nur eine untergeordnete Stellung zuerkannt werden. 


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522 


S. Kalischer fragt an, ob ein Zusammenhang zwischen Frühgeburt and cere¬ 
braler Kinderlähmung existire. Es sei aoffallend, dass nnter den Kranken mit cere¬ 
braler Kinderlähmung sehr viele 7 Monatskinder sind. In den Fällen, die Kalischer 
beobachtet bat, lag keine Lnes vor. Die Procentzahl der cerebralen Einderlähmcngen 
ist flberhaopt bei 7 Monatskindem hänfiger, 

Bichter weist bezüglich der Aetiologie anf Geburten hin, die sehr schnell er¬ 
folgen, wobei hänflg Gefässzerreissungen im Gehirn eintreten. 

Koenig berichtet, dass unter 70 Fällen 7 Frühgeburten waren. Loea liess sich 
in keinem Falle nachweisen. Ihm scheint ein Zusammenhang zachen Frühgeburt 
und cerebraler Kinderlähmnng nicht zu existiren. 

Dr. Levj-Dorn: Beitrag zur Lehre vom Tremor. 

Die grosse Hänfigkeit, mit welcher die Glieder bei einzelnen Zitterarten hin- 
und berschwanken, erscheint nur auf dem ersten Blick pathologisch. Das Zittern 
hat in dieser Beziehung sein physiologisches Analogon in dem willkürlich tetanisirten 
Muskel. Die Erscheinung des Hnskeltons ist der bekannteste Beweis für das Be¬ 
stehen von Schwankungen während des Tetanns, wenngleich nach der einfachen Be¬ 
trachtung vollständige Bube des Muskels zu bestehen scheint. 

Helmholtz hat die Schwankungen des Muskels während des Tetanns auf 19,5 
in der Secnnde festgestellt. Neuere Untersuchungen sprechen dafür, dass die Zahl 
zn hoch g^riffen ist. Sie liegt in Wahrheit um 10 hemm, bald höher, bald 
niedriger. Die Zahl stimmt also merkwürdig mit derjenigen überein, welche von den 
schnellschlägigen Zitterarten erreicht wird. 

Abgesehen von der Zahl der Schwankungen hat der willkürliche Tetanus auch 
noch den nervösen Ursprung mit den meisten (wahrscheinlich allen) Zitterarten ge¬ 
meinsam. 

Der Ort, an welcher Stelle des CentralnerTmisysteme die Discontinuität der Be¬ 
wegung — um allgemein zu sprechen — erzeugt wird, ist von verschiedenen Seiten 
zu bestimmen gesucht worden. Die Experimente beschränkten sich in dieser Hinsicht, 
soweit bekannt, auf die Analyse des Tetanus. Es stellte sich heraus, dass es so¬ 
wohl bei der Beizung der Hirnrinde, wie bei der des Bückenmarks und der zwischen 
ihnen liegenden Begionen gelingt, Tetanus vom Charakter des willkürlichen aoszu- 
lösen, d. h. die Schwankungen betragen in allen diesen Fällen ungeföhr dieselbe Zahl, 
und es kommt auf diesem W^e nicht zum vollkommenen Tetanns. Es bleibt mithin 
durch die Versuche unentschieden, ob die Discontinuität der Bewegung in den höbeiwn 
oder niederen Centren geschaffen wird. Denn es wäre ja denkbar, dass von der 
Hirnrinde nur continnirliche Reize ausfliessen, welche gleichsam wie der constante 
Strom durch den Wagner’schen Hammer erst im Rückenmark unterbrochen werden. 

Vortr. sachte daher die Frage, welche hier wesentlich interessirt, das ist, ob 
schon normaler Weise höhere Centren eine so grosse Discontinuität der Bewegung 
veranlassen können, wie sie beim gewöhnlichen Tetanus und den schnellen Tremor¬ 
arten vorkommt, anf anderem Wege zn entscheiden. 

Er liess dieselbe willkürliche Bewegung möglichst oft wiederholen und die 
Häufigkeit der Wiederholung durch Begistrirapparate anfschieiben. Es wurde ins¬ 
besondere mit dem Zeigefinger ein elektrischer Contact (Morseschlüssel) niedergedrückt 
nnd gelöst, das Ein- nnd Anstreten des elektrischen Stromes durch ein Ffeirscbes 
Signal augezeigt und anf ein Kymographion in üblicher Weise übertragen. 

Bei 6 gesunden Personen, welche so geprüft wurden, konnte in 1 Secnnde 7 
bis 11 Mal der Contact geschlossen werden. Da es zum Wesen der Willkfirbewegung 
gehört, dass die in der Binde localisirte Beweguugsvorstellnng der Bewegung voraus- 
geht, so spricht der oben mitgetbeilte Befund dafür, dass die Hirnrinde ebenso schnell 
Impulse aoszusenden vermag, wie die niederen Centren. 


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523 


Fflr die Lebre vom Tremor folgt daraus, dass die höbe Zahl seiner Scbwankungen 
insofern nie pathol<^iscb ist, als schon normaler Weise die Ganglien ebenso schnelle 
Wiederholungen von Bewegungen veranlassen können, und dass jene Tbatsacbe nichts 
Befremdendes enth&lt, in welchen Ort des Centralnervensystems man auch den Ursprung 
des Zitterns verlegt. 

Ausser bei Gesunden hat Vortr. bei 18 Patienten die F&higkeit geprflft, wie oft 
sie die Wiilkflrbewegungen hintereinander wiederholen können und die erhaltenen 
Zahlen mit denen ihres Zitterrhythmus vei^leichen. Er fand im allgemeinen eine 
flberraschende Üebereinstimmung beider Zahlengruppen. Wo das Zittern langsam 
war, traf dies auch für die willkQrliehe Wiederholungsßhigkeit einer Bewegung 
so; ja die in einer Secunde möglichen Wiilkflrbewegungen betrugen meist genau so 
viel, wie die rhythmischen Zwangsbewegungen des Zitterns. 

Das geprflfte Material wurde durch 7 Fälle von Paralysis agitans, 4 Fälle von 
multipler Slderose, 2 Fälle Morbus Basedowii, 3 Fälle Neurasthenie, 1 Fall trau¬ 
matischer Neurose und 1 Fall von Anilintremor gebildet 

Es verdient besonders hervoigeboben zu werden, dass bei einem Patienten mit 
Faralysis a^tans sine agitatione die Zahl der Wiilkflrbewegungen 5, bei einem solchen 
mit multipler Sklerose sine agitatione 6 betrug, also soviel, wie der Rhythmus des 
Zitterns, welches gewöhnlich bei den genannten Krankheiten vorhanden ist 

Die erwähnten Untersuchungen sprechen also dafflr, dass wir in der Bestimmung 
der in der Zeiteinheit möglichen Wiederholung wUlkflrlicher Bew^ungen ein Mittel 
in der Hand haben, den Rhythmus eines Tremors voranszusagen. Sollte der Tremor 
aber bei einer mit ihm eioheigebenden Krankheit fehlen, so ist die Aussicht erÖfiEnet, 
seinen Charakter, so weit er sich im Rhythmus offenbaren wflrde, schon vor seinem 
Auftreten ans den WillkOrbewegungen zu erkennen — mit anderen Worten: Wir 
braocheu nicht mehr immer auf die Zwangshandlung des Zitterns zu warten, um 
gewisse Zeichen der Krankheit festznstellen. 

Weitere Erfahrungen mflssen natflrlich erst lehren, wie viele Ausnahmen von 
der entwickelten Regel bestehen. Jacobsohn (Berlin). 


in. Vereemmlnng mitteldentsoher Psychiater tmd Keurologen in Jena 

am 1. Mal 1898. 

Sonntag, den 1. Mai 3898 tagte in Jena in den Räumen der Grossherzoglichen 
LandesirTenanstalt die III. Versammlung mitteldeutscher Psychiater und Neurologen. 
Von den angekflndigten Vorträgen entfielen der von Hitzig (Halle): Ein Beitrag 
zur Himchirurgie; von Alt (Üecbtspringe): Geber Gheel und die dortige familiäre 
Irrenpflege; von Schäfer (Roda): Ueber angeborene isolirte Facialislähmung, von 
Köppen (Berlin): Ueber Porencephalie. Da jedoch mehrere Herren noch nach der 
Drucklegung der Tagesordnung Vorträge angesagt hatten, erreichten die Mittheilungen 
dennoch die smgekflndigte Zahl 17. 

Die Vormittagssitzung begann nm 9 Uhr und währte fast 4 Stunden; zum Vor¬ 
sitzenden wurde Aber Vorschlag des 1. Geschäftsfflhrers (Binswanger) einstimmig 
Ganser erwählt. Zum Vorsitzenden der Nachmittagssitznng wurde, nachdem Bins¬ 
wanger abgelehnt hatte, einstimmig Hayser gewählt Als Schriftsteller fnngirten 
Krause und Laudenbeimer. Im Ganzen waren 67 Theilnehmer anwesend. 

I. Sitzung am 1. Mai 1898 Vormittags 9 Uhr. 

Nach der Begrflssung der Versammlung durch den I. GeschSftsfflhrer Bins¬ 
wanger folgen die Vortrage. 


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524 


Oppenheim (Berlin): Uaber BraohlAlgle und 

Vorb*. führt xnn&chst im Allgemeinen ane, dass das Leiden, über das er eprech« 
wolle, einen bescheidenen Plate in der Litteratnr einnehme, mid könnte man glaabeo, 
dass das Stndinm desselben abgesohloesen eei. Dies ist aber nicht der Fall Schon 
der Begriff Brachialnenralgie ist ein recht Terechwommener. Dies b&ngt xnm Tbeil 
mit der Sdiwierigkeit der Definition des Begriffes Kenralgie snsammen. Klinisch 
ist dieselbe dnreh die Tiigeminn8> nnd Ischiasneoralgie wohl charakterisiil Den der 
Bahn eines Kerren folgenden in Parozysmen anftretenden heftigen Sehmers neimN 
wir Nenralgie. Abgesehen von den sog. Nervenerkranknngen schliesst Torte, aoeh 
die Compressionsnenralgie ans; ebenso will er anch die im Terlaofe der Hystois 
anftretenden Nenralgieen nicht in den Kreis der Beepreohong ziehen, obwohl er an 
dem Anfteeten echter Nenralgieen bei Hysterie nicht zweifelt Torte, beneht sieh 
anf die Werke von Bömberg, Erb, Gowers, Eolenbnrg, Bernhardt n. A., 
and erkürt die Brachialgie als eine zwar nicht so hftofige Erkranknng wie dis 
Ischias, doch immerhin nicht seltm anftretende Affection. 

Nach den Antoren (mit Ausnahme Enlenburg and Bernhardt) flb«wiegt 
das weibliche Qescblechi Erk&ltang, Ueberansteengnng, Terleteong, An&mie nnd 
Hysterie sollen prädisponirende Momente al^ben. fiänielne bezeichnen die Badialis* 
and Ulnarisbahn als Pr&dileetionsstellen. 

Torte, findet, dass meist die Grenze znr Nenritis tiberschritten, and dam anf 
den Zusammenhang der Brachialnearalgieen mit anderen Brachialgieen, wie sie bei 
Psychosen nnd Neorosen Vorkommen, nicht genügend hingewiesen wird. 

man dem Begriffe der Brachialgie heftige, in einem Arm loealisiite 
Schmerzen zo Grande, so kann Torte. Aber 189 Fälle berichten: 

In 15 Fällen lag ein Wirbel* oder Bflckenmarksleiden vor; in 30 Fällen ans* 
gesprochene Neuritis (mit Stmetnrerkranknng), darunter 6 Fälle bei Inflnenza; 12 Fäll« 
unbestimmten Charakters; in 22 Fällen echte Nenralgieen (bei Diabetes, Gicht, aenteD 
Erkrankungen, Titium eordis); in 19 Fällen Beschäftigangsnearalgieen; 96 Fällen in 
denen nur Armschmerz vorhanden war. 

Hier spottet oft der Schmerz völlig der Bahn des Nerven. Die Dntersnchoi« 
auf Druckponkte ergiebt ebenfalls ein unsicherea Besoltat. Wir haben es ebmi mit 
keiner echten Nenralgie zu thun, sondern mit einem Leiden, das sich auf dem Boden 
einer Hysterie, einm* Neurasthenie n. s. w. flberhanpt bei allgemeiner nenropathisdter 
Diathese entwickelt Es sind diese Schmerzen keine Nenralgieen (die andi vo^ 
kommen können), sondern Psychalgieen. Darum finden sich neben diesen „Neuralgiees“ 
stets auch noch andere Symptome eines nervösen oder psychischen Leidens, üntw 
solchen nimmt den breitesten Baum nicht die Hysterie ein, sondern die Nminstheiii«, 
Melancholie and Hypochondrie, nnd zwar meist bei Mtanem. Das Leiden irigt 
Bemissionen nnd Exacerbationen, die oft mit der allgemeitteD Stimmnngslage znsanuaen* 
hängen. Öfters mit dem Schlaf. 

Torte, bezeichnet darum seinerseits als ätiologisches Moment neben aodereo 
phobische Erregni^s, die das Auftreten des Leidens erleichtern oder herbeifähreB- 
Der einzelne Scbmerzanfall kann durch geringfägigste Momente, wie das AnftaSn 
des Kleides, das Tr^en des Schirmes u. A. m. au^löet werden. Auch die Therapie 
beweist den psychischen Ursprung der Affection. Alle Mittel, die suggestiv deai 
Hanptleiden gegenflbw wirken, erzielen auch bei dem Symptom der Brachialnenralgie 
Heilung, die freilich mitnnter nnr vorflbeigebend ist Der Torte, sah Erfolg von 
subcutanen Antipyrininjeotionsn, vom elektrischen Bade, von der Hypnoee, vom Pyra¬ 
midal, von der Dnrchleachtong mit Böntgenatrahlen n. s. w. 

Disenssion: Hösel erwähnt einen hierher gehörenden Fall von Brachialneoralgie 
mit Anschwellnng der Extremität bei einer öOjähr. Frau mit seenndärem Schwach¬ 
sinn nach Melancholie. 


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526 


Brnos erU&rt seine üebereinstiiDiniiDg mit Oppenheim and weist auf F&Ue 
mit nnr n&cbüicben Schmerzen hin. 

Hdbins hat eine wirkliche Brachialnenralgie nie gesehen (abgesehen ron Wurzel- 
erkranknngen) nnd bespricht den mCglichen Zusammenhalt mit der Akinesia algera. 

Stintzlng gedenlrt der Schwierigkeit einer Differentialdi^ose zwischen der 
Brachialnenralgie und der Keuritis brachialis. 

Ziehen betont, dass Bracbialgieen auch als erstes Spiptom eines Hirntumors 
in dem später gelähmten Arm, sowie Complication nüt Angiospasmen Vorkommen. 

Sänger mahnt znr Vorsicht bei der Diagnose „functionelles Leiden“ und ge¬ 
denkt zweier Fälle von Sarcom des Humeroskopfes mit den Erscheinungen einer 
Braohialgie. 

Majser (Hildbnrghausen): Beitrag nr Letire von der Manie. 

Yortr. knflpft an die Anschannng Kräpelin’s an, der zu Folge die Manie eine 
constitntionelle Psychose nnd ihrem Wesen nach den periodischen Irrsinnsformen 
znziirechnen sei Nachdem Vortr. der Untersnchnngen van Erp Talman Kips in 
Dordrecht und Otto Hinrichsen in Zürich gedachte, welch ersterer unter 856 auf- 
genommenen Kranken 41 sichere Fälle von Manie, davon 36 mit periodischen Anfällen 
und 4 mit nur einmaligem Anfalle, letzterer unter 126 manischen Kranken 74 mit 
periodischen AnAllen und von 51 als geheilt Entlassenen 17 fand, von denen wieder 

9 Fälle in der Zeit von 11—21 Jahren (Altersgrenzen von 36—95 Jahren) zuver¬ 
lässig gesund blieben, geht er zu seinen Untersuchungen über, die er, unterstützt 
von seinem Assistenten Schulz, an 2400 Krankengeschichten anstellte. Aus den 
sehr interessanten AnsfiihruDgen werde hervorgehoben, dass Vortr. 59 Fälle, d. i. 
nahezu 27, einfacher, mnthmasslich geheilter Manieen fand. Von diesen erscheinen 
nach genauen Erkundigungen 32 (16 Männer, 16 Frauen) znr Zeit gesund. Die 
Frist, die seit der Entlassung versMcb, beträgt bei 15 (8 Männer, 7 Frauen) 1 bis 

10 Jahre, bei 17 (8 Männer, 9 Frauen) 11—31 Jahre. Der älteste der Männer 
ist 64, die ältesten der Frauen sind 60 Jahre (21jährige Oenesnngsdauer), 48 nnd 
49 Jahre alt (mit je 31 jähriger Glenesui^sdaoer). 

Vortr. zieht als Schluss seiner Erfahrungen den Satz, dass die einfache, solitär 
im Leben eines Individuums auftretende Manie allerdings eine grosse Seltenheit, sowie 
dass sie gleich der Melancholie eine exquisite constitutionelle P^chose sei mit ausser- 
ordenÜicb grosser Neigung zur Periodidtät, dass man aber kein Recht habe, sie 
ihrem Wesen nach schlechthin als periodische P^chose zu bezeichnen. 

Discussion. Binswanger stimmt den Ausführungen des Vortr. bei und betont 
besonders das vereinzelte Auftreten von Manieen in der Entwickelungsperiode. Er 
theilt kurz den Fall einer Dame mit, welche im 19. Jahre eine typische Manie durch¬ 
machte und bis heute, nach 13 Jahren, trotz verschiedener Schädigungen (wie z. B. 
Puerperien) völlig frei von einem zweiten Anfälle geblieben ist. 

Sänger (Hambui^): Veber hystexlaohe AtigenmoskelstörungeaL 

Vortr. wirft die Frage auf, ob wirkliche Augenmnskellähmungen bei der Hysterie 
vorkämen. Die Charcot’sohe Schule nahm stets Contractur des Antagonisten an 
und nicht Lähmung. Die Fn^e ist in nener Zeit von Vielen gewürdigt worden, in 
Deutschland von Hitzig u. A., in Oesterreich von Kenn. Letzterer verhält sich 
vereinzelten Augenmnskellähmungen bei Hysterie gegenüber sehr skeptisch. 

Vortr. wählt unter den vielen Angenmuskelstörungen die hysterische Ptosis und 
^ebt eine kurze Uebersiebt über die Litteratur, aus der er Sondon erwähnt, der 
1872 eine hysterische linksseitige Ptosis zur Heilung brachte, ferner Schäfer, der 
bei einem Kinde eine hysterische Oculomotoriuslähmung beschreibt. 

1891 war es Charcot, der nachdrücklich auf die hysterische Ptosis hinwies 
die er als Confractur auffasste. 


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526 


Hitzig fand eine doppelseitige Ftosis bei einem Arbeiter. Vortr., der in den 
letzten Jahren eine ganze Reihe von mit hysterischer Ftosis behafteten Kranken be¬ 
handelte, bespricht diese Fälle an der Hand von Photographieen aosffthrlicher and 
gedenkt der verschiedenen Ansichten verschiedener Forscher. Cbaroot erklärt die 
Ftosis durch einen Spasmus im Orbicularis nicht durch Lähmung des Levators. 

Eunn findet das Charakteristische der hystenschen Ftosis darin, dass Äugen 
vrie leicht zum Schlafe geschlossen aussehen und ist mit Hitzig und Scbmidt- 
Rimpler der Meinung, dass wir bei der Ftosis eine paralytische sowohl wie eine 
spastische Form zu unterscheiden haben. Die Richtigkeit dieses Satzes erläutert 
Yortr. Derselbe spricht dann in Kürze von der sog. hysterischen reflectorisehen 
Fnpillenstarre, die er nicht anerkennt ln zweifelhaften Fällen empfiehlt Vortr., die 
Patienten auf 1—2 Standen ins dunkle Zimmer zn legen, wodurch eine Erholung 
des Sphincter pupillae eintrete. Was die Therapie der Ftosis anbelangt, so ist sie 
die gleiche wie die der Hysterie überhaupt 

Discussion: Schwarz betont den Werth genaner Accommodationsprüfung bm 
Fällen von anscheinend hysterischen Pupillenstörnngen. 

Oppenheim erwähnt eines schon früher von ihm beschriebenen Falles von 
schlaffer Ftosis bei hysterischer Amaurose, sowie einer Hysterie mit refiectorischer 
PupUlenstarre, bei der die letztere durch eine abgelaofeoe Himlnes bedingt war. 

Bruns nimmt an, dass die schlaffe Ftosis der Hysterischen anf unbewusst will¬ 
kürlicher Aufhebung der Innervation des Augenlides beruht 

Möbius hält strenge an dem Satze fest: Es giebt keine hysterischen Augen- 
muskellähmungen, es giebt auch keine hysterische Ftosis. Er macht darauf aufmerk¬ 
sam, dass die einzelnen hysterischen Patienten eine sehr verschiedene Geschicklichkeit 
im willkürlichen Schliessen der Lider haben. 

Stintzing glanbt mit dem Vortr., dass es eine hysterische Ftosis gebe, und 
dass gerade das isolirte Auftreten der Ftosis häu^er bei Hysterie als bei organischen 
Erkrankungen und daher für jene charakteristisch sei. 

War da: Ueber degenerative Ohrformen. 

Vortr. untersuchte in der psychiatrischen Klinik zu Jena mit Zugrundelegung 
der 1895 veröffentlichten Zählkarte von Schwalbe 96 Männer und 87 Frauen. Die 
Form I der Darwin'schen Spitze fand sich überhaupt nicht. Form II und III bei 
den Männern in 16,7'^/o, bei den Frauen in 22,4 Der Durchschnittsformwerth 
der Darwin’schen Spina beträgt bei den Männern 4,3 — bei den Nichtbelasteten 4,2 
— bei den Belasteten 4,6; bei den Frauen 4,3, bezw. 4,6, 4,1. Der mikroskopische 
Ohrindex (Ohrbasis X 100: Ohrlänge) weist im Allgemeinen höhere Zahlen auf als 
bei Schwalbe. Die Belasteten incliniren zu etwas kleineren Werthen für den 
morphologischen und zu etwas grösseren für den physiognomischen Ohrindex. Auf 
die Wange verlängerte Lobuli fanden sich bei den Männern in 7,8 '^/q. bei den 
Frauen in 11,1'^Iq. Einfach angewachsene Lobnli bei den Männern in 31,7 ^/q, bei 
den Frauen in 40%. Zur Feststellung der Bedeutung gewisser Ohrd^nerationen 
empfiehlt Vortr. ausser der Vergleichui^ Kranker mit Gesunden, Belasteter und Un¬ 
belasteter vergleichende Messungen in den Familien mit psychopathischer Constitution. 

Teuscher: Einige Mittheilungen über sus^stive Behandlung. 

Vortr. tritt nach seinen Erfahrungen sehr warm für die hypnotische Behandlung 
von Kindern, sowohl zu therapeutischen als zu päd^ogischen Zwecken ein; er be¬ 
richtet über mehrere Fälle von Heilung der Masturbation, des nächtlichen Bettnässens, 
störender Unarten beim Sprechen u. A. m. Vielem Interesse begegneten die Aus- 
führnngen über eine hypnotisirte Familie, in welcher Vortr. zuerst einen an chorea¬ 
tischen Zuckungen leidenden Knaben heilte, sodann auf Verlangen des Vaters auch 
auf den Charakter des Kindes hypnotisch erziehlichen Einfluss nahm, worauf das 


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527 


Elternpaar von dem bei seinem Sohne erzielten Erfolg so entz&ckt war, dass es sich 
seinerseits einer hypnotischen Cor unterzog, die Mntter Henstroations* und Obsti¬ 
pationsbeschwerden, der Vater Ernfthrnngsstörnngen nach Alhobolmissbraoch wegen. 
Vortr. kommt zu dem Schlosse, dass aoch Kinder ohne Bedenken der Hypnose unter¬ 
zogen werden könnten. 

Discnssion: S&nger bleibt bei seiner Ansicht, dass man die Hypnose bei Kin¬ 
dern nicht anwenden solle, umsomehr als er Hypnose f&r kfinstlich erzeugte Hysterie 
halte; er komme stets mit Wachso^estionen aus. 

Möbius: Fsyohiatrisohe (jK>ethestadlen. 

Bef. mnss es mch leider versagen, die hochinteressanten AnafQhrungen vollständig 
wiederzi^eben, ist vielmehr zn einer dtlrftigen Ai^be des Gedankenganges genötbigt 

Vortr. ist der Ansicht, dass auch ftlr Goethe das Wort gilt: „Das Genie ist 
eine Nenrose“. Er findet, dass bei keinem anderen Dichter das Paihologische eine 
so grosse Bolle spiele, wie bei Goethe. Shakespeare hat sich die ärztliche Beobach¬ 
tung vielfach zogewendet, Goethe dagegen nie. Dass bei diesen beiden Dichtem 
krankhafte Personen oft im Mittelpunkte der Dichtung stehen, hängt offenbar mit 
ihrem „gegenständlichen Sinne“ zusammen, mit der treuen Beobachtung der sie um¬ 
gebenden Wirklichkeit Es erhebt sich nun die Frage, in wie weit hatte Goethe 
Gel^enbeit, krankhafte Geisteszustände kennen zu lernen ? JedenfoUs bildete er seine 
Anschauungen nicht aus p^chiatrischen liOhrbfichem, noch aus dem Besuche von 
Irrenanstalten, sondern durch die Beobachtung der Gesellschaft, durch allgemeine 
Literatur, durch das gelegentliche Gespräch. Bemerkenswerth ist, dass der alte Goethe 
einmal sagte: „Die Welt ist so voller Schwachköpfe und Narren, dass man nicht 
nöthig hat, sie im Tollbanse zu suchen.“ Vortr. bespricht kurz die Irrenpfl^e in 
Goethe’s Umgebung und Zeit und wendet sieh dann den pathologischen Naturen zu, 
mit denen Goethe in Berfihmng kam. Im Eltemhause verkehrte ein durch Dementia 
praecox blöde gewordener junger Mann, der Bechtscandidat Claner. Der gleichen 
Krankheit verfiel Goethe’s Jugendfreund Lenz, von dem er einmal sagte: „Er hatte 
zu viel gewollt, drum hat er zn wenig gekonnt.“ Zimmermann verfiel der Hypo¬ 
chondrie, Jemrälem, Knebel’s Bruder, der Dichter Kleist, das Fräulein von Gnnderode, 
Zeller’s Sohn, Merck endeten durch Selbstmord. Endlos ist die Beihe der Personen, 
deren Charaktere einen pathologischen Einschlag darbieten. Die Schwester Cornelia, 
die Pietisten in Frankfurt a./M., Jnng-Stilling, Herder, Lavater, Basedow, die Grafen 
Stolbeig u. V. A. 

Vortr. zählt dann die wichtigsten pathologischen Kguren in Goethe’s Werken 
auf; er nennt Weither, Gretcben, Orest, die Hddin des Dramas „Lila“, in Wilhelm 
Heister den Harfner, Mignon, den Grafen and die Gräfin, die schöne Seele, Aurelia, 
in den Wahlverwandtschaften Ottilie, in Wahrheit und Dichtung Lenz und Zimmer¬ 
mann, in Benvennto Cellini diesen selbst ond den Kerkermeister, endlich Tasso im 
gleichnamigen Drama. Letzterem gelten des Vortr. weitere Aosffihrungen, die darin 
gipfeln, dass Tasso ein an Paranoia leidender Geisteskranker war, dass es aber nicht 
in Goethe’s poetischer Absicht lag, ihn als einen ausgesprochen psychisch Kranken 
hinznstellen; andernfalls hätte sich Goethe dem Vorwürfe, der ihm vielleicht auch so 
mit einiger Berechtigung gemacht werden könnte, ansgesetzt, dass ein Schauspiel mit 
einem irrsinnigen Helden eine ästhetische Unmöglichkeit sei. Wie Goethe tlber seinen 
Helden dachte, gebt aus einem zu Eckermann geänsserten Worte hervor: „Ich hatte 
das Leben Tasso’s, ich hatte mein eigenes Leben und indem ich zwei so wunder¬ 
liche Figuren mit ihren Eigenschaften zusammenwarf, entstand mir das Bild des 
Tasso“. 

Der Vortr. scheidet in kritischer Weise den historischen und den in der Dich¬ 
tung gezeichneten Tasso. Und nachdem er den Lebensgai^ des Ersteren beleuchtet 
und nachgewiesen hat, in welcher Weise Goethe die verschiedenen Quellen benOtzte, 


Google 



528 


kommt er za dem Schlosse, dass der Ästhetische tasso dnroh den historischen ge* 
schädigt wurde, dass das Drama den Eindrack wecke, als werde in demselbMi mit 
grosser Sachkenntniss und Feinheit ein Kranker geschildert, der an beginnendem 
Terfolgungswahn leidet, in seinen Phantasien lebt, die Einsamkeit snoht, zn Zeiten 
auch dissimolirt. (Vortr. citirt mehrere Stellen aas der Dichtung zur Begrttndnng 
seiner Ansichten.) Fragen wir non, wie konnte es dem grossen Goethe geeehehen, 
dass ein Paranoiker im Mittelpunkte eines Dramas steht, and welches ist die Be* 
dentang der Schlassscen^ so glaubt Yortr., dass sich Q^he Aber die Bedentong 
der von ihm rerwendeten historischen krankhaften Zflge getäuscht habe, nicht aber, 
da«« er, wie Schöll annimmt, den ansbrecbenden Wahnsinn Tasso’s als Katastrophe 
(im Aristotelischen Sinne) verwenden wollte — eine solche ist vielm^ in dem 
tragischen Bruche zwischen Tasso und dem fürstlichen Hause groben —; was Goethe 
mit der Schlussscene wollte, das weise Niemand. Seiner Natur mag es widerstrebt 
haben, einen Ausblick auf endlosen Jammer zo bieten; glücklich konnte « seinen 
Helden aus historischen Gründen nicht werden lassen, so wählte er einen Schluss, 
bei dem Jeder denken kann, was ihm zu denken am liebsten ist. 

Discussion: Oppenheim spricht sich prindpiell gegen die YerBchwisterung 
psychiatrischer und ästhetischer Betrachtungen aus. Ooethe’s Tasso sei der von 
höchstem Idealismus erfüllte Mensch, der in die reale Welt nicht hineinpasse. Würde 
die Kunst sich darauf beschränken, uns Typen vorznführen, die vor dem strengen 
Forum der Psychiatrie als normal gelten, so würde uns Yieles und vielleicht das 
Beste verloren gehen. (Schluss folgt) 


IV. Vermisohtes. 

Einladung zu Jahrewiitrong des Vereios der deutsohiexi Irrenärste in Bonn 
am lü. and 17. September 1898. 

Vorläufige Tageeordnung: 

t. Antrag des Vorstandes: a) Die Jahressitzung weiterhin regelmässig im Frfihjahr ab* 
znhalten und zwar in der Woche nach Ostern, b) Als Versammlungsort mehrere Städte za 
bestimmen, in welchen in regelmässigem Turnus die Jahressitznngen al^ebalten werden* 
Vorgesohlagen werden zunächst Berlin, Fnuikfurt a./M. und MOnohra. 

2. Die Anwendung der Hydrotherapie und Balneotherapie bei psychischen Krankheiten. 
Bet: Prot Dr. Thomsen (^nn). 

8. Die ZareohnnngsfiUiigkeit der Hysterischen. Bet: Prot Dr. Fürstner (Strassbore). 

4. Deber Marksobeidenentwickelii]^ des Gehirns nnd ihre Bedeutung für die Lociui* 
sation. Bet: Prot Dr. Siemerliog (Tübingen). 

Das Localoomitö werden die Herren Pelman und Oebeke bilden. 

Die Anmektung von Vorträgen wird bis Hütte Juli erbeten. 

Der Vorstand. 


Die Aerzte des königl. Bades Oeynbaosen machen darauf aufinerksam, dass die nod» 
hätt^ für Oeynbaosen gemuebte Bezeichnung „Behme“ zu vielfachen MissverständniMea 
Veraniaaenng giebt, und zu vermeiden ist 


Dm Einsendung von SeparatabdrÜcken an den Herausgeber wird gebeten. 

Einsendungen für die Bedaotion sind zn richten an Prot Dr.E. Mendel, 
Berlin, NW. Schiffbauerdamm SO. 

Verlag von Vnrr & Coxp. in Leipzig. — Druck von Mnsoin & Wznie in l^ipsig. 




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itrm. Saniliisril Or. Prellers Wasserheilanstalt fllr Nerven-, Frauun- und chroaiwlie 
Krsnkheiten. Prospekte durch die Direktion. 

Dirigirender Anst: Dr. Ralf Wichmann, Nervenarzt. 


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Aleoholkranke ii. Morfiumkranke. 

Das ganze Jahr hindurch geöffnet. — Prospecte sowie o&here Aueknnfk 
iireh den Besitzer tind dirigirenden Arzt 

Wr. C> Ffirer, vorm. Assistent tos Herrn Prof. Kripelin in Heidelberg. 






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I Specialanstalt für Alkohol- und Morfiumkranke. 

f Prospecte koetenfrei. Dr. K» Römer, 




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ZaMnden leidenden Patienten einen geeigneten Aufenthalt in mittlerer ge* 
Kkfltzter 6ebii^;slage in der Nshe der besuchtesten Punkte des Harz-Gebirges. 
Slherea durch Prospecte. SanitätBrath Dr. Otto Müller. Dr. Paul Rehm. 




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Du» ganze Jahr hiiulurch geöffnet. S 

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K*S-Aafzag. Das ganze Jahr geöifbet and besucht. Näheres im Prospect. 

i5an.-B4th I>>*. C. W. Mflllei', dir. Arzt. I>t*. Werberloli. 

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vom königl. Rath Dr. Gager, 

Badearzt in Had-Gasteiu (.im Wiuter Curarzt in Arco) 

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achwXeben (auch durch Aloohol, Nicotin, Morfium), llautsehwXehen (Biiass, N< 

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1898 . 


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1898. 15. Juni. Nr. 12. 


I. Ori^lnalmltthsiluiiflsn. 1. üeber das innere Ohr bei der Anencephalie, von Dr. 
0. Veragnth in Zhrich. 2. Das mediale Opticasb&ndel der Taube, von Dr. Adolf Wallenberg in 
Danzig. 8. Syringomyelitische Dissociation der Sensibilität bei transversalen Myelitiden, 
von PrivabDoeent Dr. L. Minor. 4. üeber Magen-, Darm- und Hamblasencontractionen 
während des epileptischen AnfsUs, von Dr. W. Ostlpow. 5. Ein mit den Symptomen des 
Malum suboccipitme einhergehender Fall von Gehimgescbwulst and Hemiatropma linguae, 
von Dr. JobMn Wonbardt. 

II. Roferato. Anatomie. 1. Enerimentelle Untersuchungen äber den Aufbau der 
Binterstr&nge beim Affen, von Margulids. 2. Sur le gro^ement des Obres endogenes de 
la mobile dans les oordons postdrieurs, par Diriour. — Efzperimentelle Physiologie, 
3. Troubles trophiques oon8wQti& ä la section des raoines postbrieures mbdullaires, par 
Moral. 4. Coesistono centri sensitivi e centri motori nella zona volandica corticale de cer- 
vello umano? per Negro e Oliva. — Pathologische Anatomie. 5. Sul comportamento 
delle cellule nervöse dei gao{^i spinali in segnito al taglio della trauca centrale del loro 
prolungamento, per Lugaro. 6 . Untersuchung Ober das Verhalten der hinteren Wurzln bei 
einem Falle von Tabes dorsalis. von Dambaeher. 7. So alcuni rapporti tra le alterazioni 
del nucloo e del protoplasma delle ceUule nervöse corticali (paralisi generali), per Grimaldi. 
8. Ricerohe batteriolo^ohe sul liquido cefalo-rachidiano dei dementi paralitici, per Monlesano 
et Hontotsorl. 9. Patholopcal changes in nerve cells, by Warrington. 10. Beitrag zur 
Pathologie der GanglienzeUe, von Juliuä)urgor und Meyer. 11. Ueber NervenzeUveranderungen 
des Voraerhorna.^ bei Tabes. Ein Beitrag zur Pathogenese der trophiscben Störungen -.er 
Tabes, von Schaffer. 12. Degenerationen der Torderhomzellen des Röckenmarks bei Dementia 
pvaljtiea, von Borger. — Pathologie des Nervensystems. 13. Le tabes dorsalis. par 
rbillppo. 14. De la topographie des troubles sensitifs Jans le tabes; ses rapports avoc les 
sensationa des tabdtiqnes, par MariPieteo. 15. Le tabes d’api^s les travauz du Dr. Pierret, 
par Klippel. 16. A case of tabes dorsalis with delusional iosanity, by Simpion. 17. Mal 
perforant du pied nach Embolie der Arteria poplitea, von Stummer. 18. Locomotor ataxia 
with sdmost complete analgesia, bj Beevor. 19. De la eure radicale du mal perforant par 
l'dloDgatioD des nerfs plantaires, par Chipaiilt. 20. Ueber die Coincidenz von Tabes dorsalis 
und Aortenerkrankongen, von Enelln. 21. Contribnto allo studio clinico della tabe, per Parde. 

28. Le dennographisme dans le tabes dorsalis, par RaTchtlne. 23. Zur Symptomatologie der 
Tabes, Ton Banda. 24. Ein Fall von Tabes dorsalis mit Herpes zoster, von Wostphat. 
25. üeber erbliche Tabes, von Kallscher. 26. Ueber infantile Tabes und hereditäre sypbi- 
Hüsebe Erkraokuagen des Centralnerrensystems, von Kallscher. 27. Locomotor ataiia in 
husband and wife, hjj Trevalyan. 28. Ist die progressive Paralyse aus den mikroskopischen 
Befanden an der Grossbimrinde pathologisch • anatomisch diagnosticirbarP von Schmidt 

29. La demenza paralitica negli imbecille, per Cappelielll. 30. Ett fall af h^okondrisk 
paraijs med tabetis&a Symptom, afMarcut. 81. 1. demenza paralitica nei peUagrosi, per 
Ranotta. — II. Della demenza paralitica nei petlagrosi, per Verga. — III. Replica, per Planotla. 
88. Die Bolle der Lues bei der Tabes und der Paralysis progressiva, von Sarbd. 38. The 
earlj diagnosis of tabes, by Meisewitz. 34. Die Bebandlnne der Gan^törungen bei Tabes 
vermittelst der Uebungstherapie, von GrSupner. 35. Oiu den s. k. heredit^ cerebellara 
atazien, af Lennmaim. 36. Tne morbid anatomy of a case of bereditary atazie, by Meyer 
and Brdwn. 37. Notes on three eases of cerebral tumour occurring in tbe insane, by Good- 
tifle. — Psychiatrie. 38. Ueber den AlkoboliBmus. von SIkorski. 

34 






530 


IIL Am dMi SestiltchaflM. OMellsohaft der Nenropatholo^ and Inenärata sn 
Moekaa. — ni. VeraammlaDg: mitteldeutscher Psychiater and Neorologen in Jena am 
1. Mu 1898. (Schloss.) — Yerein fhr Psychiatrie and Neurologie in Wien. — XXIll. Wander» 
TersammluDg der sfidweetdentschen Neorologen and Irrenär^ za Baden*Baden am 21. and 
22. Mai 1898. (Schloss folgt) 
iV. Bsrlektlgang. 


L Onginalmittheilnngen. 


[Ans dem hirnanatomisohen Laboratorium des Hm. Prof. y. Monakow in ZüricL] 

1. Ueber das innere Ohr bei der Anencephalie. 

Von Dr. O. Veragnth in Zflrieh. 

Nachdem im Jahre 1891 y. Monakow^ das Vorhandensein von Spinal- 
ganglien bei Amyelie nachgewiesen und die generelle Bedeutung dieses Bef^des 
heiYo^ehoben hatte, ist es weiteren Untersuchungen über Anencephalie und 
Terwandte Missbildungen vielfach gelungen, durch analoge Resultate das Piincip 
der „Selbstdifferenzirang^' (Roux) auch bei anderen früh abgeschnürten Theilen 
des Nervensystems zu zeigen und dadurch teratologisch die Behauptung der 
modernen ^biyol<^e zu erhärten: dass im Entwickelungsplan des Nerven¬ 
systems ein ^ühes Ausschwärmen von Gai^lienzellengrappen und Auswachsen 
von späteren rückwärtigen Verbindungen mit dem MeduÜarrohr vorgesehen ist 
Namentlich war es die Retina der Anenoephalen, welche die Forscher intereesirte 
imd über die die Ihscussion noch nicht geschlossen zu sein scheint Dass bisher 
dem inneren Ohr der Anencephalen von keiner Seite Beachtung geschenkt 
worden ist, mag füglich auffallen. Denn es ist a priori festzustellen, dass das 
Fehlen oder Vorhandensein des Ganglion spinale ein gewicht^^ Glied in der 
Beweiskette g^n oder för den obigen Satz bedeutet; ebenso ist von vomhaein 
zu erwarten, dass — analc^ der Retina der Anencephalen — die Gebilde im 
Ductus cochlearis bei dieser Missbildung principiell wichtige Befunde bieten 
werden. So scheint mir denn der Befund, den das Felsenbein eines Anencephalen 
bietet, der am hiesigen Laboratorium untersucht worden ist, einer vorläufigen 
MitÜieilung wertin 

Dasselbe gehörte einem 7 Monate alten Anencephalen an. Nach Fizirung 
■ in MüLLBB’scher Flüssigkeit, Entkalkung, Härtung in Alkohol, Einbetten in 
Celloidin wurde das Präparat geschnitten und mit Hämatozylin-Eosin, zum Theil 
mit Carmin ge&rbt 

Zwischen der Schnecke und den übrigen Theilen des Labyrinths verläuft 
im Enorpelgewebe ein parallelstreifiges dünnes Band. Ob die feinen Linien, die 
zwischen den kleinkörnigen Zellen verlaufen, zum Theil als Nervenfssem an- 

* CoiTe8pond«nzbl. f. Sohweizzr Äerzte. 1892. — YergL zach O. v. Lsoitowa, diwm 
Czotralbl. 1898. 


Dg I. j : :iy Google 



531 


zQsprechen sind, oder ob es sich nnr nm ein bindegewebiges Stroma handelt, 
ist hei der angewandten Färbung nicht zu entscheiden; jedenftdls aber entspricht 
die Lage des Gebildes der des Ramus cochlearis nern aoustid. Innerhalb dieses 
Gewebes fallen grossere und kleinere Haufen von unTerkennbaren Ganglienzellen 
auf, deren jede einzelne durch einen Hof Yon dem umgebenden Bind^webe 
getrennt ist, und ein feinkörniges Protoplasma einen von einer helleren Zone 
umgebenen centralen Hem aufweist Als Ganglienzellen documentiren sich 
dieselben — trotz des Fehlens Yon Protoplasmafortsatzen und Aiencylindem, 
durch das absolut gleiche Aussehen, wie es die Ganglienzellen im wencephalen 
Bäckenmark und in den Spinalganglien bieten; Yom umgebenden Gewebe heben 
sie sich durch ihre Grösse ab. — Einzelne solcher Zellen sind auch im Knorpel- 
gewebe der Schneokenspindel nachweisbar. Das Ganglion spirale ist dem¬ 
nach Yorhanden. 

Die knöcherne Schnecke ist wohl ausgebüdet und makroskopisch schon 
sichtbar. Unter dem Mikroskop zeigt es sich, dass auch die häutige Schnecke 
auf einer gewissen Entwickelungss^e angetroffen wird. Die RniBsnEB’sche 
Membran ist wohlentwickelt, ebenso das Ligamentum spirale, beide sind auf 
ihrer dem Ductuslumen zugekehrten Oberfläche Yon Epithel bedeckt, erstere you 
einscbicbtigem, letztere Yon einer Menge kleinerer cylindrischer Zellen. Die 
tympauale Wand, in den meisten Schnitten im häutigen Theile gerissen, zeigt 
auf wenigen die ganze Continuität Yom Limbus spiralis bis zum T.i gftm. spirale. 
Der Sulcus spiralis ist scharf umgrenzt — Am lÜmbus spiralis lassen sich die 
papillären Erhebungen des Bindegewebes, die HuscHKs’schen Gchörzähne, deut¬ 
lich sehen, dazwischen li^en hellere Kerne mit sdiarf umschriebenem Kern. 
Die Lamina spiralis membranacea lässt ihre drei Bestandtheile: Membrana basi- 
laris, tympanale Belegschicht und Epithelbelag zwar erkennen, doch sind die¬ 
selben zum Theü noch unYoUkommen entwickelt Erstere nämlich zeigt in der 
äusseren Hälfte der Zona teota und in der Zona pectinata eine Unterbrechung 
derart, dass das tympanale Bel^;gewebe allein eine Continuität Yom CoBTi’sohen 
Organ nach der Peripherie heizustellen scheint Die Zellen, die das CosTi’sche 
O^an hätten bilden sollen, sind so angeordnet, dass immerhin ein Arcus spiralis 
angedeutet und ein „Tunnel“ unverkennbar ist Denn die inneren uud äusseren 
Ff^erzellen sind vorhanden. Es fehlen aber die Hensen’schen, die Deiters’- 
schen, die äusseren und die inneren Haarzellen; an ihrer Stelle finden sich 
unentwickelte, rundliche Epithelzellen von embryonalem Charakter und noch 
unbestimmter Anordnxmg. ln Folge dessen kann auch von Nuel’sohen Bäumen 
nicht die Bede sein. — Ueberdeckt sind diese Gebilde von der zierlich gestreiften 
Membrana tectoria. 

Es eigiebt sich hieraus, dass in unserem Präparat vom epithelialen 
Antheil der häutigen Schnecke genau das sich entwickelt hat, was 
mit dem Nerven selbst später nicht in directe Verbindung gekommen 
wäre, dass aber alle Zellen, an denen die Endausbreitung des 
N. cochlearis hätte stattfinden sollen, sich nicht differenzirt haben. 


S4* 


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532 


2. Das mediale Opticnsbündel der Taube. 

Ton Dr. Adolf WaUenborg in Danzig. 

Im Tractns opticus der Y^el lässt sich eine mediale Faseigruppe gesondert 
Yon den übrigen bis an die candale Grenze des Mittelhims verfolgen. Hier 
verschwindet sie in einer grossen wohlbegrenzten Anhäufung von Ganglienzellen, 
die lateral vom Trochleariskeme gelten als „Ganglion isthmi“ (finiNOsa), 
„Ganglion opticum dorsale“ (Jelgebsha) bezeichnet wird. Das Bändel ist von 
Bellonci^ SmoBB und Mükzeb, besonders von Fbblia* genau beschrieben. 
Letzterer wies auf degenerativem seine Abhängigkeit vom Ganglion isthmi 
nach und folgerte daraus eine centrifugale Natur seiner Fasern. Jelgebsha’ 
konnte durch NissirFärbung nach Enucleation des Bulbus einen degenerativen 
Untergang der Zellen des Ganglion beobachten und auf diese Weise die Resultate 
Perlia’b bestätigen. Aber es fehlte bisher noch das letzte Glied in der Beweis¬ 
kette, dass die Fasern des Bündels im Ganglion isthmi ihrm Ursprung besitaeu. 
Zu diesem Zwecke war es nothwend^ das Ganglion selbst zu zerstören, denn 
erst dann war es möglich, die von ihm ausgehende Degeneration nicht nur, wie 
bisher, in das Ghiasma hinein zu verfolgen, sondern auch die Endausbreitung 
der degenerirten Fasern innerhalb des Bulbus oculi näher zu studiren. Es ist 
mir in den Jahren 1896 und 1897 bei 3 Tauben gelungen, das Ganglion theils 
isolirt, theils mit solchen Nebenverletznngen (Kleinhirn, Trochlearis, dorsale 
Isthmns-Theile) zu zerstören, dass die vom Ganglion entspringenden Fasern sich 
mühelos von den übrigen Degenerationen trennen Hessen (Fig. 1). Das mediale 
Opticusbündel (Pbblia nennt es a. a. 0. das „mediane“, Bellonci zählt es 
zur „vorderen oberen Opticnswurzel*^ degenerirte in Folge der Verletzung und 
konnte auf diese Weise mit Mabohi’s Ghromosmiumfarbung bis in seine peri¬ 
pheren Endzweige genau verfolgt werden. Ich verzichte an dieser Stelle auf 
eine genaue Beschreibung der Lage des Bündels in den verschiedenen Höhen 
des Mittel- und Zvnschenhims, da sie nur Bekanntes (s. Pbblia a. a. 0.) wieder¬ 
holen würde, und beschränke mich darauf, in kurzen Worten diejenigen Resultate 
wiedeizugeben, welche mir als neu erscheinen mussten. Das mediale Opticus¬ 
bündel bildet den medialsten und am weitesten proximalwärts reichenden An- 
theil des Tractus, giebt auf dem Wege vom Ganglion isthmi durdi Mittelhim 
und Thalamus Fasern an die Umgebung ab, an die Lobusrinde, insbesondere 
aber an den dorsalen Theil des Corpus geniculatum thalamicum und an einen 
schmalen Kern mit ziemlich grossen Zellen, welcher sich zwischen den Nucleos 
rotundus thalami und den ventralen Pol des dorsalen Corpus geniculatum ein- 


* Ueber die centrale Endigong des N. optie. bei den Vertebraten. Zeitsebr. f. wisaenach. 
Zoologie. 6d. XXXXVII. 1888. S. U. 

* Ueber ein nenes Opticascentrum beim Hohne. G&abfb’s Archiv. 1889. 

’ Die sensiblen and sensoriBcfacn Nervenbahnen and Centren. Nearolog. CentralbL 
1895. S. 290. 


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538 


schiebt (Fig. 2).^ Dorsal vom Cbiasma zerfallt es in eine Anzahl schmaler 
Fasergnippen von ungleicher Dicke, geht mit der Hauptmasse nabe an der 
dorsalen Chiasmagrenze auf die andere Seite, während ein kleinerer Theil lateral- 
wärts in scharfem Bogen absobwenkt und auf diese Weise an die gleichseitige 



Fig. 1. IsthmoB d«r zweiten «»erirten Taube mit dem Stichcanal (Edinobb'b 
Zeiobenapparat, ca. 7faohe vergrosserung, anch die Figg. 2—5, 7 q. 9). 

Ecke gelangt (Fig. 3). Trotz dieser lateralen Lage scheint das letztgenannte 
Bändel schliesslich auch noch zu kreuzen, wenigstens konnte ich im gleichseitigen 
Opticns keine Fasern antreffen, welche mit genügender Sicherheit als degenerirt 
batten angesehen werden können. Aus dem Chiasma zieht das mediale Opticus¬ 
bündel zuerst an die laterale Seite des gekreuzten Opticus, breitet sich dann in 



Fig. 2. Caodaler Theil des Tbalamos (dritte operiite Taube). 


schräger Richtung von dorsolateral nach ventromedial als ganz schmale Schicht 
aus, die vom dorsalen und ventralen Bande ziemlich gleich weit entfernt bleibt, 
während sie lateral sich der Peripherie mehr nähert (Fig. 4). Es kommt dabei 
natürlich sehr viel auf die Schnittrichtung an, und bei einer anderen Taube, 


* Anmerkung bei der Correctur: An gleicher Stelle bat Edikobb schou einen groBs- 
B^ligni £em gesehen. 


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584 



8. PronniAler Thdl d« ThalamoB (dritte operirte Taube). 


bei der ich den Opticus senkrecht zur Axe schnitt, war das Bündel deutlich als 
mediane rundhohe Gruppe mit ganz geringer Excentridtat zu sehen. Die Ein- 



4. Quersohnitt dea 
liuen Optieue der dritten 
reobte>operirten Taube. 



Fig. B. linker Bolbos der dritten Taube, hin¬ 
terster AbsohnitL ESinetrahlong des Optiens in 
die Betina. 



'W .V 




Strahlung des Opticus in den Bulbus der Taube vollzieht sich bekanntiich in 
einer schrägen, eben&Us doisolateral-medioventndwarts gerichteten schmalen 
.. Leiste, die nahezu ausschliesslich dem 

i inneren, unteren, hinteren Engelsegment 

angehört Der Winkel, den die Papille 
mit der Senkrechten bildet, beträgt et¬ 
was mehr als SO*’. Es wird demnach 
durch die Papillenleiste und den toq 
ihrer ganzen Länge ins Innere dee 
Auges Torspringenden „Fächer** der 
Bulbus in eine vordere, innere, obere 
und eine hintere, äussere, untere Ab- 
theüung zerl^ Das mediale Opdcos- 
bündel strahlt nun, wie aus Hg. 5 er¬ 
sichtlich ist, fast voUständ^ nach der 
äusseren hinteren Abtheilung aus^ indem 
es mit den anderen Opticusfasem in die 
Betina eindrii^ xmd hier zwischm den 
Zellen der Ganglienschicht endet (Fig. 6, 
Vereinzelte Fasern dringen anscheinend noch durch die innere Molecolar- 



Fig. 6. Stflek a der Fig. 5 bei oa. 40£acher 
yergröBsemog. (Zaus Obj. Aa, Oeolar 2, 
AbbS's Zeiobenapparat, aof Vi verkleiDeit.) 


7, 8). 


Dig l/oö Dy Google 



535 


schiebt bis in die Nähe der inneren Eömerschioht Die einzelnen Zellen werden 
von den Endzweigen wie von den Branchen einer Zange umfasst ^ig. 8). Das 
auf diese Weise vom medialen Optioosbündel hanptsäc^oh verso^te Gebiet be¬ 
ginnt erst weit lateralwarts von der Papille und zieht sich, soweit ich bisher 



Rg. 7. Linker Bnlbos der dritten Tanbe weiter Tom 
als Fig. 5. 



ca. 200 fiush. Yergrösserang. 
(Zbub Oln. D, Ocnlar 2, 
ÄBn^s 2 eiobenJ 9 parat) 


artheilen kann, bis in die Nähe der Fovea lateralis, wo die Nerven&seischicht 
aufhörL Nach innen von der Papille lassen sich nur spärliche Degenerationen 
naohweisen. 

Das mediale Opticasbändel entspringt also im Ganglion isthmi and endigt 
in der Betina um die Zellen der Ganglienscbioht Auf seinem dorthin 



Fig. 9. Isthmus einer Tanbe mit Bindenätznng des JA>ba8 opttens. 


giebt es Zweige an die centralen Endstätten des Opticas (Lohns opticus, Corpus 
genicnlat thalamic., grosszelliger Eem s. o.) ab. Bei dieser innigen Yerbindung 
des Ganglion isthmi mit peripheren und centralen Abschnitten der Sehbahn 
muss die Frage nach seiner Funetton als eine für den ganzen Sehakt wichtige 
bezeichnet werden. Einen kleinen Beitr^ zur Lösung dieser Frage glaube ich 


D g vocl oy Google 


536 


durch einen Befund liefern zu können, den ich bei 4 Tauben nach Binden- 
zeistörung des Lobus opticus (oberflächliche Aethylchloridnekroee, tiefere Aetzung 
mit Salpetersäure) und UAscHi-Färbung wheben konnte. Aus der tiefen 
läge der Kinde, dort wo die Fasern des „tiefen Markes*^ entspringen und ein- 
münden, lösen sich im Bereiche der zerstörten Rindenzone einzelne Zweige ab, 
treten caudal- und medialwärts zu einem geschlossenen Bändel zusammen, 
welches ventral vom lateralen Winkel des Höhlengrau, dem lateralen Längs¬ 
bändel ang^liedert, caudalwärts zieht, in der Höhe des Trochleariskems schräg 
dorsomedialwärts zum ventralen Hilus des Ganglion isthmi gelangt und sich nm 
die Zellen desselben au&plittert (Fig. 9). Diesen Traotus isthmo-tectalis 
hat, wie ich naditräglich durch die Freundlichkeit des Herrn Prof. Dr. Edingeb 
in Frankfurt a./M. erfahren habe, Gaüpp' auch beim Frosche an gleicher SteUe 
gefunden, vor ihm P. Bamön t Cajal. Die Fasern des tiefen Markes and 
nun in erster Reihe mit den Endstätten des Opticus (oberflächliche und mittlere 
Schichten der liObusiinde) verknüpft, enthalten jedoch bekanntlich ausserdem 
centrale Verbindungen mit den Endkemen anderer sensibler und motodsc^er 
Nerven. Wir haben demnach das Ganglion isthmi als Oentrum eines Beflex- 
bogens zu betrachten, dessen zuleitender Schenkel (Tractus isthmo-tectalis) Er¬ 
regungen in erster Reihe optischer, aber daneben auch acusüscher und anderer 
sensibler Oentren auf die ^Uen des Ganglion und dadurch auf die Fasern des 
medialen Opticusbündels zu übertr^en verm^, welches dem centrifogalen 
Schenkel des Bogens entspricht. Letzterer endet hauptsäcMch in der Retina 
um Zellen der Ganglienscbicht und um ihre Dentriten, daneben in centraden 
Opticu^bieten. Alle diese Zellgruppen können auf dem W^ durch das 
Bündel in ihrer specifischen Function (Leitung und Uebertragnng optischer 
Eindrücke) beeinflusst werden, und das besonders in der Umgebung der Zone 
deutlichsten Sehens. Auf diese Weise resnltirt ein Apparat, der in hohem Grade 
dazu geeignet ist, durch sensorische und sensible Err^ungen die Aufnahme¬ 
fähigkeit des Sehoi^ans an bestimmten Stellen zu verstärken oder abzusehwächen, 
d. h. eine Art von Accommodation der Retina zu schaffen. Dieser Apparat 
ist bei Säi^em, also auch beim Menschen bisher nicht gesehen worden. Gelange 
es ihn aufzufinden, so hätten wir meiner Ansicht nach eine anatomische Basis 
für manche bisher unerklärliche Daten der physiologischen Optik. Ich erinnere 
nur an die Erscheinungen des Gontrastes, der Nachbilder, an die Verändemng 
der Sehschärfe durch gleichzeitige andere Sinn^rregungen, deren Grund 
bisher lediglich in functionellen Veränderungen der Grosshirnrinde gesucht hat. 
Ob auch die zuweilen beträchtliche Accommodation Aphakischer mit dieser Ein- 
richtuug in Zusammenhang zu bringen ist, lasse ich dahingestellt 

Wenn ich mir auch der hypothetischen Natur dieser Folgerungen aus 
meinen anatomischen Befunden wohl bewusst bin, hoffe ich doch zu 
prüfungeu und zur Bearbeitung der Frage angeregt zu haben, ob nicht ähnli ft be 


‘ Aoatomie des Frosches. II. Abtb. 1. Hälfte. Lehre vom NerveDsystem. 2. Aafl 
S. 47 XX. 50. Fr. Vieweg o. Sohn. Braonsohweig. 


DiQ'iii’od 


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— 537 — 

fänrichtiiD^n anch im Bereiche anderer Sinnesorgane nnd Sinnescentren be¬ 
steh«!. 

Herrn Prof. Dr. Edinobb sage ich meinen herzlichen Dank für seine freund- 
liebe Unterstützung mit Litteratur. 


3. Syringomyelitische 

Difisociation der Sensibilität bei transversalen Myelitiden.^ 

Von PriTBt • Docent Dr. L. Minor in Moskau. 

M. H.! ln Nr. 20 der Semaine M6dicale vom 13. April 1898 ist eine 
interessante Arbeit von Prof. Mabinesoo unter dem Titel: „Sur les paralysies 
flasques par compression de la moelle“ erschienen, in welcher sich eine TJn- 
genauigkeit eingeschlichen hat, die ich mich verpflichtet fühle, zu berichtigen. 
In diesem eben genannten Aufeatz beschreibt Masinesco einen Fall von trau- 
matiseher Myelitis bei einem 19jährigen Kranken, welchen eine Kugel in der 
Höhe des Angul. soapulae links getroffen hatte. Gleich nach dem Trauma 6nt> 
wickelte sich bei dem Kranken eine schlaffe Parapl^ia inferior mit Verlust der 
Patellwefleze und Betheiligung der Sphinkteren. Mit diesen Erscheinungen 
trat er am 30. Ai^ost 1897 in die Abteilung des Prof. Mabinesco (Hospital 
Pantelimon in Bukarest) ein, wo ausser dem oben erwähnten Befunde die Unter- 
suobang eine Zone syringomyelitischer Dissociation der Sensibilität gleich ober¬ 
halb des Gebietes completer Anästhesie ergab. Eben diesen letzten Umstand 
hebt Prtf. Mabimbsco in seiner Arbeit folgendennaassen hervor: „Ces obser- 
vations m’ont permis en outre de relever au conrs de la compression deux 
symptomes qui n’ont pas encore ötö signalös dans la myölite trans- 
verse: je veux parier de l’existence de la dissociation syringo- 
myelique et du r^ex omitralateraL^^ 

Indessen ich habe am 21. Ax^ust 1897 — also 7 Monate vor der 
Publication des Falles von Prof. Mabinesoo — in der Sitzung der Neuro¬ 
logischen Section des XXL Internationalen Ckcngresses einen Yortr^ unter dem 
Titel: „Klinische und anatomische Untersuchungen über traumatische Affectionen 
des Hückenmarks“ gehalten, in welchem ich über 8 völl^ analoge klinisch und 
anatomisch untersuchte Fälle completer Bückenmarkszerquetschung berichtete; 
ich demonstrirte damals eine Beihe von Zeichnungen, die ich auch heute mit¬ 
gebracht habe, um die von mir damals beschriebenen Störungen der Sensibilität 
in Ihrem Gedäditnisse aufzuMschen; weiterhin projicirte ich auf dem Ekran 
von meinen Fällen mikroskopische Präparate, die ich heute wiederum mitgebra<dit 
and habe viele von diesen Präparaten nach der Sitzung unter den anwesenden 
Gelehrten vertheilt. 


* Vortrag, gehalten am 6. Miü 1898 in der GeeellBohaft der Hoskaner Neurologen und 
Irrenärzte. 


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588 


ln den von mir berichteten Fällen la^ im Fall IV eine complete schlaffe 
Paraplegia infer. vor, totales Fehlen der Patellarreflexe, Stömng der Sphink- 
teren and eine Zone syringomyelitischer Dissociation der Sensibilität 
gleich oberhalb der Zone vollständiger Anästhesie; bei der mikroskopischen 
Untersachang constatirte ich eine totale Zerquetschnng des Bücken- 
marks mit consecativer Myelitis an der Stelle des stattgehabten Traumas. 

Im Fall Y: nach einem Traama complete schlaffe Paraplegia infer., 
Patellaneflexe beiderseits =^0; eine Zone totaler Anästhesie and oberhalb 
derselben syringomyelitische Dissociation der Sensibilität; mikro¬ 
skopisch eine Myelitis and Compression onterhalb der Stelle des Knochen- 
traumas. 

Im Falle VI nach einem Traama vollständige schlaffe Paraplegia 
inferior; Patellarreflexe beiderseits » 0; eine Zone totaler Anästhesie, oberhalb 
welcher eine Zone syringomyelitischer Dissociation der Sensibilität 
Mikroskopisch eine völlige Zertrömmerong des Bückenmarb an Stelle des 
Traamas. 

Endlich im Fall vlii: ebenfalls nach einem Tranma, vollkommene Para- 
plegia inferior and paitielie obere; Patellarreflexe » 0; von den Mammillm 
abwärts vollständige Anästhesie, oberhalb derselben aber eine Zone scharf 
ausgesprochener syringomyelitischer Dissociation der Sensibilität 
Die Autopsie and nachfolgende mikroskopische Untersuchung zeigten am Orte 
des Traumas eine solche Zertrümmerang des Bückenmarks, dass anstatt dasselbe 
sich an dieser Stelle Sack der Dura mater mit einer formlosen breiartigen 
Masse vorfand. 

In der Sitzung vom 21. August befanden sich znr Disposition aller An¬ 
wesenden^ die ausführlichen Thesen meiner Arbeit in deutsch und französisch, 
welche in der Semaine Mödicale. 1897. Nr. 44 und im Nenrolog. CentralbL 
1897. S. 868 ohne Verkürzungen wiedergegeben sind. Was ich damals in 
meiner Arbeit zum Ausdru^ brachte, geht aus den folgenden I^uragraphen 
dieser Thesen hervor, die ich wörtlich wiedergebe; 

L In schweren zur Autopsie gelangten Fällen von tranmatisoher Verletzni^ 
des Büokenmarks in Folge von Bruch, Deviation, Luxation u. dergl. der Wirbel 
kann man häuflg zweierlei Arten von Erkrankungsherden constatiren. Die einen 
derselben könnte man ,4ocale“ — die anderen „looalisirte“ nennen. 

n. Der locale Herd liegt unterhalb der Stelle des Knochen-Traumas und 
repräsentirt eine einfache, unordentliche, in keine Begeln einzufügende 
mechanische Zerstörung, Zertrümmerung, Zermalmung der Bückenmark¬ 
substanz. In den selteneren Fällen, wo ein leichter Druck stattgefrmden hatte, 
kann man das histologische Bild einer Compressionsmyelitis finden. 

VII. Unter den Uinischen Erscheinungen muss, abgesehen von dem be- 


' Es wohnteo dieesr Sitzung Ean, Fb. Sobultzb, OppnrHBDf, PnvBs, Schlbsiwcb, 
Mabixbbco u. A. bei. 


Dig :i/od 


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539 


kannten Fehlen des Kniereflexes bei den Teisohiedensten Localisationen des 
TraomaS) ganz besonders hervorgehoben werden eine von Yerf. in 
den meisten seiner Fälle beobachtete, zuweilen recht breite Zone 
von sjringomyelitischer Dissociation der Sensibilität (Erhalteosein des 
Tastgeföhls bei Yerlnst des Schmerz- und Temperatursiimee) in den un¬ 
mittelbar oberhalb des Gebiets der vollen Anästhesie liegenden 
Segmenten. 

Aus diesem allen ist zu ersehen, dass lange vor der Publication der Beo¬ 
bachtung des Prof. Mabinbbco, die syringomyelitische Dissooiation der Sensi¬ 
bilität bei traumatischen diffusen Afleotionen des Bnckenmarks von mir nicht 
nur ansfOhrlich beschrieben worden ist, sondern auch auf diese Erscheinung 
besondere Aufmerksamkeit (attention spdciale) gelenkt und der Yersuch ge¬ 
macht worden ist, dieser Thatsache ^ meine und analoge Fälle eine ent¬ 
sprechende Erklärung zu geben. 


[Aus dem anatomisch-physiologischen Laboratorium der Nerven- und psyohiatr. 

Klinik von Prof. W. v. Beobterew.] 

4. Ueber Magen-, Dann- und Ham- 
blasencontractionen wahrend des epileptischen Anfalls. 

[Yorläufige Mittheilung.] 

Yon Dr. W. Ossipow. 

Tonische und clonisohe Krämpfe ersdieinen als oharakteristisoher äusserer 
Ausdruck des epileptischen Anfalls. Die Klinik setzt aber den Grund voraus, 
dass sich dabei die glatte Muskulatur auch nicht nnthätig verhält 

Trotz der sehr umfangreichen klinischen und experimentellen Litteratur 
über Epilepsie erscheint dieser G^enstand nur in Bezug auf das Gefasssystem 
au^earbeitet (Todobset, Boeisohpolset). Der übrige Theil der glatten 
Muskulatur aber bleibt also, abgesehen von einigen beiläufigen Angaben der 
Autoren in dieser Richtung (Bbowk-SEquabd, Yulpian) ganz unberührt Mit 
grossem Interesse hatte ich ans diesem Grunde den Yorschlag des hochverehrten 
Prof. W. y. Bechtebew angenommen, die Beziehungen der glatten Muskulatur, 
wenigstens des grossen Bereichs derselben (nämlich der des Mt^ns, Darms 
und der Harnblase), zum epileptischen Anfalle zu untersuchen. 

Meine Experimente sind an Hunden angestellt worden. Ihre epileptischen 
Anfälle wurden durch den Reiz des Inductionsstromes auf das motorische Gebiet 
der Hirnrinde oder durch das Einfuhren von essence d’absinthe cultivde in eine 
Yene des Thieree hervorgerufen. 


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540 


Mittelst der LuftwusMtlbeiigiabe wurden die Bewingen des Msgenkörpen, 
seines Fyloms und Cardialtbeils, des Zwölffingerdarms, des Dünndarms (leiasom 
und Deum), des Dk&darms (Colon und Rectum) und der Harnblase aaf dm 
Papierstrttfen des Lunwio’soben Kymogr^hion vor, während und nach dem 
epileptischen Anfälle an^gesobiieben. 

Da meine Arbeit jetzt beendet ist, so halte ich es für reohtzäüg, die m 
mir ermittelten Resultate kurz zu yer^entlichen. Ein ausfohrlii^eT Vortrag 
über die vorhuklene Litterator des G^ienstandes, die angestellten Versudie und 
ermittelten Resultate wird in einem spemellen Artikel erscheinen. 

Meine üntersochnngen ergaben folgende Resultate: 

1. Während des eiüleptischen Anfalls kommen die Contractionen des 
Magens, der Gedärme und der Harnblase zum Vorschein, welche gewöhnlich 
noch eine geraume Zeit nach dem Ablaufe des Anfiilk fortbestehen. 

2. Magencontractionen kommen etwa in 50^/o der Anfälle vor und be¬ 
schränken sich hauptsächlich auf Gardia und Pjlorustheile des Magens. 

3. Contractionen des Dünn-Dickdarmes und der Harnblase bilden eine be¬ 
ständige Erscheinung des epileptisdien Anfalls. 

a) Zwölffingerdarmcontiactionen nehmen ihren Anfang in der donischeo 
Periode des Anfalls oder kurz nach dem Aufhören der Krämpfe der quer¬ 
gestreiften Muskeln. 

b) Dünndarmcontractionen beginnen ungefähr in der Mitte der doniscbeo 
Periode des epileptischen Anfalls. 

c) Dickdarmcontiaotionen erscheinen entweder in der tonisch»! oder in der 
clonischen Periode des epileptisdien Anfall» ; sie erscheinen öfters im Anfänge 
der clonischen Periode. 

d) Contractionen der Harnblase kommen gewöhnlich im Anfänge der 
tonischen Periode des epileptischen Anfalls zum Vorschein. 

4. Die Contractionen der Gedärme und der Harnblase sind sehr stark; 
dieselben haben den Chardrter eines lange dauernden spastischen Krampfes. 
Das bezieht sich besonders auf Contractionen des Dickdarms und der Harnblase. 

5. Zwischen zwei starken Contractionen, auch nach dem Aufhören allei 
Contractionen, die durch den epileptischen Anfall heirorgemfen sind, kommt in 
der Mehrzahl der Fälle eine mehr oder weniger lange andauernde Lähmung 
(Schwäche) der Gedärme und der Harnblase zu Stande. 

Auf Grund der Experimente mit Entfernung des motorischen Gebietes dei 
Hirnrinde während des epileptischen Anfalls, mit Durchsohneidang des Hirn- 
Stammes auf verschiedenen Höhen desselben, und peripheren Nerven (wie N. vagi 
splanchnici, phrenici), mit und ohne Cnrare, ziehe ich noch folgende Sdilüs» 
aus meiner Arbeit; 

6. Die Erscheinungen seitens des Magens, der Gedärme und der Harnblase 
die im Laufe des epileptischen Anfalls, hervorgerufen durch foradische Bozung 
beobachtet werden, häi^n nicht von der localen Eleizung des oortioalen Magen- 
Darm- und Hamblasenoentnuns ab, sondern vran epileptisohen Anfälle seibsl 


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541 


der tls Besaitet einer Gesammtreizung des motorischen Gebiets der Hirnrinde 
ofid der in ihr gel^enen Gentren «scheint 

7. Die beständig während des epileptischen Anfalls auftretende Asphyxie 
ist dne die Magen-, Dann- und Hamblasencontractionen begünstigende Ursache. 

8. Der sehr starke Druck des Zwerchfells und der Baucbpresse auf Magen, 
Darm, Harnblase und ihren Inhalt erscheint während des Anftüls auch als ur- 
äehli^ieB Moment für die Gontractionen der genannten Organe. 

9. Ham- und Kothabgang, so häufige Begleiterscheinungen des epileptischen 
Anfalls^ resoltiren aus der Gesammtwirkung der Gontractionen des Darmes, der 
Harnblase and des anf sie und ihren Inhalt seitens der Bauohpresse au^eübteu 
Druckes. 

10. Es giebt eine An^c^e zwischen den epileptischen Krämpfen der quer¬ 
gestreiften Muskulatur und den Gontractionen im Magen, Darm und der Harn¬ 
blase während des epileptischen Anfidls in dem Sinne der Abhängigkeit beider 
Tom motorischen Gebiete der Hirnrinde. 


[Aus der II. med. Klinik von Prof. Dr. Eael y. K£tli in Budapest] 

5. Ein mit den Symptomen des Malum 
snboccipitale einhergehender Fall von Gehirngeschwulst 
und Hemiatrophia linguae. 

Von Dr. Johann Wenhardt 

Den vorliegenden Fall halte ich aus zweierlei Gründen der Publication 
verth. Rrst«)8 wegen der Schwierigkeit der Diflerentialdiagnose zwischen 
Odiimtamor und dem Malum suboccipitale, zweitens wegen der relativen Selten- 
k«t der halbseitigen, hauptsächlich peripheren Atrophie der Zunge. 

J. Ca, 30 Jahre alt, Näherin. Ihr Vater starb an einem Herzleiden, Hutter 
gMnd. Von 12 Qeechwi^m starben 2 in jungendlichem Alter an einer der Pat. 
mbekannten Krankheit, 6 Erwachsene an Lnngensohwindsncbt, die 4 lebenden ge- 
tmi. Keine nervöse Belastong. 

Abgesebmi vcm einer mit 12 Jahren durcbgemaehten LungenentzOndnng war 
PaL bia an ihrer derzeitigen Erkranknng stets gesund. Seit dem Frühjahr 1894 
hatte sie dnmpfe Schmerzen in der Nackengegend, welche sich im Hän 1895, nach¬ 
dem sie ein Gefühl verspürte, als ob etwas in i^er Nackmgegend geborsten wäre, 
pMtzlich sn reiasenden Schnwrsen steigerten. Im Liegen nahmen sie ab, bei der 
Beweging des Kopfes hingegen sn. Nach 4 tägiger Application von kalten Dm- 
aehligsB h&ten die Schmerzen auf. Im Herbst 1895 wurde Pat. abermals von 
hafügen Nacken schmerzen befallen, zu weldien sich auch krampfartige Kopfschmerzen 
hiaiignnentfin Seit dies« Zeit vermag sie kanm mehr den Kopf zu bew^en. Die 
ffrhminiiTi nahawn wohl im Liegen ab, hörten jedoch nicht m^ gänzlich auf. 
Gegee November 1896 bemerkte sie, dass die linke Hälfte ihrer Zunge kleiner sei, 


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642 


und dass beim Kaaen Speisen zwischen der linken Zahnreibe und der linken Wange 
Zurückbleiben. Seit Februar 1896 verschluckte sich Fat h&ufig beim Trinken, wobei 
sie von Husten befallen wird, das Schlucken fester Speisen jedoch verursacht nie 
irgend welche Unannehmlickheiten. Seit dieser Zeit hat Fat oft auch Snffocations- 
anföUe. Erbrechen war nie vorhanden. Die Sprache hat sich angeblich etwas ver¬ 
ändert Ständiges linksseitiges Ohrensausen. Die Ursache ihres Leidens weiss Fat 
nicht anzugeben. Syphilis und Trauma sind ausznschliessen. 

Status praesens vom 12. Mai 1896: Fat ist herabgekommen, abgemagert 
entkräftet Temperatur 36,6 *^0. (Kachmittag 3 Uhr). Haut und sichtbare Schleim¬ 
häute sind blass. Auf der linken Seite des Halses kleine Drüsen fühlbar. Das 
zarte Knochensystem weist Spuren von Rachitis auf. Die obersten 2 Halswirbel 
sind auf Druck sehr schmerzhaft Herz, Lunge, Bauchoi^ane normal. Puls rhythmisch, 
mässig gefüllt ziemlich gespannt 72. Appetit gut Stuhl unr^elmässig. 

Beide Hälften der Zunge sind gleichmässig feucht die linke ist aber in allen 
3 Dimensionen wesentlich kleiner als die rechte, blässer, auf ihrer Oberfläche sind 
unregelmässig vertheilte Falten und tiefe Forchen sichtbar. Diese Zungenhälfte ist 
mit grauweissem Belag bedeckt, während die rechte Hälfte blass rosafarbig, glatt 
und von normaler Moskelconsistenz ist Auf der linken Hälfte der Zunge sind 
fibrilläre Zuckungen sichtbar. Beim Hervorstrecken weicht die Zunge nach links ab, 
ist im Uebr^en jedoch nach allen Richtungen gut beweglich. Tast- und Qeschmacks- 
gefühl sind am Yordertheil der linken Zungenhälfte gut erhalten. Die Geschmacks¬ 
prüfung auf der hinteren Hälfte der Zunge, sowie die elektrische Untersuchung sind 
wegen des hochgrad^en Schwächezustandes der Fat. nicht ausführbar. Die linke 
Hälfte des weichen Gaumens und die Uvula stehen etwas tiefer als die rechte und 
sind dünner. An der oberen Hälfte der hinteren Bachenwand befindet sich eine 
wallnnssgrosse, elastische und etwas fluctuirende Geschwulst Die Schlmmhant ist 
über derselben normal. 

Die rechte Pupille erscheint etwas erweitert; auf Licht und Accommodation 
reagiren beide gut Sehvermögen gut Die sensiblen und motorischen Nerven des 
Gesichts sind normal 

Die vor Schmerzen fortwährend stöhnende Fat liegt ständig znsammengekrümmt 
auf der linken Seite, so dass der von der linken Hand gestützte Kopf von der linken 
Schulter abgehoben wird und der rechten Schulter näher liegt In der rechten 
Seitenlage, bei Bewegungen und besonders wenn der Kopf gegen die Wirbelsäule 
gedrückt wird, tritt momentan eine Steigerung der continuirlichen reissenden Kopf- 
und Nackenscbmerzen ein. Beim Aufsitzen oder Niederlegen stützt Fat. 
stets mit einer Hand ihren Nacken. Die vorsichtige active und passive Be¬ 
wegung des Kopfes gestattet nach allen Richtungen nur unbedeutende Excursionen. 
Der Kopf wird steif, besonders durch die ständig angespannte Nackenmuskulator 
beinahe wie fixirt gehalten. Fat vermag nur gestützt aufrecht zn sitzen, wobei sie 
den Kopf nach links und vorne geneigt hält 

Sie vermag allein nicht zu gehen, nur wenn sie unter den Armen gestützt wird, 
ist sie im Stande einige Schritte zn machen, wobei sie stark taumelt 

Soweit der Zustand der sehr herabgekommenen Fat die Untersuchung, soweit 
dies überhaupt ausführbar ist, zuliess, weist er keine Sensibilitätsstörungen auf. 
Patellarreflexe gesteigert. 

Bis 16. Hai trat keine wesentliche Veränderung in diesem Zustande ein. Fat 
war wohl nie bewusstlos, lag jedoch stets apathisch da, das Nachdenken ging er¬ 
schwert und angestrengt vor sich, auch die Antworten erfolgten nur langsam. Der 
schläfiige Gesichtsansdmck wechselte fortwährend mit einem schmerzhaften ab. Die 
von der Gegend des Nackens und Hinterhauptes nach vom in den ganzen Kopf aus¬ 
strahlenden Schmerzen quälten die Fat. bei Nacht viel stärker; wahrscheinlich bestand 
deshalb auch die fortwährende Schlaflosigkeit Ueber diffusen Kopfeohmerz odo* 


:,Googlc 



543 


Schwindel hat Pat nie gehlagt. St&tige Furcht vor dem Tode. Temperatur und Ath* 
muDg waren stets normal. Puls massig geRkUt» weich, üemlioh leicht unterdrackbar, 
durchschnittlich 92. Erbrechen bestand nie. 

16. Mai. Pai verlor in der Nacht das Bewusstsein, lag, wie bis dahin nie, 
auf dem Bücken, ihre Augen traten etwas hervor, sie sprach nichts, ihr ganzer 
Kürper war in hohem Grade cyanotisch, der Puls fadenfürmig, arythmisch, 120, bald 
zeigte sich Cheyne-Stokes’sche Athmung, Bücheln, aus dem Hunde trat Schaum 
hervor. Dieser Zustand veränderte sich nicht mehr, bis am 17. Hai Moigens der 
Exitus letalis erfolgte. 

Diagnose: Malum suboccipitsle. 

Obduction am 18. Hai 1896 (Prof. Gsnxbsioh): Schftdelknocben dünn, dicht. 
Dura mater etwas hyper&misch, in den Sinus flüssiges und locker coagulirtes Blut. 
Die kleinen Tenen der leicht abziehbaren weichen Himh&ute stark erweitert und 
geschlfingeli Das Corpus callosum ein wenig nach oben gewölbt. Die vier Ven¬ 
trikel und der Aquaeductus Sylvii bedeutend erweitert. Die Plexus von mittlerem 
Bln^ehalt. Das Gehirn etwas weich, besonders um die Ventrikel herum; von mitt¬ 
lerem Blu^efaali Von oben betrachtet ist die Unke Hälfte des Kleinhirns bedeutend 
grösser als die rechte (die sagittalen Durchmesser 7,6:6,0 cm, die grössten Quer- 
durchmesser in etwas schräger Bichtnng gemessen, gleichfalls 7,5:6,0). AuffaUend 
weich ist die linke Hälfte des Kleinhirns, in deren unterer Oberfläche eine von der 
Schädelbasis sich erhebende Geschwulst (2,5:4,0:4,5 cm) eindringt, der zufolge der 
hintere und äussere Theil des Processus cerebeUi ad pontem, der Flocculus, die Ton¬ 
sille und der vordere Theil des Lohns cuneatus stark eingedrückt, abgeflacht und 
weich ist. Die Geschwulst lässt sich aus dem Kleinhirn leicht herauslösen und nur 
an einer kreuzeigrossen SteUe wird die Oberfläche enfblösst Der N. trig. ist normal, 
der N. facialis und acusticus ist etwas weich, keiner h&igt aber mit der Geschwulst 
zusammen. Die der Oberfläche der Geschwulst adhärenten Nn. vagns, acc. Willisii 
und der Hypcgl. werden 1 cm weit von der Gehimbasis abgehoben; während aber 
die zwei er^ren in ihrem ganzen Verlauf weiss sind, ist der N. hypogl. noch ehe 
er die Geschwulst erreicht, grau und verliert sich auf der Oberfläche derselben. Der 
H. abduc. ist normal. Der linke, hintere Theil der Varolsbrücke, die linke Hälfte 
des verlängerten Markes und der oberste Theil des Rückenmarkes (bis zur Höhe des 
111. Halswirbels) sind zusammengedrüekt und erweicht 

Die von der Schädelbasis sich erhebende Geschwulst hat ihren Sitz vorwiegend 
auf der linken Seite des For. occ. mag. Der vorderste Theil ihrer Basis befindet 
sich 1,5 cm hinter dem Dorsum sellae turcicae, der äusserste Theil reicht 1 cm weit 
über den Por. acust int nach links, nach hinten bis zur Mitte des For. occip. mag. 
Diese von der Pars basilaris o. occip.« ausgehende Geschwulst ragt nicht nur in die 
Schädelhöhle, sondern drängt sich vom vorderen Bande des For. occip. magnum nach 
hinten und verengert den sagittalen Durchmesser des letzteren beiläufig um 2,5 cm. 
Der vordere und seitliche Band des For. occip. magn. ist stark usarirt Die Ge- 
sdiwulst Übergriff hierauf den I. Halswirbel und umfasst sein linkes und vorderes 
Drittel, dasselbe zu kleinen Stücken zerstörend. Von hier aus eigriff der Tumor 
den n. Halswirbel, verkürzte den Zahnfortsatz um ein Drittel, wobei es die obere 
Fläche und linke Hälfte, sowie die vordere Oberfläche des Wirbelkörpers uneben und 
rauh machte. Die Gelenksknorpel sind stark zerstört; das Lig. suspens. und die 
Lig. alaria sind ganz zu Grunde gegangen, aber das Lg. transvers. befindet sich in 
einem ziemlich guten Zustande. Die Geschwulst selbst ist ziemlich consistent, nahezu 
gleichmässig grauweiss mit sulzartig durchscheinenden Flecken. Sie wölbt sich von 
der Schädelbasis und von den obersten Halswirbeln g^en den Rachen vor und bildet 
daselbst eine kleine nussgrosse Geschwulst, welche die Oeffnnng beider Ohrtrompeten 
ZQ schmalen Spalten verengt Nach vom berührt sie auch den Vomer ohne an dem¬ 
selben irgend eine Yerändttrung hervorgernfen zu haben. Die Nasenschleimhaut ist 


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544 


blass, ln beiden Highrnorsböhlen wenig reines Semin; beide Keilbeinböhlen erwwtart 
Die OpticuBScheide beiderseits weit; die rechte Papille normal, die Bänder dn^ linkeo 
etwas verwaschen. 

Das Backenmark erwies sich bei der mikroskopischen Untersncfanng ToUkommen 
normal. 

Die Bachengeschwulst drängte den weichen Gaumen nach vom, dessen linke 
Hälfte sich verdflnote und schlaff wurde. Die linke Hälfte der Zunge ist dann, 
schlaff, genuueli Der M. genio- und hypoglossus rechterseits ist braunroth, linker* 
seits ganz lichtgelblichgrau und auf ein Dritttbeil zusammengeschnimpft, der M. h^po* 
glossus hinwieder von graulich dorcbscheinenden Streifen durchsetzt Der Diventer 
max. und der Geniohjoidens beiderseits fahlgelb atrophisch und von Fettgeweben 
durchsetzt 

Diagnose: Myzocbondrosarcoma basis cranii ex oese basilari ortum com com* 
pressione hemisphaerae sin. cerebelli, meduUae oblongatae et pontis YarolL Atrophia 
n. hjpoglossi sin. et hemiatrophia lingnae. Bronchopnenmonia lobi inf. utriusque. 

Wie aus dieser kurzen auszngsweisen Mittheilung der Erankengeechicbte 
und des Obductionq>rotocoll8 hervorgeht, stimmt die klinische und pathologisch- 
anatomische Diagnose nidit fiberein. Wie schwer m in diesem Falle gewesen 
wäre, die richtige kliniscdie Diagnose zu stellen, das stellt sich bei genauer Be¬ 
trachtung der Symptome sofort heraus. Mehrere und gewiditigere Symptome 
sprachen mehr zur Spondylitis als füi eine Gehin^eschwnlst, unsomehr da diese 
Geschwulst ganz ähnliche makroskopische Veränderung der Wirbel und deren 
Gelenke verursachte als man dieselben bei tuberculösen Processen beobachtet 
üebrigens beobachtete bereits LbtdbnS dass die tnberculfise carcinomatöse oder 
sarcomatose Erkrankung des Zahnfortsatzes des Epistropbeus genau dasselbe 
Krankheitsbild hervoi^erufen hat, nur dass in den zwei letzteren Fällen die 
Schmerzen selbst beim Li^en nicht aufhörten. 

Durch die irradiirenden Schmerzen in der Nacken- und Hinter- 
hauptgegend, welche sich bei der geringsten Bewegung des Kopfes, oder h&m 
Drücken der zwei obersten Halswirbel steigerten, im Lieg^ hingegen, wenn 
diese Wirbel vom Druck seitens des Kopfes berieit wurden, abnahmen, durch 
die abnorme Haltung des Kopfes nach vom und links, durch die Krüm¬ 
mung der Halswirbelsäule, ihre Concavität nach links, durch die starre 
Haltung des Kopfes, durch das Stützen des Kopfes mit der Hand beim 
Aufsitzen und beim Niederlegeu, schliesslich durch die halbseitige 
Atrophie der Zunge war die Erkrankung des atlantooccipitalen Gelenkes und 
das Hebergreifen des Processes auf den Ganalis hypoglossi erwiesen, ln An¬ 
betracht dessen, dass nicht nur das Beugen des Kopfes, sondern auch 
die Drehung um die senkrechte Axe in höchstem Grade eingeschränkt 
war, mussten wir auch eine Erkrankung des Gelenkes zwischen dem 1. und 
11. Halswirbel annehmen. Indem der Unke N. hyp<^L krank und die Wirbel¬ 
säule nach links gekrümmt war, wurde angenommen, dass der Erankheitsprooess 
hauptsächlich die linke Hälfte der Wirbel zerstört hat 

Bez^Uob der Natur des Leidens schienen drei Umstände Aafklänmg zu 
bieten: 1. die hocl^radige tuberculöse Belastung, 2. die Geschwulst an der 

‘ Albbet, DiBgooitik der ehirargkchen Kraokbeiteo. 18^. 


'ig v7Cö Cy- 


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545 


hinteren Bachenwand, welche elastisch ym und etwas fiuctoirte, weshalb wir 
dieselbe tds einen Senknngsabscess ansprachen, schliesslich 3. die Erfahrung, 
dass einen derartigen Sjmptumencomplex Garies des basalen Theils des Hinter¬ 
hauptbeins und des I. und IL Halswirbels zu verursachen pflegt Auf dieser 
Grundlage diagnosticirten wir eine tuberculöse Entzündung der erwähnten 
Knochen und Gelenke (Malum snboccipitale, BuST’sohe Krankheit). 

Bei derObduction stellte sich thatsächlich hochgradige, insbesonders links¬ 
seitige Zerstörung der erwähnten Knochen und Gelenke heraus, durch welche 
der grösste Theil der klinischen Symptome bedingt war. Es 1^ aber ein Frocess 
von anderer Katur und ausserdem eine Geschwulst der Schädelhöhle vor. 

Eine Eractnr oder Luxation konnte durch die Anamnese ausgesclüossen 
werden, Krobs war des jugendlichen Alters wegen unwahrscheinlich, es erübrigte 
uns also nur noch, zwischen Tnberculose und Sarcom zu unterscheiden. Dabei 
waren wir einz^ und allein auf die Statistik angewiesen. Das LsmEN’sche 
Unterscheidungszeichen, dass bei Garies der Schmerz in der Buhel^e des Fat 
vollkommen aufhört, während derselbe bei Sarcom nur nachlässt, konnte nicht 
verwerthet werden, weil wir eine Fat mit tnberculösem Mal. subocc. beobach¬ 
teten, deren Schmerzen im Liegen gleichfalls sich nur milderten. Wenn die 
Geschwulst im Bachen consistent anznfnhlen gewesen wäre, so hätte dieser 
Umstand die Di^ose auf die richte Fährte gelenkt, da wir jedoch Flnctnation 
fohlten und die bedeutend seltenere Eventualität als ein Absoess, die erweichte, 
oder wie im vorli^enden Falle die myxomatöse Geschwulst ausser Acht Hessen, 
80 erübrigte uns einzig und allein die Statistik, welche natürlich zu Gunsten 
der Gaiiee entschied. 

Die Geschwulst in der Schädelhöhle konnte nicht diagnosticirt werden, da 
kein einziges Symptom vorhanden war, welches ausschliesslich auf einen Tumor 
der Schädelgrube charakteristisch wäre, oder welches nicht auch bei Mal sub¬ 
occ. Vorkommen möchte. Fat klagte unr über von der Nacken- und Hinter- 
hauptg^end ausstrahlende Schmerzen, jedoch nie über eigentlichen Kopfschmerz 
oder Sdtiwindel. Krämpfe, verlangsamter Fols, abnorme Athmung, Stauungs¬ 
papille, Blasenbeschwerden, sowie das bei Geschwülsten der hinteren Schädel- 
^ grübe nahezu stets vorhandene Erbrechen fehlten während des ganzen Verlaufs. 
Die Apathie konnte aus dem Scbwächezustande und den quälenden Schmerzen, 
die Nackenstarre und halbseitige Atrophie der Zunge aus der Erkrankung der 
Wirbel leichter erklärt werden. Den taumelnden Gang führten wir einerseits 
auf die hochgradige Schwäche der Fat zurück, andererseits brachten wir dieselbe 
mit der Garies der Wirbel in Zusammenhang, denn es befand sich in unserer 
Klinik eine an (tuberculöser) Mal. suboccipitale leidende Patientin mit aus- 
geeprochener cerebellarer Ataxie, welche nach Anwendung eines nach Angabe 
von Prof. DoiiLinoeb hergestellten Eopfbalters binnen wenigen Tagen verschwand. 

Schliesslich konnten die stürmischen Erscheinungen der letzten zwei T^, 
sowie auch der Tod eben8<^t aus der Erkrankung der Wirbel, wie aus einer 
Himgeschwulst erklärt werden. Im vorliegenden Falle wurden dieselben aller 
Wahmcheinlichkeit nach durch Wirbelabmtschnng hervorgemfen. 


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85 



546 


n, lieferet6. 


Anatomie. 

1) Experimentelle üntenuohungen über den Aufbau der Hinteretränge 
beim Affen, tob Dr. Alexander Hargnlids in Png. (Honatesohr. f. Psyek. 
u. Nenrolog. Bd. L) 

Verf. hat die Bfickranurke von 5 Afien, deren hintere Wnraeln er in fMsohie' 
denen Heben durchschnitten hatte, hinsichüioh aofsteigendw und etMteigeader Dege¬ 
neration nntersucht und dem Aufbau der Hinterstrftnge seine besondere Aufmerksam¬ 
keit zugewendet. Die Hinterstränge setzen sich nach seinen Untersuchungoi zusammen 
aus Fasern, die aus den hinteren Wurzeln in sie gelangen, und aus endogenen 
Fasern. Ton den letzteren sind solche, die in aufisteigender Richtung rerlaufkn, 
von anderen, die in absteigender Richtung ziehen, zu unterscheiden. Entere tretea 
entlai^ der Hinterbörner aus, hieben sich nach inaen und liegen im Halstheil im 
Goll’schen Strai^. Letztere formiren im oberen Theile des Bftckenmarks das comma- 
förmige Bündel, gelangen im unteren Brustmark an die hintere Peripherie und vm*- 
laufen im Lumbal- und Sacralmark im ovalen Felde. Ausserdem gehört noch ein 
Theil der Commissurfimern zu den endogenen Fasern der HinterabAnge. Ans den 
hinteren Wurzeln stammen 1. die langen, zu den Hinterstrangkernen in der 
Hednlla oblongata aofsteigenden Fasern, 2. die kflrseren anfsteigenden Ihsem, die 
in der grauen Substanz des Bflekenmarks ihr Ende finden und 3. absteigepde Fasen, 
die bis in die graue Commissur zu verfolgen sind. Die soeben erwähnten, in der 
grauen Substanz des Rückenmarks endenden, anfsteigenden Fasern b^eben sich zum 
Theil ins Uinterhorn der gleichen, zum Theil durch die dorsale Oommiseur ins 
Hinterhom der anderen Seite, zum ^eil treten sie mit den Kellen der Olarke'schmi 
Säulen, zum Theil mit den motorischen Yorderhomzellen in Beziehnng. 

0. Ilberg (Sonnenstein). 


2) Snr le groupamant dae flbvea endogdnaa de la moÖUa daiie laa oovdona 
poetdrleon, par Dnfour. (Arch. de Nenrolog. 1896. Vol II. Nr. 8.) 

Der Verf. hat Qelegenheit gehabt, einen Fall von Compression der Gauda eqoina, 
wobei sämmtliche Nervenwurzeln bis zur 3. Lumbalwurzel inclusive betroffen worden, 
während das Mark selbst intact geblieben war, zu untersuchen. Die Schnitte wurden 
mit C&rmin, ferner nach den Methoden von Azonlay, Marchi, Weigert und 
Fal ge&bt. Die Resultate dieser Untersuchung sind folgende: 

Conns terminslis. ln den HinterstiAngen ist nur eine schmale Partie, die 
unmittelbar an das hintere Septum angrenst, intact geblieben, sie erstreckt sieb ent¬ 
lang der vorderen und hinteren Hälfte des Septums. Die intacte Fas^mppe ist 
in zwei Zonen zu theilen, eine hintere von Dreiecksform und eine vordere, die, ge¬ 
wöhnlich comn-commisBurele Zone genannt, ihrer Lage zum Septum wegen besser als 
sttlco-commissurale bezeichnet wird. 

Sacralis 5. Die intacte schmale Zone erstreckt sich von der faint«>Mi Peri¬ 
pherie zn beiden Seiten des Septums nach vom bis zur Ckmunissur, wo m knöpf- 
förmig endet. 

Sacralis 5 bis Sacralis 2. Die beiden intacten Zonen, die hintere und <tie 
vordere, sind wieder zu sehen, die hintere Zone entspricht dem Centrum ovale von 
Flechsig, jedoch setzt sie sieh bis an die hintere Peripherie fort 


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547 


Sft«rali8 1. Die vordiere iotaota Zoee ist oorna-coiiuiussural, die hiotere er> 
nicht die Peripberie and amsäumt nocb den biBteren, inneren Winkel der Hinter* 
sMüig» Mif «ne gaiu knne Streck«.. 

Lambnlie 1 bis Lnmbalis S. Die Anordnong der intacten Zone ist die* 
selbe» vie in der vorigen Höbe; in den mittleren und lateralen Fartieen der Hinter* 
stringe treten intacte Wnrselfasem in wacbsmider Zabl anf. 

Lorabalia 3. Oie hintere Partie der intacten Zone xeigt sich in der typischen 
Ferm des Geotrom ovale Flecbsig’s; die vordere Partie ist nicht mehr a<^arf ab* 
ngrenxen» da die Fasern derselben mit den intacten Wnrzelfasem vermischt sind. 

Lnmbalis 9. Die Fasern der hinteren Zone haben sich wieder der hinteren 
Peripberie gen&hert and formen snm sweiten Kal ein Dreieck, wobei jedoch die am 
Sepfem ge l egene Seite kOner ist aU die an der Peripherie, gelegene. 

ln den weiter oben gelegenen Segmenten vermischen sich die auMeigenden 
Fheem der intacten hinteren Wmrzeln derart mit den Fasern der intacten Zone, 
dam 68 nnm(^lich ist, dieselben zu sondern. 

IKeeen Fall ve^leioht non der Yerf. mit &bnlichen in der Litteratur nieder* 
gejagten und mit dem Brgebniss der Untersuchongen Ober absteigende Degeneration 
it den Hintmstringen bei hoher Compression des BOckenmarks und kommt dabei zu 
(tom St^oae» dam die vordere Partie der in seinem Falle intact gefondeneo Zone 
änem besonderen Fasersystem angehört, das je nach der Höbe verschiedene Lage 
hat nA dementspredmnd im Conus terminalis snlco'commissnrales Feld, im Secral* 
tbefl aaloe-CMma'Commiasnrales, im Lambal* nnd onteren Dorsaltheil oorna*com* 
■iwtrales and weiter oben Commab&ndel von Schnitze genannt wird. Ebenso 
hfldet die hintere Partie ein gesondertes Fasersystem. Beide Fasersysteme führen 
abetsigwide Fasern, nnd iwar das vordere solche mit kurzem, das hintere solche mit 
lagern YertanC. Der Yerf. sacht dann nacbzuweisen, dass diese Fasersysteme nicht 
tarch abeteigttda Hintmworzelfasem gebildet werden; es ist ihm vielmehr das 
wahracheinlichste, dam dieselben aas endogenen Fasern zasammengesetzt sind. 

H. Weil (Stuttgart). 


Experimentelle Physiologie. 

3) TroablM ttophlques oonndoutUs d la sootion des raoinen postertouren 
mddiillalres, par Horat (Gazette des höpitanx. 1897. Nr. 64.) 

Da die trophiscben Störangen auch eintreten, wenn die hinteren Wurzeln 
fwiaeben Spinalganglion and Medolla durchschnitten werden, kann eine Alteration 
dm Spnud^nglion die Ursache derselben nicht sein. Da ferner weder durch die 
Doch durch die Dnrchtrennung der vasodilatatorischen Fasern sich die 
trophii^en Störungen erklären lassen, vermnthet Verf., dass dieselben auf Läsion 
von centrifog^en, in den hinteren Wnneln verlanfenden Herven bemben, welch 
irtztsn zu den Geweben in gewisser fnnctioneller Beziehung stehen. 

B. Hatschek (Wien). 


4) OoesistoDO oezitri nensltivi e oentrl motori nella aona volondloa oor- 
d« 09rv«llo vinMoP per C. Hegro e Y. Oliva. (Biv. iconograf. del 
BoUsth. del poUelin. gen. di Torino. 1.) 

Bei einem Kranken, der an epileptischen Anfällen litt, die stets in der rechten 
Hand* begannen and sieh dann verallgemeinerten, machten die Yerff. die Trepanation. 
On sie mit der elektrischen Beizung der Binde am ersten Tage nicht zum Ziele 
lammt, wiederholten sie dieselbe am zweiUplgenden Tage nud zwar ohne Harcose 

86 * 


D g ii/od oy GoOg IC 



548 


und bei vollem Bewusstsein des Patienten. Wurde nun ein bestimmter Punkt der 
Binde faradisch gereizt, so gab der Eranbe bei ganz schwachen Strömen (3 mm Volt) 
an, ein Gefühl von Kribbeln in der entgegengesetzten (rechten) oberen Extremit&t 
zn haben, das von den Fingern zum Oberarm sich ausbreitete. Motorische Er- 
scheinongen traten erst bei stärheren Strömen (6 mm Volt) ein und zwar wiederum 
begleitet von einem Gefühl von Ameisenlaufen. 

Die so reagirende Bindenzone war ungeAhr qcm gross. Von ihrer Kaehbar* 
Schaft aus liess sich auch durch stärkere Ströme keine sensible oder motorische 
Wirkung erzielen. 

Um zu entscheiden, ob die sensible Beaction nicht etwa durch Ausstrahlung 
der elektrischen Beizung auf tiefer oder entfernt gelegene sensible Centren erfolgte, 
machten die Verff. Versuche am M. sartorius und H. ischiadicus vom Frosch, der in 
ein frisches Stück Kaninchengehim implantirt wurde, und fanden, dass mch Aradische 
Ströme von der angewandten Intensität nur auf 8 qmm und in einer Tiefe von 5 mm 
verbreiteten. 

Die erregbare Zone beim Kranken wurde nun elektrolytisch zerstört Es traten 
Parese in Hand und Fingern besonders bei Extensionsbewegungen, Kribbelgefühl, 
Hypästhesie und Störungen des Huskelsinns auf. Auf tägliche Faradisation resti- 
toirte sich zuerst der Muskelsinn, dann die anderen sensiblen Qutditäten, erat viel 
später die Motilität. 

Verff. schliesseo ans ihrer Beobachtung, dass in der Zona rolandica des Menschen 
den motorischen Centren die entsprechenden sensiblen benachbart sind, und dass die 
Aura sensitiva bei der Epilepsie von diesen sensiblen Centren ihren Anfang nimmt 
Sie konnten ferner die Bahnnngsversuche Exner’s bestätigen: wurde auf den bloss¬ 
gelegten Theil der Hirnrinde ein elektrischer Strom von so geringer Stärke (2 mm 
Volt) applicirt, dass er nicht im stände war, eine Contraction ausznlösen, so trat 
eine solche doch ein, wenn Secnnde vorher auf Raut und Muskeln der Hand ein 
Strom gewirkt hatte, der genügt, das Glied leicht zu erschüttern. 

Valentin. 


Pathologische Anatomie. 

6) Sal oomportamento delle oellule nervoae dei gangli apizudi in segnlto 
al taglio della traaoa centrale del loro prolungamento, per E. Lugaro. 
(Rivist. di Patolog. nerv, e ment 1897. Nr. 12.) 

Bekanntlich hat Verf. h'über festgestellt, dass die Spinalganglienzellen nach 
Verletzung ihres peripheren Nervenfortsatzes tiefgreifende Veränderungen erfahren 
und sogar ganz zu Grunde gehen, während die Läsion oder die Durchschneidni^ 
des centralen Fortsatzes die normale Structur der Zelle nicht schädigt Die Beo¬ 
bachtungen bezogen sich auf Thiere, die 40 T^e nach der Operation getötet wurden. 
An zwei weiteren Hunden dorchschnitt Verf. den centralen Fortsatz der Spinal- 
ganglien und liess sie 6 Monate bezw. 1 Jahr am Leben. An den Zellen der Spinal¬ 
ganglien fanden sich ebensowenig Veränderungen, wie bei den früheren Untersuchungen. 

Valentin. 


6) Untersuohuzig über däa Verhalten der hinteren Wurzeln bei einem 
Falle von Tabes dorsalia, von Dr. £. Dambacher. Aus der medic. Klinik 
(Prof. Erb) und dem patholog. Institut (Prof. Arnold) in Heidelberg. (Deutsche 
Zeitschr. f. Nervenheilk. 1898. XII.) 

Ein Fall älterer Tabes mit Hemiplegie kam zur Section uod gab das Material 
zu der vorliegenden Untersncbnng. Es fand sieb eine ao^esproehene, einseitige 


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549 


Degeneration der rechten PyramidenseitenstrangbabD. Die Hinterstränge and hinteren 
Worzelzonen zeigten sich mehr ditfas and sprai^eise erhrankt, wobei ein aaffallender 
Parallelismos zwischen Uark- and Warzelerkrankang zu constatiren war. Änf die 
Teranderongen in den hinteren Wurzeln war die Untersuchang besonders gerichtet 
and zeigten sich diese Theile continairlich vom Ursprung ins Ganglion bis zu ihrer 
Einstrahlui^ erkrankt, ein Befund, der gegen die Annahme einer Leitangsunterbrechong 
(Leptomeningitis) spricht Aach lassen im vorliegenden Falle die Verhältnisse der 
Pia eine Compressionsmdgliohkeit sasschliessen. Andererseits kann sich Verf. auch 
nicht für die Kageotte’scfae Theorie — primäre Peri- und Mesoneuritis der hinteren 
Wurzeln — entscheidmi. E. Asch (Frankfurt a/M.). 


7) 8u alonnl rapporti tra le alteraaioiü del nuoleo e del protaplasma 
delle oellule nervöse oortioedi (paralisi generali), per A. Grimaldi. 
(Annal di Hevrolog. XV.) 

Die bei der al^meinen Paralyse gefundenen Eemveränderungen theilt Verf. in 
zwei Gruppen; entweder der Kern unterscheidet sich nicht vom Zellprotoplasma, er 
verschmilz mit ihm oder der Kern bleibt bestehen und färbbar, während der Zell* 
leib schon schwere Schädigungen erfahren hat Es handelt sich hier nicht um zwei 
Phasen desselben Processes, denn bei weit voigeschrittener Degeneration des Proto¬ 
plasmas kann der Kern erhalten und förbbar, bei geringerer Schädigung des Proto¬ 
plasmas der Kern doch nicht mehr erkennbar und mit ihm verschmolzen sein. 

Valentin. 


8) Bioerohe batterlol^obe aul liqoido oeCalo-raohidiano dei dementi 
paraUtioi, per G. Hontesano et M. Montessori. (Riv. quindic. di psicolog. 
psicbiatr. I.) 

Bakteriologische Untersncbung der Cerebrospinalflfissigkeit von 11 Paralytikern. 
Beim Mikroskopiren des Sediments fanden die Verff. auch nach dem Centrifugiren 
nie Mikroben. Die directe Einimpfung der Punktionsfi&ssigkeit gab in 8 Fällen ein 
negatives Resultat Die Cultureigebnisse waren 8 Mal positiv. Es wuchsen ausser 
Hefepilzen Staphylokokken, Streptokokken und 1 Mal der Tetanusbacillus, am häufig* 
sten jedoch eine von den Verff. Bacillus viscosus genannte Art Diese, vielleicht 
eine Varietät des Bacterinm coli commune, ist f&r Meerschweinchen und Kaninchen 
pathogen. Ob und in wie weit dieser Bacillus ätiologisch bei der progressiven 
Paralyse in Frage kommt lassen die Verff. dahingestellt. 

Der Fall, in dem zu wiederholten Malen vollvirulente Tetanusbacillen gefunden 
wurden, verlief klinisch sehr rapide mit fast fortdauernder Bewusstlosigkeit des 
Patienten und mit tonischen und clonischen Convulsionen namentlich des Kopfes und 
der rechten oberen Extremität 

Die Verff glauben deshalb, dass ursächliche Beziehungen bestehen zwischen dem 
TetannsbadUns und der Dementia paralytica oder wenigstens den bei ihr beobachteten 
epileptiformen Krämpfen. Valentin. 


8) Fathologioftl ohangea in nerve oella, by Warrington. (Brit med. Joum. 

1898. April 30. S. 1140.) 

Vert berichtet in der Ges. f. Path. zu Manchester und im med. Institute zu 
Liverpool ftber neine Versuche von Nervendurchschneidung. Die Ganglienzellen in 
den VorderhOmem des Rfickenmarks degeneriren nach Durchschneidung der zugehörigen 
cratripetalen Nerven. Die degenerirenden Zellen befinden sich vorzQglich in der 
hinteren äusseren Gruppe. Dieselbe Folge hat die Durchschneidnng des Axencylinders. 


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650 


ITftoh Ourchscbfi^idtiffg din«r vordet^D Wttrsel ist beiMlre Z^6 tti der itit- 
Ibtzten Seite in dem betreffenden Segment ver&ndert. 

Diese anmittelbar nach der Operation gefundenen Yerändenngen können nach 
längeren Zeiträumen wieder Terschwniden; die Höglichk^ einer BestHntio ad in« 
tegmm ist gegeben. 

Die ausführliche Hittheilnng Wird im Jonre. ef phyeiology eiffelgen. 

L. Lehmann I (Oeyohansea). 


10) Beitrag sor Pathologie der Ganglienaelle, von Dr. Otto Juliusbnrger 

nnd Ernst Meyer. (Monatsschr. f. Psych. u. Nearolog. 1898. Bd. III.) 

Die Yerff. haben die grossen Zellen der Centralwindangen and der Yorderhi^r 
bei einer Anzahl von Geisteshrankeu mit einer Modification der Kissrschen Methode 
untersncht Die Zellen zeigten bei chronischem Alkoholismns, bei EESchöpfange« 
delirien, bei Dementia paralytica nnd Dementia senilis mit Hemiparese im Weeeni- 
tichSn denselben Erankheitsprocess, nnd awar sowohl in der Cmtto'alwindnng wie im 
Yorderhom. Es handelte sich um Yerkleraerung and Abrundvng der S^en, nm ein 
geringes Herrortreten der Fortsätze nnd nm einen im Centrum der Zelle beginnenden 
und nach der Peripherie hin fortschreitenden Schwund der Grannla, staft deren f^e 
EOmcben Torhanden waren, die regelloe zerstreut im Protoplasma lagen, ln weüMwn 
Stadien fehlen auch die Kömcheo. Die Kerne der Zellen waren bald mehr oral, 
bald mehr bi8knitf(hinig und lagen oft randständig. 

Hinsichtlich der Oranola trat eine den Altersnnterschieden entsprechende Diffe¬ 
renz nicht zu Tage. Auch das Fieber zeigte keinen bemerkenswerthen Einfluss. Es 
wurde uur ein quantitativer, ein Intensitätsunterschied ein and desselben Yorgangs 
bei verschiedenen ätiologischen Momenten oonstatirt. Dass eine bestimmte Struotnr- 
verändening nicht das anatomische Bild einer bestimmten Fnnctionsstffmng ist, geht 
nach den Yerff. auch daraus hervor, dass die Zellen eines Falles mit ansgesprochmier, 
motoiisoher Hyperfunction dieselben Yeränderungen anfwresen, wie die Zellen eines 
Falles, in dem eine Carcinommetastase im Oberschenkel eine primäre Affeetion be¬ 
wirkt batte, die secondär einseitige Zellenveränderang im Bflckemm-k faerbei- 
geführt batte. 

Kormaie Oraunla lösen sich bei Betrachtnhg mit Immersion stets in einen 
Haufen feiner Kömoben anf. Die Zwischenanbstanz zwischen den Kömem vermögen 
die Yerff. principiell vom übrigen Zellprotoplasma nicht zn trennen. Sie hiflten die 
Grannla für regenerationsfähig und fassen sie als Nährsobstanzen der Zelle anf. 

G. llberg (Sdnnenstmn). 


11) Ueber NervenzellVeränderungen des Vorderhoms bei Tabes. Ein Bei¬ 
trag zur Pathogenese der trophiscben Störungen der Tabes, von Doc. Dr. Karl 
Schaffer. (Monatsschr. f. Psych. n. Kenrolog. 1898. Bd. III.) 

Im Yorderhom des Rückenmarks oonstatirte Yerf. b« den trophiscben Störnagen 
der Tabes ausgesprochene Yeränderangen der Nervenzellen. Die Zellerbanknng be¬ 
ginnt immer perinndeär und erscheint als successiv ablanfende Auflösung der chro¬ 
matischen Substanz. Ueber den erkrankten Nervenzellen finden sich gesunde Zellen. 
Die tabischen Amyotrophieen sind nur durch centralcellulärs YeränderangSn erklärlich. 
In der Genese der trophiscben Stömngen der Tabes soll ausser den poStsypbUitiSchen 
Toxinen der Wegfall bedentender Beitmengen ih Folge der HintersWangssklerose 
eine wirksame Bolle spielen. Die tabiscbe Amyotrophie stellt naoh dm* Meinung des 
Yerf.’s eine, durch den tabiscben Ptocees vemrsachte Systemerkraokang dar. 

G. llberg (SonnSnstein). 


.cri nyGOOglC 


5 »! 


19 iMgiomitiDiiiB d»r VortiHio»— oU tn des Bflokenmerkt bei Demeatift 

paialTtk», von Dr. H. Berger in Jena. (MoMtaechr. f. Psych. u. Nenrolog. 

Bd.llL) 

Necbdea Yerf. den Ban der Donnalen Yorderhomzelle des Bdckenmarte ge¬ 
schildert hat, betrachtet er ihre physiologischen nnd arteficSellen Yeiftodertiogen. Er 
beq>ricbt sodann die wichtigsten pathologischen DegenerationsiTonnen: die Sklerose 
and fie fbUigpiguientOBe Degeneration, welche als Zeichen eines mehr acnten Processes 
gelten, sowie die CoUoidentartnng, die Yacnolisation and die Zelltheilnng, die als 
Uebeo eines mehr chronischen Processes absosehen sind. 

In 12 ^len von Dementia paralytica hat der Yerf. mit einer modificirten 
NissPsebMi Itethode das Cetrical-, das Dorsal- nhd das Lumbalmark in Bezng anf 
ihn Torderbonuellefi nntersncht Bei 83'^/g der nntersuchten F^Ue fand er Yer- 
ladsrangoi der Zellen, nnd zwar waren die Zellen des Cervlcalmarks in 41 
dis Donalaarka in 25^/o, die des Lendenmarks in 83^'g erkrankt. Eine Abh&ngig- 
bit rrischen den Erknmkangen der Strangsysteme und der Zellenerkrankungen geht 
4(0 Schwund des Qehims nicht parallel; sie scheint auch nicht von der Krankheits- 
dusr abhängig zn sein. 

Waa diese Zellverändemng selbst anbelangt, so fand sich im t*rotoplasma sehr 
Mnfig eine Pigmentznnahme. Der ganze ^Uleib wird d^n mit khmigem Pig- 
■nt angenUlt, die Zellgrenzen waren verwaschen, die Fortsätze geschwunden und 
WdtBB eehlieeslich ganz. Der Zerfall der Nissl’schen Grannla b^inot an einer 
BBsehriebenen Stelle dee Zellleibe, an der statt der Chromatioschollen feine, sich 
■rinsiv firbende Körnchen anftraten. Der Zerfall anch der anderen Chromatin- 
idiollen verleiht der Zelle ein gitterartiges Aussehen. Der Zusammenhang der 
KOnchen lockert sieh immer mehr, die Zelle sieht gleichmässig blass und wie mit 
Mnen Körnchen llbersäet ans. Endlich sind die Körnchen nicht mehr zu sehen; die 
Ztile ist eine ondeutlicb begrenzte, blasse Protoplasmamasse geworden. Yacuolen 
Men anf nnd die Zellen nehmen rundliche gequollene Formen an. Eine andere 
Perm der Zelldegeneration geht mit einer tieferen Tinction der kleiner nnd 
epärticber gewordenen Chromatinschollen einher, wobei die normalen Löcken der 
ScboBut Ueiner werden and schwinden. Die ^Uen schmmpfen unter gänzlichem 
Sdivsode der Chromatinschollen nnd tieferer Tinction des Protoplasmas immer mehr. 
Us anfangs hoiw^n gefärbten Fortsätze zeigen später korkzieherartige Windungen. 
Bei einer weiteren Erkranknngsform schwinden die Nissrscben Granula nnr 
ii ärea centralen Pmrtieen, und zwar ohne dass Körnchen an Stelle der Granula 
bitsiL Der D^enentionsprooesa ist hier ein local beschränkter. Um Colloid- 
degeneration handelt ee sich, wenn eine scharf umgrenzte, glänzende Masse wie 
na Ptemdkörper in der Zelle, nnd zwar meist in Ihren centralen Partieen liegt; die 
Chromatinsehollen an der Peripherie und die Fortsätze haben hier eine normale Be- 
rtalbnheit. 

DerNueleolns der Yorderhomzellen war in der Kegel grösser, seine Tinctions- 
fthigkeit schi^hsr, die KemkÖrperchenvacnolen waren zahlreicher als normal; der 
Kallas war andi znweilen geschwunden. Kemmembran, Kernprotoplasma und 
Meng des Kerns boten Yerändemngen dar. Der Kern zeigte hie and da Theilungs- 
«KhMDongen. Einige Male war er geschwunden. ' G. Ilberg (Sonnenstein). 


Pithologie de« Nervensystems. 

U) tio tmbes doraalis, par CI. Philippe. (Paris. 1897. Bmlliöre et Fils.) 

Bs wird innäehsi eine kritisehe Geschi^te der bisher Ober die Entstehung der 
Tabes dorwalis anfgeetellten Theorieen gegeben. Aosgebend von der grundlegenden 


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562 


Arbeit von Bonrdon and Lays, welche die l^bee als eine Sklerose der bintarra 
Woneln und Stränge erkannten, wird ale 2. Periode in der Erkenntniss der labee 
die TOD Charcot und Pierrei verfochtene Anschanong vom Beginn dtf Tabes in 
den Bandelettea externes der Hintersträi^e mit secandärer Erkrankong der Goll’* 
sehen Stränge aafgestellt Die 3. Periode datirt von Tulpian, der 1879 den 
primären Urspmng der Terändenmgen in Läsionen der hinteren Wurzeln sachte; du 
Verdienst v. Leyden’s um diese Anschauni^ wird dabei vom Verf. nicht hinreichend 
gewürdigt Diese Anffassong der Tabes als einer Erkrankung der hinteren Woneln 
ist bente die allgemein herrschende. Verl^en einige Autoren den ürsprong der 
Erkrankung in die Spina^anglien, so stellen.Redlich und Obersteiner als pri¬ 
märe Läsion eine proliferirende Meningitis hyperplastica auf, welche die hinteren 
Wurzeln comprimirt 

Verf. gebt dann dazu über, den Äufban der Hinterstrtoge des menschlichen 
B&ckenmarks ans exogenen and endogenen Zonen genau zu schildern, ausgehend von 
den beim Menschen beobachteten secundären Degenerationen der Hinterstränge, die 
er allen anderen Methoden zur Erforschung des Aufbaues des Rückenmarks vonieht. 
Nor der grobfaserige Abschnitt der hinteren Wurzel hat im Hinterstrang anfsteigenden 
Verlauf, indem er von unten nach oben zuerst die „Zone comuradiculaire", dann 
das Gebiet der „Baodelette externe“, zuletzt die Zone der langen zu den bulbären 
Eemen aufsteigenden Fasern einnimmt Die lumbosacralen langen Fasern nehmen 
das hintere Drittel des GoH’schen Stranges ein, die langen Fasern der 7 untersten 
dorsalen Wurzeln die Übrigen Abschnitte desselben. Verf. hält die Existenz von 
absteigenden, in deutlich abg^enzten Strängen angeordneten Wnrzelfasem für nicht 
bewiesen und rechnet die im Schuitze'schen Comma und dem ovalen Centmm ab- 
steigend d^enerirenden Fasern zu den endogenen. Hierbei sind die neuesten 
Flatan’sohen Befunde noch nicht berücksichtigt, die zweifellos ergeben, dass das 
Schnltze’sche Bündel, beim Hunde wenigstens, absteigende Hinterwurzelfasem dar¬ 
stellt Als aufsteigende endogene Zonen beschreibt Verf. die im comu-commissaralen 
Winkel, besonders in Hals- and Lendeniutschwellnng, gelegenen Gebiete, die von 
Wnrzelfasem durchquert werden, welche in die graue Substanz einstrahlen. 

Verf. versucht nun auf Grund von 10 eigenen, klinisch und anatomisch unter¬ 
suchten Fällen von Tabes die dabei festzustellenden Läsionen in diesen Aufbau der 
Hinterstränge einzureihen. Zur Feststellung der im Gebiete des intrameduUäreD 
Theils des hinteren Wnrzelsystems auftretenden Läsionen sind Fälle von Tabee in- 
cipiens zu studiren. Auf Grund der üntersuchung zweier derartiger Fälle weist 
Verf. nach, dass die Läsion am stärksten im Gebiet der vonderen */, der „Bande lettes 
externes“ auftritt schwächer in den Eintrittszonen. Die hinteren Wurzeln selbst 
sind von Anfang an miterkrankt, aber schwächer als die intrameduUären Abschnitte. 
Zur Feststellung der tabischen Läsionen im Gebiet der endogenen Systeme eignen 
sich am meisten vorgeschrittene Tabesfalle, von denen Verf. 6 untersucht hat. In 
diesem Stadium der Erkrankung greift der Process in verschiedenen Rückenmarks- 
hühen auf die endogenen Fasersysteme über, zuerst auf die absteigenden, dann anch 
auf die aufsteigenden. Die GoU’schen Stränge sind in vielen Fällen nur in Folge 
der secundären Degeneration afficiri Das Studinm vorgeschrittener Fälle von Tabes 
cervico-dorsalis beweist aber, dass sie auch primär erkranken können. 

Was die histologischen Verhältnisse bei der Tabes betrifft, so konnte Verf. eine 
nennenswerthe Wocherang embryonaler Zellen oder der Nenroglia nicht nachweisen, 
so dass die Theorie von der primären interstitiellen Läsion bei der Tabes nicht auf¬ 
recht zu erhalten ist. Der parenchymatöse Process ist derselbe in exogenen und 
endogenen Zonen; es ist ein progressiv atrophischer Process mit verhältnissmäsaig 
langer Conservirung der Axencylinder, nur spärlichen EÖmchenzellen und keiner inter¬ 
stitiellen Wucherung. Der parenchymatöse Process zeigt nicht die Charaktere der 
secundären Degeneration. 


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558 


Yerf. imtmrscbeidet «me gutartig nnd eine bösartige Form der Tabes. Er 
gläubig dass die bösartige Form eine vorzugsweise medoU&re sei mit fr&hem Ergriffen- 
sein dw end(^enen Gebiete. Dagegen wäre die gutartige Tabes eine rein radiculäre 
Erkrankung. Die biitzartigen Schmerzen folgen der Wurzelerkrankung, während die 
Farästhesieen mehr der medullären Läsion entsprechen würden. Yerf. hofft, dass 
weitere klinische nnd anatomische Untersuchungen der Tabes dazu führen werden, 
die klinuchen Symptome der Tabes besser mit den Läsionen des Bfickenmarks in 
Zosammmihang zu bringen. M. Bothmann (Berlin). 


14) De la top^;raphie dee troublea aenaitift dans le tabea; aea rapporta 

aveo lea aenaadoiui dea tabdti^uea, par G. Marinesco. (La semaine mddi- 

cale. 13./X. 1897.) 

Verl hat, angeregt durch die Untersuchungen von Hitzig und Bähr, bei 
50 Tabikern, darunter 10 amaurotischen, die Topographie der Anästhesie geprüft. 
Bei 40 Kranken war eine Anästhesie am Thorax nachweisbar; am häufigsten finden 
sich zwei anästhetische Zonen um die Hanunilla herum, mit normaler Haut in der 
Mitte. Beicht die anästhetische Zone bis zur Axillarlinie, so ei^ift sie oft auch 
die Innenseite des Armes, ein- oder doppelseitig. BUweilen greift die Anästhesie 
auf die Schulterblätter über mit Freilassung eines schmalen Streifens zwischen den¬ 
selben. Diese ringförmige Anästhesie steht in naher Beziehung zu dem Gefühl des 
eingelegten Beifens der Tabetiker. Die Sensibilitätsstörung am Arm reicht oft bis 
zum kleinen Finger; bisweilen ergreift sie auch die beiden nächsten Finger.' Sehr 
häufig anästhetisch ist die Genitalregion und die Perineo-anal-Gegend.. An den 
Beinen sind die Plantar- und Dorsalfiäche der Füsse, der äussere Theil der Unter-, 
Schenkel, der vordere und hintere Theil der Oberschenkel am häufigsten anästhetisch, 
Auffallend ist) dass bei den erblindeten Tabikern die Sensibilitätsstörungen entschieden 
zurücktreten. 

Die Hauptberde der Anästhesie bei den Tabikern sind: 1. die Brustg^end, 
2. die Genitalregion, 3. die unteren Extremitäten, vornehmlich die Füsse, 4. der 
Jnnenrand des ganzen Armes. Eis besteht eine Beziehung zwischen diesen Anästhesieen 
und den subjectiven Störungen, dem Gürtelgefühl, den Urinbeschwerden, der Impotenz, 
den blitzartigen Schmerzeu der Beine. Es gelingt, wie Yerf. an zwei Beispielen 
z^, bei genauer Beachtung dieser Symptome eine frühzeitige Tabesdiagnoee zu 
stellen. Ob eine Analoge zwischen den visceralen Krisen und den Sensibilitäts- 
Btömngen besteht, ist noch nicht sicher zu sagen, wenn es auch wahrscheinlich ist 

Die Ausbreitung der tactilen Anästhesie bei der Tabes entspricht im Wesent¬ 
lichen den Yertheilungsbezirken der sensiblen Wurzeln, wie Yerf. an dem von Thor- 
burn aufgestelltem Schema der Wurzel vertheilung nach weist. Dass die Anästhesie 
nicht immer genau einem Wurzelfelde entspricht, erklärt sich 1. aus der ungleichen 
Vertheilung der Läsionen in den aufeinanderfolgenden Wurzeln, 2. aus der oft von 
mehreren Wurzeln beeorgi^n Innervation eines Hautgebietes, 3. aus der Betheiligung 
eines analeren Prozesses an der Wnrzelläsion. Jedenfalls empfängt die Wnrzeltheorie 
der Tabes eine neue Stütze. Bei der Differentialdiagnose g^enüber der Pseudotabes 
und anderen tabetiformen Affecüonen können diese charakteristischen Sensibilitäts- 
stömngen von grösster Bedeutung sein. H. Bothmann (Berlin). 


15) lio tabes d*aprAs les travaux da Dr. Pierret, pv H. Klippel (Bevue 
de Psydi. 1897. Nov.) 

Yerf. resnmirt eine Arbeit Pierret's: „Considörations ^thötiques sur la patho- 
gdnie du tabee", in welcher dieser seine zahlreichen Arbeiten über den Gegenstand 
zusammengefasst hat. Fönendes ist daraus hervorzuheben: 


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564 


Die Senaibilit&tBstöningeo stehen bei der Tebes im Tordei^iide und küiuten 
alle seosibleii Nerven ergreifen (a. a. aach den Acostiora). 

Locale LAhmungen sind bei der Tabes dorohaos nii^t seltra, wenn de ineb 
wegen ihree passageren Cberaktere oder ihrer geringen latensHAt oft verkannt werden. 
Sie spielen vielleicht eine HanptroUe bei dw Entstehnng der AtaZie (so Marke eder 
zu geringe Wirkung eines Antegonisten). 

Ansser fiftckenmark und peripheren Nerven kann aneh das Oehim in gewiam 
Sinne bri der Tabes mitbetbeiligt sein (Hemiplegie); und die «Mttgelnds OeoHiuties, 
welche am h&nfigsten der ungenfigenden ActJon der Antagonisten entspringt, kum 
auch durch nutritive Stömngen von Seiten der Hudreln (diseeminirte Newitidn) 
oder Störungen der entsprechenden psychoseaborisehen Biadenregitn eBtstehea. B« 
den completen Tabikern wirken alle 3 Factoren sosammen. 

Von Einzelheiten ist erwähnenswerth, dass trophische Störungen das Kraokheid* 
bild compliciren können; tabische Amyotrophie. 

Da die Tabes gewöhnlich von den hinteren Wurzelzonen ausgeht» fehlt gani 
anfangs auch das Bomberg'sche Symptom; denn dieses beruht auf einer Affection 
der Qoirscheo Stränge. 

Bezüglich des peripheren ürspmngs der Tabes hat Verf. schon 1879 auf 
Neuritis cutaner Nervenendigungen bei derselben hingewiesen. 

In der Genese einiger ^mptome spielt auch der Sympatbicus eine Bolle (der 
im Bückenmarke eine intermediäre Zone zwischen Vorder* und Rintersträogen ein* 
nimmt); die vasomotorischen Störungen, die visceralen Krisen, Hypersekretionen n. s. w. 
sind auf seine Bechnuug zu schieben. 

Hinsichtlich der cerebralen Störungen unterscheidet Verf. eine sensitive von einv 
motorischen Tabes, und erklärt z. B. das Delirium der Tabiker für sensorischen 
Ursprungs. Br scheidet die tabische Demenz von der der progressiven Paralyse und 
hält diese für eine besondere Krankheit Pani Cohn (BwUn). 


16) A oaae of tabea doraalia with delosional insanity, by Francis 0. 
SimpsoiL (Journal of nervous and mental disease. 1897. JnL YoLXXIV 
S. 409.) 

Tabes bei einer 41jährigen Frau mit religiöser Paranma. 

Bemerkenswerth ist, dass Patieatin von ihrsm Ma&ne, der später an kUg o asiB ei 
Paralyse starls luetisch inflotil worden war, und dass auffollende BeaHssfeaen ia 
Verlauf der Tabes eintraten. _ Sommer (Allenberg). 


17) Mal perforant du pied naoh £mbolle der Arterla popUtea, von Dr 
Stummer in Erlai^^. (Virchow’s Arch. Bd. CIL.) 

Verf. wendet sich gegen die allgemein verbreitete Auffaasang, daaa die al 
Mal perforant bezeichnete trophische Störuag immer nur auf der Basis eines Noien 
leideas entstehen könn^ und besohrabt einen Fall von ty^sebem Mal perforant 
welches lediglich durch eine Embolie der Arteria po^tea bei al^mBeiaer Artois 
Sklerose zu Stande gekommen war. Lilienfeld (Gr. LiehteiMde). 


16) Looeasotor atazla wBb nlkuost cmmplebe ntinlgnala, ^ BneVer. (Bri 
med. Jouru. 1898. Jan. 22. S. 216.) 

Verf. stellte der Londoner klin. Geselteoheft einen 55jähr. TahnsknuikM vo 
der am ganzen Körper analgetisch war mit Ansschiass der Nase and des Man« 
kreises; jedoch die Innenfläche des Hundes und die Zunge zeigten gleidtfills Ana 


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506 


f09ie. Ebenso überall war der Temperatnrainn verloren. Die Eranbbeit batte 
lan^m angefaagen, bestand seit 6 .labren and hatte keinen epecidscben Urspmng. 
Ancb die oberen Oliedmaaesen seigten Incoordination. 

L. Lehmann I (Oeynhausen). 


19) De ta ouie ^adioale du mal perforaut par rdlongattou des iierfli 
plantaires, par A. Cbipault (Gazette des hOpitaux. 1897.) 

YeiT. beriditet Über 7 F&Ue von Mal perforant rerscbiedenen Ursprobgs, jedoch 
mit stets tiefen Ulcerationen, necrotiscben Knocbenprocessen, ohne Tendenz znr 
Heilnng) in welchen Oehnnng der Flantamerven, dabei ^eicbzeitig gründliche Aus- 
kratzong des necrotiscben Gewebes nnd daranf folgend Vereinigung der frischen 
Wnndrtader vorgraemmen wurde; in 6 Fällen trat Heilung ein. Die Dehnung darf 
nicht der Dlceration allzu nabe voigenommen werden. B. Hatschek (Wien). 


90) Deber die Coinoidena von Tabes dorsalis und Aortenerkrankungen, 
von F. Bnslin. (Inaug.'Dissert. 1898. Berlin.) 

Verf. glaubt aus 17 Fällen von Tabes, in welchen gleichzeitig eine Erkrankung 
der Aorta vorfaandmi, war, folgern tu können, dass die mit Aortenerkranknng com* 
l^kirte Tabes im aligemeinen in der Form der Alterstabes auftrete, und daes dabei 
die Ataxie der unteren Extremität nor wenig oder gamicht ansgesprochen sei, hin¬ 
gegen in der oberen häufig. Der Sitz der Erkrankung sei m diesen Fällen wahr* 
sebeinlich vorwi^end das OMrvioalmark. Kaplan (Hereberge). 


21) Contributo allo Studio olinioo della tabe, per G. Fardo. (Bivisi di 

Fsichiatria. 1898. 1. Febr. Nr. 18.) 

Ein Fall von Tabes, der ansser den gewöfanlichen Symptomen atfaetotische Be* 
Wangen nnd Myoclohos, partielle Ophthalmoplegie, Neuritis optica, Herabsetzung 
des Gehörs, halbseitige Herabsetzung von Gescdimack nnd Geraoh. Ausfall der Zähne, 
halbseitiges Schwitzen, psychische Störungen bestehend in Fhantasiren nnd Halln* 
einationen and epileptis^e Anfälle nnd Aeqoivalente darbot. Die Epilepsie war im 
40. Lebensjahre und nach dem- Beginn der Tabes aufgetreten, so dass Verf. einen 
ätiologischen Zusammenhang zwischen beiden annimmt (Inwieweit der seit dem 
32. Lebenqahr getriebene Alkohol- und Tabakihlssbrench an der Epilepsie Schuld 
ist, onterlä^ Verf. zu erörtern. Bef.) Valentin. 


22) Le dermogrepkiime dass le tabaa dorselie, par Dr. A. Balchline. 

(Oomptes rendus de la sodötö de biologie. Söance ^ 13. Novembre 1897.) 

Verf. hat 14 Fälle von Tabes auf Dermographie nntersncht und in nicht weniger 
als io Fällen dieselbe conatatiren können. Besonders deutlich war die Erscheinung, 
wie auOh sonst, am Bnmpf und besonders am Bücken und hier häufig mit ober¬ 
flächlicher oder tieferer Hauthyperästhesie verbunden. Lancinirende Schmerzen waren 
znr Zeit dek mehrfach wiederholten Untersochnng in keinem Fall vorhanden (vergL 
die Beobachtung von Westphal, Charitö-Annalen. 1897. D. Bef.). 

Martin Bloch (BwUn). 


23) Zur Symptomatolc^e der Tabes, von Benda. (Berliner klin. Wochenschr. 
1898. Nr. 6.) 

Bei einem 53jäbrigen Tabiker, der seit Jahren an lancinirenden Schmerzen ni 
den Beinen gelitten, blieben dieselben plötzlich weg, nnd es traten an ihre Stelle 


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556 


&Ti88erBt heftige Schmenen in der Brost. Dieselben sbnfalten von den Brostwanaa 
nach dem Bfichen and den Armen ans. Gleichzmtig geriethen die Bmstmaskeln in 
starke Zocknngen, so dass die Arme energisch addndrt wurden. Die AnßUe daoerten 
4—6 Seconden. W&hrend einiger Anf&Ue stockte der Athem, der Pols wurde klem, 
das Gesicht bläulich. Diese Anfälle worden später wieder von den Sehmersen in 
d«i Beinen al^äst _ Bielschowskj (Brealaa). 


24) Ein Fall von Tabes donalis mit Herpes soster, von Dr. A. Westphal. 

(Charitd*Annalen. 1897. XXII.) 

38jähr. Frau, deren Hann vor 11 Jahren syphilitisch infidrt war und eiim später 
mehrfach wiederholte Hg-Kur dorchgemacht hat, hat einige Haie abortirt und leigt 
weisse Plaques der Hundschleimhaui Im Jahre 1894 Doppeltsehen, das nach einw 
Sehmierkur verschwand. Im Juli 1896 Kur ln Aachen, während der ein aboter 
Erschöpfongszustand mit psychischen Veränderungen, leichter Verwirrtheit, Rrregong 
und Vergesslichkeit auftrat, der nach ünterbrechong der Kor rällig zurflel^inf. Bei 
ihrer wegen heftiger Schmerzen im linken Bein erfolgten Aufnahme in die Charit4 
zeigt sie die klassischen Symptome der Tabes und am linken Bein die Haut vom 
Gesäss nach abwärts die Hinterseite des Oberschenkels entlang, hintere und äussere 
Fläche des Unterschenkels, Fossrflcken, die Innenflächen der Zehen und etwas noch 
den medialen Fassrand eingenommen von in Gruppen stehenden Bläschen, von 
wechselnder Grösse, theils mit heller Flüssigkeit, theils eitrig gefüllt, ein^ bereits 
geplatzt. Die Bläschen waren mit den lancinirenden Schmerzen gleichzeitig aof> 
getreten, mit dem Abbeilen derselben schwanden die Schmmrzen. 

Eine andere außallende Erscheinang war eine mit besonderer Deutlichkeit 
hervorzorufende Urticaria facticia, die eigenthümlicherweise gleichfalls allmählich 
verschwand. 

Mit Recht betont Verf., dass der klinische Verlauf der Erscheinungen in seinem 
Falle die Annahme eines inneren Zusammenhanges der Hauteruption mit der tabischeo 
Erkrankang recht plausibel erscheinen lässt; an welcher Stelle des sensiblen Keorona 
der Ausgangspunkt des Processes zu sncheu ist, ist wohl nicht zu beantwortoi, da 
Herpes zoster bekanntlich durch peripherische, wie auch sehr wahrscheinlich dvrch 
centrale Erkraukui^en hervorgerufen werden kann. Hartin Bloch (Berlin). 


26) Üeber erbliche Tabes, von S. Ealischer. ' (Berliner klin. Wochenschr 
1898. Nr. 18.) 

Verf. berichtet über zwm Fälle, eine 61jährige Frau und deren 27jähri|;en 
Sohn, die beide das typische Symptomenbild der Tabes darboten, ohne dass für die 
Annahme einer voransgegangenen syphilitischen Infection der geringste Anhaltponkt 
vorhanden war. Während die Hotter in dem für die Entstehung der Tabes ge¬ 
wöhnlichen Alter, nach dem 30. Lebensjahre, erkrankt war, zeigte der Sohn schon 
mit 27 Jahren das ausgeprägte Krankheitsbild. Für diese frühe Entstehung der 
Tabes scheint die hereditäre Belastung verantwortlich zn sein. 

Bielschowsky (Breslao). 


26) Ueber infantile Tabee und hereditäre syphilltisohe Erkrankungen 

Centralnervensystems, von Dr. S. Kalischer. (Archiv f. Kinderheilkond« 
Bd. XXIV.) 

Verf. giebt die Krankengeschichten einiger Fälle von Luee cerebrospinalis im 
Kindeealter, die das Bild der Tabee vortänsohten. Er erinnert daran, dass echte 
Tabes bei Kindern sehr selten ist, dass es sich bei der „Tabes in£an^is*‘ zuweilen 


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am Tabesparaljse, oft um PseodofaibeB syphilitica hondls. Bei letiterer er^eift eine 
Meningitis spinalis ^philitica die Hinterstränge oder ^e gnmmöse Infiltration der 
Hinterstränge, betw. eine die Hinterstrangsgegend besonders betreffende Arteriitis 
eneogt ein der echten Tabes nahestehendes Sjmptomenbild. Oft handelt es sich 
auch am Friedreioh’si^e Ataxie, die ebmiso me die Hdrddo>Ataxie cdrdbellease 
darch specielle Symptome Ton der Pseadotabes syphilitica abgegrenst werden kann. 
Beide genannten Krankheiten stehen offenbar in keiner engeren Beziehong zur Loes. 
Die Tabes dorsal spasmodique der französischen Autoren endlich gehört ins Bereich 
der spastischen cerebralen Kinderlähmongen, ist fibrigens gar keine Elrkrankang der 
Hintersfr&nge, sondern der Pyramidenbahnen. Yerf. legt der Syphilis als ätiologischem 
Factor fflr die cerebrale Kinderlähmung keine aUzu grosse Bedeutung zu; Fournier 
erklärte die spastische cerebrale Kinderlähmnng bereits fOr eine parasyphilitische 
Aflection. 0. Ilberg (Sonnenstein). 


27) liooomotor ataxia ln hast>and and wlte, by B. F. Trevelyan. (Brit. 

med. Joum. 1898. Apr. 9. S. 943.) 

1. Die Frau, 56jährig, 36 Jahre verheirathet, bekam vor 27 Jahren zuerst 
excentriscbe Schmerzen in den Beinen. Seit 2'/, Jahren ist sie bettl^rig, vor 
1 Jahre bekam sie eine spontane Fractur des rechten Beins. — Gegenwärtig realen , 
die Pupillen weder anf Licht, noch Accommodation. Gastrische. Krisen. Sensibilität 
sehr gestört. Blasenincontinenz. Kniegelenke geschwollen und diffonn. Die Arme 
scheinen frei. 

2. Der 58jährige Gatte bekam die ersten Schmerzen vor 26 Jahren. Vor 
1 Jahre kam linksseitige Hemiplegie dazu, welche sich langsam besserte. Papillen 
ungleich, starr. Ataxie; Kniephänomen fehlt. 

Die Ehelente hatten 12 Kinder, von welchen nur 3 noch leben. 

Auf die besonderen und selteneren Yorkommnisse bei Tabes: Spontanfractor bei 
der Ehefrau und Hemipl^e beim Gatten wird besonders aufmerkaam gemacht und 
in Anal<^e mit anderen Fällen ähnlicher Art in der Litteratur zusammengeholten 
(Minor, Pitres und Garriöre u. A.). Syphilis wird als Ursache aufgefasst. Die 
Anftnge dieser Erkrankungsftlle liegen 1Y, Jahre auseinander; die Frau erkrankte 
zuerst Die Fälle von Tabes bei Ehepaaren (Erb, Str&mpell, Goldflam, Dawson 
Turner, Moebins, Mendel, Pearce und Weir Mitchell) sind rerhältnissmässig 
nicht zahlreich. 

Anf die ausführliche Betrachtung solcher Fälle im Original, namentlich in Be¬ 
ziehung auf Zusammenhang mit Syphilis wird hier nur verwiesen. 

L. Lehmann I (Oeynhausen). 


28) Ist die progressive Paralyse ans den mikrosKopisohen Beftinden an 
der Orosshimrinde pathologisch - anatomisch dlagnostlcirbarP von 
Ottomar Schmidt (Wflrzbnig). (Allgemeine Zeitschrift f. P^ch. Bd. LIY. 
8. 178.) 

Schon die zweite Arbeit gleichen Inhalts aus der Wflrzbuiger Klinik, die auf 
Grund unvollständ^er Litteraturstudien feststellt, dass eine pathologisch-anatomische 
Diagnose der Paralyse nicht möglich ist. Der Yerf. hat sich allerdii^ nicht 
nur auf Litteraturstudien beschränkt, sondern 3 Fälle anatomisch untersncht; von 
diesen waren 2 Paralysen, während der 3., ein Epileptiker mit porencephalischem 
Defeet, als Controlobject ^ente. Die ganze Untersuchung erstreckte sich allerdings 
nur auf je 17 Bindenstöckchen, die ausschliesslich nach Weigert gefltrbt wurden 
und dem Yerf. verriethen, dass er imstande war, durch ungenftgende oder zn lange 
fortgesetzte Differenzirung fehlerhafte Bilder zu bekommen, während er auch an gut 


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gaf&rbten Pr&paraten keine chwakterietischen Unterschiede erkennen konnte. iHe 
Arbeit benennt sich: „eine litterarische und anntomisohe Studie.“ 

Aschaffenburg (HadeUmg). 


29) La demenza paralitioa negli ImbeoUle, per L. Cappelletti. (Biv. speri- 

meot. di Freniatr. XHII.) 

Uas Auftreten yon Dementia paralytica bei Imbecillen ist bisher erst in 2 FaUen 
beschrieben worden. Verf. fügt diesen einen 3. binzn: 

Eine 64j&hnge Imbecille, die einige Monate vor ihrer Erkranknng von ihrem 
Bruder aus dem Hause gejagt und dadurch in die ärgste Hoth gerathen wnrde 
paniakalisch in die Irrenanstalt zu Ferrara eingeliefert. Dort fand mau bei der 
Kranken kleinen, unsymmetrischen Schädel; Tremor an Zunge, Gesiebt und Eztremi* 
täten; Sprache häsitirend, tremolirend; Pupillen weit, ungleich, auf Licht und Accom* 
modation nur wenig reagirend; keine Zeichen von Sn^hilis am Körper. P^chisdi: 
gehobene Stimmung, Grössenideen. Nach 2 Jahren starb die Kranke m Folge eines 
apoplectiformen Anfalls. Dura verdickt, stellenweise dem Gehirn adhärirend, ebenso 
die Pia. Die Windungen mit kleinen Erosionen, Stimhim klein, die Bemisphären 
unsymmetrisch, graue Substanz schmal, Arterien der Basis atheromatös. 

Yon den ätiologischen Factnren, die bei der Dementia paralytica mne Belle 
spielen, kam ausser Heredität in dem Falle des Yerf.’s nur noch die plötzliche 
Yerschlechterung der socialen Lage der Patientin in Betracht, und diese auch nicht 
durch die psychische Wirkung, die bei der Imbecillen gleich Null war, sondern nur 
duKh die T^etative. 

ln einer Anmerkung berichtet Yerf. noch über einen anderen Fall, also den 4. 
überhaupt beobachteten, von Imbecillität und Dementia paralytica, den er in den 
Krankenregistem der Irrenanstalt zu Ferrara verzeichnet fand. Yalentin. 


9P) Bltt faU af hypokomdrlak paralye med tabetiaka Symptom, af Henry 

Marcus. (Nord. med. ark. 1897. N. F. VIII. 2. Nr. 36.) 

Ein 46 Jahre alter, in guten Verbältnissm lebender und vorher gesunder Mann 
ohne erbliche Anlage hatte Bich vor 16 Jahren einen nicht für syphilitisch gehaltenen 
Schanker zugezogen, anf den nie seoundäre Symptome folgten. Pat begann schlecht 
zu hören und wurde vollständig taub, ln Folge davon wurde Pat. düster gestimmt 
und verfiel in moraliscbe Depression, er machte sich Vorwürfe, plante Selbstmord 
und änsserte Hordgedanken, verweigerte die Mabnmg, wurde auch manchmal gewalt> 
thätig. Die Pupillen waren klein, aber gleich gross und reagirten. Die PateUar* 
reflexe waren schwach. Im Jahre 1895 begannen die Ideeen des Pat. ausgeprägt 
hypochondrisch zu werden, immer absurder und ambitiös. Im Jnni desselben Jahres 
reagirten die Pupillen nicht mehr, die Patellarreflexe waren verschwanden, Symptome 
von Ataxie traten auf. Die Krankheit charakterisirte sich deutlich als hypochon* 
drische Form der allgemeinen Paralyse. In der Nacht vom 3. znm 4. Februar tiwten 
heftige epUeptiforme KrampfanföUe auf, während deren die Papillen erwmtert waren; 
die Anfalls dauerten fort bis zum 4. Februar, danach stellte sk^ Coma ma and 
Fat starb am 5. Febmar. 

Bei der Section fand sich Meningoencephalitis und Meningoipyahtis mit den ge» 
wöhnlioh als syphilitische betrachteten Gefässveränderongen. Bei der mikroakopieehea 
Untersuchung fand man Degeneration der Nervenelementa in der Bimrinde, Ver* 
mehrong von Bindegewebe mit vermehrtem Ge^reichthnm, Veränderungen, wie sie 
^isch für die allgemeine Paralyse sind. Im grossen frontalen Associatioosoentnim 
Flechsig's zeigte sich ausgesprochene Zerstörung in der 1. und 2. Stimwindung 
beider Hemisphären, die Hirnhäute waren mit der Himoberfläohe varklc^^ die Win- 


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558 


doogen wtnn ndocirt, die graae Sabetans wmindert und unregeUniasig, etwas 
•atßrbt und gallertartig. Die KervoieleaMnte waren zerstört, namentUch in der 
iuseem U&lfte, dis OeAsee waren stark Tergrösaert mit dioken Wandungen, ubh 
geben von lahlreichen Ijmphoiden Zellen. Die 3. Stimwindnng war nnr leiobt er¬ 
griffen. Das insulare war auf beiden Seiten in grosser Ausdebnni« ergriffen, hier 
fanden sieh kleine H&morrhagieen. Im grossen parieto-occipitO'temporalMi Assoeiations- 
oentram zeigte nur der 2. Gyros oocipitalis stärkere Verii^emDgen. ln der Körper- 
ffihligih&re waren die Zerstörungen ganz unbedeutend, wie auch in den Sinnescentren 
in der Hirnrinde. Im Hftckenmark fanden sieb in der ganzen Länge desselben be- 
deutende Degenerationsprocesse, am stärksten im oberen Lendenmark; wirklich der 
Tabes zokommende Veränderungen fanden sich nicht 

Walter Berger (Leipzig). 


31) I. l«a demenza paralitioa nei pellagroat perC. Pianetta. (Kivist di Patolog. 
nerv, e ment 1897. Nr. 12.) — ü. Deila demenza paralltioa nei pellagrosi, 
per G. B. Verga. (Ebenda. 1898. Nr. 1.) — 111. Beplioa, per C. Fianetta. 
(Ebenda.) 

Das Vorkommen pre^ressiver Paralyse bei Pellagrösen wird von verschiedenen 
Säten geleugnet Man bat gesagt, dass es sich um zufällige Aehnlicbkeiten handelt, 
denen aber grössere Verschiedenheiten gegenüberstehen. Verf. sucht durch Bei¬ 
bringung einiger Krankengeschichten zu beweisen, dass dss Gift der Pellagra im 
Stande ist, kliniseh wie anatomisch den Symptomenoomplez der pix^essiven Paratyse 
zn eneogen. Bei seinen Kranken, die alle die demente Form der Paralyse nüt 
Pupillenstarre, Sprach- ond Motilitätsstörungen und abrnpten Grössenideeen zeigten, 
war ausser Pellagra kein ätiolc^isches Moment auffindbar, da namentlich Syphilis 
und Alkoholismns stets ziemlich sicher anszoscbliessen waren. Dass es sich am eine 
einfache OompUcation oder nm das Endstadinm der Pellagra gehandelt habe, dagegen 
spricht Entstebnng, Däner and Verlauf der Paralyse. Anatomisch fand Verf. Ad¬ 
härenzen der Bimste an der Himoberfläcbe and Ependymitis grannlosa. Das 
Exankheitsbild der prc^n'essiven Paralyse bei Fellagrakranken ist ziemlich selten: 
3 Fälle unter 382 Pellagrösen. 

Verga bezweifelt, dass in den von Fianetta beechriebenen Fällw ätiologisch 
allein die Pellagra in Betracht komme; er glaubt, dass noch andere Bedingungen, 
tozieoher, traumatisoher, infectiöser oder anderer Art mitgewirkt haben, 
ln einer Brwiderm« hält Fianetta seinen Standpunkt fest 

Valentin. 


32) Die Bolle der Lues bei der Tabes und der Faralysin pro^ealva, 

von A. Sarbö. (Fester med.-chir. Presse. 1898. Nr. 3—ö.) 

Verf. hat eine Beihe der grösseren Statistiken über die Häufigkeit der Lues 
bei Nichttabischen einerseits und bei Tabikern andererseits znsammengestellt and 
kommt dabei zn dem Resultate, dass Lues sich bei Nichttabischen in 22,5finde, 
hingegen bei Tabikern in 72,8 Verf. vertritt anf Grund dieser statistischen 
Besnltnte energisch die Ansioht, dass ein engw Zusammenhang zwischen Lues und 
Tabes beetehe, und betraehtet die Tabes nicht als speoifisch luetische Erkrankung, 
eondem, ebeneo wie Strümpell, als conseentive Affection, also etwa ähnlich, wie 
die po^iphtheritisohen Lähmungen im Verhältniss zn Diphtherie. Verf. weist darauf 
hin, dass die Wirknngalosigkeit des Quecksilbers and des Jods bei der Tabes gegen 
den syphilitischen Ursprong derselben gamichts beweise, da es sich eben bei der 
Tabes um Zerfall von Faaem handele, deren Wiederherstellung von vornherein gar- 
oioht au erwarten sei, ganz abgeeeben davon, dass manche zweifellos tertiär ejphi- 


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litischen Affectionen, wie manche Hautsyphilide o. s. w., auf specifisdie Behandlung 
ebensowenig re^irten. Zu ähnlichen Besnltaten gelangt Verf. fhr die Paralyse auf 
Grund einer Zusammenstellung von 18 Statistiken und betont hierbei die Neigung 
der Paralyse, sich mit Tabes zu combiniren, sowie die Häufigkeit von Äugenmuskel- 
lähmungen gerade bei Lues, Tabes und Paralyse. 

Endlich spricht Terf. die Ueberzeugung aus, „dass. es mit der Zeit gelingen 
wird, die Paralysen, in deren Anamnesen Syphilis vorkam, von jenen, in deren 
Anamnese sie fehlt, klinisch und histologisch zu unterscheiden und zu trennen" 
(? Bef.). Kaplan (fierzberge). 


33) The early dlagnoais of tsbea, by Philip Meisowitz. Bead before the 

Harlem Medical Association. 1897. June 2. (New York medical Journal. 

1898. -YoL LXVII. Nr. 7.) 

Yerf. erörtert unter kurzer Hittheilung von Krankengeschichten die Frfih* 
Symptome der Tabes und ordnet dieselben nach ihrem Werth in fönender Beihe: 
Opticusatrophie, Yerlnst der Kniephänomene, refiectorische Pupillenstarre, lancinirende 
Schmerzen, Analgesie, Blasenschwäohe, Gfl^lgefflhl, gastrische Krisen, Bimnerven' 
lähmungen, Arthropathieen. Opticusatrophie genflgt allein zur Diagnose, während 
die anderen Symptome nur in (mannigfacher) Combination mit einander entscheidenden 
Werth besitzen. 

Die gegebene Beihenfo^ dftrfte im grossen ganzen richtig sein, sicher falsch 
aber ist des Yerf.’s Behauptui^, dass Opticusatrophie allein zur Annahme einer Tabes 
ohne weiteres berechtigt. B. Pfeiffer (Cassel). 


34) Die Behandlung der Oangstörungen bei Tabee vermittelst der Uebonga- 
theraple, von Dr. Gräupner (Nauheim). (Allg. med. Central-Zeitung. 1898. 
Nr. 38.) 

Trotzdem die zahlreichen zur Uebungstherapie angegebenen. Apparate ohne 
Zweifel vielfache Yortheile bieten können, ist es doch, um die Mehrzahl der Praktiker 
für die Methode zu gewinnen, zweckmässig, immer wieder zu betonen, dass auch 
ohne kostspielige Apparate gute Erfolge mit der Bewegungsther^ie bei den Tabikern 
zu erzielen sind. Aus solchen Erwägungen empfiehlt YerL die Auwendong eines 
einfachen Innoleumteppichs, dessen Figurenmuster als Hfllfsmittol fftr die Uebungen 
dienen, und beschreibt im Einzelnen dessen Gebrauch. (Auch Bef. benutzt seit 
längerer Zeit mit Yortheil einen solchen Läufer bei der üebungstberapie an den 
Tabeskranken der Mendel’schen Poliklinik.) — Yon seinen früheren Yersuehen, 
sich zur Correctur uncoordinirter Bewegungen „acustischer Marken" (mit Hülfe 
elektrischer, am Läufer angebrachter Läutewerke) zu bedienen, ist Yert zurück* 
gekommen. Toby Cohn (Berlin). 


36) Om den s. k. hereditära oerebellars ataxien, af Prof. F. Lennmalm. 

(Nord. med. ark. 1897. N. F. YIIL Nr. 29.) 

Yerf. tbeilt 3 Fälle von hereditärer cerebellarer Ataxie ans einer Familie mit, 
in der unter 33 Mitgliedern im ganzen 8 in verschiedenen Generationen an dieser 
Krankheit litten. 

Der 1. Fall betraf ein 22 Jahre altes Mädchen, das in der Kindheit gesund 
gewesen war bis auf Masern und Pocken. Im Alter von 15 Jahren bemerkte Pat. 
die Incoordination, während die Mutter der Fat. schon einige Jahre früher unsiehnen 
Gang au ihr bemerkt haben wollte. Im Alter von 18 Jahren b^fann sie auch Un* 
Sicherheit in den Bew^ungen der Arme zu bemerken, • namentlich bei Ausfühmng 


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feinerer Arbeiten, besonders ancb beim Schreiben. Bald nahm auch das SehrermOgen 
ab, nngefthr gleichzeitig anf beiden Aagen, and später wurde auch die Sprache 
langsam, monoton and die Worte kamen stossweise heraus. Schmerzen hatte die 
Fat nicht gehabt, nur einmal Torflbergehend in Armen nnd Beinen. Aach heftigerer 
Kopfschmerz und Schwindel traten nicht auf, ebensowenig andere Kerrenerscheinungen. 
Bei der ophthalmoskopischen Untersachang fand sich aaf beiden Seiten Chorioiditis 
ond Atrophie der Sehnerren. Auf beiden Seiten bestand Ftosis, die Bewegongen 
der Augen waren lai^^m, nach oben za anm(^lich. Die Bewegungen der Glieder 
waren incoordinirt, der Gang war ansicher, schwankend, Pai konnte das Gleichgewicht 
schwer halten. Beim Gehen fanden gleichzeitige unwillkbrliche Bewegungen des 
Kopfes and der Arme statt. Die Reflexe waren verstärkt, an beiden Beiuen bestand 
lebhafter Dorsaldonos. SensibilitätsstOrnngen nnd Tasomotorische Störungen waren 
nicht vorhanden. Die inneren Oi^^e waren gesand. 

Der 2. Fall betraf die 52 Jahre alte Matter der Fat Bei ihr war die Coordi- 
nationsstörung erat im Alter von 43 Jahren eingetreten and geringer als bei ihrer 
Tochter. Die Störung trat zuerst in den Beinen, erst später in den Armen und 
aach nur in geringem Grade und nicht dauernd ein, so dass sie dadurch nicht weiter 
behindert war. Der Gang war steif, breitspurig and wankend, und es war oft 
schwierig, das Gleichgewicht zu halten, besonders bei hastigen Bewegungen und 
Wendungen, aber bei aneinander gesetzten Fflssen stand die Fat. gat, aach bei ge* 
schloesenen Augen. Die Reflexe waren bedeutend verstärkt Die Sprache war etwas 
langsam nnd scandirend. Von Seite der Augen war keine Störung vorhanden. 

Der 3. Fall betr^ die 46 Jahre alte Schwester der zweiten Patientin, die Tante 
der ersten. Ungefähr seit dem Alter von 20 Jahren begann sie an Kopfschmerz zu 
leiden, nach ihrem ersten Wochenbett, im Alter von 26 Jahren, begann die Geh* 
Störung, 1 oder 2 Jahre später Unsicherheit in den Armen nnd im Alter von etwa 
29 Jahren begann Sebstörung. Das Sehvermögen war bedeotend herabgesetzt, die 
Bewegpngeo der Augen waren träg, aber möglich bis aaf die Bewegung nach oben, 
die Sprache war etwas langsam, stossweise, aber sonst nicht gelösst; die Bewegung 
der Arme geschah unsicher nnd unbeholfen. Der Gang war anbeholfen and 
schwankend und durch unfreiwillige Mitbewegungen im ganzen Körper gestört. Die 
Sehnenreflexe waren lebhaft Fnsselonas war vorhanden. 

Walter Berger (Leipzig). 


36) The morbid anatomy of a oase of hereditary atazle, by Adolf Meyer 

and Sänger Brown. (Brain. 1897. Aatamn.) 

Es handelt sich um einen Fall ans der Grappe, die Sänger Brown 1892 im 
Brain beschrieben hat (s. d. Centralbl. 1892. S. 648). Nach der hier noch einmal 
g^benen Darstellung der Symptome in diesen Fällen handelte es sich, wie auch 
die Verff. jetzt anerkennen, um diejenige besondere Form, die Nane als Hdrddoataxie 
cdrdbellense von der Fried reich’sehen Krankheit getrennt hat (erhöhte Reflexe an 
den Sehnen der Beine, Sehnervenatrophie). Die anatomische Untersachang war aus 
äosseren Grflnden keine ganz vollkommene; sie ergab folgendes; das Kleinhirn zeigt 
keine umschriebene Läsion, auch die Furkinjezellen sind an Zahl nicht verringert 
Im Rfickenmark zeigen sich solche Theile afficirt, die nach unseren Kenntnissen mit 
dem Kleinhirn in Yerbindnng stehen. Das ganze Rfickenmark zeigt Yermehrong der 
oberflächlichen Nenroglia und eine grosse Zahl von Corpora amylacea, wie man das 
bei alten Leuten findet Die betreffende Kranke war bei ihrem Tode 67 Jahre alt 
nnd die ersten Krankheitserscheinangen waren mit 45 Jahren aafgetreten. Die Verff. 
weisen darauf hin, dass die bisherigen Untersnehnngen in Fällen wie Hörädoataxie 
cdräbelleuse ein einheitliches anatomisches Bild nicht geben. Sie glauben mit 
Bdinger und Bernhardt (s. d. Centralbl 1892. S. 649), dass eine scharfe 

36 


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6«2 


Tmmvog swiMhm Friedreicfa’scb«' Knuikbeit uad der Nftae'selMn Fsrn akfat 
«ngebt; in drsteren F^e waren die ersten Symptome spinale, im letcteren cere- 
bell&re, ebenso aoch die anatomiscbra Befände. Brons. 


37) Notes OB three oases of oereibral tanoiir ooountag in Che tesane, 

J. H. Goodliffe. (Brii med. Jonm. 1898. Apr. 9. 8.946.) 

3 Fälle von Gehimtoraoren bei Irren, bemerkeoswertb wegen der mannigfacben 
nnd Torschiedenen Erscbeinnngen bei gleicher Ursache and wegen des Verborgen* 
bleibens derselben während des Lebens. 

1. Ein Blödsinniger von 19 Jahren. PlöisUcb Coovolsionen von mehrstAndiger 
Daoer. Cyanose und Dyspnoä. Tod. 

8 Tumoren landen sich im Gefaim: einer im Gyros fornkotos, ^er im Termis 
oerebelli, einer in der nnteren Unken Stimrädnng. Die Tnmwen waren fcageUOraüg, 
hohnengross, rund- and spindelseUige Sarcome. ffie waren wahradminlicdi metastatiech 
Ton -der fonstböiüe aaagehend. 

2. 85 jähriger, seit 14 Jahren epileptischer Mann mit Dement. PIfitdicfa bBiAses 
Brbredfaen, CoUapen^ Ooma. 

Es fand sich ein Tnmor in der Gehirnrinde bis zu den oberen nnd mitüeren 
frontalen Windai^en Unkerseits. Der Tnmor, gross wie ein half*crown, mnd nnd 
platt, Ton Beschaffenheit eines Gumma. Die Membranen waren am Tnmor adbärent 

3. Eine Fran mit Melancholie. ÄDgemeioe progressive Paralyse der Irren, ln 
letzter Zeit magerte die Pat. ab, wurde schwach im Gange nnd allgemein, auch In- 
contiuenz, Foetor ex ore, Constipation, Znckoi^^en in Armen nnd Beinen, Sopor, 
PnpiUen ongleicb. 

In der Gehirnrinde zwei Tumoren: der eine in der 1. und 2. Stimwindoag 
rechts, der andere links in der oberen und mittleren temporo'spbenoidalen Windung. 
Beide waren Oommata, iV« 2oll im Dnrchmesser. 

ii. Lehmann I (Oejubansen). 


Psychiatrie. 

88) Üeber den Alköholiamiu, von Prof. Sikorski (Joniaal der Nerven- nnd 

psychiafrischen Hedidn. 1897. Bd. II. [Russisch.]) 

Die Statistik der russischen Irrenanstalten zeigt, dass 15,4% sämmÜicber Fälle 
von Geisteskranken durch den Alkoholmissbranch bedingt wird. Diese Statistik saigt 
ferner, dass der Alkoholismos in Russland leider auch unter den Frauen stark ver¬ 
breitet ist Verf. verweist deshalb mit Recht anf die aUergrösste Gefahi^ welche 
fdr die Nation in diesem Uebel Uegt Verf. bespricht eingehend den Ek^nss das 
Alkobolismna 1. anf die Zunahme der Verbrechenahl, 2. auf die Venaiadenug der 
öffentlichen Moral, 3. anf die Znnahme der Nerven- und GeistesknnUiüten, 4. auf 
die Zunahme der Individuen mit unstetem Charakter u. s. w. Er mmn^ das die 
Verbreitung des Alkoholgenusses z. Th. durch ökonomische Zustände (Groasindastn^ 
z. Th. durch Fehler seitens der R^nemngen begfknstigt wird. Vmf. bespriclit des¬ 
halb eingehend einzelne Maassregeln gegen den Alkoholmissbrauch nnd resnmirt seine 
Anseinandersetzsngen wie fo^: 1. Das nächste Ziel des Kampfes gegen den Alko- 
boUsmns soUte in einer Verminderung der Alktholprodoction im Staate seinen Aas- 
dmck finden; 2. der Staat soU fOr die Verbreitnng der Abetinenzvereine sofgin; 
3. es wäre zwettoäaaig, in den Granden wo Weinstuben bestehen, an^ stsatlieke 


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Theea tn baa sd errichtan; 4. der Staftt soU dM MfigUidiste thmi, um den Thee im 
nusiseben Volke zu verbreitmi und zu dieeem Zwecke den Tvif fOr Thee und Zncker 
benbaetMo. üdwikrd PUiaa (Berlin). 


m. Aus den GeselUohaftea. 

GMeltoohAlt 4 m Neoropaüudogwn wnd Xmninte in KoAan, 
Sltnuig vom SO. Jinnar 1898. 

Dr. d. Pribjtkoff: Bin Tumor an dir Ghranze dei Hali« and Bmet» 
tboilf des Büokenmnrki mit Brioheinangen von Seiten der Pupillen. 

Bei einer 41 Jahre alten Kranken entwic^^ meh kn Laufe von 1^4 Jahren 
das Krankheitebild der Klumpke’schen Paraljee: Störungen der Sensibilit&t am 
oberen Theil des Bmatkorbes und an der ulnaren Smte beider oberen Bitremitftten 
mit gleichzeitigen linksseitigen ocnlo^pnpUlären Symptomen; einige Tage vor dem 
Sxitns eine sich aent entwickelnde Panplegia inferior and Fahlen dee Kniepb&nomens. 
Autopsie: Bin apfeigrosses Sarcom, welches das KOpfchen der ersten Kippen and den 
KOrper der beiden ersten Brustwirbel zerstört und das Bfickenmark comprimirt bat. 
J^elitis e coiy>r8ssione mit den gewöhnlichen Ersoheinungen der secnndAren Dege- 
nemtion. Pmximalwftrta vom verl&ngertm Mark sind keine Untersochnngmi aus* 
geffihrt worden. 

Discnssion: 

Dr. Weidenhammer spricht sein Bedanem darüber ans, dass in Folge der 
miefat wmtmr Mageffthrlien üntersnchnig es mcht möglich ist, mdi unter anderem 
z. B.- die Abweeenheit des Kniereflexes zn erklären. (Das BQckenmaric ist nMit nach 
Missl nntersncht worden.) 

An der Discnssion nahm noch Prüf. Koshewnikoff Theil. 

Dr. K. M. Werailolf: Ewei Wie von BüokenmgrkieQmpreaalonen. 

1. Die Krankheit danerte Monate nnd bestand in einer spastischen Para- 
plegia inferior. Aotopsie: SarcomatOse Infiltration dee 7. Hals- nnd 1. Bmstwirbel- 
kOrpers, welche in dieser Hohe 'das Bfickenmark comprimirt batten. Bei der mikro- 
skopisehen Untersnehnng worden die gewöhnlichen Erseheinnngen der secnndären 
Degeneration im Bfickenmark gefunden, damntar auch eine absteigende Degeneration 
in den Hintersträngen in der Ansdebnnng von zwei Segmenten (das Schnltze'sche 
'Comma). 

2. Die Krankheit, weldie nugeföhr 3Vg Monate dauerte, nahm allem Anschein 
nach, einen plötzlichen Anfang mit spinaler spastischer Paralyse der linken Extre¬ 
mitäten and Herabsetzung der Sensibilität auf der rechten KOrperhälfte nnd der 
rechten unteren Extremität 

Nach einigen Monaten gesellte sich andi eine Paralyse der rechten Extremi¬ 
täten hinzu mit Herahsetznng des Mnskelgeffihls in denselben. Zn Ende der Beob- 
aehtnng stellte sich eine progressirende Psraplegia inferior heraus mit erhöhten 
Sehijen- and Hantreflexen. Während der ganzen Däner keine Zeichen von Com- 
prrasion der hinteren Wurzeln. 

Autopsie: Angio-sarcoma psammomatosnm, welches seinen Ausgang von der 
Dura mater io der Hohe der 2. Halswnrzel nimmt nnd welches in hohem Grade das 
Hflokenmark von der linken Seite comprimirt hat £lei der mikroskqpischen UntM*- 
BOdiang aind neben anderen absteigenden secnndären Degenerationen auch solche 
im Gebiete des Scbaltze’sehen Commas in der Ausdehnong zweier Segmente ge- 

se* 


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fanden worden. In aafsteigender Bichtnng waren noch, ansaer den gewöhnlichen 
Bahnen, die OmndbOndel der Vorder- and Seitenstraogbahn dea Bflckenmarka, die 
lateralen Gebiete der medialen Schleife, des Pons Varoli and der Uimscbenkel dege- 
nerirt. Die D^neration dieser Bftnd^ lässt sich bis zum Thalam. opi verfolgen. 

Schiassfolgerangen: 

1. Die Erscheinnngen der hinteren Wnrzeln fehlen häufig bei Tnmoren des 
Rückenmarks, was die Diagnose erschwert. 

3. Die motorischen Symptome von Seiten des Rückenmarks haben für die Dia¬ 
gnose keine geringere Bedeutung als die sensiblen. 

3. Das Schnltze’sche Comma besteht wahrscheinlich ans kurzen absteigenden 
Fasern der hinteren Wnrzeln. 

4. Die Fortsetzung der Grandbündel der Vorder- und Seitenstrangbahn verläuft 
in der Hed. oblong, zwischen Olive and Pyramide, im Fons Varoli and Himschenkel, 
im lateralen Gebiet der medialen Schleife. 

Discussion: 

Dr. Weidenhammer bemerkt, dass die vom Vortr. beschriebene Degeneration 
der Qrundbündel der Vorder- und Seitenstrangbahn aach bei Thieren beobachtet wird. 

Drr. Eorniloff, Orlowsky, Muratoff and Prof. Eoshewnikoff tauschten 
ihre Meinungen ans in Bezug der Frage Über das Verhalten der Reflexe bei Rücken- 
markscompression. 

An der Debatte betheiligten sich aasserdem noch Prof. Roth, Dr. Bernstein 
und Dr. Pribytkoft S. Orlowsky. W. Hurawieff. 


Sitzung vom 20. März 1898. 

Dr. H. A. Lantz: Bin Fall von Syringomyelie mit akrom^aliaohen 
Enoheinungen. 

Eine 30 Jahre alte Patientin ohne neuropathische Belastnng. Henstruation tritt 
znm ersten Male im 20. Lebensjahre aaf und wiederholt sich seitdem 5 Mal im 
Jahre. Seit 3 Jahren Schmerzen in der rechten oberen Extremität; allmähliche 
Schwellang and Schwäche derselben und Verlust des Schmerz- und Temperatorsinns; 
desshalb auch häufige Verbrennung dieser Extremität. Entzündliche Processe des 
Unterhautzel^ewebes ond der Fascien des rechten Handtellers, welche schmerzlos 
verlaufen. Seit einem Jahre Schmerzen und Verlast der Sensibilität der linken 
oberen Extremität, der Brust und des oberen Tbeils des Rückens. 

Status praesens: Kräftiger Bau, reichliche Entwickelong dee ünterhaatfett- 
gewebes. Vergrösserang des Umfangs der ganzen rechten oberen Extremität, welche 
besonders im unteren Drittel dee Unterarms, im Handgelenk, in der Rand and den 
Fingern in die Augen fällt. Hypertrophie der weichen Theile, als auch der Knochen, 
was durch eine Röntgen’scbe Aufnahme Bestätigung findet. Am hinteren Theile 
des Kopfes, des Halses, an beiden oberen Extremitäten, an der Brust und am 
Rücken bis zur Höhe des 9. Wirbels partielle Störung der Sensibilität, Anästhesie 
und Thermoanästhesie bei voller Intactheit der BerübrungsempfindUchkeit und dee 
Druckgefühls. Weiter nach unten ist die Sensibilität vollkommen normal. Keinerlei 
Paresen, die motorische Kraft io den Händen herabgesetzt, hauptsächlich rechts. 
Dynamometer rechts » 16, links = 24. Keine Ataxie, Romberg’sches ^mptom 
fehlt. An der Haut der rechten oberen Extzrmität viele Karben, in Fol^ von 
Verbrennungen. Auf der ventralen Seite des Daumens eine Karbe von einer Ent¬ 
zündung der tiefen Gewebe herrübrend. Der rechte Zeigefinger im Zustande einer 
Beugecontractur als Folge einer Sehnenentzündung. Im ganzen Gebiete der Anästhesie 
ein ekzemart^er Ausschlag, stellenweise auch Blasen mit serösem und eitrigem Inhalt 
Vasomotorische Stürangeu in Form von blan-rothen Flecken und häufigem Kältegefühl 


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io den Extremitäten. Die Haatreflexe ein wen^ herabgeaetzt, hauptsächlich an den 
oberen Extremitäten, beeonders an der rechten. An den unteren Extremitäten lassen 
sich etwas erhöhte Fatellarreflexe nachweisen. Die elektrische Erregbarkeit der 
Muskeln und Nm-ven der rechten oberen Extremität ist fOr beide Stromeearten qnan- 
ütatiT etwas herabgesetzt Die Sphincteren funcüoniren normal; am ütems und den 
Eherstöcken lässt sich ein gewisser atonischer Zustand bemerken. Aile anderen 
inneren Organe zeigen keine Abweichung von der Korm. Es unterli^ keinem 
Zweifel, dass wir es hier mit einer Sjringomjelie des Halstheils und der oberen 
Hälfte des BmsttheUs des Bfickenmarks zu thnn haben in Anbetracht des Bestehens 
einer partiellen Anästhesie und charakteristischer trophischer Störungen. 

Die Besonderheiten dieses Falles äussem sich erstens im Fehlen einer Muskel« 
atropbie in den linken Extremitäten, der Brust und des BQckens, was recht selten 
beobachtet wird. In dieser Beziehung besteht eine Analogie mit den Fällen von 
Bossolimo und Kobra, wo bei der Section Veränderungen in den Yorderhömem 
fehlten. Eine andere noch interessantere Besonderheit ist die Yergrösserung der 
ganzen oberen rechten Extremität Aehnliche Fälle sind von Marie und Maisner 
unter dem Namen Cheiromegalie, von Schlesinger als Sjringomyelie mit Makrosomie 
pnblicirt worden. Die Frage nach der Entstehung solcher Hypertrophieen, ob sie 
trophischen oder vasomotorischen Ursprungs ist, bleibt bis jetzt noch eine offene. 

Discussion: 

Prof. A. J. Koshewnikoff kann bei der voi^tellten Pat keine Akromegalie 
zngeben, da die YergrOsMmng einiger ICaasse der rechten oberen Extremität durch 
Erkrankungen in den Qelenken und durch dieselben b^leitende Oedeme in den 
Weichtheilen und Hypertrophie der letzteren erklärt werden können. 

Ferner betbeiligten sich noch Bossolimo und Preobrasbensky. 

Dr. M. E. Schön demonstrirte einen Kranken von 21 Jahren, welcher vor* 
scbiedentliche Zeichen des Infatilismns darbietei Eine ansfUhrlicho Mittheilnng ist 
fOr eine der nächsten Sitzungen in Aussicht gestellt 

Dr. W. A. Samgin: Bin Fall von Xiopra anaeetheti o a mit Autopsie. 

Der Yortr. untersuchte die Haut, das Nerven^stems und die inneren Organe 
eines Kranken, welcher an der anästhetischen Form der Lepra gelittmi batte, mikro* 
skopiseh. Der Pat lebte und war gebürtig im Moskauer Qonvemement, wo die 
Lepra eine Seltenheit ist Sein Leiden erstreckte sich auf 10 Jahre. Zn Ende 
seines Lebens verbreitete sich die Anästhesie über den ganzen Körper, ausser einmn 
geringen viereckigem Felde zwischen den Schulterblättern. Dissociirte Sensibilitäts- 
stikungen: die tactile Sensibilität ol^leich abgeschwächt überall erhalten, Temperatur« 
und Schmerzgefühl erloschen. Paralysen im Gebiete des Ulnaris, Medianus, Peroneus 
und Facialis, Panaritinm analgicnm. Keine Yerstfinunelungen. Auf der Haut charak« 
teristische Flecken, welche zu Ende des Lebens der Pat. conflniren. 

Mikroskopische Untersuchung: In der Haut inselförm^e Infiltrate in der 
Umgebung der Gefösse; Bacillen nur dort wo die Infiltrate frisch sind; an älteren 
Stellen, bei bindegewebiger Organisation der Infiltrate, schwinden die Bacillen. In 
den Nerven speciflsebe Infiltrate; im N. ulnaris steigen sie von der Haut bis zum 
Plexus axillaris auf. Der N. peroneus ist ebenfalls von Infiltraten durchsetzt 
Myelinfasem fehlen bei allen diesen Nerven in Folge starker Entwickelung einer 
interstitiellen Neuritis. Wucherung von Fet^ewebe in das Peri« und Epineurium. 
ln den Infiltraten finden sich die Bacillen nur in geringer Zahl und nicht Überall, 
ln den hinteren Wurzeln aofsteigende secnndäre Degeneration. Im Goll’schen Strang 
eine im Halsmark besonders ausgeprägte Degeneration, ln den Zellen der Hörner 
und der Ganglien werden keine Bacillen gefunden, es lässt sich nur eine vermehrte 
P^aentation nachweisen. Die inneren Oigaoe ohne lepröse Yeränderungen. Der 
Yortr. ist der Meinung, dass seiue Beobachtung die Ansicht unterstützt, welche die 


Dig g/od Dy CjOO^Ic 



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leprON N«tiriti8 ^ Folge der nmiiittelbaren iDvasion der Bakterien aoe der Htot 
in die Nerven entstanden annimmt; die Yerftnäernngen dw Wurzeln and des Btlckea« 
marks bUt er fttr seenndftre. ünerklftriicli bleibt der Umstand, den ancb sebon 
frflber die Antoren bervorgehoben haben, mrom bei der Lepra anaesthetita eim 
geringe Zahl von Bakterien eine interstitielle Nenritis hervorzimifen im Stande ist, 
wftbrend bei der Lepra toberosa h&nfig aoch eine grosse Qaantitftt von Bakterin 
eine solche nicht znr Folge bat 

Discnssion: 

In Anbetracht der geringen Zahl von Bacillen, welche htü der Lepra anaeetiieticz 
gefunden werden^ and anf Grand von einigen in der Litterator vorhandenen Fieta, 
ist Dr. Bflssolimo der Ansicht, dass mm bri fieser Form die Mbglichk^ einer 
chronischen Einwirkang sowohl der Badllen selbst; als anch der von ihnen piodn* 
cirten Toxine auf das Nervensystem inlassen kann; 

Ferner betheiligten sieh Mnratoff and Wersiloff. 

8. Orlowsky. G. Bossolimo. 

Sitzung vom 24. Apnl 1898. 

Ck J. Bossolimo: Hereditär« oMWbaUar» Ataade (KiankendamonstnUMB)^ 
Der Vortr. beobachtete 3 Kranke — eine Schwester und 2 Brüder (die beiden 
letzteren werden demonstrirt) —, bei denen man erblicherseits bloss auf Alkoholismua 
des Vaters hinweisen kann; in der Verwandtschaft litt (hach Aussage der Matter 
dw Kranken) niemand weder an schwankendem Gange, noch am Schielsn. Eüm 
S chwester und 2 Brüder aas dieser Fanülie sind vollkommen.gesund. 

1. Olga Sch. (zweites KindX anverheintbet, 29 Jahre alt, warde secbtieiüg 
geboren, ohne Dystopieen, entwickelte sich physisch etwas langsam. Ist stets mittel- 
mässig begabt and etwas ongesohickt in ihren Bewegongen gewesen. Im 20. Jahre 
erhebliche Verletzung des rechten Kniees, wonach sie zunehmendes Schwanken beim 
Geben und gleichzeitige Schwäche des rechten Beines bemerkte, etwas später Qttem 
and Unsicherheit behn Bew^en der Bände; in den letzten Monaten Diplopie. ^ 
Sdansde^ eehräg ^fallende Stirn, fiaeher Hinterkopf, beide 6. Finger km. 

Stat praes.: Zittern and Unaichethett der faiMsen Bewwgng beidmr HInit; 
mregfimiaoige (ataetisdie) Scfarift mit leiditem SittsoL Atactiseher (oereUlanr) 
Gang. Sehwanken in anfrecbter Battimg, Unvarmügen aaf eiDM Bein zw staken. 
Bodentende Eotwiokelnng dar Mnsknhttnr brnder nntersn Bxtiwmitttett^ links woA 
erbebliober. BrmüdnngsgeffiU in den Beinen. Erbühnog der PaMlaR^eooe. Paiesii 
m. obliqui snperioris dextri. 

2. Michael Sch. (das 5* Kind), 24 Jahre alt, rechtaeitig geboren, Am 
Dystopieen, wachs and entwiekdte sich nermel. MnBtnrbirte sdt seinem H. Jdn. 
Mit 18 Jahren — nach einem 2 Monate andanemdem Fieber — stdlte sich Be b w as kee 
beim Gehen, etwas später Unacherbeit in dmi Binden ein. Sit 19 Jahren- abw 
vrnrde das Schielen, das anch bisher bestanden hntte, soeb viel anege s proo h eiBsr , dn 
rechte Ange ist ganz nach innen abgelenkt and XHplopie eingetiwfen. Itieee Br 
scbeinnngen haben sieb bestände nwstär kl DOr Pat. hat sieh ntsmals dvdi be- 
eottdere geist^e Fähigkeiten an^ezeichnei 

Stat. praes.: Niedrige, schi^ abfbUoDde Stirn, flaoher Hinterkopf, asyuiiuehMie 
verstärkte Mimik. Lachlnst Paresie m. reeti intend oodi ntriosqtm. Pns ic h wtwt 
bei feinmon Bewegnngon der Kngor, etwas atactische Handsehri^ FÜb^kmt der 
Hyperextension der 2. Phalanx des rraken ZeigeAngers. SehwiiAen in «iftoditer 
Nnltong, Unvermögen anf einem Bein zu stehen. Ataetisoher (cerebeUarer) Gang. 
Starke Entwickelnng der Mnsknlatnr der nnteren Extremitäten, E fm ü d ungsg e fühl in 
denselben. Erhöhung der Kniereflexe, lekhter Ftuselons. HemicraBie. Undenthdie, 
etessweise erf^ende Spr»^ 


Dig'iii-od 


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3. Nicolaos Seti. (dos 6. Kiod) ist recUsotiig geboren, ohne Dystopieen; 
sotwickelte sieh normal, lernte mittelii&ss^. Im 10.—18. Jahre Mastnrbstion. Mit 
13 Jahren b^^ann Schwanken beim Gehen sich einzusteUen, das stetig progressirte. 
Tsrlangsamte Sprache. 

StaL praes.: Flacher Hinterkopf, schr^ abfallende Stirn, verstärkte Mimik, 
koias clonische, choreiforme Zneknngen in der nnt^n und Intenijonsznckangen in 
dar oborsn Oenchtsmosknlator. Sprache stolpernd, stossweise. Fistelstimme. Lach* 
lost Unsioherheit bei feineren Bewegungen mit den Hbiden. Handschrift aus* 
fisproehen atactisch. Schwanken beim Anfrecbtstehen. Unvermögen auf einem Bein 
a stehen. Ataetlschsr (cerebellarer Gang). ErmfldongsgefQbl in den Beinen. 
Foasrficken stark gewölbt Wahre Hypertrophie der Hilft- nnd Unterschenkel- 
■n^ulatnr. Paresis m. recti int dextri Hemicranie. 

Diagnose: Ataxia cerebellaris hereditaria. Familiäre Besonderheiten der Fälle: 

1. Paresen der Mm. intemi (Fall 1 2) and des Obli^ sop. (in den früheren 

Beobachtungen häufiger des Beetos int). 

%. Wahre Hypertrophie der Muskeln der unteren Extremitäten, in Folge ver¬ 
stärkter BemAhung das Gleichgewicht zu erhalten. 

3. Andere dem Beginn der Ataxie vorhergehende Erkrankungen: Beschädigung 
dss Kiüees mit langandanemder Bettbehandlong (Fall 1); fieberhafte Erkrankung 
(Fall 2); anhaltende und häufige Mastorbation (Pall 2 u. 3). 

Discussion: 

Prot Koshewnikoff erwähnt die Beobachtung von Pelizäns (familiäre disee- 
■inirte Scleroee), die man ebenfalls onter die Zahl ähnlicher Fälle einreihen kann. 
Aassordeai bäh n die Annahme für nothwmidig, dass in Fällen v(m hereditärer 
(»ebdlam’ Ataxie die mangelhafte Entwickelung, abgesehen ven dmn Kleinhirn, 
soeb mad^ Theilo des KerveDsystems betrifft (das Bttckenmark im Fall von Nonne), 
hHpbBfidüich aber die motorischen Theile deeedben. 

Dr. S. Nalbandoff: Zur Symptomatologie (Ser Syringomyelie (Typoe 
■orran). 

Der Tortr. stellt ein krankes Mädchen vor, welche er anfengs in der Klinik des 
Pnrfl Koshewnikoff, später in der Ambulanz beobachtet hatte. Anfang der Krank- 
beit, &ide des Jahres 1895, in Form multipler schmerzhafter Panaritien, die gleich- 
zeitig mit anderen tropbischen Störungen (oberflächliche Blasenbildung, Gangrän der 
Sadphalangen) wiederholt an Händen nnd Füssmi auftraten. Diese Erscheinungen 
dauerten bis zur letzten Zeit fort Von anderen Symptomen konnten ausser all- 
pmeinen hysterischen Erscheinungen Herabsetzung sämmtlicher Qualitäten der Hant- 
«uilnUtät im Gebiet der Hände uod FAsse und ebenso dw oberen Aeste bmder 
Irigemini constatirt werden. — Der Vortr., bei seiner Patientin das Bestehen der 
^ri^omyelie annehmend, bebt die diagnostische Bedeutung der schmerzhaften Pana- 
litiao alw ein FrAh^mptom der Syringomyelie hervor, welches dem aUgemeineu 
Krai^eitebilde vorhergeben kann. Die Bildung schmerzhafter Panaritien als Einzel- 
sraptoD bereehiigt nech der Meinung des Yortr., zur Annahme eines trophischen 

vasomotorischen Centmms, welches streng im BQckenmark localisirt ist 

Ab der Diecussion nahmen Theil Dr. Preobranshensky, Prof. W. Both, 
Dr. Maratoff. 

Dr. L. Minor: Syrlngomyellüsohe DlssoolatioB der Seneitottikät 
tiunsvarialsn Myellclden (auf Veranlassung des Artikels von Prof. Marinesoo); 
cf. Originalmittbeilung 3 in dieser Nummer. 

A. Bernstein. W. Murawieff. 


DiQ'iii’od 


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568 


m. Versammlnng mitteldeutscher Psychiater und ireurol<^en in Jena 

am 1. Mai 1888. 

(Schlau.) 

n. Sitzung Nachmittags 1 0hr. 

Vorsitzender Mayser lässt Über den nächsten Versammlungsort abstimmen; als 
solcher wird einstimmig Dresden, zu Geschäftsführern werden p. a. Ganser and 
Pierson, zum Cassenführer wird Ilberg gewählt 

Laudenheimer: Ueber nervöse und psychische Storungen der Qummi- 
arbeiter. 

Die beim Vulcanisiren des Gummi durch Einathmung von Schwefelkohlenstoff 
entstehenden Vergiftungen, die wegen ihrer atypischen Bilder für den Ungeübten oft 
schwer diagnosticirbar sein können, hat Vortr. in mehr als 50 Fällen studirt Er 
unterscheidet: 

1. Ällgemeine somatische; 11. Nervöse; 111. Psychische Störungen. Allen Formen 
ist eine Art Prodromalstadium gemeinsam, bestehend in Schlafenkopfschmerz, in 
gastrischen Beschwerden, in Schwindel und Müdigkeit in den Beinen. 

Ad 11. sind peripherische (neuritische) und centrale (functionelle?) Affectionen 
zu unterscheiden. Erstere sind selten und treten nur bei directem Contact der Haut 
mit CSg'Flüssigkeit auf. Letztere (Schwefelkohlenstoffneurosen) haben einen viel¬ 
gestaltigen Symptomencomplex, der zwar hysterische und neurastheniscb hypochon¬ 
drische Züge enthält, sich jedoch durch die acute Entstehung und vorwiegendes Be¬ 
fallensein der unteren Exkemitäten [Schwäche bis Parese — Pseudotabes (!)] von 
den genannten Neurosen unterscheidet 

Ad 111. berichtet Vortr. Über 25 in der Zeit von 13 Jahren beobachtete Psy¬ 
chosen nach Schwefelkohlenstoffintoxication. Oefter kommen im Anschluss an gewisse 
Schädlichkeiten localer Art (schlechte Ventilation u. A.) gruppenweise Erkrankungen 
in einzelnen Betrieben vor. Voraussetzung ist eine gewisse Disposition, ln schweren 
Fällen findet sich stets hereditäre Belastung. Die Psychose bricht durchschnittlich 
3—4 Wochen nach Uebemahme des Vulcanisirens aus. Arbeiter, die in den ersten 
zwei Monaten nicht erkrankten, bleiben in der Kegel psychisch gesund. 

Vortr. unterscheidet folgende Formen der Geistesstörung: 

a) maniakalische; meist typische Manie, bäu^ kurze hypochondrische Episoden, 
ferner ausgesprochene motorische Symptome (Tremor, Pupillendifferenz u. s. w.) Aus¬ 
gang in Heilung nach 2—Smonatlicber Dauer; 

b) depressive; dem hallucinatorischen, depressiven Wahnsinn gleichende Bilder. 
Dauer der heilbaren Fälle ca. 3 Monate. Oft Unheilbarkeit; 

c) stuporöse; 

a) ^tatonisch-hebephrenische Erankheitserscheinnngen mit schlechter Prognose; 
j3) acuter, heilbarer Stupor (Dementia acuta Eräpelin’s). CbarakterisUsch 
fär die ganze Gruppe ist Weite und Tr^heit der Pupillen; 

d) einfache Demenz; namentlich nach lange andauernder Gifteinwirkung (Ge- 
dächtnissschwäche); 

e) Charakterveränderung im Sinne eines moriatiscbeD Wesens. Die Therapie 
hat der allgemeinen Indication zu genügen. Wichtiger ist die Prophylaxis, bezüglich 
deren Vortr. eine Reibe gewerbehygienischer Maassnahmen verschlägt, die auf Grund 
reichsgesetzlicher Bislang obl^atorisch werden müssten. (Ausführliche Publication 
erfolgt später.) 

Eöster: Experimenteller und pathologisoh-anatomisolier Beitrag sor 
Lehre von der cbroniaohen Schwefelkohlenatoffvergtftung (mit Demon¬ 
strationen); cf. Original-Mittheilung U in Nr. 11 dieses Centralblattes. 


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569 


StintziQg: Boitrag aur li^ire vom Tetantu. 

Yortr. glaabt, man solle aDch ongOnstige Fälle berichten, am Aber den Werth 
der Antitoxine ein Urtheil za gewinnen. Auf seine Klinik kam ein Mann, der sich 
bei der Arbeit im Steinbmch eine Bisswonde am linken Oberschenkel zugez(^n 
hatte. Nach 8 tägiger Erkrankung brach Tetanus aus. Am 16. Tt^e nach der 
Yerletzang starb der Patient Bei der Section fand sich unterhalb der chiru^isch 
behandelten Wunde ein zweiter Eiterherd, der ziemlich tief lag, darum der Operation 
entgangen war; derselbe enthielt massenhaft Tetanusbacillen. Es war Höchster’- 
sches und Merck’sches Antitoxin zur Anwendung gekommen. Yortr. meint, dass 
dieser Fall natflriich nichts fOr noch g^n die Serumbehandlnng beweise. Yon be¬ 
sonderem Interesse sind die Impfrersnche, die Yortr. machte. Er nahm bei diesem 
Kranken Spinalpunction vor. Dieselbe ei^b Steigerung des Druckes (322 mm herab¬ 
gesetzt nach der Function auf 170 mm). Die Spinalflftssigkeit wurde mit positivem 
Ergebnisse überimpft; die Giftigkeit derselben sank im Laufe des T(^;e8. Die Ueber- 
impfung von Blut gab keine Infection, während bei Blutimpfungen von Thier auf 
Thier toxische Wirkungen beobachtet sind. 

Diese Thatsachen beweisen, dass nicht das Blut allein der Träger der Toxine 
ist; vielleicht folgen dieselben den Nervenbahnen (Bahnen der Endolymphe). Was 
die anatomische Untersachang anbelangt, so war dieselbe positiv; die Ganglienzellen 
zeigten sich afflcirt; ob dies aber onbedingt dem Tetanusgifte zuzuschreiben ist, wie 
Goldscheider meint, möchte Yortr. nicht behaupten. 

Gebhardt zeigt der Yersammlung eine blassviolette, vollkommen reactionslose, 
colloide und sterile Flüssigkeit, die eine durch Dialyse gewonnene Auflösung von 
Gold in Wasser (1:1000) darstellt. Gewonnen wurde dieses Präparat von Szig- 
mondy (Jena). 

llberg: Die Bedeutong der Katatonie. 

Yortr. legt grossen Werth auf die Anschauung der vonKahlbaum entdeckten 
Katatonie als selbständiger Kmnkheitsform, da die hierher gehörenden Fälle nach ihren 
Symptomen, nach Zeit des Beginnes, nach Verlauf und Ausgang weitgehende Ueber- 
einstimmung zeigen und durchaus nicht selten sind. Yortr. skizzirt dann die be¬ 
kannten katatonischen Symptome und demonstrirt eine grosse Anzahl interessanter 
katatonischer Schriftstücke, die die von Neisser geschilderten Eigenthümlichkeiten 
aufweisen. Die katatonischen Symptome sind für die Diagnose der Krankheit eine 
conditio sine qua non; sie kommen aber ausserdem vor bei angeborenem und secun- 
därem Schwac^nn, bei periodischer Seelenstörung, bei Amentia, Hysterie, Dementia 
paranoides und Paralyse. 

Wichtig ist der Wechsel im Zustandsbild so zwar, dass entweder nach der 
„Kahlbanm’schen Angabe auf die Melancholie, eine Manie, der Stupor, eine Yer- 
wirrtbeit und der terminale Blödsinn folgt, wobei zwischen den einzelnen Stadien 
Bemissionen emtreten können, die sich oft über viele Jahre erstrecken. In „Sonnen¬ 
stein“ starben zwei Katatoniker 16 bezw, 24 Jahre nach Beginn des Leidens; ein 
Kranker lebt noch daselbst, der 40 Jahre lang Katatoniker ist. Im Gegensatz zu 
Kahlbaum und Schüle und in Uebereinstimmung mit Eraepelin hält Yortr. die 
Prc^ose der Krankheit stets für schlecht. 

Nachdem der körperlichen Begleiterscheinungen und der Krampfzustände gedacht 
wurde, macht Yortr. einige casuistische Mittheilungen. 20 von ihm beobachtete 
Fälle b^annen durchschnittlich im Alter von 24 Jahren, der früheste Fall ent¬ 
wickelte sich im 15., der späteste im 30. Lebensjahre. Die ursprüngliche Befähigung 
war bei der Hälfte gut, bei der Hälfte massig. Die Hälfte der Kranken waren 
Kopfarbeiter. 45 ^/o war erblich belastet, davon nur 30 direct Sichere äussere 
Ursachen waren nicht zu erkennen. Vier männliche Gehirne hatten ein Durch¬ 
schnittsgewicht von 1502 g (incl. weichen Hirnhäuten und 60 g Liquor cerebralis). 
Die Hemisphären waren gleich schwer; das Gewicht des Gehimstammes verhielt sich 


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57« 


ZQ dem des Eleinbims, zu dem des Hirnmantels, wie 10:11:70. Die Hirnrinde 
zeigte miboekopisoh normnle 6ieft88e und Nervenfnsttn; ein Tbeil der Cteng^enzelleo 
war atrophirt Viele OanglimizeUen waren um Seihen von Keoro^iakerara am* 
geben. Obwohl die Hebephrenie und die Katatonie mancherlei Terwudtechaftliche 
Beziehnngen haben, kann sich Yortr. nicht f&r die ZEsammenfaesang dieser beiden 
Kraehheitsformen, wie dies Aschaffenburg vorschl^, ericlftren und bestoeitel die 
Nfltzlichkeit der von Schflle vorgenommeneo Unterordnnng der thats&elilicheD Kat»- 
tonießtUe unter die primäre Demenz. Es giebt Uebei^ngefonnen zwisehen Katatonie 
and Hebephmie und zwischen Katatonie und der klinisch sehr wiebttgen pnmeiitn 
paranoides Kraepelin’s. 

Diseussion: Binswanger steht hinsichtlieh dar Katatoniefrage anf dem Bod en 
der Schflle’schen Auffassung. Er rechnet die Katatonie za den degeneratiTSD Psy¬ 
chosen und findet die erbHche Degeneration überwiegend, er ist desbalb überrascht 
von der relativ niedrigen Erblicbkeitsziffer bei den Ilberg’Bchen PWml 

Ziehen beschränkt sich in Anbetracht der vorgerückten Zeit aof eine kans 
Mittheilnng über eine neue Methode der Entlarvung der Simulation einer halbseitigen 
hysterischen Taubheit bezw. Blindheit Dieselbe beruht im weseutlichen darauf^ dass 
die zu Untersuchende — welche beispielsweise linksseitige Taubheit augiebt — 
vorgesprochene Worte theils bei geschlossenem, theils bei offenem rechten Obre 
nachzusprechen aufgefordert wird. Sie spricht dabei nur diejenigen Worte nach, 
welche ihr bei offenem rechten Ohre vorgesprochen wurden, ^ach etwa 10—15 Min. 
fordert man die zu Untersuchende anf, die nachgeaprocheneu Worte zu wiederholen. 
Die Simulation vm’inag nun, entsprechend bekannten psychologischen ThatsaclieD, sich 
nicht mehr zu erinnern, welche Worte sie nachgesprocben hat and welche nicht 
Die Einzelheiten der praktischen Durchführung der Methode sind in der aasführ* 
liehen Mittheilnng (Uonatsschr. f. Psyeh. u. Neorolog.) nacbzulesen. 

Hösel: Ueber einige «eltene seoundära D egenetattonem naoh Herden 
in der Twael und im Thalaaot opüous (mit Demenstratk»«)). 

Vortr. demonstrirt Weigert-Präparate von einem Oebwne, waches einen Herd 
in der linken Insel mit Uebergreifen desselbmi auf den Puss des Stabkransee der 
vorderen Centralwindong und unteren Stimwindung und emen zweiten Herd üa 
Thalamus opticus anfWies, der dessen ganzes ventrales Kemlager und das des latera len 
Kerns ln seiner hinteren Hälfte zerstört hatte. Yon dM secundärra Yetändemngmi, 
die diese ein Jahr altm Herde hervorgemfen hatten, besprach Yortr. folgende» miam 
Wissens bisher noch nicht beobachteten Befuude: 

1. Der vordere Thalamnskem war vollständig gssohwunden (erst» pesitive 
Beobachtung). Mit Bezugnahme auf die Honakow’sche Arbeit über die Minden* 
Zonen dw Tbalamuekeme spricht Yortr. die Ueberseugung aus, dass das Paraeeatial- 
läppeben zwar nicht sicher als oorticale Zone des vorderen Thalamuskems aosio- 
schLessen, dass abmr die hinteren Abschnitte der unteren Stimwindung wahrscheinlich 
das corticale BindencenlTum sm; die obere Stimwindung glaubt er susschliosoou zu 
müssen. 

2. macht Yortr. auf die auffalleude Thataache aaftnerkaam, dass trota toialea 
Schwundes des vorderen Tb^amuskwnee und trotz des langes Bestehens das Leidens 
das Yicq-d’Azyr’sche Bündri »halten war; dann zeigte er, dasa das Foreraebe 
Feld Hg ebenfalls secundfa- degenerirt war. Am entwickelnngsgaecki^tiidiea Prä¬ 
parate, welches dieses Feld isolirt markscbeidenhaltig anfwies, erklärte er Volsaf. 
Ursprung und Ende des Bündels. 

S. demonstrirte er die Zerstömng des änsseren und ventralen Kenlagen des 
Tlialamus bei fast vollständigem, trotz einjährigen Bestehens des L^eas JErhaheD- 
sein des Schleifenhaupttheils und gab der Versammlung anheim, zu entschaiden, ob 
nach diesem Befund die Lehre Menakow’s von dar Untarbrachang dar gaoaea 


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571 


ScMetfe im Thilamos opticus haltbsr oder ob oiebt ▼ielmebr seioe Aaffasgang tob 
directen Veribuf dar Bindensobleife die richtigere sei (Baefdhrliohe VeröffentUefaimg 
f(dgt sp&ter). 

Haenel berichtet Aber eisen bisher noch nicht beobachteten Tamor der Dura 
mster, den er in genaneeter Weise makro- nnd mikroskopisch nntersnchte und mit 
dem Hamen Heuroganghoma myelinicnm Terom belegt Der sehr interessante Tor¬ 
trag entzieht sich leider dem Kähmen eines kurzen Beferates. 

Bnchholz demonstrirt die Photographie einer an Loes cerebri leidenden Frao 
mit einseitigem Graefe’schen Symptom, sowie Photograpbieen der unteren Extremi- 
t&ten einer an Tabes dorsalis leidenden Frao mit merkwürdigen Knochen- und Ge- 
lenkreründerongen; ferner BOntgen-Aufnabmen von besonderer Klarheit, dieselbe 
Kranke betreffend, welche die Teränderungen in anschaulichster Weise zeigten und 
Anfoahmen der beiden Bände eines jungen Mädchens, welches an cerebraler Kinder¬ 
lähmung leidet Skelett sowohl als Weichtheile der rechten Hand sind erheblich 
atrophirt Die ganze rechte Körperhälfte blieb gegenüber der linken im Wachsthnm 
zurück. Yortr. berichtet noch unter Demonstration von Präparaten und Zeichnungen 
über einen Fall von secnndärem Gehimcarcinom, welcher durch die ausserordentlich 
grosse Zahl der Carcinomknoten und durch den Sitz einzelner derselben ausgezeichnet 
ist (der Vortrag wird ausführlich veröffentlicht werden). 

Matthes demonstrirt Bfiokexunarksveränderongen bei Poliomyelitis 
acuta (Hissl-Präparate). 

Binswanger verzichtet mit Bücksicht auf die vorgeschiittene Zeit auf eine 
ausführliche Demonstration seiner pathologisch-histologischen Präparate (Aber Lymph- 
circulationen in der Grosshimrinde nnd über arteriosklerotische Himdegeneration), 
und beschränkt sich auf die Demonstration von Zeichnungen. Er hofft, seine Hit- 
tbeilnngen im Herbste in Dresden machen zu können. 

Hach Schluss der Versammlung vereinte ein Festmahl sämmtliche Theilnehmer. 

Friedländer (Jena). 


Verein für Fsyohistrie und Neurologie in Wien. 

Sitanng vom 15. Juni 1897. 

(Wiener klin. Wochenschr. 1897. Nr. 26.) 

Dr. von Sölder demonstrirt 3 Fälle von Syringomyelie mit eigenartiger 
Abgrenaung der dissooUrten smpflndungslähmung am Kopfe. 

1. Fall 30jähr. Frau, seit eineaa Jahre krank. Verlaef progressiv. Kypbo- 
ekotiose, redtte Papille eng, ausgedehnte Atrophieen und fibrilläre Zuckungen in 
Moakeln des Scbultergürtels und der rechten oteren Extremität Emetische Parese 
des rechten Beins mit entsprechender Gangstörung: Patellarreflexe gesteigert, rechts 
stärker wie links. Beehtsseitige Anidro^. Berühmngs- und tiefe Sensibilität un¬ 
gestört; Schmerz- nnd Temperaturempfindung herabgesetzt oder aufgehoben in einem 
zusammenhängenden, symmetrisch vertheilten Gebiete, das die obersten Partieeo des 
Thorax, die Bafialseite betder oberer Extremitäten, Hals nnd Hinterkopf einnimmt. 
Dio Grmze gegen das gut empfindende Gesiebt verläuft von der Scheitelhöhe zur 
Dhntmsehel, geht auf die Bückseite der letzteren über, quert sie dann und verläuft 
an der Vorderseite über den ganzen Antihelix nnd Antitr^us, zieht dann nach vom 
qner Aber den Masseter, wendet sich im Bogen nach abwärts und kreuzt den Unter¬ 
kiefer in der Mitte zwischen Kinn und Kieferwinkel. Zwei Querfinger hinter der 
Kinnspitze schneidet sie die Mamillarlinie. 

9. Fall. 26jih3r. Ham, seit 3 Jahren krmk. Kypboekoliose. Ansgebreitete 
dageaantiv» Atrophie am Schohergürtel mit enl^rsbhan^r Lähramg, leiehte Ab- 


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magerung des rechten Arms. Bechtsseitige Posticoslähmung, rechtsseitige spastische 
Hemiparese, allgemeine Beflexsteigerung. An^edehnte dissociirte Anästhesie und 
geringe tactile Hypästhesie an Bnmpf und Extremitäten. Im Beginne der Beobach¬ 
tung vor etwa einem halben Jahre stand die Grenze der Sensibilitätsstörnng am 
Halse und zog von der Haargrenze im Nacken gegen den Eieferwinkel nnd zum 
Kehlkopf. Allmählich rflckte diese Grenze nach oben nnd zwar am Hinterkopfe 
stärker als vom. Während einiger Zeit war die Grenzlinie gmian die gleiche wie 
im ersten Falle, nor hat sie sich in toto noch nach vom verschoben. 

3. Fall. 27jähr. Mann. Seit einem Jahre progressive Mnskelatrophie an 
Schnltergfirtel und oberen Extremitäten. Patellarreflexe gesteigert. Dissociirte Eim- 
pfindungslähmang am Schultei^rtel; die obere Grenze links steigt von der Haar¬ 
grenze im Nacken zum Kehlkopf ab, rechts von ungefähr dem hinteren Ende der 
PXeilnaht io sanftem, nach vom convexem Bogen zum oberen Pol der Ohrmnschel 
nnd dann weiter bis unter das Kinn wie im ersten Falle. 

Die Debereinstimmnng der Befunde in den drei Fällen zeigt, dass die gefundene 
Sensibilitätsgrenze nnd die Art ihres Yorrfickens den gesetzmässigen Tjpns fOr eine 
spinale, in die Oblongata vorräckende Querschnittsläsion (Syringomyelie) darstellt 

In zwei von den Fällen Lähr’s waren ähnliche Sensibilitätsbefnode am Kopfe 
beobachtet worden. Die in den Fällen gefundene Scheitel-Ohr-Kinnlinie wurde in 
derselben Weise von Kocher nach Stichverletznng des obersten Cervicalmarks be¬ 
schrieben. Eine genauere toxische Diagnose der anatomischen Usion lässt sich ans 
der Sensibilitätsstörung am Kopfe bisher nicht geben. 

Dr. J. Zappert: Beitrag zur CaaoUtlk der sogen. Fseudoparalyae here¬ 
ditär syphUitisoher Kinder. 

Vortr. berichtet Aber ein 14 Tage altes, hereditär-syphilitisches Kind, welches 
eine Parese beider Arme, rechts stärker als links, darbot Am rechten Hnmems 
anscheinend Crepitation, welche als Ansdmck einer syphilitischen Osteochondritis mit 
Epiphysenlösung anfgefasst wurde. Die Obduction ei^b keine Knochenaffection an 
den Armen. Im Cervicalmarke bestand bis zum oberen Drittel des Dorsalmarks eine 
Meningitis mit Yerdicknng der Pia und Yerwachsnng derselben mit dem B&cken- 
marke. Degeneration der hinteren Wurzeln, welche scharf an der von Obersteiner- 
Bedlicb beschriebenen Einschnürangsstelle einsetzte. Starke Degeneration in den 
vorderen Wurzeln; alle Yeränderungen rechts stärker ausgesprochen. 

Yortr. sieht in den Yeränderungen des Bflckenmarks die Ursache für die Arm¬ 
parese. Es ist durch diese Beobachtung erwiesen, dass die sogen. Pseudoparalysis 
syphilitica öfter durch BOckenmarksveränderangen bedingt sein möchte, besonders 
diejenigen Fälle, in welchen die Knochenerkrankung, die Schmerzhaftigkeit fehlt und 
beiderseitige Lähmungen auch in Combination mit Contracturen auftreten. 

Dr. V. Sölder bespricht unter Demonstration der histologischen Präparate einen 
Fall von Büokenmukserwelohting mit Folyneuritla. (Wird anderweitig publicirt.) 

Sitzung vom 9. November 1897. 

(Wiener klin. Wochenschr. 1897.) 

Dr. A. Bum: Die meohanlsohe Behandlung der tablsohen Ataxie. 

Yortr. bespricht die von Frenkel ang^ebene Methode in ziemlich eingehender 
Weise. Seitdem Yortr. das Verfahren fibt, hat auch er recht gflnstige Besultate zu 
verzeichnen, ln vier noch in Behandlung befindlichen, mittelschweren Fällen von 
tabischer Ataxie trat nach 3—9 wöchentlicher Anwendung der Uebungstherapie mehr 
oder weniger deutliche Besserung der Incoordination der oberen, bezw. der unteren 
Extremitäten ein. Yorstellung der Kranken. 

Dr. Erben hat Jahre hindurch bei Tabikern Uebnngen mit Hülfe einfacher, auf 
dem Boden gezeichneter Striche ai^estellt, die Besultate worden aber erst dann be- 


n.:,-.,Google 




673 


Ariedigende, als die Kranke einer systematischen Behandlung mit der Frenkerschen 
Methode nntervorfen worden. 

Dr. von Sölder demonstrirt ein djähr. Mädchen mit infantiler Pseudo* 
bulbärpanlyse als Theilerscheinnng einer spastisohen Diplegie mit bi¬ 
lateraler Athetose. 

Das Eind ist hereditär nicht belastet; normale Geburt Die Entwickelung der 
ersten 5 Jahre war eine ongestCrte. Pat lernte erst mit 2 Jahren, aber sonst in 
ganz normaler Weise gehen und war ein kluges Eind. Seit dem 6. Lebensjahre 
allmäbbch ohne anderweitige Begleiterscheinungen Entwickelung des jetzigen Zustandes, 
zoerst Ergriffensein des rechten Beins mit Schlechterwerden der Sprache, später Er¬ 
krankung des rechten Armes, ein weiteres Jahr später des linken Beines und um 
diese Zeit Auftreten Ton Eaostörnngen. Seit mehr als einem Jahr ist auch der 
linke Arm gestört ond hat Pat. Schlingbeschwerden. Einmal 70rflbeigehende Besserung 
in den ersten zwei Jahren. 

Status praesens: Kleines, graciles Eind, körperlich und geistig zorfickgeblieben, 
aber nicht verblödet. Spastisch-paretischer Gang mit gespreizten Beinen, der linke 
Fass in maximaler Eqninovamsstellung, der rechte Fuss pronirt. Lordose der 
Lendenwirbelsänie, mangelhaftes Aeqnilibrinm (Bumpfmuskelschwäche). Keine cere- 
bellare Ataxie; sie fällt leicht beim freien Gehen, während des Ganges athetotische 
Bewegungen in der unteren Qesichtshälfte und in den oberen Extremitäten, in letzter 
Zeit auch leichte Bew^ungen in der Buhe. Hochgradige Hnskelschwäche ohne 
Lähmung an den oberen Extremitäten, leichter Bigor im linken Arm, an den unteren 
Extremitäten starke Spasmen. Leichte Athetose bei willkftrlichen Bewegungen und 
als Hitbew^ng. Patellarreflexe lebhaft, rechts stärker als links. Die Sprache ist 
bulbär, fast unverständlich, Orbicularis oris und Kanmusknlatur paretisch. Die 
Nahrung wird gar nicht gekaut, der Schlingact an sich ist nicht gestört Facialis 
elektrisch normal erregbar, keine Muskelatrophieen im Bereiche des Kopfes. Die 
obere Gesichtshälfte, die Angenmuskeln, Sphincteren, Sinnesorgane wiesen keine Stö¬ 
rungen auf. Keine Progression der Erscheinungen während einer 5monatL Beobachtung. 

Vortr. nimmt an, dass der vorliegende Symptomencomplex von Glossolabial- 
parese, spastischer Diplegie, doppelseitiger, intentioneller Athetose der Gruppe der 
cerebralen Kinderlähmungen zozuzählen sei. Bemerkenswerth ist das späte Anftreten 
und die langsame Entwickelung des Leidens. 

Sitzung vom 14. December 1897. 

(Winer klin. Wochenschr. 1898. Nr. 1.) 

Dr. Infeld demonstrirt einen ohroniaohen prc^preaaiven Fall von Mnskel- 
krämpfen. 

Der Ibjähr. Pat leidet seit dem 9. Lebenegahre an Krämpfen; es treten unwill¬ 
kürliche Bewegungen zuerst im Gesichte, dann am Kopfe, Schultergürtel und der 
Hand auf, öfter Ansstossen von inspiratorischen Lauten, wie von Wörtern. Die 
Krämpfe sind fast continnirlich, die Beihenfolge unregelmässig. Die einzelnen Con- 
tractionen sind weder deutlich tonisch, noch sehr rasch; die Bew^ungen sind an 
der unteren Gesichtsbälfte, am Halse ond am Schulteigürtel am meisten, am ge¬ 
ringsten in der Hnskulatur der Halseingeweide ausgesprochen. Psychische Erregungen 
steigern die Krämpfe; Pat. kann sie nicht willkürlich unterdrücken, im Schlafe 
eeesiren sie. Intendirto Bewegungen werden durch die Krämpfe nicht gestört. In 
Bezug auf Stimmung und Charakter keine Aenderung. Die Sensibilität vollkommen 
erhalten, die Reflexe normal, ebenso der elektrische Befund. Physikalischer Befund 
der inneren Oi^ne, vegetabile Functionen normal. 

Vortr. betont, dass der Fall in keine der bekannten Krankheit^mppen passt, 
am ähnlichsten wäre er noch der chronischen progressiven Chorea. 


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574 


flo5«th V. Erftf.ft-Bbin^ stimmt dsr ADsfOhroi^ des Vortr. dass es SMh 
um einsD der chronischen Chorea ähnlichen Symptomencosaplex handelt. 

Elschnig berichtet über je einen Fall von Angttnmiiakellfthanmgan darob 
motastatUidkes Carcdnom dar Auganmoak^n 0x4 asataotatiaohaa OavelMm 
des SinoB oavemosns. (An anderer Stelle publicirt) 

Schlageohanfer demonstrirt und besprioht eine Metbod», ssauOTbaltige 
Prftparate am Häurotom zn zerlegen. (Anderweitig pnblicirt) 

Hofrath v. Krafft-Ebing berichtet über die Aetiologie von 100 FäQen Ton 
Faralysls agltoas seiner eigenen Beobachtong. 

Die Fälle Ton dieser Erhranknng betragen 0,22^/,^ des gesammten Materials 
im Bereiche der Nervenkrankheiten. Es handelte sich nm 60 Männer, 40 Fraaen. 
Ans höheren Ständen stammten 8S, ans niederen 62; die Morbidität der Israeliten 
war, procentnell gneohnet, 8 Mal grösser als die der Christen. Die Alterstabelien 
des Vortr. ergeben die grosse Seltenheit der Paralysis agitans in jüngeren Jahren 
und hn Qreisenalter, der grösste Procentsatz der Erkrankungen fiel ins 6. Decsnnium 
bei beiden Geschlechtern. Unverkennbar war hier der Einfluss involutiver Vorgänge 
im Organismus, erbliche oder sonstige Veranlagung spielt eine sehr geringe Bolle. 
Psychisches Trauma bildete bei 13 Männern und 9 Fmoen die Veranlassung som 
Ausbruche der Krankheit; mechanisches Trauma bei 4 Männern, 1 Frau; Durch* 
nässung bei 6 Hännem, 1 Frau; apoplectischer Insult bei 2 Männern; acute Krank¬ 
heiten bei 6 Männern, 4 Frauen. In Fällen von mechanisch wirlosamem Tranma 
entwickelte sich regelmässig das Leiden von der Steile dee Traumas ans. Bei 
10 Männern und 7 Frauen entwickelte sich die Krankheit ohne Gelegertheitsorsaehe 
in unmittelbarem Anschlüsse an Involutionsvorgänge. 

Vortr. weist den neueriich von Koller, Bedlich u. a. gemachten anatomistiben 
Befunden im Sinne einer perivasculären Sclerose nur die Bedeutnng einer erwoiheoen 
Prädisposition zn nnd vermuthet die Aetiologie des Leidens darin, dass bei mtem in 
solcher Weise disponirten, anatomisch nicht integren, indem in einer physiologiseben 
Phase der B^^i'ession befindlichen Individuum dasselbe treffende SehäcUicbkeiten (be¬ 
sonders p^chischee oder mecbmiischea Trauma, acute Erkrankungen) die Krankheit 
hervorrafen können. H. Sehlesinger (Wien*). 


XXnX. Wanderveraammlung der Büdwestdeatsohen Neurologen und Irren¬ 
ärzte zu Baden-Baden am 21. und 22. Mai 1888. 

Erste Sitzung vom 21. Mai, Nachmittags 2^/, Uhr, im Conversationshause zu 
Baden: BrOf&iung durch den ersten Geschäftsfflhrer Direetor Dr. Franz Fischer 
(Pforzheim). 

Zum Vorsitzenden für den ersten Tag wird Geh. Bath Prof. Dr. Hitzig (Halle) 
gewählt. 

Schriftführer: Dr. Leop. Laquer (Frankfurt a./M.). Docent Dr. A. Hoche 
(Strassbuig L/E:). 

Anwesend sind 91 Theilnehmer. 

Nach Erlddigung geschäftlicher Angelegenheiten und nach Verlraung mehrerer 
Entochuldigungsschreiben werden am ersten Ti^e folgende Vorträge gehalten: 

Geh. Bath Prof. Dr. Erb (Heidelberg): Uaber intaxmittistndae giwiraw 
und andese nervöse Brsobeinungen in Folge von Axterienerkcaalouag. 

Das Symptomenbild dee „intermiUirenden Hinkens", von den Tbierärzten ocIm» 
lange bei Pferden beobachtet, ist von Charcot in die menschliche Pathologie ein¬ 
geführt und mit der Obliteration der grossen Gefassstärame der unteren Extremitäten 
(Aorta, Iliacae, Femorales) in Zusammenhang gebracht worden; später stellte es ach 


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575 


beniifl, dass ss beim Hensoben weit h&ufiger durch Arteriitis und Phlebitis der 
kleinen und Ueinsteo Qefiisse ausgeltat würde. 

Der Vortr. berichtet Aber eiuen typischen, sehr bemerkenswerthen Fall dieses 
Leidens. — Eün Hann von 54 Jahren, seit 1894/95 an einem Glefflhl von Schwere 
in den Beinen leodend, bekam 1896 rascheres Ermüden, das in der Bube sofort 
TOTSchwand; schmerahafte Spannnng in der Wade, Farüstbesieen, vasomotorische 
Stömngen, Abeterben einzelner Zehen, Krampf — alles nach 5—10 Minuten Gehens so 
gesteigert, dass Pat nicht mehr weiter kann; nach wenigen Hinnten Bnhe tritt Erholnag 
ein. Pat kann wieder spritzen, tanzen n. s. w. Nach 5—10 Hinnten Wiederholung der 
Stürang n. s. f. Im Uebrigen ist Pat, bis auf geringe Neurasthenie, gesund. Auf Grand 
des objectiven Befundes an den unteren Extremitäten: Cyanos^ Kälte, locale Blässe und 
Fehlen der Fnlse aller vier Fassarterien und der Popliteae erschien 
die Diagnose zweifellos: „intermittirendes Hinken'* in Folge von Arterioselerose. 
Als Aetiulogie kamen in Betracht: Frühere Syphilis, übermässiger Tabakmissbrauch 
und geradezu unsinnige Erkältangs*Schädlichkeiten (5 Jahre lang täglich 
^plknrte starke Eneipp’sche Güase, vielstündiges, oft wiederholtes Waten io kalten 
•Oelnrgswässem beim f^hen, Durchnässungen n. s. w.); Neurasthenie. Die Therapie 
bestand in galvanischen Fussbädem, Bnhe, Wärme, Kal. joda. und Strophant, später in 
systematischen Gehflbungen und hatte einen glänzenden Erfolg. — Pat. konnte scblieas* 
liob, ohne Beschwerden, bis zu einer Stunde gehen. Vortr. geht nicht näher auf 
die vielfachen fremden und auf etwa ein Dutzend eigener Beobachtungen ein, die das 
Symptom des intennittirenden Hinkens und dabei das Fehlen der Fussarterienpulse 
zeigen. Er betont die enorm praktische Wicht^keit der Sache, als Vorläufer der spon¬ 
tanen Gangrän. Vortr. erörtert die klinische Bedeutung des Fehlens der 
Fnsspnlse: Unter 700 daranfhin untersuchten gesunden oder anderweitig erkrankten 
Personen fehlen kaum bm 1 einzelne Fnsspulse. — Uan müsse darauf achten, 
denn bei event. dem intennittirenden Hinken zu Grande liegenden arteriosclerotlscben 
Verändemngen der kleinen and kleinsten Arterien kann das Leiden progressiv sein 
und nicht selten zur spontanen arteriosclerotlscben Gangrän führen. Die 
pathologische Anatomie eigiebt in diesen Fällen, wie bei der spontanen Gangrän der 
Chirurgen, Arteriitis obliterans seu prolifera mit Thrombosen u. s. w., ähnliches auch 
an den Venen. Es spielten nicht bloss die mechanisohen Verhältnisse der Geföss- 
verengemng, sondern auch functionelle Störungen in der Gefässinnervation dabei eine 
Bolle: die Hauptsache sei die relative oder absolute Ischämie der Haut der Nerven 
and der Hnskeln. 

Für die Aetiologie seien wesentlich das höhere Alter der Lnes, Tabakmissbnnch 
(weniger der Alkobolismns) und starke Erkältung, auch Diabetes und Gicht Dia¬ 
gnostisch wicht^ ist das charakteristische Gesammtbild: intermittirendes Hinken, 
vasomotorische Stömngen; Fehlen der Eusspnise; die Unterscheidung von 
Hyasthmiia gravis, Akroparästhesie, Eiythromelalgie, Tarsalgieen u. s. w. wird in der 
Begel eine leichte sein. 

Prof. Dr. Siemerling (Tübingen): Zur Diagnose der multiplen Soleroee. 

Tortr. berichtet über einen Fall .von mnltipler Sclerose, welcher unter dem 
Bilde einer Myelitis transversa verlief. 

39jährige Fran. 5 normale Geburten. 4 Aborte. Nach einer Dnrchnässnng 
stellten sich Krenischmerzen, Mattigkeit nnd Schwäche in den Beinen ein (1888). 
1884: Terkanbnng an den FOssen, bald dsmof plötzliche schnelle Vanohlechterang 
des Chmgen: ohne Unte rstützun g nicht mehr m(^icb; Störung beim Urinlassen. 
Status: beiderseits Optiensatrophie bei erhaltenem Sehvermögen. Kein Nystagmus. 
Pnpillenreaction erheblich. Keine Sprachstömng; ganz leichter Intentionstremor in 
den obMen 'Eztremitätro. Reflexe erhalten; starke Parese der unteren Extremitäten. 
Spasmen. Contiactnren. Kmn Tremor. Steigerung der Kniephänomene. Gang mit 
Untarstützong: spastisch-paretisch. Schwanken nach hinten. 


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576 


Incontineotia nrinse. Elektrische üntersucbong nichts besonderes. 

Sensibilität: BerOhrang aufgehoben, an den unteren Extremitäten bis zur 5. lUppe 
hinab, später bis znm Oberschenkel. An den Unterschenkeln Schmerzempfindnng auf¬ 
gehoben. Znnehmende Lähmung der unteren Extremitäten. Starke Contr^turst^img. 
Temperatursinn an den Oberschenkeln umgekehrt, an den Unterschenkeln erloschen. 
Schnell sich entwickelnder Decnbitus am Krenzbein. 

Im Rflckenmark ausgedehnte sclerotische Herde; in der Höhe des 10. Dorsal¬ 
wirbels ein fast den ganzen Querschnitt einnehmender sclerotischer Fleck. Bkt 
Äxenglieder nicht mehr erhalten. Auf- und absteigende D^eneration in den Hinter- 
und Pyramidenseitensträngen. ln der Uednlla, der Brflcke nnd Vierhflgelgegend Tiele 
Herde, ebenso grössere im Kleinhirn. 

Grosshim an ganzen Frontalschnitten untersncht: massenhafte Herde, grosse 
nnd kleine in der Binde und im Hark. Anffallend die Symmetrie des Sitsee in 
beiden Hemisphären. In allen Herden lässt sieh ein Gefässdnrchschnitt erkennen. 
(Demonstration der Präparate.) 

Zwei Sagittalschnitte der Hemisphäre eines Falles von progressiver Para¬ 
lyse. Behandlung nach Weigert-Pal. Starke Entßrbnng. Vorzngsweise Schwund 
der Fasern in den sogen. Associationscentren, die Sinnescentren zeigen noch gröeseren 
Faserreichthum. 

Priv.-Doc. Br. Brauer (Heidelberg): üeber Muskelatrophie bei multipler 
Solerose. 

Bei einem 23jährigen Hädchen wurde im Jahre 1871 eine durch anderweitigo 
nervöse Symptome nicht complicirte ziemlich hochgradige Atrophie der kleinen Hand¬ 
muskeln, sowie Schwäche der Vorder- und Oberarme beobachtet. Während ^/ 2 jähnger 
elektrischer Behandlung trat weitgehende Bessemng ein, bald aber zeigten sich die 
gleichen Störnngen von neuem, jetzt aber in Begleitung einer geringfOgigen spastiMben 
Parese der Beine. Unter verschiedenen Schwankungen trat allmählich eine complete 
spastische Paraplegie der Beine, hochgradige Atrophie der kleinen Himdmoskeln, 
sowie eine grosse Zahl heftiger, quälender Parästhesieen auf. Nystagmus, Sprach- 
störnngen nnd Intentionstremor fehlten stets. Nach 23jähriger Krankheits^no, 
während welcher Zeit die Patientin fast stets in Beobachtung der medicinischen 
Klinik zn Heidelberg stand, verstarb dieselbe 1894; die Section ergab fische 
multiple Sclerose des Gehirns nnd Bflckenmarks. 

Mikroskopisch fanden sich in den oberen nnd mittleren Partieen der Hals- 
anschwellung grosse sclerotische Herde, die auch vielfach die graue Substanz in 
Mitleidenschaft gezogen hatten. Die unteren Cervical- nnd die oberen Dorsalsegmente 
zeigten nur sehr geringfQg^fe Veränderungen. Die eztramednllären Wnrzeln, Caoda 
eqnina, SpinalgangUen, Nervenstämme, sowie die Mnskelästehen führten zwar keiiie 
in Degeneration begriffenen Nervenfasern, Hessen aber auf den Schwund einztiner 
Nervenfasern schlieesen. Die erkrankten Muskeln befanden sich in Atrophie. 

(Schlon folgt) 
Leop. Laqner (Frankfurt a./M.). 


VI. Beriobtigaiig. 

Id Nr. 11 d. Centralbl.. S. 519, Zeile 9 von oben, Hess: „Lilienfeld" statt Lilimithal; 
S. 622. Zeile 9 von oben, liess: ein „direoter Zusammenbang" statt Zasammenhang. 

üm Einsendung von Separatabdrficken an den Herausgeber wird gebeten. 

Einsendungen für die Bedaetion sind zu richten an Prof. Dr. E. Mendel, 

Berlin, NW. Schiffbanerdamm 20. 

Verlag von Vnrr ft Coxp. in Leipzig. — Druck von MrrzGiB ft Wima in Leipzig. 


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1898. 1. Jnü. Nr. 13^ 


Inhalt: I. Origlnahnittheilunaen. 1. Bemerknngen aber den Ban der Spinalganglien- 
zellen, von Prot Dr. M. v. Lenhetiek. 2. Zar Frage von den centralen Yerbindongen der 
motorischen Himnerven. Vorliofige Mittheilaoff, von stad. M. P. Renanow. 8. Hysterie bei 
einer Katze and einem Kanarienvogel, von H. Higier (Warschaa). 

II. Am den Oezelliebaflen. Berliner GeseUsehaft för Psychiatrie and Nervenkrankeiten. — 
33. Versammlang des Vereins der Irrenärzte Hiedersaohsens and Westfalens zn Hannover 
am 7. Mai 1898. — KXIII. Wanderversammlang der s&dwestdeotschen Meorologen and Irren* 
ärzte zn Baden-Baden am 21. and 22. Mai 1898. (Schloss.) — E. k. Gesellschaft der Aerzte 
io Wien. — Oesterreichiache otologische Gesellschaft. 

III. MlHheilung an den Herausgeber. 

IV. Pertenallen. 


L Originalmittlieilangen. 


[Aus dem anatomischen Institut zu Tübingen.] 

1. Bemerkungen über den Bau der Spinalganglienzellen. 

Von Prof. Dr. M. v. Lenhossdk. 

Im letzten Heft des Archivs für pathologische Anatomie (Bd. GLII. 1898. 
S. 298) veröffentlicht Herr Dr. E. Hbiuann eine Arbeit „Beiträge znr Eenntniss 
der feineren Stmctnr der Spinalganglien*', worin er an den Angaben, die ich 
vor nunmehr zwei Jahren ül^r denselben Gegenstand gemacht hattet Manches 
anszusetzen hat. Der Dmstand, dass die Arbeit ans dem Pathologischen In* 
stitut zu Halle a. S. hervorgegangen ist, veranlasst mich, meine Angaben den 
kritischen Bemerkungen des Herrn Heimank gegenüber in Schutz zu nehmen. 
Vor Allem die Bemerkung, dass Herr Hedcann ausschliesslich an Kaninchen 
gearbeitet hat, wahrend meine Arbeit die Spinalgaugienzellen des Menschen 
behandelt Ich finde diesen gewiss nicht gleichgültigen Umstand hei Herrn 
Hedcann nirgends gehörig hervorgehohen. 

* Ueber den Ban der Spinalgaoglienzellen des Menschen. Arch. f. Paych. Bd. KKIX. 
S. 345. 


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8T 



578 


Zunäc^t findet Herr Heimakn^ dass ich meinem Material in Bezug auf 
Frische zu Tiel Vertrauen geschenkt habe. Er sagt: „Wenn t. liZNHOssfiE in 
seiner letzten Arbeit einen Hingerichteten, der in die Anatomie geschafft 
wurde^), als Quelle für sein Material benutzt, so darf er mindestens aus seinen 
Objecten nur sehr vorsichtige Schlüsse ziehen. Denn man kann wohl an* 
nehmen, dass mindestens einige Stunden zwischen der Hinrichtung und der 
Entnahme der Ganglien gelegen haben, ein Zeitraum, der genügt, um die Dar* 
Stellung der feinsten Zellleibsubstanzen so gut wie unmöglich zu machen.^' Ich 
weiss nun nicht, wie Herr Ebimann zu der Annahme kommt, dass ich mein 
Material einem Hingerichteten entnommen habe, „der in die Anatomie geschafft 
wurde“; in meiner Arbeit steht nur so viel: „Die Hinrichtung eines gesunden 
kräftigen Mannes in den besten Jahren hat unlängst dem anatomischen Institut 
zu Tübingen ein vortreffliches Material für mikroskopische Zwecke zugeführt, 
und darunter auch Spinalganglien in tadellos conserrirtem Zustand.“ Herr 
Heimanm hätte doch wenigstens vermeiden sollen, seine Supposition in eine 
solche Form zu kleiden, dass der Leser denken muss, er citire meine eigenen 
Worte. Ich kann ihn versichern, dass die Spinalganglien, die ich meiner Arbeit 
zu Grunde gelegt batte, gleich an Ort und Stelle, unmittelbar nach der Hin* 
richtung von sachkundiger Hand heranspräparirt und sofort in die Fixirungs* 
flüssigkeiten gel^ wurden. Debrigens enthält der Satz von der Dnmöglichkeit 
der Darstellung „der feinsten Zellleibsnbstanzen“ schon ein^e Stunden nach 
dem Tode meiner Ansicht nach eine kleine Uebertreibung. Würde es sich 
wirklich so verhalten, so wäre es um die pathologisch-histol<^cbe Erforschung 
der Nervenzellen schlecht bestellt 

Ein Tadel wird mir auch zu Theil w^en der Art und Weise, wie ich 
meine Objecte fixirte. Auch Herr Heimanb erhielt, gleich mir und vielen 
Anderen, die besten Resultate mit dem Sublimat. Nun aber wendet er es 
etwas anders an als ich und die meisten Forscher, die damit arbeiten. Er 
lässt die zu fixirenden Stücke nicht länger als zwei Stunden darin und be> 
merkt ausdrücklich, dass es wesentlich sei, „dass man die Stücke nicht zu 
lange in der Sublimatlösung belässt, wie z. B. t. Lenhoss^e, der 24 Stunden 
lang fixirt“ Nun übersieht Herr Heimann dabei vor Allem, dass er es mit 
den Spinalganglien des Kaninchens, und zwar mit denen junger Kaninchen, ich 
aber mit denen des Menschen zu thun hatte. Ich glaube, dass Jeder, ausser 
Herrn HEmABif, der mit der Sublimatfixirung Erfahrungen hat und der jemals 
ein menschliches Spinalganglion aus dem Lumbalgebiet in Augenschein zu 
nehmen Gelegenheit hatte, mir zustimmen wird, wenn ich sage, dass es ge¬ 
radezu Kunstfehler gewesen wäre, verhältnissmässig so grosse, von so viel 
Bind^ewebe durchsetzte und vor Allem von einer so derben Bindegewebs* 
kapsel umgebene Gebilde, wie es die Spinalganglien des Menschen sind, auch 
wenn man sie, wie wir es gethan haben, der Länge nach entzwei geschnitten hat, 
bloss so kurze Zeit der Snblimatlösung anszusetzen. Ja ich würde s(^ar für 


‘ liu Original nicht gesperrt gedruckt. 


D g ! ^od Dy GoOg IC 



579 


die Spinalganglien des Eaninchens, die beträchtlich kleiner sind, als die des 
Menschen, dringend davon abrathen, die Vorschrift des Herrn Hbimamn zn be¬ 
folgen; systematische Versuche, die ich im vorigen Jahr über die zweckmässigste 
Einwirkungsdauer des Sublimats gerade an den Spinalganglien von Säugern an¬ 
gestellt habe, zeigten mir, dass nach so kurzer Sublimatwirkung der Zustand 
der Ganglienzellen dem bei einer schlechten Alkoholfixirung gleicÜommt, d. h. 
dass dabei fast ausschliesslich nur die nachträgliche Alkoholhärtung zur Qeltuag 
gelangt Herr Q. Makn, ein in der Technik der Nervenzellenuntersuchung 
ausserordentlich bewanderter Forscher, empfiehlt für die Spinalganglien ebenfalls 
24 Stunden^; Herr G. Levi, dem wir eine Reihe der feinsten cytologischer 
Arbeiten über den Bau der Nervenzellen verdanken, giebt Folgendes an‘: 
„Während man bei der Grosshimrinde der Sauger, bei dem Rückenmark und 
den Ganglien der Reptilien and Amphibien die Fixirong mit Sublimat nicht 
über 1 —2 Stunden ansdehnen darf, ist für das Rückenmark und die Ganglien 
der Sauger eine Einwirkungsdauer von 20—24 Stunden erforderlich.“ W. H. Cox 
lässt die Spinalganglien des Eaninchens in verschiedenen Sublimatgemischen 
2—3 Tage liegen. Eine Umschau in der allemeuesten neurologischen und 
sonstigen technischen Litteratnr hätte Herrn Heimann ergeben, dass die meisten 
Forscher es vorziehen, das Sublimat in energischerer Weise in Anwendung zu 
ziehen, als er es thut 

Eigenartig ist auch die weitere Behandlung, die Herr Heimann seinen Ob¬ 
jecten angedeihen lässt. Nachdem er sie 2 Stunden lang mit Sublimat be¬ 
handelt bat, legt er sie auf 6 Stunden in 707o Jodalkohol, auf 6 Stunden in 
96 und zuletzt auf weitere 6 Stunden in absoluten Alkohol. Das macht 
also summa summarum sammt Fixirung 20 Stunden — in nicht ganz einem 
Tage ist das Object zum Einbetten parat. Wenn ich auf der einen Seite 
sagen muss, dass mir eine derartige gallopirende Behandlung fast einer Miss¬ 
handlung gleichzukommen scheint, so muss ich auf der anderen Seite den wissen¬ 
schaftlichen Eifer des Herrn Heihann bewundern, der es sich nicht verdriessen 
lässt, selbst seine Nachtruhe seinen Forschungen zn opfern; denn ich wüsste nicht, 
wie bei einem solchen Sechsstundensystem das nächtliche Uml^en der Objecte 
zu vermeiden wäre. 

Die Resultate einer solchen Technik können unmöglich glänzend sein, das 
darf man schon von vornherein sagen; und dass sie es wirklich nicht sind, 
das zeigt ein Blick auf die Abbildungen der HEiMANM’schen Arbeit Ich stehe 
nicht an, zu behaupten, dass sämmtliche Bilder des Aufsatzes, die mit Sublimat 
fiiirte Objecte wiedergeben, also die Figg. 17—26, mit Ausnahme vielleicht der 


^ G. Makm, Üeber die Bebandlnog der KerreDzelleD für experimentell • histologische 
UotersnchtiDgeQ, Zeitschr. f. wisBeDschaftl. Mikroskopie. 1894. 6d. 11. 8.479. — Vcrgl. 

S. 484. 

■* G. Levi, lücerche citologiche comparate sulla cellula nervosa dei vertebrati. Rivista 
di patologia nervosa e mentale. 1897. Vol. II. 

* W. H. Cox, Der feinere Baa der SpiDalgaogllenzelle des Kaninchens. 1898. 6d. X- 
Seite 72. 

37* 


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580 


Fig. 25, handgreiflich mehr oder weniger mangelhaft flxirte Zellen dem Leser 
Torföhren. Ja seihst hei Fig. 25 ist ein solcher Verdacht nicht ganz aus¬ 
geschlossen, in Anbetracht der undeutlichen B^enzung des Eems und nodi 
mehr der unnatürlich groben Fibrillen der Bandschicht des Protoplasmas, die 
mehr als der Ausdruck einer Dissociation als der in natura ausserordentlich 
feinen fibrillären Streifung des Zellplasmas der Nervenzellen erscheint. Aber 
wenn wir diese Figur auch gelten lassen, so bleiben immer noch die anderen 
Figuren, die das von dem Herrn Verfasser befolgte technische Verfahren nicht 
im besten Lichte erscheinen lassen. 

Es ist eine Sache von grosser Schwierigkeit, ja fast ein Ding der Unmög¬ 
lichkeit, ein Bild davon zu entwerfen, wie eine ganz gut fixirte Spinalganglien¬ 
zelle aussehen soll. Müsste man doch, um hier etwas ganz Bestimmtes angeben 
zu können, wissen, wie sie im lebenden Zustande aussieht. Unser Wissen be¬ 
wegt sich vielmehr nur in der Richtung, dass wir sagen können, wie sie nicht 
aussehen soll, d. h. dass wir an den uns im Präparate vorliegenden Zellen die 
Eunstproducte als solche sicher zu kennzeichnen und als zur Forderung unserer 
Erkenntniss untauglich auszuscheiden im Stande sind. Gerade bei den Spinal¬ 
ganglien der Säuger haben wir hierfiir sehr prägnante imd bequeme Eriteiien 
im Zustande der Randschichten des Zellkörpers. Wie ich zuerst im Jahre 1895' 
nachgewiesen, genauer dann 1897 in meiner citirten Arbeit ausgeführt habe, 
zeigen ^e meisten Spinalganglienzellen, besonders aber die grösseren Exemplare, 
auf ihrer Oberfläche eine sehr auffallende, der Tigroidscbollen entbehrende, mehr 
oder weniger breite helle Zone. Diese Zone grenzt sich dann nach aussen g^n 
die Eapsel hin durch eine scharfe, deutliche, sich dunkel färbende Linie ab; 
offenbar ist das Zellprotoplasma auf der Oberfläche leicht verdichtet Dieser 
eigentliche Zellcontour, den bis vor Kurzem die .meisten Untersncher der Spinal¬ 
ganglienzellen übersehen zu haben scheinen, hat einen sehr r^elmässigen, glatten 
Verlauf; bei den kleinen Säugern (z. B. Eaninchen], wo die Eapselzellen schvrach 
entwickelt sind, läuft er fast ganz geradlinig, bei den grösseren dagegen (Menai^, 
Bind, Hund, Katze), deren Eapselzellen ziemlich stark g^n die Zelle vor¬ 
springen, nimmt er durch den Contact mit diesen typische sanfte Eindrücke auf. 
Diese von mir für den Ochsen und den Menschen beschriebenen Verhältnisse 
gelten vollkommen auch für das Eaninchen; auch hier begegnen wir an den 
meisten, besonders an den voluminöseren Zellen jener hellen oberflächlichen Lage; 
auch hier liegt die wahre Zellgrenze erst ausserhalb dieser Schicht, wie überall, 
im dichtesten Anschluss an die innere Fläche der Eapsel. Wir haben also drei 
sehr augenfällige Merkmale, woran wir uns als an Kennzeichen eines relativ gatm 
Erhaltungszustandes der Zellen halten können: 1. die Gegenwart und der Zu¬ 
stand der hellen Randzone; 2. der geradlinige Verlauf des wirklichen Zellcontours 
und 3. dessen Zusammenfällen mit der inneren Grenze des Kapselepitbels. 

Jene helle Zone ist nun den chemischen und mechanischen Eingriffen 


* M. T. LiiTHOSBäK, Der feinera Bau des NerreQBjstema im Lichte ueueeter Forschangeo- 
1895. 2. Aofl. Berlin. S. 178. 


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581 


g^enüber, wie sie unsere histol(^i8cbe Technik auf dem langen Wege von der 
Fixirung bis zum Kanadabalsamtropfen mit sich bringt, ausserordentlich empfind¬ 
lich ; sie ist der vulnerabelste Theil der Zelle. Selbst an den besten Präparaten, 
die wir mit unserer heutigen Techmk erzielen können, wird man sie an sehr 
vielen Zellen theilweise oder ganz zerstört finden. Ich habe in meiner letzten 
Arbeit die Teischiedenen Stadien ihrer Läsion genau geschildert „Bei leichteren 
Formen ihrer Alteration weist sie nur an einzelnen Stellen Defecte oder schwache 
Betractionen von der Kapsel auf, die Oberfläche der Zelle wird holprig.^* „Bei 
einer voigeschrittenen Stufe erscheint bereits ein grosser Theil der hellen Sub¬ 
stanzlage zerstört, wobei die erhaltenen Theile sich vielfach in unregelmässigen 
Abständen radiär zur Kapsel ausspannen.*' ,3^i den extremen Formen der 
Zerstömng schliesslich ist von der Bindensohicht überhaupt nichts mehr zu sehen, 
die Zelle äeht aus, als ob sie enorm geschrumpft wäre, zwischen ihr und der 
Zelle klafft nun eine weite Lücke.‘‘ 

Wie ist es nun an den HsiMXNn’scben Sublimatbüdem um diese charakte¬ 
ristische oberflächliche Plasmaanlage und ihre äussere B^renzung bestellt? 
Das Frgebniss fällt recht ungünstig aus. Nur Fig. 25 zeigt sie annähernd in 
ihrem natürlichen Zustande. Bei allen anderen ist sie durch die Behandlung 
mehr oder weniger stark mitgenommen, bei Fig. 17 vollkommen vemichteil 
Figg. 21 und 24 bieten das häufigste Bild schlecht fizirter Zellen: die Zelle 
erscheint an ihrer Oberfläche wie zerzaust, wie mit einer Unmenge frei flotti- 
render Wurzelfadchen bedeckt; die die Zelle sonst als breiter, schöner, gleich- 
massiger Saum bedeckende helle Zone erscheint faserig zerklüftet, ln den 
Fi^. 18, 19, 20, 22 und 27 ist es namentlich der im höchsten Grade unregel¬ 
mässige Zellcontour, woraus man die Diagnose: schlechte Fixirung, stellen kann, 
ja selbst bei der oben noch milde beurtheilten Fig. 25 ist die Zellgrenze nicht 
so scharf, wie wir es bei einer gut erhaltenen Zelle erwarten dürfen. 

Ich habe vorhin zugegeben, dass auch die besten Präparate derartige Zellen 
enthalten — sporadisch, zwischen anderen gut conservirten. Da nun aber 
Herrn Heimann nicht zuzumuthen ist, dass er gerade die schlechten Zellen 
seiner Präparate für den Zeichner ausgesucht hat, so ist anzunehmen, dass 
seine Sublimatschnitte gut erhaltene Zellen überhaupt nicht aufweisen. Wie 
ungünst^ die von Herrn Heimanm so warm empfohlene zweistündige Sublimat- 
fixirung ist, erkennt man daraus, dass von den HsiMAnK’scben Abbildungen 
die relativ noch am besten fixirten Zellen (Fig. 5, 6, 11, 16) sich gerade nicht 
unter den Sublimatbildern, sondern unter denjenigen finden, die mit Alkohol 
fixirte Zellen darsteilen. Die Fixirung in 96^0 Alkohol taugt also für die 
Spinalganglien des Kaninchens noch immer mehr als eine zweistündige Fixi¬ 
rung in Sublimat 

Die Fixiningsfrage ist überhaupt der wunde Punkt unserer heutigen Nerven¬ 
zellentechnik. Selbst das Sublimat ist weit davon entfernt, den Anforderungen, 
die wir nach dieser Seite hin an ein Reagens stellen müssen, zu entsprechen. 
Nach den Versuchen, die mit verschiedenen Fixirungsfiüssigkeiten in unserem 
Institute in letzter Zeit ai^estellt wurden, scheint ein gleichtheiliges Gemisch 


üig : red ;/ GoO^lC 



582 


von coDcentrirter Sublimat- und Pikrlnsaurelösung^ vor dem reinen Snblimat 
als Fiiiningsmittel den Vorzug zu verdienen. Auch mit dem CABNOT'schen 
Gemisch (Alkohol abs. 6, Chloroform 3, Eisessig 1} gelang es, relativ gute Bilder 
zn erzielen: aber auch hier erschien, wie bei den Sublimatbildern, nur ein Theil 
der Zellen befriedigend conservirt Höchst merkwürdig ist dabei die Tbatsache, 
dass sich die besser fixirten Zellen nicht etwa nur im Randgebiete oder über¬ 
haupt in einer bestimmten Region des Ganglions finden, so dass man etwa an 
einen Zusammenhang mit der Penetrationsweise des Fizirnngsmittels denken 
könnte, sondern stets unregelmässig zerstreut über den Durchschnitt. Es ist 
dies eine Erscheinung, die einigermaassen an die bekannte, bisher unaufgeklärte 
elective Eigenart der GoLöi’schen und der Methylenblaumethode erinnert — 
Die Osminmgemische haben leider den Nachtheil, dass sie nur sehr oberfläch¬ 
lich in die Ganglien eindringen und auch die Färbbarkeit der Zellen beein¬ 
trächtigen. 

In meiner Arbeit hatte ich zur Färbung der Tigroidsubstanz der Nerven¬ 
zellen (NissL’sche Körper) das Toluidinblau als das beste Mittel bezeichnet; 
ja, um meiner Empfehlung mehr Nachdruck zu verleihen, habe ich es sogar 
geradezu als ein Specificum für die Darstellung dieses Bestandtheiles des 
Nervenzellenplasmas hingestellt Ich kann auch heute nur meine damaligen 
Worte wiederholen. Toluidinblau ist zu dem genannten Zwecke entschieden 
sowohl dem Methylenblau, wie auch dem Mher von mir selbst empfohlenen 
Thionin überlegen; es giebt die schärfste Tigroidförbong. Wie sehr das Tolui¬ 
dinblau den Rang eines elektiven Färbemittels für das Tigroid verdient, 
das sieht man nirgends schöner, als an Durchschnitten von Embryonen. Unter¬ 
suchungen, die gegenwärtig in unserem Institute über die Entwickelung der 
Tigroidsubstanz in den Nervenzellen im Gange sind, haben ergeben, dass sich 
die Zellen der verschiedenen Regionen des Nervensystems durchaus nicht zur 
gleichen Zeit mit Tigroid beladen, dass vielmehr auch hier eine bestimmte 
Reihenfolge vorherrscht. Die Theile des Nervensystems nun, deren Zellen be¬ 
reits mit Tigroid versehen sind, treten an Toluidinblaupraparaten aus den Durch¬ 
schnitten des embryonalen Körpers durch ihre intensiv blaue Färbung schon 
bei den schwächsten Vergr&serungen äusserst lebhaft hervor. 

Es ist mir nicht erklärlich, weshalb sich die Toluidinblau^buug unter den 
Ncrvenzellenforschem bisher noch relativ so wenig Freunde erworben hat. Die 
Methode ist ja sehr einfach, ein Versuch damit macht keine grössere Mühe. 
Wir verfahren hier in der Weise, dass wir die Celloidinschnitte oder die mit 
Eiweissglycerin und destillirtem Wasser auf dem Objectträger festgeklebten 
Paraffinschnitte über Nacht in einer concentrirten Toluidinblaulösung stehen lassen 
und dann den anderen Tag, nach Abspfilung in Wasser, rasch in Alkohol 
differenziren, mit Carbolxylol, bezw. Xylol aufhellen und in Canadabalsam ein- 
schliessen. Fast immer lassen wir noch vor der Differenzining eine leichte 


' Zuerst von Rabl, allerdings mit 2 Thc-ilen Wasser verdfinnt, für Embryonen an¬ 
gegeben. 


Dig ü^cd Dy Google 


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Erythrosinfärbung nachfolgen, doch ist hier grosse Vorsicht m Platze, damit 
der saure Farl»toff das Toluidinblau nicht verdrängt, üm sich über die 
LeistungsWgkeit der Toloidinblauförbung eine Vorstellung zu verschaffen, wird 
es mch empfehlen, zunächst die Erythrosinnachfarbung bleiben zu lassen, loh 
kann es mir nicht denken, dass wer einmal mit Toluidinblau in der angegebenen 
Weise richtig geffirbt hat, jemals wieder zu dem Thionin oder Methylenblau 
zurückkehren würde. 

Jeder Andere hätte nun, ausser Herrn Heihann, um sich über den Werth 
der Toluidin&bung ein ürtheil bilden zu können, zu dem einfachsten Mittel ge¬ 
griffen, d. h. die Färbung selbst versucht Für Herrn Hbimann wäre ja dies 
um so leichter gew^n, als er ja Schnitte aus den Spinalganglien, die er zu 
diesem Zwecke hätte benützen können, gewiss in grosser Fülle vorräthig hatte. 
Anders Herr Heikank. Unter der stattlichen Reihe von Farbstoffen, die er 
angewendet bat — seine Arbeit ist ja wesentlich eine technische Mittheilung — 
vermissen wir gerade das Toluidinblau. Es macht den Eindruck, als ob er es, 
gerade mit Rücksicht auf meine Empfehlung, absichtlich vermieden hatte. Er 
belehrt mich, dass „Toluidinblau, Thionin und Methylenblau drei vollkommen 
gleichwerthige, von einander nur durch ganz geringe Constitutionsänderungen 
unterschiedene Tbiazine sind, deren tinctorielle Eigenschaften eben, dem gleichen 
chemischen Bau entsprechend, auch die gleichen sind“. Was Herr Hbdiank 
hier sagt, ist nicht stichhaltig. Aus 0. Sohttltz und F. Julius, Tabellarische 
Uebersicht der künstiicben organischen Farbstoffe. 3. Aufl. Berlin 1897. S. 172 
u. 174, hätte er ersehen können, dass die drei Farbstoffe sowohl in ihrer 
Zusammensetzung, wie in ihrem Verhalten verschiedenen Reagenzien gegen¬ 
über ziemlich verschieden sind. Methylenblau hat vier Methylgruppen, Toluidin¬ 
blau nur zwei, Thionin (Lauth’s Violett) gar keine. Der Mangel des Methyls 
in dem einen, die Häufung der Methylgruppen in dem anderen Farbstoff 
ist aber durchaus nicht als unbedeutend zu bezeichnen.^ Mag man aber 
auch der Ansicht sein, dass diese Constitutionsverschiedenheiten „ganz ge¬ 
ring*' sind, so steht doch die fempirische Thatsache fest, dass sie genügen, 
um den drei Farbstoffen, namentlich aber dem Methylenblau den zwei 
anderen gegenüber, in ihrem Verhalten zu gewissen thierischen Zellen und 
Geweben, verschiedene tinctorielle Eigenschaften zu verleihen. Hier hilft das 
Theoretisiren nicht, da muss man sich an die Empirie halten. Herr Heimann 
wird sich vergeblich bemühen, mit Thionin oder Toluidinblau ebenso schöne 
Nervenfärbungen durch vitale Injection zu erreichen, wie mit Methylenblau; 
auf der anderen Seite wissen wir aus der bekannten Arbeit von Hoteb^, dass 
es zwar auch mit Methylenblau gelingt, mucinhaltige Zellen metachromatisch 
zu förben, dass aber diese Schleimfarbung an Schärfe weit hinter der mit 


* Per Uaterscbied zwischen Metbyleobtaa und Thionin entspricht nngefähr demjenigen 
zwischen Krystallviolett (6 Methjrlgmppen) und p-Fnchsin (keine Methylgmppe), von welchen 
beiden Farbstoffen der eine in Lösnng blao, der andere dagegen roth erscheint. 

* H. Hoybb, Ueber den Nachweis des Uneins in Geweben mittelst der Färbemetbode. 
ArchW t mikrosk. Anatomie. 1890. Bd. XXXVI. S. 810. — Vergl. namentUoh S. 820. 


üig : red ;/ GoO^lC 


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Thionin zurückbleibt. Xbionin färbt das kfucia Tiel prägnanter, Methylenblau 
viel weniger metachromatisch, dafür aber freilich constanter als Thionin; daher 
empfiehlt Hoysb das Thionin für die Feststellung anch geringer Grade von 
schlemiiger Metamorphose, Methylenblau dagegen zum quantitativen Nachweis 
des Mucins in den Geweben, wo es in grösserer Menge auftritt Wird Herr 
Heimann den Muth haben, auch diese Angaben Hoteb’s auf Grund seines 
aprioristischen Dc^mas ungeprüft zu verwerfen? 

Eine ganz merkwürdige Erscheinung bei den Spinalganglien ist das ver¬ 
schiedene stmoturelle Verhalten der einzelnen Nervenzellen. Ein Durchschnitt 
durch ein Ganglion bietet dadurch ein sehr buntes Bild dar; dnnkler und heller 
gefärbte, feiner und gröber granulirte Zellen li^en reelles durcheinander. 
Herr HEiMAinf macht hier die ganz richtige Bemerkung, dass die Unterschiede 
im Aussehen der Zellen theilweise schon dadurch hervorgemfen sind, dass ein¬ 
zelne Zellen mehr in der Mitte, andere mehr in ihren Bandpartieen getn^en 
sind. Die peripherischen Zelldnrchschnitte werden natülich heller und sdiwäcber 
granulirt erscheinen, als die centralen. Aber dies erklärt nicht Alles; die 
einzelnen Zellen sind thatsächlich etwas anders stmetnrirt, und zwm: kommen 
diese Structurversdiiedenheiten in zwei Momenten zum Ausdruck: 1. in der 
verschiedenen Menge und Vertheilungsweise des Tigroids, d. h. in der ver¬ 
schiedenen Dichtigkeit und Feinheit der Kömelxmg, und 2. in den verschiedenen 
Dichtigkeitsverhaltnissen der „Gmndsubstanz“, d. h. des Zellplasmas, das zwischen 
den Tigroidschollen liegt Gröber und feiner granulirte Zellen finden sich unter 
allen Zellgrössen vertreten; was d^egen den dichteren Bau der Grundsubstanz 
betiiflft, so lässt sich das gesetzmässige Verhalten naebweisen, dass es haupt¬ 
sächlich die kleineren Zellen sind, die diese Eigenschaft besitzen. Deshalb treten 
an dem Durchschnitte die kleinen Elemente durch ihre dunklere Färbung mehr 
oder weniger lebhaft hervor. Diese Thatsache ist schon in der Arbeit von 
Daa£^ verzeichnet, nach dessen Angabe „die am dunkelsten ge&bten Zellen 
beim Pferd am häufigsten klein sind“; ebenso bemerkt auch Flemkzno’, dass 
die kleineren Zellformen „durchweg dichter gebaut, dunkler und stärker färb¬ 
bar“ sind. Einen klareren und bestimmteren Ausdruck aber hat dieser Sach¬ 
verhalt in meiner citirten Arbeit und kürzlich in einem Vortrag Mabikssco’s’ 
gefunden. Nach Mabine&co lassen sich die Spinalganglienzellen in Bezug auf 
den Bau der Grundsubstanz in drei Typen eintheilen: Der erste Typus niniasst 
die grossen Zellformen und kennzeichnet sich durch weitmaschige Anordnung 
des Spoi^ioplasmas und daher durch helles Aussehen der Zelle. Der zweite 
Typus wird durch die kleinen Zellen dargestellt; das Masebenwerk des Spongio- 
plasmas erscheint hier dicht, die Zelle selbst in Folge dessen dunkel (Ohromato- 


* H. Daab, Zar Eenatoifls der SpiaalgaDglienzellen beim Säagethier. Archiv f. mikrosk. 
Aaat. 1888 . Bd. XXXI. S. 228. 

* W. Flkmiuko, Ueber den Bau der Spinalganglieiizellen bei Sängetbieren and B«- 
merkangen über den der centralen Zellen. Archiv f. mikroek. Anat. 1895. Bd. XXXXVl. 
S. 879. 

' Q. MASDrsBCo, Pathologie de la cellale nervenee. 1897. Paris. S. 10. 


H K, Google 


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filie). Als einen dritten Typus endlich fasst Mabinesco diejenigen Zellen zu¬ 
sammen, bei denen die Grundsnbstanz einen ausgesprochen fibrillären Bau auf- 
wäst, mit nur schwach angedeuteter Netzbildung der Fibrillen. Ob solche 
Elemente sich unter den grösseren oder kleineren Zellformen finden, giebt 
Mabimesco nidit an. 

Aber lange schon Tor den genannten Forschem ist Flbsch auf diese 
TinctionsTerschiedenheiten der Nervenzellen der Spinalganglien aufmerksam ge¬ 
worden. Die Durchsicht der Mittheilungen von Flbsch* und einiger unter 
seiner Leitxmg arbeitenden Damen, namentlich der Arbeit von Helbne Eokeff’, 
ergebt auf das Bestimmteste, dass es sich bei den Beobachtungen von Flesch 
um dasselbe bandelt, wovon hier die Bede ist Die helleren Zellen nannte 
Flesch chromofile, die dunkleren chromofobe. Bei allen untersuchten Thieren 
überwiegen die dunklen Zellen über die hellen. Was aber in den Arbeiten von 
Flesch und Helehe Eonepf merkwürdigerweise nicht gen^end hervorgehoben, 
ja kaum erwähnt wird, ist der Umstand, dass die chromofoben Zellen die 
grösseren, die chromofilen die kleineren Zellen des Ganglions darstellen. Es ist 
dies um so auffallender, als sich diese Thatsachen aus den Tabellen auf S. 19 
und 20 der KoNEFp’schen Arbeit, in denen eine grosse Anzahl von Messungen 
der Nervenzellen znsammengestellt sind, und ebenso aus Fig. 1, ohne Weiteres 
ergiebt Dass unter den chromofoben Zellen auch ein^e grossere Exemplare 
figuriren, erklärt sich eben daraus, dass Kcneff zu den chromofoben Elementen 
auch noch einige grobgranulirte Zellen hinzugerechnet hat, Zellen, deren dunkles 
Aussehen nicht wie bei dem kleinen Zelltypus durch dichte Beschaffenheit des 
Grundplasmas, sondern durch aussergewöhnlich starke Entwickelung und grob¬ 
schollige Yertheilung des Tigroids verursacht ist; solche Zellen kommen auch 
unter den grösseren Formen vor.‘ 

Eine ganz andere, neue Anwendungsweise bat das Wort „chromofil“ neuer¬ 
dings von Nisbl^ erhalten. An weniger gut fixirten Präparaten der Spinal¬ 
ganglien, namentlich an Alkoholfixationen, sieht man in seltenen Fällen merk¬ 
würdige Eunstproducte: Die Zelle erscheint enorm geschrumpft, mit zackigen, 
unregelmässigen Rändern; das durch die Schrumpfung verdichtete Protoplasma 
und selbst der Kern ßrbt sich intensiv dunkel, „tintenartig*^, wie sich Nissl 
ausdrückt. Ein Zweifel, was Nissl hier im Auge bat, kann nicht bestehen, 
angesichts der Fig. 7 der Nissn’schen Arbeit im Neurol Centralbl. 13. Jahi^., 
in der er eine solche Zelle abbildet Nun nennt Nissl eine solche Zelle eine 


* M. Flesch. Bemerknagen fiber die Stnictor der GaoglieDzellcn. Neiirolog. Centralbl. 
1886. S. 145. 

* H. Eohefv, Beiträge zor Eenntnise der Nervenzellen in den peripheren QangUen. 
1886. Inang.-Dissert. Bern. 

’ Die Chromofilie in diesem Sinne scheint nur bei den peripherischen Ganglienzellen 
Torznkommen. 

* Fb. Nissl, Die segenannten Granola der Nervenzellen. Nenrolog. Centralbl. 1894. 
Derselbe: Die Beziehnngen der NervenzellensubstaDzen zn den thätigen, mhenden und er- 
mbdeten Zellznstanden. Zeitschr. f. Psjch. 1895. Bd. Lll. 


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„chromofile“ und so schliesst sich dann selbstverständlich an eine derartige Be- 
ntttznng des von Flesch geschaffenen und in einem anderen Sinne gebrauchten 
Wortes der Schluss an, dass die „Chromofilie“ ein Eunstproduct, eine Folge der 
„technischen Behandlung des Gewebes“ ist. 

Wir haben also zwei verschiedene Begriffe der „Chromofilie“ in der IJtte- 
ratur, und diese Begriffsspaltung spiegelt sich nirgends anschaulicher wieder als 
in jenem Passus der HEiuANN’schen Arbeit, der diesen Gegenstand behandelt 
Herr Heimann beschreibt ziemlich umständlich, dass die einzelnen Zellen ein ver¬ 
schiedenes Aussehen darbielen. „Erstens sind Zellen vorhanden, bei denen die 
Structurelemente des Zellleibes als solche zarter und dünner, aber so dicht an 
einander gelagert sind, dass das Zellindividuum im Ganzen einen dunkleren 
Eindruck hervorruft“; es sind dies nach Heimann die pyknomorphen Zellen 
Nissl’s oder (in der Klammer) die chromophilen Zellen von FtssOH und 
seinen Schülerinnen.^ „Andere Zellen wiederum haben grosse Elementar¬ 
gebilde, doch li^en dieselben weiter auseinander, so dass die ^Ue zwar — wie 
Flbmmino es nennt — ein scheckiges, aber doch ein helleres Bild darbietet, 
als die erst beschriebene Art“ Das sind die apyknomorphen Zellen von Nissl 
oder die ebromophoben von Flesch.^ Man sieht: hier hält sich Heimann 
an den älteren Begriff der Chromofilie; er beschreibt allem Anschein nach un¬ 
mittelbar nach seinen Präparaten hellere und dunklere Zellen und bezeichnet 
sie mit Flesch als chromofile und chromofobe. Nun aber macht er, ohne jede 
Vorbereitung, plötzlich einen kühnen Seitensprung und überrascht den Leser 
durch den mit Allem, was er auf derselben Seite gesagt hat, in dimnetralem 
Gegensatz stehenden Ausspruch: „Chromofile Zellen habe ich an meinen Spinal¬ 
ganglienpräparaten nie gesehen.“ Für den, dem die beiden Chromofilieb^Tiffe 
geläufig sind, wird die Sache natürlich sofort klar; in Herrn Heimann’s Brust wohnen 
zwei Seelen, eine die mit Flesch, und eine die mit Nissl fühlt; in der ersten 
Hälfte des Passus kommt die erste zum Ausdrucke, in der zweiten übernimmt 
die zweite das Wort. Aber dem der Nervenzellenforschung ferner Stehenden 
muss es beim Lesen dieser Stelle merkwürdig zu Muthe werden und er wird 
sich „absolut nicht herausfinden können“. 

Das Merkwürdigste nun aber an der Sache ist, dass Herr Heimann diesem, 
gelinde gesagt, etwas unklaren Passus noch eine Fussuote anhängt, worin er 
mir den Vorwurf macht, ich hätte „in die von Nissl bereits so klargelegten 
Verhältnisse durch unricht^e Anwendung des Wortes „Chromofilie“ wieder 
etwas Verwirrung gebracht, so dass der der Nervenzellenforscbung ferner Stehende 
sich absolut nicht herausfinden kann“. Wenn letzteres Herrn Heimann nicht 
gelingt, so kann ich ihm nicht helfen; aber ich glaube kaum, dass ausser ihm 
irgend Jemand auf der Welt durch die betreffende Stelle meiner Arbeit hin- 
sichtlich der Chromofilie in Verwirrung gerathen könnte. Das ist ja schon des¬ 
halb nicht möglich, weil ich es dort überhaupt vermieden habe, in der 
Frage der Chromofilie Stellung zu nehmen. Ich beschreibe ganz einfach 


* Im Original nicht gesperrt gedmekt. 


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587 


die Terschiedenen Färbbarkeiten, Dicbtigkeits* und EörnelungSTerhältnisse der 
Nervenzellen der Spinalganglien, hebe besonders hervor, dass die dunkler ge* 
färbten im Ganzen und Grossen mit den kleineren Zellen, die heller gefärbten 
mit den grösseren Zellen identisch sind. Weiterhin föge ich hinzu, dass ich 
mir durchaus zweifelhaft darüber bin, inwieweit ich die beschriebenen Wahr¬ 
nehmungen in Parallele bringen soll mit dem, was Fuesch seiner Zeit als 
Cbromofilie und Chromofobie beschrieben hat^ und bemerke zum Schlüsse, dass 
meine Beobachtungen jedenfalls mit der von Nissl als Chromofilie beschriebenen 
Erscheinnng, die nach Nissl’s eigener Angabe ein Eunstprodnct darstellt, nichts 
zu thun haben. Nun frage ich den Leser: ist in diesem Passus etwas enthalten, 
wodurch Yerwirrung entstehen könnte? 

Ein weiter Gegensatz zwischen unseren Anschauungen bezieht sich auf den 
Zellkern der Spinalganglienzellen. Färbt man einen Schnitt aus dem Spinal- 
ganglion eines Kaninchens oder auch eines anderen Sängers mit Toluidinblau, 
Thionin oder Methylenblau, so zeigt der Kern der Spinalgauglienzellen nach 
der Differenzirung in Alkohol ein eigenartiges, von den Kernen anderer Gewebs¬ 
zellen wesentlich abweichendes Bild. Während sich z. B. in den Eapselkemen 
oder den Kernen der Bind^ewebszellen des Zwischengewebes das Kerngerüst 
vermöge seines Gehaltes an Chromatin intensiv blau ge&bt zeigt, erscheint in 
den grossen, runden Kernen der Spinalganglienzellen das Kerugerüst ganz un¬ 
gefärbt und tritt nur schattenhaft, mehr durch Unterschiede der Lichtbrechung, 
als durch Tinction hervor. Bloss der umfangreiche runde, im Kern gewöhnlich 
central gelegene, nur selten (beim Menschen niemals) doppelte Nucleolus erscheint 
blau gefärbt, und zwar in intensivster Weise. Selten nur findet man beim 
Kaninchen in der Nähe des Kernkörperchens 1—3 ganz kleine, ebenfalls 
blau geförbte Schollen. — Zierlichere Bilder erhält man, wenn man die Schnitte 
nach der Toluidinblaufarbnng noch mit einem sauren Farbstoff, z. B. Ery¬ 
throsin oder Eosin behandelt: das Kemkörperchen hat seine starke dunkel¬ 
blaue Färbung beibehalten, das zarte lockere Kerngerüst dag^n bat sich 
sammt seinen Netzknoten mit dem Erythrosin verbunden und stellt sich in 
zarter Rosafärbung dar. 

Es ist dies ein tinctorielles Verhalten, das, soviel ich weiss, in dieser 
scharfen Ausprägung von somatischen Zellen bei Säugethieren nur den Kernen 
der Nervenzellen, und auch da nur denen eines Theiles der Nervenzellen zu¬ 
kommt; wir finden z. B. das gleiche Verhalten ebenso schön ausgesprochen bei 
den Kernen der grossen motorischen Zellen des Rückenmarks, bei den Pdbeinje*- 
schen Zellen, den Pyramidenzellen. — Die drei genannten blauen Farbstoffe, 
und ebenso auch das Metbylgrün, mit dem man analere Bilder erhält, gehören 
zu jenen Farbstoffen, die Ehslich basische Anilinfarbstoffe genannt hat und so 


* Die Zweifel habe ich seitdem fallen lassen; nach emeaerter Darchsicht der Arbeiten 
TOD Flbscb and seiner SchQlerinnen bin ich non überzeugt, dass Flesch’s und meine 
eigenen Beobachtungen dasselbe betreffen, natürlich nur soweit es sich um die Spiualganglien- 
xellen handelt. 


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588 


kann man dem beschriebenen Verhalten dadurch Ausdruck geben, dass man 
sagt: bei den Spina^ngUenzellen ist die basische Substanz des Zellkerns haupt¬ 
sächlich im Nncleolus enthalten, das Kemgerüst dagegen, anders als in den 
Kernen der meisten anderen Gewebszellen, entbehrt der basofilen Substanz voll¬ 
kommen und zeigt ausgesprochene acidofile Eigenschaften. Auf alle Fälle fehlt 
im Kemgerüst jene Sustanz, die in anderen Kernen die dunkle Färbung des 
Gerüstes mit „Kemfarbstoffen“ verursacht, nämlich das FLEBOONG’sche Chro¬ 
matm (M. Heidbnhaim’s Basidiromatin'), das wahrscheinlich identisch ist mit 
Fb. Miesobsb’s Kucleln. 

Diese bemerkenswerthe Thatsache, auf die ich in meiner Arbeit besonderes 
Gewicht gelegt habe, bat bei allen neueren Forschem, die bei der Besprechung 
der Spinalganglienzellen auch den Eem in den Kreis der Betrachtung ziehen, 
gehörige Würdigung gefunden. So hat z. B. B. y Cajal^ die Kerne der Spinal- 
ganglienzellen als Kerne charakterisirt, bei denen das ganze Chromatin im Kem- 
körperchen vereint ist; tait Gehoohten^ sagt: „Le nuclöole est donc basophile 
tandis que la partie oi^anisöe du caryoplasme se montre aoidophile.^* Dnd an 
einer anderen Stelle heisst es von dem Chromatin des Kerns der Spinalganglien- 
zellen, dass „au lieu d’etre röparüe dans toute Tötendue du röseau caryoplas- 
matique, cette nuclöine s’est condensöe en un ftma« central pour continuer 
le nuclöole: oelui-ci serait donc un nuclöole nuolöinien dans le sens de Cabnot.“ 
Leti^, der sich bei seinen TJntersuchungen hauptsächlich der Ebblioh-Biomdi’- 
schen Färbung bedient hat, findet das Kemgerüst ebenfalls stets acidofil und 
verlegt das Basichromatin der Spinalganglienzellen in die oberflächlichsten 
Schichten des Nncleolus (s. weiter unten). 

Herr Heihann glaubt nun, diese übereinstimmenden Angaben durch einige 
hingeworfene Worte in einer Fassnote abthun zu können. „Dass das Kemgerüst 
nicht, wie v. LenhossEe behauptet, acidophil ist, sondern sich auch mit 
basischen Farben färbt, dürfte ein Blick auf meine Abbildungen beweisen.“ Was 
zeigen uns nun die HEiMANN’schen Bilder? Sie zeigen, dass, wenn man den 
Zellen ein Gemisch aus einem basischen und einem sauren Farbstoff oder beide 
hintereinander darbietet, der Nucleolus immer die basische, das Kemgerüst 
immer die saure Farbe an sich reisst, besonders anschaulich kommt dieser 
Thatbestand zum Ausdruck m den Figg. 5, 6,18 und 25; sie zeigen weiterhin, 
dass sich bei alleiniger Anwendung saurer Farbstoffe (Fi^. 7, 8, 9, Säurefuchsin, 
Indulin, Chlorhydrinblau) das Kerngerüst ziemlich farbgierig verhält, sie zeigen 
aber freilich auch, dass es manchmal auch durch sehr starke Anwendung eines 
basischen Farbstoffes allein gelingt, dem Kemgerüst einen blassen Farbenton, 


* M. Hbisbnhaix, Ueber £er& and Protoplasma. 1892. Festschrift für v. KÖlukb** 
Leipzig. 

* S. B. Y Cajal, Gstroctura del protoplasma nervioso. Bevista trimestral micrografioL 
1896. Vol. I. S. 1. 

’ A. VAK GaHDCHTBK, L^aDatomio fine de la cellale nerveose. Loovain. 1897. S. 30. 

* Q. Lbvi, Sa alcone particolarita di strattara del oacleo delle cellale nervöse. BivUta 
di patologia nervosa e mentale. 1896. Vol. L S. 141. 


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5S9 


so zu sagen einen Hauch von Färbung aufzuzwingen. Wenn Herr HsiUANif 
glaubt, durch den Hinweis auf die letztere Tbatsache unserer Auffassung den 
Boden entziehen zu können, so befindet er sich im Irrthum. Ich glaube kaum, 
dass es in thieriscben (rewebszellen, einschliesslich ihres Eems, irgend einen 
Bestandtheil giebt, den man nicht, bei energischer Anwendungsweise, sowohl mit 
einem sauren wie mit einem basischen Farbstoff färben könnte. Bei der gegen¬ 
wärtig üblichen Gebrauchsweise sollen die Bezeichnungen „basofil“ und „aci- 
dofil“ auch nicht besagen, dass es absolut nicht, möglich sei, den betreffenden 
Bestandtheilen aucdi mit einem sauren resp. basischen Anilinfarbstoff eine gewisse 
Färbung zu verleihen, sondern nur soviel, dass die betreffenden Formelemente 
1. aus Farbstoffgemischen und -Combinationen mit einer gewissen Constanz und 
Lebhaftigkeit den einen oder anderen Farbstoff für sich auswählen und 2. dass 
sie sich mit dem einen, z. B. dem basischen Farbstoff besonders leicht und 
distinkt, mit dem anderen, z. B. dem sauren nur schwach und diffus darstellen 
lassen. So gilt z. B. das Zellprotoplasma im Allgemeinen als acidofil und doch 
erhalt man auch mit dem basischen Methylenblau ziemlich gute Zellfarbungen; 
auf der anderen Seite ist das Eemchromatin (wenigstens das Basichromatin 
M. Heidehhain’s) allgemein als Prototyp eines basofilen Zellbestandtheiles an¬ 
erkannt, und doch ist es bekanntermaassen auch dem einen oder anderen der 
sauren Farbstoffe zugänglich. Oder hat etwa Herr Heimann schon die Wahr¬ 
nehmung gemacht, dass an mit sauren Theerfarben behandelten Präparaten die 
chromatinreichen Zellkerne als ganz ungefärbte Löcher aus der Zelle hervor¬ 
treten? Frdlich ist mit dieser Anwendnngsweise der beiden Ausdrücke der 
IJebelstand verknüpft, dass es dem subjectiven Ermessen anheim gestellt bleibt, 
wo man die Grenze ziehen soll zwischen Basofilie und Acidofilie einerseits und 
Amphofilie andererseits. Es werden sich hieraus wohl noch manche Differenzen 
in der Litteratur, ähnlich der hier vorliegenden, e^eben; aber wenn man die 
Namen Basofilie und Acidofilie ganz strenge auf eine exclusive Färbbarkeit mit 
einer Farbstoffbase oder einem sauren Fartetoff beschränken wollte, so würde das 
so ziemlilich einen Verzicht auf die Benutzung dieser bequemen und doch eine 
gewisse charakteristische Eigenart anzeigenden Namen bedeuten. Wenn Herr 
Heqcakn das Tigroid im Anschluss an Nissl^ und im Gegensatz zu Kosmos ‘ 
Ausführungen als amphofil bezeicbnet, so kann man ja ihm in so fern zu¬ 
stimmen, als sich dieser Bestandtheil der Nervenzellen in der That auffallend 
leicht und scharf auch mit sauren- Farbstoffen hervorheben lässt, unbeschadet 
seiner Vorliebe in erster Reihe für basische Farben; aber für das Eemgerüst der 
Spinalganglienzellen trifft dies nicht zu, hier ist die Bezeichnung acidofil am 
Platze und man kann die Begründung dazu der Arbeit Herrn Heihann’s selbst 
entnehmen, indem darin an verschiedenen Stellen, besonders aber auf S. 321 
hervorgehoben wird, dass „das Eemgerüst mit basischen Farben schlecht, mit 
sauren sehr gut darstellbar“ ist. 

* Fr. Ni88l, Ueber itosiR's neue Färbemethode des gesammten NerveDajatems und 
deaaen Bemerkaogen Ober Ganglienzellen. Nenrolog. CentralbL 1894. S. 98 n. 141. 

* H. Boaor, Entgegnung aof Nibsl’s Bemerkungen. Neorolog. Centralbl. 1894. S. 210. 


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590 


Stsasbubger^ hat vor einigen Jahren (1892] die Ansicht aufgestellt, dass 
das Kemgerüst dann ein erythrofiles (acidofiles) Verhalten zeige, wenn dem be¬ 
treffenden Kern viel Cytoplasma als Nährmaterial zur Verfügung steht Diese 
Ansicht ist aber von verschiedenen Seiten^ erfolgreich bekämpft worden, und 
sie scheint mir auch für unsem Fall nicht die richtige Erklärung in sich zu 
schliessen. Vielleicht etwas mehr Wahrscheinlichkeit darf die Hypothese für 
sich beanspruchen, dass der merkwürdig acidofile Charakter des Kemgerüstes 
bei den Nervenzellenkemen mit der Thatsache zusammenhängt, dass die Nerven¬ 
zellen vollkommen zur Buhe gelangte, niemals mehr einer Theilung unterliegende 
Elemente darstellen. 

Ich möchte hier noch die interessante Frage streifen, wie sich die Substanz 
des Nucleolus zu dem echten Chromatin verhält R. t Cajal und mit ihm 
Vait Gebüchten haben, wie wir hörten, das Kemkörperchen direct als ans 
Chromatin bestehend hingestellt. Indessen giebt die Anwendung des Eb&lich- 
BioNDi’schen Gemisches Resultate, die diese Annahme doch bedenklich erscheinen 
lassen, zum mindesten ohne jeden Vorbehalt Man kann allerdings auch mit 
dieser Methode Bilder erzielen, die sich als Stütze der CAjAL’schen Anpassung 
verwertben lassen könnten, indem das Kernkörperchen dabei oft in der für das 
basofile Chromatin charakteristischen leuchtend grünen Färbung erscheint. Ist 
aber das Säurefuchsin des Dreifarbengemisches nur ein wenig stärker zur Wirk¬ 
samkeit gelangt — und dies entspricht dem gewöhnlichen Verhalten bei dem 
typisch nach M. Heidenhain angeführten EHBLicH-BioNDi’schen Verfahren — 
so erhält man ein anderes Bild. Zu dem Verständniss dieses Bildes muss ich 
vorausschicken, dass beim Kaninchen und Meerschweinchen das Kemkörperchen 
niemals ganz glatt contourirt erscheint, sondern stellenweise sanfte Höcker, 
leichte Vorwölbungen erkennen lässt Nun zeigt sich bei der Dreifarbenmethode, 
dass das grosse Kemkörperchen in seinem Haupttheile nicht die reine Methyl- 
grün^bung aufweist^ sondern mehr einen bläulich-violetten, oft sogar rein rothen 
Farbenton. Nur auf der Oberfläche des Nucleolus, entsprechend den eben er¬ 
wähnten Höckern, treten 1 bis 3 schollenformige kleine Substanzpartieen in die 
Erscheinung, die die charakteristische Grünförbung, und zwar recht lebhaft, 
zeigen. Manchmal hat es den Anschein, als lägen diese Schollen im Innereu 
des Nucleolus, doch ist dieser Eindruck offenbar nur dadurch bedingt, dass das 
Kernkörpercbon diejenige Stelle seiner Oberfläche dem Beobachter zuwendet, der 
jene Schollen angehören. Die scharfe Abgrenzung der kleinen Schollen gegen 
den übrigen Theil des Nucleolus ruft den Emdruck hervor, als gehörten die 
Gebilde eigentlich gar nicht mehr zum Kemkörperchen, sondern seien ihm nur 
angelagert, und dieser Eindmck wird dadurch noch gesteigert, dass die Schollen 
manchmal vom Nucleolus ganz losgetrennt erscheinen, in welchem Falle sie jene 
schon oben erwähnten, sich mit Toluidinblau, u. s. w. blau Erbenden kleineren, 


* £. Stbabbitbqkb, Ueber das Verhalten des Pollens and die Befrachtangsvorgänge bei 
den Gymnospermen. Histologische Beitrage. 1892. H. 4. S. 1. 

* Vergl. A. Zi MiTBRMAw w, Die Morphologie nnd Physiologie des pflanzlichen Zellkernes. 
1896. Jena. S. 35. 


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591 


selbständigen Körnchen bilden, die man ab und zu im Kerngeröst, neben dem 
Nacleolus findet Jedenfalls sind die Gebilde in der überwiegenden Mehrzahl 
so fest au den Nuclelous angelöthet, dass man sie unbedenklich in morphologischem 
Sinne auch diesem zurechnen darf. Die geschilderten Verhältnisse sind zuerst 
von Leti* beschrieben worden.* 

Man kann ans diesen Beobachtungen also den 'Schluss ziehen, dass die 
Basofilie des Nucleolus nur eine relative ist Während das wahre Basiohromatin 
der umliegenden Bindegewebskeme das Methylgrön des EBBLicR-BiONUi’schen 
Gemisches immer festhält, wird dieser Farbstofif im EemkÖrperchen leicht durch 
das saure Rubin (Säurefuchsin) theilweise oder ganz verdrängt; nur die oberfläch¬ 
lichsten Theile des Nucleolus, in Form von kleinen Schollen, erweisen sich hierbei 
als typisch basofil, als in ihren farberischen Eigenschaften mit dem Chromatin 
völlig übereinstimmend. Malfatti* hat nacbgewiesen, dass mch reine Nudeln- 
säure, die aus Hefe dargestellt ist, mit einem Gemisch von Methylgrün und 
Säurefuchsin rein grün färbt, phosphorärmere Nuclelne dagegen eine bläulich¬ 
violette, bei grosser Phosphorarmut selbst rein rothe Färbung annehmeu. Diese 
Befunde berechtigen zu der Annahme, dass der Nucleolus der Spinalganglien- 
zellen aus einer Verbindung besteht, die dem Nuclein nahe steht, sich aber 
davon durch geringeren Gehalt an Phosphor unterscheidet. Nur an der Ober¬ 
fläche des Nucleolus liegen kleine Partikelohen phosphorreichereo, typischen 
Nucleins. 

Ich gelange zum Schlüsse zur schwierigen Frage des Baues der Grund¬ 
substanz, d. h. des zwischen den Tigroidschollen gelegenen Protoplasmas der 
Spinalganglienzellen, die Herr Heimann ebenfalls berührt, unter gegensätzlicher 
&wähnung meiner Angaben. Ich habe die Frage schwierig genannt, obgleich 
es nach den kurzgefassten, kategorischen Aeusserungen mancher jüngeren 
Forscher im Sinne der Fibrillärstructur, auch des Herrn Heimadn, scheinen 
sollte, als handelte es sich hier um die einfachste, handgreiflichste histologische 
Thatsache, um eine Frage, die sich mit einigen Worten abthun lässt. Indessen 
kann sich der mit der Frage auf Grund eigener Nachforschungen Vertraute des 
Eindruckes kaum erwehren, dass diese von Sicherheit strotzenden kurzgefassten 
Aussprüche mehr auf den suggestiven Einfluss der Stellungnahme des grossen 
Kieler Histologen, als auf die handgreifliche Klarheit der eigenen Bilder zurück- 
zufuhren ist Herr Heihaiw verräth sich in dieser Beziehung selbst, wenn er 
trotz des Ansspruches auf S. 325 „Man sieht bei allen Färbungen, bei der 
einen besser, bei der anderen schlechter, ein deutliches Faserwerk in der Zelle“ 
— in einem Nachwort doch noch mittheilt dass er nach Abschluss seiner Unter¬ 
suchungen, „um das Vorhandensein eines Fibrillenwerkes ganz deutlich, zu 


’ O. I.AV 1 , Sa alcane particolarita o. s. w. 

* Noch deo in aaserem Institute angestellten Untersacbangen tod Herrn Dr. Timofsbff 
(Kasan) liegen auch io den Spinalganglienzellen der Vögel analoge Verhältnisse vor. 

* H. J. Halfatti, Zur Chemie des Zellkerns. Bericht des natarwi88.-n)edic. Vereins zu 
Innsbrnck. 1891/92. S. 16. 


- i : , Googlc 



592 


zeigen*', sich der Mühe unterzogen hat, nach dem Vorgänge von Luoabo ein 
Kaninchen mit Arsenik zn vergiften. So müssen also seine früheren Bilder 
doch nicht so „ganz deutlich“ gewesen sein. Zu demselben Schlüsse, d. h. dass 
hier eine der heikelsten histologischen Fragen vorliegt, muss man kommen, 
wenn mau berücksichtigt, dass die Ansichten gewandter, in der Histologie 
erfahrener Forscher über diesen Punkt noch sehr verschieden sind, und selbst 
die Anhänger der Fibrillentheorie unter sich in sehr wesentlichen Punkten 
differiren. So einfach also, wie es der Herr Verfasser hinstellt, kann die Sache 
doch nicht liegen. 

Was mich selbst betrifft, so habe ich mich seit meiner letzten Arbeit, die 
vor mehr als zwei Jahren entstanden ist, dem Standpunkte Flemmino’s, den auch 
Herr Hezhaiw theilt, wesentlich genähert, indem ich nun auf Grund eigener 
Beobachtungen zugebe, dass es auch in den Spinalganglien der Sänger Zellen 
giebt mit fibrillärer Differenzirung des Grundplasmas. Schon früher hatte leb 
ja die fibrilläre Streifung des Aiencjlinders und des als „Ursprui^kegel“ be* 
zeichneten Theiles der Spinalganglienzelle anerkannt. Meine Mnwände hatten 
sich niemals gegen die Fibrillärtheorie im Allgemeinen gfewendet, sondern sieh 
immer nur auf den speciellen Fall der Spinalganglien bezogen; sie waren darin 
b^ründet, dass es mir trotz vielfacher darauf gerichteter, technischer Bemühungen 
niemals gelungen war, ganz überzeugende Bilder im Sinne des Fibrillenbaues 
zu erhalten. Erst vor anderthalb Jahren sollte dieses mein Postulat in Er¬ 
füllung gehen, als mir Herr Lugabo in Florenz einige seiner Spinalganglien¬ 
präparate freundlichst zur Ansicht überliess. Die Präparate stammten von einem 
Hunde, der langsam mit Arsenik vergiftet worden war. In Folge der Ver¬ 
giftung war ein Zustand eingetreten, den Herr Luoabo „peripherische Chroma- 
toljse“^ nennt, d. h. ein Schwand des Tigroids in den äusseren Lagen des 
Zellkörpers. In Folge dieser Veränderung und begünstigt durch eine gelungene 
Sublimatfixirung und progressive Hämatoxjlinfarbung trat in den meisten 
grösseren Zellen in den peripheren Schichten der Zelle ausserordentlich deutlich 
eine fibrilläre Structur zu Tage, bestehend aus dicht gelagerten, feinen, wellig, 
aber nicht geknickt verlaufenden Fäserchen, die, unbeschadet eines im Ganzen 

* S. darfiber E. Ldoabo’b Äafsatz: Solle alteraziooi degli elementi neiTosi oegli av* 
veleoameDti per arseoico e per piombo. l^rista di patolog. oervoea e meotale. 1897. YoL H. 
S. 49. — BezQgUch dea Wortes „Cbromatolyse”, das auch von französcheo ood belgisehea 
Forschem mit Vorliebe beootzt wird, möchte ich mir erlaobeo, darauf i^fmerksam m 
machen, dass das Wort seit läogerer Zeit (1885) schon för etwas anderes, nimlich för eine 
von Flsmiiimo beschriebene charakteristische Degenerationsform des Zellkems in allgemeiner 
Verwendung steht. Ueberdies könnte die von Looaro n. A. bevorzugte Benutzung des 
Wortes zn dem Missverstandniss Veranlassung geben, als wäre das Tigroid mit dem Chromatin 
des Kerns identisch, was ja bekanntlich niobt zntriSl. Ich meine daher, man sollte das 
Wort durch ein anderes, vielleicht durch dasnnmiBSTerBtäDdlicbe„Tigrolyse“(„Tjgroid8ohwuDd*‘) 
ersetzen. Die Einwände, die von Nissl (Die Hypothese der specifischen NervenzellenfnoctioD. 
Zeitsebr. f. Psych. Bd. LIV. S. 91) kflrzlicb gegen das Wort „Tigroid“ erhoben worden 
sind, scheinen mir nicht wesentlich zu sein und kommen nicht in Betracht g^enöber der 
Tbatsacbe, dass wir unbedingt ein kurzes, bequemes Wort brauchen zur Bezeichnung dieser 
für die Nervenzellen so ebarakteristUeben Substanz. 


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693 


and Grossen conoentrisidien Yerlaofs sich auf dem Längenscbnitt reichlich zu 
dorcliflediten, dort dag^en, wo das Messer ihren Verlauf quer getroffen hat, 
mit onander in netzförmigem Zusammenhang zu stehen schienen. — Äehnlich 
tiire Pnpan^ habe ich seitdem nur bei dem Frosche erhalten (mit der Eisen» 
bamato^liii'Färbung); in den Spinalganglien von Säugern ist es mir nur ab 
and in gelungen, den fibrillären Aiffbau an den Bandschichten sicher zu sehen; 
das gewöhnlichste Bild bei den meisten Fizirungen und Färbungen ist das 
enter Detzfönnigen Anordnung der Grundsubstanz, bald mehr, wie ich es früher 
besdiiieben habe, mit körnigem, bald mehr mit faserigem Charakter der netz- 
arogeo Zeichnung. Viel kommt hier jedenfalls auch auf den Fixirungszustand 
der Zeüen an; ich glaube, dass der Nachweis der Fibrillen weniger eine Frage 
der lürbong als eine Frage der Fizimng ist. Fest steht für mich so viel, dass 
in dieser Angelegenheit das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. 

Zorn Schlüsse möchte ich ein Missrerständniss berichtigen. Auf S. 325 
legt mir Herr Heimaxk die Behauptung in den Mund, dass „bei dickeren 
Sefarntten durch üebereinanderli^en der Kömelung der Grundsubstanz ein. 
filriUärer Bau rorgetäuscht werden könne“. Dieser Satz steht so fern von 
Aüem, was ich jemals behauptet habe, dass selbst die Feststellung d^sen, welche 
meiner Arbeit zu solchem MissTerständniss Anlass gegeben haben mochte, 
em mehrmaliges genaues Durchlesen meines Aufsatzes erforderte. Der Leser 
*iFd es kaum glauben, dass .es sich um eine irrthümliche Aosl^ng folgen¬ 
des, gewiss nicht unklaren Satzes handelt: „Hier kommt freilich ein der 
^iiKren histologischen Forschung im Allgemeinen feindliches Moment in Be- 
tmeht: die dilemmaartige Schwierigkeit, dass dicke Schnitte durch Ueberein- 
mderh^mng vieler Schichten den Einblick in den feinsten Bau der Zelle ver- 
Um, dünne Schnitte dagegen von Allem, was in der Zelle ist, nur Bruchstücke 
Herr HRntAww kann meinen Aufsatz oder zumindest die betreffende 
^lie Qor ganz flüchtig durcbgeleseu haben, sonst wäre ein solches Miss» 
^er^dniss wohl kaum möglich. 


[Aqs dem klinischen Laboratorium von Prof. L. 0. Dabkschewitsch.] 

2. Zur Frage von den centralen Verbindungen der moto¬ 
rischen Hirnnerven. 

[Vorläufige Mittheilung.] 

Von sind. M. P. Bomanow. 

Zq den noch wenig geklärten Fragen im Gebiete der Anatomie des cen- 
Nnrensystems gehört die Frage von den centralen Verbindungen der 
ttctnächen Himnerven. Um nun in einige von den dunkelsten Seiten dieser 

38 


D g ii.:od oy GoOg Ic 



594 


Frage Licht zu bringen, unternahm ich an Hunden eine Reihe von Versuchen, 
welche darin bestanden, dass zunächst mittelst des faradischen Stroms das cor* 
ticale Centrum dieses oder jenes Nerven bestimmt und sodann die Hirnrinde 
an der betreffenden Stelle mechanisch — durch Auslöffeln — zerstört wurde. 
Das Thier blieb nach der Operation 20—30 Tage am Leben, darauf wurde es 
secirt, und das Gehirn wurde mit KASCHi’scher Flüssigkeit bearbeitet und in 
einer ununterbrochenen Schnittreihe untersucht 

Bisher bin ich zu einigen Schlüssen in Bezug auf die Nn. trigeminus, 
facialis und hypoglossus gelangt, und erlaube mir, dieselben hier in aller Kürze 


mitzutheilen. 

\ 


/ \ 



Fig. I. Haod. Zerstört wird das cortioale 
Centnun des N. trigeminiis. Färbang nach 
MaacBi. Schnitt durch den Himschenkel. 
I Bündel degenerirter Fasern des Hirn* 
Schenkels, 3 Schleife. 



Fig. II. Derselbe Versuch. Schnitt im Niveau 
des oberen Endes vom motorischenTrigeminos* 
kem. 1 Pyramide, 2 Bapbe, 3 dcgenerirte 
Pyramidenfasern, welche die Bapne öbe^ 
söhreiten und zum Trigeminuskem der ent¬ 
gegengesetzten Seite ziehen, 4 degeoerirte 
Pyramidenfasern, welche zum Trigeminuskem 
derselben Seite gehen. 


Sowohl bei der Auslöffelung des corticaleu Centrums des N. trigeminus, als 
auch bei der Zerstörung der Centren des N. facialis und N. hypoglossus war in 
der Pyramide der gleichnamigen Seite stets absteigende Degeneration zu beo¬ 
bachten. Die degenerirten Fasern sind in den Fällen mit Verletzung des 
Facialiscentrums vorzugsweise in dem ventro - medialen Theile der Pyramide 
localisirt (Fig. IV, 1), in den Fällen von Verletzung der Centra des N. trige¬ 
minus und des N. hypoglossus verbreiten sie sich über die ganze Fläche der 
Pyramide (Fig. II, f; Fig. Ill, /; Fig-V, J), wobei die den Trigeminus be¬ 
treffenden Fälle mehr (Fig. II, f), die den Hypoglossus betreffenden weniger 
(Fig. Y, 1) solcher Fasern aufweisen. 

Im Niveau der Kerne eines jeden der untersuchten Nerven sieht man, wie 
ans der degenerirten Pyramide in der Richtung zur Raphe degenerirte Fasern 
ziehen, welche auch auf die entgegengesetzte Seite übergehen. In den Fällen 


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595 


von VerletzuDg des FacialisceDtnims kann man solche degenerative Fasern öfter 
bis dicht zum Kerne verfolgen (Fig. IV, 4)^ während in den Fällen, wo die 
Centren des lligeminus und Hypc^lossus beschädigt waren (Fig. III, 4\ Fig. V, ^), 
ein solches Bild nicht zu sehen ist. 





Fig. III. Derselbe Versach. Schnitt im Niveau dee unteren Endes vom moto¬ 
rischen Trigeminoskem. 1 Pyramide, 2 Baphe, 3 motorischer Trigeminuskem, 
4 degenenrte Pyramidenfasem, welche an den Trigeminuskem herantreten. 


Bei Verletzung des corticalen Centrums des N. hypoglossus ist die Kreuzung 
der degenerirten I^ramidenfasem in der ganzen Ausdehnung der Kerne dieses 
Nerven zu beobachten; oberhalb der Kerne dag^en beg^et man für gewöhn- 
hch keinen solchen Fasern. Die degenerirten Fyramidenfasem, welche zum 



Fig. IV. Hund. Zerstört wird das Facialiscentrum. Färbung nach Uabchi. 
Schnitt im Niveau der Facialiskene. i P 3 rramide, 2 Baphe, 3 Faoialiskern, 

4 degenerirte Pyramidenfasem, zur entgegengesetzten Seite ziehend, ö degenerirte 
Pyramidenfasern, die zum Facialiskern der gleichen Seite ziehen. 

Facialiskem ziehen, vollziehen ihre Kreuzung in der ganzen Ausdehnung der 
Kerne dieses Nerven und auch oberhalb derselben, im Gebiet der oberen Oliven. 
Was die Fjramidenfasem betrifRi, welche zum Trigeminuskern geben, so findet 
ihre Kreuzung hauptsächlich weit oberhalb des oberen Endes der Kerne dieses 
Nerven statt — im distalen Asbchnitt der unteren Gorp. quadrigemina. Im 

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Niveau des unteren Endes der Trigeminuskerne ist eine Kreuzung nicht mehr 
zu sehen, man sieht nur Fasern in der Nähe des Kerns. 

Bei Verletzung der corticalen Centra des N. trigeminus und des unteren 
Facialiscentrums sind ausser den degenerirten Fyramidenfasem, welche zum 
Kern der entgegengesetzten Seite ziehen, stets auch solche Fasern zu beobachten, 
welche zum Kern der gleichnamigen Seite gehen (Fig. II, 4\ Fig. IV, ^). 

In den Fällen, wo der Versuch vollkommen gelingt, sind auf den nach 
Mabohi behandelten Schnitten alle Fasersysteme ausser den Pyramiden ge¬ 
wöhnlich vollkommen frei von degenerirten Fasern. Was die Pyramide selbst 
betrifft, welche die degenerirten Fasern enthält, so sind da auch unter dem 



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7. .. .• ' 

Fig. V. Buod. Zerstört wird das CeDtmm des N. hypoglossos. Färbang 
nach Mabchi. l Pyramide, 2 Kapbe, 3 degenerirte PyramideofaserD, 
welche zur entgegeDgesetzteD Seite zieben. 

Niveau der Kerne des untersuchten Nerven immer degenerirte Fasern anzutreffen 
(wenn auch in geringerer Zahl), und man kann sie bis ins Bückenmark hinein — 
bis zum Seitenstrang der entg^engesetzten Seite — verfolgen. Es ergiebt sich 
also, dass bei isolirter Läsion des corticalen Centrums irgmid eines Hirnnerven 
stets auch irgend welche Fasern degeneriren, welche zum Bückenmark zieheiL 
Somit weisen keineswegs alle diejenigen Pjramidenfasern, welche nach Verletzung 
des Bindencentrums irgend eines Hirnnerven degeneriren, auf centrale Verbin¬ 
dungen dieses Nerven bin. Dieser TJmstand ist bei derartigen Experimenten 
störend bei der genauen Localisation der gesuchten Bahnen im Gebiete des 
Pedunculus und der inneren Kapsel: in beiden findet man solche Fasern dege* 
nerirt, welche sicherlich in gar keinem Zusammenhang mit den Kernen des 
untersuchten Nerven stehen. Da dem nun so ist, so haben wir gar keine An- 
haltspunke, um zu entscheiden, welche von den degenerirten Fasern zum System 
des untersuchten Nerven gehören, und welche ins Buckenmark verlaufen. 

Eine ausführlichere Mittbeilung nebst Erörterung der Litteratur wird an 
anderer Stelle erfolgen. 


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3. Hystme bei einer Katze und einem Kanarienvogel. 

Voo H. Higier (Warschau). 

Dass die Mehrzahl organisoher Krankheiten, die beim Menschen Vorkommen^ 
auch bei den Thieren beobachtet werden, ist eine allbekannte, wiederholt con- 
statirte Thatsache. Weniger bekannt ist es für funcUonelle Leiden, besonders 
diejenige des Nervensystems (Neurosen), wo psychischen Momenten eine nicht 
unbeträchtliche Rolle zukommt. So sind beispielsweise unsere Kenntnisse über 
Hysterie bei Thieren ziemlich mangelhaft, wogegen wir über viele Tausende, die 
llenschenhysterie betreffende Studien verfügen. 

Die ausfährlichen, die Hysterie behandelnden Monograpbieen und Hand¬ 
bücher (Bbiquet, Chabcot, Richer, Jollt, Pitbes, Löwehfeld, Gilles 
DE LA Toübette) lasscB die Frage der Thier-Hysterie entweder ganz unberührt, 
oder begnügen sich mit dem Citiren der vereinzelten Beobachtungen Elbtti’s 
[1853), Olveb’s (1878), Charcot’s (1878) und Abüch’s (1889), was um so 
auffallender erscheinen muss bei der Hysterie, die, wie bekannt, die häufigste 
Neurose des Menschengeschlechts darstellt 

In Anbetracht dessen erlaube ich mir in Kürze über zwei Fälle von un¬ 
zweifelhafter Hysterie bei Hausthieren zu berichten, die ich längere Zeit zu 
beobachten Gelegenheit hatte. Der eine Fall betraf eine Katze, der andere einen 
Kanarienvogel. 

Fall I. ^/^jähriges Kätzchen eines meiner Patienten, war stets gesund 
und munter, spielte gern mit den Kindern, äusserte viel Intelligenz. Eines 
Tages wurde es vom Hunde des Hauswächters überfallen und in den Rücken 
tief gebissen. Auf Ort und Stelle soll die Katze wie gelähmt hiugestürzt sein, 
mehrere Minuten jämmerlich miauend. 

Das Kätzchen lernte ich erst 5—6 Wochen nach dem Unfälle kennen. Es 
bewegte beim Laufen nur die vorderen Pfoten, den Rumpf und die Hinterpfoten 
einfach nachschleppend. Die Hinterpfoten und etwa das hintere Drittel des 
Rumpfes waren sowohl an der ventralen und dorsalen, als an den seitlichen 
Flächen total anästhetisch. Auf tiefe Nadelstiche und heisse Uebergüsse re^irte 
das Thier an den genannten Stellen kaum, indem es leise Berübrungeu der 
vorderen Körperhälfte in dieser oder jener Weise stets beantwortete. Der Schweif 
war ebenfalls gelähmt und konnte nicht die gute Läuue und Zufriedenheit seitens 
der Katze in der üblichen Weise durch Wedeln geäussert werden. Muskel¬ 
schwund der hinteren Extremitäten liess sich beim Vergleich mit dem Emährungs- 
znstand in den vorderen nicht feststellen. Auffallende Incontinenz der Blase 
oder des Mastdarms bei der in Bezug auf diese Functionen gut dressirten Katze 
waren nicht vorhanden. 

Von den recto-vesicalen Störungen, die bei der Katze fehlten, abgesehen, • 
machte das bloss am Hintertheile gelähmte Thierchen bei seinen Bewegungen 


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durchaus den Eindruck derjenigen, in den physiologischen Laboratorien ge¬ 
legentlich zu beobachtenden Experimentthiere, die in Folge Bückenmarksdurcb- 
schneidung künstlich paraplegisch gemacht werden. 

Und in der That dachte ich anfänglich an eine traumatische Myelitis 
dorsalis. Durch eine Zufälligkeit wurde jedoch nach wenigen Tagen meine 
Diagnose corrigirt. Eines Mosens schleuderte das Dienstmädchen die Katze 
vom ersten Stocke auf das Strassenpflaster, mit der naiven Absicht, zu sehen, 
ob das gelähmte Thier in derselben Weise, wie es sonst bei Katzen der Fall 
ist, beim Herunterfallen auf allen Vieren stehen bleiben wird. Und thatsächlich 
blieb das überraschte Kätzchen in der gewünschten Weise stehen, lief sofort 
davon, und wurde, gegen Erwartung, von ihrer, über 2 Monate dauernden sen- 
sitivomotorischen Paraplegia posterior dauernd geheilt. 

Dass sowohl das Zustandekommen der Lähmung als das Verschwinden der¬ 
selben auf psychischem Wege, durch intensive Affecte geschah, braucht in 
unserem Falle kaum bewiesen zu werden. Für die hysterische Natur der Läh¬ 
mung spricht übrigens der foudroyante Beginn, die complete Lähmung der 
motorischen und sensiblen Functionen bei erhaltener Blasenmastdarmfunction, 
das unzweifelhaft plötzliche Zurücl^ehen der Lähmung, — kurzum ein Ver¬ 
halten, das man bei organischen Bückenmarksleiden kaum zu sehen bekommt 

Anhangsweise sei noch über diesen Fall von traumatischer Neurose eine 
nicht uninteressante anamnestische Thatsache erwähnt, die ich nur nach den 
Angaben der Angehörigen anfübre, aber selbst nicht controlliren konnte, und 
die einigermaassen zu Gunsten hereditärer neuropathiscber Prädisposition bei der 
genannten Katze spricht. Ihre Mutter batte wiederholt in den letzten Wochen 
der Gravidität an allgemeinen clonischen, ohne Trübung des Bewusstseins sich 
abspielenden Zuckungen zu leiden (Chorea gravidarum?). 

Fall IL Ganz analog war die Pathogenese in der zweiten Beobachtung, 
die meinen eigenen Kanarienvogel betraf. Hier kam die Bolle des Stärkeren, 
des Angreifers, der Katze zu. 

Eine Katze, die sich ganz unbemerkt ins Zimmer hineingeschlichen hatte, 
überfiel meinen Kanarienvogel, indem sie in einem Nu den Käfig von der 
Wand herunterriss. Bevor sie jedoch den erschreckten Vogel anzugreifen Zeit 
hatte, wurde ich durch den Fall des herabstörzenden Käfigs auf die tr^ische 
Scene, die sich hinter mir abspielte, aufmerksam gemacht. Die Katze lief sofort 
davon, ohne, was ich kategorisch betonen möchte, den Vogel verletzt oder ac^ar 
berührt zu haben. Den Vc^el fand ich am Boden des Käfigs todtenstarr liegend 
und nach wiederholten Bespritzen mit kaltem Wasser gelang es mir, Um ins 
Leben zurückzurufen. Er wurde munter, ass gern und zeigte in seinem sonstigen 
Verhalten keine nennenswerthe Abweichung von der Norm. 

Eine schwere Schädigung blieb jedoch in der motorischen Sphäre nadi: 
totale Stummheit (Aphonie) bei dem meisterhaft singenden Kanarienvogel. Die¬ 
selbe hielt über 673 Woche ununterbrochen an, um dann ganz unerwartet so 
vemchwinden und dem wunderschönen Trillern des Artisten Platz zu maoto. 




599 


Von einem organischen Leiden ist auch in diesem Falle kaum die Rede. 
Intensive psychische Anfr^i^, nachfolgende Bewusstlosigkeit, Verlost der 
Phonation, plötzliches Zurückkehren der normalen Stimme, — alle diese Momente 
machen die Annahme einer fiinctionellen Erkrankung, einer Neurose, sehr wahr¬ 
scheinlich. Der Schreck ist also als agent provocateur des nachfolgenden hyste¬ 
rischen Anfalls (Verlust des Bewusstseins, tonische Gontractur der Muskeln) und 
des Mutismus oder Aphonie (wahrscheinlich Lähmung der Adductoren der Stimm¬ 
bänder) anfzufassen. 

Die angeführten 2 Beobachtungen beweisen somit aufs Neue die a priori 
wahrscheinliche Thatsache, dass bei mit Intelligenz blähten Thieren, ebenso 
wie beim Menschen, psychische Eindrücke tiefgreifende Reaction auf die soma¬ 
tischen Functionen auszuüben und gelegentlich typische hysterische Symptomen- 
complexe hervonurufen im Stande sind. 

Da anal(^e, genauer beobachtete Fälle yon thierischer Hysterie, wie er¬ 
wähnt, nur sehr wenige in der medicinischen Litteratur veröffentlicht sind, so 
erlaube ich mir in Kone diejenigen Beobachtungen zu citiren, die im grossen 
Werke G-illes de la Toubbttb’s über Hysterie angeführt werden. Sie ge¬ 
hören sämmtlich einem mediolanischen Vetorinärarzte Abüoh der die Gelegen¬ 
heit hatte einmal die Autopsie auszuführeu, ohne irgend welche Anomalie im 
Centralnervensystem nachweisen zu können. 

a) 2V3jüluige intelligente Hündin, ln der Anamnese Erkrankung (nervöser 
Natur?) in Folge des Verreisens ihres Herrn. Eines Tages erkrankte sie ziem¬ 
lich acut und schwer, als sie in den Händen der Hausfrau ihren Säugling sah. 
Das Leiden äusserte sich in Dysphagie, Husten, Polyurie, Alteration der Stimme 
und launenhafter Stimmung; später stellte sich complete Aphonie und sensitivo- 
motorische, nicht atrophische Lähmung der Glieder ein. Die Obduction des 
durch Darreichung von Strychnin getödteten Thieres eigab normales Verhalten 
des Nervensystems. 

b) llj^riger lustiger und intelligenter Hund. Nach einem Zomausbmch 
seitens seines Herrn bekam er einen schweren Krampfanfall ohne Bewusstseins¬ 
verlost. Derselbe wiederholte sich dann jedes Mal, als der Herr von der Stadt 
nach Hause kam und das Zimmer, wo der Hund sich befand, betrat 

c) 2jähriger Dachshund. Anamnestisch ein vor einem Jahre geheilte Fara- 
pl^e unbekannter Natur. Nachdem eine junge Hündin als Gesellschafterin für 
ihn ins Haus gebracht wurde, verlor er allmählich seine Heiterkeit und Esslust. 
Gleichzeitig stellten sich multiple Lähmungserscheinungen ein: Dysphagie, 
Aenderung der Stimme, Faraplegie ohne Blasen-Mastdarmerscheinungen. Com¬ 
plete Heilung trat ziemlich rasch ein, als die zur Gesellschaftsleistung besorgte 
Hündin vom Hause entfernt wurde. 


‘ Revue scieotifique. 1889. Nr. 14. S. 443. 


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600 


II. Aus den QeseUsohaften. 

Berliner OesellBoliaft fOr Peyohiatrie und Nervenkrankheiten. 

Sitzung vom 13. Juni 1898. 

Jolly macht bezOglich des vonWestphal in der vorigen Sitzung vorgestellten 
Falles von Tetanie die ergänzende Hittheilung, dass nach der ans der QeselUchafl 
herausgegebenen Anregung versucht worden ist, die An^le bei der Patientin za 
coupiren, dass dieser Versuch aber stets negativ ausfiel. Im Laufe der bis jetzt 
verfiossenen Zeit haben sich die Anfälle fast ganz verloren. Nur einmal sei in der 
Zwischenzeit wieder eine Erhöhung der Anfälle eingetreten. Diese Erhöhung der 
Zahl der Anßlle war durch psychischen Shock vernrsacht Mit dem Nachlass der 
Anfälle sei auch die erhöhte Muskelerregbarkeit in gleicher Weise zurQckgegangen. 

Rosin; Zur Färbung und Histologie der Nervensellen. 

Vortr. empfiehlt auf Grund gemachter Erfahrungen als allgemeine Härtnngä» 
flflssigkeit fQr das Centralnervensystem eine 4*^/^ Formollösung zu gebrauchen. Die 
mikroskopischen Schnitte, welche in dieser Weise vorgehärtet seien, könnten dann 
den meisten Färbungsmetboden auch der NissTschen mit gleichem Erfolge unter¬ 
zogen werden, als wenn man sie zuerst manchen speciellen Färbungsmethoden als 
Grundlage dienenden und empfohlenen Härtungsmetboden onterworfen hätte. Vortr. 
demonstrirt alsdann Schnitte vom Bflckenmark, die mit Neutralroth gefärbt sind. 
Das Neutralroth ist eiue Farbbase, welche eine Doppelfärbnng hervorrnft, indem alle 
basophilen Gewebe sich roth und alle acidophilen sich-gelb färben. Nach Ansicht 
des Vortragenden sei bei dieser Färbung der Zellleib besser gefärbt, als es mit der 
Nissl’schen Methode geschehe; man kann ferner an den Präparaten erkennen, dass 
der Zellleib in einer HDlle stecke, welche wahrscheinlich von einer dichteren Zone, 
der die Zelle einschliessenden Gliaschicbt gebildet wird. Ausserdem zeigen sich di< 
Protoplasroafortsätze auch von einer feinen Hölle umgeben, welche man aber veil 
verfolgen kann. Die Bilder zeigen ferner aufs deutlichste, dass der Axencjlindei 
keine Granula enthält, die sich im ZeUleib und in den Protoplasmafonsätzen roth 
gefärbt und scharf conturirt darstellen. Die Färbungsflfissigkeit besteht in einer 
concentrirten Lösung von Neutralroth, man kann mit dieser FlQssigkeit die Schnitt« 
von 10 Minuten bis zu 24 Stunden förben, ohne dass eine Ueberfarbung eintritt; 
bei kurz dauernder Färbung wird allerdings der Zellleib nicht so gut geerbt Nach 
der Färbung werden die Schnitte iu Wasser ausgewaschen, so lange sie Farbstofl 
abgeben; hierauf kommen sie in Alkohol, wo noch weiter Farbstoff abgeht und schlie»-'^- 
lich werden sie nach Aufhellung in Xylol in Ganadabalsam eingescblosseu. Vortr. 
stellt ausserdem Querschnitte aus dem Rückenmark des Kaninchen vor, in letzterem 
kamen, wie mit Triacidlösung gefärbte Präparate erkennen lassen, besonders in der 
Zone nach den Hinterhömem zu Ganglienzellen vor, die sich sowohl von den grossen 
Zellen der Vorderhömer, als auch von den ganz kleinen der Hinterhömer unter- 
scheiden, indem sich die Grundsubstanz dieser Nervenzellen dunkler färbt, und ihre 
Fortsätze seien schmäler. Beim Menschen konnte Vortr. diese Zellen nicht finden. 

Goldscheider. Die kleinen Zellen, welche Vortr. erwähnt hat, seien bei den 
Untersuchungen, welche Flatau und er angestellt, auch Gegenstand der Frflfung 
gewesen; aber bei der NissTscfaen Methode haben sich in diesen Zellen nicht sichere 
Veränderungen nacbweisen lassen. Ob diese Zellen mit den pycnomorpheu Zellen 
Nissl’s identisch sind, bezweifelt Verf. Die Ansicht, dass die verschiedene Färbung 
der einzelnen Zellelemente bei Anwendung des Triacidgemiscbea einen Schluss auf 
die saure oder basische Beschaffenheit des betreffenden Gewebes gestatte, erscheine 
ihm noch nicht genügend bewiesen. 


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601 


Kaplan bemerkt, dass im Laboratorium von Herzberge sehr viel mit Neutral« 
roth gearbeitet worden ist Die damit gewonnenen Beeultate seien deshalb nicht 
besonders erwähnt worden, weil Thionin dieselben Resultate ergeben, und dieser blaue 
Farbstoff auf die Däner fflr das Auge wohlthätiger sei als der rothe. Die Präparate 
mit Thionin und Nentralroth hätten sich bis jetzt 2 Jahre lang gehalten, ohne dass 
eine Veränderung derselben eingetreten sei. 

Trömmer hat gefunden, dass das Formol alle Gewebstheile ganz gut fixirt, 
aber doch nicht so gut, wie die einzelnen für bestimmte Färbungsmethoden ausge* 
wählten Fixirnngsmittel. Die Bilder, die man bei Formolhärtung speciell mit der 
Nissl’schen Methode erhalte, sind nicht so scharf, wie nach reiner Alkoholhärtung. 
Die vorzOglichen Bilder, welche man bei den electiven Färbungsmethoden erhalte, 
basiren doch znm grossen Theil auf electiven Bärtungsmethoden. ^as die Anwen« 
düng des Neutralroths anbetrifft, so hätte Becker schon vor 3 Jahren dasselbe vital 
angewendet. Die Formolhärtung sei von Vortheil, wenn aus besonderen Umständen 
die einzelnen Stäcke nicht in besondere FixirungsS&ssigkeiten gelegt werden können. 

Bosin hat auch nur die Empfehlung des Formols in diesem Sinne gemeint; 
man solle, jedenfalls das Formol vor der Mfiller'schen Flüssigkeit bevorzugen. Die 
Angaben Kaplan’s stehen denjenigen von v. Lenbossdk gegenüber, welcher sieb 
dahin änsserte, dass die Thioninpräparate sich nicht halten. Vortr. vertheidigt zum 
Schluss die von Ehrlich zuerst aufgestellte Theorie der acido« und basophilen 6e« 
webselemente. 

Brasch: Tramnatisobe Hypoglossoalähmong. (Krankenvorstellnng.) 

Der vorgestellte Fall betrifft einen 54jährigen Maurer, welcher vom Erdgeschoss 
in den Keller gefallen war und zwar fiel er zuerst auf das Gesäss und stiess dann 
noch mit dem Nacken gegen die Wand. Nach dem Sturz war Patient Va Stunde 
bewusstlos, hatte Blut aus Nase, Mund und Ohren verloren und auch Erbrechen 
gehabt. Bei der späteren Untersuchung hielt Pat die Zunge beständig nach rechts 
gewendet und diese Drehung erschien zuerst als ein Spasmus, wozd noch kam, dass 
sich bei weiterer Untersuchung auch noch andere hysterische Erscheinungen, z. B. 
halbseitige Sensibilitätsstörung herausstellten. Der weitere Verlauf indessen hätte 
ergeben, dass es sich um eine linksseitige Hypoglossuslähmung handele. Man siebt 
fibrilläre Zuckungen in der Zunge, die gelähmte Seite ist atrophirt und stärker be« 
legt; im Munde weicht die Zunge ein wenig nach links ab. Der Kranke trägt den 
Kopf ein wenig nach rechts gewendet; von einer Lähmung des Accessorius ist in« 
dessen nichts zu finden. Wenn überhaupt hier etwas Pathologisches bestehe, so 
könne nur ein Krampf des Cucullaris vorhanden sein. Der electrische Befund, welcher 
Herabsetzung der Erregbarkeit in diesem Muskel ergeben habe, sei allerdings eigen« 
thümlicb. Indem Vortragender die meisten bis jetzt veröffentlichten Fälle von trau« 
matischer Hypoglossuslähmung einer kritischen Besprechung unterwirft, wobei er 
besonders das Zustandekommen der Lähmung in den einzelnen publicirten Fällen 
näher beleuchtet, kommt er zu dem Schluss, dass es bei Luxationen und ähnlichen 
Läsionen in den ersten beiden Halswirbeln sehr leicht zu Quetschungen des N. bypo« 
glossus kommen kann, und dass in diesem und anderen Fallen möglicher Welse diese 
caosale Ursache ohgewaltet hat; indessen sei auch die Annahme nicht zurfickzu- 
weisen, dass hier eine Basisfraetnr die Ursache der Lähmung gewesen. 

H. Krön stellt im Anschluss an den Vortrag ebenfalls einen Fall von perl« 
pberisoher, traumatisoher Hypoglossuslähmang vor, der dadurch entstanden 
ist, dass der Nerv bei einer grösseren Geschwulstoperation am Halse vor 8 Wochen 
verletzt worden ist. Es besteht Atrophie der linken Zungenbälfte mit fibrillären 
Zuckungen bei completer Entartongsreaction. Die Beschwerden sind jetzt gering, 
die Sprache ist kaum merklich alterirt, nur das R macht Schwierigkeiten. Im An« 


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602 


fange wnrde die gelähmte Zangenhälfte häufig zerbissen. Die Zunge weicht beim 
Herausstrechen mit der Spitze nach links ab. In der Hundhöhle zeigt sie keine 
Lageverändeiung. An der Lähmung betbeiligen sich auch die stemalen Muskeln. 

Der Fall bietet ferner eine Lähmung des äusseren Accessoriusastes der» 
selben Seite dar. Der Stemocleido-mastoid., wie der CucuUaris ist gelähmt und 
erheblich atrophirt. Beide Muskeln zeigen complete Entartungsreaction. Die Ver¬ 
änderungen sind die charakteristischen. Besonders bemerkenswerth ist aber, dass 
trotz der yölligen atrophischen Lähmung auch des mittleren CucnUarisabschnittes 
kein sogen. Mouvement de bascule (Schaukelstellui^^) der Scapula besteht. Beschwerden 
werden theils durch Schmerzen in Folge Uerabhängens des Armes, tbeils durch die 
Unfähigkeit, denselben auch nur bis zu einem Winkel von 45° eleviren zu können, 
hervorgerufen. 

Bemak bemerkt, dass das Verhalten der Zunge der von Brasch vot^estellten 
Patientin nicht dem einer reinen Hemiatrophia lingnae entspricht Bei derselben ist 
die Zunge passiv widerstandslos beweglich und wird dieselbe nach beiden Seiten frei 
willkürlich bewegt Hier findet man aber bei Versuchen der Zunge gerade zu schieben 
einen Widerstand und nimmt die gerade gestellte Zange nach einiger Zeit wie will¬ 
kürlich die gekrümmte Stellung wieder ein. Es ist dies ein Symptom des Hemi- 
Spasmus linguae, welche auch durch die complicirende Hemianaesthesie wahrschein¬ 
lich ist Activ will aber der Kranke die Zunge gamicht deutlich bewegen können. 
Wenn Entartungsreaction constatirt wäre, so liegt jedenfalls ausserdem eine hyste¬ 
rische Complication vor, und handelt es sich nicht um einen reinen Fall halbseitiger 
Zungenlähmung. 

In Bezug auf das acromiale von den Cervicalästen versorgte CucuUarisbündel, 
durch dessen Verschonung bei Accessoriuslähmung die Drehstellung der Scapula aus¬ 
bleibt, haben die Ergebnisse von Schlodtmann und Sternberg diese vom Bedner 
zuerst geäusserte Ansicht bestätigt. 

Gumpertz erwähnt einen Fall, bei welchem neben Zungenlähmung auch eine 
solche des M. orbicularis oris bestand. 

Schuster fragt an, ob die Schiefstellung des Kopfes in dem von Brasch 
vorgestellten Falle nicht schon vorher bestanden habe, wie man sie bei Lastträgern 
öfters finde. 

Bernhardt: Wie Herr Krön mitgetheilt habe, ist bei seinem Patienten der 
ganze CucuUaris gelähmt; und dieser gelähmte Muskel zeigt überall Entartongs- 
reaction; ferner sind die Zunge und die Stemalmuskeln auf einer Seite gelähmt, 
letztere aber werden sicher von Cervicalästen innervirt; wenn nun doch die Schaukel¬ 
stellung der Scapula io diesem FaUe fehle, so scheine dies gegen die Annahme von 
Bemak zu sprechen, dass die mittlere Portion des CucuUaris von solchen Aesten 
versorgt werde. 

Bemak: Um entscheiden zu können, ob der Kron’sche Fall seiner Ansicht 
entspricht, dass die Drehstellung (Schaukelstellung) der Scapula nur eintritt, wenn 
neben dem Accessorius auch die cervicalen Aeste des CucuUaris erkrankt wären, 
müsste er den Fall genauer untersuchen. Aber auch ohne dies geht aus der l^ige 
der kurzen Narbe vorn am Cucollarisrande in der Gegend des Accessorinseintrittes 
mit Wahrscheinlichkeit hervor, dass die cervicalen Aeste nicht getroffen sein dürft«n, 
deren motorischer Funkt für die faradische Beizung ca. 5 cm tiefer am vorderen 
Cucullarisrand sich findet. Wenn diese Aeste nicht mit verletzt sind, so bleibt das 
znm Acromion ziehende Bündel erhalten und fehlt die Drehstellung. 

Gegen Herrn Bernhardt sei zu bemerken, dass eine Verletzung des N. des* 
cendens hypoglossi und seiner Anastomosen nicht nothwendig eine gleichzeitige Ver¬ 
letzung der cervicalen Cucullarisäste der Lage der Narbe nach mit sich bringt 

Krön: Aus der am Halse befindlichen Narbe könne noch nicht sicher ge¬ 
schlossen werden, wo das Messer in der Tiefe überaU hingekommen sei. Den Ein- 


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603 


wand Remak’s, dass der mittlere Abschnitt des Gocullaris functionire, weise er mit 
B&cksicht anf die erhebliche Atrophie und die complete fintartungsreaction desselben 
sowie auf das Pehlen jeder Bewegnngs&osserung im ganzen Cucollaris zurQck. Es 
sei vielleicbt möglich, dass der Serratos durch verstärkte Innervation in solchen 
Fällen dieses mouvement de bascule verhindern kann. 

Ooldscheider: Die Cervicaläste können so weit vom liegen, wie Bernhardt 
annehme; sie werden verletzt bei Schnitten, die am hinteren Rande des Sternocleido- 
mastoideus gef&hrt werden. 

Bernhardt erwidert, dass er keine Behauptung aufgestellt hat, sondern nur, 
gestfitzt auf die vom Vortr. gegebene Darstellung, Fragen gestellt habe. 

Remak: Die rein theoretisch begründete Ansicht des Vortr., dass die Li^e der 
Narben für die Nervenverwundung gleichgültig wäre, ist durch zahlreiche thatsäch- 
liche Beobachtungen über Operationsfälle längst widerlegt Redner hat schon 1887 
(Berliner klln. Wocbenschr. S. 124) an von v. Langenbeck und v. Bardeleben 
operirten Fällen gezeigt, dass die Schaukelstellung eingetreten war bei tiefer am 
vorderen Rande des Cucullaris ausgeführten Operationen, bei welchen der Accessorius- 
eintritt absichtlich vermieden war. Wie er 1892 (Ebenda. S. llld) noch weiter 
ausgeführt hat, tritt die Deviation des Schulterblattes nicht ein bei reiner Accessorius- 
Verletzung, sondern nur bei gleichzeitiger Läsion der tiefer in den Muskel eintretenden 
Cervicaläste, welche gar nicht erst in den Accessorius gelangen. Nach der L^e der 
Narbe und dem Habitus des Muskels glaube er an dem Kron’schen Falle annehmen 
zu dürfen, dass die cervicale Innervation des acromialen Cucullarisbündels hier er¬ 
halten ist und sie auch die faradiscbe Untersnchung würde nachweisen lassen. 

Brasch: Ob sein Pat. vor dem Unfälle den Kopf schief gehalten, sei ihm nicht 
bekannt; er halte seinen Kranken auch heute noch für hysterisch, die Zangenlähmung 
aber nicht für eine solche. Der Kranke konnte zuerst die Zunge ganz gut bewegen, 
warum er es heute nicht thut, weise er nicht Jacobsohn (Berlin). 


33. Versammlung des Vereins der Irrenärste Niedersaohsens und West¬ 
falens SU Hannover am 7. Uai 1808. 

Vorsitzender: Gerstenberg. 

Schriftführer: Snell II. 

Vor der Tagesordnung stellt Bruns zunächst 2 Kinder mit cerebraler Kinder¬ 
lähmung vor. Das erste Kind — ein Mädchen von jetzt 3 Jahren — wurde normal 
geboren, litt aber schon im 1. Lebensjahre an so schweren allgemeineu Krämpfen, 
dass man oft für sein Leben fürchtete. Es besteht jetzt das Symptomenbild der 
doppelseitigen Athetose. An den athetotischen Bewegungen nehmen Arme und 
Beine, vor allen Hände und Füsse, der Rumpf, der Kopf und die Qesichtsmuskein 
theil. Der Geslchtsausdruck ist besouders beim Lächeln sehr eigenthümlicb. In den 
Extremitäten besteht ausserdem deutliche spastische Parese mit erhöhten Sehnen¬ 
reflexen. Da auch das Schlucken und Kauen erschwert ist, und das Kind, obgleich 
es alles versteht, noch gamicht spricht, so gehört der Fall wohl zur pseudobulbär- 
paralytischen Form der cerebralen Kinderlähmung (Oppenheim). 

Im 2. Falle — öjäbriges Mädchen — handelte es sich um einen typischen 
Fall von Hemichorea oder, wie Kussmaul dies sehr charakteristisch bezeichnet, 
Hemiballismus. Auch hier kein Geburtstrauma. Im 2. Jahre linksseitige Con- 
vulsionen — allmählich volle linksseitige Lähmung. Aus dieser entwickelte sich 
ganz allmählich die linksseitige Hemichorea, die jetzt etwa sei einem Jahre besteht. 


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An den Bewegungen sind das linke untere Gesiebt, der linke Arm und das Unke 
Bein betbeiligt. Im Gesiebt handelt es sieb um einfache Znekangen. Der linke 
Arm wird in cerebraler Contracturstellung vom Körper abducirt und dann mehrmals 
hintereinander wild auf den Leib aufgeschlagen (Hemiballismus). Das linke Bein 
wird beim Versuch zu gehen in ganz unregelmässiger Weise nach vom, hinten oder 
nach der Seite geworfen, nach dem Aufsetzen gleich wieder gehoben u. s. w. Dennoch 
ist das Gehen möglich. Die Bewegungen haben alle etwas heftiges, ruckartiges — 
ganz anders wie bei der Sydenbam’schen Chorea; an den linken Fingern kommen 
aber auch athetotische Bewegungen vor. Es besteht keine eigentliche Lähmung — 
auch sind die Sehnenredexe links nicht erheblich gesteigert. Änsserdem besteht 
links noch Strabismus convei^ens. Die Intelligenz ist nicht gestört, die Sprache gut 
entwickelt; das Kind hat aber abwechselnd Perioden der Erregung, wo es den ganzen 
Tag herumtanzt und schwatzt, und Perioden der Depression, wo es immer schläft 
und kaum zur nöthigsten Nahrungsaufnahme wach gehalten werden kann. Diese 
Fälle sind recht selten. 

Änsserdem demonstrirt Bruns die anatomischen Präparate zweier Fälle von 
Hirntumor, in denen beiden eine genaue Localdiagnose möglich war. 

Im 1. Falle handelte es sich um einen Tumor des linken Stirnhirns. Von 
October 1897 an allmählich zunehmende Benommenheit und Scblafsncht bei 
sonst klarem Bewusstsein. Im November ganz leichte rechtsseitige Hemi* 
parese — besonders in der rechten Hand —, nie eigentliche Lähmung, nie 
Convulsionen, ab nnd zu rechts Achillesclonus. Dann Störungen der Sprache — 
zuerst Paraphasie, zuletzt vollständige Sprachlosigkeit — bei vollem Verständniss der 
Sprache und zunächst noch erhaltener Lesefähigkeit. Stauungspapille fehlt zunächst, 
am 21. December ist sie links sehr stark mit Blutungen, rechts beginnend. 
Am 30. December besteht links Ptosis und Abducenslähmung und auch 
wohl Amblyopie, rechts ebenfalls Abducenslähmung. Die Benommenheit nahm 
zu. Jetzt wurde die Diagnose eines Tumors des linken Stirnhirns mit 
Sicherheit gestellt, der besonders nach der Basis zu wuchs (Augeumuskellähmung, 
Verhältnisse des Opticusj. Gleichgewichtsstörungen waren nie deutlich 
vorhanden. Der Vorschlag einer Operation wurde vom Ehemann nicht angenommen. 
Tod Mitte Januar. Es fand sich ein Tumor — Sarcom — des linken Stirnbimes, 
das beinahe an den Stirnpol reichte, die grösste Ausdehnung in der Mitte des 
Stimhirns hatte und in das Mark der Centralwindungen nur als kleiner Zapfen unter 
dem Ependym des Seitenventrikels bineinragte. Der Tumor war besonders nach der 
Basis und nach aussen zu gewachsen — die medianen oberen Theile des Stim- 
lappens und ihre Markfaserung waren nicht tangirt — vor allem auch nicht das 
rechte Stimhim coroprimirt; dadurch ist vielleicht das Fehlen der Ataxie 
zu erklären. Der Tumor war nicht scharf abgegrenzt und sass ganz suhcortical, 
am nächsten der Binde an Basis und Insel; es war also sehr gQostig, dass der Gatte 
die Operation verweigert hatte. 

Im 2. Falle handelte es sich um einen Tumor im linken oberen Scheitellappen. 
Beginn der Erkrankung im October 1696 mit psychischer Abgeschlagenheit; im 
November 1896 Fall voti der Treppe auf die rechte Stirnseite und die rechte Hand. 
Im Februar 1897 beiderseits beginnende Nenritis optica, im Ängnst 1898 rudimen- 
tAre rechtsseitige Hemianopsie. Damals sab B. den Patienten zuerst; er fand ausser 
dem schon BerQbrten: erstens Störungen in der Gebrauebsfähigkeit des rechten Armes 
ohne jede Lähmung; später stellte sich deutliches Fehlen des stereognostischen Sinnes, 
Herabsetzung des Muskelgef&hls and derTastlocalisation ein; Schmerz- nnd Temperatur- 
gefhhl blieben erhalten; auch im rechten Beine Ataxie beim Kniehackenversuche, nie¬ 
mals deutliche Lähmung, ab und zu rechts Achillesclonns. Sprache: zunächst Yer* 
ständniss erschwert, nie aufgehoben, aber besonders erschwert für Aofträge, die den 
rechten Arm betrafen. Später Wortschatz sehr beschränkt, auch Paraphasie. Lesen 


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605 


lange möglich. Schreiben ?on Anfang an schlecht. Später complete rechtsseitige 
Hemianopsie, keine hemianopische Pupillenstarre. 

Während der ersten Jahre der Krkranknng nie Kopfschmerz, nie Er* 
brechen; keine locale percatorische Schmerzhaftigkeit. Erst von Febrnar 
1898 viel Kopfschmerz, ab und zn apoplectiforme An^e mit Erbrechen; dabei einmal 
rechtsseitige totale Ptosis, die sich aber in 6 Stunden wieder verlor. 

Aus den Symptomen hatte B. die Diagnose auf einen Tumor des linken 
Farietalhimes gestellt; bei der Geringfägigkeit der Schmerzen und bei dem gleich* 
zeitigen Eintreten der rechten Hemianopsie und der rechten Qefähisstörungen glaubte 
er aber an einen central sitzenden Tumor in der Gegend des Corpus geniculatum 
extemum und der hinteren Partie der inneren Kapsel; er dachte deshalb gamicht 
an eine Operation. Bei der Section am 5. Mai 1898 fand sich ein von der Dura — 
Innenseite — ausgegangener harter Tumor (Sarcom); er hatte eine Grube in dem 
linken oberen Scheitellappen gedrückt und dabei auch die Binde hier zerstört; 
Centralwindungen, Occipitälwindungen, Schläfenlappen, Gyrus supramarginalis und 
angularis waren frei, al^r verdrängt, besonders das Occipitalhim. Der Tumor batte 
die Dura nach aussen durchbohrt und den Knochen bis an die äussere Schale arrodirt. 
Bemerkenswerth war hier jedenfalls die Geringfügigkeit der Schmerzen; in den letzten 
Wochen hat B. allerdings auf percutorische Sebmenhaftigkeit nicht mehr untersucht. 
Für eine Operation wäre der Fall sehr günstig gewesen. (Beide Fälle sollen aus* 
führlich in d. Centralbl. veröffentlicht werden.) 

Weber (Üechtspringe): 1. Ueber eisenhaltige Ganglienaellen. 

Im Gehirn eines 6jährigen Knaben, der 1 Jahr lang an meuingitischen Er* 
scbeinungen litt, ergab die Section multiple kleinste Erweichungsberde in allen 
Tbeilen der Binde, hauptsächlich im Occipitalhim. 

Bei der mikroskopischen Untersuchung fand sich productive Entzündung der 
Gefösse in diesem Bereich, entzündliche Wucherung oder cjstäre Erweichung des 
Bindengewebes, perivasculäre kleinste Blutungen und Blutreste in den Gewebsspalten. 

Um erkrankte und blutende Capillaren der Binde fand sich regelmässig eine 
Zone, in der die Ganglienzellen ihre normale Anordnung verloren batten, radiär den 
Herd umstanden und in Form und Grösse, sowie tinctoriellem Verhalten verschieden 
waren. Am ungefärbten Präparat waren sie farblos, aber von. starrem, etwas glän¬ 
zendem Aussehen, aufgetrieben, der Kern nicht sichtbar. Hit gewöhnlichen Häma* 
toxylin färbten sich Leib und Ausläufer intensiv schwarz, wodurch sie gegenüber 
dem übrigen Gewebe deutlich hervortraten. Der Kern Hess sich bei dieser Färbung 
nicht mehr unterscheiden. 

Mit Ferrocyankalinm-Salzsäore färbte sieb die ganze Zelle mit Ausläufern und 
Kemstelle intensiv blan, bei etwas weniger starker Einwirkung lagerte sich der 
blaue Farbstoff in Körnern im ganzen ZelÜeib ab. Es bandelte sich also einerseits 
um einen Degenerationsprocess der Zelle, andererseits um einen Infiltrationsprocess, 
wobei ein eisenhaltiger Bestandtheil des extravasirten Hämoglobins von der Zelle 
aufgenommen und durch einen activen Process der Zelle soweit umgestaltet wurde, 
bis er Eisenreaction gab. Diese active Tbätigkeit der absterbenden Zelle wird betont 
im Gegensatz zu der Kalkimprägnation, die nur an abgestorbenen Zellen vor sich 
geht. Nach dem Verhalten der Zellen gegenüber verschiedenen Reagentien scheint 
es sich nm ein Eisenalbnminat zu handeln, das Vortr. als eine Vorstufe des Hämo* 
siderins auffasst. Dafür spricht seine Farblosigkeit im ungefärbten Zustande und 
sein eigenartiges Verhalten gegenüber Hämatoxylin. 

Vortr. hat die gleiche Veränderung ein zweites Mal beobachtet in einer gelben 
Erweichnng des Binterhauptlappens bei einem 70jähr. Individinm. Aus der Litteratur 
ist kein Fall von eisenhaltigen Ganglienzellen bekannt. 


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2. Herstellung makroskoplsoher Demonstrationspraparate des Central* 
nervensyetems. 

Yortr. demonstrirt Frontal-, Si^ttal« nnd Horizontalschnitte durch ganze Qehirne 
und einzelne Hemisphären, welche die natürlichen Farbenonterschlede zeigen, topo¬ 
graphische Anordnung der grauen und weissen Substanz, den Verlauf der Haupt- 
faserzflge, sowie in pathologischen Fällen, einzelne Erkrankungs-, Erweichungs-, 
Blutungsherde deutlich erkennen lassen. Die Schnitte sind von 3—8 mm Dicke, in 
Gelatine in flachen Glaskästen eingeschlossen; sie haben den Vorzug halb durchsichtig 
zu sein nnd kännen bei Demonstrationen bequem herumgereicbt werden. Die Fiximog 
der Gehirne geschieht in Eayserling’scher 'Flüssigkeit (Formol-Salzlösnng), die 
Schnitte werden mit dem grossen Gehimmeeser hergestellt, indem man eine dickere 
Himscheibe in den zur nacbherigen Aufnahme dienenden Glaskasten legt, nnd was 
Über den Band absteht, abträgt. 

Die Gelatine wird, um nachberiges Verdunsten von Wasser und Schrumpfen der 
Präparate zu verhüten, in reinem Glycerin im Dampftopf gelüst, in die Glaskästen 
eingegossen und dann unter Vermeidung von Luftblasen eine Glasscheibe als Deckel 
aufgesetzt. 

Die Glaskästen stellt Vortx. aus alten photographischen Platten her, denen 
Streifen von gewübnlichem Glas als Bänder aufgesetzt werden. 

(Eine genauere Beschreibung der Methode siebe in der Lähr’schen Zeitschrift.) 

Otto Snell (Hildesheim): Ueber Hypothermie bei Oeisteskranken. 

Subnormale Körpertemperaturen, auch solche unter 3ö sind bei geistig Gesunden 
und bei Geisteskranken viel häufiger als man früher glaubte. Unter den Ursachen 
der Hypothermie kommen bei Geisteskranken besonders drei in Betracht: directe 
Wärmeentziehung, Herabsetzung des Stoffwechsels und unmittelbare Wirkung des 
nervösen Centraloigans. Die Hypothermie durch Wärmeentziehung wird begünstigt 
durch die bei Geisteskranken häufige Unempfindlichkeit gegen Kälte. Hier muss die 
Aufmerksamkeit der Aerzte und des Pflegepersonals ersetzen, was die Stumpfheit der 
Kranken versäumt. Die geringen Erniedrigungen der Körperwärme, welche bei 
Melancholischen, StuporOsen und Blödsinnigen häufig sind, auch wenn die Kranken 
dauernd in warmen turnen das Bett hüten, sind wohl durch eine Herabsetzung des 
Stoffwechsels zu erklären. In einzelnen Fällen kommt es hier zu Temperatur¬ 
senkungen bis unter 34 ^ Am auffallendsten sind die Schwankungen der Körper¬ 
wärme bei Paralytikern. So häufig andere Gründe als Erklärung herangezogen 
werden können, so bleiben doch Fälle übrig, in denen eine unmittelbare Einwirkung 
des Gehirnes angenommen werden muss. — Es wurden zahlreiche Temperaturcurven 
vorgelegt; eine von ihnen zeigte einen Wärmeabfall bis auf 25°. 

An der Discussion betheiligten sich AU, Bruns und Snell I. 

Bruns fragt an, ob auch in den Anstalten die aufger^e Form der Paralyse 
gegenüber der langsam progressiven Demenz seltener geworden sei, er sehe in der 
Praxis die paralytische Tobsucht sehr selten. Diese Frage wird von den ver¬ 
schiedensten Seiten bejaht; Alt führt das auf die frühere Intemirung dieser Kranken 
und die bessere Behandlung zurück. 

Bartels (Ballenstedt): Ueber die Axxfbahme von P 8 yohi 80 h-B:ranken in 
offene Anstalten. 

Eine scharfe Trennung zwischen Nervenkranken und Psychisch-Kranken ist nicht 
zu machen, es giebt zahlreiche Uebergangszustände, wie die völlig anerkannten Be¬ 
zeichnungen Neuro-Psychosen oder Psycho-Neurosen zeigen. Dem entsprechend ist 
es auch allmählich anerkannt worden, dass eine ganze Anzahl von leichteren Psychosen- 
formen, besonders in den Anfangsstadien nicht nothwendig der Behandlung in der 


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geseblosseneii Irrenanstalt bedarf, sondern in Nervenheilanstalten, in die sogenannten 
offenen Anstalten anfgenommen werden kann. Voraossetzong ist dabei, dass der 
Leiter derselben psychiatrisch vorgebildet ist, ausserdem ist zur erfolgreichen Behand¬ 
lung der verschiedenen Arten von Psychopathieen ein geeignetes Pflegepersonal noth- 
wendig, da das vielfach äbliche Begleitenlassen der Patienten durch Angehörige nur 
ein mangelhafter Notbbehelf ist und auch in kleinen Sanatorien der Arzt sich nicht 
selbst und allein den einzelnen Patienten in Allem ausreichend widmen kann. 

Es kommt nnn darauf an, bestimmte Grenzlinien zu ziehen und sich Aber die 
Grundbedingungen zu einigen, unter denen Paychisch-Eranke in offene Anstalten auf- 
genommen werden kOnnen. Einzelne derselben sind schon früher von Laebr, 
Hecker u. A. gelegentlich angegeben. Wenn man einerseits das Wohl und Wehe 
der unterzubringenden Psychisch-Kranken, andererseits das Interesse der Übrigen 
nervenkranken Insassen der offenen Anstalten beräcksichtigt, so werden sich diejenigen 
Patienten eignen, welche 

1. Bewusstsein und Erkenntniss ihrer Krankheit haben, 

2 . freiwillig kommen and bleiben, 

3. den Ärztlichen Anordnungen nachzukommen bereit und im Stande sind, 

4. keiner fortdauernden Beaufsichtigung bedürfen, 

5. nicht selbstmordverdAchtig sind, 

6 . im Zusammenleben mit Nervenkranken nicht stOrend sind. 

Ein besonderes Gewicht ist auf die mittleren Bedingungen zu legen, nur unter 
der Voraussetzung 2 und 3 ist eine erfolgreiche Behandlung in der offenen Anstalt 
möglich, nur unter der Voraussetzung 4 und ö kann der Leiter der offenen Anstalt 
sowohl den Kranken selbst als auch ihren Angehörigen gegenüber die Verantwortung 
der Aufnahme übernehmen. Am entschiedensten ist die 5. Bedingung zu betonen, 
wird diese streng inne gehalten und alle in dieser Richtung irgendwie verdächtigen 
Fälle von vom herein abgelebnt, oder, sobald sich die geringste Gefahr zeigt, sofort 
der geschlossenen Anstalt übei^eben, so lassen sich Suicidien in offenen Anstalten, 
wenn auch nicht immer und mit absoluter Sicherheit, so doch so gut wie sicher 
vermeiden, wie Vortr. in seiner eigenen Anstalt im Laufe einer Beihe von Jahren 
gesehen bat. L. Bruns (Hannover). 


XXiu. Wandervenammlong der südweatdentsohen Neurologen und Irren- 
änte zu Baden-Baden am 21, und 22. Mai 1888. 

(Sohloss.) 

Prof. Dr. Fürstner (Strassburg): Ueber nervöse Symptome bei Urämie. 

Vortr. giebt zunächst einen Ueberblick über die bisher bei Urämie beobachteten 
nervösen Symptome, die Krampfanfälle, die meist den epileptischen Insulten gleich¬ 
gestellt würden, die Anfälle von halbseitigen Zuckungen als Jackson’sche Epilepsie 
aofgefasst, endlich Convulsionen in einzelnen Mnskelgruppen bezw. Muskeln. Dem¬ 
gegenüber stehen als Herdsymptome: Zustände von Aphasie, Seelen- bezw. Binden¬ 
blindheit, Hemiplegieen, io einem Falle bestanden auf der einen Seite Zuckungen, 
auf der anderen Lähmung. Dass letztere functioneller Natur sind, hält Vortr. noch 
nicht für erwiesen, da mikroskopische Untersuchungen einschlägiger Fälle nicht vor¬ 
liegen nnd der makroskopische Befund allein nicht beweise. Wenig steht Über das 
Verhalten der Pupillen fest, bald wird migegeben, sie seien auf der Höhe des An¬ 
falls weit, bald dass sie bei chronischer Urämie eng, bei acuter weit seien. Ueber 
das Verhalten der Befleze liegt überhaupt kein Material vor. Vortr. erinnert daran, 
dass die genannten Symptome durchaus gleichartig im Verlauf der progressiven 


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Paralyse beobachtet würden (paralytische Anfalle), dass sie experimentell gewonnsn 
seien. Bei Wiederholung der von Landois vorgenommenen Versuche (Aafstreuen 
von Kreatin und Kreatinin, sowie anderer Stoffe auf die Hirnrinde, Bickel kam zn 
gleichen Resultat bei Yerwendong von Galle) überzeugte sich Vortr., dass die vor 
dem epileptischen Anfälle engen Pupillen sich ad maximum erweiterten, starr wardeo, 
dass die Patellarreflexe anch nach dem Anhille Steigerung zeigten — mehr auf der 
gekreuzten Seite —, während die Hautreflexe abgeschwächt waren. Vortr. bespricht 
das Verhalten der Reflexe nach paralytischen Anfällen und berichtet dann über 
zwei Fälle von Urämie bei Menschen, bei denen er das Verhalten der Pupillen und 
Reflexe genau prüfen konnte. 

l>er erste Fat. starb, nachdem einige Tage fast Anurie und Zeichen von Urämie 
bestanden. 5 Monate vor der Aufnahme zwei schlagartige leichte An^le mit sich 
zurückbildender rechtsseitiger Parese. Der stark saure, spärliche, eiweisshaltige Urin 
war dadurch bemerkenswerth, dass er colossale Mengen Bacillus acrogenes lactia 
enthielt (es bestand Nahrungsverweigerung, per Sonde wurde fast ausschliesslich Milch 
eingeführt). Kurze Zuckungen im Gesicht, Singultus, Cheyne>Stoke’sche Athmung. 
Pupillen allmählich enger werdend, schliesslich ad maximnm verengt, starr. Zu¬ 
nehmende colossale Steigerung aller Sehnenreflexe, links noch mehr als rechts. Ab- 
Schwächung der Hautreflexe. Keine Trübung des Sensorinms. Exitus, ohne dass es 
zu einem Krampfanfalle gekommen. Bei der Section ergaben sich zwei kleine un¬ 
bedeutende Herde im Stabkranz, ein weiterer im Pons. Degeneration der beiden 
Pyramidenseitenstränge, der einen Pyramidenvorderstrangbahn. Nephritis. Atherom. 

Im zweiten Falle Graviditätsurämie, am Tage vor der Entbindung leichter 
Krampfanfall, an den beiden Tagen nach der ohne Kunsthülfe erfolgten Entbindung 
wurde zunehmende Myosis, ungemeine Steigerang der Sebnenreflexe, Berabsetznng 
der Hautreflexe beobachtet, dann erfolgte noch ein Krampfanfall, während desselben 
Pupillen ad maximum erweitert, starr. Allmählich verengerteu sich die Pupillen 
wieder, die Steigerung der Reflexe lässt sich immerhin in geringerem Grade als vor 
dem Anfälle weiter constatiren. Genesung. 

Vortr. resnmirt sich dahin, dass zu untersuchen sein wird, ob dies experimentell 
und klinisch nachgewiesene Verhalten der Papillen und Reflexe allen Fällen von 
Urämie zukommt, ob, wenn letztere einen hohen Grad erreicht, wenn namentlich 
Krampfanfölle droben, die Papillen sich immer verengern, die Sehnenreflexe sich 
steigern, die Hautreflexe sich mindern. Wenn dies znträfe, wäre das Verhalten der 
Pupillen und Reflexe ein Wamungssignal, dass Anfalle drohen. Endlich hebt Vortr. 
hervor, dass bei der Paralyse, bei den Versuchen von Landois, bei der Urämie 
das auslösende Moment für die klinisch gleichen Symptome ein ganz verschiedenes 
sei, dass aber dieselben Abschnitte nnd Bestandtheile das Centralnervensystema dabei 
in Mitleidenschaft gezogen würden. 

Geh. Rath Prof. Hitzig (Halle) demonstrirt zwei Röntgen-Photographieen, 
die eine dicht neben der Falx ^tsende Bevolverkugel zeigen, welche seit 
19 Jahren an dieser Stelle verweilt. Der Fat. kam wegen gehäufter Krampf¬ 
anfälle, die aber nicht durch die Kugel, sondern durch die Himnarbe bedingt 
waren, zur Beobachtung. 

Dr. Möbius (Leipzig) erläuterte den Satz; „Es ist Pflicht der Aerste, die 
Gründung von NervenheUstätten zu fördern.“ 

Vortr. setzte auseinander, dass in absehbarer Zeit die private Wohlthätigkeit 
unentbehrlich sei, da die Gründung von Nervenheilanstalten für Unbemittelte durch 
die Behörden vorläufig nicht zu erwarten sei, die Anstalten sich selbst aber nicht 
erhalten können. Aufgabe der Aerzte sei es daher, die betonte Wohlthätigkeit activ 
zu machen. 


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AndererseitB sei die zweckmässige Sinriobtung der NerTenheUstäUen eine 
Seche der ärztlichen Erfahrung. Besonders an die Eenntnine der Änstaltleiter sei 
die Fordemng so steUes, dass sie geeignete Vorwdiläge maoben and bespredien, 
damit die ersten Versnche so erfolgreich wie mliglich werden. 

Prof. T. Monakow (Zürich): Ueber die FaserbeetttudtheiU der Bell- 
strahlong und der retrolenüoulären inneren Kapsel. 

Der Flechsig’sehen Lehre, dass das nntere and obere Scheitelläppehen, ferner 
die Ocoipitotemporalwindong keine Faserantheile in die sagittalen Strehlongen des 
Occipitallappens nnd in die retrolentienläie innere Eapsel entsenden nnd somit an 
dw Stabkranzbiidnng nnbetiieüigt räid, trat der Vortr. schon Mher en^egen nnd 
ist jetzt in der Lage, mittels der Methode des Stadiums der Markscheideneatwioke- 
lang das Vorhandensein von Projectionsfasem sowohl im Scheitelläppchen, als im 
Gyr. oocipitotemporalis oaohznwmsen. — Die Stabkranzbflndel des Qyr. angal. and 
sapramargin. umhüllen sich mit Hark im 4. Lebensmonat. An Frontalscbnitten 
dorch den Parietooccipitallappen eines Tiermonatlichen Kindergebims lässt sich ein 
feiner Faserregen ans dem Mark des Gyr. angal. direct in die Sehstrahlang verfolgen 
und den mehr caudal gelegenen Ebenen kommt ein Antheil von Projectionsfasem 
aas dem Gyros oocipitotemporalis in die vratrale Etage des Sehstrahles zo. An einem 
Mikrocephalengehira mit Ägenesie der meisten corticalen Assooiationsfasem liess sich 
ein directer Uebergang von Faserfäden aas dem Gyrus angolaris in die Sehstrahlungen 
erkennen. 

An dem Gehirn eines neugeborenen Kindes konnte der Vortr. die Angabe von 
Flechsig, dass die ersten stärker markhaltigen Badiärbündel sich im Mark der 
hinteren Centralwindung zeigen, bestätigen, nicht aber die Flechsig’sche Annahme, 
dass im Grosshimmark des Neugeborenen aasschliesslich Projection^asam (Sinnes* 
leitangen) markreif sind nnd völlig isolirt vor Augen liegen. 

Redner hebt weiter hervor, dass in einem Falle von auf das Polvinar und aof 
den ventralen Sehhüg^kem beschränkten älteren Himblutnng sich die seenndäre 
Degeneration mit Leichtigkeit in das Mark des Gyr. angolaris and die Sehstrahlungen 
verfolgen Hess. 

Ans diesen Untersuchnngen geht hervor, dass der ventrale Sehhflgelkera seine 
cortieale Strahlong weit Über die hintere Centralwindung hinaus in die Binde des 
unteren Scheitelläppchens entsendet, nnd dass die Projectionsfasem aus dem Polvinar 
znm Theil in dm Gyr. angularis nnd in den Lobul. pariet. sap. sich ergiessen. Die 
sagittale Hinterhaoptsstrahlang wächst von hinten nach vom sucoessive; sie nimmt 
unter Anderen auch Faserantheile aus dem Gyr. occipitotemporalis und angolaris auf. 
Die Sehstrahlnngsbündel aus den primären optischen Centren mischen sioh mit 
Fasern anderer Ordnung, wie denn die Qualität weder im Stratom s^ttale ext. noch 
int eine gleichartige ist. 

Vortr. spricht ferner über einen Fall von Uikrooephalle mit Seotions^ 
befand. 

2^/2 jähriges Mädchen, 4. Kind gesunder Eltern. Bei der Geburt fielen schon 
der kleine Kopf nnd die Bew^ngsschwäche der Glieder auf (Beine und Arme meist 
gestreckt!). Das Kind konnte nie sangen. Es schrie viel; Imnte weder stehen 
noch sitzen. Hit 2^/4 Jahren ca. 5 kg schwer. Maximaler Kopfnmfang 38 cm; etwas 
Spitzkopf, flinterko^ ganz öaeh, Stirn leidlich gewölbt, aber schmal: allgemeine 
Glieder-, besonders Nackenstarre. 

Fossclonns. Freibleibende Sensibilität Strabismus oonv. Aogenbewegungen 
erhalten. Pupillen gleich, reagiren gut Lichtreize wirken nicht auf die Aufmerk¬ 
samkeit, wohl aber Töne. 

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Das Haaptinteresse des Faltes liegt 1. in der Aufhebung der Saogf&bigkeit bei 
SrhaltuDg der BewegungsAhigkeit sämmtUcher Gesicbtsmuskeln zu anderen Zwecken 
(Weinen) bei Intactbeit der elektrischen Erregbarkeit der Saugmuskeln, bei intacter 
Sensibilität und bei ziemlicher Unversehrtheit beider Facialiskeme. — Der Fall 
spricht dafOr, dass zu einem erfolgreichen Saugen ein Minimum von corticalen Er* 
regucgseinSQssen erforderlich und die Intactbeit der Facialis* und Oblongatakeme 
f&r das Zustandekommen von fOr die Erregung genügenden Saugbewegungen nicht 
ansreichend ist, 2. Zusammenfällen von Mikrogyrie mit ganz atypischen, aber mark* 
haltigen Faserbündeln im Grosshim, ferner mit Heterotopie grauer Substanz im Gross* 
him und in der Oblongata, 3. in dem nahezu isolirten Zurückbleiben der Frojections* 
fiasem im Grosshim, wodurch der Nachweis von Stabkranzverbindungen auch aus 
dem Parietal* und Occipitallappen ermöglicht wird. 

Dr. Friedmann (Mannheim): Zur Lehre Ton der nicht eitrigen Enoe* 
phalitis. 

Die vorzu^weise nach lufluenza beobachteten Fälle der nicht eitrigen Ence¬ 
phalitis lassen sich in zwei Groppen eintheilen: Zur ersten gehören die meist ganz 
stürmisch mit exquisit infectiösem Charakter und schwerem, früheinsetzendem Coma 
verlaufenden Fälle, für welche sich durcbw^ frische und oft sehr ausgedehnte 
himorrhagisob-entzOndliche Herde anatomisch ergeben haben. Zur zweiten Gruppe: 
Bubacut mit geringem ^eber verlaufende Fälle ohne oder mit schwacher Bewusst¬ 
seinsstörung, aber charakteristisch langsamem Ansteigen und Verschwinden der 
Herdsymptome. Für diese letzteren fehlte bisher ein Sectionsbefund. Der vom 
Tortr. untersuchte Fall bot gleichzeitig eine abgelaufene Cyste und ein frisches 
Aufflammen der Encephalitis an einem Pol der Cyste mit Durchbruch in den 
linken Seitenventrikel. Bei einer 52jährigen Dame, die im Ganzen gesund war, 
tritt anfangs December 1897 Erkältungsfieber ein (Grippe). 2 Wochen danach 
Apathie und Krankheitsgefühl, 1 Woche weiter stellt sich langsam motorische Aphasie 
und Schwäche des rechten Arms ein, dann Erbrechen, Schlaflosigkeit, Unruhe, beftign' 
Kopfschmerz, die von da ab anhielten, bis 6 Wochen seit Beginn der nervösen Er¬ 
krankung, plötzlich Coma und schon am Nachmitt^ der Exitus eintrat Bei der 
Section fand sich absolut keine Sklerose der Gefässe, auch keine Embolie, dagegm 
neben sehr starkem Oedem im Gehirn eine wsllnnssgrosse Cyste entsprechend 
der ersten Stimwindung innerhalb des Marks der linken Hemisphäre, welche von 
einer glatten zarten Membran ansgekleidet, mit klarer tiefbemsteingelber Flüssigkeit 
angefüllt war und nach rückwärts in das erweiterte Vorderhom überging. Hier 
war die Substanz hellgrau röthlicb, weich und ohne Membran mit Blutaostritten auf 
dem Durchschnitt Mikroskopisch zeigt sich die Cystenmembran ausschliesslich aus 
grossen schönen anastomosirenden Zellen von Stemform mit eingelagerten runden 
epitheloiden Elementen gebildet und gefässreicb. Die Zellen besitzen nicht selten 
schöne mitotische Kerntheilungen, gegen den Innenraum der Cyste zu finden sich 
rundliche Mikrokokken in kleinen Häufchen. Der erweichte frische Herd besteht 
neben rein nekrotischen Partieen ans pflasterförmig dicht gelagerten grossen rund¬ 
lichen Zellen, die in mächtiger Proliferation b^riffen sind, reichliche Mitosen auf- 
weisen (obwohl die Section erst 36 Stunden p. m. stattfand), beinahe die Hälfte 
zwei- nnd vielkemig, die Kerne selbst meist ausnehmend gross und amöboid, von den 
mannigfaltigsten und unr^elmässigsten Formen. 

Eine centrale Blutung scheint den Ausgangspunkt des frischen Herdes darxn- 
stellen. 

Klinisch ist aus dieser Beobachtung zu ersehen, dass ein encephalitischer Herd 
anf der einen Seite ausheilen kann, während er an anderer Stelle mit deletärem 
Verlauf fortwuchert. 


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Prof. Ad. StrOmpell (Erlangen); Uebar aouta und ohroniaohe Myelitis. 

Das Vorkommen einer echten acuten primäreu Myelitis transversa kann nach 
aahlreichen sicheren Beobachtnngen nicht bezweifelt werden, lieber die Aetiologie 
dieser Erkrankung ist aber bisher nichts Sicheres bekannt, obwohl man schon lange 
einen endogenen, infectiösen Ursprung der acuten Myelitis annehmen musste. Eine 
vom Tortr. gemachte Beobachtung ist geeignet, dieser Anschauung zum ersten Mal 
eine feste Stütze zu geben. 

Ein 16jähriges Dienstm&dcben B. H. erkrankte am 19. November 1897 an 
einem Panaritium am rechten Zeigefinger, welches am 24. November auf der 
chirurgischen Poliklinik incidirt wurde. Bald danach bekam Pat sehr heftige 
Ereuzscbmerzen, die in die Beine ausstrahlten. Sie konnte vor Schmerzen kaum 
liegen und stehen. Trotzdem kam sie am 27. November noch zu Fass in die 
medicinische Klinik. Nach wenigen Tagen waren die Patellarrefleze verschwunden, 
Par^e der Beine, Sensibilitatsstörungen und Betentio urinae stellten sich ein und 
schon am 1. December konnten eine totale schlaffe Paraplegie der Beine, Fehlen 
der Patellarreflexe und sehr beträchtliche Sensibilitätsstörungen constatirt werden. 
Die Kreuzschmerzen und die Schmerzen bei jedem Versuch die Kranke im Bett 
aofznrichten hielten an. Die Anästhesie der Beine ward schliesslich so vollständig, 
dass an der Diagnose „Myelitis acuta transversa" nicht mehr gezweifelt werden 
konnte. 

Am 3. December wurde eine Lumbalpunktion vorgenommen. Durch dieselbe 
entleerten sich mehrere Tropfen einer dicken fadenzieheuden, hämorrhagisch- 
eitrigen Flüssigkeit In einem mit Löfflers Methylenblau gefärbten Deckglas¬ 
präparat fanden sich neben den Leukocyten in grosser Menge Staphylokokken. 

Am 16. Februar 1898 starb die Kranke. Die Section ergab starke Ver¬ 
wachsungen und entzündliche Auflagernngen an der Aussenfläche der Dura mater 
spinalis, etwa von der Höbe des 9. Brustnerven an abwärts; die Innenfläche der 
Dora war glatt und normal. In der Höhe der Austrittsstelle vom 9. und 10. Brust¬ 
nerven ist das Bückenmark cs. 2—2^/2Cm lang weich und eingesunken. Beim Bin- 
scbneiden entleert sich hier eine milchige Flüssigkeit, die mikroskopisch fast nur 
ans QDzähÜgen Fettkörnchenkugeln, wenigen Myelinschollen besteht. 

Die mikroskopische Untersuchung des gehärteten Präparates ei^ab die gewöhn¬ 
lichen Veränderungen der acuten Myelitis nebst anf- und absteigenden secundären 
Degenerationen. Auf den nach der Gramm’schen Methode gefärbten Schnitten durch 
den myelitischen Herd konnten Staphylokokken nicht mehr nachgewiesen werden, ein 
Befund, der nicht auffallend ist, wenn man bedenkt, dass zwischen der primären ln- 
fection ond dem tödtlichen Ausgange der Krankheit über Monate vergangen 
waren. 

Die in diesem Falle zur Zeit der frischen acnten Erkrankung mittelst Lumbal- 
ponction entleerte eitrige Flüssigkeit stammte nach dem Ergebniss der Section wohl 
kaum ans dem Duralsack, sondern aus dem Baum zwischen äusserer Durafläche und 
Wirbelgerüst, da, wo sich später die dentlichen Besiduen der Pachymeningitis externa 
fanden. Dass letztere dorcb den Staphylococcus bedingt war, kann kaum einem 
Zweifel unterliegen. In dem myelitischen Herd selbst wurden später keine 
Staphylokokken mehr gefunden, was aber nicht gegen die ursprüngliche infectiöse 
Sotstehong desselben spricht An das Panaritium einer Staphylokokkenerkrankung 
schloss sich zuerst offenbar die eitrige, umschriebene Pachymeningitis spinalis 
externa an, klinisch deutlich charakterisirt durch die anzüglichen äusserst heftigen 
Krenzscbmerzen. Der myelitische Herd, die eigentliche Hauptkrankheit und Todes¬ 
ursache entstand, wie Vortr. annimmt, durch Verschleppung der Krankheitserreger im 
Rückenmark auf dem Wege der Lymphbahnen, ähnlich wie bei der Entstehung 
eines Bflckenroarkstuberkels nach Tuberkulose an der Auasenfläche der Dura mater 
ohne jedes oontinnirliche Ergriffensein der Dura-Innenfläche. 

39 * 


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Was die chronische Myelitis transversa betrifft, so ist nach des Vorlr. 
Ansicht die ganze Pathologie dieser Krankheit noch eine sehr nnsichere. Vori selbst 
hat noch niemals einen völlig reinen Fall von einfach entzQndlicher, echter, chro¬ 
nischer Querschnittsmjelitis pathologisch-anatomisch beobachtet Die klinisch 
beobachteten Paraplegien, die als chronische Qaerschnittsmyelitis angedentet werden, 
stellen sich bei weiterer Beobachtung und bei der Section fast immer als etwas 
Anderes heraus. In vielen derselben eigiebt die Anamnese einen acuten Anfang 
der Paraplegie; dann handelt es sich aber nicht um chronische Myelitis, sondern 
um den stationären Au^ang einer acuten Myelitis. Ändere Fälle bemhen auf 
Syphilis, so insbesondere die bekannten Dorsalmyelitiden mit den Symptomen 
einer spastischen Spinalparalyse, ln anderen Fällen stellt sich schliesslich ein Tumor 
heraus u. s. w. Kurzum bei keinem anderen klinischen spinalen Krankheitsbild ist 
gegenwärtig die sichere Diagnose so schwierig, als bei einer sich langsam entwickelten 
Paraple^e, die nicht ohne Weiteres auf eine der gewöhnlichen Ursachen (Wirbel* 
caries n. s. w.) znrOckgeführt werden kann. Einen derartigen Fall von langsam ent¬ 
standener Paraplegie beobachtete Vortr. bei einer 32jährigen Fran. Im October 1897 
bemerkte Patientin Schwäche und pelziges Gefhhl in den Beinen. Langsam nahmeo 
die Erscheintmgen zu. Bis zum Anfang März 1898 hatte sich eine au^esprochene 
spastische Paraplegie der Beine mit deutlichen Sensibilitätsstörungon entwickelt 
Dann nahmen die vorher gesteigerten Sehnenreflexe rasch ab und aus der spastischen 
Paraplegie entwickelte sich eine schlaffe Lähmung der Beine. Betentio urinae. 
Decubitus. Arme völlig normal. Am 6. April 1898 trat der Tod ein. Vortr. hatte 
eine intramacnläre Neubildung (Gliom) vermuthet, statt dessen eigab die Section, 
und insbesondere die mikroskopische Untersuchung des Bflckenmarks den ganz 
unerwarteten Befund einer eigenthömlichen combinirten Strangerkrankung in 
den Hinter- und Seitensträngw durchs ganze Bückenmark hindurch (Demonstration 
der Präparate). 

Prof. A. Strümpell (Erlangen): Demonstration des Unterkiefers nnd des 
Gebima einer an Akromegalie werstorbenen Patientin. 

Die Präparate verdankt Vortr. der Freundlichkeit des Herrn Colinen Wehmann 
in Vegesack, der die Kranke behandelt bat. Die ungewöhnlichen Dimensionen des 
Unterkiefers fallen namentlich beim Vergleich mit einem normalen Unterkiefer auf. 
Es fand sich ein grosser Hypophysistumor, der nach oben die Gehimbasis stark 
comprimirt, nach unten auf den Keilbeinkörper fibeigegriffen hatte. Es handelte 
sich um ein Sarcom. 


In der zweiten Sitzung, welche Prof. Dr. Strümpell leitete, und in d« 
Prof. Gruetzuer (Tübingen) zum internationalen Physiologen-Cougress für 
den 28. August 1898 nach Cambridge einlad, wurden folgende Vortr^e gehalten: 

Dr. Gerhardt (Strassburg i./E.): Ueber das Verhalten der Beflexe bei 
Büokenmarksläaionen. 

Zahlreiche Beobachtungen haben erwiesen, dass beim Menschen nach hochsitaenden 
totalen Durchtrennungen des Bückenmarks und bei intactem Reflexbogen die Sehnen¬ 
reflexe an den unteren Extremitäten in der Regel verloren gehen. 

Für die Hautreflexe, für die anfönglich dasselbe behauptet worden war, laotm 
die Angaben jetzt verschieden, eie können gleichfalls fehlen, können aber auch tf- 
halten bleiben. Vortr. berichtet Über drei Fälle, bei denen sie exquiÄte Steigerung 
zeigten. 

Bezüglich der Sehnenreflexe ist die Frage noch offen, ob ihr Verschwinden 
nothwendige Folge der Rückenmarksdurchtrennung ist, oder ob sie nur durch Hit- 


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61S 


virkeo i^end welcher andere Momente unterdrbckt werden. FCr letztere Möglichkeit 
spricht jedenfalls ein Fall, den Senator kflnlich mittheilte; hier blieben eie bis 
zna Tod bestehen. Vortr. selbst berichtet Ober eine Beobachtung der Strassbnrger 
Klinik; die KniesehnenreSexe fehlten zwar, aber von den Sehnen des Gracilis und 
Sartorius, sowie des Tibialis anticus liessen sich sichere Befiexzuckungen dieser 
Maskein auslösen. 

SchlieesUch zeigen einige Hittheilangen aus der Litterstnr, sowie zwei vom 
Tortr. beobachtete Fälle, dass auch bei partieller Läsion des Marks — bei intaetem 
Beflexbogen — die Sehnenreflexe fehlen können. 

Vortr. glaubt deshalb, sich den diagnostischen Schlussfolgerungen anderer Autoren 
(besonders Bastian, Bruns, Kocher) nicht anschliessen zu können, dass 
Dämlich Fehlen der Sehnenreflexe als sicheres Zeichen för totale, ihr 
Brhaltensein fflr nur theilweise Läsion des Rtlckenmarks zu ver- 
werthen sei. 

Docent Dr. Buchholz (Marburg) berichtet Ober einen jugendlichen Kranken, 
welcher eine Beihe von Erankheitserscheinungen der multiplen SUeroee dargeboten 
hatte. Es fand sich unter Anderem: Intentionstremor, starke Steigerung der Reflexe, 
Robertson’sches Phänomen; Opticosatrophie, Sprachstörung, psychische Störungen. 
Oie üntersucnnng des Centralnerrensystems ergab Gummata in den Hoden, Vermehrung 
des periostalen Bindegewebes, Hydrops mening., Bpendyrngranulationen in den erwei¬ 
terten Ventrikeln; ein Gumma im Gehirn, welches mit seiner Oberfläche in einen grossen, 
fast den ganzen rechten Schläfenlappen erf&llenden nengebildeten Hohlraum bineinragte. 
Von dem Unterhorn des SeitenTentrikels war daher dieser pathologische Hoblraum 
äberall durch ein Septum noch erhaltenen Gewebes getrennt. An den Gelassen end« 
und peri-arteriitische Veränderungen, Meningitis spinalis ohne directes Uebergreifen 
des Entz&ndungsprocesses auf das Rückenmark. Starke Wucherung des peripheren 
Gliasaums des Rückenmarks, welcher als breiter Ring das Mark umgiebt. Diffuse 
Degenerationsprocesse im Mark, daneben herdartige Erkrankungen. Diese Herde be¬ 
stehen aus colossal geschwollenen Axencylindem; eine nennenswerthe Vermehrung 
der Neuroglia ist in den Herden nicht erkennbar. Im Gehirn Anden sich neben 
der schon erwähnten grossen Höhle eine Reihe kleinerer Höhlen und Herde. Es 
Hesse sieh durch Vergleich einer grösseren Reihe von Präparaten feststellen, dass 
di^ Hohlen ans den herdartigen Erkrankungen hervorgegangen sind. Daneben be¬ 
steht eine diffuse Erkrankung der Rinde, die znm Untergang der nervöseu Elemente 
bezw. Wucherung der Qlia geführt hat. 

Vortr. glaubt alle diese Veränderungen auf die Syphilis zurückführeu und somit 
diesen Fall von der mnltiplen Sklerose vollkommen trennen zu müssen. Er macht 
nun Schlosse anf die Aebnlichkeit dieses Falles mit den von Kocher, Gräf und 
Schnitze veröffentlichten Beobachtongen einer Combination der multiplen Sklerose 
mit der Dementia paralytica aufmerksam. 

Docent Dr. Missl (Heidelbei^): Bindenbefande bei Vergiftungen. 

Die Untersuchungen des Vortr. erstreckten sich in den beiden letzten Jahren 
auf die Nervenzellen der Kaninchenrinde. Zu Vergiftungsversuchen wurden ge¬ 
nommen: Alkohol, Morphium, Snlfonal, Trional, Bromkali, Chloralbydrat und 
Hicotin. Die Vergiftungsart war die subacnte maximale Veigiftnog. Vortr. weist 
auf die histopathologische Wichtigkeit seiner bisherigen Rindenbefunde hin: die 
Bareficirung der Kemsubstanzen u. s. w.; doch will er sich bei der Kürze der Zeit 
nur auf eine allgemeine Frage beschränken. Bei snbacutor maximaler Vergiftung 
verändert jedes Gift die Nervenzellen der Rinde in speciflscher Weise, dagegen 
kooote Vortr. nicht einmal bei solchen Paralytikern, deren Krankheit ziemlich gleich- 
arttg verlief, specifiscbe Cortexzellenveränderungen feststellen. 


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614 


Vortr. bespricht nun die von ihm als acute Erkrankung der menschlichen Cortex* 
zellen bezeichneten Veränderungen, betont, dass hierbei die ganze Zelle, vor Allem 
aber auch die nicht förbbare Substanz in Mitleidenschaft gezogen ist und beim Anf- 
treten dieser Erkrankung stets alle Zellen der Binde betroffen werden. Aus der 
Thatsache, dass sich diese Zellerkrankung nicht nur bei den verschiedensten Geistes* 
krankheiten, sondern auch bei zahlreichen, nicht geisteskranken Menschen nach* 
weisen lässt, ergiebt sich die Folgerung, dass es nicht erlaubt ist, aus der 
Feststellung von Nervenzellveränderongen in der menschlichen Binde 
auf klinische Krankheitsbilder Schlüsse zu ziehen. — Vortr. weist auf die 
bekannten Versuche von Goldscheider und Flatau hin, die zu demselben Resultate 
gekommen sind, auf andere Experimente, z. B. Compression der Bauchdecke, die alle 
zu dem Schlüsse führen, dass die in Folge verschiedener experimentell gesetzter 
Schädigungen nachweisbaren Nervenzellveränderungen in erster Linie sicher uicbt 
der Ausdmck für die functionellen Störungen sein können, die durch die Schädi¬ 
gungen herbeigeführt wnrden, sowie in erster Linie eine andere Bedeutung haben. 
Da aber der subacute, maximale Giftversuch zeigt, dass zwischen dem einzelnen Gift 
und der Nervenzelle unzweifelhaft directe unmittelbare Beziehungen vorhanden sind, 
so können diese, wenn sie in erster Linie functioneller Natur sind, nur chemischer 
und physikalischer Natur sein. — Seine Methode sei, wie er gegenüber Gold* 
Scheider und Flatau behauptet, dafür nicht verantwortlich zu machen. 

Durch die neueren Forschungen von Apathy, Botho und Held sei der ft- 
weis erbracht worden, dass die Neuronenlehre durch und durch falsch ist. 
Das Centralorgan besteht aus Nervenzellen und einer specifisch nervösen SobstsDi, 
der fibrillären Substanz, die Vortr. als ein specifisch modificirtes Pro¬ 
toplasma auffasst, als eine lebende Substanz, die dem Nervenzellkörper 
gegenüber eine erhebliche Selbständigkeit besitzen muss und sich auch 
räumlich zu einem grossen Theile ausserhalb der Nervenzelle ent¬ 
wickelt. — Sie scheint der Träger der nervösen Function zu sein. Durch 
Bethe’s ganz unvergleichliche Methode ist die Frage der ungeübten Substanz im 
Sinne des Vortragenden (AUg. Zeitschr. f. Psych. Bd. LIV) zum Abschluss gebracht 
Damit ist der Forschung eine neue grosse Aufgabe erwachsen, nämlich auch für die 
Wirbelthiere das anatomische Verhalten der fibrillären Substanz ausserhalb der Nerven¬ 
zellen zu erkennen. Wenn auch die histopathologischen Erfahrungen beweisen, da« 
die Nervenzellen nur in so weit mit der nervösen Function zo thun haben, als sie 
in sich nervös functionirende Substanz enthalten, bleibt doch nach wie vor der 
Gattungsbegriff der Nervenzelle unberührt. Mit der Neuronentheorie ßllt 
selbstredend auch die Hypothese der specifischen Nervenzellenfnnction im Sinne des 
Vortragenden. Aber der Begriff der specifischen Nervenzelienfunction verschwindet 
deshalb keineswegs; er verschiebt sich nnr und wird nun eine andere Bedeutung 
erhalten. 

Dr. Bethe (Strassburg i. E.); Das Verhalten der PrimitivflbriUen in den 
Qangliensellen des Menschen und bei Degenerationen in peripheren 
Nerven. 

Die individuellen Fibrillen von Nervenfasern und Ganglienzellen, die Vortr. nach 
Apathy bei wirbellosen Thieren und Fröschen nachweisen konnte, hat er jetzt auch 
bei Säugethieren und Menschen dargestellt. — Die Fibrillen bilden hier aber nicht 
Netzwerke, sondern durchziehen Vorderhom* und Hinterhompyramidenzellen, indem 
sie theils die Protoplaamafortsätze einander, theils mit dem Acbsencylinder verbinden. 
(Demonstration der Präparate.) 

Die Methode soll erst der Oeffentlichkeit übergeben werden, wenn alle Fibrillen 
darstellbar und sie auch für pathologisches Material verwerthbar erscheint. Dagegen 
ist es Georg Mönckeberg nnd dem Vortr. gelangen, die Veränderungen an den 


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Fibrillen bei Dorchschneidang peripherer Kerren zu studireo: Das Endresultat der 
Phmitirfibrillendegeneration stellt hier immer einen vollkommenen, körnigen Zerfall 
dar; Die normaler Weise glatten and wenig geschlängelten Fibrillen nehmen eine 
starke Schlängelung an, liegen wirr durch einander und zeigen stellenweise klumpige 
Verdickungen: Die Fibrillen verflOssigen sich und zerfallen dann in einzelne Tröpf* 
eben, welche sich weiterhin mit zunehmendem Zerfall der Markscheiden zu einem bei 
weitem feinkörnigeren Pulver auflösen. Beim Frosch nimmt die Degeneration Wochen 
in Anspruch; beim Kaninchen sind in einem isolirten Nervenstfick schon nach 
26 Stunden keine Fibrillen mehr enthalten. 

Dr. Oscar Eohnstamm (Königstein i./T.): Studien über den Phrenious' 
kem. 

Vortr. weist dem Phrenicuskem eine besondere Bedeutung f&r die Biologie der 
Nervenzellen zu, weil er durch Vermittelung des Athmungscentrums in jene definirte 
Erregungszustände versetzt, ein gutes Object für das Studium phasisch*functioneller 
Zellveränderungen abgeben muss. Um seine Lage beim Kaninchen zu bestimmen, 
wurde ca. 14 Tage nach Besection eines Nervenatöckes an der oberen Thoraxapertur 
im Halsmark nach chromatoljtischen Zellen mit der Nissrehen Methode gesucht, 
wobei Vortr. zu folgenden Ergebnissen und Thesen gelangt: 

1. Der Phrenicuskem erstreckt sich beim Kaninchen als „centrale Bodengruppe“ 
von der unteren Hälfte des 4. Segmentes bis zum oberen Theil des 6. Segmentes. 
Die Lage der centralen Bodengruppe ist dadurch bestimmt, dass in dem als Bhombus 
gedachten Vorderbom, dessen hintere Seite den Centralcanal in eine ventrale und 
dorsale Hälfte theilt, eine der mediodateralen Seiten parallele Mittellinie gezogen, 
diese in drei Tbeile getheilt und die Gruppe au der Grenze vom vorderen und 
mittleren Drittel gefunden wird. 

2. Die Innervation der Zwerchfellhälften ist streng bilateral getrennt, indem 
jeder Pbrenicus nur die gleichzeitige Moskelhälfte beherrscht und nur aus dem Kem 
der gleichen Seite Fasern bezieht. Eine Kreuzung des peripheren Nervens in der 
vorderen Commisur bat aber fflr den Pbrenicus nicht statt 

3. Der ventrale Tbeil des Zwerchfells wird von einem kranialen Stämmchen 
(aus dem 4. Segment) nnd der dorsale von einem caudalen (ans dem 5. oder 6. Seg> 
ment) versorgt, in welcher Beziehung eine bemerkenswerthe Analogie mit der anto> 
genetisch doppelten Anlage des Zwerchfells und eine Ausnahme von der Regel zu 
liegen scheint nach der jeder Muskel oder Muskelantheil in mehreren Segmenten 
seine erste Projection findet 

4. Verglichen mit den Kernen des Hjpoglossus nnd anderen motorischen Hirn* 
nerven erscheint die Zahl der Phrenicuszellen sehr gering, so dass die Zahl der 
Zeilen eines Kernes nnd damit die Geaammtmasse seines Protoplasmas mehr von der 
Differenzirang der Aufgabe, als von der absoluten Ärbeitsgrösse der motorisebeo 
Neurone bezw. der Muskeln bestimmt zu sein scheint. 

5. Maximale Beansprachung des Phreuicuskeras durch Vermehrung der Äthem* 
anstrengung nach doppelter Vagotomie hat keinen Einfluss auf die Nisslstructur 
der Phrenicuszellen und bewirkt speciell keine Veränderung im Sinne der durch 
Tetanustozin- oder Strychninvergiftung hervorgebrachten Läsionen. 

6 . Auch diese Befunde sprechen dafür, dass die MissLKörper (Tigroid, von 
Lenbossdk) in keiner directen Beziehung zur Zellarbeit stehen. 

7) Die Demonstration deutlicher Fibrillen in der intertigroiden Substanz durch 
Aputhy, Becker, Bethe und die Wiederaufrollung der Continuitätsfrage durch 
Held und S. Meyer können nicht dazu führen, die Betheiligui^ der Nervenzelle 
ao der Bewegungsleitung in Frage zu stellen, da ein wahrscheinlich durch den Ab* 
lauf chemischer Processe ansgefflllter Aufenthalt der Erregungswelle durch die 
Messungen der Leitungsgeschwindigkeit auf Bahnen, in die Ganglienzellen einge* 


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616 


•chaltet sind, Aber jeden Zweifel erhoben ist Der Umstand» dass dieser Naehweu 
nicht nur für die motorisehen Vorderhomiellen, sondern auch fAr die SpinalgasglieQ- 
seilen erbracht ist» spricht dafür» dass jene Processe innerhalb der Zelle rieh ab* 
spielen. Die Nenronlehre bleibt also anch jetst bestehen. 

8 . Ueberanstrengung des Ätbemapparaies dnreh doppelte Vagotomie nach 
Darchschnrndnog des Phreniensatammes führt nicht — etwa in Folge Terhinderteo 
Abflusses und dadurch bewirkter Stanong der Erregnngswelle — so einer naebweiB* 
baren Beschlennigong der Cbromatolyse. 

Dr. Adolf Passow (Strassbarg i./E.): Ber Markflasei^halt nonnaler 
Oentnlwindnngen beim '/^jährigen ^nde uzui bei ^em Manne von 
33 Jahren. 

Die Centralwindongen worden in sechs ungeföhr gleich grosse Blücke getrennt; 
als erster wurde der an dem grossen L&ngsspalt gelegene bezeichnet, der letzte — 
sKhste — entsprach dem Qaercnlom. Das ParacentallAppchen wurde besondm be¬ 
zeichnet. 

Die StAcke der rechten Centralwindongen worden dann serienweise geschnitten — 
1741 Präparate» in denen vordere und hintere zasammengehürende Debeneioander 
liegen. Nachdem sich bei der mikroskopischen Untersuchung hersusgestellt hat, dass 
die Breiteverhältnisse der Schichten nur langsam zonehmen» wurden die licten 
Centralwindongen in Serien von je 10 Schnitten behandelt; je 5 wurden zorück- 
gelegt; von den anderen 5 worden 1^3 geförbt und nntersnebt 

Die Cenfaralwindnngen eines ^/^jährigen männlichen Kindes wurden ähnlich 
untersucht; aus den ganzen Windungen ungefähr 26 hintereinander laufende Schnitte 
zur Untersnehnng gewonnen. 

Gefärbt sind die Präparate nach der Wolters’schen Methode. 

An den Präparaten der 33jährigen kann man schon makroskopisch die ver¬ 
schiedenen Breiten der einzelnen Schichten an den FarbennAancen erkennen. Genaue 
Messungen ergaben eine regelmässige, stetige Zunahme an Breite, Schichtung und 
Stärke der einzelnen Fasern in allen Schichten fAr die ersten zwei Drittel der Central- 
Windungen (Block 1—4). Plötzlich flndet man dann ein Schmälerwerden im letzten 
Drittel; jedoch sind im Qoerculum die Schnitte wieder etwas faserreicher. Das Haupt¬ 
interesse nehmen die Wacbsthomsverhältnisse der 2. und 3. Schiebt — des super- 
radiären Faserwerkes und des interradiären Flechtwerkes — in Änapruefa. An den 
faserreichsten Schnitten aus dem unteren (Block 5 näher gelegenen) Ende dea 
4. Blockes reicht die schmäler gewordene, aber völlig von Fasern durchsetzte 2. Schiebt 
bis au die Tangentialfasem heran; zugleich ist die 3. auch am stärksten entwickelt 
nnd zeigt die beiden Baillaigerstreifen. 

Interesse beanspruchen ebenfalls die Verhältnisse der vorderen nnd hinteren 
Centralwindung. Letztere zeigt das völlig gleiche Waebsthum der versdüed«)» 
Schichten u. s. w. — Alles nur in einem sehr viel schwächeren Grade; die hintere 
kann als ein schlecht gelungener, sehr schwacher Abklatsch der vorderen bezeichnet 
werden. 

Im Vergleich bierzn sind die Befände an den Präparaten des ’/^jährigen männ¬ 
lichen Kindes vielfach verschieden. Vor allen Dingen steht die hintere Central- 
windung nicht in dem gleich starken Maasse an Faserarmnth hinter der vorderen 
zurück. Die Tangentialfasem treten sogar in den Präparaten der hinteren Central- 
winduQg häufiger auf, als in denen der vorderen Centralwindung. 

SämmtUebe Präparate* der 8 ersten Blöcke zeigen in toto das stärkste Fasern- 
auftreten, Blöcke 9 und 10 sind sehr fasemrm in allen Sdiicbten. 

Im superradiären Faserwerke zeigen der 3. nnd 4. ^ock (Präparate 6—10) 
zarte vereinzelte Fasern; ebenda stellt sich das intcmdläre FlMbtwerk als theüs 
schmales, theils etwas breiteres Band dar. 


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Wenn man die Eiotheilnng der Centralwindungen in 6, bezw. 10 Blöcke (beim 
Erwacbsenen and Kinde) auf die in Folge pathologischer Beobachtungen schematisch 
als motorische oder stabile Zonen abg^n^nzten Bindengebiete abertri^, so Rillt auf, 
dass die leisten faseransen Blöcke dem Qoerculnm, also der Beginn des Kopfes, der 
Amialis* und Eypogloesnsgegend entsprechen. 

Die faserreichsten Partieen des 4. Blockes beim Gehirn des Erwacbsenen wfirden 
der Hand* und Pingerregion entsprechen, die ersten Blöcke der Beinregion. 

Beim Gehirn des Kindes wurde kein besonderer Unterschied im 1.—8. Block 
gefunden; jedoch ist auch hier der 9. nnd 10. Block — die Querculumgegend — 
die faserännste Partie. 

Prof. Dr. Edinger (Frankfurt a./l{.) legt Präparate von Batten «Bücken* 
marken ror, welche Folgendes zeigen: Langdanemde schwere Anstrengungen erzeugen 
sehofi bei normalen Thieren Zerfall von Bfickenmarksfasem, vorwiegend in den Hinter¬ 
striagen. Ausnahmslos sind die Hinterwnrzeln betbeiligt. Macht man die Thiere 
aaiiDisch, so kann man mit geringeren Anforderungen an sie dasselbe erreichen. 

Anämie allein erzengt bei thonlichst ruhig gehaltenen Thieren nur Spuren oder 
gar keine Terändernngen. 

Diese Versuche, welche Vortr. mit C. Helbing angestellt hat, sollen die von 
ersterem aufgestellte Ersatztheorie stützen. Vortr. weist auf die praktische Wichtig* 
keit der Ergebnisse für die Tabesbehandlung kurz bin. 

Prof. Dr. Dinkler (Aachen): Ueber einen letal verlaufenen, mit Hemi- 
pl^e und psyohlatrisohen Störungen oomplicirten Fall von Basedow’soher 
Krankheit. 

42j^rige Beamtenfrau hat im 39. Lebensjahre 1894 eine schwere, ca. 6 bis 
7 Monate danemde septische Infection fiberstandeu; hat sich seitdem nicht recht 
erholt; erste Erscheinung von Basedow’scber Krankheit December 1896: Kropf, 
Exophthalmna, Zittern der Hände, periodische Schwellung der Füsse, Darm* 
erschein QDgen, Incontinent. alvi, Agiypnie u. s. w. Landaufenthalt, vom 2. Jnli 
bis 3. October 1897, brachte erhebliche Bessenmg, jedoch nach 6 Wochen wieder 
Ventchlimmernng, eigenartige, mit Crises gastriques fast übereinstimmende Magen* 
erseheinnngen, ^opbthalmus u. s. w. wie früher, Polyphagie; seit Ende October 
Zuckungen im rechten Arm und beiden Beinen; Eingescblafensein und Kribbeln in 
der Unken Hand mit vorübergebender Schwäche and Lähmung im linken Arm, 
weniger im linken Bein; seit December eigenthümlicbe choreiforme Zuckungen im 
fuuen Körper, vorwiegend in der nicht gelähmten rechten Seite, nasale Sprache, 
Verschlacken n. s. w. (an asthenische Bnlbärparalyse erinnernd); Verfolgungsideeen, 
HaUocinationen, auffallende Charakterveränderuiigen u. s. w.; objectiv ausser den 
Basedow ’aehen Symptomen schlaffe linksseitige Lähmung, bulbäre Erscheinungen o. s. w., 
progressive Gewichtsabnahme; nach 3 Wochen (Februar 1898) Exitus letalis; bei der 
äotopsie fand sich: Emphys. polm.; Dilatation and Hypertrophie beider Herzhälften; 
Struma, Thymus persistens. Im Gehirn und Bückenmark makroskopisch nichts Sicheres. 
Bei der mikroskopischeD Untersnchong fanden sich nach Marchi eine Degeneration 
voQ Nervenfasern im ganzen Grosshim mit herdförmiger Intensität im Bereich der 
rechten Centralwindnng; absteigende Degeneration der rechten Pyramidenbahnen, 
D^eneration der bnlb^n Nervenfasern; die Thymus persistens erwies sich als 
Struma, möglicherweise verlagerter mittlerer Lappen. Vortr. glaubt, dass dieser 
Befund von schweren organischen Verändemngen im Nervensystem im Verein mit 
der gleichzeitig vorhandenen „toxischen“ Nierenerkrankong für die Hoebius'sche 
I^kre über die Pathogenese der Baaedow’scfaen Krankheit (Intoxicationstbeorie) 
die anatomisobe Basis zu geben vermag. 


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Pmat'Doc. Dr. 6. Ascbaffenburg (Heidelba^): Die Entmündigung 
Geisteskranker nach dem bürgerliohen Onsetsbuoh. 

Mit dem 21. Lebensjahr wird nach § 2 des B. G.’B. das IndiTidnam volljährig, 
d. h. es hat von da ab die uneingeschränkte Selbständigkeit und Verfftgungsfähig- 
keit, während gleichzeitig auch Pflichten ihm aoferlegt sind und bleiben. Diese 
beiden Seiten der bürgerlichen Bechtsfähigkeit charakterisirt Endemann als die 
Geschäftsfähigkeit, d. h. die Fähigkeit, Rechtsgeschäfte wirksam abzuscbliessen 
und die Verantwortlichkeit für unerlaubte Handlungen und Yerletzungeu der Vertrags- 
pflichten. Für beide führt er den gemeinsamen Begriff der „Verkehrsfähigkeit“ 
ein, der übrigens im B. G.-B. nicht enthalten ist. 

Die Verkehrsföhigkeit kann nun beeinträchtigt werden und wird oft vüllig 
aufgehoben durch eine Schädigung oder ungenügende Entwickelung der geistigen 
Fähigkeiten. Dieser Thatsache tr^ das B. G.-B. vollauf Rechnung, und zwar, 
indem es gleichzeitig den notbwendigen Schutz des durch seine Erkrankung 
ohnehin schon genugsam Geschädigten mit dem Interesse des bürgerlichen Rechts¬ 
staates zu vereinigen sucht. Letzterem Zwecke dient vor allem der § 829; dieser 
setzt fest, dass zwar derjenige, der in einem Zustande der Bewusstlosigkeit oder 
krankhafter Störung der Geistesthätigkeit oder als Entmündigter einen Schaden an- 
ricbtet, dafür nicht verantwortlich ist, dass aber die Billigkeit eine Schadloshaltung 
des Geschädigten verlange. Noch wichtiger ist in dieser Beziehung der § 832, der 
zum Schadenersatz denjenigen verpflichtet, der Kraft Gesetzes zur Aufsicht über eine 
Person gesetzt ist, die wegen ihres geistigen Zustandes der Beaufsichtigung bedarf. 

Wenn wir absehen von den Bestimmungen, die wie § 104,2 und 105, Absatz 2, 
die in Zuständen krankhafter Störung der Geistesthätigkeit abgegebenen Willens¬ 
erklärungen für nichtig erklären, so tritt uns die Hülfe, deren ein geistig nicht 
Intacter bedarf, in zwei Formen entgegen, in der einer Pflegschaft und der Ent¬ 
mündigung. Die Pflegschaft stellt eine Art freiwillige und partielle Bevormundui^ 
dar. Freiwillig insofern, als sie nur mit Einwilligung des Volljährigen eingerichtet 
werden darf, der nicht unter Vormundschaft stehend, in Folge geistiger Gebrechen 
einzelne seiner Angelegenheiten oder einen bestimmten Kreis seiner Angelegenheiten, 
insbesondere seine Vermögensangelegenheiten nicht zu besorgen vermag, partiell 
insofern, als ausdrücklich die Pflegschaft nur für diesen bestimmten Kreis der An¬ 
gelegenheiten zu gelten hat (§ 1910). 

Auch die Entmündigung ist nach dem B. G.-B. nicht mehr eine einheitliche 
Maassregel. Nach § 6, Abtheilung 1, kann entmündigt werden, „wer in Folge von 
Geisteskrankheit oder von Geistesschwäche seine Angelegenheiten nicht zu besorgen 
vermag.“ Die Wirkung der Entmündigung ist aber dnrchaus verschieden, je nachdem 
sie wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche erfolgt. Wir werden uns 
deshalb als Psychiater darüber Rechenschaft zu geben haben, was jeder dieser Aus¬ 
drücke besagen will. Die Motive und Commissionsberichte lassen darüber keinen 
Zweifel, dass mit Geistesschwäche und Geisteskrankheit nicht psychiatrische Be¬ 
nennungen bestimmter Zustände gemeint sind. 

Geistesschwäche ist eine Form der Geisteskrankheit; das erkennt auch die 
2. Commission für das B. G.-B. an und lehnte deshalb die gesonderte Betrachtung 
der Geistesschwäche ab; in der letzten Revision aber wurde festgestellt, dass der 
Gesetzgeber damit rechnen müsse, dass es Zustände der geistigen Unvollkommen¬ 
heit giebt, die nach der gewöhnlichen Auffassung nicht unter den B^riff der 
Geisteskrankheit fallen; der Unterschied, der im praktischen Leben zwischen der 
Geisteskrankheit and der Geistesschwäche gemacht werde, genüge, um ihn zum Aus¬ 
gang für zwei verschiedene Entmündigungsfölle zu nehmen. Wir müssen uns also 
nach der Laiendefinition und nicht nach psychiatrischen Anschaunngen richten. Am 
besten werden wir die Intentionen des Gesetzgebers bei der Scheidung dieser Zustände 
an den gewünschten Wirkungen erkennen. 


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Der wegen Geisteskrankheit Entmündigte wird durch die Entmündigung ge¬ 
schäftsunfähig, der wegen Geistesschwäche Entmündigte nur in der Geschäfts¬ 
fähigkeit beschränkt: ersterer wird vom Gesetze wie ein Kind von 7 Jahren be¬ 
handelt, letzterer wie ein Minderjähriger, der das 7. Lebensjahr, aber noch nicht das 21. 
rollendet hat. Die Willenserklärung des Geschäftsunfähigen sind nichtig. Das ist 
eine ausserordentlich tiefgreifende Bestimmung. Es wird dadurch dem Entmündigten 
nicht nur das Becht zur Heirath, zur Testamentsabgabe genommen, er kann nicht 
einmal Erbschaften annehmen, Besitz erwerben, bewegliche Sachen als Eigenthnm 
annehmen. Betrachten wir dagegen den w^en Geistesschwäche Entmündigten; er 
bedarf, wie der Minderjährige, zu einer Willenserklärung, dnrch die er nicht lediglich 
einen rechtlichen Yortheil erlai^ z. 6. Annahme eines Schenkongsversprecbens, der 
Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters (§ 107). Eine Reihe weiterer Zusatz¬ 
paragraphen aber erleichtern die Verkehrfähigkeit noch bedeutend. Die Testaments¬ 
abgabe ist ihm zwar ganz genommen, die Ehe von der Binwilligung des Vormundes 
abhängig. Dagegen kann der Vormund seinem Mündel zu bestimmten Zwecken 
Geld zur Disposition stellen (§ 110), ebenso mit Genehmigung des Vormnndschafts- 
gerichts ihn zum selbständigen Betriebe eines Erwerbsgeschäfts ermächtigen (§112). 
Es hat also Entmündigung wegen Geistesschwäche den Zweck, den Entmündigten 
„gegen die Benachtheiligong durch ältere und erfahrenere Gegner zu schützen.“ 

Von diesem Standpunkte aus, ob Geisteskrankheit oder Geistesschwäche, d. h. 
Geisteskrankheit geringeren Grades, bezw. blosse ungenügende Entwickelung der 
geistigen Kräfte als vorliegend zu betrachten ist (Scbultze) haben wir iro concreten 
Falle den Geisteszustand zu beurtheilen. Wir werden genüthigt sein, nach Ab¬ 
stufungen, nicht nach Formen geistiger Störung unser Urtheil auszusprechen, 
Dod damit, allerdings in höherem Grade, als Seitens des Gesetzgebers beabsichtigt 
ist, in die Bechtssphäre durch unseren Entscheid eingreifen. Endemann kommt 
ZQ dem Schlüsse, dass wir z. 6. „Paralytiker je nach den juristischen Erwägungen 
als geisteskrank oder geistesschwach entmündigen können, Idioten nur als geistes¬ 
krank, Imbecille je nach der Schwere des Falles als geisteskrank, geistesschwach 
oder gar nicht; circuläre nur als geistesschwach.“ 

Einen ganz extremen Standpunkt nimmt Hardeland ein. Er glaubt, „da die 
natOrliche GeschäftsMigkeit fast niemals völlig aufgehoben ist, so kann ein Be- 
dflrfniss nach besonderen, diese Änsnabmaßlle berücksichtigenden gesetzlichen Be¬ 
stimmungen nicht anerkannt werden, znmal der Geisteskranke schwersten Grades 
regelmässig in Irrenanstalten intemirt und damit ohnehin dem bürgerlichen Verkehr 
entzogen ist.“ Deshalb sei die Bhitmündigung, die den Entmündigten in Ansebang 
der Geschäftsfähigkeit einem Mindeijäbrigen gleichstellt, in allen Fällen, in denen 
die Geisteskrankheit eine Beschränkung der Geschäftsßhigkeit erfordert, dasjenige 
Institnt, „welches allein in ausreichender Weise allen Bedürfnissen des Bechtslebens 
Bechnnog trägt.“ 

Definitiv beseitigt wird durch das B. G.-B der Entmfindigungszwang. 

Prof.J.Richard Ewald (Stras8bnrgi./E.):Ueber künstlich erzeugte Epilepsie. 

Bisher bat man die elektrischen Beizungen der Gehirnrinde bei den den Hunden 
kurze Zeit nach der für die Beizung uöthigen Operation ausgeführt Unter diesen 
Umständen sind aber die Thiere nicht normal, und die Grosshimfunctionen noch 
tbeilweise gehemmt Der Vortr. hat ein Verfahren ersonnen, welclies gestattet, 
die Hönde erst am Tage nach der Operation und daun in voller Freiheit zu reizen. 
Die Operation besteht darin, dass über der zu reizenden Stelle des Grosshirns ein 
Elfenbeinkonns in die Schädeldecke eingescbrauht wird. Am nächsten Tage werden 
dann die Elektroden in den bohlen Elfenbeinkonus eingesetzt. Der Strick an welchem 
der Hund geführt wird, enthält die elektrischen Leitungsschnüre. Eine Batterie von 
kleinen Trockenelementen trägt der Beobachter um die Schulter gehängt und kann 


Googlv 



620 


80 den Hand in einem beliebigen Moment von der Gehirnrinde aas reizen. Unter 
diesen Umet&nden kann man bei völlig angehemmten Händen anch von der Seh- 
und HOrsph&re aus durch die st&rkere und namentlich etwas längere Zeit anhaltende 
elektrische Beizung epileptische Anfälle auslOsen. Dabei sind die erforderlichen 
Ströme nicht viel stärker als diejenigen, die von der epileptogenen Zone aus wirksam 
sind, und es ist nicht anzunehmen, dass etwa StroomcMeifen in die epileptogene 
Zone die ÄnAUe bei den Versuchen veranlassen konnten. 

Wenn man bei einem Hunde durch elektrische Beizung der Großhirnrinde einen 
epileptischen Anfall auslOst, so beginnen die Krämpfe in den Muskeln, welche in 
der gereizten Bindenstelle ihren Beizpunkt haben, und verbreiten sich dann in 
typischer Weise Ober den EOrper. Um non zu untersuchen, ob diese Verbreitung 
der Erregung primär in der Orosshimrinde stattfindet, genügt es nicht, die zu 
reizende Stelle zu umscbneiden, da die starken StrOme, die man znr Auslosung des 
epileptischen Anfalls braucht über die Schnittstelle hinaus in die umliegende Gkhim- 
Substanz einbrechen. 

Der Vortr. hat deshalb kleine, sehr dünnwandige Glascylinder in die Gehirn« 
rinde verrenkt, derart, dass die Cylinder einige Millimeter tief in die Substanz ein* 
sinken, aber auch noch ein Stück weit über die Oberfläche des Gehirns hervor« 
ragten. Es wurde dann innerhalb des Cylinders gereizt. Die entsprechenden Muskeln 
zuckten wie unter den gewöhnlichen Umständen; epileptische Anßlle Hessen sich nun 
aber nicht mehr von dieser durch den Glascylinder abgegrenzten Stelle aus 
erzeugen. 

Diße Versuche legen den Gedanken nahe bei Hnnden, welche durch Exstirpation 
eines Bindenstflckes Epileptiker geworden sind, die Narbe des Defectes mit dem 
Messer zn umschneiden. Der Schnitt hindert zwar nicht die Ausbreitung der elek« 
irischen Erregong, wohl aber die Ausbreitung der physiologischen Erregung. Die 
Versuche wurden nur an Hunden angestellt, welche bereits mehrere Tage hinter« 
einander täglich mindestens einen epileptischen Anfall spontan gehabt hatten. Bis« 
her sind nur 3 Hunde in diesem Stadium der Epilepsie in der angegebenen Weise 
(Umschneidung der Narbe) operirt worden. Bei zweien derselben blieben die An« 
Alle seitdem völlig aus. Bei dem 3. Hunde trat nach etwa 6 Wochen noch ein 
leichter Anfall ein, dann blieb das Thier ebenfalls frei. 

Prof. GrOtzner (Tübingen) spricht über die Aenderung der Erregbarkeit 
des quergestreiften Muskels naoh Ausschaltung oder Durohsohneidong 
seiner Nerven. 

Durch Brücke, Erb und Andere war fes^estellt worden, dass Muskeln, 
welche in Folge von Giften (Cnrare) oder in Folge von Durchschneidong ihres 
Nerven nicht mehr unter nervOsem Einfluss stehen, ihre Erregbarkeit in hohem 
Maasse verändern. Diese Aenderung der Erregbarkeit, welche kürzlich in eingehen¬ 
der Weise von Wiener untersucht worden ist, hat man fast immer nnr geprüft ver« 
mittels elektrischer Beize. 

Aber auch andere z. B. chemische Beize ergeben sehr anfällige Unterschiede 
zwischen nervenhaltigen und nervenlosen Muskeln. Brstere z. B. in 5—6%ige 
Kochsalzlösung getaucht, gerathen in Zuckungen und ziehen sich mässig zusammen; 
letztere dagegen, ebenso behandelt, zacken zwar auch, aber ziehen sieh schlieeslich 
ansserordentlich viel stärker znsammen. Man kann unter günstigen Umständen Unter¬ 
schiede wie 2:3, ja beinahe wie 1:2 beobachten. Der Nerv hemmt also die Ein¬ 
wirkung des chemischen Beizes auf den Muskel, insofern er ihn nicht so stark 
sich znsammenzieben lässt. Diese Verhältnisse kann man an curarisirten Muskeln, 
sowie an solchen, deren Nerven 10—14 Tage durchschnitten sind, beobachten. Am 
beeten eignet sich hierzu der Sartorius and der Biceps des Frosches. 

Es zeigt sich aber weiter, dass bei den entnervten, chemisch germzten Muskeln 


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J 


621 


Dicht alle Fasern an dieser enei^chen Contraction tbeilnebmen, sondern wesentlich 
Dar die dicken, flinken Fasern. Der Sartorios eines Frosches, in welchem der Haupt* 
Sache nach diese beiden Muskelarten in zwei Schichten abereinander gelagert sind, 
dreht sich daher, in die reizende Flflssigkeit getaucht, stets in ganz bestimmter 
Bichtnng und rollt sich nicht selten zu einem Halbrobr oder zu einer geschlossenen 
JBdhre zusammen, deren innere, gekrümmte Seite ausnahmslos Ton der Schicht der 
dickeren Fasern gebildet wird. 

Med. Rath Dr. Baumgärtner (6aden*Baden): Ueber liumbalpunotion. 

Vortr. hat an 5 Leichen, die intra ritam keinerlei Compensationsstörungen mit 
Gefassstaunngen zeigten, einmal keine, die anderen Male 4 bis 6 ccm Lnmbalflassig* 
keit Torgefunden und betrachtet somit letztere Menge als die normale. 

Je mehr Flüssigkeit, desto höher sind im Allgemeinen die Druckwertbe, docli 
entsprechen die Drucksymptome nicht immer der Dmckböhe; schwere Erscheinungen 
haben oft geringe Dmckwerthe und umgekehrt. 

Kegaüve Resultate bei Untersuchung der Lumbalflflssigkeit werfen die klinischen 
Diagnosen nicht um, sie sind bedingt durch Dnterbrecbung der Communikationeu 
zwischen den Snbarachnoidalräumen des Gehirnes und denen des Rückenmarkes. 

Gewöhnlich werde die Lumbalpunction gleich als therapeutischer Eingriff ror- 
genommen entsprechend der Quincke’scben Indication, „dieHeningealräume von einem 
vorhandenen Drucke mechanisch zu entlasten." Vortr. hat diese Indication bis heute 
bei 26 Patienten durch 43 Functionen entsprochen, er betrachtet die Lumbalpunktion 
bei acutem hohen Drucke als eine Indicatio vitalis, will sie aber auch bei allen 
Fällen von chronischem Himdrucke angewendet wissen, so nach dem Vorschläge von 
Lenhariz bei schweren Chlorosen, nach Gebimerscbfltterungen u. s. w. 

Vortr. schätzt den therapeutischen Werth der von Quincke eingeführten Lum- 
balpnnction trotz mancher negativer Resultate dem diagnostischen Wertbe min¬ 
destens gleich. 

Die Gefahren der Funktion könnmi nicht in dem aseptisch durchgeführten 
operativen Ellgriffe liegen, sondern in dem zu schnellen und zu reichlichen 
Entleeren der Flüssigkeit, weshalb das Ablassen in horizontaler Lage zu ge¬ 
schehen hat. Vortr. sticht in sitzender Stellung ein und legt den Patienten mit 
eingestochener Nadel um. 

Nicht selten ist als Folge des zu sehr verminderten Druckes eine Ab* 
Schwächung der Herzthätigkeit sowohl im Betreff der Frequenz als der Energie 
der Schläge zu beobachten, die mehrere Tage andauem kann. 

Vortr. glaubt mit dem Lumbalpunctionsapparate von Erönig das zu schnelle 
und zu starke Herabsinken des Druckes sicher vermeiden zu können. 

Werden die Druckverhältnisse beim Ablassen der Lumbalflüssigkeit genau über¬ 
wacht — je höher der Druck, um so weniger darf auf einmal abgelassen werden — 
so werden die unangenehmen, zuweilen bedrohenden Erscheinungen seltener oder 
nicht mehr zu beobachten sein und der therapeutische Werth der Lumpalpunction 
immer mehr zur Geltung kommen. 

Dr. Loderitz (Baden-Baden): TTeber Veränderungen in den Hintersträngen 
bei progressiver Paralyse. 

Vortr. weist an der Hand von 16, sowohl klinisch wie anatomisch genau unter¬ 
suchten Fällen von progressiver Paralyse, die Ansicht zurück, dass progressive Paralyse 
und Tabes identische Krankheiten seien. Abgesehen vom klinischen Bilde — Verschieden¬ 
heit der Blasenmastdarmstörungen, grosse Seltenheit von Opticusatrophieen bei Paralyse, 
Fehlen der eigentlichen „Krisen" □. s. w. — zeigen auch die anatomischen Befunde 
in den Hintersträngen mannigfache Differenzen, besonders im Lendenmarke. Während 
wir bei vorgeschrittenen Fällen von Tabes fanden, dass das ganze Areal der Hinter- 


Dig: /Cu 


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622 


stränge hier mehr oder weniger in degenerirtes Qewebe Terwsodelt ist, zeigen sich 
bei Paralyse nur ganz bestimmte, scharf nrngrenzte Partieen krankhaft verändert 
and zwar dergestalt, dass sowohl im oberen wie nnteren Lendenmarke ganz bestimmte, 
in jedem Falle mit fast photographischer Treue, wieder anftretende Degenerations* 
fignren zu Stande kommen, die eine Unterscheidung beider Krankheitsbilder aoch 
am mikroskopischen Präparat ermöglichen. Irgend welche Beziehangen in der Stärke 
der Degeneration zwischen Hintersträngen und Seitensträngen liessen sich nicht nach- 
weisen, auch da, wo in den Seitensträngen die eine Seite stärker verändert schien 
als die andere, Hessen sich in den Hintersträngen keine Differenzen erkennen. 

Dr. van Oordt (Heidelberg): Tabes mit Hysterie. 

Im vorliegenden Falle waren die Symptome einer durch Section bestätigten 
Tabes und einer auf dem Boden tabiscber Erscheinui^en entstandenen Hysterie ver¬ 
flochten. Besondere Schwierigkeiten bot der Erkennung beider Krankheitsbilder die 
Eigenthflmlicbkeit, dass die ausgedehnten Sensibilitätsstörungen zum Theil tabiscber, 
zum Theil hysterischer Kator waren und der Umstand, dass bei nicht unerheblicher 
Alteration der Muskel- und Qelenkseusibilität keine ^wegungsstörungen auftraten. 
Vortr. betont die Thatsache, dass Fehlen von Muskel- und Oelenksempfindaogen 
besonders im Beginn der Erkrankung nicht nothwendiger Weise eine spinale Be- 
wegungsatazie im Gefolge haben muss. 

Dr. W. Weygandt (Heidelberg): Kritische Bemerkungen zur geistigen 
Hygieine der Schule. 

Bei Anwendung psychophysischer Methoden zur Feststellung der Scholfiber- 
bürduug wurde eingeworfen, dass die Schule die wichtigste Erholung biete durch 
Abwechslung im Arbeitsstoff, wodurch immer neue Hirutbeile in Anspruch genommen 
und die bis dahin angestrengten entlastet würden. Vortr. stellte mittelst der con- 
tinuirlichen Arbeitsmethoden Experimente über den Arbeitswechsel au, die ergaben, 
dass von einer erholenden Wir^og des Wechsels an sich nicht die Bede ist Der 
Erfolg des Wechsels bängt ab vom Verbältuiss der Schwere der Arbeiten. Höchstens 
durch rasch vorübergehenden „Antrieb" kann der Wechsel als solcher etwas günstig 
wirken. 

Die modernen Methoden der Feststellung geistiger Ermüdung durch ästhesio- 
metrische UntersochuDg (Griesbach, Vauuod, Wagner) sind, wie zahlreiche 
ezacte Nachprüfungen ei^ben, ungeuau, in ihrer bisherigen Anwendung oberflächlich, 
und können höchstens mit aller Vorsicht zu Einzelversucbeu, aber noch nicht zu 
Massenversuchen in der Schule angewandt werden. 

Herr Tallermann (London) zeigte während der Verhandlungen in einem 
Nebensaale einen an die Gasleitung angeschlossenen Heissloftapparat eigenartiger 
Construction vor; zur Behandlung gelangten arthritische Kranke aus dem Landesbad. 

Baden-Baden wurde wieder zum Ziele der nächsten Wanderung der sfidwest- 
deutscben Neurologen und Irrenärzte bestimmt 

Prof. Dr. Naunyn (Strassbui^) und Director Dr. Frz. Fischer (Pforzheim) 
wurde die Geschäfts^hrung übertragen. 

Um Uhr Mittags wurde die Versammlung geschlossen, 

Leop. Laquer (Frankfurt a./M.). 


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623 


K. K. OeselUohaft der Aerate ln Wien. 

Sitzung vom 5. November 1897. 

(Wien. klin. Wochenschr. 1897. Nr. 45.) 

E. Ollmann berichtet über einen Fall von doppelseitiger Arthropathia 
tabioa im Spronggelenk. 

Durch Ausführung einer arischen Besection am rechten Fusse konnte beinahe 
normales Aussehen des Fusses erzielt werden, auch die Beweglichkeit ist normal. 
Es entwickelte sich weder Ankylose noch ein Schlottergelenk. Vortr. bebt hervor, 
dass bei tabischer Arthropathie des Sprunggelenkes bisher fast immer Amputation 
dnrchgefflhrt wurde und erst in drei Fällen eine Besection ansgefQhrt worden war. 

Sitzung vom 3. December 1897. 

(Wien. klin. Wochenschr. 1897. Nr. 49.) 

Prof. Weinlechner hält einen Vortrag über die Folgen euboutaner Sohädel* 
fraoturen in den ersten liebensjahren. 

Nach kurzer Erwähnung der Schädelfracturen während des uterinen Lebens, 
während des Geburtsactes und unmittelbar post partum bespricht Vortr. die Schädel* 
fissuren und Schädelbrfiche in den ersten Lebensjahren. Vortr. unterscheidet Schädel* 
locken mit aol^emdem Gehirne und Schädellocken mit falschen Heningocelen; beide 
Formen können nebeneinander bestehen. Die SchädellQcken werden bald nach er¬ 
littener Verletzung beobachtet und nehmen mit den Jahren an Umfang zu; sie bleiben 
schliesslich stationär und verursachen keine Beschwerden. Die weiteren AusfOhrungen 
Über diese Frage haben nur chiruigisches Interesse. 

Die SchädellQcken mit falscher Meniogocele finden sich gewöhnlich am Seiten¬ 
wandbein und stellen weiche, fluctuirende, mitunter transparente, wenig pulsirende 
Geschwülste dar, welche eine harte Umrandung besitzen. Der Inhalt gleicht der 
CerebrospinalöOssigkeit, die KnochenlOcke lässt sich selten deutlich fühlen. Die Ver¬ 
bindung zwiscben der Meningocele und dem Schädelinneren wird durch eine narbige 
Durafistel aufrecht erhalten. 

Eine Verletzung der weichen Gehirnhäute und des Gehirns kommt bei Bildung 
der Fissur nicht selten vor; je tiefer der Biss ins Gehirn geht, desto mehr Cerebro- 
Spinalflüssigkeit wird ausgetrieben. Wenn das Gehirn bis in die Seitenventrikel reisst, 
so ist der Austritt der Flüssigkeit noch mehr begOnstigt und damit auch das rasche 
Wachsthum der Geschwolsi Vortr. hat einmal eine solche traumatische Poren- 
cepbalie bei einem Kinde gefunden, bei welchem die Verhältnisse durch die Nekro¬ 
skopie klargestellt wurden. Die falsche Meningocele heilt mit Hinterlassung einer 
Schädellücke, die Fissur mit anlagemdem Gehirn heilt entweder ganz aus oder bessert 
sich wesentlich. Eine Persistenz der Meningocele über das 3. Lebensjahr hinaus ist 
eine Rarität. H. Schlesinger (Wien). 


Oeaterreiohisohe otologiaohe Oeaellaohaft. 

Sitzung vom 26. October 1897. 

(Wiener klin. Wochenschr. 1897. Nr. 48.) 

Prof. Politzer stellt einen 26jährigeo Mann vor, der durch ein Maschinenrad 
an eine Wand gedrückt wurde, unmittelbar nach dem traumatisohen Insulte aus 
beiden Ohren blutete und eine beiderseitige Facialisparalyse acquirirte. Rascher 


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624 


RQck^ng der HörstömDg bei Fersistiren der Lähmung beider Faciales. Yortr. igt 
der Ansicht, dass es sich um eine Fissur an der Calvaria handle, welche sich durch 
die beiden Schläfenbeine in der Weise fortsetzt, dass sie durch die hintere obere 
Gehörswand bis zur hinteren Trommelböhlenwand durch den Faloppi’schen Canal 
beiderseits reicht. Die Blutung ans dem äusseren Qehörgang spricht dafflr, dass eine 
Blutung im Canalis Fallopiae erfolgt ist H. Schlesinger (Wien). 


m. Mittheilnng an den Herausgeber. 

Sehr geehrter Herr College! 

Die Ueberffllle der zeiigenössiscben Litteratnr lässt es verständlich erscheinen, 
wenn sich in die historischen Feststellungen jftngerer Autoren zuweilen Irrthfloer 
einschleichen, die dem älteren, als fOr die Sache selbst irrelevant, kaum der Beacb* 
tuug werth erscheinen und habe, ich meiner daraus gezogenen Ansicht noch kfirzlich 
in der Vormerkung zu meinen „Beiträgen** Ausdruck g^ben. Diesmal möchte 
ich jedoch von meiner Gepflogenheit eine Ausnahme machen, weil es sieh damni 
bandelt, dass ein Facbcollege die historische Aufstellung eines anderen bemängelt, 
er selbst aber nicht minder dabei fehl geht als jener. 

In der kürzlich erschienmien Nr. 12 des Nenrolog. Centralbl. corrigirt Herr 
Uinor Herrn Marinesco, der im April 1898 in einer Arbeit die Aeusserung 
than, dass in derselben das bis dahin nicht beachtete Vorkommen der sogensanteD 
sjringomyelitiscben Dissociation bei Querscbnittsmyelitis erwiesen sei, dahin, dass er 
schon lange vor dieser Publication, nämlich am 21. Angnst 1897 auf dem Moskauer 
Congresse abw diese Erscheinung in 8 Fällen von Backenmarksqnetschoug be¬ 
richtet hat. 

Da scheint es mir denn doch nötbig, daranf hinznweisen, dass Kahler und 
Piek im Archiv f. Fsych. Bd. X. H. 2, also vor 18 Jahren, einen Fall von Fractor 
der Halswirbelsäule mittheilten, der, wie in den Fällen von Minor und Marinesco, 
jene Dissociation oberhalb der anästhetischen Zone zeigte; ich darf weiter darauf 
hiuweisen, dass wir dort auch die anatomischen Grundlagen der Erscheinnng lu 
denten versuchten und dass jener Fall umsoweniger dem Gedächtniss der Zeitgenossen 
entgangen, als es ja derselbe ist, in welchem wir als die ersten (und dabei kann 
ich trotz aller historischen Fesstellungen bleiben) in klar bewusster Weise nach- 
wiesen, dass bei completter Dnrcbtrminung des Halsmarkes und intactem Lenden- 
marke die Kniephänomene fehlen und dafür eine Erklärung versuchten, die, nenerlicb i 
anfänglich zurückgewiesen, jetzt doch wieder von anderer Seite angenommen iricd. | 

Trotzdem wir seiner Zeit gerade der ansfflhrlicben Discussion der eigenthömlicbea i 
Form der Sensibilitätsstörung wegen die einschlägige Litteratnr gewiss mngdi«d 
studirt haben dürften, möchte ich trotz Allem natürlich nicht behaupten wollen, dass 
nicht vielleicht schon früher ähnliche Beobachtungen gemacht und veröffentlicht j 
sein mögen. A. Pick. 


IV. Personalien. 

Unser verehrter Mitarbeiter Herr Dr. v. Frankl-Hoohwart wurde zum Professor 
eztraord. au der Universität Wien ernannt. 

Um Einsendung von Separatabdrücken an den Herausgeber wird gebeten. 

Einsendungen für Redoction sind zu richten an Prof. Dr. E.Mendel, 

Berlin, NW. Schiffbauerdamm 20. 

Verlag von Vbit & Coup, in Leipzig. — Druck von Mstzobr & Wimo in Leipzig. 


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Inhalt: I. Orlglnalmifthenungen. 1. Zar Histologie and Pathologie der inselfOrmigen 
Sklerose, von Dr. Sismiind Erban. 2. Hnskelatrophie bei maltipler Sklerose, von Priv.*Doc. 
Dr. L Bnusr. 3. Zar Firbong der Oanglienzellen, von Dr. Friedrich Uilthleu in Wien and 
Dr. Josef Serge, Hospitant an der III. me^cinisoben Klinik io Wien. 4. Zar Härtong 
des Centialnervensystems in sitn, von Dr. Hermann Pfister, Assistenzart der psydiiatr. Ebnik 
in ^iborg i./B. 

II. Referate. Anatomie, l. De leer der nenronen toeMpast op de anatomie der 
zintaigen, door Jelgersma. 2. In^Utd de poids des b^misphäres cerebraoz, par Bonmeville. — 
Experimentelle Physiologie. 8. üeber den oortiealen Ursprong der daroh Absyntb 
herro^Tofenen epileposchen Anfälle bei Händen, von Osslpow. 4. A fnrther experimental 
eontribntion to tbe knowledge of the mechanism of deglafition, bv Meitzer. 5. Ueber ßeiz- 
verencbe mit Indactionsstrbmen am Thiermagen, von Meitzer. 6. Mcherohes experimentales 
soT les monvemente de la eeilole nerveose de la mo9Ue dpinibre, par Odier. — Patho¬ 
logische Anatomie. 7. Examen des cellales nerveoses medoUaires dansle tetanos experi¬ 
mental, par Conrmont, Doyon et Parlot. — Pathologie des Nervensystems. 8. Da 
rdflexe patellaire, par Marandon de Mentyel. 9. phdnomene des orteils en pathologie 
nervease, par Bablnski. 10. Ophthalmoskopische onderzoekingen bij Epilepsie, door Meyer. 
11. Zeldzame gevallen van Epilepsie, door WlnMer. 12. I sogni e il sonno neir isterismo 
6 nella epUesaia, per Santa de Sanrtis. 18. Paitieele epilepsie en bare heelkondige behande- 
ling, door van Eyla 14. Epilepsie Jacksonii post fractoram cranil com depressione permagna. 
Resectio oranii. Pörbättring, af Naumann, lö. Note sar qaelqnes r^flexes cotan^ ohez les 
äpileptiqaes, par Fdrd. 16. Note snr la plos grande rapidite de r^limination da blea de 
mdthylbne par les orines a la soite des acc^s chez les ^pileptiqaes, par Fdrd et Laubry. 
17. Epilepsie consdcative a ane fibvre typhoide, par Bourneville et Dardel. 16. Epilepsie als 
Abstinenzerscbeinang bei Morphiamentziehang, von Heimann. 19. Öinische Beitr^e zar 
ReBexepilepsie, von SeelIgmDlfer. 20. Some notes of echolalia, with the report of an 
extrsorainary case, by Barr. 21. Epilepsy with lazation of the yaw, by Stanley. 22. A 
octogenarian epileptic, by Simpson. 23. Ueber die chronische Paranoia bei epileptischen 
In^vidaen, von Buchholz. 24. Le traiteroent de l'^pilepsie, de l'idiotie et d’aotres etats en- 
cdphaliqnes analogaes par la r^eection des nnglions cervicaaz sopdrieors da sympathiqae, 
par Chipault. 25. Ueber die Aa:^aben des PÖ^personals bei Epileptischen, von Wildermuth. 
26. A eontribntion to tbe stndy of tetanos, W Gonzalez. 27. A case of tetanns, by Rudis- 
Jleinsky. 28. Zar Fn^ des rheamatischen Tetanos and der Tetanos-Antitozinbehandlaog, 
von Steiner. 29. A case of cephalic, dysphagic, or hydrophobic tetanos, by Maylard. 30. Ueber 
einen Fall von Kopfbetanas, von Solmsen. — Psychiatrie. 31. Psychoses post-op^ratoires. 
.32. Les psychoses de la vieillesse, par Rlttl. 38. Insanity of the different periods of life. 
Evolntional and involotional typ^ by Maclachlan. 34. On arrested develo^ent and Little’s 
disease, by Spiller. — Therapie. 85. Die Bebandlnng der taberonlSsen Wirbelentzandang 
aaf Griina von 700 Fällen, von Dollingor. 36. Zar operativen Behandlang der Spina bifida 
occnlta, von Maass. 87. Ueber Bewegangstberapie bei Erkrankangen des Nervensystems, 
von Qoldschoider. 38. Ueber die compenaatorisebe Uebangstherapie bei der Tabes dorsalis, 
von Jacob. 39. Beitrag zar QaeoksUberbehandlang der multiplen Sklerose, von MUhMm. 

III. Aut den Gesellschaften. Verein für Psychiatrie and Nenrologie in Wien. 

IV. Bibliographie. Die Bedeutong der Beize fOr Pathologie nnd Therapie im Lichte der 
Neoronlehre, von Goldscheider. — Die nervösen Erkrankangen der Blase, von Prof. Dr. 
L. V. Fninkl-Hochwart nnd Dr. oL Zuckorkandl. 


V. Borichtlgung. 


40 


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L OrigiDAlznittheilongen. 


[Ans der IL Wiener medicin. Universitätsklinik (Holrath Prof. Nbusseb].] 

1. Zur Histologie und Pathologie der inselfönnigen Sklerose. 

Von Dr. Sigmund Brbmi. 

Analyse der verbreiterten StUlzsubstanz. Die primär 
anftretenden Yerändernngen. Heber das Intentionszittern. 

Die Heilbarkeit einzelner Symptome. 

Mir standen 5 f^e zur YerfOgang. Bei jedem derselben konnte ich im 
Rückenmark Stellen ermitteln, wo die Sklerose fortgeschritten war, und 
andere Stellen, welche Anfänge der Entwickelung anfwiesen. Meine Ans* 
fOhmngen beziehen sich ausschliesslich auf die weisse Rü<&enmarkssubstanz. 
An solchen Flecken im Rückenmarksquerschnitte, wo die Sklerose beginnt, 
war mir eine grosse Anhänüing von markhaltigen Nervenfasern kleinsten Calibeis 
ao^tallen. Auch das normale Rückenmark zeigt innerhalb der weissen Sub¬ 
stanz zwischen den Überwiegend grossen Nervenfasern kleinere und kleinrte, 
aber bei b^finnender Sklerose bestand das Gesichtsfeld fast aus lauter Faser- 
querschnitten kleinsten Galibers (oonf. die Stelle e der Zeichnung), unter welchen 
die grossen Nervenfasern (einzeln oder gruppenweise) spärlich und zählbar ein- 
gestreut waren ~ ausgesprochene Vermehrung der kleinsten Nervenfosem und 
Verringerung der grossen. 

Das Garminpräparat lieferte in einem weiteren Stadium der Sklerose das 
bekannte Bild, wo innerhalb einer gleichmässig roth gefärbten Masse vereinzelte 
grosse Nervenfasern zu finden sind; die spärlichen Nervenfaserquerschnitte durch¬ 
brachen hier gewissermaassen siebförmig eine homogene Masse. Diese Nerven¬ 
fasern haben meist normales Aussehen, der Azencylinder ist gesättigt roth ge¬ 
färbt, die Markscheide ist aber farblos und ze%t ineinander geschichtete Rin^; 
einzelne dieser grossen Nervenfasern weisen Veränderungen auf, entweder findet 
man den Axenoylinder vei^fiössert, geschwollen, oder die Markscheide repräsentirt 
sich als zartro^ gefärbter Hof um den axialen Strang — die Markscheide ist 
färbbar geworden, von den ooncentriscben Ringen ist dann nichts zu merken. 
Die homogene Masse wird als verbreiterte Balken des Stützgewebes angesehen. 
Bei starker Vergröeserung (Zbiss Apocbromat 4,0 mm, Aperi 0,95, 160 Tuben¬ 
länge, Gompensationsoculm: Nr. 12 bei enger Blende) verliert sie das homogene 
Aussehen und rasch wechselnde Einstellung lässt darin (besonders am Rande 
der sklerotischen Herde) isolirte Punkte erkennen, die von einem licüiteren H(^e 
umgeben sind; sehr oft trifft man Stellen, wo diese Pünktchen deutlidi als 
Durchschnitte von feinen markhaltigen Fas^ erscheinen, ein anderesmal ist das 


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627 


Bild nioht so klar, am berüte auf dea ersten Blick unbestritten als eine An- 
häofong kleiner Nerren&seni erkannt zu werden.^ 

loh erwartete, dass WmGEBiyFAi^Präparate ein deutlicheres Bild geben 
werden, weil die kleinen Norenfasem innerhalb der „verbreiterten GliabaJlcen** 
als schwarze Kreise hervortreten mMen. Diese Erwartnng täuschte midi, denn 
die Marksdieide verliert durch die krankhaften Yo^iänge bei der multiplen 
Sklerose frühzeitig ihre Färbbarkeit durch Hämatoxjlin. Stellen der 
wcdssen Bückenmarkssubetanz, wo die grossen Nerveniasem noch dicht an ein- 
ander gelageit sind und kdnerlei Zwisohengewebe bemerkbar ist, enthalten neben 
den breiten, schwarz gefärbten Mjelinringen Markscheiden, deren äusserer oder 
innrer Umkreis durch einen meist unvoUständ^n, äusserst zarten, schwarzen 
Saum angedeutet war. Viele von den Markscheiden mit der zarten schwarzen 
Umsäumung hatten bei der Nachfärbung mit Alauncarmin eine schwache Both- 
färbung angenommen. Wurden Bückenmarksschnitte gleichen Ursprungs von 
vom heran mit Ammoniakcarmin behandelt, so nahmen jene Marsoheiden, die 
sich an WsicffiBivFräparaten (wie eben geschildert) mangelhaft geförbt hatten, 
in Carminpräparaten rottie Faibe an. Die Querschnitte der feinen Nervenfasern 
hoben sich im WBiGBBT>FAL-Präparate nicht durch entsprechende schwarze 
Ringlein hervor, vielmehr ssii man bei gelungener Nachfärbung das gleiche Bild 
wie bei der Behandlung mit Ammoniakcarmin: satt gefärbte Funkte von einem 
zartrothen Hofe umgeben. Die zahlreichen kleinsten Nervenfasern hatten ^so 
nicht die Eigenschaften der normalen Nervenfasern, vielmehr verhielten sie 
sich dem H^natoxylin gegenüber gleich jenen krankhaft veränderten grossen 
Nervenfasern.* 

Ich legte an solchen Stellen mit „verbreitertem Stützgerüste“ Läng8<dmitte 
an, färbte sie mit Ammoniakcarmin und zerzupfte sie. Dann fuid ich vereinzelt 
markhaltige (e) und marklose breite Axencylinder (a), im übrigen ein Filzwerk 
von allerfeinsten roth gefärbten Fäserchen, die kreuz und quer, aber übenviegend 
längs geordnet waren und am Rande wie an den Enden des Stückes buschig 
hervorquollen. Ich habe den Faserfilz durch das Zupfen gewissermaassen auf¬ 
gefasert, und man sah nun, dass in dem Stroma allerfeinster, glänzender Fäser¬ 
chen (Glia&sem) etwas breitere Fasern liegen (i), die matt gefärbt 
waren, sich steifer und gerade zeigten, während die zahlreichen um¬ 
gebenden faerausgezupfteu feinsten (Glia-) Fäserchen glanzen, geschwungen und 
wellig verlaufen. Ein^e Male fand ich ich diese breiteren, geraden und matt- 


* Sobald die Sklerose Tollstandig aoagebildet ist, fioden sich am Qaerscboitte wedw 
grosse, noch kleioe und kleinste Nervenfasern, da giebt es nur ein struppiges, uodeutliebes 
and vielfach durchbrochenes, rotbgeförbtes Geflecht mit eingestreuten rotben Kernen und 
sp&rlicben Spinnensellen; die L&cken im Fleoht- oder Netzwerk sehen so unregelmässig aus, 
dass man ihren Ursprung kaum auf den Schwund der runden NerveiifaserqiierBchnitte be* 
sieben würde. 

* In diesem Verhalten liegt zugleich ein Anhaltsponkt, dass es sich hierbei nicht bloss 
nm nngewühnlicbe Anhäufung normaler kleiner Nervenfasern handelt, wie ade stellenweise 
manchmal auch bei Gesunden zu finden ist. 

40* 


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628 


geförbten Fasern im Zusammenhänge mit grosscalibrigen Axencylindem; dodi 
getrane ich mich nicht zn behaupten, dass sie besimmt ?on den AxencylinderiL 
ausgegangen, an^wachsen sind und nicht etwa bloss au%elagert waren. Se 
sind schätzungsweise doppelt so dick als die wellig geschwungenen FMem, welche 
vollends den Bind^ewebsfasem gleichen; verglich ich sie mit den benachbarten 
isolirten, normal grossen Axencylindem, so erschienen mir letztere 4 bis 6 mal 
breiter. Diese Fasern lassen die Deutung zu, dass sie marklose feinste Aien* 
cylinder sind^; einerseits sehen wir auf den Querschnitten eine Vennehmng 

kleinster Nervenfasern, anderer¬ 
seits glichen sie den jui^ 
Nervenfasern, die man bei £e- 
generation des peripheren und 
centralen Nervensyätems beo¬ 
bachten kann. Solche Miniator- 
axencylinder fand ich um so 
zahlreicher, je vorgeschrittener 
die Sklerose war, am leichtesten 
waren sie in Stücken zn finden, 
die ausschli^lich aus dem com¬ 
pacten Deflechte von welligen 
Fasern zusammengesetzt 8chi^ 
nen, Tnan muss dem Rande des 
Präparates entlang nach ihnen 
suchen, sonst entgehen sie einem. 
Manche der herausragenden 
Fasern lassen sich bis in das 
Präparat hinein verfolgen, ich 
wäre niemals zur Ansicht dieser 
feinen Axencylinder gekommen, 
wenn ich die Längsschnitte 
nicht zerzupft hätte. Denn 
das Innere eines Längschnittes— 
_ mag er noch so dünn sein — 

OezQpiter LäogsBchnitt von vorgeBchrittoner Skleroae. TSoot beim Carminnränarate keine 
Bei e ist ein im Beginn der Sklerose befindlichea, 

qoerverlanfendes Faserbflndel getroffen. entsprechende Analyse ZU, so 

dicht ist das Deflecht von 
Fasern daselbst, und Details über Structur, Maschenwerk oder gar Faser- 
beschaffenheit kann man nicht wahmebmen. Man findet selbst in den aus¬ 
gebildetsten sklerotischen Partieen einzelne markhaltige oder marklose, normal 
grosse Nervenfasern, auch dünne markhaltige Nervenfasern neben zahlreichen 
nackten Axencylindem feinsten Calibers; sie alle sind in einem filzigen Gewebe 
eingebettet, 'welches dorch die Beschaffenheit seines Randes zeigt, dass es aus 

* Prof. Obsbs^neb, den ich um seio Urtheil bat, stimmte dieser Deutuog so, während 
dieselbe von anderer Seite nicht einwurfsfrei gefunden wurda 



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629 


geschwimgenen Gliafosern und unzähligen Kernen zusammengesetzt ist Wenn 
die Eeme freiliegen, erkannte man, dass einige von ihnen nackt, andere aber 
von einem zart gefärbten, unregelmässig gestalteten protoplasmatischen Zelleibe 
umgeben sind {d}; von den Zellen und Kernen gehen stets Büschel feiner Fasern 
ans, die sich von den benachbarten Gliafasern nicht unterscheiden. Die Faser- 
bäsobel sind kurz und enthalten nur einzelne lange Fasern. Es handelt sich 
um DBiTEBB’sche Zellen (Pinselzellen). Das Wesentliche der vorau^^angenen 
Ausführungen li^ darin, dass in dem sklerotischen Gewebe zwei Gat¬ 
tungen feiner Fasern Vorkommen. Ich habe diese in so vielen Präparaten 
gesehen, dass ich von jedem Zweifel frei geworden bin. 

Was für Deutungen ergeben sich aus dem Beobachteten? Man sieht in 
sklerotischen Partieen der Bückenmarksstränge eine beträchtliche Yermehrong 
der feinsten Kervenfasem. Sie können das Frodnct einer Degeneration oder 
Begeneration der Nervenfasern sein. Nun trifft man in den Herden Symptome 
der D^eneration an den Markscheiden, wodurch die Annahme einer De¬ 
generation der Azencylinder nahe liegt. Da ausserdem im B^inne der Sklerose 
sich eine Anzahl von Nervenfasern geschwellt zeigt, wäre auch die Quelle für 
eine Compression g^ben; die benachbarten Nerven müssen leiden und an 
ihrem Volumen einbüssen, bis sie die Gestalt dünner und dünnster Fasern an¬ 
nehmen. Diese Vorstellung ist logisch vollkommen b^ründet, tr^ aber nicht 
allen vorliegenden Umständen Bechnung: Zunächst wäre damit der Befund 
herdförmiger Sklerose^ schwer vereinbar, da der Druck sich über den Quer¬ 
schnitt des Bückenmarkes ausbreiten muss. Weiter erwartet man unter diesem 
Gesichtswinkel, dass von den grossen zu den kleinsten Nervenfasern Ueber- 
gänge bestehen, je nachdem eine Nervenfaser etwas gedrückt oder schon er¬ 
drückt ist; derartige Befunde vermisste ich. Drittens sieht man auf einem Areale, 
wo Baum für eine grosse markhaltige Nervenfaser wäre, oft 5—8 markhaltige 
Nervenfasern kleinsten Calibers*; so viele grosse Nervenfasern können nicht er¬ 
drückt worden sein, als feinste Faserquerschnitte sich voründen. Ausseidem ist 
die Schwellung der benachbarten Nervenfasern zu gering und von vermehrter 
Zwisohensubstanz — die etwa einen Druck ausüben könnte — ist in einem ge¬ 
wissen Stadium der Sklerose noch keine Spur zu entdecken. Die grosse Zahl 
der feinen Nervenfasern spricht zumeist da^, dass die letzteren neu gebildete 
und nicht verkleinerte Formen bereits vorhandener Nervenelemente sind. Bringt 
man diese Erwägung noch zu den Beobachtungen Stbosbb’s bei den Rücken- 
markswunden in Beziehung und vergleicht mit seinen Befanden die zarten, 
steifen Fasern in meinen gezupften Längsschnitten, so wird man in der Deu¬ 
tung (.^ bestärkt, es handle sich hier um junge nengebildete Axencylinder.^ Ob 

> Man findet in jedem Falle neben der diffiuen Skleroee auch eine herdförmige. Die 
Form der Herde ist ausgesprochen rundlich oder längsoral und der Rand hebt sich bei 
makroskopischer Betrachtung gewöhnlich scharf ab. 

* Bin solches Areal ist ron grossen Nervenfasern umgrenzt, so dass mau die Grössen* 
Verhältnisse unschwer vergleichen kann. 

‘ Nicht verschweigen darf ich eine Divergenz meiner Befunde mit der Darstellung von 
Stbosu; die jungen Axencylinder Hessen in den SraoBBB'schen Präparaten eine dünne 


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680 


die Zahl der feinen Aienoylinder mit der Ausbildung der Skl^ose ste^ za* 
nimmt oder ob die Regeneration in einem gewissen Stadium stehen bleibt^ konnte 
ich nicht feststellen, loh darf nur s^n, dass jene Fasern bei voi^eschrittener 
Sklerose am beeten zu finden sind. 

Dass die Gliabalken bei der Herdsklerose sich verbreitern, anfangs homogen 
aussehen und später aus feinsten Fibrillen zusammengesetzt scheinen, wurde 
von vielen Autoren ausgesprochen (so von Zeitkeb, Sohülb, Buohwald, Chvostbk, 
Chabcot, Letden, Erb, Feomahn, N. Weiss, Schultzb, Bibbert, StbOhpbia, 
Borst). Aber auch meine Befunde treten nicht unvorbereitet in den Kreös der 
Litteratur ein. Golbsohbibbr veröffentlichte 1896, dass er in «nem fWe 
frischer Berdskleroee zahlreiche verdünnte Nervenfasern antraf. Er hat 
vorzfigliohe Zeichnungen dazu gebracht (Figg. 2, 3 und 4 seiner Pnblicationen 
decken sich vielfa(ffi mit meinen Präparaten), worauf man normale und wr- 
gTösserte Azencylinder mH färbbarer (Carmin) Markscheide sieht; auch bebt er 
„die zahlreiehai verd^^ten Fbserungsquerschnitte^ welche alle Ueborguage bis 
zum kleinsten Axencyhnder aufweisen**, hervor. Er deutet die firnen Nerven* 
fasen als solche, welche die Schwellung — „Qneliungsprooess“ — bereots dnreb* 
gemacht und die Compreesicm überstanden haben; während andere Nervenfasern 
dabei zu Grunde gehen, sind diese gerettet worden — „wenn auch immerhin 
die M^lichkeit gelassen werden muss, dass einzelne neugebüdete unter fluMO 
sein könnten“. Mir erschänen gegen eine solche Auffassung zwm gewiebäge 
Bedenken (die ich bereits an fr^erer Stelle erwähnt habe): Noch Niemand 
vorher hat auf Rückenmarkequerschnitten Uebergänge von gesdiwoUeneo zu 
dm feinsten Nervenfasern beschrieben, weiter spricht die Menge der voilumdenen 
Faserqoerschnitte dag^en, dass es sich nur um zusammengedräckte, prä- 
ezistirende Nervenfasern handelt^ Prof. M. Popoff machte 2 Jahre v<uha auf 
Grund einer neuen Färbungsmethode die bedeutsame Mittheilung aus dem 
FLBOHBio’schen Laboratorium, dass die sogenannten BindegewebszOge zvris^en 
den Nervenfasern „nur Yeränderung^roducte der Nervenfasern selbst smd**; 
leider feUen seiner Publication Abbildungen. Neben „zerfallenden“ Markscheideu 
und Nervenfasern beschreibt er an einigen ^ledlen der Präpamte „eigeoUiüm* 
liehe, aus feinen, parallel geordneten Fasern bestehmde Bündel, welche kaum 
anders als regenerirte Axencylindm zu betrathten sind“; audi behauptet er, es 
finde bei der multiplen Sklerose gar keine Bindegewebswueherung, bezw. ObS' 
Wucherung statt, vielmehr verlieren die Gliazellen ihre Fortsätze nnd terfallm. 
Seine Beobachtung bezüglich der Neuroglia kann i<h nicht bestätigen; jeder 
Längsschnitt überzeugte mich, dass die verdickte Zwisobensubstanz ein Btroo» 

Markscheide erkenoen, dieselbe zeigt sich an Anilinblaa-Fraparateo als schmaler blaasblaner 
Saom, war „jedoch mit WsieBBT’scher Färbnog schwerer za erkenneiT. Jens Fasern in 
aeinen Znpfpräparaten, die ich als dhnne Azencjlinder aosah, hattai fest niemals doppelU 
Contoar; ich färbte entweder nach Wbiosbt-Pai. oder alt Ammoniakcarmin. 

> Andeotangen dieeer Besebreibong finden sich auch bei ÜNOsn. 

’ Es fiel mir anf, dass Bobst, der 1 Jahr daranf eine nmfangrmdie, vorzl^licb^ di« 
ganse Litteator einbeziehende Mon<^aphie Ober den G^nstand schrieb, diesen originellea 
Britrag GotnsoBnnan’s gar nicht berBeksiohtigt hat. 


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631 


feinster, gltozender, geschwnngener Fasern entb&lt, die durch kein Merkmal an 
markhaltige oder marklose Nerrenfosem erinnern. Die Faserhündel Popoff’s 
habe ich an meinen Präparaten nicht gesehen, das könnte darin seinen Grund 
haben, dass ich nur CÜmin- oder WBioEBT-PAL>Färbung angewendet habe, 
und andererseits meine Präparate auseinander zupfte; auf den Rückenmarks- 
qoerschnitten erwartete ich eine den PopoFF^schen Faserbnndeln entsprechende 
Federung, konnte aber eine solche Zusammenordnung kleinster Neirenfasem 
nicht anffinden. Popoff emchliesst die nervöse Natur jener zu Bändeln ge- 
ordneten feinsten Fasern, weil er an seinen Präparaten zuweilen markhalt^ 
Aienejtinder antraf, die sich an ihren Enden in 5—6 Fibrillen spalteten. 
Weiubbt widei^raoh der Ansidit Popoff*s auf Grund seiner Keuroglia^bung 
und h^ die Faserbfindel Ar Gliafasern. Mit der Färbung Popoff’s hat auch 
Lapinset im Laboratorium Oppsnheik’s gearbeitet; er legte an Stellen von 
Herden Längsschnitte an und sah darin feine Fäserchen in Längsrichtung, 
„einige von diesen hllEillra sahen etwas diokw aus“. Ich entndune dieser 
Bemerkung, dass er feine Axen< 7 linder inmitten des Gliafaserfilaes gesehen hat; 
eine Deutung dieser „etwas dickeren“ Fibrillen vermisste in seiner Aib^ 
Er behauptet gleich Popoff, dass die Zwischensubstanz bei der multiplen 
Sklerose gar nicht veiaiehrt sei, ferner dass die zahlreichen feinen Fasern aus 
einer faserigen Metamorphose dw Markscheiden bm(^hen. Ich fand den 
Contour der Markscdietden in meinen gezupften Längsschnitte nimnals glatt, 
sie waren stets faswig, und zwar sowohl bei normalem Bfiokenmarke, wie bei 
der multiplen SMerose; diese Aufiaserung der Markscheide kann darum nicht 
der Grund für den fibiBlären Anfban des verdickten Stötzgerfistes bei der mul¬ 
tiplen Sklerose sein. G^en die Behaoptungen Lapifskt’s kehrte 8i<^ bereits Bcrnsx. 

Da ich durch die Färbung nach WniosnT-PAii Veränderungen an den 
Marteoheiden und eine ungewöhnliche Fülle von kleinoalibrigen FaserqtiMSohnitten 
faa6, wo no<di keinerlei Wucherung der Glia constatirbar war, enthalten meine 
Befunde eine Bestätigung für die Meinung von Adaheibwioz, Kbawwb, Popoi7, 
Tatlob, Lapinset, 0. Hubsb, Redlich, dass Veränderungen an den Nerven- 
elementen das Primäre seien, indess die Vwänderungen im interstitieUen Gewebe 
nadifolgen.* 

In Bezug auf Gefassveränderongen brachten meine Präparate keinen wesent¬ 
lichen Beitrag. Ich fand in meinen 5 Fällen die grossen Gefasse gewöhnlich 
stark gefällt, ihr Lumen erw^eit und die Wandungei infiltiirt*; nur selten 
waren me UBveräBdert*, aber leere und zarte Capillaren traf ioh selbst inmitten 

^ Den entgegengesetzteQ Standpnokt vertreten Lbo, Claos, Zbwkbb, BuoHWALn, 
CnvoKUK sen., EnnijN, Cbaboot, Lbtdeii, Pützab, Ekb, Fbommaiw, Bohultzb, 
WBBDNia, ÜBTHOFP, BoflSOLDfO. 

* Wie es bereite von ItaimFLnieoH, Babbwikkb., Sohülb, Bvohwald , €hto6Tbk sen., 
Bxrlin, Potzab, Ebb, Westphal, Ganv, Sohültsb, Köfpbv, AnAmBwioE* Hnae, Bobs, 
Popopf, 0. Hobbb. GoLDecHBiDBB beeohrieben worden. 

• Fälle ohne Verändening der Gefiwee emd dvob Bcohwali), Jollt, Fboujunv, 
Tatii<s bekannt geworden; eolobe mit theilweise unveränderten Geßaeen von Rbdlioh 
und Bobst. 


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ausgebildeter Sklerose^, allerdings gab es auch innerhalb intacter Bückenmar^ 
partieen infiltrirte Gefässwandnngen der Gapülaren, Voroapillaren und selbst 
grösserer Arterien (Art. iuterfunicularis, Art. fissnrae, Art. corp. com. post). 
Die perivasculären Lymphscheiden waren mitunter erweitert, mit Pigment nnd 
Blutkörperchen gefüllt* Einen merkwürdigen Befund e^b ein Fall: ich be¬ 
obachtete am Querschnitte des Brustmarks iimerhall) eines Hinterstranges einen 
schmalen, streifenförmig entwickelten Herd, welcher der Länge nach von der 
Art interfunicularis durchzc^n wurde — die Sklerose hatte sich also entlang 
dem Arterienverlaufe entwickelt* Längsschnitte ergaben, dass dieser Herd der 
obere Pol einer sich nach aufwärts allmählich verschmälernden diffusen Sklerose 
ist Auf Grund dieser Eigebnisse getrane ich mir nicht, zur Frage über die Be¬ 
deutung der Gelasse bei der Entwickelung der Sklerose Stellung zu nehmen.* 


Nebst dem Zerfall nnd Tollständigem Schwunde, der blasigen Quellung 
und protoplasmatiscben Umwandlung der Markscheide sind an dem axialen 
Bande selbst vielfache Veränderungen wahrzunefamen. Man sieht einzelne Axen- 
cylinder (am besten bei den gezupften Längsschnitten der Garminpräparate) 
stellenweise angeschwoUen andere geknickt oder innerhalb der varicöeen Mark¬ 
scheide wie eine Wellenlinie verbogen.* Ich erwähnte schon bei der Schilderung 
eines Querschnittes von b^:innender Sklerose, wie die Zahl der grossen Nerven¬ 
fasern im Gesichtsfelde verringert und die Stelle der fehlenden von einer Fülle 
kleiner Nervenfasern eingenommen ist Noch deutlicher sieht man gelegent¬ 
lich an gezupften Stücken eines LängsschniUes, dass in den Reihen der parallelen 
und dicht neben einander laufenden, breiten, rothen Streifen (nackte Axen< 7 linder) 
Lücken vorhanden sind. Es ist also festgestellt, dass einzelne Aiencylinder 
schon im Anfuige der multiplen Sklerose verschwinden*; darin sehe idi die 
Bedingungen für das Intentionszittem. Da das Zittern bei der multiplen Sklerose 
an den Innervationsact geknüpft ist, muss eine Störung desselben vorliegen; die 
Störung kann durch den Ausfall einzelner Fasern der psychomotorischen Bahnen 
g^eben sein. Bbücee hat auf Grund von Thierezperimenten und Beobach¬ 
tungen am Menschen darüber Au&chlüsse gebracht, dass der Muskel bei will¬ 
kürlichen Bew^^ungen nicht in allen seinen Thälen gleichmässig innervirt wird, 


* De^leiehen tob Hbsb. 

* Warden saoh tob Chaboot and Bobst benohrieben. 

* Dieser Befand entspricht einer (allerdings geneialUirenden) Behaaptang Gbbib’s dass 
man die Sklerose nar an solchen Stellen antriÄ, wo normaler Weise grössere Gefasse aaf> 
treten. 

* 0. Hobbb kam über die Inoongraens der OefassTeränderangen dnrch die Annahme 
hinweg, dass die Erkrankang der Gefäese rQckbildangsfahig sei 

' Vor mir haben schon Ebobssbb, Sohülb, Erb, FsoiauKir, Wbisb, Sohultbb. 
Köppxn, Cbakbb, Hbss, Uhthoff, Popoff dies beobachtet. 

* Äehnliche Beechreibongen finden sich bei Adaxubwioe, Pofoff. 

^ Aehnlieb sprechen sich aaoh IjBtdbv und Goldbohbidbb ans; Befände TÖUigen 
Unterganges haben nnter vielseitigem Widerspruche Ledbb, Jolbt, Kblp, Chtostbk aeo.. 
Ribbbbt, StbOmpell, Fbibdhabm, Opfbmbui, WBBDRie, Bobst bebaaptet 


D g ii/od oy GOO^ IC 


633 


sondern dass die einzelnen Faswn derselben zmn Zwecke einer Bewegung in 
rascher Aofeinanderfolge — aber zu verschiedenen Zeiten — sieb contrahiren 
(Entladongen nach Art eines Pelotonfeuers^). Nehmen wir an, dass in einem 
bestimmten Momente beispielsweise ein Viertel des Muskelquerschnittes zur 
Contraction kommen sollte, im nächsten Momente ein anderes Viertel. Nun 
bleibt in dem Viertel, das sich eben verkörzen soll, eine Anmhl yon Fasoikeln 
w^n des Ausfalles einzelner Leitungsbahnen ohne Impuls, so dass die £raR; 
des sich zusammenziehenden Muskels schwächer werden muss. Das hat zur 
Folge, dass die Componenten für diese Bew^ng vorübergehend aus dem 
Gleichgewichte kommen, dass die Bew^ng dadurch die Gleichmäsaigkeit und 
Ihmdung verliert, dass sie ruckweise und unterbrochen au^führt wird — also 
das Bild des Intentionszitterns entsteht Durch Störung der Contraction inner* 
halb der einzelnen Muskeln erkläre ich mir das Intentionszittem, während 
Ataxie erst durch Alteration der Muskel^e^een, des geordneten Zusammen¬ 
wirkens mehrerer Muskeln oder Muske^mppen erzeugt wird. Die Ursache für 
die letztere suche ich auf Grund von Untersuchungen ZüCKKEKAimL und Ebben’s 
in Herden oberhalb des Bückenmarks. Im Gegensätze zu Stbümi’Bll, Bbuns, 
0. Hübbb halte ich den B^^iff des Intentionszittems und der Ataxie auseinander 

Chabcot* war der Erste, welcher die Beobachtung mittheilte, dass die 
isolirten Axencjlinder sich mit neuen Markscheiden’ umgeben können, dass die 
Möglichkeit einer Bestitutio ad integrum gegeben sei; Chaboot verwendete seine 
Beobachtung, um sich den Ausfall der secundären Degeneration^ trotz der 
Zerstörung von Axencylindem zn erklären. 8 Jahre darauf hat Popoff die 
Begeneration der Axencjlinder behauptet Nun komme ich mit meinen Bildern, 
die wegen der anffallend zahlreichen kleinen Nervenfasern aa eine Neubildung 
von Axencylindem denken lassen. Eine solche Neubildung scheint mir besonders 
geeignet, das anatomische Substrat für die klinische Thatsache abzugeben, dass 
sich im Verlaufe der multiplen Sklerose ausgefallene Functionen wieder her- 
stellen. Remissionen’ werden fast in jedem Falle beobachtet, sie betreffen nicht 
allein die sensiblen Symptome, sondern auch Lähmungen der Blase und Mast- 
dannstönmgen; selbst bedeutende Herabsetzung der Sehschärfe kann sich zurück- 
bilden. 


Benutste Litteratni: 

Adaickibwioz, Ueber mult Sklerose. Berliner klin. Wocbenschr. 1886. S. 892. — 
Derselbe, Die degeoer. Erkrankungen d. BQckenmarka. 1888. Stuttgart — BlawunuL, 

’ Bis auf J. ▼. Eaxs (Zar Eenntnisa der willkärliohen Moskeltbätigkeit, du Bois-Rbt- 
aoin’e Areh. 1866. Snppl. S. 1) wird diese Äoffassang Qberall acoeptirt 

* Gaz. des höpit. 1886. 

* Bestätignngen seines Befundes kamen von Mabib, andere sind bisher aasgeblieben. 

* Seenndare Degeneration wurde bisher nur von wenigen Autoren beobaehtet: Wbst- 
PBAn, Güduxh, Gbbiv, Sohultzb, StbÜhpbll, Webdhio, Uuthovp, Buss, Lapihsky, 
Bokst. 

* Dieseses Thema wurde zuletzt von C. S. FftBUim monograpbisoh bearbeitet. 


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634 


2ur liebre ▼on d. Herdsklerose xl s. w. Areb. d. Hdlk. >869. S. B90. — Bbldi» Beibr. 
sor Lehre t. d. malt. Hirn* n. BttokeamarkssUeroee. Deatscbes Areb. f. klin. Med. 1814. 
6d.XlV. S. 1S8. — BbCoeb, Heber willkbrlicbe und krempfbafte Bew^ag. Sitsongsber. 
d. d. Wissensoh. 1871. Bd. LXXVl. — Bbitns, Zur PatboL d. malt Sklerose. Ber¬ 

liner klio. Wocbenscbr. 1888. — Boohwald, üeber malt Sklerose d. Gehirns o. BGek. 
Deatsches Areb. f. klin. Med. 1872. Bd. X. S. 487. — Bass, Beitr. sor Aetiol. a. PatboL 
d. malt. Sklerose. Deatsches Aroh. f. klin. Med. 1889. S. 559. — Chaxoot, Klin. Yptit. 
öber Erankh. d. Nerrensystems. 1874. Dentseb ron Fbtzbb. Cbtostbe sea., Zor Keaat* 
Biss d. Herdsklerose a. s. w Wiener med. Presse. 1874. Nr. 5—29. — Derselbe» Beitr. 
zor berdweisen Sklerose n. s. w. Wiener med. Fresse. 1873. Nr. 47—50. — Claob» Eia 
Beitrag zor Casaistik der Cerebrospinalsklerose. Zeitsebr. f. Psych. 1879. Bd. LUL 
S. 335. — Cbambb» Beginnende malt. Sklerose a. acate Myelitis. Arob. f. PsycL 1888. 
Bd. XIX, S. 667. — Eibstbin, Sprach- n. CoordinatioDsstörang o. s. w. Dentsebea Areb. f. 
klin. Med. 1872. Bd. IX. S. 528. — Derselbe, Soler. malt. spin. et oUong. etc. Deotacbes 
Aiob. f. klin. Med. 1873. Bd. X. S. 595. ^ Enbbsskb, Beitrag zor Casaistik der nralt 
Sklerose o. s. w. Deatsches Areb. f. klin. Med. 1876. Bd. XVII. S. 556. — Ebb, Ziemsaen's 
Handb. 1878. Bd. XL 2. S. 487. — C. S. Fbbund, üeber d. Vorkommen Ton Seo8ibilitäti> 
BtSrnng bei d. malt Sklerose. Areb. f. Psych. Bd. XXII. 8. 817. — Pb3D1iabk, Kn Pall 
Ton Ependymwacherang a. s. w. Aroh. f. Psych. 1885. Bd. XVI. 8.698. — Derselbe, 
Einiges über Degenerationsprocesse a. s. w. Nearolog. Centralbl. 1887. Nr. 4 o. 5- — 
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Derselbe, Untersaeh. Aber d. GewebsverSnderangen bei d. malt Sklerose. 1878. Jena. — 
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Deatsches Arch. f. klm. Med. 1868. Bd. IV. S. 151. - Lbübb, üeber malt inselßta. 
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Sklerose. Berliner klin. Wocbenscbr. 1887. Nr. 48. — Opphkhbim, Weitere Notizen zor 
PatboL d. diesem. Sklerose. ChariW-Annal. 1888. — Prof, M. Popofp, Znr HntoL d. dnaem. 
Sklerose d. Gehirns n. s. w. Nenrolog. Centralbl. 1894. S. 221. — Potzab, Pall tob malt 
Sklerose n. s. w. Dentsebea Arch. f. klin. Hed. 1877. Bd. XIX. S. 217. — Bkdlice, Zur 
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Virohow^B Arch. 1892. Bd. XC. S. 248. — Bitopleiboh, HistoL Details zu der graoen 
Degener. n. s. w. Vircho'w’s Areb. 1863. Bd. XXVL S. 474. — G. Bos 80 S»nio, Zor Frage 
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Beitrag zur Eenntniss n, s. w. Deutsches Arch. f. klin. Med. 1877. Bd. XX. 8. 271. — 
Dersdbe, Weitere Beiträge zur Hirn- u. Bftekemnarksskleroee. Deutsches Arch. f. klin. Med. 
1871. Bd. Vm. 8. 228 n. 1870. Bd. VII. S. 259. — Schul»«, Üeber die BeMebmigOT 
der malt Sklerose u. s. w. Arch, f. Psych. 1881. Bd. XI. S. 216. — DerseB>e, üeber das 
Verhalten der Arencyünder bei der malt Sklerose. Neurol«^. CentralU. 1884. 8.195. —* 
SnoBBB, Experiment, üntersoidi. ttber die degen. u. reparatw. Vorgfaige o. s. w. KeglePs 
B«tr. 1894^ Bd. XV. S. 388. — Stbümpill, üeber diffose Hirnsklerose a. a. w. Aroh. 
f. Psych. 1879. Bd. IX. S. 268. - Derselbe, Beitr. znr PatboL n. s. w. Arch. t Pajoh. 
1880. Bd. X. S. 676. — Denrtbe, Aroh. f. Psyoh. 1886, Bd. XVII. S. 217. — Tavi,«, 


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635 


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S. 1. — L. Urobb, üriwr aiiilt. iDBätfSrm. Sklerose a.«. w. 189T. Wien. 8. 88. — Hbveorb, 
üeber die bei der malt Sklerose Torkommende Amblyopie. Berlioer klin. Wocheneohr. 1889. 
S. 83. — Derselbe, Untereooh. über die Aageaatfiraogen bei malt. Sklerose. Arob. f. Peych. 
1990. — WBI8BBT, Beitr. sor KeDntnise der Dormalen meneohL Neoroglia. 1895. — Natbak 
Wiiae, üeber die Hntiogenesie der Hinterstraogssklerose. Sitsangeber. d. Akad. d. Wias. 
1879. S. 253. — WBBBitio, Medio. Jshrb. d. Ges. d. Aerzte. 1888. S. 3S6. — WesIpbal, 
üeber straagfbrviige Degen, o. s. w. Arcb. f. Psyoh. 1879. Bd. IK. 8. 889. — Zbmkbb, 
So Beitr. sor Sklerose d. Gehirns n. Bttckenm. Zeitsohr. f. rat Hed. 1865. Bd. XXIV. 
6.228. — Dere^be, Zar Lehre ron der inaelfSrm. Hirnsklerose. Dentsohes Arch. f. klin. 
Med. 1871. Bd. YIU. 8.126. — Zuokbbkarol n. Ebbsr, Zar Physiologie d. willkttrlichen 
Bewegongon (aaf GTaDdLT.Unter 80 oh.BmLebendeo}. Wiener klin. Woohensebr. 1898. Nr. 1. 


[Aas der medicin. Klinik (Prof. Ens) und dem patbolog. Institat (Prof. J. .Abnold) 

zu Heidelberg.] 

2. Mnskelatrophie bei multipler Sklerose.^ 

Von Prir.-Doc. Dr. L. Brauer. 

Durch die grosse Reibe der Arbeiten Aber multiple Sklerose zieht sich wie 
ein rother Paden die Angabe, dass das klinische Bild dieser Erkrankung in den 
aller Terschiedenartigsten Formen sich ze%en kann. Schon Chasgot and seine 
Mitarbeiter haben mit Nachdruck darauf hii^ewiesen. Mehrere der Cardinal- 
symptome können fehlen, es können sich die einzelnen Störungen in den ver- 
sebiedensten Spielarten nnd Combinationen zeigen. In den Anfongsstadien der 
Erkrankung aber fehlen eiuzelne Symptome, soweit man bisher das Kraukheits- 
büd übersehen kann, fast stets; besondem sind hier Muskelatarophieen zn nennen, 
eine XhatBaohe, die um so aufföUiger ist, als Störungen der Motilität im All* 
gemönen das Krankheitsbxld in allen seinen Stadien m beherrschen pflegen. 

Ln Nachfolgenden sei daher kurz über eine multiple Sclerose berichtet, 
welche 23 Jahre auf der Heidelberger Khnik in Beobachtung war und gerade 
deswegen der richtigen klinischen Beurtheilung die grössten Schwierigkeiten 
entgegensteUte, weil neben dem völligen Mangel des für multiple Sklerose 
pathognestischen Symptomenoom^exes eine frühzeitige und später sehr 
hochgradige Muskelatrophie an den Händen und Armen im Vordergründe 
der Erscheinungen stand. 

Bei der zuvor stets gesunden 23j&brigen Katharina Frank entwickelte sich im 
Jahre 1871 unter geringfl^igen Parftsthesieen in 7 Wochen eine ansgesprocheoe 
Atrophie der kleinen Handmaskeln. Dabei bestand Schwäche der Vorder- 
ttd OberanM^ an denen die Moskeln normal ernährt waren. Die Erscheinnagen 
waren r.~7h» 6ie hatten auch in den atrophirten Maskeln keine ccm^lete Paralyse 
mtetehen lassen. Die Sensibilität, die Beine and Sphincteren waren vöUig 


* Nach einem Vorträge, gehalten aaf der WanderrerBammhiog sQdwestdeatBober 
Nearo!<^en and Irrenärzte zu Baden>Baden 1898. 


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636 


normal. Als Nebcnbefund ergab sieb Mitralinsufficienz und chronische Bronchitis. 
Die Fat. war sehr deprimirt und gab als mögliche Ursache ihrer Elrkrankong 
schwere ermfidende Landarbeit an. 

Als Diagnose wurde progressive spinale Muskelatrophie angenommen 
und eine galvanische Behandlung eingeleitet, die im Verlauf von 6 Monaten von fast 
completer Wiederherstellung der Huskelfunctiun und Muskelemährung begleitet 
wurde. 

Nach V 4 >lahr kam Fat. jedoch wieder zur Aufnahme; es war mit einer ementen 
leichten Verschlimmerung an den H&nden jetzt zu einer Schwäche und Steifig¬ 
keit der Beine gekommen. Auch an diesen war die Affection rechts stärker 
als links. 

Die nächsten Jahre liessen die Symptome bald schwächer, bald wieder stärktf 
auftreten; es wurde allmählich immer mehr die linke Seite von den Störungen be¬ 
troffen. 

Im Jahre 1875 befanden sich bei der kräftig gehanten und gut ernährten 
Fat die Unterextremitäten in spastischer Farese mässigen Grades; sie 
zeigten keine Atrophieen und nur subjective Sensibilitätsstömngen. 

Die Bauchmuskeln und Sphincteren functionirten normal. 

Die oberen Extremitäten waren geschwächt, zu feinerer Arbeit ungeschickt, 
ermOdeten leicht, zeigten Farästhesieen, schwach entwickelte Sehnenreflexe und jetzt 
keine Atrophie, und zwar auch nicht an den kleinen Handmuskeln; diese waren 
zwar nicht sehr mächt^, aber nicht atrophisch. Coordinationsstörnngen und 
elektrische Veränderungen fehlten. Die Gehirnnerven functionirten alle ganz 
normal. 

Die Fat klagte nur Aber Schwindelgeföhl. Sie kam 1876 nngeheilt zur Ent¬ 
lassung. Eine sichere Diagnose wurde nicht gestellt; man dachte an die inzwischen 
von Chabcot genauer beschriebene amyotrophische Lateralsklerose, auch an 
chronische Myelitis. 

Im April 1882 trat die Fat. dann von neuem in die Klinik und verblieb jetzt 
dort bis zu ihrem 1894 erfolgten Tode. Es war ihr allmählich unmöglich geworden 
zu gehen, dann auch zu stehen, der linke Arm war fast ganz gebranchsunföhig, sie 
hatte aller Art Farästhesieen, leichte Sehschwäche, mässige Blasenstörongen und 
auch znnehmende Herzbeschwerden. In den Beinen war es bei relativ gut erhaltenem 
Muskelvolumen zu fast completer Farese gekommen, die ihren spastischen Charakter 
aber auch jetzt noch erkennen Hess. Die oberen Extremitäten waren wieder sehr 
geschwächt, zeigten sehr ausgeprägte Atrophie in den kleinen Handmuskeln und 
zwar jetzt links > rechts. 

Die Erkrankung zeigte sich anch in der klinischen Behandlung progressiv. Fat 
bekam weitere Abnahme des Sehvermögens, leichte Gesicbtsfeldeinengung und fiberaus 
heftige Farästhesieen in Gestalt von Brennen. Psychische Erregung lieea die 
Gesichtsmusknlatur in heftige Zuckungen gerathen; im Qbrigen fehlen sobjective oder 
objective Störungen an den Gebimnerven. 

An den oberen Extremitäten, die hier besonders interessiren, bestanden in den 
letzten Jahren gelegentlich Zuckungen, leichte Hypalgesie, wechselnde, sehr heftige 
Farästhesieen, An umschriebener Partie des rechten Vorderarmes wurde 
mehrfach stärkeres Schwitzen beobachtet. 

Die Schulter und Oberarmmuskeln waren mässig geschwächt, zeigten zum Theil 
geringe Spannungen, aber keine Atrophie; diese trat schon deutlicher an den Vo^de^ 
armen zu Tage und war am stärksten ausgepr^ in den kleinen Handmuskeln. 
Dieselben waren schlaff, stark atrophirt, aber nicht völlig geschwunden, 
daher z. B. auch Fii^^erspreitzen, sowie Opposition des Daumens auf der rechten 
Seite noch mit geringer Kraft möglich. Der Schluss der rechten Hand zur Paust 
geschah in leicht tonischer Weise. Links war es zu weit stärkerem Muskelschwunds 


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637 


gekommen; es bestand ausgesprochene Erallenhand, die nicht villkfirlieh, sondern 
nur passiv zu lösen war. 

Die Sehnenreflexe an den oberen Extremitäten, die vor Jahren stark herab¬ 
gesetzt waren, erschienen jetzt rechts normal, links sogar gesteuert 

Die Huskelerregbarkeit war herabgesetzt, es bestanden zeitweise fibrilläre 
Zacknngen, keine gröberen Sensibilitätsstörungen. 

Auch an den Unteracfaenkeln tixt allmählich bei harter Consistenz der Muskeln 
eine mässige Atrophie zu Tage. 

Dieses Bild wurde vorfibeigehend noch einmal durch die Erscheinungen einer 
flfichtigen Bulbärparalyse unterbrochen. 

Es hatte sich 1890 nach einer Influenzainfection eine Schlucklähmnng und 
leichte Facialisparese herau^ebildet, doch ging dieselbe unter Strychnininjectionen 
bald wieder zurftck. 

Zunehmende Herzschwäche brachte den Tod. 

Die Diagnose war bis zum Schlüsse offen geblieben; man hatte zuletzt speciell 
auch wegen der überaus heftigen Farästhesieen an Syringomyelie gedacht und 
daneben an eine complicirende Hysterie. 

Die Section ergab den überraschenden Befund einer multiplen Sklerose 
des Oehirns und des Bückenmarks. Die Yorderhömer erschienen in der 
Cervicalanschwellung geschrumpft, die graue Substanz machte im ganzen einen ver¬ 
änderten Eindmck. 

Zur mikroskopischen Untersuchung wurden mir das Centralnerven¬ 
system, mehrere Spinalganglien, zahlreiche periphere Nervenstückchen, 
sowie Muskeln, in Müller’scher Flüssigkeit conservirt, überliefert Ge&rbt wurde 
nach Weigert, van Qieson und mit Hämatoxylin. In allen Abschnitten des 
Centralnervensystems fanden sich in launenhafter Vertheilung die typischen, vielfach 
beschriebenen sklerotischen Herde. Im oberen und mittleren Halsmark waren 
dieselben besonders stark auch ln der grauen Substanz entwickelt 
Bringt man die Herde ans den verschiedenen Höhen zur Deckung, so erscheint un¬ 
zweifelhaft der gesammte Bückenmarksquerschnitt betroffen; dennoch findet sich 
keine Spur von secundärer Degeneration. 

Anffallenderweise traten die Sklerosen gerade in den untersten Abschnitten 
des Halsmarks, wo wir sie nach den starken Dystrophieen an den kleinen Hand- 
mnskeln vor allem erwarten mussten, sehr zurück. Im oberen Abschnitte des 
7. Cervicals^ments ist nur noch eine geringfügige, fast symmetrische Läsion im 
Bereiche der Yorderseitenstränge zu finden. Die graue Substanz ist nur noch in 
der äusseren Partie des sich hier herausbildenden Seitenhoms mit in den Herd 
hineingezogen. Im 8. Cervicalsegment erscheint dann nur noch diese linke Seiten- 
homspitze als ganz kleiner Herd erkrankt (links waren auch klinisch die stärkeren 
Erscheinungen). Das 1. Dorsalsegment ist intact Nach abwärts findet sich noch 
im 6. Dorsalsegmente und dann im Lenden- und Sacralmark Sklerose. 

Ueber die Yorderhornzellen geben unsere cbromsalzgehärteten Präparate ja 
keinen sicheren Aufschluss. Eine grosse Zahl der Zellen lässt jedenfalls nichts Ab¬ 
normes erkennen. Ferner finden sich zahlreiche Zellen, deren Kern unregelmässig 
geschrumpft und dunkler ge&rbt erscheint; wir haben hier wohl den aus den Nissl'- 
sehen Bildern bekannten Zustand der Chromophilie vor uns, somit wahrscheinlich 
eine Zellverändernng durch Beagenswirkung. Daneben findet sich aber auch eine 
nicht unbeträchtliche Anzahl von Zellen in stark geschrumpftem Zustande 
mit undeutlichem oder fehlendem Kerne; diese Zellen sind mit ziemlicher 
Sicherheit als abgestorben anzuspreebeu. Auffallend stark ist die Pigmentanhäufung 
in den meisten Forderbomzellen: es Überschreitet dieser Befund selbst das Maass 
dessen, was man bei Greisen zu sehen bekommt. Eine Prädilection dieser an den 


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6 d8 


Zdlen SD erhebenden Blonde für die mehr odm* weniger ^erotiechen PerUeeo dw 
graoen Substans konnte ich nicht nachweisen. 

Verdickong der öef&sewande nnd hyaline Degeneration derselben 
findet sieh Tiel&eh, nnd zwar beaonders, wenn auch nicht ansechlieaslich in den 
sklerotiflchen Herden. 

Die extramednllären Wurzeln, die Canda eqnioa, sowie die Spinal* 
ganglien mit den ein* nnd aoastrahlenden NerTenbftndeln ze^^en gleich wie die 
peripheren Ner?en einen geringen Faserausfall. 

In den peripheren Nerven sind zwar in DegMeration b^iffene Markscheiden 
nicht nachzQweisen, vielfach aber findet man die einz^en Faeem dnrch Binde* 
gewebeanh&nfnngen soweit anseinandergedrftngt, dass man bereebtigt ist, hieraus anf 
den Schwund von Nervenfasern zu sohliessra. Es ist dieser Befand nicht nnr 
in den Nervenstämmen der Arme zu erheben, sondern anch an den feinen Mn^el* 
ästchen. An diesen im Weigert*Bilde sehr hübsch nnd dentUch ge&rbten Nerven* 
ftstchen finden sich mehrfach derar^e Stellen, die auf den Schwund einzelner Nerven* 
fasern scbliessen lassen. 

Die in ihrem Volumen stark redncirten kleinen Handmnskeln boten mikro* 
skopiseh in ansgeprfigter Weise stets nnr das Bild einfacher, nicht degenerativer 
Atrophie. Die Muskelfasern sind ziemlich beträchtlich verschmälert, zeigen nnr 
hier nnd da mässige Kemvermebrnng, überall normale Qnerstreifnng bei nur spärlicher 
Biodegewebsvermehmng. 

Ei aof der Hand, dass man nicht za dsr Diagnose einer nuütiplen 
Sklerose neigen wird bei einem Krankheitsbilde, bei welchem Intentions* 
tremor, Nystagmus, sowie Sprachstörungen völlig fehlten und 
bei welchem die spastische Parese der Beine erst viel später einer 
primär beiderseits die Arme und besonders die kleinen Handmuskeln 
befallenden unoomplioirten M.uskelatrophie folgte. 

Am ehesten hätte noch der mehrfache Wechsel in der IntensitU dar Er¬ 
scheinungen und die sprungartige Fortentwickelung des Leidens anf die richtige 
Diagnose hinleiten können; vielleicht auch die anfängliche Depression. 

Die flüchtigen bnlbären Symptome passten natürlich ebensowohl in den 
Bahmen anderer Diagnosen. Ein Gleiches gilt von den quälenden Parästhesieen; 
hier hätte vielleicht nur der Contrast zu den a nfällig geringen objectiren Gefühla- 
stömngen anf die Diagnose hinweisen können. 

Ueberbhcken wir die Litteratur, so zeigt sich, dass unserem Erankheits* 
bilde nicht das Auftreten von Muskelatrophieen an sich den Stempel der Eigen¬ 
artigkeit aufdrückt Muskelatrophieen bei multipler Sklerose sind ein nicht allzu 
seltener Nebenbefund. Sie trefien, wenn vorhanden, zumeist auch die kleinen 
Handmnskeln oder das Peronensgebiet. Schon Chabcot* erwähnt derartige Fälle, 
die in der Localisation und der Art des Auftretens der Mnskelatrophie durchaas 
der progressiven Mnskelatrophie analog waren. Er fügt dem aber hinzu, and 
lässt dieses auch in einer die Fälle genau beschreibenden Dissertation* sagen, 
dass diese Atrophieen, die erst später sich dem Krankheitsbilde untermischten, 
doch Ul begldtenden klinischen Symptomen als zur malUplen Sklerose gehörig 

* Le^DB anr les mzladie« du syatöme □mvenz. S. 168. 

* Timal, £tnd« Bor quelques oomplicatioDB de U scldrose eo plaqnes dusäoeiDte. 
Tfa^ de Pmü. 1878. 


Dig'V^ocI oy Google 



630 


za erkdnneii waren. Weiterhin werden Muskelatrophieen erwähnt in den von 
JoLLT^, Ebstein ^ Lbube’, SchüIiB^ ßnoBWAiiD^ Orro^ Emgbsseb^ Dbje- 
BiNB^ and endlich t. PtTBss^ beschriebenen Fällen. Der Fall y. Pit&bs ist 
von allen diesen insofern noch der prägnanteste, als hier die Muskelatrophieen 
relativ stark herrortraten. Aber aach hier setzten dieselben erst im zweiten 
Eiankheitej^u» ein and waren von deatliohen Sklerose^mptomen bereitet 

ln dem ans vorli^enden Falle copirte die multiple Sklerose im Be^^nne 
völlig die progressive Muskelatiophie und später in hohem Maasse die sog. 
amjrotrophische Lateralsklerose. Erst im weiteren Verlaufe traten änzelne 
Momente hinzo, die eventuell auf die richtige Diagnose hätten hinweisen können. 
Auf diesen Beginn mit unoomplicirter Muskelatrophie möchte ich 
daher in dem beschriebenen Falle den Nachdruck legen, viel 
weniger auf den späteren starken Ausbau dieses die Scene er¬ 
öffnenden Sjmptomes. 

Die gefundenen d^enerativen Verändenmgen im Nerven^tem stimmen 
recht gut zu den intra vitam beobachteten Functionsstörungen. Zwar sind es 
nicht die gröberen sklerosiiten Herde, welche für die vorhandenen Atrophieen 
verantworUich zu machen sind. Es erschienen vielmehr diejenigen Bückenmarks- 
qoersdinitte, in welchen die trophiscben Centren für die kleinen Handmuskeln 
zu soeben sind, relativ gut erhalten, sie zeigen aber doch neben Zollverände- 
rongen kleinere Herde. Es mag die räumliche Beschränktheit dieser Verände- 
mögen, auf welche wohl die aufänglichen Störungen zurüokzuführen sind, die 
Ursache dafür gewesen sein, dass nicht gleich von Beginn spastische Parese an 
den Unterextremitäten auftrat 

Der Umstand, dass sich neben abgestorbenen Zellen eine grosse Zahl sehr 
wahrscheinlich g^nder Zellen fand, mi^ die Erklärung dafür abgeben, dass 
an den peripheren Nerven nur so relativ geringe Verändernngen sich zeigten, 
dass auch die stärker atrophirten Muskeln nicht völlig degenerirten und fast 
alle noch einer gewissen Willkörbew^ng fähig waren. 

Periphere Nerven sind bei der multiplen Sklerose bisher noch nicht oft 
aotersucht worden, und wenn untersucht, dann intact gefunden, z. B. von 
Bartsch. ln diesem Falle hatten aber auch keine Muskelatrophieen bestanden. 

Wenn in unserem Falle frischere oder überhaupt sichere, einen Nerven¬ 
zerfall beweisende Beftmde nicht zu erheben waren, so darf dieses nicht Wunder 


' Arch. f. Payob. ßd. III. S.711. 

’ Deutsches Arcb. f. kliu. Hed. 1872. Bd. IX. S. 528 and Bd. X. S. 595. 

* Ebenda. 1870. Bd. VUI. S. 1. 

« Ebenda. 1870. Bd. VII a. VIII. 

^ Ebenda. Bd. X. S. 478. 

* Ebenda. Bd. X. S. 5S1. 

* Ebenda. Bd. XVII. 8. 556. 

* Revue de nidd. 1884. S. 193. 

* Revue menauelle. 1877. Nr. 12. 

üeber einen Fall von herdweiaer Sklerose des Centralnerveosystems. Dissertation, 
ist}. Heidelbe^. 


Dig :i^cd cy Google 



640 


Dirnen. Es sind längst abgelaufene, vieUeicht 23 Jahre alte VeranderongeD, 
die sich unserer Untersuchung darbieten; da ist längst alles Zer£allsmatenal 
geschwunden und nur noch geringe secundäre, Tielleicht schon stark wieder 
zuruc^ebildete Stützgewebsveränderungen oder unscheinbare Lücken Terratbeu, 
dass dereinst sich dort ein krankhafter Process abspielte. Dass sich im pen> 
pberen Nerven ni(üit etwa Processe abspielen können, die der inselförmigeQ 
Sklerosirung des Centralnervensystems panülel zu setzen wären, ist bei dem 
Mangel einer Glia an sich schon sehr wahrscheinlich (Reduob). 

Es möge der Hinweis die Mittbeilung beschliessen, dass in dem besprocüienmi 
Falle, der so vielerlei Abweichendes und Irr^uläres darbot, sich endlich audi 
noch eine umschriebene Aenderuug in der Schweisssecretion &nd; es 
ist dieses Yorkommniss bei der in Rede stehenden Erkrankung bisher nodi 
nicht beschrieben worden. 


3. Zur Färbung der Ganglienzellen.* 

Von Dr. Friedrich liuithleu in Wien 

und 

Dr. Josef Sorgo, 

Hospitant an der Hl. medicinischon Klinik in Wien. 

Nissl’s Ganglienzellenlarbung bat leider Härtungsmethoden zur Voraus¬ 
setzung, welche für andere ebenso wichtige Untersucbuugsmethoden des Central- 
nervensystems nicht angewendet werden dürfen. Nach Aikoholhärtung geht 
die Structur des Markes so vollständig verloren, dass weder eine Markscbeiden- 
farhung, noch eine gute Bindegewebsfarbung mehr m^lich ist. Bei Hmiung 
in Formol kann eine länger dauernde Cbromirung der Schnitte bei Bmtofen- 
temperatur zwar die Markscheiden färbbar machen, aber die Nachtheile der 
Formolhärtnng hinsichtlich der MABcm’schen D^enerationsfärbung, welche an 
so behandelten Präparaten viel schwerer und meist gar nicht gelingt, hebt d^ 
weiteren Vortheil derselben wieder auf, dass sie die Anwendung von Niraii’s 
Zellförbung gestattet. Auch MüiiLEB-Formolhärtung, welche sehr schön die 
Granulationen darstellen lasst, ist für die MASOHi’sche Methode kein ganz ge¬ 
eignetes Härtuügsmittel. 

Es ist ferner wohl kaum nöthig hervoizubehen, dass man durch Einlegen 
verschiedener Theile des Nervensystems in verschiedene Härtuugs&üsaigkeiteD 
oft nur unvollkommen zum Ziele gelangt, besonders bei local besohrankteD 
pathologischen Processen. Am fühlbarsten macht sich dieser Uebelstand bei der 
MeduUa oblongata geltend. 

Der Vortheil der nachfolgenden Methode liegt darin, dass ihre Anwendbar¬ 
keit ziemlich unabhängig von der Härtungsmethode ist; vornehmlich darin, dass 

‘ Von Dr. J. Soboo am 20. April 1898 im Wieoer mediciDucheo Elab demoiutrirt. 


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aie aach an in MÜLL^’sdier Flüssigkeit oder in Chroms&nre gehärteten 
Präparaten die Daistellnng der Nissl’ sehen Oanglienzellengranulationen ge¬ 
stattet 

Die angewendete Farbflfissigkeit ist Unna's polychromes Methylenblau, von 
UxMA in die d^matologisch-histologisohe Technik eingefährt und daselbst aus¬ 
gedehnte Anwendung findend. 

Dem VersQche, anf die verschiedenen von TJnka mittelst dieses Farbstoffes 
nadigewiesenm bindegewebigen und protoplasmatsohen Substanzen hin das 
Centralnervensystem zu prüfen, verdanken wir die Entdeckung, dass dieser 
Farbstoff bei Anwendung gewisser Differenrimngsmethoden die Eigenschaft hat, 
die chromatische Snbstanz d« Ganglienzellenleibes zu tmgiien, und zwar auch 
dann, wenn die härtende Flüssigkeit so beschaffen war, dass andere der bisher 
gefundenen Methoden (mit Fuchsin, Nissl*s Methylenblau oder Thionin) zu 
keinem Ziele führten. Wir konnten an in MOLLsn’scher Flüssigkeit erhärteten 
Präparaten ebenso schöne Gapglienzellenbilder erhalten wie an Alkoholpräparaten 
mittelst derselben oder einer der anderen Methoden. 

Von den versdiiedenen von Unna zumeist angegebenen Differenzirungs- 
meüioden haben wir die Differenzirung mit Unka’s Glyceiinätbeimischnng und 
die Weiterdifferenzirung mit absolutem Alkohol als die geeignetste befunden. 

Das Verfahren gestaltet sch folgendermaassen: 

1. Härtung d^ Präparate in Alkohol oder MüiitiXa’soher Flüssigkeit oder 
Formol oder MüiiUEn-FonnoL 

Es ist selbstveiständlidi, dass behufe rascher Fizirung entsprechende Yer- 
kleinemng des Pr^arates ein schnelles Eindringen der Elärtungsflüssigkeit er¬ 
möglichen muss. 

Besuglich der Härtung in MüLLsn’soher Flüssigkeit sei nach unseren bis¬ 
herigen Erfahrungen noch hervoigehohen, dass die Dauer dieser Härtung 6 bis 
8 Wochen betragen darf, dass aber eine übermässige Chromirung der Stücke, 
bei welcher sie sehr dunkel werden und auch nach gründlichem Auswässem 
Dodi dunkel bleiben, für das Gelingen der Färbung entscheidend ist Es genügt 
dmser Zeitraum auch vollkommen zur entsprechenden Fixirung der myelinigen 
Bestandtheile des Nervensystems, besonders bei kleineren Stücken. Jedenfalls 
muss vor der Weiterhärtnng in Alkohol eine gründliche Auswässerung der Stücke 
erfolgen, am besten durch 24 Stunden in fliessendem Wasser, welches die Ghrom- 
säure und ihre Salze viel besser löst als Alkohol. 

2. Einbettong in Celloidin oder Paraffin. Erstere Einbettungsmethode wird 
der Harkscheiden^bung wegen an MüLLEB-Präparaten vorzuziehen sein. Mög¬ 
lichst dünne Schnitte. 

3. Die Schnitte kommen aus Wasser in die Farblösung (polychromes 
Methylenblau, Dr. Gbübleb in Leipzig) und verbleiben darin entweder 24 Stunden 
bei Zimmertemperatur oder werden bis zur Entwickelung von Dämpfen über 
di=m Wasserbade erwärmt 

4. Abspülen der Schnitte in destillirtem Wasser. Zur entsprechenden 
T j-rimTig des Farbstoffes und zur Erhöhung der Haltbarkeit der Präparate em- 

41 


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~ 642 — 

päeUt es sioh, die Schnitte dorcb 24 Stunden in dem einige Male gewecheeltoi 
deetülirten Wassec zn belassen. 

5. Die Differenzimi^ wird am beeten am Objecttrager Torgenommen. 

Die dorthin übertragenen Schnitte werden abgetrodmet und mit Dkma’s 
fliyfifl wnathflrmiao hnng (Df. Gbüblbb in Leipzig) übergssseDy welche man bis 
znm Eintritte einer deutlichen makroskopischen Diffearenzining der grauen und 
wmaaa Sobstaoz emwirken lässt (je nach der Di^ der Schnitte 8—15— 
25i Secunden). Der Uebezschiiss wird abgegossen und der Schnitt mit Fütrir- 
papier oder besser mit einem glatten Todie abgetrocknet 

6i Mehrmaliges Uebergte^n mit absolutem Alkohol zur Entfernung des 
Glycerinäthers und zur endgültigen üHfferenzimng. Abtrocknen. 

7. Aufhellen in 01. origani, wobei durch mehrmaliges üebergiessen mit 
demselben nnd Hin- und Heischwanken des Objectträgers für gründliche Ent- 
fhmung des Alkohols gesorgt werden muss, was für die Dauerhaftigkeit der 
Pt&parate Ton grosser Bedeutung ist Aus demselben Grunde darf bereits ge¬ 
brauchtes Oel nicht mehr verwendet werden. 

8. Canadabalsam. 

IXe Granula der Ganglienzellen und der Eemkörperohen derselben, sowie 
die Gliakeme erhalten an Schnitten von Alkohol- oder Formolpräparaten einen 
violetten, an gechrumten Schnitten einen mehr in’s Blaue gehenden Farbentcnn 
Das Eemkorpmhen daneben häu% noch eine rotiie ftebennüanoe. 

Bind^webe und Axencylinder färben sich blau, erfahrm aber an Alfc^ol- 
psäpaiatSD ema fhst vollstftiHhge Entfärbung. 

Nicht selten, aber ihconstant, werden an MCiiLeb- oder fbnnol-MOnx^B- 
Fräparaten auch die Markscheiden roth-violett mit Yorherrsohen bald dhr einen, 
b^d der mideren Farbe geftrbt. Diese ffiarkscheidenßrbung lässt sich sicher 
• und viel intensiver, aber auf Kosten der G&i^enzellenfirbnng erzielen, wenn 
man die gefart)ten und noch nicht difierenzirten Schnitte auf kurze Zeit (mehrere 
Secunden) in eine schwache Va—1 ^/o Dösung eines Metallsalzes, Sublimat oder 
Hatindilorid, übertragt. Doch gelingt die Färbung des feinen Markfimemetzes 
in der grauen Substanz nie so schön wie mi Weiuxbt- oder WmoEBT-Pij«- 
Piraparaten. 

Betreff der Haltbarkeit der Präparate mochten wir noch erwähnen, dass 
diejenigen unserer Präparate, welche unter Beobachtung aller oben für die Er¬ 
zielung entsprechender Dauerhaftigkeit angegebenen Gautelen angefertigt wurden 
(Auswässern der gefärbten Schnitte durch 24 Stunden in Aqua destill., Ver¬ 
wendung von immer firischem, alkoholfreiem Origanumöl, gründliche Entfernung 
des Glycerinäthers und des Alkohols durch ene^isohes Auswaschen mit Alkohol 
bezw. Ol origani), nach mehr als ^|^ Jahren sich unverändert schön erhalten 
haben. 


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94 $ 


4. Zur Härtung des Centralnervensystems in situ. 

Ton Dr. Hennann Pfister, 

ABsiBtonzarzt der psychiatrischen KHnilr in Freiharg' L/B. 

Soeben kommt mir im nenesten Hefte des Deutschen Aichiv fär klinieohe 
Medioin* ein Ao^tz von Sadtcoh und Kattwiskbl zur Hand, in dem die 
Verfasser nach Prüfung einer Methode Pibbbb MAitnta ihr Verfahren zur 
Formolisirang des CentralnerrensTStems in situ angeb^. Während P. Mabib 
am inneren Augenwinkel incidirt und von dort aus, der Medianwand der Augen¬ 
höhle entlang, dnndt die Fiss. sphenoididis neben dem Tnrkensattel dmi Troikart 
einstösst, zogen es die Verfesser wegen der bm diesem Verfahren: oft eintretendeff, 
entsteilenden AnsohweUnng in der Gegend der Augenlider yor, durch die Nase, 
TAmiwa oribrosa, neben Crista galli ^nzustosB» nnd einzufÜUen, wodurch auch 
die Basis der Frontdlappeb und die Temporalpole besser angehärtet werden sollen. 

Ich selbst habe^ ohne Eenntmss des P. MABis’schen Verfahrens seit 1896 
mich wiederholt mit Versaeben zur vorbereitenden Hartung des Gentralnerven- 
^stems in situ abgegeben, bin aber aus äussmn Gründen zu einer Contiole 
meiner verschiedaien Methoden an grosserem Material noch ni«^ gelangt. Am 
lässlich der Veröffentlichung von Sahtton und KattwooxiIi möchte ich aber 
doch einige Notizen darüber mittheilen. 

Was die Lumbalinfasion (Irrigator oder grosse Druckspritze) anbelangt, so 
kann man mit derselben, nach üblichem Einstich des Troikarts zwischen 3. und 
4. Lendenwirbel, nach meiner Erfabrui^ mehr erreichen, als dies die citirten 
Verfasser annehmen, wenn man die Leiche mit efhöbtem Becken, tiefem Ober¬ 
körper und Kopf lagert. Bei einer kindlichen Leiche gelang es mir, das ganze 
Rückenmark, Oblongata, Pons und ^einhim sehr gut anzuharten. Das Gehirn 
zellte nur Spuren von Formolwirkung, wahisoheinlioh, weil ich damals zu wenig 
(110—140 ccm) Flüssigkeit verwendet hatte. Beflectirt man bloss auf das 
Rückenmark, so ist die lumbale Methode weitaus ausreichend und lässt sich 
auch vor allem in viel kürzerer Zeit ausfuhren, als die Anhartung des Rücken¬ 
marks vom Cranium aus. 

Bezüglich der Gehimhärtung in sitn versuchte ich ein ähnliches Verfahren 
wie P. Mabis, aber ich führte ddn ,4ünnen^< Troiksrt in dör Mitte des untereh 
Orbitalrandes unter leichtem Empordrangen des Bulbus in der Richtung des 
Caoalis in&aorbitalis nach hinten (Rückenlage der Leiche), wobei ihan leicht 
durch die Fiss. orbitalis superior in den Arachnoidalraum in der Gegend der 
Temporalpole eindringen kann. Vielleicht ist es dieser Abänderung des Weges 
zuzasehreib6n,’ dfl8s kh nie wie SAn^xoM nnd Eaxtwinsel Oedem der Lider u. s. w 
beobachtete. Besonders leicht gelingt die Methode bei Hydrocq)h. extemus. 
Bei Hydroceph. internus gelang es mir ausserdem durch einoi kleinen Haut¬ 
schnitt beiderseits der Sa^ttalnaht, die Scheitelbeine, ca. 1—2 cm hinter Coronar- 


41 * 




* Bd. IX H. 4 Q. 5. S. 548. 



644 


naht anbohrend, die Ganüle senkrecht bis in die erweiterten Seitenventrikel ein- 
znföhren, und — nach Aspiration des Ventrikelinhaltes — durch Iniusion der 
Härtungsflüssigkeit Hemisphäre und Gentralganglien von innen anzuhärtem 
Emstichrersnche unter dem Subocdput zwischen Atlas und Foramen 
magnum (Planum nuchae ossis occip.) bei stark an die Brust gebeugtem Kopfe 
(Bauchlage der Leiche), wobei die Ganüle 5—7 cm tief einzufOhren ist, hatten 
in einem Fiobeversuche leidliches Resultat bezüglich der Anhärtnng von Hirn 
und Rückenmark. Zur weiteren Nachprüfung fehlte es mir bisher an Material. 
Es ist klar, dass man je nach Eigenart der Fälle und nach Absidit mit be¬ 
liebigen Gombinationen der einzelnen cerebralen und spinalen Methoden noch 
bessere Resultate erzielen wird. Im Allgemeinen ist es nach meiner Erfahning 
aber gut, eine Gegenöfihung für den Abfluss (im Bückgratscanal oder Schädel) 
anzul^n und äusserst langsam einfliessen zu lassen, damit Gompressiozien 
m^lichst vermieden werden. Wie Sainton und Eattwuskel benutze ich 
4 Foimol oder 96 Alkohol ^ 90 Theile zu 10 Theilen Formol, da dann die 
Durchdringung rascher erfolgt Auf die Yortheile der Härtung in situ bezüglich 
späterer mikroekopisdier Untersuchung haben die genannten Verfasser schon 
hingewiesen. Die Grösse dieses Yortheils kann besonders ermessen, wer auf 
Erankenhausmaterial ai^wiesen ist, wo wegen ungünstiger äusserer Verhältnisse 
oder spätem Eintreffen der Einwilligung der Angehörigen auf die Section oft 
ein oder mehrere Tage gewartet werden muss. 


n. Referate. 


Anatomie* 

1) De leer der neuronen toegepast op de anatomle der zintoigen, door 
Dr. G. Jelgersma. (Fsychiair. en neuroL Bladen. 1897. Hai. Nr.2.) 

Der anatomische Ban aller sensiblen und sensoriellen Organe ist nach dem 
Verf. in ihrem ganzen Verlaufe von der Peripherie bis znm Centnun im Princip 
ganz derselbe und speciell das Auge macht keine Ausnahme von den aUgemeinen 
Principien, die für das Zustandekommen jeder Wahrnehmung gelten. Die Unter¬ 
schiede, die zwischen den verschiedenen Sinnesorganen bestehen, sind nur von secun- 
därer Art und durch Nebenumstände verursacht worden. Alle Sinnesorgane sind 
nach einem festen Plan gebaut, nach den Einzelheiten aber lassen sich 4 Gruppen 
unterscheiden, die in einander übergehen: 

1. Beim Geruchsorgan liegt allein das Neoroepithel an der Oberfläche, die 
Ehidfasem desselben befinden sich bereits innerhalb des centralen Nervenapparats. 

2. Bei der allgemeinen KOrpersensibilität in ihren verschiedenen Qualitäten, 
beim Muskelgefühl und beim Geschmack liegt die Neuroepithelzelle an der Peripherie, 
ganz ausserhalb des centralen Nervensystems, und die Verzweigungen des ersten 
Neurons sind mit an die Peripherie gekommen, ausserhalb des centralen Nerven¬ 
systems. 


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645 


3. Das OebOrorgan nnterscbeidet sieb im Princip wen^ von den vorbe^ebenden 
Sinnesorganen, das erste Nenron ist aber viel mehr an die Peripherie gekommen und 
dadurch bildet es einen Uebergang zn dem Auge. 

4. Bei dem Auge kommen die Neuroepitbelzelle, das ganze erste Kenron und 
ausserdem &st das ganze zweite Neuron an die Peripherie zn liegen. Es treten in 
dieser ang^ebenen Beibenfolge immer grossere Theile des Nervenapparats nach 
aussen und kommen an die Peripherie zu liegen. 

Auf Grand dieser Anffassung kommt man fflr die Anatomie aaf einen Stand¬ 
punkt, den die Physioli^e schon Imige eingenommen hat, dam jede Entwickelui^ 
von Sinnesorganen eine Differentiation aus einem allgemeinen Gefüge ist, das unserer 
al^emeinen EOrpersensibilit&t am n&chsten kommt Die Differentiation ans diesem 
allgemeinen Gefltge und die Entwickelung ' jedes speciellen Sinnesorgans geschieht 
nach der Yerschiedenbeit der äusseren Lebensumstände und nach dem Theile des 
Körpers, der mit der Aussenwelt in Berührung kommt, gleicl^^tig ob dieser die 
äussere KOrperoberfläche, das Ektoderm, ist, oder auch die Hohle eines eingestülpten 
Oi^ans. Ueberall, wo der EOrper mit der Aussenwelt in Berübrui^ kommt, ist die 
Gel^nhOit zur Entwickelung von Sinnesorganzellen gegeben und gleichzeit^ zur 
Entwickelung des damit verbundenen und davon abhängigen Nervenapparats. 

Walter Berger (Leipzig). 


2) Indgalitd de poids des hemlaphörea oArdbrsux, par Bourneville. (Pro- 
grOs mddical. 1898. S. 248.) 

Als Beitrag znm ungleichen Gewichte beider Grosshimhemisphären veröffentlicht 
Yerf. aus seinen in BicOtre geführten Aufzeichnungen einige, welche die grössten 
Differenzen sieben. 

Den grössten Unterschied von 320 g (rechts 240, links 560) zeigten die Hemi¬ 
sphären eines 15jährigen Psendoporeneephalen, der an linksseitiger Hemiplegie und 
an epileptischen AnAllen litt 

280 g Unterschied (rechts 465, links 185) fand man bei einem 21jähngen 
Imbecillen, der an Epilepsie und rechtsseitiger Hemiplegie litt 

Die Grosshimhemisphären eines 11 Jahre alten Alkoholisten, der an links¬ 
seitiger Hmnipl^e und epileptischen Insulten erkrankt war und Pachymeningitis 
nebst Heningoencephalitis bei der Autopsie erkennen liess, zeigten eine Gewichts¬ 
differenz von 260 g (rechts 310, Hnka 570). Denselben Unterschied (rechts 460, 
links 200) fand man bei einem 4 7sjährigen Idioten mit Sklerosen in der linken 
Grosshimhemisphäre. 

Bel einem 13jährigen Imbecillen mit rechtsseitiger Hemiplegie überwog die 
rechte Hemisphäre (665), die linke (456) um 210 g. 

Ein lOjähriger Idiot zeigte einen Unterschied von 222. g (rechts 477, links 255). 

Sämmtliche Gehirne stammen natürlich von Imbecillen oder Idioten; fast alle 
litten an epileptischen Krämpfen und zeigten post mortem Sklerose, Atrophieen und 
chronische Yerändemngen an den nervüsen Häuten oder in der Sutotanz der Hemi¬ 
sphären selber. 

Stets entsprach das Mindergewicht einer Hemisphäre der gekreuzten Eürper- 
Seite, welche die Hemiplegie zeigte; den gesunden Extremitäten einer Seite stand 
das stets grüssere Gewicht der zugehörigen Hemisphäre zur Seite. 

Adolf Passow (Strassbui^ l/E.). 


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646 


Exjperimentelle Physiologie. 

3) Ueber den oortioalen Urapvnng Aer dwrob AJaeynt& hervorgerafMeen 
(fp^ptlgphen Ai^le bei ^ 1 lnd^I^> von Dp. Y. Ossipow. <0boeijenije 
Psichi^riL 1^97. Nr. 12. [Baasisch.]) 

Da di# Uatersacbimgen Magnan’s Aber den Drspmag der epiL^>tia^ei An- 

den derzeitigen Änscbannngen hwAber nidit entspneäieD, so antemabBi ee der 
Y9f(. dieaplben sff popden, depen Absynthessenz (essence d'absinthe enltirde) ins 
Blpt eingefAhrt zu prüfen. Die Yersophe helfen: 

}. Unte^cbpeidung der beiderseitigen motorischen Bipdenregionen vAhreitd dea 
PpUpptiac)tien srpduroh der Ap/'all immer nnterbrocbea wde, wenn nor die 

Potprscbneidnng eipe vollständige war; wurde danach eine neue Portion Ab^th* 
eseenz eipgefphrt, so baten nunmehr nur tonische ^rämpfe auf. 

2. Unvollständige Entferoupg der motnpschen jßebiete, wobei die ErampfanBUle 
nicht aufhCrten. 

3. Yoll8täu4ige E^tirpstiop der beiderseitigen motorischen Bindengebiete vor 
Absynthinjection. Durch nachfolgende Injectionen werden nur tonische ErämpfiB 
hervorgerufen, während partielle Exstirpation des motorischen Gebiets bei nach* 
folgender AbsyntblDjectipn sowohl clonische, als auch tonische Krimpfe auftreten lies. 

4. Absynthinjection nach voraofgegangener beiderseitiger Exstirpation des 
Temporalrindengebiets and des grössten Theiles des Occipitalrindengebiets, bewirkte 
Status epUepticns, wobei die Erämpfe sich durchaus nicht von denen anvwaehrter 
Binde nnterschieden. 

Die Yersnche fahren den Yerf. zu folgenden Schlossen: 

1. Es ist unzweifelhaft, dass die clonischen Erämpfe während des Apfalls bei 
AbsjnthepUepsie von der motorischen Bindenregion abbängen, während 

2. die tonischen Krämpfe nicht von der Binde, sondern von tieferliegenden Hirn* 

centren abbängen, wobei die Binde, wenn überhaupt, nur eine sehr nebensächliche 
Bolle in ihrer Entwickelung spielt. P. Hoizinger (St. Petersburg). 


4) A forther expenlzneiit^ oontribntion tp the knowlpdge of the mepha- 
nlam pf dMlutitlon, by S. J. Ueltzer. (Journal of experimental Medieine. 
Yol. n.' Nr. 5. S. 463.) 

Yerf. ba( die bereits früher gemeinsam mit Eronecker unternommenen Stadien 
Ober den Mechanismus des „Scbluckacts“ wieder nufgenommen und gegenüber den 
^Wricbepden Angaben von QuiDche, Ewald n. A. folgendes festgestellt: 

Schlackt ein Thier oder ein Mensch Flüssigkeit oder Luft, se 4l^ingt diese mit 
grosser Geschwindigkeit in den Oesophagus vor, io dessen mittlerem Theile jedoch 
eine vorübergehende, oft nach Secunden zählende Stagnation eintritt. Erst wenn die 
allmähliche nachfulgeode peristaltische Welle den Punkt erreicht hat, wo der Bissen 
oder die Loftblase stagnM, wird dieselbe durch den tonisch contrabirten unteren 
Theil des Oesophagus hindorch in den Magen befördert 

W. Cohnstein (Berlin). 


6) UeberBeisreranohe mitlndaotlonsströmen am Thiemagen, von Meitzer. 

(Archiv f. Verdanungskrankh. 1898. S. 128.) 

Yerf. polemisirt gegen M. Einhorn und bestätigt durch neue Experimente 
eine bereits frOher aufgestellte Behauptung, dass eine wirksame Beizung der Magen¬ 
wand durch InductionsstrOme nach dem in der Therapie üblichen Verfahren nicht 
möglich sei. Wenn man nämlich eine Elektrode auf die Mucosa bringt und die 
zweite auf die Serosa oder gar auf die Baucbdecken legt, so ist es selbst durch 


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647 


rtcikt gteke SMae kiMui «b« irgendwie erbebMcAn OeetraeUon dw Hagen* 

MKiians m «raelen. — Aber e^bst wenn es gelang, etee stAiwnche Oentinotion 
her rocwmfep, eo bUeb diese abets nor snf die Pylorusg^end beecbräolct; die Cardia- 
gegend and der grösste TbeA des Fmdis rertiielten sieb selbst stAi^^n SCrOmen 
gegaotber refiactAr. — Die Iherepentis^e Katzanwendang dieser Versaebe liegt 
laf der Hand. W. Cobnstein (Berlin). 


6) Beoherobee exi)drünentalee enr lee moayements de la oellule nerveaee 
de la moSUe dplnidre, par B. Odise. (Bevad m^dicale de la snisse romande. 
1898. Nr. 2 u. 3.) 

ln den Jabren 1834 and 1895 werde von den beiden Fwsebem Ldpine and 
Dnval, uDabhängig von einander, die Hypothese aufgestellt, dass der natftrlicbe Schlaf 
eine Folge der Betraction der ProtoplasmafcuisAtze der Hanglienzellen der Hinfinde 
sei; das Erwachen erfolge ln dem Momente, wo dorch Wiederherstellung der nr* 
sprflnglicben Länge die Yerbindnng der Zellen untereinander von Nenem vorhanden 
sei. Dass die nervOsen Zellen wirklich Bew^pmgen 'unterworfen sind, wurde schon 
firtfher von Wiedershelm beobachtet. Zweck der Untersuchni^en des Verf.'s war 
nun, experimentell die kleinsten Verandernngen festzustellen, die die kfbistlich er* 
sengte Bnhe und Erregung in den motorischen Ganglienzellen des Bfickenmarks 
bervorroft Als Tersnehsthiere dienten Meerschweinchen, Eaninchen und Hunde. 
Der Schlaf wurde erzeugt durch Chloroform, Morphium nnd Cocain, die Erregong 
durch direct auf das Bflckenmark appliclrte constanie und faradische Ströme ver* 
Bchiedener Intenmtät Die Haaptschlüsse, die Verf. ans einer grossen Beihe von 
Versuchen zieht, sind folgende: 

1. Die motorische Bückenmarksganglienzelle ist bewegungsföhig; der Zustand 
der Bnhe unterscheidet sich von dem der Erregung durch die Form, das Volumen 
nnd die feinere Stmetnr der Zelle. 

2. Die Bew^ung änssert sich zunächst in den Protoplasmafortsätzen. Diese, 
Im Zustande der Buhe vollständig erschlafft, fflhren im Zustandd normaler Thatigkeit 
eine Bewegung in cellulipetaler Bichtung aus. Die künstliche Erregung vermehrt 
diese Wirkung noch proportional ihrer Stärke nnd Däner. 

3. Der Zellkörper ist widerstandsfähiger als die Protoplasmafortsätze; doch 
bringt eine länger danemde Erregung anch hier eine Zosammenziebung hervor. 

4. Noch widerstandsfäh^er ist der Zellkern. Höhere Grade der Erregung er* 
sengen znnächst eine Vergrösserung, die noch nachznweisen ist^ wenn der Zellkörper 
sich schon contrahirt hat, endlich beginnt auch er, sich zusammenznziehen. 

5. Die Granula (la chromatine) zeigen im Zustande der Babe Übereinstimmende 
Form and sind regelmässig vertheilt, während sie sich in der Erregung regellos an* 
sammeln. 

6. Ihr ^bnngsvennOgen nimmt unter dem Einfluss kurzer und starker Er* 
regnng zu, am bei läi^rer Einwirkung es rasch wieder zu verlieren. 

7. Am empfindlichsten reagiren die Cbromatinpankte des Zellkerns auf die Er* 
regnng. Ihre ^hl nimmt ab proportional der Zellthätigkeii 

H. Wille (Si Pirminsberg). 


Pathologische Anatomie. 

7) Examen des oellnles nervensM mAdnllalres dann la tAtanos experi¬ 
mental« par Jnles Conrmont, Doyoil et Pariot (Oomptes rendus de U 
soeiAte de biologie. 1898. 28. Hai.) 

Die Verff. haben die Angaben Marinesco’s naebgeprüft, welcher bekanntlich 
während des esperimentell erzeugten Tetanus gewisse, mit der NissPseben Methode 


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648 


nachweisbare Ver&ndeningen in den BückeDmarksganglienxellen naeh^ewieeeii haben 
wollte, welche er fOr pathognomisch hidt and als Ursache der tetaniachen Erftmpfe 
bezeichnete. — Die Verfif. kOnnen seine Angaben nicht best&tigen, denn sie Termisoen 
einerseits in zahlreichen Fällen von aasgesprochenem Tetanos die betr^fonden Yer« 
ändemngen in den Granglienzellen and fanden andererseite derart^ Voränderongeo 
bei einer Beihe ron Thieren, deren tetanisehe Erscheinungen bereits seit langer Zeit 
schon wieder al^klongen waren. W. Cohnstein (Berlin). 


Pathologie des Nervensystems. 

8) Sa rdflexe patdlaire, par Harandon de MontyeL (Annales m4dico<psycbolag. 

1897. März/April.) 

Im Anschlass an seine früheren Untersnchangen des verschiedenen Yerhalteaa 
des Cremasterreflexes im Verlaufe der progressiven Paralyse, richtete Yvt seiii 
Augenmerk diesmal auf den Batellarreflex. Um m<^Uchst alle Fehlerquellen aus- 
zaschliessen, prüfte er stets selber in drm verschiedenen Entwickelungsstadiem d« 
Erkrankung bei den gleichen Kranken das verschiedene Verhalten der Reflexe. Bc 
unterscheidet die zwei Gruppen normal und anormal, und unter letzteren die drn 
Formen, des leichten und schwereren Auslösens und des Fehlens der Reflexe. 

Ursprünglich begann er seine interessanten Untersuchungen an 40 Kranken; 
jedoch sind in vorliegender Arbeit nur die Beobachtungen derjen^en 17 Kranken 
niedetgelegt, welche der Verf. von den ersten Anzeichen der Brkrankung bis aum 
Tode untersuchen konnte, während die anderen 23 theils transferirt odw entlassen, 
theils vor dem Eintreten des paralytischen Marasmus aus anderweitigen Gründen 
gestorben waren. 

Diese 17 Kranken haben 128 Untersuchungen ergeben, unter denen 41 Mal 
normales Verhalten, 87 Mal anormales gefunden wurden. Diesen 128 stellt Verl 
92 Untersuchungen gegenüber, die ein g^n die erste Prüfung wechselndes Ver« 
halten zeigten — also 30 Mal blieb das Verhalten der Reflexe vom outen bis zum 
letzten Tage der Untersuchung dauernd das gleiche. 

Im ersten Theile der Arbeit berücksichtigt er ferner die bisher vorhandene 
Litteratur, und unterscheidet bei den Kranken auch solche, bei denen die Patellar- 
reflexe sehr leicht oder sehr schwer anszulösen sind. Auch die Fäll^ in denen das 
Verhalten links und rechts verschieden ist, sind berücksichtigt. 

Der zweite Theil umfasst die Beziehungen der Krankheitsart zu dem ver^ 
schiedenen Verhalten der Reflexe. Einerseits sind die bei den „expansiven, d^nr o e 
siven und dementiellen Formen" gefundenen Resultate aufgezäüt; andererseits ist 
auf mässige, stärkere und extreme Verworrenheit der Kranken Rücksicht genommen. 
Ferner ist auf Alkohol und Syphilis, auf Analgesie und Hyperalgesie, wie audi aof 
Anästhesie und Hyperästhesie geachtet worden. 

Wegen der interessanten und zuverlässig angestellten Befunde seien die wich¬ 
tigsten Resultate aufgeführt 

1. Bei der progressiven Paralyse sind die Patellarreflexe in der Mehrzahl 
der Fälle anormal, und zwar meist leicht auszulösen. Seltener sind sae 
überhaupt nicht auszulösen, in den seltensten Fällen schwer auslösbar. 

2. Die ausgesprochensten Grade des leichten und schweren Hervor- 
rufens der Reflexe sind seltener. 

3. Die Ungleichheit (rechts und links) ist häufiger, als beim Cre¬ 
masterreflex, jedoch immerhin selten. 

4. Der Patellarreflex ist in der ersten Periode der Erkrankung häufiger 
verändert, als in der zweiten, und in der zweiten häufiger, als in der 
dritten. 


D g : 7cd / G OOglC 



649 


5. Das Maxiinnm dar Terioderten Beflexe findet man in der zweiten Periode, 
während in der ersten das Maximnm des Fehlens nnd in der dritten das 
Maximum des schwierigen und das Hinimam des leichten Ansldsens 
ooostatirt wurde. 

6. Bei der depressiven Form der Paralyse sind die Beflexe meist leicht 
ansldsbar. 

7. Dieses leichte ÄnslOsen steht hesflglich der Hänfigkeit im umgekehrten 
Yerhältniss zu den Sprachstörungen. 

8. Das Yerhalten der Beflexe erlaubt keine prognostischen Schlflsse. 

9. Im Yei^leich zu den ^hilitiseh erkrankt Gewesenen, fanden sich die 
I^tellarreflexe bei den Trinkern häufiger verändert, sowohl leichter, als 
auch schwerer auslösbar. 

Wmm auch der Werth derartig genauer klinischer Beobachtungen entschieden 
nicht zu unterschätzen ist» wflrden me an Bedeutung noch ganz erheblich gewinnen, 
wenn mikroskopische Untersuchungen die Arbeit vervollständigten. 

Adolf Passow (Strassburg i./E.). 


9) lie phdnomäne des orteils en patholc^e nwnreose, par H. Babinski. 

(Pn^p^ mödical 1898. S. 166.) 

Im Höiutal de la Pitid setzte Yerf. einem grösseren Kreise von Fachgenossen 
dis Bedeutung des von ihm beschriebenen Zehenreflexes auseinander. Dieser besteht 
in einer Im^samen Streckung der Zehen und zumal der grossen Zehen nach einem 
in dem vorderen Theile der Fnsssohle applicirten Nadelstiche. 

Nach seinen Hittheilnngen &nd er diesen Beflex stets bei frischen und alten 
organisch bedingten Hemiplegieen, bei der diffusen Heningo-Ehicephalitis, bei der 
essentiellen Spilepsie, bei allen spinalen Systemerkrankungen, bei Myelitis transversa 
nnd Syringomydie. Niemals konnte er ihn hervormfen bei Neurosen, bei peripheren 
Neuritiscben, bei Poliomyelitis nnd bei der reinen Tabes. 

Nicht regelmäamg, doch zuweilen gelang es ihm, diesen Beflex bei Epileptikern 
und bei sonst lebhaften Beflexen aaszulösen. 

Er ist geneigt anzunehmen, dass dieser Beflex sieh stets bei Läsionen der 
Pyramidenstränge findet Zur Unterstfltzung dieser Hypothese führte er ausser einer 
grösseren Anzahl Kranker mit und ohne dieses Phänomen das Factum an, dass dieser 
Beflex, der bei gesundem Individuum fehlt, beim Neugeborenen ach vorfindet. 
Letztere seien im gewissen Sinne als Parapl^^er anzusehen, indem die Pyramiden- 
bahnen in Folge ihres mangelhaften, noch nicht voUendeton anatomischen Baues 
vom Gehirn kommmide Eindrflcke schlecht fibertr^n. 

Adolf Passow (Strassbui^ i./E.). 


10) OphthaJimoskopisolie onderaoddngen blj Epilepsie, door Dr. L. S. Meyer. 

(Psychiatr. en neuroL Bladen. 1897. Nr. .3. Bis. 252. JulL) 

Bei einigen Epileptikern hat Yerl Untersuchungen Aber den Augenspi^elbefund 
angestelit und sich bemüht, unter Eliminirang störender Einflflsse und Uebelstände 
eine Uebersicht Aber die Yerändemngen zu erlangen, die sich in verschiedenen 
Perioden der Epilepsie am Augenhinteignmd finden; einige der bemerkenswerthen 
Fälle theilt Yerf. mit. Im 1. Falle ei^b sich eine r^elmässige Coincidenz der 
epileptischen Anfälle mit dem Erscheinen von Yenenpulsation, wobei die Intensität 
der AnßÜle mit der der Yenenpulsation in gleichem Verhältnisse stand. Im 2. Falle 
fand sich keine Yenenpulsation, aber beträchtliche Hyperämie, die mit den Analen 
coincidirte. Im 3. Falle war stets Yenenpuls vorhanden, der nachliess, wenn die 
Anftlle seltener wurden. Auch in einem 4. Falle war immer Yenenpuls vorhanden. 


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«60 


^ 4m W«n fiUurte di 0 UttomckiMg h kemoi ffMiiUiton. Dm Vor- 

komnuB voa VooeopalsatioQ «ud Hypeiimie üb Aogeo^nde M epilspäsobM Ab- 
nüleo Mrdient nach Verf. ootaoUedeBe BMoütQng oDd fordert sa genautten Unter- 
SDchnngen der Circolationsverhältnisse bei Epilepsie eaf. Die AnoduDe, dtas dar 
epileptisehe A<il&U iorch Anftmip 4or «ertiealen aoteriiohen Cenira Terars^t wurde, 
oder von ihr begleitet sei, kann nicht als allgemein gOltig angenommen werdou 

Walter Berger (Leipzig). 


1^) ^Idiame gevaUen van BpUepsle, door Prof. Dr. C. Winkler. (PsTchiatr. 

en neuroL Bladen. 1897. Nr. 3, 4. Blz. 214. 321. Juli, Sept) 

Im 1. der vom Verf. mitgetheilten F&lle bestand Erinaeruageaira. Der 
21 Jdue alt» Pai hatt« vor 6 Fluren eiiWB Stoas an dt» rechte Seite dae Vorder- 
kopfee direct unter d^ behaartea Kopfbaut bekommen, er war niebi bewnsattos ge¬ 
worden, masste aber nach Baas geferaebt werden. 3 Jabre danach bekam Patient 
nfichtliche epileptische Anlbüe; die Krämpfe begannen in den linken Extremitäten 
und gilben dann auch auf die rechten, waren von Bewusstlosigkeit begleitet und 
kehrten etwa jede Woche wieder. Vor Jahr traten dazu am Tage auftretende 
Anfälle von petit mal, die mit Erinnenmgsanra begannen und manchmal in voll- 
ständige Anf^e mit Drehnng des Kopfes nach links und Krampf des Unken Fadalis 
bei voUständigam Vmlast des BewuastMins äbtigiageB; manchmal scbliesseo eich an 
die ErimieruDgsaun Trasaunzasttede aa. Patient klagte Aber KopfiBokman, den er 
aber nicht loealisirte. Nachdem Pat. am 17. Mai einen Aifall ohne Zackangen ge¬ 
habt batte, bei dem er znsammensMk and na^ dem ungewdknlioke Schwäche m 
beiden Beinen znrfickblieb, wurde am 22. Mai von Prof. Karteweg an der Stelle 
der nach dem Stoss zurAckgabliebsnen Narbe die temporäre SchädelreeectioD aue- 
geährt Dabei fand sich eins Narbs in der Dura mater, nngefähr Aber dem mittlerea 
Drittel der obersten und der mittleren fkontalwindaBg, wo Dura und Pia mit der Hirn- 
subetanz verwachsen waren. Auf der Himoberfläche fand mcb ein Convolat von 
stark entwickeltes Venen, das nach Dnterbindang exstirpirt wurde; ein Stick krank¬ 
haft veränderter Himmasse, nach innen zn trichterfännig süA veijOngend, wurde 
eben&Us exstirpirt. — Verf. sehliesst sieb DMjenigen an, die meinen, dass Rrinne- 
rang und Wahrnehmung nicht, an derselben Stelle entstehen; er nimmt an, dass in 
den Stirolappen associative VerbindangM mit einer Beibe von Wabmehman^eldeni 
gelegen sind, und dass durch dis ZosammenfQgnng von verblasstsn Wabmehrnnngen 
dort die Erinqenmgen entstehen. 

Die Epilepsie proenrsiva beruht nach Verf. nicht auf einer Bindenaffection; 
er theiit einen Fall mit, in denen bei Bpilapsia proonrsiva die Int^Ugenz intact war 
und anf einer hoben Stofe stand. 

Eine dritte Form von Epilepsie, die, soviel Verf. weise, noch nicht beschrieben 
worden ist, nennt er analog der Hemiplegia altemans Epilepsia alternans. Sie 
geht vom Pons Varolii oder von über diesem entspringenden Nerven ans nnd bei ihr 
bestehen Krämpfe der einen KOrperhälfte mit Krämpfen der Gesichtshälfte der anderen 
Seite oder mit ihnen altemirend. Die Krämpfe sind mehr tonisch, nicht oloniseh, 
wie bei der Bindenepilepsie. In einem vom Verf. mi^etbeilten KJle Utt der 19 Jahre 
alte Pat seit 1 Jahre an Kopfechmerz, seit 4 Wochen an schwankendem Oai^ ohne 
Abweiohong nach einer Seite, und an AnßllM, die durch Erbrechen nnd Kopf¬ 
schmerz eu^leitet wurden, während der Anßlle waren Augen und Kopf stark nach 
links oonjngirt abgewiohen, die linke Gesiehtshälfte befand sich in Oontraction, di# 
rechten Extremitäten waren ganz steif; nach den AnföUen sahen die Ängen nach 
rechts nnd Pat konnte sie fast nicht ^wegen. Es steUte sich vollständige Trige- 
minnsl^mung Unks und unvollständige rechte ein. Pat starb. Bei der Seotion tind 
sich ein GUov im rechten Temporallappen uad ein Gliom im Pons VarolU, dicht 


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651 


des Sjerns des N. abdQcens und der asstreteadeo Wurzel des N. facialis 
lioka — Das YorkoiBQien einer EpUepaia altemaBS liefert deo Deveis, dass Er&mpfe 
Ton sabcorticalen Centren aosgebec könnes, ond es ist wahrscheinlicb, dass die 
Krämpfe dacn, besonders tonische, dnrch directe Beizung von Fasern des zweiten 
Nennsis entstehen können. Gin drund, einen centralen Beiz anznnehmen, liegt nicht 
vor. IKrecte Beizung dw Fasern des Gentrums fOr das Seitwärtssehen und der 
Fasern fflr des Facialiskem kommen zu einer directen Beizung der Pyramide in 
dieew Höhe, und die Folge ist die altemirende Entladung. 

Walter Berger (Leipzig). 


12) I aognl e 11 sonno neU* isterismo • aella epilesaia, per Sante de Sanctis. 

(Borna. 1896.) 

Auf einem sehr grossen Materiale von Hysterikern und Epileptikern fassend, 
hat Verf. sehr eingehend hier den Schlaf und das Traumleben studirt und eine Beihe 
sehr interessaotm’ Besnltate gefunden. Nebenbei ist aber das Buch voll von einer 
Menge klinischer und psychologischer merkwQrdiger Thatsacben, die hier aber nicht 
näher berührt werden ^nnen. 

Nach einer historischen Einleitung und nach Darlegung der Methodik und der 
einschl^igen Litteratnr werden im ersten Theile die Hysterischen, im zweiten Theile 
die Epileptischen bezüglich des Schlafes und Traumes genau untersucht und als 
aj^pendix eine grosse Reibe von Beobachtungen mHgetheilt Im dritten Theile endlich 
w^en die allgnueinen, ans den Untersuchnngen sich ergebenden Schlüsse gezogen, 
derw hauptsächliche folgende sind: Die gewöhnliche Tiefe des Schlafes bei Hyste« 
rischen geht parallel der Schwere und dem Alter des Leidens nnd wächst mit höherem 
Alter. Das gilt anch von der Epilepsie. Der Somnambnliamns ist nicht charakte¬ 
ristisch, ebensowenig das Sprechen im Schlafe, wenngleich letzteres hänflger in der 
Hysterie stattfindet. Wichtiger ist das plötzliche Aufwachen, das am häufigsten bei 
leichter Hysterie und beim petit mal ist. Die sog. jlhypnagogen** Hallucinationen 
sind meist bei oberflächlichem Schlafe und am häufigsten sind solche des Gesichts 
und Gehörs. 

Das echte Alpdrücken ist hänflger in der Epilepsie, sehr häufig besonders beim 
petit mal und verschwindet allmählich mit dem Alter des Leidens. Gestörter Schlaf 
ist sehr häufig; selten die vollständige Schlaflosigkeit (anipnia); häufig dag^en die 
epileptische Insomnie und die unvollständige Schlaflosigkeit, sehr häufig bei leichter 
Hysterie and dem petit mal. Je älter das Leiden ist, das Alter, je geringer die 
BUdang, je mehr schwere und nahe auf einander folgende Krämpfe, besonders bei 
Epilepsie, desto seltener sind Träume, die auch sehr von meteorologischen Verhält¬ 
nissen abhängen, z. B. vom Monde, Barometerstand (? Bef.). Die Träume der Hyste¬ 
riker sind wahre Dramen, die der Epileptiker kurz, wenig complieirt; dort herrscht 
der Traum von grossen Ideeen vor und der „Contrasttranm'S Mer der lascive nnd 
der mit Veränderung der Person. Gewöhnlich verstärken die Träume, oder die Er¬ 
innerung daran, die Hysterie; bei Epileptikern lösen Träume wahrscheinlich oft nächt¬ 
liche Anfälle aus; oft, besonders bei petit mal, verstärken eie die Epilepsie. Schwere 
hysterisch« AnfiUle heben oft, die epileptischen fast immer die Traumthätigkeit auf. 
Bei leichter Hysterie sind oft die Nächte vor den Anfällen durch Träume gestört, 
die nachfolgenden immer. Bei der Epilepsie zeigt sich kein constantes Verbältniee 
darin. Bei beiden wirkt der Traum noch nach, aber in verschiedener Weise. Die 
Erinnemng des Tranmes ist im AUgemeiuen viel besser erhalten bei der Hysterie 
als der Epilepsie, parallel der Erinnerungsstärke im Wachen. Das Schlaf- nnd 
Traumleben zusammen bezeichnet Verf. als „nächtliche syndrome“ und „onirivisches 
{ovttQog SS Traum) Stigma“ und bietet im Allgemeinen bei Hysterie und Epilepsie gewisse 
specifische GigenthflmUchkeiteu dar, die zur Diagnose mit dienen können, welche frei¬ 
lich dem in concreto immerhin zu verwaschen erscheinen. Näcke (Hnbertnsburg). 


’iQ'h/.OÖ Dy 


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652 


13) Fartieele epUepaie en bare heelkimdige bebazuleliDg, door Hoyte 

Hendrik van Eyk. (Äcad. proefschr. Amsterdam 1897. J. H. en 6. van 

Heteren. 8°. 129 S., XYII Tabellen, 1 Tafel.) 

Vom Standpunkte der Entladongstheohe Hn^blings Jackson’s ausgehend, 
bespricht Verf. die Bedeutung der operativen Behandlung der Epilepsie auf Grand 
von 10 ans niederlfindischen Kliniken stammendmi und anderen ans der Litteratnr 
stammenden Fällen. Als Schlussresnltat seiner Unteranchungen giebt Terf. an, dasa 
man mittelst der Operation die Epilepsie ebenso wenig zu heilen vermag, als mit 
Medicamenten; man erreicht aber durch die operative Behandlung oft sehr wesent¬ 
liche Besserung, wenn bei der Operation eine greifbare Ursache der Epilepme an- 
getroffen wird. In 11 von 13 Fällen, in denen in dem vom Verf. gesammelten 
Hatenal die Epilepsie auf subduraler Blutung beruhte, wurde trotz der LebenageCahr 
des Status epilepticus, in dem sich die Fai befinden, Heilung erzielt, und warn 
man die Fälle ansscheidet, in denen die Epilepsie nicht auf Trauma beruhte, so 
wurden von 11 nicht weniger als 10 geheilt Epilepsie oder Statns epUeptiens, ans 
einer subduralen Blutung entstanden, muss deshalb stets operativ behandelt werden. 

Bei 100 willkfirlich aasgewählten Fällen von Epilepsie (GesehwQlste nnd Abscesse 
ausgenommen) ergaben sich die folgenden Besaitete der Operation. 

Von 18 Fällen von Epilepsie, in denen die Veränderungen Aber der Dura matar 
zu sehen waren (Depressionen, Adhäsionen n. s. w.) nnd in denen die operative Be¬ 
handlung in Trepanation oder temporärer Beseotion ohne Erbffimng der Dum mater 
bestand, folgte definitive Heilung (W^bleiben der AnAUe 3 Jahre oder noch länger 
nach der Operation) in 3 Fällen, Besserung (selteneres Auftreten der Anfalle ond 
Abschwächung bis zum Auftreten einer blossen Aura, unzweifelhafte Bessemng der 
Erankheitserscheinungen; Fälle, in denen nicht mindestens 3 Wochen nach der Ope¬ 
ration verstrichen waren, hat Verf. möglichst ausgeschlossen) in 10 Fällen, keine 
Heilung in 5 Fällen, Verschlimmerung oder Tod in keinem Falle. 

Von 26 Fällen, in denen die operative Behandlung in Trepanation mit folgender 
Eröffong der Dura bestand, aber ohne weitere Eingriffe, folgte in keinem Falle definitive 
Heilnng, in 16 Fällen Besserung, in 3 keine Besserui^, in 6 Verschlimmemng, in 
2 der Tod. 

Von 38 Fällen, in denen die operative Behandlung in der Entfernung eines 
deutlich veränderten Theiles der Hirnrinde bestand (Knochensplitter, Cysten, Narboi, 
oberflächliche Erweichung), folgte in 3 definitive Heilui^, in 26 Besserung, in 7 
keine Beesemng, in keinem Falle Verschlimmerung, in 2 Fällen der Tod. 

Von 18 Fällen, in denen die operative Behandlung in der Entfemong eines 
nicht sichtbar veränderten Theiles der Hirnrinde bestand, fo^te in keinem Falle 
definitive Heilui^, in 9 Fällen Besserung, in 7 keine Bessemng, in 1 Falle Versdüim- 
memng und in 1 Falle der Tod. 

Die Mortalität ist also ziemlich gross (6 ^/q), jedoch nicht allein von der Ope¬ 
ration abhängig, sondern auch von dem Zustande, in dem sich der Fat. befand, b^ 
sonders in Fällen, in denen Status epilepticus bestand oder eitrige Entzflndnng. 

Walter Berger (Lwpzig). 


14) EpUepsia Jaoksonil post fraoturam oranil oom dep r e sa ione permagna 

Beseotio oranU. FÖrbättring, afG. Nanmann. (Hygiea. 1897. LIX. b. 

S. 210.) 

Ein 17 Jahre altes Mädchen hatte einen heftigen Schlag an die rechte Seite 
des Kopfes bekommen und war sofort bewusstlos geworden; sie mnsste einige Zmt 
zu Bett li^en, war aber bald wieder gesund. Erst 4 Jahre danach begann aick 
Jackson’sche Epilepsie zn entwickeln, die Krämpfe begannen in der linkmi Hand, 
gingen auf den Arm Aber, manchmal auch auf die linke Gemchtshälfte und nütontar 


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658 


wurde auch das linke Bein davon ei^riffen. In der lebten Zeit sprangen die Krämpfe 
anch auf das rechte Bein über und es traten allgemein clonische Krämpfe aof. Es 
bestand geringe Parese des linken Arms. An der vorderen Hälfte des rechten 
Scheitelbeins nnd am hinteren Tbeile des Stirnbeins fand sich eine ziemlich bedentende 
Depresmon im Knochen. Die' Schädelresection, die am 20. April 1896 ansgefährt 
wnrde, war durch Terwachsnng der Dnra mater mit dem Knochen erschwert Ein 
Knochenseqnester wurde mit dem darunter liegenden sclerotischen Gewebe entfernt, 
und, da diese Stelle unterhalb des motorischen Centmms fflr den Arm lag, wurde 
die verdickte Dnra hoher oben durchschnitten nnd die darunter liegende missfarbige, 
etwas Bclerotische Himsubstanz ^mdirt Das bei der Operation abgetn^ene Knochen- 
stflck umfasste nicht die ganze Depression, aber den am meisten eingedrOckten Theil. 
Der Verlauf war gut, anfangs hatte Fat. etwas Kopfschmerz und die Parese des 
linken Arms hätte zugenommen. Am 29. Hai trat wieder ein eben so heftiger Anfall 
wie Mher auf, bis zur Entlassung am 9. Juni trat aber kein neuer Anfall aof, auch 
einen Monat später war kein Anfall wieder aufgetreten nnd die Parese des linken 
Arms hatte abgenommen. Nach Nachrichten vom März 1897 wuen mitunter wieder 
AnAUe aufgetreten. Walter Berger (Leipz^). 


15) Note snr quelques r^exee ontands ohes les dpileptiques, par Ch. Fdrd. 
(Comptes rendus des sdances de la socidtd de biol<^e. 1897. 2 Ootobre.) 


Verf. hat an 137 Epileptikern sjstematische Untersuchungen Uber das Verhalten 
der Hautreflexe angestellt, und zwar hat er gesonderte Tabellen für Patienten, die 
Brom in mehr oder minder grossen Dosen brauchten, und soldhe, die kein Brom 
gebrauchten, aufgestelli Die tabellarisch zusammengestellten Ergebnisse seiner Unter¬ 
suchungen sind folgende: 

Es fehlten die Beflexe in Procenten der untersuchten Fälle: 


Der Pupillarreflex auf Hautreize 
Obere Scapularrefleze .... 
Untere Scapularreflexe . . . 

Palmarreflexe. 

Epigastrische Beflexe .... 

Obere fiauchreflex. 

Untere Bauchrefiex .... 

Cremasterreflex. 

Glotäalrefiex. 

Plantarreflex. 


Unter 

Bromgebrauoh 
. 100 
. 91,78 

. 91,78 

. 98,63 

. 27,39 

. 16,06 
. 12,32 

r. 41,09, L 42,46 
. 76,34 

21,91 


Ohne 

Bromgebrauch 

100 

85,90 

78.12 

98.43 
17,18 

9,37 

9,37 

r. 42,18, 1. 60 

73.43 

28.12 


Besonders interessant bei diesen Ei^bnissen ist der geringe Unterschied 
zwischen den beiden Gruppen; derselbe bleibt weit hinter den Erwartungen zurOck, 
die man von dem Einfluss des Broms a priori haben sollte, besonders wenn man 
berücksichtigt, dass die T^esdosen des Bromkali mindestens 5—10 g betrugen, bei 
einer nicht kleinen Anzahl von Fällen 20—30 g pro die erreichten bezw. Qber- 
schritten. Martin Bloch (Berlin). 


16) Note sur la plus grande raplditd de rdliminatlon du bleu de mdthy- 
läne par les urines ä ia suite des aooäs ohes les dpUeptlques, par 

Ch. Fdrd et Oh. Laubry. (Comptes rendus de la socidtd de biologie. 1897. 
23 Octobre.) 

Die schon mehrfach constatirte Thatsache, dass gewisse dem Magendarmcanal 
zugefährte Substanzen, wie Jodkali, salicylsanres Natron, unmittelbar nach epilep- 


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61)4 


ÜBChen ÄuftUen tiel scbnellOT aosgöscliiedta werden, als in der Korm, hat man xu 
erklären versncht theils durch eine dem Anfall folgende Lähmung der Nierengeßase, 
theils durch erhöhte Durchlässigkeit der Nierenaubstanz (die bisweilen sich der 
Polyurie nähert) nach dem Anfall. Die Schnelligkeit der Ausscheidung k ann aber 
auch beeinflusst werden durch die Concentration der Blutfl&ssigkeit, die bei dem 
epileptischen Anfall durch Polyurie, Salivstion, Schweissausbruch zweifellos verändert 
irird. Eine Entscheidung dieser Fr^e, was eigentlich die schnellere Ausscheidung 
bedingt, wird aber nicht eher möglich sein, ehe wir nicht die Schnelligkeit der 
Resorption kennen. Indess bietet die Thatsache an sich nicht geringes Interesse. 
Verf. hat bei 11 Kranken Tersuche mit subcutaflen Injectionen von Methylenblau 
gemacht, und zwar in jedem FaUe während des Anfalls oder kurz nachher und 
24 Stunden nach dem Anfalle. Die Ausscheidung erfolgte in jedem Falle bei der 
ersteren Tersuchsanordnung weit schneller, als bei der zweiten; nur zwei Kranke 
machten eine Ausnahme, bei dem einen war kein Ünterscbied zu constatiren, bei 
dem zweiten erfolgte die Ausscheidung langsaoier in der f»aroxysmalen Zeit, als 
nachher. Absolut erhöht war die Schnelligkeit der Ausscheidung nur in 4 Fällen, 
in den anderen 5 von den untersuchten 11 waren sie es nur relativ. 

_ Martin Bloch (Berlin). 


17) Epilepsie oozmdoatlTe A une fldwre typholde, par Bourneville et 

Dardel. (Progr^ mddical. 1898. S. 177.) 

Wie so häufig, geben uns die Verff. auch in dieser Mittheilung genaue Kranken¬ 
geschichte und ansführliches Sectionsprotocoll eines Patienten, der ans gesunder 
Familie stammt, in welcher keine Krankheiten erblich waren, von Alkoholismus nichts 
bekannt war. Er entwickelte sich als Kind sehr gut» zeigte gute Intelligenz, konnte 
mit 2 Jahren laufen und sprechen. 

Mit 3 Jahren erkrankte er wie seine sämmtliohen Familienmi^lieder an schwerem 
typhösen Fieber. Sein Vater gesundete, während die Mutter und 2 GesiAwister 
starben. 

Bei unserem Pai trat die Erkrankung besonders schwer auf; er 1^ während 
6 Wochen häufig stundenlang bewusstlos und konnte sich kaum wieder erholen. Es 
traten auch schon während des Fiebers, besonders aber nachher Convulsionen auf, 
die sich immer wiederholten, stärker wurden und schliesslich als epileptasche Krämpfe 
angesehen werden mussten. 

Mit diesen ging ein Nachlassen der intellectuellen Fähigkeiten einher; mehr¬ 
fache Versuche, ihm die AnfangsgrQnde in der Schule beizubringen, misslangen. 
Als sieh mit 11 Jahren die Aufhahme in die Anstalt notbwendig machte, kannte er 
seinen Vater nicht mehr und sprach kaum einige Worte. Im allgemeinen ruhig, 
wurde er zeitweise sehr erregt und war dann kaum festzuh^ten. 

Während des 8monatlichen Anstaltsaufenthalts hatte er jeden Monat 4—25 AH- 
fölle, im Durchschnitt 9—10. Er starb dann an profhaer Diarrhöe und Entkräftung. 

Bei der Autopsie fand man Bildungshemmungen in den Frontallappen, Sklerosen 
im Hinterhaupt nnd eine sehr ausgesprochene Asymmetrie der Windungen an Con- 
vezität und Medianfläche. Eine Anzahl Photograpbieen und genaue Zahlenangaben 
des Gewichts der Hemisphären (Unterschied von 30 g zu Gunsten der rechten) ver- 
vollständigen die Ifittheilnng. 

Interesse beanspmoht sie wegen des in diesem Falle wohl zweifeUos statt¬ 
gehabten Einfinsses ^r sehr schweren, infectiösen Erkrankung auf die Entwickelung 
des Gehirns. Adolf Passow (Strassburg !./£.). 


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18) Epitepsie' al 0 Abitlneiwen^ieliiiiBg bei Efo^iimnent^hung, von 
Cisar HeiflUMft (Chartottenbiirg). (Festaebrift anltoslieh des SOjftbrigen Be> 
Btebeos der ProTineial'Irrenanstalt zu Nietlebeo. 1897. F. C. W. To^) 

Eine 30j&hrige Patintin nabn in Fo^ Äafregungen Horphiom, und als dies 
aidit aehr fraebtet^ gitf sie sc Cocain und Alkoholicis. Die Folge davon war eine 
charakteristische Cocalnpainnoia. Paii wurde dae Cocain sofort, das Morphium all- 
nihhch eetu^ea, doch begann sie letzteres wieder zu nehmen tlnd unterzog sich 
V] Jahr später einer neuen Entziehungskur. Während derselben bekam sie, nachdem 
sie schon S Tage kein Morphium mehr erhalten hatte, an einem Tage zwm typische 
epiieptische Anßlle (völlige Bewusstlosigkeit, Krämpfe» Pupillen reactionslos, Zungen- 
biss). Verf. glaubt diese Anfälle als Ahstinenzerscheinung bei dieser Morphiumkur 
anffassen zu mttssen, da die Pat vorher nie an epileptischen Krämpfen gelitten hat, 
der Alkoholgenuss nie übermässig gewesen und seit dem letzten Gebrauche von Cocain 
bereits Vj J&br verflossen war. Epileptoide Zustände während einer Entziehungskur 
sind von Levinstein schon beschrieben worden. Kart Mendel. 


19) Klinlaolie Beiträge lur Beflexepilepaie, von Prof. Dr. Adolf Seelig- 
mflller (Halle a./S.). (Festschrift anlässlich des 60jährigen Bestehens der 
Provinzial-Irrenanstalt zu Nietleben. 1897. F. G. W. Vogel.) 

Terf. theilt 17 Fälle von Beflexepilepsie mit In denselben sind die epilep¬ 
tischen Erscheinungen 6 Mal auf Verletzungen am Kopf, 2 Mal am Bumpf, 5 Mal 
an den oberen und 6 Mal an den unteren Extremitäten zurflckzoführen. Zwischen 
Trauma und erstem Anfall kann ein längerer oder auch nur ein knczer Zeitraum 
liegen. So betrag derselbe in einem Falle nur 2 Stunden, in einem anderen 
13 Jahre. 

ESn Pall bietet dadurch Interesse, dass vollständiger Sprachverlust im-Anschluss 
an den epileptischen Anfall auf die Dauer von 1—2—3 Stunden sich einstollte. In 
den 4 Fällen, in welchen sich die epileptischen Erscheinnngen an eine Fingerverletzung 
ansdiloesen, bestand PupUlenerweitomng auf der Seite der Verletzung, ohne dass eine 
gleichzeitige directe Halssympathicusläsion anznnehmen wäre. 

Therapeutisch empfiehlt Verf. bei der Beflexepilepsie die Operation, welche so 
früh als möglich auszufübren ist und die Prognose bei der Beflexepilepsie als un¬ 
gleich gflnstiger als bei allen anderen Epilepsieformen hinstellt. Bei vorliegender 
Narbecbildnng ist sorgßltig daranf zu achten, dass alles Narbengewebe vollständig 
entfbmt wird und dass auch nicht die geringste Druckempfindlichkeit der verheilten 
Operstionsnarbe znrückbleibt. Kurt Mendel. 


20) Some notew of eoboUlte^ with tlie report of an eixtraordinary oaeo; 

by Martin W. Barr, M; D. (Journal of nervous and mental disease. 1898. 

Jaa. XXV. 8.20.) 

Betrifft einen 22jährigen epileptischen Idioten, der trotz sorgfältiger Erziehung 
weder lesen noch schreiben gelernt hat, wohl aber zur Verrichtung kleiner häus¬ 
licher Dienstleistungen geeignet ist. Spontan spricht er fast gar nicht und nur ab¬ 
gerissene kurze Worte und Sätze. Dagegen besitzt er eine höchst auffällige Fähig¬ 
keit, Allee, was ihm vorgesprocheu wird, sei es in seiner Mattersprache, sei es in 
ganz anderen Sprachen, vrie Griechisch, Japanisch, Dänisch, Spanisch u. s. w, fliessend 
und mit dnrcbaas richtiger Betonung nachzusprechen. Sommer (Allenberg). 


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21) Epilepsy wlth luzfttlon of the yaw, by Charles E. Stanley, M. D. 

(Joomal of nervous and mental disease. 1896. Febr. XXXIII. S. 115.) 

Typische Epilepsie bei einer 27j&hrigen Frau mit der E^enthflmlichkeit, daai, 
nachdem sieh in einem Krampfanfall einige MolarsUme so gelockert hatten, dass sie 
ausgezogen werden mossten, fast jedem Anfall eine beiderseitige complette Loxaticn 
des Unterkiefers durch den krampfhaften Huskelzog folgte. 

Sommer (Allenberg.) 


22) An ootogenarlan epileptio, by Frederick T. Simpson, M. D. (Joumil 
of nervoDs and mental disease. 1896. Jan. XXITI. 8. 29.) 

Fall von genuiner idiopathischer Epilepsie, bei dem nur zu erw&hnen ist, dass 
die Krankheit erst im 80. Lebenqahr des Patienten, eines Oeistiichen, ansbiach. 
W&brend der 6 Lebensjahre, die ihm noch beschieden waren, hatte er im gansen 
44 AnföUe erlitten, von denen die Mehrzahl während der Nacht eintrat. 

_ Sommer (AUoiberg). 


23) üeber die ohronlaohe Paranoia bei epüeptisohen Didividnen, von Dr. 

Albert Buchholz (Harbu^). (Festschrift anlässlich des äOjährigen Be¬ 
stehens der Provinzial'Irrenanstalt zu Nietleben. 1897. F. C. W. Vogel). 

Verf. berichtet über 5 Fälle, bei welchen neben der Epilepsie eine typisd» 
chronische Paranoia bestand. Bei zwei derselben war das ätiologische Homeot ftr 
den Ansbruch der Psychose in einer abzubflssenden Haft zu suchen, während in zwa 
anderen Fällen andere Schädlichkeiten als die Epilepsie für die Entwickelui^ der 
Paranoia nicht verantwortlich gemacht werden konnten. Verl glaubt an einen ge* 
wissen Zusammenhang zwischen dem Auftreten der P^chose und der Epil^e, 
indem ein durch Epilepsie geschwächtes Individuum dank äusseren Sohädlichkeiteo 
leicht psychisch erkranken könne. 

Zwei Fälle gelangten zur Obdnction und zeigten beide diffiise herdartige Vor* 
ändernngen der Hirnrinde, welche auf die Verwandlung der obersten lUndenschieht 
in ein verdicktes, derbes und faseriges Gewebe znrflckzufähren sind. Während « 
sich in diesen Fällen wahrscheinlich um eine primäre Erkrankung des St&tigewob« 
und eine secundäre Erkrankung der nervösen Elemente bandelt, d&rfte bri der 
progressiven Paralyse der Schwund der Associationsfasem das Primäre, die Vor* 
änderung des Stotzgewebes das Secundäre sein; in den beiden angefOhrten Filleo 
müsse — bei so hochgradiger Veränderung des Stützgewebee — der Faserachwond 
ein beträchtlicherer sein, nm an eine primäre Erkrankung der nervösen Elemente 
denken zu können. Es handelt mch hier vielmehr nm „eine im frühen Lebensalter, 
event. noch während des fötalen Lebens entstandene chronische Entwickelungsstönmg, 
die durch eine Wucherung der Neurogliazellen und secundäre Schädigui^; dm* anderen 
Oewebselemente der Kinde ausgezeichnet ist.** Mit diesen Veränderungen steht die 
bei den Kranken beobachtete Intelligenzschwäche in engstem Zusammenhang, vielleicbt 
gaben dieselben auch den Anstoss zur Entwickelung der Epilepsie ab. Erwähnraa* 
werth sind noch die vom Verf. in dem einen Falle beobachteten, in ihrer Form und 
Lagerung eigentbümlichen Zellen der Hirnrinde. Kurt Mendel 


24) lie traitement de rdpUepale, de Tidiotie et d’aotrea dtata enodpha* 
liques analogues par la reseotion des gangllons oervioaox aapdeienn 
du sympathique, par A. Chipault (Gazette deshöpitanx. 1898. Nr. 16.) 

Nachdem zuerst Alexander im Jahre 1888 bei Epilepsie das obere Ganglion 
des Ualssympathicus resecirt hatte, sind noch von Kümmel, Yacksh, Jaboulaj, 


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Jonoesco ähnliche Operationen zu gleichem Zweck unternommen worden. Da der 
angestrebte Zweck der Operation der sei, der fdr den Anfall supponirten Himanämie 
and den daraus resultirenden fimährungszoständen entgegenzuwirken, hält Verf. die 
Kesection des oberen Ganglion fhr nöthig zur Beseitigung der vasuconstrictorischen 
Wirkung des Sjmpathicus. Die Operation ist ungefährlich und technisch ausser* 
ordentlich leicht. Sie ist gefolgt von leichter Temperatarsteigerung an der operlrten 
Gesichtshälfte, etwas Papillarverengerung mit geringer Ftosis und Thränenfluss; die 
Veränderungen sind so unbedeutend,tdass sie gar nicht auffallen, wenn beide Opera* 
tionen einseitig vorgenommen werden. Der Puls ist* vorübergehend leicht beschleunigt, 
ln 30 Fällen kam eine Verschlimtuerung vor, 7 Mal blieb der Zustand gleich, in 
10 Fällen wurde er gebessert, 13 Fälle wurden geheilt, doch war bei einigen der* 
selben die Beobachtungsdauer sehr kurz, erstreckte sich aber bei 2 Fällen auf 1 Jahr, 
bei 1 auf 1^3 Jahr, bei 3 auf 2 Jahr und bei 2 Fällen auf 3 Jahre. Verf. ent* 
schloss sich bei einem 15jährigen Knaben zur Operation, der seit seinem 9. Jahre 
an ausgesprochenen Anßllen und Absencen litt, die allmählich an Häufigkeit zu* 
nehmend im letzten Jahre 5—6 Mal zu einem förmlichen Status epilept. geführt 
batten; in den letzten Monaten war ein gewisser Grad von Demenz eingetreten. 
Nach der Entfernung des einen oberen Ganglion kam es zu beträchtlicher Erweiterung 
der Papille der entgegengesetzten Seite; nach der zweiten, 3 Tage später vor* 
genommenen Operation waren beide Pupillen gleich und so weit wie vorher. Seit 
dem ersten Eingriff (ca. 1 Monat) hat Pat keinon Anfall, keine Absence gehabt; 
seit der zweiten Operation hat Pat sein somnolentes cyanotisches Aussehen ver* 
loren, in seinem psychischen Verhalten ist eine auffallende Besserung eingetreten. 

B. Hatschek (Wien). 


85) Ueber die Auligaben des Pflegepersonals bei Epileptischen, von Dr. 

Wildermuth. (Irrenpflege. 1898. Nr. 11 u. 12.) 

Verf. behandelt in einer gerade der durchschnittlichen Fassungskraft des Warte* 
personale ausgezeichnet angepassten, populären Art und Weise die Symptomatolcgie 
der verschiedenen Erscheinungsformen der Epilepsie, so dass diese auch dem Ver* 
ständniss eines nicht wissenschaftlich Vorgebildeten soweit klar werden, dass er ohne 
weiteres begreifen mnss, wamm er sich den acuten nnd chronischen Aeusserungen 
der Krankheit gegenüber gerade so verhalten muss, wie es die moderne Wissenschaft 
und die Humanität erfordert Kaplan (Herzberge). 


20) A contribution to the study of tetanus, by J. Y. Gonzalez. (New York 

med. JonmaL 1898. Vol. LXVU. Nr. 9.) 

Im Anschluss an eine Schussverletzung der Tibia ehtwickelten sich neben Eiterung 
der Wunde spastische Contractionen der Fussmuskeln auf der Seite der Verletzung. 
Trotz ausgiebiger und energischer Wundbehandlung nahmen die Spasmen an Häufig¬ 
keit ID' Extensität zu, so dass der Verf. in der Annahme, eine Compression 
des Poplitealnerven verursache die Krämpfe, den Nerven durchschnitt Fuss* und 
Unterschenkel blieben jetzt frei von Contractionen, d^egen traten nunmehr Spasmen 
auf am OberscbenkeL 

Innerliche Mittel blieben erfolglos. Verf., nicht überzeugt dass Tetanus vorliege, 
schritt zur Amputation des Oberschenkels im mittleren Drittel. Einige Tage später 
Spannung (Spasmen) der Banchmuskeln, hartnäckige Verstopfung, zeitweise Delirien, 
dann rapide Besserung und Genesung. Verf. betont als besonders auffallend die Ab* 
Wesenheit von Trismus und Episthotonus, die Contractioneu einzelner Banchmuskeln, 
die Einseitigkeit der Spasmen, die lange Krankheitsdauer (ca. 40 Tage). 

Die Kürze der Mittheilung erschwert ein Urtheil über diesen nach jeder Rieh* 
taug stark merkwürdigen Fall. R. Pfeiffer (Cassel). 

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27) A oaM of tetanuft, by Eudis«Jicinsky. (New York med. Journal. 1897. 

Vol. LXVI. Nr. 20.) 

In einem peracuten Falle von traumatischem Tetanus blieben die grflndliche 
Reinigaog und antiseptische Behandlung der Wunde, sowie die medicamentöse Be¬ 
handlung (Bromkali, Chloroformnarkose während der Anß.Ue, Morphium, zeitweise 
Stimulantien) erfolglos. Es worden nun an 6 aufeinanderfolgenden Tagen jo 10 ccm 
Antitosinserum eingespritzt, daneben die Wundbehandlung und (nach Bedarf) die 
Chloroforminhalationen fortgesetzt. Die AnföUe begannen nach der ersten Injection 
an Zahl, Intensität und Dauer abzunehmen; es trat Denesong ein. Interessant war 
in diesem Falle eine während der Antitoxinbehandlung eintretende, wohl durch die 
allgemeine Schwäche begünstigte Soorentwickelung im Munde, welche unter localer 
Behandlung und gleichzeitiger Darreichung von Tonica zorfickging. 

B. Pfeiffer (Cassel). 


28) Zur Trage des rhenmatisoheii Tetanus und der Tetanns'AnMtozin- 

betumdlung, von Dr. Ferd. Steiner. (Wiener klin. Wochenschr. 1897. 

Nr. 36.) 

I. 88jähr. Oescbäftsdiener. Auftreten des Tetanus einige Tage nach einer von 
Schnupfen gefolgten heftigen Dnrchnässung. Bei Tag und Nacht häufig sich wieder* 
holende Faroxysmen. Trotz Salicyl-, Chloral-, Sulfonal- und Horphiumbehandlnng 
keine Besserung. Nach ca. 3 Wochen vom B^nn der Krankheit an schleudert Fat. 
bei einem heftigen Niessacte eine 3 cm lange und Eieinfingerdicke eitrige Borke aus 
der Nase. Darauf rasches Zurückgehen der Symptome. 9 Tage später wird Fat 
geheilt entlassen. 

Vielleicht erfolgte in diesem Falle die Infection von oberflächlichen Excoriationen 
an der Nasenscbleimhaut aus, die in Folge des Schnupfens aufgetreten waren und 
wahrscheinlich vermittelst der staubbeschmntzten Finger des Fat. 

U. 25jähr. Gürtlergeselle. Erstes Auftreten der Symptome einige Tage nach 
Spaltung eines Panaritiums. Die allgemeine Muskelstarre von häufigen Krampf* 
paroxysmen unterbrochen. Die Remissionen dauern nur 10—30 Minuten. Chloral, 
Sulfonal, Morphium erfolglos. 3 Tage nach der Aulhabme (am 8. Erankheitstage) 
werden 1,125,000 Immunitätseinheiten Tizzoni’schen Antitoxins, d. i. die halbe 
Portion (2,25 g) der im Handel erhältlichen Fläschchen mit Trockenserum in 10 ccm 
sterilisirtem Wasser gelüst dem Fat. injicirt Stunde später subjectives Wohl¬ 
befinden, Anfhören der Schweisse und der Schmerzen, Nachlassen der Starre. Am 
nächsten Tage abortiver Anfall. Injection von 300,000 Immnnitätseinheiten (=0,6 g 
Trockensubstanz). Tags darauf nach einem abortiven Anfall der Best injicirt 
(825,000 Immnoitätseinbeiten = 1,65 g Trockensubstanz). Am nächsten Tage noch 
einige Ao^le wie tags vorher, durch 2 Wochen noch leichte Rigidität der Vorder¬ 
arme und der Adductoren der Oberschenkel mit Schmerzhaftigkeit der Ischiadici. 

Das rasche Nachlassen der Scbweissproduction und der gehäuften Paroxysmen, 
das snbjective Wohlbefinden und der Eintritt von Schlaf im unmittelbaren Anschlnsse 
an die Injection beweisen wohl deren heilenden Einfiuss. Verf. räth Übrigens, die 
doppelte Dosis von Antitoxin, also 2Flä8chchen anzuwenden, und davon das 1.Fläschchen 
auf ein Mal zn injiciren. 

Zum Scblnsse tritt Verf. noch für die combiuirte Behandlung ein: neben der 
Injection reichliche FlQssigkeitszufuhr, Chloral, Morphium u. s. w. and Deeinfectiop 
der Infectionsstelle. J. Sorgo (Wien). 


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30) A oase of oephalio, dyspliagie, or hydropboblo tetanas, by Ernst 

Maylard. (Glasgow med. Joomal. 1898. March.) 

Yerf. berichtet aber einen Fall von Tetanus, der sich an eine unbedeutende 
Verletzung der linken Kopfbälfte anschloss. 6 Tt^e nach dem Trauma Schwierigkeit 
beim OetEnen des Hundes, allgemeine Mattigkeit; seit dem 13. Tage nach der Ver* 
letzung anfallsweise heftige Dyspnoe, Schluckkrämpfe bei jedem Versuch, etwas zu 
sch zu nehmen; tonische Krämpfe der rechten, Lähmung der linken Gesichtsseite, 
später auch Krämpfe der rechtsseitigen Halsmuskulatur. Am 18. Tage Exitus. Verf. 
hebt besonders hervor, dass fast ausschliesslich die Kopf«, Hals-, Kehlkopf- und 
Schlnndmuskulatnr ergriffen war. Kaplan (Herzberge). 


30) lieber einen Fall von Kopftetanne» von A. Solmsen. Aus dem Stadt* 
lazareth in Danzig (Oberarzt: San.-Bath Dr. Freimutb). (Deutsche med. 
Wochenschr. 1897. Nr. 46.) 

Kurze Uittheilung eines relativ leichten Falles von Kopftetanus mit Parese des 
rechten Facialis, wobei der rechte M. orbicularis im Zustande tonischer Erregung war. 

B. Pfeiffer (Cassel). 


Psychiatrie. 

31) Paychoaes post-opöratolrea. Sdance de la Soci^t6 de Chimigie. (Progr^ 
ffidd. 1898. S. 204 u. 301.) 

Die seitens Chirurgen und Frauenoperateuren angeregte Discussion ergab kaum 
neoaa; doch sei folgendes Hauptsächlichste kurz angefährt: 

Wenn man von den toxischen (Anaesthetica, Alkohol und Jodoform) und den 
infe<^i58en Delirien (Septicämie) absieht, kommen wirkliche Psychosen äusserst seltmi 
im Anschluss und als Folge von Operationen vor. ln den ^ermeisten Fällen sind 
es prädisponirte, nenropathische Individuen, die zudem meist an Hysterie leiden. 

M. Hartmann schl^ vor, mehr wie bisher auf deo psychischen Zustand Bück- 
sicht zu nehmen und die seelischen Einflüsse möglichst zu vermindern. Kontier 
sah Fälle von Yerfo^ngswahn und auch einmal von Agoraphobie. M. Bouilly will 
zwischen Individnen unterschieden wissen, die sensu stricto hysterisch sind, und 
solchen, die in Folge eines Genitalleidens an Hysterie erkrankt sind. Während 
erstere durch Operationen kränker werden, können letztere durch operative Entfernung 
der kranken Organe wesentlich gebessert werden. Er habe in seiner gynäkologischen 
Praxis bezüglich dieser zwei Unterschiede mehrere Erfolge zu verzeichnen gehabt 

Adolf Passow (Strassbarg L/E.). 


32) Les psyohoses de la vieillesse, par Dr. Ant Bitti, Mödecin de la maison 
nationale de Charenton. (Bordeaux. G. Gounonilhoo.) 

Verf. erörtert zunächst das Geschichtliche der Psychosen des Greisenalters 
und stellt fest dass Pinel und Esqnirol zu Anfang des Jahrhunderts aus der 
Menge der Geisteskrankheiten zuerst die senile Demenz herausgehoben haben, dass 
Esqnirol sogar schon das Vorkommen manischer Anfölle bei Greisen festgestellt hat. 

Uandsley hat dann mehrere Jahrzehnte später die senile Melancholie be¬ 
schrieben und Wille hat 1873 eine Monographie der Psychosen des Alters verfasst 
Thnen 8chl<«8en sich die Arbeiten von Weiss und FOrstner an. Förstner hat 
die Häufigkeit der Verworrenheit (la confusion mentale) im Greisenalter nach- 
gewiesen. Andere haben Fälle von dölire systömatieö im hohen Alter veröffentlicht. 

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Yerf. fand hier noch la folie InstinctiTe (Kleptomanie, ErotUme, ExhibitionoisiDe), 
ebenso das circoläre Irresein nnd die Hysterie. 

Verf. geht non aaf diese einzelnen psychischen Erkrankungen des Näheren ein: 
Bei der Manie der Greise finden sich die verschiedenen Grade zwischen excitation 
maniaque bis znr manie avec fureur. Die motorische Erregung pfiegt sehr starh 
ausgebildet, der Ideeenreichthum gering zu sein. Erotische Tendenzen herrschen vor. 
Die Manie kann heilen, chronisch werden, zum Tode führen oder in Demenz über* 
gehen. 

La mälancolie simple erscheint beim Greise weniger tief und weniger an* 
haltend. Hypochondrische Ideeen sind häufig. Gew5hnlich ist die Willenskraft ge* 
schwächt, trotzdem werden aber plötzlich gewaltthatige Acte an sich und Anderen 
ausgeführt. Ausgang in Heilung ist nicht selten. 

La mälancolie anxieuse wird im Anschluss an die Darstellung von 
Maudsley wiedergegeben; ihre Prognose stellt der Yerf. etwas günstiger als der 
englische Autor. 

Interessant sind die den statistischen Untersuchungen Dr. Soquet’s entnommeneD 
Zahlen über den Selbstmord in Frankreich. Hiernach kamen von 1835 — 1880 
in Frankreich 191,288 Selbstmorde vor, von denen 48,931 Personen Über 60 Jahre 
betrafen, und zwar 38,033 Männer und 10,898 Frauen. Im Jahre 1891 entfielen 
nach dem Bericht der Criminaljustizverwaltung von 8884 Selbstmorden in Frankreich 
2854 auf Individuen über 60 Jahre, und zwar 2300 auf Greise, 554 auf Greisinnen. 

Yon folie circulaire wird ein Fall mitgetheilt, der im 70. Jahre einsetzte; 
früher sollen hier auch keine leichten Anfälle vorhanden gewesen sein. 

La confusion mentale der Greise kann heilen, sich bessern, unheilbar werden 
oder in Tod ausgehen. Die Krankheit scheint in directer Beziehung zu Erkranknugen 
des Arteriensystems zu stehen. 

Betreffs des ddlire systämatisd erwähnt Yerf., dass er Fälle von Verfolgungs* 
wahn, wie von Grössenwahn im Greisenalter kennen gelernt hat Er erinnert an 
Feuersbrünste, die durch Kranke mit Yerfolgungswahn bei ihrem nächtlichen Umher* 
lenchten in der Wohnung hervorgerufen worden sind, und macht darauf aufmerksam, 
dass Fürstner einen Zusammenhang zwischen Yerfolgungswahn mit Gehörshailo* 
cinationen und Schwerhörigkeit, und Lasögue zwischen Verfolgungswahn mit Gesichte* 
hallucinationen und der Einwirkung toxischer Substanzen in einigen E^en festgestellt 
bat Ueber die Beurtfaeilung des vom Yerf. citirten Falles von Grössenwahn im 
Greisenalter hat Referent seine abweichende Meinung schon früher im Neorolog. 
Centralbl. 1896. S. 742 niedei^elegt 

Unter folie morale ou instinctive versteht Yerf. einen pathologischen Zu* 
stand, der in einem oft unwiderstehlichen Drang zu tadelnswerthen und geföhrlichen 
Handlungen sein Wesen haben soll. Er bat diesen Zustand bei Greisen beobachtet, 
die früher niemals eine moralische Störung gezeigt haben. Die Handlungen bestanden 
in Kleptomanie, in der Sucht, Menschen zu tödten und namentlich in Yerirrungen 
du sens gdnital (amour platonique, salacit^, exhibitionnissme). 

Das Auftreten von folie hystärique im Greisenalter wurde von Fleury 
beobachtet. Anästhesieen fanden sich hier selten, hysterogene Zonen häufig. Schmerz* 
hafte und spasmodische Phänomene der Eingeweide waren sehr intensiv. 

Die Arbeit des Yerf.’s bringt, wie wir berichtet zu haben glauben, mancherlei 
Neues und Interessantes. Sehr fein durchdacht ist u. A. das Kapitel über die 
Psychologie des Greisenalters. — Noch eins sei zum Schlüsse bemerkt: Wenn der 
Yerf. die einfache Altersdemenz in der vorliegenden Abhandlung auch nicht beschreibt, 
so glauben wir uns doch wohl in Uebereinstimmung mit ihm zu befinden, wenn wir 
annehmen, dass er ausser den von ihm dai^estellten, durch die späte Zeit des Auf* 
tretens in einigen Zügen charakteristisch geerbten Psychosen noch die Dementia 
senilis anerkennt; ist diese Krankheit doch scharf cbarakterisirt durch allmähliche 


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Aboabme des Gedächtnisses, Neigung zam Fabuliren, Unfähigkeit zur Verarbeitung 
und Au^assung neuer EindrQcke, Urtheilsscbwäche, Zerfahrenheit, Verwirrtheit, Ver* 
ödung des GemOthslebens, augenblickliche Erregbarkeit u. s. w. 

Als Ursachen der Psychosen im Greisenalter werden vererbte Prädisposition 
(anticipirte Vererbung!), organische Transformationen durch das Alter und Gelegenheits- 
Ursachen angegeben. 

Einen sehr interessanten Abschnitt der Abhandlung bildet das Kapitel, welches 
der Frage nach der etwaigen Veränderung des Geisteszustandes der vorher geistig 
erkrankten Patienten im Greisenalter gewidmet ist. Verf. kommt zu dem Resultat, 
dass diejenigen Geisteskranken, die nach einer lange in psychischer Krankheit ver* 
brachten Existenz das Greisenalter erreichen, im Allgemeinen neben ihrer Psychose 
ihre Intelligenz boibehalten. 

Wie so oft in französischen Arbeiten, finden wir auch in der vorliegenden 
anerkennenswerth erweise eine Besprechung der Beziehungen zwischen den in Bede 
stehenden Psychosen und der forensischen Hedicin, die die Zurechnnngs*, wie 
die Dispositionsiahigkeit eingehend behandelt. Auch hier wird der erotischen Nei¬ 
gungen geisteskranker Greise gedacht, die ihre Erben durch Eingehen später Ehen 
schädigen, die wegen dieser Neigungen ausgebeutet werden, namentlich auch betreffs 
ihrer testamentarischen Dispositionen. Georg llberg (Sonnenstein). 


33) Izuanlty of the different periods of life. Evolutional and Involntional 

typee, by John T. Maclachlan, U. D. (Glaf^ow medic. Joum. 1897. March.) 

Drei Perioden sind besonders bevorzugt beim Ausbruch von Geisteskrankheiten: 
Pubertät, Klimakterium und Greisenalter. Während der Pubertät entwickelt sich der 
Sexaalapparat rapide; dieser Vorgang bietet Gelegenheit zu mannigfachen Störungen 
des Nervensystems. Das Individuum wird mehr altruistisch und seine Hanptbestim- 
mnng, welche früher in seiner eigenen Person concentrirt war, concentrirt sich jetzt 
um Andere, ausserdem nehmen religiöse und sexuelle Vorstellungen die Psyche ein. 
Knaben unterliegen in dieser Periode eher geistigen Störungen als Mädchen, welch 
letztere in dem Bestehen der Menses ein gewisses Sicherheitsventil zu haben scheinen. 
Sexuelle Störungen sind meistentheils bei Psychosen dieser Art vorhanden, besonders 
Masturbation. Die Patienten sind ruhig und düster und führen ein abstraktes Leben. 
Hauptzweck der Behandlung muss daher sein, sie aus der Welt der Träume zu harter 
Muskelarbeit und zur Wirklichkeit zurückzufübren. Körperlich sehen die Patienten 
gewöhnlich blass und „überwacht“ ans. Der Ausbruch der geistigen Störungen 
der Adolescenz hat gewöhnlich die Form einer Manie, während der die Patienten 
sehr aggressiv und oft gemeingefährlich besonders gegen ihre Familie und die ihnen 
Nahestehenden sind. GehÖrshallucinationen sind fast immer vorhanden, ebenso plötz¬ 
liche impulsive Handlungen. Wenn die Psychose in Form einer Melancholie aus¬ 
bricht, besteht Neigung zum Selbstmord, der besonders in dieser Form oft stark 
ausgesprochen ist; ausserdem bestehen Nahrungsverweigerung, GehÖrshallucinationen 
und seltener Gesichtshallucinationen. Gewichtszunahme gilt als ausgezeichnetes Zeichen 
der Besserung. Die Behandlung soll demzufolge auch in reichlicher Ernährung be¬ 
stehen. Die Masturbation erfordert besondere Berücksichtigui^. 

Die Geisteskrankheiten des Klimakteriums treten zwischen dem 40. und 60. Jahr 
auf. Häufig bestehen um diese Zeit bei den Patientinnen Kopfcongestiouen, Geräusche 
in den Ohren, Kopfschmerzen, neuralgische und Verdauungsstörungen mannigfacher 
Art, häufig mit Verlust der geistigen Stabilität: das sind Wamungezeicheu. Bricht 
in dieser Periode Geisteskrankheit aus, so ist sie charakterisirt durch anhaltende 
und tief eingewurzelte Wahnvorstellungen, und die Prognose ist daher ungQnstig. 
Etwas sehr Gewöhnliches sind subacnte maniakalische Anfälle, die in einer gewissen 
Periodicität auftreten und dadurch mit dem Aufhören der Menses in Verbindung zu 


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Bein scheinen. Aach hier sind Gehörs* und GeruchshaUücinationen nicht selten. Die 
Behandlang muss besonders die Umstände berücksichtigen, unter denen die Psychose 
ausbrach. Leichte Muskelbewegung, Beschäftigung im Bause sind empfehlenswerth. 
Intern giebt man Furgativa, Brom und Tonica. Die Mehrz^l derartiger Patienteo 
wird übrigens wegen der Neigung zum Selbstmord in Änstaltsbehandlung kommen. 
Bei Männern nimmt die Psychose in dieser Altersperiode oft eine hypochondrische 
Form an mit mannigfachen krankhaften Vorstellungen betreffs der EÖrperorgana 
Häufig ist Mastkurbehandlung oder künstliche Ernährung nothwendig. 

Die senilen Psychosen brechen gewöhnlich bei Personen Über 60 Jahren am 
und sind besonders mit organischen Veränderungen am Herzen und an den Oe&s«i 
verbunden. Von den letzteren Veränderungen hängt auch wahrscheinlich die Atrophie 
der Hirnrinde ab. Die Hauptsjmptome sind Verlust des Gedächtnisses, besonders 
für frische Ereignisse, kindisches Benehmen. Somatisch treten die Zeichen einer 
schlechten Girculation zu Tage. Allmählich werden die Patienten dementer, der Tod 
tritt entweder ein durch Hirnblutung, durch Erschöpfung, oder durch eine Lungen* 
affecUon. Nicht selten besteht geringer Eiweissgehalt im Urin. Streng zu trennen 
ist diese Form Ton der Demenz, welche bei alten Geisteskranken auftritt 

Paul Schuster. 


34) On arrested development and Llttle’s diaeaee, by William G. Spiller, 
M. D. (Journal of nervons and mental disease. XXV. 1898. Febr. S. 81.) 
Verf. bespricht einen Fall von Idiotie, in dem Dr. Keen die Craniektomie auf 
der linken Schädelhälfte im Alter von 19 Monaten und 3 Monate später dieselbe 
Operation rechts ausgefflhrt hatte. Das Kind war ein rechtzeitig geborenes Mädchen 
von gesunden Eltern zeigte aber s(^leich einen anffallend kleinen Kopf und eine 
bereits geschlossene Stimfontanelle. Im Alter von 19 Monaten besass es einen Eopf- 
umfang von nur 360 mm; es konnte weder sitzen noch stehen, zeigte Contraccoren 
der Fussflexoren, Fehlen der Patellarreflexe nnd war sonst völlig idiotisch. 

Im Alter von 6 Jahren starb das Kind plötzlich. Die Operationen hatten keine 
wesentliche Besserung in dem gesammten Zustande herbeigeführt trotz der sorg* 
fältb^en Pflege in einer Idiotenanstalt. Aus dem mikroskopischem Himbefunde ^ 
hier nur zu erwähnen, dass in den motorischen Centren, nnd besonders im Para* 
centrallappen die charakteristischen Riesenzellen fast vollsündig fehlten. Abgea^eu 
von der Kleinheit des gesammten Centralnervensystems war es wohlgebildet. 

Dr. Keen giebt im Anschluss noch einen Ueberblick über die 18 von ihm 
operativ (durch lineare Cianiektomie) behandelten Fälle von Idiotie. Es starben 
5 = 21,7 ^/q. 6 Kinder wurden gebessert, bei 7 war kein Erfolg zu bemerken. Er 
hat operirt bei Kindern im Alter von 18 Monaten bis zu 6 Jahren. Bei älteren 
Kindern, und dann bei Mikrocephalen höheren Grades Überhaupt, nimmt Verf. auf 
Grund seiner Erfahrungen von einer Operation Abstand. An letztere muss immw 
eine sehr soigfältige Erziehung in einer Idiotenanstalt angeschlossen werden. 

Sommer (AUenb^). 


Therapie. 

36) Die Behandlung der tuberoulösen Wirbelentsündung auf Gnmd von 
700 Fällen, von Prof. Dollinger. (Stuttgart. 1896. Enke.) 

Indem Verf. bereits im Jahre 1892 seine Erfahrungen Über die Behandlung 
tuberculöser Gelenke veröffentlicht hat und dort hervorhob, dass er dieselben all¬ 
mählich mit der Hand redressirt ohne Distractionsapparate und das erreichte Besultat 
mit Gypsverband, später mit einer abnehmbaren immobilisirenden Kapsel öxirt, be¬ 
zweckt er in dieser Arbeit zn demonstriren, in welcher Weise er das Prinap d& 
continuirlichen Fiximng auf die Behandlung der WirbelentzQndnng erstreckt. 


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Haaptziele der Behandlung sind; 

1. Aolhebung der Entzflndung und des Schmerzes durch Fixirung bei Tag 
mittelst eines Mieders, bei Nacht durch einen Lagerungsapparat, welche beide nach 
emem Gypsmodeli angefertigt werden, 

2. die Verkrttnunung zu Terhindem durch zweckmässige Unterstützung der 
kranken Wirbelsänle. 

Betrefe der sinnreich constmirten Apparate and anderer hauptsächlich Chirurgen 
mteressirmder Thatsachen müssen wir anf das lesenswerthe Original verweisen und 
OOS auf die Lähmnngen beschränken. Von den 700 Kranken des Verf. waren 41 
gelihnt Davon entWlen auf den Halstheil 4, auf den Brusttheil 37. Die Spondylitis- 
lähmnng wird, wie allbekannt, selten von der durch die Verkrümmung verursachten 
Terengerung des Wirbelcanals verursacht, sondern in einer Hälfte der Fälle durch den 
das Bückenmark blutarm machenden Druck des epidnralen tnberoulösen Exsudats, in 
der anderen Hälfte durch das Oedem des Bückenmarks, welches das die Lymph- 
itrdmoDg behindernde Exsudat hervomifL Sobald das Exsudat resorbirt ist, kehrt 
die Leistungsfähigkeit des Bückenmarks wieder zurück, besteht es hingegen längere 
Zeit, so entsteht Rflckenmarkssklerose und die Lähmung wird eine beständige. 

Indem die operative Entfernung der Granulationen und des Exsudats den Er¬ 
wartungen gar nicht entsprach, und indem Verf. durch die oben kurz erwähnte 
Beban(Üang bei anderen tubercnlOs erkrankten Gelenken glänzende Erfolge zu ver¬ 
zeichnen hatte, lag der Gedanke nahe, dasselbe Frincip auf die Wirbelsäule zu 
übertragen. Von den 41 gelähmten Fat. konnte Verf. nur 15 bis zu Ende beobachten; 
von diesen sind mittelst seiner Behandlungsweise 13 gänzlich geheilt 0. 


36) Zar operattven Behandlong der Spina bifida oooulta, von H. Maass. 

Demonstration in der freien Vereinigung der Chirurgen Berlins am 12. Juli 1897. 

(Deutsche med. Wochenschr. 1897. Nr. 47.) 

Das Sjähr. Mädchen stammt ans gesunder Familie: die Geburt war normal, die 
anfängliche Entwickelung gut. Im 3. Monat bemerkt die Mutter, dass die ^ine 
des Kindes stark gespreizt, nach aussen rotirt gehalten und fast gamicht bewegt 
wnrdmi; der linke Fass soU von früh an blauroth verßrbt und kühl gewesen sein. 
Das Kind begann gegen Ende des 2. Jahres die ersten Gehversuche zu machen, 
konnte sich aber nie aufrecht halten, ohne unter den Armen gestützt zu werden; 
lisae man es los, so fiel es sofort hin. 

Status (5. October): Gesund aussehendes Kind ohne nachweisbare Bachitie. 
Innere Oi^ne gesund. Am Bücken eine die Lendenwirbelsäule überdeckende, flache, 
rundliche Geschwulst von ca. 8 cm Durchmesser, die seit der Geburt besteht und 
von normaler Haut bedeckt ist. Circumskripte Hypertrichosis oberhalb der Geschwulst 
in Höhe des 12. Brustwirbels. Unter dem Haarbüschel fühlt man am 12. Brust¬ 
wirbel genau median einen Defect des betreffenden Wirbelb<^ens von ca. 1 cm Breite 
und seitlich die Domfortsatzhöcker der beiden getrennten Bogentbeile, Weiter ab¬ 
wärts ist die Falpation durch die Geschwulst unmöglich. — Keine weiteren Miss¬ 
bildungen. In Horizontallage sind die Beine in den Hüftgelenken abducirt und nach 
aussen rotirt; links etwas Genu valgum, beiderseits starker Fes va^^, links ausser¬ 
dem leidite Equinnsstellung. Verkürzung des linken Unterschenkels und Fasses, die 
Haut daselbst kühl, marmorirt, blauroth. Störung der Motilität an beiden Beinen, 
besonders links, starke spastische Widerstände bei passiven Bewegungen, Andeutung 
des rechten, Fehlen des linken Fatellarreflexes. Grobe Sensibilität erhalten, elek¬ 
trische Beaction prompt 

In Bücksicht auf die Thatsache, dass bei Spina bifida occulta organische 
Läsionen des Bückenmarks, besonders Bildungsstörungen vollkommen fehlen, die 
eventuell vorhandenen nervösen Störungen lediglich auf einer Drucklähmung der 


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intacten HeduUa spinalis bezw. Cauda eqnina berohen kSnoen, und auf den operativ 
geheilten Fall von Jones wurde die Operation vorgescblagen und am 15./XII. 1896 
ausgefQbrt. Nach Loslösnng eines bogenförmigen Hautlappens und Exstirpation der 
Geschwulst (Lipom) ISsst sich der Wirbelspalt gut abtasten: er reicht vom untersten 
Brust- bis obersten Ereuzbeinwirbel und klafft in der Mitte fast 3 cm und ist durch 
eine fibrös-muskulöse Platte abgeschlossen, welche in der Mitte eine tiefe horizontale 
und je eine seichtere Forche lateralwärts aofweist. — Spaltung des Bandes nahe 
seiner linksseitigen Insertion, bis sich die Furchen vollkommen ansgleicbem Glatte 
Wundheilung. Erhebliche Besserung der Stellung und Motilität der unteren Extre¬ 
mitäten: die spastischen Widerstände sind vollkommen geschwunden, 
das Kind ist stundenlang auf den Beinen ohne binzufallen. Die 
trophischen Störungen sind dagegen eher in Zunahme begriffen, es lag also wahr¬ 
scheinlich keine reine Compressionsmyelitis vor (Fehlen der Patellarrefiexe!). sondern 
es besteht eine — wenn auch geringfügige — organische I>ä8ion der Centralorgane. 

Das Operationsresnltat ist gflnstig und fordert — ebenso wie der Jones’sche 
Fall — zu einem gleichen Vorgehen in ähnlichen Fällen auf. 

B. Pfeiffer (Cassel). 


37) TTeber BewegnngstlierBpie bei Erkrankungen des Nervensystems, von 

Prof. Goldscheider. Aus dem städtischen Erankenbaose Moabit in Berlin. 

Vortrag, gehalten in den Sitzungen des Vereins ffir innere Medicin vom 6. und 

13. December 1897. (Deutsche med. Wochenschr. 1898.) 

Zweck des sehr gehaltvollen Vortrags ist, das Interesse der Praktiker auf die 
Bewegui^theorie hinzulenken: „sie stellt ein weites Feld wirksamer Be- 
thätigung für den Arzt dar; sie erfordert keine specialistischen Kennt¬ 
nisse, jeder Arzt ist nach den gegebenen Anweisungen im Stande, sie 
auszuüben; mögen die Aerzte eich nicht von geschäftigen Naturärzten 
diese Methode entreiseen lassen.“ — Bei paraplectiseheu oder sehr herunter¬ 
gekommenen Tabikern ist grosse Vorsicht nöthig, oh erst vor Einleitung der Kur 
die Ernährung zu heben. Die Bewegungen dürfen anfangs nur gering sein, zunächst 
bei offenen, dann bei geschlossenen Augen gemacht werden, grosse Erbolungspausmi 
dazwischen treten. In leichteren Fällen ist die Verbesserung des Ganges das Wesent¬ 
liche: Geh- und Treffübungen können vielfach, unter Anderem unter Znhülfenahme 
von Apparaten, variirt werden; die Hauptsache ist Ausdauer. Wenn der Tabiker 
nicht übt, so verlernt er die Präcision der Bew^ungen. Gleichzeitig ist wichtig die 
Begnlimng des Bew^ngsmaasses; das Princip muss lauten: möglichst viel Be¬ 
wegung ohne Ueberanstrengung, mit grossen Ruhepausen. Die That- 
sache, dass Tabiker oft kein Ermüdungsgefühl haben, ist zu berücksichtigen, mangelnde 
Energie der Patienten andrerseits zu heben. — Bei vorhandener Atonie empfiehlt es 
sich, fleissig nebenher zu elektrisiren und zu massiren, ferner die Gelenke durch 
Bandagen zu stützen. Anzustreben ist eine Besserung des Muskelsinnes, der Tabiker 
soll dahin gebracht werden, dass er womöglich eine Verfeinerung in der Perception 
selbst erreicht Die Erfolge dieser auch an die Intelligenz der Kranken appellirenden 
Methode sind verschieden: in leichteren Tabesföllen nützt sie fast ohne Ausnahme 
wesentlich und kann unter Anderem selbst Paraplectische wieder gehfähig machen. — 
Die Bewegungstherapie beeinflusste günstig den Intentionstremor bei multipler 
Sklerose, den hysterischen Tremor jugendlicher, auch kindlicher Individuen, Fälle 
von Chorea und Athetose; ihre unter Anderem vorzüglichen Ergebnisse beim 
Schreibkrampf sind bekannt — Spastische Contracturen nach cerebralen 
und spinalen Lähmungen bleiben durch Bewegungstherapie ungebessert, diese wirkt 
dagegen günstig bei hysterischen Contracturen, bei der Mnskelthätigkeit 
der multiplen Sklerose. Die Spannung verringert sich hier am meisten, wenn 


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die Glieder eotlastet und die BeweguDgsn möglichst acut ausgeffihrt werden. Ausser* 
ordentlich wichtig ist bei hochgradigen Paresen und Muskelatrophieen die 
Gjmnastik im Wasserhade, welchem zweckmässig Salz zugesetzt wird, da der Auf* 
trieb mit zunehmender Concentration und höherem specifischen Gewicht des Wassers 
stärker wird. Die elektrische Bewegungstherapie bahnt den motorischen Impuls 
und wirkt dadurch erfolgreich: der Fat muss gleichzeitig mit der elektrischen Beizung 
des Nerven oder Muskels activ mitbewegen (t. Leyden). — Ausserordentliche 
Triumphe feiert die Bewegungstherapie häufig bei Neuralgieen und schmerz* 
haften Gelenkaffectionen (nach Contnsionen, abgelanfenem Gelenkrheumatis* 
mus u. 6. w.). Die Details des sehr wichtigen Vortrages sind im Originale nach* 
znlesen. B. Pfeiffer (Cassel). 


38) Ueber die compensatorische Uebungstheraple bei der Tabes dorsalis, 

von P. Jacob. Aus der L medic. Universitätsklinik in Berlin, Geb. B. v. Leyden. 

Nach einem Vortrag auf dem XII. internationalen Congress zu Moskau und 

einem Vortrag im Verein für innere Medicin in Berlin. — (Deutsche med. 

Wochenschr. 1898. Nr. 8, 9 u. 10.) 

Um den Werth der Frenkerschen Methode besser begründen zu können, bespricht 
Terf. die bei der Tabes während der letzten Decennien angewandten therapeutischen 
Methoden. Die localen Ableitungen sind beute fast völlig verlassen, höchstens 
kommen sie und zwar besonders Jodpinselnngen und Charcot's Points de fen in Be* 
tracht zur Beseitigung localer Schmerzen. Eine richtig geleitete Balneotherapie 
kann das Allgemeinbefinden bessern, die subjectiven nervösen Beschwerden mildem, 
die sensiblen Bahnen anregen; der anatomische Process bleibt unbeeinflusst. Ein 
wohlthätiger anregender Einfluss auf die Nervenfnnction kann sich auch bei einer 
vorsichtigen und sorgfältigen bydropathischen Cur bemerkbar machen. — Die 
Elektricität kann Paraesthesien, Gfirtelgefübl u. s. w. beseitigen und auf die an* 
ästhetischen Partieen erregend einwirken. Die Nervendehnung ist heute völlig 
anfgegeben, Motchutkowski’s Suspensionsmethode flberflOssig und daher fast 
ganz aus der Therapie verschwunden, die Nervenausdelmung durch forcirte Dehnung 
und Beugung des Körpers (Bonuzzi, Blondel, Benedict) zu verwerfen. Die 
Methode von Gilles de la Tonrette nnd Chipault ist zeitig nicht definitiv zu be* 
urtheilen. — Hessing ev. Paschen’sche Corsets können möglicher Weise einer 
stärkeren Erschlaffnng der BQckenmoskeln entgegen arbeiten und dem Kranken einen 
besseren Halt geben. Die medicamentöse Therapie hat ansserordentlich viele 
Enttäoschnngen gebracht. Was Quecksilber und Jodkali anlangt, so „geben selbst 
die eifrigsten Verfechter der Lehre von dem Zusammenhang der Tabes 
nnd Syphilis fast sämmtlich zu, dass eine wesentliche, bezw. specifische 
Besserung der Böckenmarksymptome durch die antiluetische Therapie 
nicht zu erzielen sei.“ Das Anrathen der Cur ist bequem, helfen wird sie aber 
niemals, geschweige den anatomischen Process zur Heilung führen, oft dagegen den 
Kranken schwächen. Die angeblichen Erfolge mit Sperminbehandlung sind wohl 
bei streng wissenschaftlicher Kritik sehr einzuschränken. Die hygienisch*diäte* 
tischen Maassnahmen sind sehr wichtig, gleichen aber den bei anderen chronischen 
Krankheiten angewandten. Wir besitzen kein Speciflcnm, können ein solches auch 
kaum von der Zukunft erwarten, müssen daher im wesentlichen symptomatische 
Therapie treiben. Die compensatorische Uebungstheraple sucht die atactischen 
Störungen zu bessern, sie gründet sich auf die heute Qemeiugut aller Aerzte ge* 
wordene Leyden-Goldscheider’sche Theorie, die Lehre der „sensorischen Ataxie.“ 
Das Frincip der FrenkePschen Uebungen besteht darin, „in systematischer Weise 
dem Patienten, hauptsächlich unter Controlle seines Gesichtssinns, die Sicherheit in 
seinen Bewegungen wiederzugeben, welche er in Folge des Verlustes seines Be* 
wegnngssinnes, bezw. in Folge des fehler- und mangelhaften Functionirens desselben 


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verloren hat'* — sie haben mit activer und passiver Gymnastik nichts zn thnn, 
wollen vielmehr die incoordinirten Bewegungen zu coordinirten gestalten, das Gefühl 
der Unsicherheit dem Patienten nehmen, ihm Zutrauen zu sich selbst elnflöam 
Die Haoptbedingungen der Uebungstherapie sind: einmal die richtige 
und zweckmässige Einführung von Uebungen, welche zum Theil an ge* 
eigneten Apparaten vorgenommen werden müssen, zweitens ein syste* 
matischer, von kundiger Seite dem Patienten erteilter Unterricht 
Vorbedingungen sind guter Kraftezustand, ev. Correctnr fehlerhafter Stellungen durch 
passende Verbände, Schienen, Corsets. Je nach dem Grade der Ataxie müssen die 
Uebungen variiren: zur Erlernung müglichster Bxactheit und Präcision bei Ausführung 
der Bewegungen hält Vortr. im Gegensatz zu Goldscheider und Änderen Apparate 
für erforderlich und demonstrirt eine Reihe derselben (Pendel* und Gitterapparat 
Fusskegelspiel, Gehbretter, Laufbarren und Uebungstreppe). Die Uebangstherapie ist 
eine zeitraubende, keineswegs einfache, am besten von einem erfahrenen 
Nervenärzte zu leitende Methode. Niemals darf der Tabiker ohne ärztliche 
Aufsicht die Uebungen machen, niemals sich ausser in den Uebnngsstnnden viel 
allein bewegen. R. Pfeiffer (Cassel). 


S9) Beltr^ sur Qaeoksilberbehandlung der multiplen Solerose, von Wil¬ 
helm Mühsam. (Inaug.-Dissert 1897. Kiel.) 

Nach kurzer Besprechung der pathologischen Anatomie, sowie der klinischen 
Symptome der multiplen Sclerose geht Verf. zn der Therapie derselben über. Er 
berichtet über 10 Fälle, bei denen eine Schmierkur eingeleitet wurde. Bei 4 dar* 
selben wurde eine erhebliche Besserung des ganzen Zostandea, bei anderen 4 eine 
Besserung einzelner Symptome erzielt, während 2 Fälle völlig unbeeinflnsst bliebea. 
Die Sensibilitätsstörungen sind in allen Fällen, wo sie bestanden, der Quecksilber* 
bebandlung gewichen, ebenso die Kopfschmerzen und SchwindelanföUe. 

Kart Hendel. 


UL Aus den Gesellschaften. 

Verein für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 

Sitzung vom 11. Januar 1898. 

(Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 6.) 

V. Söider demonstrirt eine Fran mit der Diagnose: Aneurysmen der Basilar^ 
arterien des Gehirns. 

Die 40jährige Oekonomengattin hatte mit Ausnahme von Gelenkrhenmatismns 
keine Erkrankung überstanden; im Jahre 1891 unbestimmtes Unwohlsein, 
plötzlich Auftreten einer linksseitigen Gesichtslähmung, näselnde Sprache nnd Schling* 
lähmung. Letztere Erscheinungen schwanden nach einigen Tagen. Gleichzeitig Anf* 
treten von Rauschen auf dem linken Obre, das jetzt noch persistirt; die Hörschärfe 
nahm links allmählich ab. Seit mehreren Jahren zeitweilig anftretende Sehstörongen, 
Abnahme der Sehschärfe, Stimkopfschmerz, links stärker wie rechts. 

Status praesens: Parese des linken Facialis, Zange weicht nach rechts ab, 
hochgradige Sebstörnngen, Lichtscheu, beiderseits Stauungspapille. Beim Gehen 
scbwaukt Pat. öfter nach der Seite, die Auscultation am Kopfe ergiebt ein mnai* 
kalisches Geräusch, das rhythmisch und zwar synchron mit dem Puls anschwiUi. Es 
ist oft nur rechts von der Mittellinie an einer umschriebenen Stelle der Hinterhaupt* 
schuppe zu hören. Exspirationsdruck verstärkt das Geräusch, Compression der 
Carotiden schwächt es ah bis zum Verschwinden. Keine anderen Symptome. 

Yoria*. stellt die Diagnose auf Aneurysmen auf der Himbasis. Die snbjective 
Gehörswabmehmung dürfte anf die Compression des N. acnsticus znrfickgeffihit 


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werden, da keine Uebereinstimmnng zwischen der von der Kranken gegebenen Schil* 
derang and dem auscnltatorisch featgestellten Geräusche besteht. 

Infeld stellt einen Fall von Tabes mit centralen Senslbilit&tsdefeoten 
im Oesiobte vor. 

49jäbriger Kranker mit allen typischen Symptomen der Tabes und linksseitiger 
Hypoglossuslahmung. Hochgradige Arthropatlüe in beiden Kiefergelenken und in 
beiden Schnltei^elenken, besonders im rechten; hochgradige Störungen der Sensibilität 
an den oberen Extremitäten. Der centrale ^nsibilitätsdefect im Gesichte umfasst 
zwei Gebiete, von denen eins am Nasenrücken dem N. infratrochlearis, das andere 
am Nasenflügel einem Zweige des N. infraorbitalis, dem zweiten Trigeminusaste, ent¬ 
spricht. Die Form der Sensibilitätsstömng ist eine sehr seltene. 

Hofrath v. Krafft-Ebing; Ueber Eonmesto. 

Vortr. erinnert an hypnotische Elxperimente, bei denen es sich um suggestive 
Bückversetzung in eine frühere Lebensperiode handelte. Er habe einen ganz analogen 
Fall gesehen, in welchem die Zustände spontan anfgetreten sind. 

21jähr. Dienstmädchen, hereditär belastet, bekam 1893 nach starken Gemfiths- 
bewegnngen Lethargnsan&lle mit nachfolgendem delirantem Zustande. Concentrische 
Qesichtsfeldeinengnng, Druckpunkte. Im Anschlüsse an eine zu therapeutischen 
Zwecken nntemommene Hypnose trat ein transitorischer, psychischer Äusnahmszustand 
ein, in welchem sich die Kranke in ihr 10. Lebensjahr zurückversetzt glaubt, im 
übrigen aber lucid ist; für alles, was sich nach ihrem 10. Lebensjahre zugetragen 
bat, ist ihre Erinnerung vollständig ansgelöscht, für jene Lebensphase und weiter 
rückwärts aber vollkommen prompt Solche Zustände von Ecmnesie wiederholten 
sich oft im Anschlüsse an Lethargns oder Hypnose. Ausbleiben der Anfälle nach 
hypnotischer Behandlung. Seit kurzem nach Gemüthsbewegnngen hysterische Attaquen, 
aber keine spontanen ecmnestischen Zustände; dieselben lassen sich aber durch 
Suggestion in Hypnose hervorrnfen. 

Vortr. demonstrirt diesen Znstand an der Kranken und knüpft daran allgemeine 
Ausführungen Über Ecmnesie. (Wird ausführlich an anderem Orte veröffentlicht.) 


Sitzung vom 8. Februar 1898. 

(Wiener klin. Wochenscbr. 1898. Nr. 8.) 

V. Sölder demonstrirt einen Fall von krampfhaften, associirten Mitbewegungen 
eines Oberlides bei Bulbosbewegungen. 

Bei einer 33jährigen Frau waren vor einem Jahre unter schweren cerebralen 
Allgemeinsymptomen am linken Auge Ptosis und mehrfache Augenmnskelläbmungen 
plötzlich aufgetreten, wovon sich gegenwärtig noch Parese in allen Aesten des Ocnlo* 
motorins und im Abdncens nachweisen lässt. Die vollständige Hebung des gesenkten 
Lides ist an die Adduction nnd an die intendirte Senkung des Anges geknüpft, 
ebenso der prompte Ablauf des Lidschlages. 

Elzholz: Ueber Caroinompsyohosen. 

Yortr. berichtet Über 3 Fälle von Psychosen im Endstadium cardnomatöser 
Leiden. Diese Psychosen sind sehr selten nnd in der Litteratur fast gar nicht be¬ 
rücksichtigt, besonders betont Vortr. das Fehlen jeden Hinweises auf die ätiologische 
Bedeutung des Garcinoms für Psychosen in der Litteratur der Inanitionspsychosen. 

Die 8 Fälle betreffen hereditär weder mit Geistes-, noch mit Nervenkrankheiten 
behaftete Individuen, die bis zum Ausbruche ihrer Carcinomerkrankung kein ernsteres 
Leiden durcbznmachen hatten. In dem einen Falle handelte es sich nm Carcinom 
der Lungenspitze mit secundärem der mediastinalen und bronchialen Lymphdrüsen 


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und Metastasen in der Lendenwirbelsäule ohne weitere somatische Complicationeo. 
Im 2. Falle war ein Magencarcinom mit Stenosinmg des Ductus choledochus und 
Icterus gravis, im 3. ein verjauchtes Carcinom des Bectums mit jauchiger Periproc- 
titis, Phlegmone an beiden Leistengegenden und parenchymatöse Nephritis vorhanden. 

Trotz der CompÜcationen in den beiden letken Fällen glaubt Vortr. einen Zu¬ 
sammenhang zwischen Carcinom und Psychose auch hier annebmen zu därfen, weil 
die bei Icterus gravis sonst zur Beobachtung gelangenden Psychosen anders geartet 
sind als die vorliegenden, und weil im zweiten Falle die Psychose 2 Monate vor 
dem Exitus zum Ausbruche kam, bevor sich noch Eiterungs- und Jauchungsprocease 
und Infiltrationen entwickelt hatten. In beiden Fällen wurde eine degenerative Er¬ 
krankung der hinteren Wurzeln und eine diffuse Verbreitung der degenerativen Vor¬ 
gänge in den langen Rfickenmarksbahnen constatirt. 

In allen drei Fällen wechselten Zeiten, in denen die Kranken klar oder nahezu 
klar sind, mit Phasen ab, in denen sie hochgradig verwirrt und unbesinnlich waren; 
in den Remissionen finden sich auch gewisse gemeinschaftliche Eigenthflmlichkeiten. 
Die Kranken erschienen klar, jedoch verwirren sich bei lange fortgesetztem Examen 
ihre (Gedanken, die Gedäcbtnissleistung nimmt ab, und sie versinken in einen ab¬ 
springenden, ungeordneten Gedankengang. Längere Inanspruchnahme der Aufmerk¬ 
samkeit hatte eine Ermüdung und Erschöpfung der correcten Ideeenassociation zur 
Folge; der Gmndton der Gemfltsstimmung war w^rend der Dauer der deliröaen 
Verwirrtheit ein depressiver, von zeitweiligen ängstlichen Aufregui^en accentnirter. 
Die Kranken äusserten Todesangst, Lebensüberdruss; der eine unternahm einen Selbst¬ 
mordversuch. Bezüglich des Zusammenhanges zwischen Carcinom and Psychose waren 
für im Intestinaltractos localisirte Carcinome Aatointoxicationen denkbar, für anders 
wo vorkommende Krebse könnte man an eine Aendemng des Lymphstromes, an 
übermässigen Abfluss der Lymphe aus dem Gewebe des Gehirns in die Blutbahn 
(im Sinne der Grawitz’scben Lehre) denken, dadurch würde eine Unterernährung 
des Gehirns gesetzt. 

Sternberg würde gegenüber dem vom Vortr. gegebenen Erklärungsversuche 
die Annahme einer directen Einwirkung des Carcinomgiftea auf das Cen^lnerven- 
System bevorzugen. 

Hofrath v. Krafft-Ebing äussert sich in gleichem Sinne. 

Sitzung vom 19. April 1898. 

(Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 17.) 

J. Redlich demonstrirt Präparate einer miliaren Sklerose der Hirnrinde 
bei seniler Atrophie. 

Dieselben entstammen einem Falle von vorgeschrittener seniler Demenz mit 
Sprachstörungen und epileptischen Änfällen. Die Section ergab allgemeine Hirn¬ 
atrophie ohne Erweichungsherde. Bei der mikroskopischen Untersuchung zeigten sich 
ausser den der senilen Atrophie znkommenden typischen Veränderungen (Atrophie 
der Ganglienzellen und Nervenfasern, vermehrtem Anftreten von Spinnenzellen in der 
Hirnrinde) ungemein zahlreiche, mikroskopisch kleine Verdichtuogsherde, die Vortr. 
als miliare Sklerose bezeichnet und dieselben dahin auffasst, dass nach aufgetretener 
Gliawucherung in Form feinster Fäserchen es zn Degenerationsvorgängen in der ge¬ 
wucherten Glia komme (Homogenisirnng, körniger Zerfall). Am ausgesprochensten 
waren die Veränderungen im Stirnlappen, in der Broca’schen Windung und der 
linken ersten Schläfenwindung, während sie in den Stammgsnglien, sowie überhaupt 
im Himstamm und dem Kleinhim fehlten. Dies weist anf einen gewissen Zusammen¬ 
hang zwischen den atrophischen Vorgängen an den nervösen Elementen der Rinde 
und dem Auftreten der miliaren Sklerose bin. Vortr. konnte denselben Befund in 


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minder aasgesprocbeaem Grade auch in zwei anderen Fällen von seniler Demenz 
erheben. 

Vortr. demonstrirt ferner einen Fall von Sfacher Miasblldung des unteren 
Buokenmarksendes. 

Bei einem Kinde mit Spina bifida und rechtsseitigem Elumpfuss zeigte die 
Untersuchung einen Foetus in foetn. Bei der mikroskopischen Untersuchung ergab 
sich, dass das untere Bfickenmarksende 3 fach angelegt war. Es fanden sich zwei 
annähernd regelmässig miteinander verwachsene Bückenmarke, die dem au^ewacbsenen 
Kinde angehören, wobei Zweitbeilung des BQckenmarks (Diastematomyelie) mit der 
Spina bifida zosammenhängt. Das dritte unregelmässige Bfickenmark gehört dem 
Foetus in foetu an. Vom Lendenmark nach aufwärts findet sich bloss ein Rücken* 
mark vor, dessen rechte Hälfte deutlich kleiner ist als die linke. Ein Eunstproduct 
ist absolut ausgeschlossen, da nirgends auch nur eine Andeutung von Quetschungs* 
voi^ngen vorhanden ist. 

Vortr. erörtert kurz die Frage der Abhängigkeit des angeborenen Elumpfusses 
von spinalen Veränderungen. 

S. Erben: Ueber ein Pulsphänomen bei Neurasthenie. 

Lässt man Neurastheniker niederhocken oder sich tief bücken, so setzen nach 
einigen Pulsschlägen plötzlich charakteristische Vaguspulse (verlangsamte, stark ge¬ 
spannte Pulse) ein. Nach 4—10 solchen Pulsen geht diese Verlangsamung in eine 
vorübergehende Polsbeschleunigung Über. Auch starkes Bückwärtsbeugen des Kopfes 
hat mitunter diesen Effect. Wiederholung des Versuchs macht das Phänomen zumeist 
weniger deutlich; der Ätbem darf vom Kranken nicht angehalten werden. Wahr¬ 
scheinlich wird der passagere Vagnsreiz durch das Einsetzen venöser Himhyperämie 
producirt und nicht durch mechanische Beizung des V^usstammes am Hsdse oder 
durch reflectorische Beeinflussung des Vaguscentrums vom Bauche aus. Auch die 
Erhöhung des Blutdruckes scheint nicht die Ursache der Vagusreizung zu sein. 

Das Phänomen konnte Vortr. nur bei Neurasthenikern, bei verschiedenen 
Psychosen finden, dagegen nicht bei nervengesunden Menschen, fiebernden oder ander¬ 
weitig erkrankten, auch nicht bei Morbus Basedowii und Tabes, so dass demselben 
eine differential-diagnostische Bedeutung zukommt. 

Prof. Wagner meint, dass eine reflectorische Beizung durch Blntdrucksteigerung 
vorliege, indem die Vagusendigungen im Herzen gereizt werden. Die Versuche des 
Vortr. schliessen Blotdrucksteigerung als Ursache der Pulsverlangsamnng nicht aus, 
während die an dem Kranken vorgenommenen Proceduren geeignet sind, Blutdmck- 
steigemng hervorzurnfen, und zwar durch Compression der Baucheingeweide. Die 
Versuche des Vortr. beweisen das Vorhandensein einer gesteigerten Erregbarkeit des 
Vaguscentmms. Die Art und Weise der Beizung ist nach der Ansicht W.’s eine 
reflectorische und nicht eine directe, wie auch aus den Pulscurven des Vortr. hervor¬ 
gehe, welche zeigen, dass die Pulsverlangsamnng eine vorübergehende sei. 

H. Schlesinger (Wien). 


IV. Bibliographie. 

Die Bedeutung der Beize ffir Pathologie und Therapie im Lichte der 
Neuronlehre, von Goldscbeider. (1898. Leipzig. Johann Ambrosius Barth.) 

Die vorliegende Arbeit des Verf.'s, welche sich eng anschliesst an die in früheren 
Vorträgen und Schriften von dem Verf. niedergelegten Gedanken, behandelt in einer 
Reihe von Kapiteln: die Neuronschwelle, die pathologischen Veränderungen der 
Neuronschwellen, die Beziehung der Beize zor fortschreitenden Degeneration, die 
g^enseitige Beeinflussong der im Nervensystem ablaufenden Erregungen durch 


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Bahnung and Hemmung, die Bedeutung der Beize für die Therapie, sowie die Ein¬ 
wirkung der Beize auf das Erankheitsgefflhl. 

Bisher ist das Keuron im Wesentlichen nor in seinem Charakter als anatomisch« 
Einheit betrachtet worden. Verf. geht einen Schritt weiter und betrachtet es als 
functioneile Einheit. Er fährt dabei einen neuen Begriff ein: die Nenronschwelle. 
Unter der Neuronschwelle versteht der Verf. diejenige Höhe der Erregung, welche 
in einem Neuron vorhanden sein muss, damit auf das angegliederte Nenron ein Reii 
ausgeflbt wird. Die Annahme jener Neoronschwelle bildet die Grundlage für die in 
den weiteren Kapiteln enthaltenen Änsföhrnngen. 

Nach der früheren Anschauung war man genöthigt den Widerstand, welcher f&r 
gewöhnlich der Beizverbreitung im Nervensystem Schranken setzt, auf den Act das 
Uebertretens der Erregung vom Axencylinder in die Nervenzelle zu verlegen. Jetzt 
muss man annehmen, dass der genannte Widerstand da zo suchen ist, wo die Er¬ 
regung von einem Neuron auf das andere geht. 

Es ist sicher, dass die Schwellenwerthe der Nenrone ganz verschieden sind. 
Ob sie ursprünglich von gleicher Grösse angelegt sind, entzieht sich der Beartheilang. 
Durch den Gebrauch (vorau^esetzt dass die Stärke der Err^ung nicht zo groa 
ist), verfeinert sich die Nenronschwelle: hieraof beruht das Ansschleifen einer Bahn. 
Gebahnte Neorooe leiten schneller. 

Die Fortleitung der Nervenerregung wird dorch die Höhe der NeuronschwdleB 
bestimmt. Das heisst: die Nenrone mit tiefer Schwelle werden bevorzugt, da m 
am wenigsten Widerstand bieten. Krankhafte Vertiefung der Schwelle ist Ueber- 
empfindlichkeit des Neurons: Hyperästhesie oder Hyperkinese. Normalerweise wird 
die Nenronschwelle durch die Aufmerksamkeit emieddgt. 

Die Unterempfindlichkeit der Neurone, d. i. die* Erhöhung der Nenronschwelle, 
findet sich bei Ye^iftnngen, Degenerationsprocessen, hysterischer Anästhesie vl dei^ 

ln dem Kapitel über das Trauma und die Nenronschwelle sind besonders inteh 
essant die Ausführungen betreffs der psychischen Genese vieler traumatischer Nerven¬ 
krankheiten. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass die Ansicht des VerC’s die richtige 
ist (was auch Oppenheim schon gelegentlich einer Discnssion in der Charitö- 
Gesellschaft betont bat), dass die von Charcot angenommene psychogenetiscbe Ent¬ 
wickelung jener Krankheiten für eine grosse Reibe von Fällen nicht zutrifft ln 
diesen letzteren Fällen handelt es sich vielmehr um eine unmittelbare Wirkung des 
Traumas, indem die Err^barkeit der Nenrone unmittelbar durch die Elrsohflttenmg 
alterirt und diese Erregung bis zu den Centralorganen fortgepflanzt wird. Hinzutreteo 
mag dann allerdings auch in manchen dieser Fälle noch die Entwickelung psychischer 
Störungen. 

Die nach Gehirnerschütterungen auftretende retrograde Amnesie erklärt der Veit 
durch eine directe Erschütterung und dadurch geschaffene Err^barkeitsherabsetsmig 
von cerebralen Nenronen. Am stärksten werden dabei diejenigen Neurone getroSsn, 
welche an und für sich schon eine geringe Erregbarkeit batten: das sind die wenig 
geübten. Die am wenigst geübten sind nun aber die frisch eingescbliffenen Bahnen 
für die jüngsten Gedächtnisseindiücke. (Bei dieser Erklärung macht Verf. die [aller¬ 
dings erst zu beweisende] Annahme, dass für die Festigkeit und I<ebbaftigkeit eines 
Gedäcbtnisseindrnckes, d. i. für die Höhe der Nenronschwelle der in Anspruch ge¬ 
nommenen Neurone, nur die Uebung und Einschleifnng der Neurone maas^bend sei. 
Dem widerspricht jedoch der Umstand, dass manche Gedächtnisseindrücke unabhängig 
von der Zeit ihrer Anlage und dem Grade ihrer Beprodnctions^igkeit offenbar voo 
Hause aus durch den primären Beiz viel fester angelegt sind, als andere gleichzeitig 
erworbene. Der Bef.) 

In dem Abschnitt von der Bedeutung der Beize für die Therapie bringt V^. 
eine Fülle von Beobachtungen, die zwar bisher meist gut gekannt, aber schlecht 
oder gar nicht erklärt schienen. An der Hand der neuen Erklärungen veriiem 


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jene Beobachtungen in einleochtender und zwangloser Weise ihr bisheriges Dunkel 
nnd reihen sich scheinbar von selbst ein nnter einen grossen allgemeinen Gesichts- 
pnnkt. 

Die künstlich geeetzten Hantreize werden von dem obigen Gesichtspunkte ans 
eingehend gewürdigt Dabei spricht sich Verf. gegen die Ällerweltserklämng vom 
Schaffen einer Hyperämie oder Anämie aus, ohne natürlich diese ISrklämng ganz 
missen zu wollen. Die Babnnng und Hemmung durch jene applicirten Hautreize 
sind vielmehr viel wichtigere Principien zur Erklärung ihrer therapeutischen 
Wirkungen. 

Die Behandlung durch Elektricität, durch Massage, durch Uebunga- und Com- 
pensationsverfahren verdankt einen grossen Theil ihrer physiologischen Bedeutung 
und therapeutischen Wirkung dem Gesetz der Hemmung und Bahnung durch appli- 
drte Haut- u. s. w. Reize. 

Der Raum gestattet uns nicht auf alle anderen Kapitel des geistvollen Werkes 
genügend einzugehen; besonders das Kapitel über die gegenseitige Beeinflussung der 
Reize sei jedoch einer aufmerksamen Lectüre empfohlen. 

Das vorliegende Buch wird jedem eine Quelle der Anregung bieten und ihm 
den Weg zeigen, wie eine grosse Reihe sowohl von täglich beobachteten und des¬ 
halb als „selbstverständlich** angesehenen Dingen, als auch von Symptomen seltener 
und scheinbar widersinniger oder gar scheinbar vorgetäuschter Art ihre Erklärung 
finden können. 

ln ihrer Gesammtheit bildet die Arbeit des Verf.’s einen Beitrag zu der auch 
auf anderen Gebieten der Hedicin geschehenen Rehabilitation der Empirie auf Grund 
ihrer Erklärung durch die Daten der Anatomie und Physiologie. 

Paul Schuster (Berlin). 


Die nervösen Erkrankungen der Blase, von Prof. Dr. L. >. Frankl-Hoch- 
wart und Dr. 0. Zockerkandl. (Handbuch der specielleu Pathologie und 
Therapie, von H. Nothnagel, Wien 1898. Alfred HOlder.) 

Die ungemein werthvolle Arbeit basirt anf umfangreichen eigenen Untersuchungen 
nnd der genauen Kenntniss der einschlägigen Litteratur. Die obengenannten Er- 
kranknngen werden znm ersten* Male monographisch daigestellt Die eigenen Unter- 
sncbungen der Autoren beziehen sich auf 200 Fälle von nervOsen BlasenstOrungen, 
weiche sie an der Klinik Nothnagel beobachtet haben. 

Die anatomischen Verhältnisse der Blase werden kurz auseinander gesetzt ond 
dann die Art des Verschlusses der letzteren erOrteri Die Verff. uebmen an, dass der¬ 
selbe durch permanenten Tonus des glatten Sphincter internus zu Stande kommt, 
während die quergestreiften Muskeln erst bei stärkerem Harndrang fuuctioniren. Die 
Austreibung des Harnes erfolgt durch die willkürliche Erschlaffung des Spbincters, 
die Banchpresse tritt nur nach erfolgter Eröffnung des Spbincters in Thätigkeit. Die 
Thierrersuebe der Autoren, welche in Uebereinstimmnng mit denen von Zeissl sind, 
unterstützmi diese Anschanung. Bezüglich der Lehre vom Hamdrange schliessen 
sich die Antoren der von Doyon vertretenen Anschauung an, nach welcher der 
Harndrang ein Contractionsgefühl ist. Manometrische Messungen, welche von den 
Verff. behufs des Studinms dieser Frage unternommen wurden, haben gezeigt, dass 
die erste geringe Drucksteigernng der Blasendebnung i. e. der VergrOsserung 
dee Volumens entspricht; man kann dieselbe auch an der Cadaverblase demonstriren. 
Erst die höheren Drnckwertbe entsprechen der Contraction und tritt auch mit dieser 
das Gefühl des Harndrangs auf. Zwei weitere Versuchsreihen stützen diese An¬ 
schauung und sprechen gegen die Meinung von Küss, dass der Harndrang durch 
Eindringen einzelner Tropfen aus der vollen Blase io die Pars prostatica zu Stande 
kommt und dass voo diesem Theile aus die specifiscbe Empfindung aosgelOst wird. 


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672 


Aas diesen Versachsreibeu heben wir die wichtige Thatsache hervor, dass es bei 
systematischen Untersuchungen spinaler Kranker sich zeigte, dass manche dieser 
Patienten normalen Harndrang bei mangelnder Sensibilität des genannten Harnröhren* 
antheiles hatten, und andererseits Kranke ohne Harndrang völlig normale Sensibilität 
der Pars prostatica zeigten. 

Der zweite Abschnitt behandelt die allgemeine Symptomatologie. Die Autoren 
führen die Differentialdiagnose gegenüber den localen Erkrankungen und zwischen 
den einzelnen Formen der nervösen Affectionen durch. Die Bedeutung der Schmerzen, 
die Wichtigkeit der Steigerung und der Herabsetzung des Harndrangs, die Ursachen 
der nervösen Dysurie und Harnverhaltung werden eingehend besprochen. Bei letzterer 
ASection meinen die Autoren, dass den Paresen eine grössere Bedeutung zukomme 
als dem Krampfe. 

Die Hamincontinenz wird eingehend behandelt Zuerst beschreiben die VerS. 
das paralytische Hamträufeln; neben dieser Form besteht zweifellos nach den Aus* 
führungen der Verff. bei spinalen Erkrankungen auch eine Incontinenz ohne Betention. 
Eine specielle Form der Incontinenz stellt weiterhin das unwillkürliche Abgehen 
grösserer oder geringerer Mengen von Ham; es kommt dann zumeist zu plötzlichem 
Hamdurchbruch in normalem Strahle. Dies Phänomen findet sich bei benommenen 
oder auch bei nicht benommenen Kranken. — Bei der hypertonischen Blase werden 
in Folge einer Ueberregbarkeic des Detrusors auch kleine Hammengen auf äussere 
Beize hin ausgestossen. Die Ausdrttckbarkeit der Blase wird in ihrer klinischen 
Wichtigkeit entsprechend gewürdigt. 

In dem umfangreichen speciellen Theile werden zuerst die centralen Verände¬ 
rungen, welche Blasenstörungen veranlassen, besprochen, die Lage des Blasencentrums, 
die Bedeutung der vesicalen Störungen für die Segmentdiagnose des Bückenmarkes 
klargelegt Eine wesentliche klinische Bereicherung bringt die Hittheilung von 
4 neuen, genau beobachteten Fällen von Blasenerkrankungen. An etwa 70 Fällen 
haben die Verff. das klinische Bild der Blasenerkrankungen bei Tabes dorsalis studirt 
und schildern dieselben eingehend. Hieran schliessen sich die von den Autoren er¬ 
hobenen Befunde bei progressiver Paralyse, multipler Sklerose, Syringomyelie, Häma- 
tomyelie und anderen Rückenmarkserkrankungen an. Eine kurze Uebersicht über 
die cerebralen und peripheren Blasenerkrankungen ist diesem Capitel angereiht 

Es gelangen sodann die Neurosen zur Besprechung. Von nenrasthenischen 
Blasenstörungen sind besonders die Pollakiurie und die psychische Betention hervor¬ 
zubeben, während sehr selten echte Formen der Betention zur Beobachtung gelangen; 
Harnträufeln kommt bei dieser Erkrankung nicht vor. Die hysterische Blasenstörung 
documentirt sich sehr häufig durch Harnverhaltung. — Bei der Besprechui^ der 
Enuresis nocturna stellen sich die Verff. auf den Standpunkt, dass dieselbe durch die 
Mangelhaftigkeit des Sphinctertonus zustande komme. 

In dem Capitel „Therapie“ werden die verschie<fenen Verfahren (Sondenkur, 
Elektrotherapie, Massage, hydriatische Behandlung, innere Medication) auseinander- 
gesetzt und die Indicationen zum therapeutischen Eingriffe bei den vemchiedenen 
Erkrankungen angegeben. Den Schluss der vorzüglichen Arbeit bildet eine Ueber- 
sicht der Litteratur. H. Schlesinger (Wien). 


V« Beriohtiguzig. 

In Nr. 18 d. Centralbl., S. 582, Z. 2 von unten liess: „Bergamottöl“ statt Carboi- 

xylol. 

Um Einsendung von Separatabdrücken an den Herausgeber wird gebeten. 

Einsendungen für die Redactioa sind zu richten an Prof. Dr. E. Mendel, 

Berlin, NW. Schiffbauerdamm 20. 

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sowie direct von der Verlagsbuehbandlnng. 

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Deutschen Reichs, 

1898. 

1. August. 

Nr. 15. 


Leipzig, 

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Breslau, den 5. Juli 1893. Der Magistrat. 


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3 Sanitätsrath I)r. Biiidseil. I>r. Warda, 

% früher erster Assistenzarzt tod Heim Hofratb 

^ Professor Dr. Binswaoger in Jena. 


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Näheres durch Dr. Staehly und Director Butin. » 







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Professor Dr. £. Mendel 

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direct von der Verlagsbachhandlang. 

1898. 1. Aiigast Nr. 15. 

Inhalt: I. OrigiaalmittheilungeR. 1. Die Arteriosklerose des Qehims, von Prof. 
P. J. Kovalsvsky. 2. Ueber nenröse and psychische Stönmgen bei Gommiarbeitem (Schwefel- 
kohlenstoffvergiftnng), von Dr. Rudolf Landenheimer. 8 . B^alislähmang nach epUeptischen 
Anfällen, Ton Dr. Adler. 4. Ein Fall von spinaler Monoplegie des rechten Beines, von Dr. 
Jollas Weil. 

II. Referate. Anatomie. 1. Nerrenmark- and Aiencylindertropfen, von Neumaae. 
2. Sar les ganglions sninaoz, par Cavaiuni. 3. Weitere Untersnohangen im Gebiete der 
centralen Endigongen des 10. Paares der GehimnerveD, tod Oselpow. — Experimentelle 
Physiologie. 4. Solle alterazioni delle cellole nerrose nell’ ipertermia sperimentale, per 
Lugaro. 5. Lesioni degli elementi nerrosi nelP ayellenameDto sperimentale per nitrato 
d’argento, per Donagglo. 6 . 1. Motorische Fanctionen hinterer Spinalnerrenwarseln. von 
Sfejjiach and Wioner. II. Ueber die Tiseero-motoriscben Fanctionen der Hinterwnneln and 
Bber die tonische Bemmongswirkong der Medalla oblongata auf den Darm des Frosches, 
von Steinbach. 7. Zor Frage Bber die corticalen Centra des Dickdarms, von Oatlpow. — 
Pathologische Anatomie. 8. Ueber miliare Sklerose der Hirnrinde bei seniler Atrophie, 
voo Redlich. 9. On the stmctnral alterations observed in nerve oells, by Warrlngton. 
10. Beitrag aor pathologischen Anatomie des Centralnervensystems bei der acnten Anämie, 
von Scagllosl. 11. La corteccia cerebrale di an delinqnente paranoico. Bota istologia per 
Angieletta. — Pathologie des Nervensystems. 12. L'etat aigu de la paralysie in¬ 
fantile, par Modln. 18. Alte infantile Poliomyelitis mit folgender spinaler Moskelatrophie, 
von Langnor- 14. Ueber pro^essive Moskelatrophie nach cerebraler Einderlähmong, von 
BIsping. 15. Ueber Complication spinaler Kinderläbmnng mit progressiver Moskelatrophie, 
von Hlbry. 16, Solle dlstrofie muscolari progressive, per d’Abundo. 17. Sopra oo caso 
di miopatia atrofica progressiva coo parteeipasione di xm moacolo ocolare, per Lombroso. 
18. Idiog^lossia associated with pseodo-bypertrophio paralysis, by Guthrie. 19. Amiotrofia 
idiopatica a oorso rapidissimo svolta si dorante i primi mesi della vita, per Mya e Luitaola. 
20. Beoherches histo-pathologiqoes sor Tdtat des centres nervenz daos la commotioo thora- 
ciqae et abdominale expdrimentales, par Paraicandolo. 21. Een geval van traomatische 
porencephalie, door Qrsanboom. 22. Neoroglioma cerebrale in segnito a trauma al capo, per 
Carrara. 23. Ein Fall von traomatischer, amyotrophischer Lateralsklerose am ontersten 
Tbeile des B&ckenmarks, von Qoldborg. 24. Ueber chronische ankylosirende Entzändong der 
Wirbelsäule, von Biitmler. 25. L’ostMmy^lite vertdbrale, par Chlpault. 26. Ueber „Moskel- 
Schwund** Unfallverletzter mit besonderer Berficksicbtignng der oberen Extremitäten, von 
Firgaw. 27. La contractore hystero-tranmatiqoe des massdters, par Vorhoogen. 28. Een geval 
van traumatische Hystero-epilepsie, door Jacobi en Lamberts. 29. Bicerche batteriolo^obe 
nel delirio acoto, per C. Cenl. — Therapie. 30. Bijdrag tot de kennis der thyreoidea- 
behandeling by ps^chosen, door Btjl. 31. Ueber Anwendnng von Scbilddrfisenpräparaten 
bei QeisteslorankheiteD, von Gerwsr. 

III. Ana den Gsssllachaftsn, Berliner Gesellschaft für Psychiatrie nnd Nervenkrank¬ 
heiten. — WissensobiUPÜicbe Versaromlong der Aerzte der St Petersbarger Klinik fBr Nerven- 
and Geisteskranke. 


43 


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674 


1. Originalmittheilungen. 


1. Die Arteriosklerose des Gehirns. 

Von Prtf. P. J. Eovalevsky. 

Gegenwärtig unterscheiden wir zwei Gruppen tod Krankheiten des Gehirns: 
organische und functionelle. Eine solche Eintheiliing erscheint natürlich als 
gezwungen, doch entspricht sie der Lage der Dinge, und so lange wir nicht im 
Stande sind, alle Krankheiten des Centralnervensystems auf scharfb^enzte 
organische Erkrankungen zurückzuführen, müssen wir nolens volens die Be¬ 
zeichnung „üinctionelle Leiden“ beibehalten. 

Unter den oi^anischen Krankheiten des Gehirns ist ein Theil bis auf die 
kleinsten Details erforscht; in Bezug auf den anderen d{^^en reicht unsere 
Brkenntniss kaum über die Änfangsgründe hinaus. Die Feststellung der Dia¬ 
gnose einer organischen Himerkrankung muss zweierlei Anforderungen genügen: 
die Diagnose muss eine typische und eine topische sein, d. h. zuerst müssen wir 
feststellen, welcher Art der Krankheitsprocess ist, der statthat, und dann den 
Ort genau begrenzen, auf dem sich der Process abspielt 

Eine Anzahl omanischer Gehimkrankheiten ist uns so gut bekannt, dass 
wir den Anforderungen der Diagnose nach beiden Richtungen hin genügen 
können, die Symptomatologie der anderen d^^^n ist weder in typischer noch 
topischer Hinsicht genügend erforscht Zu den ersteren gehören die Hirnblutung 
und die Neubildungen im Gehirn, weniger bekannt sind die Processe, die der 
Encephalitis zu Grunde liegen, obwohl auch die Symptomatolcgie der letzteren 
uns allmählich klarer wird, seit man angefangen bat, vom allgemeinen Bilde 
der Encephalitis die Poliencephalitis u. a. abzutrennen. Sehr wenig erforscht 
in typischer wie in topischer Beziehung sind die Atheromatose und Arterio¬ 
sklerose des Gehirns. Erst in letzter Zeit beginnt man diesen Processen m^ 
Aufmerksamkeit zuzuwenden, und es steht zu erhoffen, dass es den gemeinsamen 
Bemühungen gelingen wird, auch über dieselben Klarheit zu gewinnen. 

Eingehend mit der Arteriosklerose beschäftigt sich Gbasbst.^ Er unter¬ 
sucht die Erscheinungen des Schwindels und unterscheidet einen acuten und 
einen chronischen Schwindel. Der acute Schwindel ist sehr häufig von zufälligen 
Ursachen abhängmi so kommt er z. B. bei acuten Erkrankungen vor ms. w.; 
beim chronischen Schwindel unterscheidet Gbasset 3 Arten: den epileptischen, 
den sensorischen oder die Meniöre’sche Krankheit und den digestiven. Hierhin 
rechnet er auch den cardio-vasculären Schwindel oder den Schwindel der an 
Arteriosklerose Leidenden. In letzterem Falle beobachtet man einfachen Schwindel 


^ Gsassbt, Da vertige cardio-vascalaire oa vertage des art^oscldreoz. 1890. 


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676 


oder Schwindel gleichzeitig mit epileptiformen Ohnmachtsaofalleti. Einer der 
Patienten Gbasset’s hatte einen Pols von 25—30 Schlagen in der Minute. 
Wenn der Puls noch langsamer wurde, fiel der Patient in Ohnmacht Nach 
der Meinung G&asset’s werden diese Erscheinungen verursacht durch Arterio¬ 
sklerose des verlängerten Markes. Der Arteriosklerose geht eine Hjpertensiou 
der Gefasse vorher, welche durch langdanemden Gebrauch von Jodpräparaten 
und Amylnitrit beseitigt werden kann. 

Mbndel^ sagt u. a. bei Besprechung der verschiedenen Formen des 
Schwindels, dass bei Sklerose der Himarterien der Schwindel als erstes Zeichen 
des sich vorbereitenden Ereignisses auftrete. Bei langsamer Entwickelung der 
Arteriosklerose tritt der Schwindel später auf, bei schnellerem Entstehen kann 
er schon sehr frühzeitig bemerkt werden. Mendel empfiehlt bei Schwindel in 
Folge von Arteriosklerose anhaltenden Gebrauch von Jodkalinm und Ergotin. 

Reoib* macht auf das häufige Auftreten von Neurasthenie bei Arterio¬ 
sklerose aufinerksam, wobei die einzelnen Fälle einander sehr ähnlich sind. 
Nicht immer gelingt es in solchen Fällen die Arteriosklerose nachzuweisen, wenn 
sie sich in der präarteriellen Periode befindet. Diese Periode könnte man die 
neurasthenische Periode der Arteriosklerose oder Atheromatose nennen. Während 
derselben finden sich häu^ Ohrensausen, Schwindel, Störungen von Seiten des 
Gefasssystems und des Herzens und in geringerem Maasse Blasenstörungen. 
Unzweifelhaft ist in vielen solcher Fälle die Neurasthenie eine Folge von Intoxi- 
cation und Infection und muss als ein Erschöpfungszustand angesehen werden 
in Folge von Ernährungsstörungen, die sich hauptsächlich im Nervensystem 
abspielen. Die Arteri(»klerose entsteht ans denselben Ursachen, und man 
kann sagen, dass Neurasthenie und Arteriosklerose eine gemeinsame Ursache 
haben — die Emähmngsstömng. So bedingt bei der Arthritis dieselbe sowohl 
die Neurasthenie, wie die Arteriosklerose, entweder gleichzeitig oder zeitlich von 
einander getrennt. Nach der Meinung von Reois ist die Neurasthenie viel 
häufiger mit der Arteriosklerose verbunden, als man glaubt, ohne Unterschied 
ob es sich um angeborene oder erworbene handelt^ latente oder voll zu Tage 
tretende und in allen ähnlichen Fällen wird die Heilung der Arteriosklerose auch 
die Heilung der Neurasthenie bedingen. 

Hutchings’ erweitert einigermaassen das klinische Bild der Arteriosklerose. 
Ben krankhaften Erscheinungen des Centralnervensystems bei der Arteriosklerose 
liegt eine Ernährungsstörung der Nervenzellen zu Grunde, bedingt durch Ver¬ 
dickung der Gefasswände, wobei eo ipso auch die Function der Zellen leidet. 
Die Folge davon ist in erster Linie eine Abschwächung der geistigen Thätigkeit, 
ferner beobachtet man Schwindel, Ohnmachtsanfälle und Sprachstörungen. Daher 
sei es wichtig, möglichst frühzeitig die Arteriosklerose der Himgefasse zu dia- 


* Mxkdbl, üeber den Schwindel. Berliner klin. Wochenacbr. 1895. 

* Bbois, Nenrastb^nie et arteriogcl^rose. Presse m^dicale. 1896. 

* Hotohinqb, Mental Bjmptoms assoeiated with arterioscleroses. State hospital balle* 


D19 ;vod oy GOO^ IC 



— 676 


^ostioiien und durch rechtzeitigen Eingriff die möglichen schlimmen Folgen zn 
beseitigen; die Untersuchung der Augen und der Aorta ist daher immer in 
solchen Fällen vorzunehmen. 

Lapiksei^ untersuchte die entarteten grossen Himgefasse der Basis und 
audi die Capillaren; hierbei erwies sich, dass die Capillaren der Hirnrinde nur 
selten unversehrt bleiben, in den meisten Fällen befinden sich ihre Wände im 
Zustande der trüben Schwellung oder der körnigen Entartung. Die Veränderung 
der Capillarwände ging gleichzeitig einher mit bedeutender Verengerung des 
Gefässlumens bis zu völligem Verschluss desselben, wobei in einigen Fällen 
dieser Zustand sowohl durch die Verdickung der Wände, als auch durch den 
Verlust der Elasücität derselben bedingt war. 

GAN 90 N* stimmt Gbasset darin bei, dass bei Sklerotikern Anfalle von 
Schwindel häufig sind, einfacher Schwindel, Schwindel gleichzeitig mit epilepti- 
formen Attaquen und Schwindel mit permanent langsamem Pulse, ln welcher 
Form der Schwindel auch auftritt, so begleitet er doch häufiger die latente Form 
der Arteriosklerose, zu einer Zeit, wo letztere sich noch äusserlich nicht kund 
giebt; daher muss beim ersten Auftreten des Schwindels schon energisch ein¬ 
gegriffen werden, zu einer Zeit, wo es noch zuweilen gelingt, den Gang der 
Krankheit aufzubalten und weitere Veränderungen in den Gefassen zu verhüten. 

Betbb’ beschrieb einige Fälle von Arteriosklerose des Gehirns, welche 
grosse Aehnlichkeit mit prc^essiver Paralyse batten. Die Krankheit trat auf 
im Alter von 50—55 Jahren mit apoplectischen Insulten; der Au^fang trat 
gewöhnlich nach 4 Jahren ein. Der Verfasser nannte die Krankheit Dementia 
apoplecüca und unterschied sie von der Dementia paralytica und Dementia senilis 
hauptsächlich dadurch, dass bei ihr der Schwachsinn schubweise sicfii fort¬ 
entwickelt und keinen so hohen Grad erreicht, wie bei den erwähnten Krank¬ 
heiten — die Kranken sind viel weniger dement, als es auf den ersten Blick 
scheint. Euphorie kommt auch hier vor, auch die Neigung, unglaubliche Ge¬ 
schehnisse als Thatsachen hinzustellen, doch fehlt diesen die Grandiosität Betkb 
bekennt selbst, dass es zur Zeit unmöglich ist, das Krankheitsbild der Dementia 
apoplectica genau zu formuliren, dennoch hat es soviel Eigenthümliches, da« es 
mit Recht als besondere Krankheit aufgefasst werden kann. 

Nobbubu^ in seiner Betrachtung der verschiedenen Bedingungen fiir die 
Entstehui^ der Dementia senilis weist auf die Arteriosklerose als auf eine der 
IFrsachen hin. 

Endlich spricht sich Abnaüd*^ auf dem Congresse der französischen Psychiater 
in Toulouse, bei der Besprechung der Diagnose der prc^essiven Paralyse, d^üc 

' liAPiHaD, Zar Frage aber den Zoetand der CapUlaren der Himriode bei der Arteiio- 
aUerose der groaaen Qeßsae. Wrateob 1896. 

* QAMfOir, Veitige des artdrioBCl4retu. 1897. 

* Bbtxb. üeber pafohUche Stöningen bei Arteriosklerose. Centnüblatt f. NerreabeO- 
konde. 1696. 

* Norbdbg, Ärterio-aclerosis aa it affecta the brain and spinal cord. Jonmal of medi- 
eine -and aorgery. 1897. 

* Abxaud, Diagnostic du paralysie gdndral. Gaiette hebdomadMre. 1897. 


c,-.,Google 


677 


anSf dass im Greisenaltor die Arteriosklerose häufig die Erscheinungen der Puralyse 
Tortäuscht, besonders durch Störungen der Sprache und des Gedächtnisses. 

Ich hatte Gelegenheit eine Reihe von Fällen von Arteriosklerose des Gehirns 
zu beobachten und erlaube mir drei von ihnen hier wiedeizugeben: 

Fall 1. P., 70 Jahre alt, aus Sibirien. Die Eltern des Kranken waren voll* 
ständig gesunde Leute, Geschwister und Kinder des Kranken zeigten keine krank¬ 
haften Erscheinungen. Schon fr&h als Kind trat Fat. in einen sehr schweren Dienst 
an einem Fabrikcomptoir. ZnflUlig lernte er, der Bauemknabe, lesen und schreiben, 
and, da er ach als geschickt und vernünftig erwies, machte er schnell Carribre. 
Mit 35 Jahren war Pat Hauptverwalter grosser fürstlicher Besitzlichkeiten und 
siedelte nach Petersbui^ über, dem Centrum seiner Thätigkeit Nach der Heirath 
führte er ein streng sittliches Leben und trieb weder Alkohol-, noch Tabakmissbrauch. 
Nor selten, während des Jahrmarktes in Nishny-Nowgorod trank er zuweilen und 
dann auch nur mässig. Geschlechtlich ist er nie krank gewesen. Als junger Mann 
litt er an Fieberanßllen; irgend eine andere Krankheit hat er nicht durchgemachi 
So verlief sein Leben in Mühe und Arbeit bis zum 70. Lebensjahr. Vor 1^/, Jahren 
fiel es Pat. auf, dass sein Gedächtniss schwächer wurde. Oft ve^ass er das eine 
and das andere und konnte sich nicht solcher Dinge entsinnen, von denen es un- 
möglich schien, sie zn veigessen. Bald traten Anfälle von Schwindel hinzu. Diese 
AnfiUe traten nicht nur bei schnellen Aenderungen der Kürperstellnng anf, wie z. B. 
beim Ansichten des Körpers aus geneigter Stellung, beim Niedersitzen, bei schnellen 
Wendnngen nach der einen oder anderen Seite, sondern auch in vollständig ruhiger 
Lage des Körpers. Während der Pat ruhig sitzt wird ihm plötzlich schwindelig, 
er bekommt das Gefühl, als ob er die Besinnung verlöre, die Stirn bedeckt sich mit 
Schweiss; nach einem Moment ist alles vorüber. Zuweilen dauert der Anfall bis zu 
einer Minute, bewusstlos wird der Kranke nie. Diese Erscheinungen waren nicht 
häufig; ein bis zwei Mal monatlich. Hierzu gesellte sich bald schwankender Gang. 
Die Gedächtnissschwäche nahm immer mehr zu, es trat Ohrensausen anf, Obstipation, 
welche gewöhnlich 3—4 Tage anhielt. Anfangs waren die Beschwerden gering; 
9 Monate nach Beginn der Krankheit verschlimmerte sich das Leiden beträchtlich. 
Dmr Schlaf war gestört; am Morgen beim Erwachen bat der Pat das Gefühl, als ob 
alles von Nebel umhüllt wäre. Er sieht die Gegenstände, doch scheint ihm, als ob 
sieh etwas zwischen ihm und den Gegenständen befände, die Geräusche scheinen ihm 
aas weiter Feme zu kommen. Das dauert gewöhnlich 1—2 Stunden und vergeht 
vollständig. Zuweilen trat dieser Zustand einige Standen nach dem Erwachen auf 
and hielt bis 6 Stunden an. Er trat auch nicht alle Tage au^ sondern in 3—4 Tagen 
ein Mal Hierzu gesellte sich ein unbestimmtes Gefühl von Angst meistens Morgens, 
welches bald den Schwindel, bald das Gefühl von Umneblung b^leitete. Zuletzt 
erschienen neben den gewöhnlichen Schwindelanfällen auch heftigere, begleitet von 
Ohnmachtsgefühl, Uebelkeit, Umfallen und zuweilen Bewusstseinsverlust. Solche 
Anfälle waren nicht sehr häufig und dauerten 10—20 Minuten. In diesem Zustande 
wandte sich Pat an mich. 

Bei der Untersuchung eigab sich: 

Pat ist ein hochgewachsener Mann von kräftigem Körperbau. Die rechte 
Wange bängt ein wenig, die Pupillen etwas erweitert gleiohmäss^, ihre Beaction 
prompt; die Zunge zittert leicht die rechte Nasolabialfurche seichter und etwas ab¬ 
gewichen. Die Sprache undeutlich, Andeutung von Silbenstolpern. Die Arterien an 
den Schläfen sklerotisch. Der ophÜialmoskopische Befund zeigt Ausbuchtungen, sowie 
starke Schlängeloi^ der Fapillararterie; Gesichtsfeld, Licht- und Farbenwahmehmung 
normal; Zeichen von Presbyopie. Die Gehörschärfe des rechten Ohres = 25 c., die 
des linkni 20 c. Das Gesioht wird bald roth, bald bleich. Die Arterien der oberen 





678 


ExtremitäteD sklerotisiri Die Tasomotoriscfaen Befleze der Haut erhobt Die Grenzen 
des linken Yentrikels etwas erweitert; Äccentoation des zweiten Tones; der Puls 
hart and springend, 40—50 in der Hinote. Ton Seiten, der Langen, Leber and 
Hilz nichts Erwähnenswerthes. Keine pathologischen Bestandtfaeile im Ham. IMe 
Sehnenph&nomene an oberen und nnteren Eztremit&ten etwas abgeschw&cht Kein 
Bombei^. Das Qedächtniss hat bedeutend gelitten, sowohl in Bezog aaf die Fähig¬ 
keit EindrQcke zu behalten, als wie längst geschehene zu reprodociren. Auch die 
Combinationsfäbigkeit ist beeinträchtigt. AnßUe von Angst, GefQhl von Umneblung, 
Schlaflosigkeit und Unruhe. Verordnet wurden Jodpräparate, Cardiaca, leichte Ezci- 
tantien, Ableitung auf den Nacken (Cauterisation) und Darm; strenge Diät und 
horizontale Lagerung. Nach einem Monat besserten sich alle Erscheinungen, dw 
Schlaf wurde besser, die Asymmetrie des Gesichts verschwand, die Sprache ist frei, 
die Intelligenz nicht gestOrt, das Gedächtniss besser, Schwindel, Gefühl von Angst 
und Umneblung seltener und leichter. Im Laufe der Zeit nur ein Anfall von Schwindel 
mit Bewusstseinsverlusi Im nächsten Monat waren die Anfälle von Schwindel and 
Schwanken selten, Gefühl von Umneblung trat nicht auf. Intelligenz dauernd gut. 
Verordnet wurde Sodae carbon. 10,0, Acidi lactid 10,0, Aq. dest 200,0 3 Esslöffel 
täglich. Keine Aendemng im Befinden. Bückkehr zur früheren Kur. Der Pat. 
fühlt sich gesunder, ist vollständig arbeitsföhig. 

Fall IL Baron U., 67 Jahre alt, Gutsbesitzer, Wittwer. Der Vater des Pak 
ist vollständig gesund, die Mutter eine nervöse Person, zwei Brüder sind psychisch 
krank. Vor 36 Jahren machte Pat Syphilis durch, vnirde häufig mit Quecksilber 
und Jod behandelt. Die Frau hatte zwei Fehlgeburten, drei Kinder starben frühzeitig 
an Convulsionen; zwei Söhne sind gesund. Ausser der Syphilis litt Fat bis zu 
seinem 63. Jahre an keiner Krankheit Mässiger Alkoholgenass. Mit 63 Jahren 
machte Pat Influenza durch, nach welcher er nicht vollständig gesund wurde. Es 
stellten sich Anfälle von Schwindel ein, jeder solcher Anfall dauerte 20—25 Min. 
und war von Ohnmachtgefühl begleitet. Gleichzeitig traten auf: Ohrensausen, Ge- 
dächtnissschwäche, Schlaflosigkeit, Angstanfälle; auch die Intelligenz litt zusehends. 
Das dauerte 8 Monate, bald besser, bald schlimmer werdend. Um diese Zeit ohne 
äussere Veranlassung, ein apoplectischer Insult mit Bewusstseinsverlust oach welchem 
eine Parese der rechten Körperhälfte und der Sprache zorückblieb, die nach 3 bis 
5 Tagen unter dem Einfluss leichter Jodpräparate zurückgingen. Nach 2 Monaten 
ein zweiter SchlaganfaU, der aber schwächer war als der erste und nicht von pare- 
tischen Erscheinungen begleitet war. Die Insulte wiederholten sich nicht mehr, alle 
anderen Erscheinungen dagegen verblieben und wurden immer stärker. Hierzu kam 
die Angst, ohnmächt^ zu werden, und die Furcht, allein auszugehen, oder zu fahren. 
Zuweilen Schwanken beim Gehen. ’ 

Bei der Untersuchung erwies sich folgendes: 

Fat. ist hochgewachsen, von kräftigem Körperbau; die rechte Pupille ist enger 
als die linke, Beaction der Pupillen prompt loicbte, fast unbemerkbare Asymmetiie 
des Gesichts, Arteriosklerose der Arterien an der Schläfe und den oberen ExtrMsi- 
täten. Vergrösserung des linken Vorhofs und Accentuation des zweiten Tooee; 
springender Puls, 56—60 in der Minute. Schlängelung der Arterien am Anges- 
hintergnmd; Obstipation, Erhöhung der Beflexe anf der rechten Körperhälfte. Der 
Fat ist schwatzhaft, kann seine Gedanken nicht klar und bestimmt hervorbringea, 
sondern gebraucht übermässig viele Umschreibungen und Einleitungen. Der Pat. 
verblieb unter meiner Beobachtung nur kurze Zeit. 

Fall III. Frau P., 62 Jahre alt verheirathet Der Vater war vollständig 
gesund, die Matter eine nervöse Person. Hat ein Mal feblgeboren, ein Sohn leidat 
an Migräne; drei Töchter sind sehr nervös, eine von ihnen leidet gleichfalls aa 


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679 


Migräne. Bis za ihrem 68. Lebensjahre war Fat. vollständig gesand; rauchte sehr 
viel. Vor 12 Jahren Schmerzanfälle in den unteren Extremitäten, wobei letztere sich 
mit rotben Flecken bedeckten. Nach 3 Jahren hörten diese AnföUe auf. Seit 
4 Jahren Ohrensausen und Schwindel. Das Gehör wurde allmählich scblechter. 
Hierzu kamen Angstanfälle, Schlaflosigkeit und leichte Gedächtnissschwäche. Alle 
diese Erscheinungen waren nicht besonders ausgeprägt und Pat ertrug sie geduldig. 
Aber vor 2 Jahren begannen ausser den gewöhnlichen Anfällen auch solche heftigster 
Natur aufzutreten, begleitet von Zocken der Stirn, Angst, OhnmachtsgefQbl, Gefähl 
als ob sich alles um sie drehe, Pfeifen in den Ohren und gegen Ende Erbrechen. 
Während des Anfalls hört und versteht Pat. alles, kann aber nicht antworten. Der 
ganze Anfall dauert 1—3 Stunden. Nach demselben bleibt Schwäche und Zerschlagen¬ 
heit des ganzen Körpers zurfick. Neigung zum Lachen und Weinen. Dieser Zustand 
dauert ungefähr 2 Stunden. Im letzten Jahre wurden diese Anfälle häufiger. Schwindel 
und Angstgefühl waren fast beständig vorhanden und Pat fühlte sich sehr schlecht 

Die Untersuchung et^b: 

Kleingewachsene, kräftig gebaute Person. Schlängelung der Arterien an der 
Schläfe and am Augenbintergrund. Arteriosklerose der Armarterien. Gebörschärfe 
am rechten Ohr 20 c., am linken 18 c.: die hervoi^estreckte Zunge zittert ein wenig. 
Der linke Ventrikel vergrössert; springender Puls, 60 in der Minute. Häufige 
Obstipation. Auf den Schenkeln geringe gelbbraune Pigmentation. Leichte Herab¬ 
setzung der Sehnenrefiexe. Unter dem Einfluss von Jodpräparaten mit Herzmitteln 
wurde der Zustand bedeutend besser. Es blieb nur Ohrensausen zurück und die 
Furcht, dass die An^e sich wiederholen könnten. 

Diese 3 Falle zeigen gemeinsam folgende Erscheinungen: 

Sklerose der Arterien des Ai^enhintergrundes, der Schläfen und der oberen 
Extremitäten, Yei^össemng des linken Ventrikels, Accentuation des zweiten 
Tones und verlangsamten Puls bis auf 40—60 Schläge. Die symptomatischen 
Erscheinungen sind stets folgende: Ohrensausen, mehr oder weniger beständiger 
Schwindel, besonders heftige An^e von Schwindel, in Art von epileptiformen, 
Ohnmachtsgetuhl, Angstanfälle, Absohwächung des Gehörs, Gedächtnissschwäche, 
Schlaflosigkeit und Obstipation. Dieselben Erscheinongen, die in den drei vor¬ 
liegenden Fällen so ausgepr^ waren, habe ich auch in anderen dieser Art 
beobachtet Ausserdem kamen in meinen Fällen zur Beobachtung: Schwäche 
der Intelligenz, Silbenstolpem, apoplectiforme Anfalle mit Bewusstseinsverlust 
und sogar mit restirenden Paresen; Gefühl der Umneblung, Schwanken beim 
Gehen. In anderen Fällen konnte ich noch das eine oder andere Symptom 
beobachten, die in den einzelnen Fällen verschieden waren. 

Die erste Gruppe der krankhaften Erscheinungen scheint beständig zu sein 
und allen Fällen gemeinsam zuzukommen, eine zweite ist bei verschiedenen 
Kranken verschieden. Ich glaube, dass die erste Gruppe durch den Process in 
den Arterien selbst bedingt ist und die Gruppe der für die Arteriosklerose des 
Gehirns typischen Erscheinungen ausmacht, während die zweite Gruppe in Ab¬ 
hängigkeit davon steht, welche Stelle des Gentrainervensystems besonders be¬ 
troffen ist, also als die Gruppe der for diese Krankheit charakteristischen 
topischen Erschdnungen aufgefasst werden kann. 


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680 


Vor kurzem hat Buicpf^ ein neues Verfahren für die Behandlung der 
Arteriosklerose Torgesohlagen, ein Verfahren, welches die vollste Au^erksamkeit 
verdient, wenn es auch nicht ganz die Erwartungen des Verfassers erfüllen 
sollte. Die Arteriosklerose bedeutet einen Process in den Wänden der Arterien, 
der darin besteht, dass in den aufgelockerten Gefasswänden Kalksalze al^lagert 
werden. Daher muss die Behandlung der Arteriosklerose folgende Haupt¬ 
bedingungen erfüllen: 1. die Menge der mit der Speise in den Organismus ein¬ 
geführten Kalksalze vermindern, 2. die Arterien decalciniren und das Salz ans 
dem Körper ausführen. Ersteres wird durch die Diät erreicht. Gewöhnlich 
wird Herzkranken reichliche Milchdiät verordnet Rmipp hält dieses bei der 
Arteriosklerose für gänzlich unzulässig, da die Milch grosse Mengen Kalksalze 
enthält; daher empfiehlt er nicht nur nicht den reichlichen Gebrauch von Milch 
bei dieser Krankheit, sondern schlägt vor, sie ganz zu vermeiden. Statt dessen 
empfiehlt er folgende Diät: 

Fleisch 250,0 Kartoffeln 100,0 

Brot 100,0 Obst 100,0 

Fisch 100,0. 

Hierzu kann man noch etwas Butter und Zucker hinznfügen. Ausserdem kann 
mau statt des Obstes Gemüse geben. Eine solche Zusammensetzung der Speisen 
enthält 10 Mal weniger Kalk, als die Milchdiät, und empfiehlt sich daher bri 
der Arteriosklerose besonders. Ausser der Milch verbietet Bumpf solchen Kranken 
Käse, Eier, Buben, Reis und Spinat Als Getränk empfiehlt er destillirtes oder 
gekochtes Wasser. 

Was die medicamentöse Behandlung anbetrifft, so wurde schon früher 
(Saleowbky, Hoppe-Setleb u. A.) auf die verstärkte Kalkabsonderung aus dem 
O^nismus bei subcutanem Gebrauch von Calomel. subl. corros. und hydraig. 
jodat hingewiesen. Eine gleiche Wirkung erzeugen Kali acetic., Acid. oxalic., 
viele Diuretica und Milchsäure. Ebenso bewirkt das Hungern die verstärkte 
Ausscheidung von Kalksalzen aus dem Organismus. Rumpf räth zu folgender 
Verordnung: Natri oarb. 10,0 

Acid. lactici q. s. ad satur. 

Aq. destill. 200,0. 

Nach seiner Meinung bewirkt eine solche Behandlung nebst ang^ebener Diät 
eine verstärkte Ausscheidung von Kalk aus dem Körper, bis zu 50—527o‘ 

Ich habe bei einen meiner Patienten die Behandlung nach Rumpf wagend 
eines Monats durcbgeführt, ohne irgend einen Erfolg zu sehen. Auch in anderen 
Fällen von Arteriosklerose und hauptsächlich bei Angina pectoris, für welche 
Rumpf seine Methode der Behandlung besonders empfiehlt, habe ich keine be¬ 
sonders guten Resultate damit erzielt Doch bedarf es zur Entscheidung über 
diesen Punkt längerer und zahlreicherer Beobachtungen. 

Ich sah günstige Erfolge bei der Arteriosklerose nach Verordnung von 
Jodaten bei streng geregelter Lebensweise. 

' Rompf, Ueber die Behaudluog der mit GeHlssTerkalkiiDg einhergehenden Stömogen 
der Berzthätigkeit. Berliner klin. Wocbenschr. 1897. 


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681 


[Aus der psychiatriscbeu und Nerrenklinik der Universität Leipzig.] 
(Director: Geheimrath Prof. Dr. Flechsig.) 

2. lieber nervöse und psychische Störungen bei Gummi¬ 
arbeitern (Schwefelkohlenstoffvergiftung). * 

Von Dr. Bndolf Itaadenheimer, 
n. Ant der Klinik. 

Die Kenntniss der Schädigungen, denen die Gummiarbeiter ausgesetzt 
sind, ist fast so alt wie die Gommiindustrie selbst Mitte der 50er Jahre 
wurde in Paris zuerst ein Verfahren angewandt, das dem Gummi durch Ein* 
tauchen von Flüssigkeit in CS, eine ausserordenüich erhöhte Elasticität und 
Widerstandsfähigkeit verheh und so erst die Verwendbarkeit des Gummis zu un¬ 
zähligen technischen und Gebrauchsgegenständen ermöglichte. Han hatte anfongs 
offenbar keine Kenntniss von der heimtückischen Wirkung des schon bei Zimmer¬ 
temperatur flüchtigen, stark riechenden Körpers, und so setzten sich Arbeiter 
wie Fabrikanten ohne jede Vorsiohtsmaassregel den giftigen Dünsten aus. In 
Folge dessen häuften sich bald die Fälle schweren, theils unheilbaren Siech- 
thnms bei Leuten, die mit dem Eintauchen der Gummifabrikate in GS^-Dämpfe 
(dem sogen. Vulcanisiren) zu thun hatten, und Delpech, der zuerst diese Er¬ 
krankungen als Giftwirkung des CS, erkannte, konnte bereits 1860 eine Casuistik 
von 24 Fällen veröffenthchen. Dass diese Casuistik bisher die grösste geblieben 
ist, ist vorwiegend dem Umstande zu danken, dass Dblpeob’s eindringliche 
Mahnung eine Reihe von hygieniscdieu Vorkehrungen gegen die £inathmung 
der CSj-Dämpfe in Frankreich veranlasst hat. Wenn ich nun heute trotzdem 
im Stande bin, mich auf ein Material von mehr als 50 innerhalb der letzten 
13 Jahre in Leipzig voigekommenen Intozicationsfalle zu stutzen, so.liegt das 
nicht sowohl an etwaigen ungünstigen hygienischen Bedingungen des Industrie¬ 
bezirks, als vielmehr daran, dass sich die Zahl der in Leipzig beschäftigten 
Gummiarbeiter in den letzten 15 Jahren durch den Aufschwung der Industrie 
fast verzehnfacht hat, und jetzt an 1000 beträgt. Von diesen ist allerdings 
höchstens der 4. Theil mit Vulcanisiren beschäftigt, während die übrigen Arbeiter, 
dank der vollständigen gesetzlich voigeschriebenen Abtrennung der Vulcanisir- 
räume von den übrigen Fabriklocalitäten, nicht mit Schwefelkohlenstoff in Be¬ 
rührung kommen. Die seit Delpeoh erfolgten Veröffentlichungen sind so 
vereinzelt, dass man diese Gewerbekrankheit als eine Rarität ansehen musste. 
Meines Erachtens liegt dies nicht an der Seltenheit der Erkrankungen, sondern 
vielmehr an der geringen Verbreitung der Kenntniss dieser Krankheit unter den 
Aensten. Die Erkennung der ursächlichen Natur des Leidens wird erschwert 


* Vortrag, gehalten auf der III. WanderTerBammtang mitteldentBcher Psychiater und 
Neurologen zu Jena am 1. Mai 1898. Die ansföhrliche Mittheiluog der zahlreichen Kranken- 
geecfaichten erfolgt spater. 


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682 


durch die manuigfaUigeu, scheinbar regellosen Erscheinungsformen der 
CSg'lntoxicaüon. 

Man muss eine relatiT grosse Anzahl von Fällen gesehen haben, ehe man 
eine vollständige Symptomatolc^e aufstellen und die Construction von coostanten 
klinischen Erankheitsbildem versuchen kann. 

Gemeinsam sind sämmtlichen Fällen eine Reihe von Prodromalerscheinungai, 
die sich meist bereits in den ersten Tagen nach dem Eintritt in den Vulcani8ir> 
raum bei den erkrankten Arbeitern zeigten, oft auch bei solchen, bei denen 
schwerere Vergiftungserscheinungen späterhin ausbleiben. Die Leute klagen über 
Schläfonkopfweh, eingenommenen Kopf, Appetitlosigkeit und Brechneigung, letztere 
öfter dadurch bedingt, dass alle Speisen nach Schwefel zu schmecken scheinen; 
Schwindel und unsicherer Gang treten nicht selten noch hinzu. Bei einem 
Theil der Leute bleibt es bei diesen relativ geringfügigen Beschwerden, die sieb 
im Anfang überdies bald nach der Entfernung des Arbeiters aus dem Vulcanisir- 
saal zu verlieren pflegen, und es findet eine gewisse Angewöhnung an das Gift 
oder Abstumpfung gegen die Beschwerden statt Ein anderer, nicht geringer 
Theil der Arbeiter, wird durch die genannten Störungen veranlasst, seine Be¬ 
schäftigung aufzugeben, woraus sich die häufig gehörte El^e der Fabrikanten 
über die starke Fluctuation des Arbeiterpersonals im Vulcanisirbetrieb, trotz 
relativ hohen Lohnes, erklärt Bei einem dritten Theil der Arbeiter endlich 
steigern sich die oben geschilderten Frodromalsymptome rasch zu schwereren Ver¬ 
giftungserscheinungen, die den Kranken in der Regel dem Arzt oder dem 
Krankenhaus zuführen. 

Mein Material setzt sich zusammen ans 25 in der Leipziger psychiatrischeu 
Klinik beobachteten Fällen, aus 18 Kranken der medicinischen Klinik, deren 
Krankengeschichten mir Herr Geheimrath Cubscbmann in liberalster Weise 
zur Benutzung überliess, wofür ich ihm an dieser Stelle nochmals meinen Dank 
ausspreebe, ferner aus einer kleineren Anzahl von Patienten, über die mir die 
Herren Gollegen Dr. Habnapp und Dr. Rbiteb in Plagwitz so liebenswürdig 
waren zu berichten. 

Bei der folgenden Besprechung der einzelnen von mir beobachteten Krank¬ 
heitsformen muss ich in Anbetracht der kurzen mir zur Verfügung stehende 
Zeit mich begnügen, die Krankheitsbilder in allgemeinen Umrissen zu skizziren, 
indem ich mir die ausführliche Mittheilung der Krankengeschichten für eine 
spätere umfangreichere Veröffentlichung Vorbehalte. 

Die durch CS^ verursachten Erkrankungen theilt man zweckmässig ein in: 

L Allgemein-somatische Störungen. 

n. Nervöse Störungen, bei denen a) locale, bezw. neuritische AffeeUonen 
und b] Neurosen zu unterscheiden sind, 
m. Psychische Störungen. 

L Die allgemein-somatischen Störungen interessiren hier nur insoweit, als 
sie fast constante und charakteristische Merkmale jeder CS^-Vergiftung bilden 
und deshalb zur Sicherung der Diagnose bei den beiden folgenden Gruppen 
Verwendung finden. 


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683 


Fast an allen Schleimhäuten verursacht die Einwirkung der GSj-Dämpfe 
chronische Eatanhe und andere Fnnctionsstömngen. Bachencatarrh, Angina, 
hartnäckige, zuweilen fieberhafte Bronchitis, Gastritis und Enteritis sind häufig, 
Obstipation findet sich fast regelmässig. 

Bindehautkatarrhe, Oedem der Lider und Erytheme des Gesichtes scheinen 
besonders bei Leuten vorzukommen, die durch Kurzsichtigkeit gezwungen sind, 
sich sehr nahe über die GS^-Gefilsse zu beugen; Albuminurie, ein Mal mit 
Üebeigang in Schrumpfniere, kam zwei Mal vor, im TJebrigen zeichnete sich 
der Urin der frisch eingelieferten Patienten stets durch blasse Farbe, niedriges 
Gewicht und eigentbümlich süsslichen Geruch aus. Im Blut habe ich überein¬ 
stimmend mit früheren Beobachtern niemals Veränderungen constatiren können. 

n. Die nervösen Störungen sind zu trennen: 

a) in solche, die durch directe Contactwirkung mit dem flüssigen Gift — 
das bekanntlich ein dem Aether gleichwerthiges Looal-Anästheticum darstellt — 
entstehen. Hierhin gehört vielleicht ein Fall von Anästhesie und Parese im 
rechten Uinari^biet bei einem Arbeiter, der beim Vulcanisiren häufig mit dem 
ulnaren Band der beiden Hände in die CS^-Flüssigkeit eintauchen musste. Die 
peripherisch-neuritische Natur dieser Affection wurde durch den Nachweis der 
Entartungsreaction am rechten vierten Interosseus dorsal wahrscheinlich ge¬ 
macht. 

Ein analoger Fall von Parese und partieller Entartungsreaction im Me¬ 
dianusgebiet ist durch Menbeit-Eatheb ^ in der Litteratur bekannt geworden. 

Diesem einzelstehenden sicher neuritischen Befund g^euüber habe ich 
zahlreiche Sensibilitätsstörungen und Lähmungen, darunter eine mit doppel¬ 
seitiger Atrophie sämmtlicher Mm. interossei, gesehen, ohne dass der Nachweis 
einer peripherischen Störung zu erbringen war. Ich möchte diese Fälle daher 
vorläufig als functionelle Erkrankungen auffassen und zu der Gruppe 

b) den Neurosen 

zählen. Bei ausgedehnteren Sensibilitätsstörungeu, namentlich wenn sie, wie in 
dem Falle von Bbenhaedt^, die ganze Körperoberfläche betreffen, kann man 
eine locale Einwirkung der — doch sehr verdünnt in der Luft enthaltenen — 
CS,-Dämpfe kaum annehmen, sondern muss an einen centralen Sitz der Gefühls¬ 
lähmung denken. Diese wird von Bebnttabdt, wie ich glaube mit Becht, als 
Theilerscheinung „eines auch im Uebrigen stark hervortretenden hypochondrischen 
Symptomencomplexes“ angesehen. 

Ausser der regelmässigen Entwickelung der oben geschilderten Prodrome 
weisen die CSg-Neurosen als gemeinsame Befunde Herabsetzung der rohen Kraft, 
namentlich der unteren Extremitäten auf, die sich als leichte Ermüdbarkeit 
und Unsicherheit beim Gehen äussert. In vier Fällen war ausgesprochene 
Parese der Peronealmusculatur zu constatiren, Sehnenreflexe und Muskelerreg¬ 
barkeit sind häufig gesteigert, jedoch verfüge ich auch über einen Fall von 


* Berliner klin. Woohenschr. 1886. Nr. 30. S, 503. 

* Berliner klin. Wocbenecbr. 1871. 8. IS. 


D g I ,:od oy GOO^ Ic 



684 


sc^. Psendotabes, wie sie schon einige Blale, zuletzt tod Stadelmamw^ in der 
Litteratur beschrieben sind. Zu den Neurosen wäre ferner zu rechnen die nicht 
ganz seltene Amblyopie der Gummiarbeiter; doch sei nebenbei erwähnt, dass 
ganz Tereinzelt auch palpable Veränderungen des Augenhintergrundes (Chorioiditis) 
beobachtet worden sind. 

Von allgemeinen Symptomen dieser Gruppe ist noch ein eigenthümlich 
neurasthenisch'hypochondrischer Zug hervorzuheben. Von der einfachen Neur¬ 
asthenie unterscheiden sich die GS,-Neurosen durch die acute Entstehung, die 
charakteristischen Prodrome und durch das vorwiegende Befaliensein der unteren 
Extremitäten. 

Die Prognose ist bei leichteren Fällen nach Entfernung ans dem Bermch 
der giftigen Gase eine ziemlich gute. Leichtere Abschwächungen der psychischen 
Energie, Gedächtnissschwäche, apathisches, träumerisches Wesen, seltener psy¬ 
chische Beizerscheinungen, Unruhe, Angst, geschwätziges Wesen kommen bei 
den Neurosen öfters vor und bilden den Uebergang zu der dritten Gruppe, den 
CS,-Psychosen. 

ni. Psychische Störungen. 

Die Litteratur dieses Gegenstandes beschränkte sich bis vor Kurzem auf 
vereinzelte, meist aus Frankreich stammende Fälle. Aus der deutschen Litteratur 
ist mir nur ein von Bloch beschriebener Fall, der neben neuritischen Ver¬ 
änderungen Hallucinationen darbot, bekannt, so dass Eobebt in seinem 1893 
erschienenen Handbuch der Intoxicationen Geistesstörung durch CS, als ein 
seltenes Vorkommniss bezeichnen konnte. Erst 1895 wurde auf Veranlassung 
Flbchsio’s durch die Dissertation von aus der Leipziger psychiatrischen 

Klinik eine grössere Beihe von Fällen an die Oefifentlichkeit gebracht Ich habe 
die betreffenden Krankengeschichten einer nochmaligen genauen Durchsicht 
unterzogen, namentlich die Anamnese bezüglich der Aetiologie zu vervollständigen 
gesucht und einige Fälle, in denen concurrirende Ursachen, wie Alkoholi^us 
und schwere Hysterie, neben der CSg-Vergiftung hervortraten, au^emerzt. 

Eine Reihe neuer und sicherer Beobachtungen, die ich seit 1895 zu machen 
Gelegenheit hatte, ergänzen das einschlägige Material unserer Klinik nunmehr 
auf 25 Fälle. 

Da es die meinem Vortrag zugemessene Zeit nicht erlaubt, die Diagnose 
jedes einzelnen Falles klinisch-analytisch zu begründen, so möchte ich, zumal 
gerade in neuerer Zeit Zweifel an der toxischen Herkunft dieser Psychosen ge- 
äussert worden sind’, eine Reihe allgemein nosologischer Thatsachen anfuhren, 
die mir die ursächliche Rolle des CS, unwiderl^lich zu beweisen scheinen: 

1. Die acute Entstehung der Geistesstörung nach kurz dauernder Beschäf¬ 
tigung mit CS, bei vorher [»ychisch gesunden Individuen. Dieselben zeigen 
sämmtlich die fi^er beschriebenen charakteristischen Prodrome. 

^ Berliner Klinik. 1896. Heft 98. 

* Ueber psychieche Störangen in Folge Schwefelkoblenetoffvergiftang. 1895. Leipzig. 
Veit Ä Co. 

* Knipmn's I/ehrbnch. 5. Aufl. S. 46. 


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685 


2. Bieten die durch Tbierexperiment und feststehende klinische Erfahrungen 
seit Langem ätioK^lsch siche^estellten CS,>Neuro8en eine Reihe bereits oben 
geschilderter psychischer Symptome, die wir als Elemente der complexen CS,- 
P^ehose regelmässig wiederfinden. — Umgekehrt findet man bei den Geistes- 
stonmgen der Gnmmiarbeiter zahlreiche organisch nervöse Anomalieen, wie 
Tremor, PopiUenstömngen, Sensibilitatsstomngen, und somatische Erscheinungen 
(als Bronchitis, Gastritis, Enteritis), die fdr GS 2 -ye^:iftungen typisch sind. 

3. Kann man im Tbierexperiment durch GS, deutliche, wenn auch nur 
rudimentär entwickelte psychische Veränderungen im Sinne einer hochgradigen 
motorischen Err^;nng mit nachfolgendem depressiv-stuporösen Verhalten beob¬ 
achten. Ebenso ist durch Sell^tversuche am Menschen^ nachgewiesen, dass 
bereits mn wenige Stunden dauernder Aufenthalt in einer Atmosphäre, die 
wenige Milligramm GS, auf den Liter Luft enthält, schwere Störungen des 
Sensoriums, AngstgefOhl und Unßhigkeit zum Denken herrormft 

4. Ist die Zahl der Gummiarbeiter, die in Leipzig im Jahre geistig er- 
banken, relativ grösser als die geistige Morbidität in anderen Betrieben; dabei 
sind sämmtliche Personen, die aus Gummifabriken der Klinik zu- 
geföhrt wurden (mit einer Ausnahme) in der Zeit vor ihrer Erkran¬ 
kung dauernd im Vulcanisirraum, d. h. in dem einzigen Raum der 
Fabrik, in dem CS,-Dämpfe reichlich vorhanden sind, beschäftigt 
gewesen. 

Diese letzte Thatsache ist umso auffallender, als nur ein geringer 
Brncbtbeil der Arbeiter, etwa Vs? diesem Raume Verwendung findet. 

5. Ist das gruppenweise Auftreten der Erkrankungsfalle derart, dass, wie 
ich es mehrfach beobachtet habe, innerhalb weniger Wochen aus demselben 
Etablissement 2, 3 und mehr Arbeiter erkrankt sind, gar nicht anders zu er¬ 
klären, als durch die Annahme einer gemeinsamen — in diesem Falle toxischen— 
Schädlichkeit — In der Periode 1886—1887 wurden beispielsweise aus einer 
einzigen Fabrik, in der überhaupt nur ca. 10 Personen vulcanisirten, 6 Indi¬ 
viduen unserer Klinik zi^eföhrt. Nachdem daraufhin die Sanitätsbehörde in 
Bewegung gesetzt und ein Umbau des ftuher durchaus hygienisch ungenügenden 
Ynlcanisirraums durchgeführt war, kamen 4 Jahre lang keine Erkrankungen 
mehr vor, bis dann 1891 im Verlauf von 8 Wochen wiederum 2 Arbeiter der 
betreffenden Fabrik eingeliefert wurden. In einer anderen Fabrik, die uns im 
vorigen Herbst im Verlauf von 10 Tagen 2 Arbeiterinnen zuschicken musste, 
war, wie mir von der einen Patientin glaubhaft berichtet wurde, gerade in dieser 
Zeit eine Störung der Ventilation in dem betreffenden Vulcanisirsaal eingetreten. 
Das wiederholte Vorkommen solcher gruppenweisen Erkrankung schliesst einen 
Znfall aus. 

Wie gross der Gehalt der Athmungsluft an CS, sein muss, um eine GS,- 
Vergiftung überhaupt und eine Geistesstörung insbesondere hervorzurufen, bängt 
natürlich von einer unberechenbaren individuellen Disposition des Menscheu 


* Vergl. die aoter Lxhiiavn gearbeiteten Diuertationen von Bosbnblatt and Hxbtbl. 


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686 


ab. Erwähnt sei nur, dass nach Versuchen Lebhakn’s eine AthmnngsIuA, die 
0,8—0,9 mg CSg im Later enthält, bei längerer Arbeit bereits heftige Beschwerden 
Terursaoht, dass 1 cg per Liter schon bei kurzem Aufenthalt direct gefährlich 
ist Dass aber neben der individueUen Anlage auch die Quantität des einge- 
athmeten Gases von Wichtigkeit ist, beweist u. A. ein Ton Herrn Collegmi 
Dr. Eösteb in Leipzig beobachteter Fall.^ Ein Arbeiter, der in einer hygienisch 
gut eingerichteten Fabrik Leipzigs ca. 14 Jahre ohne wesentliche Beschwerden 
Yulcanisirt hatte, übernahm die Einrichtang eines neuen Betriebes in einem 
benachbarten Bundesstaat, in welch letzterem anscheinend bisher keinerlei Vor¬ 
schriften über Ventilation u. s. w. der Vulcanisirräume existiren. Nachdem er 
2—3 Monate in den hygienisch äusserst ungünstigen Fabrikverhältnissen ge¬ 
arbeitet hatte, bekam er die Symptome einer typischen schweren CS,-Neurose, 
an die sich eine tiefe melancholische Depression anschloss. 

Einmalige acute Vergiftung scheint, ähnlich wie der Alkoholrausch, stets 
nur Torübergehende, wenn auch schwere Eialtationszustände oder Betäubung, 
niemals länger dauernde F^chosen zu machen. Wir haben es also bei unseren 
Fällen in der Begel mit einer chronischen, mindestens über eine Reihe von 
Tagen sich erstreckenden, Giftwirkung mässiger Intensität zu thun. Der 
Umstand, dass nur ein kleiner Theil der Arbeiter, die doch alle in gleicher 
Weise der Giftwirkung ausgesetzt sind, geistig erkrankt, macht zweifelsohne die 
Annahme einer besonderen Disposition nothwendig. Die Annahme wird bestätigt 
durch die Thatsache, dass mindestens 80'^/o meiner psychischen Patienten here¬ 
ditäre Belastung aufwiesen, während Ton den nervös Erkrankten, soweit überhaupt 
genaue anamnestische Nachrichten vorlz^n, nur unge^r der dritte Theil be¬ 
lastet war. In demselben Sinne ist das auf den ersten Blick paradox erschei¬ 
nende Factum zu deuten, dass die Psychose, also die anscheinend 
schwerere Störung, in der Begel schon nach viel kürzerer Arbeits- 
daner sich entwickelt als die Neurose. Bei jener bricht die Krankheit 
durchschnittlich bereits 4 Wochen nach Beginn der Vulcaniararbeit aus, bei 
dieser erst im 4. Monat nach Beginn der Beschäftigung. Ebenso scheint die 
Schwere der psychischen Erkrankungen bis zu einem gewissen Grad im umge¬ 
kehrten Verhältniss zur Dauer der Gifteinwirkung zu stehen, denn die durch 
absolut günstige Prognose ausgezeichneten maniakalischen Formen brachen durch¬ 
schnittlich erst 5—7 Wochen nach Eintritt in die Gummifabrik aus, dag^en 
die weit schwereren, oft unheilbaren, depressiven Formen bereits nach einer 
durchschnittlichen Arbeitszeit von 3 Wochen. Die depressiven Formen 
betrafen ohne Ausnahme belastete Individuen, während von den 
manisch Erkrankten nur der kleinste Theil Heredität aufwiea 

Nach diesen Erfahrungen muss man annehmen, dass das Gift, ähnlich wie 
gewisse epidemische Krankheiten, eine, der Selectionstbeorie entsprechende, Aus¬ 
lese dar schwachen Individuen im Kampf ums Dasein hält. Man kann — cum 

> Ich bin Herrn Collegen Eösteb, der den betreffenden Fall spater aosfUirlieh rer- 
Öffentlichen wird, für die Erlaabniea, eeine mündliche Mittheilnng hier rerwerthen an dürfen, 
ZQ grossem Dank rerpfUchtet 


’iQ'h/.OÖ Dy 


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687 


grano salis — behaupten, dass deijenige Arbeiter, der 2 Monate hindurch tuI- 
canisirt hat, ohne geisteskrank zu werden, Toraussichtlich psychisch gesund bleiben 
wird. — Bezüglich der nervösen Affectionen liegt die zeitliche Grenze, jenseits 
deren die Wahrscheinlichkeit krank zu werden wesentlich abnimmt, viel höher. 
Ich habe Arbeiter gesehen, die zwei Jahre lang ohne nennenswerthe Beschwerden 
Tolcauisirt hatten und dann noch an Neurosen erkrankten. 

Als ein Bnicum in der Litteratur, wie in meiner persönlichen Erfahrung, 
betrachte ich einen Fall, wo nach Sjähriger intensiver Beschäftigung mit GS^ 
unter heftigen epileptiformen Anfallen eine bis zur tiefsten Verblödung fort¬ 
schreitende Demenz anftrat, zu der sich Paresen der Beine und Blasenlähmung 
gesellten und wo nach lV 2 jähTiger Krankheit unter den Erscheinungen des 
Marasmus der Tod erfolgte. Ob auch die in diesem Fall beobachtete, später 
in Scbrumpüiiere übergehende, Albuminurie als eine Folge der CS^-Yergiftung 
anzmehen ist und inwieweit die Nierenaffection den psychischen Verlauf beein¬ 
flusst bat, lasse ich dahingestellt 

Was die klinische Form der GS^-Psychose betrifft, so hat bereits Flechsiu 
mehrfach darauf hingewiesen welches hohe theoretische Interesse die That- 
sache beansprucht, dass durch dieselbe, wohlbekannte chemische Schäd¬ 
lichkeit so ausserordentlich verschiedene Krankheitsbilder hervorgerufen werden. 
Offenbar ist dies so zu erklären, dass bei verschiedenen Individuen verschiedene 
Theile des Seelenorgans von der Vergiftung befallen werden.’ Ohne auf 
Theoretisches näher einzugehen, möchte ich hier zum ersten Male den Versuch 
machen, eine rein klinische Glassification dieser Geistesstörungen durchzufuhren. 
Ich bin mir dabei wohl bewusst, dass einerseits mein Material von 25 Fällen, 
wenn es gleich die grösste bisher vorliegende Gasuistik bildet, nicht ausreicht, 
um einen erschöpfenden TJeberblick über die möglichen Erscheinungsformen 
der CSg-Psychose zu gewinnen; andererseits würden sich aber aus einem 
grösseren Materiale wahrscheinlich einfachere und einheitlichere Eintheilnngs- 
principien ergeben, indem die durcl^eifenden und wesentlichen Unterscheidungs¬ 
merkmale klarer hervor- und die Zufälligkeiten des einzelnen Falles mehr 
zurücktreten würden. Ich möchte daher vermuthen, dass eine zu¬ 
nehmende klinische Erfahrung unsere Krankheitsgruppen eher 
vereinfachen als vervielfachen wird. Ein Eintheilungsversuoh scheint 
mir auch schon deshalb berechtigt, weil mit Sicherheit zu erwarten steht, 
dass mit der Schaffung besserer hygienischer Zustände in den Fabriken unsere 
interessante Krankheitsspecies binnen wenigen Jahren völlig von der Bildfläche 
verschwinden wird. 

' Zuletzt in der Discnssion Ober Binswakosb’s Vortrag: „Die Erschopfongspsychosea“ 
bei der I. Versammlong mitteldeatsober Pajch. n. Nearolog. am 24. April 1897. 

' Eine sehr werthvolle experimentelle Stütze hat inzwiBchen diese Vermathnng erhalten 
in dem interesssnten Befand Eöstis’b, dass die darch die CSj-Vergiftong herTorgemfenen 
Zelldegeneratioiien unter ganz analogen Versnchsverhältnissen bei verschiedenen Thieren ganz 
verschiedene Abscbnitte des Centralnervensystems betreffen. Vergl. Dr. Eöstbb, Experimen¬ 
teller und pathologisch-anatomischer Beitrag zor Lehre von der chronischen CS,-Yergiftang. 
Nenrolog. Centratbl. 1898. Nr. 11. 


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6d8 


I. Die maniakalischen Formen omfassen 7 Fälle meiner Oasnistik. 
Zuweilen nach einem kurzen einleitenden Stadium depressiTer Verstimmung, 
theils aus scheinbar ToUer geistiger Gesundheit sich entwickelnd, tritt heftige 
motorische Erregung, Ideenflucht und Erotismus bei Torwiegend heiterer 
Stimmungslage auf. Hallucinationen sind äusserst selten, niemals kommt 
es zu eigentlicher Verwirrtheit Vorübe^ehende Oonception Ton Grössenideen 
wurde 2mal, beide Male bei Männern beobatflitet Ein besonderes Gepräge 
erhält die CS,-Manie durch eine eigenthümliche, neben der Exaltation herlaufende 
oder mit derselben intermittirende hypochondrische Verstimmung, die 
ganz offenbar auf den bekannten, durch CS, herrorgerufenen unangenehmen 
Sensationen beruht Mir ist es wenigstens bei Manieen anderer Herkunft nie¬ 
mals begegnet, dass der Kranke mitten in seinen heiteren Redeschwall plötz¬ 
lich die jammernde Klage einflicht, dass er Knoten von Schwefel im Hals 
habe, dass das Blut im Herzen stocke, dass der Magen ausgetrocknet sei u. s. w. 

Von den somatischen Begleiterscheinungen ist fast constant Tremor der 
Hände, ferner gesteigerte Sehnenreflexe und Pulsbeschleunigung. Häufig findet 
man Pupillendifferenz bezw. Trägheit Sensibilätsstörungen, sowie die bei 
den CSj-Neurosen so gewöhnliche Gehstorung waren niemals vorhanden. 

Der Ausgang war stets günstig. Die Dauer schwankt zwischen 1 und 
4 Monaten und betrug im Durchschnitt 27« Monat. Dies ist wesentlich kürzer 
als die Durchsohnittsdauer der in den letzten 5 Jahren in unserer Klinik be¬ 
handelten übrigen Manieen, welch letztere durchschnittlich 3 bis 4 Monate zur 
Heilung beanspruchten. 

II. Die depressiven Formen umfassen den weitaus grösseren Tbeil 
meiner Casuistik. Im Gegensatz zur vorigen Gruppe gehen sie stets einher 
mit einer hochgradigen hallucinatorischen Erregung, die sich im Be¬ 
ginn öfters bis zur Verwirrtheit steigert. Häufig sind triebartige Angst und 
Verfolgungsideen vorhanden; hypochondrische Vorstellungen finden sich auch 
hier recht oft. Die durchschnittliche Dauer der heilbaren Formen, die sich 
im Allgemeinen mit dem Bild des acuten depressiven Wahnsinns decken, be¬ 
trägt 2’/^ Monate. Von 10 Fällen wurden 4 unheilbar. Hiervon ging 1 Fall 
in chronisches hallucinatorisches Irresein aus, welches heute nach Verlauf von 
11 Jahren bei voller Lueidität und Erankheitseinsicht unverändert besteht, ohne 
Ansätze zu fixirter Wahnbildung aufzuweisen. Zweimal entwickelte sich chronische 
hallucinatorische Paranoia mit ziemlich raschem Uebei^ng in Demenz. Ein Fall 
zeigte die typische Evolution der chronischen Paranoia vom Verfolgungs- zum 
Grössenwahn. Bemerkt sei, dass 3 von diesen 4 ungünstig verlaufenen Fällen 
schon im Beginn der Erkrankung intercurrente Zustände von Benommenheit, 
Apathie oder Stupor gezeigt haben, so dass diese Symptome als zweifellos in¬ 
faust angesehen werden müssen. 

Einfache typische Melancholie ist unter den depressiven Formen bisher 
noch nicht zur Beobachtung gekommen. 

III. Eine weitere Gruppe von CSj-Erkrankungen, bei der Stupor die vor¬ 
wiegende Krankheitserscheinung ist, zerßllt in zwei ihrem Verlauf und Wesen 


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689 


nach völlig verschiedene' TJnterabtheilnngen. Die eine durch 2 männliche 
Kranke gebildete üntei^mppe enthält Krankheitsbilder der katatonisch-hebe- 
phreniscben Form. Der eine von diesen Kranken ist nach Cjährigem Aufent¬ 
halt in unserer Klinik hochgradig dement an Phtise gestorben, der andere 
zeigte nach 9 monatlicher Dauer der Psychose Heilung mit Defect — wenn es 
sich nicht etwa um eine Remission gehandelt hat. 

Die zweite als acuter heilbarer Stupor zu bezeichnende TJntei^ruppe unter¬ 
scheidet sich von der vorigen durch das Fehlen tiefergehender Verworrenheit 
und durch ein besonders stark au^prägtes Oefähl der eigenen körperlichen 
und geistigen Unzulänglichkeit. Diese ungeföhr dem Bild der ERiPELm’schen 
Dementia acuta entsprechende Form ging nach 1—Smonatlicher Erankheits- 
dauer stets in Heilung über. 

Allen stupoTösen Formen gemeinsam scheint Weite und Trägheit der 
Pupillen^ und das Fehlen der für die übrigen Formen der CSj-Veigiftung be¬ 
kannten motorischen Beizerscheinungen. 

Hieran schliessen sich als mehr rudimentäre Formen von (Geistesstörung an 
einige Fälle von Charakterveränderung im Sinne eines moriatischen Wesens und 
ferner Zustände einfacher Demenz. Letztere, wie *sie namentlich unter den 
Fällen Delpeoh’s sich fanden, scheinen nur nach langdauemder Einwirkung 
von voTzukommen. Die Gedächtnissschwäche erweist sich bei diesen Kranken, 
auch nach dem Aufhören der Giftwirkung, als äusserst hartnäckig und deutet 
darauf hin, dass es sich um eine wirkliche Zerstörung nervöser Elemente in der 
Hirnrinde handelt 

Die Therapie hat, abgesehen von den bekannten symptomatischen Indi- 
cationen, noch die besondere Au^be durch Anregung deä Gaswechsels und des 
allgemeinen Stoffwechsels die Ausscheidung des etwa noch im Blute kreisenden 
Giftes zu bewirken. 

Den bei weitem wichtigsten Theil der ärztlichen Fürsorge muss jedoch 
meines Erachtens die Prophylaxe bilden, auf die ich hier der voi^rückten 
Zeit halber nur noch ganz kurz eii^hen kann.^ 

Da man den CS^ bisher in der Gummifabrikation nicht entbehren kann, 
so muss die Angabe der Gewerbehygiene darin bestehen, möglichst zu ver¬ 
hindern, dass die giftigen Dämpfe d^, bereits bei 4$^ siedenden Stoffes, sich 
der Athmungsluft des Arbeiters beimengen. Dies geschieht in erster Linie da¬ 
durch, dass sämmtliche C!Sg-Gefasse, ebenso die frisch vulcanisirten G^nstände, 


^ Dieses Symptom wurde tod Eöstbb a. a. 0. bei CS|>TergifteteD Thieren im letäten 
Stadium gefondeo. • 

’ Durch das liebeoHWlirdige Entgegenkommen der stl^dtischen Hedicinalbebörde, ins¬ 
besondere des Herrn Dr. Pöttbb in Leipzig, worde ich in Stand gesetzt, bei jedem frisch 
anftretenden Erkranknngsfalle sofort die hygienischen Verhältnisse der betreffenden Fabrik 
and so die Genese des einzelnen Falles an Ort und Stelle za stndiren. Ferner bin ich 
Herrn Gewerbeinspector Haupt in Leipzig, der mir den Einblick in eine Reihe von Betrieben 
ermöglichte und mich mit werthroUen techniacbeu Informationen versah, zu grossem Dank 
verpflichtet. 

44 


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690 


welche an einer grossen Oberflädie GS, verdunsten lassen^ nor in Abzügen, die 
unter Wirkung eines kräftigen Bzbaastois stehen, geduldet werden. Es sollte 
Oberhaupt nur in sehr geräumigen, vorz^lich ventilirten Bäumen vulcanisirt 
werden und diese Bäume müssen von allen übrigen Fabriklooalitäten abgetrennt 
werden, um die Yergiftungsgefahr auf eine denkbar geringe Anzahl von Arbeitern 
zu beschränken. Die Arbeiter dürfen sich nur eine beschränkte Zeit hindnrdi, 
höchstens 2 Stunden am Tage, in dem Yulcaniörraume aufhalten, da er* 
fabrungsgemäss Yergiftungssymptome in leidlich ventilirten Bäumen erat nach 
mehrstündigem Aufenthalt eintretoL Ferner müsste jeder Arbeiter über die 
Ge&hrlichkeit der Beschäftigung belehrt und sobald sich die ersten wohl* 
charakterisirten Prodromalsymptome zeigen, sofort ans dem Betrieb entfernt 
werden. 

Diese Maassrcgeln sind zum Theil bereits seit mehr als 10 Jahren im 
Bezirke der Lmpziger Gewerbeinspection durchgeführt, nachdem die zahl¬ 
reichen in der Periode 1885—1887 voigekonunenen Ye^^iftungsfalle durch die 
Direction der psychiatrischen Klinik zur Kenntniss der Behörde gebracht worden 
waren. Um die Wirkung dieses Yorgehens zu würdigen, muss man sich ver¬ 
gegenwärtigen, dass in dem Triennium 1885—1887, zu welcher Zeit in sämmt- 
lichen Fabriken Leipzigs höchstens 40 Vulcaniseure' gleichzeitig thätig waren, 
8 dieser Personen geisteskrank wurden, dag^n in der Periode 1895—1897, 
während durchschnittlich mehr als 200 Arbeiter dauernd mit YulcanisireB be¬ 
schäftigt waren, nur 4 GS,-P8ych(ffimi vorkamen. Die relative Morbidität ist 
also auf den zehnten Theil der früheren Ziffer gesunken. 

Mag es auch stets vereinzelte besonders empfindlich schwer belastete 
Individuen geben, bei denen schon eine noch so geringe Giftmenge eine Psy¬ 
chose auslösen kann — so würde sich obige Zahl zweifellos noch mehr herab- 
dröcken lassen, wenn es gelänge, die oben vorgeschlagenen hygienischen Maass- 
nahmen in voller Schärfe in praxi durchzuführen. Dies musste bis jetzt 
daran scheitern, dass ein Theil m^et Postulats dem Betrieb gro^ Kosten 
auferl^n und durch extreme Verkürzung der Arbeitszeit die Productionsfäh^- 
keit des Leipziger Industriebezirkes gegenüber nichtsächsischen Betrieben be¬ 
deutend herabsetzen würde. Dieser Uebelstand kann nur dadurch paralysirt 
werden, dass eine reiohsgesetzliche Begelung für sämmüiche deutsche 
Gummibetriebe eintritt 

Ich weise zur Erläuterung dieses Gesichtspunktes besonders auf die Berliner 
Verhältnisse hin, wo nach den mir vorli^enden Berichten, wenigstens bis vor 
Kurzem, weit ungünstigere hygienische Bedingungen als in Leipzig bestanden. 

Demgegenüber ist die Thatsache, dass, abgesehen von den französiscbmi 
' und vereinzelten amerikanischen Veröffentlichungen, CS,-Psychosen in grösserer 
Anzahl nur aus dem Leipziger Bezirk bekannt geworden sind, schwer zu er^ 
klären. Ich kann es nur so verstehen, dass bisher gerade die Psychiater — 


* Dabei ist allerdiags der eingangs erwähnte häufige Wechsel gerade dieser Klmiwf 
von Arbeitern zu berücksichtigen. 


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denn anPublicationeii über Schwefelkohlensftc^-NeQrosen hat es nicht gefehlt — 
ihre Anünerksamkeit diesem Gegenstuid /nicht binrei<^end zngewendet haben. 
Bei der Schwierigkeit, die bei Geisteskranken die Erhebimg der Anamnese oft 
macht, kann ja leicht die Thatsache, dass der Patient in einer Gummifabrik 
thltig gewesen ist, übersehen werden. Auch sind es ja nnr wenige Gentren in 
Deutschland (und nicht immer solche Orte, in denen Bemfepsychiater tbatig 
sind), in denen die Gnmmiindostrie eine grossere Ausdehnung angenommen hat 
Vielleicht kann die yorli^ende Mittheilong einen Anstoss zur weiteren Er¬ 
örterung dieses Tom wissenschaftlichen wie Tom socialen Standpunkt wichtigen 
Gegenstandes geben. 


[Aus der NerrenpoUklinik von Dr. Adleb in Breslau.] 

3. Radialislähmnng nach epileptischen Anfällen. 

Von Dr. Adler. 

Es ist bekannt ^ dass im Anschluss an epileptische Anfalle meist rasch 
Torübergehende Lahmungmi in der Form von Hemipl^een, Paraplegieen oder 
auch Monopl^een auftreten können. Auch einseitige Gesichts- und Znngen- 
läbmungen kommen darnach vor. Thomsen^ beschrieb conjugirte Augenablenkung 
und Strabismus nach epileptischen Anfällen. Man macht fiir die Entstehung 
dieser postparoxystischen Lähmungen nach dem Vo^nge von Tonn, 
Bobebtson und Hüoblinos Jackson’ die durch die Entladung bedingte Er- 
schöp^ng des Gehirns verantwortlich. 

Im vergangenen Jahre habe ich zwei Epileptiker an postparoxystischen 
Lähmungen anderer Genese behandelt Es lag beide Male eine totale rechts¬ 
seitige Badialislämnng peripherer Natur vor. Bei dem einen war schon 
einmal, vor mehreren Jahren, nach einem Anfall eine lähmungsartige Schwäche 
der rechten Hand aufgetreten und hatte mehrere Monate angehalten. 

Was die Entstehung der Radialislähmung betrifil, so wäre es denkbar, dass 
ein Pall auf den betreffenden Arm oder Handrücken^ im Anfalle eine Quetschung 
bezw. Zerrung des Badialis verursacht habe. Bei dem anderen Patienten, bei 
welchem es sich um einen nächtlichen Anfell handelte, und der erst am fol¬ 
genden Morgen die Lähmung seiner rechten Hand bemerkte, käme noch die 
gewöhnliche Schlaflähmung in Betracht; aber ich halte in beiden Fällen eine 
andere Art des Zustandekommens der Nervenläsion nicht für ao^eschlossen. 


^ Chablbs F^b^, Die Epilepsie. Deatsch tod Ebbbs. 1896. Leipzig. 8. 15$. 

* Thomsbk, Arohir f. Psychiatrie. X7II. 

> FAsa. l e. S. 447. 

* cf. Bbbnhabdt, OppeDheim’s Lehrb. der Nerreokrankh. IL Aofl. S. 825. 

44* 


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Go^ebs erzählt in seinem Handbuch der Nervenkrankheiten S. 85, ^ss 
er in 3 Fällen Radialislähmungen nach einer heftigen Contraction des 
Triceps habe eintreten sehen, und auch Oppenheim (1. c. S. 324) hält es 
fär mcglich, dass eine heftige Muskelaotion, besonders eine plötzliche 
Streckung des Arms, z. B. bei einer brösquen Wurfbew^fung, den N. radialis 
so zu schädigen vermag, dass er vollständig gelähmt wird. Die Pathogenese 
derartiger Radialislähmungen hat Gebülanus' näher studirt und gelangt auf 
Grund anatomisch • physiologischer Betrachtungen zu folgender Erk^rung der* 
selben: 

„Der N. radialis liegt im ganzen mittleren Drittel des Oberarms direct auf 
dem Periost, in einem Bind^ewebsspalt, welcher ihm seitliche Excursionen bis 
über einen Centimeter gestattet, und ist dabei vom Muskelbauche des äusseren 
Kopfes des M. triceps brachii bedeckt Der Nerv würde jedes Mal bei der Con¬ 
traction dieses Muskels eine Compression auf die hintere, äussere Knocbenkante 
erfahren, wenn derselbe nicht eine Verschiebung gegen den sehnigen Ursprung 
des Muskels erfahren würde, wo er unter diesem gespannten Bande Schutz 
findet Die Verschiebung geschieht durch das sich Anschmi^en des Muskel¬ 
bauchs selbst an die Enochenoberfläche.“ 

„Unter besonderen Umständen, wie Fixation der Nerven durch die Vorder¬ 
armmuskulatur, plötzlich einsetzende Contraction des M. triceps u. s. w., kann 
der Nerv beim Ausweichen gehindert, und so zwischen Knochen und Muskel 
comprimirt werden.“ 

Eine ähnliche Genese möchte ich bei meinen beiden Fällen von Radialis- 
lähmung nach einem epileptischen Anfall für möglich halten. Die plötzlichen 
und heftigen Muskelcontractionen während eines Krampfanfalls scheinen mir 
durchaus geeignet, eine Compression des Nerven zwischen Muskel und Knochen 
zu veranlassen und hierdurch eine Quetschung desselben herbeizuführen. 

Wenn nun auch Radialisläbmung nach epileptischen AnßUen recht selten 
zu sein scheint — ich finde wenigstens in den gebräuchlichen Lehrbüchern 
dieselbe nicht erwähnt —, so dürfte das doch nicht ohne weiteres g^n die 
Richtigkeit meiner Annahme in Bezug auf ihre Genese sprechen. Wahrscheinlich 
ist zu ihrem Zustandekommen eine gewisse Widerstandslosigkeit des Nerven¬ 
systems, wie solche bspw. bei Potatoren vorhanden ist, erforderlich, und ausserdem 
eine ganz bestimmte Aufeinanderfolge der Muskelkrämpfe im Arme, derart, 
dass die plötzliche Zusammenziehung des Triceps erfolgt, während nc^h die 
Vorderarmmuskulatur contrahirt ist und den N. radialis fixirt halt 


‘ Ueber das Vorkommen von Radialielähmang naoh einer heftigen Contraction des. 
M. triceps brach. Deotscbe Zeitscbr. f. Chiruigie. Bd. XLVll. H. 1. 


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[Aus Prof. Mbndel’s Privatklinik.] 

4. Ein Fall von spinaler Monoplegie des rechten Beines. 


Ton Dr. Julius Weil, 

AMistenzarzt an der Prof. HBNDBL’Boben PoUklioik. 

Der Arbeiter G. B., 31 Jahre alt, kam am 8. April 1897 in die Klinik des 
Herrn Prof. Dr. MsynsL nnd klagte Ober das Unvermögen, sein rechtes Bein zu 
gebrauchen. Br habe in demselben absolut keine Kraft, so dass sein Gang sehr 
erschwert and er in Folge dessen arbeitsunfähig sei. 

Anamnestiach ist nach den Angaben des Pat folgendes zu erwähnen: 

In der Familie des Pat. sind noch keine Nerven* und Gemftthskrankheiten vor* 
gekommen. Lues wird negirt. Pai war zuletzt als Bierfahrer in einer Brauerei 
beschäftigt und hat während dieser Zeit ca. 6 Liter Bier täglich getrunken. Im 
Alter von 7 Jahren hatte er Gelenkrheumatismus, seitdem will er immer etwas eng* 
bröstig gewesen sein und bei schwerer Arbeit Öfter Aber Athemnoth und Herzklopfen 
geklagt haben, war aber nie deshalb in ärztlicher Behandlung. 

Im Januar 1897 fiel Pat. beim Gehen im Hofe einer Brauerei in eine mit 
Wasser gefüllte Senkgrube, die er für bedeckt gehalten hatte, und zwar so, dass er 
mit beiden Beinen bis zum Bumpf im Wasser gestanden hat. Er hat jedoch darauf 
weitei^earbeitet und in der Folgezeit nur zeitweilig geringe Schmerzen in beiden 
Waden gespürt. 

Anfang Februar 1897 — den Tag giebt Fat. nicht genau an — war Pat. im 
Begriff, eine schwere Last eine Treppe hinanfzutragen, als er plötzlich einen heftigen 
Schmerz im rechten Knie und rechten Fassgelenk verspürte. Zu gleicher Zeit merkte 
er bei dem Versuch zu gehen, dass das rechte Bein sehr schwach geworden war, 
dass er dasselbe nachschleppen musste und dabei bei jedem Schritt im Knie ein* 
knickte. Das Fassgelenk konnte er angeblich dabei gar nicht bewegen und den Fass 
nur in schleudernder Weise immer flach aufsetzen. Einige Tage nach ihrem Auftreten 
verschwanden nun die Schmerzen und sind auch seitdem nicht mehr aufgetreten, da* 
gegen hat die Lähmung des Beines in unveränderter Weise fortbestanden. Eine 
Abmagerung wurde an dem betroffenen Beine nicht bemerkt. 

Sonst hat Fat. keine Klagen, insbesondere sind nach dem AufhOren der be* 
schriebenen Schmerzen in dem rechten Beine niemals wieder Schmerzen irgend 
welcher Art aufgetreten, auch hatte Pat. niemals Klagen über erschwertes Wasser* 
lassen oder Hamtränfeln. Seine Potenz sei unverändert, Appetit, Stuhl und Schlaf 
haben nie zu Klagen Veranlassung gegeben. 

Bei seiner Aufnahme am 8. April 1897 wurde folgender Befand erhoben: 

Pat. ist ein mittelgrosser Hann, von mittelstarker Muskulatur und geringem 
Fettpolster. Die Gesichtsfarbe ist etwas bräunlich, die Schleimhäute normal gefärbt. 
An den Himuerveo ist nichts besonderes. Die Pupillen sind gleichweit und reagiren 
normal auf Licbteinfall und Accommodation. Der Bachen ist stark gerOthet. 

Die Kraft der oberen Extremitäten ist gut. Es besteht leichter vibratorischer 
Tremor manuum. Die Sensibilität ist am ganzen OberkOrper normal. 

Das auffallendste Symptom bildet der Gang des Pai Er hebt, sobald er einen 
Schritt machen will, den rechten Darmbeinkamm und beugt den Bumpf etwas nach 
links über. Das rechte Bein, welches dabei in toto nach aussen rotirt wird, wird 
in der Hüfte etwas übergebengt. Der M. quadriceps femoris funclionirt nicht beim 
Geben, der rechte Fuss hängt schlaff und passiv herunter, wird beim Vorsetzen des 


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694 


rechten Beines in steter Berflhmng der Fassspitze mit dem Fossboden weiter* 
geschoben and vollständig schlaff and platt aufgesetzt Das rechte Bein, als Stand¬ 
bein, wird in Form eines Qeno recarvatam flberstreckt. Ohne sich mit der Hand 
aufzosttltzen, kann Pat. nicht auf dem rechten Bein alleinstehen. 

In der Bettlage ßllt am rechten Bein nor das Herabbängen des Fasses anf. 
Die Haut ist (Iber beiden Patellae stark cyanotiscb, die Uaat der beiden Ober¬ 
schenkel bläulich marmorirt Es bestehoi geringe Yenenerweiterungen an beiden 
Oberschenkeln. Die Bflckseite des rechten Beines schwitzt Teränderungen der 
Haatgebilde bestehen nicht. 

Das rechte Bein ist in allen Qeleaken abnorm beweglich, so kann die Ferse bis 
an das Taber ossis ischii gebracht werden. 

Activ ist die Beugung in der rechten Hflfte minimal, der M. tensor fasciae latae 
wird angespannt die Adduction und Abduction des rechten Oberschenkels ist sehr 
schwach, dagegen die Rotation ziemlich gnt Die Strecknng des Oberschenkels fehlt 
Das Aufrichten aus der liegenden Stellung geschieht gut. Bei willkarlichen Zusammen- 
kneifen der Hinterbacken bleibt der redite vollständig unbewegt Die Beuger des 
Unterschenkels functioniren activ absolut nicht ebenso ist die Streckung des passiv 
gebeugten Beines activ unmöglich, obscbon bei stärkstem Willensimpuls geringe Ck>n> 
tractionan im Quadricepe zu sehen sind. Eine minimale Beugung und Streckung dar 
rechten 6 Zehen ist möglich. 

Pat. erkennt die Nadelspitze am rechten Ober- und Unterschenkel. Auf beiden 
Fusssohlen ist das Geffihl beiderseila gleich. Auf der Haut der Hinterbacken ist 
kein Unterschied in der Sensibilität. 

Kalt und warm wird am rechten Beine ttberall deutlich unterschieden. Die 
Nmrvenstämme sind rechts nicht dmekschmm^haft. Hyperästhesieen sind nicht vor- 
banden. Das Huskelgeffibl ist intact Die mechanische Muskelerregbarkeit ist am 
rechten Beine stark berabg^etat, bezw. erloschen. Die Patellarreflexe fehlen, ebenso 
Achillessehnen- und Fasssohlenreflex. Gremaster- und Baucbdeckenreflez sind normal. 

Die elektrische Untersuchung des rechten Beines ergiebt: Erloschensein der 
faradiscben Erregbarkeit und tr^ Zuckung bei galvanischer Beizung in allen Mus¬ 
keln mit Ausnahme der Mm. Sartorius, Vastus internus und Bectus femoris. Pat. 
erträgt am rechten Bein die stärksten üaradischra Ströme ohne Schmerzen zu em¬ 
pfinden. 


Die Maasse an beiden Beinen betragen: 

Umfang in der Höhe der Inguinalfalte .... 

„ „ „ „ „ Mitte des Oberschenkels 

„ oberhalb der Kniescheibe. 

Grösster Wadenumfang. 

Der Befund am linken Beine ist vollkommen normal. 
Die Untersuchung per anum ergiebt weder abno 
hafte Stellen. 


} 46 cm. 

rechte 

43 cm 

45 „ 

it 

43 „ 

34 „ 

M 

34 „ 

33 .. 

M 

33 „ 

Besistenzen, noch 

schmera- 


Die Lungenbefund ist normaL 

Obere Herzgrenze — am oberen Bande der 5. Rippe, rechte ss auf der Mitte das 
Sternums, Spitzenstoss im 6. Intercostalraum innerhalb der Mammillarlinie. Der erste 
Ton an der Spitze ist gespalten. Gefässtöne sehr leise. Der Puls ist celer, regel¬ 
mässig. Arterie derb. Es besteht geringe epigastriscbe Pulsation. Leber und Milz 
sind nicht fühlbar. 

In beiden Schenkel- und Leistenbeugen sind geringe Drüsenscbwellungen. 

Der Urin ist frei von Eiweisa und Zucker. 

Der Pat befand sich in der Klinik bis zum 15. Mai 1897. An diesem Tage 
wurde festgeetellt, dass die Adduction und Abduction des rechten Oberschenkels sich 


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695 


etwas gebeeeert haben. Sonst war der Befand im wesentlichen dem bei der Auf* 
nähme erhobenen gleicbgeblieben. 


Am 12. October 1897 derselbe Befund. 
Am 8. Januar 1898 ergiebt die Messung: 


Umfang des Oberschenkels in der Höhe der Inguinalfalte 

links 

47 cm, 

rechts 40 cm 

In der Mitte des Oberschenkels . 


43 „ 


Oberhalb der Kniescheibe. 


34 


Grösster Wadenumfang. 

>1 

38 „ 

>f 29 „ 


Am 11. Juli 1898 hat die Atrophie weitere Fortschritte gemacht. Die elek¬ 
trische Untersuchung ergiebt im wesentlichen die gleichen Besultate wie früher, 
ebenso die SenaibilitatsprOfung fllr alle Qualitäten. 

Pat befindet sich seit 4 Wochen in Behandlung wegen einer starken Schwellung 
des rechten Kniegelenks, die ihm beim Gehen Schmerzen verursacht. Bs besteht 
starker Elrguss in das Gelenk, die Patella ballottirt. Blase, Mastdarm und Sexual* 
apparat gaben nie zu Beschwerden Anlass. 

Fassen wir nun die Hauptmomente in unserem Krankheitsbilde zusammen^ 
so haben wir: 

1. Das plötzliche Eintreten einer schlaffen Lähmung des rechten Bmnes. 

2. Das baldige Verschwinden der anfänglich bestehenden Schmerzen. 

3. Das Ausbleiben von Sensibilitätsstömngen — mit Ausnahme der farado* 
cutanen Empfindung — und das Ausbleiben von Blasen* und Mastdarmstörungen 
und das normale Verhalten des Sexualapparates. 

4. Das constante Bestehenbleiben aller Erscheinungen während 1^2 Jahren. 

Von letzterer macht auch die zunehmende Atrophie der Qesammtmusknlatur 

eigentlich keine Ausnahme, da sie ja durch die Parese bedingt ist Auch der 
Ausfall der farado-cutanen Empfindung findet ihren Grund in der Parese. Da 
die Muskeln nicht faradisch err^bar sind, und so die clonischen Contractionen 
ansfallen, tritt auch der Schmerz bei starken faradischen Beizungen nicht auf, 
denn er ist durch die Contractionen bedingt 

Zu erwähnen ist noch der Kebenbefund einer Artropathie des rechten 
Eniees, welche als Folge der steten mechanischen Reizung zu betrachten ist, 
die durch das Schleudern des rechten Beines beim Gehen herro^rufen wird. 

Die Lähmung erstreckt sich auf Muskeln, welche vom Plexus lumbalis und 
saciaUs von der 3. Lumbal- bis 3. Sacralwurzel versoigt werden. Es ist in 
diesen Gebieten zur Entartungsreaction gekommen. 

Wie hat man sich nun die Ursache der bestehenden Erscheinungen zu 
denken? 

Da kein Fieber bestanden hat, dürfte sich die Poliomyelitis anterior acuta 
adoitomm ansschliessen lassen. 

Eine Geschwulst war nicht anzunehmen, da die Untersuchung per anum 
nnd der Befund an der Wirbelsäule negative Besultate lieferten. 

Schwieriger war es im An&ng, den Gedanken an eine Neuritis abzuweisen. 
Aber eine Neuritis, die in apoplectiformer Weise zwei Plexus — den Lumbal- 
und Sacralplexns — befällt, ist schon nicht anzunehmen. ImUebrigen ist der 
bisherige Verlauf nicht derart, dass die Annahme einer Neuritis b^ründet er- 


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696 


schiene. Fehlen doch bis jetzt SenabUitatsstönmgen, Parasthesieen and tro- 
phische Storungen der Hant^bilde. 

Es erübrigt nar, an eine spinale Apoplexie za denken, die hier allerdings 
in einer seltenen Form aufgetreten sein müsste. Eine Blatang in die Vorder- 
saole von der Höhe der 8. Lumbal- bis 3. Sacralwurzel würde das plöUliche 
Eintreten der beschriebenen TAhninng und darauffolgenden Atrophie and el^- 
triscben Entartungsreaction erklären. 

Unterstützt wird diese Annahme auch durch das Bestehen ätiol(^;iscber 
Momente. Der Patient war beim Eintreten der TAhmnng im Begriff eine schwere 
Last eine Treppe hinauf za tragen, dabei kann er leicht eine heftige Bewegung 
gemacht haben. Dazu kommt eine hochgradige Arteriosklerose, die wohl mit 
dem zr^estandenen Alkoholismus in Zusammenhang steht. Damit wird wohl 
auch die Annahme berechtigt erscheinen, dass die Arteriosklerose die Di^KsitioD 
geschaffen und die schwere Last in Verbindung mit einer heftigen Bewegm^ 
die direote Veranlassung zu der angenommenen Blutung gegeben hat Wir 
dürfen also den Fall auffassen als eine spinale Monoplegie des rechten Beines 
in Folge einer Blutung in die Vordersäule. 

Am Schlüsse sage ich Herrn Dr. Scbusteb für seine freundliche Hülfe bei 
der Aufnahme des Status und Herrn Prof. Dr. Mbndel für die Ueberlassung 
des Falles meinen henliohsten Dank. 


II. Referate. 


Anatomie. 

1) Nervenmark- und Axenoylindertropfen, von Prof. Neumann in Königs¬ 
berg. (Virchow’a Arch. Bd. CUI.) 

Ueber die Katur der bei Druck auf den aus^eschnitteuen frischen Nerven 
aus demselben ausquellenden sog. Myeliutropfen herrschen verschiedene Ansichten. 
Während Henle, der Nervenmark und Axencylinder noch nicht voneinander scheidet, 
annimmt, dass die Mjelintropfen vom gesammten Inhalt der Nervenfaser gebildet 
werden, glaubt Kölliker, dass dieselben nur aus Myelin — ohne Betheiligung des 
Axencylinders — bestehen. Terf. gelang es nun, durch vorsichtig ausgefibten Druck 
auf deu Nerven, sowie weiterhin durch Tinction des Tropfens den sicheren Nachwös 
zu führen, dass der letztere sowohl Nervenmark, als auch Äzencylinder enthält 
Zugleich ze^en seine üntersuchungen, dass der lebende Äzencylinder weder eine 
senimartige, dünnÜfissige Beschaffenheit, noch eine vorwiegend feste, fibrilläre Shrnctor 
haben kann, sondern dass derselbe — gerade im Hinblick auf die Art seiner Aua- 
breituug in den Myelintropfen — im wesentlichen aus einer consistenten, schleimigen 
oder coUoiden Flüssigkeit bestehen muss. 

Verf. scbliesst weiter, dass der Äzencylinder der marklosen Nerven, da ihm di« 
Eigenschaft, Tropfen zu bilden, fehlt, seiner ganzen Beschaffenheit nach von dem 
Äzencylinder der nmrkhaltigen Fasern verschieden sein müsse. Es könne daher nicht 


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697 


richtig sein, we'im man, wie bisher Üblich, sage, der Azencylinder nmgiebt sich beim 
Uebergang der marklosen in einen markhaltigen Nerven mit einem Harkmantel, sondern 
m&D müsse vielmehr annehmen, dass ein in der marklosen Faser vorhandenes, eigen¬ 
artiges Protoplasma (oder Nenroplasma) sich beim Uebergang ln den sog. mark¬ 
haltigen Nerven in zwei verschiedene Substanzen, Mark nnd Azencylinder, differen- 
zire. Lilienfeld (Gr. Lichterfelde). 


2) Sur lee gangliona spinaux, par Cavazzani. (Arch. ital. de biolog. XXTIII.) 

Verf. hat die Spinalganglienzellen der Menschen, des Affen, des Hundes, der 
Katze, des Kindes, des Kaninchens, des Igels, der Batte und des Frosches unter- 
sncht, und zwar zunächst in Bezug auf die Grösse der Zellen, welche theils frisch 
an Zupfpräparaten — Glycerin und l^’/^Osmiumsänrelösnog —, theils nach Härtung 
in Müller dargestellt wurden. Aus dem Durchschnitt vieler Hundert von Messungen 
folgert Terf., dass die Spinalganglienzellen bei Tbieren verschiedener Species ver¬ 
schieden gross sind, jedoch nicht proportional der Körpei^össe, wenngleich sich im 
allgemeinen die kleineren Zellen bei den kleineren Thieren finden; bei höher ent¬ 
wickelten Thieren der gleichen Species (Hund) fönden sich die grösseren Zellen bei 
den höherstehenden und bei den älteren; endlich seien die Zellen in den Lumbal- 
und Cervicalganglien grösser als in DorsalgangUen. Verf. hat ferner bei Fröschen 
6 Tage bis ca. 2 Monate nach einseitiger Amputation oder Durchschneidung des 
Ischiadicus Grössenunterschiede von 2—8 fi zwischen den Spinalganglienzellen der 
gesunden und der kranken Seite gesehen und glaubt, darin eine Stütze für die Hypo¬ 
these zu haben, dass die Grösse der Zelle mit der Länge der zugehörigen Nerven¬ 
fasern in Beziehung stehe — da ja (! Bef.) die artificielle Verkürzung der Nerven¬ 
fasern zu einer Verkleinerung der Zellen geführt habe —, falls nicht der Mangel 
an Activität für die Erklärung der Verkleinerung herangezogen werden könne. 
Ehdlich sah Verf. bei der Untersuchung der Spinalganglien eines Cercopithecus nach 
Weigert nnd Vassale zwei Arten von Zellen: 

1. granolirte, in welchen Körnchen in Gestalt rundlicher Partikel mehr oder 
weniger regelmässig theils isolirt, theils in kleinen Gruppen angeordnet sind, nnd 
zwar dichter im Centrum, als in der Peripherie, jedoch nicht concentrisch; zwischen 
den Körnchen eine homogene Grundsubstwz ohne Structur, speciell ohne ein Netz¬ 
werk; 

2. homogene, nicht grannlirte Zellen, deren Kerne übrigens kleiner seien, als 
die der anderen Zellen und im Gegensatz zu diesen meist nicht in der Mitte der 
Zelle lägen. 

In Bezug auf die Deutung des Befundes möchte Verf. noch am ehesten an die 
Möglichkeit denken, dass es sich um Zellen handle, welche sich in verschiedenen 
Perioden ein und derselben Function befinden. Kaplan (Herzberge). 


3) Weitere Untersuchungen izn Gebiete der centralen Endigungen des 
lO. Paares der Qehimnerven, von Dr. W. P. Ossipow. (Nevrologitschesky 
Wjestnik. 1898. Bd. VI. [Russisch.]) 

Im Anfänge der Arbeit bemerkt Verf., dass dieselbe als Eigänznug seines ersten 
Aufsatzes über die centralen Endigungen des N. vagi (Nevrologitschesky Wjestnik. 
1896. Bd. IV) erscheint, da sie zum Theil jene Untersucbungsresultate enthält, die 
in seiner ersten Arbeit nicht angeführt waren, da dieselben weiterer Controll- 
untersuchm^en bedurften. Als Untersuchnngsmaterial für die gegenwärtige Arbeit 
dienten ausser früheren Präparaten, die von jungen Hunden und Katzen gewonnen 
waren, noch die Gehirne zweier Kaninchen, die nach einseitiger Ansschneidung des 
N. vagi 91 bezw. 90 Tage gelebt hatten, und das Gehirn eines Hnndes, bei dem 


DiQ'iii’od 


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698 


Prof. 3. P. Pawlow in dem Institnt fQr experimentelle Hedicin in 8t. Petersborg 
eine doppelseitige Durchscbneidang des cervicalen Theils der Nn. ?agi ansgefBbrt 
hatte, nach welcher das Thier noch 6 Monate und 3 Wochen gelebt hatte. Färbong 
nach Nissl, van diesen, Pal und anderen Methoden. Die mikroskopische Qnter* 
snebung der Schnitte bestätigte vollkommen die Besoltate der ersten Arbeit dee 
Yerf.’s, d. h. es wurde gefunden: Atrophie der Worzelbfindel des N. vagi, des do^ 
salen Kernes des N. vagi und der Zellen in dem angrenzenden Gebiet der Ala cinerea, 
des Nncl. ambigui. des Funic. solitarius und dessen gelatinösen Substanz auf der Sehe 
der Operation und Atrophie der Fasern, die unter dem Boden des IT. Ventrikds 
ziehen. Ausserdem fand der Terf. eine partielle Atrophie der Zellen im Dorsalken 
des N. vagi auf der der Operation entgegengesetzten Seite, die besonders scharf aus¬ 
geprägt war in dem vorderen-inneren Abschnitte des Kerns; Terf. erblickt darin 
einen Beweis für das Vorhandensein von partieller Kreuzung der Wnrzelbündel des 
M. vagi. Auf Grund der Atrophie der betreffenden Gebiete kommt der Terf. zu dem 
Schluss, dass die WurzelbQndel des N. vagi in enger Beziehung stehen ausser zu 
dem Dorsalkem des N. vagi und dem Gebiete der Ala cinerea, des SoUtarbttndeln 
mit dessen gelatinösen Substanz und des Mucleus amibigui, auch zu' den dorsal«; 
Partieen des 12. Nervenpaares und zu dem Kucl. intercalat. Staderini; in der Bapbe 
erleidet ein Theil der WurzelbOndel des N. vagi eine Kreuzung, wobei ein Theil der 
Fasern mit dem Dorsalkem der entgegengesetzten Seite in Verbindung tritt, der 
andere Theil mit dem entgegengesetzten Nucl. ambiguus. 

Auf Grund seiner Untersuchungen bestätigt der Verf. die motorische Functioo 
des Kucl. ambigui; der Grad der Atrophie desselben bängt nicht ab von dem Niveau 
der Durchschneidung des N. vagi oberhalb oder unterhalb des GangBon nodoenm 
(Plexus ganglioformis) des N. vagi. 

Der Arbeit sind 2 Abbildungen beigegeben. E. Giese (Si Petersburg). 


Experimentelle Physiologie. 

4) Bulle slterazioni delle oellule nervöse nelP ipertermia sperimentale, 
per E. Lngaro. (Biv. di Patologia nerv, e ment 1898. UI. Ö. Mai.) 

Bei Hunden nnd Kaninchen, die im Thermostat erwärmt wurden, und derai 
Körpertemperatnr 46 überstiegen batte, fand Verf. an Ganglienzellen ans allen Ge¬ 
bieten des Nervensystems tiefgehende Schädigungen, bestehend io einem erbeblicbn 
Zerfall des Cbromatins bei Intactheit des achromatischen Theils der Zellen, so dass 
dessen Netz- und Fibrillenstructur deutlicher zu T^e trat, als in normalen Zellen; 
der Kern unversehrt; am Kerakörperchen verminderte Färbbarkeit des acidophiles 
Theils, leichte Formveränderungen der basophilen Schollen. Die gehmdeoen Alte¬ 
rationen waren diffus Ober das ganze centrale Nerven^stem vertheilt und betrafen 
alle Ganglienzellen gleichmäss^. 

Stimmen die vom Verf. beschriebenen Veränderungen mit den von Goldseheider 
und Fla tau an den Vorderhorozellen constatirten überein, so theilt hingegen Verf. 
nicht die Ansicht dieser beiden Autoren hinsichtlich der geringen Bedentung des 
Cbromatins für Leben nnd Function der Zelle. Er fand vielmehr bei seinen Thieren 
einen Zustand allgemeiner Mnskelschwäche nnd verminderter Beactionsfähigkeit aaf 
Beize und gegen Ende bei nicht von Convulsionen befallenen Thieren Stillstand <kr 
Äthmnng in Folge Erschöpfung des Athmungscentrums, und ist deshalb geneigt an- 
zunehmen, dass zwar nicht absolute strnctorelle und quantitative Intactheit des 
Cbromatins zur motorischen Function erforderlich ist, dass aber mit der qnanütatina 
Verminderang des Cbromatins eine entsprechende Schwächung der Fonctionafähigkot 
einhergeht. Solange also die Structur der achromatischen Substanz nnd die V«'- 


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699 


bioduog der Zellen nntereinander erhalten sind, ist auch die Fanctionsmdglichkeit 
gegeben. Die Intensit&t der Fonction h&ngt a^r von der noch erhaltenen Menge 
Chromatin ah. Valentin. 


6) Leeioni degli elementi nervoai neir aTellenamento sperimentale per 
nitrsto d’argento, per A. Donaggio. (Bit. sperim. di Freniatr. XXIV.) 

Die Wirknng des Argentnm nitricnm stndirte Verf. an Bonden, denen er in 
eteigender Dosis das Qift in den Magen brachte. Verf. kommt zo dem Resultat, dass 
durch die experimentelle Silbemitratvergiftung Läsionen an 21ellen and Fasern des 
Nerrensystems sich entwickeln, dass an den Veränderungen der Berrenzellen im 
Bflckenmark fiberwiegend die TorderhOmer betbeiligt sind, dass systematische Dege¬ 
nerationen in den Hinter-, wie in den Seitensträngen entstehen können, and dass 
dieee Degenerationen nicht von Zellläsionen abhängig sind, dass sie vielmehr als ihren 
Ursprung von den Nervenfasern selbst nehmend zu betrachten, mithin primäre Dege¬ 
nerationen sind. Valentin. 


6) L KEotorisohe Fonotionen hinterer Spinalnervenwurseln, von E. Steinach 
und H. Wiener. (Ärch. f. d. ges. Physiolog. Bd. LX.) — II. lieber die 
visoero f motorlsohen Functionen der Hinterwuraeln und über die 
tonische Hemmungswirkung der Medulla oblongata auf den Darm des 
Frosches, von Prof. E. Steinach. (Ebenda. 1898. Bd. LXXI.) 

Es erscheint Bef. nothwendig, die beiden zeitlich ziemlich weit aaseinander 
Ulenden Arbeiten unter einem zu besprechen, da in der interessanten zweiten Mit- 
theiloDg vielfach auf die Resultate der ersten Rficksicbt gmiommen ist. 

Die umfangreichen Versuche (ca. 180 Experimente) wurden an Fröschen (Sommer¬ 
und Herbstfröschen) vorgenommen. Nach genauer Beschreibung der ganzen Ver- 
sochsanordnung und der getroffenen Cautelen theilen die Verff. folgende Ergebnisse 
der Wnrzelreizung mit: Reizung der hinteren Wurzeln veranlasst Contractioneu der 
Darmmuskulatur. Dieselben äussem sich zuerst als locale Einschnfiningen, an welche 
sidi pmristaltiscbe und antiperistaltische Bewegungen anschliessen. Die Peristaltik 
nimmt bei Verstärkung der Ströme oder etwas längerer Einwirkung an Ausbreitung 
und Lebhaftigkeit zu. Den aufeinanderfolgenden Wurzelpaaren entsprechen auch be¬ 
stimmt aufeinanderfolgende, wenn auch nicht scharf begrenzte motorische Functions- 
gebiete. Im allgemeinen wird je ein' Hauptabschnitt des Danntractus von zwei 
benachbarten Wurzelpaaren versorgt, so der Oesophagus von der 2. und 3. Hinter¬ 
wurzel, der Magen von der 3. und 4., der Dfinndann von der 5. (im Duodenum 
auch von der 4., im unteren Abschnitt von der 6. Binterwurzel), das Rectum von 
der 6. und 7. Binterwurzel. Den Binterwurzelfasem kommen also motorische Func¬ 
tionen zo. Aufhebung des Kreislaufs durch Ausschneiduog des Herzens ändert nichts 
an den oben mitgetbeilten Verhältnissen. Die vorderen Wurzeln versorgen nur jenen 
Dumtbeil, der in gewissem Sinne auch willkfirlicher Innervation unterworfen ist 
(Rectum). Es fiberwiegt aber auch in diesem Theile der Einfluss der Hinterwurzeln. 
Sowohl Hinter-, als auch Vorderwurzeln innerviren die Harnblase motorisch (und 
zwar 7., 8. und 9. Hinterwuizel). Die motorisch wirksamen Fasern in den Hinter- 
wurzeln können auch auf reflectorischem Wege erregt werden, wie dies die Verff. 
durch sinnreiche Versncbsanordnang darthun. 

Die Resultate dieser (ersten) Arbeit wurden von Horton Smith (Journal of 
Fhjsiology. 1897. Vol. X^. S. 101) bestritten. St ffihrt nun den eingehenden 
Nachweis, dass H. Smith nicht am gleichartigen Materiale und nicht unter den ent¬ 
sprechenden Cautelen (so u. a. mit unwirksamen elektrischen Strömen) gearbeitet 
habe. Gleichzeitig berichtet er fiber neue Versuche, betreffend die Hemmungswirkung 


D g ii.:od oy GOO^ Ic 



700 


des Eoptosrkes. Entfernt man beim Yersacbsthiere nach Freilegung der D&rme die 
Hedulla oblongata, so treten Contraction des Oesophagus und Uagens auf, während 
bei gleicher Versachsanordnong, aber erhaltener Medulla oblongata diesen Contractionen 
sich nicht einstellen. Die Ursache der spontanen Zosammenziehnngen liegt nach St 
in dem Ausfälle der hemmenden EinflQsse von der Medulla oblongata her. Durch 
locale Äetherisirung lässt sich die Medulla oblongata temporär ausschalten; hierdurch 
kann zeitweilig die Hemmongswirkung aufgehoben und wiederbelebt werden. Durch 
die durchgefflhrten Experimente und Controllversuche scheint die Annahme gerecht* 
fertigt, dass die Medulla oblongata des Frosches neben erregenden auch hemmende 
Organe fhr den Oesophagus, den H^en und obersten Dünndarm enthält, dass die 
Hemmungsimpulse durch die Vagi den Darmganglien vermittelt werden, und dass 
die auf die letzteren ausgeübte Hemmcngswirkung tonischer Natur ist. 

Durch locale Äetherisirung lassen sich verschiedene centrale Functionen zeit* 
weise ausschalten. Das Verfahren stellt eine Ergänzung zum Bxstirpationsverfahren 
dar. Aetherisirt man das Über der Eintrittsstelle der Ischiadicuswurzeln befindliche 
Rflckenmarkssegment, so erhält man ein gelähmtes Hinterthier; narkotisirt man das 
dicht über den Brachialwurzeln liegende Segment, so erhält man ein Thier,, dessen 
Vorderkörper gelähmt ist, dessen Hinterkörper jedoch in normaler sprungbereiter 
Verfassung bleibt Auch die verschiedenen Himabschnitte lassen sich durch Aetheri* 
sirung temporär ausschalten. 

Zu den Controllversuchen, welche St neuerlich unternahm, um die viscero* 
motorische Function von Hinterwurzeln zu prüfen, fügte er non auch eine histo* 
logische Nachuntersuchung hinzu, welche zeigte, dass es sich um echte Uinterwurzel* 
fasern ohne Binzutritt sympathischer Elemente handle. 

• Diese Untersuchungen haben dargethan, dass die hinteren Bttckenmarkswurzeln 
zum Theil gemischter Natur sind, im Gegensatz zur rein motorischen der Vorder* 
wurzeln. H. Schlesinger (Wien). 


7) Zur Frage über die oortioalen Centra des Dlokdarms, von Dr. W. P. 

Ossipow. (Obozrepje psichiatrii. 1898. Nr. 3. [Bussisch.]) 

Im Anfänge der Arbeit führt Verf. die Litteratur über die corticale Innervation 
des Magens, der Gedärme und der Harnblase an, die noch sehr spärlich ist (Boche* 
fontaine, Hlasko, Bechterew und Mislawski, Oppenchowski, Pal und 
Bergrün, Dragomiroff). Die Frage über die corticalen Centra des Dickdanns 
bleibt gänzlich offen. Die Experimente wurden vom Verf. an curarisirten Hunden 
ausgeführt; die Contractionen des Dickdarms bei Beizung der Hirnrinde wurden auf 
dem Eimograph verzeichnet. Bei 2 Hunden erzielte Verf. eine Beihe von Contrac* 
tionen (9) des Dickdarms bei einer Beihe (7) von Beizungen eines Punktes der Hirn* 
rinde, der beim inneren Rande des Gyrus sygmoidei, unmittelbar nach vom vom 
Sulcus cruciatus gelegen war; bei einem Hunde trat die Contraction des Dickdarms 
ein bei Reizung eines Punktes der Sygmoidalwindung, der unmittelbar nach vom 
vom äusseren Ende des Sulcus cruciatus sich befand. Der Umfang der Punkte war 
äusserst unbedeutend, so dass bei der geringsten Verschiebung der Elektroden keine 
Contraction mehr auftrat. Bei einem Hunde konnten Contractionen überhaupt nicht 
erzielt werden. Verf. kommt zu dem Schluss, dass Beizung einiger Punkte der 
Hirnrinde, deren Lage, wie es scheint, nicht constant ist, Contraction des Dickdanos 
hervorruft. Der Arbeit sind Abbildungen von Contractionscurven des Dickdarms und 
ein Schema der Oberfläche einer Gehirnhälfte mit Bezeichnung der oben bescbriebennn 
Punkte beigefügt. Die vorliegende Untersuchung des Verf.’s bietet ein hervorr^endee 
Interesse dar, da dieselbe auf exacte Weise eine bis jetzt fast gänzlich unberührte 
Frage zu lösen bestrebt ist. E. Giese (St. Petersburg). 


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701 


Pathologische Anatomie. 

6) lieber miliare Sklerose der Hirnrinde bei seniler Atrophie, von Priv.- 
Doc. Dr. Emil Bedlich. äds der psych. Klinik von Prof. v. Wagner. (Jahrb. 
f. Psych. 1898. Bd. XVII.) 

Bei einer 73jährigen Kranken, die die Erscheinnngen vorgeschrittener seniler 
Deoeoz mit sehr ao^esprochener Sprachstörung, znm Schlosse bis zum nahezu voll- 
ständigen Verluste der Sprache sich steigernd, und epileptische Anfälle dargeboten 
listte, ei^b die mikroskopische Untersuchung des Gehirns nebst den der senilen 
Atrophie znkommenden histologischen Veränderungen (Schwund und Atrophie der 
Ganglienzellen und Nervenfasern, Gliawucherung mit Auftreten von pigmentirten 
Spinnenzellen u. s. w.) in der Hirnrinde ungemein zahlreiche, kleine Verdicbtungsherde 
von der Grösse einer Ganglienzelle bis znm 4—Gfachen einer solchen, die Verf. als 
miliare Sklerose bezeichnet Dieselben waren auf die Hirnrinde beschränkt, fanden 
sirh besonders reichlich in den Stirn- und Schläfenwindungen, weniger zahlreich in den 
Centralwindungen und im Hinterhauptslappen. Verf. leitet diese miliaren Sklerosen 
von Spinnenzellen ab. Es kommt an denselben zum Auftreten sehr reichlicher, 
feinster Fäserchen in ungemein dichter Anordnung. Im weiteren Verlaufe treten io 
dieser gewucherten Glia regressive Voi^änge auf, wodurch es einerseits zu einer Art 
Homogenisirung kommt, andererseits zu einem grobkörnigen Zerfall. Im Centrum 
dieser Verdichtungsherde finden sich Öfters Beste von Ganglienzellen oder Capiilaren. 
Terf. bringt das Auftreten dieser miliaren Sklerose mit den atrophischen Vorgängen 
an den Ganglienzellen in Beziehung. Ohne eine endgültige Entscheidung treffen zu 
wollen, erscheint ihm die Annahme, dass das Primäre der Schwund der nervösen 
Elemente sei, plausibel. 

Verf. beschreibt in einem zweiten Falle von seniler Demenz, der gleichfalls mit 
schweren Sprachstörungen und epileptischen Anfallen einhei^^g, vereinzeltes Auf¬ 
treten solcher miliaren sklerotischen Herde, desgleichen bei einem dritten Falle, über 
den keine klinischen Nachrichten zur Verfügung standen. 

Bloetz und Harinesco haben in einem Falle von Epilepsie einen ähnlichen 
Befund beschrieben. 

In klinischer Beziehung weist Verf. kurz auf zwei Momente hin: erstens auf 
die in beiden eigenen Fällen bestandenen epileptischen Anfälle ohne gröbere Schädi¬ 
gung des Gehirns, und zweitens auf die ausgesprochenen Sprachstörungen, die in 
einem Falle eine Herdläsion der Sprachcentren hatten annehmen lassen. 

(Autorreferat.) 


9) On the straotural alteratioiiB obaerved in nerve cells, by W. B. War- 
rington. (Journal of Physiology. XXlll. S. 112.) 

Verf. hat nach einem neuen Verfahren das Verhalten der Ganglienzellen des 
Böekenmarks nach Dnrchscbneidnng der zugehörigen vorderen nnd hinteren Wurzeln 
untersucht Um mit den Folgen des letzteren Eingriffes za beginnen, so zeigten 
sieb nach DnrchschneidnDg der hinteren Wurzeln des 5.-9. Brustnerven constant 
Terändemngen in der postero-extemen Gmppe der Ganglienzellen der Vorderbömer, 
und zwar waren es vorwiegend das 7. and 8. Brostsegment welche befallen er- 
schimen. Der Ausfall der normalen centripetalen Beize bewirkte an den betreffenden 
Zellen typische Veränderungen, welche sich zunächst in der excentrischen Lage des 
Kernes doenmentiren, alsbald jedoch gesellen sich hierzn Veränderungen in dem 
Verhalten der Nissl’schen Granulation. Diese lösen sich auf, und zwar zunächst 
in der Zellperipberie, so dass nur noch der Kern von einem Kranz von Nissl’schen 
Körpern amgeben erscheint, schliesslich verschwinden auch diese und mit ihnen wird 


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702 


aach der Eero unsichtbar, so dass die Ganglienzelle nur noch wie ein anfgequoUeneT 
leerer hyaliner Sack anseiehi — Diese Zelldegenerationen sind meist nur aaf der 
operirten, selten auch vereinzelt auf der gekreuzten Seite nachweisbar. 

Aebnlicbe, aber qualitativ und quantitativ hochgradigere Veränderungen kion 
man nach Dnrchschneidnng der vorderen Wurzeln in dem zngehdrigen E&cW 
marksegment constatiren, nur findet man hier nicht eine besondere Zellengmppe be¬ 
fallen, sondern fast alle Zellen des Segments ei^iffen. Neben der Chromatologie 
spielt auch hier die Terlagemng des Kernes und die Zerstörung der normalen Kon- 
holle die Hauptrolle nnter den pathologischen Symptomen. Wen^r ausgedehnt osd 
weniger constant sind die Veränderungen, welche man nach Darchschneidong des 
Facialis oder Oculomotorins in den zugehörigen Kemzellen wahmehmen kann. Ks 
scheinen hier starke Individualitäts- und Altersunterschiede vorznkommen. 

W. Cohnstein (Berlin). 


10) Beitrag sur psthologisohen Anatomie des Centralnervensystems bei 
der acuten Anämie, von 0. Scagliosi. Aus dem patholog.-anatom. Instiki 
der Universität Palermo. (Deutsche med. Wochenschr. 1898. Nr. 20.) 

Verf. konnte das Centralnervensystem einer schwangeren Fran untersoehn, 
welche nach 33jähriger, zeitweise sehr starker Gkbäxmntterblntung starb. Gebin 
und Böckenmark zeigten bei der Obduction (12 Stunden post mortem) ausser BIüm 
der grauen Substanz and einer geringen Füllung der Blutgefässe nichts abnonMa 
Mikroskopisch fanden sich bei Anwendung der Nissl-Hethode an den Nervenzella 
ausgesprochene Veränderongen. Fast alle Zellen des Gehirns, besonders die 
Fyramidenzellen, zeigen diffusen oder seltener auf die Basis beschränkten Zerfall and 
Auflösung der Nissl’schen Zellkörperchen, einzelne Fyramidenzellen daneben öm 
homogene diffuse blassblänliche Färbung der Gmcdsubstanz. Der Nebenkem veist 
eine leere rundliche Stelle auf, welche entweder central oder excentrisch liegt und 
eine Wandstellung einnimmt Der Körper der Fnrkinje’schen EleinhirnzelleB 
ist fast Qberall mit feinsten Körnchen erfOllt, der Kern verwaschen, die Nissreclm 
Körperchen abgeblasst, die Grundsubstanz des Plasmas und des Kernes diffns bU^- 
blädich gefärbt — Die Ganglienzellen des Bflckenmarks, besonders der Vordw 
hörner, lassen Atrophie erkennen, verbanden mit Chromatolyse; die NissTsdien 
Körperchen sind in manchen. Zellen vetgrössert und schwach färbbar, io aodera 
partiell feinkörnig zerfallen. In den Zellen des Kleinhirns und Bflckenmarks zeigt 
der Nebenkem im Inneren die beschriebene klare Stelle. 

Verf. betrachtet die Ganglienzellenverändenu^en als Folge einer lntoxicati(a 
durch Luftmangel. B. Pfeiffer (Cassel). 


11) IiS oorteooia cerebrale di un delinqoente paranoioo. Nota istologiapw 

Dr. G. Angioletta. (Manicomio. XIII. Nr. 1 n. 2.) 

Boncoroni hat in seiner Arbeit Aber die Morphologie des Gehirns von Bpilep* 
tikem nnd Verbrechern (Arch. di Fsichiatria. 1896. Vol. XVIL Fase. 1—2X voU 
als der erste, den merkwürdigen Befnnd veröffentlicht, dass bei diesen beideo Kate¬ 
gorien die tiefe Schicht der kleinen Nervenzellen der Binde fehlte oder atropkisd 
war, so dass von der Schiebt' der grossen Pyramidenzellen ein directer Uebergug 
zu der Schicht iw polym<^phen Zellen and von da zur weissw Substanz statthakk; 
dass die Schicht der grossen Pyramidenzellen ansserordentUch entwickelt war and 
zahlreiche Nervenzellen in der weissen Substanz existirtm, so zahlreich als dies ^ 
normalerweise — nur bei einigen niederen Thieren der Fall ist. Verf. hat ttf 
diesen Punkt hin das Gehirn eines alten Paranoikers, frflberen VerbrechMS, oat«* 
sucht Ausser den flblichen Altersveränderungen in den Zellelementen constttirti 


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703 


VMrf. StractoraQomalieD, die er fOir angeboren hält nnd die imt Boncoroni’s Ent* 
decknog ftbereiDstimmten; als besonders wichtig aber hebt er hervor, dass diese Ver* 
ändernngen sich namentlkh in den Stirn- and Schläfenwindungen am dentUchsten und 
constant leigten; weniger constant waren sie in den Scheitellappen, gamicht zu finden 
waroi sie in den Occipitalwindnngen. Das Versprengtsein einer abnormen Menge 
von Nervenzellen in die weisse Substanz beobachtete er nur in einigen Schläfen- 
Windungen. Bresler (Freibarg i./Schl.). 


Pathologie des Nervensystems. 


12) L*dtat aiga de la paralyale infantile, par 0. Medin. (Archives de HA 
decine des Enfants. 1898. Mai. Juni.) 


In einer ausführlichen Abhandlung fasst der Stockholmer Pädiater die Er- 
fiüiruDgen zusammen, welche er bei zwei grösseren Epidemieen von „Kinderlähmungen“ 
zu sammeln Gelegenheit hatte. Die erste, bereits durch fr&here Hittheilungen be¬ 
kannte, kam von August bis Mitte October 1887 zur Beobachtung, während dieser 
Zelt behandelte Terf. 30 Fälle acoter spinaler, cerebraler nnd peripherer Lähmungen, 
während im ganzen vorigen Jahre nur 13 solcher Fälle der Klinik zugingen. Bei 
der schwächeren Epidemie vom 15. Juli bis anfangs September 1895 wurden 15 Fälle 
beobachtet. Im Ganzen verfügt der Verf., die sporadischen Fälle der Zwischenzeit 
mitgerechne^ über 64 Fälle, von denen er eine grosse Anzahl intn^ssanter Kranken¬ 
geschichten mittheili 

Der Umstand, dass die während der Epidemieen beobachteten Fälle in buntem 
Wechsel Symptome darboten, welche auf Erkrankung des Bfickenmarks, der Hedulla 
oblongata, der Gehirnrinde nnd der peripheren Nerven hinwiesen, dass sogar bei 
manchen Individuen sich diese Symptome combinirten, lässt für den Verf. keinen 
Zweifel an dem Zusammenhang aller dieser Formen von „Kinderlähmung“ bestehen. 
Zur lUustrirung der Verschiedenartigkeit der gestellten Diagnosen diene folgende 
Tabelle: 


Spinale Kinderlähmung im Lendenmark. 

„ „ „ Halsmark. 

„ „ complet. 

„ „ im Lendenmark nnd Abducenslähmong. 

„ „ „ „ „ Oculomotoriuslähmung . . . . 

„ „ complet und Facialislähmnng. 

„ „ „ „ „ und Ocnlomotorinslähmung 

„ „ im Lendenmark, Facialislähmui^, Polyneuritis . . . 

„ „ complet, Tf^^uslähmung, Polyneuritis. 

„ „ complet und bulbäre Lähmung. 

Monoplegis facialis. 

Acute einfache Polyneuritis. 

Polyneuritis mit Ataxie. 

„ „ Facialislähmung. 

„ „ Abducens- nnd Hypoglossnslähmnng. 

Acute Polioencephalitis . 

„ „ und Abducenslähmung. 

„ „ Facialis-, Hypoglossus- u. Accessoriuslähmung, Polyneuritis 


32 

5 

4 

2 

1 

1 

1 

1 

1 

2 

3 

1 

3 

1 

1 

2 

2 

1 


Dieser Mannigfeltigkeit der Diagnosen stehen allerdings nur 2 Obductionsbefunde 
von spinaler Kinderlähmung g^nflber, welcher seinerzeit von Bisler veröffentlicht 
worden sind. Als äliologischee Moment vermnthet der Verf. eine Toxin-, bezw. 
bakterielle Wirkung, möglicherweise durch bekannte Mikrooiganismen (Streptokokken), 


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704 


welche enter besonderen Umetänden eine eigenthfimliche Affinit&t za den motoriecheo 
Ganglienzellen erlangen können. 

In Bezog aaf die Lebensgefahr erwiesen sich die beiden E^idemieen als ziemlich 
günstig; dauernde Lähmungen blieben allerdings bei einer grossen Reihe Ton E^en 
zurück. Zappert. 


13) Alte infantile Poliomyelitis mit folgender spinaler Unskelatrophie, 

von Armin Langer. (Jahrbuch der Wiener k. k. Krankenanstalten. Bd. V. 

11. Theil.) 

Ein ÖOjähriger, neoropathisch belasteter Schneidei^eselle hat in seinem 4. Lebens« 
jahre eine als poliomjelitische Kinderlähmung aufzufassende lAhmung beider rechts« 
seitigen Extremitäten mit leichter Hitbetheilignng des linken Beins erlitten. Der 
Zustand besserte sich, so dass Pai allein gehen und mit dem rechten Arm nähen 
konnte. Erst Mitte der 30er Jahre verschlechterte sich die Beweglichkeit des rechten 
Arms und in geringem Grade auch der Beine. Im Arm sind die mit Erheben, 
Abduciren und Auswärtsrollen des Oberarms verbundenen Bewegungen gestört Vor 
3 Jahren trat plötzlich völlige Lähmung des rechten Arms ein, die aber nach 
17 wöchentlicher Elektrotherapie sich wieder zurflckbildete. Es besteht jetzt dextro« 
convexe Sklerose der Brust* und oberen Lendenwirbelsäule. Am rechten Arm ist 
der H. deltoides stark atrophisch, schwächer der H. sopra* und infraspinatos nnd 
der obere Tbeil des M. pectoralis. Auch der H. biceps und Supinator longns zeigen 
hochgradige Atrophie, weniger der Triceps; der Daumenballen ist stark atrophisch. 
Der Oberarm kann kaum gehoben werden; Rotation und Addnetion sind krafUoa. 
Die Sehnenreflexe fehlen. Der linke Arm ist normal. Das rechte Bein ist stark im 
Wachsthuro zurückgeblieben, zeigt starke Huskelatrophie; die Bewegungen in HOft- 
und Kniegelenk, vor allem Extension und Rotation, sind stark behindert Am 
Unterschenkel ist vor allem die Function der Plantarflexoren und Heber des inneren 
Fossrandes herabgesetzt; es besteht Calcaneo*valgas*Stellung des Fasses. Das linke 
Bein ist besser entwickelt, aber auch atrophisch. Kniebeuger und Strecker sind 
deutlich paretisch. Die Sebnenreflexe fehlen an beiden Beinen. Die Sensibilität ist 
überall normal 

Der ursprüngliche poliomjelitische Process ist sehr ausgedehnt mit Affection 
der Lumbal* und Cervicalanschwellung. Die nach 30 Jahren eintretende Verschlech¬ 
terung schreitet langsam, aber stetig fort und betrifft nur von der ersten Erkrankung 
bereits geschädigte Huskelgebiete. In dem rechten Arm sind auf die spätere Ehr- 
krankung zu beziehen: die Atrophie der Mm. deltoides, infraspinatos, biceps, Supi¬ 
nator longus und der Daumenballenmuskulatur, während an den Beinen der Antbeil 
derselben nicht sicher festzustellen ist. 

Die Differentialdiagnose der späteren Erkrankung schwankt zwischen Polio¬ 
myelitis chronica und progressiver spinaler Muskelatrophie. Terf. ist geneigt eine 
Uebergangsform zwischen beiden Kraokheitsbildem anzunehmen mit stärkerer Hin- 
neigong zur Muskelatrophie. Interessant ist dabei der vor 3 Jahren eiogetretene 
acute Nachschub der Krankheit. Aetiologisch kommt die hereditäre nervöse Be¬ 
lastung in Betracht, ferner die durch die erste Affection gesteigerte Disposition xn 
neuerlicher Erkrankung der grauen Substanz, als unmittelbare Gelegenheitsursache die 
locale Muskelanstrengong des Nähens. M. Rothmann (Berlin). 


14) Ueber progresalve Muakelatropfale naoh oerebraler KlnderlähmimB, 

von H. Bisping. (Inaug.'Dissert 1898. Kiel) 

Verf. bespricht einen interessanten Fall aus der Qoincke’scben Klinik. Es 
handelt sich bei einem Individnum um: 


Dig 


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705 


1. ^Ubogentrauma im 3. Jahre, 

2. CerebralerhrankuDg mit Hemiplegie im 4. Jahre, 

3. Moshelatrophie im 25. Jahre. 

Bei letzterer handelt es sich um die Erb'sehe juvenile Form der Dystrophia 
muscalaris progressiva. Yerf. hält es für wahrscheinlich, dass diese Dystrophie 
ätiologisch mit der im 4. Jahre Qberstandenen Encephalitis acuta in Zusammenhang 
stehe. Kurt Hendel. 


16) Heber Complioation spinaler Kinderlähmung mit progressiver Muskel- 

atrophie, von August Filbry. (Inaug.-Dissert. 1898. Kiel.) 

Die Besprechung der pathologischen Anatomie der spinalen Kinderlähmung, 
sowie der progressiven Muskelatropbie zeigt, dass beide Erkrankungen auf Verände¬ 
rungen der grauen VorderhSmer beruhen. Nur das Bild ist bei beiden Krankheiten 
ein verschiedenes. Die spinale Kinderlähmung tritt plötzlich auf und ist weit ver¬ 
breitet, sie bessert sich bald und es kommt schliesslich zur Qanglienzellenatrophie. 
Heist werden Kinder von ihr befallen. Die progressive Muskelatrophie ist hingegen 
eine chronische, langsam einsetzende und progressiv verlaufende Krankheit, die meist 
Erwachsene befällt. Die Residuen der spinalen Kinderlähmung scheinen den Boden 
för die progressive Huskelatrophie zu bereiten. Verf. ft^ den 5 bisher beobachteten 
Fällen von Complioation beider Krankheiten eine eigene, auf der Quincke’schen 
Klinik gemachte Beobachtung hinzu. Bei einem Hanne, der im 2. oder 3. Lebens¬ 
jahre eine spinale Kinderlähmung durcbgemacht hat, stellt sich vom 26. Jahre an 
eine im Schulte^rtel beginnende progressive Muskelatrophie ein. In den in der 
Kindheit erkrankt gewesenen Vorderhömem trat eben von neuem eine langsam fort¬ 
schreitende Erkrankung mit Schwund der Ganglienzellen ein. Eine Läsion des 
fi&ckenmarks lag vor, der Boden für eine neue Erkrankung war geebnet. Eine 
äussere Einwirkung, welche entweder Ueberanstrengung oder Erkältung sein mag, 
„weckt die vorhandene Läsion aus ihrem Schlummer“ und so entsteht die progressive 
Muskelatropbie. Kurt Mendel. 


16) Solle distrofie muscolari progressive, perd’Abundo. (1897. 61 Seiten.) 

Verf. bringt in dieser vornehm ansgestatteten, mit vielen ausgezeichneten Photo- 
graphieen illustrirten Schrift wichtige Beiträge zur Lehre der progressiven Muskel- 
strophie, bezw. Dystrophie. Sehr eingehend werden 14 Beobachtungen mi^etbeilt, 
von denen eine ^ibe dem familiären Typus angehören, imd überall fast ist erbliche 
Belastung vorhanden. Wichtig ist auch eine specielle anthropologische Untersuchung. 
Verf. zeigt, dass es sich in manchen seiner Fälle um Uebergänge der spinalen 
progressiven und der primären Muskelatrophie handelt, die auch andern bekannten 
Typen sich nicht gut subsummiren lassen. Er glaubt — und das wohl mit Recht —, 
dass das Centralnervensystem wohl stets in Mitleidenschaft gezogen ist, und dass das 
ganze Studium der Mnskelatrophieen überhaupt von neuem zu machen ist. Vor 
allem haben die verschiedenen Unterabtheilungen zu fallen; sie zeigen eben nur an, 
dass es gewisse bevorzugte Localisationen giebt, deren Grund wir aber noch nicht 
kennen, da wir überhaupt Näheres über die Entwickelung der Muskeln und deren 
Differenzirong noch nicht kennen. Die Klinik zeigt immer mehr, wie sich die 
Haupttypen: die primäre und spinale Muskelatropbie einander nähern; die Pathologie 
muss dies endgültig aber beweisen. Vielfach sind die Ursachen dieser Dystrophieen, 
in mehreren Fällen des Verf.’s spielten Infectionen eine grosse Rolle. Experimente 
werden hier aufklären können. Wichtig ist, dass die anthropologische Untersnehung 
in einer guten Anzahl angeborene defecte Organisation anzeigte. Die Entwickelung 

45 


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706 


Entwickelang der Muskeln and des Skeletts sind eng miteinander verbunden. Je 
compUcirter bei Thieren das letztere ist, desto differenzirter ist die Mosknlatur. 

Näcke (Hnbertosbnrg). 


17) Supra im caso di mlopatia atrofica progreaaiva oon parteoipazione 

di un muBcolo ooiüare, per 0. Lombroso. (Clinica modemo. HL 40.) 

Mittheilnng eines Falles von Dystrophia musc. progressiva bei einem 19jährigeo 
jungen Manne. Das Leiden hatte im 6. Lebensja^e b^onnen. Ansser dem Er- 
griffensein der Muskeln des Stamines und der Extremitäten bestand bei dem Fzt 
eine vollständige Lähmung des M. rect. ext. des linken Auges. Auch diese batte 
sich langsam und schleichend entvickelt. Der Kranke, ein hochgradiger Myop, hatte 
keine subjectiven Beschwerden von Seiten des Auges, auch kein Doppeltseben, wie 
Yerf. glaubt, weU er in Folge seiner starken Kurzsichtigkeit gewohnt war, die Gegen¬ 
stände stets nur mit einem Auge, bald mit dem rechten, bald mit dem linken zu 
fixiren, um die Anstrengungen der Convergenz zu vermeiden. Valentin. 


18) IdloglOBsia assooiated with paeado-hypertrophio paralysia, by Leoni. 

Guthrie. (Brit.med.Joum. 1898. June 11. S. 1620.) 

Yerf. stellte der Londoner Harveian • Gesellschaft einen Tjähr^n Pat mit 
pseudohypertrophischer Paralyse und eigenthQmlicher Sprachstörung vor (Idioglossia). 
Diese Bezeichnung ist nicht ganz correct; denn die Patienten sprechen nicht «ne 
ihnen eigenthömliche Sprache, sondern die Sprache (in diesem Falle englisch) wird 
rftcksichtlich der Buchstaben und Wörter falsch geänssert, Consonanten werden ver¬ 
tauscht, CoDsonanten f&r Yocale und umgekehrt hervoi^bracht. Dies wurde dentlidi, 
wenn der Knabe das Alphabet hersagte, oder ein bekanntes Kinderlied sang. Alle 
der Sprache eigenen Töne und Laote konnten hervorgebracht werden, jedoch nidit an 
richtiger Stelle; das Kind hatte kein Bewusstsein von der Fehlerhanigkeit solchen 
Sprechens. Der Fehler lag also mehr im Ohr, als im motorischen Tonapparat; Unttf- 
schiede zwischen Tönen wurden nicht wah^nommen; Mosikgebör war gänzlich ab¬ 
wesend. Wenn man dem Kinde vorsprach mit deutlicher Formung der Lippen und 
Zunge, so wurde richtig nachgesprochen. Doch verlor sich die Aufmerksamkeit 
schnell, und dann wars wieder beim Alten. — Unterricht in dieser Art könne in 
solchen Fällen nötzlich werden. 

Der ältere Bruder starb an pseudo-hypertrophischer Paralyse, nnd eine jOngere 
Schwester hat ähnliche Sprechanomalien. Doch bestehe zwischen pseudo-hypertro¬ 
phischer Lähmung und Idioglossie kein causaler Zusammenhang. 

L. Lehmann I (Oeynhausen). 


19) Amiotrofla idiopatloa a oorso rapidiSBimo svolta si dorante i primi 
mesi della vita, per G. Mya e E. Lnisaela. (Riv. di Patologia nerv, e 
ment. 1898. Nr. 3.) 

Ein 6 Monate altes Kind, das vor 1^/, Monaten, ohne dass fieberhafte oder 
andere Erkrankungen voranfgegangen waren, von Schwäche mit nachfolgender L^- 
muDg an Armen nnd Beinen befallen wurde. Bei der Aofnabme waren die Mosk^ 
des ganzen Körpers gelähmt. Es traten Schluckbeschwerden und Dyspnöe hima, 
nnd das Kind starb bald darauf an Zwerchfellläbmnng. Die Section ergab nichts 
Bemerkenswerthes mit Ausnahme der Atrophie der Muskeln, die den stärksten Gmd 
im Gebiete der Glntaeen, der Deltoidei, der Snpinatoren, der vom Badialis versorgtea 
Muskelgmppen, der Brustmuskeln and des Zwerchfells erreichten. Mikroskopisch be¬ 
standen die Muskeln aus wenigen Bündeln, die ohne Querstreifung, aus homogenem. 


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707 


granalirtem Protoplasma bestasdeo; daoeben Fasern von riesigen Dimensionen und 
eine enorme Menge jangen Bindegewebes mit Fettzellen. 

Da sich weder im Gehirn, noch im Bttckenmark oder den peripheren Nerven 
Verändemngen fanden, so mnas die Amyotrophie eine primäre, idiopathische gewesen 
seia Ihre Ursache ist nach Ansicht der Verff. eine Unfähigkeit des Moskelplasmas, 
ans Blut and Lymphe sich die Nährstoffe zu assimiliren. So kommt es zur Inanition 
and Atrophie der Mnskelfasem, an deren Stelle secnndär Bind^ewebe tritt. Diese 
UnHlhigkeit ist Folge eines Defects der embryolc^ischen Entwickelni^, wie solche in 
ähnlicher Weise im Gehirn zur Idiotie, Mikrocephalie, Porencephalie führen kbnnen. 

Valentin. 


20) Beoherohes lUsto-pathologiques sur l*dtat des oentres nerveux dans 
la commotion thoraoique et abdominale experimentales, par C. Paras* 
candolo (Neapel). (Arch. de phys. norm, et path. 1898. Nr. 1.) 

Verf. hat 10 Meerschweinchen dnrch einmalige stumpfe Traumen, welche sich 
dank der Veranchsanordnong anf Thorax bezw. Abdomen beschränkten, getödtet und 
das Centralnervensystem nach Nissl, Marchi und Golgi nntersncht Sämmtliche 
mikroskopische Befände werden eii^ehend mitgetheilt Die Golgi’sche Methode 
ergab Deformation des Zellkörpers, rosenkranzähnliche Anschwellungen und Fragmen¬ 
tation der Protoplasmafortsätze. Die Marcbi’ache Methode ei^b bald nnr einfache 
Degeneration der Lissaner'schen Bandzone und der Hinterwurzeln, bald eme Ober 
alle Stränge vertheilte Degeneration. Mit Hülfe der Nissl’schen Methode war 
namentlich eine Chromatolyse in mannichfacber Form ond Intensität nachznweisen. 
Das Protoplasma (d. h. die Gruudsnbstanz) war mehr oder weniger stark rareficirt 
oder vacnoUsirt. Der Bern lag auffällig oft excentrisch und war bläschenförmig 
geschwollen. Th. Ziehen. 


21) Een geval van traumatisohe porenoephalie, door Dr. J. Graanboom. 

(Weekl. van het Nederl. Tijdschr. voor Geneesk. 1897. 1. 15.) 

Einem in Indien geborenen Kinde fiel im Alter von 8 Monaten eine Cocosnuss 
auf den Kopf; das Kind war eine Zeit lang bewusstlos nnd vollkommen gelähmt ge¬ 
wesen, erholte sich aber wieder. Zeichen äusserer Verletzung waren nicht vorhanden 
gewesen. Das Kind entwickelte sich körperlich und geistig normal and lernte im 
Alter von 1 Jahre gehen. Im Alter von 1 Jahr 8 Monaten stellten sich anf der 
Beise nach Europa plötzlich epileptiforme Anfälle ein, die während der Seereise 
selten, dann aber häufiger und heftiger waren. Ham und Eoth gingen schliesslich 
unfreiwillig ab. Am hinteren Bande des linken Seitenwandbeins, wo die Cocusnnss 
aufgetroffen hatte, fand sich ein 8 cm langer und bis 3 cm breiter Enochendefect 
nnter normaler Haut, ohne Narbe, in dem sich Pulsation zeigte und die Bedeckung 
Über die Umgebangen emporragte, Anfälle mit cloniscb-tonischen allgemeinen Muskel- 
krämpfen, die nicht in einer bestimmten Mnskelgmppe begannen und von Bewnsst- 
losigkeit begleitet waren, wechselten mit AnßUen von Benommenheit mit rascher 
vorübexK^^^Q^^r Bewasstlosigkeit ab. Bei einer Explorativoperation an der Stelle 
des Scbädeldefects sah man, dass dieser'mit fibrösen Strängen überbrückt war and 
am Bande keine Depression zeigte. Die Dora war mit dem Pericraninm und der 
Pia verwachsen nnd schwer abzulösen. Knochensplitter waren nicht vorhanden. Die 
Pia war unlösbar mit etwa 1 cm dicker, durch atrophische Sklerose veränderter 
Himsnbstanz verwachsen; nach Einschneiden in diese, wobei eine Menge Cerebro- 
spinalflüssigkeit abging, sah man eine Höhle mit glatten, pigmentirten Wänden, die 
mit denn hinteren Hom des linken Seitenventrikels commnnioirte. Die Heilung verlief 
ohne Stürung. Der Defect war unverändert, aber es war keine Pulsation mehr in 

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708 


ihm Torhandeo. Die Erfimpfe erschieoeD nach der Operation nicht wieder. SpUer 
nahm die Intelligenz zn, a^r nach fast Jahre konnte das 2Vs Jahre alte Kind 
noch nicht sprechen. 

Da kein Omnd vorhanden ist, eine angeborene Porencephalie anznnehmen, and 
der Zasammenbang mit der früheren Sch&delverletznng kaum zweifelhaft sein kann, 
muss man wohl in diesem Falle eine Porencephalie traumatischen Ursprungs an¬ 
nehmen. Die gefundene, mit dem Seitenventrikel commnnidrende Höhle, die die 
Qrösse eines Taubeneies hatte, ist nach dem Terf. nicht als ein nach Blutung ent¬ 
standener cystenartiger Baum zu betrachten, sondern mit mehr Wahrscheinlichkmt 
als eine Ausstülpung des Seitenventrikels nach der in atrophischer Sklerose begriffenoi 
Hirnrinde hin. Walter Berger (Leipzig). 


22) Neuroglioms oerebrale ln 8^;nito a trauma al oapo, per M. Carrara. 

(Archiv, di Psichiatria. XU. 1.) 

Kach einem Stockschlage auf den Kopf, der lediglich eine Weichtheilwunde ge¬ 
setzt hatte, litt der Kranke an Schwindel und OhrenscbmOTen, Hemiparese niid 
Herabsetzung der Sensibiiit&t auf der Seite der Verletzung. Bei der Section tend 
Verf. in der Binde der rechten Hemispb&re eine unr^elmässige Höhle, von der 
vorderen Centralwindung bis zum Occipitallappen reichend: das Centrum ^es zer¬ 
fallenen Neuroglioms. Aus dem mikroskopischen Befand pflichtet Verf. der Ansicht 
Toeglers bei, dass an dem Aufbau der Neurogliome die Ganglienzellen activ tbeil- 
nehmen. Ob der Schlag die Veranlassung zur Entstehung des Tumors gewesen, 
lässt Verf. unentschieden, hält es aber für unzweifelhaft, dass durch ihn der rasche 
Ausgang herbeigefflbrt ist . Valentin. 


23) Ein Fall von traunstUoher, smyotrophiaoher liateralaklerose am 

untersten Theile des Büokenmarks, von Goldberg. (Berliner klin. 

Wocbenschr. 1898. Nr. 12.) 

Ein 43jäbr. Biaurer war 3 m tief herabgestürzt und hatte als alleiniges äusseres 
Zeichen dieses Unfalles einen Brach des vierten rechten Hetatarsalknochens erlitten. 
Nach Heilung der Fractur klagte er über Schwäche und Schmerzen im ganzen rechten 
Bein, ohne dass sich ein objectiver Befand erheben Hess. Pat wurde eine Zeit lang 
der Uebertreibung, bezw. der Simulation beschuldigt Allmählich aber stellte sich 
heraus, dass ein centrales Nervenleiden bei ihm in der Entwickelnng begriffen war. 
Fat. bewegte sich mit spastisch-paretischem Gang nur mühsam an einem Stock. Dis 
rechte Fossspitze schleifte am Boden, die linke konnte nur wenig von demselben 
abgehoben werden. Beide Beine zitterten, das rechte mehr als das linke. Ueber- 
baupt waren alle Erankheitssymptome auf der rechten Seite aosgeeprocbener als auf 
der linken. Patellarreflexe and Fassphänomen waren stark gesteigert. Die Senm- 
bilität für alle Gefühlsqualitäten war gamicht tangirt Die Sphinkteren waren freL 
Die Wadenmuskeln waren an beiden Beinen beträchtlich abgemagert Es musste 
also nach dem Befand die Diagnose der amyotrophiscben Lateralsklerose, welche sieh 
aber bisher nor an den unteren Extremitäten bisher kenntlich gemacÜ hatte, ge¬ 
stellt werden. 

Verf. fügt seinem Falle noch Bemerkungen bei über die wenigen Beobachtungen 
von Entstehnng dieser Erankbeit nach Trauma, die sieh in der Litterator ver¬ 
zeichnet finden. Bielschowsky (Breslan). 


24) Ueber ohronisohe ankylosirende Entzündung der Wirbels&ule, von 
Dr. Ch. Bäumler in Freibnrg i/Br. (Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilkunde. 
1898. XII.) 

Im Anscbloss an die VeröffentÜchaogeD v. Bechterew’s und Strümpell’s 
wird ein Fall von ankylosirender Entzündung der Wirbelsäule und der Hüftgelenke 


D g I /cd oy GoOg IC 



709 


mitgethflili Wahrscheinlich waren letztere zuerst betroffen und png die Äffection 
erst dann auf die Wirbelsäule in der Richtung von nuten nach oben Aber, so dass 
scbliesslich auch die Halswirbelsäule in schmerzhafter Weise erkrankte. Yerf. bringt 
diese Verändemngen des obersten Tbeils der Halswirbelsäule iu direote Abhängig¬ 
keit von den vorausgegangenen, die statischen Verhältnisse umgestaltenden Processen, 
insofern der Kranke in Folge von Steifheit der übrigen Wirbelsäule genöthigt war, 
den Kopf, besonders beim Schreiben, stark vomttbergeneigt zu halten. Diese Ueber- 
anstrengung wirkte wie ein Trauma, das einen Locus minoris resistentiae setzte, an 
dem Bakterien wirksam wurden. Wie man sieht, nimmt Yerf. zwei verschiedene 
Arten der Entstehung der Gelenkaffectionen an demselben Pat. an. Die Hüftgelenke 
und der grösste Tbeil der Wirbelsäule erkrankten allein in Folge eines infectiösen 
Agens, die Halswirbelsänle dagegen wurde erst durch eine Art Trauma der Wirksam¬ 
keit organisirter Entzündnngserreger zugänglich. Zu einer derartigen doppelten Ur¬ 
sache für den gleichen Fall zu greifen, erschien dem Bef. nicht geboten. Ob die 
ersten Gelenke auch unter Schmerzen erkrankten, wird nicht angegeben; sollten sie 
gefehlt haben, so könnte vielleicht das Trauma für die Schmerzen im Kacken ver¬ 
antwortlich gemacht werden (Ermfidnngsscbmerzen 1). Allerdings wird ja auch das 
eine Stemoclaviculargelenk als schmerzhaft bezeichnet. Die beiden Ursachen, welche 
Ferf. einem Falle zu Grunde legt, werden dann noch weiter als die häufigsten Ver¬ 
anlassungen hingestellt, welche im Allgemeinen zur mehr oder minder hochgradigen 
Ankylosirnng der Wirbelsäule führen. Es sind dies einmal vorwiegend (!) bestimmt 
gestaltete, mechanische Momente, andererseits die verschiedenartigsten Infectionen. 
Zur Therapie empfiehlt der Yerf. möglichst frühzeitige Ruhestellung der erkrankten Theile. 

Bef. möchte hier nicht unterlassen zu bemerken, dass gerade Strümpell die 
Wirbelsäulenaffection als eine eigenthümliche Krankheit, und nicht wie Yerf. 
als eine einfache bakterielle Entzündung hinstellt. Schliesslich braucht doch nicht 
jede Entzündung, die zu Ankylose führt, durch Bakterien verursacht zu sein. 

E. Asch (Frankfurt a./M.). 

26) ij’osteomyöllte vertdbrale, par Ä. Chipauli (Gazette des höpitanz. 1897. 

Vol. CIL.) 

Yerf. hat 28 Beobachtungen gesammelt. Die Krankheit kam in *1^ der Fälle 
bei männlichen Individuen in der Pubertätsperiode vor; sie kann isolirt oder mit 
anderen osteomyelitischen Herden combinirt auftreten. Mit Vorliebe befällt sie die 
Wirbelbogen und die Lnmbalr^ion. Bei der Localisation an den Bogen bestehen 
nebst den Allgemeinerscheinungen Zeichen der tiefen Eiterung, bei der Localisation 
an den Wirbelkörpem Steifheit der Wirbelsäule (jedoch selten Qibbns) und Senknngs- 
alMcesse (Retropharyngeal-, Mediastinal-, Psoasabscesse). In einem Drittel aller Fälle 
bestanden myelitische Erscheinungen. Bei Zurücktreten der localen Erscheinungen 
ist die Diagnose sehr schwierig, es kann Myelomeningitis, Pneumonie, Typbus, Peri¬ 
tonitis vorgetäuscht werden. 3 Fälle worden durch chirurgische Intervention* dem 
sonst absolut tödtlichen Ausgang entrissen, der längstens in 30 Tagen eintritt. Im 
Falle des Yerf.’s, der ein Kind betraf, bei dem man Endocarditis vermuthete, führte 
das Auftreten von tiefer Fluctuation in der Gesassgegend und Oedem neben der 
Wirbelsäule bis hinauf zur 12. Rippe auf die richtige Diagnose. 

R. Hatschek (Wien). 


26) Ueber „Huskelsobwund** Unfallverletzter mit besonderer Berüok- 
siohtigang der oberen Bztremitäten, von Dr. Firgan. (Archiv f. Unfall- 
heilk. 1898. Bd. XI.) 

Verf. stellt sich die Aufgabe, zu beweisen, dass die Verminderung oder Yer- 
gröesemng eines Muskelquerschnittes die Folge einer verminderten oder vermehrten 


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Arbeitsleistung ist. Als die „untere drenze der endgültigen Kraftleistnng’' besMcbnet 
Yerf. diejenige Muskelanspannnng und denjenigen Muskelqnerscbnitt, der jederzeit 
bei stärkerer Anspannung erreicht werden kann, als die „obere (xrense der end* 
gültigen Kraftleistung'' bezeichnet Yerf. demgegenüber denjenigen maximaleo find 
der Contrsction, den ein Muskel in Folge Ton Uebung annehmen kann, ohne sidi 
selbst zu schädigen. Ein Muskel „dehnt sich nur so weit aus“, als es nöthig ist, 
um die an ihn gestellten Anforderungen zu erfüllen. Erst bei einer Steigernng der 
Ansprüche erfolgt die Dickenzunabme (vergl. Herzmuskel). Die Zunahme des 
Muskels bei der Thätigkeit deutet schon auf eine Yolumrermindernng bei In- 
activität hin. Dabei darf man unter Inactivität nicht die Herabsetzung oder Auf¬ 
hebung der sichtbaren Locomotion oder sichtbaren Bewegung Terstehen, sondern dis 
Herabsetzung der zum Muskel gelangenden motorischen Impulse. Je geringer des¬ 
halb der Ausfall an motorischen Impulsen ist, desto geringer ist die Yolamsabnahse 
und umgekehrt 

Die Atrophie unter einem Gipsverband ist nur eine geringe, weil nur eiiw 
geringe Zahl von motorischen Impulsen wegföUt, während eine grosse Zahl erhaltea 
bleibt 

Anders ist es bei Unterbrechung der peripherisch-motorischen Bahn abwärts von 
ihrem Centrum^ In diesem Falle ist die Atrophie hochgradig, da kein Beiz zum 
Muskel gelangen kann. Die nach Gelenkentzündungen so schnell aoftretenden Atro- 
phieen erklären sich ähnlich. In Folge der grossen Schmerzhaftigkeit vermeiden die 
Kranken jede Bewegung und der Muskel nimmt dementsprechend an Yolumeo ab 
(? der Bef.). 

Yerf. fasst die genannten Zustände unter dem Namen Huskelatonie zusammec 
und stellt folgende Gruppen dieser Atonie auf: 

1. myogene, erzeug durch Yerletzungen, welche den Muskel selbst treffen; 

2. peripher-nenrogene, erzeugt durch Yoigänge, die den motorischen Nerven 
direct schädigen; 

3. centrale, erzeugt durch Yorderhom- und Bimerkrankungen mit Zerstüning 
motorischer Bezirke. 

In die letztere Gruppe rechnet Yerf. auch Fälle, bei welchen in Folge einer 
Autosuggestion allmählich die motorischen Impulse ausgeschaltet worden sind. 

Yerf. wendet das allgemein gesagte in einem speciellen Theile dann auf di« 
„Atonieen am Schultei^rtel" an. Er bespricht dabei besonders die Inspection und 
Mensuration zur Erkennung der Atonieen. Faul Schuster (Berlin), 


27) Lb oontraoture bystdro-traumatique des massdters, par Yerhoogen. 
(Communic. faite au Congrds international de neurologie ä Broxellea. 1897. 
Septembre.) 

Es werden 3 Fälle von hysterischer beiderseitiger Masseterencontractnr nach 
Tralima berichtet In den beiden ersten Fällen besteht neben der Contmctur auf 
der vom Trauma betroffenen Seite eine Zone mit Hauthyperästhesie. Die Behandlung 
bestand in Suggestion ohne Hypnose, sowie Faradisaüon. Im dritten Falle war neben 
der Contractnr beider Masseteren eine totale Facialislähmung auf der vom On&D 
betroffenen rechten Seite vorhanden, welche sich als hysterische Lähmung erwies. 
Die Contractnr wich in diesem Falle plötzlich auf der linken .Seite, ^i^rend äe 
rechts fortbesteht Kurt Hendel. 

28) Een geval van trauxnatlBOhe Hyatero^epilepsie, door J. W. Jaeobi en 
F. H. Lamberts. (Fsychiatr. en neurol. Bladen. 1897. Juli. Nr. 3. blz. 384.) 
Ein 16 Jahre altes Mädchen hatte sich im Alter von 2 Jahren eine Wunde 

über der rechten Augenbraue zngezogen, wahrscheinlich mit folgender Wnndinfection, 


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711 


wonscb eine scbmerzbafte Narbe zurückgeblieben war. Im Alter von 11 Jahren, 
beim Tode ihres Vaters, batte Pai die ersten Anfälle. Sie wurde von ihrem Stief¬ 
vater schlecht behandelt und, als eie in schlechte Oesellschaft gerieth, von ihrer 
Kotter in ein Kloster gebracht Von hier ans wurde Patientin, da sich die Anfölle 
immer mehr h&often, in das Krankenhaus gebracht Ausser den Krampfonßllen litt 
Patientin an häufig wiederkehrenden Anßllen von Traumzuständen, die durch eine 
Erinnerungsanra eingeleitet werden. Sobald die Erinnerung an die strenge Behand¬ 
lung zu Hause, in Folge deren sie schliesslich in das Kloster kam, lebendig wurde, 
was sich durch Bosheit vor dem Anfälle zu erkennen gab, folgte stets onmittelbar 
die Objectivirung dieser Erinnerung; Patientin kannte ihre Umgebung nicht mehr, 
und glaubte sich in das Kloster versetzt Während dieser Traomzustände wiederholten 
sich die Krampfan^e, ein Krampfanfall leitete den Traumzustand ein und ein 
Krampfanfall be^hloss ihn. Während der Traumzustände bestand starke Convei^enz 
der Augen, die Pupillen reagirten nicht g^en Licht und waren verengt, es bestand 
conjugirte Ablenkung der Augen und des Kopfes nach links, sowie Laterospasmos 
mit der Concavität nach links. In einem späteren Stadium der Anfälle folgten Angst 
Gespräche, die sich um die schlechte Behandlung drehten, die Patientin zu Hanse 
batte erdulden müssen, dann verfiel Patientin wieder in ihren Traumzustand zurück, 
manchmal aber erwachte sie langsam daraus, dann blieb die Convergenz der Augen 
noch eine Zeit lang bestehen, und Patientin war vollst^dig amaurotisch. Convergenz 
und Amaurose verschwanden dann zugleich, meist plützlicb. Im Traumzustande er¬ 
innerte sich Patientin an alles, was mit ihr voi^egangen war, nach dem Traum- 
zustande aber bestand vollständige Amnesie für die ganze. Dauer desselben. Bei der 
Aussichtslosigkeit der Behandlung erscheint eine, die schmerzhafte Narbe zum Aus¬ 
gangspunkte nehmende Operation gerechtfertigt. Walter Berger (Leipzig). 


29) Bioerohe batteriologiche nel dellrio aouto, per C. Ceni. (Biv. sperim. di 

Freniatria. XXIIl.) 

In zwei Fällen acuten, nicht alkoholischen Deliriums, die zur Section kamen, 
und in denen Verf. das Blut und die Cerebrospinalflüssigkeit bakteriologisch unter¬ 
suchte und Thieren eiuspritzte, fand Verf. nicht den von Bianchi und Piccinino 
als specifiscb beschriebenen Bacillus, sondern nur Staphylokokken, ein Befund, der 
dafür spricht, dass der genannte Bacillus nicht die einzige Ursache des acuten 
Deliriums ist, und dass diese Mikroorganismen nur von secundärer Bedeutung, wahr¬ 
scheinlich vom Verdanungscanal her eingewandert sind und für die Aetiologie der 
Erkrankung nicht in Betracht kommen. Valentin. 


Therapie. 

30) Bijdrag tot de kennis der thyrMidea-behandeling by psyohoaen, door 
C. BijL (Psychiatr. eu nenrol. Bladen. 1897. Nr. 5 en 6. blz. 435. Nov.) 

Während Verf. in mehreren Fällen von Paranoia, Hebephrenie and Katatonie 
mit trägem Pols, stark entwickeltem Fannicnlns adiposns, ohne Organkrankheiten, 
namentlich ohne Herzkrankheiten, wenig ermntbigende Besnltate erzielte, beobachtete 
er in einem Falle von Katatonie bei einem 45 Jahre alten Manne nach Anwendung 
von Tbyreoideapillen eine rasch eintretende günstige Wirkung anf die Körperfnnctionen; 
nach einiger Zeit schien sich auch eine geringe Beseeruug einstellen zu wollen, die 
trotz eintretenden, die Herabsetznng der Gabe nöthig machenden Intoxicationserschei- 
nnngen Fortschritte machte. Nach Ober 2 Monate lang fortgesetzter Kor machte 
der Pat. den Eindruck der Genesung, er benahm sich normal and befand sich gut 


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712 


Ala Pat. aaf Probe eatlasaen warde, zeigte er seit 3—4 Wochen einen DormalcQ 
Znstand, and er befand sich auch noch 4 Wochen nach seiner Entlassung nonasL 
Um eine blosse Bemission, wie sie bei der Katatonie vorkomme, konnte es ücb 
nicht handeln, weil eine Bemission von 2 Monaten mit vollkommener Lncidit&t wohl 
als eine sehr grosse Ausnahme zu betrachten sein dürfe. 

Walter Berger (Leipzig). 


31) Ueber Anwendung von Sohilddrüsepräparaten bei Gleiateskrankheiten, 
von Dr. A. W. Gerwer. (Obozrenje psichiatriL 1897. S. 831.) 

Von 10 Geisteskranken, denen das Thyreoidinum siccatum Poehli in 
Einzelgaben von 0,12—0,6 3—4 Hai täglich verabreicht wurde, trat eine Besserung 
nnr in 2 Fällen ein, und zwar je io einem Falle von Melancholie und Paranoia halln- 
cinatoria acuta. Bei den übrigen 8 Kranken, von denen 2 an Melancholie, 3 an 
Amentia acuta, je 1 an Psychosis cireularis, an Dementia e laesione cerebri organica, 
an Epilepsie, verbunden mit choreatischen Zuckungen in den Ober* und UDterextre* 
mitäten litten, war gar keine Bessemng io ihrem Befinden eingetreten. Es wurden 
folgende schädliche Nebenwirkungen bei Verabreichung des Thyreoidin beobachtet: 
die Pulsfrequenz stieg nm 15—26 Schläge in der Minute; das Gewicht der Krankes 
fiel um 1--3 kg; bei einer Kranken traten krankhafte Zuckungen in den Gesichts¬ 
muskeln ein, bei einer anderen Kranken entwickelten sich Störungen im Gastrointestinal- 
tractus; in einem Falle wurde eine mässige Salivation beobachtet. Da es unentschiedea 
blieb, ob die nur in 2 Fällen bei Verabreichung von Thyreoidin eingetretone Besserung 
von dem Gebrauch dieses Mittels oder von dem natürlichen Verlauf der Krankhdt 
selbst abbing, so glaubt Verf. jeden sichtbaren Nutzen der Darreichung von Thyreoidin 
bei Geisteskrankheiten absprechen zu müssen. E. Giese (St. Petersburg). 


HL Aus den Gesellschaften. 

Berliner Oesellsohaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. 

Sitzung vom 11. Juli 1898. 

Krön theilt im Änscblnss an seinen in der vorigen Sitzung (d. Centralbl. S. 602) 
demonstrirten Fall von Accessoriuslähmung mit, dass bei weiterer Untersnchnng sich 
die von Bemak erwähnten Muskelbündel faradisch und galvanisch haben erregen 
lassen. In einem zweiten Falle reagiren dieselben Muskelbündel, aber die Schaukel* 
Stellung der Scapula sei doch eingetreteo. 

Bemak erwähnt bezüglich des Falles von Krön, dass bei einer erstmaligen 
Nachuntersuchung der motorische Punkt der Cervicaläste, and bei einer zweiten 
Untersuchung der Accessorius selbst erregbar war, so dass letzterer gar nicht dnrch* 
schnitten sein kann. Im zweiten Falle, in welchem die Drehstellnng eingetreten sei, 
liege die Narbe an der typischen Stelle; obwohl die von den Cervicalästen ver* 
sorgten Muskelbündel in diesem Falle erregbar sind, so seien diese Moskelbflndel 
doch so dünn, dass sie die einmal eingetretene Schaukelstellung nicht auszngleicben 
im Stande wären. Beide von Krön erwähnten Fälle seien deshalb zur Entscheidung 
der in der vorigen Sitzung discutirten Frage nicht brauchbar. 

Jnlidsburger und Kaplan: AnatomiBOher Befand in einem Falle ein¬ 
seitiger OoulomotoriusUhmang, (Erscheint als Originalmittheilung in dieser 
Zeitschrift.) 


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713 


Weil (als Oast): Erankenvorstellung. (cf. Originalmittheilung 4 io dieser 
Nummer.) 

Vortr. stellt ferner eine Patientin vor, die seit mehreren Jahren an Paralysie 
agitans leidet. Neben dem typischen Befunde der Paralysis agitans stellte sich bei 
der UntersQchoi^ das Fehlen der Pupillar* und Patellarreflexe heraus. In der Anam¬ 
nese fehlen Anhaltspunkte fllr Lues, auch sind niemals Blasenstörungen, lanzinirende 
Schmerzen, Doppelsehen n. s. w. anfgetreten, so dass ausser den fehlenden Reflexen 
keine tabischen Symptome zur Kenntnisa gelangten. Yortr. erinnert an einen Fall 
von ausgeprägter Tabes, der mit Paralysis agitans combinirt war und im Jahre 91 
in der neurolog. Qesellsch. vorgestellt wurde. Yortr. glaubt, dass in seinem Falle 
das Fehlen der Reflexe vielleicht eine zu^Iige Combination von Ursachen haben 
könnte, dass das Fehlen der Pupillenrefiexe als Älterserscheinung, das Fehlen der 
Patellarreflexe als Folgen der bestehenden Rigidität der Muskulatur zu deuten wäre, 
jedoch sei trotz des Fehlens sonstiger Symptome das Bestehen einer Tabes neben der 
Paralysis agitans doch die wahrscheinlichste Erklärung fOr das Fehlen der Reflexe. 

M. Laehr: Die nervösen Krankheitsersoheinni^en der liepra. 

Yortr. schildert auf Grund der von ihm in Sarajevo, Constantinopel und Paris 
gesammelten Erfahrungen den nervösen Symptomencomplei der Lepra. Er hebt 
hervor, dass die wesentlichsten Erscheinungen desselben auf eine multiple Erkrankung 
peripherischer Nerven zurQckgefflhrt werden mQssen, macht aber andererseits darauf 
aufmerksam, dass als Complicationen bisweilen auch Wurzel* und selbst Spinalsymptome 
hinzutreten können. Trotzalledem erscheint ihm auch ohne Bacillenbefund die Diffe¬ 
rentialdiagnose möglich, leichter gegenüber Centralerkrankungen des Rückenmarks, 
unter Umständen schwieriger gegenüber peripherischen Nervenerkrankungen anderer 
Äetiologie, besonders der Syphilis. Aber auch hier wird wohl die Berücksichtigung 
der eigentbümlichen Sensibilitätsstöningen, der multiplen Nervenverdlckungen, der 
besonderen Prädilectionsstellen, schliesslich der therapeutischen Unwirksamkeit des 
Quecksilbers die Lepradiagnose sichern. 

Eine ausführliche Publication wird an anderer Stelle erfolgen. 

Mendel: Krankenvorstellung. 

Der 44 Jahr alte Pat. bietet in seiner Anamnese weder hereditäre Anlage, noch 
Syphilis, noch Alkoholismns. Er ist rechtshändig. 

Der Beginn der jetzigen Erkrankung bei dem früher immer gesunden Manne 
datirt vom 18. April 1898 und zeigte sich mit Schwindel, Kopfschmerzen und Frösteln. 
Gleichzeitig waren ihm die Namen der Angehörigen entfallen und er verwechselte 
die Worte. Am selben Tage traten sehr lebhafte subjective Geruchsempflnduugen 
auf. Dieselben kamen immer von rechts ans der Wand. Am 30. April untersuchte 
ihn Herr Dr. Munter. Ausser amnestischer und paraphatischer Sprachstörung fand 
sich kein objectiv nachweisbarer krankhafter Befund am Nervensystem. 

Es wurden sodann eine Anzahl Polypen aus der Nasenhöhle entfernt und die 
Hjghmorshöhle rechts eröffoet. Dabei trat geringes Fieber auf. Die Hörfähigkeit 
war für Flüsterstimme beiderseits 7—8 m. 

Ende Mai bemerkten die Angehörigen, ohne dass das Auftreten eines neuen An* 
falls constatirt werden konnte, Nachschleppen des Unken Beines beim Geben und 
einige Tage später« dass Pat. den linken Arm nicht gut gebrauchen konnte. Dabei 
Klagen über Kopfschmerzen und Schwindel. Ferner zeigte sich, dass die Sprach* 
stömng erheblich zugenommen, dass er alles durcheinander sprach und das Gesprochene 
falsch verstand. Auch verkehrte Handlungen wurden beobachtet, er urinirte in ein 
Wasserglas n. s. w. Auüiahme in die Klinik am 20. Juli 1898. 

Der jetzige Befund zeigt zuerst in Bezog auf die Sprache Folgendes: Auf gestellte 




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Fragen passen die Antworten gar nicht, sind zum Tbeil ganz unverständlich oder 
Wiederholungen irgend eines Satzes. Spontan spricht der Kranke wenig, doch 
Öfter auch ganz verständig; z. B.: „mir ist immer so schnurrig!“, oder: „ich weise 
immer nicht recht, was ich sagen soll“. 

Nacbsprechen ist zuweilen gar nicht zu erzielen, zuweilen besser. (Bei der 
Demonstration spricht er einzelne Worte gut nach, andere gar nicht, bei anderen 
bringt er verkehrte Worte hervor.) 

Auf Vorzeigen einzelner Gegenstände weiss er bei manchen, wie z. B. beim 
Zeigen eines Groschens, die richtige Bezeichnung, meist jedoch brinj^ er eine falsche 
hervor. Beim Lesen von geschriebenen Worten bringt er, auch selbst bei denen 
seines Namens verkehrte Worte hervor, dagegen liest er die Zahl, z. B. auch 1898, 
fehlerfrei, während er aus 921 1890 macht. 

Beim Lesen von Gedrucktem kommt er meist Uber das erste Wort, welches 
er auch noch verdreht, nicht hinaus. 

Aufgefordert, seinen Namen, Wohnort und Datum zu schreiben, schreibt er: 

Carl Orth, Neu Trebbin Amt 7 Ubhiel 1888 (soll heissen: am 7. Juli 1898). 

Gedrucktes nachzuschreiben, ist er nicht im Stande. Geschriebenes d^egen 
schreibt er, wie z. B. den Namen seiner Frau und die Jahreszahl, richtig, anderes 
aber meist unrichtig (Demonstration). 

Die geschilderten Störungen zeigen, dass der Kranke an sensorischer Aphasie, 
an amnestischer Aphasie, an Paraphasie, an Wortblindheit, an Alexie, Agraphie 
und Faragrapbie leidei 

Der flbrige Befund ergiebt: Sehapparat, speciell auch Angenbintei^nind normal. 

Pat. hört gut; es bestehen auch jetzt noch Oeruchshallucinationen, Schwäche 
des linken unteren Facialis, Schwäche des linken Armes, Schwäche des licken Beines, 
welches beim Gehen nachgeschleppt wird. 

Beiderseits starke Kniereflexe und Kniescheibenclonns. Links auch Fussclonus. 
Hautreflexe beiderseits gleich and normal. 

Die inneren Organe zeigen keine Abnormität 

Der vorgestellte Fall erweckt unser Interesse dadurch, dass hier eine sensorische 
Aphasie mit linksseitiger Lähmung sich vereinigt Die seltenen Fälle, in welchen 
bisher dieses Znsammenvorkommen beobachtet wurde, betrafen entweder Linkshänder 
oder zehrten bei der Section eine doppelseitige Läsion des Schläfenlappeim. 
(Hierher gehören die Fälle vonWills, Wernicke und Friedländer u. a.) In einer 
grösseren Anzahl von Fällen werden ja paretische Symptome während des Lebens 
überhaupt nicht beobachtet. 

Ein unzweifelhafter Fall, in welchem ein isoUrter Herd im rechten Schläfenlappen 
mit linksseitiger Lähmung und sensorischer Aphasie einhei^eht, existirt meines 
Wissens nach nicht 

Ich nehme anch im vorliegenden Fall einen doppelseitigen Herd an. 

Der erste ist am 18. April im linken Schläfenlappen entstanden and hat apha» 
thische and paraphatische Stömngen hervorgebracht 

Der zweite ist Ende Mai entstanden and hat jene aphatischen Störungen ge¬ 
steigert und sie zu der jetzigen Höhe gebracht. Er hat seinen Sitz im rechten 
Schläfenlappen und hat durch Femwirknng auf die innere Kapsel die linksseitige 
Lähmung bedingt. Die Ausdehnung des Herdes auf der linken Seite nach dem 
Gyms angularis hin hat Wortblindheit and ferner die agraphipchen Stömngen be¬ 
dingt. Da man auch mit BDcksicht auf die in gewissem Grade und zu gewissen 
Zeiten verschiedene Objectblindheit eine wenigstens functionelle Bethätignng des 
Hinterhanptlappens wird annehmen müssen, so dürfte dieser Herd erhebliche Grösse 
haben. Druckwirkung auf den Gyrus nncinatns dürften die Gemchshallncinationen 
erklären. 


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715 


Da Syphilis au^eschlossen, die Entwickelung eines oder mehrerer Tamoren bei 
dem Mangel aller Ällgemeinerscheinnngen, auch der Stauungspapille, wie nach dem 
Verlanf höchst unwahrecbeinUch ist, endlich es auch für die Entwickelung von Hirn- 
abscessen jeder Anhaltspunkt fehlte wird die Diagnose auf einen doppelseitigen 
Erweichungsherd im Schläfenlappen gestellt. (Die auaffibrlicbe Publication 
erfolgt an anderem Orte.) 

H. Bloch: Demonatration eines anatomisohen Präparates eines Falles 
▼on Worttaubheit. (Erscheint als Original •Hittbeilung in der nächsten Nummer 
d. Gentralbl.) 

Toby Cohn: Sin Fall von Athetose im Gebiete der Himnerven und 
wahrer Mnskelhypertrophie bei spastischer infantiler Hemiplegie. 

Eine 25jähr. Frau aus der Poliklinik des Herrn Prof. Mendel, ohne besondere 
hereditäre oder persönliche Antecedentien (bis auf Diphtherie im 12. Lebensjahr). 
Seit 2^/2 Jahren Terhelrathet, kinderlos. — Seit ihrem 3. Lebensjahr besteht bei ihr 
(allmählich ohne Fieber, ohne Krämpfe, ohne Prodrome entstanden) eine linksseitige 
spastische Hemiparese (Contractur im linken Arm, im linken Bein und auch in der 
linken Qesichtshälfte). Athetosebewegungen am ausgesprocheusten in den Fingern, 
aber auch im Ellbogen* und Schaltergelenk; im Fuss* und den Zehengelenken weniger. 
-Ausserdem sind Athetosebewegungen in der linken Zangenseite, im 
Gaumensegel und dem linken Facialisgebiet deutlich demonstrirbar. Mit* 
bewegnngen sind gering. Die Muskulatur des linken Arms ist hypertrophisch; 
um den Grad der Hypertrophie an dem in Contractur stehenden Arm festzustellen, 
wurde die Pat in Narcose untersucht. Der Arm wurde völlig schlaff, die Athetose- 
bew^ungen cessirten, und es fand sich eine ümfangsdifferenz von durchschnittlich 
IV 2 —^ Gunsten der kranken Extremität. Huskelexcision wurde verweigert. 

Ob es sich bei diesen Hypertrophieen, die mehrfach bei cerebraler Kinderlähmung 
beschrieben worden sind (z. B. von Bernhardt u. A.), um Arbeitshypertrophieen 
bandelt (sie fanden sich immer gleichzeitig mit intensiver Athetose), oder ob sie, wie 
Freud meint, ein von den übrigen Erscheinungen unabhängiges Symptom der Gehirn* 
läsion darsteUen, muss vorläufig unentschieden bleiben. Die letztere Annahme er¬ 
scheint als die begründetere. — Nebenbei besteht bei der Pat. linksseitige Hemi* 
hypästhesie (besonders Hypalgesie), Herabsetzung des Geruchs, Geschmacks* und 
(jtohörs auf der linken Seite, offenbar zum Theil in Folge einer Complication mit 
Hysterie. Jacobsohu (Berlin). 


WfasensohaftUche Versammlong der Aerste der St. Petersburger KHnlk 
für Nerven- und Geisteskranke. 

Sitzung vom 25. September 1897. 

Dr. T. K. Teljatnik: Theoretische und praktische Betrachtungen über 
den Blutkreislauf Im Gehirn auf Grund der Messung des Blutdruckes im 
centralen und peripherischen Abschnitt der Arteria carotis. 

Bei seinen Betrachtungen ging Vortr. vom Hürthle’schen Schema aus, das 
graphisch das Yerhältniss darstellt zwischen der Höhe der Flüssigkeit in zwei verti* 
calen Manometern, die in eine horizontale Röhre in einiger Entfernung von einander 
münden imd dem Widerstande, den dem Ausstfömen der Flüssigkeit jener Theil der 
Röhre darbietet, der hinter dem zweiten Manometer liegt. In Anwendung zum Thier* 


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experiment dotspricht dieses Schema Folgendem: das erste Manometer bestimmt dmi 
Bltttdmck im centralen Abschnitt der anterbundenen and durchschnittenen Art carotis 
(bezw. der Aorta); das zweite Manometer den Blutdruck im peripherischen Abschnitt 
der Art. carotis; die horizontale Böhre des Schema entspricht dem ganzen Blntstrom 
Ton der Aorta bis zu den Venen, die das Blnt aus dem Gehirn ableiten und zwar 
bis zu dem Punkte derselben, wo der Blutdruck gleich Null ist; der Widerstand, 
von dem in dem Hürthle’schen Schema die Bede war, entspricht dem Widerstande, 
der dem Blntstrom entgegengesetzt wird von den Himarterien, die im Circulus Willisii 
beginnen, von den Oapillaren nnd den Venen, die das Blot ans dem Gehirn ableiten. 
Vortr. bespricht auf dem Schema. die verschiedensten Combinationen der Druckgrössen 
in beiden Manometern und kommt zum Schluss, dass nach der Hohe der Manometer* 
curven und ihrem Auseinandergehen und Äneinandenrflcken man nicht immer über 
den Zustand des Widerstandes urtheilen kann. Der parallele Gang der Curven bei 
gleichzeitiger Erhebung derselben weist anf eine Vergrösserung des Widerstandes hin, 
bei Senkung derselben auf Verminderung des Widerstandes. Das Auseinandergeben 
der Curven bezeichnet eine Verminderung des Widerstandes nur in dem Falle, wo es 
nicht von einer Steigerung der Carve des zweiten Manometers begleitet wird; das 
Aneinanderrücken der Curven dient als unzweifelhaftes Zeichen der Ver^rössernng 
des Widerstandes nur in dem Falle, wo es nicht von einem Senken der Curre des 
zweiten Manometers gefolgt ist. In den Fällen aber, in welchen das Auseinander* 
geben der Curven mit einer Hebung der Curve des zweiten Manometers oder das 
Aneinanderrücken der Curven mit einer Senkung der Curve des zweiten Manometers 
verbunden ist, kann der Widerstand entweder unverändert bleiben, oder gr&sser, odm^ 
kleiner werden. Dabei ist es gänzlich indifferent, ob absolute oder relative Messnngs- 
corven geschrieben werden. 

In der darauffolgenden Discussion bemerkte Prof. W. v. Bechterew, dass seiner 
Meinung nach über den Zustand des Blutkreislaufes im Gehirn man nicht nur nach 
den Ziffern der Hanometerangaben, sondern auch nach dem Äuseinandergehen oder 
Aneinanderrücken der Curven urtheilen kann, gesetzt, dass man bei den Experimenten 
eine absolute Abscisse zeichnet; dass ferner die Hürthle’sche Methode Auskunft 
giebt nicht nur Ober den Zustand des Widerstandes, sondern auch über die Schnellig* 
keit des Blutkreislaufes und die Quantität des Blutes im Gehirn, angenommen, dass 
man bei der Messung absolute Zahlen anwendet. 

Dr. A. W. Gerwer: Ueber die Gehimoentra der aasooUrten Augen* 
bewegungen. 

Die Experimente wurden an Hunden aosgeführt. Die Besultate seiner Unter* 
suchungen lassen sich in Folgendem zusammenfassen. Im Grosshim giebt es zwei 
Begionen, die mit der Ausführung der Augenbewegnngen vertraut sind. Die eine 
Begion liegt im Lobus frontalis nach vom vom Sulcus emeiatns, unmittelbar hinter 
dem Sulcus praecruciatus, 1 cm von der Fissura cerebri magna entfernt; die andere 
Begion befindet sich im Lobus occipitalis entsprechend der Munk’scben Sehsphäre 
und auch im Gyms angularis. Bei faradischer Beizung sowohl der ersten, als der 
zweiten Begion treten fast stets Seitwärtsbewegungen beider Augen nach jener Seite 
ein, die der Beizungsstelle entgegengesetzt ist Augenbewegungen nach oben und 
unten wurden nur in zwei Fällen bei Beizung obengenannter Bezirke erzielt; wieder* 
holte Beizungen riefen Seitwärtsbewegungen der Augen hervor. Vortr. glaubt daher, 
dass die Kerne des N. abducens reizbarer sind, als diejenigen anderer Angennerven 
(N. oculomotorins und K. trochlearis). Nach Dorchschneidung des Gehirnes entlang 
dem Sulcus cruciatus wurden bei Beizung des Occipitaliappens keine Augenbewegnngen 
mehr ansgelöst; die Entfernung des Frontalbezirkes wurde von einer Seitwärtsatellung 
der Augen nach der Operationsseite hin gefolgt; bei Zerstörung aber des Occipital* 
lappens traten gar keine Störungen in den Augenbewegungen ein. Auf Grund dieser 


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Data schlidsst sich Vortr. Ferrier’s Ansicht an, wonach die Angenbewegungen, die 
bei Beizung des Occipitalbezirkes erfolgen, abhängig sind von den in dem Gehirn 
der Thiere entstehenden Gesichtebildem, unter deren Einflnss das Thier seine Augen 
dahin bewegt, von wo es scheinbar die Gesichtswahmebmungen empföngt. Vortr. 
nimmt an, dass die Occipitalregion mit der frontalen durch ii^end welche Associations* 
fasern verbunden ist, wodurch am wahrscheinlichsten das Fehlen der Angenbewegungen 
erklärt wird, bei Beizung des Occipitallappens nach Durchschneidung des Gehirnes 
ängs dem Sulcus cmciatus. Dem Frontalbezirk schreibt Vortr. bloss motorische 
Functionen zu. Beim Experiment am Affen, den Vortr. Gelegenheit hatte während 
der üntersnchnngen von Prof. W. v. Bechterew zu beobachten, wurden Besultate 
erzielt, die ganz analog waren den Schlussfolgerungen, die Vortr. bei seinen Experi* 
menten an Hunden gewonnen hatte. Bei Beizung des VierhOgels, sowohl des vorderen 
als des hinteren Abschnittes desselben, wurden Augenbewegungen nach der der 
Beizongsstelle en^gengesetzten Seite erzielt; die Augenbewegungen nach oben und 
nnten wurden nur in drei Experimenten beobachtet. Vortr. neigt der Ansicht zu, 
dass in dem Vierhfigel die Centra fQr die Coordinationsbewegungen der Angen gelegen 
sind. Vortr. legte besonderes Gewicht auf die Entwickelung einer Tonushemmung 
im N. abducens, die in einigen Fällen bei Beizung des VierhOgels nach Durchschneidung 
des K. oculomotohi und N. trochlearis auf der der Beizung gleichnamigen Seite auf¬ 
getreten war. Diese Erscheinung der Tonnshemmnng bestand darin, dass das Auge, 
in dem der N. oculomotorius und N. trochlearis durchschnitten waren, bei Beizung 
der gleichnamigen Seite des VierhOgels dennoch in der Richtung nach innen sich 
bewegte, obgleich die Nerven, die diese Bewegung auslösen, durchschnitten waren. 
Dieees Factom hält Vortr. als besonders wichtiges Ergebniss seiner Üntersnchnngen, 
da dasselbe bei Beizung des VierhOgels noch von keinem Autor beobachtet worden 
ist Zum Schluss des Vortrages demonstrirte Vortr. eine Reihe von Curven der von 
den Angen ansgefOhrten Bewegungen. 

In der Discussion bemerkte Friv.-Doc. F. Bosenbach, dass des Vortr. Experi¬ 
mente mit Entfernung des Centrums der Augeubewegungen in dem Occipitallappen 
durchaus nicht eine besondere Function dieses Centrums bekunden im Veigleich zu 
dem Centrum in dem Frontallappeu. Was die Augenbewegungen bei Beizung des 
VierhOgels betrifft, so könnten dieselben von einer Abschleifung des Stromes zu den 
Kernen des N. ocnlomotorii abhängeu. 

Vortr. erwiderte darauf, dass bei Beizung der Kerne des N. oculomotorii keine 
associirten Angenbewegungen auftreten, wie bei Beizung des VierhOgels. 

Prof. W. V. Bechterew bob das grosse Interesse des Vortrages hervor und 
sprach den Wunsch ans, dass die Experimente von Obregia, mit dessen Ansichten 
Vortr. nicht einverstaodeu ist, einer weiteren FrOfung unterzogen werden möchten. 
Es wäre ausserdem wichtig, Experimente auszufOhren mit Zerstörung der Centra für 
Angenbewegungen und die secundäre Degeneration der Leituugsbahnen, die von diesen 
Centra ausgeben, zu studiren. Hinsichtlich der Centra für Augeubewegungeu im 
TierhOgel ist er vollständig mit der Ansicht des Vortr. einverstanden, dass diese 
Ccmtn durch besondere Associationsbahuen mit der Grosshimhude verbunden sind. 
Um diese Frage zu lösen, sind ansgebreitete Zerstörungen der ganzen Rindenfläcbe 
anszofObreu, von der die Augenbew^ungen ausgelöst werden und nach einer gewissen 
Zeitdauer ist dann der VierhOgel einer Beizung zu unterwerfen. Es kann auch ein 
mechaniseber Beiz angewandt werden, z. B. eine Feder, die durch eine Stimmgabel 
in Vibration gebracht wird, um die Binwirkong des elektrischen Stromes auf tiefer 
gelegene Theile aoszuschliessen. 


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718 


Sitzung vom 23. Octobor 1897. 

Dr. N. Ä. Wyrubow: Ein Fall von Oesohwulat an der Geliimbaaii. 

Vortr. demonstrirt Präparate aas dem Oehirn mit einer Cbolestbeatomgeschwolst 
in der Gregend des 3. Ventrikels, die die GrrCsse eines kleinen Apfels erreichte. Von 
den Symptomen, die bei Lebzeiten beobachtet worden, steht in erster Beihe die 
Gleichgewichtsstörung, die im schwankenden Gange und Neigung zum B&ckwärt»> 
fallen sich kundgab. Einen Monat vor dem Tode des Kranken trat ein epileptischer 
Anfall auf, nach dem im Verlaufe einiger Tage eine peripherische Lähmung des 
linken N. facialis sich entwickelte. Eine Woche vor dem Tode wiederholte sich der 
epileptische Anfall, der Kranke verfiel in Coma und starb bei Erscheinungen Vta 
Herzschwäche. Die Gleichgewichtsstörung stellt Vortr. in Abhängigkeit von Läsion 
des Gebietes des 3. Ventrikels. Die epileptischen Anfälle hält er bedingt dnrek 
Beizung mit kleinen Geschwulstknötchen, die tbeils im oberen Abschnitt des ver¬ 
längerten Markes, theils am unteren Bande der Varolsbrücke links localisirt waren; 
durch den von ihnen ausgefibten Druck erklärt sich auch die Fadalisparalyse. 

In der Discussion bemerkte Prof. W. v. Bechterew, dass aus dem Fehlen von 
paralytischen Erscheinungen seitens der Extremitäten und ans dem Vorhandeosehi 
bloss von Gleichgewichtsstörungen man den Schluss ziehen muss, dass die Geschwulst 
hauptsächlich jenen Tbeil des Gebietes des 3. Ventrikels eingenommen hatte, der 
nach seinen diesbezüglichen Untersuchungen für Erhaltung des KÖrpeigleichgewicbtes 
von Belang ist. Bezugnehmend auf die vom Vortr. ausgesprochene Ansicht, dass 
die epileptischen Anßlle in seinem Falle durch Reizung des sogen. Erampfcentmins 
auf dem Boden des 4. Ventrikels bedingt waren, sprach sieh v. B. dahin ans, dass 
das Auslösen von epileptischen Anfallen ohne Theilnahme der Hirnrinde nicht mög¬ 
lich sei. 

Prof. W. V. Bechterew demonstrirte einen Patienten, der soeben von einer 
Tetanuserkrankong sich erholt batte. 

Derselbe hatte vor 2 Monaten während eines Spazierganges im Park ein« 
Steinscblag in die Gegend des linken Auges erhalten, wodurch die Cornea und die 
äusseren Hüllen an der inneren Ecke des Auges beschädigt wurden. Der Pat trat 
in die Augenklinik ein, wo nach 2—3 Wochen Anfälle von allgemeinen Erämpfes 
bei ihm auftraten, die besonders stark in der Brnstgegend ausgepi^t waren. la 
Laufe dieser Zeit hatte sich bei dem Kranken eine Entzündung des linken Auges 
mit consecutiver Atrophie des Augapfels entwickelt, die zum völligen Sebverlnst auf 
diesem Auge führte. Der allgemeinen Krämpfe wegen wnrde der Kranke in die 
Nervenklinik geschafft. Hier wurde Folgendes beobachtet: von Zeit an Zeit trata 
beim Kranken anfallsweise allgemeine, sehr schmerzhafte Krämpfe anf, die besooden 
stark in der Brost- und Banchgegend waren. Der Bauch wurde hart wie ein Brett 
Sehr stark war auch der Trismus ausgesprochen, der Mnnd konnte während das 
Krampfanfalles kaom bis ^|^—1 cm geöffnet werden. Die Krämpfe konnten leicht 
durch äussere Beize hervoigemfen werden, z. B. durch Besprengong mit kaltem Wasser, 
Percutireo der Muskeln n. s. w. Die Temperatur des Körpers war erhöht Ee nnterlag 
keinem Zweifel, dass man es mit einem Tetanus traumatischen ürsprungee sn tbim 
bähe. Von den pbarmaceutischen Mitteln verschaffte bloss Morphtom einige Erleidi- 
temng. Es wnrde darauf eine Behandlung mit Antitetaoin eingeleitet vm 
Dr. Wlajew in der Quantität von 500 Einheiten in 2 Portionen eingespritit wurde. 
Nach der Einsprit'znng trat eine wesentliche Besserung ein, die leider bloss 2—S Tage 
anhielt. Von weiterer Einführung des Antitoxins wurde Abstand genommen, da grösaere 
Portionen desselben hierselbst in kurzer Zeit nicht zu bekommen waren. Es wurde 


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719 


darauf die Ezcision der noch eiternden Narbe in dem atrophirten Augapfel Torge* 
nomiDeD, da von dieser Stelle aus augenscheinlicb das Tetanuagift in den Blutkreislauf 
eiutrai Nach der Euucleation wurdeu die Tetanusanfälle allmählich schwächer, bis 
sie gänzlich aufhörten. 

Dr. T. K. Teljatnik und Dr. E. S. Borischpolsky: XTeber den Einfluss 
von Sinnesreizen auf die Blutoiroulation im Oehim. 

Die Untersuchungen sind an Hunden angestellt worden. Der Zustand des Blut¬ 
kreislaufes im Oehim nach Einwirkung von Sinnesreizen wurde nach derHarthle’- 
scheu Methode bestimmt. Es erwies sich, dass alle Schmerzreize, sowohl an der 
Oberfläche des Körpers als im Innern desselben angewandt, eine Verminderung des 
Widerstandes der Blutcirculation im Gehirne gegenüber hervorrufen. Es ist dabei 
ganz irrelevant, ob diese Beize mechanischer (Kneifen, Stechen, Zusammenpressen des 
Testiculum), elektrischer (Faradisation) oder thermischer (Anlegen von warmen Gegen¬ 
ständen an die Haut, Bespritzen mit warmem Wasser) Art seien. Umgekehrt bewirken 
kalte* Beize (Anlegen von kalten Gegenständen, Bespritzen mit kaltem Wasser) eine 
Vergrössernng des Widerstandes. Parallele Beobachtungen Über Veränderungen in 
den Athmungsbewegungen, die unter Einwirkung derselben Beize entstehen, weisen 
darauf hin, dass die vorerwähnten Veränderungen in der Grösse des Widerstandes 
der Einwirkung von vasomotorischen Nerven zuzuschreiben sind, d. h. dass in den 
einen FäUeu eine Erweiterung, in den anderen eine Verengerung der Uimgefösse 
stattfindet. 

An der Discussion betheilig^n sich Prof. W. v. Bechterew, Gerwer, Lev- 
tschenko und Dobrotworsky. Prof. W. v. Bechterew wies in seinem Schluss¬ 
worte auf einige Mängel hin, die der von den Vortr. geübten Untersuchungstechnik 
anhaften. Dieselben beeinträchtigen Übrigens in keiner Weise die von den Vortr. 
gefundenen Besultate. Das von den Vortr. festgestellte Factum von Eintreten eines 
Spasmus in den Blutgefössen des Gehirnes nach Eälteeinwirkung verdient grosse 
Beachtung, da es auf die Möglichkeit hinweist, auf die Blutgefösse des Gehirnes 
einen Einfluss aasüben zu können, indem Kälte an die Peripherie des Körpers appli- 
cirt wird. 

Dr. W. P. Ossipow: Heber die oortioale Entetebnng der epUeptisohen 
Anfälle, die durch vergiften der Hunde mit Absinth (essenoe d’abainthe 
oultivöe) hervorgerufen werden. 

Die epileptischen Anfälle wurden bei Hunden durch Einführung ins Blot von 
essence d’absinthe cultivöe hervoigerufen. Es wurden folgende Experimente vom 
Vortr. ausgeführt: 1. nach doppelseitiger totaler Exstirpation der motorischen Sphäre 
der Hirnrinde in der tonischen Periode des epileptischen Anfalles trat die Periode 
der clonischen Zuckungen nicht ein, nach Einführung aber neuer Portionen von 
Absinth entwickelten sich allgemeine tonische Krämpfe; 2. nach doppelseitiger totaler 
Entfernung der motorischen Centra der Hirnrinde, die vor Einführung des Absinth 
in die Vene aasgeführt wurde, traten bloss tonische Krämpfe ein; 3. nach doppel¬ 
seitiger Entfernung der vorderen Partieen der motorischen Sphäre rief die Vergiftung 
mit Absinth einen Anfall mit vollausgeprägten Perioden der tonischen und clonischen 
Zuckungen hervor; 4. nach doppelseitiger Entfernung der Binde der Parietal- und 
des grössten Theiles der OccipitalJappen trat bei Absinthvergiftung ein epileptischer 
Anfall mit gut ausgeprägten tonischen und clonischen Zuckungen auf. Untersuchungs- 
resultate: 1. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die clonischen Krämpfe des epileptischen 
Anfalles bei der Absinthepilepsie von der motorischen Sphäre der Hirnrinde aus- 
gelöst werden; 2. die tonischen Zuckungen während des epileptischen Anfalles hängen 
nicht von den corticalen Centra ab, sondern von tiefer gelegenen Gehimcentra, wenn 
die Hirnrinde überhaupt einen Antheil daran hat, so ist er jedenfalls ganz unbedeutend. 


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Prof, W. ?. Bechterew: Die Resultate der Untersaohungen mit Beisons 
von hinteren Partieen der HirnheihlBphären und des Frontallappens bei 
Affen. 

Vortr. ist auf Grund zahlreicher Untersuchungen, die von ihm an verschiedenen 
Affenarten angestellt worden sind, zu der Ueberzeugung gekommen, dass die Frontal¬ 
lappen bei den Affen eine ganze Reihe von motorischen Centra enthalten, die in 
unzweifelhafter Beziehung zu den Augenbewegungen stehen. Im hinteren Abschnitt 
des Frontallappens, entsprechend der Lage der zweiten Frontalwindung, bewirkt eine 
Beiznng der Hirnrinde mit schwachen Strömen immer eine Seitenwendung des Kopfes 
und der Augen; nach innen von diesen Centra ruft die Reizung der Hirnrinde haupt¬ 
sächlich Seitenwendung des Kopfes hervor; bei Reizung der Hirnrinde nach aussen 
von diesen Centra tntt erst Seitwärtsbewegung der Äugen, dann auch des Kopfes 
auf. Bei Anwendung stärkerer Ströme können von diesen Partieen aus auch andere 
Bewegungen ausgelöst werden. So können von diesem Gebiete ans Obrenbewegnngen, 
Aufheben der Augenbrauen (oberer Facialis), Pupillenerweiterung und Oeffnen. der 
Lidspalte (Sympathicus), Athmungsbewegungeu (Hemmung oder grössere Frequenz 
derselben) hervoi^erufen werden. Alle obengenannten Centra nehmen eine streng 
bestimmte Lage in diesem Gebiete ein. Nach innen von diesem Gebiete, näher zur 
Fissura longitudinalis des Gehirnes, unmittelbar nach vom vom oberen Ende der 
vorderen Centralwindung ebenfalls in den Frontallappen befinden sich die Centra für 
Bewegungen des Oberschenkels, des Schwanzes und des ganzen Rumpfes, obgleich 
einige Autoren im Gegensatz dazu behaupten, dass diese Centra auf deu inneren, 
einander zugowandten Theilen der Frontallappen gelegen sind. Schäffer und nach 
ihm Obregia hatten die Untersuchungen von Munk bestätigt, dass nämlich bestimmte 
Theile der Netzhaut auch ganz bestimmten Partieen der Sehspbaren ln der Hirnrinde 
des Occipitallappens entsprächen. Nach diesen Untersnebungen wären assoeürte 
Augenbewegungen in Abhängigkeit von der Stelle der Reizanbringnng fes^estellt. 
Nach den Untersnebungen aber des Vortr., die an Äffen ausgefBhrt worden, erweist 
sich, dass das Ange hinsichtlich seiner Bewegungen nicht nur zum Occipitallappen, 
sondern auch zum Parietallappeu in Beziehung steht ln dem Occipitallappen können 
3 Centra für Augenbewegangen fest^estellt werden. Beizung der vorderen Partieen 
des Occipitallappens bewirkt eine Wendung der Augen nach unten uuä nach der 
der gereizten Hirahemisphäre gegenüberliegenden Seite; Beizung der mittleren Partieen 
ergiebt Seitwärtsbewegungen der Augen; Reizung der hinteren Partieen, Bewegung 
der Angen nach oben und nach der der Reizungsstelle gegenüberliegenden Seite. 
Ausserdem kann von dieser Stelle aus, uämlicb von dem mittleren Theile der Seh¬ 
sphäre, eine Popillenverengung hervorgemfen werden und etwas nach innen von 
diesem Punkte, eine Erweiternog derselben. Durch Beizung des Parietallappeos in 
dessen äusserster Partie in unmittelbarer Nähe des Occipitallappeos gelingt es eine 
Bewegung der Augen nach der entgegengesetzten Seite und nach oben bervorzorufen; 
von der innersten Partie des Parietallappena wird eine Bewegung der Angen nach 
der Seite hin ond nach unten ausgelöst. Von den mehr in der Mitte gelegenen 
Partieen des Parietallappens wird gewöhnlich Seitwärtsbewegung der Angen nach der 
entgegengesetzten Seite hin hervorgerufen. Ausserdem befinden sich in dem Parietal¬ 
lappen auch die Centra für die Pupillen, von denen eines die Pupillen erweitert^ 
das andere dieselben verengt. E. Giese (St Petersburg). 


üm EinBendung von Separatabdrücken an den Heransgeber wird gebeten. 

Einsendongen für die Redaction sind zn richten an Prof. Dr. E. Mendel, 
Berlin, NW. Schiffbauerdamm 20. 

Verlag von Vbit & Comp, in Leipzig. — Druck von Hztzobb & Wzttiq in Leipzig. 


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NEUIiOLOfllSCIlESCEXTIiALBLATT. 


Ueberstcht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie 
und Therapie des Nervensystems einschliesslich der Geisteskrankheiten. 

Herausgegeb«n tod 

Professor Dr. E. Mendel 

Siebsehuter ri B«rlla JahPgÄDg» 

UoBBtlicb eracbeineo zwei Nooimera. Preis des Jahrganges 24 Mark. Zo beziehen durch 
alle Bncbhandlangen des In> und Äaslandes. die Fostanstalten des Deutschen Reichs, 
sowie direct too der Verlagsbuchhandlung. 

1898. 15. August ^ Nr. 16. 

Leipzig, 

/3 ^ 0 % Verlag von Veit & Comp. 

^ 1898. 


ANKÜNDIGUNGEN. 


Grossherzoglich Hessische Landes-Irrenanstalt. 

Am 1. October 1. J. werden die beiden Stellen des zweiten Aasietenzarztes 
(1500 M. und freie Station) und die des für die Dauer eines Jahres ver])flichteten 
Volontärarztes (60ü M. und freie Station) frei und sollen alsbald wiederbesetzt 
werden. Bei dem Assistenzarzt wird einige nsyebiatrische Vorbildung vorausgesetzt. 
Bewerbungen werden, zunächst nur brieflicn, bis zum 15. September 1. J. hierher 
erbeten. 

Heppenheim a. d. 6., 28. Juli 1898. 

Grossh. Direetion der Landes-Irrenanstalt. 

Fr. Bieberbach. 


An der Provinzial-Irren-Anatalt zo Nietlebea bei Halle a. S. sind ^ 

1. die durch Beförderung frei werdende Stelle des 11. Assistenzarztes zum ^ 

1. October CT. S 

2. die neu geschaffene Stelle det HI. Assistenzarztes alsbald zu besetzen, \ 
zu I. Jahresgehalt 1500 M., zu 2. Jahresgehalt 1400 M. bei freier Station 1. Classe. I 

Bewer^r wollen ihre Meldungen nebst Approbation, Dissertation, Lebenslauf s 
und Zeugnissen an den Unterzeichneten Dircctor einsenden. | 

Für beide Stellen ist voi^ängige Beschäftigung auf psychiatrischem Gebiete I 
erforderlich, für die III. Assistenzarzt «Stelle Uebung in anatomischen Unter- ^ 
Buchungen er\rünscht. | 

Nietleben, den 4. August 1898. Sanilätsratb Or. Fries. \ 
















Bnd llmeua^ti in rPlinrius^en. ■ 

Vorm> Sanitätsrai Dr. Prellers Wasserheilanstalt ftir X<>rTon-, Frauen* und chronische 
Krankheiten. Ih-ospekte durch die r>irektion. 

Dirigirendor Arzt: Dp. Ralf Wiclimann, Nerrenarzt. 


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Sanitätsrath Dr. Ritscher’s 




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Uebersicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie 
und Therapie des Nerven^tems einschliesslibh der Geisteskrankheiten. 


Hersosgegeben toh 

Professor Dr. £. Mendel 

Siebzehnter “ Jahrgang. 

tfoQatlich ersoheinen zwei Nammern. PreiB des Jahrganges 24 Mark. Zd beziehen durch 
alle Bnchhandinngen des In- nnd Anslandee, die Poetanstalten des Dentsohen Beichs, sowie 
direct von der Yerlagsbachhandlong. 

1898. 15. August , Nr. 16. 

Inhalt: I. OriglMlnitthelluiigen. 1. Ueber hämorrhagische Enoepbalitis, Ton Dr. Deitert. 
2. Ein Fall Ton Worttanbheit nach Basisfractnr, von Dr. M. Bloch und Dr. M. Bielschowslnf 
in Berlin. 8. Nervenendigung in den Centralorganen, von Dr. med. Leopold Auerbach. 

M. Referate. Anatomie. 1. Die secondäre Aonstioosbahn der Taube, von Walleaberg. 
2. Lehrbuch der Histologie des Menschen einschliesslich der mikroskopischen Technik, von 
Bdhm und v. DavMoff. — Experimentelle Physiologie. S. Ueber morpholodsche Ter- 
ändemngen der Vorderiiomzellen des Böckenmarks walkend der Thätigkeit Vorläufiger 
Bericht von Luxenburg. 4. Beiträge zur Backenmarksphysiologie der Amphibien und Bep- 
tilien, yon Bickel. 5. Experimentelle Untersuchungen al>er den Einflass von BBokenmarks- 
darcbtrennnngen auf den Kreislauf des Gehirns, von Spina. — Pathologische Anatomie. 
6. Ein Fall von Spina bifida mit Doppeltheilung des Bückenmarks (Diastematomyelie), von 
Theodor. 7. La chromatolyse dans les comes antdrieores de la moelle aprds ddsaridcolstion 
de la jambe et ses rapports avec les localisations motrices, par van Gehnchton et de Buck. 
8. Ueber Biseninfiltration der Ganglienzellen, von Weber. — Pathologie des Nerven¬ 
systems. 9. Handbuch der Unfallerkrankmagen auf Grund ärztlicher Erfahrungen (nebst 
emer Abhandlung Uber die Unfallerkrankungen anf dem Gebiete der Augenheilkunde von 
Dr. Cramer), von Thiene. 10. Ein Fall von traumatischer Apoplexie ohne nachweisbare 
Schädelverletzung, von BchlofFer. llo.I2. KlinischeMittbeilungen, von Fischer. 18. Astudyof 
the lesiODS in a case of tranma in the cervical region of the spinal chord simnlating syringo- 
myelia, by Lloyd. 14. General paralysis of tbe insane during adolesoence wlth notes of tbree 
cases, by Stewart. 15. Zwei Fälle von Qnerschnittserkrankung des Halsmarkes. Beitrag 
zur Kenntniss der Sehnenreflexe, der seonndären Degenerationen und der Eömchenzellen im 
Rückenmark, von Senator. 16. Die ärztliche Untersu^nng nnd Beartheilnng von Unfallfolgen, 
von Ledderhoie. 17. Ein Beitrag zur Pathologie und pathologischen Anatomie der traumatis^en 
BöckeomarkserkrankungeD (sog. Hämatomyelie, secnndäre Euhlenbildnng), von Lax nnd Müller. 
18. Troubles dn thorax dans la syringomydlie, par Merle, 19. Syringomyelie mit totaler 
Hemianästhesie noch peripherem Trauma, von Stein. 20. Ueber einen Fall von Syringo¬ 
myelie mit Spontanhactnr beider HnmemskOpfe nnd Resorption derselben, von Kofend. 
21. Form nnd Ausbreitnng der Sensibilitätsstorungen bei S 3 rringomyelie, von Hahn. 22. Ein 
Beitr^ znr Aetiologie and Symptomatologie der Syringomyelie, von Laeae. 23. Ein Fall 
von einseitiger Gliose im Cervioaltheile des Bfickenmarks, die den ao&teigenden Tbeil der 
Trigeminoswurzel berührte, von Homdn. 24. Dissociazione a tipo siringomielico della sensi- 
bilita in an caso di isterismo mas(^ite, per Burzio. 25. Compression de la moelle cervicale. 
Syndromes de Brown-Sdqnard avec dissociation de la sensibilitd, par Dejerlne. 26. A case of 
fracture of the fifth cervical vertebra, in wbich an Operation was done. Death on the cigbth 
dsy sfter tbe Operation, by Hudaon. 27. Gliosarcoma of the spinal cord, by Fletcher. 
28. Tumor of the spinal dora mater, by Potts. 29. Tnmor of tbe spinal pia, first cervical 
Segment, mistaken for hypertrophic cervical pachymeningitis, by Collint and Blanchtrd. 
.30. Ein weiterer Fall von solitärer Tabercolose des Rückenmarks, zugleich ein Beitrag zur 
Lehre von der Brown-Sdqnard’scben Halbseitenläbmnng, von MUller. 31. Pressure paraplegie 
treated by laminectomy, by Hutchinson jun. 32. Ueber die anatomische Grundige einer an- 
scbeinend falschen Segmentdiagnose bei tobercolöser Compressionsmyelitis, von Dinklsr. 
33. Ein Fall von acuter Infectionskrankheit mit Thrombosen in den pialen Gefässen des 
Bückeomorks, nebst Beobachtungen ö^r das Verhalten und die Entstebnng der Amyloid¬ 
körperchen in demsel^D Falle, von Potrdn. 

III. Aus den Gesellschafton, Aerztlicher Verein zu Hamburg. 

IV. Vormlschtes. Jahressitzung des Vereins der deutschen Irrenärzte zu Bonn. 

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722 


I. Originalmittbdilungen. 


1. Üeber hämorrhagische Encephalitis. 

Von Dr. Deltere, 

Asaistenz&rzt an der Provinzial-IirenaoBtalt in Andemacb. 

Nachdem man gelernt hatte, die durch primären Geiassveischloss ent¬ 
stehenden Erweichungsherde im Gehirn Ton der eigentlichen Entzündung zu 
trennen, war das Gebiet der acuten Encephalitis zunächst ein sehr kleines ge¬ 
worden. Es war tsst nur die eitrige Form derselben bekannt; eine nicht-eitrige 
acute Encephalitis wurde wohl theoretisch angenommen, und war auch mehrfadi 
experimentell an Thiereu studirt worden, während Beobachtungen an Menschen 
noch nahezu ganz fehlten. Im Jahre 1881 beschrieb dann Wbbnices in seinem 
Lehrbuch der Gehimkrankheiten^ unter dem Namen acute hämorrhagi^e 
Folioencephalitis superior eine acute Entzündung im Gebiete der Augenmuskel- 
keme. Seine Fälle waren fieberfirei und führten in 10—14 Tagen zum Tode. 
Die befallenen Gehimpartieen waren im Allgemeinen geröthet und von zahl¬ 
reichen punktförmigen Blutungen durchsetzt Mikroskopisch fand sich, dass 
diese Blutungen grösstentheils die Gelasse einscheideten, und dass die Gewisse 
selbst stark erweitert und prall gefüllt waren; in der Umgebung der Blutungen 
fanden sich überall auch Eümchenzellen. — Die nächsten Jahre brachten mne 
Anzahl von Arbeiten, durch welche der WBBNiCKE’scbe Befand bestätigt und 
ergänzt wurde. 

Später beschrieb FniEDHAifN* im Anschluss an die Mittheilung einer Beihe 
Ton Thierexperimenten, in denen er künstlidi durch mechanische und diemische 
Beize Entzündung der Himsubstanz herroigerufen hatte, ganz kurz auch einen 
am Menschen beobachteten Fall von acuter Encephalitis, der in 4 Tagen tödtlich 
Terlaufen war; in dem in der 2. Stimwindung gel^nen Herde fanden sich 
theils capilläre, theils grössere Blutungen und in deren Umgebung zahlreiche 
Kömchenzellen und dichte Bundzellenansammlungen. 

Im Jahre 1891 berichtete dann Stbühpell^ ausführlich über 2 Fälle, dit 
unter hohem Fieber, Bewusstlosigkeit und Hemiplegie in wenigen Tagen zum 
Tode geführt hatten; bei beiden fand er im Centrum semiovale die Substanz 
gelockert, vorquellend und serös durchtränkt und von zahlreichen punktförmigen 
Blutungen durchsetzt Mikroskopisch fand er starke Füllung der Gefässe, die 
Gefössscheiden erweitert und mit ausgewanderten Bundzellen angefüllt, stellen¬ 
weise auch herdförmige Ansammlungen von Bundzellen; keine Kömchenzellen. 

Gestützt auf diese beiden Beobachtungeu in Verbindung mit dem F&eed- 
MAMN’schen Fall stellte Stbüvpell den Begriff der primären acuten hämor¬ 
rhagischen Encephalitis als einer selbständigen Krankheit fest 

' Bd. II. 8. 229. * Nearolog. Ceotralbl. 1889. 

* Arcb. f. klin. Med. Bd. XLVII. 


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728 


Seither ist nun eine grosse Anzahl ähnlicher Beobachtungen veröffentlicht 
vorden. Zunächst galten dabei noch die von Webnioks und von Stbümpell 
beschriebenen Zustwde für zwei verschiedene selbständige Ejrankheiten. ln den 
letzten Jahren macht sich jedoch das Bestreben geltend, durch Auffinden von 
Uebe^angsbildem die beiden Formen unter einen Hut zu bringen und ihre 
Unterschiede allein durch die verschiedene Localisation des nämlichen patho¬ 
logischen Processes zu erklären. Leider stützen sich diese Bestrebungen im 
Wesentlichen auf nur klinisch beobachtete, gmnicht zur Obduction gelangte 
Rlle. Es wird natürlich Niemand bestreiten, dass der von Stbümpell be¬ 
schriebene Prooess gel^ntlich auch einmal in den Augenmuskelkemen localisirt 
sein kann, und dann klinisch ähnliche Erscheinungen machen wird, wie die 
Polioencephalitis superior. Liest man d^gen die Beschreibungen des ana¬ 
tomischen Bildes von Webnicke und von Stbümpell, so muss man doch 
sagen, dass es sich dabei auch anatomisch wohl um ähnliche, aber keinesw^ 
am identische Processe handelt. Stbümpell fand in seinen Fällen sowohl in 
den Gefassscheiden, als auch &ei im Gewebe herdförmige Ansammlungen von 
Randzellen, von denen Webnicke nichts erwähnt; andererseits waren in den 
WiBNicKB’schen Fällen zahlreiche Eömchenzellen vorhanden, während Stbüm¬ 
pell solche nicht gefunden hat. Das sind doch Unterschiede, die nicht ohne 
weiteres ignorirt weiden können. Vollends kann man sich bei einigen der in 
neuerer Zeit publicirten Fälle des Eindrucks nicht erwehren, dass da auf äussere 
Aehnlichkeit hin ganz verschiedenartige Dinge zusammengestellt worden sind. 
Die Verschiedenheit der klinischen Erscheinungen auf dem Gebiete des Nerven- 
Systems kommen dabei natürlich weniger in Betracht, weil diese sich that- 
sächlich durch die verschiedene Localisation meist hinlänglich erklären lassen. 

Wich^r sind schon Abweichungen in der Dauer der Erkrankung, vor allem 
aber der Umstand, dass in manchen Fällen das Fieber völlig fehlte, welches in 
allen typischen Fällen hoch und anhaltend war. Ausserdem finden sich aber 
auch bedeutende Unterschiede im anatomisdien Befunde; Kömchenzellen, sowie 
Bundzellenberde wurden bald sehr zahlreich gefunden, bald ganz vermisst; die 
Nenrenelemente ^den die einen ganz intact, während die anderen mannigfidtige 
Veränderungen daran beschreiben; am Gefasssystem worden bald aneuiysmatische 
Erweiterungen, bald Schwellung der Endotbelien, häufig auch gar keine Ver¬ 
änderungen constatirt Sehr au^Uig ist ferner der in mehreren Fällen erhobene 
Befand von umfangreichen Venenthrombosen, die sich zuweilen bis in die Sinns 
hinein erstreckten und selbst grosse Theile dieser letzteren mitergriffen batten. 
Unwillkürlich denkt man bei solchem Befund an die Möglichkeit, dass die 
Sinosthrombose das Primäre sein könnte, und die Veränderungen in der Him- 
substanz einfach als nekrobiotische Processe in Folge von Stauung au&ufassen 
wären. Denn es ist eine alte Erfahrung, dass, wenn durch Verschluss der ab¬ 
fahrenden Venen der Bluiabfluss von einer Gehimpartie ganz abgeschnitten 
wird, nicht allein Stauungshyperämie und ödematöse Durchtränkung der Him- 
sobstanz die Folge ist, sondern auch nicht selten capilläre Blutungen in grosser 
Zahl entstehen, ln solchen Fällen kann nur die mikroskopische Untersuchung 

46* 


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nähere Aofklärnng geben, und gerade der inikT 08 kopis<^e Befand ist in vielen 
neueren Publicationen nur ganz summarisch mitgetheilt worden. Es wird da¬ 
durch die Gefahr nahe gelegt, dass die längst festgestellte Grenze zwischen 
primärer Enteündui^ einerseits und Nekrobiose in Folge Girculationsstörnng 
andererseits wieder verwischt werden könnte. 

Wir haben vor einher Zeit in Andernach einen Fall obduoirt, dessen 
pathogenetische Auffassung gerade in dieser Hinsicht anfangs gewisse Schwierig¬ 
keiten machte. 

Die Kranke, welche bei ihrem Tode 52 Jahre alt war, litt bereits seit 
einigen Jahren an Paranoia. In der Ascendenz war keine Belastung nach¬ 
weisbar; von ihren 6 noch lebenden Kindern leidet ein Sohn an Epilepsie, ein 
anderer an Paranoia; die anderen sollen gesund sein. — Sie erkrankte an 
Paranoia im Anschluss an den Eintritt des Klimakterimns, nachdem sie früher 
immer gesund gewesen war. Zuerst war sie etwa Jahre lang in der Anstalt 
gewesen, war dann, nachdem die Errang nacl^elassen hatte, versuchsweise 
nach Hause entlassen worden, musste aber schon nach wenigen Monaten der 
Anstalt wieder zugefuhrt werden. Sie war jetzt unter dem Einfluss lebhafter 
Hallucinationen zeitweise ausserordentlich gereizt und misstrauisch, vermutbete 
dann stets Gift im Essen und nahm wochenlang nur die allemothwendigste 
Nahrung, während sie zu anderen Zeiten ganz umgänglich sein konnte. Eine 
solche Periode der Gereiztheit begann auch wieder Ende Juni; sie sass mürrisch 
und nntbätig in der Ecke, gab auf Anreden keine Antwort, schimpfte hinter 
den Aerzten her, nahm nur äusserst wenig Nahrung, weil Gift darin sei, und 
begann sichtlich abzumagem. Da legte sie sich plötzlich am 6. Juli still¬ 
schweigend zu Bett, ohne über irgend etwas zu klagen. Dem hinzugemfenen 
Arzt gab sie auf sdne Fragen gar keine Antwort, war gänzlich unzugänglich, 
wie sie es in den letzten Wochen überhaupt gewesen vrar. Sie lag zusammen- 
gekrümmt da mit kühlen Extremitäten, etwas geröthetem Kopf und mürrischem 
Gesichtsausdmck. Eine Untersuchung liess sie nicht zu. Der mürrisohe Aus¬ 
druck verscbwmid nach und nach, sie wurde sichtlich benommener. Abends 
gegen ÜVs Uhr traten Krämpfe in der ganzen linken Körperhälfte ein; clonische 
Zuckungen in Arm und Bein und in der linksseitigen Gesichtsmusknlatur; der 
Kopf war nach links gedreht, die Bulbi nach links verzogen. Die linke Pupille 
war stecknadelkop^gross, die rechte maximal erweitert, jedoch war an beiden 
noch Reaction auf Licbtreiz nachweisbar. Abends gegen 8 Uhr kamen Znckungeu 
im rechten Arm und in der rechtsseitigen Gesichtsmusknlatur hinzu, während 
das rechte Bein frei blieb. Die Herzaction war ansserordentdioh beschleunigt, 
der Puls gespannt; die Körpertemperatur war nicht erhöht Die Kramp&nflUle 
dauerten mit Unterbrechungen die ganze Nacht hindurch, das Bewusstsein blieb 
dauernd aufgehoben. Am anderen Morgen bei der ärztlidien Visite erschien 
sie bereits moribund, der Puls war noch weiter beschleunigt und fadenförm^, 
die Athmung schnarchend und nach Cheyne-Stokes’scbem Tjpua Gegen 
10 Uhr trat der Tod ein. 

Die Obduction wurde 24 Stunden nach dem Tode ausgeführt Der Inhalt 


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725 


der Schädelhöhle war ausserordentlich blutreich; die Sinus enthielten reichlich 
dunkeln Cruor, nirgends Thromben; die Gefasse der Dura waren stark gefMt 
und vorspringend. Die Fia war im Allgemeinen zart, ihre Gefasse prall gefüllt 
mit flüssigem Blute. Ueber dem rechten Soheitellappen, nach vom bis fast an 
die Centralfurche, nach hinten über die Occipitalwindnngen hin sich erstreckend, 
war die Fia diffus blutig tingirt und gequollen und konnte nicht ohne Substanz- 
verlost von der Himoberflache abgezogen werden. Die venösen Geiasse der Pia 
waren im ganzen Bereiche dieser Yeränderung und stellenweise auch noch 
darüber hinaus fest thrombosirt Auf einem Einschnitt erwies sich die Hirn- 
Substanz stark geröthet und voiquellend, die Binde fast violettroth und von 
massenhaften kleinsten dunkelrothen Blutpünktchen durchsetzt Diese waren 
last ausschliesslich auf die Binde beschränkt, in der Marksubstanz sah man nur 
noch vereinzelte kleine Blutungen in der nächsten Nachbarschaft der Binde. 

Ein ähnlicher Herd, dessen Umfang etwa die Grösse eine Zweimarkstückes 
errmchte, be&nd sich auf der linken Hemisphäre am oberen Ende der Central¬ 
furche, za beiden Seiten der letzteren, so dass die oberen Enden beider Gentral- 
windungen ei^^en waren. Auch hier waren die Venen thrombosirt, die Pia 
blutig dorchtränkt, die Himsubstanz geröthet und weich, in der Binde massen¬ 
haft kleinste Blutungen. 

Von der weiteren Zerl^ng des frischen Gehirns wurde Abstand genommen 
und dasselbe zum Zwecke genauerer Untersuchung in Formol conservirt 

Von dem sonstigen Obductionsbefnnd ist ausser einem geringen Grad von 
Lungenempbysen und massigem Atherom der Brustaorta nur noch der Nieren¬ 
befund von Bedeutung. Die Kapsel löste sich nur schwer von der Niere, die 
Nierenoberfläche war von grobkörniger Beschaffenheit; die Grösse des Organs 
entsprach etwa der Norm. Auf der Schnittfläche erwies sich die Binde als 
etwas verschmälert und gelblich getrübt. Mikroskopisch fand sich Eemwuchemng 
um die Glomeruli und Trübung und Schwellung der Epithelien der gewundenen 
Hamcanälchen. 

Die spätere Zerlegung des conservlrten Gehirns ei^b ausser den beiden 
erwähnten Herden keine weiteren Veränderungen. Die am frischen Gehirn sehr 
starke Hyperämie auch der nicht erkrankten Partieen ist am gehärteten Präparat 
nicht mehr deutlich. Die erkrankten Partieen, die im frischen Zustande dunkel- 
roth waren, haben unter dem Einfl uss der Conservimi^sflössigkeit theilweise 
einen schwärzlichen Farbenton angenommen, auf dessen Ursache später noch 
zaräckznkommen sein wird. Man erkennt in der Binde deutlich zahllose 
kleinste Blutpünktchen, die an einzelnen Stellen sich auch in die Marksubstanz 
erstrecken, wodurch die B^enzung der Binde stellenweise etwas verwaschen 
ist An einigen Stellen sind die Blutungen auch etwas grösser, bis Stecknadel- 
kop^ross. ln der Marksubstanz treten deutlich einige durchschnittene throm- 
boeirte Gefasse hervor. Hier und da sieht man auf einer Schnittfläche in der 
Marksubstanz eine kleine, unregelmässig gestaltete Höhle mit fetziger Wandung, 
den Durchschnitt eines kleinen Erweichungsherdes, dessen Inhalt ausgefallen ist 
Solcher kleinen Herde fonden sich in der Marksubstanz mehrere. 


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Zum Zwecke der mikroskopischen Untersuchui^ wurden einige Stücke theils 
in MüLiiBB’soher Lösung, theils in Alkohol nachgehärtet An Cs^minpräparatea 
heben sich die frischen Blutungen durch ihre gelbliche Farbe deutlich ab; sie 
sind grösstentheils so klein, dass man in einem Qesicditsfeld eine grosse Anzahl 
derselben vor sich hat Sie liegen zum TheU innerhalb der Gefissscheiden nnd 
sind dann in diesen auf längere Strecken hin zu Terfolgen; theilweise sind sie 
in das Gewebe durcl^ebrochen und haben dort mehr oder weniger umfangreiche 
Zerstörungen bewirkt Auch in der Marksubstanz, an Stellen wo makroskopisdi 
nichts erkennbar ist, finden sich noch kleine Blutungen, meist Ton langges^anokter 
Form in der Richtung des Faserverlaufs. An den meisten Stellen sind die 
Blutkörperchen in diesen Hämorrhagieen nach Form und Farbe gut eriialten 
und mit rdati? zahlreichen Leukocjten untermischt An anderen Stellen sind 
dagegen die Blutkörperchen abgeblasst und hier und da auch in der Form nicht 
mehr ganz r^lmä^, und an diesen Stellen findet sich auch eigenthüm- 
liches Pigment, welches die auch makroskopisch schon hervortretende schwüi- 
liche Färbung dieser Partieen bedingt, und welches aus ganz sdiwarzen nindra 
Körnchen besteht; zum Theil sind diese Körnchen r^Uos durch das Gewebe 
zerstreut; anderntheUs sind sie in runde Zellen eingeschloesen, welche viel&di 
vollständig damit ausgefüllt sind, und welche sich in grosser Zahl sowohl in 
den Hämorrhagieen, als auch innerhalb thrombosirter Ge&se befinden; in diesen 
Thromben ziehen sich auch lange, ans dichtgestellten schwarzen Körnchen zu« 
sammengesetzte Streifen zwischen den Blutkörpendien hin, und auch in den 
Zellen der innersten Schicht der Gefasswandungen ist solches körniges Pigment 
at^lagert; stets sind an diesen Stellen auch zahlreiche Ganglienzellen mit 
solchen schwarzen Kömdien dicht überlagert ln der Litteratur finde ich nnr 
bei Nauweuoe^ einen ähnlichen Befund erwähnt, welcher zugleich auch der 
einzige ist, der sein Präparat in Formel conservirt hat; er nimmt an, dass es 
sich um Fett handelt, das unter dem Kinfluss des Formols in eine schwarze 
Verbindung übe^egangen ist Sicher ist, dass die schwarze Farbe erst durdi 
die Conservirung entstanden ist, denn in frischem Zustand war die Farbe der 
befallenen Partieen rein dunkelroth. Man könnte höchstens zweifeln, ob es 
sich wirklich um Fett oder um ein aus dem Blutfarbstoff stammendes Pigment 
handelt, das durch Formol so verändert wird; der Umstand, dass sich diese 
Gebilde hauptsächlich in Blutherden finden, deren Blutkörperchen mehr oder 
weniger abgeblasst sind, würde eher für letztere Möglichkeit sprechen. Das 
Aussehen der mit Pigment erfüllten Zellen ist allerdings ganz das von F^ 
kömchenzellen, und auch die runde Form der einzelnen Körnchen weist darauf 
hin, sie als Fetttröpfchen an&ufassen. Oer Befund dieser Körnchen in den 
Endothelzelleu der Gefasse würde dann eine fettige Generation dieser Zellen 
bedeuten. 

In allen erkrankten Theilen sind die sehr zahlreichen Capillaischlingen er> 
weitert und prall gefällt. Die Venen sind meist durch weisse Thromben ans- 


' Deatsebe m«d. Wocheiucbr. 1695. 


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727 


gefüllt, in denen die WEioEBT^sohe Färbung ein feines Fibrinnetz nachweist, 
worin gut erhaltene Leukocyten eii^escbloBseu sind; auch ein grosser Theil der 
Capillaren ist thrcnubosirt. An den Gefösswandnngen waren, abgesehen yon den 
erw^ten P^mentabli^ermigen, keine Veränderungen aufzofinden, nur hier 
und da erschienen die Endothelkeme der Capillaren aulfoUend gross und blass. 
Viel&ch sind kleinere Gefösse mit dichten Bundzellenansammlungen überlagert, 
durch welche die Ljmphsoheide yollstandig ansgefüUt ist; die einzelnen Bund¬ 
zellen sind ziemlich gr(»8, ihre Kerne gut färbbar, sehr mannigfaltig in der 
Form, riele enthalten auch mehrere Kerne, ln der nächsten ümgebung der 
erkrankten Partieen, wo keine Blutungen mehr vorhanden sind, ist eine diffuse 
Vermehrung der Kerne in den unteren Bindenschichten vorhanden, ohne dass 
es hier zu herdförmigen Ansammlungen von Zellen gekommen wäre. Die Kerne 
sind hier durchw^ rund bis oval, gut färbbar und meist reihenformig augeordnet 
Es wurde bereits erwähnt, dass in der Marksnbstanz, unterhalb der erkrankten 
Bindenpartieen, einige kleine Erweichungdierde vorhanden waren; mikroskopisch 
erkennt man noch eine grössere Anzahl solcher Herde von kleinsten Dimensionen. 
Neben Detritus und Blutkörperchen enthalten diese Herde auch ziemlich grosse 
Bandzellen mit schönem runden Kern; die gleichen Zellen finden sich auch 
noch ziemlich zahlreich in der Wand solcher Herde. — Bakterienfarbungen 
fielen in allen Theilen n^tiv aus. 

An den nervösen Elementen sind die Veränderungen ziemlich beträchtlich. 
Die Nervenfasern sind in den erkrankten Partieen durchweg varicös aufgetrieben 
oder auch in unregelmässige Schollen und Tropfen zerfallen. Die Tangential- 
fasem sind an den meisten Stellen ganz geschwunden, nur hier und da findet 
man noch einzelne varicös gequollene Fasern. Unveränderte Ganglienzellen sind 
in den erkrankten Theilen nur vereinzelt aufzofinden; die meisten sind ge¬ 
schrumpft, ihr Kern undeutlich, die Fortsätze verkümmert; vielfach findet man 
auch nur leere Lücken, die wenig Detritus und körniges Pigment und an der 
Wand einen runden Kern enthalten. Die Ueberl^^emng vieler Ganglienzellen 
mit schwarzem Pigment wurde bereits erwähnt. 

Auch in der Pia finden sich zahlreiche kleinere und grössere Blutungen, 
durch welche die Maschen stellenweise dicht ausgefüllt sind. Die grossen Venen 
der Pia enthalten gemischte Thromben, durch welche ihr Lumen vollständig 
au^effillt wird. In den rothen Schichten ist die Form der einzelnen Blut¬ 
körperchen verwischt, die ganze Masse diffus braunroth gefärbt; dazwischen 
finden sich zahlreiche der erwähnten schwarzen Kömchenzellen und Streifen. 
Die weissen Schichten bestehen aus dichten Zügen von Fibrinfasem; dazwischen 
sind zahlreiche Leukocyten eingelagert, deren Kerne sich nur unvollkommen 
färben und meist schon in mehrere Theile zerfallen sind. In den Endothel¬ 
zellen findet sich auch hier das erwähnte schwarze Pigment, sonst weisen die 
Gefasswandungen keine Veränderungen auf. 

Von den SxBüMPELL’schen Beobachtungen ist dieser Fall wesentlich ver¬ 
schieden. In jenen handelt es sich um eine primäre Entzündung der Him- 
substanz, die unter hohem Fieber in mehreren Tagen tödtlich verlief. Spätere 


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BeobachtuDgen, besonders die aus Leiohtbhstbbm’s und Fübbbinqeb’s Ab¬ 
tbeilungen stammenden Veröffenüichui^en, haben dann den häufigen Zusammen¬ 
hang dieser Erkrankungsform mit der Influenza da^ethan, und OppEMHEOf hat 
zuerst nachgewiesen, dass dieselbe keineswegs immer tödtlioh ist, sondern zu¬ 
weilen auch in Glenesung fibe^hen kann. Letzteres geht aus Fällen hervw, 
in denen die klinischen Erscheinnngen übereinstimmten mit denen solcher 
Fälle, welche durch Obduction aufgeklärt wurden, so Haas also die Diagnose bä 
Lebzeiten mit Sicherheit m^lich war. Wir haben ee also dabei mit einer 
acuten Infectionskrankheit zu thun, die häufig im Anschluss an Influenza, za- 
weilen im Anschluss an andere Infectionskrankbeiten, und in manchen Fällen, 
wie es scheint, ganz selbständig auftritt, und welche sowohl klinisch wie ana¬ 
tomisch ein wohlcharakterisirtes selbständiges Krankheitsbild darstellt. — Dass 
die WBBNiCEE’sche Folioencephalitis superior sowohl klinisch wie anatomisch 
hiervon verschieden ist, wurde schon erwähnt; diese ist keine Infectionskrankheit, 
sondern wahrscheinlich durch Intoxication bedingt, verläuft klinisch ohne Fieber, 
anatomisch treten die eigenüich entzündlichen Erscheinungen g^nüber den 
degenerativen Processen mehr in den Hintergrund. 

Endlich giebt es eine kleine Anzahl von F^en, die von beiden Formen in 
wesentlichen Punkten abweichen nnd nur auf die Aehnliohkeit des anatomischen 
Bildes hin ohne genauere Untersuchung jenen hinzngerechnet worden sind. 

Auch unser Fall zeigt grob anatomisch eine grosse Uebereinsthnmnng mit 
den Schilderungen der Autoren. Aber sowohl der klinische Verlauf, wie auch 
das Resultat der mikroskopischen Untersuchung weisen auf eine andere Auf¬ 
fassung hin. Es kann wohl nicht bezweifelt werden, dass das Primäre in diesem 
Falle die Yenenthrombose ist, an welche sich die Veränderungen in der Him- 
substanz erst secundär angeschlossen haben. Allerdings sind ja in der Him- 
substanz zweifellos entzündliche Erscheinungen vorhanden. Aber es ist ja schon 
durch die oben erwähnten FBzsDMAim’schen Thierexperimente nachgewiesen 
worden, dass durch einfach mechanische und aseptische Reize in der Himsubstanz 
entzündliche Erscheinungen hervorgemfen werden. Der durch die zahlreichen 
capillären Blutergüsse bedingte mechanische Beiz würde also zur Erklärung 
dieser Entzündungserscheinungen genügen. Andererseits ist die Annahme, dass 
die Thrombose in den kleinen Gelassen als Folge der Entzündung b^onnen 
und sich von da auf die grosseren Venen fortgepfianzt haben könnte, dadurch 
mit Sicherheit auszuschliessen, dass die kleinen Qeßsse in der Himsubstanz 
ganz irische Thromben mit gut erhaltenen Blutelementen enthielten, während 
die Thromben in den Venen der Pia sich ans Elementen zusammensetzten, an 
denen schon beträchtliche Zerfallserscheinungen nachweisbar waren. Es folgt 
daraus, dass diese Thromben die älteren sind. Fraglich bleibt es allerdings, 
aus welcher Ursache diese Venenthrombose entstanden ist. Ein eigentlicher 
Marasmus, der zur Venenthrombose hätte disponiren können, war nicht vor¬ 
handen. Allerdings hatte die Kranke einige Zeit ungenügend Nahrung ge¬ 
nommen und magerte ab; aber der Eroährongs- und Kiäftezustand war doch 
immer noch so gut, dass eine künstliche Ernährung noch gar nicht in Auasicbt 


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genommen war. Es wäre denkbar, dass das beginnende Nierenleiden in Yer> 
bindung mit der mangelhaften Ernährung gewisse Yeianderungen des Blutes 
bewirkt hatte, wodurch dessen Gerinnbarkeit erhöht wird. Als looale Ursache 
könnte die erwähnte Yerändemng in den Endothelzellen in Betracht kommen, 
welche wohl als fettige Degeneration dieser Zellen aufgefasst werden muss. 

Der klinische Yerlauf stimmt mit dem Befunde gut ftberein; die Looalisation 
der beiden Herde entspricht genau der Yerbreitung der im Leben beobachteten 
Beizerscheinungen. Auch der rapide Yerlauf erklärt sich leicht; denn eine 
Thrombose in den verhältnissmässig kleinen Yenen der Pia muss in kurzer Zeit 
zu völligem Yerschluss fuhren; es wird dadurch b^eiflicb, dass schon in wenigen 
Stunden die schwersten Erscheinungen ausgebildet waren. 

Es wäre müssig untersuchen zu wollen, inwiefern manche der als primäre 
hämorrhagische Encephalitis beschriebenen Fälle vielleicht auf ähnliche Ursachen 
Zurückzufuhren sind. Jedenfalls lehrt unser FaU, dass primärer Yenenverschluss 
ein ganz ähnliches anatomisches Bild berrorbringen kann, wie jene. Das Fehlen 
von Fieber und der Befund von Yenenthrombosen wird stets an eine solche 
Möglichkeit denken lassen. Sichere Entscheidung ist aber nur durch mikro¬ 
skopische Untersuchung möglich. 


[Aus dem Laboratorium von Prof. Dr. Mendel.] 

2, Ein Fall von Worttaubheit nach Basisfractur.* 

Von Dr. U. Bloch und Dr. M. Bielsohowsky 
in Berlin in Berlin. 

Der 45jähr. Kutscher K., mässiger Potator, früher im Wesentlichen ge¬ 
sund, verunglückte am 17. Mai 1896 in Folge eines Fehltrittes beim Absteigen 
vom Eutscherbock. Er stürzte zu Boden und schlug mit der linken Seite des 
Schädels auf das Strassenpflaster auf. Es trat sofort vollkommene Bewusstlosig¬ 
keit ein, Pat blutete aus Nase, Mund und Ohren. Nach etwa einer Yiertel- 
stunde kehrte das Bewusstsein zurück, Pat. erbrach, erholte sich aber in kurzer 
Zeit soweit, dass er zu Fuss erst einen etwa viertelstündigen Weg zum Arzt 
und von da noch etwa 20 Minuten Weges nach seiner Behausung zurücklegen 
konnte. Zu Haus angelangt, nahm er mit den Seinigen bei scheinbar völligem 
Wohlbefinden das Abendbrot ein, las die Zeitung, unterhielt sich über deren 
Inhalt, ohne dass irgend welche Störungen auffielen und verbrachte die Nacht 
ruhig schlafend. 

Im Laufe des nächsten T^es fiel den Angehörigen, ohne dass Pat. irgend 
welche Klagen äusserte, auf, dass Fat. anscheinend schwer hörte. Diese ver- 

■ Nach einer Demonstration in der Berliner Gesellecbaft fSr Psychiatrie und Nerven- 
kraokheiten in der Sitzung vom 11. Jnli 1898. 


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meintliche Sohwerbörjgkeit nahm im Laufe des 18. und 19. mdir und mehr zu, 
gleichzeitig wurde bemerkt, dass Pat weniger spontan sprach und bisweileu 
Worte Terstümmelt oder entstellt herausbraohte. Am Abend des 19. sah de 
eine Ton uns (Bloch) den Fat und erhob fo^nden Status: Kräftiger, sehr 
muskulöser Mann. Gesicht lebhaft geröthet G^ane der Brust- und Bauch¬ 
höhle ohne pathol(^chen Befund. Kein Fieber. Deutliche Arteriosklerose de 
peripherischen Arterien. Puls constant verlangsunt, 54—60 in der Minute, 
r^elmässig, stark gespannt Bespiration normal. An den Himnerren keineriei 
Storung, ebensowenig in der Motilität und Sensibilität des Rumpfes und da 
Extremitäten. Sehnen- und Hautreflexe ohne pathologische Merkmale. Ai^eo- 
hinteigrund normal, die otoskopische Untersuchung ergiebt beiderseits eine u- 
nähernd horizontal verlaufende Ruptur des Trommelfells; der äussere Gebörgaug 
enthält beiderseits spärliche Blutgerinnsel und etwas serös-sanguinolente Flössig- 
keit Hemianopsie ist, soweit die gleich zu erörternde Schwierigkeit, sich mit 
dem Pat zu verständigen, die diesbezügliche Untersuchung zulässt, nicht zq 
constatiren. 

Bei der Untersuchung der Hörfahigkeit des Kranken wurde es si^ort klar, 
dass dieselbe so gut wie vollkommen, auch für feinere Geräusche erhalten war; 
dag^n verstand Patient auch nicht ein einziges zu ihm gesprochenes Wort; 
selbst ganz banale Fragen: „Wie heissen Sie?“ ,rWie geht es Ihnen?“ werdeo 
entweder gamicht beantwortet, oder der Pat sagt irgend etwas mit der gestellten 
Frage in keinerlei Beziehung stehendes. Dabei ist die spontane Sprache, ab¬ 
gesehen davon, dass Pat spontan überhaupt sehr wenig spricht, zum Theil ganz 
gut erhalten, zum Theil aber auch durch deutliche paraphatische Erscheinungen 
verbaler und literaler Art gestört Von einer Pruiüi^ der Lese- und Schreib- 
föhigkeit wurde mit Rücksicht auf die Schwere der Affection — konnte es sich 
nach Entstehung und Verlauf der Erkrankung doch nur um die Folgoustände 
einer Basisfractur handeln — Abstand genommen. 

Im Laufe der nächsten 2 Tage trat eine wesentliche Aenderung des Zu¬ 
standes nicht ein, insofern als neue Lähmungs- bezw. Ausfallserscheinungen nicht 
beobachtet wurden; nur die Sprachstörung nahm mehr und mehr zu; ^t sprach 
spontan fast gamicht mehr; that er es, so traten die paraphatischen Störnngen 
mehr und mehr in den Vordergrund, so dass er schliesslich fast völlig unver¬ 
ständlich war. Dieser Befund wurde am 21. erhoben, neue Erscheinungen ver¬ 
mehrten Hirndmcks konnten nicht constatirt werden, Fat war bei klaron 
Bewusstsein, vollkommen orientirt, schien, da er sich öfter an die Stirn ^sste, 
Kopfschmerzen zu haben; er reagirte, was nochmals bervorgehoben werden mag, 
auf alle Geräusche. 

Mit Rücksicht auf das langsame Entstehen der Affection, den progredienten 
Verlauf und die constant nachweisbare Pulsverlangsamung wurde an ein durch 
das Trauma verursachtes subdurales Hämatom über dem linken Schläfelappen 
gedacht und die Eventualität eines operativen Eingriffs erwogen. In der Nacht 
vom 21. zum 22. Mai traten indess ohne irgend welche Vorboten plötzlich oortical- 
epileptische An^e auf. Unter brüsker Drehung des Kopfes nach links ge- 


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731 


netben die reohtsseit^en Extremitäten und die rechte Oesichtshälfbe in heftige 
clonische Zuckungen. Pat. verlor das Bewusstsein, es trat stertor^es Atbmen 
ein. Die ersten S Anfälle dauerten einige Minuten und Pat. erholte sich jedes 
Mal danach. Während des 4. Anfalles, der von längerer Dauer als die voran- 
g^^angenen war, trat plötzlich der Exitus ein. 

Die SO Stunden p. m. von uns gemeinsam ausgeffthrte Section musste sich 
auf die Herausnahme des Gehirns beschränken und e^b folgenden Befund: 

Uebermittelgrosser, sehr kräftiger, männlicher Leichnam. Todtenstarre. 
Beim Umdrehen der Leiche fliesst aus dem rechten Ohr etwas sanguinolente 
FIfisagkeit Nach Ablösung der Haut vom Schädeldach zeigt sich über dem 
linken Proc. mastoideus eine seichte Impression. 

Tom rechten Proc. mastoideus senkrecht nach aufwärts zieht ein leicht 
gelK^ener Bruch von etwa 3 cm Länge, der sich nach hinten bc^nförmig fort¬ 
setzt, so dass an der Schuppe des Os temporale ein etwa dreiseitiges Knochen- 
stück nach dem Schädelinneren imprimirt ist Die Fissur markirt sich durch 
Blutgerinnsel, über ihr ist der Knochen mit der Dura verwachsen. Sie setzt 
sieh, wie nach Lösung der Dura von der mittleren Schädelgrube zu sehen ist, 
in eine Fissur fort, die über die vordere obere Fläche der Pyramide des Os 
petrosum hinw^ bis zur Spitze desselben führt; letztere ist in eine Anzahl von 
Splittern zertrümmert und in Folge dessen ist eine Impression der Pyramide 
entstanden, in die man die Zeigefingerknppe hineinlegen kann. 

Links befindet sich in der Mitte der mittleren Schädelgrube an der Grenze 
des kleinen Keilbeinflügels und der Pyramide dee Os petrosum eine etwa mandel- 
groese Hervorwölbung der Dura von prall elastischer Consistenz, die flnctuirt 
und von einem Coagulum gefüllt ist Nach Lösung der Dura wird auch hier 
eine Fissur des Knochens constatirt, die von der Impression des Ganglion 
Gasseri über vordere und obere Fläche der Felsenbeinpyramide hinwegzieht 
Auch hier handelt es sich um einen Splitterbruch. 

Der Perus acusticus ist beiderseits frei, de^leichen vordere und hintere 
Schädelgrube. 

Die Gefösse an der Basis des Gehirns sind deutlich atheromatös. Starke 
venöse Hyperämie. Pia leicht abzulösen. 

Ueber dem linken Schläfelappenpol erscheint die Pia schwarz gefärbt und 
die unter ihr liegende Gehimsubstanz (L Schläfenwindung) in eine weiche, gleich- 
mäasig schwarze Masse verwandelt 

Das Gehirn wurde nun in toto in Formel gel^ und gehärtet. 

Nach der Härtung erweist sich die eben genannte schwarze Masse als etwa 
kirschgioss. Sie reicht etwa 2 cm weit nach hinten und ist zunächst scharf auf 
den Bereich der TI b^frenzt Bei der Anl^ung von Frontalschnitten durch den 
linken Schläfelappen in einer Entfernung von etwa 1 cm voneinander sieht man, 
wie dieser Herd den Bindensaum der oberen Schläfenwindung bald verlässt und 
auf das Marklager derselben hinüberzieht und dass er in seinem weiteren Ver- 
lauf nach hinten die Neigung, sich etwas basalwärts zu senken, bat 4 cm vom 
linken Schläfepol nach hinten gemessen hat er auch das Marklager des Gynis 


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732 


temporalis medias in seinen Bereich gezogen. Noch 1 cm caadalwärts hat der 
Herd seine grösste Ausdehnung erreicht; er nimmt hier den lateralen Bezirk 
im Mark des Schläfelappens ein, so dass er im Wesentlichen auf den Gyms temp. 
sup. und medias zu beziehen ist; das Marklager des Gyros occipito-temporalis, 
welcher hier auf den Frontalschnitten mitgetroflen ist, ist hrei. Das Aussehen 
des Herdes ist hier ein anderes als vom an der Spitze des Schläfenlappens. £r 
hat jetzt nicht mehr die gleichmässig schwarze, sondern eine schiefergraae Farbe, 
nur in seinem basalen und lateralen Theile sind zahlreiche schwarze, von einander 
scharf getrennte Punkte sichtbar; unmittelbar an der Grenze der ersten Schläfe- 
windung, in einem Gebiet, das eigentlich nicht mehr dem Herde selbst angehört, 
sind derartige Punkte gleichfalls vorhanden. Im weiteren Verfolg nach hinten 



nimmt jetzt der Herd sehr rasch an Ausdehnung ab. Er zeigt immer noch die 
Neigung sich basalwärts zu senken, rückt dabei ganz in das Marklager der 
II. Schläfewindung und endet mit seinem letzten Ausläufer an der Grenze von 
Mark und Binde der III. Schläfewindung (vgl. Fig. 1). 

Die mikroskopische Untersuchung (Eemfarbungen Nissl) ergab folgenden 
Befund: 

An der Spitze des linken Schläfelappens*sind entsprechend dem nu^rosko- 
pischen Aussehen keine Spuren von Gehiragewebe mehr zu entdecken; es li^n 
hier rothe Blutkörperchen dicht nebeneinander, die zum grössten Theil bereits 
zu einem schwarzbraunen, theils staubigen, theils bröckeligen Pigment (Haema- 
tosiderin) zerfallen sind. Zwischen den Blutkörperchen finden sich Beste der 
von diesem Pigment dicht durchsetzten Gefässwände, an denen die feinere Structor 
nicht mehr erkennbar ist Auch die Pia ist von dem Pigment so stark erfüllt) 
dass ihre Gewebselemente von ihm verdeckt werden. Etwa 3 cm caadalwärts 
ist das mikr(skopische Bild der Blutung ein anderes. An einem Schnitt aas 


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dieser Hohe siebt man schon bei Lapenvei^össeruiig (vgL Fig. 2), dass der Herd 
nicht mehr ein continuirliches Ganzes bildet, sondern sich aus einer grossen 
Zahl kleiner rundlicher Herde zusammensetzt, die stellenweise mit einander con- 
fluiren. Die Blutkörperchen sind hier besser erhalten, wenngleich das schwarz- 
branne Pigment sich auch hier aus ihnen abzuscheiden an^gt In den meisten 
der kleinen Herde liegt central ein quergetroffenes Geföss, das mit Blutkörperchen 
strotzend gefüllt ist. Die Gef^wände lassen, obgleich Yon Pigment durchsetzt, 
die normale Stmctur erkennen; Continuitatstrennuugen werden nirgends an ihnen 
gesehen. Einzelne dieser Gefösse enthalten ausschliesslich Leukocyten, die zum 
Theil auch in die Wand selbst eingedmngen und stellenweise auch in dem 
Gewebe der Nachbarschaft in kleinen Haufen sichtbar sind. Dieses Aussehen 
behält der Herd bis in seine letzten Ausläufer bei. 



Die Nervenzellen in der Rindenzone der I. und H. Schläfenwindung, welche 
in den Bereich der Blutung gehören, zeigen nach Nissl sämmtlicb eine sehr 
geringe Färbbarkeit; die feinere Differenzirung der protoplasmatischen Substanzen 
ist verwischt; der Zellleib hat ein gleichmässig blasses Aussehen. Ebenso ist 
die äussere Form der Zellen zumeist unscharf. An vielen Stellen sind nur noch 
Reste von ihnen vorhanden in Form kleiner mit gelblichem Pigment erfüllter 
Kügelchen. In dem mittleren und hinteren Theile der I. und II. Schläfenwindung, 
welcher von der Blutung nicht betroffen ist, sind auch Zellveränderungen in der 
Rinde nicht nachweisbar. Ebensowenig Hessen sich Veränderungen an den Zellen 
des linken Corpus geniculatum intemum nach der NissL’schen Methode nach- 
weisen. 

Es handelte sich somit in dem mitgetheilten Falle klinisch um das Bild 
einer uncomplicirten Worttaubheit (sensorische Aphasie), uncomplicirt insofern, 
als trotz des sehr erheblichen Traumas anderweitige Lähmungssymptome völlig 
fehlten. 


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734 


Einige Aofmerksamkeit verdient das allmähliche nnd erst einige Zeit nadi 
dem Unfall das anscheinende Wohlbefinden des Pat störende Einsetzen der 
Symptome. Indessen bandelt es sich wohl nicht um eine sogenannte SpatiqM- 
plexie, vielmehr spricht das mikroskopische Bild der Blutung daffir, dass unter 
dem directen Einfloss des Traumas und der durch dasselbe gesetzten schweren 
Knochenverletzungen eine Zerreissung einiger kleiner Aeste der Arteria fossae 
Sylvii sin. stattgefunden und zunächst eine kleine Hämorrhagie in die Spitze 
des Schläfenlappens zur Folge gehabt hat Prädisponirend für diese Zerreffisung 
hat möglicher Weise die fdlgemeine Arteriosklerose gewirkt Da, wo die Blutung 
sich im Marklager der 1. und IL Schläfenwindung aus den kleinen punktförmigen 
Herden zusammensetzt, entspricht sie in ihrem Aussehen einem hämorrhagüdien 
Infarct Hier ist ihre Entstehung wohl erst seeundär durch die Thrombose der 
ursprünglich iädirten Gefiisse bedingt worden. Dass sich diese Infarcirung auf 
das Versoi^ngsgebiet dieser Arterien innerhalb der weissen Substanz beschrankt, 
ist darauf zuröckzuföhren, dass sie hier in Endäste auslaufen, während sie in 
der grauen Kinde zahlreiche Anastomosen mit benachbarten Arterien eingehen. 

Für die Localisation des Symptomenbildee der sensorischen Aphasie ist unser 
Fall insofern von Interesse, als er beweist, dass auch eine Läsion der vorderen 
Abschnitte der I. und IL Schläfenwindung das Bild der Worttaubheit hervor- 
rufen kann und eine Plrkrankung der hinteren Partäeen dieser Windungen zum 
Zustandekommen dieses Symptomes nicht unerlässliiüie Bedingung ist. 


3. Nachtrag zu dem Aufsatz: 

Nervenendigung in den Centralorganen.* 

Von Dr. med. Leopold Auerbach. 

Im weiteren Fortgang meiner Untersuchungen, die in etUchen von den 
Henen Dr. Alzhbimeb und Dr. Sandeb mit liebenswürdigster Bereitwilligkeit 
aufgenommenen Photogrammen' meiner Präparate eine werthvolle und sehr 
dankenswerthe Förderung fanden, ist meine früher ausgesprochene Ansicht zum 
weit überwi^enden Theil gefestigt, in dnem untergeordneten Ponkte ein wenig 
modificirt worden. Ich darf beute mit einer jeden Zweifel aussohliessenden 
Sicherheit behaupten, dass jene mir seit Langem bekannten Nervengespiunste, 
welche Zellkörper wie Dendriten aller Orten einhüllen, in der That echte 
Netze darstellen. 

’ Neorolog. Ceotnlbl. 1898. Nr. 10. 

* Wie za erwarteD, geben diese vorzBglicb gelnngenen Pbotogramme ein ganz aaden 
naturwabres Bild als die immerhin acberoatiscbe Zeichnung, ,die bloss vom Ansatz der End- 
knCpfchen einen Begriff vermitteln sollte, in der aber der Charakter des Netzwe^ niokt 
genfigend zom Ausdruck gelangt. 


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736 


Hierfür hatte schon in der bemerkenswerthen, aach Ton Held nach 
etiichenSübeTimprägnationen herroiifehobenen Begelmässigkeit der Maschen, 
auf das IJnzweidentigste aber in dem Typus ihrer Knotenpunkte den 
Bel^ erblickt' 

Diese pflegen nämlich, von der Fläche gesehen, von (nach aussen) concaven 
Seitenlinien b^renzte Körper zu bilden und tot Allem erscheinen sie in höchst 
charakteristischer Fwm als viereckige, von ausgeschweiften Seiten umrandete 
Plättchen, die untereinander durch die von ihren Ecken ausgehenden IHserchen 
in Yerbindung stehen.' 

Abgesehen hiervon nun sind auch in den Photogrammen Iflckenlos 
geschlossene Maschen mit voller Schärfe reproducirt 

Zwischen den verschiedenen Gebieten besteht meinen nunmehrigen Er¬ 
fahrungen und Photogrammen zu Folge kein Unterschied, es handelt sich bei 
der Ketzbildung um ein allgemeingültiges Gesetz, meine frühere An¬ 
gabe, wonadi den motorischen Zellen neben dem terminalen Nervennetz noch 
isolirt bleibende Endbäumchen zukommen, erscheint mir demgemäss nicht länger 
stichhaltig. 

Bas Netzwerk der Azencylinderendignngen macht da, wo gedrängte Massen 
von Zellen und Dendriten l^m (Hinterhömer, Molecnlarscdiicht des Kleinhirns), 
einen ganz diffusen Eindruck, aber auch in Begionen, deren Zellen minder 
gehäuft sind, glaubt man einen Zusammenhalt zwischen den Maschen be¬ 
nachbarter Zellen zu schauen. Es verbleibt jedenfalls die Aufgabe, volle Klar¬ 
heit darüber zu gewinnen, ob, bezw. in welchem Umfang innerhalb der grauen 
Substanz eine Scheidung in einzelne geschlossene Endnetze statthat 

Die Knötchen lagern in den Knotenpunkten der Maschen, sind überall 
vorhanden, wie gesagt, von überraschend einheitlicher Gestaltung, in der Grösse 
ein wenig wechselnd. Dort, wo ihre innere Structur deutlicher zu tritt, 
lassen sie, wie mich insbesondere meine neuesten Studien über die Substantia 
gelatinosa Bolando und die Moosfasem^ lehren, ein der homctenen Grund¬ 
substanz eingebettetes Netzwerk erkennen, in welchem sehr feine Fibrillen 
in rundlich verdickten Knotenpunkten Zusammentreffen. 

Wenngleich ich vorerst nicht in der Lage bin, den zwingenden Beweis zu 
erbringen, dass ein jedes Knötdien zugleich mit der Oberfläche eines Zellkörpers 
oder protoplasmatischeu Fortsatzes in Contact steht, also ein „Endknöpfchen“ ist, 


* MoDfttBsehr. f. Psycb. a. Nearolog. 1898. Bd. IV. S. 35. 

* Dem entspricht es, dass in den Knötchen, welche am Rande eines Zellqoerschnitte 
faervortreten, gar nicht selten zwei divergirepde Fäserchen wnrzeln, oder, falls diese dnrch- 
trennt sind, die Knötchen nach anssen in awei sich verschmächtigende Zacken aoslanfen. 

* Nachdem ich daraof aufmerksam geworden, dass auch in den Änsohwellnngen der 
Moosfasern die oben geschilderte typische Configoration bervortritt, mnss ich sie als locale 
Anbänfnngen von „Endknöpfoben“ ansprechen, die, wie ich mit Hbu> nnd S. Mxtsr an- 
nehme, den Contact mit den korzästigeo Endböscbeln der Kömerzelldendriten bersteilen. 
Ea will mir aber scheinen, als ob dieees Azenoylinderendnetz nicht frei lagere, sondern einer 
Masse, von der ich auch' anderwärts Andeotongen an finden glaobe and die möglicherweise 
einen der Isolimng dienenden Kitt bildet, eingebettet sei. 


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796 


so neige ich doch sehr za dieser Annahme. Denn auch an Stellen, an welchen 
die zugehörigen Dendriten nicht klar zu erkennen sind, gleichen die Enötdien 
in allen Stücken den sonstigen, mit Endknöpfohen offenbar identischen Enotai- 
punkten. 

Was endlich die Ton Held supponirte Concrescenz anbelangt, so lehrt das 
photographische Bild nicht weniger übeizeugend als die directe Betrachtung der 
Präparate, wie eine scharfe Grenzlinie die Endknopfdien von der Zelloberfläohe 
scheidet 


11. Referate. 


Anatomie. 

1) Die seonndAre Aoostloiiabahii der Taube, von Adolf Wallenberg in 
Danzig. (Änai Anz. 1898. Bd. XIY. 14.) 

Der Verf. berichtet Aber üntersuchungseigebnisse (nach der Marchi’schw 
Methode) am Gehirn einer Tanbe, bei welcher durch Stichl&sion aoeaer anderen Ge* 
bieten der grösste Theil des grosszeiligen Cochleariskemes zerstört worden war. Ton 
diesem Kerne waren degenerirte Fasern nach zwei Richtungen verfolgbar. Ein Theil 
wendet sich medialwärts und endet in der Un^ebnng des kleinzelligen Kernes der 
en^egengesetzten Seite. Ein anderer Theil, and zwar der grössere, wendet sich 
ventralwärts, giebt Collateralen za einem der Oliva snperior der Sänger entsprechenden 
Ganglion ab, Überschreitet in der Höhe des TI. Aastrittes die Baphe, gelangt za 
einem dem Nach lemn. lateral, analogen Zellcomplex and endet schliesslich im Gang¬ 
lion mesencephali laterale. Bezüglich des genaueren Verlanfs dieser Fasern and der 
interessanten Degenerationsbefnnde, welche durch die gleichzeit^ Yerletxang des 
Cerebellnms, des Acosticosfeldes and der Nervenzellen des Hinterstrangfeldes bedingt 
waren, muss auf das Original verwiesen werden. 

Max Bielsehowsky (Berlin). 


2) ifOhrbuoh der Histologie des Mensohen einsohlieselioh der mifcro- 
skopisohen Technik, von Ä. A. Böhm und M. v. Davidoff. (2. Aofl. 1898. 
Wiesbaden.) 

Das vorliegende Lehrbach hat 3 Jahre nach seinem ersten Erscheinen die 
2. Auflage erlebt Dieser Erfolg ist durch seine vortrefflichen Eigenschaften wohl 
begründet Die Yerff. haben es verstanden, auf einem relativ kleinen Banm ein am¬ 
fassendes Gesammtbild der Histologie in formvollendeter, klarer Darstellung zu geben. 
Die Ergebnisse der jüngsten Forschung haben dabei weitgehende Berücksichtigung 
gefunden. Als ein grosser Yorzug des Werkes muss es bezeichnet werden, dass es 
zugleich ein guter Leitfaden der mikroskopischen Technik ist Im Anfang desselben 
wird die Mechanik des Mikroskopes und die im allgemeinen für die HersteUnng 
mikroskopischer Dauerpräparate nothwendigen Procedoren geschildert (Fixirong, Ein- 
bettung, Mikrotomsebneiden, Färben u. s. w). 

Ausserdem werden die speciellen Untersuchangsmethoden der einzelnen Organe 
am Ende der entsprechenden histologischen Capitel erörtert Aus der Histolc^e und 


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787 


bistologiseben Teclmik der Sinnesorgaoe ond des Centralnervensystems ist das für 
den Stndirenden wichtige anfgenommen worden. Das Buch enthält 251 gnte Äh* 
bildongen und üne sorgftlüge Zusanunenstellnng der einschlägigen Litterator. 

Max Bielschowsky (Berlin). 


Experimentelle Physiologie. 

3) Ueber morphologisohe Verändenmgen der Vorderhomsellen des Bücken- 
marks während der Thätigkeit. Vorläufiger Bericht von Jos. Luxenburg. 
Aus dem Laboratorium der Warschauer Aerzte • Gesellschaft. (Deutsche med. 
Wochenschr. 1898. Nr. 26.) 

Die Versuchsanordnung war folgende: ln Narcose wurde der Wirbelcanal in der 
Dorsolnmbalgegend von hinten geödet, die BQckenmarkshälften durch einen Schnitt 
getrennt ond ein weiterer Schnitt quer angelegt, um den Einfluss obenliegender 
Centra auf das BQckenmarkssegment zu eliminiren, an dessen Function diejenige 
Motilität der hinteren Extremitäten geknüpft ist. Sodann wurde der Croralnerv auf 
der einen Seite freigelegt und 1 Stande faradisch gereizt unter Eintritt gut aus- 
gebildeter Zuckungen, das Thier dann sogleich getödtet, das hintere Bückenmarks- 
segment herausgenommen, fixirt und meist nach Nissl untersucht. Verf. constatirte 
in der gereizten Bflckenmarkshälfte Veränderungen, und zwar besonders an den 
Chromatinschollen, die ihre gewöhnliche Form verlieren, so dass das Zellprotoplasma 
mit feinen Körnchen bedeckt erscheint: die gleiche Aendemng findet sich auch an 
dem Zellkern. Der Zerfall der chromatischen Substanz beginnt an der Zeilperipherie, 
wie auch um den Kern; die morphologischen Aenderungen des letzteren und des 
Kemkörperchens sind wenig deutlich ausgesprochen. 

Die Hittheilung erfolgte aus Anlass der Pick’schen Arbeit (Deutsche med. 
Wochenschr. 1898. Nr. 22). Die Untersuchungen waren anfangs dieses Jahres 
vollendet, die ausführlichere Darstellung Ende März zur Veröffentlichung an anderer 
Stelle eingesandt. B. Pfeiffer (Cassel). 


4) Beiträge aor Büokenmarksphyalologie der Amphibien und Reptilien, 
von Bickel. (Pflüger’s Archiv. 1898. Bd. LKXl. S. 44.) 

Bosenthal hat seiner Zeit auf experimentellem Wege gezeigt, dass beim Frosch 
die Beflexe von einem Hinterbein auf das andere durch Vermittlung des Halsmarks 
verlanfen und nicht etwa direct in der Höhe der in das Bückenmark eintretenden 
centripetalen Nerven durch die graue Substanz in die betreffenden centrifugalen 
Nerven Übertreten. 

Verf. hat diese Angabe nachgeprfift und ist zu demselben Besultat gelangt 
Durchschneidet man bei einem Frosch oder einer Eidechse das Rückenmark in der 
Höhe des 4.—5. Halswirbels, so dauert es viel länger ehe ein auf die Schwimmhaut 
z. B. des rechten Beines, ausgeübter bestimmter Beiz eine reflectorische Bewegung 
des linken Beines auslöst als wenn* die Durchschneidnng an der Grenze der Medulla 
spinalis und oblongata voi^enommen wird. Dies beweist dass für den betreffenden 
^flex der Weg durch das oberste Halsmark der wesentlich leichter „fahrbare“ ist 
und zwar ist dies a fortiori bewiesen, da die Entfernung der gereizten Stelle vom 
Halsmark natürlich eine grössere ist als z. B. vom Lendenmark; haben doch Rosen- 
tbars ältere Versuche gelehrt, dass die Zeit des Reflexeintrittes abhängig ist von 
der Entfernung der gereizten SteUe von dem betreffenden Beöexcentmm. 

W. Cohnstein (Berlin). 

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738 


6) Experimentelle Untereuohnngen über den Einfluae von Büokenmartis- 

durohtrennnngen auf den Kreislauf des Gehirns, von Prof. Dr. Ä. Spina 

(Wiener klin. Wochenschr. 1897. Nr. 48.) 

An der Hand einer litterarischen Uebersicht zeigt Verf. zunächst die Lücken- 
haftigkeit nnserer Kenntnisse über die vasoconstrictoriscben Nerven des Gebims und 
die widerspruchsvollen Ergebnisse der hauptsächlich auf Durchschneidongs- und 
Reizungsversuchen an Nerven basirten Arbeiten. Seine Resultate »nd auf Grund 
neuer Versuchsanordnongen gewonnen und in folgenden Schlussätzen zusammen- 
gefasst: 

Die cerebralen Gefässe stehen unter dem Einflüsse eines vasoconstrictorischen 
Centrums, das sich ungefähr vom 3. Halswirbel kopfwärts in der Weise ausbreitet, 
dass das verlängerte Mark in der Hübe der Membrana atlanto-ocdpitalis rmchlich 
mit vasoconstrictorischen Bahnen für das Gehirn versehen ist. Auf diesem Wege 
kreuzen sich die Bahnen in einer unvollständigen Weise. 

Die Durchschneidung des verlängerten Markes hat, da dieselbe die cerebralen 
Vasoconstrictoren lähmt und gleichzeitig eine Blutdruckserhöhung bewirkt, eine starke 
UeberfflUung des Gehirns mit Blut zur Folge, durch welche blossgelegte Himtheile 
sich röthen und ihr Volumen derart veigrüssem, dass dieselben bei einer künstlich 
angebrachten Apertur im Schädeldache unter Beratung von Bln^efässen und von 
Gehimventrikeln und Bildung zahlreicher apoplectischer Herde hervorquellen. Die 
eben angeführten Veränderungen treten an dem im Cranium verbliebenen oder min¬ 
destens mit der Dura bedecktem Gehirne nicht ein. Die Oblongatadurchtrennnng 
hat, bei intactem Schädelgerüste ausgeführt, eine heftige Gebimhyperämie zur Folge, 
denn die Menge des aus dem Gehirne fliessenden Blutes wird durch dieselbe um 
ein Vielfaches vermehrt und das ausfliessende Blut nimmt hierbei einen helleren 
Farbenton an. 

Vorausgesetzt, dass das Herausgedrängtwerden des Gehirnes aus dem Cranium 
darauf beruht, dass durch den erhöhten Blutdruck die durch die Oblongatadoreh- 
scbneidung dem Einflüsse der cerebralen Vasoconstrictoren entzogenen Blutgeßase 
mit Blut überfüllt werden, so müssen auch andere den Blutdruck erhöhende Elingriffe 
das Gehirn aus dem Schädel treiben können, nachdem zuvor die cerebralen Vaso¬ 
constrictoren ihre Functionsfähigkeit eingebüsst haben. Das ist auch thatsäcblicb 
der Fall. Eine bei intactem Schädelgerüste ausgefübrte Oblongatadorchschneidung 
treibt im Vereine mit der Erhöhung des Blutdrucks in Folge von Ligatur der Aorta 
descendens oder in Folge Reizung des peripheren Oblongatastnmpfes das blos^el^rte 
(}ehim gleichfalls nach aussen. 

Aus diesen Beobachtungen eigiebt sich dann die fernere Consequenz, da^ je 
grösser die Steigerung des Blutdrucks ausfällt, desto mehr Gehirn aus dem Schädel¬ 
raume nach aussen treten muss. Dq nun Injectionen von Nebenuierenextract den 
Blutdruck am stärksten erhöhen, so rufen dieselben, nachdem zuvor die cerebralen 
Vasoconstrictoren dürch die Oblongatadurchtrennung zerstört worden sind, auch die 
stärksten Gehimprolapse hervor. Bei intactem Rückenmarke bewirkt die Extraet- 
i^jection im Gehirne — im G^ensätze zu den anderen Organen, welche 
werden — eine mässige Hyperämie ohne eine nennenswerthe Volumsvermehrnng des- 
delben. 

Wird umgekehrt der Blutdruck vor der Oblongatadurchtrennung dadurch, 4»« 
die Splanchnici durchtrennt werden, erniedrigt, ist auch der Gehimprolaps ein gMingnr. 

Daraus ergiebt sich des Weiteren, dass Eingriffe, welche den Blutdruck erhöhen 
und die Anschwellung des Gebims vergrössem, dies nicht zu bewerkstelligen im Stande 
sind, wenn dieselben unter solchen Bedingungen angeführt werden, dass die Eirhöhnsg 
des Blutdrucks ausbleibt Hierher gehört das Strychnin, welches bei cnrariairtei 
Hunden mit durchschnittenem Halsmark keine Steigerung des Blutdrucks hervor¬ 


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iDTufeo Termag. Hierher gehört auch die Erfahrung, daas die Oblon^atsdorch- 
schoeidang nach Toraoag^ngener Dorchtrennang des Markes in der Höhe des dritten 
Halsirirfoels nur einen geringen Prolaps herrorroft, da sich eine ergiebige Blntdmcks- 
erhöbong in Folge des ersten Schnittes nicht einstellen kann. 

_ J. Sorgo (Wien). 


Pathologische Anatomie. 

6) Ein Fall von Spina bifida mit Doppeltheilang des Bfickenmarka (Dia- 
atematomyelio), von Dr. F. Theodor. (Archiv fOr Kinderheilkunde. 1898. 
Bd. XXIV.) 

Verf. bereichert die spärliche Litteratur Öber diese Entwickelongsanomalie um 
ein«) sorgfältig studirten, neuen Fall. Klinisch bot derselbe nichts neues dar. Die 
histologische Dntersnchung wird an der Hand von Böckenmarksserienscbnltten detaillirt 
dnrchgembrt. Wir ersehen aus derselben, dass sich im unteren Lendeninark in das 
bis dabin normale Rflckenmark ein Keil nervöser Substanz zwischen den Hinterstrang 
einschiebt, dieselbe seitwärts auseinander drängt und zu einer Zweitheilui^ des 
CsDtraleanals fQhrt. Die anfangs regellos angeordnete Nervensubetanz dieses Keiles 
ordnet sich, je tiefer wir im BOckenmark abwärts steigen, in der Weise, di^ ihre 
weissen Stränge mit den Vordersträngen des BQckenmarks sich vereinigen; zugleich 
bildet der Sulcus anterior eine immer tiefer einschneidende bindegewebige Scheide¬ 
wand, so dass das BOckenmark schliesslich in zwei mit den Vorderbömem aneinander 
stossende quergeetellte Hälften zerlegt ist Nun binnen die Hinterstränge dieser 
beiden BQckenmarke sich zu verschmelzen, das trennende Septum tritt zurück, die 
beiden Hälften nähern sieh wieder der normalen Lage und vereinigen sich endlich 
zu einem einzigen BOckenmark, das allerdings in seinen untersten Partieen durch 
Ausbuchtungen und Verkrümmungen des Centralcanals recht unregelmässig erscheint. 
Der Centralcanal, welcher auf der Höhe der Zweitbeilnng ebenfoUs verdoppelt war, 
kommt durch die Unregelmässigkeit seines Verlaufs auf manchen Querschnittsbildem 
in 3—5 Durchschnitten zur Ansicht. Dem Ueberblick, welchen Verf. Über die 
Litteratur giebt, ist zu entnehmen, dass die Doppeltheilung des Rückenmarks fast 
nur bei Spina bifida beobachtet wurde, und dass dieselbe keine nervösen Störungen 
zur Fo^ haben muss; sie wurde sogar einmal an einem 76jähr. Hanne als Neben¬ 
befand bei der Obduetion entdeckt Zappert 


7) liS chromatolyse dana lea comes snterleures de la moelle aprte dds- 
artioulation de la jambe et ses rapporte aveo les looalisationa motricee, 
par A. van Gebuchten et D. de Buck. (Journal de Neurologie. 1898. 
5. März.) 

Bei einem 70jähr. Manne musste in Folge einer thrombotischen Gangrän des 
rechten Unterschenkels die Exarticulation im Kni^elenk gemacht werden; 21 Tage 
später trat der Exitus ein. Das Rückenmark wurde 24 Stunden in 5^/^ Formalin, 
dann in 96^/o Alkohol gehärtet und nach Paraffineinbettuug der untere Theil des 
Lendenmarks und das ganze Sacralmark in Serienschnitte zerlegt und nach Nissl 
mtersucbi Ehn grosser Theil der im hinteren Tbeil des rechten Vorderhoms ge¬ 
legenen Zellen zeigt Chromatolyse mit excentrischer Lagerung des Kerns. Im unteren 
Tbeil des 4. Lumbalsegments ist keine Chromatolyse vorhanden; im 5. Lumbalsegment 
betrifft sie nur spärliche Zellen der dorsalen oder posterodorsalen Gruppe. Diese 
Zellgroppe nimmt nach dem 1. Sacralsegment hin an Dmfai^ zu und enthält zahl¬ 
reiche lallen mit Chromatolyse. Die schwach entwickelte andere Zellgroppe enthält 
auch im Sacralmark anr ganz vereinzelt Zellen mit Chromatolyse. Auch der bis zum 
4. Sacralsegment zu verfolgende anterolaterale oder ventrale Kern ist völlig intact, 

47* 


Dig ti/cn'i 


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ebenso der ventrale Kern, dessen Haoptentwickelnng im 2. Sacralsegment liegt, 
während er mit dem 3. verschwindet Am B^nn des 2. Saeralsegments rückt ^e 
erkrankte dorsale Gruppe mehr nach vom; liinter ihr erscheint eine nene dorsale 
Zellgruppe, die gleichfalls von Chromatol;se ergriffen ist und sich bis zur Mitte des 
4. Saeralsegments verfolgen lässt Die Muskeln von Fuss und Unterschenkel besitzen 
also zwei grosse Innervationskeme, von denen der erste vom 5. Lumbals^meut bis 
zum unteren Theil des 3. Saeralsegments reicht, der zweite, hinter dem ersten ge* 
legen, vom 1.—4. Sacralsegment. Znm Schluss geben die Verff. eine schematische 
Zeichnung der verschiedenen Zellgruppen des SacraU und unteren Lumbalmarks. 

H. Roth mann (Berlin). 

8) lieber Eisenlnflltration der GangUensellen, von Dr. L. W. Weber in 
Uechtspringe. (Honatsschr. f. Psjeb. u. Neurolog. 1898. Bd. III.) 

Der Verf. untersuchte das Gehirn eines Knaben, der im 5. Lebensjahr mit Fieber 
erkrankt war, Krämpfe mit nachfolgenden Lähmungserseheinungen durchgemacht hatte 
and dann geistesschwach geworden war. Der Tod war an eitriger Bronchitis ond 
Bronchopneumonie im 6. Lebensjahr erfolgt Das Gehirn zeigte makroskopisch sattel* 
förmige Einziehungen io einigen Windungen beider Occipitallappen. Die Pia war 
daselbst trOb und verwachsen. Im ganzen Gehirn, namentlich aber io den Occipital* 
lappen, fanden sich zahlreiche Uohlränme und Cysten, meist an der Grenze zwischea 
Binde und Mark; wo sehr viele Cysten nahe bei einander l^en, bot die Himsobstanz 
ein bienenwabiges Aussehen dar. In der ganzen Grosshimrinde, wiederum besonders 
in den Occipitallappen, wurden ferner schwefelgelb gefärbte, punkt* und 
striebförmige Herde entdeckt, die die erwähnten Hohlränme begrenzten. Mikro¬ 
skopisch wurde festgestellt, dass die Cysten keinerlei endo* oder epitheliale Ans* 
kleidnng besassen, dass die gelblichen Herde um erkrankte Geiasse hemm lagen. 
Die Gef^erkrankung bestand in Verengerung des Lumens durch Intimawocherung, 
in hyaliner Entartung der Gefässwand. In der Umgebung der Geßsse befanden sieb 
Blutkörperchen, Hämoglobintropfen und braune Pigmentscbollen. In der Umgebong 
einzelner Gefösse war ausgesprochene Neigung zu NarbenbUdung vorhanden. 

Neben iutacten Ganglienzellen lagen auch in den gelblichen Herden und in der 
Nachbarschicht der Cysten ganze Gmppen in besonderer Form degeoerirter Ganglien¬ 
zellen. Dieselben hatten manchmal ein gesebmmpftes Ansseben, waren aber in der 
Regel grösser als die übrigen Zellen. Ihre Ansläufer waren abgescbmolzen oder 
korkzieherartig gewonden. Der Zellleib und die Ausläufer Erbten sich mit Häme*' 
tozylin schwarz, der Kern blieb hellblan. Ohne Anwendung eines Reagenz blieben 
die Zellen farblos. Mit Ferrocyankalium und Salzsäure behandelt färbten sie sieb 
blau. Die Zellen enthalten also Eisen. Da sich diese eisenhaltigen ZeUen immer 
um erkrankte und blutende Gefässeben hemm grappirten, wird das Eisen a'us dem 
Blut stammen. Da der peripherste Theil des Protoplasmas zuerst erkrankt, wird es 
sich am eine Infiltration mit Eisen handeln, und zwar mit einem dem Hämoglobin 
nabestehenden Eisenalbuminat, einer Vorstufe des Hämosiderins. 

G. IIberg (Sonnenstein). 


Pathologie des Nervensystems. 

8) Handbooh der XTnlbllerkraiikangen auf Grund ärstUcher Erfahrungen 
(nebst einer Abhandlung über die Unfhllerkrankongen auf dem Gle> 
biete der Augenh^lkunde von Dr. Gramer), von Carl Thieme. (189B. 
Stuttgart. Ferdinand Enke.) 

Das vorliegende, mehr als 900 Seiten enthaltende Werk ‘zerfällt in 24 Capliri 
und umfasst ausser den für den Arzt wissenswertben gesetzlichen Vorschriften die 


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741 — 


s&mmilicben nach Unfölleo zar Beobacbtong kommenden Krankheiten der Haut, die 
cbinu^iMhen Eirkrankungeo, die inneren Erkrankungen mit besonderer Berftcksichtigang 
der 80 hänfig Temacblässigten Gefösserkrankungen, sowie schliesslich die Erkrankungen 
der Sinneso^ne and die Nerrenkrankheiten. 

Wir müssen uns an dieser Stelle es versagen, auf den Inhalt des Buches, soweit 
er die chirurgischen und die inneren Krankheiten angeht, naher einzugeben. Uervor- 
heben wollen wir nur das grosse Capitel über die gynäkologischen Krankheiten. 
Hier verfügt der Verfasser, wie auch seine bisherigen diesßezüglicben Arbeiten be* 
wiesen haben, über eine reiche ausserordentlich wichtige und instructive Erfahrung. 

Den Nervenarzt werden in dem erschöpfenden Werke besonders interessiren die 
Capitel: Erkrankungen des Schädels and Gehirnes; Erkrankungen der Wirbelsäule; 
Erkrankungen des Rückenmarkes; Verrichtung und Untersuchung der Nerven im 
Allgemeinen; die fanctionellen Neurosen; Erkrankungen der peripheren Nerven; 
Verietznngen und Erkrankungen der Muskeln und Huskelbündel; traumatische Ent- 
stehnng der Geschwülste; Verietznngen und Erkrankungen des Gehörapparates; Unfall’ 
fo^n im Gebiete der Äogenheilkunde. (Letzteres Capitel im gleichen, rein praktischen 
und durch Beibringung von reichlichem eigenen Material gestützten Sinne von Dr. Gramer 
bearbeitet.) 

In dem Abschnitt über entferntere Folgen von Himverletznngen sind auch dem 
Diabetes sowie dem Sonnenstich einige Seiten gewidmet 

Jedem Capitel gehen korzgehaltene klare Auseinandersetzungen über die in 
Betracht kommenden anatomischen und physiologischen Daten voraus. So eröffnen 
die Aaseinandersetznngen über die Rückenmarkskrankheiten ein Übersichtliches Schema 
des Faserverlaufes mit entsprechenden, dem gegenwärtigen Standpunkt dieser Dinge 
Rechnung tragenden Bemerkungen. 

Der Nicht’Specialist wird es mit Freuden begrflssen, dass das Buch einen kurzen 
Abriss der Untersnchnngsmethoden des Nervensystemes (dem Goldscheider’schen 
Plane folgend) enthält. Besondere Beachtung verdienen die kritischen Ausführungen 
über das Schmerzenskind aller Unfalluntersuchungen: die Sensibilitätsprüfungen. Auch 
der speciellen Hnskelphysiologie, die so oft in chiruigischen Gutachten vernachlässigt 
ist, ist der gebührende Raum eingeräumt. Dabei ist jedoch der leitende Gesichts* 
pnnkt, „die Beziehung zum Trauma*', nie aus dem Auge gelassen. 

Seinen Standpunkt zur „traumatischen Neurose" kennzeichnet Verf. in sehr 
scharfer Weise: „Wir wollen daher weder von einer „traumatischen Neurose“, die 
es ganz bestimmt nicht giebt, noch von „traumatischen Neurosen“ oder „sogen, 
traumatischen Neurosen“ etwas wissen“. Verf. spricht lediglich von Neurasthenie 
oder Hysterie nach Unfällen. 

Bei der Hysterie Übt Verf. das dnrchans zu billigende Verfahren, nicht alle 
evmituell einzeln für sich auftretenden Symptomengruppen von der Hysterie losza* 
rräsen und als eigene Krankheiten aufzustellen. 

In allen Capiteln bringt Verf. neben einer staonenswerthen, von überall her 
zuaammengetragenen, LitteraturffiUe auch seine eigenen vielseitigen persönlichen Er* 
fahrongen, die oft durch Beifügung des entoprechenden Gutachtens den Reiz der 
Individualität erhalten. 

Was den kntischen Standpunkt des Verf.’s, betreff der jedesmaligen traumatischen 
Aetiolo^e, angeht, so ist derselbe kein radicaler, sondern ein durchaus vermittelnder, 
gaoäss dem in der Vorrede aufgestellten Frincip: Niemand zn Lieb’ und Niemand 
zo Leide. 

Die Ausstattung des Baches (108 Figuren im Text) ist tadellos; die Ueber- 
ächtlichkeit trotz des enormen Materiales gewahrt 

Wir glauben, dass das Werk, welches dem Unfallarzt sowohl praktisch wie auch 


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wissenscliafUich unentbehrlich ist, nach abgesehen tod seinem spedellen Zwecke and 
seinen besonderen Qesichtspnnkten, sich bei allen llbrigen Aerxten schnell Eingang 
rerscbaffen wird. Pani Scbnster (Berlin). 


10) Ein Fall von tranmatisoher Apoplexie ohne nachweisbare Schädel- 

verletsung, von Dr. Hermann Scbloffer. (Wiener klin. Wochenschr. 1898. 

Nr. 16.) 

Ein 26j&br. Medioiner erhielt im Joni 1894 einen Schlag gegen die rechte 
Scheitelgegend. Er ergriff die Flacht und bemerkte, dass die linke Hand eingescblafen, 
schwach und ongeschickt sei. 

Nach mehreren 100 Schritten von den Verfolgern eii^eholt, erhielt er noch 
mehrere Riebe und Stösse. Er ging ohne Störung 5—7 Minuten weit in seine 
Wohnung im 2. Stock und entkleidete sich. Dann bekam er Kopfschmerzen and 
schlief um Uhr Morgens ein. Nach 1 Ys Stunden erwachte er mit Kopfsdimera, 
Brechreiz, SchwindelgefOhl, erbrach sodann, fflhlte den rechten Mundwinkel gegen 
das Ohr verzogen und konnte die linksseitigen Extremitäten nicht bewegen. Danach 
fOr kurze Zeit Somnolenz. 

Status praesens: Intocte Psyi^e, linke Pupille etwas weiter, beide prompt 
reagirend, complette linksseitige Facialislähmui^, Parese des Unken Hypogloesns, 
Hemiple^a sin. Sebnenrefleze links gesteigert, intacte Sprache. Etwas Ober dem 
rechten Tuber parietale zwei streifenförmige Convulsionen der Haut, keine Knochen- 
depression oder Fractur, starke Kopfschmerzen, Temperatur und Puls normal. 

Am 16. Juni unter Annahme eines Hämatoms der Dura mater Trepanation. 
Kein Hämatom, intacte Hirnrinde, geringfOgige Blntgerinnsel in den weichen Hirn¬ 
häuten. 

Beactionsloser Verlauf der Operation. Besserung der Kopfechmerzen in einigen 
Tagen; nach etwa 14 Tagen aUmä^cbe Wiederkehr der Motilität in den Extremi¬ 
täten und im Facialis. 

Ende August bei Entlassung: geringfOgige Facialisparese, Bewegung im Schulter- 
und Ellbogengelenk zum Theil zurOcl^ekehrt, Streckung der passiv flectirtmn Fing« 
ist möglich, active Beugung derselben unmöglich; Nachschleifen des linken Beines 
beim Gehen. 

In der Folgezeit bekam Pat. etwa 5 Mal im Laufe von Jahren Kramp^^e, 
die mit Zuckungen im linken Vorderarm und den Fingern binnen und mit Be- 
wusstseinsverlust einhergingen. 

Status praesens im December 1897: Psychisch intact, normale Sinnesorgane. 
Classiscbe Schnlhemiplegia sin. Gehen ohne Stock leicht und ohne Hflhe in da- Art 
der Hemiplegiker, motorische Muskelkraft gegen rechts nicht wesentUch heral^reeetat; 
linker Arm schwer geschädigt, kann nichts mit den Fingern fassen; ebenso Hebung 
des Armes zur Verticalen erschweri Parese des linken Facialis. Steigerung der 
tiefen und Periostrefleze. Linker Cremaster- und Bauchdeckenreflez ahalten. Sen¬ 
sibilität, Nerven- und Muskelerr^barkeit, sowie die Sprache normal. 

Verf. erörtert noch die Frage, ob nicht vielleicht doch eine Meningealblutung 
auf der Seite des Traumas voigel^en mit collateraler Lähmung wegen Fehlen der 
Pyramidenkreuzung stattgefunden habe; dag^^ spreche aber die fehlende Beein¬ 
trächtigung des Bewusstseins und der langsame und unvollkommene Rflckgang der 
Lähmungen. Näher liege die Annahme einer kleinen Blutung innerhalb der Him- 
masse, und zwar im hinteren Schenkel der Capsula interna. Die später aufgetretene 
Epilepsie sei in Zusammenhang zu bringen mit einer geringfögigen Contusion an der 
Stelle des motorischen Bindoigebietes fOr die obere Extremität an der rechten Hemi- 


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Sphäre oder als Ferawirkung auf die Binde von Seiten des in der weissen Substanz 
gelegenen Herdes anfzofassen. 

Pat.war ein schwerer Alkoholiker; es mögen also zur Blutung prädisponirende 
GeßssTeränderongen Totgelegen haben. J. Sorgo (Wien). 


11 u. 12) Klinisohe Mittheilui^^ezi, von Prof. H. Fischer in Berlin. (Deutsche 

med. Wochenschr. 1898. Nr. 22 u. 27.) 

Nicht operirte Oehirngeschwfllste. 

a) Beitrag zum traumatischen Ursprung der Qehirngeschwfllste. 

Der 37j&hrige, luetisch nicht inficirte Uanrer G., welcher durch einen Stein- 
Wurf sein rechtes Auge verloren hatte, stflrzte im Dec. 1893 durch eine FallthOr in 
einen 1,80 m tiefer gelegenen Keller. — Sofortige absolute Bewusstlosigkeit ca. 5 
bis 10 Minuten hindurch; keine Kopfwunde, kein Blutausfluss. Eine Viertelstunde 
nach dem Unfälle konnte er wieder arbeiten, hatte während des Tages noch Kopf- 
schmenen and Schwindelanfälle, schlief gut und bemerkte am folgenden Tage nur 
eine gelinge Beeinträchtigung seiner gewöhnlichen Beweglichkeit, zumal beim Leiter- 
und Treppensteigen. Beim Beginn des 3. Tages langdanemder Krampfanfall mit 
Bewusstloägkeit ohne Aura und Zungenbiss, Parese der linken Extremitäten, beson¬ 
ders des Beines. Derartige AnßUe kehrten oft wieder und verschlimmerten stets 
die linke Parese, in der Zwischenzeit wurden die linken Glieder beweglicher, Pat. 
litt aber an heftigen Kopfschmerzen und SchwindelanföUen mit kurzer Bewusstseins- 
träbnng. Die grossen Krampfanfälle liessen nach 3 Wochen nach, die Schwindel- 
aoiälle dagegen nahmen an Dauer zu und gingen mit Zuckungen in den gelähmten 
Gliedern einher. Befund (Ende April 1894): Elend und schwerkrank aussehender 
Patimt Parese der linken Extremitäten, besonders des Beines, mit Beweglichkeits- 
beechränkung, Verstrichensein der linken Nasolabialfalte, schwerföUige und lai^;8ame 
Sprache, Abnahme dee Gedächtnisses, links Atrophie der Brust- und Schaltermuskeln, 
der Lambncales und dee Thenars, linker Patellarreflex gesteigert. Klage Aber heftige 
Kopfischmerzen, welche stets von der rechten Kopfhälfte ausgingen und bald den 
ganzen Kopf einnahmen. — Am 8. Juni Eintritt in das Hospital. Sehr schlechtes 
Allgemeinbehnden, grosse Apathie. Beträchtliche Sehstörung auf dem linken Auge, 
ganz enges Gesichtsfeld, gröbere (Gegenstände wurden nur bei stärkster Beleuchtung 
erkannt. Träge Beaction der erweiterten Pupille, hochgradige Stauungspapille. 
Enorme Gedäehtiiissschwäche, schwere Sprach- und Schreibstömngen: der Wortschatz 
war sehr beschränkt, Pat konnte Gegenstände, welche er offenbar erkannte (s. o.), 
nicht benennen, längere Worte nicht richtig schreiben. — Serien von Anfällen 
Jackson’scher Epilepsie mit nur theilweiser Bewusstseinstrflbui^; heftiger Kopf¬ 
schmerz ging voraus, die Zuckungen setzten meist zuerst und stets am intensivston 
in linken Bein ein, blieben öfters auf dasselbe beschr^kt. Beträchtliche Besserui^ 
auf Jodkali, Entlassung auf Wunsch des Pat am 9. Juni. Anfang Juli kehrte Pat. 
zor&ck mit totaler Lähmung der linken Körper- und Gesichtshälfte, stumpfsinnig, 
tbeilnahmslos. VorQbeigehende Besserungen, bedrohliche Verschlimmerung, Tod nach 
Stl^igem Coma (19. Januar 1895). Section: Faostgrosser peripherer Tumor im 
rechten Grosshirn, der die vordere und hintere Centralwindung bis in die 3. Stirn- 
windung umfasste, etwas prominirte, und, keilförmig sich veijflngend, das ganze 
Grossbim bis in den Sinns durchsetzte. Consistenz weich, Farbe grauröthlich, Peri¬ 
pherie sehr gefässreicfa, Centrum blutleerer, Demarcationsiinie zum Theil scharf, 
stellenweise verschwommen; mikroskopischer Befund: Gliosarcom. Das Gehirn war 
blass, blntleer, ödematös, Knochen und Weichtheile des Schädels nornoal. 

Die Commotio cerebri entsteht wahrscheinUeh vollkommen analog wie der plöte- 


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liehe Eintritt und das mache Schwinden des Coma, welches Eusamani und Tenner 
bei einer jähen Unterbrechnng and schnellen Löaong einer mächtigen CircnlatiiHiB- 
sUrong im Qehim beobachteten. Beträchtliche Geßssverändernngen nach schweren 
Himcommotionen sind sicher beobachteL Die Contnsio cerebri bat in dem mit* 
getheilten Falle sicher nicht die Commotion verursacht, ebensowenig eventnell vor* 
handene capilläre Äpoplexieen. Die Schlösse von Dnret und Kocher sind zu 
weitgehend, die Lehre vom hjdmnlischen Druck bei Contuaionen der geschlossmien 
SchädelhOhle nach den Arbeiten Koehler's revisionsbedfirftig. Die Versuche von 
Koch und Filehne sind im Princip falsch, im Resultat nicht entscheidend; Kra- 
mer’s Hypothese ist nur theilweise richtig. Kramer fährt die Commotio cerebri 
auf eine Anaemia cerebri znrflck, diese — nach dem Verf. mit Unrecht — auf eine 
Compresaion des Hima in toto. 

Auffallend ist die schwere Gehimcontusion ohne Läsion der Weichtheile und 
Knochen des Schädels. Der klinische Verlauf der Contusion war zunächst typisch, 
allmählich aber entwickelte sich aus dem Contusionsherde ein Oliosaroom. Verf. 
hält mit Adeler ca. 8 , 8*^/0 der Gehimgeschwfllste ffir traumatisch bedingt. 

Von einer Operation wurde Abstand genommen, da die klinischen Erscheinungen 
und der Verlauf es nahezu sicher machten, dass der Tumor nicht abgekapselt nnd 
sehr blutreich war. 

b) Gliosarcom von enormer Grosse im linken Hinterhauptslappen, 
traumatischer Ursprung zweifelhaft. 

Der 14jährige rachitische nnd tuberculOse A. L. stiesa im Kovember 1876 mit 
dem Kopfe gegen einen Balken und war einige Zeit „drOhnig^'. Im Juni 1877 trat 
beständig zunehmende Sehschwäche, besonders rechts, auf, Kopfschmerzen, welche die 
nächtliche Buhe ranbten, Moigens am stärksten waren, bisweilen ohne Grund woeben* 
lang anssetzten, dann um so heftiger wiederkehrten, ferner Schwindel, Zunahme des 
Kopfnmfanges und Theilnahmlosigkeit Die Untersuchung ergab im September 1878 
bei dem kleinen schwächlichen Burschen ungewöhnlichen Kopfumfang, besonders 
starkes Hervortreten der.Tnbera frontalia nnd parietalia, sehr weite und noch weiche 
Schädelnähte: keine Dmckempfindlichkeit Starker Exophthalmus, besonders rechts, 
rechte Pupille sehr träge reagirend, sehr erweitert, linke weniger dilatirt; Sehkraft 
rechts fast erloschen, links wurde alles wie durch einen Schleier gesehen. Die 
ophthalmoskopische Untersncbui^ ergab rechts sehr blassen Fnndus, starke Bxcavation, 
kleine Arterien, geschlängelte, erweiterte, geknickte Venen, links nur Andeutung 
diespr Veränderungen. — Der Gang war, auch bei Unterstützung, sehr unsicher und 
taumelnd, Lidschluss verstärkt das Schwanken nicht; die Bewegungen im Bette waren 
vollkommen frei, Lag^efübl erhalten. Keine Lähmungen, keine Sensibilitätsstömngen. 
Pat machte einen schwachsinnigen Eindruck, zeigte nur vorfibeigehend Aufmerksam* 
keit, verfiel dann wieder in stumpfsinnigee Brüten und klagte Über Kopfschmerzen 
und Schwindel bei schnellem Aufiiehten, längerem Stehen nnd raschem Niederl^en, 
über .Uebelkeit und Erbrechen. Sprache intaci In der Folgezeit erblindete dw 
Kranke völlig, die Somnolenz und der Verfall der geistigen Kräfte nahmen zu, epi¬ 
leptische Krtopfe ohne bestimmbaren Ausgangspunkt stellten sich ein, Geben und 
Stoben wurden unmöglich. Im* Februar 1879 rechtsseitige Facialislähmung, dann 
Paralyse des rechten Beines, später des rechten Armes. Taubheit Schlucklähmnng. 
Tod im tiefen Conm und allgemeiner Lähmung. 

Die Section ergab u. a. Folgendes: Die sehr dünne nnd blutleere Dura mater 
ist mit dem hinteren Pole des linken Hintorhauptslappens fest verwachsen, das Gehirn 
sehr gross, die Gyri vollkommen abgeflacht. Der ganze hintere Abschnitt der linken 
Hemisphäre ist derb und höckerig anzufohlen und encheint auf dem Durchschnitt 
von einem colossalen Tumor eingenommen, der nach vom an die Fissura Silvii reicht; 


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nur der Vorderlappen, die Spitze des ünterlappena in. einer L&nge von 3^2 cm nnd 
die znn&chst der grossen Längsspalte gel^enen Partieen des Gehirns sind frei. 
Tbalamns nnd Corpus ' striatnm sind nach rechts Terdrängt, die linke Kleinhim- 
hemisphäre etwas abgeplattet, die stellenweise geschrumpften und verhärteten G;ri 
gehen direct in den Tomor Über, welcher einen unr^elmässig zerklüfteten, gallert^ 
erweichten Kern und eine 1—3 cm breite, ziemlich compacte Binde aufweist, als 
„eine diffuse neoplasmatische Burchwachsnog und Infiltrirung des betroffenen Him- 
abschnittes“ erscheint. Die hellgraue Hirnrinde zeigt einzelne, weisse Sprenkel und 
die Consistenz eines festen Gommiknotens, die übrige Hinisubstanz grosse Blässe 
und Weichheit. Die Ventrikel sind enorm erweitert, das Ependym nicht verdickt. 
Der Tumor war ein Gliosarcom. 

Der Tumor ist wohl die umfangreichste Himgeschwulst, von der die Litteratur 
berichtet; die enormen und stetig zunehmenden Stanungssjmptome sprachen trotz 
der Anwesenheit tuberculOser Veränderungen im Eärper gegen die Annahme von 
Himtnberkeln. Ob das Trauma als Ursache des Tumors anzusehen ist, kann nicht 
entschieden werden. Die sehr starke and frühzeitige intracranieUe Drucksteigerung 
macht ee unmöglich, den Fall für die Annahme von Bastian u. A. zu verwerthen, 
dass bei Erkrankung der weissen Harklager des Hinterhauptlappens psychische 
Störungen mit besonderer Prägnanz bervorzutreten pflegen, obwohl der psychische 
Verfall das hervorstechendste Symptom des mitgetheilten Falles war, sie sprach nach 
dem Verf. ferner g^en die Annahme eines Kleinhimtumors, da eine so beträchtliche 
Dmcksteigerung bei Cerebellarerkraukungen so frühzeitig bisher nicht beobachtet ist. 
Kach des Bef. Ansicht ist diese Behauptung des Verf.’s irrthttmlicb, vielmehr zeichnen 
sich die Allgemeinsymptome bei Kleinhimtumoren gerade durch frühes Eintreten und 
grosse Heftigkeit aus, falsch ist ferner die Angabe, dass Tumoren, ausgehend vom 
weissen Marklager des linken Hinterhauptslappens, nach klinischer und experimenteller 
Erfahrung kein Herdsymptom machen, da gerade bei dieser Lage die Combination 
von Hemiopie, Alexie und optischer Aphasie unter Umständen eine sichere Local* 
diagnose gestattet 

Der Verf. deutet mit Becht die Incoordination, den Schwindel, das Erbrechen 
und die Uebelkeit als Nachbarschafts* und Drucksymptome von Seiten des Kleinhirns 
und betont als auffallend das lange Intactsein der Sprache und die völlige Taubheit 
auf der Höhe der Affection. Die frühzeitig vorhandene unwillkürliche Entleerung von 
Urin und Stuhl fasst Verf. nicht als Ausdruck einer Lähmung der Blase und des 
Hastdarms auf, da diese noch niemals bei stationären Ausfallsherden fes^estellt ist. 
Die Apatite und Somnolenz dürften zur Erklärung wohl aasreichen (Bef-). 

B. Pfeiffer (Cassel). 


13) A Btady of the leslons in a oaae of traoma ln tbe oerrloal region 
of the spinal ohord simulating syrlngomyelia, by HendricLloyd. (Brain. 
1898. Spring.) 

Der Pat. des Verf. litt nach einer Wirbelverletzung an der Balswirbelsäule 
5 Jahre vor seinem Tode an einer Lähmung mit Contractur des linken Armes, 
Beines, Huskelatrophie an der linken Schalter und einer rechten GefOhlsstörung: 
Analgesie der ganzen rechten Seite mit Ausnahme des Kopfes; Thermanästhesie am 
rechten Bein und über der rechten Brust; Anästhesie am rechten Beine. Die Section 
ergab eine alte Verletzung der Halswirbelsäule. Im 7. Cervicals^ment war links 
die graue Substanz, die vordere und hintere Gommissur, die weissen Vorder- und 
Seitenstränge fast total zerstört; in den Hintersträngen nur die vorderen Partieen, 
die auf* und absteigenden Degenerationen waren die gewöhnlichen. Es fand sich auf 
eine kurze Strecke auch eine retrograde Degeneration der Pyramidenbahnen links. 
Verf. glaubt, dass sein Fall dafür spräche, dass die Bahnen für das Tas^efühl auf 


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der gleichen Seite in dra Hinteraträngeo im Bflckeomarke verbleiben; die fftr Schmerz* 
und Temperatureinn aber sich kreuzten und durch die graue Substanz den gekreoztoi 
Gowers'schen Strang erreichten. Auch spreche sein Fall fhr die fintstehnng dw- 
Syringomyelie aus traumatischer ZertrOmmemng, die hier ganz das Gebiet der syringo* 
myelitischen Hfihlenbildnng einnehme. (Die Erhaltung des Tastgefbhls ist neuerdings 
in vielen Fällen von Halbseitenl&sion beobachtet Bef.) L. Brons. 


14) Oeneral parslysis of the Insane during adolesoenoe with notes of 

three oases, by P. Stewart (Brain. 1898. Spring.) 

Verf. bringt 3 Fälle von Einderparalyse. In allen 3 Fällen zeigten sich zn* 
nächst psychische Symptome zwischen 13.—16. Jahre; vorher waren die Kinder 
intelligent. Diese Symptome waren die einer progressiven Demenz; Grössenideemi 
traten nicht ein. Dazu Fnpillenstdmngen, spec. Starre, nnsicherer Gang, Sprache und 
Schrift; erhöhte oder fehlende Patellarreflexe, Krämpfe. Zittern der Hände und des 
Gesichts. In 2 Fällen war Syphilis der Eltern nachweisbar. In einem.Falle wurde 
die Autopsie gemacht; sie ergab die typischen Befunde der progressiven Paralyse. 
In einem Falle konnte Verf. während der Krämpfe laryngoskopiren; es zeigten sich 
fortwährende Ab* nnd Adductionsbewegungen der Stimmbänder. Verf. giebt dann 
noch eine Uebersicbt Ober die Symptome und den Verlauf der Paralyse im Puber* 
tatsalter. L. Bruns. 


16) Zwei Fälle von Qaenohnittserkrankiing des Halsmarkea. Beitrag mva 
Kenntniss der Sehnenreflexe, der seoondären Degenerationen und der 
KÖmohenaellen im Büokennuurk, von H. Senator. (Zeitschr. f. klin. Med. 
Bd. IXXV.) 

Verf. berichtet Aber 2 Fälle von BAckenmarkserkrankung im Halsmarke und 
knApft daran sehr wichtige Bemerkungen vor Allem Aber das Verhaltm der Sehnen* 
reflexe bei hochsitzenden totalen Querschnittsläsionen des Markes. Im ersten Falle 
handelte es sich um eine Frau, die, 13 Jahre vor ihrem Tode, im 33. Lebensjahre, 
mit reissenden Schmerzen im Nacken, Hinterhaupt und Schultern, sowie mit Par* 
ästhesieen in beiden Armen und Beinen erkrankte. Später, ganz allmählich, spastische 
Lähmung der Beine, znerst in Streck*, dann in Bengecontractnr mit erhöhten 
Sehnen* und Hautrefiexen; schlaffe Lähmung der Hände und der Unterarme mit 
Atrophia mnscnlaris, aber, ohne fibrilläre Zuckungen and nur mit quantitativer 
Aenderung der elektrischen Erregbarkeit. Totale Anästhesie an den Beinen, am 
Rumpfe bis znm 4. Intercostalranme und in dem Ulnarisbezirke der Arme; totale 
Lähmung der Blase und des Hastdarmee mit partieller Betentio urinae und rein 
mechanische Entleerung der Stuhl* und ürinmassen. Decubitus. Tod im Maras* 
mus. Die Sehnenreflexe wurden 4—5 Monate vor dem Tode noch ge* 
steigert gefunden. Von einem Oedem der Beine wird nichts erwähnt. Auf 
etwaige Papillen* und Lidspaltenanomalieen ist in den letzten Jahren nicht ge¬ 
achtet; überhaupt konnten die Untersuchungen in den letzten Krankheitsjahren aus 
äusseren Gründen nur oberflächlich sein. 

Es fand sich bei der Section ein tbeilweise verkalktes Sarcom (Psammoaaroom), 
das wohl von der Durainnenfläche angegangen war und im unteren Halsmarke das Rücken* 
mark ganz zerstört und ersetzt hatte. Oie Geschwulst war 7 cm lang nnd reichte vom 
5. Cervical* bis zum 2. Dorsalsegmente — rechts waren auch alle die zugehörigen 
Wurzeln von der Geschwulst zerstört, links nur die 7. Cervicalis. Die Dora war fest 
mit der Geschwulst verwachsen; eine Pia nicht zu erkennen. Das Centrum der Ge¬ 
schwulst wohl in der Höhe des 7. Cervicalsegmentes. Hier fand sich auf dem 


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Queracliniite nur QeschwolBtsabstans, keine Spor nervöser Substanz; im 6. Segment 
mrholten sich die Vorderhömer, im 5. die ganze grane Snbstanz. Im 4. Cervical* 
Segment fanden sich nur noch anfsteigende Degenerationen. Im oberen Dorsaltheile 
unterhalb der Geschwulst fand sich Erweichung, aber keine Kömohenzellen, sondern 
nor Corpora amjlacea. Im Dorsal* und Lendentheil sind die Ganglienzellen in 
Vorder«, Hinterhömem und Clarke’schen Säulen atrophisch. Im Uebrigen fanden 
sich die gewöhnlichen secundaren Degenerationen; atoteigend in den Pyramiden« 
bahnen; eine kurze Strecke im ganzen Bande und im ovalen Felde (Flechsig) 
im Lendenmarke; anffallender Weise nicht ün Schnltze'schen Komma im Dorsal« 
marke; aufsteigend: kurze Zeit im ganzen Bande, auch in den Vorderatrangs« 
Pyramiden, später nur in der Kleinhimseitenstrangsbahn, in dem Tractus Gowers und 
in den Goll’schen Strängen. Die untersuchten Hnskeln der Arme zeigten Atrophie, 
aber gut erhaltene Querstreifung. 

Der Fall bietet zunächst für die Localdiagnose der Böckenmarksaffection 
keine Besonderheiten; er zeigt das jetzt wohl classische Symptomenbild einer Läsion 
im unteren Cervicalmarke. Auch das Verhalten der Blase und des Hastdarmes ent¬ 
sprach ganz dem von Thorburn und dem Bef. entworfenen Bilde bei hochsitzenden 
totalen Qnerläsionen. Dagegen waren in diesem Falle, trotzdem sich bei 
der Section eine totale Querläsion mindestens im 7. Cervicalsegmente 
fand, die Sehnenreflexe 4—5 Monate vor dem Tode noch vorhanden, 
ebenso auch die Bengecontractur. Der Fall ist also nach Senator ein 
Beweis, dass jedenfalls nicht in allen Fällen einer totalen Querläsiou im Halsmarke, 
bezw. im oberen Dorsalmarke die Sehnenreflexe fehlen müssen. Dafür bringt 8. 
auch noch als Beweise aus der Litteratur 2 Fälle, einen von Tooth, einen von 
F. Schnitze und schliesst, dass das, wie er sich ausdrückt, Bastian-Bruns’sche 
Gesetz von dem Schlaffbleiben der Lähmung und dem Fehlen der 
Sebnenreflexe bei totalen bochsitzenden Qnerläsionen nach diesen 
Fällen kein absolut gültiges Gesetz sein könne. 

Demgegenüber muss Bef. zunächst hervorbeben, dass er — vielleicht abgesehen 
von seiner ersten Publication in dieser Sache — nicht behauptet hat, dass, es ab« 
Bolot bewiesen sei, dass die Sehnenreflexe in den einschlägigen 
Fällen immer fehlen müssten. Er hat 8<^;ar in seinen Kritiken über die 
Arbeiten von Gerhardt, Egger und Biscboff (d. Centralblatt 1895 und 1897) 
mehrfach ausdrücklich betont, dass das nicht bewiesen sei, dass nur bewiesen 
sei, dass die Sebnenreflexe fehlen könnten. Er hat aber allerdings „kein 
Hehl daraus gemacht“, dass er selbst an ein gesetzmässiges Verhalten in dieser 
Beziehung glaubt und direct bervoigehoben, man könne vorläufig daran festhalten, 
dass bei totalen Qoerläsionen im Halsmarke die Sehnenreflexe an den Beinen immer 
fehlten, da beweisende Fälle gegen diese Annahme bisher nicht vorgebracht seien. 
(Hur in seinem Buche über die Geschwülste des Nervensystemes hat Bef. die That^ 
Sache als gesetzmässig hingestellt, da sie ihm jedenfalls nach den bisherigen Publi« 
cationen so gut wie bewiesen erschien und in diesem Buche kein Platz für zu weit¬ 
läufige Auseinandersetzungen war.) 

Wie stebt es non mit Senator’s Fällen, die gegen Bastian’s Lehre sprechen 
sollen. Da ist zunächst der Fall von Tooth, den Bastian mittheilt. Bef. muss 
gegen Senator’s Widerspruch diesen Fall auch jetzt noch als unsicher bezeichnen. 
17 Tage vor dem Tode wurde der Patellarreflex rechts nachgewiesen, links wurde er 
nicht untersucht. Es bandelte sich hier aber nicht etwa um einen langsam verlaufen¬ 
den Fall, sodass die beim Tode gefundene totale Querläsion sehr gut in den letzten 
17 Tagen erst eingetreten sein kann. Tooth selber bezeichnet übrigens auch die 
anatomische Untersuchung als nicht sehr genau. Der zweite von Senator angeführte 
Fall, der von F. Schnitze, stammt aus dem Jahre 1882. Hier hatte ein Trauma 



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748 


zur vollständigen Continnitätstrennnng des Markes in der H6he des 9. Bmstwiib^ 
geführt. Etwa 5 Monate nach dieser Läsion — 3^/2 Monate vor dem Tode, waren 
die Hautreäexe erheblich gesteigert, „nicht aber die Sehnenrefleze"; später ixat 
noch Beugecontractnr der Beine ein. Dieser Fall ist nm so auffälliger, weil es sich 
ja um eine Läsion in nächster Nähe des Lendenmarkes gehandelt hat, wo Fehlen 
der Kniesoheibensehnenrefleze nichts an^Uiges gewesen wäre. Bef. kann hier nur 
sagen, dass der Fall viele Jahre znrflckliegt und dass die Angaben über die Sdmeo> 
redeze auch hier nur sehr kurze sind. Nun ist es aber eine allbekannte Thatsacbe 
in der Medicin, dass gewisse Symptome und Symptomencompleze erst bemerkt werden, 
wenn ganz bestimmt auf sie aufmerksam gemacht wird; namentlich trifft das für 
solche Symptome zu, die im Widerspruch mit anerkannten Lehrsätzen stehen; Bef. 
kann deshalb bei aller schuldigen Hochachtung vor der klinischen Sorgfalt 
F. Schnltze’s diesem und anderen älteren, der Bastian’schen Lehre widm** 
sprechenden Fällen keine unbedingte Beweiskraft beimessen. Sie wären sehr viel 
beweiskräftiger, wenn sie heute beobachtet würden. Schliesslich Se« 
nator’s Fall selbst. Han konnte hier zunächst sagen, dass bewiesen in diesem 
Falle nur ist, dass circa 5 Monate vor dem Tode die Sehnenrefleze noch vorhanden 
waren und dass ein unbedingter Beweis, dass zu dieser Zeit schon totale Querläsion 
bestand, natürlich nicht geliefert werden kann. Insofern ist also auch dieser 
Fall kein absolut einwandsfreier Beweis gegen die Ailgemeingültig- 
keit von Bastian's Lehre. Allein Bef. will gern zugeben, dass nach Verlauf 
und Sectionsbefund eine totale Querläsion 5 Monate vor dem Tode in diesem Falle 
doch sehr wahrscheinlich war. Bef. hat selbst auch im letzten Jahre einen Fall von 
Compression des Dorsalmarkes bei Wirbelcaries beobachtet, bei dem totale Lähmung 
der Beine in Beugecontractur, totale Anästhesie bis zum Processus enmformis, voU- 
ständige Blasen- und Mastdarmlähmung, Decubitus eine totale Querläsion sehr wahr¬ 
scheinlich machten; wo aber zunächst wenigstens auf einer Seite noch 
Patellar- und Achillesclonus bestand. Im späteren Verlauf trat starke 
Atrophie der Beinmuskeln auf — mit quantitativer Veränderung der elektrischen 
Beactionen — und non schwanden die Sehnenrefleze ganz. Wieder einige Wochen 
darauf trat langsam am Bumpf und an der Vorderseite der Oberschenkel Schmerz¬ 
gefühl auf und nun war beiderseits weder Patellar- noch Äcbillesclonus vor¬ 
handen. Auch Gerhardt’s Fall gehört vielleicht mit in diese Kategorie, wenigstens 
bis einige Jahre vor dem Tode. 

Es. scheint dem Bef. also, dass in Fällen von ganz langsam voll¬ 
ständig werdender Compression die Sehnenrefleze zum mindesten sehr 
lange erhalten bleiben können; ja sie können noch gesteigert sein zu 
einer Zeit, wo alle Übrigen Symptome auf totale Querschnittsläsion 
hinweisen. Damit würden diese F^le eine Sonderstellung einnehmen. Ob sich die 
Sehnenrefleze später auch in diesen Fällen doch noch verlieren,,wie im Falle Ger¬ 
hardt’s, oder dauernd bestehen bleiben können, was im Falle Senator’s wenigstens 
wahrscheinlich ist, müssen weitere Untersuchungen lehren. Hervorheben möchte B^. 
noch, dass in dem Falle Senator’s, Gerhardt’s und auch in seinem oben citirten 
Oedem der Beine fehlte, was in den Fällen rasch eintretender Querläsion immer 
vorhanden zu sein scheint. Auch ist es dem Bef. gerade in dem letzteren Falle, 
wo noch die Hantrefleze sehr stark waren, aufgefallen, wie schwer es sein kann, zu 
entscheiden, ob ein Beflez ein Haut- oder ein echter Sehnenreflez ist; natürlich will 
Bef. eine solche Verwechslung Senator oder F. Schnitze nicht etwa impntireo. 
Schliesslich möchte er darauf aufmerksam machen, dass sich im Falle Senator's 
deutliche Veränderungen der Ganglienzellen bis ins Lendenmark fanden und doch die 
Befleze erhalten blieben; man kann also das Fehlen der Befleze in den mit 
Bastian's Theorie stimmenden Fällen nicht, wie mehrfach geschehen, auf gering¬ 
fügige Veränderungen in der grauen Substanz beziehen wollen. 


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Im 2. Falle SeDator’s handelte es sich am einen 30jährigen Arbeiter, der am 
3. Kai — gerade einen Monat vor seinem Tode — im Raasche eine Verletzung er- 
litten hatte, deren genaoe Katar nicht festzustellen war. Es bestand sofort totale 
Lähraong der Beine, der Rumpf', Bauch- und Intercostalmuskulator — die Athmung 
geschah nur mit dem Zwerchfelle. An den Armen waren noch die Finger- und Hand- 
bewegnngen gelähmt, Ober- und Unterarm frei. Keine fibrillären Zuckungen an den 
Fingern. Beine und Rumpf bis zur 2. Rippe waren ganz gefflhllos; ausserdem am 
rechten Arme die ulnare Hälfte der Finger, der ulnare Band der Hand und die 
Ulnarseite des Oberarmes; links war der Oberarm frei; Hand und Finger im selben 
Gebiete wie rechts nnd ein schmaler ulnarer Streifen des Unterarmes waren 
anästhetisch. Blase und Hastdarm waren total gelähmt; die Blase war ausdrOckbar. 
Keine Pupillen' und Lidspaltensymptome. Schwitzen nur im fühlenden Gebiete. 
Meteorismus. Priapismus. - Polyurie. Die Lähmung der Beine war während 
des ganzen Krankenlagers eine schlaffe, die Sehnenrefleze waren total 
Terschwunden, der Plantarstichreflez im Anfang auch schwach, später 
ziemlich lebhaft Im Anfang ziemlich normale elektrische Erregbar¬ 
keit der Beinmuskeln; später, als Oedem und trockene Schuppung der 
Hant der Beine eingetreten war, war auch mit stärksten galvanischen 
nnd faradischen Strömen eine Zuckung nicht mehr zu erzielen, der 
elektrische Hautwiderstand an den Beinen erwies sich als enorm ge¬ 
steigert 

Basch Decubitus, Cystitis, Fieber. Tod an Marasmus. 

Die Section ei^ab eine Verschiebung des 7. Hals- und 1. Dorsalwirbele und eine 
entsprechende Zertrümmerung des Rückenmarkes. Daneben hauptsächlich eine gan¬ 
gränöse Cystitis mit Geschwüren nnd Phlegmone des umgebenden Bindegewebes. 
An der Quetscbungsstelle, die ihr Centrum im 7. Cervicals^mente hatte, war, wie 
sich bei der histologischen Untersuchung erwies, das Mark total zertrümmert; diese 
Zertrümmerung setzte sich nach oben bis ins «5. Cervical-, nach unten bis ins 
2. Dorsalsegment, besonders in den Hintersträngen fort Nach oben befindet sich 
in diesen Strängen noch eine traumatische Uöblenbildung. Absteigende Degeneration 
findet sich in den Pyramidenseitensträngen, im Schultze’schen Komma, und im 
Lendenmarke noch in FlecXsig's ovalem Felde; aufsteigende in den GoH'schen, 
z. Th. in den Burdach’schen Strängen und in den Kleinhimseitenstrangsbahnen. 
Die graue Substanz und speciell die Ganglienzellen unterhalb der Läsion waren 
normaL 

Klinisch bietet der FaH wieder in Bezog anf Segmentdiagnose das typische 
Bild. Hier fehlten, analog Bastian’s Angaben, die Sehnenrefleze au- 
dauernd und bestand schlaffe Lähmung; die Hautrefleze blieben theilweise 
bestehen, wie io vielen dieser Fälle. Blase und Mastdarm verhielten sich wie im 
1. Falle. Au^lig ist das Fehlen der Pupillen- und Lidspaltensymptome. 

Die elektrische Unerregbarkeit der Beinmuskulatur in der zweiten Hälfte der 
Beobachtangszeit will Senator nicht allein auf die von ihm nachgewiesene starke 
Erhöhung des Hautwiderstandes durch Oedem und Schuppung der Haut zurück- 
führen, eondem er nimmt auch eine directe Verminderung der elektrischen Erregbar¬ 
keit durch eine vielleicht nur functionelle Störung der Vorderhomganglien an. Ref. 
ist gerade durch einen neuerdings von ihm beobachteten Fall noch mehr in seiner 
Meinung bestärkt worden, dass das Fehlen elektrischer Reactionen in den einschlägigen 
Fällen nur auf dem enorm erhöhten Leitungswiderstand beruht. In einem Falle 
totaler schlaffer Paraplegie mit Fehlen der Sehnenrefleze, starkem Oedem und 
Scbnppung der Haut an den Beinen in Folge Carcinomes der oberen Brustwirbel- 
Bänle traten mit stärksten faradischen und galvanischen Strömen zuerst Zuckungen 
an den Beinmuskeln überhaupt nicht auf; als Bef. aber die Haut der Beine mit 


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750 


warmen Salzwaseer abgewaschen and die Schoppen abgerieben hatte und dann die 
Elektroden tief in das Oedem eindrflckte, bekam er zan&ehst mit dem galvanischen 
Strome kräftige normale blitzartige Znckongen sowohl an der Wade wie im 
QQadricepsgebiete; aoch die Nadelaasschläge am Galvanometer waren jetzt stark and 
wurden durch die Widerstand vermindernde Wirkung des galvanischen Stromes immer 
stärker. Als er dann die Elektroden mit dem faiadisehen Apparate verband, tratmi 
aoch mit diesem Strome kräftige Zockoi^en ein. Also war hier nur der Haut- 
widerstand am Ausbleiben der elektrischen Reaction Schuld; wenn im 
späteren Yerlaof dieser Fälle allerdings, wie nicht so selten, noch anatomische 
Teränderangen in den Muskeln auftreten, werden anch diese natürlich die elektrische 
Erregbarkeit herabsetzen. 

Senator knüpft schliesslich an seine Hittheilui^en noch einige Bemerkungen 
über die Genese der Körnchenzellen. Diese sollen nach ihm nicht aus den 
weisseu Blutkörpem, sondern zum Tbeil aus den fixen Bindegewebszellen des Rücken¬ 
markes — den Zellen der Ädventitia der Gefässe —, zum Tbeil durch Umwandlung 
von Gliazellen entstehen. Es giebt allerdings auch mit Fett beladene weisse Blut- 
körper — das sind aber keine echten Eömchenzellen. L. Bruns. 


16) Die ärztUohe Untenraohnng und Beurtheilnng von Un&llfolgen, von 

Prof. Dr. Ledderhose. (1898. Wiesbaden. J. F. Bergmann.) 

Die vorli^ende, 46 Seiten starke Broschüre ist vorwi^end vom chirurgischen 
Standpunkt aus von Interesse, sie enthält jedoch eine Menge Detüls, die auch für 
den Nicbt-Cbiru^en, sobald er sich mit Unfallverletzten zu beschäftigen hat, Wissens- 
werth sind. 

In der Einleitung betont der Terf. mit Recht, dass die Methodik der Unter¬ 
suchung einen der wichtigsten Bestandtheile der Unfallchirurgie bildet. Der sprin¬ 
gende Punkt ist eine möglichst genaue allgemeine und locale Untersuchung. Die 
gemachten Feststellungen sind womC^lich durch Zahlenwertbe zu ergänzen. Anch 
Yerf. glaubt, dass Simulation selten, Uebertreibnng häufig sei. Am relativ häufi^ten 
ist noch die Simulation des ursächlichen Zusammenhangs. 

Bei der „Untersuchung im Allgemeinen“ wird der Vergleich mit der gesunden 
Seite betont, das Haassnehmen mittelst Winkelmesser und Bandmaass besprochmi; 
auf nervöse Krankheitserscheinnngen, auf den Geßssapparat (Arteriosklerose) und den 
Urin ist stets zu achten, knarrende oder reibende Gelenkgeräusche sind oft an der 
gesunden Seite ebenso vorhanden wie auf der kranken und deigl. mehr. In einen 
zweiten — speciellen Theil — wird die Untersnchnng des Kopfes, dmr Schalter¬ 
gegend, der Arme und ihrer Gelenke, des Beckens und der Beine und schliesslich 
des Rückens durchgeeprochen. Ueberall stossen wir auf Details in der Beolmchtang 
oder auf nützliche Winke, die ihre Wurzeln in der Praxis haben. Verf. giebt kleine 
Kunstgriffe und deigl. an, wie man Simulation erkennen kann (z. B. angebliche Be- 
wegungshemmungen im Schultergelenk), ohne dabei in das Extrem zu ver&llen, 
überall Simulation zu sehen. Die Arbeit sei der Lectüre jedes Unfallarztes bestens 
empfohlen. Paul Schuster (Berlin). 


17) Ein Beitrag aur Pathologie und pathologischen Anatomie der trau- 
matisohen Bückenmarkserkrankungen (sogen. Hämatomyelie, eeoun- 
däre Höhlenbildung), von Dr. Lax, prakt Arzt in Zirndorf, und Dr. L. K. 
Müller, I. Assistenzarzt an der medicin. Klinik in Erlangen. (Deutsche Zeit¬ 
schrift für Nervenheilk. 1898. XII.) 

Ein 44jähriger, ganz gesunder, kräftiger Landarbeiter erlangt unmittelbar nach 


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751 


eiBem Fall aas betracbtlieber Höhe auf harten Erdboden eine volUt&ndige Paraplegie. 
Kein Yerlusi des Bewusstseins. Keine Fractor oder Luxation der Halswirbelsaule; 
Haut Aber derselben schmerzhaft und geschwollen. Ganzer Körper mit Ansnahme 
des Kopfes, Halses and ScbaltergArtels anästhetisch. Keine cerebralen oder bolbären 
Elrscbeinimgen. Die Bewegungen in den Schulter* und BUenbogengelenken besserten 
sich bald wieder, die der Handgelenke indessen nur wenig, die Finger bleiben un- 
bew^lich und in Beugecontractur. Sumpf, untere Extremitäten and Blase bleiben 
dauernd gelähmt An der unteren Körperhälfte, den Händen und Vorderarmen tritt 
an Stelle der völligen Anästhesie allmählich Analgesie und Thermanästhesie auf. 
Ausserdem entwickelt sich deutliche Atrophie der Hm. interossei beider Hände und 
der Extensoren der Vorderarme. Muskulatur der unteren Extremitäten spastisch 
starr, Sehnenrefiexe sehr lebhaft Abgesehen von einer, sofort nach dem Trauma 
beobachteten beiderseitigen Uyosis keine Störung von Seiten der Uimnerven. 3 Jahre 
nach dem Unfälle in Folge von Cystitis und Pyelonephritis Exitus. Die klinische 
Diagnose lautete: Erweichungsherd in der Höbe des 5. Halssegments mit Zerstörung 
der grauen Substanz und Unterbrechung der abwärts leitenden Fyramidenbahnen und 
theilweiser Zerstörung der sensiblen Bahnen. 

Bei der Section fand sich eine leichte Einsenkung des Bftckenmarks in der 
Höhe des 6. Cervicalsegments und dem entsprechend eine Höhlenbildnng in der 
dorsalen Hälfte des Markes nebst Sklerosirung der Seitenstränge. Der Hohlranm 
enthielt eine bräunliche, schleimige Flössigkeit. Die mikroskopische Untersuchnng 
ei^ab eine secundäre D^eueration des Goll’schen und Bnrdach’schen Strangs, 
der Kleinhimseitenstrangbahn und deä Gowers'schen Änterolateraltracts, ausserdem 
der an das Gowers’sche Bündel angrenzenden lateralen Partieen des Seitenstrang* 
gmndbündels und eine ganze Strecke weit nach oben der Pyramidenseitenstrangbahn, 
besonders in ihren äusseren nach dem Kleinhimseitenstrang zu liegenden Theilen. Die 
absteigende Degeneration hatte nicht nur den Pyramidenseitenstrang, sondern auch 
die demselben zunächst liegenden Fasern, die Kleinhimseitenstrangbahn und die des 
Seitenstranggrundbündels ei^ffen. Von der Mitte des Brustmarks ab sind nur noch 
dip Pyramidenseitenstränge degenerirt, deren Entartung bis in das unterste Lenden* 
mark zu verfolgen ist. Die absteigende Degeneration der Hinterstränge entspricht 
der zuerst von Schnitze beschriebenen. Ausserdem waren die Ganglienzellen der 
Clarke’schen Säulen in ihrer Zahl vermindert und undeutlich in der Zeichnung. 

In einem 2. Falle von traumatischer Hämatomyelie, in welchem Paraplegie der 
beiden Beine und Lähmung des einen Arms aufgetreten war und der 2 Tage nach 
dem Unfall letal endete, fanden sich an der Stelle der stärksten Einwirkung des 
Traumas in beiden Hälften der grauen Substanz, in den Vorder* und Hinterhöraera 
und zwischen den Fasern des rechten Seitenstrangs ausgedehnte Hämorrhagieen. Im 
rechten Hinterhora hatte ein Blutei^ss auf weitere Strecken bin, und zwar 4 Seg* 
mente nach oben und 1 Segment nach unten, die Substantia gelatinosa zerstört. Die 
mikroskopische Untersuchung ergab, dass sich auch an Stellen, an welchen kein Blut* 
erguss uachzuweisen war, ein Zerfall von Markscheiden fand. Derartige Blutungen 
des Rückenmarks treffen mit Vorliebe das untere Halsmark, möglicherweise weil der 
untere Theil der Halswirbelsänle die bew^lichste Partie der ganzen Wirbelsäule ist. 
Doch bildet dieser Theil auch für andersartige Processe (Syringomyelie, spinale 
Hnskelatrophie) einen liocus mlnoris resistentiae. Die Verff. glauben den ersten 
Fall dermaassen erklären zu können, dass es durch den Sturz zu einer Übermässigen 
Nachvornbengung oder Ueberstreckung der Halswirbelsäule kam und dass dadurch das 
im Wirbelcanal befindliche Mark an der Stelle der stärksten Biegung gedehnt und 
gezerrt wurde. Mit der Zeit wurden die zerfallenen Theile der Nervensubstanz und 
der Blutei^nss resorbirt. Wo das Stützgewebe mit zerstört war, kam es später zu 
einer, mit zäher Flüssigkeit gefüllten, unregelmässigen Höhle. In den Seitensträngen, 


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deren Stfltj^webe nicht betroffen war, bildete sich weiterhin KliOees Narbengewebe 
aus. E. Asch (Fnnkfnrt a./lf.). 


18) Troubles du thorax dans la syringomyölie, par F. Maria Ans der 

Sociäte m^dicale des bOpitaox. (Progr^ mddical. 1897. Nr. 9. S. 136.) 

Verf. nnd Astie beobachteten bei der Syringomyelie eine nene tropbische — 
thorax en bäteau — benannte Thoraxbildung, die für diese Erkranknngsform charak¬ 
teristisch sein soll. 

Sie besteht in einer vorderen und medianen Aashöhlung des Bmstkorbee, der 
dadurch einem Schiffe ähnlich sieht. Sein vorderes Ende befindet sich an der Basis 
des Halses — am Jugulum stemi, sein hinteres am unteren knÖchem«knorpeligen 
Ende des Brustbeines. Die Missbildung ist nicht die Folge einer Deviation der 
Wirbelsäule. Adolf Passow (Straasburg i./E.). 


19) Syringomyelie mit totaler Hemianäatbesie nach peripherem Trauma, 

von A. E. Stein. (Deutsches Archiv f. klin. Medicin. Bd. LX.) 

Ein früher stets gesunder, erblich nicht belasteter Mann erlitt einen Bruch der 
linken Ulna, welcher unter Bildung einer Pseudarthrose mit bedeutender Callns- 
Wucherung zur Heilung gelangte. Bald darnach traten zunächst Farästhesieen im 
linken Arm auf, dann Schmerzen und Parese der Muskulatur. Dieselben Erscheinnngok 
zeigten sich später im linken Bein. Trophische Störungen an der linken Hand, An¬ 
ästhesie der ganzen Unken Körperhälfte, lallende Sprache, Schiefstellung des linken 
Bulbus, Anosmie auf der linken und Verlust des Geschmackssinnes auf beiden Seiten 
und Atrophie der linken Zungenhälfte waren die weiterhin auftretenden Symptome. 

Die Beseitigung des Callus brachte keine Besserung, dagegen trat nach 'der 
Amputation des linkeu Armes in kurzer Zeit eine wesentliche Besserung ein. Der 
N. ulnaris des ampotirten Armes, der in den CaUus eingebettet war, fand sich hoch¬ 
gradig entzündet. 

Verf. glaubt, daraus und aus der Besserung der Erscheinungen nach der Ent¬ 
fernung dieses Nerven eine Stütze der schon früher von Eulenbnrg aasgesprochenen 
Behauptung ableiten zu dürfen, dass nämUch die Erkrankung des Bückenmarks die 
Folge einer anfsteigenden Neuritis sei. E. Grube (Neuenahr). 


20) TTebor einen Fall von Syringomyelie mit Spontanfraotnr beider 

Humeruaköpfe und Beeorption derselben, von Dr. Adolf Kofend. 

(Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 13.) 

54jähr. Wäscherin. Die ersten Symptome der Syringomyelie machten sich in 
ihrem 20. Lebensjahre geltend: schmerzlose Panaritien und Verlast der Wärme- 
eropfindung. 3 Jahre später beim Wäscheanswinden Spontanhactnr des rechten 
Huraeruskopfes. Die Bewegungen des Oberarms blieben durch lange Zeit onana- 
führbar; aber 2 Jahre später konnte sie den Arm wieder ziemlich frei bew^en, 
spürte dabei aber ein Krachen und. Knarren in der Schalter. Das Knarren nahm 
dann wieder allmählich ab, der Schnlterumfang wurde immer kleiner, bis Pat. eines 
Tages gewahrte, dass sich in der rechten Achsel keine Kugel mehr befinda Zn 
dieser Zeit ereignete sich derselbe Unfall auf der linken Seite, wiedemm beim 
Wäscheauswinden. Beides Hai waren nach der Fractur Parästbemeen mit bläulichen 
Anschwellungen des ganzen Armes aufgetreten, die dann wieder schwanden. Bei der 
Untersuchung zeigte sich die voUständ^e Abwesenheit beider Humemsküpfe bis anm 


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Ansatxe des Pectonlis major ond des Latissimos dorsi. Es findet sieb beiderseits 
ein Sebletteigelenk. 

Von den übrigen Symptomen der Syringomyelie sei nmr hervorgehoben, dass die 
Diagnose dnreh das Vorhandensein ?on Hoskelatrophieen, den fischen Sensibilitäts* 
stümngen, trophiseben Stbrongen und Hantverändernngen an den oberen Extremit&ten, 
sowie von Scoliose geaicbert war. Bolbäre Symptome waren nicht vorhanden. 

Ein beigegebenes B6ntgen>Bild zeigt ^ vollständige Fehlen beider Humems- 
köpfe bis znm Collnm chirorg. Eine besondere pathologische Verändemng an den 
Knochen lässt das Bild nicht erkennen. 

Bin 2. BOntgen*ßild stammt von einer 3Öj&hr. Näherin, die vor 6 Wochen 
wies Morgens beim Ao&tehen den linken Arm nicht mehr bew^en konnte. Der 
Arm schwoll an, nnd es traten da and dort violette Stellen in der Haut auf. Die 
Sehwellong ging alln^hlich znrttck, doch blieb die Haut infiltrirt. Bei der Unter- 
snehnng fand sieh eine Lnxatio bnmeri sin. axillaris incompleta, actfve Bew^lich- 
keit w^en grosser Schmerzen unmöglich, passive in grossen Grenzen vorhanden. 
Atrophie der Mm. deltoidei, snpra* et infraspinat, Hantödeme, Atrophie der Muskeln 
des linken Annes, Kyphoscoliosis dorsalis, erhöhte Sehnenrefiexe, keine Sensibilitäts- 
Störung an den Extremitäten, aber Anästhesie des Bachens, Cranie, SpinaUrritation, 
concentrischs Gesichtsfeldeinschränkung mit Herabsetzung der Sehschärfe. 

Verf. glaubt, dass die Spontanluxation in einem hystero-epUeptischen Anfalle 
erfolgt sei; die Mnskelatrophie sei als Inactivitätsatrophie, die Oedeme seien durch 
Druck des Humemskopfes auf die Qefösse zu M-klären. 

Die Einrichtang gelang in der Narcose leicht J. Sorgo (Wien). 


21) Form und Ausbreitaog der SensibUitfttsstSnuigen bei Syringomyelie, 

von Dr. F. Hahn. Aus der medicin. Klinik von Hofrath von Sebrötter. 

(Jahrb. f. Psych. Bd. XVII.) 

Verf. giebt zunächst eine allgemeine Uebersicht der Sensibilitätsstöniugen, wie 
aie sich bei peripherem, spinalem, cerebralem Sitz der Läsion, sowie bei functionellen 
Erkrankungen (cerebrale Anästhesieen) finden, und bespricht hierauf die Angaben 
von Lähr über die Ausbreitung der Anästhesiebezirke bei der Syringomyelie, die 
auch hier im Gegensatz zu früheren Angaben einen segmentalen Typus der Sensi- 
bilitätsstörungen ergaben. Verf.’s eigene Untersuchungen an 6 Fällen, deren Kranken- 
geechiebten unter Beproduction der Anästhesieseberoata wiedeigegeben werden, ergeben 
eine Bestätigung der Angaben von Lähr. Hervorzubeben ist, dass in einzelnen 
seiner Fälle die gefundenen Anästhesiebezirke sich nicht immer streng in die Schemata 
von Thorburn nnd Kocher einreihen Hessen, indem sich Hautbezirke, die einem 
nnd demselben BOckenmarkssegment entsprechen sollten, verschieden verhielten. Verf. 
mmnt, dass die Atgrenzung der einzelnen Bezirke keine absolut feststehende sein 
dürfte, dass dieselben vielmehr bei verschiedenen Individuen innerhalb gewisser 
Grenzen einem Wechsel unterworfen sein dürften. 

Der segmentale Typus ergab sich für alle Qualitäten des Tastsinns. Die Ans- 
fall^ebiete für die einzelnen Empfindungsqualitäten, besonders für Schmerz- und 
Temperaturempfindung, decken sich meistens, doch ist das Thermoanästbesiegebiet 
manchmal grösser. Manchmal, aber durchaus nicht immer, findet sich eine Zunahme 
dtf Sensibilitätastörungen gegen die Peripherie hin, jedoch hält sich auch dann die 
Ausbreitung der Anästhesie an den segmentalen Typus. 

Verf. bespricht dann jene Momente, die bei den früheren Autoren die Angabe, 
dass die Anästhesieen der Syringomyelieen einem anderen Typus entsprechen, und 
zwar dem centralen mit handschuhförmiger Abgrenzung, beding haben. Er schliesst 
sich hier im wesentlichen Lähr an. Zum Tbeil beruhen diese Angaben auf dia- 

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gDOstischen Irrtbflmeni. Hier ist in erster Linie zu nennen die Hysterie, die u 
sich oder in Combination mit organischen Erkrankungen Syringomyelie vortänschen 
oder selbst mit Syringomyelie combinirt anftreten kann. Eine zweite Fehlerquelle 
stellt die Lepra dar. Die Lepra führt meist zu Änästbesieen, deren Ansbreiboig 
dem peripheren Typus entspricht, doch kommt bei ihr such ein centraler Typus 
(handschuhfürmige Begrenzung) Tor; übrigens ist auch ein s^mentaler Typos möglich. 
Die Anästhesie an sich erscheint danach zur diagnostischen Verwerthnng zwischea 
Lepra und Syringomyelie ungeeignet 

G^enüber den Angaben einzelner neuerer Autoren (Ballet u. A.), dass bei der 
Syringomyelie denn doch ein. centraler Typus der SensibilitatsstOrui^en vorkomme, 
weist Terf. darauf hin, dass er wohl auch in manchen Fällen Zunahme der Soisi- 
bilitätsstOruugen gegen die Peripherie hin beobachtet, dass aber diese Art tob 
S ensibilitätsstOmngen gegenüber der spinalen in den Hintergrund tritt and dass er 
sie nie allein,'sondern stets im Babmen jener vorgefunden habe. 

Redlich (Wien). 


22) Ein Beitrag zur Aetiologle und Symptomatologie der Ssrrtngmnyelie, 

von Laese. Aus der inneren Abtheilnng des städt Krankenhauses in Charlotten* 

bni^ (Prof. Grawitz). (Deutsche med. Wochenschr. 1898. Kr. 18.) 

Der Fall zeigt neben typischen Syptomen folgende Eigentbümlichkeiten: Klinisch 
ist bemerkenswerth das Zurücktreten der Muskelatrophie (nnr im M. pectoralis major 
deutlich), das Fehlen sichtbarer Atrophie an völlig functionsunßhigen, elektrisch nicht 
mehr erregbaren Muskeln (Interossei, Muskeln des Kleinfingerballens), ausgesprochene 
Yolumenzunabme einzeluer Muskeln, und zwar anscheinend Fsendohypertrophie 
in Anbetracht der gleichzeitigen hochgradigen Schwäche, von fibrillären Znckunga 
und Abnahme der elektrischen Erregbarkeit. Stärkere Entwickelung des Unterbaut- 
fettgewebes, keine Verdickung der Haut, kein Oedem. Unförmige Schwellung d« 
rechten Handgelenks, der Palpation nach fast nur auf Knocbenaaftreibangen beruhend: 
das BOntgen-Bild zeigt in den Handwurzelknoten und einzelnen Phalangen atro¬ 
phische Processe, ausgesprochene Hypertrophie der Epiphysen von Radius und Ulna, 
hochgradige Ankylosen in einzelnen Gelenken, starke transparente Enochenanflagernngen 
und eine sehr beträchtliche Volomenzunahme der Weichtheile. Die streng 
rechtsseitig localisirten Symptome entwickelten sich anscheinend nach einem Trenn», 
doch folgt aus der Anamnese mit grosser Wahrscheinlichkeit, dass die Syringomyelie 
schon seit ca. 30 Jahren besteht, den Fat. aber in seiner Arbeit nicht behinderte: 
das Trauma führte eine hochgradige Verschlimmerung und schwere Beeinträchtigung 
der Erwerbsfähigkeit herbei. R. Pfeiffer (Cass^). 


23) Ein Fall von einseitiger Oliose im Oervioaltheile des Büokenmarks, 
die den aulkteigenden Theil der Trigeminuswurzel berührte, von Prof. 
Homdn. (Finska läkaresällsk. handl. 1897. S. 1747. Sitzung vom 31. Od) 

Der 19 Jahre alte Pat. hatte im späten Kindesalter häufig Kopfsehmen, seit 
einigen Jahren häufig Schwindel, namentlich, wenn er anfstand. Syphilis wurde 
entschieden geleugnet. Seit iVa Jahren hatte er, ohne vorhergehende besondere 
Veranlassuug, Gefühl von Steifheit in den Fingern der rechten Hand, die 1. und 
2. Phalanx des 3. Fingers begann anzuschwellen, die Geschwulst zeigte knorpelige 
Gonsistenz, die Beweglichkeit nahm ab, auch die Übrigen Finger schwellen etwas an, 
wie auch Hand- und Ellenbogengelenk in geringem Grade und später and das 
Schultergeleuk; die rechte Seite des Nackens wurde etwas empfiodliolL Das Gefühl 
im Arme nahm von unten nach oben zu ab, wie Pat angab, bei der Unterenchssg 
zeigte sieb aber das Tastgefühl ungestört, nur die Scbmerzempfindnng hatte am 


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rechten Anne, an der rechten Seite des Kachens und der Brust abgenommen, in der 
Hand am meisten, nach oben zu immer weniger; in derselben Ausdehnung zeigte sich 
Abnahme der Temperatorempflndung. An der linken Seite, wie überhaupt im übrigen 
Körper fanden sich keine Störungen. Müdigkeit im rechten Arme gesellte sich hierzu 
und Schmerz, der manchmal bis in den Hinterstrang ausstrahlte. Die Sensibilitäts' 
stömng breitete sich auch über die rechte Seite des Körpers ans, nach yom zu ab* 
nehmend. Anfangs war der 5. und 6. Halswirbel etwas empfindlich bei Druck, später 
nicht mehr. Weitere Störungen waren nicht vorhanden. Durch Anwendung des 
faradischen Pinsels wurde die Sensibllitätsstörnng etwas gebessert, wahrscheinlich 
aber nur vorflbe^ehend. 

Nach Verf. musste es sich um einen Process handeln, der mit geringen Breiten* 
dünensionen sich in der Längsrichtung stark ausdehnen kann, um Gliose im Hals* 
und oberen Bmstmark, die aber das Vorderhom unberührt liess. Aus dem Umstande, 
dass auch im Trigeminusgebiet nur Störoi^ der Schmerz* und Temperatureropfindung, 
nicht auch der Tastempfindung, vorhanden war, will Verf. den Schluss ziehen, dass 
die anfsteigende Trigeminoswurzel nur diese Qeffiblsqualitäten vermittle. 

W. Berger (Leipzig). 

24) Diaaooiaaione a tipo eiringomielioo della sensibilitA in* un oaao di 

iateriamo maeohlle, perP. Burzio. (BoUettino del Policlin. gen. di Torino. 

1897. Nr. 17.) 

Aljähriger, an ScbwindelanMen leidender Privatsecretär. Anästhesie für Tem* 
peratur und Schmerz in der rechten oberen und unteren Extremität Berührungs* 
empfindlichkeit gut erhalten. Die anästhetische Zone setzte sich g^en das normale 
Gebiet mit scharfen Grenzen ab, kein hypoästhetisches Uebeigang8fel<L Die Behänd* 
lang mit dem faradischen Pinsel liess die Sensibilitätsstörungen jedesmal auf un* 
geföhr 1 Stunde schwinden. 

Verf. glaubt, nach Entstehung, Wesen und Verlauf Syringomyelie ausscbliessen 
und das Beetehen von Hysterie als gesichert annehmen zu können- 

Valentin. 


25) CompreeBion de la moelle oervioale. Syndromes de Brown*Söquard aveo 
diasooiation de la sensibilitA, par Dejerine. (Progräs mddical. 1898. 
28. Juni.) 

Eine ungenthr 60 Jahre alte, sehr cachektiscbe Kranke leidet an linksseitigen 
Motilitätsstörungen und Muskelatrophie der linken oberen Extremität, zumal der 
Hand, mit erheblicher Schmerzhaftigkeit der Nerven auf Druck. Bechterseits findet 
sich Anästhesie für Schmerz und Wärme, während der Tastsinn nicht gestört isi 
Verf. kommt nach eingehender Differentialdiagnose zur Annahme einer Compression 
des Bückenmarks in Folge eines einseitigen Malnm Pottii (Spondylartbrokace). 

Adolf Passow (Strassburg i./E.). 


26) A oase of fraoture of the flfth oervioal vertebra, in whloh an ope* 
ration was done. Death on the eighth day after the Operation, by 
W. H. Hudson, M. D. (Journal of nervous and mental disease. 1897. Jun. 
S. 369.) 

Ein 19jähriger kräftiger Jüngling war beim Kopfsprung ins Wasser anf den 
Gmnd gestossen und war, als er von seinen Freunden gerettet worden war, von 
onterhalb des Halses an völlig gelähmt; nur in den Schultern und Ellbogengelenken 
waren einige active Bewegungen möglich. 

Verf. sah ihn erst 3 Wochen später und fand totale Anästhesie vom Niveau 
der 2. Bippe, bezw. des 2. Brustwirbels abwärts und ausgedehnten Decubitus au 

48* 


D g ii.:od oy GoOg Ic 



756 


verschiedenen dem Körperdrack ausgesetzten Stellen, namentlich Aber dem Os sacrum. 
Auch die Muskulatur des Rumpfes und der Untereztremitäten war völlig gelähmt, 
während an den Obereztremitäten Deltoideos, Biceps, Brachialis internus und Supi* 
nator longus allein noch functionirten. Die Respiration geschah lediglich durch das 
Zwerchfell. Rs bestand ferner Cystitis und Blasenlähmung, aber kein eigentlich«- 
Priapismus. Der Sphincter ani war total gelähmt, ohne jede Spur von Contraction. 
Sämmtliche Befleze waren völlig erloschen, auch die Pupillen reagirten nicht auf 
Licbteinfall. Pai war im übrigen bei voller Besinnung, hatte guten Appetit und 
fieberte unregelmässig. 

5 Wochen nach dem Unfall wurde auf Wunsch der Angehörigen eine Operation 
versucht, doch erwies sie sich als zwecklos, da das Rückenmark innerhalb des 
5. Halswirbels auf die Länge von einem halben Zoll vollständig zerquetscht war. 
Der Körper war beiderseits von den Querfortsätzen losgesprengt und in das Innere 
des Wirbelcanals hineingezwängt. Am 4. Tage nach der Operation starb Pat. 

Sommer (Allenberg). 


97) Glioaarooma of the spinal oord, by B. Morley Fletcher. (Brit med. 

Joum. 1898. 21. May. S. 1327.) 

Verf. berichtet Ober einen Pat., der im Leben verschiedene Rückenmarkserschei¬ 
nungen darbot und bei dem er die beziehentliche Diagnose eines Tumors in der Lumbal- 
anschwellung annahm. Der Tod erfolgte bei einem plötzlich eingetretenen Bauch¬ 
schmerz, dessen Natur unaufgeklärt blieb. Es fand sich bei der Autopsie eine 
Geschwulst, die hintere Hälfte des Lumbaltheils einnehmend, welche bis zum-Central- 
canal reichte und die Hinterhömer zerstörte. Geschwulst dieser Eörpergegend, 
namentlich Sarcome, seien selten. Häufig sei Trauma als Ursache ähnlicher Fälle 
genannt worden. L. Lehmann I (Oeynhausen). 


28) Tumor of the spinal dura mater, by C. 8. Potts. (Proceedings of the 

pathological society of Philadelphia. 1898. 15. Janoary.) 

Einem 16jährigen Knaben war vor l-^/, Jahren das linke Bein wegen «nes 
Sarcoms am Kniegelenk amputirt worden. Ein Jahr darauf wurde das rechte Bein 
schwach, zeigte Parästhesieen und war innerhalb 2 Wochen völlig paretiscls ebenso 
der Stumpf des linken Beins. Es entwickelte sich Huskelatrophie bei normaler 
elektrischer Erregbarkeit; der Patellarreflez war gesteigert. Blase und Mastdarm 
functionirten uormal. Die Sensibilität der unteren Körperhälfte bis zum Nabel war 
erloschen, ebenso Schmerzempfindnng und Temperatursinn. Im weiteren Verlauf ent¬ 
wickelte sich eine Blasenlähmung; die Anästhesie reichte bis über den Schwertfortsata 
des Brustbeins. Es traten Schmerzen zwischen den Schulterblättern auf. Der Pal 
wurde immer schwächer, bekam Decubitus am rechten Trochanter. Die Huskel¬ 
atrophie des rechten Beins erreichte extreme Grade; das Bein stand in Flexions- 
contractur. Nach einem halben Jahre ging Pat. im Collaps zu Grunde. 

Die Section zeigte die Muskeln über dem unteren Theil der Dorsalwirbelsäule 
mit kalkhaltigen Hassen infiltrirt, die sich in die Wirbelsubstanz verfolg«] lassen. 
In dem unteren Theil der Brustwirbelsäule sind die Knochen erweicht. Der Wirbel¬ 
canal ist durch das Wachsthum des hyperplastischen und erweichten Knochen in der 
mittleren Dorsalregion stark verengt und hat das Rückenmark comprimirl An der 
vorderen Aussenseite der Dura, von der 9.—11. Rippe, liegen Geschwulstmassen, in 
der oberen Dorsalregion eine hämorrhagische Cyste auf dem hinteren Abschnitt der 
Dura. Die Pia ist normal. Im Halsmark sind die Goll’schen Stränge, im Lenden¬ 
mark die Pyramidenbahnen d^nerirt Doch fehlt bis *jetzt die mikroskopische 
Untersuchung. M. Bothmann (Berlin). 


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28) Tumor of the spinal pla, first oervioal segment, miataken for hyper- 

trophio cerrioal paohymeningitis, by Joseph Collina and George W. 

Blasehard. (Medical News. 1897. July 10.) 

Ein 36jähriger Mann, der vor 20 Jahren Syphilis acquirirt hatte, erkrankt mit 
Schmerzen im Nacken und der rechten Gesichtsh&Ifte; zugleich wird die Bewegung 
des Kopfes erschwert. Nach einigen Monaten kommt es zur Abnahme der moto¬ 
rischen Kraft des linken Arms mit heftigen Schmerzen in demselben. Es wird jetzt 
eine Schwäche der ganzen linken Seite constatirt mit Erhöhung der linksseitigen 
Sehnenreflexe; die linke Hand kommt in Flexionsstellung. Im weiteren Verlauf 
nimmt die Rigidität des Nackens ab. Die Diagnose wird auf Pachymeningitis cer- 
Ticalis hypertrophica gestellt. Unter Delirien kommt es zum Exitus. Die Section 
ergiebt einen Tumor der Pia an der hinteren SQckenmarksfläche, vom unteren Ende 
der MeduUa oblongata bis zum 2. Cervicalsegment reichend; er drückte auf das Hals¬ 
mark. Es handelt sich um ein Spindelzellensarcom mit sehr erweiterten Blutgefässen, 
einzelnen Hämorrhagieen und einigen Herden mit käsiger D^eneration. Im Rücken¬ 
mark b^tebt eine leichte absteigende Degeneration der Pyramidenseitenstrangbabnen 
and eine aufsteigende der Bnrdach’schen Stränge. M. Rothmann (Berlin). 


30) £izi weiterer Fall von solitärer Taberoulose des Büokeninarks, zu¬ 
gleich ein Beitri^ sur liehre von der Brown-Sdquard’sohen Hsdb- 

seiteziiahmang, von Dr. L. R. Müller, I. Assistent an der medicin. Klinik in 

Erlangen. (Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilkunde. 1898. Xll.) 

Verf. ist in der glücklichen L^e, innerhalb kurzer Zeit den zweiten Fall von 
Solitärtuberkel im Rückenmark, der in der Erlanger medicin. Klinik beobachtet werden 
konnte, zu verüSentlichen. Das Referat über die erste Mittheilung findet sich in 
diesem Centralbl. 1897. S. 902. 

Es handelt sich um einen 46jährigen, mit schwerer Tuberculose behafteten 
Arbeiter. Ende April 1897 Klagen über Schwäche in den Beinen, Schmerzen in 
der Blasengegend und Retentio urinae. Das rechte Bein wird nachgeschleift, kann 
ohne Unterstützung nicht aus der horizoutalen liSge gehoben werden. Dorsalflexion 
des rechten Fasses fast unmöglich, Plantarflexion etwas besser. Patellarreflexe leb¬ 
haft, rechts stärker als links, Cremasterreflex beiderseits undeutlich, Achillessehnen¬ 
reflexe nicht vorhanden, Bauchreflex rechts nicht auszulösen. Schmerz- und Tem¬ 
peraturempfindung vom linken Rippenbogen an abwärts und an der ganzen linken 
Doteren Rxtremität erloschen; auch auf der Rückseite werden vom II. Brustwirbel 
an abwärts Nadelstiche nicht mehr als Schmerz empfunden. Die tactile Sensibilität, 
abgesehen von einer kleinen Stelle an der rechten Brustwarze, ist im Gegensatz 
hienu an sämmtlichen Stellen des Körpers eine gute. Wirbelsäule nirgends druck¬ 
empfindlich. Bei der Section fand sich ausser jauchiger Cystliis und Pyelonephritis 
ausgedehnte Innentuberculose; das obere Brustmark war in der Höhe des zweiten 
Dorsalsegmentes in seiner rechten Hälfte durch einen rundlichen tuberculösen Tumor 
eingenommen und dadurch das Gewebe zerstört; in der linken Hälfte des Markes 
bestanden ausser deu Zeichen leichter Stauung keine Veränderungen. Die Trennung 
zwischen der erhaltenen linken und der zerstörten rechten Hälfte ist eine ganz 
scharfe. Die mikroskopische Untersuchung ergab, dass die typischen auf- und ab¬ 
steigenden Degenerationen entweder gamicht oder nur schwach vorhanden waren; 
in beiden Vorderseitensträngen liess sich nur eine geringe aufsteigende Degeneration 
nachweisen. Vielleicht sind diese verhältnissmässig geringen Veränderungen dadurch 
zu erklären, dass sich erst seit 5 Wochen klinische Erscheinungen bemerkbar 
machten. Ausserdem hatte der Tuberkel die Leitung in der einen Rückeumarks- 
hälfte nicht ganz unterbrochen; er wurde noch von Fasern durchsetzt, die allerdings 


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der Harkgcheiden beraubt als nackte Axencylinder der mikroskopischen Untersudiang 
entgingen. Der Faseraasfall im rechten Vorderseitenstrang und zwar hauptsächlich 
im Seitenstranggnmdb&ndel und in der G^end des Gowers’scben Anterolateral« 
tractes localisirt, ist durch die Unterbrechung dieser aufsteigenden Bahn localisirt. 
Fast anderthalb S^mente oberhalb des Tuberkels tritt auch in dem der Läeion 
gegenüberliegenden linken Seitenstran^rondbflndel eine schwache Lichtung auf nnd 
ist bis ins oberste Halsmark zu verfolgen. Es ist dies dadurch zu erklären, dass 
die in dem rechten Hinterblm entspringenden sensiblen Fasern nicht horizontal, 
sondern schräg aufwärts nach der contraiateralen Seite ziehen. 

Verf. gelang es also nicht nur io seinem ersten Falle, sondern auch in den 
dieser Veröffentlichung zu Grunde liegenden Präparaten eine lange, aufsteigende, 
augenscheinlich sensibe Eindrücke leitende Bahn in dem Seitenstran^undbündel 
oachzuweisen. E. Asch (Frankfbrt a./H.). 


31) Freuure poraplegie treated by lomineotomy, by. J. Hutchinson jun. 

(Brii med. Joum. 1898. March 5.) 

Verf. stellte ein 12 jähriges Mädchen vor mit Spinalerkrankung unter Curvatur 
der CoL vertebr. Buhe, Elektricität u. s. w. batten sich unwirksam erwiesen. Es 
bestand vollkommene Farapl^e, Fussclonns, Anästhesie der Beine nnd des Bauches, 
Steigerung der Befiexe, Incontinenz. Die vier oberen Dorsalwirbel wurden exddirt 
Entlassung mit geringer Besserung zwei Wochen nach der Operation. — Nach 
acht Monaten zweite Aufnahme ins Hospital; keine Besserung nach der geschehenen 
Operation. Indessen trat neun Monate nachher eine wundervolle Besserung ein. 
Zuerst kehrte die Sensibilität, alsdann die Motilität zurück. Vollkommene Herstellung 
erfolgte. Die normale Kraft kehrte zurück. Eis fühlt sich an, als ob an der Operations¬ 
stelle neuer Knochen gewachsen sei. 

Bin zweiter Fall von Wirbelfortnahme gegen Parapl^e wird von F. C. Wallis 
an den vorstehend mitgetheilten angereiht Kach 10 Ti^n hatten sidi die 
Schmerzen verloren; nnd nach drei Wochen war die Locomotion normal. 

L. Lehmann I (Oeynhausen). 


32) Ueber die anatoznisohe Grundlage einer anaoheinend fhlsohen Seg- 

mentdiagnose bei tuberoulöser Compressionsmyelitis, von Prof. Dr. 

M. Dinkler in Aachen. (Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilkunde. 1897. ZI.) 

Es handelt sich um einen Fall, in welchem die klinische Diagnose einer Quer* 
Schnittserkrankung des Bückenmarks in der Höhe des VUL—X. Dorsals^ments 
gestellt war. Die anatomische Untersuchung ergab eine Myelitis transversa chron. 
in der Höhe des VI.—VIIL Dorsalnerven und ausserdem eine Compressionsmyelitis 
in der Höhe des 11. und III. Dorsalsegments, letztere hervoigemfen durch Wirbel* 
caries mit consecutiver tnberculöser Pachymeningitis. An die beiden S^ment- 
erkranknngen schliessen sich die entsprechenden seenndären Degenerationserscheinungen 
an, von denen das Verhalten einer absteigenden Degeneration in den Bnrdach’scben 
Strängen in Gestalt des Schnltze’schen Kommas hervoigehoben seL Beide Er¬ 
krankungen des Bückenmarks entbehren eines anatomischen Zusammenhanges. Doch 
spricht sich Verf. für eine einheitliche Aetiologie insofern aus, als der Befund einer 
Lungentuberculose auch die erste Herderkrankung als eine Art metastatischen Proceases 
erscheinen lässt, wenn man die durch tuberculöse Erkrankungen erleichterte Hisch- 
infection im Äuge behält. Bietet der Fall, dem eine sehr eingehende mikroskopische 
Untersnehnng zu Theil geworden, schon durch diese Combination zweier getrennter 
Segmenterkrankungen Interesse, so gewinnt er noch weiter an Bedeutung durch die 
Betrachtung vom Standpunkt der Diagnose und eventuell chiroigischen Therapie. So 


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ist die toberculdse CompressionserkraDkang Dickt dii^ostieirt worden, wofflr einmal 
äussere, der Untersnchnng hinderliche Umstande verantwortlich zn machen sind, dann 
aber könnte diese, flbrigens jfingere ABection das wesentlich dnrch den tieferen Herd 
bedingte klinische Bild nicht viel modificiren. Anlässlich der Differenz in der Höhen* 
bestimmnng des zweiten Herdes empfiehlt Verf. die Befunde Harrington’s bei der 
Diagnose zu beherzigen und hiernach sieb für eine möglichst hohe Localisation zu 
entscheiden, entsprechend der Bildung der Intercostalnerven aus den einzelnen Seg¬ 
menten. £. Asch (Frankfurt a./M.). 


33) Ein Fall von aouter Infeotionskrankheit mit Thrombosen in den 
pialen Oefässen des Büokenmarks, nebst Beobachtungen über das 
Verhalten und die Entstehung der Amyloidkörperohen in demselben 
Falle, von Karl Petrdn. (NordUk Hedicinsk Arkiv. 1898. Kr. 7.) 

Eine 61jährige Fran erkrankt mit Fieber nnd Schmerzen im BQcken; es ent¬ 
wickelt sich starke Benommenheit mit leichter Parese der Beine, Steigerung der 
Patellarreflexe und Blasenläbmung. Nach Idt^ger Krankheit kommt es zum 
Exitus. Die Section eigiebt einen Leberabscess mit Bacterium coli im Eiter. Die 
Untersuchnng des in Formol gehärteten* Bflekenmarks zeigt zunächst eine Verdickung 
der Pia und der Oefässwandungen, sowie eine hyaline Umwandlung der letzteren, 
offenbar senile Veränderungen auf arterio-sklerotiscfaer Grundlage. Im unteren Bflcken- 
marksabschnitt sind die meningealen Oefässe stark vermehrt. Auch die grösseren, 
ziemlich dfinnwandigen Venen zeigen eine hyaline Degeneration der Wände. Es 
finden sich non Thrombosen der meningealen Geßsse, ausgegangen von den grösseren 
Venen der hinteren Bfickenmarksabschnitte des Sacral- nnd Lumbalmarks. Der nach 
oben fortgeschrittene Process überschreitet nicht die Halsanschwellung, hat die 
kleineren pialen Venen und später auch die Arterien ergriffen. Die Ursache der 
Thrombenbildung ist die vom Leberabscess ausgehende schwere, allgemeine Intoxication. 
Der Thrombenbildnng gehen Veränderungen der Intima der Gefösswandnngen vorauf. 
Eine syphilitische Geßsserkrankung lässt sich bei dem Fehlen jeder Zellwucherung 
mit Sicherheit ausschliessen. An den Thromben fehlt jede Spor von Organisation; 
im unteren Theil des Bfickenmarks giebt es nur rothe Thromben, zum Theil im 
Stadium der Kekrose, im oberen Theil kommen auch gemischte Thromben mit groben 
Fibrinnetzen vor. Zahlreiche Pigmentkörner, die sich auch in nicht thrombosirten 
Gewissen finden, rühren offenbar von absterbenden Leberzellen her. 

Von den intramedullären Gefässen zeigen eiuige den Beginn der Thrombose; sie 
zeigen fast alle eine starke Verdickung und hyaline Umwandlung der Wandungen. 
Die weisse Substanz zeigt keine Sklerose; die periphere Bandzone weist schlechte 
Färbbarkeit der Markscheiden auf, die Axencylinder sind nicht sehr scharf abgegrenzi 
Die KeurogUazellen sind stark geschwollen. Die Veränderungen entsprachen den von 
Himick beschriebenen „cacbektiseben". Die Zellen der grauen Substanz ober¬ 
halb der Halsanschwellnng sind annähernd normal; in der Halsanschwellung zeigen 
viele Zellen Chromatolyse, andere abnorme Zunahme der Pigmentbänfehen. Die 
Protoplasmafortsätze der Ganglienzellen sind korkzleberartig geschlängelt, oft ab¬ 
gebrochen. Die Pericellularräume sind stark erweitert. Im Brust- und oberen 
Lendenmark dieselben Verändemngen; in der Lendenanschwellung sind die Verände¬ 
rungen der Gaoglienzellen noch stärker, viele zeigen körnigen Zerfall. Die Ver¬ 
änderungen der Ganglienzellen sind die Folge der durch die Thrombenbildung ver¬ 
ursachten nngenfigenden Blutzufuhr. 

In demselben Bückenmark finden sich zahlreiche Amyloidkörpercheu sowohl in 
den Hintersträngen besonders am Eintritt der hinteren Wurzeln, als auch in der 
grauen Substanz, vor allem in den Vorderbömem der Lendenanschwellung. Es muss 
eine sehr acute Entwickelung derselben stattgefuuden haben. Die Amyloidkörperchen 


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besteben ans einer colloiden Substanz, einem Umwandlnngsprodnct des Biweiss, nnd 
sind nicht mit der Stärke renrandt Es gelii^ dem Yerf^ eine vollständige Beibe 
von sicheren Uebergangsformen von Leako< 7 ten zn völlig entwiektiten Amyloidköipercben 
feetznstellen. Die letzteren gehen ans Kernen and Zellleibem der Lenkocyten and 
vermnthlicb auch ans den fixen Glewebssellen dorch Anscbwellong der Zellen and 
chemische ümwandlnng ihrer Substanz hervor. Da von StrObe die Entstehung der 
Amyloidkörperchen aus Axencylindem bei experimenteller Bflckenmarksdnrchsehnei' 
düng sicher beobachtet ist, so muss die Möglichkeit eines verschiedenen UrsprungR 
der Amyloidkörperchen feetgehalten werden. H. Bothmann (Berlin). 


nL Aus den Oesellsohaften. 

AerstUofaer Verein in Hamborg. 

Sitzung vom 17. Mai 1898. 

Boettiger: TTeber Hypoohondrte. 

Vortr. nimmt in dem Streite, ob die Hypochondrie nar eine Theilerscheinung 
der Neurasthenie oder eine selbständige psychische Erkrankni^ sei, den letzteren 
Standpunkt ein. Er betont die Nothwend^keit, bei dem Versuche, dem Wesen 
psychischer Krankheiten auf den Grand zu kommen, nicht nur klinisch, anschanend 
zu beobachten, sondern vor Allem auch physiologisch, pathologisch-physiologisch. Er 
schickt einige kurze orientirende Bemerkungen fiber die normale Psychophysiologie 
im Sinne der Associationspsychologie voraus. 

Bei der Besprechung der Hypochondrie geht er aus von der von Hitzig in der 
Monographie über den Quärulantenwahnsinn gegebenen Definition: „Die Hypochondrie 
ist eine auf einer krankhaften Veränderung der Selbstempfindnng beruhende Form 
der traurigen Verstinunung, io welcher die Aufmerksamkeit anhaltend oder vonriegend 
auf die Zustände des eigenen Körpers oder Geistes gerichtet ist" Er theilt die 
Krankengeschichten mehrerer besonders reiner, uncomplicirter Fälle von Hypochondrie 
mit; in der einen Gruppe derselben betrifft, die veränderte Selbstempfindung vor- 
wi^end den geistigen Antheil der Persönlichkeit: die Kranken klagen, dass sie sich 
wie leblos Vorkommen, wie aufgezogene Maschinen, wie Schatten, wie eine Rgur aas 
dem Panopticnm n. s. w., dass sie geistig nicht hören, sehen u. s. w. könnmi, ob* 
wohl sie eigentlich sich ganz gut unterhalten könnten; aber wenn sie sprächen, sei 
es ihnen so, als ob sie selbst von dem nichts wüssten, was sie reden. Zugleich 
bestehen bei diesen Kranken häufig Symptome von veränderter Empfindung der 
Anssenwel^ es kommt ihnen alles, die Stimmen nnd Geeichter der Menschen, die 
Häuser, Bäume u. s. w. anders vor. Alle diese veränderten Empfindnngen drängm 
sich den Kranken zwangsntässig auf (Zwangsempfindungsirresein) und zwängen 
sich in alle Ideeenassodationen hinein, so dass die Vorstellungen eine einseit^ 
Bichtung annehmen. Ausserdem pflegt die Beproduction von Vorstellungen eine 
nebelhaft veränderte zu sein. 

Ein im Princip gleichartiges, in der Erscheinungsweise aber sehr differentes 
Krankheitsbild bieten diejenigen Hypochonder, bei denen die veränderte Selbst* 
empfindnng vorwiegend den körperlichen Antheil der Persönlichkeit betiifft. Audi 
für diese Form führt Vortr. einige Beispiele an. 

Bei allen Hypochondern sind die veränderten SelbstempfindnngeD and deoeDt* 
sprechenden Vorstellungen mehr oder weniger fest flxirte und wenig vOTfinderlkbe. 


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Inhaltlich gehen sie nicht Ober das psjchisch Mögliche hinaus. Ans ihren Empfin¬ 
dungen in erster Linie resaltirt ihr charakteristisches Benehmen. 

Was bei Neorasthenikem gewöhnlich als Hypochondrie bezeichnet wird, sind 
Erscheinungen von Nosophobie, doch kann sich gar nicht so selten zur Neurasthenie 
echte Hypochondrie hinzngesellen. Gleichwohl sind beide Krankheiten ihrem Wesen 
nach durchaus zu trennen. 

Yortr. bezeichnet als Hypochondrie eine Krankheit, „bei welcher die Empfindungen 
und Vorstellungen des eigenen Körpers und Geistes, sowie die der Aussenwelt illu* 
sionär transformirt sind und dabei in ihrer Intensität erhöht oder Termindert er¬ 
scheinen. B^leitet sind dieselben von negativen Gefflhlstönen. Diese veränderte 
Selbstempfindung und Empfindung der Aussenwelt entsteht entweder primär durch 
krankhafte fnnctionelle Vorgänge in cerebro, in der Hirnrinde, oder secundär ebenda 
nach irgend welchen abnormen peripheren Sensationen. Die veränderte Selbst- 
empfindung ffihrt, in Folge ihrer dominirenden Stellung unter den Empfindungen des 
Kranken Überhaupt, zu awangsmässiger Bichtüng des Vorstellungsinhalts auf das 
eigene Ich und unter Vernachlässigung anderer, vorher geläufig gewesener Vorstellungs- 
reihen, zu abnormer Vorstellnngsarmnth. In Folge Einfügung dieser dominirenden 
Empfindungen und Vorstellungen in alle Ideeenassociationen des Kranken wird auch 
auf diese die native Gefühlsbetonung übertri^n und auch die nicht direct hypo¬ 
chondrischen Vorstellungen und Wahrnehmungen verbinden sich mit Unlnstempfin- 
dungen.^* 

Vortr. bespricht sodann als besondere Varianten und schwerere Formen der Hypo¬ 
chondrie 1. die melancholische Hypochondrie, charakterisirt durch Hinzutreten 
des Kleinheitswahns, der Selbstanklagen von Selbstverschnlden oder Verdienen der 
Krankheit, der Angst und Snicidgedanken. Und 2. die schwachsinnige Hypo¬ 
chondrie, charakterisirt dadurch, dass die hypochondrischen Vorstellungen ins Un¬ 
geheuerliche, physisch Unmögliche wachsen. Die Unterschiede gegenüber den ganz 
anderen Krankheitsgruppen angehörenden hypochondrischen Formen der Dementia 
paralytica und Paranoia werden kurz skizzirt. 

Vortr. schliesst mit einigen Bemerkungen zur Prognose und Therapie der 
Hypochondrie. 

Discussion: 

Saenger schliesst sich im grossen und ganzen der Ansicht des Vortr. an, 
indem auch er der Hypochondrie eine gesonderte Stellung einräumi Jedoch neigt 
er mehr der Ansicht Binswanger's zu, dass die Hypochondrie auf dem Boden der 
Neurasthenie erwachse und nur eine Weiterentwickelung des Nervenleidens nach 
der p^chischen Seite hin darstelle. 

Eine so scharfe Trennnng und so einfache Definition wie Vortr. sie bei den 
fnnctionell nervösen Erkrankungen der Neurasthenie, Hysterie und Hypochondrie vor- 
nimmt, entspricht nach seiner Meinung nicht den klinischen Thatsachen. Ungemein 
häufig beobachtet man sowohl Neurasthenie, wie Hysterie combinirt mit echt hypo¬ 
chondrischen Vorstellungen. S. theilt als Beispiel einen derari%en Fall mit, und 
fügt hinzu, dass der vom Vortr. mitgetheilte Fall von Hypochondrie, in welchem die 
Patientin von der Vorstellung befallen ist, gravide zu sein, ein Vorkommniss enthält, 
das speciell bei Hysterischen sehr oft beobachtet wird. 

Was nun die Auffassung der Hysterie von Seiten des Vortr. betrifft, so habe 
S. des öfteren darauf hinznweisen Gel^enheit gehabt, dass er mit ihm nicht über¬ 
einstimme, dass Alles in der Hysterie, speciell auch die Stigmata, auf Vorstellungen 
basirt sei. S. fragt den Vortr., ob er das Verhältniss der Hypochondrie zur Hysterie 
absichtlich kurz behandelt halM. Gäbe es doch anerkannte Psychiater, welche die 
misten als hypochondrisch bezmchneten Beschwerden als hysterische bezeichnen. 
Weiterhin befrag S. den Vortr. nach seinen Erfahrungen über das Vorkommen hypo- 


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cbondrischer Er&mpfe aod Lähmangen, speciell der Astasie und Abasie, und «i« tt 
dieselben von der bjsterischen Form nnteracbeidet. (Antorreferai) 

Wollenberg tritt gleichfalls für die nosologische Selbständigkeit der Hypo« 
chondrie ein, pflichtet aber Herrn Saenger insofern bei, als auch er die Abgrenzung 
zwischen Hypochondrie einerseits, Hysterie and Neurasthenie andererseits nicht immer 
fflr so scharf halt, wie man es nach den Ausführungen des Vortr. annehmen könnte. 
JedenfaUs seien die Bestrebungen des Vortr., in dieser Hinsicht grössere Klarheit tu 
verschaffen, sehr dankenswerth. — Die motorischen Störungen der Hypochonder, auf 
die der Vortr. nicht eingegangen sei, lassen sich von ähnlichen Erscheinungen bei 
Hysterischen häufig dadurch unterscheiden, dass jene von den Kranken selbst am 
ihren hypochondrischen Empfindungen erklärt, bewusst vou diesen abgeleitet werden. 

(Autorreferat) 

Boettiger (Schlusswort) schliesst sich bezt^lich des Unterschiedes zwiscb« 
hysterischen und hypochondrischen motorischen Störungen der Ansicht des Hem 
Wollenberg an. Herrn Saenger gegenüber berichtigt er, dass er keineswegs je 
behauptet habe, dass Alles, was durch Vorstellungen bedingt sei, hysterisch sei. Er 
verweist auf seine diesbezüglichen früheren Erörterungen. Allerdings steht er durehaiu 
auf dem Standpunkte von Hoebius und Bruns, dass alle wirklich ihrem Wesen 
nach hysterischen Symptome imitirbar seien. Den Standpunkt einzelner Psychiater 
(z. B. Sommer), welche die meisten als hypochondrisch bezeichneten Beschwerdra alt 
hysterisch bezeichnen, hält er für verkeil und verwirrend. Die Schwierigkeit der 
Unterscheidung von Neurasthenie, Hysterie und Hypochondrie in vielen Fällen erkenne 
er ebenso wie Herr Saenger an; die Auswahl der heute citirten, besonders extremen, 
aber auch darum um so klareren Fällen sei aus didactischen Gründen erfolgt 

Dr. Boettiger. 


Biologische Abtbeilung des ftntUohen Vereins an Eamburg. 

Sitzung vom 7. Juni 1898. 

Nonne stellt ein fast-2 Jahre altes Kind vor, welches von der Geburt an 
die Zeichen einer rechtsseitigen Facialislähmung bot; die Geburt war in 
normaler Schädellage, leicht und ohne Kunstbülfe verlaufen, die Schiefheit des Ge¬ 
sichts wurde gleich nach der Geburt beim ersten Schreien bemerkt Syphilis und 
Fotatorium der Eltern war ausznschliessen; in der rechten Farotisgegend war keine 
Anomalie zu fühlen; das Kind hörte — wie eine einwöchentliche Beobachtung im 
Krankenhaus auf der Abtheilung des Vortr. ergab — offenbar beiderseits normal, 
der otoskopische Befund — Herr Thost — war beiderseits normal. Irgend eise 
sonstige Gehimnervenläbmung lag nicht vor, speciell war auch das Oculomotoriim- 
gebiet absolut frei; geistig und körperlich war das Kind im Uebrigen normal, Zeiehea 
von Hemmungsbildungen bot dasselbe nicht. 

Während im Stirn-, Augen- und Wangenantheil die elektrische Err^barkeit f&r 
beide Stromesarten aufgehoben war, liessen sich im H. quadratus menti und M. or- 
bicularis oris rechterseits noch schwache Contractionen bei starken Strömen erxieles; 
Contracturzustände in den gelähmten Muskeln fehlten. 

Vortr. reiht diesen Fall demjenigen von Fr. Schnitze und von Bernhardt an; 
er spricht sich für eine Kemläsion im vorliegenden Falle aus und recunirt auf ^ 
Hoebius'schen Anschauungen über den infantilen Kemschwund. 

Auf eine Anfrage des Herrn Fraenkel bemerkt Vortr. noch, dass Moebins u. A 
nucleare Frocesse, congenitale Defecte von Ganglienzellen annehmen. Der IrtiaisAe 
Befund spricht dafür, weil jiicht alle Fasern des Facialis ergriffen sind. Anatoiusek 
ist dieses noch nicht bewiesen; auch ein Fall von Bernhardt, der zur anatomischea 


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UntersQchang — Kronthal — kam, wird von 6. selbst in seiner letzten Bearbeitnng 
dieses Themas — „Die Erkrankungen der peripherischen Nerven“ — als nicht be« 
weisend bezeichnet 

Die Prognose, nach der Herr Fraenkel fragt, bezeichnet Vortr. als schlecht. 

• 

Sitzung vom 21. Jnni 1898. 

Saenger demonstrirt eisen intramedullären Bilokenmarkstumor (Oliom), 
der sich vom unteren Brustmark bis zum Conus medullarls erstreckt, das BQckenmark 
ganz durchwachsen und auf etwa das Doppelte verdickt hat. Im mittleren Brustmark 
befand sich ein etwa haselnnssgrosser zweiter Qeschwnlstknoten. Die Wurzeln und 
Kervenstämme im Bereich des Lendenmarks erschienen in Folge der hochgradigen 
Volumzunahme desselben ganz abgeplattet 

Die 30jährige Frau kam am 7. November 1897 in die Sprechstunde und 
kh^te fiber Schwäche im rechten Bein seit der Geburt ihres jüngsten Kindes 
(August 1896). In letzter Zeit hatte sie Nachts Schmerzen vom Bücken angehend 
bis zu den Enieen. Im rechten Fuss taubes Gefühl. Stehen und Gehen erschwert; 
Hie und da Blasen* und Hastdarmschwäche. 

Die Untersuchung ergab Abschwächung der Hüftheber, speciell rechts, ferner 
etwas in Beziehung auf die Streckung und Beugung des rechten Unterschenkels und 
endlich eine gewisse Schwäche in beiden Peronealgebieten. 

Die Patellarsehnen* und Ächillesreflexe fehlten. Im Bereich des N. cntan. later., 
des Cmralis und Peron. superf. Sensibilitätsstürungen. Keine Dissociation der Em* 
pfindungen. Tast-, Schmerz* und Temperaturempfindung in gleicher Weise afficirt 
Patientin ging unsicher, breitspurig und schleuderte etwas das rechte Bein, dessen 
Fussspitze manchmal den Boden berührte. Keine Spannungen. 

Nach verordneter Buhe und Seesalzbädem trat eine so auffallende Besserui^ 
ein, dass die anfängliche Diagnose eines myelitisehen Processes unbekannter Natur 
aufgegeben wurde. 

Das Gehen war viel besser geworden. Wasserlassen und Eothentleernng ohne 
Beschwerden. Patientin war ganz schmerzfrei. 

Da die elektrische Untersuchung im rechten Cmralis und Peroneus qualitative 
Veränderungen ergeben, so neigte Vortr. zur Annahme einer puerperalen Neuritis, 
welcher Diagnose sich ein competenter Berliner College anschloss. 

Patientin wurde im December 1897 wieder gravide. Die im Januar eintretende 
Verschlechterung (im Gehen, Urinentleerung; dagegen keine Schmerzen, wohl aber 
Parästhesieen in den Händen und Beinen) wurde auf die erneute Gravidität bezogen. 
Bis einige Wochen vor ihrem plötzlichen Ende ging Patientin mit einem Stock allein 
im Zimnaer umher. Der Tod trat ganz unerwartet unter den Erscheinungen einer 
Herzparalyse ein (Brnstsection wnrde nicht gestattet). In der allerletzten Zeit konnte 
Patientin nicht mehr gehen; die unteren Extremitäten waren stark geschwollen. 
Patientin klagte etwas über Kreuzschmerzen und fühlte nicht mehr die Entleemng, 
d^egen konnte sie den Urin halten. 

Vortr. hebt hervor, dass in diesem Falle die lange andauernde Besserung, und 
die relatiye Geringfügigkeit der Symptome, und das Auftreten derselben im Puerperium 
die Stellung der richtigen Diagnose erschwert, ja beinahe unmöglich gemacht hat. 

Des weiteren berichtet Vortr. unter gleichzeitiger Demonstration des anatomischen 
Präparates fiber einen richtig diagnosticirten Himabsoess im rechten Ooolpital* 
lappen, der jedoch bei der Trepanation nicht eröffiiet worden war. 

Ein 28jäbriger Arbeiter H., der früher wegen Alkobolismus und Delirium im 
Krankenbans gewesen war, kam im Mai d. J. w^en heftiger Kopfschmerzen, Schwindels 
und Erbrechen auf die Abtbeilung des Herrn Oberarzt Dr. Jollasse. 


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Im Mai 1897 Otitis media dupl. Im October Hammer^Ambossextraction rechts. 
Im December heftige, Tag und Kacht andauernde Kopfschmerzen rechts in der Stirn- 
gegend. Änf Antipyrin, Eisblase, Ohrausspülungen Besserung. 

Vortr. sah den Fat am 12. Hai 1898. Derselbe war etwas benommen. 

Der linke Hnndfacialis erschien etwas schwächer innervirt «Kraft des linken 
Armes und linken Beines etwas herabgesetzt Bei Beklopfung des Vorderarmes zur 
Auslösung des Reflexes tritt rythmischer Tremor des Armes und der Hand auf. Am 
linken Ober- und Unterarm Herabsetzung der Sensibilität, besonders der Schmerz¬ 
empfindung. Eeiue Störung des stereogoostischen und des Lagegefflhls in der linken 
Hand. Der Gang ist schwankend. Bomberg’sches Phänomen. Beide Pupillen 
eng, gleich, reagiren direct und indirect gut auf Licht Beiderseits temporale Ab¬ 
blassung beider Papillen. 

Bei Beklopfen der rechten Stirn- und Schläfengegend äussert Pat intensiren 
Schmerz; nicht Ober dem Hinterhaupt Puls 48. Keine Temperatursteigemng. 
Trotz der Benommenheit gelang es dem Vortr. nun durch mehrfache Untersnchangen 
nachzuweisen, dass eine homonyme linksseitige Hemianopsie bestand und daher wurde 
der Himabscess in das Hark des Occipitallappens localisirt Die klinischen Er¬ 
scheinungen wurden als indirecte Herdsymptome des hinteren Abschnitts der innereo 
Kapsel gedeutet. 

Vortr. schlug die Trepanation vor, die sofort ausgefQhrt wurde. Trotz viel¬ 
facher Punctiouen wurde der Abscess nicht gefunden. Nach 7 Tagen Exitus. Die 
Autopsie ergab einen alten Abscess an der diagnosticirten Stelle. Der Abscess hatte 
eine so dicke, feste Wand, dass die Functionsnadel wahrscheinlich abg^litten war. 

Nonne berichtet, dass er 2 Tage später als Sänger ebenfalls — ün Neuen 
allgemeinen Krankenhause — einen jener seltenen Fälle von myelogenem Tumor 
secirt habe. 

Der Fall betraf ein 16jähriges Mädchen, bei der Syphilis nach Anamnese und 
negativem objectivem Befund auszuscbliessen war. Es bestand durchaus keine tuber- 
culöse Belastung und auch die oft wiederholte Untersuchung ergab an den Oiganen 
der Kranken keinen Anhalt für die Annahme eines tuberculösen Processes. Pat. 
erkrankte ca. 3 Wochen vor ihrer Aufnahme in’s Krankenhaus in snbacuter Weise 
an Paraplegie der unteren Extremitäten mit geringen ausstrahlenden 
Schmerzen in denselben; dann stellte sich bald eine Sphincterenschwäche sowie Ab¬ 
nahme der Sensibilität fOr alle Qualitäten ein. Die zunächst spastische Lähmung 
ging in eine schlaffe Aber, die Sensibilitätsstörung wurde eine complete, unter Zu¬ 
nahme der Sphincterenlähmung. Die obere Grenze der Gefühlsstörnng, zuerst io der Höbe 
der Mamilla gelegen, ascendirte dann; es stellte sich dann eine motorische Schwäche 
der Finger, der Hände, der Ellbogen und der Schultern ein. Die Sensibilitätsstörung 
war eine Zeit lang auf das Ulnarisgebiet beiderseits beschränkt, dabei stellte sich 
eine Anisocorie und Tr^heit der Lichtreaction der rechten Pupille ein. Mit Zu¬ 
nahme der motorischen Lähmung wurde auch die Sensibilitätsstörung an den oberen 
Extremitäten eine totale und complete; die Sehnenreflexe schwanden auch hier, ebenso 
wie sie an den unteren Extremitäten total aufgehoben waren. Muskel¬ 
atrophie und starke quantitative Herabsetzung der elektrischen Erregbarkeit trat ein. 
Nor hier und da hatte Fai Über mässig starke ansstrahlende Schmerzen im Nacken 
und in den Armen geklagt; hingegen stellte sich jetzt eine hochgradige Empfind¬ 
lichkeit der Nackenwirbelsäole ein, so dass Pat. ängstlich jede Bewegung des Kopfes 
vermied. 

Im weiteren Verlauf des — ganz oder fast ganz fieberlosen — Falles kam ee 
dann zu bnlbären Erscheinungen: Schluck- und Kaustörnngen, Parästbeaieen und 
Schmerzen iro Gesicht mit objectiven Hypästhesieen, Facialispareeen, Parese des linken 
N. abduceos. Den Schluss bildeten durch ca. 8 Tage hindurch protinhirte Beepi- 


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rations* and Pnlsstöroi^ii tod balb&rem Charakter. 3 Wochen ante mortem wurde 
noch eine doppelseitige Stanungspapille mit H&raorrhagieen constatirt 

Die Diagnose lautete als Wahrscheinlichkeitsdiagnose: Hjelitis ascendens; man 
nahm an, dass es sich am ein — wahrscheinlich tnbercnlOses — Exsudat der Pia 
mater handele, welches das Bftckenmark zunächst comprimirt und dann zerstört habe, 
und dass sich dann eine specifisch>tnberculöse Erkrankung des Markes hieran au¬ 
geschlossen habe. Die bulbären Erscheinungen, im Verein mit der Stauungspapille, 
wurden als der Ausdruck eines Tuberkels aufgefasst, der sich in der Medulla oblon- 
gata entwickelt habe, andererseits die Möglichkeit eines langsam sich entwickelnden’ 
basalen Exsudats offen gehalten. Eine Tumorbildung war för höchst unwahrscheinlich 
erklärt worden, weil der Process, entgegen dem gewöhnlichen Verlanfe der intra- 
mednllären Tumoren, hier ascendirt war und weil der Verlauf ein fast schmerzloser 
gewesen war. Es wurde aber betont, dass zwei Momente, das Fehlen j^licher nach¬ 
weisbaren Tuberculose am Körper und in der Familie der Kranken sowie die Stauungs¬ 
papille die „Tumomatnr" des ganzen Falles nicht ausschliessen lasse. 

Die Obdnction ergab, dass es sich um einen nach der makroskopischen Beurthei- 
lung vonQ obersten Halsmark bis in das 10. Dorsalsegment hineinreichenden inka- 
meduliären Tumor handelte; das Halsmark war unförmlich anfgetrieben, der ganze 
Querschnitt zerstört — die mikroskopische Untersuchung konnte noch nicht vor¬ 
genommen werden —, in der Mitte des Tumors, dessen frische Untersuchung Spindel¬ 
zellen ergab, zeigte sich im Halsmark eine qnergestellte Höhle, welche vom obersten 
Dorsalmark abwärts nicht mehr zu constatiren war. Das Lendenmark erschien 
makroskopisch intact. Die frische Untersuchung eines Muskelastes vom K. cruralis 
und eines StQckcbens aus dem M. quadriceps (rechterseits) ei^b keine integrirenden 
Anomalieen. 

Ueber das oberste Cervicalmark hinaus der Tumor, sich conisdi ab- 

stnmpfend und g^en das erweichte Mark gut al^^^nst, noch ca. 1 cm in die 
Medulla oblongata hinein. 

Vortr. betont den für einen myelogenen Tumor nngewöhnlichen Verlauf dieses 
Falles — wie oben bereits dargele^ —; ferner scheine, die mikroskopische Be¬ 
stätigung der totalen Querschnittsunterbrechnng des Halsmarks vorausgesetzt, dieser 
Fall die Bichtigkeit der Bastinn-Brnos’schen Lehre von der Anfbebung der. 
Sehnenreäexe der Extremitäten durch eine totale Querscbnittsnnterbrecbung des 
Halsmarks zu bestätigen. 

Liebrecht fragt, wie das Gehirn sich in N.’s Fall verhalten habe. 

Könne antwortet, dass am Gehirn ausser einer Erweiterung der Ventrikel keine 
Anomalie gefnnden wurde, ebenso sei das Kleinhirn makroskopisch intact gewesen. 

Deutschmann fragt Sänger, ob in seinem Fall keine Stauungspapille be¬ 
standen habe. 

Sänger erwidert, dass keine Stanungspapille vorhanden war und ffigt hinzu, 
dass er Gegner der Dentschmann’schen Theorie der StaunngspapUle ist, und stützt 
seine Ansicht auf die Erfahrung der letzten Jahre, wo im alten Allgemeinen Kranken¬ 
hanse bei einer ganzen Reihe von Hirntumoren eine Stauungspapille vermisst wurde. 
Nach seiner Ansicht ist die Theorie der Stauungspapille absolut noch nicht gelöst, 
wahrscheinlich spielen individuelle Verschiedenheiten im Canalie opticus eine grosse 
Bolle beim Zustandekommen der Stauungspapille. 

Zu dem zweiten Falle Sänger’s bemerkt Nonne, dass er sich eines analogen 
Falles ans dem Jahre 1888 entsinne; Eisenlohr habe bei einem Bronchiektatiker 
einen Abscess in’s Armcentrum localisirt; Sclfede fand damals bei der Trepanation 
keinen Abscess, und die Obdnction eigab, dass die Pnnktionsnadel sich vergebens 
bemüht hatte, die sehr dicke Membran des Abscesses zu dnrchdringen; in der Litte- 
ratur wird dies Vorkommniss auch von allen erfahrenen Autoren betont. Nonne 


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hat in den letzten sechs F&Uen von — durch die Obdaction bestätigtem — Hirn« 
tumor niemals Pulsverlangsamong gesehen, so dass er nach seinen persdnliehen Er¬ 
fahrungen — auch Oppenheim betone dies in seiner Monographie Uber Hirn¬ 
tumoren — das Fehlen von PulsvOTlangsamnng, en^egen der gewöhnlichen Du-- 
Stellung der Schule, för etwas durchaus nicht Ungewöhnliches halten mfisse. 

HQter: üeber Carolnom-UetastaBen des peripheren Nervensystems. 

Bei einer Frau mit ausgedehnter Metastasirung eines Mammacaränoms fand 
Yortr. ausser Metastasen in der Leber das periportale Bindegewebe von Krebs dicht 
inflltrirt. Die hier zum Leberhilns fahrenden, dem Tagus und Sympathicus ent¬ 
stammenden Nerven waren in grosser Ansdehnung von dem Carcinom in Mitleiden¬ 
schaft gezc^en. Die Invasion der Nerven durch das Carcinom geht in Rischer 
Weise so vor sich, dass zuerst die in das Bindegewebe des Epineuriums eingedrungenen 
Krebszellen an einer Stelle das Perinenrinm durchbrechen. Ist dieser Durchbrodi 
erfolgt, so drängen sie die Nervenfasern zur Seite und breiten sich zwischen Peri- 
nenrinm und Fasermasse in Form eines Halbmondes oder eines Einges ans. Die 
Nerven erscheinen daher sowohl auf dem Querschnitt wie auf dem Längsschnitt von 
einem dicken Mantel von Geecbwulstgewebe umgeben. Das Wachsthum der Krebs¬ 
zellen innerhalb des Perineuriums kann offenbar dem Verlaufe des Nerven folgend 
auf grössere Strecken hin stattfinden. Möglicherweise kann auch ein Durchbruch der 
Qeechwnlst von innen nach anssen, durch das Perineurium in umgekehrter Eichtang 
erfolgen. Im weiteren Verlaufe dringen die Krebszellen weiter centralwärts vor, 
indem sie Anfangs die Bindegewebsfasern dra Endoneuriums ans einander diingeo, 
später aber auch in Form von Zapfen sich zwischen die einzelnen Fasern schieben. 
Hierbei können die Fasern in grosser Auedehnung zerstört werden nnd durch Atrophie 
zu Grunde gehen. Specifische Färbungen der nackten Axen< 7 linder, um die etwa 
eingetretenen Degenerationserscheinnngen zu zeigen, gelangen nicht Ob auch durch 
die Capillaren des Endoneuriums eine metastatische Verschleppung von Geschwulst¬ 
keimen stattfinden kann, konnte nicht unterschieden werden. 

Simmonds hat bei einem an Magenkrebs und Metastasen verstorbenen Indiri- 
duum ähnliche Beobachtungen gemacht wie Hflter. Im Gewebe vom Leberbilus 
fand er zahlreiche Querschnitte markloser Nerven, die kreis- und sichelförmig von 
einer schmalen Krebsschicht omhailt waren, so dass es vielfach den Eindruck machte 
dass gerade die Nerven den Weg für die Fortwucherung der Nenbildong gebahnt 
hätten. Auch mitten im Nerven fanden sich Krebsschläucbe vereinzelt oder in 
grösseren Anhäufungen. An markhaltigen Nerven bat S. Aehnliehes nicht gesehen 
nnd speciell bei Untersncbongen der Achsel- nnd Halsnerven bei Brustdrüsen-, Bachen- 
und Speiseröhrenkrebs fand er niemals Metastasen in Nerven, sondern nur eine Zer¬ 
störung derselben durch das umwuchemde Krebsgewebe. 

Nonne berichtet, dass er bei seinem Material nur zwei Mal wirklich metastatische 
maligne Tumoren im peripheren Nervensystem gesehen habe, und zwar handelte es 
sich ein Mal um multiple kleine Melanosarcome in der Cauda equina bei einrai Fall 
von generalisirter Melanosarcomatose, deren primärer Sitz in der Chorioidea war, in 
anderen Fall wieder um multiple Sarcome in der Cauda equina bei primärem Sitz 
des Sarcoms im einen Hoden. 

N. hat im „Vereins-Hospital“ 1893 und 1894 3 Fälle von ausgedehnten Becken- 
sarcomen gesehen, die alle drei unter dem Bilde einer schweren und haiisäckigro 
Ischias auftraten und die bis zuletzt keine eigentlich neuritischen Symptome geboten 
hatten, trotzd^ die Umwueherung der Nn. ischiadici sieh bei der anatomischen 
Untersnchong als eine sehr innige erwies. Die mikroskopische üntersncbung dieser 
drei Fälle zeigte auch die Unversehrtheit der Nervenfasern selbst Für die Sarcome 
der peripheren Nerven sah N. hierdurch also nur bestätigt, was ttberhaupt für die 


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TamorflD der peripheren Herren als Erfahrangsthatsache gilt, dass sie die Herren* 
fasern selbst aaffallend lange schonen; dieselbe Erfabrang wurde anch betreffe der 
hinteren Rfichenmarkswnrzeln bei den ron der Pia mater aosgehenden Sarcomen — 
zaletzt ron Könne, Ä. Westphal, Schlesinger — gemacht. 

Sänger schliesst sich den Aosführungen ron Könne an, dass die Sarcome 
sehr selten in die Herren hineinwflchsen. So habe er in dem EQmmeirschen Falle 
(siehe Brans, „Die Geschwülste des Herrensystems'' S. 347), bei dem er den Sitz 
des Sarcoms der Wirbelsäole localisirt hatte, das sich zuerst durch Intercostal- 
Henralgieen angezeigt hatte, die betreffenden durch die Sarcommassen durchtretenden 
Herren untersucht und dieselben io der Substanz frei von Gescbwulstmassen gefunden. 


Sitzung rom 28. Juni 1698. 

Jaffd und Saenger stellten zwei Zwillingsknaben im Alter von 
4 Jahren ror. 

Beide sind ohne Ennsthfllfe rechtzeitig geboren und in keiner Weise belastet 
Während nun der eine Enabe sich normal entwickelte, blieb der andere seit seinem 
6. Lebensmonat im Wachsthom und in seiner geistigen Entwickelung sehr zurück. 
Die Wachsthnmastürong wurde ron rerschiedenen Aerzten als Bhachitis angesehen 
und dementsprechend behandelt 

Als S. dies Kind sah, stellte er die Diagnose auf infantUes Myxödem, und 
zwar auf Grund der hochgradigen Wacbsthumsstörong, der äusserst mangelhaften 
geistigen Entwickelung und der Beschaffenheit der Haut Letztere war trocken, 
hart and verdickt Die Lippen waren wulstig, die Zunge gross, der Leib auf* 
getrieben. Es bestand eine Habelhemie. S. schlug dem Hausarzte J. die Schild- 
drüsenbehandlnng ror, die derselbe acceptirte. 

Der Erfolg war ein ganz eclatanter und schon nach 8 Tagen bemerkbar. 

Jetzt nach 3 Monaten ist der Enabe wie umgewandelt Während er früher 
ganz stupide und apathisch war, ist er jetzt lebhaft und nimmt Theil an den Yer* 
gnügungen in seiner Umgebung. Er langt jetzt an zu sprechen und allein zu gehen. 
Die Haut hat gegenwärtig eine normale Beschaffenheit. 

Während er zuerst zwei Tabletten (6. u. W. u. C.) bekommen hatte, erhält er 
jetzt nur eine pro die. 

Eine störende Einwirkung der Thyreoidinbehandlung war bis jetzt nicht zu 
constatiren. 

Grisson stellt im Yerein mit Saenger ein junges Mädchen ror, welches lange 
Zeit an doppelseitiger Ohreitenmg litt. 

Anf dem linken Ohr wurde im vorigen Jahre die Badicaloperation durch Auf* 
meisselung des Warzenfortsatzes und Entfernung der cariöeen Stellen rorgeuommen. 
Damals schon wurde von dem Operateur wegen heftiger Kopfschmerzen ein Hirn* 
abscess vermuthei Es wurden mehrere vergebliche Functionen in den Schläfenlappen 
gemacht. Die Kopfschmerzen steigerten sich, und es traten Zuckungen in der rechten 
Körperhälfte auf. 

Die von S. rorgenommene Untersuchung ergab ausser einer grossen Schmerz* 
empfindlicbkeit der linken Schädelbälfte, speciell des linken Scheitelbeins, das Be* 
stehen von clonischen Zucknngen im rechten Arm, Bein und rechten Mundwinkel; 
ferner eine Herabsetzung der Sensibilität in der rechten oberen Extremität ohne 
StOrnng des Lagegefühls und des stereoguostischen Yermögens. Ganz auffallend war 
eine ausgeprägte Seusibiütätsstörung im 2. und 3. Quintusast. Ausser einer gering* 
f&gigen Parese im rechten Arm und einer leichten Ataxie der rechten oberen und 
unteren Extremität war nichts nachweisbar afficiri 


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Wegen der Unertr&glidikeit der Kopfechmerxen rieih de er einen Abecess 
entweder in der hinteren Centralwindnng oder in der Tiefe dee Schl&fenlappMia, and 
zwar gegen die Basis zu vermathete, zor Trepanation, die Q. ansfQhrta, nnd zwar 
so, dass die beiden Stellen von der Trepanationaöffiinng ans zngänglich waren. 

In der hinteren Centralwindnng, dicht unter der Binde, fand sich eine Cjste, 
ans der bei der ErOffiinng etwa ein Esslöffel serohämorrhagische FlOssigkeit sich 
ergoss. 

Der Erfolg der Operation war zufriedenstellend. Die Znckongen nnd die 
Schmerzen sind jetzt g&nzlicb geschwunden. Die Operationswnnde verheilte per 
primam. Nonne (Hambu^). 


IV. Vermischtes. 

Einladung sur Jahreesitsang dee Vereine der deuteohen Irreninte su Bonn 
am 16. und 17. September 1808. 

Tsgesordnnng: 

1. Qeschäfttiche Mittbeilnngen. 2. Antrag des Vorstandes: a) Die Jahressitzang 
weiterhin regelmässig im Frühjahr abzabalten and zwar in der Woche nach Ostern, b) Als 
Versammlnngsort mehrere Städte za bestimmen, in welchen in regelmäaeigem Tomos die 
Jahressitzangen abgehalten werden. Vorgeseblagen werden zunächst Berlin, Prankfart a./ll. 
and München. 8. Die Anwendung der Hydrotherapie and Balneotherapie bei psychischen 
Krankheiten. Bef.; Prof. Dr. Thorasen (Bonn). 4. Die Znrechnangsfähigkeit der Hyste> 
rischen. Ref.: Prof. Dr. Ffirstner (Strassbnrg). b. Ueber Marksoheidenentwickela^ des 
Qehims and ihre Bedeatnng für die Localisation. Bef. Prof. Dr. Siemerling (Tübingen). 

Angemeldete Vortrage: 

Geheimratfa Dr. Oebecke (Bonn): Das rheinische Irrenweeen. — Dr. E. TrOmmer 
(Berlin): Zur pathologischen Anatomie des Deliriam tremens. — Docent Dr. Scbattae 
(Bonn): Beitrag zor Lehre von den pathologischen Bewosstseinsstürnngen. — Docent Dr. 
Nissl (HeidelMrg): Die Verwerthang des anatomischen Materials in IirenaDstalten. — 
Director Dr. Sioli (Frankfurt a./M.): Die Fürsorge für Qeisteskranke in den deotsehen 
Grossstidten. — Dr. Lfibrmann (Dresden): Ueber Stadtasyle. — Dr. O. Vogt (Beiiin): 
Zar Psychopathologie der Hysterie. 

16. September, Abends von 8 ühr ab: Zosammenkonft im „Kaiser Friedrich“ in der 
Friedrichs trasse. 

16. September, 9’/* ühr, Sitznng in der Prorinzial-AnstalL (Pferdebahn bis zor Heer¬ 
strasse.) 1—2 ühr FrOnstfiek, daigeboten von der Verwaltang der Bheinprovinz. 2 ühr 
Fortsetzong der Sitzung. 6 ühr gemeinsames Mittagessen im Hötal Kley. 

17. September, 8—9'/« Ühr, Besichtigong des klinischen Institats in der Provinzial- 
Anstalt 9'/, ühr Sitzung. 12'/4 ühr Abfahrt mit Schiff nach Königswinter, gemeiiMUDes 
Mittagessen daselbst Darnach Anffiahrt zum Draehenfels. 

Das Local-Comitä haben die Herren Pelmao und Oebeke übernommen, für Damen 
die Damen Hertz and Thomsen. 

Ab Hötels werden empfohlen: Hotel fi4^al, Kley, Rbeineck am Bheio. in der &adt 
Goldener Stern, Bbeinischer Bof, letzterer einmober. 

Der Vorstand: 

Jolly (Berlin). Laehr (ZehlendorQ. Pelman (Bonn). Schüle (lUesaa). 
Siemens (Laaenborg L/r.). Ffirstner (Strassbnrg). 


üm Einsendung von Separatabdrücken an den Beraosgeber wird gebeten. 

Einsendongen für die Redaction sind zn richten an Prot Dr. E. Mendel. 
Berlin. NW. Sohiffbanerdamm 20. 

Verlag von Vzrr & Coup, in Ldptig. — Druck von Manan & Wnm in Löp^. 




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3 bei Blankenburg im Schwarzathal (Thüringen) t 

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ist das gaose Jahr hindurch geöffnet ( 

^ SaBitätsrath Dr. Bindseil. Dr. Warda, t 

4 früher erster Assistenzarzt von Herrn Hofrath ^ 

^ Professor Dr. Binswangor in Jena. ^ 

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Behandlung mit mechatiischen HautTeizeu {cf. Zeitschr. für kliii. 3Iediciu 
B. XXX H. 1 u. 2), be.süuders für Fälle, bei denen AVasserbehandlung erfolglos 
oder nnmnglich ist Prospecte und Casuistik gratis. 

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Am 1. October I. J. werdoo die beiden Stellen des zweiten Assistenzarztes 
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Tolontärarztes (600 M. und freie Station) frei und sollen alsbald wiederbesetzt 
we^en. Bei dem Assistenzarzt wird einige Mychiatriscbe Vorbildung vorausgesetzt. 
Bewerbungen werden, atinüchst nur brieflich, bis zutn 15. September 1. J. hierher 
erbeten. 

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Professor Dr. E. Mendel _ . 

Siebzehnter n B«rUa Jahrgang. 

MooaUteb erscheinen zwei Nnmmem. Preis des Jahrganges 24 Mark, Zn beziehen durch 
alle BachhandtaDgen des ln- und Anslandes, die Postanstalten des Deutschen Reichs, 
sowie direct von der Verlag.sbucbhandlang. 

1898. 1. September. Nr. 17. 

Leipzig, 

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Uebersicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie 
und Therapie des Nerven^tems einschliesslich der Geisteskrankheiten. 

Heransgegeben tod 

Professor Dr. E. Mendel 

Siebzehnter "* Jahrgang. 


Ifonatlich erscheinen zwei Nnmmem. Preis des Jahrganges 24 Mark. Za beziehen durch 
alle Bnchhandlnngen des ln* and Auslandes, die Postanstalten des Deutschen Reichs, sowie 
direct von der Verlagsbachhandlang. 

1898. 1. September. Nr. 17. 


Inhalt; I. Originalmlitheilungen. 1. Zwei Fälle von Hirntumor mit genauer Local* 
diagnose, von Dr. L. Bruns in Hannover. (Schloss folgt) 2. Deber die elektrische Enegbarkeit 
des N. radialis, von Dr. Karl Oumpertz in Berlin. 3. Ueber die Stractur der Spinalganglien¬ 
zellen. Eine Erwiderung, von Dr. Crnst Heimtnn. 

II. Referate. Anatomie. 1. Stndies of the neoroglia, by Euricli. 2. A method of 
examining &esb nerv cells; with notes concerning their structure and the alterations caused 
in them % disease, bj Turner. — Experimentelle Physiologie. 3. The cerebral capil- 
lar; circulation, by Capple. 4. Rioerche sperimentali sui processi di embolismo infettante nei 
centri-nervosi e suUa genesi degli ascessi cerebrali, per Fieschi. 5. Sur la Physiologie du 
corpa calleux et sor les moyens de recherohe ponr l’^tude de la fonotion des ganglions de 
la base, par Monaco. — Pathologische Anatomie. 6. üeber die Bedeutung des Balken- 
mangels im menschlichen Qrosshim, von ZIngerle. *- Pathologie des ervensystems. 
7. Ueber den Einfluss des Tropenklimas auf das Nervensystem, von Rasch, 8. Üeber Herd¬ 
erkrankungen des Gehirns, welche vom Patienten selbst nicht wabrgenommen werden, von 
Anton. 9. L’dvolution du langage, considdrde au point de vue Tdtude de l’aphasie, par Mario. 
10. A case of word — without letter — blindness, by Hlnshelwood. 11. AngeMrene psychische 
Taubheit, von Liebmann. 12. 1. Stichverletzang der linken Hemisphäre von der rechten Orbita 
ans. Gomplete Hemiplegie und Aphasie. Heilung. — 11. Intracranielle Blutu^ nach sub* 
CDtaner Schädelfractur der linken Sobläfengegend. Exspectative Behandlung. Heilung, von 
Martin. 13. Ein Beitrag zur Pathologie des corticalen Hörcentmms, von Alt. 14. Un cas 
de Bordite verbale pnre terminee par aphasie sensorieUe suivi d'autopsie, par Do)erino et 
Sdrieiix. 15. Obergutaehten über me Zuverlässigkeit der Angaben eines Aphasiscben ttber 
die Vorgänge bei der seiner Aphasie zu Grunde liegenden Schädelverletznng (Raubmord- 
versacb), von Ziehen. 16. Zar Casuistik der doppelseitigen homonymen Hemianopsie, von 
Manz. 17. Die Phänomene der Gehimcompression, von Adamkiewics. 18. Üeber die bei 
Himdmck im Rückenmarke anftretenden Verändernngen. von Koche. 19. Haematoma snb- 
darale; trepanation, af Kflster och Lindh. 20. Trepbining for Symptome of cerebral tumour, 
bj Gould. 21. Glioma of the right frontal lobe of the brain, by Krauss. 22. Ün cas de 
gliome odrdbral. Oedäme de la papille. Hdmiplegie gauche. Antomatisme ambnlatoire, 
ikcces de sommeil. Trepanation, par Oevic et Courmont. 23. Zur Diagnose and Therapie 
des Gehirntumors, von Ziehen. 24. Om Röntgens str^ar i hjärnkirargiens fjänst, af Hontchen 
och Lennander. 25. Casnistische Beiträge zur Hirncbirurgie und Himlocalisation. Brater 
Beitrag von Sonhoeffor. 26. Casnistische Beiträge znr Himchirurgie and Himlocalisation. 
Zweiter Beitrag von Llopmann. 27. Sol centro peico-motore dei muscoli suueriori della faccia, 
per Pugllese. 28. Zur Pathologie der Erkrankungen des Streifenhiigels und Linsenkerns, von 
Reichel. 29. A case of dysphagia and dyspbasia resulting from a lesion in the internal 
capsale, bv Daland. SO. Studio delle vie cerebro-bulbari e cerebro-cerebellari in an caso di 
lesiooe della ctiotta del peduncolo cerebrale, per Cenl. 31. Ein Fall von Erkrankung des 
PractiiB opticus, Pedunculns cerebri und N. oculomotorius, von Rudnieur. 82. A case of 
.xunoar of the Pons Yarolii, by Handford. 33. Ueber periodische Schwankungen der Papillen* 
Veite bei Chevne-StokesVhem Athmen, von Thiemich. 34. Sur les paraplegies flasques par 
Impression de la moelle, par Marinetco. 35. Beiträge zur Klinik der Rückenmarks* and 
VirMltnmoren, von Schlesinger. — Psychiatrie. 36. Ueber Psychosen bei Carcinom- 

49 


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kocbexie, von Elzholz. 37. Ai^enaoterancbiiDgeii bei CretumoB. Zwergwocbs und verwiodteD 
Zuständen, von Hitschmann. 88. üeber die urämiscben Psycbosea, von Bitchoff. — Therapie. 
89. Ein Beitrag znr Qaincke’schen Lambalpanction bei Kindern, von CmsbI. 40. Geber die 
Lumbalpanotion, von Petert. 

tu. Aus den GeseUschnften. Geeellscbaft der Neurologen und Irrenärzte zn Moskau. 


L Originalmittheilungen. 


1. Zwei Fälle von Hirntumor mit genauer Localdiagnose. 

Von Dr. Ii. Bruns in Hannover. 

Fall I. 

RnndzeUensarcom im linken Stimhim. 

Zu der 40 Jahre alten Tapezierersfrau G. wurde ich am 29. November 1897 
zum ersten Male gerufen. Es wurde mir erzählt, dass die früher immer gesunde 
Frau seit einiger Zeit an immer zunehmender Schwäche und Benommenheit litte, 
auch am Tage viel schlafe, ja in den letzten Tagen überhaupt nicht mehr vom 
Bette aufgestanden sei. Sie habe im übrigen kaum Klagen gehabt, nur ab und an 
über Kopfweh geklagt Erbrechen sei nie dagewesen, wohl aber Uebelkeit Auf* 
gefallen war den Angehüiigen noch eine Sprachstörung, die darin bestand, dass 
die Fat, bei vollem Wortverständniss, häufig Worte verwechselte; so soll sie 
einmal zu ihrem Schwager gesagt haben: „Do .hast ja »Tapete« an der Hose", 
während sie „Staub“ sagen wollte; nnd ferner eine Ungeschicklichkeit der 
rechten Hand, mit der sie an Gegenständen vorbeigriff. Das Schlucken soll in 
letzter Zeit sehr langsam gegangen sein. 

Ich fand die Pat sehr benommen und schlafsüchtig. Wenn man sie 
aber energisch aus ihrer Schlafsucht aufrüttelte, fand man, dass sie über alles gut 
ohentirt war; man konnte zugleich feststellen, dass sie die Sprache gut verstand, 
dagegen selber nur schwer und nur zu ganz kurzen sprachlichen Aeusserungen zu 
bewegen war. Sie ging auf ihr bei der Untersuchung gegebene Äuftr^e überhanpt 
nur schwer und missmuthig ein; sie behauptet zunächst, die Augen nicht öffiien zu 
können, thut das aber schliesslich doch; ebenso erhebt sie erst nach langem Zureden 
die Arme u. s. w. u. s. w. Es lässt sich feststellen, dass die ganze rechte Seite 
paretisch ist — besonders sind Finger und Hand rechts kaum zu bewegen; an 
Facialis und Zunge ist weniger zu sehen. Am rechten Fuss besteht Achülesclonus. 
Pat. lässt unter sich gehen. 

Eine genauere Untersuchung nahm ich am 30./XI. vor. Die Fat. ist viel klarer 
als am Tage vorher, doch muss man sie auch heute immer sehr derb anfassen, 
wenn man von ihr etwas wissen will. Hat man sie aus der Schlafsucht heraus, so 
ist sie klar; versteht und spricht richtig: sie ist aber sehr widerspenstig, benntzt 
jede Gelegenheit um sich wieder umzudrehen und weiter zu „schlafen“. Eine eigent¬ 
liche Störung der Intelligenz ist nicht zu constatiren. Eine Parese des rechten 
Facialis konnte ich heute nicht naebweisen, sie soll aber früher deutlich gewesen 
sein; die Zunge geht beim Herausstrecken eine Spur nach rechts. Den rechten 
Ober- und Unterarm kann die Pat heute gut bewegen; ebenso bewegt sie die rechte 
Hand nnd Finger etwas besser wie gestern, aber ganz kraftlos. Das rechte Bein 
wird gut bewegt AchiUesclonus besteht heute hier nicht; der rechte Patellarreflex 


'ig'ii^od Dy 


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ist eher geringer als der linhe. Beim Gehen and Stehen bestellt keine Ataxie; 
beim Gehen wird aber das rechte Bein etwas nachgeschleppt. Bumpfmoskelsch wache 
ist nicht vorhanden. Kopfschmerzen will sie nicht haben. Sie meldet heute ihre 
Bedürfnisse an. 

Die Popillen sind eng, reagiren aber aof Licht. Der Äugenhintergnmd ist 
normal (Dr. Stöltinq). 

Die Untersachnng des Übrigen Körpers ei^iebt nichts besonderes; der Ham 
enthält Epithelien der Blase und der Scheide und in Folge dessen eine Spur von 
Eiweiss. 

Es wird Kali jod. 6,0:200,0 3 Mal täglich 1 Esslöffel verordnet. 

Am l./XIl. ist die Pat. noch klarer als am Tt^e vorher, sie ist allein auf¬ 
gestanden und ohne Mühe vom Schlafzimmer ins Wohnzimmer gekommen. 
Sie versteht alle Fragen und antwortet meist richtig, passt auch auf das auf, 
was um sie her voi^eht, sie ist aber immer noch zerstreut, weicht gern den Fragen 
aus und wird bei längerem Ausfragen müde und missmuthig. Klar Über ihren 
Zustand ist sie nicht. Im spontanen Gespräche — das sich bei ihr Übrigens nur 
in allgemeinen Redensarten bewegt — spricht sie kein falsches Wort. Als 
ich ihr aber meine Uhr Vorhalte und frage, was das sei?, sagt sie: 
„Ein Dreimarkstück.'* Sie bleibt auch dabei, wenn ich sie die Uhr be¬ 
fühlen lasse oder wenn sie das Schlagwerk derselben hört; ebenso be¬ 
zeichnet sie weiterhin alle möglichen anderen ihr vorgezeigten Dinge 
mit „Dreimarkstück". Sie sieht jedenfalls gut und bietet auch sonst keine 
Zeichen von Seelenblindbeit; kennt z. B. den Hausarzt und auch seinen Hamen. 

Der rechte Arm ist deutlich paretisch: besonders die rechte Hand, 
mit der sie auch unsicher und sehr ungeschickt greift. Die SehnenreSexe an den 
rechten Extremitäten sind uicht erhöht. Nadelstiche werden empfunden. Das linke 
Stirnbein ist besonders nach der Schläfe zu beim Beklopfen deutlich 
empfindlich. 

Der Urin wird wieder gehalten. 

2. /XII. Heute wieder benommen. Die Lähmung der rechten Hand ist 
stärker, auch Clonus der rechten Achillessehne ist wieder vorhanden. 
Der rechte untere Facialis ist deutlich paretisch, die Zunge weicht 
stark nach rechts ab. Spontan spricht die Pat. kaum, versteht aber 
alles und liest einige Zeilen laut ganz glatt. Das Stirnbein ist bei Be¬ 
klopfen links entschieden empfindlich. Eine genaue Untersuchung der Ohren 
ergiebt beiderseits normalen Befund. Kein Geräusch am Kopfe zu hören, ebensowenig 
am Herzen. In der Nacht war sie unruhig, redete verwirrtes Zeug, delirirte auch 
heute Morgen noch. 

3. /XII. Wie gestern. Sehr benommen. Spricht kaum. Auf die Frage: was 
macht der Kopf, sagt sie nach mehrmaliger Wiederholung: „Ach so, der Kopf; ja 
dem geht es schlecht." An der rechten Hand ist besonders die Finger¬ 
streckung sehr schlecht, die Beugung besser. Klopfen am linken Stirn¬ 
bein sehr schmerzhaft. 

Am 4./X1I. hatte die Benommenheit noch mehr zugenommen, die rechts¬ 
seitige Lähmung war stärker; besonders wich die Zunge enorm nach rechts ab. 
Sonst Status idem. 

6./XII. Heute wieder viel freier, aber immer noch sehr apathisch. Die 
Zange weicht beim Heraasstrecken stark nach rechts ab, der rechte untere Facialis 
functionirt bei echten Intentionsbewegungen — Zähnefletschen — gut; beim 
Lachen bleibt die rechte Gesichtshälfte zurück. Rechte Hand und rechter Fuss 
sind sehr paretisch, kein deutlicher Achillesclonns. Die Fat. versteht 
alles, was man zu ihr spricht; sie spricht auch alles richtig nach, aber 
spontan wenig. Einen vorgebaltenen Hausschlüssel bezeichnet sie richtig, 

49* 

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ebenso einen Begenscbirm, dann aber nennt sie Löffel and Portemonnaie 
ebenfalls Hausschlüssel. 

9./XII. Wieder sehr viel benommener, enorm schlafsOchtig, gähnt 
immerfort Läbmnng der rechten Seite stärker, kann nicht gehen, hebt 
den rechten Arm nur sehr schwach. Lässt den (Irin wieder unter sich. 

Am 13./XII. war auch rechts wieder dentlicber Achillesclonns ans* 
zulösen. 

Am 17./XIL war die Psyche wieder freier. Die Pat macht die Ängra 
auf, spricht spontan. Bechts Achillesclonns. Ich constatirte am linken Ange eine 
sehr stark gefüllte und geschlängelte, horizontal verlanfende Vene — 
rechter Angenhintergrnnd normal. 

Am 22./XII. nntersnchte Augenarzt Dr. SrÖLTiNa die Fat wieder. Er fand; 
links aasgesprochene Neuritis optica, Grenzen des Sehnerren ganz Terwaschen, 
Schwellnng mässig. Radiäre Blntongen um die Papille, auch einige YerfettangS' 
herde. Peripherie davon frei. Rechts beginnende Neuritis optica ohne irgend nam¬ 
hafte Schwellung; aber auch hier die Grenzen des Opticus verwaschen. Keine 
Blutungen. Am selben Tage percutorische Empfindlichkeit am linken 
Stirnbeine sehr deutlich; gestern zum ersten Male Erbrechen. Beim 
Gehen unsicher, fällt nach rechts; gebraucht das rechte Bein fast garnicht; 
die Unsicherheit ist vielleicht etwas grösser als es der Parese und Benommenheit 
entspricht Eine deutliche Störung des Gleichgewichts ist aber nicht 
vorhanden. 

Am 29./XII. genaue Untersuchung. Die Benommenheit hat im ganzen zu* 
genommen. Die Patientin lässt alles unter sich gehen. Sprechen thut Patientin 
wenig, es scheint sie findet die Worte nicht oder sie hat keine Lust dazu; Sprach- 
verständniss vorhanden. Die Zunge weicht stark nach rechts ab, der rechte F^ialis 
ist nicht zu prüfen. Sie braucht den rechten Arm fast garnicht; fordert 
man sie auf, denselben z. B. zu erheben, auf die Bettdecke zu lagern, so thut sie 
das mit Hülfe des Unken Armes. Sie kann aber auch den rechten jedenfalls in 
Schalter- und Ellenbogengelenk noch gut bewegen. Bei Gehversuchen fällt die 
Patientin nach rechts, sie verlässt sich auf das rechte Bein garnicht, 
schleift es wie einen todten Körper nach. Das Gefühl ist an beiden Körperhälfleo 
für Scbmerzreize sehr lebhaft, die Sehnenrefleze sind rechts nicht erhöht Hente 
werden zum ersten Male Störungen an den Hirnnerven bemerkt, die sich vor 
allem auf die Augenmuskeln beziehen. Ich bat Herrn Dr. STöLTiKa nochmals 
zu untersuchen; er constatirte Folgendes: die Stauungspapille hatte rechts zn- 
genommen; auch hier fanden sich jetzt Blutungen. Die Sehschärfe war 
links jedenfalls stark herabgesetzt. Hemianopsie bestand nicht, auch 
keine hemianopische Papillenstarre, wie ich am nächsten Tage con- 
statirte. Es bestand beiderseits Abducenslähmung, links Ptosis und 
eine Schwäche der hebenden und senkenden Kräfte des Auges. Genaueres 
war in dieser Beziehung bei der Benommenheit der Patientin nichts zu constatiren, 
doch gab sie Doppelbilder an; eine Blickläbmung war nicht zu constatiren. 
Exophthalmus bestand links nicht. Ich konnte noch hinzufügen, dass das Gefiihl 
für ^hmerzen auch in beiden Trigeminnsgebieten, speciell im Gebiete des linken 
Supraorbitalis gut war; eine Prüfung des Geruches gelang nicht. 

Am 30./XII. war der rechte Facialis sehr schwach, Patientin am linken Auge 
so gut wie blind. 

Am 3./I. 1898 habe ich notirt: Wird immer benommener, bricht jetzt auch 
sehr viel. 

Am 7./I. war der rechte Arm contractarirt, in cerebraler Stellung, 
der reo.hte Tricepsreflez sehr verstärkt, die Sehnenrefleze am rechten Beine mässig. 


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Am lO./i. sah ich die Patientin zum letzten Haie lebend: sie ist schwer be* 
nommen, lässt alles unter sich gehen. Beginnender Decubitus am Kreuzbein rechts; 
grosse Blase am rechten Handrücken, nachdem sie einige Zeit auf dieser Hand ge* 
legen hatte. Rechter Arm in cerebraler Contracturstellung, ganz gelähmt; rechtes 
Bein wird bewegt Keine Erhöhung der Sebnenreflexe am rechten Beine. An den 
Augen nichts nenes. Beklopfen des Kopfes wird am linken Stirnbein nicht mehr 
schmerzhaft empfunden; sehr lebhaft aber reagirt die Patientin bei Druck 
auf den linken Snpraorbitalis. Sie spricht nur noch Ja und Nein, ver¬ 
steht aber alles, wenn sie anfgerfittelt wird. 

Der Tod trat am 16. Januar 1898 im Coma ein. 

Kurz znsaiumeiigefasst waren die Krankbeitssymptome und ihre Aufein- 
anderfo^e die nachstehenden: 

Vom October 1897 an allmählich znnehmende Benommenheit 
and Schlafsucht bei erhaltener Intelligenz. Im November 1897 
leichte rechtsseitige Hemiplegie — besonders Schwäche der rechten 
Hand —, nie Convulsionen; die Hemiplegie ist in ihrem Grade cou- 
form dem Bewusstseinszustande — ist die Benommenheit schwer, 
so lässt sich rechts auch Achillesclonus auslösen. Dazu Störungen 
der Sprache — zuerst Paraphasie, zuletzt fast vollständige Sprach¬ 
losigkeit; Sprachverständniss voll erhalten, zuerst auch die Fähig¬ 
keit laut zu lesen und nachzusprechen. Deutliche percutorische 
Empfindlichkeit am linken Stirnbein. Allgemeinsymptome des 
Tumors gering, am deutlichsten die Apathie und Somnolenz; massige 
Kopfschmerzen, Erbrechen selten und erst dicht vor dem Tode 
häufiger. Stauungspapille fehlt zuerst — ist erst am 21./XI1. links 
deutlich — rechts beginnend; am 30./X11. beiderseits stark — links 
Amblyopie. Am 30./X1I. links Ptosis, Schwäche der Heber und Senker 
des linken Auges; beiderseits Abduceuslähmung; Hyperästhesie 
des linken Nervus supraorbitalis, also jetzt eine Art alternirender 
Hemiplegie. Am Schlüsse, lO./I. 1898, volle Lähmung des rechten 
Armes in cerebraler Contracturstellung. Niemals deutliche Gleich¬ 
gewichtsstörungen, keine Rumpfmuskelschwäcbe. 

Die Diagnose des Hirntumors war in diesem Falle leicht zu stellen. Was 
zunächst die Allgemeindiagnoee anbetraf, so waren ja allerdings die Allgemein- 
Symptome des Hirntumors Ende November, zur Zeit meiner ersten Untersuchung, 
nur sehr gering au^ebildet, wie das Kopfweh, oder sie fehlten vollständig, wie 
Erbrechen und Stauungspapille. Dennoch konnte man schon damals bei den 
langsam unter leichten Kopfschmerzen eintretenden und fortschreitenden son¬ 
stigen, auf das Hirn hindeutenden Krankbeitssymptomen und besonders bei der 
ausführlich erörterten, gerade für die Himgescbwülste so charakteristischen 
Benommenheit kaum an ein anderes Leiden als einen Hirntumor denken. 
Möglicherweise wurden ja die Kop&chmerzen auch nur durch die Benommenheit 
verdeckt. Von sonstigen — sc^enannten localen — Symptomen waren im 
Anfang meiner Beobachtung vorhanden: rechteseitige Hemiplegie, die in ihrer 
Intensität wie die Benommenheit sehr wechselte; im schlimmsten Falle die 


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ganze rechte Sdte betraf, im leichtesten nnr die rechte Hand; ferner Sprach¬ 
störungen — Paraphasie im spontanen Gespräch und beim Benennen vor- 
gehaltener Gegenstände, zuerst erhaltene Fähigkeit zu lesen und nachzusprechen, 
später Unlust oder Unfähigkeit (?) zu sprachlichen Aeusserungen — jedenfalls 
immer erhaltenes WortTerständniss — also im Ganzen trotz der Unbestimmtheit 
und Geringfügigkeit der Störungen — eine motorische Aphasie; schliesslich 
eine deutlich umschriebene percutorische Empfindlichkeit über dem 
linken Stirnbeine. Damit war sicher, dass der Tumor in der linken 
Hemisphäre sitzen musste. Bei dem Mangel sensibel-sensorischer Störungen 
kam nur die vordere Hälfte der linken Hemisphäre in Betracht, schon das 
Parietalhim und die hinteren Theile der Schläfenwindungen waren anszn- 
schliessen; — bei dem Vorhandensein einer motorischen Aphasie, einer leichten 
und in der Intensität erheblich wechselnden rechtsseitigen Hemipl^e — bezw. 
Monopl^a brachialis — und vor Allem bei der deutlich nachweisbaren percu- 
torischen Empfindlichkeit über dem linken Stirnbein war mir die Diagnose 
Stirnhirntumor am wahrscheinlichsten. 

Es blieb nur noch übrig einen Sitz des Tumors in der Nachbarschaft des 
linken Stirnhims, also im Centralhim oder in den vorderen Theilen des Schläfen¬ 
lappens auszuschliessen, da bei diesen Sitzen ja die Symptome jedenfalls den 
vorhandenen sehr ähnlich sein konnten. Ein Sitz des Tumors in den Central¬ 
windungen war nun schon wegen des Fehlens von Convulsionen unwahrschein¬ 
lich; noch mehr sprach gegen ihn der Wechsel in der Intensität und Extensität 
der rechtsseitigen Hemiplegie, die, da sie in beiden Richtungen gleichen Schritt 
mit dem Grade der Benommenheit hielt, am eisten durch wechselnden Druck 
auf die Gentralwindungen, bezw. ihren Stabkranz von der Nachbarschaft 
her zu erklären war; jedenfalls konnte bei einer Zerstörung der Gential- 
windungen selbst ein solcher Wechsel kaum in gleichem Maasse eintreten. 
Dagegen wagte ich es zu dieser Zeit noch nicht, mit Sicherheit gegenüber der 
Diagnose Stimhimtumor einen Sitz der Geschwulst in den vordersten Partieen 
des linken Schläfenlappens auszuschliessen; denn ein dort sitzender Tumor konnte 
durch Druck auf die benachbarte dritte Stimwindung eine motorische Aphasie, 
durch Druck auf die Centralwindungen eine an Intensität wechselnde rechtsseitige 
Hemiplegie mit geringster Betheiligung des Beines, wie es hier der Fall war, 
auslösen; und auch die umschriebene percutorische Empfindlichkeit in der linken 
Stiriischläfengegend war wohl mit diesem Sitze vereinbar.^ Ich diagnosticirte des¬ 
halb zunächst: Tumor der linken Grossbirnhemisphäre — am wahr¬ 
scheinlichsten im linken Stirnhirn — vielleicht in den vordersten Theilen 
des linken Schläfenlappens. Zu einem Vorschläge zur Operation konnte ich 
mich damals noch nicht entschliessen. Der weitere Verlauf sollte nun die 
Diagnose: Stirnhirntumor links vollkommen befestigen. Zunächst 


' Bass diese Vorsicht angebracht war, beweist ein Fall von Allek Siabr and Waia, 
der genau dieselben Sjmptome bot, wo der Tnmor vergeblich im Stimbim gesucht wurde 
und Bohliessliob an der Spitze des linken Schläfenlappens sass. Medie. News. 1897. Aug. 7. 




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wurde die Allgemdudiagnose ganz sicher, als sich, zwar spat, wie so häu% bei 
SürDhimttiinoren, daun aber rasch erst links, dann rechts Stauungspapille 
anstellte und noch etwas später auch Erbrechen eintrat. Als dann Ende 
December 1897 zu diesen Symptomen noch die Zeichen einer Himnerven- 
erkrankung hinzutraten, die in ihrer Gruppirung: linksseitige Abducens> und 
Oculomotoriuslähmnng zugleich mit Hyperästhesie im linken Supraorbitalis — 
rechts Abdncenslähmnng — ganz direct auf eine Läsion der betreffenden Hirn- 
nerren an der Basis der mittleren Schädelgrube unterhalb des linken Stirnhimes 
hindeuteten, da schien mir, zumal da auch die Entwickelung der Stauungs¬ 
papille, die zuerst nur links Torhanden war, und hier rasch zur Amblyopie 
führte, auf einen directen Druck auf den linken Opticus bezw. seine Gefässe 
an der Basis hinwies, die Diagnose: Tumor im linken Stiruhirn ganz 
sicher und ich stellte dieselbe jetzt noch bestimmter dahin, dass ich sj^^: es 
handelt sich um einen Tumor des linken Stirnhirnes, der besonders 
nach der Basis zu gewachsen ist und hier die zwischen Stirnhirn 
und Basis cranii in der Augenhöhle ?erlaufenden Nerven com- 
primirt hat. Jetzt erst wagte ich es auch, bei der Sicherheit der Localdiagnose 
dem Hanne der Patientin den Rath zu einer Operation zu geben; auch hier, wie 
ich das immer gethan habe, mit aller Offenheit in Bezug auf das mit der Operation 
möglicherweise zu erreichende oder nicht zu erreichende; ich hob noch bestimmt 
hervor, dass bei der Schwere der linksseitigen Hirnnervenlähmungen der Tumor 
wahrscheinlich tief im Stimhimmarke sässe und wenigstens nahe an die Basis 
reiche, und dass er unter diesen Umständen schwer zu exstirpiren sein werde. 
Der Gatte lehnte dann nach einigem Ueberlegen die Operation ab, wie ich jetzt 
sagen kann, glücklicherweise. Ueber den weiteren Verlauf ist dann weiter 
nichts zu sagen, als dass er bis zum Tode nichts ergab, was mich in meiner 
Diagnose: „Tumor im linken Stirnhirn“ hätte erschüttern können. 

Die Section der am 16. Januar gestorbenen Patientin — wir mussten uns 
mit der des Kopfes begnügen — fand am 17. Januar Abends Uhr statt 
Sie ergab Folgendes: 

Schädeldach ziemlich dünn, mit der Dura nicht verwachsen. Dura überall 
intact Hirnwindungen verstrichen. Nach der Herausnahme des Gehirnes 
macht die linke Hemisphäre einen massigeren Eindruck als die rechte; die 
vorderen Theile des linken Schläfenlappens sind nach unten, die ganze linke 
Hemisphäre ist nach hinten verschoben, so dass die Spitze des linken Occipital- 
lappens die des rechten um 2 cm nach unten und hinten überragt Eine Ver¬ 
schiebung der Massen der linken Hemisphäre über die Mittellinie nach rechts 
bat nicht stattgefunden. 

Es wird ein Frontalschnitt durch beide Hemisphären etwa in der Mitte 
des Stimbimes gemacht: genauer li^ derselbe etwa 45 cm hinter dem Stirn¬ 
pole; er beginnt an der Medianlinie etwa 2 ^/^ cm vor der Präcentralfurche und 
trifft unten aussen an der Fossa Sylvii gerade noch die vordere Gentralwindung 
(die Schnittfläche entspricht ungefähr der Fig. 242 in Dejbbine’s Anatomie des 
centxes nerveux). Auf dem Schnitte zeigt sich sofort der gesuchte Tumor: er 


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ist hier, wie die weitere Untersuchung ergab, in seiner grössten Ausdehnung 
getroffen und nimmt einen grossen Theil von der gesammten Schnittfläche ein. 
Durch seine Einlagerung ist der Durchschnitt der gesammten linken Hemi¬ 
sphäre gegenüber dem der rechten erheblich veigrössert: vor allem im verücaleü 
Durchmesser; dieser betragt links 10,3, rechts nur 8,8 cm, und zwar hat 
diese Vergrösserung mehr nach unten als nach oben stattgefunden; die linke 
Hemisphäre überragt die rechte nach unten um einen ganzen, nadi oben um 
einen halben Centimeter. Der transversale Durchmesser beträgt links 6, 
rechts nur 5 cm. Der Tumor selbst ist hier 6 cm hoch, 3 cm breit und hat 
unge^T eine ovale Figur. Der Tumor, der ganz in der Hemisphäre darin 
liegt und die Rinde nirgends direct in Mitleidenschaft zieht, nimmt nicht den 
ganzen hier getroffenen Frontalschnitt ein, sondern kurz ausgedrückt, nur seine 
unteren und äusseren Antheile. So lä^t er den über dem Balken befindlichen 
An theil des Oyrus fomicatus, die erste (Gyros frontalis 1 und Gyrus margi- 
nalis an der Medianfurche), die zweite und den dem convexen Theil der Hemi¬ 
sphäre angebörigen Theil der dritten Stimwindung frei und zwar sowohl in ihrer 
Kinde wie in ihrer Markfaserung, jedenfalls was die Hauptmassen der letzteren 
anbetrifft; er bleibt von der Rinde der ersten Stimwindung cm entfernt, 
von der der zweiten 2 V 3 cm und von der der dritten noch IV» cm. Dag^en 
reicht er soweit nach unten und unten aussen, dass vom orbitalen Theile der 
dritten Stimwindung nur ein etwa 3 rnm breiter Saum zwischen ihm und Pia 
übrig bleibt, welcher Saum ausserdem stark nach unten und aossen gedrängt 
ist; ebenso erreicht er die Rinde des orbitalen Theiles der ersten Stimwindung 
(Gyrus rectus) und des unter dem Balken beenden Antheils des Gyms fomi- 
catus bis auf 1—cm. Unterhalb des Seitenventrikels erreicht er also ziemlich 
auch die Medianfurche. Seine mediane und theilweise auch seine obere Grenze 
auf diesem Querschnitte bildet der Boden des Seitenventrikels (Yorderhom), dessen 
Ependym er knollig bervordrängt, aber nicht durchbricht; oberhalb und nach 
aussen vom Seitenventrikel ragt er auch in die untersten Theile des Centmm 
semiovale hinein. Der Balken und die Laminae ventriculi septipellucidi sind 
nicht nach rechts verschoben; der Raum des linken Seitenventrikels ist zu- 
sammengedrückt Direct unter dem vom Tumor am meisten eingenommenen 
orbitalen Theile des Stimhimes verlaufen der linke Olfactorius und der linke 
Opticus. 

Vom Tumor zerstört auf diesem Querschnitte sind also: der Nucleos cau- 
datus, die vordersten Theile der inneren Kapsel und das Putamen des Linsen- 
kemes — alles dreies wird hier auch noch unter der Bezeichnung Streifenkörper 
zusammengefasst; ferner die äussere Kapsel, die Vormauer und die nach unten 
und aussen von diesen Theilen liegenden Markmassen der orbitalen Theile der 
dritten und ersten Stimwindung, des Gyrus rectus und der unteren Theile des 
Gyrus fomicatus; schliesslich der unterste innere Antheil des Centrum semiovale. 

Der Tumor ist an seinen Rändern nicht sehr scharf abgegrenzt, seine 
äussersten Antheile und eine nicht sehr bedeutende ihn un^ebende Erweichungs- 
Zone gehen ineinander über. Immerhin kaim mau seine Grenzen gut erkennen. 


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&ei beraoszulösen ist der Tumor aus der Hinunasse aber nicht Er ist auf 
dem Durscbuitt theils röthlich grau und daun speckig glanzend, theils verkäst, 
offenbar auch recht blutreich, seine Consistenz ist massig weich; mikroskopisch 
besteht er ans meist stark verfetteten Bundzellen (Bundzellensarcom mit 
theilweiser Nekrose). 

Das Hirn wird nun erst in Formel gehärtet Dann wird, um zu sehen, 
wie weit nach vom von dem oben beschriebenen Frontalschuitte der Tumor 
noch rdcht, auf die Hinterflache des vor diesem Schnitt liegenden vordersten 
Hintertheiles, und zwar in der Mitte des Tumors, ein sagittaler Schnitt 
gesetzt, der also diesen Stimhimantheil in eine mediane und laterale Hälfte 
spaltet Man sieht dann, dass der Tumor vom vorher beschriebenen Frontd- 
schnitte noch 1,7 cm weiter nach vom reicht, vom Stimpol bleibt er noch 
2,3 cm entfernt; Tumor und Erweichungszone sind auch hier makroskopisch 
nicht scharf voneinander zu trennen. Der Tumor veijüngt sich nach vom vom 
vorher beschriebenen Schnitte sowohl im senkrechten, wie im transversalen 
Dorchmföser, aber nicht sehr stark; sein vorderer Anblick wurde etwa einer 
Halbkugel entsprechen. 

Dann wird ein zweiter Frontalschnitt P/j cm hinter dem vorigen durch 
bdde Hemisphären gelegt, also etwa 60 cm vom Stimpol entfernt (Dejebike, 
L c. Fig. 245). Der Schnitt bleibt an der Medianfurche etwa 1 cm vor der 
Präcentralfurche; sdmeidet dann die vordere Gentralwindung etwa in der Mitte 
und berührt an der SYLVischen Grabe auch die hintere Gentralwindung. Auch 
auf diesem Schnitte ist die linke Hemisphäre noch ausgedehnter als die rechte; 
ihre Höhe beträgt mit dem Schläfenlappen 10,5 cm gegen 9,2 cm rechts, 
ihre Breite 6,1 cm gegen 6 cm rechts; der Schläfenlappen ist stark nach unten 
gedrängt 

Der Tumor selbst ist hier sehr verjüngt, er ist etwa 3 cm breit und 2 cm 
hoch, käsige Stellen finden sich in ihm hier nicht mehr. Er nimmt das Gebiet 
unmittelbar unter dem Boden des Seitenventrikels ein, dessen Ependym er vor« 
gewölbt, aber nicht durchbrochen hat, und den er ganz zugedruckt hat 

Der Balken ist hier etwas nach oben, der linke Fornixschenkel nach rechts 
TOTSchoben. 

Direct zerstört sind vom Tumor hier nur der Nucleus caudatus, obere und 
äussere Theile des vorderen Antheiles der Gapsula interna und angrenzende 
Theile des Markes der zweiten Stimwindung, schliesslich oberste vorderste Theile 
des Thalamus opticus. Dag^en sind zwar nicht direct vom Tumor durchsetzt, 
aber erweicht und wie geschwollen, so dass das rechts deutliche Bild des Quer¬ 
schnittes verwaschen ist, das ganze Gebiet, das vom Tumor nach unten bis zum 
Ansätze des Schläfenlappens und in transversaler Bichtung von der Vormauer bis 
zur Medianforche reicht In di^em Gebiete li^en Theile des Thalamus opticus, 
die Sobstantia grisea centralis und die Substantia perforata anterior, der Globus 
pallidus des Linsenkernes, das Putamen, auch Theile der inneren Kapsel. Ganz 
frei sind also auf diesem Querschnitte nur der Gyras fornicatus und die erste 
Stimwindung mit ihrem Marke, der grösste Theil des Markes der zweiten Stirn- 


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Windung, das Mark und die Rinde des hier getroffenen mittleren und unteren 
Antheiles der vorderen Centralwindung, Vormauer, äussere Kapsel, Inselrinde 
und Schlafenlappen. 

Ein dritter Frontalschnitt wird 1 cm hinter dem vorigen, also etwa 70 cm 
vom Stimpol entfernt, angelegt (Dbjebine, etwa Fig. 248.) An der Median¬ 
linie trifft er gerade den vorderen Rand der vorderen Centralwindung, diese 
selbst im oberen Drittel, die hintere etwa in der Mitte; an der Foesa Sylvü 
auch noch den Gjrus supramarginalis. Hier findet sich nur noch ein etwa 
haselnussgrosser Tumor unterhalb des Bodens vom linken Seitenventrikei. 
Plr hat diesen Ventrikel auch hier ganz zugedrnckt, aber sein Ependym ge¬ 
schont. Zerstört hat er den Nucleus caudatus, der hier schon sehr klein ist, 
die nächstgel^enen Theite der inneren Kapsel, aber nur in sehr geringem 
Maasse, und ebensolche Theile des Thalamus opticus. Alles andere ist frei, 
vor allem auch hier der Gyrus fornicatus, die erste Stiinwindung, die vordere 
und hintere Centralwindung mit ihrem respectivem Marke. Die nicht vom 
Tumor ergriffenen Theile des Thalamus opticus, der inneren Kapsd und des 
Linsenkemes sind auch hier noch etwas geschwollen, so dass auch hier noch die 
linke Hemisphäre massiger ist als die rechte; aber ihre Zeichnung ist deuthch 
zu erkennen. 

Von diesem Schnitte an läuft noch ein spitzes Ende des Tumors immer im 
Gebiete des Nucleus caudatus unter dem Ventrikel-Ependym bis dahin, wo das 
Hinterhom in das Unterhorn einbi^ Hier liegt es unter dem Schenkel des 
linken Fomix. 

Fassen wir den anatomischen Befund noch einmal kurz zusammen, so kann 
man wohl sagen, dass es sich um einen ziemlich rein das Gebiet des 
linken Stirnhirns afficirenden Tumor handelt Vom Tumor selbst sind 
nach hinten vom Stimhim nur der Nucleus caudatus und ganz geringe Theile 
der inneren Kapsel und des Thalamus opticus ergriffen; von der Erweichung in 
seiner Umgebung etwas grössere Theile der Centralganglien und der inneren 
Kapsel. Die grösste Ausdehnung hat der Tumor jedenfalls unter 
der Mitte der Stirnhirnrinde, er betheiligt hier speciell das Mark 
der orbitalen Stirnhirnantheile, speciell auch den orbitalen Theil 
der dritten Stirnwindung, ferner das Corpus striatum und an¬ 
grenzende Theile des Centrnm semiovale. Die medianen (Gyrus maigi- 
nalis) oberen und oberen äusseren Theile des Stimhimes lässt er hier firei, dringt 
auch nicht in den Ventrikel ein. Von hier aus reicht er nach vom, sich langsam 
verjüngend, bis 2,3 cm hinter den Stimpol. Nach hinten verschmälert er sich 
rasch, so dass in den hinteren Theilen des Stirnhirns vom Tumor selbst 
nur die Gebilde direct unterhalb des Bodens des Seitenventrikels 
ergriffen sind, von der Erweichung in seiner Umgebung aber auch 
noch das ganze Gebiet der Centralganglien und die innere Kapsel. 
Frei vom Tumor und grösstentheils auch von der Erweichung sind jedenfalls 
auch die Centralwinduugen und ihr Mark, am nächsten kommt der Tumor no(^ 
an die unteren Theile der Centralwindungen heran, von den oberen bleibt er 


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weit eDtferot Der Tumor ist offenbar besonders nach unten und aussen zu 
gewachsen und hat die orbitalen Tbeile des Sümhims stark nach unten gedruckt; 
hier hat er auch wohl die unter diesem Theile liegenden Nerven und Geisse 
comprimirt ITeberall bleibt er in der Hirnmasse, erreicht nirgends 
die graue Rinde. Vielleicht ist er zuerst im Corpus caudatum entstanden, 
das er fast in seiner ganzen Länge durchsetzt 

Wie man sieht, bestätigte der anatomische Befund vollkommen die im Leben 
gestellte Diagnose: Tumor des linken Stirnhirns, ja sogar die Annahme, 
dass der Tumor ln den basalen Theilen dieses Himantbeiles in der Hauptsache 
sitzen müsse. Mein Fall bietet also einen Beweis, dass bei einigermaassen aus< 
geprägten Symptomen und vor allem auch bei einiger Eenntniss des Verlaufes 
der Erkrankung auch die Localdiagnose eines Stirnhirntumors, wenigstens 
auf der linken Seite, mit grosser Sicherheit zu stellen ist, ja, dass wir sogar 
unter günstigen Umständen sagen können, in welchem Theile des Stimhims der 
Tumor in der Hauptsache seinen Sitz haben muss. Ich selbst habe mehrmals \ 
zuletzt in einem Vortrage auf dem internationalen Aerztecongress in Moskau, 
alle die Symptome zusammengratellt, die bei einem Tumor des Stimhims vor- 
kommen können und localdiagnostisch zu verwerthen sind. Es sind neben 
einer der cerebellaren ganz gleichenden Ataxie beim Stehen und Gehen, auf 
die idi in diesem Vortr^e besonderes Gewicht legte, nach der dort mitgetheilten 
Tabelle die folgenden: 

1. Monoparesen oder Hemiparesen, eventuell motorische Aphasie ; im Beginn 
der letzteren vielleicht dysarthrische Störungen. Rnmpfmuskel- 
schwäobe? 

2. JAGKSOH’sche oder mehr al^emeine epileptische Gonvulsionen; manchmal 
auch tonische Krämpfe der Rumpfmuskulatur, oder tonische Verbiegung des 
Kopfes nach einer Seite. 

3. Eventuell krampfhafte Ablenkung der Augen vom Tumor weg. Bei 
einseitigem Tumor keine Blicklähmung. 

4. Bei Durchbruch nach, oder Druck auf (jetzt hinzugefügt) die Basis Läsion 
eines Opticus oder Tractus mit einseitiger Erblindung oder gekreuzter Hemi¬ 
anopsie, einseitiger Anosmie, Abducens-, seltener Oculomotoriuslähmung. In diesen 
Fällen auch manchmal alternirende Hemiplegie durch gleichzeitige Lähmung der 
wechselständigen Extremitäten. Ebenso unter diesen Umständen manchmal 
zunächst (jetzt hinzugefügt) einseitige schwere Stauungspapille, die sonst bei 
Stimhimtumoren ein Spätsymptom ist. 

5. Im Anfänge geringer Kopfschmerz. Später Kopfschmerz meist im Vorder¬ 
kopfe, aber auch im Hinterkopfe, sogar mit Nackenstarre. 

6. Witzelsucht Im Terminalstadium starke Benommenheit. 

7. Eventuell umschriebene percutorische Empfindlichkeit und Tympanie. 

Vergleicht man die Symptome meines vorliegenden Falles mit dieser Tabelle, 

so wird man wohl zugestehen, dass mein Fall ein neuer Beweis fürdieRich- 


' Die Geschw&lste des NerTensjstems. 1897. Berlin. Karger. 


r i.,GOOglC 



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tigkeit und Vollständigkeit derselben ist; al[^;e8ehen von den im Absatz 2 ond 3 
angegebenen Symptomen waren bei ihm die übrigen hier aofgeführten in seltener 
Vollständigkeit vorhanden; ganz besonders die in Absatz 4 angeführten, die für 
eine Annäherung des Stirnhirntumors an die Basis sprechen. 

Jfva ein Localsymptom des Tumors des Stirnhirns, auf das gerade 
ich die Aufmerksamkeit gelenkt habe, und das ich als ein sehr wichtiges für 
diese Looaldiagnose früher geradezu an die Spitze gestalt habe, fehlte in diesem 
Falle von Stimhimtumor ganz oder war nur sehr schwach ausgebüdet: die 
Gleichgewichtsstörung beim Stehen und Gehen, die frontale Ataxie. 
Das Vorkommen einer der cerebeliaren klinisch ganz gleichenden 
Ataxie bei Tumoren des Stirnbirns ist jetzt wohl ziemlich allgemein 
anerkannt Ueber die Deutung dieses Symptoms herrscht allerdings noch 
Meinungsverschiedenheit Ich selber bin heute der Ansicht, dass die Stönu^ 
des Gleichgewichts bei Tumoren des Stimhimes auf einer Bumpfrnuskelschwäcbe 
beruhen, einer Schwäche, die in unserem Falle nicht nachzuweisen war. Die 
Rumpfmuskulatur ist nach den verlässlichsten Angaben der Himphysiologen cor- 
tical im medialen Antheile des Stimhimes — dem Gyros ma^nalis — localisirt; 
die betreüenden Centren versoi^n beide Körperhälften, aber etwas mehr die 
gekreuzte. Ein Tumor, der so sitzt, dass er eines dieser beiden Centren lädiren 
kann, wird natürlich leicht auch über die Mittellinie hinaus das andersseitige 
Gomprimiren; auf diese Weise würde es sich erklären, dass die frontale Ataxie 
bisher hauptsächlich bei Tumoren gesehen ist Nun lag unser Tumor in deai 
unteren und äusseren Theilen des Unken Stimhims, von dem Gyros maiginalis 
und seinem Marke am weitesten entfernt; es liegt also sehr nahe, anzundunen, 
dass die frontale Ataxie in diesem Falle von Stimhimtumor deshalb gefehlt hat, 
weil die für ihre Entstehung in Betracht kommenden Himtheile versdiont ge¬ 
blieben sind. Erkennt man das an, dann würde der vorliegende Fall auch ein 
Beweis für die Richtigkeit meiner Anschauungen über die Physiologie der fron¬ 
talen Ataxie sein. Ob man soweit gehen darf, bei sonst sicherer Diagnose eines 
Stirnhirntumors, aber mit Fehlen der Ataxie, einen Sitz des Tumors in 
Aussentheilen des Stimhims, fern von der Medianlinie, zu diagnostioiren, das 
möchte ich nach diesem einen Falle nicht entscheiden, sondern diese Frage weiteren 
darauf gerichteten Forschungen überlassen. 

Auch über einige andere Symptome des vorliegenden Falles möchte ich 
mir noch ein paar kurze Bemerkungen erlauben. Zunächst über die Sprach¬ 
störung. Wir haben gesehen, dass dieselbe, kurz aasgedrückt, eine motorische 
Aphasie war; das Verständniss für die Sprache war bis zum Ende erhalten. 
Aber auch auf dem motorischen Sprachgebiete waren die Stömngen im Ganzen 
nur unvollkommeD, obgleich der Tumor die orbitalen Theile der dritten hinteien 
Stimwindung gerade am meisten lädirt hatte und am convexen Theile dee Stim¬ 
hims ebenfalls der Rinde der dritten Stimwindung noch am nächsten gerügt 
war. Die Störungen der Sprache bestanden zunächst in leichter Paraphasie beim 
spontanen Sprechen und beim Benennen vorgehaltener Gegenstände; dabei war 
das laute Lesen und Nachsprechen erhalten, das Schreiben konnte nicht geprüft 


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werden; später wurden die sprachliclien Aeuaserungen immer geringer, be¬ 
schränkten sich auf Ja und Nein. Es machte dann sehr den Eindruck, als wenn 
es sich mehr um eine „Unlust“, als um eine üniahigkeit zum Sprechen bandelte; 
auf diese Unlust zum Sprechen bei der Tumoraphasie hat besonders Oppenheim 
hingewiesen. JedenMs zeigt der Fall wieder, wie ich das auch an anderer 
Stelle hervorgehoben habe, dass wir bei der Tumoraphasie nicht immer so 
scharf umschriebene Erankbeitsbüder erwarten dürfen, wie wir sie bei der apo- 
plectischen Aphasie kennen; unter Umständen — spedell bei langsamem Wachs¬ 
thum der Tumoren — erhalten wir hier nur sehr rudimentäre Bilder. 

Die Stauungspapille liess, wie das bei den Tumoren des Stimhims 
häufig ist, auch im vorliegenden Falle lange auf sich warten. Im B^nn meiner 
Beobachtung (Ende November 1897) war der Ai^enhintergrund beiderseits normal. 
Am 9./X1I. konnte ich die ersten Anfänge einer Schwellung des Sehnerven 
links oonstatiren; am 23./XII. fand Dr. Stölting links erhebliche Neuritis optica 
mit Blutungen, rechts beginnende; am 30./Z1L beiderseits sehr ausgeprägtes 
Oedem; links starke Amblyopie. Es entwickelte sich also zunächst eine rein 
einseitige Stauungspapille mit Blutungen in der Netzhaut und rasch ein¬ 
tretender Sehschwache aut' der Seite des Tumors, Qrst später kam es auch zu 
Neuritis optica der anderen Seite, und zwar bei einem Tumor, dessen Wachs- 
thumsrichtung offenbar nach der Basis zuging, und der dadurch auch andere 
basale Gebilde — Augenmuskelnerven, Trigeminus—direct in Mitleidenschaft ge- 
2 X>gen hatte. Eine solche Entwickelung der Stauungserscheinungen an den 
Sehnerven bei einem wie hier gelagerten Tumor legt doch wohl den Gedanken 
sehr nahe, dass hier die Stauungspapille im Sinne der älteren Lehre von GbIfe’s 
direct durch Druck des Tumors auf den ihm besonders nabeliegenden Sinns 
cavernosus der gleichen Seite oder auf die in ihn einmündenden Venae ophtal- 
micae und ciliares hervo^erufen sei; dass also für solche Fälle die alte Lehre 
Gkäfs’s über die Entstehung der Stauungspapille zu Recht bestehen bleibt, oder 
mit anderen Worten, dass die an ihre Stelle getretene ScHMiDT-MANz^scbe 
Theorie, nach der das Oedem der Papille durch Stauung der Himflüssigkeit im 
Subvaginalraum des Opticus bervorgerufen wird, doch nicht für alle Fälle passt. 
Der hauptsächlichste Einwand gegen die Theorie t. Gbäfe’s, der von Sesemann 
herrührt und der sich darauf begründet, dass eine Stauung des Blutes im Bulbus 
durch Druck auf den Sinus cavernosus garnicht eintreten könne, weil die Vena 
ophthalmica ihr Blut zur Facialvene führe, ist ja auch schon von anderer Seite 
erschüttert worden; jedenfalls scheint dieser von Sesemann für die R^el ge¬ 
haltene Lauf des Venenblutes des Bulbus eher eine Ausnahme zu sein. Ein 
solcher directer Druck auf d^n betreffenden Sinus cavernosus, bezw. auf die in 
ihm einmündenden Venen des Bulbus und damit die Entwickelung einer erst 
einseitigen Stauungspapille auf der Seite des Tumors, die erst doppelseitig wird, 
wenn die Stauung durch den Sinus intercavemosus sich auch auf die andere Seite 
fortpflanzt, wird natürlich besonders leicht bei Hirntumoren stattfindeu können, 
die entweder direct an den betreffenden Stellen der mittleren Schädeigrube, nahe 
der Orbita, entstehen oder in nahe dieser Basis gelegenen Hirntheilen — Stirnhim, 


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Yorderer Theil des Schläfenlappens — dtzen. Darauf hat v. Bbahann ^ vor einigeo 
Jahren besonders hingewiesen und dieser Autor würde also, wie ich jetzt zu¬ 
gebe, insoweit jedenfalls Recht haben, dass bei Tumoren dieses Sitzes dorch 
directe Yenöse Stauung des Blutes im Augapfel der Tumorseite am eisteo 
eine zunächst einseitige Stauungspapille entstehen kann. Dag^n muss kh 
mich immer noch d^egen erklären, wenn v. Bbamann auf Grund dieser That- 
Sachen nun umgekehrt aus einer zunächst einseitigen Stauungspapille allein 
die Diagnose eines Tumors in einer der erwähnten Regionen machen wilL Ein* 
seitige beginnende Stauungspapille kommt bei jedem Sitze des Hirntumors onter 
Umständen vor und kann sc^r auf der dem Sitze des Tumors entg^engesetztes 
Seite anftreten — aus ihr allein ist also eine Localdiagnose nicht zu machen — 
dagegen kann dieser Befand eine solche sicher stützen und mehr präcisiren, wenn 
die einseitige Neuritis optica, wie in meinem Falle, zu Yerwerthbaren anderen 
Localsymptomen hinzukommt. Im Ganzen ist überhaupt der einseitige Beginn 
einer Stauungspapille selten. Dass die Angabe v. BnAniAKN’s, dass Blutungen 
in der Retina nur bei Tumoren vorkämen, die einen directen Druck auf den 
Sinus cavernosus ausübten, also ebenfalls bei Tumoren der erwähnten Theile des 
Stirn- und Schläfenhims und der Basis, nicht aber z. ß. bei Kleinhimtumoren, der 
Erfahrung vollständig widerspricht, habe ich früher schon zur Genüge hervor* 
gehoben. 

Läsionen der an der Basis der vorderen und mittleren Schädelgrube zwischen 
Knochen und Stimhirn verlaufenden Hirnnerven sind bei Stimhimgeschwülsten 
häufig beobachtet und ihre Beeinträchtigung auf der Seite des Tumors ist ja 
auch bei Geschwülsten dieses Sitzes, die nach unten zu Ymchsen, leicht zu er¬ 
klären. ln meinem Falle, wie in vielen anderen, handelte es sich um die Nerven, 
die von der mittleren Schädelgrube in die Orbita verlaufen; auf der Seite des 
Tumors waren Oculomotorius, Abducens, erster Ast des Trigeminus und viel¬ 
leicht auch der Opticus afficirt — auf der anderen Seite noch der Abducens. 
ln anderen Fällen war besonders der Olfactorius in der vorderen Schädelgnibe 
betroffen. Die Lähmung der betreffenden Nerven kann durch directen Dmd 
des Tumors auf dieselben erfolgen, in anderen Fällen, und speciell für die Nerven 
der mittleren Schädelgrube, wäre es aber auch m^lich, dass der Tumor zunächst 
Stauungen im Sinus cavernosus seiner Seite hervorriefe, und dass dann die ge¬ 
schwellten Sinus die ihnen direct angels^erten betreffenden Nerven comprimirte&. 
Bei diesem Mechanismus ist es dann auch leicht erklärlich, dass, wie in memeo 
und ein paar anderen bei Ladahe und Bernhaadt citirten Fällen, die Angeo- 
muskellähmungen und die Trigeminusneuralgie nicht nur auf der Seite des 
Tumors sassen, sondern auch auf der anderen; die Schwellung der Sinus caver¬ 
nosus kann sich ja leicht von einer Seite auf die andere fortpflanzen und dana 
auch dort zur Nervencompression führen. 

Wie wichtig das Eintreten basaler Himnervenlähmnngen für die Loeal- 
diagnose des Stimhimtumors ist, habe ich oben zur Genüge hervorgehoben. Ich 
will hier nochmals darauf hinweisen, dass durch sie bei gleiclizeitiger contrv- 

‘ Verbandlaog der deatBcheo Gesellschaft fSr Chirurgie. XXI. 8. 519. 


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lateraler Hemiplegie auch eine altemirende Hemiplegie erzeugt werden kann. 
Beschrankt sich dann die Hirnnervenlähmung in solchem Falle vielleicht auf 
den Oculomotorios und weiss man nichts vom Verlaufe des Falles, so wird man 
sehr geneigt sein, einen Tumor im Grosshimschenkel anzunehmen. Da kann nur 
die genaue Kenniniss vom Verlaufe des Falles und der Aufeinanderfolge der 
Symptome eventuell richtig leiten. Hat man aber wie in meinem Falle eine 
gleichzei%e Läsion des Abducens, Oculomotohus und des N. supraorbitalis 
gekreuzt mit einer Hemiplegie, so wird man auch ohne Anamnese auf die 
richtige Diagnose kommen können, da diese Nerven nur in der mittleren 
Schädelgrube direct hinter der Orbita nahe zusammengelagert smd und ge¬ 
meinsam comprimirt werden können. Noch klarer wird die Sache, wenn man 
aus rasch eintretender Amblyopie oder Amaurose auf der Seite des Tumors noch 
einen gleichzeitigen Druck auf den N. opticus annehmen muss (wie in meinem 
Falle) oder wenn der Stimhimtumor die Gebilde der Orbita nach vorn treibt 
und Exophthalmus erzeugt 

Von psychischen Störungen fand sich in meinem Falle nur die für Hirn¬ 
tumoren so höchst charakteristis^e eigenthümliche Apathie und Schlafsucht 
Eine eigentliche Intelligenzstörung konnte in keiner Weise nach¬ 
gewiesen werden; im Gegentheil, bis fast zum Tode war die Patientin, wenn 
man sie ans ihrem Sopor aufweckte, über Alles überraschend gut orientirt, und 
nicht so selten erkannte man, dass sie überhaupt auf Vorgänge in ihrer Um¬ 
gebung mehr achtete, als es für den oberflächlichen Beobachter den Anschein 
hatte. Ich hebe das hervor, weil man, nach meiner Ansicht von irrthümlicheu 
Voraussetzungen angehend, dem Stimhim immer wieder besondere psychische 
Functionen zuerkennen möchte, und weil man für diese Ansicht auch Fälle 
von Stimhimtumoren immer wieder ins Feld führt Die Intelligenz im All¬ 
gemeinen ist nicht an bestimmte Himtheile gebunden, sondern bängt vom Zu¬ 
sammenwirken aller ab. Theilweise wird sie deshalb natürlich auch bei Stim¬ 
himtumoren beeinträchtigt sein, aber hier nicht mehr, wie bei dem Sitz des 
Tumors in anderen Himtbeilen, nur vielleicht in anderer Art Dass die Somnolenz 
bei Tumoren des Stimhims besonders gross werden kann, habe ich schon 
früher dadurch zu erklären gesucht, dass gerade Tumoren dieser Gegend be¬ 
sonders gross werden können, ehe sie durch Dmck auf die Medulla oblongata, 
z. B. zum Tode führen. 

Der Verlauf des Leidens war in diesem Falle ein sehr rascher; nicht ganz 
4 Monate nach dem Einsetzen der ersten Symptome trat der Tod ein. Das ist 
jedenfalls eine erheblich unter dem Durchschnitt stehende Dauer. Schwankungen 
in der Intensität der Symptome waren auch hier sehr deutlich, besonders 
wechselte die Somnolenz sehr an Starke und mit ihr gleichzeitig die rechtsseitige 
Hemipl^e. 

Fall II. 

Fangos durae matris mit Zerstörung der linken oberen Scheitelwindung. 

Den Eisenbahnbetriebssecretär Herrn Sch., 55 Jahre alt, nntersuchte ich zum 
ersten Haie am 3. August 1897 in meiner Sprechstunde. Er gab an, etwa seit dem 


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October 1896 krank za sein, er habe seitdem seine Arbeiten — er mr besondere 
mit Bechnnngsrevisionen beschäftigt — nicht mehr gut ausfUhren können, häofig 
habe er auch an SchwindelanfäUen gelitten, im November 1896 fiel er — im 
Schwindelanfall? — von der Treppe und verletzte sich die Glegend des rechten Auges 
und der rechten Hand. Seitdem ward ihm das Lesen schwer und der Uansarzt 
schickte ihn deshalb am 6. Februar 1897 zuerst zum Aogenarzt Dr. Stöltivg. 
Dieser erhob (nach eigenem Berichte) folgenden Befund: Beiderseits dringender 
Verdacht auf beginnende Stauungspapille, namentlich rechts, wo die Papille 
einen pilzförmigen Eindruck macht, während sie links mehr verschleiert ist. Blutungen 
fehlen; rechts auf der Papille einige verfettete Stellen. Visus rechts ’/v 

drin frei. Diagnose: wahrscheinlich Hirntumor. In der nun folgenden Zeit 
traten namentlich psychische Erscheinungen deutlich hervor; der Patient war Ob«' 
seinen Zustand aufs höchste erregt, und vermehrte mit dieser Erregung die vor* 
handenen Fnnctionsstörungen, die wesentlich das l^esen betrafen, hoch sehr erheblich. 
Er klagte über Gedächtuissscbwäche, schlief sehr schlecht, hatte aber niemala 
Kopfschmerzen und litt auch nicht an Erbrechen. Den Juli 1897 brachte 
er in Lauterberg b./H. zu: ohne jeden Erfolg. Die psychische Erregung steigerte 
sich hier noch mehr, besonders erschwert war das Lesen, beim Schreiben werden 
Buchstaben ausgelassen. Nach seiner Bückkehr nach Hannover wurde der Patient 
dann au mich verwiesen. Heine erste Untersuchung, die, wie erwähnt, am 3. August 
1897 stattfand, und die am 4. desselben Monats von Dr. Stöltimo ergänzt wurde, 
ei^b Folgendes: 

Kräftig gebauter und gesund aussehender Manu. Beiderseits Stauungs¬ 
papille. Visus rechts links ^/j^. Deutliche, aber nur rudimentäre rechts¬ 
seitige Hemianopsie; wie mir scheint, ist der Patient in den ausgefallenen 
Gesicbtsfeldtheilen nicht ganz blind, sondern nur stark amblyopisch. Die übrigen 
Hirnnerven sind frei. Deutlich gestört ist die Sprache; zwar ist die spontane 
Sprache intact, es besteht auch keine Paraphasie, aber das Sprachverständniss 
ist entschieden erschwert, namentlich für etwas längere Aufträge und Sätze. 
Das Lesen ist massig gestört; vor allem fallen beim liautlesen Silben und ganze 
Worte aus; sehr schwer wird es dem Patienten auch, richtig von einer Beihe in die 
andere zu kommen; was er liest versteht er aber. Schlechter als das Lesen 
ist das Schreiben: seinen Namen bringt er eben noch fertig, aber mit sehr zittriger 
Schrift; als man ihm dann auftr^ „Constantinopel" zu schreiben, bringt er es nur 
bis „Const". An den Extremitäten — speciell an den rechten — besteht keine 
deutliche Lähmung, die Sebnenreflexe sind beiderseits gleich, dagegen konnte eine 
deutliche Störung des Lagegeffihls im rechten Arme nachgewiesen 
werden; Patient griff, wenn er die Augen schloss, mit der linken Hand an ihm 
angegebeneu Stellen des rechten Armes weit vorbei und traf auch mit der rechten 
Hand Stellen an der linken Körperhälfte nicht immer. Im rechten Arme und 
Beine bestehen auch lebhafte neuralgische Schmerzen. 

Es fehlen, ausser der Stauungspapille, alle Allgemeinsymptome des Tumore 
Ueber Kopfschmerzen hat Patient nicht im geringsten zu klagen, auch 
percntorisch ist der Schädel nirgends empfindlich. Erbrechen fehlt, 
ebenso Benommenheit. Im Gegentheil ist der Patient sehr err^ und ängstlich und 
die Erregung steigert sich bei der Prüfung seiner Functiousstörungen — Leseo, 
Schreiben u. s. w. — so erheblich, dass theilweise auch dadurch die Mängel noch 
mehr hervortreten. Auch beim An- und Ausziehen benimmt sich der Patient sehr 
ungeschickt; manchmal hat man den Eindruck, als litte er an Seelenblindheit 
Sehr erschwert ist auch das Bechnen — auch bei diesen Prüfungen wird er sehr 
erregt. 

Im Uebrigen ergiebt die körperliche Untersuchung keinen Befund. Im Urin 
nichts. Herz gesund. 


- K, Google 



785 


Bei einigeo Untersachnngen in den nächstfolgenden Tagen habe ich namentlich 
die rechtsseitigen GefühlsstOrnngen festgestellt: die Tast- and Schmerz- 
empfindnng war am ganzen E6rper rechts and links intact, auch localisirt 
Patient richtig. Dagegen erkennt er ihm in die rechte Hand gegebene Gegen¬ 
stände schwer, links erkennt und benennt er sie gleich (Störung des stereo- 
gnostischen Sinnes). Bei geschlossenen Augen fiindet er mit der linken Hand 
aufgegebene Stellen am rechten Arm nicht, ebenso gelingt das umgekehrt nur schwer; 
doch ist die Unsicherheit, wenn die linke die active Hand ist, grösser (Störung 
des Lagegeffthls). Das Lesen ging zu dieser Zeit etwas besser, wie bei der 
ersten Frflfung, ist aber immerhin gestört Das Sprachverständniss ist ent¬ 
schieden gestört, namentlich fOr complicirtere Auftr^e, und dadurch sind auch 
genaue Frftfnngen auf das Mnskelgeftihl und den stereognostischen Sinn sehr er¬ 
schwert. Uancbmal wurde es dem Patienten auch schwer sich auf Worte 
so besinnen. Alle Prüfungen regen ihn sehr auf. 

Ich stellte die Wahrscheinlichkeitsdi^nose eines Tumors, obgleich mir das 
Fehlen von Kopfschmerzen und Erbrechen sehr aufßiUig war. Was seinen Sitz an¬ 
betraf, so konnte ich nur sagen, dass beim Vorhandensein rechtsseitiger Gefühls- 
Störungen, einer im allgemeinen sensorischen Störung der Sprache und schliesslich 
rechtsseitiger Hemianopsie der Tumor in den hinteren Theilen der linken Hemi¬ 
sphäre sitzen musste — genauer präcisiren liesa sich sein Sitz noch nicht Ich 
Terordnete Kali jodat. 6,0:200 3 Ual täglich 1 Esslöffel 

Von da an sah ich zunächst den Patienten etwa alle 4 Wochen in meiner 
Sprechstunde. 

Am 27./IX. 1897 habe ich notirt: Deutliche rechtsseitige Hemianopsie, 
ziemlich vollständig für roth, rudimentär für weiss; stösst beim Gehen an Gegen¬ 
stände rechts und rennt auf der rechten Seite an ihm vorbeigehende Leute an. Seh¬ 
schärfe rechts SS links Die Stauungspapille ist deutlich, rechts stärker 

als links (Dr. STöLrmo). Lesen wie früher, Schreiben etwas besser; jedenfalls 
werden Abschriften, die er zn Hause anfertigt und bei denen er sich Zeit lässt, 
ziemlich fehlerfrei ausgeführt. Das Sprachverständniss ist sehr erschwert; 
er versteht auch einfache Auftr^e nicht, z. B. dass er sich auf dem Untersuchungs- 
sopha auf die andere Seite drehen soll, wird dann sehr erregt und bringt gamichts 
mehr zu Stande. Kachsprecben einzelner Worte gelingt gut. Vorgezeigte Gegen¬ 
stände vermag er nicht immer zu benennen; auch im spontanen Gespräche fehlen 
ihm manchmal Objectbezeichnungen (optische Aphasie). Sonst ist die spontane 
Sprache gut Heute wird das rechte Bein beim Gehen etwas nachgezogen; 
die Gefühlsstörungen rechts wie früher. Wenig Kopfschmerz, keine percutorische 
Empfindlichkeit, kein Erbrechen. 

25./X. Rechter Arm zu allen Verrichtungen ungeschickt, aber in keiner 
Weise gelähmt, doch zeigt sich bei passiven Bewegungsversuchen eine eigenthüm- 
liche Neigung zu Spasmen in demselben. Das Tastgefübl und die Localisation sind 
am rechten Arme gut erhalten, ebenso aucb das Schmerzgefühl In die rechte 
Hand gegebene Gegenstände erkennt Patient durch Betasten nicht; links 
erkennt er sie, vermag sie aber, ohne sie zu sehen, nicht immer gleich zu benennen. 
Mit der linken Hand findet er bei geschlossenen Augen Stellen am rechten Arme 
nicht; umgekehrt geht das besser. Doch sind alle diese Proben sehr erschwert, da 
bei dem mangelhaften Sprachverständniss und der grossen Erregbarkeit des Patienten 
ihm ausserordentlich schwer klar zu machen ist, was er thon soll. Hat er einen 
Auftrag einmal begriffen, so klebt er an demselben; so fasst er sich z. B. immerfort 
wieder mit der rechten Hand an die Nase und an das Ohr, auch wenn man ihm 
schon längst andere Aufträge gegeben hat. Sein rechter Arm kommt dem Patienten 
offenbar selbst sonderbar vor; er betrachtet ihn oft verwundert, sagt: „Ich weiss 
nicht, was mit dem Arme ist, es ist schrecklich“ n. s. w. Oft scheint es auch, als 

60 


u.g/.ac/GoOglC 


786 


ob der Fatleot Aufträge in Besag auf den rechten Arm besonders schwer Tersteh^ 
nicht nar schwer aasfflhrt; befiehlt man ihm» den linken Arm sa erheben» so ge¬ 
schieht das prompt» während er bei gleichem Auftrag für den rechten Arm den Ant 
Terwundert anschaut, dann seinen Arm betrachtet und non nochmal nachfngt, ms 
er thun soll. Dnrch alle diese Umstände wird, trotzdem eine muscoläre Lähmung 
in keiner Weise besteht, doch die Gebrauchsfähigkeit des rechten Armes sehr beein¬ 
trächtigt; der Kranke hat offenbar oft keinen rechten Begriff davon, wie er den 
Arm gebrauchen soll Es besteht eine Art Seelenläbmong. Theilw^ 
wird natürlich aoch dnrch diese Dinge das Schreiben gestört. Linker Arm in jeder 
Beziehung iotact. 

Das rechte Bein ist etwas schwächer als das linke» beim Gehen schlendert 
er dasselbe etwas; der rechte Patellarreflex ist etwas lebhafter als der 
linke. Tast- und Schmerzempfindung, sowie Localisation beiderseits gut. Der Knie- 
hackenversoch gelingt beiderseits prompt Untersuchungen auf Lagegeffihlsstörongeo 
im rechten und linken Bein schlugen fehl, da Patient nicht verstehlv was er thns 
soll und dann sehr erregt wird. 

Beiderseits Stauungspapille; deutliche rechtsseitige Hemianopsie auch 
bei grober Prüfung nachweisbar, setzt sich rechts am Stuhl vorbei. Sonst sind 
die Himnerven frei Sonstige Allgemeinsymptome des Tumors fehlen immer noch. 
Das Sprachverständniss, wie angegeben, erschwert. In der spontanen Sprache 
kaum etwas zu bemerken, findet beute auch alle Bezeichnungen für vor¬ 
gehaltene Gegenstände. Das Lesen geht ziemlich, aber er findet schwer von 
einer Reihe in die andere; das Schreiben — s. o. die Bemerkungen über den rechten 
Arm — ist dagegen ganz erheblich gestört; er bringt nicht einmal den 
Anfangsbuchstaben seines Namens fertig. 

Manchmal zeigen sich Vorgänge, die an Seelenblindheit erinnern; so zieht 
er den Stiefel an den verkehrten Fuss, weiss nicht wie er in die Hose kommen 
soll u. s. w. u. s. w. 

Mitte November war die Schwäche des rechten Beines deutlicher, die Sehnen¬ 
reflexe aber beiderseits gleich. Im übrigen körperlich Status idem. Psychisch war 
Patient viel ruhiger, fühlte sich nach seiner Angabe sehr viel wohler, war weniger 
erregt. Er hatte bis dahin regelmässig Jodkali eingenommen. 

Am 23./XI. war alles das wieder schlechter. Nach dem Befunde von Dr. Stöl- 
T£N6 war die Sehschärfe annähernd dieselbe wie früher. Die Neuritis optica ist 
beiderseits sehr viel ausgesprochener als früher. Die Grenzen des Opücas sind 
beiderseits nicht mehr zu sehen. Die Venen sind gestaut, aber die PapiUe nicht 
pilzförmig vorgetrieben. Pupillenreaction auf Licht gut Die rechte Hemianopsie 
ist jetzt ziemlich complet; hemianopische Pupillenstarre besteht nicht, Das 
Schreiben geht sehr schlecht, das Lesen bei kurzen Worten gut, bei langmi 
schlecht. Vorgehaltene Gegenstände werden richtig bezeichnet, im spontanen Gespräche 
fehlen Hauptwörter häufiger. Paraphasie besteht nicht. Klagen über Kopf¬ 
schmerzen gering; keine percutorische Empfindlichkeit, kein Erbrechen. 

Im December wurde folgendes constatirt; Das Sprachverständniss ist in 
allgemeinen besser als früher, aber jedenfalls nicht vollkommen, namentlich nicht für 
einigermaassen complicirtere Aufträge; man muss ihn diese erst vormachen ehe er 
sie versteht Die spontane Sprache ist ziemlich gut, nur manchmal findet er 
Worte nicht Nacbsprechen intact Vorgehaltene Gegenstände werden 
fast alle richtig bezeichnet; nur die Bezeichnung für „Sessel“ findet er nidit 
Das Lesen ist gut, soweit es die rechte Hemianopsie erlaubt; lange Worte kann 
der Patient nicht auf einmal übersehen; er kommt auch leicht in eine fals(^e Zeile; 
eigentliche Alexie aber besteht nicht mehr; auch das ist besser als früher. Von 
Schreibeproben gelingt noch am besten das Abschreiben, er schreibt richtig ans der 
Zeitung ab: „der Cultusminister“. Dictirt: „Abendausgabe“ gelingt in der Weise: 


P' 


vGoogIc 





787 


„Abend Bei spontuier Schrift (er soll eine Einehe an die Eisenbahndirection 

machen) schreibt er statt: An die Königl n. s. w. „In die Etoigl n. s. v.“; er findet 
das grosse Ä trotz mehrfacher Versuche nicht 

ln die rechte Hand gegebene Gegenstände werden absolut nicht 
erkannt, links erkennt er sie gleich and bezeichnet sie richtig. Die Bewegungen 
des rechten Armes sind auch unsicher, namentlich kann der Patient mit ge* 
schlossenen Angen Gegenstände hier nicht länger festhalten; sehr un¬ 
geschickt benimmt er sich auch, wenn er die Gegenstände von der rechten in die 
linke Hand legen soll. Im Liegen beim EniehackenTersnch an den Beinen keine 
deutliche Ataxie. 

lüitte Januar 1898 Anfall von Unbesinnlichkeit mit üebelkeit, da¬ 
nach heftiger Schmerz im Hacken. Die Schmerzen dauern nur kurze Zeit an. 
Dr. StöIiTino fand zu dieser Zeit: rechts eine charakteristische Schwellung 
der Papille um etwa Vj^mm, links war die Schwellung etwas geringer. 
VisQS rechts links ^so* Complete rechte Hemianopsie. Von dieser Zeit 
an habe ich den Patienten nur noch in seiner Wohnung untersucht. 

Am 2./IL habe ich folgendes notirt: Allgemeinbefinden viel schlechter, 
wird apathischer, ist leicht verwirrt Er findet jetzt die Worte schwer, ver¬ 
spricht sich auch häufig; irgendwie complicirtere Aufträge versteht er 
garnicht mehr. Lesen und Schreiben nicht zu prüfen. Am rechten 
Arme besteht jetzt auch leichte Parese, die Fingerbewegungen sind 
zum ersten Haie steif. Deutlich ist jetzt am rechten Arme auch das 
Berflhrongs- und das Schmerzgefühl verringert. Prüfungen auf das Locali- 
aationsgefflbl gelingen nicht da Patient nicht versteht was man von ihm wilL Bei 
Prüfungen auf Lage- und Bewegnngsgefühl benimmt sich Patient sehr ungeschickt 
bezw. macht falsche Angaben, vielleicht auch hier, weil er nicht versteht was er 
soll. Das Gehen gebt schlecht das rechte Bein wird nachgeschleppt; heute 
zum ersten Haie rechts Achillesclonus. Die rechte Hemianopsie soll 
si ch manchmal zu vorübergehender Erblindung steigern. Eopfschmerzen 
jetzt häufiger, auch manchmal noch Schmerzen in den Gliedern rechts. 

17./II. Seit einiger Zeit sehr viel roehrEopfweh — im Hinterkopfe. 
Eein Erbrechen. Häufig Schwindel Von Zeit zu Zeit ohnmachtsäbnliche 
Anfälle, die Beine knicken ein; Patient taumelt und fällt, immer nach 
hinten. Auch ausserhalb dieser Anfälle ist das Gehen taumlich. Bechte 
Hemiopie deutlich mit grober Prüfung nachzuweisen. Es scheint rechts totale 
Apraxie zu bestehen; er versteht überhaupt nichts, was er mit den rechten 
Extremitäten machen soll. Die rechte Hand ist steif; er fühlt Nadelstiche 
hier kaum. Prüfui^en auf das Lagegefühl sind nicht auaznführen. Das rechte 
Bein wird sehr deulich nachgezogen, es besteht kein Achillesclonus, 
der Patellarreflex ist rechts stärker als links. Im Gespräch fehlen 
dem Patienten sehr viele Worte, das Verständniss der Sprache ist 
heute ziemlich gut. Wenn der Patient Nachts aufsteht, um Wasse? zu lassen, ist 
er ganz disorieutirt. 

Am 20./11. AnfaU totaler Erblindung. Nachher sehr heftige Kopfschmerzen 
und auf der Höhe derselben zum ersten Haie Erbrechen. 

6./III. Taumelt beim Geben sehr viel mehr, besonders nach hinten; das 
rechte Bein wird nachgeschleift. Eopfschmerzen ziemlich andauerd, beson¬ 
ders im Hinterkopfe und beim Niederlegen. Kein Erbrechen wieder. 

22./in. Das Gehen ist sehr viel schlechter geworden. Patient schleift das 
rechte Bein deutlich nach, torkelt stark, besonders nach hinten und rechts. 
Die Sehnenreflexe sind rechts nicht erhöht. Die Ungeschicklichkeit im rechten 
Arme und Beine wie früher, doch kommt in dieser Beziehung sehr in Betracht, 
dass Patient complicirtere Aufträge nicht versteht, vor allem nicht, wenn sie sich 

50» 


- Google 



788 


auf deo rechten Arm beziehen. Einfache Dinge versteht er. Die spontane 
Sprache ist sehr viel schlechter geworden, er findet oft die Worte nicht 
und ver wechselt sie h&ufig (Paraphasie). Lesen ond Schreiben nicht zn prüfen. 
Kopfschmerz mftssig, hein Erbrechen. Hechte Bemianopsie wie früher. 

Am Morgen des G./IY. plötzliche heftige Zunahme der Kopfschmerzen. 
Erbrechen. Benommenheit Beohtaaeitige totale Ptoaia. Gegen 12 Uhr 
Ptcsis rechts noch deutlich, aber geringer. Augenmuskeln sonst gut; nach rechts 
bin werden die Äugen wegen der Hemianopsie nicht gewendet Keine rechtsseitige 
L&hmuDg der Extremitäten, aber rechts Ächillesclonus. Schlafsucht in 
letzter Zeit überhaupt stärker; heute auch starker Singnltus. 

Am 7./IV. war die Ftosis rechts ganz wieder verschwunden, auch 
sonst bestanden keine Hirnnervenlähmungen. Psychisch freier. Sprache lallend, 
bulbär, kaum verständlich. Sprachverständniss sicher sehr erschwert 
Ich konnte aber heute noch constatiren, dass das Lagegefühl am rechten 
Arme jedenfalls sehr mangelhaft ist Patient greift mit der linken 
Hand weit an ihm angegebenen Stellen vorbei; er braucht wegen der 
rechten Hemianopie bei dieser Prüfung die Augen nicht zu scbliessen. Er 
weiss überhaupt mit dem rechten Arme nichts anzufangen; betrachtet 
ihn verwundert (Seelenläbmung). Das Schmerzgefühl ist rechts deutlich 
verringert Eine deutlichere Lähmung besteht auch heute nicht an den rechten 
Extremitäten. Das Gehör ist beiderseits gut 

9./iy. Pat giebt immer nur die linke Hand; nur schwer und mit lai^er 
Mühe bringt man ihn dabin die rechte zu geben, obwohl er den rechten Arm fast 
ganz gut bewegen kann. Doch sollen auch mehr reflectorische Bewegungen, 
z. B. Kratzen des Kopfes, mit der rechten Hand sehr unsicher sein. Er 
isst mit der linken Hand. Schreiben unmöglich, Lesen sehr schlecht, mehr wohl 
als es der Hemianopsie entspricht, doch bekommt Patient kurze Worte heraus. Beim 
lauten Lesen stärkere Paraphasie als beim spontauen Sprechen, doch auch hier 
sehr bedeutend. 

25./iy. Wird immer apathischer — nicht mehr genau zu untersuchen. 
Rechte Pupille weiter als die linke. 

4./y. Tod an Lungenödem; zuletzt Schlucken sehr erschwert. 

(SobloBs folgt.) 


•2. üeber die elektrische Err^barkeit des N. radialis.^ 

yon Dr. Karl Gumperts in Berlin. 

Yor 5 Jahren habe ich* über die Resultate einiger elektrischer Unter¬ 
suchungen des N. radialis bei nicht gelähmten Bleikranken berichtet und die 
in diesen Fällen fehlende Beaction für den positiven Fol des Oeffnungsinductions- 
stromes, sowie das Ausbleiben der galvanischen ASZ als Vorboten einer Nerven¬ 
degeneration angesprochen. 

Diese Annahme ist nun lebhaft bekämpft worden durch Herrn Prof. Bbbk- 
HABDT*, welcher die Anomalie durch die tiefe Lage des Nerven zu erklären sucht 

* Nach einem in der Gesellschaft für Psyohiatris und Kervenktaokheiten am 12. Juli 
1897 gehaltensn Vortrags. 

* Ueber Anomalien der indireoten elektrischen Erregbarkeit und ihre Beziehangen znr 
chronischen Bleivergiftung. Deutsche med. Wochenschr. 1892. 

* Ueber die GuxFBBTz'schen Anomalien U.B.W. Berliner klin. Wochenschr. 1894. Nr.l2. 


Google 


789 


ond sie auch bei Oasonden nachgewiesen haben will. Da ich bereits eine Kritik 
der Bebnhabdt’ sehen Argumente yeröffentlicht habe^, so darf ich wohl auf 
dieselbe yerweisen. 

Ausserdem haben sich noch zwei Amerikaner, Pütnam und Lescztksky, 
mit dieser Frage beschäftigt Pütnam* giebt an, meine Reaction bei allen Blei¬ 
kranken, aber auch bei der fiberwi^nden Mehrheit Nervengesunder gefunden 
zu haben, Lbsczynskt* gleichfalls in einer nnveTh ältniasmAssi g grossen Zahl 
von Fällen; letzterer untersuchte allerdings ausschliesslich mit dem faradisohen 
Strom. Versuchsprotocolle sind von den beiden Autoren nicht veröffentlicht 
worden. 

Da in den letzten Jahren nicht mehr das geeignete Material durch meine 
Hände ging, bis ich durch eine auffallende Beobachtung veranlasst wurde, dem 
Verhalten des N. radialis bei Gesunden und Kranken meine Aufmerksamkeit 
wieder zuzuwenden. 

I. Ein SOjähr. Bucbdracker (Schenk) leidet an schwerer Tabee mit Crises gas- 
triques, Anästhesie des Ulnarisstammes ond Hjpalgesie im Ulnarishautgehiei Ein 
TOD dort excidirtes Haotstbckchen ergab normalen Nervenbefund, weshalb ich hier 
nicht eine periphere Stömng ffir das BiEaNACKi’sche Phänomen snpponirt habe.* 

Nach längerer Panse kommt Pat. am 13./X. 1896 zn mir mit einer angeblich 
seit 4 Wochen bestehenden Lähmung der rechten Hand. Dieselbe hängt der Schwere 
nach herunter. Extension der Hand und der Finger, auch Abduction des kleinen 
Fingers ist unmöglich. Sensibilität gut. 

Der rechte K. radialis giebt faradisch ond galvanisch keine Beaction, di^egen 
ist die directe Moskelerregbarkeit fbr beide Ströme erhalten, die Zuckungen kurz und 
blitzartig. 

Ich sah den Pat erst im Februar 1897 wieder; er konnte jetzt die Hand in 
normaler Weise gebrauchen. Die Lähmung soll 2 Monate gedaoett ond sich inner¬ 
halb zweier Tage zordckgebildet haben. 

Da die Radialisparalyse plötzlich entstanden war und sich anscheinend 
ziemlich keut zurückgebildet hatte, so glaubte ich sie auf eine Femwirkung (im 
Sinne Eahleb’s*) zurückführen zu sollen, zumal da trotz 4 wöchentlicher Dauer 
die directe Erregbarkeit sich normal verhielt Sehr auffallend ist allerdings das 
Fehlen jeglicher indirecter Reaction. 

Auf die gleiche spinale oder meninge^e Ursache glaubte ich, die bei späteren 
Untersuchungen hervortretende Herabsetzung der Radialiserregbarkeit beziehen 
zu sollen, welche sich hier mit einer an die von mir früher beschriebene Ano¬ 
malie erinnernde Erscheinung combinirt 

‘ Berliaer klin. Woohenschr. 1894, Nr. 16. 

’ On certaio pecoliarities in the reaction of the mnscalospiral nerve to electrical cor- 
rentB: and tbeir practical signiflcance. Boston med. and sorg. joom. 1893. Maroh. 

’ The valne of electricitj in diagnoeis and prognoeis of affections of the peripheral 
nerres. New York Med. Record. 1894. 18. Ang. 

* Yergl. HantoerveobefuDdebei Tabes. Zeitschr.f. klin.Med. 1698. Bd.XXXV. H.l n.2. 

' Die in der Discossion dieses Vortrages geänsserte Vennnthang, dass vielmehr die 
Lähmung eine peripherisch-traumatische gewesen und der Nerv an oder oberhalb der Druck¬ 
stelle mit D^ativem Erfolge gereizt worden sei, hat allerdings viel fhr sich, wenn auch 
die Art der Rückbildung daüir nngewöhnlich. 


c,-.,Google 



790 


Es ergab n&mlich die el^rtzisebe Unteisachang: 

6./IV. 1897. Nn. radialis beideraeite sp&t erregbar. 

Farsdische Ka* 80—60 mm faradiscbe An noch später. 

Galvaniscbe KSZ 4,0—5,0 U.>A. ASZ and AOZ mit erträglichen Strömen nicht 
zn erzielen. 

21./7I. 1898. 

K. radialis rechts links 


Faradiscbe Ka 
*» An 
Galvanische KSZ 
„ ASZ / 

.. AOZl 


85 mm B.*A. 

76 ^ „ 

8,0 M.-A. 

160—200 M.-A 


N. nlnaris KSZ 3,0 M.>A. 


85 mm B.>A. 

70 „ „ 

8,0 M.A. 

16,0—20,0 U.*A. sehr nndeotiich. 


Ich habe non auch bei anderen Individuen die entsprechende Untersuchung 
angestellt und es li^en mir jetzt eindeutige Resultate von 50 Yersuohs* 


Personen vor. 

lÜt Ausnahme der obigen Beobachtung habe ich nur noch in 2 Fällen einen 
Befund erhoben, welcher als paBiologisch aufzufassen ist. 

Beide Personen waren aber weit entfernt davon nervengesund zu sein. 


II. Lehmann, 45jähr., Rohrleger. Bach einer nnbedentenden Verletzung Klagen 
Aber Vertotong des linken Armes; will mit der Hand nicht mehr sufassen können. 
Objectiv nur geringe Heralmetznng der Kraft daselbst. Fat ist sehr fett und mns- 
calös, wi^ etwa 240 Pfund. Sehr starker Trinker. Zähne dee Oberkiefers schwarz. 
K. radialis rechts links 


Faradiscbe Ka 80 mm B.<A. 

» An 60 „ (?) 

Galvanische KSZ 4,5 H.«A. 

„ AOZ 10,0 „ 

„ ASZ — 

M. e^nsor digg. KSZ 5,0 H.-A. 


80 mm B.«Ä. 

(keine Fingerextension). 
5,0 H.^A. 

12,0 


Neben der unklaren foradischen und der fehlenden galvanischen ASZ fällt hier 
auch die hohe Reizschwelle fflr KSZ auf. Dass allgemeine Herabsetzung der Nerven¬ 
erregbarkeit besteht, dOrfte auch dvaus hervorgehen, dass der N. nlnaris rechts bei 
3,0 H.-A., links erst bei 5,0 M.A. anspricht, ein N. focialis erst bei 4,0—5,0 H.-A. 


lil. Casper, 58 Jahre. Voi^chrittene Tabes. Grosse Schwäche nnd Mager¬ 
keit Von den Oberextremitäten wird besonders Aber den linken Arm geklagt 
Elektrische Exploration; 


N. radialis rechts 


links 


Faradiscbe Ka 
„ Ad 
Galvanische KSZ 
„ AOZ 

„ ASZ 

N. nlnaris KSZ 


90 mm B.-A. 
80 „ „ 
2,5 U.-A. 

5,0 „ 

12,0 „ 

2,0 „ 


80 mm B.-A. 
36 „ „ 

3,6—4,0 H.-A. 
10,4 ,. 

unklar 


* Faradiscbe Ka und An werden nur der Kfirze wegen f&r negativen und poaitiven 
Pol des Oefftanngrindnctionntromes gebrancbt Eine Radialisreaction wird immer ent dann 
als aolehe bezeichnet wenn der M. extensor digitomm oder Extensor poUicis zockt — Di^ 
rente Elektrode 8.0 qcm, indifferente 100 qcm. 


Diy 


Google 


791 


AQch hier es w<^ mdie, die. einseitig gefundene — bei zwei Unter¬ 
suchungen constant anfgetretene — Anomalie auf Err^barkeitsabnahme zu be¬ 
ziehen, welche ja bei der Tabes nichts seltenes ist 

Alle übrigen Yersnchspersonen — 48 — zeigen eine im ganzen normale 
Badialisreaction. Ich habe nach den Beziehungen zum N. radialis und zur 
Mü^Iichkeit einer oi^nischen Ner?en8chädigung die Fälle in 6 Gruppen getheilt, 
nämlich: 

L Gesunde Personen mit lediglich localen Afifectionen, welche mit dem 
Radialis nichts zu thun haben. 

ln dieser Gruppe waren stets alle Reaotionen mit der groBstm Ldohtigkeit 
zu erzielen, auch bei sehr musculösen Individuen. 13 Fälle, davon 8 Kinder. 
Alter der Untersuchten 13—68 Jahre. Höchster Werth der ASZ und AOZ; 
10,0 M.-A. Fast keine Differenz bdder faradischen Pole. 

II. Functionelle Neurosen und Verwandtes. 18 Personen. Auch gute 
Reaotionen. AOZ trat spätestens bei 10 M.-A., ASZ bei 12 M.-A. ein. Durch¬ 
schnittliche Differenz beider faradischen Pole 20—25 mm. 

IIL Chronische Intozioationen, besonders Alkoholismus. 6 Fälle; ganz gute 
Reactionen, etwa vne bei Gruppe II. 

IV. Epilepsie. 4 Fälle. Desgleichen. Nur einmal Distanz beider fara¬ 
dischen Pole 20—25 mm. 

V. Apoplexie. 2 Fälle. Gute Reactionen. 

Yl. Tabes und Lues spinalis. 5 Fälle. Die in Fall 5 einseit^ spät auf¬ 
tretende ASZ 14,0 äL-A. (gleichmassig bei zwei Untersuchungen gefunden) ist 
vielleicht schon pathologisch, was bei solchen gldch&lls gel^enüich mit herab¬ 
gesetzter Reaction einheigehenden Fällen nicht verwunderlich wäre. 

I. Gruppe: Locale Affectionen, die auch sul^ectiv nichts mit dem N. radialis 
zu thun haben, bei sonst gesunden Personen. 

13 Fälle: 10 männl., 3 weibL 

1. Frau Faprosch. Tic eoDTulsif (leichtere Form). Ziemlich starke Frau. 

Von den Nn. radialis alle Beactiooen zu erhalten. AOZ > ASZ. 


2. Frau Diese, 67 Jahre alt Rheumatische Lähmung des linken N. focialis. 
Keine EaR. Guter Emährnngszustand. 


N. radialis rechts 


links 


Faradiscbe Ka 90 mm R.-A. 

„ An 90 „ „ 

Galvanische ESZ 2,5 M.-A. 

„ AOZ 10,0 „ 

„ ASZ 10,0 „ 
Beiderseits ASZ deutlicher als AOZ. 
Rechter N. olnaris KSZ 1,5 M.-A. 

AOZ 7,6 „ 

ASZ 2,0 „ 


80 mm R.-A. 
80 „ „ 
2,0 M.-Ä. 
10,0 „ 

10.0 „ 


N. hjpoglossus (Stamm) giebt deutliche Reaction fOr faradische Ka bei 70 mm, 
faradische An bei 60 M.-A. 


ig |i/od oy CjOO^Ic 



792 


3. Schubert, 34 Jahre alt Bierbrauer. Rheumatismus. Trinlrt ketneu Schnaps, 
Bier 6—7 Flaschen p. d. 

N. radialis ganz normal. ASZ < AOZ. 

4. Kegler, 26 Jahre alt. Bureaoarbeiter. Lumbago. 

N. radialis galvanisch und faradiseh leicht zu erregen. AOZ > ASZ. Faradiscbe 
Ea und An fast gleich. 

5. Wappler, 54 Jahre ali Schuhmacher. Omarthritis rheum. 

K. radialis gut zu erregen. AOZ > ASZ. 

6. Welak, 26 Jahre alt. Feuerwehrmann. Oanz gesund, nur frQhzeitiges Er¬ 
grauen der Haare. 

N. radialis faradiseh. Ea und An fast gleich. AOZ etwas > ASZ. 

7. Lehmann, Fritz, 86 Jahre alt. Steinmetz. Keine nervösen Beschwerden. 
Von Dr. Maschkb wegen Abducensparese geschickt. Fötus und Lues geleugn^ 
Patellarreflexe ungleich. Radialis ganz normal. 


8. Reinke, 23 Jahre alt. 
Arbeiter. 

N. radialis 
Faradische Ka 
„ An 
Oalvanische KSZ 
„ AOZ 

„ ASZ 

N. nlnaris dexter. 


Coxalgie rechts nach Verletzung. Sehr musculöeer 


rechts 

100 mm R.-A. 

M n 

1,8 M.-A 
6,0 „ 

6,0—7,0 M.-A. 
KSZ 1,0 H.-A., 


links 

106 mm R.-A. 

85 »» M 
2.0 H.-A. 

6,0 „ 

7.0 ., 

AOZ 3,0, ASZ 4,0—50 M.-A. 


9. Frau Eicke, 64 Jahre alt. Schmerzen in der linken Schulter. 
N. radialis rechts links 

Faradische Ka 80 mm E.-A. 85 mm R.-A. 

„ 70—80mmR.-A. 75 „ „ 

Galvanische KSZ 2,6 M.-A. 3,6 M.-A. 

„ AOZ 4,0 „ 12,0 „ 

„ ASZ 10,0 „ 8,0 „ 


10 . 


Hanke, 28 Jahre alt. Arbeiter. Lumbago. Sehr musculös. 
N. radialis rechts links 


Faradische Ea 96 mm R.-A. 

„ An 85 „ „ 

Oalvanische KSZ 2,0 M.-A. 

„ ASZ 8,0—10,0 M.-A. 

„ AOZ 10,0 M.-A. 


95 mm R.-A. 
85 „ „ 

2,0 M.-A. 
7,5 ,. 
10,0 „ 


Sehr stark. 


11. MfiUer, Franz, 36 Jahre alt. Graveur, 
kr&flig. 

N. radialis rechts 


Faradische Ka 
,, An 
Galvanische KSZ 
„ AOZ 

„ ASZ 


96 mm R.-A. 
85 „ „ 

1,5 M.-A. 

6,0 „ 

6,0 „ 


Ischias sin. Sonst gesund und 
links 

95 mm R.-A. 

85 „ „ 

1,8 M.-A. 

6,0 „ 

6,0 „ 


12. Heyder, 13 Jahre ali Quintaner. Schmerzen im linken EUbogengelenk. 
Leichte Periostitis ulnae. 

K. radialis beiderseits ganz normal. AOZ > ASZ. Ulnaris: ASZ > AOZ. 




793 


13. Trebbin, 43 Jahre alt Steinmetz. Neuritis n. ulnaris deztri ez pro* 
fesaione (?). 

Rinne zwischen Caudyl. int and Oleocranon fast nicht zu fahlen. Durch fibri* 
nOse Hassen ausgefOllt Hyperästhesie im Ulnarishautgebiet. Händedruck r. > 1. 
N. ulnaris rechts links 


Faradische Ka 

»I 

Galvanische KSZ 
„ ASZ 
„ AOZ 
N. radialis: 
Faradische Ka 
„ An 
Galvanische KSZ 
„ ASZ 
.. AOZ 


96 mm B.*A. 
96 „ „ 

3,0 H.-A. 
5,0 ,, 

7.5 „ 

100 mm R.-A. 
100 „ 

1.6 H.-A. 
7.5 „ 

4,0 „ 


110 mm B.-A. 
110 ,. „ 
2,0 M.-A. 
4,0 „ 

4,0 ,. 

100 mm B.-A. 
100 „ „ 

1.6 H.-A. 

7.6 .. 

4,0 ,. 


Faradische Ka giebt ttberall kräftigere Zuckung als An. 


11. Gruppe: Functionelle Neurosen und Verwandte 
18 Fälle; 1 männl., 17 weibl. 

1 . Frl. Böhm, sehr dick, nervöse Beschwerden. 

Badialis ganz normal. 

2. Frl. Schultz. Hysterie. Sehr fett Badialis beim Eindrücken gut erregbar 
ASZ S AOZ. 

3. Frl. Ehrhardt Adipositas, Schwindel. AOZ > ASZ. 

4. Frl. SalomoD. Hysterie. Intereostalneuralgie normal. 

6. Frl. Baab, 28 Jahre alt Hysterie. Erblich belastet. Hutismus. Diverse 
hysterische Augenstörungen. Seit 4 Jahren anhaltende Zuckungen in den Armen. 

Trotz der Zuckungen sind alle Beactionen von den Nn. radialis zu erhalten, 
nur ist numerische Bestimmung unmöglich. 

Anscheinend AOZ = ASZ. 


6. Frau Lehmann, 36 Jahre alt. Neurasthenie. 
N. radialis rechts 


links 


Faradische Ka 
„ An 
Galvanische KSZ 
„ AOZ 

„ ASZ 

N. ulnaris ASZ > AOZ. 


90 mm B.-A. 
80 „ 

3,0 M.-A 
5,0 „ 
12,0 „ 


90 mm B.-A. 
80 „ „ 
2,0 M.-A. 
5,0 „ 
10,0 „ 


7. Gliemaann, 50 Jahre alt. Hysterie. 

Nn. radialis: Alle Beactionen gut auszulösen. 


8. Frau Hanne. Anämie. Alte Cozitis tnbercul. 


K. radialis rechts 

Faradische Ka 100mmR.-A. 

„ An 85 „ „ 

Galvanische KSZ 1,5 M.*A. 


links 

90 mm B.-A. 
90 „ „ 

2,0 M.-A. 
10,0 ,. 

5,0 „ 


IJig'V^od oy Google 



794 


9. Fri. Babbach. Kopfachmenen. Blass. Gate Haskeln. 

Badialis rechts: ESZ 1,4 H.*A. ASZ and AOZ 5,0 M.>A. Faradiscb aacb 
normal. 

10. Fr. Eilenfeld, 67 Jahre alt Elimakterisehe Beschwerden. Sehr stark. 


Eniereflex schwach, l < r.. 

nur bei Jendrassik. 


N. radialis 

rechts 

links 

Galvanische ESZ 

2,6 M.-A. 

1,5 H.-A. 

„ ASZ 

6,0 „ 

10,0 ,. 

„ AOZ 

Faradiscb normal. 

ondeotUch 

10,0 „ 


11. Fraa Hanschke, 35 Jahre alt Keorastheme. 

Badialis normal AOZ > ASZ. 

12. Fran Casper, 40 Jahre alt Nearasthenie. 

N. radialis AOZ ^ ASZ. 

13. Frl Jensel, 30 Jahre alt. Hysterie. Sehr mager and blass. 
N. radialis beiderseits normal. 

Bechts faradlsche An < Ea, links &st = Ea. 

Gal?ani8che AOZ etwas > ASZ. 


14. Bandow, Ella, 16 Jahre alt. An&mie. 
Badialis in Ordnung. ASZ AOZ. 


15. Frl. Bromkow, 35 Jahre alt Nearasthenie. 


N. radialis 
Faradische Ea 
I, Ad 
Galvanische ESZ 
„ AOZ 

.. ASZ 


rechts 

80 mm B.-Ä. 
70 „ „ 

2,5 M..A. 
5,0 „ 
12,0 „ 


links 

90 mm B.*A. 
80 „ „ 

2,2 M.-A. 
7,6—8,0 M.-A. 


N. olnaris ESZ 1,6 M.'A. 


16. 


Frau Bieleke, 36 Jahre alt. Anämie, Hysterie. 

N. radialis rechts links 


Faradische Ea 
„ An 
Galvanische ESZ 
AOZ 
.. ASZ 


95 mm B.>A. 
90 ., „ 

1,6 M.-A. 

6.0 „ 

6,0 „ 


100 mm B.-A. 
100 „ „ 

1,2 M.-A. 
3,6—4,0 M.-A. 
6,0 H.-A. 


17. Frl. Schaaf, 30 Jahre alt. Hysterie 
Narkose). 

N. radialis rechts 


Faradische Ea 
„ An 
Galvanische ESZ 
„ AOZ 

„ ASZ 


110 mm B.-A 
100 „ „ 

1.5 M.-A. 

2,0 ,. 

7.5 „ 


(nach mehrfachen Operationen in 
links 

110 mm B.-A. 

100 ., „ 

1,3 M..A. 

2,0 „ 

7.0 „ 


18. Frau Grau, 36 Jahre alt. Anämie, Macies, Gesichtshallncinationen; keine 
deutlichen Wahnideeen. 

N. radialis ausserordentlich leicht za erregen, galvanisch AOZ ^ ASZ. Ebenso 
N. ulnaris. Faradiscb An fast ss Ea. 


Google 


795 


HL Gruppe: Chronische Intoxicationen. 

5 m&Dnl. iDdmdneD. 


1. Jacobsei), 31 Jahre alt, Tischler. Polynearitis alcoholica (Schmenen. Leber- 
Tei^rOsseroog, WZ Bömberg, retardirte Schmerzempfindai^, Nyst^mos, Doppelt- 
Beben n. s. w.)> 

N. radialis rechts links 


Faradische Ka 

I» 

Gal?anische ESZ 

„ A 8 Z (75 

„ AOZ ( 


100 mm B.-A. 
90 „ „ 

1,5 M.-A. 


100 mm B.-A. 
90 „ „ 

1.5 M.-A. 

7.5 „ 


2. Paetzold, 45 Jahre alt, Böttcher. Trank 8 Glas Bier. Januar 1897 Un- 
bül Par&sthesieen, psychische Depression, rechts Taubheit, träge Lichtreaction der 
Papillen, rechts Intemnsparese. Sehr stark. 

N. radialis rechts links 


Faradische Ea 90 mm B.-A. 


,, An 75,, „ 

Galvanische KSZ 3,0 M.-A. 

„ ASZ 6,0 „ 

„ AOZ 12,0 „ 
Scliliessongszucknngen dentlicher. 
N. nlnaris ESZ 1,5 H.-A. 


80 mm B.-A. 
65 „ „ 

8,0 tt.-A. 
12.0 „ 
12,0 „ 


3. Menzel, 28 Jahre alt Alkoholismos chron. 

Patellarrefiexe erhöht. Bechts Dorsalclonns. Bechtes Bein spastisch. Links 
Abdncensparese. Sensibilität gut. Elektrisch normal. 

N. radialis sin. KSZ 0,75 M.-A. 

AOZ > ASZ. 

Alle Beactionen sehr prompt 

4. Kettmann, 37 Jahre alt, Arbeiter. Nenrasthenia alcoloholica. Sehr musculös. 
K. radialis ^iderseits ganz normal. AOZ etwas > ASZ. 

5. Pfendt, 21 Jahre alt, Schriftgiesser. Alkoholismus. Nenrasthenia cordis. 
Die Leber liberragt die Bippenwand nm ca. 2 Querfinger. Sehr musculös. 


N. radialis 


rechts 

links 

Faradische 

Ka 

95 mm B.-A. 

105 mm B.-A. 

ft 

An 

90 „ „ 

105—90 mm B.-A. 

Galvanische KSZ 

1,0 M.-A. 

1,9 M.-A. 

tf 

AOZ 

3,5 „ 

3,5 „ 

tf 

ASZ 

4,0 „ 

4,0 „ 


K. hypoglossns: faradische Ka 70mm B.-A., galvanische nur Schliessungszuckungen. 
,, An 60 „ „ 

6 . Gesske, 37 Jahre. Phtbisis pulm. progress. Ischias sin. Gang paretisch, 
etwas spastisch. Keine Bigidität Patellarreflexe fehlen. Sensibilität normal Grosse 
Haedes. 

Elektrisch flberall normal, auch die Nn. radialis geben alle Beactionen. 


IV. Gruppe: Epilepsie. 

4 männl. Individuen. 

1. Beisser, 26 Jahre alt Hereditarier. Potator. Epileptiker. Sehr gross 
and mnscolöB. 


D a l'/orl ny GOO^ IC 



796 


N. radiaÜB 
Faradiscbe Ea 
»» 

GtehaDiscbe KSZ 
„ AOZ 
ASZ 


rechts 

90 mm B.'Ä. 
70 „ „ 

3.5 H.-A. 

7.6 

10,0 „ 


links 

95 mm B.'A. 
75—70 mm E.»A. 
3,0 M.-A. 

7,5 „ 

12,0 „ 


2. Hamsch, 45 Jahre. Oefters AnfAlle, meist Petit mal. 

Degeneratire Lähmung des rechten H. cncnllaris nach Trauma, jetzt fast geheilt 
N. radialis rechts links 


Faradische Ka 
,, An 
Galvanische KSZ 
ASZ 
AOZ 


110 mm B.>A. 
100 „ „ 

1.5 M.-A. 

7.5 .. 

7.5 „ 


100 mm B.>A. 
90 „ „ 

2,0 H.-A. 

6,0 „ 

7,6 „ 


3. Schley, Max, 16 Jahre alt. Bin epileptischer Anfall. Hasenscharte, etwas 
imbecill. Vater an Dem. paral. gestorben. 

Sehr magerer Mensch. N. radialis ganz normal, alle Beactionen zu erhalten. 

4. Bichter, Wilhelm, 12 Y: Jehr. Bachitis. Krampfanfälle, Sehr klein, blass, 
schwächlich. 

N. radialis in Ordnung. ASZ und AOZ zu erzielen. 


V. Gruppe: Apoplexie. 

2. Fälle: 1 männL, 1 weibL 

1. Hermann, 64 Jahre alt, Bierbrauer. Hemiplegia sin. 

Nn. radialis gegen alle Beactionen. AOZ > ASZ. 

2. Frau KrOger, 52. Jahre alt. Parese des linken Armes nach SchlaganfalL 
Badialis normal. AOZ > ASZ. 

Faradische An und Ka fast gleich. 


YI. Gruppe: Tabes und Lues spinalis. 

Ausser den beiden Fällen mit veränderter Beaction (Schenk und C^sper] 
kamen zur Beobachtung: 

1. Schräder, 52 Jahre alt, mager. Arbeiter. 

Nn. radiales normal. ASZ > AOZ. 

2. Kaiies, 40 Jahre alt, mager. Buchhalter. Tabes incipiecs, 

Badiales sehr leicht erregbar. 

3. Hoffmanu, 31 Jahre alt, Beisender. Paraljsia spinalis syphiL (Erb). 

Gleichfalls ganz normale Beactionen. 

4. Frau Seiffert, 52 Jahre alt. Tabes incipiens. 

Normale Beactionen. 

5. Frau Schultz, 38 Jahre alt Lues spinalis. Mann 1692 an Dem. paral. 
gestorben. 

Gefflbl von Nadelstecben in Finger- nnd Zehenspitzen. Patellarreflexe nicht 
ansznlösen. Beine schwach, hypotonisch. 

Nach .Todkaligebrauch kehren einige Wochen später die Eniephänomene wieder, 
die Parästhesieen sind geschwunden. 


Diy 


Google 


797 


N. radiftiis rechts links 

Faradische Ka 80 mm B.-A. 90 mm B.-A. 

»» An 70 ,, 80 ,, „ 

QalTanische KSZ 2,2 H.-A. 1,75 M.-A. 

„ AOZ 6,0 „ 8,0 „ 

„ ASZ(!) 14,0 8,0 .. 

N. olnaris sin. faradische Ea 110 mm B.'A. 

„ An 100 „ „ 

galvanische ESZ 1,0 M.-A. ASZ = AOZ 4,0 M.-A. 

Da ich somit unter 51 Fällen nur 3 Mal abnorme Badialisreactionen er¬ 
hielt, welche nach der Eigenart der Fälle nicht besonders überraschen können, 
so dürfte wohl die tiefe Lage dieses Nerven nicht oder wenigstens nicht aus¬ 
schliesslich für die Anomalien verantwortlich zu machen sein. 

Es giebt nun einen Nerven, der zweifelsohne viel schwerer zu erregen ist 
als der Badialis, nämlich der Stamm des Hypoglossus, von welchem wenigstens 
nach meinen Erfahrungen nur in einer kleinen Zahl von Untersuchungen eine 
sichere Reaction zu erhalten ist; die faradische Exploration wird hier gestört 
durch die lebhafte Gontraction des Platysma, die galvanische noch ausserdem 
durch die lästigen Schluckreflexe. 

Einige Male gelang es mir, eine deutliche Zungenbew^ung auf der ge¬ 
reizten Seite zu erhalten, gewöhnlich nur für den Inductionsstrom; dann konnte 
ich stets beobachten, dass die faradische Anode nur eine unwesentlich schwächere 
Wirkung entfaltete als die Kathode; einmal habe ich auch sogar galvanische 
ASZ erzielen können, während AOZ nicht darzustellen war. 

Also für diesen viel ungünstiger gelegenen Nerven hat die B£BNHASj>T’sche 
Annahme keine Bestätigung gefunden. 

Ich komme demnach zu folgenden Schlüssen: 

1. Normalerweise ist der N. radialis an der Umschlagsstelle zu erregen 
für beide Pole des Oefihungsinductionsstromes und ist bei galvanischer Unter¬ 
suchung die Vereinzelung der Anodenöffnungs- und -Schliessungszuckung möglich. 

2. Stellt sich bei wiederholter Prüfung heraus, dass der Nerv auf gal¬ 
vanische ASZ nicht anspricht und dass für die faradische Anode gar nicht oder 
erst bei sehr geringem Rollenabstande eine Reaction erzielt wird, so ist diese 
Erscheinung zwar idcht für eine bestimmte Affection pathognomonisch, hat aber 
den Werth einer quantitativen Erregbarkeitsherabsetzung überhaupt. In erster 
Linie wird dann an eine Beeinflussung des Nerven bzw. seines Kern- oder Wurzel¬ 
gebietes zu denken sein. 

3. TJeber die Structur der SpinalgangKenzellen. 

[Eine Erwiderung.] 

Von Dr. Emst Heimann. 

In Nr. 13 d. Centralbl.^ unterzieht ton LenhossAk meine Arbeit: „Bei¬ 
trage zur Kenntniss der feineren Structur der Spinalganglienzellen“ ^ einer ein- 

* Virchow'B Arch. 1898. Bd. CLII. S. 298. 


Google 


> Bd. XVIL S. 577. 




798 


gehenden Kritik. Obgleich ich mir nnn der Ehre, von einem so hervorragenden 
Forscher, wie es ton LsNHOSSfiE ist, einer Erwiderung gewdrdigt in werden, 
voll und ganz bewusst bin, so kann ich es doch im Interesse der Sache nicht 
unterlassen, meinen Standpunkt mit einigen Worten zu präcisiren. 

Was die Frage der Dauer der Snblimatfixation anbelangt, so kann ich mich 
trotz der grossen Zahl von Autoren, die yon LekhobsAk gegen mich ins Treffen 
fuhrt, doch nicht dazu entschliessen, das Spinalganglion eines Kaninchens läuger 
als 2 Stunden in der Fizationsflussigkeit liegen zu lassen. Das ist auch für an 
so kleines Object gar nicht zu wenig, wenn man bedenkt, dass ich, wie dies 
auf S. 301 meiner Arbeit ausdrücklich bemerkt ist, die Fixation bei Körper¬ 
temperatur vor sich gehen lasse. 

Wenn von IjENhosbAe behauptet, meine Zellen seien, soweit er dies nach 
den Abbildungen beurtheilen konnte, ungenügend fixirt, so möchte ich ihn doch 
fragen, was ist denn eigentlich eine unteifixirte, eine normalfiiirte und eine 
uberfixirte Zelle. Diese Ausdrücke sind doch mindestens recht relativ zu nehmen, 
da es hier zum grössten Theil auf persönliche Anschauungen ankommt, die 
durch Beweise wohl kaum zu stützen sind. Die 3 Kriterien von LenhossAk's 
sind doch recht willkürlich aufgestellt. Oanz abgesehen davon trifft aber sein 
2. und 3. Postulat für eine normalfixirte Zelle, der geradlinige Verlauf des wirk¬ 
lichen Zellcontour und dessen Zusammenfallen mit der inneren Grenze des 
Kapselepithels, auf meine angeblich „vollkommen vernichtete“ Zelle (Fig. 17) 
schon aus dem Grunde nicht zu, weil erstens die Zellkapsel gar nicht mit ab¬ 
gebildet ist und zweitens bei richtiger Ausführung der NissL^scheu Färbung, 
d. h. bei entsprechender Differenzirung, die den Zellcontour bildende Grund- 
substanz ungefärbt L e. unsichtbar bleibt. Wären im übrigen meine Spinab 
ganglien wirklich ungenügend üxirt, dann müsste ein wesentlicher Unterschied 
zwischen den an der Peripherie und den im Centrum des Ganglions liegenden 
Zellen vorhanden sein. Dies ist aber nun an keinem einzigen meiner Präparate 
der Fall. Wenn von LenhossAk ferner bei Fig. 25 die undeutliche B^renzoog 
des Kerns als einen Beweis für mangelhafte Fixation erachtet, so kann ich nur 
annehmen, dass er dasselbe gethan hat, was er mir vorwirft, nämlich, dass er 
ungenau gelesen hat. In der Erklärung der Abbildungen steht bei Fig. 25: 
„Diese Zelle stammt von einem mit Arsenik vergifteten Thiere.“ Und dass 
sich hierbei zugleich mit der Chromatolyse beim Fortschreiten der Zellalteratii'ii 
die Grenzen des Kerns verwischen, dürfte allgemein bekannt sein. 

Zu der Frage der Toluidinblaufarbung will ich nur ganz hirz bemerken, 
dass, wenn sich das Tigroid mit vielen anderen Farben auch noch, und sogar 
recht schon förbt, das Toluidinblau eben kein „Speeificum“, kein „elektives 
Färbemittel“ für dasselbe ist. Wenn mir von LenhossSk supponirt, ich ur- 
theilte über die Toluidinblaufarbung und zöge Vergleiche zwischen ihr und 
anderen Tinctionen ohne die erstere ausgeführt zu haben, so enthalte ich mick 
darüber jeden Urtheils, wenn ich auch annehmen muss, dass er vielleicht in 
der Nichterwähnung meiner Versuche mit diesem Farbstoff eine Veranlassm^ 
zu dem Vorwurf gefunden hat Ich will d^halb ergänzend bemerken, dass 


- K, Google 



799 


ich nicht nur Thiomn, Toluidinblaa und Methylenblau zur Färbung angewandt 
habe, sondern voa dem letzteren noch versohiedene Handelsmarken; doch wäre 
es natürlich eine Znmuthung für den Leser gewesen, hätte ich, anstatt das mir 
als das Beste erscheinende anzuführen, die Effecte aller dieser chemisch und 
hier zugleich tinctoiiell gleichwerthigen Farbstoffe neben einander aufgeführt 
Ebensowenig habe ich auch die mit Magentaioth, Fuchsin und Rubin, bezw. 
die mit VesuTin und Chrysoidin erhaltenen Bilder einzeln beschrieben. 

Ich komme zum Punkte „Chromq)hilie.“ Trotz meiner „ziemlich umständ¬ 
lichen“ Beschreibung der physiologischen Zellzustände scheint die Sache immerhin 
noch nicht so klar zu sein, wenigstens behauptet dies von Lenhoss^e; und 
doch geht aus meiner Darstellung, die er zum Theil abgedruckt hat, klar hervor, 
dass der Zustand der dunkleren Färbung der Nervenzellen als Pycnomorphie- 
Nissl (bezw. Ghromophilie-FLESCH) bezeichnet wird, während die helleren Zellen 
apycnomorph-NissL (bezw. chromophob-FnESCH) zu nennen sind. Dass ich mich 
da auf den Standpunkt Flesob’s gestellt haben soll, leuchtet mir nicht ein. 
Im Gegentheil, da ich die Nomenclatur Flbsoh’s in Parenthese habe drucken 
lassen, dürfte es ziemlich klar sein, dass ich, die Nomenclatur Nissl’s benutzte. 
Wenn ich also weiter von Chromophilie rede, so weiss Jedermann — besonders 
da auf eine Mbere Stelle hingewiesen ist, in der dies ausdrücklich hervorgehoben 
wurde —, dass es sich um die Chromophilie im Sinne Nissl’s handelt, jenen 
Zustand, in dem die Zelle, tintenartig diffus gefärbt, Structureinzelheiten nicht 
erkennen lässt Nachdem von LENHossfis jetzt, wie er es selbst in einer Fuss- 
note angiebt, die Arbeiten Flesch’s und seiner Schülerinnen einer „erneuerten 
Durchsicht“ unterzogen hat, werden wohl alle „Zweifel“ und Missverständnisse 
bezüglich dieses Punktes endgültig beseitigt sein. 

Das Kemgerüst ist, trotz aller Versuche von Lenhossee’s, dies zu be¬ 
weisen, doch nicht acidophil, denn es färbt sich mit basischen Farben, auch 
ohne dass ihm durch starke Tingirung ein „Hauch von Färbung aufgezwungen“ 
wäre. Wäre letzteres der Fall, d. h. wäre der Schnitt überfarbt oder nicht 
hinreichend differenzirt, so würde sich sicherlich die sonst imgefarbt bleibende, 
zwischen den Maschen des Kemgerüsts liegende Kemsubstanz (Eemsaft) mit- 
färben. In meinen sämmtlichen nach Nissl gefärbten Präparaten hat sich nun 
das Kemgerüst, besonders deutlich die Areola perinucleolaris, schwach gefärbt, 
der Kemsaft aber nicht; da man nun einen Zellenbestandtheil, der sich auch 
mit basischen Farben färben lässt, nicht als acidophil bezeichnen kann, so dürfte 
es mithin mit der specifischen Affinität des Kerngerüsts zu sauren Farben 
schlecht bestellt sein. Wirklich acidophil ist nur die Kemmembran, denn die 
färbt sich unter keiner Bedingung mit basischen Farben. 

Zum Schlüsse kommt nun doch von LsnhossEk zu einem ähnlichen Re¬ 
sultat bezüglich der Frage des fibrillären Baues der Nervenzelle, wie ich in 
meiner rein „technischen Mittheilung“. Lüoa£o hat also endlich das Postulat 
„überzeugende Bilder im Sinne des Fibrillenbaues“ zu erhalten, mit seinen von 
Arsenik-vergifteten Thieren stammenden Präparaten erfüllt. Wenn von Len- 
BOSsfiK meint, ich hätte diesen LuoARO’schen Versuch nur deshalb an den 


Diy 


Google 


800 


Schluss meines Au&atzes gesetzt, weil ich selbst meiner Sache noch nicht ganz 
sicher gewesen wäre, so irrt er doch. Dies sollte nicht dazu dienen, meine An¬ 
sicht zu stützen, sondern war ausschliesslich berechnet für die kleine Schaar der 
in diesem Funkte üngläubigen, um ihnen zu zeigen, dass man, auch ohne Yon 
Flbmming „suggestiv“ beeinflusst zu sein, die fibrilläre Stmctur als bestehend 
anerkennen muss. 

Soweit die sachliche Richtigstellung der von von LenhossAe angegriffenen 
Funkte meiner Arbeit Auf den zum Theil persönlichen Ton desselben ein¬ 
zugehen, trage ich kein Verlangen. 


11. Referate. 


Anatomie. 

1) Studios of the neuroglia, by F. W. Eurich. (Brain. 1897. Winter.) 

Allgemeine Betrachtungen über die Keoroglia, besonders gestfitzt anf Unter- 
sucbnngen mit Weigert’schor Färbung. Verf. kommt zn folgenden Schlossen: 

1. Die Trenonng der Neurogliazelle ln Zellkörper und freie Fasern ist ein 
letztes Stadinm in ihrer Entwickelung, und diese Entwickelung findet an versdiiedenen 
Stellen in verschiedener Ausdehnung statt. 

2. Nicht alle Zellen erreichen dies Stadium, sondern einige bleiben echte Astro- 
cyten mit Protoplssmafortsätzen. 

3. Jeder „heilende“ sklerosirende Process im Centralnervensystem ist das Werk 
der Neuroglia. 

4. Die Frincipien dieses immer gleichen Processes sind: a) die Zelle kehrt so 
ihrem früheren Typus zurück, b) die neugebildeten Fasern folgen den Bahnen der 
präexistirenden, c) die neugebildeten Qliazellen wandern nicht, d) die Fasern wacbsen 
besonders nach der Richtung in der bei Zerfall der Nervensubstanz am wenigsteo 
Hülfe durch Schrumpfung und Ännäherong der Oberfläche der nervösen Tbeile an¬ 
einander geleistet wird, e) beide Astrocytentypen können eine Sklerose hervormfen. 

5. Die Neuroglia ist rein epiblastiscber Natur; enthält keine mesoblastisdien 
Elemente. 

6. Die Lagerang der Gliaelemente wird beim gesunden Erwachsenen durch das 
Wachsthum der Nervenelemente selbst bedingt. 

7. Mesoblastisches Bindegewebe nimmt an der Sklerose nicht Theil. 

8. Bei der Sklerose hat jede Qliafaser ihr eigenes Oebiet. Dieses Gebiet wird 

von der Zelle versorgt, in der die Faser entspringt, und jede Faser beschränkt sieb 
auf ihr eigenes Gebiet. Mit anderen Worten: es giebt Glisfasersysteme sowohl bei 
Gesunden wie bei Kranken. L. Bruns. 


2) A method of examinlng fresh nerv oells; wlth notee oonoemlng tbeir 
Btruoture and the alterations oaused in them by disease, by J. Turner. 
(Brain. 1897. Winter.) 

Yerf. legt dünne Stücke der Hirnrinde direct in eine 0,5 *’/o wässrige Hetbyles- 
blaulösong etwa 3—12 Stunden. Dann nimmt er mit dem Messer ein möglicbst 


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801 


dönnes Stück davon, legt es auf einen Objecttrager, tropft etwas Wasser darüber, 
legt ein Deckglas darauf und presst langsam das Stück, bis es dnrcbsicbtig wird. 
Die Präparate halten sieb etwa 10 Tage. Sie zeigen, d ae« die Anordnung der 
cbromatophilen Substanz, wie sie sieb auch bei Nissl’s Verfahren zeigt, in der 
todten Zelle auch ohne alle künstliche Härtnng, speciell dorch Alkohol, vorhanden 
ist Auch sonstige Veränderungen, z. B. mangelnde Blasticität der Zellen, Ver* 
ändemngen in der Form, in der Anordnung der cbromatophilen Substanz bei Krank* 
beiten u. s. w. kann man leicht erkennen. L. Brnns. 


Experimentelle Physiologie. 

3) The cerebral oapillary oiroulation, by C. Cappie. (Br^. 1898. Spring.) 

Auseinandersetzungen darüber, dass die Circulation im Gehirn nicht allein vom 
Druck des Herzens abhängt, und von ihm regulirt werden kann, sondern dass dabei 
— bei dem wechselnden BedOrfhiss der Himsubstanz nach Blutzufuhr, von Robe 
and Thätigkeit — auch von der Himmasse selbst ansgebende Kräfte mitspielen 
müssen. L. Bruns. 


4} Bioerohe eperimentali sui prooeeei di emboUemo infettaiite nei oentri- 
nervosi e sulla geneei ctogll asoeeei oerebrali, per D. Fieschi. (Bivist 
di Patolog. nerv, e ment 1898. Nr. 1.) 

Verf. brachte Embolie mit Staphylokokken in die Carotis. Es gelang ihm bei 
40 Tbieren, Himabscesse zu erzeugen. Die Thiere starben wenige Tage nach dem 
Eingriff. Die Dora fand sich verdickt, die Himoberfläcbe hämorrhagisch oder anä¬ 
misch, die Ventrikelflüssigkeit vermehrt die Abscesse regellos über das ganze Hirn 
mit Ausnahme des Gerebellums verstreut, von Hanfkomgrüsse bis zu solchen von 
mikroskopischen Dimensionen. Am häufigsten waren die graue Substanz und die 
Basalganglien betroffen. 

An GoIgi-Präparaten erschien eine stmcturlose amorphe Substanz im Äbscess, 
dann folgte eine Zone frei von Ganglienzellen, weiterhin die Zellen vaeuolisirt und 
deformirt mit varicösen Fortsätzen. Die inmitten den Leukocyten gelegenen Nerven¬ 
zellen zeigten Chromatolyse nnd Läsionen der achromatischen Snbstanz. 

In Folge der Kürze der Zeit, die zwischen dem Eingriff und dem Tode der 
Thiere lag, fehlen an den dem Abscess benachbarten Gewebe Vorgänge reparativer 
Art. Valentin. 


6) Bor la Physiologie da oorps oalleaz et sur les moyens de reoherohe 
poar rdtade de la fonotion des ganglions de la base, par D. Lo Monaco. 
(Arch. Ital. de Biologie. Tome KXVIl.) 

Verf. hat nach der doppelten Unterbindung des Sinns longitudinalis superior 
and nach der Dorchschneidnng der Falx cerebri keine Störungen auftreten seben. 
Bei der nnnmehr voigenommenen elektrischen Reizung des Corpns callosnm zeigte 
sich kein motorischer Effect; ebensowenig wurde nach Längsdnrchschneidnng des 
Balkens irgend welche Störung der Motilität oder Sensibilität bemerkt. Verf. erwähnt 
dann, d ass man sich anf diesem Wege — Unterbindung des Sin. longitud. snp., 
Durchschneidnng der Falz, Spaltung des Balkens — die Basalganglien, nnd zwar 
zunächst den Thalamns optiens, in zweckmässiger Weise zugänglich machen könne. 

Kaplan (Herzbeige). 


51 


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802 


Pathologische Anatomie. 

6) Ueber die Bedeutang dee Balkenmangele Im mensohllohen Grosshirn, 
voD Dr. H. Zingerle, Assistent der Klinih fOr Nerven- and Geisteskranke in 
Gru. (Archiv f. Psycb. n. Nervenkrankh. Bd. XIX. 1898.) 

Ein SViJ&hriger Knabe, der geistig znr&ekgeblieben war, an engliscber Krank¬ 
heit und epileptischen AnfSllen litt, kam wegen Znnahme der Kräfte ins Spital und 
verstarb an demselben Tage im Coma. Bei der Section fand sich ein dnrch Ver¬ 
knöcherung geheilter Knochenspruog im linken Scheitelbein. Unter der Dora lag 
ein Exsudat, welches die linke Hemisphäre comprimirte. Der linke Stimlappen war 
grosser als der rechte, der linke Schläfenlappen verschmälert, der linke Occipital- 
lappen abgestutzt. Der Balken reichte in diesem Gehirn nur bis in die Gegend des 
Pusses der S^niwindung, war auch dort dOnn und schmal, im flbrigen Bereich dtf 
Balkenstelle lagen die Kammerhohlen offen zu Tage. Die Kammern waren mächtig 
erweitert, links mehr als rechts. Das Ependjm war granulirt, neben allgMiein 
diffuser Verdickung war dasselbe von erhabenen KnOtchen besetzt, im linken Hinter- 
hom bildeten verOechtende Narbenzflge eine netzförmige Zeichnung. Von der medialen 
Seite gesehen lag das linke Seitenhom und der grösste Tbeil des linken Hinterhona 
in Form einer langgestreckten seichten Grube völlig geöffnet zu Tage. Am Grund 
dieser Grube sprangen Thalamus opticus und Nucleus caudatns unbedeckt hervor. 
Die mediale Wand des mächtig nach oben und hinten erweiterten Hinterhoms fehlte 
nahezu vollkommen, seine hintere Begreniang bildete ein breiter Bandwulst, der vou 
unten her unmittelbar aus dem Gyrus hippocampi sich fortsetsend nach aufwärts und 
vorwärts umbog und dabei die obere Begrenzung des Seitenventrikels darstellte. Das 
linke Balkenknie war sehr dflnn, das Septum pellucidum fehlte, der linke auf- 
steigende Fomixschenkel war unaasgebildet An Stelle der linken Fimbria fand sieb 
eine bindewebige Membran. Der FomixkOrper fehlte vollständig, die vordere Com- 
missnr war wohl entwickelt, die mittlere dflnn, die hintere erWten. Bechts war 
das Balkenknie mit seinem dflnnen absteigenden Theile vorhanden, setzte sich nach 
rflekwärts fort in eine dflnne nach aufwärts geschlagene Faserplatte, die mch dann 
verlor, das Spleninm corporis eallosi fehlte vollständig. Der rechte Fomix war ent¬ 
wickelt die Zirbeldrüse war nicht aufzufinden. An beiden Hemisphären wmrden 
allerlei Windangsanomalieen, auch radiärer Furchungstypns constatirt, links im 
höheren Grade als rechts. Auf allen Durchschnitten ma^te sich endlich ein auf¬ 
fallendes Hissverbältniss zwischen der weissen Harkmasse und dem Bindengrau za 
Gunsten des letzteren bemerkbar. 

Verf. bat das Gehirn, namentlich die hintere Hemisphäre, eingehend mikro¬ 
skopisch nntersucht und dabei allerlei anatomische Details aufgefundeo, die der Arbeit 
besonderen Werth verleiben. 

Er erklärt sich den partiellen Balkendefect im vorliegenden Falle so, da» ein 
Trauma auf der linken Seite des Schädels eine Fractur und eine meningeale Blntnng 
hervorgerofen habe. Hierdorch ist es zu stärkeren entzflndlicben Erscheinungen und 
zu stärkerem Hydrocephalus internus in der linken Hemisphäre gekommen. Der 
acute Hydrocephalus hat Erweichungen und Druckatrophie in den umgebenden Gehim- 
fasermassen bewirkt und hat den Balken und den Fornix theilweise zerstört. Die 
Schädigung setzte in einem Zeitpunkt ein, in dem der Ausbau des Balkens in seien 
Hauptzflgen bereits beendet und auch die hinteren Balkentbeile sebon gebildet 
waren. In Folge der Continuitätsunterbrechung sind die Fasern des Balkens in 
beide Hemisphären hineindegenerirt. Der radiäre Furchungstypus spricht dafflr, dass 
das Trauma noch während des intrauterinen Wachsthums stottgefunden hat 

G. Ilberg (Sonnenstein). 


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803 


Pathologie des NerTensystems. 

7) Ueber den EhnfloBB des Tropenkllmas auf das NervenByetem, von 
Chr. Easch (Soraa). (Allgem. Zeitachr. f. Psjch. Bd. LIV. 8.746.) 

Der Verf. hatte Gelegenheit in Siam den Einfioss dee Tropenklimas anf das 
Nerreneystem au studiren; das augenfiUligste Symptom ist die mehr oder minder 
hartnicldge and andaaemde Schlaflosigkeit (die „topische Agrypnie" Dänbler’s). 
Daran schliesst sich Erschlaffung, geistige Indifferenz, Abnahme der Widerstands- 
fthigkeit gegen Krankheiten, Unlust za körperlicher und geistiger Anstrengung, Yer* 
lost an geistiger Elasticit&t, Einbasse an Enetgie, Empfindlichkeit gegen kleine 
Leiden, fortschreitende Abstompfong der geistigen Fähigkeiten, Gedächtnissabnahme, 
Aofregang and Depression, Steigerung der gemfithlichen Erregbarkeit, Reizbarkeit 
bis zu der brotalsten Explosivität Bei den zor Ulastration beigeffigten 10 Kranken- 
geBchichten ist leider die Krankheit oft nicht bis znm Ende beobachtet oder die 
Anamnese Ifickenhaft was fibrigens nicht dem Verf. zur Last fällt, and so eine 
definitive Entscheidang der Frage, ob es sich nicht in einzelnen Fällen um Paralysen 
handelt, nicht möglich. Bei einigen Psychosen spielt der Alkoholconsam ein wichtige 
Bolle. Wenn aber auch nicht fQr alle Fälle der Caasalzosammenhang zwischen 
Psychose and Tropenklima ein ganz sicherer ist, scheint doch des Verf.’s Warnung 
berechtigt: Personen, die zo Nervenkrankheiten disponirt sind, oder an einer solchen, 
besonders aoch an Epilepsie leiden, sollten nicht in die Tropen gehen. 

Unter den sonstigen Tropenkrankheiten ist die bäafigste nnd verderblichste die 
Malaria, die kaom einer ohne daoemde Schädigung fiberstehe. Erwähnenswertb ist 
aacb der Oinchonismos- oder Chininrausch, der bei acuter Chininve^^ung vorkommt 

0. Aschaffenburg (Heidelberg). 


8) Ueber Herderkrankungen des Gehirns, welche vom Patienten selbst 
nicht wahrgenommen werden, vou Proh Dr. Q. Anton. Nach einem Vor¬ 
trage, gehalten im Verein der Aerzte in Steiermark am 20. December 1897. 
(Wiener klin. Wochensehr. 1898. Nr. 10.) 

Verf. spricht von solchen Herderkrankungen, welche zwar der ärztlichen Unter- 
suchong nachweisbar sind, dem Pat. aber latent bleiben oder von ihm wenig beachtet 
werden. 

Hierher gehört der halbseitige Verlust der Muskelempfindnngen mit oder 
ohne Lähmung. Solche Kranke nehmen wenig Notiz von der Lähmung, versuchen 
zu gehen und stürzen zusammen und wiederholen in kurzer Zeit denselben Versuch. 
Häufig sind sie auch halbseitig blind und taub nnd empfangen dann von dieser 
Körperseite keine Empfindungen, können daher auch die Vorstellungen verlieren, die 
sich auf dieselbe beziehen. Im Verlaufe der Hysterie können ähnliche Gefflhls- 
Störungen Vorkommen. 

In obigem Vereine hat Verf. (1896, Nr. 3 der Mittheilungen) eine Kranke vor¬ 
gestellt, bei der die optische Wahrnehmung der Aussenwelt aufgehoben war, 
ohne dass sich die Pat. ihrer vollständigen Erblindung bewusst war; sie „war ge- 
wissermaassen seelenblind ffir ihre Blindheit.“ Bei der Obduction fanden sich beider¬ 
seits Erweichongaherde an der Convezität des Occipitallappens bis in die centralen 
Sehstrahlungen hinein. Die Fissnra calcarina, das Sehcentrum, war intact, aber auch 
hier waren die centralen Sehbahnen secundär degenerirt 

Aehnlicbes kommt in dem acnstischen Systeme vor. Es giebt Aphasieen, 
welche von dem Kranken nicht empfunden werden und nicht richtig beortheilt werden 
können. 

Zwei solche Fälle von unbewusster Taubheit theilt Verf. mit: 

61* 


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904 


I. 64j&hr. HaDQ; vor 10 Jahren schwere Kopfverletzung. Seither vollkommen 
taub fOr äussere Sehallreize, ohne davon eine Selbetwahmehmnng zu haben. Fragen 
lässt er unberücksichtigt und erwartet selbst nie eine Antwort Auf Geberdensprache 
reagirt er lebhaft Er leidet an Gehürshallucinationen. Sein sprachliches Ausdrucks¬ 
vermögen ist etwas primitiv (fasst einscbliesslicher Gebrauch von Infinitiven); ab« 
er wählt für seine Gedanken und Wahnideeen die richtigen Worte und benennt vor¬ 
gezeigte Gegenstände richt^. Negativer Ohrbefund. Es dürfte sieh damals om eine 
beiderseitige Verletzung des Schläfelappens gebandelt haben, mit theilweiser Heilung 
der Gehimstömng in den letzten 10 Jahren, da zum Unterschiede von allen bisher 
mitgetheilten Fällen Worttaubheit und Wortverwechslung (sensorische Aphasie) fehlte. 
Solche SprachstÖrui^ett sind eben nicht stationär, sondern einer bedeutenden Besse¬ 
rung &big. 

II. 69jährige Sennerin; zeigt nicht die mindeste Beaction auf acnstische Reize. 
Auch durch Knocbenleitung keine Schallempfindung ausznlösen. Wortverwechselnng, 
grammatikalisch unrichtige Wortfügung; für Gesichts-, 'fast- und Eörperempfindnngen 
hatte sie meist die richtige Bezeichnung. G^en ihren Defect blieb sie psychisch 
indifferent. Tod an Bronchitis. Section: Erweichongsherd in der ersten und zum 
Theil der zweiten Schläfenwindung bis zur unteren Occipitalwindung beiderseits fast 
symmetrisch. Die Leitnngsbahnen zu diesen beiden Schläfewindungen und besonders 
die Faserstrahlen vom Schläfelappen zum Hirnschenkel (centrale Hörstrahlen) sind 
d^enerirt, ebenso die Bahnen zum Thalamus opticus. Fascicnl. long. inf. ver¬ 
schmälert, das Tapetum zum Theil entartet, das Corp. genic. int. beiderseits atrophirt. 

Es war also die Verbindung des Scbläfehims mit den Acusticuskemen, mit 
anderen Theilen des Grosshims und die der beiden Schläfelappen untereinander auf¬ 
gehoben. 

Damit ist die Taubheit und die Aphasie erklärt. Der Mangel des Bewusstseins 
für diese schweren Functionsstörnngen, ohne dass ein genügender Grad von Blödsinn 
vorhanden wäre, hat noch keine befriedigende Erklärung gefunden. 

J. Sorgo (Wien). 


0) L’dvolution du langage, oonaiddree au point de vue de l’ätnde de 
raphasle, par P. Mario. (La presse mödicale. 1897. 29. Dec.) 

Verf. giebt in seinem geistreichen Aufsatze zunächst einen kurzen Deberblick 
über die Entwickelung der Sprache und der Schrift. Die erstere habe sich aus 
einer „natürlichen*' Sprache (welche auch den Tbieren zu eigen sei), deren Oiaprong 
wahrscheinlich die Onomatopoetica darstellen, langsam zu ihrer jetzigen Differenzirt- 
heit entwickelt Die Schrift — Verf. weist ausführlich auf die Uierc^lyphen hin — 
hat sich aus einer erst rein symbolischen Bilderschrift („Ideogramme“) auf eigen- 
thflmlichem Wege zu einer phonetischen, alphabetischen entwickelt. 

Während der Gebrauch der Sprache uralt sei, jedem Individuum in der Anlage 
zu eigen sei, sei der der Schrift relativ jungen Datums. Bis vor relativ wenigen 
Generationen sei an sich die Schrift vielfach fast ausschliesslich Eigenthum einer um¬ 
schriebenen Kaste Gebildeter (Geistlichkeit, Adel) gewesen. Es sei nicht wahrscheinlich 
anzunehmen, dass in den wenigen Generationen, seit denen die Schrift mehr All¬ 
gemeingut geworden sei, sich ein besonderes Centrum für sie im Gehirn ansgebildet 
habe. Während es also ein jedem Individuum angeborenes „präformirtes** Sprach- 
centrum gebe, handele es sich bei der Schrift nicht um ein specielles Centrum für 
dieselbe, sondern nur um „adaptirte“ Centren, die ihre sonstigen Functionen (Sehen, 
Bewegung der Glieder u. s. w.) zu derjenigen des Schreibens zusammentr^en. 

Beim Schreiben macht man 2 Acte durch: 

1. Vorstellung der die Worte zusammensetzenden Laote und Umsetzung der¬ 
selben in bestimmte graphische Zeichen; 


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805 


2. Niederschrift dieser graphischen Zeichen. 

Der erste dieser Acte steht mit unter der Abhängigkeit des Sprachcentmms, der 
zweite voUzieht sich unter Mitwirkung psychomotorischer Centren. Die Agraphie bei 
der motorischen Aphasie wird Stömngen des phonetischen Elements der inneren 
Sprache znznschreiben sein, während diejenige bei der sensorischen Aphasie vom 
Verlast der optischen BnchstabenTorstellangen herrflhren wird. 

Wieso existire non aber eine sensorische Aphasie mit mehr oder weniger voll¬ 
ständiger Wortblindheit ohne Agraphie? („subcorticale Alexie“, „reine Wortblindheit“ 
Dejerine). 

Verf. hält fflr die einfachste Erklärung die folgende: 

Es gäbe Leute, die wenig, und solche, die viel schreiben. 

Bei ungebildeten Leuten, welche selten und nur mähsam schreiben, geschehe 
das Schreiben stets nur unter vorheriger Vermittelung optischer Buchstabenvorstellungen; 
sie „buchstabiren mit den Augen“. Beim Verlust des optischen Erinnerungsbildes 
der Buchstaben werden sie daher un&hig zu schreiben. 

Bei Gebildeten, welche häufig und viel geschrieben haben, geschieht der ganze 
Vorgang des Schreibens viel mechanischer: In Folge der langen Uebnng ist der 
Umweg über die Buchstabenbilder langsam gänzlich fiberfiOssig geworden, fällt weg; 
die Verbindung zwischen Wortklangbild und motorischem Acte ist eine directe: „die 
Band flbersetzt die durch die innere Sprache gelieferten Laute direct in graphische 
Zeichen.“ (Verf. beruft sich auf vielfache Analogieen im t^lichen Leben, bei 
welchen die Einübung einer Handlung das anfai^ nothwendige Dazwischentreten 
optischer Vorstellungen langsam überflüssig mache.) 

Damit stimme es völlig überein, dass von zwei sensorischen Aphatikem mit Alexie 
durch Wortblindheit der eine, welcher ein einfacher Feldarbeiter war, agraphisch 
war, während der andere, ein professioneller Notarsschreiber, die Fähigkeit des 
Schreibens trotz des Verlustes seiner optischen Erinnerungsbilder nicht ein- 
gebüsst hatte. 

Verf. betont nochmals die (Jeberflüssigkeit eines besonderen Schreibcentrnms und 
wendet sich energisch gegen die übermässige Localisationssucht, welche in der 
Aphasiefrage Usus sei. Paul Cohn (Berlin). 


10) A caae of word — withoat letter — bUndness, bj James Hinshel- 

wood. (Lancet. 1898. Feb. 12.) 

Ein öSjähr. Hann zeigte 6 Wochen nach einem apoplectischen Insult (mit Con- 
vulsionen) folgendes Bild: Sehschärfe 7s* Augenhintergrund normal. Buchstaben 
werden fliessend gelesen, hingegen vermag Pat. Worte nur dann zu lesen, wenn er 
naühsam und langsam Buchstaben für Buchstaben laut aussprichi Nur ganz kurze 
und gewöhnliche Worte (wie z. B. of. to, the) vermochte er ohne solches Buch- 
stabiren zu lesen. Die Qrösse der Lettern war einflusslos: die kleinsten Lettern 
wurden einzeln richtig gelesen, Worte auch in grossem Druck nicht. Geschriebene 
Worte wurden ebensowenig gelesen wie gedruckte. Zahlen wurden rasch und fliessend 
gelesen, und zwar anch vielstellige Zahlen und Brüche. Dictatschreiben und Ab¬ 
schreiben war normal, obwohl Pat. die von ihm selbst geschriebenen Worte nicht 
lesen konnte. Sprachföhigkeit im Uebrigen intact, nur soll das Gedächniss für 
Personennamen seit dem Anfalle abgenommen haben. Gesichtsfeld für Weiss und 
Farben normal. Aetiologisch kam namentlich Atheromatose in Betracht. Später 
entwickelte sich eine rechtsseitige Hemiplegie und motorische Aphasie. Ein Sections- 
befund liegt nicht vor. Verf. nimmt eine thrombotische Erweichung an, welche sich 
anfangs auf das Centrum der optischen Wortbilder beschränkte. 

Die Litteratur enthält nur zwei ebenso reine Fälle von Wortblindheit ohne 
Bnchstabenblindheit (Bornett, Arch. of OphthalmoL 1890 und Hlerzejewski, 


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September*SitzTing der Petersburger psychiatr. Gesellecliaft 1890). l^en aoalogea 
Fall hat Schweigger schon 1876 mi^etheilt (Gr&fe’s Arch. Bd. XXll.) 

Verf. schlieast aas seinem und diesen F&Uen, dass die Cenbren der optischen 
Wortbilder, der optischen Bnchstabenbilder and der optischen 2^hlenbilder sich nicht 
decken, sondern in der Binde nebeneinander liegen. Th. Ziehen. 


11) Angeborene psyohisohe Taubheit, von Alb. Liebmann. (AUgem. med. 

Centralzeitnng. 1898. Kr. 31.) 

Die angeborene psychische Taubheit gehört za den Sprachstörungen, welche 
man unter dem Namen „Hörstammheit'* zusammenfasst Es besteht trotz aus¬ 
reichenden Gehörs und genOgender Intelligenz ein Man^l der Sprache. Verf. unter¬ 
scheidet: 

1. rein motorische Fälle, bei denen die Sprachorgane zu ungeschickt sind, am 
die richtig gehörten Worte nacbzubilden. Die Prognose dieser Fälle ist eine gate. 
Kur besteht stets die Gefahr des geistigen Zurückbleibens, sowie des Stotterns und 
Stammelns; 

2. die motorisch-sensorischen Fälle, bei denen das SprachTerständniss nur für 
einzelne Worte, nicht für ganze Sätze ausreicht; 

3. die sensorischen Fälle, bei denen ein Verständniss auch fllr die einzelnen 
gehörten Worte völlig fehlt. Solche Kinder lallen die Worte in Terstflmmelter Form 
nach, ohne sie zu versteben. 

Verf. berichtet über einen zu der letzten Gruppe gehörigen Fall, bei welchem 
der Hauptdefect in der acustiscben Sphäre liegt, während optische, tactUe und 
motorische Fähigkeiten Terhältnissmässig got entwickelt sind. Fat. reagirt auf leise 
Geräusche, kann aber völlig differente Geräusche nicht unterscheiden. Bs handelt 
sich also nicht um Herabsetzung des Gehörs, sondern um eine rein psychische Taub¬ 
heit, deren Grand Verf. in der hochgradigen Unaufmerksamkeit und dem mangel¬ 
haften Gedächtniss des Patienten sieht. Die Behandlung beruhte auf Uebangen, 
welche eine Aasbildung der acustiscben, motorischen und optischen Sphäre bezweckten 
und brachte den Knaben so weit, dass er mit Erfolg das Gymnasium besachen 
konnte. Kart Mendel. 


13) I. StiohTerletaang der linken Henüsphftre von der rechten Orbita aus. 
Complete Hemiplegie und Aphasie. Heilung. — II. Intraoranielle 
Blutung nach suboutaner BohädelAraotur der linken Sohläfengegend. 
Ezspeotatiye Behandlung. Heilung, von E. Martin. (Allgemeiner ärzt¬ 
licher Verein in Köln. Sitzung vom 24. B(ai 1897.) (Deutsche med. Wochen¬ 
schrift. 1897. Nr. 31.) 

I. Ein lOjähr. Knabe wurde bewusst- and bewegungslos in das Spital gebradit: 
der Deberbringer fand den Jungen auf der Strasse liegend und batte ihm einen 
„tief im Kopf steckenden“ Eisenstab aus der rechten Orbita gez<^ea, in welchen der 
Knabe beim Spielen hineingefallen war. Kleine Sticfawande am rechten oberen Lid, 
starker Shok, kleiner und unregelmässiger Puls, mehrfaches Erbrechen. Becbtsseitige 
Hemiplegie. 4 Standen nach dem Traama temporäre Sohädelresection an der rechten 
Stirn dicht über dem Orbitalrand, Hantperiostknochenlappen mit äusserer Basis; In- 
cision der stark gespannten Dora, kein Bluterguss sichtbar, Naht der Dura. Nach 
Ablösung des Feriosts von der oberen Orbitalwand finden sich oben innen in der 
Tiefe Knochensplitter und Hirnmasse; Extraction, Jodoformgazetampon, Reposition 
des Schädellappens. Da die schweren Allgemeinsymptome anhalten, die Temperatur 
steigt, Eiter an dem Orbitaltaropon sichtbar ist, wird 2 Tage später die Fractorstelle 
von der Orbita ans unter Opferung des Auges breit freigel^t Tamponade. Die 


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AUgM&einsympfaome scbniodeD, die lechtBseUige Bamiplegie und Apbaaie bleiben 2 a- 
nächst bestehen and bessern sieh erst ganz allmählich, Jahr nach der Verletznng 
ist die Sprache fast normal, die Gesicbtsmuskolatar fonctionirt asnäbemd gut, da¬ 
gegen besteht noch totale Paralyse der rechten yorderannmuskalatnr upd Parese der 
rechten Unterscheokelmaskeln mit Contractur und Beflexsteigernng. Yerf. glaubt, 
dass der Stab zunächst das rechte Stimhim getroffen hat, dann quer in das linke 
Grosshim gedrungen ist and hier die innere Kapsel verletzt hat. 

U. Pat. wurde nach der Yerletznng fbr knrze Zeit bewusstlos, legte dann 
einen grossen Weg zu Fuss zarflck, will aber sogleich nicht gut haben sprechen 
können. Am 2. Tage Zunahme der Drucksymptome, am 3. Puls 42, Schläfrigkeit, 
Yorfibergehend complete Aphasie, Parese des rechten Facialis and Hypoglossas, ein¬ 
mal leichte Zuckungen im rechten Arme. — Die Pulsverlanpamung blieb noch 
einige Tage bestehen, die anderen Symptome schwanden bald, Pat wurde in der 
4. Woche geheilt entlassen. Anfangsdt^ose: Blatui^ aus der Meningea media, 
spätere: intradnrale Blutung, event mit leichter Bindenläsion. In derartigen Fällen 
darf man bei genauer klinischer Beobachtung exspectativ verfahren. 

In der Discnssion betont Leichtenstern die Schwierigkeit einer sicheren Dia¬ 
gnose der Himsinusthrombosen. Die Cavemosusthrombose ist noch am ehesten dia- 
gnosticirbar, meist folgt sie einer primären Transversusthrombose. Diese letztere ist 
die häufigste Himsinusthrombose und nur selten sicher zu erkennen, da die ver¬ 
schiedenen directen Zeichen leider nur selten ausgeprägt sind. 

B. Pfeiffer (Cassel). 


13) Bin Beiktag stur Fathologia des oortioalen Hövoentmnu, von Dr. Fer¬ 
dinand Alt (Uonatssohr. t Ohrenbeilk. XXXIII. Nr. 1.) 

Für die Lehre vom corticalen Hörcentmm sind klinisch beobachtete und patho¬ 
logisch-anatomisch untersnchte Fälle um so mehr von grosser Bedeutung, als die 
Zahl letzterer, welche einwandsfrei sind, nur gering ist Namentlich mangelt es ^pn 
einer genauen Gehörsprfifung. Die meisten Autoren verlegen die HOrsphäre in den 
hinteren Theil der ersten Schläfenwindung oder in die hinteren Vs oi^ten und 

zweiten Schläfenwindung, das vorliegende Material fflr diese Folgerung theil Verf. 
mit Berechtigt ist die Annahme, dass die erste Schläfenwindung einer jeden Seite 
zu dem Gehörorgan der anderen Seite in Beziehung steht, and dass jeder Gehörnerv 
mit beiden Schläfenlappen in Yerbindnng steht. Während die Stellung von Local¬ 
diagnosen des rechten Schläfenlappens kaum m^^lich ist, ist bei dem linken Schläfen¬ 
lappen durch dessen Beziehungen zum Sprachcentrum eine solche erleichtert 
Verf. tbeilt folgenden Fall mit: 

SSjähriger Mann, Alkoholiker, vor 3 Jahren Ulcus dumm, erwacht eines Tages 
mit rechtsseitiger Eörperlähmuug, Sprachverlust, rechtsseitiger Taubheit Schwindel, 
Sausen im rechten Ohr, Ausfall des Gedächtnisses, allmähliche Besserung, doch be¬ 
stand nach 3 Jahren folgendes: Psyche insofern alterirt, als er sehr leicht in heitere 
Stimmung gerätb. Sprache motorisch intact, ebenso Naohsprechen; ansgesprocheue 
amnestische Aphasie. Erhebliche Gedächtnissschwäche. SchreibprQfung wegen Läh¬ 
mung nnansfQhrbar. Gehörsnerven intact, nur Parese des rechten nnteren Facialis. 
Totale Taubheit des rechten Obres. Motorische Parese der rechten Seite mit gerii^er 
Herabeetzni^ für taotile Sensibilität Das Zusammentreffen von amnestischer Aphasie, 
rechtsseitiger Hemiplegie und rechtsseitiger (also gekremter) Taubheit lässt sich 
leicht durch einen Krankheitsherd, im vorliegenden Falle wohl eine auf luetischer 
Endarteriitis berahende Erweicbong, des linken Schläfeniappens erklären, wobei der 
Herd gegen die Binde, als auch gegen die Tiefe vorgedrungen ist. 

Samnel (Stettin). 


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14) Ua oas de sordlt^ yerbale pure terminöe per aphesie eensorlelle 

suiyi d'autopsie, par J. Dejerine et Paul S^rieuz. (Revue de Peychia^e. 

1898. Jauvier.) 

ünter obiger Bezeichnung verstehen die Yerff. eine Sprachstörung mit folgenden 
Symptomen: Verlust des Verständnisses der gesprochenen Worte, Unm^Uchheit, 
Worte zu wiederholen und nach Dictat zn schreiben, die Sprachstörung ist dieselbe, 
welche nach Lichtheim als surditO verbale sous-corticale bezeichnet wird. Bedingui^ 
fQr die reinen Fälle ist, dass das periphere und centrale (Labyrinth) QehOrorgan in- 
tact sind, deshalb sind nur sehr wenige (4) Fälle beobachtet, von welchen nur einer 
(Pick) zur Section kam. 

Der Fall betrifft eine Frau, welche 5 Jahre lang folgende Symptome zeigte: 
Taubheit fOr Sprache und Musik, Spontansprechen intact, Verlust der Fähigkeit, 
nachzusprechen. Spontanschreiben und Abschreiben normal, Dictateohreiben fehl^ 
Verständniss fflr Gelesenes und Lantlesen normal, innere Sprache erhalten, dann or- 
folgte der Uebeigang in sensorische Aphasie, rechts seit langer Zeit in Folge von 
Otitis media taub, verlor die Patientin auch links das Gehör. Die Intelligenz schwand. 
Mach 3 Jahren starb die Kranke im 65. Jahre. Die Autopsie ergab: Beide Temporal¬ 
lappen en masse atrophisch. Die Atrophie ist symmetrisch und verkleinert jeden 
Lappen um die Hälfte, sie zeigen au^esprochene Mikrogyrie, die Insel freL 
Die Temporalwindnngen haben ihre Form erhalten, sind aber um die Hälfte ver¬ 
kleinert. Die Binde der atrophischen Theile fflhlt sich härter an, die Pia ist etwas 
adhärent. Alle übrigen Gehimtheile sind intact Härtung in Hüller’scher Flüssig¬ 
keit. Stücke der Temporalriode wurden nach Pal nnd mit Carmin gefärbt Die 
erkrankten Windungen zeigen ausschliesslich eine Läsion der Zellen, der Process 
nimmt von der Peripherie zn den centralen Tbeilen der Binde ab. Die Tangential- 
fasem sind verschwunden, ilervenzellen fehlen, während die Meurogli^Uen und 
Kerne an Zahl vermehrt sind. Die kleinen Pyramidenzellen sind fast verschwunden, 
die grossen PyramidenzeUen sind zwar weniger betroffen, aber spärlicher als norinaL 
Die Gefässwände sind verdickt, ebenso die Pia. Die radiären Fasern sind weniger 
zahlreich, ebenso die kurzen Associationsfasem. 

Herdersoheinangen fehlten, die Projectionsfasem des Temporallappens waren an 
Zahl bemerkenswerth vermindert Das Türk’sche Bündel enthielt viel weniger Fasern 
als normal 

• Vorbehaltlich einer ausführlicheren Veröffentlichung, glauben die Verff. zu fol¬ 
genden Schlüssen berechtigt zu sein. 

Die reine Worttaubheit ist eine ausschliesslich coiücale Affection, in vorliegmidem 
Falle eine Zellenerkrankung (PoUoencephalitis chronica). Der Fall zeigt wie der 
von Pick, dass der Worttaubheit eine doppelseitige Läsion der Temporalr^on zn 
Grunde liegt <ldm corticalen GehOrcentnun. Dabei handelt es sich um eine func- 
tionelle Schwäche des GehOrcentmms im Ganzen, nicht um eine Trennung des letzteren 
vom HOrcentrum der Worte. Diese Ansicht wiiil gestärkt durch die Thatsache, dass 
das Gehör bei der Patientin lange Zeit intact war und erst dann sich allmählich 
verschlechterte. Eine bemerkenswertbe Eigenthfimlichkeit des Falles ist dass lange 
Zeit reine Worttaubheit bestand und ganz allmählich diese in sensorische Aphasie 
überging. 

Da erwiesen ist, dass die Intensität des corticalen Krankheitsprooesses im Tem¬ 
porallappen von vom nach hinten abnahm, ist es leicht zu verstehen, dass das sen¬ 
sorische Sprachcentmm, welches im hinteren Theil des linken Sprachcentrums gelegen 
ist später beschäd^t wurde, als das HOrcentrum, welches weiter nach vom gelegen 
ist Samuel (Strttin). 



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809 


15) Obergataohten über die Zurerlfteaigkelt der Angaben eineb Aphaeisohen 
über die Vorgftnge bei der e^er Aphasie su Qrunde liegenden Sohädel- 
verletanng (Baubmordversnoh), toq Tb. Ziehen. (Vierteljabrsschr. f. ge- 
ricbtl. Ued. n. OffentL Sanit&tsw. XIV.) 

Nach Kopfrerletznng kommen 3 Formen der Gedächtnissstörung vor: 

1. allgemeine Gedäcbtnissschwäche (Intelligenzdefect), 

2. Amnesie (anf sogen. Hemmangsvorgängen bemhend), 

3. Verlost einzelner Groppen von Erinnerongsbildem 0>Seelenblindbeit‘' o. s. w., 
aof der örtlichen Zerstörung an der Himoberfl&cbe beruhend) 

In dem vom Verf. begutachteten Falle handelt es sich um Amnesie. Dieselbe 
hat sich zwar allmählich zorflckgebildet, ist jedoch zur Zeit der Begutachtung noch 
nicht völlig geschwunden. In Folge dessen siud Verwechselungen in Bezug auf 
Reihenfolge, Zeit und Ort der B^benheiten, sowie auf Personen und Sachen der 
Erlebnisse sehr wohl möglich. Diejenigen Aussagen aber, welche dank der schon 
stattgehabten BQckbildnng der Amnesie ftber den ünfall selbst gemacht werden, sind 
bis auf eine Einschränkung völlig zuverlässig. Mit dem durch die Oberfl^hen- 
verletzung des Gehirns bedingten Sprachverlost häi^ nämlich eine deutliche Schädigung 
der Zablenvorstellungen zusammen, so dass anf sämmtliche Zahlenangaben des Be¬ 
gutachteten nichts zu geben ist. Kort Mendel. 


16) Zur Caauistik der doppelseitigen bomonymen Hemianopsie, von Prof. 

Dr. W. Hanz, Geh. Hed.-BaÜi, Freibarg. (Archiv f. Augenheilk. 6d. XXYVI.) 

Bei den Fällen von doppelseitiger Hemianopsie smd zwei Erscheinungen auf¬ 
gefallen, nämlich das bei vollständiger Erblindung beider seitlichen Regionen des 
Gesichtsfeldes erhaltene kleine centrale Gesichtsfeld und der Verlust der Orientirung 
im Baum. Letzteren Ausfall hat man g^laubt, von ersterem abhängig machen zu 
mOssen, allerdings nicht ohne dass man auch auf dem widersprechende Thatsachen 
gestossen ist Auch das erhaltene kleine Gesichtsfeld bat verschiedene Erklärungen 
gefunden, von welchen zwei Anerkennung gefunden haben: 1. die Doppelversorgung 
der Macula lutea durch Sehnervenfasem, welche ans beiden Hemisphären stammen 
(Wilbrand) und 2. eine besondere und besonders gfinstige Gefässversorgung des 
jener Netzhautpartie entsprechenden Bezirks des corticalen Sehcentrums im Hinter¬ 
hauptslappen. 

Verf. vermehrt die Casuistik um folgenden Fall: 

65jäbr. ICann, sonst gesund, etwas Potator, bemerkte vor 3 Jahren, dass er 
anf der rechten Seite nichts mehr sab, vor 1 Jahr konnte er auch nach links und 
unten nichts mehr sehen, hat zugleich hin und wieder kurz dauernde Schwäche- 
an fälle in der rechten Hand, wurde sehr vergesslich. Die Augenuntersuchung ergab 
bei sonst normalem Befunde hochgradige Einengung des Gesichtsfeldes, rechts und 
links fast gleich in Grösse, Form und topographischer Lagerung. In beiden Gesichts¬ 
feldern ist der Fixirpunkt erhalten, das erbetene Gesichtsfeld gehört grösstentheils 
dem rechten oberen Quadranten an. 

An der Herzspitze leises systolisches Geräusch. Nervensystem im übrigen intact. 

Kurz nach seiner Entlassung aus der Klinik trat eine au^allende Besserung 
des Sehvermögens ein, die 2 Tage anhielt, mehrere Wochen zunehmende körperliche 
und geistige Schwäche, Lähmung des rechten Armes, später des rechten Beines, un¬ 
willkürliche Zuckungen der linken Extremitäten. 

Autopsie nicht gestattet. 

Da dieser Fall bereits 1 Jahr vorher wissenschaftlich bearbeitet war, lässt sich 
iei* Zustand des Pat. durch längere Zeit verfolgen. Derselbe blieb sich lange Zeit 
gleich, ein Verlust des Orientirongsvermögens oder die sogen. Seelenblindheit war 
licht nachzuweisen. Das Gesichtsfeld aber hatte sich etwas vergrössert, was schon 



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810 


anderweitig beobachtet wurde. Stdmngen des Farbeneinna beetanden nicbt Yerf. 
fflbrt ans, warom der vorliegende Fall als doppelseitige homonyme Henuanopöe anf- 
zofaasen ist und als Ursache eines Krankheitsherdes im Sehcentmm des Hinterbaapts* 
lappens anznnehmen ist. Die Zerstdrong musste nicht gerade beiderseits dieeelbe 
Stelle getroffen haben, jedenfalls muss wen^tens auf einer Seite die der Macula 
lutea in den Netzhäuten entsprechende Partie von der Zerstörung frei geblieben sein. 
Vielleicht, wenn auch nicht wahrscheinlich, war dies auf beiden Seiten der FalL 
Auffallend bleibt, das weitmre Herderscheinui^en, die gewöhnlich mit Hemismopsie 
verbunden sind, gefehlt haben. Die Schwäche der rechten Hand, welcher sich später 
eine solche des rechten Fusses zugesellte, lassen annehmen, dass die D^enention 
nach der Capsula interna zu sich ausbreitei 

Pathologisch lagen wohl Geftssthrombosen vor. Samuel (Stettin). 


17) Die Phänomene der Oehlmoompression, von Prof. Dr. Adamkiewicz in 
Wien. (Wier med. Wochenschr. 1897. Nr. 48—51.) 

Uebersichtliche Zusammenstellung der am Bewegungsapparate des KOrpers und 
der Augen nach experimenteller Gehimcompression (EinfOhrung von Laminarien) zu 
beobachtenden Phänomene nach den vom Verf. bisher veröffentlichten Arbeiten Aber 
Gehimcompression. J. Sorgo (Wien). 


18) Ueber die bei Hlmdraob Im Büokenmarke snftretenden Verändemngen, 
von Dr. A. Hoche, Priv.-Doc. und I. Assistent der psychiatr. Klinik in Strass¬ 
borg l/E. (Deutsche Zeitschr. f. Nervenbeilk. 1897. XI.) 

In 2 Fällen von Gehirntumor Hessen sich Veränderungen in den Hintersträngen 
und hinteren Wurzeln nachweisen, und zwar setzt die Degeneration meist an der 
Stelle ein, wo die Wurzeln io mehr oder weniger schräger Richtung in das BAcken- 
mark eintritt. Es zeigte sich dabei, dass Sitz und histologischer Charakter des 
Tumors fAr das Zustandekommen der BDckenmarksveränderungen nicht von bestimmen¬ 
dem Einfluss ist Sie entwickeln sich nur dann, wenn Erscheinungen von gesteigertem 
Druck in der CerebrospinalflAssigkeit vorhanden waren. Am seltensten seheineu die 
Wurzeln des mittleren und unteren Dorsalmarks betroffen zu werden, und hat der 
pathologische Process nicht die Tendenz mit wachsender Entfernung vom Schädel¬ 
inhalt geringer zu werden. In beiden Fällen bestand auch Stauungspapille. In 
einem 3. Falle, in welchem sich eine derartige Affection nicht feststellen Hess, waren 
auch Hinterstränge und hintere Wurzeln normal geblieben. Vielleicht bietet dieser 
Parallelismos in den Befunden am Sehnerven and den hinteren BAckenmarksworzeln 
einen wichtigen Gesichtspunkt für die Pathogenese dieser Verändernngen. 

In klinischer Beziehung werden diese Wnrzeldegenerationen vor allem sensible 
Ausfallserscheinungen, sowie allmähUcbes Schwinden der Patellarreflexe nnd Ataxie 
erzeugen. E. Asch (Frankfort a./M.). 

10) Haematoma subdarale; trepanation, af H. Köster och A. Lindb. (Araber, 
fr&n allm. och Sahlgrenska sjakfaus i Göteborg för &r 1896. Göteborg 1897. 
Med. afd. 8. 28.) 

Bei einem Säufer bildete sich nach heftigem Kopfschmerz, der in der Nacht am 
schlimmsten war und hauptsächlich im Nacken seinen Sitz hatte, Pareee der rechten 
Geeichtshälfte und der rechten Extremitäten mit immer mehr suuehmender Somnolenz 
und Koma aus. Zagleich trat Schmerz bei der Percussion der Unken StirahälfU 
anf, Neigung nach hinten Aber zu fallen, wenn Pat sass, nnd Unvermögeo tu gehen. 
Der Augenhintergnmd zeigte keine Veränderungen. Da der Zustand hoffiumgslos 


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811 


wBr und nur von einer Operation vielleicht einige Beesemng erhofft werden konnte, 
wurde fiber dem linken Ohr trepanirt, wobei nach Dnrcbsi^neidang der Dora eine 
Uenge blutig gefärbter Flüssigkeit abging; eine Sonde konnte bis 9 cm unter die 
Dura eingefflhrt werden. Der Zustand zeigte keine Besserung nach der Operation; 
der Pat. starb in der Nacht darauf. Bei der Section ei^b sich, dass es sich um 
ein subdnrales Hämatom in der Gegend über dem linken FroutaUappen und den 
Gentralgyri gehandelt hatte, das darunter liegende Windungen abgeplattet hatte. 
Der Ausgangspunkt der Blutung Hess sich nicht nachweisen. 

Walter Berger (Leipzig). 


20) Trephining for eymptome of cerebral tumour, by Pearce Gould. (Brit 
med. Joum. 1898. Jan. 22. S. 216.) 

Yerf. berichtet vor der Londoner klin. Gesellsch. über einen bis dahin sehr ge* 
Sunden, robusten Grobschmied, der an schwerem Kopfschmerz, Aphasie, Zuckungen, 
Facialisparalyse und rechter Zungenhemiplegie erkrankte. Die Angenuntersachung 
ei^b keine Anomalie. Es wurde ein Tumor im Lob. frontalis diagnoscirt; Trepa¬ 
nation. Es wurde normale Gehimsubstanz und keine Uebermenge von Cerebrospinal* 
flflssigkeit gefunden. — Trotz der gänzlich negativ ausgefallenen localen Einwirkungen 
der Operation trat dennoch Heilung ein; Pai wurde wieder arbeitsfähig. 

In Anschluss hieran berichtet dann Sidney Phillips ebenfalls über einen Fall 
mit negativ ausgefallenem Himbefunde, nur war der Schädelknochen etwas über normal 
dick. — Auch hier trat nach der Operation völlige Genesung ein. 

L. Lehmann I (Oeynhausen). 


21) Olioma of the right ftrontal lobe of the brain, by W. C. Krauss, M. D. 

(Journal of nervons and mental disease. XXV. 1898. Febr. 8. 109.) 

Interessanter Fall von Hirntumor bei einem 31jährigen Manne mit Schwindel* 
anfällen, Vomitns, heftigen Kopfschmerzen und Stauungspapille, aber bis zuletzt ohne 
jede sensorische oder motorische Lähmung, überhaupt ohne jedes Herdsymptom. Ans 
dem letzteren Umstande wurde per exclnsionem der Sitz des Tumors in den rechten 
Frontallappen verlegt 

Bei der Section fand man im rechten Stimlappen ein grosses Gliom, das die 
hinteren zwei Drittel der drei SUmwindungen bis an die vordere Centralwindung 
heran zerstört hatte, und dessen cystöses Centrum mit dem Seitenventrikel commoni- 
cirte. Bei der Härtung (in Formalin) wurde später noch eine kleinere Oyste unter 
dem linken Gyms angularis entdeckt Sommer (Allenberg). 


32) TTn oaa de gllome oördbral. Oedäme de la papUle. Hdmipldgle 
satiohe. Antomatlame ambulatoire, accAs de aommeil. Trepanation, 
par HH. Devic et Conrmont (Lyon). (Revue de Hedecine. 1897. Avril. 
8. 269.) 

Aosfübrliche Beschreibung eines Falles von Gliom im rechten Frontal¬ 
appen bei einer 46jährigen Frau. Die Krankheit begann im December 1894 mit 
Copfweh in der rechten Stimhälfte, Gedäebtnissstörungen, Apathie, Anfällen von 
Icblafsucht, Selbstmordgedanken. Juni 1895 traten An^le von automatischen Gehen 
lia zu 3 Standen Dauer auf. Im October 1895 steigerten sich alle Symptome, dazu 
■esellte sich eine linksseitige Hemiplegie und beiderseitige Staoni^papille. 

Am 13. October wurde daa rechte Stirnbein eröffnet und ein ca. wallnussgrosses 
rliom aus dem rechten Stimlappen entfernt Normale Heilung der Wunde. Die 
Icmiplegie und insbesondere die Stauungspapille verschwanden vollständig! 
,ucb die psychischen Functionen wurden wieder vollständig normal. 


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812 


Die Patientin konnte ihre frflhere Beecbäftignng wieder anfhehmen nnd blieb 
4 Monate lang völlig gesund. Dann traten fieberhafte schwere Gehimerscheinnngeo 
anf, welche in harzer Zeit zum Tode führten. Die Autopsie ergab einen Thrombus 
in der rechten A. fossae Sylvii nnd frische Encephalitis, kein Becidiv des Gliom 
Obwohl vorübergehend, berecht^ der Erfolg doch zu weiteren operativen Ver¬ 
suchen. Von therapeutischem Interesse ist das Verschwinden der Hemiplegie nnd 
nauientlich der Stauungspapille durch die Abnahme des intracraniellen Druckes nach 
der Operation. Strümpell (Erlangen). 


23) Zar Diagnose and Therapie des Qehimtajnors, von Th. Ziehen. (Zeit¬ 
schrift f. praki Aerzte. 1898. Nr. 5.) 

Verf. bespricht einen Fall von Parese des rechten Armes und Beines. Hirn- 
nervun intact. Während des langsamen Fortschreitens der Lähmungserscheinungw 
typische Anfälle von Jackson’scher Epilepsie. Leichte Störung des Mnskelsinns. 
Trotz völligen Fehlens der Allgemeinsymptome: Kopfschmerz, Erbrechen, Bradycardie 
and Stauungspapille, ist eine langsam wachsende über, in oder unter dem linken 
Fuss- und Zehencentrum entstandene Himgeschwulst anzunehmen. Die Operation 
bestätigte vollauf die Diagnose. Hikroskupisch erwies sich der Tumor als ein Fibro- 
sarcom. Pat. starb 8 Tage nach der Operation an eitidger Meningitis. 

Kurt MendeL 


24) Om Böntgens atr&lar 1 hjärnkirurgiena tjänst, af Prof. S. E. Henscheu 

och Prof. K. G. Lennander. (Nord. med. ark. 1897. VIXI. 2. Nr. .30.) 

Ein 33 Jahre alter Hann bekam am 11. August 1895 aus der Entfernung von 
einigert Metern einen Bevolverschuss in das linke Auge, empfand heftigem Schmerz 
in deui getrofitenen Auge und stürzte sofort bewusstlos zusammen. Im Hospital von 
Oerebru wurde das zerschossene Auge exstirpirt und man sah nun die Einschoss- 
Öffnung an der inneren Orbitalwand einige Centimeter hinter der Camncnla lacrymalia 
Pat. lag 3 Wochen bewusstlos, Ham und Eoth gingen unfreiwillig ab, Pat. musste 
gefüttert werden, konnte aber schlacken; man bemerkte, dass die linkeu Glieder ge¬ 
lähmt waren. Als Pat wieder zu Bewusstsein kam, sah und hörte er, begriff aber 
nichts, die ganze linke Körperhälfte war gelähmt und gefühllos; die Speisen liefen 
ans dem linkeu Mondwinkel ab. Pat. kam immer mehr zn Bewosstsein, b^ann bald 
zu sprechen, aber sein Wortvorrath war so unzureichend, dass er sich meist dorch 
Zeichen zu verständigen suchen musste; tbeils konnte er keine Worte finden, theile 
konnte er sie nicht aussprechen. Das Erinnerungsvermögen, das zuerst ganz gefehlt 
hatte, kehrte allmählich wieder und der Zustand des Pat besserte sich soweit dass 
er um Weihnachten, auf der linken Seite gelähmt, mit partieller Aphasie, entlassen 
werden konnte. 

Im August 1896 stellte sich Kopfschmerz im rechten ULnterkopf ein, weshalb 
Pat am 2. September im academischen Krankenhaus zu (Jpsala aufgeuommen wurde. 
Die psychischen Fähigkeiteo waren gut, auch das Gedächtniss, aber Pat. litt an 
partieller motorischer Aphasie und partieller Agraphie und Alexie, schnell Gesprochenes 
konnte Pat. nicht verstehen. Der Geruch fehlte vollständig. Im unteren nasalen 
Qnadranlon des Sehfeldes im noch vorhandenen rechten Auge war die Sehschärfe 
herabgesetzt. Auf der linken Seite bestand noch Hemiplegie, am stärksten im Anne, 
und Anästhesie. Pat wnrde nach kurzer Zeit entlassen nnd am 15. Jannar 1897 
behufs der Operation, die er dringend wünschte, wieder aufgenommen. Die Aphasie 
hatte sieb etwas gebessert, war aber noch nicht ganz verschwunden, die Lähmang 
war nur wenig gebessert, die Anästhesie aber war geringer. Im nnteren nasaleo 
Quadranl-sn sah Pat die Gegenstände nicht mit so scharfen Umrissen im übhgea 


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813 


Selifeld. Eine genaue Erwi^ong der Symptome (Anogmie, Hemiplegie und Heroi« 
anistheeie, Sehstöning, Aphasie) fflhrte H. zu dem Schlnsse, dass das Projectil auf 
seinem Laufe die Striae olfactoria getroffen haben, in der Hähe des hinteren Theils 
der Capsula interna vorbe^egangen sein und an der Grenze zwischen ParietaL und 
Ocdpitallappen liegen musste, nahe an der Rinde und etwas dorsal von der Seb- 
bahn, die das Corpus geniculatum extemum und die Fissura calcarina verbindet; das 
Symptomenbild entsprach einer geringen Störung der occipitalen Sehbahn. Hie 
Aphasie liess sich nur durch die Blutung erklären, die bei der Verletzung das Be* 
woastsein geraubt hatte. Hit Hülfe der von verschiedenen Seiten ans vorgenommenen 
Uatersuchung mit BöntgeU'Strahlen wurde berechnet, dass das Projectil oberhalb 
des Tentorium cerebelli, ungefähr 4 cm von der Uittellinie und ungefähr 1—2 cm 
unter dem Schädeldach liegen musste. 

Dieser Lage entsprechend wurde am 2. Februar 1897 von L. an der linken 
Seite des Hinterkopfs die temporäre Besection mittels eines Haotperiostknocbenlappens 
nach Wagner’s Methode ausgeführt. Mitten in der Oeffnung entdeckte man, un* 
geßhr 1 cm unter der Binde, das Projectil, um das sich deutlich eine Kapsel zu 
bilden b^onnen hatte. Mach Beendigung der Operation ging die Heilung gut von 
Statten. Der Kopfschmerz, der den Pat. seit einem halben Jahre gequält hatte, war 
nach Entfemnng des Projectils verschwunden. 

In physiologischer Beziehung bietet dieser Fall Interesse dadurch, dass er die 
Richtigkeit der Theorie Henschen’s über die L^e der Sehbahn und der Verlauf 
der Fasern in derselben bestätigt, und zugleich auch die praktische Bedeutung dieser 
Theorie, mit deren Hülfe es gelang, die Lage des Projectils mit ziemlicher Genauig* 
kat zu bestimmen. Walter Berger (Leipzig). 


25) Caenistisohe Beiträge nur HimoMrurgie nnd Himlooalisatioii. Erster 

Beitrag von Priv.*Doc. Hr. Karl Bonhoeffer in Breslau. (Monatsschr. für 

Pi^ch. u. Neurolog. 1898. Bd. III.) 

I. Bei einem 28jährigen Hanne stellten sich immer häufiger Krampfanfälle ein, 
ZD denen sich linksseitige, hemiplegische Erscbeioangen, namentlich Lähmung des 
linken Beines gesellten. Kopfschmerzen und beiderseitige Stauui^papille kamen 
dazQ. Nachdem Jodkali erfolglos blieb, wurde durch Mikulicz die Trepanation 
eoBgeführt, bei der sich vor dem oberen Drittel der rechten Centralwindung ein 
kinderfaustgrosses, weiches, graubraunes Gliom fand. Dasselbe liess sich hinten gut 
ablösen, war jedoch nach vom und unten nicht scharf abzugrenzen. Ein grosser 
Tbeil des Stirahims wurde mit entfernt Mach der Operation nahm die Lähmung 
io der oberen Extremität zunächst zu und war mit Tastlähmung and Störungen der 
Ugeempfindung verbanden. Auch an anderen Theilen des Körpers waren Sensibilitäts* 
BtOrungeo nachweisbar. Die Athmung war in der Weise gestört^ dass sich die linke 
Thoraxhälfte nur wenig betheiligto, dass die Inspirationen vermehrt und tief waren, 
während die Exstirpation langsam vor sich ging. Ein paar Tage lang waren die 
Ai^en nach rechts deviirt beim Sehen nach links blieb der rechte Internus mehr 
zarllck, als der linke Abdncens. Der Krankbeitsznstand besserte sich in der Folge* 
zeit. Die Sensibilitätsstömngen bildeten sich bis auf eiuen unbedeutenden Rest 
zurück. 14 Tage nach der Operation konnte der Pat das Bett verlassen. Weder 
vor, noch nach der Operation waren pathologische Erscheinungen hinsichtlich der 
Intelligenz, des Gedächtnisses oder der Merkfäbigkeit zn constatiren. 3 Monate später 
kam ee jedoch in Folge zunehmender StaoungspapUle zu Amaurose, der bald Oph- 
tbalffloplegie folgte. Bald darauf starb der Pat Bei der Section zeigt sich, dass 
der Tomor namentlich nach unten weiter gewachsen war, den rechten Linsenkern, 
den Streifenhflgel und Sehhügel ergriffen hatte, auf den Balken und die linke Hemi* 
Sphäre übergegangen war. Die Ventrikel waren erweitert, die Hirnwindungen ab* 


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geplattet In den Fyramidenbalinen fand bicb Degeneration, such die lateralen 
Pakieen der HinterstÄnge des Halamarks waren erkrankt 

11. Ein 62jähriger, dem Tranke ergebener Arbeiter, war mit Kopfweh, Scbwindel- 
anf&llen and Schwäche der linken Hand erkrankt Er bekam dann Krampfanfalle, 
die Ton der linken Hand ihren Änsgang nahmen. Später kam es nach den AnföUeo 
zu Lähmung der Unken Hand mit SensibiUtätsstCrungen, namentUch yoUständiger 
Tastläbmung in derselben, zu Lähmung des linken Mundfacialis und Parese des 
linken Beins mit Steigerung der Sehnenrefleze. Die An^le nahmen rasch zn, in 
der Stande wurden bis zu 20 clonische Anfälle beobachtet die in der linken Hand 
begannen, Unks den Arm, den Facialis, das Bein ergriffen, häufig auf die rechte 
Seite Qbergingen und sich auf demselben Wege zurQckbildeten. Nach den AnAlleu 
bestand Deviation des Kopfes und der Augen nach rechts, die Linksbewegung der 
Augen war deutlich erschwert, der rechte Internus war paretisch. Am Angenhinter- 
grund fand sich nichts abnormes. Erbrechen wurde nicht beobachtet Deliranto 
Symptome fehlten. Der Kranke bekam Fieber, das linke Kniephänome schwand. 
Der Zustand wurde hoffnungslos. Kolaczek führte die Trepanation aus und fand 
unter der Dura, namentlich oberhalb des mittleren Drittels der vorderen ond der 
hinteren Centralwindung rechts reichliche Hassen dickflüssigen Eiters, die die darunter 
liegende Himsubstanz stark drückten. Obwohl bedeutende Mengen des Eiters be* 
seitigt wurden, stellten sich die Anfälle bald nach der Operation in ungeheurer 
Häufigkeit wieder ein, und der Pat, der schon vorher starken Bronchialcatarrh ge¬ 
habt hatte, ging an Lungenerscheinungen zu Grunde. An den Stellen, an welchen 
die stärkste Bindencompression bestanden hatte, fand sich mit der Harchi-MeUiode 
degenerative Veränderung in den Badiärfasem und in den intercorticalen Fasern. 
Die Pyramidenbahn war oberhalb ihrer Kreuzung namentlich rechts, aber auch links 
erkrankt. G. 11berg (Sonnenstein). 

26) Casuistisohe Beltr^e zur Himohimrgie und HimlocaUsation. Zweiter 

Beitrag von Dr. H. Liepmann in Breslau. (Monatsschr. f. Psycb. o. Nenrolog. 

1898. Bd. III.) 

Eine 32jährige Arbeiterin hatte seit ihrem 18. Jahre Krämpfe mit Bewusstseins- 
Verlust, die stets im linken Beine b^annen, und seit ihrem 22. Jahre aosserdeo 
toniscb-clonische Krämpfe im linken Bein ohne Bewosstseinsstürung. In den letzten 
Jahren hatte sich eine allmählich znnehmende Schwäche des linken Beins aosgebildet 
Die Sensibilität war normal. Die Befleze waren gesteigert Erscheinungen von 
Himdruck bestanden nicht Nachdem Jodkalinm keinen Vortbeil gebracht batte, 
wurde die Patientin trepanirt Daher der Dura fand sieb nichts Positives. Da die 
Krämpfe vom linken Bein ausgingen nnd da dieses ohnehin gelähmt war, beschloss 
man die vom Paracentrallappen nach unten anssen ziehende Beinfaserung zu durch- 
trennen. Zu diesem Zwecke wurde die Himsubstanz 3 Finger breit von der Mittel¬ 
linie einen Zoll tief in einer zur Sagittalebene etwa um 45° geneigten Ebene durch¬ 
schnitten. Die Krämpfe blieben nach der Operation weg und kehrten erst 5 Monate 
später wieder, wiederholten sich auch in der Folgezeit viel seltener als vor dem 
chirurgischen Eingriffl Unmittelbar nach der Operation trat aber eine totale links¬ 
seitige Hemiplegie auf; die Lähmung des Facialis nnd Hypoglossus ging zwar vor¬ 
über, Arm und Hand behielten jedoch motorische nnd sensible Lähmungserscheinungeo. 
Der Verf. hat die Patientin äusserst genau untersucht, theilt hierüber interasante 
Details mit und hat sehr Becbt daran gethan, auch einen solchen Fall, der Ent¬ 
täuschungen bereitet hat, zu veröffentlichen. Ob die Wahrscbeinlichkeiisdiagnose, 
dass die Patientin einen Tumor, nnd zwar ein Angiom, hat, in Znknnft Bestätigang 
findet, wird hoffentlich a. Z. festgestellt und pnbUoirt werden. 

G. Ilberg (Sonnenstein). 


I3ig :voci = / G OO^lc 



815 


S7) 8ul oentro psloo«motore del mosooU saperlori della fooola, per 

V. PugHese. (Eivista di Patolog. oer?. e ment 1898. Nr. 2.) 

TOjähriger Al^oholisl^ schon wiederholt von apoplectischen Insulten befallen, 
erknokte durch einen neuen Schlaganfall mit Bigidität der linksseitigen Extremitäten, 
Höberstehen des linken Mundwinkels und der linken Augenbraue, während gleichzeitig 
die linke Stirnseite gerunzelt war. Bald darauf clonisehe Krämpfe der linken Seite, 
die Tags darauf aufhdrten, so dass nur noch Zuckungen im linken Orbicularis oculi 
and Corrugator supercUü, sowie in den Stimmnskeln bestanden. Im rechten 
H. frontaiis gleiche, wenn auch schwächere Zuckungen. 

Bei der Section fand Terf. Atherom der Uimarterien, besonders der Arteria 
fossae Sjlvii, und daselbst, namentlich rechts, zahlreiche wandständige Thromben, die 
in den Endrerästelungen das Lumen verschlossen. In den Ganglien der Himbasis 
ältere apoplectische Cysten. Die Hirnrinde war intact; nach des Yerf.’s Ansicht 
deshalb, weil die Arterien der Binde keine Endartorien sind, sondern mit anderen 
durch das Gefitssnetz der Pia communiciren. Auch waren während des Lebens des 
Pai die klinischen Symptome irritativer Natur, so dass man auch aus ihnen zwar 
auf eine Ischämie, nicht aber auf eine Anämie der Binde schliessen musste. 

Ans der Theilnahme des rechten M. flrontalis und dem Krampfe dee linken 
oberen Facialis zieht Verf. den Schluss, dass die Bindencenben dieses Muskels eine 
bilaterale Function haben, während dies bei den vom unteren Facialis versorgten 
Maskdn, sowie beim Orbicularis oculi nicht der Fall ist; die letzteren kann man ja 
aaeh willkflrlieh einseitig innerviren, nicht aber den Frontalis. Valentin. 


28) 2ar Pathologie der Shkrwalzuogen des Btreifenhügels und Linsenkems, 

von Dr. Oskar Beichel (Wiener med. Presse. 1898. Nr. 19.) 

I. Lues — ausgedehnte Erweichungsberde beiderseits in den grossen Ganglien. 
Kurz andauernde motorische Erscheinungen. — Tod 1 Jahr nach der Infection. 

22jähr. Postbeamter; luetische Infection am 16. April 1896. Nach 10 Injec* 
Uonen mit OL einer, mosste wegen heftiger Kopfschmerzen mit der Therapie ans« 
gesetzt werden. Die Kopfschmerzen (am ganzen Kopf ziemlich gleicbmässig localisirt) 
dauerten an; dazu Schmerzhaftigkeit der Nackenmnskulator bei Dmck und bei Be« 
vegui^en, leichte Somnolenz, Parese dee Unken Facialis in seinen unteren Aesten, 
an der rechten Wange Hypästhesie fQr taotile Beize, rechtsseitige Hypoglossusparese, 
Steigerung der linken Patellarreflexe, Tronsseau’sches Phänomen, spastische Parese 
der linksseitigen Extremitäten. Alles dies 5 Monate nach dem Primäraffecte. Unter 
intiluetischer Behandlong nach 2 Wochen Bückgang dieser Erscheinungen bis auf 
geringe Schwäche der Unken Körperhälfte ohne Berufsstöruog. April 1897 plötz- 
hebe Erkrankung unter Aphasie, zunehmender Somnolenz, rechtsseitiger Lähmung, 
während Unks Krämpfe ansgelbst werden. Tod 1 Jahr nach dem Primäraffect 

Obdnetion: Endarteriitis syph. der Art foss. Sylv. und des Anfangsatfickes der 
Art norp. callos. beiderseits. Wandständige Thrombose der rechten und obtnrirende 
der linken Art foss. Sylv. Aeltere Rrweiebungen der grossen GangUen, der Insel 
and des Operculum rechterseits, eine frischere Erweichung dieser Gebiete linkerseits. 
Die mikroskopische Untersochnng ergab eine geringe Degeneration der motorischen 
Bahnen Unks. Demgemäss bestand vom September 1896 bis April 1897 trotz ans* 
gedehnter Zerstörung der grossen Ganglien, der Insel und dos Operculum rechterseits 
nur eine geringgradige linksseitige Schwäche. 

II. Herde in beiden Linsenkemen, der ältere symptomenlos, der frischere mit 
raacb Twsebwindenden motorischen ErscheinnngeD. — Tod an Pneumonie. 

70jäbr., vorher immer gesunder Dienstmann, stürzte am 12. Februar 1898 
plötzlich unter Schwindel zusammen, ohne das Bewnsstsein zu verlieren. Danach 


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816 


liokaseitige Hemipl^e, Sprachstöroog, Kop&chmerzeo. Audi der linke FaeialiB wmr 
paretisch. An den folgenden Tagen wird der Kranke nnrohig and benommen, 
während die Fscialisparese nnd die Schwäche der linken oberen Extremität zarfick> 
geht. Tod an Pneumonie. 

Autopsie: Links ältere, rechts frischere Erweichnng des Linsenkems in Folge 
Atiierom der Art. foss. Sylv. mit Verschloss des Lnmens der rechten Art. cerebr. ant. 

Hemianästhesie, choreatische Bewegungen, vasomotorische StCmngen fehlten. 

J. Sorgo (Wien). 


20) A oaee of dyaphagia and dysphasla reaoltiiig firom a leslon in tha 
internal oapanle, by Judson Dalahd, M. O. (Jonmal of nervoos and 
mental disease. 1897. Oct XXIV. 8.614.) 

Fat., der die in der Ueberschrift angegebenen Symptome dai^boten hatte, war 
ein 66jähr. Mann mit allgemeiner hochgradiger Atheromatoee, mit Leber* and Milz* 
schweliui^ und mit Nierenscbrampfuog. Fast 5 Monate hindurch zeigte er mit ge¬ 
wissen Remissionen das Cheyne-Stokes'sche Athmungsphänomen und starb dann 
plötzlich an Herzschwäche. 

Es dürfte aber zweifelhaft bleiben, ob die im Leben beobachteten Schluck* and 
Articnlationsstörangen anf eine kleine hämorrhagische Cyste in der inneren Kapsel 
am rechten Naclens dentatus oder nicht vielmehr auf ein spindelförmiges Anenryama 
der rechten Art vertebralis und der Basilaris, das anf den Olossopharyngeas und 
Hypoglossus zu drücken vermochte, znrückznfllhren sind. Sommer (Allenberg). 


30) Studio delle wie oerebro-bulbari e oerebro-oerebellari in un omo di 

leaione deila oalotta del pedunooio oerebrale, per C. Ceni. (Bivist 

sperim. di Freniatria. XXIV.) 

Eine 66jährige Frau, die w^n alkoholischen Irreseins in die Irrenanstalt auf* 
genommen wurde und daselbst starb, batte 40 Jahre früher nach einer croupösen 
Pneamonie an epileptischen AnßUen gelitten, nach denen Atrophie und Flexions- 
contractur bei vollständiger Unßhigkeit zu activen Bewegnngen- in der rechten oberen 
Extremität nnd leichte Atrophie and Schwäche des rechten Beines zurückgeblieben 
waren. Ferner bestand leichte Contractnr der rechten Gesichtshälfte, starke Herab¬ 
setzung der Sensibilität und choreiforme Znckangen anf der ganzen rechten Körp^- 
hälfte. Bei der Section fand Verf. in der Haube des linken Himschenkels einen 
alten hämorrhagischen Herd, welcher den rothen Kern vollkommen, die laterale 
Schleife theilweise und die mediale Schleife fast gänzlich zerstört und den rechten 
oberen Kleinhimarm unterbrochen hatte. Secundär waren eingetreten leichte Atrophie 
der gesammten linken Hemisphäre, besonders der G^end der hinteren Centralwindang, 
Atrophie des Thalamus opticus und leichte Atrophie des Linsenkems. In der Brücke 
links: Atrophie der Schleife und des hinteren I^ngsbündels, rechts: eine solche des 
oberen und mittleren Eleinhimschenkets. Atrophie der rechten Kleinhimhemisphäre, 
die Binde und das Corpus dentatum betreffend. Im verlängerten Mark, rechts: 
Atrophie des nnteren Kleinbimschenkels, besonders seines OUvenantheils, in der unteren 
Olive dorsal und nach innen eine kleine D^enerationszone, Atrophie der Nuclei gn* 
cilis und cuneatus, der Fibrae arciform. extern, poster. und der Fibrae ardform. int; 
links: fast vollständiger Schwund der Olive mit Ausnahme eines kleinen dorsalen 
und inneren Feldes, Atrophie der Fibrae arciform. extern, anter., der Olivenzwischen- 
schicht und des hinteren Längsbündels. 

Verf. schliesst an seinen Fall einige anatomische Betrachtungen an. Den Ver¬ 
lauf und das proximale Ende der Schleife betreffend, so spricht die durch nichts 
anderes erklärbare Atrophie des medialen Thalamuskernes dafür, daaH in ihm Schleifen- 


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fasern endigen, wie dies ja auch Monakow, Dejerine and Ändere annehmen. 
Seine Fortset/img zur Binde findet dieser Faserzug, vielleicht unter Zwischenschaltung 
eines kurzen Neurons, in BQudelu des Stabkranzes, die zur hinteren Centralwindung 
ziehen. Die letztere war auch im Falle des Verf.’s atrophisch. Die Schleife bildet 
also eine Verbindung der Kerne der Hinterstränge mit der hinteren Centralwindung 
der entg^engesetzten Seite nnter Einschaltung des Thalamus opticus. 

Der Schwund des Corpus dentatum des rechten Kleinhirns steht in directer 
Beziehnng zu der fast vollkommenen Atrophie des gleichseitigen oberen Kleinhirn- 
Schenkels in Folge der Zerstörui^ des rothen Haubenkerns, und hat in zweiter Linie 
znr Atrophie der Kleinhimrinde geführt. Von der Binde aus hat sich der Dege- 
nerationsprocess dann weiter auf den mittleren Kleinhimschenkel fortgesetzt, welcher 
direct aus der Binde seinen Ursprung nimmt. Ebenso muss die Degeneration der 
EleiDhirnolivenfasern von der Atrophie der Kleinhimrinde oder des Corpus dentatum 
abhängig sein. Es hat also die Zerstörung des linken Nucleos rnber tegmenti zum 
Schwoude des gekreuzten Antbeils des rechten oberen Kleinhimschenkels und in 
zweiter oder dritter Linie des Oliventheils des rechten Peduncul. cerebelli infer. ge¬ 
führt. Es muss also ein anatomisch-physiologischer Zusammenhang zwischen rothem 
Haubenkem, oberem Kleinhimschenkel und dem KleinhiroolivenbQndel des unteren 
Kleinhirnstiels bestehen. 

Nach den angetroffenen Degenerationen schliesst Verf. ferner auf das Vorhanden¬ 
sein einer doppelten Verbindung zwischen Nucleus ruber segment. einer Seite und 
der unteren Olive und dem Nucleus acciformis derselben, sowie in der grauen peri¬ 
pyramidalen Brückensubstanz der anderen Seite, beide Haie nnter Einschaltung der 
Kleinhimrinde und des Corpus dentatum der entgegengesetzten Seite. 

Valentin. 


31) Ein Fall von Erkrankung des Traotus opticus, Pedunoulus oerebri 
and N. ooalomotorius, von Dr. Budnienr. (Journal der Nerven und 
p^chlatr. Hedicin. 1897. Bd. II. [Bussisch.]) 

Der Fall betrifft einen 30jährigen Mann, bei welchem man eine rechtsseitige 
Hemiparese, linksseitige Ftosis und rechtsseitige Hemiopie coustatireu konnte. In 
der Anamnese: Lues. Facialis beiderseits normal. Im rechten Auge hemianopiscbe 
Pupillenreaction. Die rechte Pupille reagirt gut auf Accommodaüon. Die linke 
Pupille ist stark erweitert und reagirt weder auf Licht, noch auf Accommodation. 
Sämmtliche Muskeln, welche vom linken N. oculomotorius versorgt werden, sind ge¬ 
lähmt Die rechtsseitige Hemiparese mit linksseitiger Oculomotorinslähmung (Weber’- 
scbes Phänomen) und die rechtsseitige Hemianopsie zeigen, dass es sich hier um 
eine Erkrankung (syphilitische Geschwulst oder Pachymeningitis) im Gebiete des 
Linken Pedunculus handelt Da die consensuelle Reaction im rechten Auge vorhanden 
war, so muss man annehmen, dass die entsprechenden papillären Fasern (welche auf 
nner gewissen Strecke im Tractus opticus verlaufen) erhalten geblieben sind. 

Edward Flatau (Berlin). 


A case of tumour of the Fons Varolii, by Henry Handford. (Brit 
med. Jouro. 1898. June 18. S. 1585.) 

10jähriger Knabe, bis dahin gesund, seit einem Jahre benommenen Kopf und 
cliwerfallig beim Sprechen. Rechts Schielen und rechts Facialisparalyse. Seit 
rühesten Jahren Otorrhoe beiderseits. M. tympan. rechts durchlöchert, Ausfiuss sehr 
pärlich. — Vor 7 Wochen wurde das Gehen uovollkommen, Schmerz oberhalb der 
.ngen, Erbrechen. Beim Gehen ist Neigung, nach vom and links zu fallen. Beider- 
?its gesteigerte Patellarrefiese, Paralyse des rechten 6. and 7. Nerven, Neuritis 

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optica mit Exsudat und Hämorrhagie in beiden Retiuae; die Bracheinangen beeaehea 
sich sämmtlich, und nach 10 Tagen schien der Enabe genesen. 

Nach weniger Zeit traten aber alle KranhheitBerscheümngen aufs Neue m-, 
Erbrechen, Schw&che des linken Armes, ungleiche Pupillen. Pat bekam Jod and 
Brom, wurde abermals besser, aber nur f&r kurze Zeit Tod. — Es fand sich ein 
wallnussgrosses Mjxosarcom in der unteren Hälfte des Pons rechterseite. Dw 
Flocculus wurde dadurch beinahe bis zur Liniendicke zusammengepresst. Der 6. 
und 7. Nerven waren in der Qescbwnlst eingeschlossen. 

L. Lehmann 1 (Oeynbausen). 


33) lieber periodiaohe Sohwanktuigen der Papillenwelte bei Cheyne* 
Stokes'sohem Athmen, von Dr. Martin Thiemich. (Jahrbuch f. Kinder* 
beUk. Bd. XLVII.) 

Ein Sjähriges Kind, das an Meningitis tuberculosa erkrankt war, bot am vor¬ 
letzten Lebenstage folgenden auiTallendenBefund: Es besteht au^esprochenesCbejne* 
Stokes’sches Atbmen; während der Athempanse sind die Pupillen mittelweit bei 
Beginn der Bespiratioo erweitern sie sich langsam und stark, um nach Aufhören der 
Athmung rascher, als die Erweiterung erfolgte, zu ihrer vorigen Weite zurückzukehren. 
Die Pupillen sind in der Atbempause noch mässig auf Licht empfindlich, starke 
Hautreize bewirken keine Erweiterung. Verf. weist darauf hin, dass dieses Pupillen* 
Phänomen bei Kindern bisher nur ein einziges Hai beschrieben wurde und schliesst 
sich dem Erklärungsversuche von Leube und Filehne an, welche eine Herabsetzung 
in der Erregbarkeit des „Centrum oculopupillare*' bezw. der Vasoconstrictoren an* 
nehmen, so dass es erst eine stärke Kohlensäureanhäufung im Blute bedarf, um die 
medullären Centren zn erregen. Im Nachtrag veröffentlichte der Verf. einen ähn¬ 
lichen Fall bei einem 2jäbrigen Knaben. Zappert 


34) Bor les porapldgles flasques par compresslon de ia moelle, par 

0. Harinesco. (La semaine mddicale. XTlll. Nr. 20. S. 153.) 

Verf. theilt folgende 2 Fälle mit: 

Im 1. Falle handelte es sich om einen Mann, der 2 Jahre vor seinem Tode v«a 
Pferde gefallen war. Im Anschluss darau hatte sich eine Caries der Wirbelsänli 
mit Gibbosbildong vom 5.-8. Dorsalwirbel und eine Compression des Markes ans* 
gebildet Es fand sich eine schlaffe Lähmung beider Beine mit Muskel* 
atrophie und Oedem; eine totale Anästhesie beider Beine und des Rumpfes, rechts 
bis an die unteren Rippen, links bis 2 cm fiber den Nabel (nachher sagt Verf. alkr* 
dings, dass Stichie in den Fass nur eine wenig intensive Schmerzempfindung bervmr- 
gerufeu hätten); ferner totaler Verlust des Huakelgefühls. Die Sehnenreflexe 
waren erloschen, auch der Cremaster und Bauchreflex; der Plantarreflex war 
erhalten. Blase und Mastdarm waren total gelähmt Es bestand Decubitus. Die 
Section ergab an der Stelle der Wirbelcaries eine totale transversale 
Zerstörung des Markes. Unterhalb der Zerstörung zeigten sowohl die Wurzel* j 
wie die Strangzellen der Vorderhömer namentlich mit Nissl’s Färbung deutliche ye^ 
ändenmgen. Die Muskeln der Beine waren schwer erkrankt; es fand sich vor allen 
Dingen Erkrankung der Muskelfasern selbst, ferner Fett* und Kemwacherung da¬ 
zwischen, dann Oedem und erhebliche Myophagenbildung; manchmal, bis auf diese, 
leere Sarcolemenschläuche; die intramusculären Nerven waren ancb erkrankt, (üe 
grossen Nervenstämme nur etwas ödematös. 

Im 2. Falle handelt es sich um eine partielle Erkrankung des Markes in Folge ! 
einer Engelverletzung in der Höhe des Angulua scapulae, 2 Monate vor dn* Auf* 
nähme. Es bestand totale Lähmung der Beine mit Oedem, die Muskeln des Ab* 


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819 


domens iraren frei. Ferner an beiden Beinen und am Rumpfe bia znm Schwert- 
fortsatze des Bmstbeines eine Anästhesie für thermische und Schmensreize bei er¬ 
haltenem Tastgefühl und dem subjectirem Gefühle von Eingeschlafensein; später 
waren die Unterschenkel hinten und vorn ganz gefühllos, von da an nach oben be¬ 
stand partielle Empfindongslähmung wie früher, nur am Penis und Scrotum war die 
Anästhesie total. Die Patellarreflexe fehlten, bei Beklopfen der Patellarsehne 
rechts trat aber eine Adductionsbewegung der linken Hüfte auf. Die Section ei^ab 
hier eine starke Abplattni^ des Markes in der Hübe des 5. und 6. Dorsalwirbels; 
histologisch erschien an der Stelle der stärksten Compression das Mark fast normal, 
etwas darunter aber waren die grauen Säulen und die angrenzende weisse Substanz 
aoch in den Hintersträngen zerstört Die Muskeln der unteren Extremitäten zeigten 
dieselben Veräuderongen wie im Fall 1, nur in geringerem Grade. Die secnndären 
Degenerationen im Marke waren die gewöhnlichen, wie auch im Falle 1. 

Verf. macht für die Hnskeldegenerationen an den Beinen das Oedem verant¬ 
wortlich. Er erklärt das Fehlen der Reflexe in diesen Fällen im Sinne von Bastian 
ond van Gebuchten. In den Fällen, wo die Sensibilität erhalten und das Mark 
Dor partiell zerstört sei und wo dennoch die Sehnenreflexe fehlten (Babinski), 
müsse es sich nm den Ausfall tonisirender, vom Gehirn (bezw. Kleinhirn) kommender 
Fasern handeln. 

In den Fällen totaler Compression ond Anästhesie, wie sie Bastian zuerst 
mitgetheilt, falle nicht nur dieser Factor foi% sondern auch die tonisirende Wirkung, 
die von den hinteren Wurzeln auf die Vorderhoriizellen ausgehe. (Warum das 
letztere notbwendigerweise der Fall sein muss, vermag Bef. nicht einzusehen. Beize 
von den unteren Extremitäten werden nicht gefühlt, weil der Weg zum Gehirn 
onterbrochen ist, aber bis zu den entsprechenden Vorderhornzellen können sie doch 
gelangen.) Später könne dann auch die Huskelatrophie mit zum Aus¬ 
bleiben der Reflexe beitragen, aber die eigentliche Ursache dafür 
könne sie nicht darstellen, da sie viel zu spät einträte. Darin hat der 
Verf. jedenfalls Hecht 

Bef. muss noch auf einige irrige Angaben in Verf.'s Aufsätze binweisen. Der 
Fall des Bef. und die meisten von Thorburn beziehen sich auf Verletzungen der 
Wirbelsäule, nicht auf Caries. Bef. hat ferner nie die Theorie Bastian’s unbedingt 
anerkannt sondern schon in seiner ersten Arbeit auf Umstände bingewiesen, die ihre 
AoerXennung erschweren; er hat sehr bald ancb erkannt dass die Hautreflexe, speciell 
die Plantarsticbreflexe erhalten bleiben können. Aof die Erkrankung der Mus¬ 
keln an den Beinen hat Bef. ebenfalls schon vor Egger, dem Verf. dies 
Verdienst zoerkennt, bingewiesen; er bat zuerst in diesen Fällen diese Muskeln 
histolc^iacb nntersucbt aber zngleicb schon hervoi^ehoben, dass man in diesen Muskel- 
Veränderungen nicht die Ursache für das Fehlen der Reflexe finden könnte. Ferner 
bat er anch schon auf die Veränderung von Ganglienzeilen, nämlich in den Clarke'- 
sehen Säulen, tief nnterbajb der Läsion bingewiesen; Egger will in seinen Fällen 
sogar schwere derartige Veränderungen gefunden haben, er bat also keinesfalls er¬ 
klärt dass das Lumbalmark intact sei. Schliesslich möchte Bef. doch noch bemerken, 
ditt zwar das Verdienst des Nachweises des Fehlens der Sehnenreflexe in den Beinen 
b« totalen transversalen Läsionen im Hals- und Dorsalmarke ganz allein Bastian 
zukommt dass er aber für sich das Verdienst beansprucht, naebgewiesen zu haben, 
dass dieses Fehlen auch bei, in allen seinen Tfaeilen normalen, bezw. anwesentlich 
vMäudertem Beflexbogen vorkommt Dieser Nachweis war für die Lehre Bastian’s 
doch unbedingt nothwmdig und von Bastian selbst nicht erbracht; nach des Bef. 
Fall sind die vom Verf. die ersten, in denen der ganze Beflexbogen untersucht ist. 
Dass der Verf. nicht ala erster in Fällen von sogen, traumatischer Myelitis oder 
Compression des Markes partielle Empfindungslähmung nachgewiesen hat vvie er 

62 * 


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glaubt, haben schon Minor und Pick hervorgehoben; auch Bef. hat partielle Em* 
pfindungslähmung in einem Falle von Tumor der Meningen am [jendenmarke be¬ 
schrieben. (Archiv f. Psych. Bd. XXVIU. 8. 106.) L. Bruns. 

35) Beltr&ge lur gllnik des Rückenmarks* und Wirbeltumoren, von Privat- 

docenten Dr. Hermann Schlesinger. (1898. Jena. Gustav Fischer.) 

Das vor Kurzem erschienene Buch von Bruns Ober die Geschwülste des Nerven- 
Systems, das auch eine ganz ausgezeichnete Bearbeitung der Klinik der Backenmarks¬ 
tumoren ■ enthält, bereitet naturgemäss einer neuerlichen monographischen Bearbeitong 
des gleichen Gegenstandes gewisse Schwierigkeiten. Schlesinger bat daher das 
Schwergewicht seiner Arbeit auf den anatomisch-statistischen Theil der Frage ver¬ 
legt und bringt in dieser Beziehung sehr werthvolle Beiträge für die Kenntnis der 
BOckenmarkstumoren bei. Die Grundlage seiner AusfOhrungen bildet ein so reiches 
Material, wie es noch keinem der froheren Bearbeiter des Gegenstandes zu Gebote 
stand. Dasselbe setzt sich zusammen aus den in der Litteratur beschriebenen Fällen, 
weiter aus einem eigenem, erstaunlich grossen Material, und endlich konnte Schle¬ 
singer die Obductionsprotokolle des Wiener allgemeinen Krankenhauses bezw. die 
vorhandenen Präparate von BOckenmarks- und Wirbeltumoren aus den letzten 18 Jahrm 
verwerthen. Es sind dies 36,000 Obdnctionen, bei denen sich in 161 Fällen Tu¬ 
moren des BOckenmarks und seinen HQllen und der Wirbelsäule fanden, das ist in 
0,43 In 104 Fällen war das BOckenmark direct oder indirect in Mitleiden¬ 
schaft gezogen. Dabei ergab sich, dass Wlrbeltnmoren mit consecutiver Betheiligung 
des BOckenmarks erheblich häufiger sind als meningeale und medulläre Neubildungen 
zusammengenommen. Von letzteren sind die extra- und intramedullären gleich häufig. 
In der Litteratur sind 400 Fälle intervertebraler Neubildungen beschrieben. 30*^, 
beschränkten sich auf das BQckenmark allein, in 40*^/^ ist das BOckenmark direct 
in Mitleidenschaft gezogen. Es ergiebt sich in weiterer Consequenz, dass von diesen 
400 Fällen bloss in 150 die Möglichkeit eines erfolgreichen chirurgischen Eingriffes 
gegeben war. ln Schlesinger’s eigenen Statistik sind 46^/o unter den intra¬ 
vertebralen Neubildungen Tumoren der BQckenmarkssubstanz. Die GegenOberstellung 
der rein meningealen, der intraduralen und extradularen, nicht von den Wirbeln aus¬ 
gehenden Neubildungen zeigt ein mässiges Ueberwiegen der ersteren. Nach dem 
Höhensitze der Tumoren berechnet ergiebt sich, dass die intramedullären Neubildungen 
am häufigsten im Bereiche der Hals- und Lendenanschwellung sich finden, während 
im Brustmark die extramedullären Tumoren Oberwiegen. 

Schlesinger giebt nach diesen rein statistischen AusfOhrungen eine sehr ein¬ 
gehende , ausgezeichnete Darstellung der anatomischen Verhältnisse der einzeineD 
Tumorformen. Als besonders werthvoll seien die zahlreichen, sehr instnictiven Ab¬ 
bildungen hervorgehoben. In unserem Beferate sollen nur die häufiger vorkommend» 
Tumoren berOcksichtigt werden, während von den selteneren abgesehen sei 

Die häufigste Geschwulstbildung des Rückenmarks wird durch den Tuberkel 
dargestellt, wobei man eine sogenannte Tuberculose medullaire nnd den Solitärtuberkri 
unterscheiden kann. Die Propagation der Tuberculose auf das BQckenmark erfolgt 
entweder auf dem Wege der Blutbahn oder von den Meningen her. Ersterer Um- 
stan(^ erklärt den relativ häufigen Beginn in der grauen Substanz (centraler Tuberkel), 
sowie das nicht allzu seltene multiple Auftreten. Die BOckenmarkstuberculose ist 
nie primär, ihr häufigster Sitz ist das Lendenmark. 

Syphilome sind im Allgemeinen selten, dann meist multipel und mit ^hi- 
litiscben Veränderungen der Meningen combinirt. Die verschiedenen Abschnitte des 
BOckenmarks werden gleich häufig befalleu. 

Anlässlich der Besprechung der Gliome betont Schlesinger die Schwierig¬ 
keiten der Abgrenzung gegenüber der Gliose; er spricht von Gliom nur in jenen 


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821 — 


Fällen, wo schon DDakroshopiscb der geschwnlstartige Charakter hervortritt. Die 
Oliome sind langgestreckte Tamoren, in deren Centrum sich öfters Erweichnag findet, 
sie sind ohne scharfe Grenzen, meist sehr blntreich. Sarcome treten tbeils als 
solitäre Tomoren in der Bflckenmarkssuhstanz (sehr selten) oder von den Meningen 
aosgehend oder als multiple Geschwülste auf. Letzteres wiedernm entweder in Form 
Ton mehreren isolirten Knoten oder in Form der sogenannten diffusen Sarcomatose. 
Diese kann von den Meningen auf das BQckenmark ftbergreifen, insbesondere auf die 
Binterstränge oder es kommt zur Compression des Rückenmarks. In anderen Fällen 
wiederum ist das Rückenmark auffällig wenig in Mitleidenschaft gezogen. Bei der 
multiplen Sarcomatose erkranken bei Mitbetbeiligung des Gehirns oder seiner Häute 
fast stets die Gebilde der hinteren Scbädelgrube, speciell das Kleinhirn. Die primären 
solitären Sarcome der Meningen stellen anscheinend die häufigsten der von den 
Meningen ausgehenden Tomoren dar; sie greifen meist trotz längeren Bestandes nidit 
auf das Rückenmark Ober und zeigen keine Tendenz zur Metastasirong. Ausserdem 
kommen metastatische oder von der Nachbarschaft übergreifende Sarcome zur Beob* 
achtnng. Bezüglich der Häufigkeit der einzelnen Sarcomformen e^ebt sich, dass 
die primär von den Meningen, den Nebenwurzeln oder der Innenseite der Dora ans* 
gehenden Sarcome 3 Mal so häufig sind wie die primären extramedural entstehenden 
Sarcome (mit Ausschluss der Wirbelsarcome). 

Von den weiteren Gescbwulstformen, die eine eingehendere Darstellung erfahren, 
seien genannt die Endotheliome (von der Dura ausgehend öfters multipel), Psammome, 
multiple Fibrome (relativ am häufigsten in den Wurzeln der Cauda equina); meta* 
statische Carcinome, die nahezu nie die Dura überschreiten. Im Anschluss daran 
bespricht Schlesinger die verschiedenen Formen der tuberculösen und syphilitischen 
Erkrankungen der Rückenmarkshäote. 

Die cjstischen Neubildungen gehen häufiger von der Wirbelsäule und den 
Meningen als vom Rückenmark selbst aus. Echinokokken sind 5 Mal so häufig wie 
Cysticerken. Die Echinokokken sind am häufigsten extravertebral und brechen erst 
secundär in den Wirbelcanal ein, manchmal unter ausgedehnter cariöser Zerstörung 
der Wirbelsäule; am häufigsten sitzen sie in der Brostwirbelsäule. Die Cysticerken, 
theils in Form der gewöhnlichen Cysten, tbeils als Cystic. racemosns sind häufiger 
intradnral 

Ein weiteres Capitel behandelt die Wirbelsäuletumoren, insofern sie auf das 
Rückenmark einwirken. Es sind dies primäre und secundäre Sarcome der Wirbel* 
Säule, wobei es zu einem Zusammensinken der Wirbelsäule und Compression des 
Rückenmarks kommen kann, weiter multiple Myelome, nahezu stets das Rückenmark 
in H-itleidenschaft ziehend. Das Carcinom der Wirbelsäule ist stets secundär, ent¬ 
weder von der Nachbarschaft her oder metastatisch. Mitunter kommt es zu einer 
diffusen Infiltration der ganzen Wirbelsäule und zu einer allmählichen Verkleinerung 
derselben (Bruns). Carcinose der Wirbelsäule ist kein seltenes Vorkommniss; re¬ 
lativ am häufigsten sitzt der primäre Tumor in der Mamma, Prostata. 

Bezüglich der Veränderungen des Rückenmarks und seiner Wurzeln in Folge 
von extramedullären Tumoren hat sich ergeben, dass das Rückenmark auf Druck 
von aussen leicht Formveränderudgen erleidet und daher compressibel ist. Die histo¬ 
logischen Veränderungen entsprechen dann meist der gewöhnlichen Compressions- 
Myelitis. Bei Luxationsfracturen der Wirbelsäule kommt es zu eigeuthümlichen 
nekrotischen Herden von mitunter beträchtlichem Umfange. 

Die Nervenworzeln bleiben ancb bei extramedullären Tumoren in ihrer histo¬ 
logischen Strnctur oft anfßllig verschont 

Aus einer zosammenfassenden Statistik seien hier bloss einige praktisch wich¬ 
tige Sätze wiedergegeben: Rückenmarkstumoren sind im Allgemeinen seltene Ge¬ 
schwülste; bloss in iVz'^/o Tomoren ii>t das Rückenmark betheiligt. Met«sta- 
tische Tumoren des Rückenmarks sind besonders selten. Das Gehirn weist etwa 


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822 


6 Mal BO häufig Tumoreu auf als das Bflckenmark. Carcmommetastasen erfolgen 
UDgemein selten in das BQckenmark, das gleiche gilt yod den Sarcomen; man bat 
daher bei Erscheinungen von Seite des Bfickenmarks fast ausnahmslos an extra¬ 
medulläre Hetastasenbildung zu denken, wenn ein primärer Tumor an irgend einer 
Stelle nachweisbar ist. Yon den in chirugischer Beziehung besonders wichtigen Tu¬ 
moren sind die Meningen doppelt so häufig primär als metastatisch afficirt Unter 
den Wirbeltumoren sind die malignen 30 Mal so häufig als die benignen; die tuber- 
culösen Wirbelerkrankungen 4 Mal so häu^ als alle anderen 'Wirbeltumoren zu¬ 
sammen. Besteht eine Geschwulst länger als 3 Jahre, so ist ein intramedullüer 
Sitz wahrscheinlicher als der extramedulläre. 

Aus den allgemeiuen ätiologischen Erörterungen ergeben sich gleichfalls einige 
praktisch wichtige Schlussfolgerungen. Unter 10 Jahren sind bei supponirtem inba- 
medullären Sitz Tuberkel, bei extramedullärem Lipome oder Sarcome am häufigsten. 
Im zweiten Decenuium sind von den intrameduUären Qeschwfilsten Solitärtuberkel 
und Gliom, von den extramedullären multiple und metastatiscbe Sarcome und Echino¬ 
kokken am häufigsten. Im Älter von 20—40 Jahren kommen intrameduUäre Tuberkel 
und Gliome, extramedulläre Sarcome und Echinokokken am häufigsten zur Beobach¬ 
tung. Von 40—60 Jahren sind intramedullär Gummen und Tuberkel am häufigsten, 
extramedullär die operativ gflnstigen solitären Sarcome, Psammome u. s. w. 

Bei nahezu allen wichtigeren Tnmorarten des Bfickenmarks und seiner Htllle 
scheinen Traumen mindestens in einem Brnchtheil der Fälle einen bedeutungsvolUa 
ätiologischen Factor darzustellen, wobei das Trauma die Gescbwulstbildung seit«! 
auslöst oder mindestens das Wachstbum eines Tumors beschleunigt Ein ätiologischer 
Einfluss soll auch schweren InfectiouskrankheiteD, Krankheitsprocesseu im weiÜicben 
Genitaltracte zukommen. 

ln klinischer Beziehung erfahren die Wirbeltumoren eine eingehendere Dar¬ 
stellung. Auch hier seien bloss einige Bemerkungen bervorgehoben. Bei Wirbel- 
carcinomen können Veränderungen der Wirbelsäule fehlen oder es kommt ein Zu- 
sammensinkeu der Wirbelsäule, endlich nach Schlesinger durch Destruction der 
Bänder eine seitliche Verschiebung der Wirbel zu Staude. Er beschreibt auch aU 
vorkommendes Symptom locales Oedem Aber dem afficirten Wirbel. Schmerzen 
können fehlen, meist sind sie sehr heftig. Druckempfindlichkeit der Wirbelsäule 
kann selbst bei spontanen Schmerzen fehlen. Schlesinger hält eine Druckempfind- 
lichkeit neben der Wirbelsäule ffir besonders charakteristisch. Erwähnenswerth ist, 
dass Caroinome der Lenden- und Halswirbelsänle seltener eymptomlos verlaufen als 
solche der Brnstwirbelsäule. Die gesammte Dauer des Processes ist manchmal viel 
länger als man von vornherein erwarten sollte. Bei den Sarcomen sind öfters mäch¬ 
tige Tumormassed neben der Wirbelsäole zu ffihlen. Bezöglicb der Differentialdiagnose 
der einzelnen Tumorarteu untereinander und gegenfiber anderen Erkrankungen sei 
bemerkt, dass Schlesinger mit Becht die Differeniialdiagnose gegenfiber tuberculöses 
Erkrankungen der Wirbelsäule mitunter ffir sehr schwierig hält; auch bei letzterer 
finden sich manchmal neben der Wirbelsäule Tumoren (fongöse Massen), die später 
erst durch Vereiterung erweichen. 

Schlesinger erörtert dann noch die Therapie der Wirbeltumoren, specieli die 
Chancen eines chirurgischen Eingriffes. Ein solcher erscheint bei Sarcomen nor ia- 
dicirt, falls die Erscheinungen ffir einen primären solitären Tumor sprechen; die 
gfinstigsten Chancen bieten natfirlich Exostosen, Chondrome, Echinokokken. 

ln der Klinik der Bfickenmarkstumoren beschränkt sich Schlesinger mit Bfick- 
sicht auf das Buch von Bruns auf die Bearbeitung einzelner Capitel. So findet er 
bei Gummen, dass mitunter durch längere Zeit eine Incongmenz zwischen der Grösse 
des Tumors und den gesetzten Erscheinungen von Seite des Bfickenmarks besteht 
Weitere Bemerkungen beziehen sich auf das Auftreten von vasomotorischen Er- 


Googlc 


823 


scbeinongeD bei BflcbenmarkstnmoreD; ale solche seien genannt vasomotoriscbe Paresen, 
Baymond’scher Sjmptomencomplez, Erythrometalgie, transitorische Oedeme. 

P&r die SegmenÜiagnose macht er darauf aufmerksam, dass auch oberhalb der 
eigentlichen Gompreasion des Rückenmarks Veränderungen Platz gegriffen haben 
können, wodurch unter Umstanden der Sitz des Tumors zu hoch localisirt wird. 
Hit Bruns hält S. es für möglich, dass an der Innervation eines bestimmten Ge* 
bietes nicht wie gewöhnlich 3, sondern selbst 5 V^urzeln sich betheiligen können, 
auch sind individuelle Varianten möglich. Es ergiebt sich daraus, dass, wenn bei 
einer Operation der Tumor nicht gefunden wird, man stets höher hinauf denselben 
suchen muss. Zu Fehldiagnosen bezüglich des Sitzes können auch Schmerzen führen. 
Partielle Empfindungslähmung kommt zwar auch bei extramedullären Sitz vor, dann 
aber nur für kurze Zeit und meist nur einseitig. Schlesinger hält diesen Um¬ 
stand für verwendbar bei der Differentialdiagnose zwischen Affectionen des Conus und 
der Cauda equina. Da für einen operativen Eingriff der centrale Sitz des Tumors 
eine Contraindication darstellt, giebt Schlesinger eine Zusammenstellung jener 
Symptome, die für den intramedullären Sitz sprechen. Als solche seien genannt: 
bilaterale, segmental angeorduete, durch längere Zeit andauernde partielle Empfindungs- 
lähmnng, besonders des Temperatursinnes, bei rapid fortschreitender bilateraler Muskel¬ 
atrophie und Entartungsreaction, gleich ausgebildete Parese beider Beine bei Affection 
der oberen Extremitäten. Besteht oder bestand anderweitig ein Tumor, dann sind 
bei halbseitigen Erscheinungen ein extramedullärer Sitz der Geschwulst wahrschein¬ 
licher, weil die metastatiscben Geschwülste meist nicht auf das Rückenmark Übergreifen. 

Den Schluss des Buches bildet die Wiedergabe von 56 neuen, bisher nicht 
publicirten Fällen von Rückenmarks- und Wirbeltnmoren, sowie ein Litteraturver- 
seichniss (589 Kümmern), das an Vollständigkeit nichts zn wünschen übrig lässt 

Redlich (Wien). 


Psychiatrie. 

36) tleber Fsyohosen bei Carolnomkaobexie, von Dr. A. Elzbolz. Aus der 

psychiatr. Klinik von Prof. v. Wagner. (Jahrb. f. Psych. 1898. Bd. XVII.) 

Verf. berichtet über 3 Fälle von Carcinom, bei denen sich sub finem vitae 
Psychosen entwickelt hatten. Zunächst weist er nach, dass die Litteratur nur spär¬ 
liche UitÜieilangen über ein ähnliches Vorkommniss enthält; auch in der Litteratur 
des Delirium acutum fehlen Hinweise auf das Carcinom als ätiologisches Moment. 
Verf.’s eigene Fälle sind Folgende: 

I. Ein 58jäbriger Mann erkrankte plötzlich unter den Erscheinungen eines 
hsUocinatonischen Delirs, das in mehreren Kächten wiederkehrte. Darauf während 
tweier Tage Verwirrtheit. Nach weiteren 4 Tagen besteht Apathie, intellectnelle 
Abschwächung, aber Klarheit und Krankheitseinsicht. In der folgenden Zeit treten 
Kaebbs wieder Hallucinationen und Delirien anf, bei Tag ist Pat. klar. Endlich 
gebt der Unterschied im psychischen Verhalten zwischen Tag und Nacht verloren, 
es treten mnssitirende Delirien auf, die bis zo dem 2 Monate nach Auftreten der 
Psychose erfolgten Tode anbielten. 

Die Obdoction ergab ein epidermoidales Bronchialcarcinom auf der Basis einer 
sltsn tnbercolösen Caveme, mit Krebsmetastasen in den bronchialen und mediastinalen 
Lymphdrüsen, Compression des rechten Vagus, Metastasen in der Wirbelsäule. Das 
Hirn bot keine anffälligen Veränderungen dar. 

II. Eine 49jährige Frau erkrankte plötzlich nnter den Erscheinungen der hallQ- 
einatorischen Verworrenheit, die durch eine Woche etwa anhielt. Später wurde die 
Kranke wieder klar, geordnet, jedoch bestand erhöhte Reizbarkeit. Nach wenigen 


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824 


Tagen trat depressive Verstimmung auf, die vorübergehend einem tobsüchtigen Anfalle 
wich. Nach 2 Tagen nenerliche Beruhigung und Klärung, Erankheitseinsicht; für 
den Anfregungszustand besteht Amnesie. Es treten dann neuerdings schwere Ver¬ 
wirrtheitszustände abwechselnd mit Phasen relativer Klarheit auf, Bailucmation«i 
sind dabei nicht nachweisbar. Snb finem vitae ist die Kranke dauernd verwirr^ 
unbesinnlich, lärmend. Somatisch finden sich Zeichen eines Lebercarcinoms mit all¬ 
gemeinem Icterus. 

Die Obduction ergab ein exulcerirendes Carcinom im Pjloms mit Compression 
dos Ductus cboledochus und Dilatation der grossen Oallengänge. Das Gehirn ohne 
auffälligen Befund. 

III. Bei einem BOjährigen Mann, der seit längerer Zeit ein Carcinoma recti 
hatte, dessentwegen ein Anus praeternaturalis angelegt worden war, traten wenige 
Tage nach dieser Operation psychische Störungen auf. Die Geistesstörung dauerte 
bis znm 2 Monate später erfolgenden Tode an. Auch hier hatte die Psychose einen 
intermittirenden Charakter. Neben Zeiten relativer Klarheit, in denen der Kranke 
über die Entwickelung seines Leidens Auskünfte geben konnte, für einzelne Momente 
der geistigen Störung volle Erankheitseinsicht hatte, jedoch eine gewisse geistige 
Erschöpfbarkeit anfwies, fanden sich, insbesondere Nachts Zustande schwerer Ver¬ 
wirrtheit mit Unrohe, Ideeenflucht, flüchtigen Wahnideeen. Erst snb finem vitae 
dauernde Verworrenheit. Während der klinischen Beobachtung hatte anfänglich 
remittirendes Fieber mit geringen Temperatorsteigerangen, später continnirliches 
Fieber bestanden. 

Die Obduction ergab: Chronisches Oedem der Himhänte, einen kleinen circnm- 
scripten, ganz oberflächlichen Erweichungsherd, entsprechend dem untersten Antheil 
des rechten Gyrus occipito-temporalis med. und later; verjauchendes Carcinom dee 
Bectnms mit jauchiger Periproctitis and Phlegmone in den beiderseitigen Leisten¬ 
gegenden, Emphysem der Longe, Atherose der Coronararterien, fettige Degeneration 
des Herzens mit excentrischer Hypertrophie des rechten Herzventrikels, parenchy¬ 
matöse Nephritis. 

Der zweite und dritte Fall zeigen in somatischer Hinsicht Complicationen. Im 
zweiten Falle bestand ausser dem Carcinom Icterus. Gegen den Icterus als ätio¬ 
logisches Moment der Psychose verwerthet Verf. den Umstand, dass die bei letzterem 
verkommenden Psychosen ein anderes symptomatologisches Gepräge haben, als in dem 
beschriebenen Falle. 

Im dritten Falle fand sieb als Coroplication parenchymatöse Nephritis und ein 
Eitemngsprocess. Erstere dürfte Folge der Eiterung sein. Die Psychose und die 
Eiterung zeigen jedoch in ihrem Verlaufe und in ihrer Intensität Incongmenzen, so 
dass Verf. auch hier das Carcinom als die wabrscbeinliche Ursache der Psychose 
ansiebt. 

Als weitere Stütze für die Annahme, dass ancb in diesen beiden Fällen das 
Carcinom die Störung im Centralnervensystem verursachte, zieht Verf. den Umstand 
herbei, dass er bei denselben im Rückenmark mittels der Marchimethode Verändeningeo 
nachweisen konnte, die den von Lnbarsch bei Carcinom beschriebenen Alterationen 
entsprächen. Es fanden sich nämlich Degenerationen in einzelnen Fasern der hintermi 
Wurzeln, desgleichen Degenerationen einzelner Fasern der Hinterstiänge und dw 
Seitenstränge, in letzterem insbesondere in deren dorsalen Antheilen. Also ent¬ 
sprechend den Angaben von Lubarseb, Mitbetheiligung der hinteren Wurzeln and 
zweitens eine diffuse Verbreitung des Processea. Von pyämischen oder septischen 
Processen ist es bisher nicht erwiesen, dass sie ähnliche Degenerationen bewirken. 

Es liegt also nahe anzunehmen, dass die im Blute Carciuomatöser kreisenden 
Schädlichkeiten in ähnlicher Weise wie sie im Rückenmark zu anatomischen Läsionen 
führen, im Grossbim vor Allem in seiner Rinde functioneile Störongen setzen, die 
die Ursache der Psychose worden. 


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825 


Endlicl) sieht Yerf. die ziemlich weitgehende (Jebereinstimmang der Erankheits* 
bilder in allen 3 Fällen als einen Hinweis für eine gemeinsame ätiologische Basis 
derselben an. Als charakteristisch bezeichnet er zunächst das eigenthGmliche Yer* 
halten des Bewusstseins. Es wechseln Zeiten relativer Klarheit mit solchen schwerer 
Yerworrenheit ab. Während der Remissionen der psychischen Störung macht sich 
eine grosse psychische Erschöpfbarkeit geltend. In der affectiven Sphäre beherrscht, 
namentlich während der Zeiten der Yerworrenheit, depressive ängstliche Stimmung 
das Bild. Der Ausbruch der psychischen Erkrankung war ein plötzlicher; im Beginue 
bestanden Hallucinationen des Gesichtes nnd Gehörs, die zu Delirien verarbeitet 
worden. Sie bildeten die Quelle fQr die während der Exacerbationen der psychischen 
Störung geäusserten ffüchtigen Wahnideeen depressiven Inhaltes. In den Zeiten der 
Yerworrenheit zeigten die Kranken auch ein ihrem Bewusstseinsinhalt entsprechendes 
motorisches Verhalten. Somatisch bestanden die Erscheinungen schwerer Cacbexie. 
Die Dauer der Psychosen betrug 3 Wochen bis 2 Monate. 

Bezüglich des Zusammenhanges zwischen Carcinom und Psychose lassen sich 
nur Yermuthnngen aufstellen. I^r die im Intestinaltracte localisirten Carcinome 
wäre Autointoxication durch den gestörten Chemismus denkbar, wie dies schon 
Lubarsch f&r die spinalen Veränderungen angenommen hatte. Für anderwärts 
Torkommende Carcinome iräre eine durch Grawitz’scbe Experimente nahegelegte 
Möglichkeit denkbar. Nach diesem Autor käme es durch Aufsaugen von Krebs* 
zerfallsproducten zu einem vermehrten Abströmen der Lymphe aus dem Gewebe in 
die Blutbahn, was auf das Gehirn übertragen, einer Entziehnng des für den Ersatz 
erforderlichen Emäbrongsmateriales der psychisch - functionirenden Gehirnpartbieen 
gleichkäme. Auch die Möglichkeit, dass die bei Carcinom beobachtete Psychose 
Wirkungen eines im Blote circnlirenden eigenen Krebsgiftes sei, eine Erklärung, die 
von Klemperer für das Coma carcinomatosum gegeben wurde, wäre heranzuziehen. 

Redlich (Wien). 


37) Augemmtersaohungen bei Cretinismus, Zwergwuchs und verwandten 

Zuständen, von Dr. Richard Hitschmann. (Wiener klin. Wochenschr. 

1898. Nr. 27.) 

Verf. stellte seine Untersuchungen an Cretins der Steiermark an im Sommer 
1897. Einleitend giebt er die Beschreibung zweier typischer weiblicher Cretins im 
Alter von 46 bezw. 47 Jahren. 

Die Zahl der untersuchten Fälle beträgt 58. 

Epicanthns war 12 Mal vorhanden und dürfte auf die Deformation der Nasen* 
Wurzel nnd die Hantverdickung znrückzofübren sein. 

Auf letzterer beruht auch eine auffallende Entstellung der Lider, nament* 
lieb der Oberlider, bestehend in Schwellung und Verdickung der Lidhaut und wulst¬ 
artigem Herabhängen derselben w^en lockerer Anheftung an den Tarsus nnd die 
Fascieubflndel des Levator palpebrae, was ein der Ptosis adipusa ähnliches Bild giebt. 
Diese Veränderung fehlte nnr bei 2 Individuen. 

Nicht selten findet sich chronischer Catarrh der Lidconjunctiva, Ekzeme 
der Lidränder und Augenwinkel, vielleicht als Folge von Störungen in den 
Thränenableitongswegen, wozu Personen mit Sattelnasen im Allgemeinen disponirt 
sind; wenigstens fand Yerf. nicht selten Thränenfiuss. In einigen Fällen war die 
Conjonct. palpebr. ausserordentlich blass. 

Strabismus divergens fand sich ein Mal, und ein Mal Ectopia pupillae 
ohne sonstige Bildungsfehler des Auges. 

Der Augenbintergrund war in der Oberwi^enden Mehrzahl der Fälle normaL 
Als congenitale Anomalie fanden sich bei 6 Fällen nach unten gerichtete Sicheln 
nnd daneben zwei Mal die von Fuchs beschriebene verkehrte Gefässvertheilnng. 
In einem Falle bestand das Bild einer Pseudonenritis. 


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Als wahrscheinlich nicht congenitale Befände fand Verf. ein Mal Terschwoznmene 
Grenzen der blassen, nicht excavirten linken Papille, ein Mal war diese excavirt, 
ihre Farbe weisslich, die Tfipfel der Lamina cribroaa sichtbar, die Venen etwas 
weiter, ein Mal zarte Pigmentveränderungen in der rechten und drei grössere rund' 
liehe Pigmentklampen, von schmalen gelblich'Weissen Höfen umgeben in der linken 
Macula lutea; in einem Falle circumpapUläre Chorioidealatrophieen mit Pigment¬ 
wucherung im linken Auge. 

In einem in der Klinik Fuchs beobachteten Falle fand sich eine Cumbination 
angeborener und erworbener Anomalieen: Astigmatismus gegen die Regel, Bxcavation 
der Papille und Sichel nach unten, verkehrte GefSssvertheilnng, diffuse Chorioiditis, 
GlaskörpertrQbungen und Cataracta corticalis post. 

Nach Besprechung der von anderen Antoren an Cretins erhobenen Augenbefnnde 
kommt Verf. zu dem Schlüsse, dass Sehstörungen bei Cretins, basirt auf Läsionen 
der Nervi oder Tractus optici recht selten sind und sich znmindestens nicht als durch 
Hypophysisgeschwulst entstanden nachweisen lassen. 

Augenuntersnehungen bei Zwergwuchs: 

Bei einem 30jährigen, 118 cm hohen Zwerg waren die äusseren Theile des 
Auges normal. Visus rechts: + 4,0D.sph.kein Astigmatismus; links: 

+ 0,5 1).sph. ^/g?; rechts normaler Fundus, links physiologische Excavation, 
Andeutung von verkehrter Gefässvertheilung. Beiderseits normales Gesichtsfeld. 
Schilddrüse normal. 

Bei einer 227gjährigen, 125 cm hohen Zwei^in kein pathologischer Befand. 
Sehstörungen bei Ausfall der Schilddrüsenfunction sind gewiss nicht immer Folge 
einer consecutiven Chiasma oder Tractus lädirenden Hypopbysisvergrösserung (üht- 
hoff), da diese Vergrösserung in der Regel nicht hochgradig genug ist, bei Cretins 
die Hypophysis oft gerade durch ihre Kleinheit au^llt; speciell für den echten 
Zwergwuchs sei die Annahme einer Hypophisisgescbwulst bini^lig. 

J. Sorgo (Wien). 


38) lieber die urttmiaolien Fayohosen, von Dr. Ernst Bischoff. (Wiener 
klin. Wochenschr. 1698. Nr. 25.) 

29 Jahre alter Beamter; im 15. Lebensjahre acute Nephritis. Vor 4 Monaten 
plötzlich Sehstörung und Mattigkeitsgefflhl. Er hatte eine Retinitis albuminarica 
und Eiweiss im Urin. Vor 3 Wochen urämischer Anfall, nachdem 3 Tage vorher 
blutiger Ham anfgetreten war und mehrere Tage Uiinretention bestanden hatte. Za¬ 
gleich totale Amaurose. Weiterhin bestand Somnolenz und Amnesie für das Vor¬ 
gefallene. Dabei lachte er, es bestand motorische Unruhe, Geschwätzigkeit. Daraaf 
folgte ein Excitationsstadium. Tags darauf ruhig, orientirt, Besserung der Amaarose; 
das kindische Wesen blieb bestehen. 6 Tage später wieder Stauungswechsel, grosse 
Heiterkeit, 2 Tage darauf Tobsuchtsanfall. Bei der Aufnahme am selben Tag« 
ist Pat motorisch sehr erregt, schmiert, abstinirt. Am folgenden Tage somnolent, 
Miosis, Pupillenstarrheit, Steigerung der Reflexe. Urin alkalisch, 1010, klar, Bi- 
weiss 37oo> Zucker. Amblyopie, kann auf 1 m Finger zählen, Herzdämpfang 
nach rechts und links verbreitert. In den folgenden T^en ist Pat motorisch on- 
ruhig, ängstlich verstimmt; Abstinent, ab and zu Echolalie, dabei grosse HinßUig- 
keit. Vom 9. Tage seines Aufenthalts im Irrenhaose an Anurie, Somnolenz, urämiseb« 
Zuckungen, Kräfteverfall. Tod am 12 Tage. Keine Obdnetion. 

ln der Epikrise bespricht Verf. die Pathogenese, Aetiologie. Symptomatologie 
und Therapie der Krankheit und fasst seine Erörterungen in folgenden ^hlnsssätxen 
zusammen: 

Die Urämie, und zwar sowohl die acute, als die chronisch entstandene, führt 
mitunter zu acuter Geistesstörung. Zumeist ist die Ursache dieser Geistesstörang 


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827 


die orämificbe Intoxicatioo, in seltenen Fällen d&rfte die Psychose aber als Folge 
nrämischer Krampfanfälle, ähnlich einem epileptischen Dämmerzostande anftreten, 
endlich besteht die Möglichkeit, dass eine vorhandene nrämische Ämaorose die 
Psychose verursachen könnte. 

Die urämische Psychose verläuft fast immer unter den Erscheinungen der acuten 
Verwirrtheit und ist gegenüber den anderen Formen dieser Erkrankung häufig durch 
das Vorhandensein von Störungen von Seite des centralen und peripheren Nerven* 
Systems ausgezeichnet. Diese Störungen ähneln mitunter den paralytischen Lähmungs- 
erscheiuungen, und da in manchen Fällen urämischer Psychosen auch auf psychischen 
Gebiete eine allgemeine Herabsetzung der Functionsföhigkeit vorherrschend ist, welche 
als Intelligenzschwäche und Gedächtnissdefect impuniren kann, wird die Unterscheidung 
dieser Fälle von der progressiven Paralyse vorübergehend auf Schwierigkeiten stossen. 

Wenn die urämische Psychose erheblich psychopathisch Belastete betrifft, scheinen 
sich dem Symptomenbilde der acuten Verwirrtheit häufig catatonische Züge beizu* 
gesellen. J. Sorgo (Wien). 


Therapie. 

39) Ein Beitrag aur Qinoke’sohen Lumbalpunotion bei Kindern, von Dr. 

Cassel. (Jahrbuch f. Einderbeilk. XLYII. 1898.) 

Die Erfahrungen, welche der Verf. an 15 Fällen von Lumbalpunction bei Kindera 
gemacht, gleichen den zahlreichen Befunden, die man in letzter Zeit bei Erwachsenen 
gesammelt. Die Technik bot keine Schwierigkeiten; es genügte zur Vornahme der 
Function eine gewöbnlichePravaz’scheNadel. In 9 Fällen von tuberculöserMeningitis 
bildeten sich in der entleerten Flüssigkeit Fibringerinnsel; nur 3 Mal gelang das 
Anffinden von Tuberkelbacillen; bei einem Kinde mit cerebrospinaler Meningitis fand 
sich eine trübe Lumbarflüsslgkeit mit dem Meningococcus intracellalaris, in einem 
Falle anscheinend traumatischer Meningitis entleerte sich eine bakterienfreie, blut- 
haltige Flüssigkeit; zwei Kinder mit chronischem Hydrocephalus wiesen völlig klare 
FunctionsfiOssigkeit auf. Zwei Mal war der Versuch einer Function erfolglos. Tbera- 
peutisch hatte die Behandlung höchstens nor einen vorübergehenden Erfolg. Das 
jüngste punctirte Kind war erst 4 Wochen alt. Zappert. 


40) Ueber die Lambalpnnotion, von Beinbold Peters. (Inaug.-Dissert. 1897. 

Berlin.) 

Nach einer sorgßltigen Uebersicht über die bisher vorliegenden Erfahrungen 
über die Lumbalpunction berichtet Verf. über 35 bei 23 Kranken ausgeführten Func¬ 
tionen ans Goldscheider’s Abtheilung in Moabit. 

lu 9 Fällen von Meningitis tobercnlosa wurde 11 Mal puuctirt Der Drock war 
stets gering, io 2 Fällen stark vermehrter Albomengehait der entleerten Flüssigkeit, 
Spuren Zucker nur in 2 Fällen. Tuberkelbacillen worden 4 Mal naehgewieeen. Thera¬ 
peutischer Erfolg gleich Null. 

In 1 Falle von eitriger Meningitis ei^b die zweimalige Function stark eiweise- 
nnd znckerhaltige Flüssigkeit unter geringem Druck mit reichlichem, vorwi^end aus 
poly- und mononucleären Leakocyten bestehenden Sediment. Nach der ersten Func¬ 
tion Schwinden der Kopfschmerzen. 

In 1 Falle von Meningitis sero-purulenta chronica wurde 5 Mal punctiri Nach 
jeder Function vorübei^ehende Besserung der subjectiven wie der objectiven Symptome. 
Gebessert entlassen. 

ln 1 Falle von Meningitis serosa schnelle Besserung nach der Function. Fat 
wurde geheilt entlassen. 


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In 2 Fällen von Tumor cerebri wurde je 3 Mal punctirt. Der Druck der 
Flbssi^keit war uemüch hoch. Nach jeder Function Besseniug der Bubjectiren und 
gewiaser objectiver Symptome. In dem einen Falle ging jedes Mal die Stanongs- 
papUle etwas zarbck. 

Auch in 3 Fällen von schwerer Anämie mit Himdruck- und BeizerscheinuogeD 
trat nach der Punction erhebliche Besserung der cerebralen Symptome ein. 

Bei Urämie trat ein Mal vorObergehende, ein Mal gar keine Besserung ein. 

Die anderen noch mitgetbeilten Fälle sind ohne Interesse. 

Deble Folgen der Function zeigten sich nie, nur in 1 Falle von Hirntumor 
musste wegen heftiger Kopfschmerzen die Punction abgebrochen werden. 

Martin Bloch (Berlin). 


1X1. Aus den Qesellsohaften. 

Oesellsohaft der Neurolc^n and Irrenärste su Uoskau. 

Sitzung vom 8. Mai 1898. 

Dr. N. Th. Schataloff: 3 Fälle von sog. ankylosirender Entsandung der 
Wirbelsäule. 

Vortr. stellt 3 Fälle von ankylosirender Entzfindung der Wirbelsäule vor: 

I. Fabrikarbeiter, 29 Jahre alt. Nach einer Erkältung vor 8 Jahren stellten 
sich wiederkehrende Schmerzen in der rechten SCeissbeingegend, seit ö Jahren, 
Schmerzen in den Seiten und in dem Bücken ein. Seit 2 Jahren haben sich die 
Schmerzen nach Hebung einer schweren Last verschärft und zu derselben Zeit ent¬ 
wickelte sich progressiv eine Verkrümmung der Wirbelsäule. Gegenwärtig ergab (üe 
in der Nerveoklinik des Prof. Eosbewnikoff ansgeführte Untersuchung eine bogen- 
fürmige Kyphose und vollkommene Unbeweglichkeit der Brustwirbelsäule; im Lumbal- 
theil ist die Bew^licbkeit ganz gering, im Halstheil gut. Gürtelgefühl. Haut- 
Sensibilität normal. Patellarreflexe gesteigert. 

II. Schlosser, 46 Jahre alt. Vor 8 Jahren Fall mit dem Bücken auf das Eis. 
Von dieser Zeit an Schmerzen im Bücken, Schwäche in den Beinen und eine all¬ 
mählich zunehmende Verkrümmung der Wirbelsäule. Die Untersuchung stellt eine 
scharfe bogenförmige Kyphose im ganzen Bnisttbeii nnd oberen Lumbaltheil der 
Wirbelsäule bei gleichzeitiger Unbeweglichkeit derselben fest. BewegungsmCglichkeit 
im Halstheil eingeschränkt. Bei Bewegung des Körpers Schmerzen im Kreuz, in 
den Leisten und den vorderen Seiten der Schenkel. In den Händen Tremor und 
morgens Vertaubungsgefühl. Hautsensibilität normal. Patellarreflexe erhöht Im¬ 
potenz. 

III. Lehrer, 50 Jahre alt Seit 1879 Schmerzen in den Gelenken der unteren 
Extremitäten und der Wirbelsäule hauptsächlich bei Bewegung. Schon seit 9 Jahren 
hat der Kranke Bewegungseinschränkung des Bückens und seit 5 Jahren des Halses 
beobachtet. Es stellte sich ein Gefühl des Zusammenziehens in den Beinen nnd im 
letzten Monat starke Schmerzen bei Bewegung der Hüften und Schenkel ein. Die 
Untersuchung ergab bogenförmige Kyphose des Hals- nnd oberen Bmsttheils der 
Wirbelsäule. Weiter unten ist die Wirbelsäule gestreckt und unbeweglich. Die 
Bewegung im Hüftgelenk beschränkt. Bewegoi^n im linken Kniegelenk sind mit 
Knirschen begleitet. Atrophie im Unken Ober- und Unterschenkel mit Herabsetzung 
der elektrischen Erregbarkeit in den Muskeln. Geringfügige tactile und Thermo- 
anästhesie der äusseren Fläche des rechten Unterschenkels; hierselbst auch gesteigerte 
Schmerzempfindung. Fusssohlenreflex fehlt. Patellarreflex kaum angedentet. Bandi- 
nnd Cremasterreflex fehlt. 

Als hauptsächlichstes Symptom der beschriebenen Krankheit steUt sich die Be- 
wegnngseinschränkung oder die völUge Bewegui^losigkeit in mehr oder wenigv 


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829 


grosser Ausdebnang dar, zuweilen mit B^leiterscbeinungen von Seiten anderer Gle* 
lenka Nicht selten beobachtet man dabei Scbmerzempfindnngen in der Wirbelsäule 
«ad den Extremitäten mit Parästhesieen von Terscbiedenem Charakter, zuweilen auch 
Anästheeieen (Fall III). 

Das Verhalten der Haut* und Sehnenreäeze kann im doppelten Sinne beein¬ 
flusst sein. 

Hinsichtlich der Aetiologie des Leidens spricht der Vortr. die Meinung ans, 
dass sie vielleicht abhängig sein könnte „von der frühzeitigen Erschlaffung gewisser 
bindegewebiger und knöcherner Theile des Skeletts auf dem Boden hereditärer mangel¬ 
hafter Entwickelung.“ Das Trauma, Erkältung u. s. w. ist der Vortr. geneigt, als 
die Entwickelung der Krankheit begünstigende Momente anzasehen. 

Discussion: 

Prof. Koshewnikoff nnd Dr. W. Muratoff glauben, dass die Ankylose der 
Wubelsäule aus ganz verschiedenen Ursachen eintreten kann. 

Dr. A. Korniloff spricht die Huthmaassung aus, dass die Muskelatrophie (in 
einem der Fälle) in Abhängigkeit von der Arthropathie zu stellen sei. 

Dr. L. Minor berichtet über einen von ihm untersuchten Kranken, bei dem 
neben Unbeweglichkeit der Wirbelsäule Miosis einer Pupille und Coxitis beobachtet 
wurde; die Wirbelsäule war gestreckt. 

Prof. Rothe glaubt, dass Ankylose der Wirbelgelenke auch ohne Arthritis be¬ 
stehen kann. 

Dr. A. N. Bernstein: Zwangssuoht sur Einführong von Fremdkörpern 
in den Organismus. 

Vortr. demonstrirt eine Patientin von 43 Jahren ohne hereditäre Belastung, 
welche an Melancholie mit Widerwillen znr Nahrungsaufnahme erkrankte. Ein zu- 
^g zerkautes Stückchen Umschlagpapier übte auf sie eine eigenthümlicho beruhigende 
Wirkung ans, und die Patientin nahm von nun an ihre Zuflucht zu diesem Mittel, 
am ihre Uemütbsstimmung zu betäuben. Eine Nicbtbefriedigung des Hanges zum 
Papieresseu rief eine tiefe traurige Verstimmung und Niedergeschlagenheit hervor. 
Einen Monat nachher wurde das Papier durch Lehm verdrängt und noch zwei Monate 
später durch Sand, von dem sie bald einen Eimer täglich vertilgte. Die Nahrungs- 
aafnahme ging dabei auf ein Minimnm berab. Die Patientin kam sehr herunter, es 
stellten sieb gastroenteritische Beschwerden ein. In der Moskauer psychiatrischen 
Klinik wurde eine Entwöhnung vom Sande dnrehgeführt, wobei die gewöhnlichen 
Erscheinungen der Entwöhnungskuren beobachtet wurden: unruhige Schwermuth, Oe- 
fühl von Brennen in der Magengrube und im Halse, unwillkürliche Thränenabsonderung, 
allgemeine Schwäche und Verlangsamung des Pulses: eine Dosis Sand brachte alle 
diese Erscheinungen momentan zum Schwinden. Indem der Vortr. auf diese Analogie 
hinweist, theilt er die Zwangshandlungen in 3 Gruppen: 

1. Zwangsacte: die Zwangsidee strebt sich im gewohnten Acte zu verwirklichen, 
ohne dass die Verwirklichung desselben mit der Befriedigung des Selbstgefühls zu- 
sammenfallt. 

2. Zwangstrieb: das Selbstgefühl, welches dorch die Erwartung eines nnlieb- 
Samen Ereignisses gestört ist, strebt einen indifferenten Act zu verwirklichen, welcher, 
die Gefahr beseitigend, das seelische Gleichgewicht wieder faerstellt. 

3. Das primär gestörte Selbstgefühl strebt eine ersehnte Handlung zn ver¬ 
wirklichen, welche nnmittelbar das seelische Gleichgewicht wieder bersteilt. 

Zu dieser letzten Gruppe gehören die Toxomanieen und jene nicht selten bei 
den Melancholikern beobachtete Zwangssneht, deren Verwirklichnng zeitweilig die 
schmerzliche Verstimmung anfhebt. 


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DucoHion: 

Dr. Ä. Tokarsky hält die yorgeschlageoe Classification der ZwangshaDdlnng« 
fDr nicht genflgend. 

Ferner betheiligten sich ansaerdem Dr. Jakowenko, Prof. Korsakoff fmd 
Prof. Eoshewnikoff. 

Dr. N. Solowaoff: Ueber angeborene KiMbUdong dee centralenüferren* 
Systems. 

Die hänfigste Ursache der angeborenen Missbildung des Centralnerrensystems 
ist der Hydrocepbal. congen. internus. Bei hohem Entwickelnngsgrade dieses Processes 
sind die Seitenrentrikel in dem Hausse au^ezogen, dass sie die ganze Schädelhöhle 
einnehmen. Das Septum pellucidum und das Corp. callos. Terschwinden, die Hirn¬ 
rinde bildet unter dem Rinflnsse des hohen Druckes bloss noch eine dQnne Lamelle, 
an der Himbasis bleiben nnr der Thalam. opt. und der Kucleus lenticul. bestehen; 
das Eleinhim dagegen bleibt unter dem Schutze des Tentor. cerebelli nnversehit 
Mit dem Fehlen der Binde fehlen ebenfalls die Corpora geniculata und das Pnlvinar, 
die Vierbfi^elarme aber unentwickelt An Präparaten nach Pal lässt sich nach- 
weisen: Fehlen der Pyramidenbahnen, der Bahnen, welche durch den Pes pedanc. 
Terlaufen und ein fast yölliger Schwund der zerstreuten BQndel der SchleifeDschicht 
Bei einer derartigen Entwickelungshemmung lebte in ‘einem Falle das Kind 2 Jahre. 
Wenn der Hydrocephalus in einer frQheren Periode des intrauterinen Lebens begann, 
so bleibt das Schädeldach, in Folge von starker Erweiterung der primären Himblase, 
in seiner Entwickelung stehen, und es bleibt nur die Schädelbasis allein, welche mit 
einem Häutchen bedeckt ist, welches in das Bdckenmark zieht, über, in dem wir die 
Hinterstränge und die GrnndbQndel der Vorder- und Seitenstrangbahnen finden. 

Wenn sich aber der Hydrops auch auf den Centralcanal des Rückenmarks er¬ 
streckt, so beobachtet mau mit dem Fehlen des Schädeldachs auch der hinteren 
Wirbelbögen in der ganzen Ausdehnung des Bflckennuirks oder nur im oberen 
Theil. Au der Stelle, wo der BQckenmarkscanal geschlossen bleibt, erreicht die 
Breite des BOchenmarks nicht mehr als 1 mm. Die Zellen der Vorderhörner erweisen 
sich, nach der NissTschen Methode nntersucht, in den Fällen der Missbildung mit 
Fehlen der Pyramidenbahnen im Zustande embryonaler Entwickelung, die Zellen der 
Interyertebralganglien dagegen sind nicht verändert 

Discuesion: 

Prof. Kosbewnikoff äusserte sich mit einigen anerkennenden Worten. 

Q. Bossolimo. W. Murawieff. 


Sitzung vom 15. Mai 1898. 

Dr. Q. J. Pribytkoff und Dr. N. S. Jwanoff: Zar pathologiBOhen Ana- 
tomie dep GUamatose. 

Patient, 43 Jahre alt, Ulcns indaratnm vor 20 Jahren. Im October 1895 in 
das Moskauer Golizyn’scbe Krankenhaus aufgenommen. Schiessende Schmerzen in 
den unteren Extremitäten, Störung der Sensibilität aller Qualitäten in den onteren 
Extremitäten, im Rumpf und in den Armen, ausgesprochene Ataxie in den Beinen, 
weniger in den Armen, Patellarreflexe fehlen, Pupillenstnrre, Obstipation and Beteni 
nrinae. Anfang der Krankheit 5—€ Jahren vor Eintritt ins Krankenhaus. Anfang 
Januar 1896 Fieber, im Ham Eiweiss und Eiter. 14. Februar Exitus. 

Diagnose: Tabes dorsalis. 

Autopsie. Todesursache: Pyämie in Folge von Pyelonephritis suppurativa et 
urocystitia gangraenosa; ausserdem findet sich: Sklerose der Hiuterstränge Itogs der 


DiQ'ii^od 


Google 


831 


ganzeo Aasdebonng des Bückeomarks, gliomatöse Neubildang im Halstbeil, Hjdro* 
cepbalas iDtern. 

Mikroskopiscbe üntersochui^f: Im Lendenmark und Brnstmark das gewöboliche 
Bild der Tabes; Pia mater verdickt, die hinteren Wurzeln atrophisch. Im Ualstheil 
ist dieses Bild mit Gliomatose combinirt. Die gliomatöse Neubildung beginnt in der 
Uitte des I. und endigt mit dem IV. Halssegment. Die peripheren Tbeile der Neu* 
bildung seien an zelligen Elementen und verdickten und hyalindegenerirten Wan¬ 
dungen. Id den centralen Theilen finden sich häufig Stellen mit homogen hyalin- 
degenerirten Gliafasern. Zu Ende des I. Segments beginnt im Centrum der Neu¬ 
bildung eine Höhle, welche bis zur Mitte des III. Segments reicht, wo sie verschwindet; 
zu Ende des II [. Segments aber erscheint sie wiederum, um jetzt ununterbrochen bis 
zu Ende des YI. Segments zu ziehen. 

Sowohl die untere wie die obere Höhle conflniren stellenweise mit dem Central¬ 
canal und an diesen Stellen ist die vordere Wand der gemeinsamen Höhle mit Epi¬ 
thel ausgekleidet. Dort, wo der Centralcanal getrennt liegt, ist er etwas verbreitert 
und mit Epithel umsäumt, welches in mehreren unregelmässigen Schichten angeorduet 
ist. Änf dem Querschnitt des Rfickenmarks nimmt die Neubildung fast die ganze 
graue Commissnr und das vordere Drittel der Hintentränge ein. Stellenweise ist 
die die Wandung der Höhle constituirende Neubildung in von oben nach unten ver¬ 
laufende Längsfalten znsammengelegt, welche auf dem Querschnitt des BQckenmarks 
papillenförmigo Figuren bilden, die in das Lumen der Höhle hineinragen. Im 
Brust- und Loinbalmark ist der Centralcanal etwas erweitert, stellenweise doppelt 
und von Anhäufungen epithelialer Zellen on^eben. Unmittelbar über der Neubildung 
fängt der Centralcanal an sich rasch zu vergrössern und nimmt bald der grauen 
Commissur ein. Wie in den unterhalb gelegenen Theilen, so ist auch hier eine 
ebensolche Anhäufung von Zellen. In der Med. obl. finden sich an Stelle des Central¬ 
canals mehrere Canäle und Spalten, welche mit Epithel ausgekleidet sind und in¬ 
mitten von wuchernder Glia liegen. Solche Canäle und Spalten finden sich auch 
unter dem Ependym des IIl. und IV. Segments und der Seitenventrikel und auch im 
Aquaed. Sylv. Ausserdem Ependymititis grannlosa. 

Die Anwesenheit einer ganzen Beihe von Anomalien von Seiten des Central¬ 
canals geben den’Vortrr. Veranlassui^, anzunehmen, dass diese Anomalien im ge¬ 
gebenen Falle den Boden zur Entwickelung der Gliomatose abgegeben haben. Die 
auf einer ganzen Scfanittserie zu verfolgende Bildung von Höhlen und die diesen 
vorangegangene Veränderung des gliomatösen Gewebes, lässt die Vortrr. denken, dass 
die Höhle in Folge von regressiver Metamorphose des Gewebes im Centrum der 
Neubildung sich gebildet hat. Die Tabes dors. ist hier bloss eine zufällige Com- 
bination. 

Discusaion: 

Dt. Muratoff ist, auf Grand von eigenen Beobachtungen, der Meinung, dass 
die Syringomyelie und Hydroc. inter. chron., welche sich häufig combiuiren, eine 
einheitliche Krankheit vorstellen. 

Prof. Botb lässt einen Zusammenhang zwischen Syringo- und Hydromyelie zu. 

Prof. Eoshewnikoff weiset auf das Demonstrative der Präparate hiu. 

G. J. Bossolimo: Das Gowere'sohe Bündel, sein Verlauf und Endigung 
im Orosshim. (Der Vortrag erscheint in extenso in d. Centralbl.) 

An der Discusaion betheiligten sich die Dir. G. Fribytkoff, A. Korniloff 
und Prof. Eoshewnikoff. 

Dr. G. J. Pribytkoff und Dr. Maloljetkoff: Rfiokenmarksabsoeas. 

Frau N. N., 60 Jahre alt. Im Laufe des März 1898 leichtes Unwohlsein. Am 
6. April entwickelte sich rasch Paralyse des rechten Beins, am Morgen des 7. April 


D g : 7cd / G OOglC 



832 


Paralyse des linken Beins, Betentio urinae. Am 8. konnte Fehlen der Fatellarreflexe 
und complete Anästhesie der onteren Extremitäten and des Bampfes bis 2 Finger breh 
unterhalb des Nabels constatirt werden. Am 11. April wurde Patientin in das 
Hoskaoer Golizjn’sche Hospital aofgenommen. Hier wurde, ausser d«i angefQkrtso 
Erscheinungen, die obere Grenze der Anästhesie bis zum Nabel bestimmt; Schmerzm 
in dem Halse und den Armen. In den folgenden Tagen erreichte die obere Grenze 
der Anästhesie die Höhe der 3. Bippe, es stellte sieb Paralyse der BQcken-, Bauch« 
und der Intei^costalmuskeln ein; die Athmung und das HerausbefOrdem des Spotums 
ist erschwert, Patientin athmet hauptsächlich mit Hälfe des Diaphragma; am Krem 
Decubitus, Betentio urinae et aWi. Bewusstsein erhalten, Fieber von nnregelmässigrai 
Typus 37,5—38,1; Pulsus celer 120—125, schwach. Athemnoth, Cyanose. 

In der Nacht vom 16. zum 17. April Exitus. 

Diagnose zu Lebzeiten: Myelitis acuta asceudens. 

Section; Im Bäckeumark vom Conus meduU. bis zur Höhe des 11. Bmst- 
segments inclusive ein Eiterherd, welcher längs dieser ganzen Ausdehnung die een« 
tralen TheUe des Bückenmarks eiunimmi Die Anhäufung des Eiters ist stellen* 
weise mehr oder geringer und dementsprechend stellt der Brasttheil des BAckeumarks 
eine Beihe (5—6) von spiudelförmig aufgetriebenen Segmenteu dar, welche durch 
Einschnürungen von einander getrennt sind. Der Lumbaltheil und der Conus medull 
sind gleicbmässig verdickt 

Bei der mikroskopischen Untersuchung erweist sich der Eiterherd im Centrum 
des BOckenmarks, dorsal von der Coromissura grisea, in der vorderen Hälfte der 
Hinterstränge, sein Querdurchmesser ist bald grösser, bald kleiuer, die Gestalt eben* 
falls mannigfaltig. Die hinteren Hörner der grauen Substanz sind stellenweise stark 
comprimirt und aasgezogen; die Commissur und die Hinterhömer sind stark com* 
primirt und nach vorn gedrängt (nur in einem Segment bat eiu einzelner kleiner 
Eiterherd das Vorderhom zerstört). Der Centralcanal liegt Qberall oberhalb des 
Eiterherdes. Geringe Ansammlung von Eiter im Lumbaltheil und Conus medull. 
Die Nervenelemente haben stark gelitten: sie sind stellenweise zerstört, stellenweise 
comprimirt, aber entzündliche Erscheinungen lassen sich nicht constatiren. Im 
Brasttheil ausgesprochene diffuse Myelitis. Dura mater überall normal; in der Pia 
mater entzündliche Erscheinungen und eitrige Infiltration, verhältnissmässig gering 
im Lumbaltheil und noch geringer im unteren Brusttbeil. An der Pia mater dM 
Grosshims, an der Basis, am Tuber einer, und den Corpor. mamill. geringe Mengen 
von Eiter. Grosshirn und Kleinhlmsubstanz bieten nichts besonderes. Die inneren 
Organe sind frei von Eiter. 

Die bakteriologische Untersuchung ergab hinsichtlich eltererregender Mikro* 
kokken negative Besultate; aber au mit Tiouiu gefärbten Bückenmarksschnitten wurdm 
im Eiterherde geringe Mengen von kleinen Aktiaomycesdrüsen gefunden (nach Be¬ 
stimmung von Prof. M. N. Nikifaroff). 

Discussion: 

Prof. Koshewnikoff weist auf das Interesse dies Falles hin, hält aber zom 
Nachweise des Vorhandenseins von Aktinomycespilzen im Bückenmark beweisendere 
Präparate für nöthig. 

Ausserdem betheiligten sich noch Dr. G. J. Bossolimo und Prof. Both. 

A. Bernstein. W. Mnrawieff. 


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1898. 

15. September. 

Nr. 18. 

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1898. 15. September. Nr. 18. 


Inhalt: I. Originalmltthsilungen. 1. lieber eine eigenartige psjebopatbiscbe Form 
der Ketentio urinae, von Prof. Dr. W. v. Bechterew in St- Petersburg. 2. Meningitis ventri« 
colaris chronica adultorum. Plötzlicher Tod bei derselben, von Oberarzt Dr. Bresler (Frei* 
borg L/Sobl.). 8. Zwei Fälle tod Hirntumor mit genauer Localdiagnose, von Dr. L. Bruns 
jn Uannorer. (Schloss.) 

II. Befernte. Anatomie. 1. The origin and destination of oertain afferent and effe¬ 
rent tracts in the medulla oblongata, by Rüssel. — Experimentelle Physiologie. 
2. Ijs contracture tdtaoiqoe n’est paa fonctlon d’une lesion apprwiable des cellnles nerveuses 
medullaires, par Courmont, Doyon et Paviot. 8 . L’dtat des yeux pendant le sommell et la 
tbeorie du sommeil, par Berger et Loewy. — Pathologische Anatomie, 4. The neoro- 
moscular bandles (MuskelknoiMn, MaskelspindelD, Faisceauz nearomuscalaires), by Spüler, 
ö. Etat du faisceau pyramidal (bulbe et moelle epinierej dans qoatre cas de contracture 
Bpasmodique infantile (syndrume de Little), par Philippe et Cestan. — Pathologie des 
Nervensystems. 6. uontributiou ä l’etude de la pseado-möoingoc^le traumatique, par 
Josias et Roux. 7. Die pathologische Schwere, von Adamklewicz. 8. Encephalopathies con- 
sequent on Influenza, by Oordon. 8 . A stody of a case of acute haemorrbagic (non 
auppurative) encepbalitis, bv Wiener. 10. A case of cerebellar haemorrbage. 11. Hae- 
morrhage into pons, seconda^ lesions of lemniscus, posterior longitudinal fasciculi, and 
flocculus cerebelli. by Bee and Tooth. 12. Obserrations on brain sargery suggested by a 
case of multiple cerebral hemorrhi^e, by Watten and Brooht. 13. Unilateral retinal cbanges 
io cerebral haemorrbage, embolism and tbrombosis, by Willlamson. 14. Ueber einen durch 
Cerebrospioalmeningitis compLicirten Fall von Apoplexie im linken Sebbügel, von Tantzen. 
15. Haemiplegia durine typnoid fever, by Rollaslon. 16. An unusnal case of hemiplegia, 
by Bpiller. 17. Du ^änomene des orteils et de sa valeur semiologique, par Bablnshi. 
18. Mlachement des muscles dans I*b4mipl4gie organiqae, par Babinskl. 19. De quelques 
uioavements associäs du membre inferieor paralvs^ dans l’bämiplägie organiqae, par Babinskl. 

20. Ueber das Wesen und die Entstehung aer bemiplegischen Contractor, von Mann. 

21. Klinischer Beitrag zur Lehre von der Hemianaesthesia altemans, von Bernhardt. 22. Zur 
Athetosis bilateralis, von v. Krafft-Eblng. 23. Sur ratrophie des os du eöte paralysä dans 
l’hämiplägie de l’adulte, par Dejerins et Thsohari. 24. Ueber Fortbestehen von Tic convulsif 
bei gleichseitiger Hemiplegie, von Nabel. 26. Central entstandene Schmerzen. Ein neuer 
Fall mit Sectionsbefund, von Relchenbera. 26. Zur Pathologie der Hemiplegieen im Qefolge 
des Keacbhustens, von Luce. 27. Ein von infantiler Hemiplegie nach Diphtherie, von 
Wwhigamuth. 28. Oase of spastic hemipligia of gradual onset, following a severe attack of 
euteric fever, and terminating in insanity, by Steven. 29. Cerebral baemorrhage in a child, 
by Lea. 30. Hemiple^'a (possiblv hysteria) with ankie clonos, by Burr, 81. Ueber die 
tberapeutische Anwendnng der Elektricität bei Hemiplegie, von Sieletzkil. 32. Ueber cere¬ 
brale Dipl^een im Kindesalter (Little’scbe Krankheit), von Massalongo. 33. Ueber cerebral 
bedingte Coroplicationen, welche der cerebralen Kinderlähmung, wie der einfachen Idiotie 
gemeinsam sind, sowie über die abortiven Formen der ersteren, von Koenlg. 34. Ueber die 
Westpbal’scbd Pseudoskleroee and Uber difi’ose Hirnsklerose, insbesondere bei Kindern, vou 
StrOmpell. 35. Ueber diffuse Hirnsklerose, von Heubnsr, 36. Sclerose cerebrale bemispb^rique: 
Idiotie, b4miplegie droite et Epilepsie conseoutivcs, par Bourneville. 37. Paraple^c spasuio- 
diqae infantile, par VIrsiola. 38. Zur Therapie der Kinderlähmungen. SebnenUtmrpflahzung 
in einem Falle spastischer cerebraler Paraplegie (sogen. Little'scher Krankheit), von Eulen¬ 
burg* 89. Transplantation of tendou for infantile parslysis, by Eve. 

53 


.Google 






834 


III. BibliOfraphi«. Physiologie der HaatsiDoesnerven. Gesammelte AbhatidlungtB too 

A. fioldscbeider. 

IV. BeriehtlfMit. _ 


L Originalmittbeilungen. 

1. üel>er eine eigenartige psychopathische Form der 
Retentio urinae. 

Von Prof. Dr. W. y. Bechterew in St Petersbui^. 

Schon vor mehr als einem Jahrzehnt bin ich auf eine eigenthömliche 
Störung der Blasentfaätigkeit aufmerksam geworden, die, soviel mir bekannt 
von der Presse, besonders der französischen, erst in letzterer Zeit besprochen zu 
werden beginnt Die Afifection kommt im Wesentlichen darin zum Ausdruck, dass 
bei Mangel aller Erscheinungen von Parese oder Paralyse der Blasenmoskulatur 
die Uiinentleerung ansserordentlich erschwert, ja völlig vereitelt wird, sobald 
dies in G^nwart dritter Personen geschehen soll. Der Kranke bat das quälende 
Gefühl der Blasenüberföllung und auch das au^esprocbene Bedör&iss zur Harn¬ 
entleerung, allein er ist beim besten Willen und trotz grösstmöglicher Inansprucb- 
nähme der Baucbpresse nicht im Stande, auch nur wenige Tropfen von sich zu 
geben. In anderen Fällen gelingt es ihm nach minutenlangen nnglaublicben 
Anstrengungen eine winzige Urinmenge hervorznpreaen, dodi hat es damit 
zunächst sein Bewenden, wiewohl die Baucbpresse fottarbeitet und jener peinigende 
Zustand der Blasenfülle und des Harndranges unverändert andauert. Nach 
Ablauf einiger Zeit kann dann ein ähnlicher forcirter Harnabgang erfolgen. Oft 
erst nach dem zweiten oder dritten Yeisuch vermag der Kranke bei abgelenkter 
Aufmerksamkeit und unter unbeschreibbchen Willensanstrengungen zum Ziele 
ZQ kommen. Tritt dies nicht ein, so wiederholt sich das frühere Spiel so ian^, 
bis alle weiteren Versuche ungeachtet des Fortbestehens der anfänglichen Kr- 
scheinungen als fruchtlos von dem Kranken aufgegeben werden. Dass in dJeseu 
Fällen ein wirklicher Harndrang vorliegt, kann nioht zweifelhaft sein, da er sieb 
einige Zeit später oft von Neuem einstellt in einem Grade, dass schliesslich die 
Entleerung doch in mehr oder weniger vollständiger Weise vor sich gebt 
Manchmal lässt das Drängen erst nach mehrfach wiederholten, in der angegebenen 
Art durch Pausen unterbrochenen Urinentleerungen gänzlich nach. Sehr viel 
schneller gestaltet sich der ganze Vorgang coram publioo, wenn — was höchst 
merkwürdig ist — der Kranke sich von seiner Umgebung nnbeobachtet glaubt 
oder weiss. Aber die Wahrnehmung oder auch nur die Vorstellung, G^enstand 
fremder Aufmerksamkeit zu sein, löst sofort die anfänglichen Beschwerden aus. 
In öffentlichen Pissoirs zeigen solche Kranke, um leichter zum Ziele zu gelangeo, 
das Bestreben sich ängstlich vor den übrigen Besuchern zu verbergen. Beson¬ 
ders schwer fallt es ihnen, in Anwesenheit wenig bekannter Personen zu uriniren; 
V 4 —Vs Stunde vergehen unter qualvollen, aber vergeblichen Anstrengungen, 
and schliesslich muss die Befriedigung des bis zur Unerträglichkeit gesteigerten 


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835 


ßedörtnisses dennoch hinaii^eschoben werden. Seelische Erregung verstärkt die 
:^GbuQ bestehende Urinbehinderung noch mehr. D^egen schwindet diese sofort 
mehr ond mehr, sowie die Anwesenden sich entfernt haben und bei dem Kran¬ 
ken das Gefühl des Alleinseins erwacht Wird der Kranke während der Urin- 
entleerong durch Kinzutritt Fremder überrascht, so kommt jene, wenigstens in 
ausgeprägten Kraukheitsßllen alsbald unmittelbar zum Stillstand; er hat das 
unangenehme Gefühl der halbgefüllten Blase, muss aber gleichwohl innehalten 
oder einen anderen Ort au&ucben, um das B^nnene ungesehen zu Ende zu 
bringen. Keine oder nur unmerkliche solche Storungen bedingt meist das Zu¬ 
gegensein Näberstehender, denen gegenüber das Sdiamgefuhl weniger zur 
Geltung kommt 

In typischen Fällen können aber auch andere Momente maassgebend sein. 
So vor allem psychische Affecte, wodurch immer sie bedingt sein m^en. Auch 
die Yorstellnng, es sehr »lig zn haben, scheint in vielen Fällen eine ähnliche 
Wirkung auf die Harnentleerung auszuüben; letztere wird, je m^r sich jene 
Vorstellung steigert, um so schwieriger, ja sie kann schliesslich trotz vorhandener 
Miisse ganz unmöglich werden. 

Es mag nun die Behinderung noch so stark sein, so braucht zu geeigneter 
Zeit nur die Aufmerksamkeit des Kranken durch ein Gespräch oder den Vor¬ 
trag irgend einer Melodie abgelenkt zu werden, damit alle Beschwerden sofort 
weichen und der Urin spontan entleert werde. 

Bei Abwesenheit fremder Personen und in ruhiger Gemüthsverfassung geht 
die Harnentleerung bei derartigen Kranken in völlig r^elrechter Weise vor sich; 
allenfalls zeigen sich Tenesmen, insbesondere nach A ufnahm e reichlicher Flüssig¬ 
keitsmengen und vorwiegend während der kälteren Jahreszeiten. Im Uebrigen 
sind fnr gewöhnlich keinerlei Zeichen von Paresen an der Harnblase enürbar. 

Die Störung an und für sich ist nichts weniger als constant. Vielmehr 
lassen sich zu gewissen Zeiten stärkere Exacerbationen, zu anderen hinwiederum 
mtsprecheude Bemissionen nachweisen. Bezüglich der Ursachen ist es nicht 
immer leicht Gewissheit zu erlangen. 

Kurz zusammengefasst handelt es sich um eine eigenthümliche Störung der 
Jarneutleerung, die nur unter ganz bestimmten Verhältnissen auftritt und 
lamentlich in einer vorzeitigen oder übertriebenen Confraction der Sphincter- 
nuskulatur sich äussert. Allem zufolge scheint hier viel eher eine Storung der 
ssociativen Muskelthätigkeit, denn eine Parese des M. detrusor vorzuliegen. 

Bei der eingehenden Untersuchung dieser Fälle werden Erscheinungen, die 
iif ofigauische Veränderungen in der Urethra, in der Harnblase oder im Gentral- 
ervensystem hiudeuten würden, völlig vermisst Die Sehnen- und Hautrefleie, 
le Sensibilität und Motilität weichen nirgends merklich vom Normalen ab. 
tagten habe ich in der Mehrzahl der Fälle einen Zusammenhang mit neuro- 
itbischer Veranlagung nachweisen können. Dies im Vereine mit dem zeit¬ 
eiligen, an bestimmte Bedingungen geknüpften Auftreten der Symptome und 
jm Fehlen einer organischen Erkrankung des Gentrainervensystems führt 

5a* 


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836 


nnmittelbar za der Anuabme eines nervösen oder richtiger psjchopathologisdieQ 
Ursprunges der Afection. 

Die Häufigkeit der Storung ist nach meinen Erfahrungen keine sehr geringe, 
besonders im jugendlichen Alter und in der Pubertätszeit 

Was die Aetiologie betrifit, so sind weitere Beobachtungen abzawatten. 
Soviel ist aber unzweifelhaft, dass in der Anamnese dieser Fälle ausser neuro- 
pathischer Beanlagung nicht selten Masturbation angetroffen wird. Von einer 
gewissen Bedeutung sind hier vielleicht gewisse p^cfaische Momente, wie Schred 
und Aehnliches, sofern sie zu einer plötzlichen Unterbrechung der b^onnenen 
Harnentleerung Anlaa« geben können. 

Vorstehendes Eraukheitsbild ist von mir vor etwa 10 Jahren, noch währmd 
meiner Lehrtbätigkeit an der Universität Kasan, entworfen worden, doch brauche 
ich heute an dem bisher zuräckgel^ten Manuskript nichts zu ändern, da die 
darin mitgetheilten älteren Befimde von mir mit meinen späteren Beobachtungea 
sich vollständig decken und die daselbst dai^el^ten Anschauungen in all« 
wesentlichen Punkten die nämlichen geblieben sind. Die Veröffentlichnng des 
Manuskriptes — das möchte ich noch bemerken — musste hinau^fescfaobra 
werden, weil mir anföi^lich, in Kasan nämlich, eine Reihe von Schriften, die 
nicht unberücksichtigt bleiben durften, im Original nicht erreichbar war, später 
aber traten andere Thätigkeiten hindernd dazwischen. 

G^enwärtig sind nun ähnliche Störungen von James Paoet in semeo 
Clinical lectures and essays unter der Bezeichnung Hamstottem, und von 
M. Guton (üliniques 1885. Sur les voies urinaires de la miction) als Hamscheu 
(timiditö urinaire) beschrieben worden. Mittheilungen hierüber machte ferua 
Jules Jaket in seiner Schrift „Troubles psychopathiques de la miction, essai 
de p^cho-pbysiologie normale et pathol(^qae“ 1890. In allerletzter Zeit endM 
unterwirft Batmoei) (Clinique des maladies du syst nerveuz. Paris 1897) einen 
analcgen Fall von Hamretention einer ziemlich eingehenden Betrachtung mit 
der Ueberschrift „Troubles psychopathiques de la miction“ (IL Sörie S. 741ff.> 
Der Vorgang der Harnentleerung, bemerkt er, ist ein ausserordentlich oompli- 
cirter und unterli^ als solcher d^ Einfluss der Psyche in ähnlicher Weise, 
wie die Sprache, die Schrift und jede andere Thätigkeit; er kann hierbei onwiD- 
kürlich gesteigert, aber auch völlig vereitelt werden, ln letzterer Beziidinng 
wird folgender Fall näher beschrieben; 

Dz., Soldat, 24 Jahre alt, ist völlig unfähig, seinen Ham in nonnaier 
Weise zu entleeren. Es liegt nach dieser Richtung hin systematische W ilWas . 
schwäche bei ihm vor. Grössenwahn bei dem Vater und Nervosität bei ds 
Schwester deuten auf hereditäre Belastung; die Mutter ist während eines Paitos 
gestorben. Im 9. Lebensjahre stellte sich nächtliche Incontinentia uiinae ö, 
doch verschwand diese nach einher Zeit Bald darauf begann der Patimit n 
masturbiren. Im Alter von 12 Jahren fiel es ihm, während er, wohl in Folge 
der Masturbation, dauernd über den Zustand seiner Uro-genitalorgane in Sorgen 
war, von vomherein auf, dass er nur unter ganz binderen VerhältnaseB 
regelrecht zu uriniren im Stande war. Insbesondere war ihm dies in G^or 


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837 


wart einer dritten Person nicht möglich. Die Erscheinung der „Harnscheu“ 
(timiditö urinaire), wie Gdton das Symptom nennt, war bei dem Patienten 
schon finhzeitig aufgetreten, denn er sagt aus, er könne sich nicht entsinnen, 
jemals ohne Mühe in Gesellschaft Anderer Urin gelassen zu haben; sic steht 
wahrscheinlich in einem Zusammenhang mit dem Onanismus und dem Aufhören 
des nächtlichen Bettnässens. 

Die Beschwerden dauerten bis zum 15. Jahre unverändert fort In der 
Schule befand er sich stets in Gesellschaft anderer Kinder, konnte daher seine 
Blase nur unvollständig entleeren und hielt bis zur nächstfolgenden Unterrichts* 
pause oft mit grösster Ueberwindung an sich. 

Im Alter von 20 Jahren ward eine au^esprochene Blasenentzündung be¬ 
merkt, wahrscheinlich als Folge der bestehenden ^tention, da über eine sonstige 
Infection nichts Sicheres za eruiren war. Der anfänglich schmerzhafte Urin¬ 
abgang wurde in der Folge immer seltener und schliesslich ganz unmöglich. 
So kam Patient in das Hospital, wo Blasenerweitemng fesfgestellt nnd syste¬ 
matische Katheterisation angeordnet wurde. Nach zwei Jahren schien das ent¬ 
zündliche Blasenleiden geheilt, allein der Patient musste, dauernd unfähig zu 
spontaner Urinentleemng, sich selbst mit dem Gebrauch der Blasensonde ver¬ 
traut machen. 

Die mit aller Sorgfalt au^efuhrte Untersuchung der Urethra und Blase 
auf organische Affectionen hin blieb in diesem Fall gänzlich resultatlos. Die 
Blase besass ihre volle Gontractionsföhigkeit, wie durch Eingiessen von Borsäure- 
lösungen in dieselbe bestimmt eruirt werden konnte. Das Wesen der Affection 
muss daher in einer functioneilen Dissociation des Dehrusor und Sphincter ge¬ 
sucht werden. In dem Moment, wo der Sphincter naohlässt, hört die Blase auf, 
sich zu contrabiren. Auch Zeichen einer Spinalaffection waren trotz aufmerk¬ 
samster Beobachtung bei dem Kranken nicht wahrnehmbar. Eine Morphium- 
injection gab dem Kranken für mehrere Standen die Fähigkeit spontanen 
Urinlassens wieder. Der Coitus und die damit zusammenhängende Erregung 
hatte den gleichen Erfolg. Es muss also, da insbesondere ein spinaler Ursprung 
ausgeschlossen war, das Leiden höher oben, in der psychischen Sphäre localisirt 
werden. Je mehr er, giebt der Kranke selbst unter Hinweis auf seine lang¬ 
jährigen Erfahrungen an, die Vorstellung des Harnlassens festhalte, auf desto 
grössere Schwierigkeiten stosse er dabei. Gelingt es ihm, jene Vorstellung von 
sich abzuweisen, vergisst er, dass er urinire, so kann die Blase entleert werden; 
im anderen Fall, wenn er fori&hrt sein Vorhaben in Gedanken zu verfolgen, 
so wird dieses anstatt spontan vor sich zu gehen, völlig unausführbar. Kurz, 
es besteht ein wahrer Willensdefeot, wie er zuweilen auch bezüglich der Sprache, 
der Greh^igkeit nnd anderer Verrichtungen zur Beobachtung gelangt 

Da aber ähnliche Affectionen sich nicht selten durch materielle Factoren 
bedingt erweisen, so hat man bei der Diagnose derselben nach Ansicht Rayhond’s 
vor allem den Zustand der Hamw^e genau zu prüfen. Es muss darauf ge¬ 
achtet werden, ob der Ham klar und frei von Eiter ist; ob die Blase gesund 
oder ob Steine, papillumatöse Excrescenzen u. s. w. sich vorfinden; die Muskulatur 


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838 


der Blase ist auf ihren Dehnungsznstand, ihre Stärke and sonstige Beschaffenheit 
zu nntersacben. Ebenso muss die Harnröhre explorirt und nachgeseheu werden, 
ob eine eingeföhrte Sonde normale ContractioDen auslöst; von letzteren sind 
patholt^iscbe Spasmen, die bei dieser Art von Kranken in der Urethra ansser- 
ordentlich stark zu sein pflegen, wohl zu nnteischeiden and die Sonde schnell 
and in einem Zuge unter Ablenkung der Aufinerksmnkeit zu appUciren. Fem^ 
wird man auf etwaige materielle Verändeningen des Rückenmarkes fahnden, 
die für solche Störungen eine Erklärung abgeben könnten. Wenn alles dies 
nicht zum Ziele führt, so bleibt nur die Annahme einer psychischen Alteratkm 
übrig. Rayvond betont den innigen Zusamm^hang der Blaseufunctioneu mit 
der psychischen Sphäre und erörtert im Anschlüsse hierun meine auf Unter- 
suchnngen von MniEa gestutzten Mittbeiluugen über die corticalen Contra des 
Sphincter ani et vesicae.^ Ferner giebt er Hinweise bezüglich des Einflug 
des Willens, der Denkthatigkeit und des Bewusstseins im allgemeinen auf die 
normale Blasenthätigkeit und ihre patholt^isohen Störungen. „Jeder Tastern* 
druck“, äussem sich hierüber Mosso und Pbllacaki auf die sich Katmomd 
beruft, „jedes isolirte Geräusch, jede Schmerzempfindung, jede Errang oder 
geistige Anstrengung, kurz jeder psychische Vorgang wird stets von Blasen- 
oontraotionen begleitet“ 

In Beziehung auf den Mechanismus der im Obigen betrachteten Störung 
geben James Janbt und Ratmond folgende Erläutemngen: Der Vorgang der 
Blasenentleeruug wird eingeleitet durch Contraction der Blaseuwäude und durch 
Freiwerden des Sphincter. Damit Letzteres g^hehe, muss die Aufmerksamkeit 
von dem Muskel abgelenkt werden. Es muss also eine gewisse psychologische 
Leistung hinzutreten; eine Art Vergessen des Schliessmuskels der Pars meni- 
branaoea ist am Ende erforderlich, damit die letzten Urintropfen entleert werden. 
Die ganze Erscheinung wird coup de piston genannt 

Mw könnte sagen: eine r^elrechte Blasenentleerung setzt einen Zustand 
der Zerstreutheit voraus. Der Vorgang selbst spielt sich so sehr automatisch 
ab, dass eine Betheiligung unserer Auünerksamkeit nur schaden kann, wie dies 
auch im geschlechtlichen Verkehr, beim Coitus, der Fall ist Lwte, die fort* 
während um ihre Blase besorgt sind und in der Entleerung derselben etwas 
für sie sehr Bedeutsames erblicken, wollen in der R^l zugleich in aller Eile 
oriniren, aus k'uroht gesehen zu werden; hierzu tritt dann die ängstliche Vor- 
stellong, es könnte trotz des Verlangens dennoch kein Urin zum Vorschein 
kommen. Sorge oder die geringste Aulr^ng hat bei diesen Leuten häufiges 
Hamdrängen zur Folge; in dem Kampfe mit ihrem Verlangen macheo sie 
ausserordentliche Anstrengungen, als deren Frucht jedesmal eine ZusammeD- 
ziehung der Schliessmuskulatur auftritt Kurz der Hinzutritt der Aufmerksam¬ 
keit, die einerseits das erforderliche Veiges^n des Sphincters veroitolt, andererseits 
bei der geringsten Erregung zu schnellen Contractionen desselben geneigt macht, 


' W. T. Bbchtbrbw, Neurolog. Ceotralbl. 1898. Nr. 3. 

* Stur Im foootioBB de la veasie. Aroh. ital. de Biologie. Bd. 1. 1882. 


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839 


bedingt es, dass der im Grunde einfache Vo^ang der Blasenentleerung zu einem 
aosserordentlicb cumplicirten wird. 

Wenn alle diese Ersübeinungen sieb steigern, bemerkt hierzu Guton, so 
haben die Kranken während des Urinirens oder auch schon in den Pausen ein 
Gefühl von Schwere oder dumpfem Schmerz in der Dammg^nd. Dies Ge¬ 
fühl erhält die Auftnerksamkeit ununterbrochen wach und so wird das Uriniren 
immer mehr erschwert, ja schliesslich ganz unmöglich. 

ln therapeutischer Hinsicht betont Raymond insbesondere die Nothwend^- 
keit, durch moralische Beeinflussung und andere geeignete Maassnabmen die 
Aufmerksamkeit der Kranken von ihrer Harnröhre abzulenken. Man suche die 
Häufigkeit des Hamens herabzusetzen, damit der Einzelact um so yollstaudiger 
au^führt werde. Üm den Reiz des durchtretenden Urins auf die Schleimhaut 
zu vermindern, empfehlen sich Einspritzungen 5—10^/^ Cocalnlösungeu in die 
Urethra. Allein ein Erfolg ist hierbei nur selten zu beobachten. Am öftesten 
knöpfen sich schliesslich hypochondrische Ideen an, das Wohlbefinden der 
Kranken wird durch krankhafte Empfindungen in der Dammgegend dauernd 
gestört und das Grübeln über den Zustand ihrer Harnblase wird zum alleinigen 
oder wesentlichen G^enstand ihrer Fürsorge. 

Die Beobachtungen Rathond’s und seiner Vorgäi^er stimmen also in allen 
Punkten mit meinen eigenen Befunden überein. Der Fall Raymond’s zeigt 
allerdings die Besonderheit, dass schliesslich die Blase nur mittelst Katheter 
entleert werden konnte, was für gewöhnlich nicht eiutritt; doch kommt hier in 
Betraclit, dass das Leiden mit Blasencatarrh complicirt wurde, der eine syste¬ 
matische Katheterisation nothwendig machte, und bekanntlich tritt in derartigen 
Fällen gar nicht selten eine Gewöhnung an den Gebrauch des Instrumentes ein. 

Mit der infausten Prognose, die Raymond der psychopathischen Harn- 
retention stellt, kann ich mich nicht ohne Weiteres einverstanden erklären. 
Solche Fälle mit absoluter Retention, wie der vorhin mitgetheilte Raymond’s, 
haben freilich wenig Aussicht auf Heilung. Aber in weniger schweren Fällen 
sah ich von der Anwendung geeigneter Mittel zur allgemeinen Beruhigung des 
Nervensystems (Bromsalze, Bäder u. s. w.) wesentliche Besserui^, ja mit der 
Zeit völliges Schwinden der Krankheitserscheinungen. 

Was die Pathe^nese des Leidens betrifl't, so war ich von vornherein geneigt, 
dasselbe auf übermässige Erregbarkeit des Sphincters und auf eine damit zu¬ 
sammenhängende fuuctionelle Dissociation dieses und des Detnisors zurückzu¬ 
führen. Auch der Detrusor scheint bei Kranken dieser Art abnorme Reizbarkeit 
darznbieten, wenigstens wird von ihnen nicht selten über lästiges und häufiges 
Hamdrängen geklagt. Beide Muskeln haben, wie ich nachweisen konnte, ihre 
Centren in der Grosshimrinde. Die Oeutren für den M. detrusor finden sich 
beim Hunde an dem medialen Bande des Gyrus sigmoideus, insbesondere des 
vorderen Abschnittes desselben^; die Centren des M. sphincter entsprechen dem 

' W. V. Bbcbtebbw and N. Misslawski, Die motorisobeD Centra der Harnblase im 
Gehirn. Arcb. psicb. Bd. XII. 1886. Nr. 2. — W. v. Bbcbtebkw , lieber dieCentra der 
Harnblase. Oboaren. psicb. 1896. S. 586. (Rassisch.) 


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8-10 


biuteren Tbeil der nämlichen Windung und sind dem Centrum für die Bewe¬ 
gungen des Schwanzes benachbart.^ 

Diese centralen Stätten sind es nun augenscheinlich, durch deren Vermitte¬ 
lung die Tbatigkeit der Blase von der psychischen Sphäre aus eine Beeinflussung 
erfahrt Bei den hier geschilderten Krankheitsformen finden sie sich höchst¬ 
wahrscheinlich in einem analogen Zustand erhöhter Erregbarkeit, wie die geaaromte 
übrige psychomotorische Zone, so zwar, dass der Spbincter nicht einmal dann 
nachgiebt, wenn der Detmsor sich bereits contrahirt hat, und es einer vorher¬ 
gehenden Ablenkung der Aufmerksamkeit bedarf, damit der Zugang zu der 
UreUira frei wird und eine Entleerung der Blase erfolgen kann.' 


2. Meningitis ventricnlaris chronica adultorum. 
Plötzlicher Tod bei derselben. 

Von Oberarzt Dr. Bresler (Frelbnrg i./Schl.). 

Vor 5 Jahren veröffentlichte Quincke eine kleine Monographie über die 
Meningitis serosa ventriculonim, unter welcher Bezeichnung er den Hydro- 
cephalus intemns acutus und chronicus der Erwachsenen eingehend behandelt 
Da diese Arbeit mir zur Grundlage bei dem epikritischen Stndinm des im Nacb- 
stehenien zu beschreibenden Falles diente, so das Wichtigste aus derselben 
zur OrientiniDg voraasgeschickt werden. 

Nach Quincke kommt die acute Form der Meningitis serosa häufiger im 
jugendlichen Alter vor, die chronische beim Erwachsenen. Als Ursachen führt 
er auf: Trauma des Kopfes, anhaltende geistige Anstrengung, acute nnd 
chronische Alkoholwirkung, acute fieberhafte Krankheiten (Typhös, Pneumonie); 
als Veranlassung zu Exacerbationen Schwangerschaft. Die durch Mikroorganismen 
herbeigeführte Entzündung der Pia will er davon scharf getrennt wissen. Ferner 
betont er auch den Unterschied der entzündlichen Vermehrung der Cerebro- 
spinalflfissigkeit in den Subarachnoidalmaschen und in den Ventrikeln, die 
Meningitis cortioalis und ventricularis. Bei letzterer sind die Ergüsse vorwi^nd 
klar und enthalten nur ausserordentlich spärliche Lympbkörper und Endothelien, 
bei ersterer mehr oder weniger zellenreich, daher getrübt oder gar eitrig; dies 
deute auf eine genetische Verschiedenheit der Entzündung an beiden Orten. 
„Die oorticale Meningitis ist vorwiegend parasitär und die parasitäre vorwiegend 
cortioal.“ Die entzündlichen Exsudationen nicht parasitären Ursprungs finden 
sich gelegentlich auch an der Himoberfläche, z. B. nach Traumen, nach Ver¬ 
giftungen, in Folge von Himgescbwülsten, vorzugsweise aber geschehen sie in 

' Msm, Ueber die corticalen Centrs des Sphiocter Teeieae et aiii (mu mdoein Labe- 
ratorinm). Newrolog. Wjestn. Bd. L 1893. H. l. (Bowiseh.) 


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841 — 

die Hirnventrikel, wo schon normalerweise die stärkste Sekretion stattfindet Er 
vergleicht die yentriculären Exsndationen mit den nicht parasitären entzündlichen 
Ergüssen, wie sie beim intermittirenden Hydrops der Gelenkhöhlen, bei der 
Urticaria und beim angioneurotischen acuten üedem der Haut Vorkommen, 
welch letzterem die acuten Formen der Meningitis ventricularis serosa durch 
die Schnelligkeit ihrer Entstehung und durch den Wechsel ihrer Si)annung 
entsprechen. 

Nach Quinokb unterscheidet sich das Exsudat (durch Lumbaipunction ge> 
Wonnen) nicht wesentlich von der normalen Gerebrospinalflüss^keit: spec. Ge¬ 
wicht 1008, Eiweis^ehalt V»— ^U°loot selten 1—1,5®/,,^, während letztere bei 
tnberculuser Meningitis, und namentlich bei Hydrocephalus durch Blutstauung 
I—6*/oo betragt Die bei der Lumbalpunction abfliesseude Flüssigkeit stand 
unter einem Druck von 150—700 mm Wasser; besonders hoch war der Druck 
bei chronischen Fällen, wo die Himsubstanz derber und weniger nachgiebig 
geworden sei. Plexus chorioidei und vielleicht auch die übrige Pia seien in 
acuten Stadium der serösen Meningitis byperämisch, später brauchten an der 
letzteren keine Veränderungen bemerkbar zu sein. — Qitincke meint ferner, 
dass viele Fälle von acuter Meningitis serosa, wie es schiene, geheilt wurden 
durch Nachlass der Exsudation, oder compensirt — vollkommen oder unvoll¬ 
kommen — durch Erweiterung der Abflusswege; bei einer solchen unvoll¬ 
kommenen Compensation könne massige Druckerhöbung ganz latent oder mit 
geringfögigigen Symptomen fortbesteben; geringe Transsudation (z. B. bei chro¬ 
nischen Herz- und Nierenleiden, Diabetes u. s. w.) seien in solchen Fällen schon 
sehr gefährlich nnd führten in der That manchmal unerwartet zum Tode. 

Was die einzelnen Züge des Erankheitsbildes der Meningitis serosa anlangt, 
so heben wir aus Quincks’s Schilderung Folgendes hervor: Fieber, Kopfschmerz 
und Nackenstarre, Hyperastbesieen, I^resen (Abducensparese bei Himdmck), 
seltener Krämpfe, meist in ausgedehnteren Muskelgebieten verlaufend und ge¬ 
wöhnlich in dieser oder jener Einzelheit von dem typischen Bilde des wahren 
epileptischen Anfalls unterschieden, Erbrechen, Verlangsamung and Unregel¬ 
mässigkeit des Pulses, Trägheit nnd Ungleichheit der Pupillen, zuweilen extreme 
Grade der Verengemng oder Erweiterung derselben. — Trübung des Bewusst¬ 
seins, die sich in schweren Fällen zu tiefer, dauernder Benommenheit steigert, 
in anderen schwankt und mit Delirien, Unruhe und Schläfrigkeit vergesellschaftet 
ist Alle diese Symptome sind weder immer zusammen in dem Krankheitobilde 
anzutreffen, noch bieten sie in ihrer Aufeinanderfolge eine bestimmte Hegel- 
massigkeit Dagegen ist die Stauungsnenritis des Opticus ein sehr 
gewöhnliches Symptom. Die Krankheit setzt entweder acnt ein oder be¬ 
ginnt schleichend and verläuft chronisch mit Intermissionen and Exacerbationen. 
Verwechslung mit Hirntumoren ist sehr leicht m^lich; nur wenn sich das 
Leiden durch Jahre hinscbleppt (ohne dass andere Herdsymptome als Stauongs- 
papille anftreten, wie ich hinzusetzen möchte), ist Hirntumor auszuschliessen. 

Für die Beurtheilung des nachstehenden Falles scheint mir von besonderem 
Interesse, was Quinckb bezüglich der leichteren chronischen Fälle cuu- 


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statirt: Kopfscliiuerz, Scbwiudelgefnh), Stimmangsanomalien wechseln, sind oft 
geringf&gig oder fehlen lange Zeit gänzlich und sind von neurastheuischen 
Beschwerden nicht zu unterscheiden. Solche Symptome bleiben oft auch 
nach günstig Teriaufenen acuten Fällen znrück. Ferner, dass statt des Wechsels 
der leichten Symptome diese chronischen Fälle auch au^esprocheue Exacerbationen 
zeigen können, die bald in milderer Form und wiederholt auftreten, bald acut 
und heftig einsetzen und tödtlich enden können. Bei der Section findet man 
dann sehr voluminöse Wasserergusse in die Ventrikel, Veränderung ihrer Ge¬ 
stalt, Verdickung und Körnung des Ependyms, Erscheinungen, die zu ihrer 
Entwickelung längere Zeit brauchen. 

Ein besonderes Capitel widmet auch Oppenheim dem erworbenen Hydru- 
ceplialus. Er hält auf Gnmd eigener Beobachtung an der M^chkeit des 
Vorkommens eines idiopathischen primären Hydrocephalus der Erwachsenen fest, 
betont die Äehnlichkeit zwischen diesem, wenn er acut anftritt, und der infeo 
tiOsen Meningitis, sowie zwischen dem chronischen und dem Hirntumor, in 
welch letzterer Beziehung ein sicheres Unterscheidungsmerkmal öberhaupt nicht 
angeführt werden kann. Anhaltungspunkte sieht er nur in der abuurmen 
Grösse und Gestalt des Schädels als Fii^rzeig, dass in der Kindheit schon 
einmal ein hydrocephalischer Process stattgefunden und in der Verlaofsart, die 
Remissionen und Intermissiouen von Jahre langer Dauer aufweist. In einem 
seiner Fälle erstreckte sich das Leiden über 9 Jahre. 

Während die Meningitis serosa acuta erst neuerdings wieder von Boenning- 
HAUS eingehendem Studium unterzogen worden, ist die Fr^e nach der chronischen 
Form derselben bei Erwachsenen in den letzten Jahren selten zur Disoassion 
gelangt Vereinzelte casuistische Mittheilungen beweisen vielmehr, dass man 
sich derselben gegenüber immer in einer gewissen Verlegenheit beßndet, nicht 
allein bezüglich der Diagnose, von der auch ein Neurologe wie Gowebs be¬ 
hauptet, dass sie nicht möglich sei, als besonders wenn der Fall plötzlich letal 
endet, wie der unsere. Weil unser Fall nun in jedweder uoeolcgiscber Be¬ 
ziehung lehrreich, und um dadurch den G^nstand wieder zur Debatte zu 
bringen, sei er im Folgenden mitgetheilt 

Krankengeschichte: 

48jäliriger Mann, landwirthschaniicber Aufseher, ohne Belastung, ohne lueUscbe 
Infectioo, soll nicht übermässig getrunken haben, nach späterer eigener Angabe aber 
täglich bis 1 Liter Schnaps; vou ernsteren Erkrankungen ist nichts bekannt geworden. 
Mit 40 Jahren erlitt er durch ein herabfalleudes Stück Holz einen Schlag auf den 
Kopf; etwa .3 Wochen nach dem Unfall soll er 5 Mal Krampfanfalle gehabt haba; 
unter ärztlicher Behandlung blieben dieselben fort. Im Monat Juli 1894 bemerkte 
seine Frau eine geistige Veränderung an ihm; er wurde zerstreut, vergesslich und 
klagte viel über Kopfschmerzen. Im Monat Januar 1895 kehrten die Anfälle wieder 
und wiederholten sich später 3—4 Mal täglich; während dm:selben behauptete er 
ganz im Fiustern zu sein. Darauf wurde er einem Krankenhaus flbm'wiasen, aas 
diesem am 12. März 1895 seiner geistigen Störung wegen der Irrenklioik zu B. id- 
geführt; in orsterem hatte er Anfälle, in letzterer wurden keine beobachtet Dss 
Krankenjoumal derselben führt Mitte Mui 1895 auf: Zni^ etwas nach links sb- 


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843 


weichend, »ehr unsicher. Pupillen en^, aber noch etwas reagireud. Links deutlicher 
als rechte. Keine Hemiopie. Facialis beiderseits sehr unsicher, ohne Differenz. 
Rechte Gesichtshälfte etwas schlaffer als die linke. Händedruck beiderseits kraftlos. 
Feinere Bewegungen der Finger beiderseits sehr ungeschickt. Armbewegung beider¬ 
seits sehr kräßig, keine Tastlähmung. Gang mit steifen Beinen, das linke Bein 
schleiß stärker als das rechte. Patellarreflexe beiderseits gesteigert. Passive Be¬ 
weglichkeit herabgesetzt. Kein Fossclonus. Schmerzempfindlichkeit erhalten. Leicht 
benommen, ganz h&lflos, kann nur nnterstfttzt gehen; ist unsauber. Erholt sich 
körperlich nach wenigen Tagen. Dauernd delirant, sucht Gewehre, Haodwerkzeug 
u. s. w., will sich anziehen, ruß Angehörige. Dabei sehr lenksam, geht auf blosses 
Zurufen ruhig zu Bette. Hochgradige Euphorie. Gedächtnissdefecte leicht nach¬ 
weisbar, weiss kaum die einfachsten Personalien anzugeben. Schrift typisch para¬ 
lytisch gestört. Sprache wen^er beeinträchtigt, aber die Störung nachweisbar. An¬ 
deutung linksseitiger Symptome. — Am Tage meist ruhig oder schlafend; gegen 
Abend unruhig berumsuchend. Anf Hyoscin-Morpbium guter Schlaf. 

Später wird notirt, dass Patient Schlangen zu sehen glaubt, auch darnach greift. 
Glaubt, sich anf einem Vorwerk zu befinden, hält seine Mitkranken für Schäfer- 
kuechte u. s. w. — Anfang April ist er klar, nur der Schlaf noch ab und zu durch 
leichte Verwirrtheitszustände unterbrochen. Am 19. Mai wurde er entlassen. Dia¬ 
gnose: Dementia paralytica. 

Ein Attest vom 19. Juni 1895 sagt über ihn aus, er sei körperlich sehr 
schwach, geistig sehr zerstreut, unklar, verwirrt, oß gereizt und brutal. „Sprache 
sehr matt, Sehen sehr schlecht,*' Gang und Haltung unsicher. Die eigentlichen 
Krampfanfälle sind immer mehr in den Hintergrund getreten. Es wird darin auch 
mitgetheilt, daM er Mitte 1894 wegen einer Beleidigung mit dem Strafgesetz in 
Conflict gekommen und mit Gefäugniss bestraß worden sei. Er habe aber damals 
von der ganzen Sache nichts gewusst und schon zu jener Zeit auf den Arzt einen 
höchst confusen Eindruck gemacht. 

In die hiesige Anstalt wurde er am 3. Juli 1895 aufgonommen. ln den ersten 
Tagen klagte er über heftige Kopfschmerzen an der Stira; auf Bettruhe und ver¬ 
einzelte Antipyrindosen wurde es besser. Auch litt er an Obstipation. — Er war 
im Stande über seine Personalien richtige Angaben zu machen, nur für die Dauer 
seiner Erkrankung, das heisst überhaupt für die letzten Jahre, ist das Gedächtniss 
geschwächt, die Erinnerung' weist sogar erhebliche Lücken auf. Geber seine gegen¬ 
wärtige Lage, Ort und 2^it ist er orientirt. Von jenem Schlag will er nicht be¬ 
wusstlos geworden sein, nur die Krämpfe nachher bekommen haben. — Schnaps will 
er ab und zu getrunken haben. — In elementaren Dingen sind sein Wissen und 
aeiue Fertigkeiten ebenfalls defect, ist z. B. nicht im Stande, Geld zusammenzuzählen. 
In seinen Briefen lässt er in typischer Weise sowohl Worte als auch Silben ans. 
Bahiges, zufriedenes, dabei euphorisches Verhalten. Anfangs war er mit Urin un¬ 
rein. — Gang schwerfällig, mit krummen Knieen. Schlaffe Haltung. Grösse 1,71 m; 
starkes Fettpolster; ruthe Gesichtsfarbe, ziemlich gute Muskulatur. FingereindrQoke 
bleiben namentlich am Bücken längere Zeit als weisse Flecke sichtbar. Puls ziemlich 
klein, r^elmässig. Schädel ziemlich rund. Umfang 57 cm, symmetrisch, keine 
Narben. Ohren gut ausgebildet, gleichgross. Augen: am rechten äusseren Orbital¬ 
rand eine kleine Narbe (ist als Kind einmal aus dem Bett gefallen). Geringe In- 
sufflcienz der beiderseitigen Interni. Pupillen ungleich. Rechts > links; beide mehr 
als mittelweit, reagiren reflectorisch, consensnell, bei Accommodation und Convergenz, 
aber tr^e. Beiderseits Cataracta incipiens. Links oben innen ein schwarzer Fleck 
io der Chorioidea, über den die Betinalgefässe ziehen. Grösse desselben ungefähr 
gleich der Pupille. Hypermetropie ca. 2 D. beiderseits. Sehschärfe Gesichts¬ 
feld beiderseits nicht eingeschränkt (für Weiss). (Die Augenuntersnchnng wurde 
(Ton einem Ophthalmologen vom Fach ausgeführt.) Die Zunge wird geradeausgesteckt, 


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zittert etwas. — An den inneren Oi^nen nichts besonderes. Leib stark aofpetriebeo. 
Urin ohne besonderen Befand. PatellarreSexe erhalten, etwas gesteigert, rechts an* 
scheinend etwas st&rker als links. Mit geschlossenen Äagen schwankt er ganz an* 
bedeutend, beim Umwenden mit geschlossenen Augen taumelt er etwas. Die Augen* 
lider zittern, wenn die Augen geschlossen gehalten werden. 

Ans der späteren BeobacÜnng ist nur zu berichten, dass er häufig über Kopt* 
schmerzen klagte, die wie früher durch Antipjrin gelindert wurden. Im AUgemeinen 
blieb der Zustand anverändert, nur wurde beobachtet, dass sich seine Schriftzflge 
besserten and weniger Charakteristisches für Paralyse als früher boten. Im Juni 1896 
war er von Beschwerden ziemlich frei nnd vermochte sich mit Feldarbeit zn be* 
schäftigen. 

Dann traten wieder die Kopfschmerzen zu Tage, die er bald an Hinterkopf, 
bald an die Stirn nnd Schläfengegend locslisirte; von Zeit zn Zeit bestand Ohren* 
sansen, namentlich links. Am 21. Jnli stiegen die Beschwerden so, dass er bett¬ 
lägerig wurde; er war dabei vorübergehend leicht benommen und verwirrt. Er erhielt 
eine ^it lang Jodkali mit Bromkali. 

29./X. In dem Befinden des Patienten ist keine wesentliche Veränderung «d* 
getreten. Br klagt nach wie vor über Kopfschmenen, welche er sowohl an der 
Stirn, den Schläfen, wie auch im Hinterkopf verspüren will. Daneben soll vielfach 
lebhaftes Schwindelgefühl bestehen. Auch giebt er an, dass es ihm besonders des 
Morgens fast regelmässig etwas vormache; er will, wenn die Gasflammen angezüodet 
werden, nm die Flammen hemm, feurige Pnnkte, Kreise n. s. w. sehen; ansserdeis 
sehe er auch vielfach Blumen in allen möglichen Farben. Dass dieses krankhaft ist, 
dass das alles auf Täoschnng beraht, weisa Patient Wenn die Kopfschmerzen 
und das Schwindelgefübl einen besonderen Grad erreichen, tritt vielfach Er¬ 
brechen ein. 

17./IX. Dieselben Klagen: Kopfschmenen an der Stirn, den Schläfen und am 
Hinterkopf; dabei macht es dem Patienten angeblich wieder viel vor; er sieht feurige 
Punkte, Strahlen und Blumen in allen möglichen Farben. Diese Täuschungen werden 
nach wie vor stets als solche erkannt Auf Antipyrin sollen die Beschwerden regel* 
mässig etwas geringer werden. Schlaf und Appetit sind nicht geetürt Keine 
Stannngspapille. 

lö./XIl. Patient bietet in seinem ganzen Verhalten und Benehmen das alte 
Bild. Die Klagen sind dieselben geblieben; Augenspiegelbefund negativ. 

16./I. 1897. Keine wesentliche Verändemi^. Patient erzählt jetzt, er habe 
das Gefühl, wie wenn er einen festen Ring um den Kopf habe, wie wenn er vor 
der Stirn ein Brett habe, dabei die alten Klagen über die Täuschungen, welche jetzt 
allerdings nor mehr des Morgens beim Anfstehen vorhanden sein sollten. Schlaf 
and Appetit nicht gestört 

20./II. Bunte Blumen, feurige Punkte will Patient jetzt nicht mehr sehen, 
dabei mache es ihm jetzt aber „schwarze Punkte“, auch wieder besondere Morgens 
nach dem Aufstehen vor. 

15./II1. Will sich im Ganzen viel wohler fühlen, klagt jetzt weniger flbw 
Kopfschmerzen als über Schwindelgefübl. 

i5./IV. Arbeitet jetzt mit im Garten, was ihm gut bekommt 

15./VII. Die Beschwerden des Patienten beschränkten sich in der letzten Zeit 
auf hin and vrieder anftretenden Kopfschmerz, der seltener mit etwas Schwindelgefübl 
verbunden ist. Irgendwelche Zeichen geistiger Erkrankung bietet Patient zur Zeit 
nicht Seine Gemüthsstiromnng ist seiner Lage angemessen ziemlich ernst Er ist 
vollständig orientirt über seine Verhältnisse and seine Lf^. Sein Urtheil ist in 
keine Weise geschwächt. Seine Willensenergie ist nicht etwa herabgesetzt sondern 
er verlangt energisch nach Arbeit Auch hier hat er sich seit Anfang Mai immer 
fleissig mit Feldarbeit beschäftigt, ohne besondere Beschwerden dabei gehabt n 


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haben. Sein Verhalten gegen die Aerzto, Wärter und Kranken war stets ein sehr 
geordnetes. 

Am 30./yil. 1897 beurlanbi 

Am 26./11I. 1898 kommt Patient vom Urlaub allein znrQck; psychisch ge¬ 
ordnet, ohne Bewusstseinstrflbung, giebt zur Krankheitsgeschichte au, er habe erst 
iffi November und Becember Arbeit als Wirthschaftsaufseher gefunden, sei aber 
leistuDgaunföhig geworden, da er täglich zwischen 10 und 11 Uhr Morgens An^le 
von Kop&chmerz und Schwindel gehabt habe und gleichzeitig körperlich schwach 
gewesen seL Die Schmerzen seien vom Nacken heraufgestiegen und haben sich dann 
hauptsächlich in der Gegend der grossen Fontanelle localisirt. Krämpfe, Ohnmächten, 
Potns, Schlaflosigkeit, Erregungszustände negirt. Angaben der Frau Ober die Zeit 
des Urlaubs; Schwindel* und Ohnmachtsanialle sehr häufig, besonders wenn er eine 
Arbeit probiren wollte. Kopf- und Qenickschmerzen beständig. Oefters leichte Ver- 
wirrtheitszastände, in welchen er „nicht bewusst war, wohin er woUie oder was er 
machte“. Neigung zum Trinken wären wohl vorhanden, aber die Mittel reichten 
nicht aus, „um seinen regen Appetit zu befriedigen“. Verdienen konnte er nichts, 
war völlig arbeitsunfähig. Gegen die Kinder leicht aufgeregt, gegen Fremde wort¬ 
karg. Pupillen gleichweit, reagiren prompt. Die Zunge wird gerade herausgestreckt, 
ist ohne Tremor, Finger desgleichen; kein Eomberg'sches Phänomen, keine 
Lähmongserscheinungen, kein Tremor, keine Ataxie; Sprache und Schrift, Ueflex- 
erregbarkeit nicht gestört Verhalten psychischerseits geordnet, ruhig. 

April 1898. Wegen zeitweiliger heftiger Kopfschmerzen Jodkali. Im Mai 
wurde auch Jodkalisalbe (auf den rasirten Kopf) versucht. Bettruhe. 

9./V. Heute Morgen plötzlich ein Schwindelanfall. Patient fallt zu Boden, 
blickt starr und liegt r^ungslos, athmet stossweise („wie in Erstickung“), hat keine 
Krämpfe. Nachher giebt er an, er habe nicht gewusst, wo er sei. Der Zustand 
sei aus heftigem Kop&chmerz hervorgegangen. Fupillendifferenz mässig. Keaction 
gut; keine Sprach« oder motorische Störung. Nachmittags 2^/^: Wie Patient im 
Voraus angekfindigt (nach Analogie einer fifiheren Anfallsfolge) tritt unter Congestion 
des Gesichts und starkem Schweissausbruch ein kurzer Schwindelanfall (Dauer 
ca. 2 Minuten) mit unbestimmten Vorboten bei Incidem Bewusstsein eiu. Dann 
kurze rhythmische Zuckungen mit den Armen, stossartige Athmung, Fulsverlangsamung 
und plötzlicher Exitus letalis. 

Krämpfe waren während seines ganzen Aufenthalts in unserer Anstalt nicht 
beobachtet worden. 

Die Section ergab: Starke Verfettung des Herzbeutels und allseitige Verwachsung 
desselben mit dem Herzen. Starker Fettbeleg des letzteren. Hypertrophie des 
Herzens. Klappenapparat gehörig. Lungen mit der Brostwand verwachsen. Gewebe 
allenthalben lufthaltig, nicht infiltrirt. Bronchialschleimhaut zum Theil etwas injicirt. 
ln der rechten Lunge ziemlich reichlicher Blutgehalt. Milzsubstanz blutreich, etwas 
schmierig: Zeichnung gut erhalten, unregelmässig vergrössert und gelappt. Nieren: 
fibröser Ueberzng ohne Snbstanzverlost abziehbar. Die Oberfläche hat unregelmässige 
Eioziehongen. Substanz stellenweise verhärtet, Mark und Binde verschmälert. Ge¬ 
webe sehr blutreich, cyanotisch, schneidet sich derb. Leber gross, Ueberzug glatt, 
glänzend, Substanz brüchig, Zeichnung sehr verwaschen. Gefässe reichlich bluthaltig, 
reichlicher Fettgehalt, ln der Blase etwa eine Kaffeetasse hellen, klaren Urins. 
Unter der Galle eine beträchtliche Menge flüssiges Blot Schädeldach symmetrisch, 
Diploe überall vorhanden, ziemlich blutreich; an den Knochentafeln nichts besonderes 
(namentlich nichts, was auf eine frühere Kopfverletzung hindentet); Dura mit dem 
Schädeldach nicht verwachsen, an der Innenfläche glänzend, ohne Einlagerungen. 
Gewicht des Gehirns mit Pia 1595 g. Basis cranii sehr blutreich, der Längsblut- 
ieiter und der Qnerblotleiter enthalten zum Theil noch flüssiges Blut. An der Brücke 
und dem verlängerten Mark ist die Pia stark getrübt, zeigt aber keine Eiterbildung. 


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Pia au der Convezität sehr blutreich. Windungen znsammeugedrflckt Furchen 
verstrichen. Substanz leidlich fest und blutreich. Rinde stellenweise blass und be¬ 
sonders im Stimhim schlecht abgegrenzt. Ventrikel von wasserklarer Flüssigkeit, 
stark ausgedehnt. Kpendym durchgängig körnig granulirt. Die Querschnitte zeigen 
weder in den Hemisphären, noch im Stammhim irgendwelche Besonderheiten. 

Zunächst ist die Diagnose des vorliegenden Falles auf mancherlei Schwieiig- 
keitcn gestossen und manche Vermuthung, die angesichts so weniger specieller 
Gehirnsymptome gehegt wurde, hat sich nach der Section als trügerisch er¬ 
wiesen. 

1. Die Epilepsie konnte auf der durch eine leichte Gehirnerschütterung und 
durch Älkuholismus geschafi'enen Grundige erwachsen sein; die Schwindel- 
anlalle, welche später statt der Krämpfe auftraten, konnten Aequivalente dar- 
stellen. 

'J. Die Epilepsie konnte auch durch einen Splitter der Ijamina vitrea be¬ 
dingt sein, der in seiner Umgebung eine mehr oder weniger umschriebene Ent¬ 
zündung der Hirnhäute und Afifection der Hiruhnde selbst hervoi^erufeu haben 
würde. 

Der Zustand acuter geistiger Störung, welcher im März and April 189 * 
beohuehtet und als Dementia paralytica bedeutet wurde, müsste dann als epi¬ 
leptischer Dämmerzustand aufgefasst werden. 

d. Diese Störung konnte wirklich eine paralytische gewesen sein, die in 
Folge Trunks auf epileptischer Basis entstanden, und zwar eine pseudoparalytiche 
oder eine regressive Paralyse (Mabakdon db Monttbl), welche zur Remission 
führte. 

4. Konnte sich ein Tumor etablirt haben. 

Anders lässt sich die Betrachtung an, wenn man den Sectionsbefnnd in 
Rechntmg zieht. Die Diagnose Dementia paralytica können wir danach gam 
fallen lassen, nach so langem Bestände des Leidens hätte man schon einen 
deutlichen Grad vou Atrophie, Verdickung der Meningen, Hydrocephalus exterons 
vorfindeu müssen. Tumor und Knochensplitter kommen ebenfalls ausser Be¬ 
tracht. Es bleibt pathologisch>anatomisch der hochgradige Hydro¬ 
cephalus internus, die Ependymgranulatiouen, die leichte Träbuog 
der Pia an der Basis; klinisch: epileptische Krampfanfälle mit 
Amaurose, die später in Schwindelznstände und Schwindelanfälle 
übergehen, epileptischer Dämmerzustand paralytischer Katar. Dm 
die Basalmeningitis mit der acuten Seelenstörung in Zusammenhang zn bringen, 
dazu war erstere von zu geringer Ausdehnung, abgesehen davon, dass die 
Symptome derselben nicht eutspracheu. Bei Epileptikern kommen ja gar nicht 
so selten Verwirrtheitszustände mit dem vorwi^uden Charakter der geistigeo 
und körperlichen Lähmung vor, die solchen bei Dementia paralytica zom Ver¬ 
wechseln ähnlich sind, namentlich bieten dann Sprache and Schrift fast die¬ 
selben Charakteristica. 

Trübuug der Meniugen und Ependymgranulationen sind die gewöhnlichen 
Befunde bei chronischem Alkoholismus. Sie bedingen den Hydrocephalus internus; 


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der Epithelüberzug der Plexus chorioidei, wie auch das Ependymepithel erfahrt 
durch den Reiz des Alkohols ausser ihrer Hyperplasie eine grössere Durchlässig¬ 
keit für die Lymphflüssigkeit, die sich in höherem Grade ansammelt, als durch 
Abfluss beseitigt wird. Es entstehen so die Erscheinungen des Hirndrucks, 
wie sie sich bei unserem Kranken beständig äusserten. Die Krämpfe selbst 
scheinen nur unter dem directen Einfluss des Alkohols entstanden zu sein, 
während die übrigen Erscheinungen die Folge der durch den Alkoholismus ge¬ 
setzten Gewebsveränderungen waren. Der Abfluss der Gehirnflüssigkeit wird bei 
Hydrooephalus internus in der Weise gehindert, dass durch den Druck von den 
Veutrikeln her die Hirnsubstanz gegen die Schädelwände gedrückt und die 
Venen und PAcOHiONi’schen Granulationen comprimirt werden. Quinoks glaubt 
durch das Experiment nachgewiesen zu haben, dass schon normaler Weise 
iuuerhalb der Ventrikel mehr Gerebrospinalflüssigkeit abgesondert wird als in 
den Subarachnoidalräumen in die Ventrikel. Auch die Tbatsache spricht dafür, 
dass bei infectiösen Entzündungen der weichen Hirnhäute der Process meist auf 
die Oberfläche des Gehirns beschränkt, die Ventrikel frei von Eiter bleiben. 

Wichtig ist noch, dass in unserem Falle trotz so langem Bestände keine 
Stauungspapille auftrat Die ang^ebenen subjectivenStörungen des Gesichts¬ 
sinns sind centraler Natur und auf eine Druckreizung der Sehrinde zu beziehen; 
ähnlich den isolirten Sehsturungen bei Tumoren im Bereich des Occipitallappeo. 

Auch darauf ist aufmerksam zu machen, dass die hydrocephalische Flüssig¬ 
keit keinesw^ in ihrer Eigenschaft als pathologisches Secret auf die Hirn¬ 
substanz gewirkt hat, etwa durch ödematöse Durchtränkung von deu Ventrikeln 
aus, sondern als Fremdkörper, der von innen her gleichmässig auf das Gehirn 
einen Druck ausübt Die Tbatsache ist so leicht nicht zu erklären; denn wenn 
man auch annimmt, dass, wie oben gesagt, die Abflussw^e comprimirt werden, 
werden nicht gleichzeitig, wenn auch, wie ja selbstverständlich, nicht völlig, so 
doch bis zu einem erheblichen Grade die Zuflusswege verschlossen? Die Pia 
ist in der That in solchen Fällen wie dem unseren ausserordentlich comprimirt 
und blutarm. Die Oberfläche eines solchen unter so ausserordentlichem Druck 
von Innen an die Schädelwand gedrückten Gehirns hat ein Aussehen, das den 
Vergleich mit der Oberfläche einer Marmorkugel Jedem, aufdrängt. Der Verlauf 
der plattgepressten Windungen ist fast nur noch an den die verstrichenen 
Furchen markirenden Piagefassen zu erkennen. Es muss, soviel ist a priori 
anzunehmen, eine Grenze geben, bis zu der das Gehirn fähig ist Zu- und Ab¬ 
fluss der Gerebrospinalflüssigkeit selbst zu Teguliren. An der Grenze solcher 
Compensationsbreite hat sich offenbar unser Kranker immer, so oft er Schwindel¬ 
zustande, hervorgerufen durch Transsudatexacerbationen, hatte, befunden, bis 
schliesslich einmal diese Fähigkeit versagte. 

Wir möchten noch hinzufügen, dass von Seiten der Nieren bei Lebzeiten, 
das heisst, so lange er in ärztlicher Beobachtung gestanden, keine Erscheinungen 
aufgetreten waren, obgleich sich bei der Section die Spuren einer ehemaligen 
Nephritis (Narben) fanden. Auch bei der Section fehlte das Himödem, wie 
schon bemerkt Die Nephritis muss also vor sehr langer Zeit stattgefunden 


D g ii.:od oy GOO^ Ic 



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haben und gänzlich verheilt gewesen sein. Das Krankbeitsbild bat sie nicht 
mehr compliciih 

Der Fall tragt ferner dazu bei, meine Ansicht zu stützen, welche ich beim 
Studium des Q^eustandes gewonnen, dass es keinen idiopathischen Hjdro- 
cephalus internus der Erwachsenen giebt. Einzelne Fälle, welche beobachtet 
sein sollen (z. B. von Oppenheim), beweisen noch nichts; ihnen g^enüber steht 
die grosse Mehrzahl, bei denen sich bei der Section eine anatomisch greifbare 
Ursache fand oder die AeÜolt^e schon bei Lebzeiten sicher bekannt war, wie 
Infectionskrankheiten, Traumen und AJkohoIismus oder zweier solcher gleichzeitig. 
Meningitis, Ependymitis, Entzündung der Plexus u. A. werden sich wohl immer 
als Oorrelat des schädlichen Agens finden. Der Name idiopathischer Hydro- 
cephalus internus ist überdies ebensowenig als Bezeichnung für eine Krankheit 
zutreffend, wie etwa Hydropericad. Der schon von Steffen gebrauchte Aus¬ 
druck Meningitis ventriculaiis (acuta, chronica) dürfte der allein richtige sein, 
und zwar für unseren Fall mit dem Zusatze alcoholica, um beiden Gesichts¬ 
punkten, dem ätiologischen und anatomischen, gerecht zu werden. 


3. Zwei Fälle von Hirntumor mit genauer Localdiagnose. 

Von Dr. L. Bnma Ln Hannover. 

(Schloss.) 

Fassen wir die Krankheitssymptome noch einmal kurz zusammen: Beginn 
der Erkrankung im October 1890 mit psychischer Abgeschlagenheit 
und leichten Schwindelanfällen; im November 1896 Fall von der 
Treppe auf die rechte Seite. Im Februar 1897 beginnende Neuritis 
optica und rudimentäre rechtsseitige Hemianopsie, grosse psychische 
Erregbarkeit. Dann allmähliche Ausbildung folgender Krankbeitserscheinungen: 

1. Storungen der Sensibilität der rechten Körperbälfte, beson¬ 
ders des rechten Armes, die zunächst nur den stereognostischen 
Sinn und das Lagegefühl, erst zuletzt auch Tast-und Schmerzgefühl 
betrafen. Dadurch Ungeschicklichkeit der Bewegungen, speciell io 
der rechten Hand; Unsicherheit beim Festhalten von Gegenständen 
mit der rechten Hand bei geschlossenen Augen; nicht selten über¬ 
haupt Unfähigkeit den rechten Arm zu gebrauchen, wobei es oft 
den Eindruck macht, als ob der Patient sich überhaupt gar keine 
richtige Vorstellung von den zu Willensacten des rechten Armes 
uöthigeu Muskelbewegungeu machen könnte. Aus diesem Grunde 
wird zuletzt auch nur mit der linken Hand -gegessen und nur die 
linke Hand zum Grnsse gereicht. Eigentliche Lähmungserschei- 
nuugen im rechten Arme kommen nur zuletzt und ganz rudimentär 


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849 


zustande — die Fingerbewe^ungen werden etwas steifer und es be¬ 
steht leichte Contractur. Das rechte Bein zeigt weniger Ungeschick¬ 
lichkeit, zuletzt ist auch hier das Schmerzgefühl herabgesetzt; etwas 
eher wie am Arme zeigt sich hier Parese; das Bein wird nachgeschleifti 
ab und an besteht rechts auch Ächillesclonus. Zuletzt cerebellares 
Schwanken beim Gehen. Den Gefüblslähmungen im rechten Arme 
gingen heftige neuralgische Schmerzen vorher. 

2. Bechts Hemianopsie; im November 1897 complet. 

3. Sprachstörungen etwas wechselnder und meist nicht sehrin¬ 
tensiver Art. Zunächst Erschwerung des Wortverständnisses, be¬ 
sonders für complicirtere Aufträge bei freier spontaner Sprache und 
erhaltenem Nachsprechen; optische Aphasie nur selten und gering 
ausgebildet; später erschwertes Wortfinden und Paraphasie bei ver- 
mehrterErschwerung desSprachverständnisses. Lesen undSchreiben 
sehr wechselnd. Ersteres hauptsächlich durch die Hemianopsie be¬ 
einträchtigt; bis zum Schluss keine eigentliche Alexie, zuletzt wird 
paraphatisch gelesen. Schreiben von Anfang an sehr erschwert, zu¬ 
letzt unmöglich. Also im ganzen eine sensorische Aphasie. 

4. Von Allgemeinerscheinungen zuerst nur Schwindel und 
Stauungspapille, die langsam zunehmenden Kopfschmerzen erst von 
Januar 1898 an deutlich, dann besonders im Hinterkopfe. Letztere 
manchmal anfallsweise sehr verstärkt mit Benommenheit, ganz zu¬ 
letzt dabei auch ein paar Mal Erbrechen. Oefters in diesen Anfällen 
Steigerung der Hemianopsie zu vollständiger, aber rasch vorüber¬ 
gebender Erblindung. Einmal (6./IX. 1897) schliesst sich an einen 
solchen Anfall auch eine reohtsseitige Ptosia an, die nach 12 Stunden 
wieder verschwunden ist. Niemals percutorische Empfindlichkeit 
am Schädel nacbgewiesen, doch ist darauf in der letzten Woche nicht 
geprüft. Ab und zu auch apoplectiforme Anfälle mit Einknicken 
der Beine; nie Krämpfe. Zuletzt Benommenheit. Tod an Lungen¬ 
ödem. Krankbeitsdauer 19 Monate. 

Die Diagnose eiues Hirntumors war auch in diesem Falle keine schwere. 
Zwar fehlten im Anfang und lange Zeit hindurch ausser der Stauungspapille und 
etwa Schwindelanüillen alle Allgemeinsymptome des Tumors; das Vorhandensein 
von Kopfschmerzen vor allem leugnete der Pat stets auf das entschiedenste, 
ebenso fehlte Erbrechen; dennoch konnte schon bei meiner ersten Untersuchung, 
im August 1897, bei dem langsamen Fortschreiten der auf eine linksseitige 
Grosshimerkrankung bindeutenden Symptome und beim Vorhandensein der 
Stauungspapille an der Art des Leidens — Tumor — kein Zweifel sein. Später, 
Anfang 1898, traten dann auch die Allgemeinerscheinui^en des Tumors sogar 
in grosser Vollzähligkeit auf: Kopfschmerz sehr heftig und besonders im Hinter- 
kopfe, nicht selten anfallsWbise stärker werdend; auf der Höhe der Kopfschmerzen 
auch Erbrechen, dieses allerdings höchst selten; ferner apoplectiforme Anfälle 
mit Schwäche in den Beinen und zuletzt Apathie. 

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DiQ'iii’od 


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Schwieriger als die AUgemeindi^ose war in diesem FaUe die Local¬ 
diagnose des Tumors. Es kamen fär sie zunächst in Betracht; 1. die rechts¬ 
seitigen Gefüblsstörangen, die im Anfang wesentlich in Störungen des Muskel¬ 
sinnes und des stereognostischen Sinnes, später auch in Herabsetzung des 
Schmerzgefühles rechts bestanden; 2. die rechte Hemianopsie; 3. die Sprach¬ 
störung, die man im Allgemeinen wohl als eine sensorische bezeichnen konnte. 
Danach musste der Tumor in den hinteren Partieen der Unken Hemisphäre 
sitzen. Da alle drei S^ptomengruppen aber ziemUch zu gleicher Zeit einge¬ 
treten waren, war es zunächst nicht zu entscheiden, ob der Sitz des Tumors 
genauer im linken Scheitel- oder im linken Hinterhaupts- oder der linken 
Schläfenlappen zu bestimmen war. Bei jedem dieser Sitee konnte der Tumor 
eines der drei Symptome als Local-, die beiden anderen als Nachbarschafts- 
symptome bedingen, natürlich je nach dem ^tee des Tumors in wechselnder 
Art Nun waren zunächst die Symptome der Worttaobheit sehr wechselnder 
Art, im ganzen wenig intensiT, so dass ein Sitz des Tumors direct in den 
hinteren Theilen des linken Schläfenlappens wohl ansznsohUessen und die Sprach¬ 
störung wohl als ein Nachbarschaftssymptom zu betrachten war. Es blieben 
also als mancher Sitz des Tumors linker Occipitallappen und linker Scbeitel- 
lappen übrig, im ersteren Falle wäre die rechte Hemianopsie Herd-, die rechten 
Geföhlsstömngen NachbarschaftK^ymptome gewesen, im zweiten Falle musste es 
umgekehrt sein. Entscheidend nun zwischen diesen beiden Möglich¬ 
keiten für die Diagnose: Tumor im linken Scheitellappen und nicht 
im Occipitallappen waren für mich unter diesen Umständen fol¬ 
gende Momente: 1. waren, wenn auch nur gering und im späten Stadium 
der Erkrankung, doch auch Paresen und Sehnenreflezerhöhungen rechts Torbandeu, 
was eher zu einem Sitz des Tumors in den Parietal- ^s in den Occipitalwindnngeo 
passte. 2. trat im April 1898 eine rechtsseitige, also mit dem Tumor gekreuzte, 
Toröbergehende Ptosis auf, die seit Lakdouzt häufig wieder bei Parietalhim- 
affectionen und auch bei Tumoren dieser Gegend gefunden ist. 3. war es b« 
der Geeammtheit der dauernden Symptome: rechte Gefühlsstömngen, rechte 
Hemianopsie, sensorische Aphasie, ganz leichte rechtsseitige Paresen, überhaupt 
am natürlichsten, den Tumor in der Mitte aller dieser Gebiete, also im linken 
Parietalhim, anzunehmen, einen Tumor, dessen Xachbarschaftswirkungen sich 
dann allerdings am stärksten nach hinten (redite Hemianopsie), weniger nach 
aussen (sensorische Aphasie) und am wenigsten nach Torn (rechte Hemiparese) 
erstrecken mussten. Bei dem Fehlen eigentlicher Alezie musste schliesslich 
auch vermuthet werden, dass wesentlich der obere linke Parietallappen von 
Tumor zerstört war, weniger die Theile des unteren, vor allem des Gyrus angu¬ 
laris. Meine Diagnose war denn auch, besonders sicher nach Eintreten der 
rechten Ptosis: Tumor im linken Scheitellappen, vor allem im linken 
Gyrus parietalis superior. 

Ich Termuthete diesen Tumor im Marke des linken Scheitellappens, nicht 
in der Rinde. Dafür war mir entscheidend, dass Kopfschmerzen während des 
längsten Tbeiles der Krankheit überhaupt gefehlt hatten und ebenso lange sicber 



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auch eine percutorische Empfindlichkeit der Schädelknochen. Leider wurde 
auf diese letztere zuletzt nicht mehr untersucht. Ferner bestanden zuerst 
zwar nur Störungen im Muskel- und stereognostiscben Sinne rechts, die ja auch, 
und sogar speciell bei RindenafTectionen im Parietalhim verkommen, später aber 
auch eine rechte Hemianalgesie, die man selten bei Rindenafiectionen, meist 
nur bei Läsionen der inneren Kapsel findet. Ich nahm, da Hemianopsie und 
rechte Gefühlsstorungeu ziemlich gleichzeitig eingetreten waren, einen Sitz des 
Tumors in der Gegend des hinteren Theiles der inneren Kapsel mit gleichzeitiger 
Läsion der dicht daranliegenden Sehstrahlungeu oder des Corpus geniculatum 
eitcrnum an. Meine endgiltige Di^^ose war also; Tumor im Marke des 
linken Scheitelhirnes, besonders im oberen Scheitellappen. An eine 
Operation dachte ich bei dieser Diagnose nicht. 

Die Section wurde am 5. Mai 1898 Morgens 7 Va Uhr von mir ausgeführt. 
Bei der Ablösung der Kopfhaut hat man Schwierigkeiten am hinteren Ende des 
linken Scheitelbeines; hier ist die Galea mit dem Periost verwachsen, die untersten 
Schichten der Kopfhaut sind von kleinen Blutungen durchsetzt; der Knochen 
selber an dieser Stelle in der Ausdehnung eines Zweimarkstückes flach höckerig 
vorgetrieben. Die Schädeldecke lässt sich leicht ablösen. Die Dura ist sehr 
gespannt. Entsprechend der vorher erwähnten höckerigen Stelle des Knochens, 
aussen an der hinteren abschüssigen Partie des linken Scheitelbeines, dicht vor 
der Lambdanaht, ist sie von einer 4 cm im Durchmesser haltenden halbkugeligen 
Wucherung durchbrochen. Diese ist hier in den Knochen hineingewuchert, 
hat die innere Knochenplatte und auch die Diploö zerstört und hat erst an der 
äusseren Knochenplatte Halt gemacht. Beim Versuche die Dura abzulösen, 
hebt man entsprechend dem extraduralen Tumor und mit ihm offenbar durch 
eine Duralücke zusammenhängend, einen sehr grossen, derben, von einer Kapsel 
umgebenen und vom Gehirn vollständig scharf abgegrenzten Tumor aus seinem 
Lager in der entsprechende Partie der linken Hemisphäre. Der Tumor hat die 
Grösse und auch unge^r die Form eines grossen Hühnereies, das spitze Ende 
liegt nach vorn, das stumpfe Ende nach hinten; die Längsaxe ziemlich genau 
sagittal; etwas von vorn median, nach hinten lateral. Er ist 6 cm lang, 4,5 cm 
breit und 4 cm hoch; der Durchbruch durch die Dura entepricht dem hinteren 
Drittel seiner Oberfläche. Auf dem Durchschnitt seiner vorderen Theile hat er 
ein gleichmässiges, aemlich weisses, derb fibröses Aussehen, mehr hinten und 
oben, wo er die Dura durchbricht, ist er mehr pigmentirt, unregelmässig gefärbt, 
enthält auch viel Blutgefässe. Mikroskopisch handelt es sich um ein Sarcom. 
Der Tumor liegt mit seiner ganzen oberen und auch seiner ganzen inneren, 
direct an der Medianfurche gelegenen Seite der Dura mater, bezw. der Falx 
cerebri, sehr nahe. Direct mit ihr verbunden ist er aber nur da, wo er die 
Dura durchbrochen hat, sonst liegt zwischen ihm und der Dura der Convexität 
and auch der Falx cerebri, überall noch eiue mehr oder weniger dicke Schicht 
eines lockeren stark von Blutfarbstoff durchsetzten Bindegewebes, das offenbar 
mit der Innenfläche der Dura fester zusammenhängt, als mit der Oberfläche 
des Tumors. An der convexen und theilweise auch an der medianen Fläche 

64 * 


Dig li^cd cy Google 



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der linken Hemisphäre zeigt sich nun nach Herausnahme des Tumors eine tiefe 
Grube, deren Form und Ausdehnung natürtich nach jeder Richtung der des 
Tumors entspricht. Sie ist also 6 ‘/j cm lang, 4 cm breit, hinten etwas breiter 
als vorn und 2 Vs cm tief, ihre Langsaxe läuft ziemlich genau der Hedianfurcbe 
parallel. Die Ränder der Grube sind überall scharfe, zum Theil etwas über¬ 
hängende und die an den Tumor angrenzenden Himtheile fallen steil in die 
Grube ab. Beim Herauslösen des Tumors sind besonders hintere und laterale 
Theile dieser Ränder al^erissen und hängen am Tumor, so dass die Grobe 
etwas grösser erscheint, als sie in vivo war. Am Rande der Grube hört 
der Piaüberzug auf, die Seitenwände und der Boden der Grube sind also 
frei von weicher Hirnhaut. Auf dem Durchschnitt zeigt sich später, dass im 
eigentlichen Boden der Grube auch von grauer Hirnrinde makroskopisch 
nichts mehr zu sehen ist, an den Seitenwänden kann man theilweise noch einen 
schmalen grauen Streifen als Rest derselben erkennen. Ebenso zeigt es sieb, 
dass die direct an den Tumor angrenzenden Himpartieen, also die Seitenwinde 
und der Boden der Grube, auf eine Strecke von etwa 1 Vs cm sich im Zustande 
gelber Erweichung befinden. Die vom Tumor grubig vertieften und zum 
Theil zum Druckschwund gebrachten, zum Theil erweichten Hirn- 
partieen entsprechen nun dem grössten Theile der Rinde des oberen 
linken Scheitellappens und seines oberflächlichen Markes. Nur ganz 
geringe Theile dieses an die Medianfurche angrenzenden Himtheiles liegen ausser¬ 
halb des Gebietes der Grube, dicht an ihrem Rande von Pia überzi^en, und 
sind verschont geblieben; so ist der vorderste Theil des oberen Scheitelläppchens 
hinter der hinteren Centralwindung in einer Breite von IV'jCm und der ent¬ 
sprechende Theil des Präeuneus hinter dem Sulcus callosomarginalis in der¬ 
selben Breite erhalten; ferner ein 1,3 cm breiter Streifen der Rinde über dem 
horizontalen Theil des Sulcus interparietalis, der also den untersten und seit¬ 
lichsten Tbeilen des oberen Parietallappens entspricht; schliesslich ein schmaler 
Streifen des Rräeuneus an der Medianfläche der linken Hemisphäre, dicht über 
dem Gjros hippocampi. An den Sulcus parietooccipitalis reicht der Tumor 
direct heran, kleine Reste des direct vor dieser Furche liegenden hintersten 
Theiles des oberen Parietallappens sind roth erweicht 

Der Tumor hat, besonders in seiner Nachbarschaft, auch zu sehr erbeblicheii 
Compressionen und Verschiebungen der Himtheile geführt Auffälligerweise 
haben aber diese Verschiebungen nicht nach allen Seiten gleicb- 
mässig stattgefunden, sondern fast nur nach anssen und hinten 
vom Tumor, weniger, wenigstens in der directen Nachbarschaft, 
nach vorn und medianwärts. So liegt der vor dem Tumor liegende auf- 
stehende Ast des Sulcus callosomarginalis rechts und links symmetrisch; dag^n 
die linke Fissura parietooccipitalis 3 cm weiter nach hinten als die rechte. Die 
Spitze des linken Occipitallappens liegt links 2 cm weiter hinten und 5 cm weiter 
unten als die des rechten; auch die linke Kleinhirnhemisphäre ist nach unten 
verschoben. Das ganze Gebiet der oberen Parietallappen, das links also vom 
Tumor und den Resten dieses Lappens eingenommen ist, ist au der Median- 


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furobe links 7 cm, rechts 4Va cm lang. Nach aussen und vom hin hat der 
Gyrus supramarginalis keine erhebliche Yerschiebung erlitten; er liegt links 
ungefähr mit rechts symmetrisch, nur der horizontale Antbeil der linken Inter- 
parietalfurche ist in eine mehr senkrechte Richtung gedrängt, von vom oben, 
nach hinten unten. D^egen ist der linke Qyrus angularis stark nach unten 
gedrückt und namentlich ist auch sein oberer Bogen stark comprimirt Median- 
wärts bat an der Stelle des Tumors natürlich auch ein Hinüberdrangen der 
Fall cerebri nach rechts stattgefunden. Ganz unbeeinflusst vom Tumor sind 
also von der Rinde aus betrachtet in der linken Hemisphäre: das Stirn-, Schläfen- 
und Centralhirn; und auch das linke Occipitalhim und die unteren Scheitel- 
Windungen, Gyrus supramaiginalis und angularis, sind nur yerdrängt und theil- 
weise comprimirt 

Da wo der Tumor am weitesten an die Medianlinie reicht — an seinem 
vordersten Ende —, also direct hinter dem Paracentrallappen, bat er seine 
Wirkungen auch noch auf die rechte Hemisphäre erstreckt und die entsprechende 
rechte Himpartie zur blutigen Erweichung gebracht Da wie.gesagt der Tumor 
Verschiebungen von Hirntbeilen nach vom nicht gemacht hat, so entspricht diese 
rechte erweichte Himpartie den hinteren zwei Dritteln der rechten oberen Parietal- 
wiudung dicht an der Medianlinie und des Pracuneus. Letzterer ist bis an den 
Gyrus hippocampi zerstört, auf der convexen Fläche des oberen Parietallappens 
ist die Zerstörung etwa 2 cm breit Der durch dieselbe gesetzte Defect ist etwa 
wallnussgross. Theile der erweichten Partie sind an der Dura sitzengeblieben; 
diese ist hier nach rechts verschoben, aber voll erhalten. 

Frontalschnitte durch beide Hemisphären zeigen zunächst, dass ausser dem 
erwähnten, ein weiterer gröberer Krankheitsherd nicht mehr besteht. Ferner, 
dass doch noch au^edehntere Verschiebungen der Hirntheile bestehen als die 
Betrachtung von der Rinde aus vermuthen liess. So hat z. B. noch vor den 
Centralwindungen der linke Gyms fomicatus eine Grube in den rechten gedrückt. 
Auch der Hirnstamm und besonders die Vierhügel sind nach rechts verschoben. 
Im üebrigen sind beide Hemisphären vor den Centralwindungen auf dem 
Frontalschnitte wohl von gleicher Grösse, weiter hinten aber nimmt sich immer 
mehr die rechte Hemisphäre wie ein verkleinertes Anhängsel der linken aus. 
So ist direct hinter der hinteren Centralwindung die linke Hemisphäre auf dem 
Durchschnitte 11 cm hoch und 8^/^ cm breit; die linke 9 cm hoch und cm 
breit. Es handelt sich hier ausser der Vergrösseruug durch den Tumor selbst 
wohl um eine ödematöse Schwellung der linken Hemisphäre und zugleich um 
Compression der rechten, vielleicht aber sind durch die Härtung in Formol die 
Unterschiede noch starker hervoigetreten. Die Zeichnung der Frontalschnitte 
ist auch in der linken Hemisphäre, speciell was die grossen Ganglien anbetrilTt, 
eine gut zu erkennende. Vom Unterhorn des linken Seitenveutrikels liegt der 
Tumor weit entfernt 

Kurz zusammengefasst handelt es sich also um einen mit der 
Dura im Zusammenhang stehenden Tumor, der fast die ganze linke 
obere ParietalwinduDg in erheblicher Weise grubig vertieft, ihre Pia 


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854 


und den grössten Theil ihrer Kinde zum Druckscbwund und ihre 
oberflächlichen Markmassen zur Erweichung gebracht hat Eine 
Compression und Verschiebung der benachbarten Theile hat haupt¬ 
sächlich nach hinten und nach hinten aussen vom Tumor statt- 
gefunden. Oedematös geschwollen ist fast die ganze hintere Hälfte 
der linken Hemisphäre. Der rechte obere Parietallappen zeigt dicht 
an der Mittellinie einen Herd rother Erweichnng. Da wo der Tumor 
mit der Dura direct yerbunden ist — etwa auf der Grenze zwischen 
mittleren und hinteren Drittel seiner Oberfläche — hat er diese 
durchbrochen und den hinteren Theil des linken Parietalbeines, 
direct an der Mittellinie und direct vor der Lambdanaht, so stark 
arrodirt, dass nur noch die äussere Knochenplatte erhalten ist. 

Der Tumor ist ein typischer sogen. Fungus durae matris. Er ist aller 
Wabrscbeinlicbkeit nach, da wo er mit der Dura zusammenhängt, von ihr selbst 
und zwar von ihrer Innenfläche, zunächst als kleiner zapfenformiger Tumor 
entsprungen, ist nach Innen gewachsen und hat wahrscheinlich die innersten 
Lamellen der Dura selbst zur Bildung seiner glatten Kapsel benutzt Nach 
und nach hat er dann unter grubiger Vertiefliug und tbeilweiser Zerstörung 
der direct in seinem Bereiche liegenden Himtheile eine immer grössere Aus¬ 
dehnung in sagittaler, transversaler und verticaler Richtung erreicht; doch so, 
dass nun der grösste Theil der Oberfläche des Tumors nicht mehr direct mit 
der Dura zusammenhing, sondern nur durch den schmalen kunen Stiel an 
dem Orte seiner ersten Entwickelung; der kleine in der Dura liegende Theil 
des Tumors entspricht also dem Stiele, der grosse unter der Dura liegende 
Theil dem Hut eines Filzes. Da wo der Tumor das Hirn verdrängt hat^ hat 
er auch die Pia zerstört; die Rinde theils comprimirt, tbeils zum Druckschwund 
gebracht, das Mark erweicht. Schliesslich hat er an der Stelle des Zusammen¬ 
hanges mit der Dora diese auch nach aussen durchbohrt und den über dieser 
Stelle liegenden Knochen so stark arrodirt, dass ein Durchbruch nahe bevorstand. 

Die hier g^ebene Anschauung von dem Entstehungsorte und der weiteren 
Entwickelung des vorliegenden Tumors scheint mir nach dem ganzen vorhanden 
Materiale jedenfalls die wahrscheinlichste. Nach dem anatomischen Befund ist 
es ja natürlich nicht mit Sicherheit auszuschliessen, dass der Fungus, wie das 
oft der Fall ist, zuerst extradural gesessen hat und nun nach der einen Seite 
die Dura nach Innen durchbohrt und ins Hirn hineingewachseu ist, nach der 
anderen den Knochen arrodirt bat. Wir werden aber sehen, dass klinische 
Gründe zum mindesten sehr stark gegen diese Ansicht sprechen 
und für die erste Annahme ins Gewicht fallen: also für die An¬ 
nahme einer primären Entwickelung des Tumors an der Innenfläche 
der Dura. 

Die Diagnose: „Tumor im linken oberen Parietallappen“ war also 
auch in diesem Falle eine vollständig richtige gewesen und der Fall ist jedenfalls 
ein Beweis, dass auch die Localdiagnose der Tumoren dieses Sitzes unter 
günstigen Beobachtungscbancen und bei prägnanten Symptomen eine sehr sichere 


Dip'ti/Ou 


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855 


sein kann. Nur in einer Beziehung war die Diagnose irrig gewesen. Ich hatte 
einen Tumor tief im Marke rermuthet und deshalb sogar auf eine Operation 
Terzichtet, die Section ei^b einen Tumor, der von der Dura ansgegaugen war 
(Fungus dorae matris) und allmählich die Binde des linken oberen Parietal- 
lappens vertieft und tfaeilweise zerstört batte. Tumoren, die an die Dura reichen 
oder gar in ihr entstehen, pflegen von Anfang an sehr erhebliche Kopfschmerzen 
und auch locale percutorisohe Empfindlichkeit hervorzunifen und das Fehlen 
beider Symptome im vorliegenden Falle, wenigstens durch die längste Zeit des 
Elrankheitsverlaufes, war für mich gerade der Hauptgrund, den Tumor nicht in 
der Rinde, sondern im Marke zu vermutben. Ich glaube freilich nach dem 
Sectionsbefunde, dass, wenn ich in den letzten Wochen vor dem Tode noch 
genau auf percutorische Scbmerzempfindlichkeit untersucht hätte, ich diese an 
der Stelle, wo der Tumor den Knochen fast durchbrochen hatte, sicher hätte 
finden müssen, leider ist das von mir versäumt. Während des grössten Theiles 
des Verlaufes der Krankheit war sie aber sicher nicht vorhanden. Worauf das 
lange Fehlen spontaner und percutorischer Schmerzen, in diesem Falle von 
Fungus durae matris, zurückzuführen ist, bin ich ausser Stande zu sagen. Doch 
glaube ich aus diesem Verhalten wenigstens das eine schliessen zu können, dass 
der Tumor an der inneren Seite der Dura seinen Ursprung hatte und von da 
erst zuletzt die Dura nach aussen durchbohrte und den Knochen arrodirte, eine 
Annahme, die sich ja aus dem anatomischen Befunde, wie erwähnt, nicht ohne 
weiteres ergab. Denn wollte man umgekehrt annebmen, der Tumor sei primär 
extradural entstanden oder gar im Schädelknochen und habe die Dura nach 
innen durchbohrt, so wäre das Fehlen von Kopfschmerzen und percutorischer 
Empfindlichkeit ganz unverstäudlich. Jedenfalls beweist der Fall aber, dass 
das Fehlen dieser Symptome nicht unbedingt dafür spricht, dass ein Tumor 
nicht an die Dura heranreicht, ein Umstand, der für die bestimmte Diagnose 
des Tumorsitzes und dadurch für die Therapie bedauerlich ist, und in diesem 
Falle mich an einer Operation vorbeigeben Hess, deren Chancen so günstig wie 
möglich waren, viel günstiger als in allen den von mir bisher mit Localdiagnose 
zur Operation gebrachten 7 Fällen von Hirntumor. Erwähnen will ich noch, 
dass in meiner ersten Beobachtung die percutorische Empfindlichkeit des Stirn¬ 
beines sehr deutlich war, obgleich der Tumor im Marke sass, die Rinde nirgends 
zerstört hatte und die Patientin schwer benommen war. 

Noch ein paar Worte über einige sonstige Localsymptome des 
Falles. Die Sprachstörung war auch in diesem Falle sehr wechselnd an Intensität, 
in ihren Symptomen verwaschen, wenngleich man sie wohl als sensorische er¬ 
kennen konnte. Das ist leicht erklärlich, da es sich um ein Nachbarschafts- 
Symptom handelte, das vom wechselnden Drucke des Tumors abhängig war. 

Anfallsweise eintreteude, mehr oder weniger rasch vorüber¬ 
gehende totale Erblindungen, wie sie im vorliegenden Falle beobachtet 
wurden, sind mehrfach bei Hirntumoren beschrieben, ganz besonders hat auf ihr 
Vorkommen Hibscbbebg bingewiesen. Sie entstehen in den meisten Fällen 
wohl durch einen rasch zunehmenden Hirndruck, vielleicht ganz direct durdi 


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856 


acute Zunahme des Hydrocepbalus internus, durch den dann eine vermehrte 
Ckimpression des Chiasma bedingt wird. Dann sind sie ein Allgemein- 
Symptom des Tumors. Ich habe aber schon hrhber, gestützt auf eine Beob¬ 
achtung von GowBfia und eine eigene, die Ansicht ausgesprochen, dass vielleicht 
bei Tumoren in den oder in der Nähe der Occipitallappen diese vorübergehende 
Amaurosen besonders leicht Vorkommen konnten und sich dann jedesmal aus 
dauernden Hemiauopaieen entwickelten. Der vorliegende Fall scheint mir eine 
neue Stütze für diese Ansicht zu sein, die sich ja auch physiologisch leicht 
begründen lässt, da ein Tumor, der so gelagert ist, dass er einen Hinterhaupts¬ 
lappen dauernd lädirt, leicht bei vorübei^ehend verstärktem Druck, auch den 
anderen angreifen kann. Bei dieser Entstehungsart der vorüber¬ 
gebenden Amaurosen würde dies Symptom dann also eine Mittel¬ 
stellung zwischen den Local- und Allgemeinsymptomen einnehmeu. 

Die für die Localdiagnose, Tumor des linken Parietallappens, wichtigsten 
Symptome waren in diesem Falle Storungen des Gefühles auf der gegenüber¬ 
liegenden Körperseite, besonders im rechten Arme, die auch zu einer Unsicherheit 
der Bewegungen dieser Extremität führten, die man wohl als Ataxie bezeichnen 
konnte. Es handelte sich im wesentlichen zunächst um eine Störnng des 
stereognostischen Sinnes und des Lage- bezw. Hnskelgefühles; die 
später hinzutretende Hypalgesie war wohl durch eine Fernwirkung auf die 
hinteren Partieen der linken inneren Kapsel bedingt. Eigentliche Motilitäts¬ 
störungen der Extremitäten, besonders des rechten Annes, waren dabei nur in 
sehr rudimentärer Weise ganz zuletzt vorhanden. Mein Fall scheint mir 
also eine neue Stütze für die seit Nothnagel oft geäusserte Ansicht 
zu sein, dass der Scheitellappen besondere Beziehungen zum Gefühl 
und ganz besonders zum Muskelgefühl der gekreuzten Körperhälfte 
hat; auch das, was man stereognostischen Sinn nennt imd was sicher ein com* 
plicirter psychischer Vorgang ist, hängt jedenfalls zum guten Theil vom Muskel- 
gefühl mit ab. Ich muss nach meinen jetzigen Erfahrungen, ebenso wie Ofpbk- 
HEiM, annehmen, dass die Rindenzonen wenigstens für die Empfindung der 
Berührungen, für den stereognostischen Sinn und wohl auch für das Muskel¬ 
gefühl sich über grössere Theile der Hemisphäre erstrecken, jedenfalls über 
die Centralwindungen und den oberen Theil des Parietallappens und ihre 
an die Mittellinie angrenzenden Theile, Lobus paracentralis, Präcuneus. Deus 
wenigstens Störungen des stereognostischen Sinnes beobachtet man sehr oft 
auch bei Affectiouen der Centralwindungen allein, solche des Muskelgefühles 
und daraus resultirende Ataxie allerdings wohl mehr bei solchen des Scheitel- 
himes. Es scheint mir, wenn man nur nach klinischen Beobachtungen sieh 
richten will, so zu .sein, dass die motorischen Functionen in diesem gaozea 
Gebiete von vorn nach hinten ab, die sensorischen in gleicher Richtung zu- 
nebmen, so dass vielleicht die vordere Centralwindong ziemlich rein motorische, 
die obere Scheitelwindung ziemlich rein sensorische, die hintere Central winduog 
gemischte Functionen bat. Das würde auch mit den Ansichten von Webnicex 
stimmen und vor allem mit der vorliegenden Beobachtung, bei der die Störungen 


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der gekreisten Körperbälfte fast rein sensorische waren und der Tumor die 
hintere Centralwindung nach vom nicht erreichte. Von Interesse ist, dass auch 
in diesem Falle den rechtsseitigen Anästhesieen rechtsseitige Neuralgieen voran- 
gingeu; die central entstehenden Schmerzen gewinnen nach meiner Ansicht eine 
immer grössere klinische Bedeutung. 

Mehrfach habe ich in der Krankengeschichte auch hervorgehoben, dass die 
Functionsstörungen des Patienten im Gebrauche speciell des rechten Armes, 
wohl nicht nur bedingt waren durch die Sensibilitatsstöningen desselben, sondern 
zum Theil auch darauf, dass der Patient in Folge seiner sensorischen Aphasie 
nicht verstand, was man von ihm verlangte. Ich habe aber erwähnt, dass 
dieses mangelhafte Yerständniss besonders hervortrat, wenn man dem Patienten 
Aufträge für seinen rechten Arm gab, kaum, wenn sich dieselben auf den 
linken Arm bezc^en. Ich will das hier nur nochmals hervorheben, ohne auf 
eine Erklärung dieser Erscheinung mich einzulassen, es handelt sich da jedenfalls 
um ganz compleze psychische Vorgänge. Der Patient wusste Oberhaupt oft 
nicht, was er von seinem linken Arme halten sollte, er betrachtete ihn oft 
verwundert, sagte: „Ich weiss nicht, was mit dem Arme ist — Es ist schrecklich“. 
Zuletzt brauchte er zu Willkürbewegungen nur noch den linken 
Arm, obgleich der rechte nicht gelähmt war und z. B. mehr reflectorische 
oder automatische Bewegungen noch ausfuhrte. Ich habe diese letztere Art der 
Bewegungsstörung (Nichtgebrauch eines Gliedes bei vorhandener M^lichkeit des 
Gebrauches), die ich mehrfach bei au^edehnten Herden in den hinteren Theilen 
der Hemisphären beobachtet habe, früher als „Seelenlähmung“ bezeichnet und 
sie darauf zurückgeführt, dass in diesen Fällen der grösste Theil der sensorischen 
Cenlren der beteffenden Hemisphäre zerstört war und dadurch die auf höheren 
Keflexbahnen verlaufenden Anregungen dieser Centren auf die motorischen Hirn* 
theile, wie sie zu den sogen. Willkürbewegungen nöthig sind, fehlten. Das 
scheint mir auch für den vorliegenden Fall zu stimmen. 

Von hohem Interesse war mir im vorliegenden Falle das apoplectiforme 
Eintreten einer mit dem Tumor gekreuzten, rasch vorübergehenden, 
rechten Ptosis am 6. April 1898. Landouzt hat zuerst aut die contra¬ 
laterale Ptosis bei Herden im Scheitellappen hingewiesen; Wernicke verlegt 
ins untere Scheitelläppchen ein Centrum für die Seitwärtsbewegung der Bulbi 
nach der gekreuzten Seite. Jedenfalls ist eine contralaterale Ptosis auch bei 
Scheitellappentumoren mehrfach beobachtet. So war dann auch mir dies 
Symptom eine wesentliche Stütze für meine Localdiagnose „Tumor 
im linken Scheitellappen“. Ich war mir dabei allerdings wohl bewusst, 
dass die ganze Lehre von der Localisation von Centren für die Augenbewegungen 
im Scheitellappen noch auf recht schwachen Füssen steht, immerhin kann man 
gegen die klinische Thatsache nicht an. Oppenheim meint, dass bei Tumoren 
lür die contralaterale Ptosis auch ein Druck auf den gekreuzten Oculomotorius 
lu der Basis cranii in Betracht käme; davon lag mein Tumor doch zu weit 
mtfernt, eher wäre hier ein Druck auf deu gleichseitigen Vierhügel möglich. 
Der bei der Section gefundenen rothen Erweichung im rechten oberen Scheitellappen 


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die rechte Ptosis in die Schuhe zu schiebeu, wofür sprechen würde, dass die¬ 
selbe apoplectiform eintrat — nach meiner Ansicht sind für die apoplectiformen 
Anfälle bei Tumoren häufig Erweichungen und Blutungen in der Nachbarschaft 
der Tumoren Terantwortlich zu machen —, will mir auch nicht recht in den 
Sinn; denn erstens werden die angeblichen Centren für die Augenbew^^nngen 
allgemein in den unteren Soheitellappen verlegt; zweitens versorgen diese 
Centreu doch wenigstens in der Hauptsache das gekreuzte Auge. 

Das bei meinem Kranken in der letzten Zeit beobachtete Schwanken beim 
Geben muss man wohl durch Druck des Tumors auf das Kleinhirn erklären; 
die linke Kleinhimhemisphäre war nach unten verschoben. 

Mein Fall zeigt sehr hübsch, dass ein Tumor bei seinem, Wachsthum Drud- 
wirkungen nicht immer nach allen Seiten gleichmässig auszuüben braucht 
sondern dass die Wachstbumsricbtung und damit die Compression hauptsächlich 
nach einer b^timmten Richtung gehen und die übrigen freilassen kann. Der 
Tumor lag den Centralwiudungen fast ebenso nahe als dem Occipitallappen. 
er hat aber die ersteren Windungen garnicht, den Hinterhauptslappen sehr stark 
nach unten und hinten verschoben. Auch in dem unteren Scheitellappen traf 
die Verschiebung wesentlich den Gyrus angularis, weniger den davor li^nden 
Gyrus supramarginalis. Deshalb war klinisch eine ausgesprochene rechte Hemi¬ 
anopsie, aber nur ganz geringe rechtsseitige Parese vorhanden. Für eine Local¬ 
diagnose wäre es erwünschter, wenn die Druckwirkungen eines Tumors immer 
von einem Centrum aus gleichmässig nach allen Seiten gingen; dass die haupt¬ 
sächliche Schädigung bestimmter Theile der Umgebung durch die WachsÜiums- 
richtung der Geschwulst bedingt ist, kann man in vivo nicht erkennen; die 
durch diesen Umstand bedingte Hervorhebimg von Symptomen nur einzelner 
Gebiete in der Nachbarschaft des Tumors kann aber leicht zu diagn<^ischeD 
Fehlschlüssen führen. 


II. Referate. 


Anatomie. 

1) The origin and destination of oertain afferent and efferent traots in 
the medulla oblongata, by Risien Russell. (Brain. 1897. Winter.) 

Verf. hat folgende Experimente an Affen nnd Hunden gemacht: 

1. Zerstörung der lateralen Region der Hedulla oblongata zwischen anfsteigrader 
TrigMoinuswarzel und unterer Olive. 

2. Zerschneidung des Corpus restiforme. 

3. Durchscbneidung des directen sensorischen Kleinhimbfindeis von Edinger. 

4. Trennung des Deiters’schen Kernes von seiner Verbindung mit der Hedulla 
oblongata. 

6. Durchschneidung der Hintersäulen und ihrer Kerne in der Hednlla oblongata- 


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Verf. bat dann histologisch an Marchi-Präparaten die secnndären Degenerationen 
verfolgt Bef. kann die Befände hier nur in groben Umrissen anführen und muss 
wegen feinerer Einzelheiten auf das Original verweisen. Nach Operation Nr. 1 dege* 
nerirten centrifugal im ROckenmarke zwei BQndel: eins dreieckig, direct vor den 
lateralen Pyramiden; ein zweites schmal, am vordersten ventralen Tbeile des Randes 
des Rflckenmarks und nur im Lendenmark auch den Rand entsprechend der vorderen 
liängsspalte besetzend. Im Hals- und oberen Dorsalmarke waren beide BQndel durch 
ein schmales Band an der Peripherie verbunden. Centripetal degenerirte die be¬ 
kannte Kleinhimseitenstrangs- und die Gowers’scho Bahn. Ausserdem wurden 
Fibrae arciformes zerstört und die Folge davon war Degeneration in der gekreuzten 
Olivenzwischenschicht und Schleife. 

Nach Operation Nr. 2 erfolgte, wenn die Operation nur das eigentliche Corpus 
restiforme betraf und das directe sensorische EleinhirnbQndel Edinger’s, das 
eigentlich einen 4. Kleiohimsehenkel darstellt, freilie?s, im Rückenmark überhaupt 
keine Degeneration; die Degeneration in diesem Falle betraf nur die gleichseitige 
und gekreuzte untere Olive und die gleichseitige Formatio reticularis. 

Bei Operation Nr. 3 wurde immer der Deiters’sche Kern mit afficirt. Deut¬ 
liche, nur mit der Dorchschneidung der directen sensorischen Kleinhirnbahn Edinger’s 
zusammenhängende centrifugale Läsionen konnten nicht gefunden werden; centripetal 
trat eine Degeneration nicht auf. 

Nach Operation Nr. 4 erfolgt eine directe durch die Formatio reticularis 
gehende absteigende Degeneration, die im Rückenmark den Rand des Vorderseiten¬ 
stranges besetzt hält, und identisch ist mit der gleichen, die bei Operation Nr. 1 in 
der Formatio reticularis selbst erfolgt^ und eine zweite, die vom Deiters’schen 
Kerne in das gleiche und gekreuzte hintere Längsbündel geht und da auf- und ab¬ 
steigend verläuft. Die absteigenden Fasern liegen im Rückenmark mehr am Rande 
des vorderen Sulcus. 

Nach Operation Nr. 5 erfolgte Degeneration der gekreuzten Schleife und 
einiger Fasern, die in das gleichseitige Corpus restiforme geben. 

Im Yorderseitenstrange liegen also drei centrifugale Bahnen: I. die directe 
Pyramidenbahn; 2. Fasern in der Nähe dieser Bahnen, die zum Theil nach Boyce 
aus der Gegend der Vierhügel, zum Theil nach dem Verf. aus dem Deiters’schen 
Kerne stammen, und die beide das Rückenmark durch das hintere Längsbündel er¬ 
reichen. Sie sind von den direct aus dem Deiters’scben Kern durch die Formatio 
reticularis zum vorderen Rückenmarksrande gebenden scharf zu trennen; 3. diese 
letzteren Fasern aus dem Deiters'scheu Kerne. Die in Experiment 1 in der Nähe 
der Seitenstrangspyramiden degenerirt gefundenen Bahnen entsprechen tbeils Fasern, 
die Boyce nach Läsionen der Vierhügel degenerirt gefunden bat, tbeils müssen sie 
wohl nach dem Verf. aus tieferen Regionen stammen, trotzdem können sie fuiictionell 
zusammengehören. 

Das wichtigste Resultat von des Verf.’a Experimenten ist, dass keine directen 
centrifugalen Bahnen vom Kleinhirn durch das Corpus restiforme ins 
Rückenmark gehen, dass die von Marchi bei Läsionen des Kleinhirns, 
von Biedl bei solchen des Corp. restiforme gefundenen und als solche directen 
Bahnen angesprochenen secnndären Degenerationen im Rückenmarke, zum Theil durch 
Hitverletzung des Deiters’schen Kernes, zum Theil der Formatio reticularis sich 
erklären lasseu; sie nehmen im Rückenmarke ganz genau die Gebiete ein, die bei 
Läsionen dieser Stellen vom Verf. degenerirt gefunden sind (Vorderseitenstrangsrand 
und Gebiet vor der Seitenstrangspyramide). Indirect besteht aber eine Ver¬ 
bindung der gleichen Kleinhirn- (Nucleus globosus) und Rückenmarks- 
hälfte durch Edinger’s directe sensorische Kleinhirnbahn und den 
Deiters’scben Kern. L. Bruns. 


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SCO 


Experimentelle Physiologie. 

2) La ooQtractxure tötaniqne n’est pas fonotlon d'une l^aion appreciable 
des oellulas nerveuses mödullairoa, par Courmont, Doyoo et Paviot 
(Arch. de Pbysiol. 1898. Nr. 1.) 

Gegenüber Marinesco und Claude, welche bei experimentell erzeugtem Tetanus 
mit Hülfe der Nissl'schon Methode Zellreränderungeu und weiterhin auch Ver¬ 
änderungen der weissen Substanz nachgewiesen haben, haben die Yerff. bei tetani- 
sirten Meerschweinchen (Toxininjection) nur ZeUveränderungen mit Hülfe der Nissl- 
schen Methode gefunden, welche man auch bei dem gesunden Meerschweinchen findet 
Ebenso negativ fielen 3 Versuche an Hunden ans, welche in Folge von Tetanustoxin- 
einspritzung am 5., 7. bezw. 14. Tage starben. In einer sich anschliessenden Kritik 
der Nissl’schen Methode gelangt Paviot zu dem Ergebniss, dass die Nissl’scbe 
Methode keinen Vorzug vor anderen Methoden hat und sehr leicht zu voreiligen 
Schlüssen führt Die specielle Empfänglichkeit der chromatophilen Elemente für 
Methylenblau wird zugegeben. Speciell wird andererseits auch ein Fall von Chores 
hereditaria angeführt, in welchem die Nissl’sche Methode eine homogene Dlauiarbuog 
der Vorderhomzellen ergab, die Safraninfärbung jedoch die normalen cbromophilen 
Elemente zeigte. Th. Ziehen. 


3) L'dtat des yeax pendant le eommeil et la thöorie du sommeii, p&r 
E. Berger et B. Loewy. (Journal de l’anat et de phys. 1898. Nr. 3.) 

Unter den zahlreichen Einzelbeobachtungen der Autoren sind folgende bemerkens- 
werth: Die Empfindungen in der Conjunctiva vor dem Einschlafen haben mit dem 
Versagen des Thränensekretes nichts zu thun. Dem Einschlafen geht eine Gesichts- 
feldeinenguDg voraus. Der Lidschluss im natürlichen Schlaf ist durchaas schlaff (im 
Gegensatz zur Hypnose). Im tiefen Schlaf reagiren die verengten Pupillen nicht auf 
Licht. Alle sensorischen Beize, nicht nnr Hautreize, bedingen eine Pupillenerweilerung; 
die Verff. fassen dieselbe als ein Symptom des halben Erwachens auf. Die Schlaf- 
miosis selbst beruht nicht auf einem Spasmus des Sphincter iridis (Plotke), sondern 
auf einer Lähmung der gefassverengenden Nervenfasern der Iris. Diese Lähmung 
soll central sein (Medulla oblongata) und auch die während des Schlafes angeblich 
bestehende Hirnhyperämie veranlassen. In der Hypnose findet mau bald eine para¬ 
lytische, bald eine spastische Miosis, bald eine auf sympathischer Contraction der 
Irisgefässe beruhende Mydriasis, bald endlich eine normale Pupillenweite. Der Augen- 
hintergrund zeigt während der Hypnose keine Veränderung. Die Bulbi sind im 
natürlichen Schlaf des Erwachsenen und auch in der Hypnose nach oben und aussen 
gerichtet; bei Kindern bis zum 2. Lebensjahre sind sie nur nach aussen gewendet. 

Zur Erklärung des Schlafes halten die Verff. es für nothwendig, die chemische 
Theorie (Autointoxication) mit der Neurasthenie (Aufhebung der Contignität der 
Neurone, Duval) zu verbinden. Uebrigens lässt sowohl bei diesen theoretiscbeo 
Erörterungen wie lei der Besprechung der Beobachtungstbatsachen die Argumentation 
oft viel zu wünschen übrig. Th. Ziehen. 


Pathologische Anatomie. 

4) The neiiromusoular bundles (Muakelknospen, Muskelspindeizi, Faisoeaox 
neuromusoalairee), by William G. Spiller. (Journal of nervous and mental 
disease. 1897. October.) 

Bei der anatomischen Untersuchung eines Falles von intensiver allgemeiner 
Muskelatrophie (Dystrophie) aus Dejerine’s Klinik im Bicätre fand Verf. di» 


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Muskelspindeln ebenso wie die intramasculären Nervenfasern vollkommen erhalten. 
Er bespricht die in der Litteratur zahlreich niedergelegten Beschreibungen dieser 
Gebilde, die Theorieen über ihre Bedeutung, und betont die jedenfalls interessante 
Thatsacbe, dass dieselben trotz fast völligen Untergangs des Muskelgewebes vollkommen 
intact bleiben können. Martin Bloch (Berlin). 


6) Etat du faisoeau pyramidal (bulbe et moelle öpinlöre) daos quatre 
cas de oontrsoture apasmodique Infantile (ayndrome de Little), par 
CI. Philippe et R. Cestan. (Comptes rendus de la socidt^ de biolog. 1897. 
4. Ddc.) 

Die Verff. haben in 4 Fällen von ausgebildetem Little’schem Symptomencomplex 
die Rockenmarke der betr. Kinder mikroskopisch untersucht und die Angaben von 
Binswanger, Qanghofner u. Ä. durchaus bestätigt gefunden, dass die Pyramiden¬ 
etränge bei dieser Erkrankung durchaus intact sind. — Die Verff. schliessen sich 
der Charcot-Baymond’schen Anschauung an, dass der eigentliche Sitz der eigen- 
tbömlicben Erkrankung in den Qanglienzellen der grauen Vorderbömer zu suchen sei. 

W. Cohnstein (Berlin). 


Pathologie des Nervensystems. 

6) Contrlbution a l’etude de la pseudo • mäningooäle traumatique, par 
A. Josias et J. C. Roux. (Revue de Mädecine. 1897. Avril. S. 233.) 

Als traumatische Pseudo-Meningocele bezeichnen die Verff. diejenigen Fälle von 
Meningocele, welche nicht angeboren, sondern nach einem traumatischen Knochen- 
defect bei Kindern entstanden sind. Sie selbst haben einen derartigen sehr charak¬ 
teristischen Fall bei einem 6jährigen Mädchen beobachtet. Das Kind war im Alter 
von 6 Wochen aus dem Bett gefallen. Gleich danach schwere, aber vorübergehende 
Gebimerscheinungen und etwas später Auftreten eines weichen Tumors am linken 
Scheitelbein. Als die Verff. das Kind untersuchten hatte der flache Tumor einen 
Durchmesser von fast 10 cm. Seine Oberfläche war weich und eindrückbar. Deut¬ 
liche Pulsation, starke exspiratorische VorwGlbnng beim Hasten. Rechtsseitige Hemi¬ 
plegie, besonders stark ausgeprägt im Arm. Intelligenz des Kindes sehr herabgesetzt. 
Sonst keine besonderen Störungen. 

Derartige tranmatische Meningocelen traten fast nur bei Kindern auf. Da 
die Dura mater noch fest am Schädel haftet, reisst sie gewöhnlich gleichzeitig mit 
der Schädelfractnr mit ein. Die anfängliche Fissur des Schädels erweitert sich beim 
Wachstbum des Gehirns zu einer immer breiteren Spalte. Darum tritt auch keine 
Heilung der Fissur ein, ebenso wie diesGudden experimentell bei jungen Kaninchen 
gezeigt hat. Ausserdem tritt an den Bändern der Spalte eine Knochenresorption 
ein. Durch den Spalt drängt sich sofort nach dem Trauma der Liquor cerebrospinalis 
nach aussen unter die Haut. Manchmal wird er wieder resorbirt, in anderen Fällen 
bildet sich eine dauernde, langsam wachsende Meningocele. Das Gehirn selbst ist 
hänflg mitbetheiligt, sei es durch das Trauma direct, sei es durch secundäre Er¬ 
weichung. Da der Sitz der Affection fast immer am Scheitelbein gelegen ist, so 
sind Hemiplegieen sehr häufig. Auch secundäre Epilepsie, Störungen der Intelligenz 
und andere sind oft beobachtet. Die Therapie ist in verschiedener Weise versucht 
worden: Punction mit nachfolgender Injection von Jod, dauernde Compression, aber 
noch besser Incision mit nachfolgender Knocbentransplantation. 

Die Arbeit enthält ein soigfaltiges Litteraturverzeichniss und kurze Auszüge 
Ober 31 ähnliche Fälle. Strümpell (Erlangen). 


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7) Die pathologisobe Schwere, toq Prof. Adsmkiewicz in Wien. (Wiener 
med. Presse. 1898. Nr. 23.) 

Die natOrlicbe Schwere der KOrperbestandtheile kommt dem Menschen nicht 
zum Bewusstsein und ist am lebenden Menschen in den Grenzen ihrer physiologischen 
Arbeit thats&cblich aufgehoben. Diese Compensation wird durch die Thätigkeit 7on 
Nerven bewirkt, die den peripherischen Stämmen beigemischt, aber weder mit den 
motorischen, noch mit den sensiblen Nerren identisch sind. Ihre Thätigkeit ist eine 
vom Willen unabhängige, wird aber unter normalen Verhältnissen durch die arbei¬ 
tenden Muskeln, also durch den Willen flberwundeo. Es muss demnach zwischen 
ihnen und den Pyramidenbahnen ein Antagonismus und ihre Wirkung in einer Art 
Zug bestehen, der gegen das Gewicht der Mnskeln, also immer in der Richtung zum 
Gehirn wirksam ist. Dies legt den Gedanken nahe, dass jene gewiohtscompensato- 
rischen Fasern wahrscheinlich mit den Tonusfasem der Muskeln identisch sind. 
Man muss sich dann vorstellen, dass bei Unterbrechung der Pyramidenbahnen der 
frei gewordene Tonus die nicht mehr compensirte Schwere ebenso überwindet, wie 
bei Zerstürung der Tonusfasem die frei gewordene Schwere wieder durch die nicht 
mehr equilibirten Pyramidenbahnen überwunden wird; woraus sieb erklären würde, 
weshalb der Tabiker trotz zerstörter Tonusfasem oud gelösten Gewichtes die Schwere 
seiner Glieder durch die frei gewordenen Pyramidenbahnen überwindet, und der 
Spastische trotz der gebundenen Schwere die vom überstarken Tonus gefesselten 
Extremitäten nicht frei bewegen kann. 

Wenn die gewichtsbindenden Fasern mit den Tonusfasem identisch sind, so 
müssen sie wie diese aus dem Kleinhirn entspringen und antomatiseb, d. b. vom 
Wollen unabhängig und dazu beständig erregt werden. 

Verf. nimmt an, dass die Kraft dieser automatischen Erregung eine mechanisch 
wirksame sei, und dass die gewichtsbindenden Fasern jedes Moskels eine mecbamsche 
Kraft ihrer centralen Erregungen fortleiten, welche dem Gewicht der zu bewegenden 
Muskeln gerade entspricht. J. Sorgo (Wien). 


8} Enoephalopatbies oonaequent on influenM, by A. Gordon. (New York 
Medical Jouroal. 1898. Vol. LXVII. Nr. 9.) 

Verf. giebt einen kurzen, nicht vollständigen Ueberblick über die bisher nach 
Influenza beobachteten Störungen des Nervensystems. Charakteristisch für die Ence- 
phalopathien nach Influenza ist u. a. das Bestehen einer Influeozepidemie, plötxlicber 
Beginn, Steigerung der Pulsfrequenz, im Zweifelfall der Ausfall der bakteriologischen 
Untersuchung. Zur Erklärung der verschiedenen nervösen Symptome sind zu ver- 
werthen: der Verlauf der Gnmdkraukheit, rapide oder mehr prolongirte Toxinwirkong, 
event. auch der Einfluss der meist gestörten Urinsekretion auf das Nervensystem. 
Der SectioDsbefund variirt: in besonders stürmischen Fällen findet man Congesüou, 
Hämorrhagieen und geringe Erweichung an der Binde, Hydrocephalns, Exsudate an 
der Convexität und Basis. Im Gegensatz zu der toberculösen Meningitis bevorzugen 
die Influenzaläsionen die Convexität. Kurze Mittheilung zweier eigener in Genesung 
Obergehender Fälle schliesst den Aofsatz. R. Pfeiffer (Cassel). 


9) A Study of a oase of aoute haemorrbagio (non suppurative) enoephalitia, 
by A. Wiener. (Brain. 1897. Winter.) 

Sjähriges Kind. Fall von der Kellertreppe. Am Tage darauf schlechtes Be¬ 
finden, nach 8 Tagen epileptischer Anfall, Verlust der Sprache und der Fähigkeit zu 
gehen; psychische Unruhe, Anfälle von Schreien abwechselnd mit Stupor; unregel¬ 
mässige Temperatur und bald schneller, bald langsamer Puls. Mehr Ungeschicklich¬ 
keit als Schwäche in den Gliedern. Greift sich häufig mit der Hand nach dem 


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8b3 


Kopfe. Die ZoDge wird immerfort vorgestreckt und zar&ckgezogen. Auf HOr- und 
Sehreize irird nicht reagirt. Keine HimuerTenl&binung. Drin frei von Biweiss und 
Zucker. Haut- und Sebnenrefieze erhöbt. AUmählicb Besserung, dann 3 Jahre ge- 
SQud, mit Ausnahme ton Scharlach und Diphtherie im letzten Jahre. Plötzlich Ein¬ 
setzen ganz der nämlichen Symptome wie 3 Jahre vorher und Tod. Histologisch: 
Zeichen der Encephalitis, ln grossen Himgebieten die Gefässe stark gefüllt und 
in ihren Wandungen infiltriri Kleine Hämorrhagieen und Erweichungen. Oedem. 
Die Ganglienzellen verändert. Die Pia ist stark betheiligt und mit einem fibrinösen 
Ezsodat bedeckt. 

Für den 1. Anfall ist wobl das Trauma verantwortlich zu machen, wie in mehreren 
anderen Fällen von Encephalitis. Für den 2. Anfall kommt vielleicht Influenza in 
Betracht. Auch war das Kind durch den 1. Anfall prädisponiri L. Bruns. 


10) A caae of oerebellar haemorrhage. (Brit. med. Joum. 1898. June 11. 

. S. 1518.) 

36jähriges Dienstmädchen in Halb-Coma, contrahirte Papillen, gleich gross, auf 
Licht reagirend; Conjunctivalreflex rechts nicht vorhanden, ebenso Patellarreflez rechts; 
rechts Hemiparese. Schlucken erschwert; Gesiebt ausdruckslos; linkes Augenlid mehr 
gelähmt, als rechtes, welches rechte Auge auch fester geschlossen werden kann. 
Die Qefasse am oberen Bande des Discus rechts weniger sichtbar. Sprache un- 
'Verständlich. 58 Pulse; am Herzen systolisches Blasen an der rechten Bicuspidalis. 
Urin zeigt Zucker und Albumen; Zucker am folgenden Tage nicht mehr vorhanden; 
kein Aceton. — Lungenödem, Tod. 

Die Autopsie ergiebt ausser Lungenödem und Bronchitis an der Gehimbasis viel 
Flüssigkeit; Meningen adhärent; in den Seitenventrikeln 2 Drachmen Flüssigkeit 
Die rechte Kleinhimhemisphäre war durch Blutung in eine obere und untere Schicht 
geschieden. Die Blutung ging durch den ganzen Lobus und war in den 4. Ventrikel 
eingedrungen, hatte aber die Mittellinie nicht Überschritten, das Corp. restifunne 
rechts zerrissen, Pedunculos inferior quer getrennt 

Die Diagnose im Leben hatte zwischen Coma diabeticum und Blutung sich 
gestützt auf die Absenz des Conjunctivalreflezes an einer Seite, auf Hemiparese, auf 
die Gefässveränderung im Fundus und die fehlende Acetonurie. — Die Schluck- 
beschwerden, die Pupillencontraction und Zucker üii Urin wiesen aof die MeduUa 
and den 4. Ventrikel. L. Lehmann I (Oeynhausen). 


11) Haemorrhage Into pons, secondary lesiona of lemniaous, posterior 

longitudinal flaaoiouli, and floooolaa oerebelli, by S. Gee and H. Tootb. 

(Brain. 1898. Spring.) 

Die Verff. beobachteten ein 21jähriges Mädchen, das an Sebrumpfniere litt und 
16 Tage vor ihrem Tode apoplectisch erkrankte. Klinisch bestand von hauptsach- 
lichsien Symptomen: Eine Lähmung der Angenbewegungen nach beiden Seiten und 
der Convergenz bei erhaltener Möglidikeit nach oben und unten zu sehen, eine Läh¬ 
mung der Kaumuskulatur rechts, des Facialis rechts mit elektrischen Störungen, eine 
Störang der Articulation, und vorübei^ehend auch Parese der linken Extremitäten, 
Anästhesie an beiden Gesichtshälften, besonders in den oberen Partieen, aber rechts 
mehr — später auch Keratitis neuroparalytica rechts — links an Nacken, Rumpf, Arm 
und Bein. Atactische Bewegungen im rechten Arme. Erhöhte Sehneoreflexe an den 
Beinen. Drinretention. 

Bei der Section fand sich eine etwa klrscbkemgrosse Blutung, die rechts den 
Boden des 4. Ventrikels vorbauebte. Die grösste Aosdelmung hatte sie an der 
Grenze zwischen mittlerem und unterem Drittel des Fons. Nach der ventralen Seite 


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erreichte sie gerade die Pyramiden. Nach vorn und hinten spitzte sich der Blotherd 
zu; er folgte nach unten dem Abduceiiskeme und endigte hier dicht vor seinem 
distalsten Ende. Nach oben beschränkte er sich auf die Schleife und reichte eiva 
bis zum distalen Ende des Trochleariskemes. Er griff etwas nach links Ober die 
Mittellinie hinaus. 

Direct zerstört wareu der ganze rechte Abducenskern, die aufsteigende 
Schleife des rechten Facialiskeroes, das rechte und theilweise anch 
das linke hintere LängsbOndel, die ganze rechte Schleife, die trans* 
versalen Fasern der Formatio reticularis rechts, der motorische ond 
sensible rechte Trigeminuskern. Von wichtigen secundären Degenerationen 
fand sich erstens eine auf* und absteigende des hinteren LängsbOndels beiderseits. 
Nach unten erstreckte sich dieselbe in das VorderstrangsgnindbQndel des Rflekeo- 
marks, nach oben zeigte es sich, dass das hintere Längsbündel die einzelnen Nerven- 
kerne mit einander verband und zum Theil in die betreffenden Wnrzeln direct Fasern 
ohne Unterbrechung durch Kerne abgiebt. Ganz besonders interessant ist 
der Nachweis einer gekreuzten Verbindung des Abducens* mit dem 
Oculomotoriuskerne (associirte Blicklähmung hei Herden im inneren 
Abdneenskerne). Die Degeneration des hinteren LängsbOndels endigt nach oben 
im Corpus mammillare und Thalamos opticus. Eine Degeneration der Schleife batte 
nur nach oben stattgefundeu; hier lässt sich die laterale Schleife bis io die 
VierhOgel, die mediale bis in den Thalamus opticus verfolgen; vielleicht geht ein 
Tlioil auch direct zur Rinde. Schliesslich waren beide Floccoli degenerirt, das war 
wohl abhängig von der Erkrankung der transversalen Fasern des Formatio reti¬ 
cularis. 

Die klinischen Erscheinungen standen im allgemeinen im Einklang mit dem 
anatomischen Befunde. Dass auch das linke Auge nicht nach aussen bewegt wurde, 
bei normalem Abducenskeme, muss wohl auf die Erkrankung der centralen Verbin¬ 
dungen dieses Kernes im hinteren LängsbOndel geschoben werden. L. Bruns. 


12) Observations on braln aui^ry au^eeted by a case of multiple cere¬ 
bral hemorrbage, bj G. L. Walton and W. A. Brooks jr. (Boston Hedic. 
and Surgical Journ. 1897. 1. April.) 

Ein junges Mädchen bekommt nach einem heftigen Fall auf die rechte Kopf¬ 
seite linksseitige Lähmung des Gesichts und der Extremitäten, mit Steifigkeit; ^ 
wusstlosigkeit, die auch am nächsten Tage noch anbält; Incontinentia urinae, vorüber¬ 
gehende Temperatursteigerung. Ueber der rechten Hastoidealgegend ein grf^ses 
Hämatom, bei dessen Druck die rechten Extremitäten, am 2. Tage auch der linke 
Arm, heftig bewegt werden. Leichte Besserung der Lähmung am 2. Tage. Eine 
an diesem Tage vorgenommene Trepanation in der rechten Schädelseite entleert 
Cerebrospinalflüssigkeit, ergiebt aber sonst ein negatives Resultat In den nächsten 
Tagen bessert sich die Lähmung und die Bewusstlosigkeit Vom 10. Tage an tritt 
wieder stärkere Bewusstseinstrübung ein, am 15. plötzliche Temperatursteigerong 
und am 16. Exitus. 

Die Seotion ergiebt Blutungen und Erweichungsherde von geringer Grösse in 
der linken (also der Seite der Lähmung entsprechenden] Hemisphäre: die grössteu 
sassüD im Mark der ersten Frontalwindung, im Marklager nabe dem Nuclens caa- 
datus; am Boden des rechten Seitenventrikels fand sich ebenfalls ein kleiner Herd. 

Vielleicht, meinen die Verff., handelt es sich um ein locales rechtsseitiges Hirn- 
ödem, das durch den „Gegendruck*' hervorgerufen wurde. Dafür spricht die Bessemng 
der Lähmungssymptome nach der Operation. — Die andauernde Bewusstseiosstönog 


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QQd die Todesursache bleiben unerklärt. — Schliesslich besprechen die Verft in 
vorsichtiger Weise die Indicationen einer Operation in solchen diagnostisch unklaren 
FfiUeo. Toby Cohn (Berlin). 


13) Unilateral retinal obangee in oerebral haemorrbage, embolism and 

tbrombosis, bj B. T. Williamson. (Brit. med. Joum. 1898. June 11. 

S. 1615.) 

13 schwere Fälle von Blutung, Embolie oder Thrombose des Gehirns wurden 
kurz vor dem Tode ophthalmoskopisch untersucht; in einem Falle trat der Tod erst 
nach einiger Zelt ein. Die Fälle werden als AuszAge aus den Beobachtungsnotizen 
ausfDbrlich mitgetheilt, hier nur beziehentlich zu dem Endresultat wiedergegeben: 

1. ln Fällen von Hemiplegie in Folge von Gehirnblutung, mit tddtlicbem Aus* 
gang, finden sich nicht selten reichliche Blutungen in der Betina derselben Seite, 
wie die Gehimläsion, während die Betina der entgegengesetzten Seite frei bleibt. 

2. Bei Embolie der Gehimgefösse findet sich gelegentlich dieses selbe Yer* 
halten, und die Betioalgefösse auf der Seite der Läsion erweitert. 

3. Bei Thrombose der mittleren Cerebralarterien sind, wenn der Thrombus in 

die Carotis int. hineinreicht, die Betinalgefässe auf Seite der Gehimläsion deutlich 
erweitert und gewunden, während die Gefässe der Betina auf der anderen Seite 
normal bleiben. L. Lehmann I (Oeynhausen). 


14) Ueber einen daroh Cerebrospinalmeningitia oompUolrten Fall von 
Apoplexie im linken Sehhügel, von Tantzen. Aus dem Stadtkranken* 
hause III in Hannover. (Deutsche med. Wochenschr. 1898. Kr. 17.) 

Bei einer 47jährigeo Patientin apoplectischer Insult ohne Bewusstlosigkeit. 
Befund bei der Aufnahme: Bechtsseitiger Spitzencatarrh. Beflectorische Pupillen* 
starre und Kystt^mns beiderseits, Strabismus convergens des rechten, Miosis des 
linken Auges, Parese der rechten unteren Gesichtshälfte, krampfhafte Drehung des 
Kopfes nach rechts, sehr schwankender Gang ohne Eztremitätenlähmung, Somnolenz 
und Apathie. — Kein Fieber, Patellarreflexe vorhanden. — Massenhaftes Ausfliessen 
eitrig-schleimigen Speichels aus dem Munde. 4 Tage später Fieber, Beschleunigung 
von Puls und Atbmnng, massenhafte Herpesemptionen auf beiden Wangen und am 
linken Ohr, Paralyse des rechten Beines und Verlust des Patellarrefiezes, Parese 
des rechten Armes, Bigidität der Halsmuskulatur, allgemeine Hyperästhesie. Io dem 
eitrigen Answurf förmliche Beinculturen von zum Theil mit Kapseln versehenen 
Diplokokken, welche häufig in Tetradenform l^en, kleiner und plumper als die 
Pueumoniekokkeo Fraenkel’s waren, sich nach Gram nicht enterbten. Die gleichen 
Kokken in der leicht getrübten, etwas hämorrhagischen Lumbalpunctioosflüssigkeit. 
Keine bakteriologische Untersuchung. — Exitus. Diagnose: Epidemische Cerebro* 
spinalmeningitis. 

Die Section eigab sehnig*verdickte, an der Schädelkapsel adhärente Dura mater, 
etwas vermehrte Gefässfüllung, atheromatüse Herde an den Basalarterien, Spindel* 
fßrmige Erweiterung der rechten Art vertebralis kurz vor der Vereinigungsstelle, 
getrübtes Exsudat in den Maschen der Arachnoides, Zerstörui^ des medialen vorderen 
Tbeiles des linken Sehhl^els durch Blutung. Die Dura mater spinalis war, nament* 
lieh im Halstheil, rauh und zeigte vermehrte BlntfüUung; Bückenmark makroskopisch 
intact — Die primäre Apoplexie setzte die Widerstandsfähigkeit des Gehirns herab 
und begünstigte die Ansiedelung der vorher in Longe oder Käse vorhandenen Diplo* 
kokken — wahrscheinlich handelte es sich um den intracellulären Diplokokkus 
(Jaeger *Heobner). Die früheren nervösen Symptome sind nicht directe Folge des 

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Tbalamusherdes, vielmehr indirect veranlasst, 8(^. Nachbarechaftssymptome; die 
SD&teren Erscfaeinnnffen erklären sich durch die Meningitis. 

B. Pfeiffer (Cassel). 


16) VTftii T wi pia gi* dturing typhoid fever, by Bolleston. (Brit med. Jonm. 

1898. May 7. 8. 1201.) 

Verf. stellt der Londoner klin. Gesellschaft einen 30jähngen Mann vor, der am 
42. Tage eines Typhus linksseitig hemiplegisch wurde, auch aphasiscb, da Pat. Linb' 
händer war. Beim Anfall keine Convulsionen. Der Typhus verlief normal, die 
Hemiplegie besserte sich lai^sam. — Hawkins habe 17 ähnliche Fälle gesammelt 
and bei Autopsieen Embolismus und Thrombose als Ursache gefunden. — Da aber 
in dem hier mitgetheilten Falle keine Convulsionen aufgetreten waren, so stntfe 
dieser negative Befund gegen Annahme venöser Thrombose; es dürfte wohl die 
mittlere Qebimarterie Sitz der Läsion gewesen sein. 

An der Discussion betheiligten sich Herriugham, Hawkins unter Bestätigung 
der vorgetragenen Ansicht. L. Lehmann I (Oeynhausen). 


16) An nnnsual oase of hezniplegia, by W. S. Spiller, M. D. (Journal of 
nervons and mental disease. 1897. Jul. XXIV. S. 391.) 

Seit mehreren Jahren bestehende Hemiplegie der rechten Seite mit Steigerung 
der Reflexe rechts. Sie entstand im Anschlnss an eine schwere Lebensgefahr und 
üeberanstrengung beim Betten zweier Personen ans dem Wasser, und zwar ent* 
wickelte sich zonächst — etwa 12 Stunden nach dem Unfall — eine knrze Bewusst¬ 
losigkeit und dann eine complete Lähmnng aller 4 Extremitäten nnd absolute Un¬ 
möglichkeit zu sprechen. Nach etwa 4 Wochen schwand die Anästhesie, während 
rechtsseitige Hemiplegie mit Betheiligung des Facialis zurilckblieh. 

Patient war ein ungewöhnlich sprachkundiger Mann, der seine Heimath, Dän^ 
mark, bereits im 16. Jahre verlassen batte. Als wenige Tage nach dem UnfaUdie 
Aphonie schwand, vermochte er jedes Wort, das auf Englisch, Deutsch und Fran¬ 
zösisch zu ihm gesagt wurde, völlig zu verstehen, antworten konnte er aber nur 
Dänisch. Es waren jenes die einzigen Sprachen, die er während seines 3moimtücheD 
Aufenthalts im Krankenhause gehört hatte. Als er dann einmal Schwedisch m- 
gcsprochen wurde, verstand er zunächst kein Wort, dann kam ihm aber plötzlich die 
Erinnerung, und er verstand von nun an auch wieder Schwedisch, konnte aber auch 
jetzt nur auf Dänisch antworten. Als er das Krankenhaus verliess, war er im Stande, 
wenigstens etwas auf Deutsch und Englisch zu sagen. Nach anderthalb Jahren 
konnte er wieder Englisch (mit der linken Hand) ganz richtig schreiben,^ etwas 
später auch Dänisch, aber keine andere Sprache, ohschon er früher noch HoUändisc^ 
Französisch nnd etwas Italienisch und Spanisch gesprochen hatte n. s. w. Erst nach 
einem ganz kurzen Besuche, den er nach 2 Jahren von Amerika aus in Schweden 
machte, lernte er auch plötzlich wieder Schwedisch sprechen. 

Trotzdem die jetzt noch bestehende Hemiplegie den Eindruck einer organisch 
begründeten macht, und trotz der Betheiligung des Facialis, trotz der Steigerung 
der Reflexe u. s. w. glaubt Verf. eine rein hysterische Lähmung annehmen zu dürfen. 

Sommer (Allenberg). 


17) Du phdnomene des orteils et de sa valeur semlologique, par M. Ba* 
binski. (La semaine medicale. 1898. 27. Juillet. Nr. 40.) 

Beim normalen Erwachsenen ruft Reizung der Plantarfläche des Fosses eine 
Beugung der Zehen gegen den Metatarsus hervor. Das „Zehenpbänomen“, welches 


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miD bei gewissen Vrankbaften Zoständen beobachten kann, besteht nun darin, dass 
die Zehen bei Beiaung der Planta pedis nicht in Beugung, sondern vielmehr in 
Streckung Obergehen, und zwar besonders die grosse Zehe. Kach Besprechung der 
Technik, welche man zur Erlangung des Zehenreflezes anwenden muss, berichtet 
Teii Ober einige Kranke, bei denen er das „Zehenphänomen** beobachtet hat: 8 F&Ue 
TOD organischer Hemiplegie, 3 Fälle von spastischer Paraplegie, 1 Fall von spinaler 
Hemiparaplegie, 1 Fall von Tabes mit Maningoencephalitis. Bei frischen, wie auch 
alteo organischen Hemiplegieen kann man bei Beizung der Fnsssoble auf der ge« 
Sunden Seite Bergung, auf der kranken Seite Streckung der Zehen constatireu. Das 
Zebeuphänomen fehlte stets bei Hysterie, ferner bei peripherer Neuritis, Poliomyelitis 
anterior und reiner Tabes. 

Das Phänomen deutet auf eine Functionsstörung im Pyramidensystem, ohne je¬ 
doch deren Schwere zu bestimmen, da es sowohl bei leichten als bei schweren Fällen 
beobachtet wird. Auch scheint eine gewisse Beziehung zwischen diesem Phäoomen 
einerseits und der Redezsteigerung uud spinalen Epilepsie andererseits zu bestehen. 
Differentialdiagnostischen Werth hat das Zehenpbänomen besonders bei der Frage, 
ob es sich um organische oder hysterische Hemiplegie bandelt, indem es bei ersterer 
vorhanden ist. bei letzterer fehlt. 

Bei Neugeboreneu — bei welchen ja das Pyramidensystem noch nicht eutwickelt 
ist — bat das Kitzeln an der Fusssohle Streckung der Zehen zur Folge. 

Kurt Mendel. 


18) Belachement des nauscles dana Themipldgie organique, par M.Babinski. 

(Comptes rendus des sdances de la Socidtd de Biologie. Sdance du 9 Mai 1896.) 

Id mehreren Fällen von Hemi- und Monoplegie bat Verf. eine Erschlaffung der 
Muskulatur beobachtet, welche ausgiebigere passive Bewegungen auf der gelähmten 
als auf der gesunden Seite gestattete. So war z. ß. die Beugung des Vorderarms 
gegen den Oberarm auf der gelähmten Seite in stärkerem Grade möglich als an 
dem gesunden Arme. Die Ursache dieser Erscheinung liegt wahrscheinlich in einer 
Schwächung des Muskeltonus. Bei hysterischer Hemiplegie fehlt das erwähnte Pbä' 
Domen stets; dasselbe hat daher vielleicht differentialdiagnostischen Werth bei or¬ 
ganischen und hysterischen Hemi- oder Monoplegieen. Kurt Mendel. 


19) De quelques XDOUvemeuts aasooids du membre iufdrieur paralyse 
dans i’hdmiplegie organique, par M. Babinski. (Bulletins et U^moires 
de la Sociätä mädicale des Höpitauz de Paris. Seance du 30 Juillet 1897.) 

Verf. berichtet über Ässociationsbewegungen bei organischer Hemiplegie, welche 
anr in dem gelähmten Beine auftreteo, währond das gesunde unbeweglich bleibt und 
setzt den Mechanismus dieser Ässociationsbewegungen aus einander. Bei rein hyste¬ 
rischen Hemiplegieen bat Verf. dieses Symptom nicht beobachtet; es spricht daher 
Beine Anwesenheit mit Wahrscheinlichkeit fOr eine organische Läsion. 

Kurt Meodel. 


20) Ueber das Wesen und die Entstehung der hemiplegisohen Contractur. 

Eine klinische Studie, verbunden mit Untersuchungen Ober den Muskeltonus, 
sowie die antagonistische und synergistische Innervation, von Ludwig Mann. 
(Berlin. 1898. S. Karger.) 

Verf. konnte feststellen, dass bei der Hemiplegie sowohl die Lähmung, wie auch 
der ContracturzDstand auf bestimmte Muskelgruppen beschränkt sei, und zwar so, 
dass die gelähmten Muskeln keinen Contracturzustand zeigen, ihre Antagonisten sich 

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hing^en in Hypertonie befinden. Diese Beobachtung brachte Verf. anf die Ver* 
muthung, dass die erregenden Fasern fQr eine Haskelgrnppe mit den hemmenden 
Fasern ihrer Antagonisten znsammen verlaufen, ja vielleicht sogar mit ihnen identiecb 
seien. Es wfirde alsdann der Wegfall dieser Fasern Lähmung einer Hnskelgroppe 
und gleichzeitig Contractnr ihrer Antagonisten zor Folge haben. Diese Anschannng 
zu begrtinden, ist der Zweck der Arbeit. 

Zunächst widerlegt Verf. die Anschauung van Gehuchten’s, nach welcher 
die von der Lähmung nicht betroffenen Mnskeln in Folge ihrer äberwiegenden Inner¬ 
vation contracturirt seien. Er zeigt, dass die Toraossetzung zu dieser Auffassung, 
dass nämlich periphere Contractnr sich von hemiplegischer nicht nnterscheide, un¬ 
richtig ist. 

Bei jeder normalen Bewegung ist Agonistencontraction und Antagonistenerschlaffuog 
vergesellschaftet: doch könnun wir anch Agonisten und Antagonisten gleichzeitig 
innerviren und so z. B. sowohl Beuger wie Strecker gleichzeitig energisch contra- 
hiren. Letzteres geschieht bei Fizirnng eines Gliedes in einer bestimmten Stellung: 
dieses ist aber auch der einzige Vorgang, bei welchem eine antagonistische Inner¬ 
vation stattfindet. 

Da nun einerseits mit jeder Contraction eines Muskels gleichzeitig die Erschlaffung 
seines Antagouisten verbunden ist, andererseits aber — wie klinische Beobachtnngeu 
lehren — die synergischeo Bewegungsmecbanismen in der Hirnrinde als Centrnm 
bereits präformirt sind, so muss diese centrale Stätte nicht nur die Erregungsceotren 
für die zu den betreffenden Synergismus gehörigen Muskeln, sondern auch die 
Hemmungscentren für ihre Antagonisten enthalten. Daher besteht also bei Abschnei* 
dang der Impulse von der Hirnrinde, wie es bei der Hemiplegie geschieht, eine 
Lähmung der zu dem betreffenden Synergismus gehörigen Muskeln und gleichseitig 
eine Hemmungsauffaebung, d. h. ein Contractionszustand der Antagonisten. 

Wenn man, vom normalen Muskeltonus ausgehend, das klinische Verhalten der 
hemiplegiscben Contractur betrachtet, so erweist sich anch von diesem Gesichtspunkt 
aus die Theorie von dem Zusammenverlaofen der Erregungs* und Hemmangsfasem 
als stichhaltig. 

Die völlige Schlaffheit der Lähmung bei totaler Unterbrechung der Pyramiden¬ 
bahn and der nachgewiesene Parallelismus zwischen Wiederkehr der willkftrlichen 
Beweglichkeit und Auftreten des Contracturzustandes bei Hemiplegieen führen zu dem 
Schluss, dass die Vorbedingung für das Zostandekommen einer Hypertonie die Intact* 
heit der willkürlichen Bewegungs- oder Pyramidenbahn ist 

Verf. kommt zu dem Schlosse, dass wir 2 Faserarten in der Pyramidenbahn 
verlaufend annehmen müssen: 

1. erregende Fasern, welche die willkürliche Bewegung vermitteln und gleich¬ 
zeitig den spinalen ZeUen diejenigen Erregungen zufübren, welche zum Zustande¬ 
kommen des Befleztonus unerlässlich sind, 

2. Hemmungsfasem, welche die Muskelcontraction hemmen. 

Anhangsweise hebt Verf. noch hervor, dass, wenn auch nicht in allen, so doch 
in den meisten Fällen von Hemiplegie neben der Hypertonie eine Steigerung der 
Sebnenrefleze besteht, und zwar hauptsächlich in denjenigen Muskeln, die sich in 
Hypertonie befinden. Es scheinen somit Sehnenrefleze und Hnskeltonus in naher 
Beziehung zu einander zu stehen. Kurt Mendel. 


21) Klinieoher Beitrag zur liohre von der Hemianaestheeia altemans, von 
Prof. M. Bernhardt. Vortrag und Krankenvorstellung im Verein für innere 
Medicin in Berlin am 31. Januar 1898. (Deutsche med. Wochenschi. 1898. 
Nr. 10.) 

Die 64jährige, früher gesunde Patienten erkrankte etwa Ende Angust 1897 
plötzlich apoplectiform ohne Bewussseinsverlust mit starkem Schwindel nnd Erbrechen. 


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Der ZQstand besserte sich nach 2 Tageo, es restirten Schwindel besonders beim 
Blick nach oben, Eältegeffibl in der linken Oesiohtsh&lfte, auch sei es mit dem 
rechten Bein nicht ganz richtig. Lähmongserscheinongen fehlten daaemd. Die 
Untersachang ergab eigenthfimlich vertheilte Empfindungsstdrongen. Im Bereiche 
der linken GesichtS' und Kopfbälfte — ausgenommen die Ohrmuschel und eine 
2—3 Fingerbreite Begion längs und vor dem linken äusseren Ohre — ist die 
Sensibilität herabgesetzt oder im Gebiete des II. und 111. Trigeminusastes erloschen, 
die Anästhesie betrifft auch die Schleimhäute. Die Cornea ist trotz Unempfindlich¬ 
keit vollkommen klar. Kein anderer (motorischer) Himnerv, auch nicht der moto¬ 
rische Quintusast ist betheiligt. Am rechten Beine, und zwar besonders intensiv 
am Fuss, Unterschenkel, Knie und unterem Drittel des Oberschenkels eine absolute 
Thermoanästhesie und Analgesie, während die BerQhruQgsempfindung, das GefQhl ffir 
die I^age der Glieder und deren Veränderung erhalten ist. Diese dissociirte £m- 
pBndungsstörung reicht nach oben, allmählich abnehmend, bis zur Ingninalfalte. — 
Sonst vollkommen normaler Befund, keine deutliche Geschmacksanomalie auf der 
Unken Zungenhälfte. Verf. nimmt einen Herd (Blutung, Erweichung?) in der Bröcken- 
haube an, und zwar weist die Betheilignng des linken Quintus anf die Gegend der 
Ursprungs' und Durcbgangsstellen der sensiblen Trigeminuswurzeln im linksseitigen 
Haubengebiet hin. Die Sensibilitätsstörungen am rechten Beine erklären sich durch 
die Annahme, dass der BrOckenherd nur diejenigen ihn durchziehenden sensiblen 
Bahnen schädigte, welche die Empfindungen von dem gegenüberliegenden rechten 
Bein durch die Hanbeobahn der Brücke zum Centmm leiten. 

B. Pfeiffer (Cassel). 


22) Zar Athetosis bilateralis, von B. v. Erafft-Ebing. Arbeiten aus dem 

Gesammtgebiet der Psychiatrie und Neuropathologie. (1897. Leipzig. J. A. 

Barth.) 

Verf. theilt einen Fall von Athetosis idiopathica bilateralis mit, welche bei 
einem vorher psychisch und physisch gesunden Individuum nach einer starken Er¬ 
kältung aoftrat. Neben der Athetose bietet der Fall aber noch folgende interessante 
FnnctionsstÖrungen: ein wesentlich auf das Gebiet der Athetose beschränktes Eälte- 
gefühl und einen Sensibilitätsaasfall, eine Steigerung der tiefen Reflexe, fibrilläres 
Muskelzittem im Erampfgebiet und Herabsetzung der groben Muskelkraft. Verf. 
sieht die idiopathische Erkrankung als corticale Neurose an. Die angewandte Therapie 
(Brom, Galvanisation) zeigte einen deutlichen temporären Erfolg. 

Verf. schliesst noch zwei von ihm beobachtete Fälle von doppelseitiger Athetose 
an, in welchen aber die Athetose wahrscheinlich ein Besiduum einer infantilen 
Qehimkrankheit war. Eurt Mendel. 


23) Sur l’atropbie des ob du ootä paralyBÖ dans l*häiniplögie de l’adulte, 

par G. Dejerine et A. Theohari. (Comptes rendus de la soc. de biolog. 

1898. 19 Fövr.) 

Während bei der Hemiplegla centralis infantum die Atrophie oder vielmehr die 
mangelnde Fortentwickelung der Enochen auf der gelähmten Seite regelmässig zn 
beobachten ist, ist ein derartiges Vorkommniss bei der Hemiplegie der Erwachsenen 
bisher noch nicht beschrieben. 

In dem von den Verff. mitgetheilten Falle bandelt es sich um eine 49jährige 
Patientin, welche vor 19 Jahren einen apoplectischen Insult erlitt, welcher eine Läh- 
mnng der rechten Eörperhälfte und Aphasie zur Folge batte. Die Aphasie nnd die 
Lähmung des rechten Beines nahm allmählich ab, der rechte Arm aber blieb fnnctions- 
unfähig nnd magerte erheblich ab. Zugleich traten sehr erhebliche Schmerzen in 


'ig t'i’od 


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dem gelikbrntoii Arm taf. — Bei der Uotersoehoiig mitteist RdDtgeD>Strahteo wird 
klar bewieeeo, dasa die aoffiUlige Atrophie der geUbmten Extoenit&t keineewegs 
auaschlieaaUch die Maaknlator betrilR, eoodem daas anch alle anderen Gewebe (Ebuit, 
Unterbantfettgewebe, Knochen) atrophisch ^d. Die Knochen zeigen mch nicht nur 
verkürzt und verscbmälert, sondern das Knochengewebe selbs ist auch rereficirt, so 
dass die Durchlässigkeit der Knochen gegen Büntgen•Strahlen erheblich ge* 
steigert ist 

Aoaser durch diese ann&Uige Atrophie unterscheidet äeh der vorliegende Fall 
von einer typischen Hemiplegie auch durch das Vorhandensein der erwähnten anfalL^ 
weise auftretenden heftigen Nervenschmerzen in dem gelähmten Arm. 

W. Cohnstein (Berlin). 


24) Ueber Fortbestebwn von Tio oonvnlaif bei gleiohaeltiger Hemiplegie, 
von A. Habel. Ans der medic. Klinik in Zürich (Prof. Bichhorst). (Deotsche 
med. Wochenschr. 1898. Nr. 12.) 

Eine seit 2 Jahren mit linksseitigem Tic convulsif behaftete Frau bekommt 
plützlich eine linksseitige Hemiplegie mit Betheiligung des unteren Facialisastes: 
trotz dieser aosgesprochenen centralen Facislislährnnng bleibt der Tic bestehen, eine 
bisher nicht beschriebene und interessante Thatsache. Ala Dmche des Tic ist am 
wahrscheinlichsten ein reflectorischer Vorgang, ausgelüst von einer Nasenschleimhant* 
entzfiodung, die zu gleicher Zeit wie das Qesichtszacken auftrat Die Schleimhaut 
der Choanen ist beiderseits geschwollen und gerüthet. Vielleicht entstand durch 
diese Schwellung ein Beiz der peripheren Quintusfasem, welcher sich durch deu 
Bedexbogen fortpflanzte und durch Mnskelzuckungen im Facialisgebiete offenbarte 
(? Bef. Einseitiger Tic, doppelsoitigo Cboanenschwellung). -- Die Fortdauer 
des Tic in der gelähmten Geaicbtshälfte trotz centraler Facialisläbmung spricht für 
den peripheren Ursprung des Tic convulsif. B. Pfeiffer (Cassel}. 


26) Central entstandene Schmerzen. Ein neuer Fall mit SeorionsbefVmd, 

von Alfred Ä. Beicbenberg (f). (Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. 1897. 

Bd. XI.) 

Bei einer 72jährigen, mit Atherom behafteten Fran trat nach einer leichten 
Apoplexie Lähmung des linken Facialis und der linksseitigen Extremitäten, sowie 
leichte Spracbstöruug auf, doch gingen diese Krscheinangen bald wieder zurück. Von 
dem 4. Tage nach dem Anfälle bis zum Exitus bestanden im linken Arm und linken 
Bein heftige Schmerzen, dabei war die Unke Gesicbtshäifte und der linke Oberarm 
hyperästhetisch, während das Gefühl im linken Bein herabgesetzt and im Vorderarm 
and Bnmpf linkerseits fast ganz erloschen war. Wegen der bestehenden Demenz 
konnte keine genaue Gesichtsfeldbestimmung aufgenommen werden; bestimmte An* 
Zeichen sprachen indessen für eine rechtsseitige Hemianopsie. Kurz vor dem Tode 
wurde Pat. von einem neuen apoplectiseben Insult betroffen, nach welchem grosse 
Endung und eine nochmalige, linksseitige Facialislähmnng auftrat Bei der Section 
fand sich am Gehirn ausser den gewühnlicben Ältersveränderungen ein Erweichongs* 
herd in der rechten Hemisphäre, welcher den grösseren Tbeil des unteren Scheite* 
läppcbens einnahm und nach vom die sensible Bahn im hintersten Theil der inneren 
Kapsel nahezu erreichte oder gar traf. Die Sehstrahlung wurde nur in ihrem dor¬ 
salen Abschnitt von dem Herd erreicht, im hinteren Theil der inneren Kapsel blieb 
sie fast 1 cm vom Herde fern; ebenso waren die aus dom Hinterhaupteläi^hen znm 
Schläfen* und Stimlappen verlaufenden Associationsbündel völUg intact Der Befund 
deckt sich vollkommen mit dem früher von Edinger gegebenen und zeigt auch, 
dass neben Hyperästhesie und Schmerzen in einzelnen Körpertbeilen, in anderen An¬ 
ästhesie bestehen kann. E. Asch (Frankfurt a./M.). 


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86) Zur Pathologie der Hem^legleen Im Oefblge dee Keuohhueteas, von 

Dr. Hans Loce, Assistent der medic. Poliklinik in Strassbarg i./E., z. Zt. 

Assistent am Kenen AUgem. Krankenbause Hamburg. (Deutsche ^itschr. f. 

KervenheUk. 1898. Bd. XII.) 

Bei einem 5j&hrigen Kinde trat in einem typischen Fall von Pertnssis links* 
seitige Arm- und Beinlähmung anf. Bei der anatomischen Untersnchung des Glehims 
fand sich hochgradige Hyperämie nnd Dilatation der Venen and GapiUaren. Kirgends 
Hessen sich Veränderungen nachweisen, die auf eine Blutung in die innere Kapsel 
oder in die Heningen der Convexität hindeuteten. Verf. nimmt deshalb an, dass 
die im Anschluss an Keuchhusten acut einsetzenden Hemiplegieen nicht durch ana¬ 
tomische Veränderungen bedingt zn sein brauchen. Sie wären demnach den bei 
Tuberculose, Pneumonie, puerperaler Sepsis, chronischer Bleivergiftung, Carcinom- 
kachexie n. s. w. beobacbteteu Hemiplegieen gleichzustellen und wegen der Vei^^ll- 
Schäftung mit corticalen Beizerscbeinnngen als Bindenlähmung anfzufassen. 

E. Asch (Frankfurt a./H.). 


27) Ein Fall von infantiler Hemiplegie nach Diphtherie, von J. Wohl- 

gemoth. (Inaug.-Disseri 1898. Freibarg i./B..) 

Verf. berichtet Ober einen, Fall von Hemiplegie nach Diphtherie, welcher in der 
Poliklinik von Prof. Hendel (Berlin) zur Beobachtung kam. 21jähriges Mädchen 
ohne hereditäre Belastung. Zu 8 Jahrmi Diphtherie, im Krankenhaus Tracheotomie, 
4 Wochen später Exstirpation der rechtsseit^en Submaxillardrüsen; nach weiteren 
8 Tagen war Patientin, als sie eines Morgens erwachte, anf der rechten Seite vbUig 
gelähmt; Bewnsstsein erhalten. Sprechen unmöglich; später trat Besserung ein, jedoch 
blieb die Sprache dysarthritisch; Patientin will gelegentlich auch jetzt noch manc hmal 
nicht das richtige Wort finden können. Seit dem 15. Lebensjahre doppelseitige 
Krämpfe mit Bewusstlosigkeit, Zungenbiss und Enurese. Objectiv: linke Pupille >r.; 
links OpticQsatrophie. Parese des rechten VII. Nerven, Lähmung und Beugecontractur 
der rechten oberen und unteren Extremität, Steigerang der Sehnenreflexe rechts. 
Kein nachweisbarer Herzfehler, aber starker Eiweissgebalt des Urins. In Bezug auf 
die Entstehung der Hemiplegie nimmt Verf. an, dass es sich nicht um Embolie ge¬ 
bandelt habe, da einerseits nur wenige Fälle von postdipbtberitiscber Embolie in der 
Litteratur existiren, und da kein Anhaltspunkt för eine Herzerkrankung sich bei der 
Patintin fand, vielmehr neigt Verf. zn der Annahme einer Hämmrbagie, und zwar 
vor allem auf Umnd dreier, von Mendel (Nenrolog. CentralbL 1885. S. 133) be¬ 
schriebener, hierhergehbriger Fälle, von welche einer bei der Sectiou makroskopisch 
einen kirschgrossen hämorrhagischen Herd im inneren Tbeil des Linsenkemes und 
den benachbarten Tbeilen der inneren Kapsel, mikroskopisch capilläre Hämorrbagieen 
im ganzen Centrom zeigte, woraus die Betheiligung des Gefässapparats bei der 
Diphtherie hervorgeht Als ein die Hämorrhagie begflustigendes Moment sieht Verf. 
die Nephritis an, die bekanntlich zu einer Steigerung des Blutdrucks fährt, dass 
dieses Homeut auch in seinem Falle mitgewirkt hat, folgert Verf. daraus, dass bei 
der Patientiu einerseits objectiv Nephritis nachweisbar war, und sich andererseits 
inamnestisch ausser der Diphtherie keine anderen ätiologischen Momente für dieselbe 
Süden Hessen. Die einseitige OpÜcnsatrophie deutet Verf. mit Wahrscheinlichkeit 
äls eine Sklerose derselben nnd macht besonders aof ihr locales Beschränktbleiben 
mfmerksam. Die Epilepsie endlich sieht Verf. als eine Folge der durch die Apo- 
;>lexie entstandenen Gehirnläsion an. Kaplan (Herzberge). 


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28) CaM of •pMtio hemlplegia of gradual onset» following a severe at ta ek 

of enterio fever, aad tenninatli^ ln insanity, by John Lindsay Steven, 

H. D. (Qlasgov med. Jonm. 1697. Haroh.) 

22j&br. Soldat, war stets gesond gewesen bis Mai 1895. Damals Anfall von 
Enteritis mit zweimonaüiebem Krankenlager. Drei Wochen spiter bemerkte er 
Schwierigkeiten beim Nähern der Finger der linken Hand gegen einander. Zunahme 
dieser Beschwerden und Schwierigkeit beim Sirecken der Filter. AUmähUcb voll* 
kommene Steifstellong der Finger. Gleichzeitig bekam Fat Schmerzen in der Spitze 
des linken Fasses beim Geben. Lues negirt; massiger Tabaksgenass; keine hereditäre 
Belostong; nie Beschwerden von Seiten des Herzens. Die Untersochnng ergebt eine 
spastische Parese des Armee and des Beines mit Beugestellong im Ellenbogen and 
Streckstellung im Knie. Starke Steigernng des Kniereflexes links; rechts ist dmwelbe 
normal. Sensibilität flberall normal, ebenso die inneren Organe. Im Gesicht leichter 
Unterschied der beiden Hälften za Ungnnsten der linken Seite. Geringe allgemeine 
Atrophie der befallenen Glieder. Der Pat. wurde im Anfang dieses Jahres von 
geistigen Störungen befallen und bot das Bild einer acoten Manie mit Grössenideeen. 
Der somatische Befand hatte sich so gat wie nicht geändert. Im Laufe der Be¬ 
handlung im Irrenhause stellte sich heraus, dass die Hemiplegie, welche zoerst ftir 
eine organische gehalten wurde, eine hysterische war. Die Intensität der Symptome 
war sehr veränderlich, besonders die Beugestellong des Armes schwankte in ihrer 
Intensität; ebenso wechselte der Zostand des Beines sehr. Ferner fehlten daaend 
gröbere Atrophieen, die elektrische Erregbarkeit blieb erhalten, und schliesslich ver¬ 
schwanden alle Symptome in tiefer Chlctroformnarkose, um sofort beim Erwachen des 
Pat. aus der Narkose wieder aufzutreten. Paul Schuster. 


29) Cerebral haemorrhoge in a ohlld, by Lea. (Brit med. Joum. Febr. 6. 

1897. S. 334.) 

Verf. legt der Manchester pathologischen Gesellschaft das Gehirn eines eben 
plötzlich verstorbenen 12jährigen Mädchens vor. Das Mädchen war immer gesund 
gewesen, stammt aas gesunder Familie; frei von Syphilis. Wenige Stunden vor dem 
Tode heftiges Kopfweh, wiederholtes Erbrechen; keine Convulsionen. 

Autopsie zeigte Bauch- und Brustorgane gesund; nicht Endocarditis. Am Gehirn 
keine Meningitis. Der linke Seitenventrikel blu^efüUt. Septum lucidum ruptunirt. 
Etwas Blut war auch in den rechten Seitenventrikel und in den dritten ausgetreten. 
Keine Zerreissung der basalen Ganglien. Kein Tumor. Die kleinen Gehimarterien 
völlig normal. Möglicherweise war eine Vene des Plexus chorioideus zerrissen. Der 
Ursprung der Blutung konnte nicht nachgewiesen werden. 

L. Lehmann I (Oeynhausen). 


30) Hezniplegia (posaibly hysteria) with snkle olonoa, by Charles W. Barr. 

(Medicine. 1897. Vol. III. Nr. 10.) 

26jähr. Patient, mässiger Alkoholist, früher stets gesund, niemals syphiliti^ 
inficirt, erleidet im September 1892 unter Schwindel und Bewusslosigkeit eine links¬ 
seitige Lähmung, liegt 6 Wochen ohne Besinnung und kommt zu sich mit völliger 
Sprachlosigkeit und Contractur der Kiefer, so dass er den Mund nicht öffnen kann 
und mühsam gefüttert werden muss. Nach 3 Monaten allmähliche Wiederkehr der 
Sprache. Zur Au&ahme kam Pat. im Jahre 1896, da er seit 2Vs Jahren an eigen- 
thümlichen Krampfanfällen leidet Dieselben werden im Krankenbaus als hystero- 
epileptische erkannt Es besteht ferner ansser der spastischen linksseitigen Lähmung 
Änfhebnng des Berührungsgefühls der ganzen linken Seite, das Gesicht ausgenommen, 
sowie Tbermanästhesie am ganzen linken Bein nnd am linken Unterarm und der 


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Haod. Keine Analgesie. Sehr starke Befleze, links Patellsr* nnd Fossclonns. 
Während der Beobachtung trat einmal nach einem Krampfanfall eine 8 Tage lang 
anhaltende Sprachlos^keit bei Tollkomroen normalem Bewusstsein und völlige Be* 
wegungslosigkeit auch der rechten Extremitäten, ohne dass eine Lähmung vorhanden 
war, nur spontan bewegte Pat. sich absolut nicht, anf. Beides verschwand nach 
8 Tage plötzlich, dleichzeit^ leichte psychische Alteration. Innere Organe völlig 
gesund. Die Sensibilitätsstorungen variiren ungemein. Leichte Einengnng der 
Gesichtsfelder. Yerf. lässt die Frage offen, ob es sich um eine Complication einer 
organischen Erkrankung mit Hysterie handele, oder der gesummte Krankheitszustand 
als hysterisch anfzufassen sei. Hartin Bloch (Berlin), 


31) Ueber die tberspentiBOhe Anwendung der Elektrioität bei Hemiplegie, 

von Dr. Sieletzkij, (Journal der Nerven* und psychiatr. Medicin. 1897. 

Bd. II. [Bossisch.]) 

Yerf. bespricht die bei Hemiplegie angewandten Elektrisationsmetboden, nämlich: 

1. die locale Galvanisation des Kopfes, 

2. die Galvanisation des N. sympathicns auf der Seite des apoplectischen 
Herdes, 

3. die Galvanisation und die Faradisation der gelähmten Muskeln und Nerven 
(Strümpell), 

4. die cutane Faradisation (Erb). 

Anf Grund anatomisch^physiologiscber Betrachtungen meint Yerf., dass es sehr > 
zweckmässig sei, bei Hemiplegieen die beiden Neurone der cortico*mu8kulären Bahn 
elektrisch zu reizen, damit diese Neurone im Stande wären, die WUlensimpulse nach 
den gelähmten Hnskelu fortzupflanzen, nachdem der apoplectische Herd theilweise 
resorbirt wird. Han wende zu diesem Zweck Galvanisation des Kopfes an, wobei 
die Kathode entsprechend der erkrankten Hemisphäre, die Anode an das Hinterhaupt 
gestellt werden soll. Ausserdem sollen auch einzelne Muskeln faradisch erregt 
werden, wobei der Strom so stark sein müsse, um deutliche Contractionen hervor* 
Zurufen. Yerf. konnte bei dieser Bebandlungsweise günstige Besultate erzielen. 

Edward Flatan (Berlin). 

32) Heber cerebrale Diplegieen Im Kindesalter (ijittle’sohe Krankheit), 

von Dr, Boberto Massalongo. (Wiener med. Blätter. 1898. Nr. 7—12.) 

Yerf. theilt alle bisher bekannten Formen von cerebralen Diplegieen der Kinder 

in folgende Groppen: 

1. Allgemeine typische Huskelstarre, allgemeine Muskelstarre, leichte Form, bei 
welcher die Symptome weniger accentuirt sind. 

2. Allgemeine Huskelstarre, Forme fruste, bei welcher die Symptome noch 
weniger accentuirt sind, die Huskelstarre sozus^en in einem latenten Zustand sich 
befindet, da sie nur bei gewissen Bewegungen zum Yorschein kommt. 

3. Uebergangsform zwischen der allgemeinen Mnskelstarre und der paraplegischen 
Huskelstarre. 

4. Keine paraplegische Huskelstarre. 

5. Parapl^ische Huskelstarre mit Hemiparese. 

6. Allgemeine Huskelstarre mit Hemiparese. 

7. Allgemeine Huskelstarre und doppelseitige spastische Hemiplegie. 

8. Doppelseitige Athetose. 

9. Allgemeine spastische Chorea. 

10. Spastische Hoskelstarre, mehr oder minder ausgedehnt, combinirt mit Chorea 
oder mit Athetose. 

11. Chorea nnd Athetose combinirt 


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Fflr diese ganze Ornppe acbl^ Verf. den Namen Little’sehe Krankheit an 
Stelle des von Frend vorgeecblagenen „Cerebrale Diplegieen des Kindeealters'* Tor, 
da in der überwiegenden Uebnahl der F&Ue die Hoakeletarre pitralirt, wUireod 
die Lähmung nur ganz ananabmsireise vorkommL 

Gegenüber der von Little gegebenen Aetiologie der Krankheit hebt Verf. auf 
Grund eigener und fremder Beobachtungen hervor: 

1. dass die cerebralen Diplegieen des Kindeaalters sowohl angeboren als ac> 
quirirt seien; 

2. dass sie durch schwere Geburten und Asphyxie des Neugeborenen hervor- 
gerufen werden können, aber von febrilen Erkrankungen höchst wahrscheinlich infec- 
tiöser Natur verursacht werden; 

3. dass die unr^elmässige, durch nervöse Äffecte gestörte Gravidität auf die 
Entstehung von cerebralen Diplegieen prädisponirt einzuwirken scheint, auch wenn 
die Geburt regelmässig vor sich geht; 

4. dass zwischen dem ätiologischen Momente und der klinischen Form der Er¬ 
krankung kein Zusammenhang besteht 

Der primäre Vorgang ist nach Verf. eine Meningoencephalitis, herrorgerufen 
durch eine extra- oder intrauterine Infection (Toxicämie). Die übrigen bei Sectionen 
erhobenen Befunde, Hämorrhagieen, Cysten, Sklerose und Atrophie des Gehirns, PtK*- 
encephalie, Pachymeningitis u. s. w. wären nur Evolutions- oder DegenerationsphasMi 
des primären meningocerebralen Voi^anges, sei es durch primäre Läsion der nervösen 
Elemente, sei es durch Gefässerkrankungen hervorgerufen, welche von derselben Ur¬ 
sache, der Infection oder Autointoxication abhängen würden. 

Die Läsion des Rückenmarks sei immer secundär, auch in jenen Fällen, bei 
welchen bedeutende Erscheinungen des Gehirns klinisch nicht nachweisbar seien. 
Dass diese secundäreu Entartungen der Fyramidenbahnen nicht bei allen Sectionen 
nacbgewiesen wurden, hänge von der späten Entwickelung dieser Bahnen ab, die oft 
erst im 2. oder 3. Lebensjahre vollkommen entwickelt sind. Der Ansicht van Ge- 
buchten's, dass die spastische Mnskelstarre bei Kindern, welche Frühgeburten 
waren, von einer unvollkommenen Entwickelung des Rückenmarks und dem voll¬ 
ständigen Fehlen der Pyramidenbahoen abhängig, also primär spinalen Ursprungs 
sei, tritt Verf. mit der Behauptung entgegen, dass die unvollkommene Entwickelung 
der Pyramidenbahnen wohl die wichtigste Ursache cerebraler Dipl^een, aber nicht 
primärer Natur, sondern die Folge von anatomischen Veränderungen entzündlicher 
Natur, toxisch infectiösen Ursprungs, des Himmantels sei. 

Verf. theilt 7 Fälle eigener Beobachtung mit: 

1. Fall. Allgemeine spastische Starre. 

6 Jahre altes Kind. Normale Gravidität und Geburt Vom 3. Monat Abmagerung, 
Vomitus, Diarrhöen. Einige Monate später bemerkte die Mutter schwere Beweglich¬ 
keit der starren Glieder, Rollen der Äugen, geringe Intelligenz. Status 3 Jahre 
später: Normale Seelenbildung, voluminöser Schädel, Nystagmus horizontalis und 
Strabismus internus des linkeu Auges. Sprache besteht in unarticulirten Lauten. 
Ataxie der oberen Extremitäten, Spasmus der oberen und unteren Extremitäten. 
Beiderseitiger pes varo-equinns, atactisch-spastischer Gang, gesteigerte Reflexe der 
oberen und besonders unteren Extremitäten. Sensibilität und Sinnesorgane normal. 
Kaum merkliche Besserung während des Spitalaufenthaltes. 

2. Fall. Paraplegische Starre und spastische linksseitige Hemi¬ 
parese. 

17jährige Pat.; hysterische Mutter; normale Gravidität und Geburt Bis zum 
13. Monate gesund. Dann plötzlich hohes Fieber durch einige Tage, epileptifomie 
AnAlle, die sich Jahrelang wiederholten, mit abnehmender Intensität und Häufigkeit 


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Seit 9 Jahren keine AnfUle. Erst mit 5 Jahren lernte er gehen und sprechen; die 
unteren Extremitäten waren immer in Flexion nnd Abduction, die Füsse in Varo* 
equiaus'Stellnng, der rechte Arm ebenfalls flectirt im Ellbogengelenke. Bechte 
Extremitäten waren am schwersten betroffen. Err^bnres, zorniges TempMtiment. 
IHe Sprache besserte sich im Laufe der Jahre, war jedoch immer lallend. Gedächtniss 
gut, Schrift nnleserlich. Status praesens: Schwach entwickelt, dolichocephaler Schädel, 
abstehende Ohren, halb geöffneter Mond, schwächere Entwickelung der rechten Ge- 
sicbtsbälfte. Hüpfender Gang, wobei die Beine aneinander streifen und der rechte 
Fuss nachschleift. Rechter Arm adducirt, Vorderarm und Hand in Flexionsstellung. 
Sprache schwer, bnchstabirend, mit guttor.',lem Ton. Gute Intelligenz, leichte Myopie. 
AUgeraeine Steigerung der Sehnenreflexe. 

3. Fall. Doppelseitige Athetose mit allgemeiner Muskelstarre. 

4 Jahre altes Kind. Vater Alkoholiker. Während der Schwangerschaft sah die 
Mutter einen jungen Athetotiker und nahm davon einen tiefen Eindruck mit. Schwere 
Aufregungen wegen der Trunksucht des Mannes. Schwierige Gebart, das Kind kam 
asphyktisch zur Welt. Im Anfänge der 2. Woche bemerkte die Mutter einen ZU' 
stand von Muskelstarre am Halse, an den oberen und später auch an den unteren 
Extremitäten, ferner langsame, aber heftige, im Schlafe sistirende Bewegungen der 
Extremitäten, namentlich der Finger und Zehen. Status praesens: Schädel in der 
liukeo Occipitalgegeod etwas eingedrückt, halboffener Mund, der häuflg unter Mit* 
Wirkung der Zunge Saugbowegungen macht. Fat. hat nie articulirte Laute hervor¬ 
gebracht. Schlingbeschwerden und daran sich anschliessend Hustenanfälle mit suffo* 
catorischen Erscheinungen. Arme adducirt, Vorderarme flectirt, Athetose der Finger; 
Beine adducirt und leicht extendirt, Varo*equiuns, Athetose der Zehen. Im Affect 
erreichen die anormalen Stellungen, sowie die Athetose der Extremitäten bedeutende 
Steigerung, ebenso wie die fast immer andauernde Starre der Muskulatur der Glieder 
und des Halses. Im Schlafe sistiren alle Erscheinungen. Er kann ohne Hülfe nicht 
stehen. Gestützt geht er mit nach hinten gerichtetem Kopfe und Schultern, Gang 
spastisch. Prompter Pusssohlenreflex; die anderen Reflexe wegen der Starre uicht 
zu prüfen. 2 Monate nach der Aufnahme Tod an Bronchopneumonie. Sectiousbefund: 
Beiderseitige Bronchopnenmonie, Hypertrophia cordis, Hyperämie und Hypertrophie 
der Leber, Hypertrophie der Milz. Hyperämie der Hirnhäute, Pia an einzelnen 
Stellen den Windungen adhärent, Windungen plattgodrückt, Stirn* and prärolando’sche 
Windungen weiss-grau verfärbt, von erhöhter Consistenz, gerunzelt, weisse Substanz 
daselbst grau vererbt; leichte Hyperämie der Rückenmarkshäute mit ziemlich be¬ 
deutender Menge von Exsudat im Subarachnoidealraum. Mikroskopisch: Hervenfaseni 
der Pyramidenbahnen sehr dünn, nur im Cervicaltheil deutlich degenerirt. 

4. Fall. Doppelseitige Athetose mit paraplegischer Muskelstarre. 

38jäbriger Fat Hutter alte Hemiplegikerin; Gravidität regelmässig, Geburt 

langwierig und schwer. Bis zum Alter von 10 Monaten war das Kind gesund. 
Daun hohes Fieber, Unruhe, Krampfanfölle im Körper und im Gesicht. Diese hörten 
oald auf, danach Paraplogie und Athetose der oberen, in geringem Grade auch der 
intermi Extremitäten. Normale Intell^enz, unartioulirte Sprache, erregbares, zorniges 
Temperament. Später Masturbation. Status praesens: Schleudernde Bewegungen der 
jlesichts*, Mund* und Zungenmuskeln; auch die Augen in fortwährender Bewegung. 
Sopf nach vom oder seitlich oder nach hinten gebeugt. Athetose der oberen 
Extremitäten und der Zehen. Beine in Adductions* nnd Flexionsstellung. Gang an* 
Dögüch. Einzelne Muskeln der oberen Extremitäten hypertrophisch. Steigerung der 
lebnenreflexe. 

5. Fall. Reine doppelseitige Athetose. 

6 Jahre altes Kind, hereditär nicht belastet. Normale Gravidität, langwierige 
Gebart, keine Asphyxie. Nach 10 Tagen Abmagerung, gelbliche Verfärbung der 


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Haat, unruhiger Schlaf, fortwährendes Weinen. Einige Tage später leichte echleu* 
demde Bewegungen erst an Armen und Händen, dann an unteren Extremitätn, zu* 
gleich geringer Orad von Muskelstarre, yerscblimmemng im Laufe von Monaten, 
Ausbreitung auf Mund-, Augen-, Znngmimuskeln. Intelligenz gering, Sprache auf 
einige Worte beschränkt. Status praesens: Ausser den oben angefährten Symptomen 
Apathie, Opisthotonus, Arme adducirt, Vorderarme und Hände fiectirt, Beine addncii\ 
Varo-equinus, Gang auch bei Unterstfltzung schwer, Intelligenz gut. 

6. Fall. Doppelseitige Chorea-Athetose. 

Mutter des Pai litt während der Gravidität an hysterischen An^en, Vat«: 
Potator uud mit Lues behaftet. Geburt regelmässig, Kind gesund bis zom 4. Lebens¬ 
jahre. Dann plötzlich Fieber, Delirien. Seither konnte er nicht mehr gehen. Die 
unteren Extremitäten flectirt und adducirt, Sprache lallend; Apathie; motoiiscbe 
Schwäche der oberen Extremitäten. Dann folgen atbetotiscbe und choreatische Be¬ 
wegungen in allen Extremitäten, am Stamme, am Halse und im Gesichte. Keine 
Besserung mit zunehmendem Alter. Bei Tag lag er am Boden und bewegte sich 
kriechend wie eine Schlange, die Extremitäten hin- und herschleudend, den Hals 
beugend oder streckend, die Augen rollend, den Mund verziehend. Nor Intelligeoz 
und Sprachvermögen besserten sich etwas. Alle Muskeln spastisch contrahirt, aber 
in mässigem Grade. Steigerung der Sehnenreflexe. 

7. Fall Angeborene spastische Chorea. 

Gesunde Mutter, Vater Arthritiker. Gravidität und Geburt normal. 7 Tage 
nach der Geburt Fieber mit Ictenis. Zu gleicher Zeit choreatische Bewegungen des 
Kopfes und der Extremitäten, in der folgenden Zeit an Stärke und Häufigkeit in- 
nehmend. Lernte erst sehr spät gehen und stehen. Normale Entwickelung der 
Intelligenz, rudimentäre Sprache. Die choreatischen Bew^ungen sind in den obenn 
Extremitäten viel ausgepi^er als in den unteren, da hier starker Huskelspasmas 
besteht. Manchmal auch unwillkfirliche Bewegungen der Augen und des Mundes. 
Steigerung der Sehnenreflexe. J. Sorgo (Wien). 


33) Heber oerebral bedingte Complioationen, welche der oerebrales 
Kinderlähmung, wie der einfachen Idiotie gemeinsam sind, sowie 
über die abortiven Formen der ersteren, von Medimnalassessor Dr. W. 
Koenig, Oberarzt an der Irrenanstalt zu Dalldorf. (Deutsche Zeitschrift f&r 
Nervenheük. 1897. Bd. XI.) 

Der Verf. findet in einer grösseren Anzahl von Fällen den klinischen Unter¬ 
grund für die Anschauung von der engen Zosammeugehörigkeit der cerebralen Einder- 
lähmung und der einfachen Idiotie derart, dass ein fliessender Uebergang stattfindet 
von dem so häufigeu Schwachsinn bei der ersten Krankheit zur Idiotie ohne Lähmoogs- 
erscheinuQgen (Freud). Bei letzterer kehrt vor allem eine Reihe von Erscheinungen 
wieder, welche sich so häufig der cerebralen Eiuderläbmang zugesellen, dass sie sie 
„complicatorische Symptome“ bezeichnet werden. Dieses Verhältniss zeigen 30 Fälle 
von Idiotie ohne Lähmongserscheinungen, und zwar treten auf: Epilepsie, choreatische, 
athetotische Bewegungen, Angenmoskellähmungen, Erkrankungen des Sehnerven. 
Strabismus. Andererseits existiren Fälle von „cerebraler Kinderlähmung ohne Läh¬ 
mung“ (Freud), und zwar findet Verf. an der Hand einer grossen Reihe von Beo¬ 
bachtungen anscheinend einfacher Idiotie den Stfitzpunkt fär die Diagnose einer 
Äbortivform cerebraler Kinderlähmung vor allem in spastischen Symptomen. Zn den 
Spasmen kommen in einigen Fällen noch Andeutungen von Parese, ferner „compU* 
catorische Symptome“, entsprechende anamnestische Daten, und schliesslich stehen 
mehrmals erhobene Sectionsbefunde der Diagnose nicht en^egen. Der Verf. bezeichnet 




877 


die hierher gehörigen spastischen Erscheinungen als „cerebrale Faraspasmen“, bezw. 
„Dispasmen“, und theilt 14 Fälle der ersteren und 3 der letzteren Art mit. 

E. Asch (Frankfnrt a./M.). 


34) Ueber die Westphal’sohe Fseudosklerose und über diffuse Hirn¬ 
sklerose, insbesondere bei Kindern, von Prof. Dr. Strhrnpell in Erlangen. 

(Deutsche Zeitschr. f. Nervenbeilk. 1898. Bd. XII.) 

Zwei eigenartige Fälle chronisch verlanfender, cerebraler Erkrankungen, deren 
kUoiscbes Bild und Sectionseigebnisse in ausführlicher Weise geschildert sind, werden 
mit zwei von Westphal als Pseudosklerose beschriebenen Beobachtungen verglichen 
und unter eben diese Bezeichnung rubricirt. Sie werden aber gleichzeitig der „diffusen 
Hirnsklerose“ gegenübergestellt, wobei sich wieder sehr enge Beziehungen zwischen 
beiden Krankheitsformen ergeben. Ohne auf die Krankengeschichten und die Sections* 
protocolle der einzelnen Fälle einzugehen, sollen die wesentlichsten Merkmale des 
bisher nur wenig bekannten Erankheitsbildes der Pseudosklerose beschrieben werden, 
wie dies vom Verf. selbst in anschaulichster Weise geschehen ist. 

Der klinische Symptomencomplex und der Qesammtverlauf entspricht im grossen 
und ganzen der multiplen Sklerose. Dieser letzteren einigermaassen fremd ist das 
Auftreten des Leidens im jugendlichen Alter, für das sich übrigens ätiologische 
Momente nicht anfstellen lassen (Lues?). Ferner ist von den Störungen in der 
motorischen Sphäre hervorzubeben die eventuell in Form oscillatorischen, gross* 
schlägigen Zitterns sich manifestirende Bewegungsstörung, sowie das Fehlen an¬ 
dauernder und völliger Lähmungen bei bestehenden spastischen Erscheinungen und 
ausgesprochener Verlangsamung der Bewegung besonders im Gebiet der Sprach* 
muskulatnr: Scandirende Sprache. Eine ganze Reihe weiterer Symptome, welche auch 
der multiplen Sklerose zukommen, lässt sich namhaft machen. Verf. weist dann 
noch auf die eventuell zu beobachtende hochgradige Fhospbaturie und Acneentwicke* 
lang, ferner auf die normalen Bauch* und Cremasterreäexe hin. Bei der weit¬ 
gehenden Uebereinstimmung des klinischen Bildes mit dei multiplen Sklerose muss 
das Ergebniss der anatomischen Untersuchung des Centralnervensystem besonders 
auffallen. Denn hier lässt sich im grossen und ganzen sagen, dass keine Ver¬ 
änderungen bestehen, wenigstens sich nicht deutlich machen lassen. Immerhin eigab 
sich ein Mal eine ganz leichte, undeutliche Degeneration der Pyramidenseiteusträuge 
und zwei Mal eine auffallende Consistenzvermehrung der weissen Gehimsabstanz, 
der aber mikroskopisch nachweisbare Terändernngen nicht zu Grunde gelegt werden 
konnten. Eine ähnliche, nur viel weiter ansgedehnte, derbe, lederartige Beschaffen¬ 
heit des Grosshims findet man bei der „diffusen Hirnsklerose“, die ferner in ihrem 
klinischen Verhalten und besonders auch in ihrem häufigen Auftreten im Kindesalter 
eine auffallende Uebereinstimmung mit der „Fseudosklerose“ erkennen lässt. 

E. Asch (Frankfurt a./M.). 


36) ITeber diffnseHirnsklerose, vonO.Heubner. (Cbaritö-Annalen. 1897. )(XII.) 

5jäbriger Knabe, aus gesunder Familie stammend, war bis zum Alter von 
3^/^ Jahren körperlich und geistig gesund und normal entwickelt, nur dass er spät 
und nicht fiiessend sprechen gelernt hat Nach einem Falle aof den Hinterkopf 
leichte Aenderung seines Wesens, spielte nicht mehr gern, war öfter apathisch. 
3/^ Jahre später fiel eine auffallende Tr^heit aller Bewegungen auf, der Gang wurde 
taumelnd. Zunehmende Abmagerung. Znnehmende spastische Lähmung der Beine mit 
Streckcontractur in Höften and Knieen, beiderseits Fes equino-vams. In den Armen 
zuerst starker Intentionstremor, dann auch hier spastische Lähmung. Gleichzeitig 
Schluckstörungen, die derart zenahmen, dass Pat schliesslich nur fiüssige Nahrung 


D g : 7cd / G OOglC 



878 


zu sich nebmeu kouate. Hit dem Krankheitsbe^nn Undeutlicherwerd^ später vbUigts 
Verschwinden der Sprache, so dass in den letzten 5 Honaten nur noch oBTeiständ* 
liebes Lallen möglich war. Incontinentia nrinae et alvi. Zanehmende Verblödung, 
indessen wird im Krankenhanse coustatirt, dass bei Annäbernng bekannter Personen 
eine Reaction von seiten des Kindes erfolgt; es öffnet die Äugen, dreht den Kopf, 
lächelt n. s. w. Kopf und obere Extremitäten fast in fortwährender [Joruhe, ersterer 
wie automatisch hin und hergedreht, die Oberarme ebenso abwechselnd gehoben und 
gesenkt; diese Bewegungen sind besonders intensiv, wenn Pat gewissen vegetativen 
Empfindungen (Hunger, Durst, Stnhldrang u. s. w.) Ausdruck geben zu wollen scheint. 

Das Gebiet des rechten unteren Facialis ein wenig schlaffer als das linke. 
Ophthalmoskopisch Stauungspapille. Gesicht, Gehör, Geruch, Geschmack und Haut* 
Sensibilität Qberall intact, desgleichen die Hautreflexe. Patellarreflexe gesteigert. 
Urin ohne abnorme Bestandthoile. Elektrische Untersuchung ergiebt normalen Be* 
fund. Unter zunehmendem Verfall der psychischen Functionen ond hochgradigster 
Abmagerung, Decubitus, geht Pat. an Bronchopneumonie zu Grunde. Kopfamfang 
war stets normal gewesen, der ophthalmoskopische Befand ergab schliesslich Uiit«* 
gang in Sehnervenatrophie. 

Die Scction ergab ein geringeres Volumen des gesammten Grosshims als normal, 
Klaffen und Verbreiterung zahlreicher Sulci; die so entstehenden Zwischenräume sind 
mit Flüssigkeiten gefüllt, so dass sie an einzelnen Stellen den Eindruck von Cysten 
machen, nirgends aber sind Substanzverluste zu constatiren, sondern nur gleichmässige 
Volumreduction. Beim Schneiden der Himsubstanz deutlich vermehrte Resistenz. Die 
gesammte weisse Substanz ungewöhnlich hart, giebt dem eindrückenden Finger nicht 
das Gefühl des Zurflckweichens, Farbe ist mattgelb, ähnlich altem Elfenbein. Gelass* 
durcbschnitto sind nur vereinzelt zu sehen. Auch die graue Substanz ist härter als 
normal, ihre Farbe blassgrau und blassgelblichgrau. Grenze zwischen grauer und 
weisser Substanz viel schärfer als gewöhnlich. Vermehrt ist auch die Oonsistenz des 
Cerebellums, der Himschenkei, des Pons und der MeduUa oblong., wenn auch nicht 
in dem hohen Grade, wie es beim Grosshini der Fall ist. Die Verhärtung der Snb* 
stanz ist überall vollkommen gleicbmässig. Arterien und Kerven der Basis völlig 
normal. Am Rückenmarke zeigt sich vermehrte Oonsistenz in der Cervicalgegend 
und besonders am Lendenroarke, Zeichnung des Querschnittes überall normal. 

Die histologischen Details sollen anderen Ortes ausführlich mitgetbeilt werden. 

Verf. war in Folge der klinischen Beobachtung der Ansicht gewesen, dass ea 
sich um einen Grossblratnmor mit consecutivem Hydrocephalus internus gehandelt 
habe, hält indess für möglich, dass er bei genauerer Kenntuiss der einschlägigen 
Litterator vielleicht schon intra vitam die Diagnose einer diffusen Hirnsklerose, wie 
sie von Schmauss, Busse u. A. geschildert worden ist, gestellt hätte. Hit Recht 
hält er seinen Fall für eine werthvoUe Bereicherung unserer Kenntnisse über diese 
seltene und ätiologisch wie klinisch noch recht dunkle Krankheit. 

Martin Bloch (Berlin). 


3d) Soldrose odrebrale hdmispberique: Idiotie, hdmipldgie droite et epi* 
lepsie ooDsöcutives, par Bourneville. (Ärcb. de Neurol. 1897. Vol III. 
Nr. 15.) 

Der hereditär schwer belastete Patient war gesund bis zum 5. Lebensjahr, wo 
eines Tags, morgens, heftige Convulslonen von der Dauer von einigen Minoten auf* 
traten. Abends wiederholten sich die Convulslonen, betrafen aber nur die rechte 
Seite und dauerten 6 Stunden; von da ab während 3 Monaten täglich Convulsiooeo 
der rechten Seite, die Vs—I Stunde anhielten. Darnach spastische Lähmung der 
rechten Seite, ferner die Zeichen der Idiotie. Vom 13. Lebensjahre an Auftreten 
von klassischer Epilepsie. Tod im 21. Lebensjahr im Status epilepticus. 


Googl 


c 



879 


Bei der Autopsie ei^ab sich Atrophie und Sklerose der ganzen linken Hemi* 
Sphäre, auf welche der Verf. die im 5. Lebensjahr aufgetreteuen, lange anhaltenden 
(^oruisionen, die Lähmung, die Idiotie und Epilepsie zurdckfahrt. Der Tract. opt. 
das Corp. mamiUare, der Pedonculus cerebri, die Brftcke und Bulbus der linken 
Seite zeigte secundäre Degeneration. — Vier photographische Abbildungen, die die 
Veränderungen des Qebims gut zur Anschauung bringen, sind beigegeben. 

M. Weil (Stuttgart). 


37) Farapldgie epasmodique infantile, par Virsiola. (Arch. de Eeurol. 1897. 
Vol. HL Nr. 18.) 

Die Uittheilung betrifft einen 6jähr. Jungen, der Idiotie, hochgradige Schädel* 
Verbildung und spastische Paraplegie aufwies. Der Vater des Pat. war Alkoholist. 
Der Verf. ist der Ansicht, dass das auf Entwickelungshemmung beruhende Leiden 
des Pat. nicht dem Alkobolismus des Vaters, sondern einem heftigen Schrecken zu- 
zoscbreiben sei, welchen die Mutter im 5. Monat der Schwangerschaft erlitten hatte. 
Er schliesst dies daraus, dass die vor und nach dem Pat. geborenen Kinder alle 
gesund wareu. M. Weil (Stuttgart). 


38) Zar Therapie der Kinderlähmungen. Sehnenüberpflanzung in einem 
Falle spastiaober cerebraler Faraplegie (sogen. Little’aober Krankheit), 
von A. Eulenburg. (Deutsche roed. Wochenschrift. 1898. Nr. 14.) 
Muskelrigidität, krampfhafte Muskelstarre, ist der am meisten charakteristische 
Zug der cerebralen, spastischen Kinderlähmung. Bei der Genese der Zwangsstellungen 
spielt die „durch die centrale (corticale) Erkrankung bewirkte krankhafte Veränderung 
der von der Rinde ausgehenden, regulirenden Innervationseinflüsse des physiologischen 
Mnskelantagonismns“ eine Hauptrolle, und zwar befinden sich meist die Flexoren 
in dem Zustande der Hyperinnervation. Verf. suchte in einem typischen Falle von 
spastischer Gliederstarre die vorhandene spastische Pes varo-equinusstellung, welche 
durch Elektricität, passive Gymnastik nicht wesentlich beeinflusst war, durch Sehnen- 
hberpflanzamg zu bessern. Prof. Sonnenburg operirte zunächst am* rechten Fusse 
(2. December 1897). — Nach Freilegung der Achillessehne wurde die peroneale 
Hälfte derselben mit einem Stöck des Sulcus berauspräparirt und von der ver¬ 
bleibenden Sebnenhälfte, die nachtr^licb durchschnitten wurde, abgelöst. Bei mög¬ 
lichst übercorrigirter Fussstelluug wurde sodann in den vereinigten Sehnen des 
Peroneus longns und brevls eine schlitzförmige Oeffnung angelegt uiul in dieser das 
abgelöste Stück von Acbillessebne und Soleus mit den darunter gelegenen Muskel- 
bfindeln und den Rändern des Sehnenschlitzes vereint. Fixation des Fusses in 
stark dorsalflectirter und prouirter Stellung durch Gypsverband uach Anlegung der 
Hautnähte. Kasche Wundheilung, keine spastische Innervation, Fuss und Zehen in 
jeder Richtung gut beweglich: bei faradischer Beizung des N. tihialis in der Knie¬ 
kehle pronirende Fussbewegung mit Erhebung des äusseren Fussraudes. Am 18. Januar 
1898 die gleiche Operation am linken Fusse, jedoch ohne Tenotomie des Acbillos- 
sebnenrestes; guter Erfolg. — Derselbe erklärt sich „durch einen auf centripetalem 
W^e angeregten intercentralen Auslösungsvorgaug in den die antagonistisch-tonische 
Innervation beherrschenden Grossbirnrindengebieten“. — Der ludicationskreis für die 
SehnenfiberpflanzuDg umfasst neben den paralytiscbeu Fussdeformitäten auch die 
spastischen, die Zwangsstellungen bei der cerebralen Kinderlähmung, vielleicht auch 
die partiellen Lähmungen nach Hemiplegieen, peripherische Partiallähmungen u. a. 

R. Pfeiffer (Cassel). 

38) Transplantation of tendon for infantile para'iysis, by F. S. Eve. (Brit. 
med. Journ. 1898. May 7. S. 1200.) 

Verf. hält in der Londoner klinischen Gesellschaft einen Vortrag Ober Sehnen- 
verpflanzuDg, um Deformitäten bei infantiler Paralyse zu corrigiren. Die Sehue des 


D g ii/od oy GoOg IC 



880 


gel&hmteD Muskels wird durch einen Längsschnitt freigelegt, nnd ein Stäck Sehne, 
Ton einem normalen Muskel genommen, hinein transplantirt. — Bei einem 9jährigeii 
Knaben war in Folge von Peroneustrennung (die Sntnr der Nervenenden vrar, ohne 
die beabsichtigte Nervenvereinigung zu erreichen, verlaufen) die Waden* und Zehen* 
streckmnskulatur gelähmt Vom Tibialis posticus wird ein Stock Fasern genommen 
and in die Sehne des Ext. digit. long. inserirt; ferner ein Streifen vom Tendo Achilles 
in die Sehne des Peronens longus. 

In einem anderen Falle gewöhnlicher Kinderlähmung hatte sich ein hochgradiger 
Talipes equino varus und Pes cavos gebildet mit vollkommener Lähmung des Peroneus 
long. und des Ext. digit long., der Tendo ÄcblUis wird verlängert ferner ein Sehnen* 
Stock des Tibialis und die Sehno des Ext. digit. long. transplantirt Der ^olg var 
völliges Verschwinden des Pes equinus. L. Lehmann I (Oeynhausen). 


in. Bibliographie. 

Physiologie der Haateinneenerven, Gesammelte Abhandlungen von A. Gold¬ 
scheider. (1898. Bd. I. 432 S. 6 Tafeln. [Leipzig. J. A. Barth.]) 

Auf Anregung des Berliner Psychologen, Prof. Stumpf, hat sich Yeti 
zu einer gesammelten Herausgabe seiner Arbeiten auf dem Gebiete der Physiologe 
der Hautsinnesnerven und des Muskelsinnes entschlossen. Der erste Band umfasst 
20 Abtheilungen aus den Jahren 1881 —1891, welche sich grösstentheils mit der 
Physiologie der Hautsinnesnerven beschäftigen; nur die erste Abhandlung vom 
Jahre 1881 beschäftigt sich mit der Lehre von der specifischen Energie im All* 
gemeinen, und zwei kleinere Mittheilnngen behandeln einen Fall von Biesenwnehs 
bezw. die Erregbarkeit der einzelnen Geschmackspapillen. Fast alle sind bermts in 
diesem Centralblatte zur Zeit ihres Erscheinens mehr oder weniger eingehend be¬ 
sprochen worden (vergl. namentlich Jahrg. 1886, S. 173; Jahrg. 1887, S. 175; 
Jahrg. 1888, S. 16, 133 u. 134; Jahrg. 1889, S. 73 n. 170; Jahrg. 1890, & 172, 
327, 687; Jahrg. 1891, S. 15, 81, 124 u. s. f.). Heute würde sich nur «Ue Frage 
erheben, wie weit gegenüber der fortgesetzten wissenschaftlichen Forschung diese 
Arbeiten noch wertbvoll sind. Diese Fr;^e ist für die meisten zu bejahen. SpedeU 
haben die auch an Zahl überwiegenden Arbeiten über die Temperatnrempflndungen 
auch heute noch eine fast actnelle Bedeutung, man darf speciell wohl sagen, ^ 
die Neuropathologie die in diesen Arbeiten niedei^elegten Ergebnisse auch heute 
noch nicht in dem verdienten Umfange aasgenutzt hat Dabei ist selbstverständlich, 
dass inzwischen auch einzelne Irrthümer anfgedeckt und berichtigt nnd manche As* 
gaben von anderen Forschem ergänzt und erweitert worden sind. Für die Heraus¬ 
gabe des zweiten Bandes, welcher die Abhandlungen ans dem Gebiete des Muskel* 
Sinnes enthalten soll, möchte daher Bef. doch vorschlagen, dass Verf. wenigstens an 
den wichtigen Fnnkten in einer kurzen besonderen Anmerkung auf solche neuoe 
berichtigende and ergänzende Arbeiten hinwiese; der Werth dieser Sammlcng würde 
hierdurch noch wesentlich erhöht. Auch ohne solche Znfügnng ist er nicht gering- 
Psychologen and Physiologen und Neuropathologen werden mit dem Bef. für die 
Herausgabe der gesammelten Abhandlungen dankbar sein. Th. Ziehen. 


IV. Beriohtlgiing. 

Neurolog. Ceutralb., Nr. 17, S. 791, Z. 16 von oben, lieas: Durohsehoittllche DiSnoi 
beider faradiacheo Pole 10 mm (statt 20—25 mm). 

Um Einsendang toq Separatabdrücken an den Herausgeber wird gebeten. 

Einaendongen für die Bedaction sind zu richten au Prof. Dr. E.Mendel, 

Berlin, NW. Schiffbanerdamm 20. 

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JCT 24 18ö8 

Ieürologisches Centralblatt. 

Uebersicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie 
und Therapie des Nervensystems einschliesslich der Geisteskrankheiten. 

Herftosgegeben von 

Professor Dr. E. Hendel 

Siebsehnter ” Jahrgang. 

Monatlich encbeinen zwei Nnmmern. Preis des Jahrganges 24 Mark. Zn beziehen durch 
alle Bochhandlnngen des In- und Auslandes, die Postanstalten des Deutschen Beichs, sowie 
direct von der Verlagsbuchhandlung. 

1898. 1. October. Nr. 19. 


Inhalt: I. OfiginalffllHheliungen. 1. Veränderungen der Nervencentren nach Aus- 
reissang der Nerven mit eininen Erwägungen betreffj ihrer Natur, von G. Marinesco. 2. Zur 
Histotecbnik ganz beginnender Strangdegenerationen, von Priv.-Doc. Dr. Karl Schaffer. 
3. üebor einen Hypothenarreflex, von Dr. F. Holzinger. 

II. Referate. Anatomie, l. El sistema nervioso del hombre y de tos vertebrados, per 
S. Ramön y Cajal. 2. Snlla cariocinesi delle cellnle nervöse, per 6 . Levl. — Experimentelle 
Physiologie. S. Ricerche egogradcbe nella donna, per Q. C. Ferrari. — Pathologische 
Anatomie. 4. Etüde d’nn cas de spina bifida, par Joseph Baylac et Lucien Lagreffe. 5. Ein 
neuer Fall von partieller Verwachsung beider Grussbirnbemisphären, von R. Seellgmafln. — 
Pathologie des Nervensystems. 6. lieber die besondere Form von Hysterie, wie sie in 
allgeiDcineD Krankenhäusern zur Beobachtung kommt, von V. v. Holst. 7. Bin Fall von kindücber 
Hysterie unter dem Bilde einer tubercul. Meningitis (Psendomeningitis byst.), von L. Bliimenau. 
8. Hysterische Sebstörongen im Kindesaltcr, von M. Weil. 9. Hysterie infantile en Vendde, 
par F. Fsrrier. 10. Beiträge zur Xenntniss der bysteriseben Alfectioneo bei Kindern, von 
Ferdin. Steiner. 11. Einige Worte Ober infantile Hysterie, von F. Steiner. 12. A case of 
bysterical dyspbagia, by LlewelHn Eliot. IS. Diagnosis and treatment of spasmodic stricture 
>f the oesopbagus, by J. C. Rüssel. 14. Trismus bystdrique, persistant durant plus de neuf 
mois, par Bidlot (p^re) et Francotte. 15. Note sor ia retraction de I’aponevrose paimaire, 
)av Firi. 16. Hysterische, systematisirte Contractur bei einer Ekstatischen, von Jane!. 
.7. Scoliose ct torticolis byst^riques. par Mirallld et Chapus. 18. Nevrologia nel distretto 
lol plesso brachiale di natura istenca; diatesi di contrattura, per Negro. 19. lieber den 
lüsten, speciell den nervösen, von Schech. 20. Ueber Pupillenstarre im hysterischen An-\ 
alle nebst weiteren Bemerkongen zur Symptomatologie nnd Differentialdiagnose bysteriseber 
ind epileptischer Anfälle, von Karplus. 21. Hysterical paraplegia in a ebild, by Simpson. 
12. Casuistische Mittheilungen, von Qlaeser. 23. Des patalyaies post-anesthesiques, par 
^chwartz. 24. Des perversions de Ia motilitö dans rbystörie. Un cas de chor^e rbytbmee 
lyatdrique chez on borome, par Glorieux. 26. Hysterical double ptosis, by Kiernau. 26. De 
X difficnltd du diagnostic de l’appendicite chez Ics hysteriques, par Rendu. 27. Ekzema 
:almairG chez une hysterique, par Montfort et Miratliä. 26. Un cas d’anurie bysteriqne avec 
Ijoaination supplementaire de Turöe, qui a durö pendant douze jours (le 6—18 du mois de 
lai) chez une femme hysterique, guerie complctement, par Guisy. 29. Deux observätions 
c troubk-s vnso-moteurs d’originc hysterique, par Nauhelmer. 30. Xerostomia(Müatb-DryDess), 
y Sharp. 81. Neuritis iscbiadica, Neuralgia iscbiadica und Hysterie. Ein nenes differential- 
iagnostisohes Symptom nebst einigen Bemerkungen, von Biro. 32. Contributo alla diagnosi 
alla curs nelle artraigi istciiohe, per Bianchi. 33. On cyclone — neuroses and psyeboses, 
Y Sremof. 34. Ueber einen eigenartigen hysterischen Dämmerzastand (Ganser). Casnistische 
ittbeilnng von Binswanger. 85. Ueber einen eigenartigen hysterischen Dämmerzustand, 
>n Gansor, 36. Oase of acute ataxy of one limb, by Thomson. 37. Nenrastbenie, von Ziehen. 
i. Ueber einige Beziubungen zwischen Neurosen und örtlichen Erkrankungeo, von Stern- 
irgt 39. Ueber ein Pnlsphänomen bei Nearasthenikern, von Erben. 40. Die moderne 
eberbtirdung, von WHdermuth. 41. Importanza dell’ autuintossicazioni nelle nevropatie, der 
lostlni. 42. Neurastbenischer Hanger, von Benda. 43. Le traitement propbylactique de 
lysterie, par Verhoogen. 44. Ueber die Behandlung von Nervenkranken und Psychopathen 
ircb Dötzliclie Muskelbeschäftiguog. von Monnier. 15. Die Nervenkrankheiten und die 

56 




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882 


durch dieselbeu heding^te Mortalität in der russiachen Armee, von Gorsehkow. — Psj* 
chiatrie. 46. Certain pbysical aigns in mclancholia, by Stoddari. 4T. Perio^cbe Psy¬ 
chose und Exacerbation von Psoriasis zur Zeit der Erreirnngszostände, von Fries. 48. Das 
Irrenwesen in Ungarn, von Epstein. 49. üeber acute Psychosen bei Koprostaste (Deliriuiu 
acntntn dnrch intestinale Antointozicationen), von v. SSIder. 50. Beitr^e zu den Poerperal- 
psycbosen, von Slegenthtler. 

III. Aus den Gesellschaften. Finska läkaresällskap. 


I. Originalmittheilungen. 

1. Veränderungen der Nei*vencentren 
nach Ausreissung der Nerven mit einigen Erwägungen 

betreffs ihrer Natur. 

Von G. Harlnesoo, 

Professor an der medicin. Facnltät zo Bukarest, Chefarzt am Krankenhaus PanteliinoD. 

Es ist heute erwiesen, dass die Dnrchschneidung eines motorischen oder 
sensitiven Nerven in seinem Ursprungscentrum eine ^ihe Veränderungen herbei- 
führt, weiche den von mir als „räaction ä distance“ (Entfemungsreaction) be¬ 
nannten Process ausmachen. Für mich ist es sicher — und diese Ansicht ist 
seitdem von einer Anzahl Autoren angenommen worden —, dass es sich hierbei 
um Reactionsersoheinungen bandelt, welche das Zeichen sind für die jedem Neuron 
eigenthümliche Neigung, seine vom Trauma herrübrenden Veränderungen zu 
repariren. Es würde somit diese „Entfemungsreaction“ keine richtige D^neration 
sein und die zuerst von mir voigesohlagene Bezeichnung „NissL^sche Degeneration“ 
würde ihr nicht zukommen. Allerdings habe ich, indem ich mit dieser Be¬ 
zeichnung die Veränderungen benannte, welche die Nervenzelle nach Ausreissen 
eines ihrer Fortsätze erleidet, damit nicht r^ressive Erscheinungen bezeichnen 
wollen — das beweist schon der von mir gleichzeitig gebrauchte Ausdruck 
„Reactionsphase“ —, sondern ich wollte einen Unterschied feststellen zwischen 
diesen Läsionen und denjenigen, welche Fobel, Hagen u. s. w. beschrieben 
haben, mit denen sie einige Autoren ungerechtfertigterweise verwechselt haben. 
Andererseits war der Name „Nissn’sche Degeneration“, welchen ich durch 
„NiBSL’sche Reaction“ ersetzen könnte, eine dem Schöpfer der feinen Nerven¬ 
zellenpathologie erwiesene Ehrenbezeugung. Uebrigens nehme ich mir vor, in 
dieser Arbeit zu zeigen, dass in der Reihe der Veränderungen, welche in der 
Nervenzelle nach der Nervenresection auf einander folgen, ein Zeitpunkt, eine 
Periode auftritt, welche den Namen „Degeneration“ wohl verdient. 

Ich habe^ die Erscheinungen, welche sich in der Nervenzelle nach Resecüon 
ihrer Fortsätze zeigen, in 3 Phasen eingetheilt: 

a) Reactionsphase, 

b) Reparationsphase, 

c) Degenerationsphase. 

' Pathologie der Nervenzelle. Presse medicalc. 1897. 27. Jan. 


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883 


Die erste dieser Veränderangen ist dank den Untersachnngen von Nibsl, 
Mabinesco, Ballet u. Dudil, Lügabo, Flatau, van Gehuckten, Sano u. A. 



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gut studirt worden. Sie charakterisirt sich — und dies haben die meisten der 
genannten Autoren bewiesen — durch die Auflösung der cbromatophilen Ele¬ 
mente und durch die Verschiebung des Zellkerns, welcher das Centnim verlasst, 
um sich nach der Peripherie zu wenden. Mit Fortschieiten der Reparation 
dieser Veränderungen nimmt der Zellkörper au Volumen zu, der Zellkern nimmt 

56* 


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884 


seine ursprüngliche Lage wieder ein, und die Zelle zeigt eine deutliche Pjcno- 
morphie (Fig. 1). 

90 Tage nach Durchschneidung des Hypoglossus hat die Hypertrophie der 
Nervenzellen ihr Maximum erreicht Einige derselben erreichen sogar beträcht¬ 
liche Dimensionen, welche den Namen „Riesenzellen“ rechtfertigen. Zu bemerken 
ist, dass diese letzteren Elemente sich von den Zellen des unversehrten Kerns 
nur durch die Volumsvermehrung unterscheiden; mau könnte von einer hj'per- 
trophischen Zelle im Zustande deutlicher Pycnomorphie sprechen.^ Die proto¬ 
plasmatischen Ausläufer dieser Zellen sind ebenso hypertropbiert Nach 
100 Tagen — ich spreche immer von den Zellen des Hypoglossuskerns — haben 
die Zellen Neigung auf ihr normales Volumen zurückzugeheu. ln der That ist 
bei einem Thier, welches 111 Tage nach der Resection getötet wurde, der Unter- 


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Fig. 2. 


schied zwischen den beiden Kernen nicht mehr so ausgesprochen, und — was 
wichtig' ist — die Vereinigung beider durchschnittenen Enden war so voll¬ 
kommen, dass die Spur der Durchschneidung vollständig verschwunden war. 
Man sieht also bei dem Reparationsprocess nach der Durcbschueidung eines 
Nerven das merkwürdige Phänomen sich abspieleu, dass die Nervenzelle, statt 
direct zur Norm zurückzukebren, vielmehr ein hypertrophisches Stadium zeigt, 
welches bis zum 100. Tage ansteigt, darauf nimmt die Zelle au Volumen ab. 
Herr van Gebuchten hat in seinem Bericht auf dem- M(«kauer Cougress dies 
bestätigt. 

Einzelne Zellen können den Reparationskosten ihres peripherischen Fort¬ 
satzes nicht genügen und atrophiren oder verschwinden, andere hingegen zeigen 
eine gewisse Menge Energie und überleben so die Durchschneidung ihres Aien- 
cylinders. 


‘ Vergl. meinen Bericht auf dem internationalen Congress zu Moskan: Üeber die 
Pathologie der Nervenzelle. 


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685 


Aus diesen Tbatsachen zog ich den Schluss, dass die Begeneration der 
peripherischen Nerven der getreue Ausdruck der Reparationserscbeinungen ist, 
welche sich in der Nervenzelle abspielen und umgekehrt 

Wenn also die Nervenregeneration ihren normalen Lauf nimmt, so vollzieht 
sich die Reparation der Zellen in gleicher Weise. Wenn hingegen die Rege¬ 
neration gehemmt ist, so kann die Kraft der Reparation mehr oder weniger 
vernichtet sein. Die Regeneration der peripherischen Nerven ist also die Function 
der Zellenreparation und letztere hängt von ersterer ab. Wie ist aber diese von 
mir vor mehr als einem Jahre ausgesprochene Meinung zu beweisen, wie kann 
man die Regeneration eines peripherischen Nerven nach seiner Durchschneidung 
hemmen? Dies ist auf sehr einfache Weise durch die Resection eines Nerven 
auf einer langen Strecke möglich oder noch besser, indem man ihn ausreisst 



Wenn man nun den Hypoglossus bei einem Kaninchen ausreisst, so constatirt 
man folgende Veränderungen: 

Zuerst geht die Reactionsphase sehr schnell vor sich, die Zellen sind 
sämmtlich stark verändert und befinden sich nach Verlauf von 20 Tagen, statt 
Pycnomorphie mit Schwellung des Zellkörpers zu zeigen, vielmehr im Stadium 
fast völliger Apycnumorphie und alle ihre Theile zeigen Volumsabnahme. Diese 
Zellatrophie erreicht einen beträchtlichen Orad nach ^'erlauf eines Monats und 
in dieser Hinsicht kann* man die oberen Gruppen der Zellen des Hypoglossus- 
keros und die unteren unterscheiden, indem die Veränderungen weit vor¬ 
geschrittener in letzteren sind, ln der That sieht man bei Prüfung eines 
Schnittes in der Höhe des unteren Drittels des Hypoglossus (Fig. 2 u. 3), dass 
die Zellen auf der Seite des ausgerissenen Nerven für die meiste Zeit unsichtbar 
geworden oder vollständig verschwunden sind; „unsichtbar^ weil man die 
Spuren nur mit starker Vergrösserung sieht. Hierbei zeigen sich die Zellen 
unter der Form der blassen, atrophirten Elemente (Figg. 4—7); ihr Protoplasma 


886 


ist einförmig, eher durchscheinend als undurchsichtig; der Kern mit seinem 
ganzen Inhalt ist stark atrophirt, die Ausläufer der Zelle sind vollständig ge- 
sohwunden oder bis auf weniges reduoirt Zuweilen begleitet sc^r diese Atrophie 
eine Aenderung der achromatischen Substanz, was im Inneren der Zelle Con- 



Fig. 6. Fig. 7. 


tinuitätstrennuDgen bedingt. Es ist dies eine schwere Schädigung, auf welche 
ich schon mehrmals die Aufmerksamkeit gelenkt habe. 

Neben diesen blassen Zellen, welche ihrer Blässe wegen mehr oder weniger 
unsichtbar scheinen, findet man andere, welche sich nicht nur durch ihre 

Atrophie, sondern auch durch ihre dunklere Fär¬ 
bung auszeichnen (Fig. 8: A, C, J), E). Hier 
sind Körper und Ausläufer der Zelle stark atro¬ 
phirt und merkwürdigerweise ist der Kern nicht 
in gleichem Grade wie das Zellplasma atrophirt 
Die dunkle Zellfärbung bängt von 2 Factoren 
ab, einmal von dem Zurückbleiben einer gewissen 
Menge chromatischer Substanz im Zellplasma, 
dann aber auch von der Thatsache, dass sich 
die chromatische Substanz blau färben lässt 
Gern hätte ich noch näher präcisirt und fest¬ 
gestellt, auf welchen Theil der achromatischen 
Substanz diese Färbbarkeit kommt Man weiss nun 
seit den Untersuchungen von Gajal, van Gehucbten und Mabinbsco, dass die, 
achromatische Substanz selbst sich aus zwei Theilen zusammeusetzt, aus einem 
organisirten, fibrillären, reticulären Theile und einer amorphen Grundsubstanz. 
Die Färbbarkeit dieser letzteren in den verschiedenen pathologischen Zuständen 
steht ausser Zweifel nach den Forschungen aller derer, welche sich mit der 
feineren Pathologie der Nervenzelle beschäftigt haben, seitdem Nissl hierauf 
die Aufmerksamkeit gerichtet hat 



Fig. s. 


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887 


Vielleicht verdankt nun, doch möchte ich diese Meinung nur mit grosser 
Eeserve aassprechen, die achromatische Substanz ihre Färbung der Retraction 
des fibrillären Netzes der Nervenzelle. 



Ich wäre umsomehr geneigt diese Ansicht zuzulassen, als ich gezeigt habe, 
dass wenigstens für die Spinalganglien — und hier trenpe ich mich von meinem 



Pig. 10. 



verehrten CoUegen Dr. Nissl — der als „Chromophilie“ bezeichnete Zustan(i^ 
zum grossen Theil von der Dichtigkeit des Netzes des Zellplasma abhängt. 
Wäre die Retraction im pathologischen Zustand 
bewiesen, so ivürde diese Erscheinung einiges 
Licht auf die so lange bestrittenen amoeboiden 
Eigenschaften der Nervenzelle werfen. — Die 
Zellen, welche sich im oberen Theile des Kerns 
befinden, sind zwar deutlich atrophirt, haben 
aber ihre gewöhnliche Form bewahrt (Fig. 9). 

Es sind also die von den chromatischen Eie- 
menten entblössteu protoplasmatischen Aus¬ 
läufer verSüSlit, kürzer als gewöhnlich (Figg. 10—12). Will man sie zählen, 
so findet man ihre Zahl geringer als bei den Zellen des unversehrten Kerns. 
Das Centrum der Zelle ist blass und einförmig, die chromatische Substanz bietet 



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- 888 -- 

sich iü Form rou unregelmässigen Körperchen dar, die an der Peripherie der 
Zelle in Zügen oder um den Kern herum in Form eines unroUst&ndigen Kreises 
oder eines Halbmondes veitheilt sind. Der Kern selbst ist atrophirt, seine Membran 
zuweilen gefaltet; er liegt excentrisch. Hier möchte ich noch erwähnen, dass 
die intranucleären Körperchen, welche Baßts unter dem Namen „metachro- 
matiscbe Körperchen“ beschrieben bat, atrophirt, verschwunden sind. 

Um die Unterschiede zwischen den Kernveränderungen nach Durchschneiden 
und nach Ausreissen des Hypoglossus besser zu erkennen, m^ der Leser die 
Figuren 1, 2 und 9 miteinander vergleichen. Die erste stellt in R die Kem- 
zellen in Reparation dar; dieselben sind hypertrophisch, im Zustand der Prcno- 
morphie. In Fig. 2, wo der Nerv links ausgerissen ist, sind die meisten Zellen 
verschwunden, der Rest besteht aber aus blassen, atrophirteu Zellen, ln Fig. 9 
endlich sind die Zellen des Kerns auf der lädirten Seite deutlich atrophirt, haben 
aber ihre gewöhnliche Form bewahrt. 

Diese Resultate der experimentellen Pathologie vermögen Licht zu werfen 
auf die Natur der Läsionen, welche man im Rückenmark bei Amputirten beo¬ 
bachtet Die Forschungen von Hatbm und Gilbbbt, von Edikoeb, von Kbause 
und Friedländeb und meine eigenen^ haben die Tbatsache sichergestellt, dass 
nach Amputation gewisse Zellgruppen vollständig verschwinden. Nach meinen 
Forschungen verhindert nun die ßesection der Nerven oder vielmehr das Aus¬ 
reissen {denn die Vereinigung beider Enden ist nicht mehr vorhanden) die 
Eleparation der Keactionsveranderungen der Nervenzelle und hat dann den Tod 
der Zelle zur Folge. JJebrigens bestätigen nicht nur diese erwähnten älteren 
Forschungen meine Ansicht, sondern auch ein neuerer, jetzt erst von mir beo¬ 
bachteter Fall. Im Lumbalmark eines an den Folgen einer Beinamputation 
Gestorbenen (der Tod erfolgte nach einem Monat), sah ich die Nervenzellen im 
Keactiousstadium ohne irgend eine Spur von Reparation; im Gegentheil, es 
zeigten sogar einige Zellen einen leichten Grad von Atrophie. Das Gleiche 
konnte ich an Präparaten constatiren, welche Herr Sat^o d’Amtiebs mir in 
liebenswürdiger Weise übersandt hat, und welche vom Rückenmark Amputirter 
stammen. 

Beim Amputirten — ebenso wie beim Thier, welchem man einen Nerven 
ausgerissen hat — folgt auf die Reactionsphase nicht Reparation. All’ dieses 
beweist, dass die völlige Reparation der centralen Läsionen nur nach Wieder¬ 
herstellung der Continuität des Nerven statthat; dies ist aber bei Amputation 
und Aussreisseu der Nerven nicht der Fall. Trotz der grossen Achtung für 
N'issl kann ich daher auch seinen Folgerungen nicht beipflichten, dass es 
nämlich ganz gleichgültig sei, ob es sich um Durchschneiden, Resection oder 
Ausreissen eines Nerven handle.* Doch muss ich hinzufügen, dass der Heidel- 

‘ Ueber Veränderungen der Nerven und des Räckenmarka nach Amputation. Neurolog. 
Centralbl. 1892, S: 463 und Lesiona de la moSlIe dpiniere dans nn cos d'amputation coq- 
irenitale des duigts, par Sooqoes et Mabikbsco. Presse mddicale. 1897. 2. Juni. 

’ Ueber eine neue Untersuchangsmetbode des Centralorgans speciell zur Feststeüang 
der LocalisatiüD der Nervenzellen. Centralbl. f. Nervenheilk. 1894. Juli-Heft. 


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889 


berger Gelehrte die Keruatropbie nach Ausreissen einer Complication zuschreibt. 
So wenigstens erklärt er die FoRSL’schen Experimente, nach welchen die Durch- 
schneidnng des Facialis an seinem Ursprung Kematrophie bedingt, während die 
einfache Durchschneidnng ausserhalb des Schädels nicht gleiche Veränderungen 
zur Folge hat. 

An der Hand dieser Resultate könnten wir gleichfalls die so bemerkeos- 
werthen Resultate der GunnEN’schen Methode deuten. Bekanntlich riss der 
grusse Gelehrte bei jungen Thieren Nerven aus und constatirte daun eine 
Atrophie des Ursprungskerns dieser Nerven. Um diese Thatsache, welche mit 
dem WALLEB’schen Gesetz scheinbar nicht in Einklang zu bringen war, zu er¬ 
klären, bezog er diese Veränderungen auf das Alter des Tbieres, während bei 
dem ausgewachsenen Thiere das Centrum Sn^blich iutact bleiben sollte. Letztere 
Behauptung ist nun aber — wie sich gezeigt hat — ungenau; die Forschungen 
todNissl, meine eigenen, ferner diejenigen von Ballet undDoTiL, vouLdgowet 
haben in evidenter Weise bewiesen, dass auch beim ausgewachsenen Thiere die 
Xervencentren nach der Nervendurchschneidung reagiren. Es besteht demnach 
zwischen dem ausgewachsenen und dem jungen Thiere nur ein Gradunterschied, 
indem ersteres schneller als letzteres reagirt. Wir müssen also anerkennen, dass 
das Charakteristische für die durch die GuDDEN’sche Methode erhaltenen Resultate 
die Art und Weise ist, wie man auf den Nerv einwirkt; und zwar führt das 
Ausreissen des Nerven die von Güdden angegebenen Folgen herbei. 

Was das BBstorische bei dieser Fr^e anbetrilft, so muss ich einige inter¬ 
essante Daten anführen. Foeel, welcher interessante Untersuchungen über die 
Läsionen nach Nervendurchschneidungen gemacht hat, behauptete, dass nach Aus- 
reissen des Facialis bei einem ai^gewachseneu Thiere das Resultat das gleiche 
ist, wie beim neugeborenen Thiere: das Ursprungscentrum verschwindet. Aller¬ 
dings kommt nach diesem Autor dass Ausreissen eines Hirnnerven seiner 
Durchschneidung an der Schädelbasis gleich, da nach seiner Meinung das Aus- 
reisseu dieses Nerven nicht das Ausreissen seiner Wurzeln zur Folge bat. 
Uebrigens ist vor diesem Autor Gulden selbst auf seine Ansicht zurückgekommen 
und bat zugegeben, dass bei seinen Experimenten nicht nur das Alter des 
Thieres, sondern auch die Stelle, wo der Nerv durchschnitten wird, eine Holle 
spielt. 

Es ist vorläufig schwer zu sagen, ob das Ausreissen eines Nerven von dem 
Ausreissen seiner Wurzeln b^leitet ist; jedenfalls aber würde diese Beschädigung 
nur den Axencjliuder betreffen, während die protoplasmatischen Ausläufer intact 
bleiben müssten; nun sind aber letztere in Wirklichkeit — wie wir gesehen 
haben — atrophirt. 

Man siebt also den Unterschied zwischen einem Nervencentrum, bei dem 
man den Nerv durchschnitten, und einem anderen, bei dem man denselben 
Nerv ausgerissen hat. Im ersten Falle bieten die Nervenzellen nach 30 Tagen 
einen Zustand von deutlicher Pycnomorphie oder Hyperchromatose mit Ver- 
grösserung des Zellleibes dar, im zweiten Falle ist die Zelle vielmehr atrophirt 
und die Chromatose auf Null reducirt. 


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890 


Was also die Veränderungen der Neirenoentren nach Ausreissen der Nerven 
cbarakterisirt, ist einerseits die vorzeitige Reaction, andererseits die Irreparabilität 
der Läsionen, was das Verschwinden der Nervenzellen nach einem Atrophinings- 
und Degenerationsprocesse zur Fo^ hat; da die Nervenzelle hier viel mehr 
auszubalten hat als nach der Nervendurchschneidung, so erfolgte der Tod des 
Neurons. 

Eine andere wichtige Folgerung aus diesen Experimenten ist die bedeutende 
Ungleichheit in der Reaction der Zellen. Diejenigen an dem tmteren Theile 
des Hypoglossuskems sind atrophirt oder sogar verschwunden, während diejenigen 
de^ oberen Theils weniger verändert sind. 


[Mittheilung aus dem histolog. Laboratorium des hauptstadt Siechenhauses 
„Elisabeth“ in Budapest] 

2. Zur Histotechnik ganz beginnender Strangdegenerationen. 

Von Priv.-Doc. Dr. E^arl Schaffer, 

OrdisariQS des Siecbenhaoses. 

Im Processe der secundären Degeneration pfl^en wir bekanntlich zwei 
Stadien zu unterscheiden. Die jüngere Phase besteht im floriden Markzer&ll. 
d. h. in der Decomposition der Markscheiden, wodurch die Myelintropfen und 
Kugeln zu Stande kommen; das empfindlichste Reagens dieses Voi^anges bildet 
Mabohi’s Osmiobichromatgemisch, welches die Zerfallprodncte intensiv schwan 
färbt. Werden im späteren Verlaufe die Markschollen sowie die ebenfalls zer¬ 
fallenen Azencylinder aufgesaugt, so entsteht an der Stelle des secundär entarteten 
Stranges eine functioneil leere Bahn, welche nur durch Gliamaschen gebildet ist 
Letztere hyperplasiren zumeist secundär und lassen somit eine Stelle im Gential- 
nervensystem entstehen, welche auäschliesslich aus Stützsubstfmz besteht Die^ 
ältere Stadium der secundären Degeneration ist jenes der Gliahyperplasie und 
wird bekanntlich durch Weiobbt’s Hämatoxylinfärbung zur Darstellung ge¬ 
bracht. Es sei jedoch nachträglich bemerkt, dass beide Entartungsstadien sich 
einfach am, in Müllbb’s Härtungsflüssigkeit conservirten Präparate ebenfalls 
kennthch machen. Am Querschnitte z. B. des Rückenmarks springt die secundär 
degenerirte Bahn durch ihre hellere Färbung sofort in die Augen; die sepia- 
braune normale Umgebung bildet eine auffallende Farbendifferenz gegen die 
licht-ockergelbe, degenerirte Stelle. 

Somit ist die secundäre Degeneration durch den zuerst auftretenden Mark¬ 
zerfall und den später einsetzeuden Markschwund cbarakterisirt Bekanntlich 
aber geht dem Markzerfall ein noch früheres Stadium der Entartung voran, 
welches in der Quellung und Aufblähung der Markbülle besteht. Zu dieser 
Zeit kommen die allbekannten Varicositäten der markhaltigen Fasern zu Stande; 


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891 


die Markhälle nimmt in diesem Zustande die Hämatoxjlinfarbnng noch an, 
wenngleich nicht so exact wie das gesunde Mark. Am Querschnitt sehen wir 
dann neben dem r^elmässigen runden, tiefblau oder schwarz tingirten, normalen 
Markringe noch aufgedunsene vergrösserte Scheiben, deren Peripherie einen sehr 
schwach gefärbten, also hellblauen dünnen Saum aufweist Diese ganz beginnende 
D^neration des Marks, welche durch die Markquellung unter dem Mikroskop 
so leicht erkenntlich ist, erweist sich gegen Mabohi’s Osmiobichromat voll¬ 
kommen indifferent Die Frage, ob gequollenes Mark auf Osmium reagirt, liess 
C. Mater* offen; auf Grund meiner Erfahrung vermag ich diese Frage ent¬ 
schieden zu verneinen. Mater sagt nämlich; „Ob zum Zustandekommen der 
MARcm’schen Beaction die Quellung der Markscheiden allein genügt, oder ob 
einzig ihre Zerfallproducte es sind, die sich in der MAROHi’schen Lösung 
schwärzen, vermag ioh (au den Querschnitten) nicht zu entscheiden.“ Hingegen 
erscheint nach Härtung in Müller’s Flüssigkeit oder in 5'*/o Kalium bichromi- 
com eine solche ganz beginnend degenerirte Stelle des Centralnervensystems 
ockergelb, stiebt somit von der braunen normalen Umgebung lebhaft ab. 

Eine ganz beginnend degenerirte Bahn verräth sich daher bereits nach 
vollzogener Härtung, also am Rückenmarke nach 6—8 Wochen bei Gonservirung 
in Zimmertemperatur. Hervorzuheben ist, dass die Grenzen einer also ent¬ 
arteten Bahn am gehärteten Präparate mit auffallender Schärfe uns entgegen¬ 
treten, somit lässt sich bereite ohne Mikroskop, einfach mit dem unbewaffneten 
Änge, höchstens mit Lupe die Diagnose einer ganz beginnenden Strangd^eneration 
machen. Um so misslicher ist es aber, dass die Fixirung einer solchen ganz 
bannend entarteten Bahn am Schnittpräparate bisher nicht gelang, da die 
üblichen Methoden, wie Marchi’s Osmiobichromat, welches wir bereite nach 
3—4 wöchentlichem Härten im Falle von floridem Markzerfall im positiven Sinne 
anwenden, ferner Weigert’s Kupferhämatoxylin, welches im Falle von be¬ 
endeten Markzerfall die entartete Bahn im negativen Sinne zur Darstellung 
bringt, resultatlos bleiben. Mit Marchi’s Gemisch färbt sich die ganz be¬ 
ginnend degenerirte weisse Nervensnbstenz gleichmässig gelblichbraun, mit 
Wsioert’b Hämatoxylin eintönig tiefblau, ohne eine, sei es makroskopisch oder 
auch unter dem Mikroskope erkennbaren Differenzirung nach scharfen Grenzen 
von der normalen Nervensubstanz. 

Dieser Umstand machte sich im Verlaufe meiner Untersuchungen über die 
paralytische Hinterstrangserkrankung sehr unangenehm fühlbar. Mit letzteren 
beschäftigt, hatte ich mehrere Fälle zu Gebote, in welchen nach Biebromathärtuug 
die ausgesprochenste Degeneration zum Vorschein trat, doch letztere nach Makchi 
oder Wetoert zu fixiren, misslang total, da die Entartung eben im ganz be¬ 
ginnenden Stadium sich befand, in welchem, wie oben bemerkt, diese Methoden 
uns in Stich lassen. Den Mangel einer entsprechenden histologischen Technik 
empfand ich um so lebhafter, da der Hinterstrang einiger Paralytiker die ex- 


‘ Zar patbolog. Auatowie der RückenmarkshinterBträoge. Jahrbücher tttr Psychiatrie. 
XUI. 8. 7S. 


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892 


quisitest^u Bilder der FLSOHSio’scheD fötalen Gliederung darbot; in Anbetracht 
der bekannten Divei^enz der fötalen Gliederung von der topographischen oder 
degenerativen ^\'urzelgliederuDg, sowie Angesichts der noch strittigen Bedeutung 
der fötalen oder systematischen Gliederung der Hinterstrange unter pathologischen 
Verhiiltuissen hatte ich allen Grund die oben genannten Bilder der paralytisehen 
HinterstrangsdegeiieraÜon am Schnittpräparate zu Qxiren. 

Bei diesen Bemühungen ging ich vor Allem von dem Bestreben aus, die 
ganz beginnend degenerirte Stelle des Hinterstrangs im positiven Sinne zur 
Darstellung zu brint>eu, d. h. ich wollte einer electiven Färbung des ganz be¬ 
ginnend entarteten Marks auf die Spur kommen. Meine Versuche mit Saffiranin 
misslangen; es erschien mir daher viel mehr Erfolg versprechend, eine Tinction 
zu finden, welche allein das gesunde Mark förbend, die degenerirte Stelle un¬ 
berührt lässt. In dieser Beziehung erhielt ich einen deutlichen Fingerzeig durch 
die Härtung in MüLiiER’scber Flüssigkeit Es ist wohl zweifellos, dass die 
braune Färbung der weissen Substanz auf einer Verbindung zwischen Nerven¬ 
mark und Bichromat beruht ($. besonders Weioebt's diesbezüglichen Aus¬ 
führungen); hebt sich daher bereits am einfach gehärteten Präparate mit Hülfe 
der Bichromatbeize das normale Mark vom degeneriienden ab, so musste ich 
mir nur die Aufgabe stellen, die Bichromatreaction des normalen Marks noch 
intensiver zu gestalten, ln dieser Beziehung kam mir zur Hülfe die allbekannte 
histol(^ische Thatsache, dass Mabchi’s Gemisch an vollgehärteten Objecten 
die gröbere Markfaserung deutlich, etwa einem schwachen WsiQEBT’scheu Prä¬ 
parate äquivalent, zum Vorschein bringt, während andererseits gleichfalls bekannt 
ist, dass das Osmiobichromatgemisch an schwachgehärteten, aber für die 
typische MABCui-Reaction vollkommen ausreichende Objecte eine derartige 
DifferenziruBg nicht zu Stande bringt Man überzeugt sich dabei leicht davon, 
dass dieser Unterschied in der Reaction dadurch bedingt wird, dass das Osmium 
am vollgehärteten Objecte lauter Nervenfasern trifft, welche bereits die Ver¬ 
bindung des Nervenmarks mit Bichromat enthalten und gegen letztere besitzt 
das Osmium eine entschieden grössere^Affinität als gegen ein solches Nerven¬ 
mark, welches diese Verbindung noch nicht einging, wie dies im schwach¬ 
gehärteten Marke enthalten ist Das Osmium vertieft, gestaltet gesättigter die 
gelblichbraune Bicbromatfarbung des Nervenmarks, so dass letzteres dunkel¬ 
braun, stellenweise schwärzlich erscheint. Eine Grundbedingung zu dieser 
Reaction ist aber die ganz beendete Härtung; je älter diese, um so 
besser gelingt die Reaction. Ueberhärtete Objecte geben die sicherste Reaction; 
(loch da die brüchige Consistenz derselben das Osmium nur noch vermehrt, so 
empfiehlt es sich, die Durchtränkung mit Celloidin in vollkommenster Weise 
vorzunehmen. 

Mein Vorgang besteht daher im Falle ganz beginnender Strangd^eneration 
darin, dass das 3 eventuell 4—6 Monate gehärtete Rückenmark in ganz> dünne 
Scheiben geschnitten, in Marchi’s Gemisch auf l Woche gelegt wird; rathsam 
ist es, inzwischen die Flüssigkeit einmal zu wechseln. Nun kommen die Scheiben 
in täglich frisch erneuertes Wasser; auf diese Art wasche ich das überschüssige 


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893 


Osmiobichromat in gründlichster Weise aus; die Haltbarkeit der Präparate 
bängt davon ab. Diese Auswaschung soll zumindest 1 Woche dauern; ge¬ 
schieht sie 2 Wochen hindurch, um so besser. Hiernach folgt die übliche Ein- 
bettUDg mit Celloidin, welche, um gute Schnitte zu erhalten, tadellos vor- 
genommen werden soll, Schnittdicke 40—50^. — Sollte trotz der einwands- 
freien Celloidindurchtränkung der Schnitt brüchig sein, so wende man die 
DpvAL’sche CoUodion^e de surface an. Der Schnitt wird mit Wbigert’s 
CoUoidiumpIatten weiter behandelt, welche die bei der Entwässerung und Auf- 
bellong möglichen Insulte fernhält. Da die angegebene Methode wesentlich auf 
einer Verstärkung der normalen Markbichromatverbinduug durch das Osmium 
beruht, so war es von Interesse, ob Azoulay’s Osmiumfärbung nicht denselben 
Dienst leiste wie das MAnCHi’sche Gemisch. Meine diesbezüglichen Controll- 
tersucbe an demselben Material lehrten aber, dass die erwünschte Reactiou mit 
ÄzouLAT nicht zu erzielen ist, da das ganz beginnend degenerirte Mark sich 
mit Osmium-Tannin ebenfalls wie mit Hämatoxylin förbt. 

An einem also behandelten Schnittpräparate hebt sich so makro- wie mikro-' 
skopisch die gesunde Partie scharf von der ganz beginnend degenerirten ab und 
zwar dadurch, dass letztere gleicbmässig gelb 
erscheint, während die eng aneinander ge¬ 
reihten gesunden markhaltigen Nervenfasern 
eia Feld bilden, welches dunkelbraun gefärbt, 
lebhaft von der beginnend degenerirten Partie 
al)sticht Wie auffallend die Differenz ist, 
erlaube ich mir durch beigefügtes Photo- 
gramm^ zu versinnlichen. Dasselbe stellt 
das obere Lendenmark aus einem Falle von 
vorgeschrittener Paralyse dar; der Vorderseiten¬ 
strang zeigt eine Randdegeneration, ausser wel¬ 
chen aber im Einterstrang genau jeues Feld ganz 
Ugiuneud degenerirt zu sein scheint, welches zuerst Flechsig als hintere mediale 
Wurzelzone beschrieb. Vergleichen wir mein Bild mit Flechsig’s Abbildung 8 
in seiner Arbeit „Ist die Tabes dorsalis eine Systemerkrankuiig“,- so fallt sofort 
dl« vollkommenste Uebereiustiminung zwischen beiden auf. Ohne mich in deren 
Deutung einzulassen, da dies an anderem Orte geschehen soll, hebe ich nur 
hervor, dass eben die paralytische Hinterstrangserkrankung sehr oft in diesem 
frischesten Stadium zur Untersuchung kommt und da ist es von Belang, die¬ 
selbe au Schnittpräparuten fixirt zu haben. Wir sehen nämlich im paralytischen 
Hintersitrang Felder, welche aus lauter geblähten Markscheiden bestehen; Myeliu- 
tropfen sind noch nirgends zu erblicken. Die also degenerirte Stelle befindet 
sich im Stadium der Markquellung und lässt sieh am Schnittpräparate auf oben 
angegebene Weise klar demoustrireii. Für Mabchi’s Methode ist dieses De- 

* Dasselbe verdauke ich der geschicktcu Hand des Herrn Ferdinand Kern, .tssistent 
aui staatlichen bakteriolog. Institute des Herrn Prof. Huoo Preisz. 

* Nenrolog. Cent albl. ISOO. ö. 7S. 






894 


generationsstadiom noch nicht reif. Die entartete Partie erscheint im hellgelben 
Tune fast homogen, während die benachbarte gesunde Marksubstanz aus bräunlich- 
schwarzen Bingen gebildet wird. 

Immerhin bekenne ich, dass das Ideal der technischen Darstellung der 
positive Nachweis der ganz beginnenden Degeneration wäre, d. h. wir sollen 
eine elective Färbung derselben anstreben. Mit meiner oben angeführten 
Anwendung des MABCBi’scben Gemisches gelangt die incipienteste Mark¬ 
degeneration im negativen Sinne zur Demonstration, da letztere nur dnrcfa 
die elective Färbung des gesunden Marks sich abhebt 

Meines Wissens wurde das Osmiobichromat im obigen Sinne no<^ nicbt 
angewendet, wenigstens finde ich z. B. in Pollack’s Färbetechnik des Nerven¬ 
systems (2. Auflage) davon keine Krwäfanung. 


[Aus der Klinik von Prof. v. Bechtbbew.] 

3. CJeber einen Hypothenarreflex. 

Von Dr. F. Holainger. 

Man wird sich leicht überzeugen können, dass ein Druck auf die G^ad 
des Erbsenbeins, besonders wenn er in distaler Richtung au^eübt wird und 
die Finger der zu untersuchenden Hand etwas gebeugt sind, mit einer Falten¬ 
bildung in der Haut des ulnaren Handrandes beantwortet wird. Diese Er- 
scbeinnng ist bei verschiedenen Leuten dem Grade nach verschieden, aber immer 
handelt es sich um die Bildung einer geradlinigen oder bogenförmigen Fun^e, 
oder auch um mehrere furchenartig angeordnete Falten am Hypothenar. 

Es dürfte kaum zweifelhaft sein, dass es sich hierbei um eine Reflex¬ 
bewegung seitens des M. palmaris brevis handelt, welcher an der betreffendeo 
Stelle der Haut inserirt. Die Contraction. ist nicht eine kurzdauernde Zuckung, 
sondern dauert mehr oder weniger so lange, als der Druck anhält, ihre Intensität 
hängt von der Druckstärke ab und häufig wird sie von einer deutlichen, und 
sogar unangenehmen Empfindung begleitet Hält der Druck längere Zeit (einige 
Monate) an, so lässt sich in gut ausgesprochenen Fällen beobachten, dass im 
Gebiet der hhirche einzelne Zuckungen auftreten, wobei die erwähnte unangenehme 
Empfindung zunimmt, und nach und nach beginnt die Furche zu versebwindeo. 
Verstärkt man während dieser Zeit den Druck, so bildet sich die Furche voo 
neuem, aber auf kürzere Zeit. 

ln einigen Fällen gelingt es auch, den Reflex von der palmaren Carpal¬ 
gegend durch Druck auf die sehnigen Gebilde derselben auszulösen, ferner durch 
Zusammeudrücken der Kuppe des kleinen Fingers in radio-uloarer Kichtung, 
und, wie eine Selbstbeobachtung zeigt, durch passive Adducüon sogar des g^ 
streckten kleinen Fingers. Es muss übrigens erwähnt werden, dass die an- 


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895 


geführten reflexogenen Stellen sieb bei verschiedenen Personen verschieden ver¬ 
halten, im allgemeinen scheint mir aber ein Druck auf das Erbsenbein am 
wirksamsten zu sein. 

Der beschriebene Reflex wird auch in alleu seinen Einzelheiten, aber be¬ 
deutend schwächer durch Nadelstiche in die Haut der Erbsenbeiugegend hervor- 
gerufen, wobei der betreffende Hautbezirk ungefähr mit dem Verbreitungsgebiet 
des N. palmaris ulnaris zusammenlällt. D^egen bleibt das Kneifen einer Haut¬ 
falte meistens wirkungslos, ebenso rufen tactile und thermische Reize, der Haut 
applicirt, keine Reaction von Seiten des M. palmaris brevis hervor. Was die 
Stichreize anlangt, so muss übrigens erwähnt werden, dass etwas stumpfere 
Nadeln, welche beim Stich gleichzeitig einen Druck auf tiefere Gebilde ausüben, 
entschieden energischer wirken als'sehr spitze Nadeln. 

Mit anderen Worten, Hautreize spielen hier entweder gar keine oder eine 
sehr untergeordnete Rolle, und offenbar sind die sehnigen Gebilde für das- 
Zustandekommen des Reflexes verantwortlich zu machen. 



Der M. palmaris brevis entspringt bekanntlich von der Palmaraponeurose und 
inserirt sich in die Haut des ulnaren Handrandes; die Äponeurose ihrerseits ist 
unter anderem auch an das Erbsenbein befestigt. Somit würde eine Verschiebung 
des letzteren durch Druck auf dasselbe auf den Spannungsznstand der Apo- 
uenroee und des Müskels einwirken, und gerade eine gewisse Entspannung des 
Muskels scheint dem Zustandekommen des Reflexes förderlich zu sein. 

Wenigstens deutet darauf unter anderem der Umstand bin, dass bei ge¬ 
beugten Fingern der Reflex leichter und stärker zu erzielen ist Das hat 
übrigens nur bedingte Bedeutung, wie ans der schon erwähnten Wirkung des 
Drucke auf die Kleinflngerkuppe und der passiven Adducüon des gestreckten 
kleinen Fingers zu sehen ist 

In jedem Falle scheint mir bemerkeuswerth, dass im Gegensatz zu den 
anderen Sehnenreflexen, deren Zustandekommen zum Theil von einer gewissen 
Spannung des betreffenden Muskels abhängt, im gegebenen Falle , eher eine 
Entspannung erforderlich ist Der Palmarreflex würde in dieser Beziehung eine 


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MiitelsteUong zwischen den gewöhnlichen Sehnenreflexen und der paradoxeo 
Cuntraction einnehmen. 

Ohne mich auf Betrachtungen über die praktische Bedeutung des besobriebeneD 
Redexes einzulassen, will ich nur erwähnen, dass nach meinen Beobachtungen 
der Paimarreflez relativ sehr beständig ist, obgleich nicht nur seine lutenstät 
bei verschiedenen Personen stark schwankt, was bei dem verschiedenen £dt- 
wickelungsgrade des kleinen Handtellermuskels leicht verständlich erscheint, 
Sondern derselbe in manchen, scheinbar normalen Fällen, entschieden fehlt 


U. Referate. 


Anatomie. 

1) £1 sistema nervioso del bombre y de los vertebrados, per S. BamöD 
y Cajal. (1897. Madrid. Nicoläs Moya.) 

Wenn ein Forscher wie Cajal. dem ein so bedeutender Anthei! an dem AuHtan 
der modernen Nervenlehre gebohrt, endlich die Masse gefunden hat, uns die Summe 
des Geleisteten in einem zusammenhängenden Bilde, das Ganze in seinem organischen 
Zusammenhänge and in seinem W'erden vor Angen zu fahren, so wendet sich nator* 
gemäss das Interesse aller Neurologen mit grosser Spannung auf solch ein verdienst¬ 
volles Unternehmen. Dürfen wir doch erwarten, darin nicht bloss auf einen Bube* 
pnnkt geleitet zu werden, von welchem aus wir das weite Arbeitsfeld einmal Qberblieken 
können — fQr kurze Zeit ja nur, donn ein Jahrfünft oder Jahrzehnt weiterer Forschung 
und die Situation ist wieder verändert -—, sondern auch die bisher zerstreut ver* 
ötTentlichton, äusscrst werthvollen Arbeiten, und damit den ganzen Geist Cajal'scher 
Forschung in einer Weise kennen zu lernen, wie es zuvor nicht möglich war. Was 
Cajal bisher erforscht, das konnten wir zumeist nur aus den Fachoi^nen der Ana* 
tomen erfahren; grössere Werke hat er bisher Oberhaupt nur wenige verfasst und 
von diesen ist meines Wissens ausser der vom Bef. übersetzten Studie über dis 
Medulla oblongata, das Kleinhirn u. s. w. nur noch ein Buch über die Betina der 
W'irbelthiere von Greeff ins Deutsche übertragen worden. 

Von Cajal’s neuem Werk, welches wir oben den Vorzug haben anzugeben — 
das Nervensystem des Menschen und der Wirbeithiere —, liegen g^n- 
wärtig die ersten beiden 464 Seiten umfassenden Hefte vor; das Ganze soll sich auf 
ca. 800 Seiten erstrecken und binnen Jahresfrist vollendet sein. Zahlreiche, sehr 
werthvolle Abbildungen sind in den Text gesetzt, auch das Litteraturverzeicbnias 
sehr reichhaltig. Die Darstellung beginnt mit der „allgemeinen Idee des Nerven* 
Systems" und dom „Aufbau der Nerveucentreu in der Thierreihe"; es folgen capitel- 
weise die Methoden der Forschung, die Morphologie der Nervenzelle, physiologische 
Betrachtungen darüber, die Structur der Nervenzelle, die Neuroglia, die Nervenfaser, 
das Rückenmark, die Endigungen der peripheren Nerven n. s. f. 

Es ist gewiss zu wünschen, dass das Werk den deutschen Neurologen durch 
eine Uebersetzung recht bald zugänglich gemacht würde. 

ßresler (Freiburg i. Schl.). 


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897 


2) Sulla oarlooinesi delle oellule nervöse, per G. LevL (Biv. di FatoI(^. 

nerr. e ment 1898. Nr. 3.) 

Äos rein cytologiscbeD Gesichtspookten nntemommeiie Arbeii Der Verf. tre- 
panirte Meerschweinchen and stiess ihnen unter aseptischen Cantelen eine Nadel in 
die Hirnrinde. Er beschreibt die von ihm in der N&he des Sticheanals beoachteten 
Kemtheilangs^oren. Ihr basophiler Antheil stammt aas der auch in der Babe vor¬ 
handenen Chromatinscholle (s. d. Centralbl 1897. Nr. 17) des Eemkörperchens. 
Diese nimmt an Beginn der Earyokinese an Volomen za and hat, von der Seite ge¬ 
sehen, eine längliche Form, sie ist noch nicht in Chromosomen zerl^. In späteren 
Stadien trennt sich das Chromatin des Nocleolos in Chromosomen, es entsteht die 
Äeqoatorialplatte and nnn schreitet die Mitose in der gewöhnlichen Weise fori 

Schwieriger gestalten sich die Vorgänge im achromatischen TheU. ln den 
Pyramidenzellen giebt es nnr zwei halbe Spindeln, vetgleichbar den „Halbspindeln*' 
bei der typischen Mitose, and wie diese vom Eem stammend, nnr dass sie bei der 
letzteren von Anfang an doppelt sind und keine Verlagerung erleiden. Sie wachsen 
auf Eosten des Liniennetzes and der Eemmembran. Später werden ihre Fäden 
zarter, blasser ond zahlreicher and verkürzen sich in ähnlidier Weise wie bei der 
typischen Earyokinese. 

Die Centrosomen erscheinen erst am Ende der Metaphase. Es sind zwei kleine 
runde Punkte, die sich mit saoren Farben ßtrben. Eine Attractionssphäre sieht 
man nicht. 

An den Verbindongsßden unterschied Verf. keine Mikrosomenstractor. Sie 
sind zart und homogen und wahrscheinlich Deberbleibsel der Chromosomen. 

Valentin. 


Experimentelle Physiologie. 

3) Bloerohe ^ograflohe nella donna, per G. C. Ferrari. (Biv. sperim. di 
Freniatr. XXIV. 1.) 

Bei der Prüfung von etwa 30 nicht linkshändigen, weiblichen Personen am 
Brgographen zeigte sich fast immer ein Ueberwiegen der linken Hand über die 
rechte, das in zwei verschiedenen Typen znm Ausdruck kam: beim ersten häoflgen 
Typus sind die ErafUeistnngen der linken Band grösser als die der rechten, aber 
so, dass ihre Unterschiede fast constant und unverändert bleiben, während beim 
zweiten die Curve der linken Hand anfangs mit der der rechten ziemlich gleicblief, 
sich dann über sie erhob, um später wieder abznfallen. Bei den daraufhin nnter- 
sachten Männern hatte bei fast allen die Bechte das Ueberwiegen. Auch war bei 
len Frauen eine grössere Verschiedenheit in der Arbeitsleistung zwischen beiden 
Händen zu constatiren als bei den Männern. 

Die Arbeitsleistung der rechten Band, die unter der Herrschaft der höher ent¬ 
wickelten linken Bimhemisphäre steht, wird geregelt und bestimmt durch die „psycho- 
ogische Ermüdung", wähifend die der linken Hand nur die „physiologische Ermüdung" 
erkennen lässt, die alle oft hintereinander wiederholten Thätigkeiten mit sich bringen, 
^nf energische Aufforderui^en vermögen aber die Frauen bald auch mit der linken 
land selbst nach sehr grossem voranfgegangenem Eraftaufwand durch einfache 
Villensanstrengung eine allerdings kürzere Curve zu prodnciren, die viele Charaktere 
ler von der rechten Hand registrirten Curve besitzt 

Einige Erörterungen über Bechts- ond Linkshändigkeit lässt Verf. folgen. 

Valentin. 


57 


D g ii/od oy GOO^ IC 



898 


Pathologische Anatomie. 

4) stade d'on oas de spina bifida, per Joseph BajUc et Lacien Lsgreffe. 
(Aonales de Meddcine et Chirurgie infantile. 1898. Nr. 14. 15 Jnillet.) 

Bei einem 12j&hr. Mädchen mit völliger motorischer und sensibler Lähmung 
der Beine and Sphincterenlähmnng wurde eine Spina bifida im Lendenantheil des 
Böckenmarks als Ursache des Leidens constatirt Eine Operation wurde nicht vor- 
genommen. Zapperi 


5) Ein neuer Fall von partieller Verwaohaung beider Orosahimhemi- 
Sphären, von Dr. B. Seeligmann aus Karlsruhe. (Archiv f. Psych. u. Nerveo' 
krankh. 1898. Bd. XXX.) 

Ein Kind mit Bachitis und tetanischen Krampferscheinnngen war im 10. Monat 
an Brechdurchfall gestorben. Bei der Bimsection fand man, dass der sagittale 
Längsspalt in den vorderen 4 cm fehlte, dass beide Stimlappen zn einer einheitlichen, 
breiten Hasse verschmolzen waren. Erst hinter den vereinigten Stimlappen b^nn 
eine Trennnng in 2 Hemisphären. Die Farchnng des Gehirns war durch diese Ver¬ 
wachsung eine anormale geworden. Die Insel fehlte. Der Balken war in seinen 
vorderen Abschnitten abnorm entwickelt Auf der Strecke des normal entwickelte 
Hemisphärenspaltes war der Balken von einer breiten Bindenlage bedeckt Das 
Septum pellocidom und das ganze Fomixsystem fehlten vollständig. In der Aus¬ 
dehnung der verschmolzenen Hemisphären waren auch beide Tormanem verwaehsoL 
Commissura anterior, Ammonswindungen und Gyri dentati zeigten Ätrophieen. Die 
Fimbriae waren nicht nachweisbar. Auch der frontale Theil der Thalami war io 
die Länge gezogen und verdünnt Das Vorderhom des rechten und des linken 
Seitenventrikels war verödet der Kopf des Nucleus caudatus war beiderseits abnorm 
aoi^edehnt G. llberg (Sonnenstein). 


Pathologie des Nervensystems. 

0) lieber die besondere Form von Hysterie, wie sie in allgemeineii 
Krankenhäusern sur Beobachtung kommt, von Dr. V.v. Holst 

Verf. wendet sich zunächst gegen die Charcot’sche Auffassung der Hysterie 
als „Geisteskrankheit par excellence“, zumal es auch von Hause aus normal beaulagte 
Menschen gebe, die hysterisch seien. Verf. theilt dann „den psychogenen Vorgang 
bei der Entstehung der Hysterie“ in 4 Typen ein: 1. könne das psychische Traums 
als einzige directe Ursache der Hysterie „bei mehr oder weniger vorhandener An¬ 
lage — sei es hereditäre Belastung oder erworbene Disposition — nnmittelbar aU 
abnorme Beflexwirknug auf den Körper das rein somatische Krankheitsbild der 
Hysterie, ohne irgend welche psychische Störung hervorrufen“ (! Bef.); 2. derselbe 
Voi^ang könne „ebenso nnmittelbar“ auch eine „Stömng in den niederen psychischen 
Functionen, d. h. in Geffthlen, Stimmungen und Trieben“ hervormfen, welche zwar 
„den Grad einer wirklichen Psychose“ erreichen könne, aber meistens „nicht die 
Grenze der psychischen Abnormität Oberscbreiteo“ werde; 3. könne „das psychische 
Tranma“ („die krankhafte Vorstellung'*) körperliche Folgen unmittelbar hervormfen, 
während hysterischer Charakter u. s. w. sich erst allmählich bei dem nnn einmal 
hysterisch gewordenen Individium herausbilde: die 4. Möglichkeit endlich sei, dass 
das hier meist „allmählich, anhaltend** wirkende psychische Tranma keine unmittel¬ 
baren Folgen habe, aber einen Seelenzustand von „schwerem iuneren Conflict“ hinter- 
lasse, der entweder zu einer „Umsetzung ins körperliche**, d. h. zum Ansbmch der 
Hysterie mit den eventnellen snb 3 angeführten Folgen fär das psychische Leben 
führen könne, oder aber direct zu psychischen Störungen. Typus I soll si^ ,4^a8t 


- K, Google 


899 


aasschliesslieli nnter demjenigen Erankbeitsmateriale finden, das in den allgemeine^ 
Krankenhäusern angetroffen wird, also bei nngebildeten Kranken“, hingegen soll 
Typus IV bei „Ungebildeten“ gamicht Vorkommen; Typus II soll häufiger bei „Un¬ 
gebildeten“, Typus III häufiger bei „Gebildeten“ sein. 

Zum Schluss warnt Verf. vor der „Anfstellnng bestimmter Schablonen“ im all¬ 
gemeinen und bei functionellen Neurosen im besonderen, was ihn aber nicht hindert, 
fftr die Hysterie je nach dem Bildnng^rad der Kranken die Existenz zweier „in 
ihrer Pathogenese, Symptomatologie, Prognose und Therapie wesentlich verschiedener 
(1 Bef.) Gruppen“ fOr erwiesen zu halten. Kaplan (Herzberge). 


7) Ein Fall von kindlicher Hysterie unter dem Bilde einer tuberoulöaen 
Heningitla (Paeudomeningitia hyaterloa), von Friv.-Doc. Dr. L. Blumenao. 
(Wratsch. 1898. S. 121. [Russisch.]) 

Der mitgetbeilte Fall von kindlicher Hysterie betrifft einen 12jährigen, erblich 
nicht belasteten Knaben, der im Anschluss an eine Erkältung an einem Symptomen- 
complex erkrankte, der mit grösster Wahrscheinlichkeit auf das Vorhandensein einer 
tubercnlösen Meningitis hinzuweisen schien. 

Der Pai litt beständig an den heftigsten Kopfschmerzen, zeitweise traten 
Krampfan^e auf, die von Bewusstlosigkeit gefolgt waren, ferner Erbrechen und 
hohes Fieber; es bestand ausserdem Blepharospasmus, Nystagmus und Herabsetzung 
des Sehvermögens, Appetitlosigkeit, Obstipation und Parese der Extremitäten. Erst 
nachdem es dem Verf. gelungen war einen Krampfanfall persönlich zu beobachten, 
der alle Anzeichen eines hysterischen Anfalls darbot, in besonderer Ausprägung der 
Periode der clonischen Bewegungen, wurde die Diagnose der Erkrankung auf Pseudo¬ 
meningitis hysterica gestellt. Das Interesse des Falles wird erhöht durch den 
glänzenden Heilerfolg, der mit der Suggestionstherapie erzielt wurde. Nach erfolgter 
Su^estion verschwanden sofort alle krankhaften Symptome ausser der Parese der 
Extremitäten, die, wenn auch bedeutend vermindert, noch eine Zeit lang fortbestand; 
doch auch diese verschwand bald vollständig bei Gelegenheit eines Familienfestes, 
bei dessen Feier der Fat. ganz gesund erscheinen wollte. 

Zu Ende der Arbeit fährt Verf. folgende Schlussfolgemngen von praktischer 
Wichtigkeit an: 

1. Bei Krankheitssymptomen, die einige Aehnlichkeit mit der tuberculösen Henin- 
gitis bei älteren Kindern zeigen, ist an die Möglichkeit des Vorhandenseins von 
Hysterie zn denken; 

2. die Hypnose erweist sich in diesen Fällen (wie natürlich in vielen anderen) 
als unersetzbares diagnostisches Mittel; 

3. Fälle von Heilung der tuberculösen Meningitis, in denen Hysterie nicht aus¬ 
geschlossen ist, entbehren jeglicher Beweiskraft. E. Giese (Si Petersburg). 


8> Hysterisohe Sehstörungen im Eindesalter, von Dr. M. Weil (Festschrift 
des Stuttgarter ärztlichen Vereins. 1897.) 

Verf. berichtet nach einer kurzen Einleitung über Äetiologie und Symptomato¬ 
logie der infantilen Hysterie über zwei selbstbeobachtete Fälle dieser Krankheit, 
welche durch die neben schweren Anästhesieen bestehenden Sehstömngen ein ein¬ 
gehenderes Interesse erfordern. 

Im ersten Falle handelt es sieh um ein lljähriges Mädchen, bei welchem (im 
Anschluss an eine Züchtigung in der Schule) zunächst vorübergehende Störungen 
im geistigen Verhalten und späterhin allgemeine Krämpfe sich einstellten. Nach 
c£i. Jahre trat plötzlich eine Lähmung beider Beine anf, die nach weiteren 14 Tagen 
von einer Erblindung beider Augen gefolgt war. 

57 * 


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Der Aofnahmestatus Tom 13./Tin. 1896 ergab beiderseits totale Amaorose, 
wUirend der objective Befand an den Aogen Tollkommen negativ war. Es bestand 
ferner eine Unßhigkeit zn gehen nnd zn stehen, w&hrend bei BAckenlage alle Be* 
wegungen der Unterextremitäten möglich waren. 

Eine genauere Untersochnng des Nervensystems am 15./V1IL eigab neben einer 
rechtsseitigen OehOrs*, Gleruchs* and Qeschmacksaofhebang eine Anfhebnng dar 
Sensibilit&t der Bant an der rechten Kopfh&lfte für Tast*, Temperator* and Schmerz* 
empfindnog. 

Die rechte Obereztremität zeigte g&nzUche AnSsthesie für alle Empfindongs* 
qnalitäten — inclnsive des Tast* and Muskelsinns — and konnte von der Pai (der 
ja der Qesichtssinn fehlte) anf Geheiss absolnt nicht bewegt werden („Lasöqae’* 
scher Symptomencomplez“ — Jan et). 

Pst war ftber die Lage des regten Arms absolut nnanterrichtet Die passive 
Beweglichkeit desselben war intact Dabei bestand ein cataleptiscbes Festbalt» 
jeder passiv gegebenen Stellang des Arms. 

Die rechte Dntereztremität zeigte eine ähnliche beträchtliche Sensibilitätsstöroi^^ 
den Mnskelsinn ansgeschlossen, doch nor an ihren oberen zwei Dritteln. 

Am Bumpf betraf der Sensibilitätsverlost ebenso die ganze rechte Hälfte mit 
scharf bei der Mittellinie abscbneidender Grenze. 

Unter der Einwirkung starker faradischer Ströme verschwanden schon bei der 
ersten Sitzung die Astasie'Abasie und die SensibilitätsstCrungen. Ebenso stellte sieh 
das Sehvermögen, doch nur auf dem linken Auge, nach einigen Tagen wiedtt* ein, 
während die Pat auf dem rechten Auge constant nichts sehen wollte. Die Prüfung 
ergab nunmehr eine rechtsseitige Hemianopsie (1). Eine weitere sachgemässe soggestive 
Behandlung brachte auch dieses Symptom zum Schwinden. Indessen gelang es trotz 
aller möglichen (stets nur im wachen, nie im hypnotischen Znstande vorgenommenen) 
Suggestionsversuche nicht, die rechtsseitige Taubheit zu beseit^en, und ebenso blieb 
die rechtsseitige Anosmie und Agensie bestehen. 

Bemerkenswerth ist noch, dass Fat. — analog einem bekannten Strflmpeir* 
sehen Falle —, wenn num ihr das hörende (linke) Ohr verschloss, in einen schlaf- 
artigen Znstand verfiel (Nach dem Verf. handelt es sich dabei um hypnotischen 
Schlaf.) 

Im zweiten Falle, einem 13jährigen, erblich belasteten Mädchen, handelte ee 
sich um eine totale Amaurose nur eines, des linken, Auges (welcher sdion längere 
Zeit vorher Sebstömugen vorangegangen waren), nebst einer typischen Uypalgesie 
der ganzen linken Eörperhälfte. Strychnininjectionen mit gleichzeitiger weiterer 
Suggestionsbebandlung führten schnelle Besserung herbei. 

Bezüglich der Entstehung des auffälligsten Symptomens der beiden Fälle, nämlicb 
der StOrongen gerade am Sebapparat, hält es Verf. nicht für belanglos, dass in 
ersten Falle eine hochgradige Hypermetropie beiderseits, im zweiten ein linksseitiger 
Strabismus — also bei beiden Pat eine Störung nicht hysterischer Nator am 
Auge — bereits bestand. 

Auch Verf. hält die Prognose der infantilen Hysterie für viel günstiger ih 
derjenigen der Erwachsenen; er plädirt dabei unbedingt für die Entfemnng der Kinder 
aus den bänslichen Verhältnissen. Paul Cohn (Berlin). 


9) Hyetdrie infantile en Vendde, par F. Ferrier. (Archives de neurologie. 

1897. October nnd November.) 

Eine reichhaltige Arbeit über die Hysterie, die manche neue Beobachtung in 
den 18 Krankei^^hichten und in den Epikrisen bringt Erstere bieten den werth- 
vollen Vorzug, dass Verf. die Kranken Jahre lang beobachten und genau controllim 
konnte, weil eben die Bewohner der Vendde stets im eigenen Lande bleiben oder 


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doch oft nach kurzer Abwesenheit dorthin znrAckkehren, meistens aber nnr an einen 
anderen Ort in gleichem Lande Terziehen. Ausser auf die bekannten Wissenschaft* 
liehen Facta stfttzt sich die Arbeit auf die These des Bruders des Antors, welche 
das gleiche Thema behandelte. Wegen der Länge der genauen Beobachtungen ist 
es leider nur gestattet auf die fleissige Abhandlung hinzuweisen. 

Die Hauptsätze sind folgende: 

1. Die Hysterie kommt beim Kindesalter in allen Lebensjahren Tor (8 Fälle 
unter 4 Jahren bei beiden Geschlechtern). 

2. Sie ist gleich häufig und dieselbe bei Kindern wie bei Erwachsenen. 

3. Wie im Mannesalter kann sie auch beim Kinde alle möglichen Erkrankungen 
des Nerrensystems Vortäuschen. 

Die anderen Funkte beziehen sich auf die Differentialdiagnose, Aetiologie, Be* 
handlang und Prophylaxe. Adolf Passow (Sti^burg i./E.). 


10) Beiträge sor EeDntniss der hysterisohen Affeotionen bei Kindern, 
von Ferdin. Steiner. (Jahrbuch ffir Kinderheilkunde und physische Erziehung. 
XLIV. Nr. 8.) 

Von den zahlreichen genauen casuistischen Angaben der citirten Arbeit seien 
hier kurz die bei ausgesprochener Hysterie der Kinder vom Verf. beobachteten Er* 
aeheinnngen von Seiten der Augen hervorgehoben. Dieselben sind geeignet, die noch 
umstrittene Frage, ob es echte hysterische Augenlähmnng gäbe oder nicht, im be¬ 
jahenden Sinne zu entscheiden. Bekannt ist eine auf einem unvollständigen tonischen 
Blepharospasmus beruhende Ptosis — von Parinaud als Ptosis pseodoparalytica 
bezeichnet; dass es sich bei diesen nicht um echte Ptosis handelt, folgert Verf. ein 
Mal aus dem energischen Zurflckfallen des Oberlides nach manueller Hebung des¬ 
selben, und zweitens aus den auftretenden convulsiviscben Zuckungen derselben. Von 
Charcot wurde auf die differentialdiagnostische Tbatsache hingewieeen, dass bei 
lAhmungsptosis die Braue der erkrankten Seite höher, bei Spasmas tiefer als die der 
anderen Seite steht Verf. konnte nun eine echte Ptosis — Lähmungsptoeis — con* 
statiren, deren hysterische Qrnndli^e durch den Krankheitsverlauf besonders evident 
wurde; nachdem nämlich Nervina aller Art, Faradisation u. s. w. durchaus versagt 
hatten, kamen alle hysterischen Symptome, so auch die Ptosis, durch ausgiebige 
Ernährung und Landaufenthalt zum Verschwinden. 

Fflr den in seinem charakteristischsten Falle bestehenden Strabismus und 
Nystagmus nimmt Verl ebenfalls die Hysterie als Ursache in Anspruch, indem er 
den Strabismus nicht so sehr auf einem Extemuskrampf, als vielmehr auf eine 
hysterische Interuuslähmung zurfickfährt; dass Nystagmus hysterischen Ursprunges 
sein kann, wird auch von anderen Autoren anerkannt Richter (Hamm). 


11) Einige Worte über Infhntile Hysterie, von Dr. F. Steiner in Wien. 

(Wiener med. Blätter. 1897. Nr. 50—52.) 

Das Verhältniss der hysterischen Kinder zu hysterischen Erwachsenen beträgt 
1:6—7. Die Krankheit tritt im Kindesalter viel einfacher, meist nur einzelne 
Symptomengmppen nmfassend auf. Allgemeine Convulsionen (hystero • epileptische 
Anfälle) sind ungewöhnlich. Der Anfall ist meist abortiv. „Unter einem GefOhl 
von Schwindel oder Angst tritt eine Art Ohnmacht ein, die Kinder sinken mit ge¬ 
schlossenen Augen an& Bett, wo sie eine Zeit lang still verharren, dann lösen sich 
leichte Zuckungen in den Augenlidern, Augen und Fingern aus, die Athmuug wird 
beschleunigt und nach einer kleinen Weile schliesst die Attaque mit einem deutlich 
vernehmbaren Seufzer.'* Zum Unterschiede vom petit mal fehlen dem hysterischen 
Anfalle die Aura, die völlige Bewusstlosigkeit und Aufhebung der Empfindungs- 


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Ahigkeit, die weiten reactionslosen Fopillen und das comaiOee Stadiom nach dem 
Anfälle, sowie der initiale gellende Schrei; der hysterische Anfall wird viel öfter 
mit Lachen, Weinen, Stöhnen oder längerem Schreien eingeleitet; die Krämpfe teigen 
complieirtere, coordinirtere Bewegangserscheinui^en. Die Anslösung dersellwn erfolgt 
meist im Affect. Aach Selbstanslösong von Krämpfen ist bei Kindern möglich. 

Als allgemeine Krämpfe anf grösstentheils hysterischer Basis sind auch die 
nervösen SchAttelO^te im Kindesalter anznseben. Zorn Unterschiede vom hectischen 
Fieber, womit eine Yerwechselnng bei schlecht genährten Kindern möglich wäre, 
treten sie meist nicht Abends anf. 

Die partiellen Krämpfe stehen bei der kindlichen Hysterie im Vordergründe. 
Hierher gehört anch die Chorea laryngis. 

Sensitiv'sensorielle Stömngen kommen bei Kindern weniger scharf znm Ans« 
dmcke. Im Gegensätze zn Erwachsenen ist Hyperästhesie häufiger als Anästhesie 
and zwar am öftersten in Form der Bachialgie. 

Der hyyogastriscbe Dmckschmerz (Ovarie, Coelialgie) ist viel seltener and auch 
meist höher im Hypochondrinm localisirt Hysterischer Kopfschmerz ist nicht selten 
nnd wird meist diffus angegeben. 

Viele von den Stömngen, welche der Chlorose zngezählt werden, sind hysterischer 
Natnr, so die Perversitäten des Gerachs, des Geschmacks and die der verschiedenen 
Idiosyncrasieen. 

Ein praktisch wichtiges Symptom ist das Erbrechen. Es kann mit normalem, 
Aber* oder nntemormalen Appetit einbetgehen. Danach ist auch der Ernährui^* 
znstand des Kindes. Es erfolgt entweder jeden Morgen oder unmittelbar nach jeder 
Mahlzeit und kann anch von üebelkeiten and Schmerzen begleitet sein. Längere 
Zeit dauerndes Erbrechen bei Mädchen ist immer verdächtig für Hysterie. Es ist 
anch eines jener Symptome, die durch Imitation ansteckangsfähig sind. 

J. Sorgo (Wien). 


12) A oase of bysterioal dysphagia, by Llewellyn Eliot. (Mediane. 1898. 

Febmary.) 

Terf. berichtet Aber einen höchst merkwArdigen Fall von hysterischem Oesophagus* 
krampf, complicirt mit Blntbrechen und Blutabgang aus dem Darm bei einer 36jähr. 
Patientin; die Krankheit daaerte 3^/^ Jahre und endete tödtlich. Erstaunlich ist die 
Länge der Zeit, während deren Pai Nahmng per os Aberhaupt nicht zu sich nahm, 
sondern nur mit Näbrklystiren, die auch nicht immer beibehalten wurden, am Leben 
erhalten wurde; Verf. giebt diese Zeit auf 3 Jahre und 23 Tage an. Die Autopsie 
bei der in extremem Grade abgemagerten Patientin ergab völlig negativen Befund. 

Martin Bloch (Berlin). 


13) Diagnoeis and traatment of spasmodio strioture of the oOBophogas, 
by J. C. Rassel. (Brii med. Jouro. 1898. June 4. S. 1450.) 

Terf. giebt eine Casuistik von 7 Fällen krampfhafter Strictur an oder nahe an 
der Cardia, die durch eigens daffir construirten Dilatator erweitert und dauernd ge* 
heilt worden. Der Dilatator besteht aus einer Hohlsoode, deren unteres Ende einoi 
wurstförm^en Seidenbeutel ausmaehi Letzterer ist mit sehr dfinnem Gummi aus* 
gefAttert, um luftdicht zu sein. Das Instrument, natArlich luftleer, wird durch die 
Strictur gefAhrt und alsdann mittelst Luftballon bis zur Normalweite des Oesophagus 
an betreffender Stelle aufgeblasen. Diese Behandlung kann weder rasch, noch in 
einer Sitzung ausgeffihrt werden, bedarf der Instrumente in steigender Grösse und 
einer Anzahl Sitzungen. 

Von den 7 Fällen, welche ausfAhrlich beschrieben worden, sei hier nnr der 1. 
wiedei^^ben. 


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Eine 40jährige Dame klagte seit 2 Jahren äber Unmöglichkeit, feste Nahmng 
in den Magen emznfähren; es erfolgte nach geschlucktem Bissen Begoi^tation; anch 
die Fldssigkeiten werden grOsstentheils wieder ansgestossen. — Erweiterung der 
Strictor darch gewöhnliche Bongies (bis Kr. 23 Jaqnes) blieb ohne woblthätigen 
Einfloss. Das oben beschriebene Instrument wurde nun Tersncht und brachte nach 
weniger Zeit, und nach einer Anzahl Einf&bmngen völlige und dauernde Heilung 
hervor. — Von dieser Art Erampfstrictur ist wenig bekannt und daher ist die Mit- 
tbeilung nicht ohne Werth. 

Für die übrigen 6 Fälle verweise ich anf das Original 

L. Lehmann I (Oeynhausen). 


14) Triamos hyst^rique, peralatazit dorant plus de nenf moia, par Dr. 

Bidlot(pöre) et Dr. H. Francotte. (Brüssel 1897.) 

27jähr. Patient, ohne erbliche Belastung und früher nie von schweren Krank¬ 
heiten beimgesucht, aber schwächlich; seit dem Eintritt ins Kloster — mit 18 Jahren — 
Veränderung des Charakters: indolent, inconsequent nnd energielos; ausserdem meist 
leidend: einmal mehrmonatliches Erbrechen, gegen welches alle Mittel fruchtlos waren 
und das schliesslich von selbst schwand; seit mehr als 2 Jahren vollständige Aphonie, 
die nur einmal während 3 oder 4 Wochen sistirte. Seit 5 Jahren heftige Zahn¬ 
schmerzen; gelegentlich der Exfraction eines Zahnes eine 2 ständige Synkope. Im 
Februar 1896 besonders heftige Zahnschmerzen, für welche der Zahnspecialist keine 
Ursache zu finden vermochte; trotz Entfemnng zweier Zähne hörten daher auch die 
Schmerzen nicht anf. Mitte April 1896 Schmerzen io den Kiefergelenken and Hals- 
schmerzen. Pinselungen mit Eucalyptostinctur. Am 24. April 1896 Abends zom- 
müthiger Auftritt gegen die Krankenschwester; am nächsten Morgen war sie nicht 
im Stande den Mund zu öffiien, der Trismus dauerte fast permanent bis zum lO./II. 
1897. Die Unterkieferzähoe ragen etwas über die Oberkieferzähne hervor und be¬ 
decken deren freien Rand; die Massoteren bilden zwei abgerundete, harte Massen. 
Die Kabrungsaufnahme geschieht durch eine Lücke der Schneidezähne, die Patientin 
genoss nur flüssige Speisen. Auch während des Schlafes blieben die Kiefer fest an- 
einandergeklemmi ln Folge des allmählich eintretenden Mondcatarrhs wurde der 
Appetit geringer. Sämmtlicbe Mittel blieben erfolglos. Chloroformnarcose anznwenden, 
war bedenklich wegen etwaigen Erbrechens und Aspirirens der Erbrochenen aus der 
geschlossenen Mundhöhle. Keben dem Trismus und der Aphonie klagte die Patientin 
Über Schmerzen an den verschiedensten Eörperstellen, am Scheitel, Epigastrinm, an 
der Wirbelsäule, an der linken Ovarialgegend; ferner traten von Zeit zu Zeit An¬ 
fälle auf, in denen die Patientin mit verstörtem Blick automatisch Handlungen be¬ 
gebt, für die sie anamnestisch ist. Menses fehlen. Allmählich zunehmende Schwäche, 
so dass sie seit dem 25. November 1896 das Bett nicht mehr verlassen kann. Dann 
kamen dazu Anfälle mit Schluckkrämpfen, Brechkrämpfen und Äthembeschwerden: 
dabei wurde die Athmung erst so schnell, dass die Züge nicht mehr gezählt werden 
konnten, verlangsamte sich hierauf und setzte schUesslich 25—35 Secnnden aus, zu¬ 
weilen sogar länger als eine Minute. Puls 120—130. Diese Anfölle wiederholten 
sich 4—5 Mal täglich. Druck auf die Ovarialg^end beeinflussten sie nicht; Morpbium- 
injectionen dagegen sehr prompt. Die Glieder sind während derselben ohne Be- 
w^ung, absolut schlaff die Augen geschlossen und die Patientin hört alles, was um 
sie herum gesprochen wird, kann sich aber nicht bewegen. Tom 5. Januar 1897 
ab worden die Anfalle schwächer und seltener; es entwickelte sich allmählich eine 
schlaffe Lähmung der Extremitäten und geringes Oedem derselben. Linker Arm 
unempfindlich für Berühmng und Schmerz; am rechten Arm und beiden Beinen ist 
die Tastempfindlichkeit fast ganz aufgehoben, die Schmerzempfiodlichkeit erhalten. 
Leib stark aufgetrieben, Obstipation. Urinentleerung nur mittelst Katheter. Häufiges 


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Erbredien, bei dem aber nnr gering Mengen FIflseigkeit dnrdi die erwähnte Zahn- 
Iftcke entfernt worden. Die Patientin verti^ nnr noch etwas Wasser mit Wein 
□nd vermag nnr mit Mfthe noch einige Worte zn lispeln, so da«a man ihr die 
Sterbesacramente reichen lässt Der Pols war indessen nicht besorgnisserregend. 
Am 10. Febmar 1897, ihrem Geburtstage and zogleich Grfindnngstage des Ordens, 
dem sie angehbrte, ö&et sich der Mnnd and bew^en sich die Glieder wieder; aaeh 
die Stimme kehrt znrflck. Spontane Entleemngen des Darms and der Blase. Die 
Patientin steht auf and nimmt am Gottesdienst Theih Sie behält feste Speisen bei 
sich. Die Kaabewegangen anbehindert — Am linken Vorderarm, hintere Fläche, 
eine 6 Frankstfick grosse hyperalgetische Stelle. — 1 Monat lang blieb der Zastand 
gflnstig. Am 10. März häufiges Erbrechen, dann grosse hysterische Anfälle, die 
wieder durch Morphium gemildert wurden. Während der AnßUe ist der Mund halb 
gedffiiet and die Zni^e in lebhafter Bewegang. Einige Wochen später in Folge 
eines ihr unangenehmen Vorgangs in der Umgebung sehr reizbar; der Trismus kehrte 
fKr 24 Standen wieder. Am 8. Mai im Anschluss an einen ihr ertheilten Verweis 
Anfall von Tobsucht mit Zähneknirschen. Um den Kopf g^n Selbstbeachädigong 
zu Bcbfttzen, hatte man ihr ein Kissen ontergel^ das sie mit den Zähnen fasste 
and dessen freies Stflck nun, nach Wiedereintritt des Trismus, abgeschnitten werden 
masste, das andere behielt sie 8 Tage — so lange dauerte der Trismus — im 
Munde. Am 15. Mai schwand letzterer im Anschlnss an einen Brechkrampf. Smtdem 
blieben die Erscheinangen ganz aus und die Patientin erholte sich völlig. 

_ Bresler (Preibaig L/SchL). 


16) Note STir la retraotion de Papondvrose palmaire, par FdrA (Bevne de 

chirargie. 1897. Er. 10.) 

Die Asymmetrie der Betraction der Palmarfascie, ihr Vorkommen bei Familieo 
von Neuropathen und bei Hysterie, Epilepsie, Diabetes, Gicht, Ischias u. a. w., das 
gleichzeitige Vorkommen der fibrösen Hautverdickung am Penis, zeigt, dass es sieb 
um Prädisposition handelt und das Trauma nor secandär ist, zudem es an sich auch 
ai^eboren, fiimiliär und erblich sein kann. Meist ist nur die Ulnarseite betroffen, 
sehr selten auch die Badialg^end, und dann ist jene stärker betbei%t, als diese. 
Verf. bringt dann mehrere Krankengeschichten mit Photograpbieen. Die Hypothese 
mner trophischen Störung ist die beste. Näcke (Hubertosbuig). 


16) Hysterisohe, systematlsirte Oontraotur bei einer Ekstatischen, von Dr. 

Pierre Janet (Mfincbener med. Wochenschr. 1897. Hr. 31.) 

Die in der Ueberschrift genannten Erscheinungen bot eine 42 Jahre alte Frau 
dar, und zwar handelte es sich um eine sehr starke, beiderseitige Contractur fast 
sänimtlicher Mnskeln der Beine, derart, dass die Unterschenkel in Extension, die 
Fflsse in hochgradigster Flexionsstellung fixirt waren. Welche auffallenden Ver¬ 
änderungen unter diesen Umständen der Gang darbot, lässt sich errathen. Zwei 
Abbildungen im Original machen den Zustand besonders anschaulich. Die Contractur 
begann vor 3 Jahren mit heftigen Schmerzen, besonders in den Ffissen, und bildete 
sich allmählich inuner mehr aus. Die Du^ose Hysterie wurde theils w^n der 
Abwesenheit besonderer fOr multiple Sklerose und Keuritis charakteristischer Anhalts¬ 
punkte, dann aber auch auf Grund positiven Befundes gestellt. So ergab die Anam¬ 
nese periodisch auftretende Brechaofäll^ welche seit dem 7. Jahre bestehen und mit 
einzelnen Intervallen bis jetzt fortdauem, ausserdem konnten Sensibilitätsstörangen 
an den Beinen festgestellt werden. Von besonderer Bedeutung aber war der psychisch- 
intellectuelle Zastand, der eich bei der Patientin entpuppte und auf die psychogene 
Katar der Contractur hinwiess. Die Patientin verfiel zeitwmse in eine religiöse 


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Etetase, wobei die YorstellDn^ and der inbrflnst^e Wunsch der Himmelfahrt sie 
beseelte. Dabei nahm sie die Stellung ein, welche ihrer Sehnsucht und ihren 
Träumen, sich von der Erde zn erbeben, entsprach. Diese Stellung charahterisirte 
auch einen Anfall, der sich vor 3 Jahren abapielte und war der Anfang der sich 
allmählich ansbildenden Contractur, die aber als der Äusdruch einer krankhaften 
Psyche anzusehen ist. E. Asch (Frankfurt a./M.). 

17) Boolioae et tortloolia hyatöriquea, par Miralli^ et Ghapus. (Bev. d’or* 

thopddie. 1898.) 

Bei einer 45jährigen Patientin, die zu 25 Jahren eine Paraplegie der Beine 
durchgemacht und an hysterischem Erbrechen, hysterischen Contracturen n. s. w. ge¬ 
litten hatte, trat Blepharospasmus ein. Als von einem der Verf. versuchsweise in 
Oegenwart der Patientin davon gesprochen wnrde, dass in Folge des Blepharospasmus 
sich häufig Skoliose einstellte und entsprechende Gesten an ihrem Körper, quasi zur 
Demonstration des Gesagten, gemacht wurden, zeigte sich thatsäcblich wenige Tage 
später im Anschluss au einen neuen Anfall von Blepharospasmus eine deutliche 
Skoliose: die Wirbelsäule beschrieb eine nach rechts convexe Curve; der Rumpf war 
in toto nach links gebeugt, so dass die untersten Rippen der linken Seite iMinahe 
die Crista ossis ilei berührten; die rechte Schalter stand viel höher als die link^ 
die Röckenmuskeln waren druckschmerzhaft, der Kopf war nach links herabgezogen, 
das Gesicht nach rechts und oben gedreht. Am nächsten T^e erhebliche Ver¬ 
stärkung der Skoliose und der Torticollis, so dass die Unke Wange nur 2 Qnerfinger 
von der linken Schulter entfernt war; nach einigen Tagen war alles spontan ver¬ 
schwunden, jedoch trat etwa iVg Monate später — ohne neue suggestive Beeinflassang 
von anderer Seite die Skoliose mit TorticolUs, nnnmehr spontan im Anschluss an 
Blepharospasmus wieder ein, um nach 8 Tagen zu verschwinden; endlich zeigte sich 
dann wieder eine Zeit lang später ein Anfall von SkoUose, der sogar ohne vorher- 
gegangenen Blepharospasmus eintrat. Kaplan (Herzbeige). 


18) Nevrologia nel diatretto dal pleaao brachiale di natura isterioa; diatesl 
di oontrattura, per C. Hegro. (Rivist iconograf. del BoUett del Policlin. 
gen. di Torino. 1.) 

Bei einer hysterischen Frau traten SchmerzanßUe an der Hinterfläche des 
rechten Humerus, die nach der Rückseite des Vorderarms und der Dorsalfläche der 
Hand aasstrahlten, auf. Zugleich mit den Anßllen Contractur der Muskeln der 
rechten oberen Extremität. Die vom N. radialis versorgten Hautpartieen hyper¬ 
ästhetisch und hyperalgetisch, ebenso die Herzgegend. Durch Druck auf die Schmerz- 
punkte des radialis Hessen sich convulsivische Anfölle auslösen. Verf. erörtert die 
Differentialdiagnose zwischen Hysterie und Badialisneuralgie und entscheidet sich für 
erstere. Valentin. 


19) Heber den Husten, speoiell den nervösen, von Prof. Dr. Schech. 

(Münchener med. Wochenschr. 1897. Nr. 26.) 

Auch ohne Affection des Respirationsapparats kann Husten auf nervöser Basis 
anftreten, und zwar handelt es sich entweder um eine allgemeine Neurose oder um 
Auslösung des Hustens von einem bestimmten Organ aus (Reflexhasten). Es wird 
der besondere Charakter dieses Hnstens erörtert und das Aufhören desselben im 
Schlaf, der Mangel von Secret und das Bestehen anderweitiger, nervöser Symptome 
hervorgehoben. Die Oigane, von welchen aus reflectorisch Husten bewirkt werden 
kann, sind sehr zahlreich. Eine besondere Stellung nimmt in dieser Beziehung das 


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CeDtralnerTen^stem, insbesondere die Qegend des Nschhims (Kohts) ein. Larjn* 
geale Krisen bei Tabes, Hnsten bei Chorea, Epilepsie und Trauma des Halsmarks 
gehören in die Gruppe des centralen Hostens. Hehr auf allgemein nenropathischer 
Grundlage steht der nervöse Bosten im Pubertätsalter. Der Bamns auriculans ragi 
vermittelt via Laryngens sup. einen den äusseren Gehörgang treffenden Reis auf das 
Contrum — Ohrhasten, ^hlreiche Erkrankungen der inneren Organe und des 
Naaenracbenraumee kommen ätiologisch in Betracht Beizung peripherer Tagoszweige, 
sowie Druck auf den Vagnsstamm löst begreiflicherweise reflectoriscb Hnsten ans. 
Ueber das Vorkommen eines Magendarmhustens sind die Acten noch nicht geschlossen. 
Fälle aus der Litteratur, in denen von der Leber, Milz, den weiblichen und männ¬ 
lichen Geschlechtsorganen aus Husten erregt wird, werden vom Verf. herangezogen. 
Auch die Haut, ja die Sinnesorgane treffende Beize können unter Umständen Husten 
veranlassen. Die genaue und wiederholte Untersuchnng des Bespirationsapparates 
f&hrte unter Ausschluss einer „natflrlichen'* Ursache zur Di^ose des nervösen 
Hostens, für welchen sich dann eventnell noch charakteristische Eigenschaften oder 
die veranlassende Erkrankung selbst aufffnden lassen. Gelingt das letztere, so hat 
die Therapie natürlich der Indicatio causalis zu genügen. 

E. Asch (Frankfurt a./M.). 


20) Ueber PupUlenstarre im hysterischen Anfälle nebst weiteren Be¬ 
merkungen sur Symptomatologie und Diffhrentialdiagnoee hyeterieoher 
und epileptischer AnlftUe, von Dr. J. F. Earplus. (Aus der psychiatrischen 
Klinik von Hofrath v. Krafft-Ebing.) (Jahrb. f. F^ch. 1898. Bd. XVII.) 

Die Vorhände Arbeit enthält eine ausführliche Darstellung des vom Vert be¬ 
reits publicirten vrichtigen Nachweises von Papillenstarre im hysterischen AnfalL 
Zunächst weist Verf. durch Citate aus der Litteratur nach, dass bisher das Vor¬ 
handensein oder Fehlen der Fupillenreaction in einem Anfalle als absolutes differential- 
diagnostisches Merkmal zwischen Hysteiie und Epilepsie betrachtet wurde; nur FÖrd 
hatte angegeben, dass die Pupille im hysterischen Anfall durch Lichteinfall nur wenig 
beeinflusst werde, und Fansier hatte einen Fall von träger Pupillenreaction im 
hysterischen Anfall mitgetheilt Die Angaben des Verf.’s über das Vorkommen von 
Pupillenstarre im hysterischen Anfall (1896) sind seitdem durch Westphal bestätigt 
worden. Derzeit bat der Verf. über 100 hysterische Kranke während des Anfalls 
untersucht, wobei er sich meist zur genauen Beobachtung der Pupillenphänomene des 
Mellinger’schen Lidbalters bediente. Seine fortgesetzten Untersachungen führen ihn 
zum Schlüsse, dass jede Diagnosestellung auf Epilepsie, die sich im 
Wesentlichen darauf stützt, dass im Anfalle Beactionslosigkeit der 
Pupillen beobachtet wurde, unberechtigt ist. PupUlenstarre ist vielmehr 
in grossen hysterischen Anföllen ein recht häuflges Symptom. 

Im folgenden giebt Verf. die genauen Krankengeschichten von 11 hysterischen 
Kranken, in denen. er während des Anfalls PupUlenstarre nachweisen konnte. Es 
kann hier im Detail auf diese Fälle nicht eingegangen werden. (Erwähnt sei auch, 
dass es dem Verf. mehrfach gelang, während eines Anfalls den Augenhintergrund zu 
untersuchen, und dass hierbei eine wesentliche Veränderung der Blutfüllung des 
Fundus mit Sicherheit au^eschlossen werden konnte.) 

Nach seinen ausgedehnten Untersuchungen giebt nun Verf. an, dass nicht in 
jedem hysterischen Anfälle Pupillenstarre vorkommt, dass es Hysterische giebt, die 
bei ihren Anfällen immer Pupillenstarre vermissen lassen, andererseits solche, b« 
denen sich dieselbe in manchen AnflUlen findet, in anderen wieder nicht. Im aU- 
gemeinen tritt die Pupillenstarre während der beiden ersten Perioden des grossen 
hysterischen Anfalls auf, also während jener Periode, die mit Muskelkrämpfen einber- 
gehen. Manchmal geht die Pupillenstarre den Muskelkrämpfen voraus, manchmal 


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aberdaaert sie sc^ar dieselben. Die Beaotionslosigkeit der Papillen geht meist mit 
einer Srweiterang der Papille einher, ln anderen Fällen sind die starren Papillen 
mittelweit oder eng. In einzelnen Fällen sah Verf. aach in den anfallsfreien ^iten 
träge Beaction. Wesentlich ist, dass nach des yerf.’s Untersachangen die Pupillen 
in den Anfällen der grande Hysterie sich genaa so verhalten können, wie in den 
Anfällen der Epilepsie, und dass in einem fiLrampfanfall ans dem Verhalten der 
Papillen keine differential-diagnostischen Anhaltspon^ gewonnen werden können, ob 
es sich am Epilepsie oder am Hysterie handelt. Von Interesse ist, dass das Be¬ 
wusstsein zur Zeit der Papillenstarre in den grossen hysterischen Anfällen nicht 
immer tief gestört sein muss. 

Weitere in extenso mitgetheilte Beobachtangen zeigen, dass Papillenstarre aach 
in hysterischen An^en mit Bewusstlosigkeit, jedoch ohne Convalsionen auftreten 
kann. Eine Beihe weiterer Fälle, die Verf. mittheilt, zeigen, dass Papillenstarre 
auch in sogenannten kleinen hysterischen Anfällen, die bloss mit Be- 
spirations- und Schlackkrämpfen ohne Bewosstseinsstörung einher- 
geben, auftreten kann. Nebenbei erwähnt Verf., dass es nach seinen Unter- 
saohai^en keine Art von Aoftllen, kein Symptom giebt, das an nnd für sich gestatten 
würde die Diagnose Epilepsie mit Sicherheit za stellen. 

Seine Krankengeschichten zeigen, dass auch das Auffreten nächtlicher Anfälle, 
Urinabgang während des Anfalls oder Botbhalllucinationen dorchaos nicht absolut 
charakteristisch für die Epilepsie sind, sondern auch bei Hysterie sich vorfinden 
können. 

Seine Untersachangen gaben dem Verf. Anlass, sich aach über die Natur des 
hysterischen Anfalls and seine Auslösung aaszosprecben, worauf noch karz ein¬ 
gegangen seL Die Papillenstarre im hysterischen Anfall ist ein corticales Phänomen. 
Verf. stellt sich vor, dass Popillenerweiterang nnd Verengerung im Cortex vertreten 
sind, und dass ein tonischer Krampf der Papillenmaskulatur, der die Ursache der 
Popillenstarre sein dürfte, die Folge eines corticalen Erregungszostandes ist Jeden¬ 
falls ist die Papillenstarre kein idiogenes Phänomen, der hysterische Anfall kein 
rein psychischer Vorgang. Psychische Vorgänge, die unzweifelhaft von ursächlicher 
Bedeotung für den hysterischen Anfall sind, sollen einen präformirten Hechaoismus 
aaslösen, der an und für sich nichts mit psychischen Phänomenen zu thun hat 

Bedlich (Wien). 

21) Hyaterioal parapl^ia in a ohlid, by F. H. Simpson. (Brit med. Joom. 

1898. 5. Feb. S. 347.) 

Verf. stellte der Midland med. Uesellsch. ein Tjäbriges Mädchen vor. Das Kind 
batte nasse Füsse bekommen and klagte, 1 Woche darauf. Über Schmerzen in den 
Beinen. 1 Woche noch später war es ganz gelähmt. Maskein des linken Beins 
schlaf des rechten hypertonisch. Kniephänomen links normal, rechts aofgehoben. 
Fussclonos besteht nicht. Beide Beine anästhetisch bis etwa 4 Zoll oberhalb des 
Kniees. Sensibilität für Tast- und Schmerzgefühl erloschen. Keine Atrophie. 
Massige Einschränkung des rechten Gesichtsfeldes. — 3 Tage nach der Untersucfaang 
bekam das Kind den Gebrauch der Beine plötzlich and vollständig wieder. 

L. Lehmann I (Oeynhausen). 


22) Casuistisohe Mittheilongen, von Glaeser. Aus der I. Abtheilung des 
Neuen allgemeinen Krankenhauses in Hamburg. (Deutsche med. Wochenschr. 
1897. Nr. 51 a. 52.) 

I. Hemiplegia hysterica. 

Die 36jäbrige Patientin hatte am Abend des 14. November 1895 eine heftige 
Gemütbsbewegung, bemerkte am nächsten Morgen eine Lähmung des reehten Armes 


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and bneh, beim Verenche za arbeiten, bewnssUoe zosunmen. Status: Kicht abm- 
late Bewojutlosigkeii Schlaffe L&bmong der rechten Gliedmoossen ohne Fodalie- 
pareee. Kein Fieber. Patellarrefiex links m&ssig stark, rechte schwach. Unmöglich* 
keit, die Zange hervorzostrecken (bei sonst freier Beweglichkeit). Incontinentia 
orinae et aivi. Sonst normaler Befand. Am 18. November ist die Patientin geistig 
klarer, kann die Zange nicht herrorstreoken, nar ,Ja“ sprechen; linker Patellarreflez 
fbblt. Einige Tage später lässt Patientin nicht mehr anter sich, die feine Sensi« 
bilit&t ist rechts herabgesetzt, Patellorreflex fehlt rechts (1 25. November). — 4. De- 
cember: Die Zunge wird aof dringendes Aaffordmn schliesslich weit heraasgestreekt, 
es werden einige Worte, wenn aoch mflhsam, gesprochen. — Am 19. Deoember kasi 
Patientin bereits ohne Unterstützung, ohne Andentang einer pathologischen 
Gangart gehen. Sprache noch onvoUkonunen: Sensibilitätsprflfong dadareb erschwwt 
Kein Gaumenreflex. Normales Gesichtsfeld (10. Janaar). — 3. Febmor: Am rechten 
Bein werden warm and kalt nicht anterschieden, daselbst auch starke Herabsetxong 
des Schmerzgefühls. Berührungen mit dem Fingw werden rechts gomicht oder oar 
langsam wahi^nommen. Geruch und Geschmack intaot. Die Besserung schreitet 
fort; es besteht nor geringes ScbwäcbegefQhl in den rechten Extremitäten. Patientin 
erklärt, das richtige Wort fehle ni^ sie könne es nar oft nicht gleich odw gar nicht 
beraosbringen (24. März). — 21. März: Fatellarreflex links schwer, rechts nicht 
anslösbar. Linker Plantarreflex fehlt Eine leichte Coiitractar der Beagemoskalatni 
des rechten Armes wird dorch Massags and passive Bew^ongen beseitigt, Patientin 
am 13. April geheilt entlassen. — Verf. führt an was für and wider die hysterische 
Natur der Läbmnng spricht die sieh nor schlecht in den Bohmmt der gewöhnlidieo 
Himhämorrhape einfügt Ob das Fehlen der Focialislähmong bei der Hemiplegie 
stets als Zeichen ihres fanctionellen Charakters anzosehen ist, bezweifelt der Terf, 
da der Theorie nach anter Umständen Capselberde die Extremitäten lähmen, dm 
Facialis verschonen könnte. — Die Ansicht des yerf.*s, dass „die Sehnenrefleze 
zwischen hysterischen und nicht hysterischen Lähmangen diagnostisch kaum verwendbar 
sind“, kann Ref. nicht tbeilen. 

IL Urämische Hemiplegie — Wirkung eines Aderlasses. 

70jährige Frau soll — Anamnese fehlt — seit einigen Togen am rechten 
Arm, zuerst auch am rechten Bein, fast ganz gelähmt gewesen sein. Status: 
Mäss^ Arteriosklerose. Apathie. Schlaffe, totale Lähmung des rechten Annes, 
leichte Parese des rechten Beines, FadaUsMhwäche (Mundast). Yöllige Taubheit, 
Trommelfell beiderseits zerstört, stinkender Ohraosfluss. Albumen im Urin bei nor* 
maler Hammenge. Keine Herzbypertrophie, keine Retinitis albaminurica. Eine 
noch Catheterisation enstehende Cystitis geht rasch zurück, anch schwindmi die 
Lähmungserscheinungen — es bleibt senile Demenz mit zeitweiligen Auftregniigi- 
Zuständen und wird rechts homonyme Hemiopie nachweisbar. Circa 6 Monate später 
wiederum plötzlich eintretende schlaffe Lähmung der rechten Extremitäten, keine 
Focialisporese, geringe spastische Widerstände. Diesen Symptomen folgtmi eimge 
Standen später clonische Krämpfe; dieselben beginnen im rechten Arm, ergreifen 
dann das rechte Bein, die Gesichtsmaskein — Kopf und Ai^n sind noch rechte 
oben gedreht, Papillen anscheinend reactionslos, mittelweit. Dauer des Anfalls S 
bis 4 Minuten, dann Rückgang in umgekehrter Folge. Die Convulsionen kehrm 
wieder, werden &Bt andauernd, sistiren aber nach Aderlass: auch die Lähmang 
schwindet noch an dem gleichen Tage. — Ein 8. Anfall von Lähmung der rechtsD 
Seite mit kurzer Dauer hat 2 Monate später stattgefunden. Patientin zmgt kmne 
Veränderungen am Herzen, im Augenhintergrund; keine Oedeme, zeitweilig Sporen 
von Eiweiss, keine Fonnelemente (eine sichere Angabe über den mikroskopischen 
Befund findet sieh allerdings nicht in der Krankengeschichte). — Verl^ong in das 
Armenhous. Jn der Epikrise erörtert Verf. die diagnostischen Sehwierigkeiten 


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909 


and aach die UmstAnde, welche ge^en die Annahme einer ar&mischmi Hemiplegie 
sprechen. 

III. Eitrige Convexitätsmeningitis complicirt mit H&matom der 
Dnra mater. 

Der 60jährige Pai kommt mit Eiyaipelas croria zur Äofhahme. Die Böthe 
schwindet» trotzdem hält das Fieber an, erreicht allmählich höhere Grade (40*^), 
gleichzeitig Pulsverlangsamung (76), Pai wird apathisch. Status: Stirnfalte rechte 
verstrichen, rechts Ptosis und schlaffe Parese der rechten Extremitäten, starke Sensi¬ 
bilitätsherabsetzung der ganzen rechten Seite. Zocken im linken Arm. Patellar- 
reflexe beiderseits lebhafi links mit Clones, Tricepsreflexe, besonders rechts, ge¬ 
steigert Normaler Aogenhinteigrund, keine Veränderungen am Trommelfell. Tjeb- 
hafte clonische Zuckungen in allen Extremitäten, hänflge Kaubew^ngen. Exitus. 
Sectionsbefund: Dura stark gespannt besonders links; beim Einschnitt in dieselbe 
entleeren sich mehrere Esslöffel blutig gefärbten Eiters. Der linke Scheitel- und 
Hinterbauptslappen moldenartig vertieft; daselbst ist die Dura an ihrer Innenfläche 
von einem dicken, durch Blutgerinnsel unterbrochenen Eiterfilz fiberzogen und zeigt 
auf dem Durchschnitt abwechselnde (bis 5 fache) Schichtung von grauweissen und 
granrothen Lagen. Pia links an der ganzen Convexität rechte im Bereiche des 
oberen Vs beiden Centralwindungen eitrig infiltrirt; Erweichungsberde links im 
oberen der hinteren Centralwindung, in der 2. Frontal- und 2. Parietalwindung. 
ln der 1. Parietalwindung liegt dicht unter der Oberfiäcbe eine kleine, eitrig infll- 
trifte Partie. Rechte keine Erweichungen. — Das ftbrige Gehirn ist makroskopisch 
intact. 

IV. Caries des Eeilbeins aus unbekannter Ursache mit eitriger 
Thrombose des Sinus cavernosus. Meningitis purulenta. 

Der 44jäbr. Efiper C. erkrankte im Januar 1896 mit starken Nacken-, Bficken- 
und Kopfschmerzen, sowie heftigen Schweissausbrfichen ohne Schfittelfröste; dazu 
traten beiderseits Ohrenschmerzen und hartnäckige Obstipation. Diese als Influenza 
gedeuteten Erscheinungen schwanden nach ca. 2 Monaten, Mitte März begannen 
wiederum heft^e Kopfschmerzen. Befand (22. März): Fehlen des Gaumenreflexes, 
Steigerung der Muskel- und Sehnenreflexe, Fussclonus. Tr^e Pupillenreaction, links 
lebhafter als rechte; das Gehör ist beiderseits herabgesetzt, besonders links. Eine 
druckempfindliche Stelle links neben der Mittellinie auf der Höhe des Kopfes. Sonst 
normale Verhältnisse. In der Folgezeit nehmen die Kopfschmerzen zu, die Tem¬ 
peratur steigt an, der Puls wird unregelmässig, das Sensorium benommen. Reflexe 
fehlen bald, bald sind sie gesteigert. Exitus (13. April). Der Durasack des Rficken- 
marks zeigt sich praU mit dfinnem Eiter geffillt, die Pia an der hinteren Fläche des 
Hals* und Bmstmarks eitrig infiltrirt. In der Occipitalgrube dfinnöQssiger Eiter; 
eitrig infiltrirte Flecken an symmetrischen, den Farietallappen entsprechenden Stellen 
längs der Gefösse. Gehimbasis, Sylvi’sche Gruben und Kleinhimoberfläche sind 
frei von Eiter. Im Unken Sinns cavernosus, dessen obere Wand wie auch der Dura* 
fiberzug des Tfirkensattels beträcbüich verdickt und getrfibt ist, einige Tropfen 
Eiter. Caries des Eeilbeins ohne auffindbare Ursache. 

V. Gliom der Medulla oblongata. 

Pai, 41 Jahre alt, nicht belastet, batte vor 4 Jahren Gelenkrheumatismus mit 
Uerzcomplicationen. Der Rheumatismus recidivirte 2 Monate vor der Aufnahme, 
gleichzeitig begann intensiver Schmerz im Hinterkopf, Neigung vorne Ober zu fallen 
nach längere Zeit vorhergehender Unsicherheit und in deq letzten Tagen Erbrechen. 
Niemals Ohrenfluss. Status (21. Februar 1893): Geffihl ffir Stellung der GUeder 
entschieden gestört, Plantarreflex nicht auslösbar. Insnfficienz des rechten Bectus 


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— 910 


int, Parese des Levator veli palatioi lioks. Beklopfen des Schädels, besonders am 
Hinterkopf, schmerzhaft, Wirbelaänle nnempSodlich. Starkes Schwanken beim Stehen 
and Gehen. Doppelseitige Stanangspapille, rechts mit Blutongen, verticaler Kystagmus. 
Geher: hört das Ticken der Uhr Unks auf Vs ni, rechts anf 15 cm. In den folgenden 
Tagen heftigste Kopfschmerzen; starke Percossionsempfindlichkeit der rechten Hinter- 
hanptspartie, des rechten Proc. mastoideas. Auch links sind Betinalblntangen nach- 
zoweisen. Kein Fieber. Am 26. Februar dünner brännlicher Ansfinss ans dem 
rechten Ohr; Perforation in der hinteren Trommelfellhälfte, amgeben von einem g^ 
rötheten Hof, mit polsirendem Reflex. Uebelriechendes, eitriges Exsudat. Starke 
Schmerzen im Kopfe and Nacken. Verdacht anf Gehimabscess. Operation (28. Febr.); 
kein Abscess gefunden. Exitos Standen später. Die Section ergiebt neben 
Otitis media suppurativa einen Tumor am hinteren, unteren Tbeil des Bodens vom 
4. Ventrikel, der nach vom bis zo den Striae acosticae reicht, nach hinten sich am 
Halsmark 6 cm abwärts erstreckt, dasselbe sefaalenartig amgreifend. Frisches streifiges 
Exsudat an der Uebergangsstelle des Lohns hemisphericus in den Lobes quadratns 
der rechten Kleinhirahemisphäre. Der Tamor war ein sehr gefössreiches Gliom. — 
Verf. lässt es unentschieden, ob und welche Beziehongen zwischen dem bis an die 
Striae acosticae reichender Tumor und der Otitis media bestanden haben. Der 
Haoptwerth dieser Beobachtung liegt nach des Bef. Ansicht darin, dass auch hier 
nebeneinander Otitis media und Tumor cerebri bestanden, bestehende Himsymptome 
bei purulenter Otitis nicht allzu sicher für Abscess, gegen Tumor sprechen. 
Die sehr starke Stauungspapille in diesem Falle musste bei der Diagnose des Hirn- 
abscesses befremden. — Interessant ist die beobachtete Ataxie (?) in Rücksicht aof 
die Localisation des Tumors. R. Pfeiffer (Cassel). 


23) Des pmrslysies post - anesthdsiques, par E. Schwartz. (Gazette dee 
hüpitaux. 1897.) 

Bei einem 45jährigen Neurastheniker kam es während der Badicaloperatu» 
einer Leistenhernie zu vorfibe^ehender Syncope, die künstliche Athmung erforderte; 
der Fat blieb einen Tag lang leicht somnolent Sobald er zu sich gekommen war, 
merkte er Ameisenlaufen in der rechten Hand, besonders im Daumen nnd Zeige¬ 
finger, zugleich war Lähmung dee Flexor poUicis longus und des Index vorhutden; 
objectiv keine Sensibilitätsstürung. Bei den ersten Gehversuchen zeigte sich Lähmung 
des Triceps am rechten Bein. Nach 7 Monaten vüllige Restitutio. Mit Rücksicht 
auf die kurze Dauer der künstlichen Athmung und die dabei angewendete Vorsicht 
hält Verf. es für ausgeschlossen, dass die Lähmung durch Zerrung des Plexus ent¬ 
standen sei, wie bei einer Reihe von „Narcoselähmungen“. Er nimmt unter Zurück¬ 
weisung von Hysterie an, dass es sich um eine centrale Lähmung handelte. 
bat 16 ähnliche Beobachtungen gesammelt, von denen alle — bis auf seinen eben 
beschriebenen Fall — Weiber betrafen. PatiK^netisch sind die Fälle jedoch sehr 
verschieden; in einem secirten Falle wurden Erwelchungsherde in der Rinde g^ 
fanden, ein anderes Mal war Hysterie zweifellos. Verf. lässt auch die Büdinger'sche 
Vermuthung, dass es sich um toxische Paralysen handeln könne, für gewisse Fälle 
gelten, er selbst macht darauf aufmerksam, dass bei Arteriosklerotischen oder Ober¬ 
haupt bei Personen mit kranken Gefassen es im Excitationsstadium der NarooM 
unter dem Einflüsse des Schreiens, Brechens u. s. w. zu einer Gefässruptur komseB 
könne. B. Hatschek (Wien). 

24) Des pervenioBS de la motilitd dsns l’hyst4rie. Un oas de ohozde 
rhythmäe hystdrique ohes nn homme, par Glorieux. (Policlimqoe. 
1898. Nr. 6.) 

Verf. beobachtete bei einem anscheinend religiös verschrobenen Menschen An¬ 
fälle von rhythmischen Zusammenziehungen der Lippön, regelmässigen, pendelartigeo 


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911 


Bew^rnngen des Kopfes nod der Vorderarme. Die Daaer der Anfälle schwauicte, 
selten währten sie länger als Vs Stande, in diesen Fällen waren sie gewissermaassen 
ans einer Reihe von HiniatnranfaUen zasammengesetzt. Die Zahl der Anfälle war 
ebenfalls verschieden, sie traten bei leichten Erregungen, bei Tabaksgemch n. s. w. 
snf. Kein Bewnsstseinsverlust. Nach einer heftigen Erregung blieben die Anfälle 
fast gänzlich aus. Im übrigen Kopfschmerzen, Gesichtshallucinationen im Halbschlaf, 
Reraldopfen, allerlei Schmerzen, Herabsetzung der Sensibilität an der rechten Körper* 
hälfte. Kaplan (Herzberge). 


26) Hysterical double ptosis, bjKiernan. (Hedicine. 1897. VoLllI. Nr. 10.) 

36jähriger erblich schwer belastete Patientin leidet seit längerem an visceralen 
Neurosen, die zeitweise das Bild einer Peritonitis oder Qallensteinkolik Vortäuschen 
und mit merkwürdigen Temperaturschwanknngen einhei^eben (in wenigen Stnnden 
Temperaturabfall von 109'^F. auf 90*0: diesen Attacken können bei der Pat. 

leicht durch Suggestion Lähmungen und Änästhesieen, sowie Hautverfärbungen hervor- 
gemfen werden; in Folge der Aeusserung eines Angehörigen während einer solchen 
Attacke, ihre Augen sähen matt aus, trat unmittelbar leichte Amblyopie und doppel¬ 
seitige Ptosis auf, die nach einigen Wochen durch Suggestivbehandlung verschwanden, 
um nach einiger Zeit abermals in Folge autosuggestiver Vorgänge wieder aufzutreten. 
Heilung. Martin Bloch (Berlin). 


26) De la diffioultA du dlagnoatio de rappendioite ohea les hystAriques, 

par M. Renda. (Gazette des böpitauz. 1897.) 

Zwei lehrreiche Krankengeschichten zeigen, wie bei Hysterischen durch die 
reflectorisch entstehenden Symptome die initale geringfflg^e AppendiciÜs complicirt 
und schwer kenutlich gemacht werden kann. 

Ein 19jähriges Mädchen wurde mit den Erscheinungen einer allgemeinen Peri¬ 
tonitis in das Höpital Necker aufgenommen; daneben bestand Pbarynxanästbesie und 
Hypästhesie an den unteren Extremitäten. Am nächsten Tag wird eine Schwellung 
in der F. il. dextr. fühlbar, die unter Verschlimmerung des Allgemeinbefindens, Er¬ 
brechen n. s. w. immer deutlicher wird, so dass zur Operation geschritten wird. In 
der Narcose verschwindet jedoch die Schwellung, so dass man sich begnügt, wegen 
einer gleichzeitig bestehenden Endometritis den Uterus zu curettiren. Die heftige 
Wiederkehr aller früheren Erscheinungen veranlasste aber eine nochmalige Operation 
durch Routier. Der Appendix ist verdickt und etwas injicirt, um denselben finden 
sich einige recente, wenig resistente Adhärenzen; seine Schleimhaut ist geröthet und 
geschwellt. Nach der Operation gehen sämmtliche Beschwerden zurück, doch kommt 
es 2 Wochen später in Folge eines GemüthsaCfects zu Erbrechen, Tympanites, 
hysterischer Lähmung der Beine; letztere bessert sich langsam, während die abdo- 
mineUen Erscheinungen rasch wieder geschwunden sind. 

Der zweite Fall betraf eine 22jährige, an Uebelkeit, Schmerzen, dyspeptischen 
Erscheinungen leidende Patientin, bei der Hämatemesis und Collaps eintrat; der Leib 
war dabei eingesunken und in der rechten ünterbauchgegend schmerzhaft. Nach 
neuerlicher Hämatemesis und Verschlimmerung des Allgemeinzustandes (Temp. 39 
Pols 170) Laparotomie durch Routier. An Magen und Duodenum fand sich nichts, 
der Appendix war geschwellt, nach vom vom Coecum gedreht, seine Serosafläche 
geröthet; keinerlei Adhaesionen, kein Exsudat. In dem resecirten Appendix, dessen 
Mucosa frei von Ulcerationen war, fanden sich zwei in Schleim gehüllte Phosphat- 
steine. Nach der Operation sofortiges Aufbören der abdominalen Beschwerden. Die 
durch die Congestion und Kolik des Appendix erzeugten Schmerzen und Erscheinungen 
sind bei der neuropathiscben Patientin durch die nervösen Zustände vergrössert 
worden. 


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Im Gegensatz zur ersten Patientin schwanden hier nach der Operatioo sn^ 
die flbrigen nerrösen Symptome. In ähnlichen Fällen hält Yerl einen operaüTen 
Eingriff für dnrchans berechtigt. B. Hatschek (Wien). 


27) fiksdma pslmaire oben une hystdriqne, par Hontfort et Mirellid. 

(Bev. de Dermatologie. 1898.) 

Bei einer hereditär belasteten Person, welche schon lange an Krämpfen, an&ll« 
weisem Weinen und Gähnen, Zittern, Globns n. s. w. gelitten hatte, nnd welche in 
Folge ihrer Beschäftignng besonders den inneren Band der rechten Hand stark n 
benutzen gezwungen war, trat nach zwei h’Qheren, ähnlichen Anfällen heftiger Schmen 
an der Innenseite des rechten Vorderarms und der rechten Haod ein. Die Hant in 
der Gegend des KleinÖgerballens und der angrenzenden Seite der Hohlhand war 
trocken, runzelig, verdickt, von zahlreichen, sich regellos kreuzenden Furchen durch* 
zogen, deren Grund schmutzig «grau anssah und von feinen, leicht abkratsbaren 
Schuppen bedeckt war. An der linken Hand fand sich Qbrigens ebenfalls eine An* 
deutung des Ekzems; rechter ülnaris in seinem ganzen Verlauf stork druckschmen* 
haft; in seinem Verbreitui^bezirk hochgradige Herabsetzung der Sensibilität Keine 
motorischen Störungen. Im übrigen Hypästbesie der ganzen rechten Körperhälfte 
mit Betheiligung des Geruchs und Gehörs. 2 Monate später ist keine Schmerzhaftig¬ 
keit des ülnaris mehr nacbzuweisen, und das Ekzem ist verschwunden. 

Kaplan (Herzbei^e). 


28) XTn oaa d*aziiirie hyatdrique aveo dliminatlon auppldznentaire de 
l’urde, qui a durd pendant douae jours (le 6—18 du moie de inaQ 
ohM une fenune hystdrique, gudrie oompldtement, par Barthdlemy 
Guisy (Athönes). (Progr. mdd. 1898. VI. 8. 84.) 

Eine 39jährige Hysterische litt seit dem Tode ihres Hannes an Anfallai, in 
denen sie hinfiel und Zuckungen batte, welche sich zumal durch psychische &* 
regungen häuften. Sie bemerkte nur, dass sie während den AniaUen häufig an 
Hamverhaltui^ litt 

Hach einem neuen psychischen Insulte erkrankte sie wiederum an letzterer 
and consultirte den Verf. Dieser fasste seine mehrtägige Beobachtung in folgende 
Funkte zusammen: 

Die Harnverhaltung dauerte bei der schwer Hysterischen 12 Tage, war von fast 
unstillbarem Erbrechen und von einer starken und andauemden Urinabsondemiig 
durch Hase, Augen, Ohren und Vagina begleitet Auifallenderweise befand sieb die 
Kranke körperlich leidlich wohl. 

Verf. sucht das Vorkommen dieses wohl experimentell tbeilweise nachgewiesenen, 
aber beim Menschen noch nicht beobachteten Symptoms durch eine Znsammen- 
ziehung der kleinsten arteriellen Gefässe zu erklären, welche durch un* 
bekannte Function der sekretorischen oder anderer in ihrer Thätigkeit noch nicht 
bekannter Hervenfasem bedingt ist und die Tubuli contorti unwegsam macht 

Adolf Passow (Strassburg L/E.). 


20) Deuz obserrations de troublea vaso - mot^vrs d’origine hystdrique, 
par Hauheimer. (Arch. de Heurol. 1896. VoKlI« Nr. 9.) 

Die erste Beobachtung betrifft eine 27jähr. Frau, neben charaktenstisehen 
hysterischen Symptomen als Hemianästbesie, Gesichtsfeld^chränknng, Anfiüe, die 
^cheinnngen des „Oedäme bleu“ an der linken Hand ddi^t. Das letztere war 
nun dadurch interessant, dam eich die Farbe der ödematösen iVeile mitunter ändwte, 

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und dass das Oedem zeitweise sogar Terschwand. Diese Yeränderoagen stellten sich 
theils spontan nach AnAllen, theils nach einfacher Yerbalsnggestion ein. 

Im zweiten Falle handelt es sich am einen 28j&br. hysterischen Journalisten, 
der fönende vasomotorische Störungen zeigte: 1. hochgradige Dermographie, 2. An¬ 
fälle eigeathdmlicher Art: es stellte sieb zunächst ein Zittern des ganzen Körpers 
ein, nach einigen Secunden treten dann- auf der Haut des Gesichts, des Thorax, des 
Abdomen und der Extremitäten eine Anzahl kleiner Erhebungen von etwa 1 mm 
Höhe auf, die alle in ihrem Centrum ein Haar erkennen Hessen. Die Störung hatte 
also ganz den Charakter einer „Gänsehaut". Diese Anfälle stellten sich sehr häufig 
ein, oft bis zu 20 in der Stunde. Die Dauer des einzelnen Anfalls betrog circa 
20 Seennden. Daneben bestand noch eine sekretorische Störung in Form einer 
Hyperhidrosis an beiden Händen. Das Auftreten der „Gänsehaut" ffthrt der Yerf. 
auf plötzliche spasmodische Contraction der kleinen Hautarterien znrfick. Der Yerf. 
hält diese Störung fOr eine der verschiedenen Modalitäten, in denen sich die „vaso¬ 
motorische Diathese" der Hysterischen manifestiren kann. Irgend welche Anhalts¬ 
punkte, dass die Störung auf Intoxicationen beruhen könnte, Hessen sich nicht auf¬ 
finden. M. Weil (Stuttgart). 

30) Zerostomia (Mouth - Diyness), by J. Sharp. (Brit med. Joum. 1898. 

7. May. 8. 1205.) 

Yerf. berichtet Ober einen Fall von absoluter Mundtrockenheit und partieller 
Hasentrockenheit bei einer dljähr. alleinstehenden Frau. Der Zustand batte vor 
iVs Jahren plötzlich angefangen. Geruch und Geschmack waren nicht abnorm, ob- 
woU Aber einen muffigen Geruch geklagt wurde, ohne dass örtlich ein Befand daffir 
bestand. Die Zähne waren in erträglichem Zustande. Wenn das kflnstHcbe Gebiss 
weggelassen wurde, wuchs das TrockengefQhL Die ganze Mundhöhle zeigte sich 
trocken und glasirt, bleich; nur die Zungenspitze war roth. Die Papillen der Zunge 
prominent: Fauces und Pharynx mit Granulationen. Speicheldrüsen und Gänge ohne 
Sekretion. Spülwasser der Zunge zeigte alkalische Beaction. Lippen trocken. Haut 
nicht trocken; Patientin konnte schwitzen, Urin normal, nicht Parotitis. Patientin 
kühlte die Zunge mit einer Sodalösung. L. Lehmann I (Oeynhausen). 


31) Neuritis isohiadioa, Neuralgla isohiadioa und Hysterie. Ein neues 
differentialdiagnostisohes Symptom nebst einigen Bemerkungen, von 
Dr. Max Biro. (Ans der Poliklinik von Dr. Goldflam in Warschau.) (Deutsche 
Zeitschr. f. Nervenheilk. 1897. XI.) 

Yerf. giebt den Status von 12 Fällen, welche sämmtlich den Symptomencomplex 
der Ischias darboten, aber gleichzeitig durch das Fehlen des Achiilessehnenreflexes 
an der leidenden Extremität die engere Diagnose „Neuritis“ im Gegensatz zur 
„Neuralgie" ermöglichten. Einige Male bandelte es sich nur um eine Abscbwächung 
desselben. In den mltgetbeilten Fällen konnte ausserdem sehr häufig eine merkliche 
Yerringerrung des Umfangs des Unterschenkels, sowie verminderte, elektrische Er¬ 
regbarkeit an der ergriffenen Extremität nachgewiesen werden, ohne dass von einem 
Parallelismus dieser beiden Symptome mit dem Fehlen des genannten Reflexes die 
Bede war. Um diese 3 Erscheinungen als ausschlaggebende Factoren heranziehen 
zu können, muss eben die Fragestellung auf die Differentialdiagnose zwischen Neuritis 
und Neuralgie reducirt, also eine Erkrankung des N. ischiadicos selbst erkannt sein 
im Gegensatz zu Affectionen des Hüftgelenks, des M. psoas, pathologischen Processen 
an der Wirbelsäule, den Bückenmarkshäoten, dem Bückenmark selbst (Tabes, Mye¬ 
litis, PoliomyeHtis ant.) gegenüber der Polyneuritis und der unter dem Bilde -der 
Ischias sich manifesHrenden Hysterie. Bei Erörterung der Frage, ob überhaupt 

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zwiachen Neuralgie und Neuritis ischiadics eine strenge Unterscbeidung thonlicb ist, 
findet sich eine Reihe von Tbatsachen, welche dem eher widersprechen. Denn wem 
auch gewisse Symptome eine Neuritis annehmen lassen, so kann man bei deren 
Fehlen nicht in ebenso bestimmter Weise auf eine Neuralgie schliessen, da der rer* 
schiedene clonische, ja auch pathologisch-anatomische Befund der Äusdmck von nnr 
quantitativ, nicht qualitativ verschiedenen Veränderungen sein kann. Unter dies« 
Gesichtspunkt betrachtet Verf. auch den verschiedenen Schmerzcharakter, der daher 
als differeutialdiagnostisches Moment an Bedeutung verliert. Obwohl sich hierdurch 
die Hypothese ergiebt, dass eine scharfe Grenze zwischen Neuritis und Kenral^ 
Oberhaupt nicht existirt, so zieht Verf. auf Grund von 156 Krankengeschichten dn 
Schluss, dass die sogen. Ischias eher den EntzQndungen als den Neuraigieen zuiu- 
zählen sei. In 14‘’/o der Fälle fanden sich charakteristische Entzfindnngaersditt* 
nungen, in 787o konnte eine eine engere Diagnose mit Sicherheit nicht gestellt 
werden. Dazu kommen dann noch die Fälle von hysterischer Fsendo-lschias. la 
9^/o fanden sich, und zwar meist gekrenzte, Skoliosen. Alle bisher ftblichen An¬ 
gaben ätiologischer Momente finden zum Schluss eine sehr skeptische Beurtheilung, 
war es doch bei dem grossen Material nicht mCglich, der Erkiütnng in dieser Hin¬ 
sicht eine besondere Bedeutung zuzuscbreiben. E. Asch (Frankfurt a./M.). 


32) Contribnto alla dlagnosi e oUs oura nelle artralgie isteriche, (er 

L. Bianchi. (Annali di Nevrologia. XVI.) 

Verf. theilt 2 Fälle hysterischer Gelenkerkrankungen mit, die beide vorher 
chirurgisch ohne Erfolg behandelt, durch Suggestion geheilt wurden. Der erst« be¬ 
traf ein junges Mädchen; diese hatte bisher keine Zeichen von Hysterie gebolen 
hatte aber eine Pensionsgenossin an einer Coxitis leiden sehen. Nach einem Stcn 
von der Treppe erkrankte sie mit Schmerzen in der Hüfte, Unbeweglichkeit der 
unteren Extremität und Contraetnr derselben. Gleichzeitig wurde das Midcben 
reizbar, launisch und verfiel leicht in hysterische Krämpfe. 

Im zweiten Falle handelte es sich um ein vorher schon hysterisches Mädeko, 
bei der sieb intensive Schmerzhaftigkeit des linken Schaltergelenks und allmählkli 
Unbeweglichkeit des linken Arms einstellte, so dass der Verdacht eines taberenlöeeB 
Gelenkleidens entstand. 

Zur Stellung der Dii^ose half beide Male das Bestehen hysterischer 
das Vorhandensein von Schmerzpunkten in weiterer Entfernung vom befallenen Ge¬ 
lenk und von hysterogenen Zonen am kranken Glied; Anästhesieen, Einengnng des 
Gesichtsfeldes, Contracturen, wie sie bei wirklichen Gelenkerkrankungen nicht Vor¬ 
kommen, wie z. B. der Bauchmuskeln bei der Coxalgie; die hysterische Cbarakt- 
Veränderung. Valentin. 


38) On oyolone — neuroses and psyohoses, by Ludwig Bremer, St. Looii 

Mo. 

Die Cyklonkatastropbe, welche im Mai. 1896 St. Louis heimsuchte, hat bei eaff 
beträchtlichen Zahl von Bewohnern nicht unbedeutende nervbse Stdnii^en berver- 
gerulen und hinterlassen, von denen Verf. eine interessante Schilderung giebt. !■ 
Allgemeinen hatte die Schädigung des Nervensystems den Charakter der trat* 
matischen Hysterie: bei schon vorhandener und durch die Katastrophe an sich 
gesteigerter oder durch diese erst erzeugter Disposition vermochten selbst giniage 
mechanische Läsionen schwere nervbse Erscheinungen zu Tage zu fbrdenu Veä 
beobachtete z. B. zwei Frauen mit hysterischer Faraplegie; bei keiner waren Sptire::^ 
einer physikalischen Einwirkung zu constatiren, obgleich beide behanpteteo, dorck 
einen vom Sturm geschleaderteu Gegenstände einen Schlag auf den Bfickm olittn 


Dig li^cd cy Google 


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za haben; beide genasen. Bei einem jungen Manne folgte auf eine leichte Quetschung 
an der Kopfhaut, entsprechend dem linken Ärmcentrum, eine 2tägige Betäubung; 
als er von dieser erwachte, war er vollständig amnestisch, und als schliesslich am 
3. Tage auch der halbstuporöse Zustand geschwunden, entwickelte eich plötzlich eine 
unvollständige Hemipl^e des linken Arms mit Athetose der Finger und Ataxie des 
linken Beins. Die Athetose schwand bald, die Parese des Arms und Beins, sowie 
die Ataxie dauerten fort. Ausserdem bestanden vorflbergehender Verlust des Seh«, 
Blech* uud Qeschmacksvermögens derselben Seite und ein leichter Orad von Anästhesie 
der befallenen Glieder. Die Qesichtsmuskeln waren verschont geblieben. Hysterische 
Aphasie und Aphonie traten öfter auf. Bei einem frOher aphasisch gewesenen 
Mädchen, welches gamicht am Orte der Katastrophe wohnte, recidivirte aus blosser 
Furcht vor letzterer das Leiden, verlor sich aber nach einigen Wochen: in der Folge 
kehrte es bei jedem grösserem Unwetter anfallsweise wieder. Zwar wurde nicht 
beobachtet, dass eine bestehende Aphasie unter dem Einfluss der Katastrophe geheilt 
worden wäre, jedoch sind mehrere Fälle chronischer hysterischer Invalidität berichtet 
worden, in denen das Ereigniss auf die Nerven stimulirend wirkte, die Gelähmten 
von dem Krankenstuhl, den sie Jahre lang nicht verlassen, jagte und zu verschie* 
denen Hfilfeleistungen fähig machte, aber nur vorübergehend. 

Ein junger Hann litt noch lange nach der Katastrophe an periodischen Schwindel* 
anföllen mit bis zu Anästhesie sich steigernder Gefühlsberabsetzung beider Hände. — 
Neurasthenie, oft mit Gewitter und Cyklonfurcht und Todesangst vergesellschaftet, 
war ebenfalls eine häufige Nachwirkung der Katastrophe. — Interessant war es, zu 
beobachten, wie auf der Eennbahn beim Hereinbrecben der Cyklons, der sogar die 
Tribünen wegraffte, Hunderte von Menschen auf die Kniee fielen und beteten, die 
sonst gewiss nie ans Beten zu denken pflegten, und auch später noch rief das 
Herannahen eines blossen Gewitters ähnliche Massenangstausbrüche hervor. — Diarrhoe 
und leichte Fieberzustände kamen auch vor, auch soll seit jener Zeit Malaria in 
St. Louis häufiger sein. — Manche wurden durch die Katastrophe in einen mehr¬ 
stündigen halbbetäubten Zustand versetzt, in dem sie wie im Traum automatisch 
umhergingen und aus dem sie keine Erinnerung hatten. Auch retrograde Amnesie 
wurde beobachtet Alkoholisten wurden wochenlang nicht nüchtern. Geistesstörungen 
rief das Ereigniss nicht hervor, bereits vorhandene wurden aber verschlimmert. Eine 
allgemeine melancholische Verstimmung schien allerdings angesichts des vielen Un* 
faeils auf allen Gemüthem zu lasten. Bresler (Preiburg i./Schl.). 


34) Ueber einen eigenartigen hysterischen Dämmersnstand (Ganser). Ca- 
snistische Hittheilung von Prof. Dr. Binswanger in Jena. (Monatsschrift f. 
Psycb. u. Neurolog. 1898. Bd. III.) 

Yerf. schildert einen mehrere Tage dauernden Anfall von Benommenheit und 
Desorientirtheit mit lebhaften Sinnestäuschungen bei einem 24jährigen, bisher ge* 
snnden Mann. Im Anfall, in dem der Kranke einen Strangulationsversucb unternahm, 
wurden Dmckempfindlichkeit der Orbitaldruckpunkte, Fehlen des Gaumenreflexes, 
Hypalgesie am ganzen Körper und Analgesie an den Extremitäten festgestellt Nach 
dem Anfall bestand für A’/a Tag totale Amnesie. Im Dämmerzustand batte der Pat 
auf einfache Fragen widersinnige Antworten gegeben, hatte nicht einmal Geldstücke 
als solche erkannt, war kataleptisch gewesen, hatte geglaubt, Matrosen hätten ihn 
geknebelt and wollten ihn auf ihrem Schiff entführen, sah Eisenbahnzüge an sich 
vorflberfabren ond war davon überzeugt, dass Krieg ausgebrochen sei und er Befehl 
erhalten habe, einzurücken. G. Ilberg (Sonnenstein). 


58* 


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916 


35) Ueber einen eigenartigen hysterisoben D&mmersoetand, von Dr. Ganser 

in Dresden. (Archiv f. Nervenkrankb. 1898. Bd. XXX.) 

Der Aufsatz stellt eine fflr die Lehre von den Geßngnisspsyehosen wie die von 
der Simulation gleichwichtige Bereicherung der Litteratur dar. Es handelte sieh um 
acute hysterische Geistesstörung. 

Eine Anzahl von Untersnchungsgefangenen zeigten die aufßUige Erscheinung, 
dass sie Fragen allereinfachster Art nicht richtig zu beantworten vermochten, obwohl 
sie — wie sie durch ihre Antworten kundgeben — den Sinn der Fr^n ziemlich 
erfasst hatten. Ausser mit dieser Qberraschenden Unkenntniss waren die betreffaden 
mit pathologischem Affect und mit Hallucinationen des Gesichts und des Gehörs be* 
haftet. Ihr Bewusstsein war in verschieden starkem Grade getrübt. Während der 
Dauer dieses acut entstandenen Zustandes konnten hysterische Stigmata, namentlich 
Analgesie, nachgewiesen werden. Nach wenigen Tagen wurde das Bewusstsein der 
Kranken völlig frei und klar; sie beantworteten alle Fragen io einer dem Staad ihrer 
Kenntnisse entsprechenden Weise völlig zutreffend, hatten für die Zeit ihres vor* 
änderten Seelenzostandes Amnesie und waren frei von den im Dümmerzttstaad con- 
statirten Sensibilitfttsstörnngen. G. Ilberg (Sonoenstem)- 


36) Caae of soute staxy of one limb, bj Campbell Thomson. (Lancet. 

1897. 18. Dec.) 

Beide Fülle, welche Yerf. mittfaeilt, beanspruchen, obwohl ein Sectioosbefmd 
fehlt, Interesse. Im ersten Falle trat bei einem 48jährigen Hanne unterw^ «ü 
Schwindelanfall ein. Dabei fühlte er eine Schwere im rechten Bein. Dazu han 
weiterhin Versagen des Detrusor vesicae, Taubheitsgefühl in der linken Hand nad 
noch an demselben Tage — hochgradige Ataxie des linken Arms. Im Erankoihaoi 
wurde ausserdem mne leichte Parese des linken Arms und rechten Beins und eise 
schwerere des linken Beins festgestellt in der ganzen unteren Körperhülfte b^ 
standen schwere Sensibilitatsstörongen, im linken Arm keine. Bauch*, Sehneareflex 
und Kniephänomene fehlten beiderseits, ebenso die tiefen Behexe des linken Aiwz 
Die Sphinkteren waren völlig gelähmt. In wenigen Wochen trat völl^ Hölosg 
ein. Auch die Behexe und Sehnenphänomene kehrten zurück. Infection oder Id- 
toxication war nicht nachzuweisen. Bef. nimmt eine disseminirte entzündliche Er¬ 
krankung des BOckenmarks an. 

Im zweiten Falle handelte es sich um eine 68jährige Frao, bei welcher oaeh 
3 wöchentlichem Schleppen eines schweren Wassereimers (stets mit dem linken Am 
und in unbequemer Haltung!) plötzlich Abends ein Prickeln im linkm Arm aofbit; 
auch schien es ihr, dass sie den linken Fuss etwas nachschleppte. Am folgatdm 
Tage bestand eine schwere Ataxie des linken Arms. Die Sensibilität war intad, 
auch Gewichte wurden gut unterschieden, das Muskelgefühl war erhalten. Die gn)b( 
Kraft schien etwas herabgesetzt. Das linke Bein zeigte keinerlei objeeüv n::cli«eh- 
bare Symptome. Pai kli^ auch Über ein Kältegefühl in der ganzen linken 
hälfte. Binnen einer Woche trat fast vollständige Heilung ein. Yerf. nimmt as, 
dass es sich um eine durch Erschöpfung bedingte functionelle Störung gehandelt bat 

Th. Ziehen. 


37) Neurasthenie, von Th. Ziehen. (Eulenboi^’s Beal-Encyklopädieder geaaamten 
Heilkunde. 3. Anfl.) 

Die Neurasthenie kann als allgemeine fonctionelle Neorose von chroniecheiD 
Charakter bezeichnet werden. Fathologisch'anatomische Befunde sind somit nicht 
bekannt Die Hauptsyroptome der Neurasthenie sind: 

1. eine Stiaimungsanomalie, die sogen, krankhafte Reizbarkeit, 


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917 


2. krankhafte ErmQdbarkeit der Ideeenassociation, 

3. krankhafte ErmQdbarkeit der motorischen InnerTationen, 

4. Sensorische nnd sensible Hyper&sthesieen und Hyperalgesieon, 

ö. Schmerzen und Par&sthesieen, 

6. Ägiypnie. 

Die Combinatiun mehrerer dieser Hauptsymptome gestattet die sichere Diagnose 
auf Neurasthenie. Äetiologisch kommt besonders die Erblichkeit in Betracht, dann 
spielen aber auch Anämie, Intoxicationen, sexuelle Excesse, Ueberarbeitung, So^e 
und Äerger, chronische und acute körperliche Krankheiten nnd schliesslich Unfälle 
eine Bolle. Der „traumatischen Neurose'* eine Sonderstellung einzuräumen ist nach 
Verf.’s Ansicht unrichtig. 

Im Verlaufe der Neurasthenie kann man oft ein erstes Stadium der ?orwaltenden 
Localsymptome und ein zweites Stadium der vorwaltenden Allgemeinsymptome unter¬ 
scheiden. Häufig besteht neben der Neurasthenie noch eine andere Erkrankung des 
Nervensystems, wie Herderkrankung des Gehirns, Lues cerebri, Morb. Based. u. s. w.; 
oft auch kommen Uebergangsformen zu anderen Erkrankungen (Hysterie, Melancholie, 
Stupidität, Paranoia) vor. 

Differentialdiagnostisch kommen in Betracht: Dementia paralytica, Himsyphilis, 
multiple Neuritis, Neuralgie, Migraine, Hysterie, Melancholie, Stupidität, Paranoia, 
organische Magen- und Darmerkrankungen, Herzkrankheiten, Tuberculose. Die Fest¬ 
stellung der Simulation ist deshalb sehr schwierig, weil die Neurasthenie kein einziges 
nicht simnlirbares Symptom hat. 

Die Prognose ist quoad vitam sehr günstig, quoad sanationem completam nicht 
g&nslig, insofern , nur SO^o vMlig geheilt werden. 

Was die zahlreichen über die Neurasthenie aufgestellten Theorieen betrifft, so 
nimmt Verf. mit den meisten Autoren an, dass es sich um eine Emährungsstömng 
der Ganglienzellen nnd Nervenfasern handelt, dass eine Störung des Gleichgewichts 
zwischen Degeneration nnd Begeneration der Nervenfasern besteht Bezüglich der 
Prophylaxe ist Abhärtung des kindlichen Nervensystems (Waschungen, Gymnastik) 
obenan zu stellen, ferner ist eine Verbesserung der Arbeitsmethode in prophylactischer 
Hinsicht von hoher Wichtigkeit Da in der Aetiologie der Neurasthenie die all¬ 
gemeine Ernährungsstörung einen Hauptfactor darstellt, so ist eine sogen. Mast- oder 
Playfairknr (Ueberernährung, Bettruhe, Massage) oft von therapeutischem Erfolge 
begleitet Was die speciellen Indicationen betrifft, so sind gegen Reizbarkeit Brom¬ 
präparate zu verordnen; in neurasthenischen Angstanfällen bat Verf. passive Atbem- 
gymnastik mit grossem Erfolge angewandt Bei hypochondrischen Vorstellungen ist 
wegen der Suicidgefahr eine ununterbrochene Ueberwachung des Kranken zn verlangen. 
Bei hypochondrischer Neurasthenie spielt ferner eine psychische Behandlung, sowie 
die Ablenkung durch Beschäftigung eine grosse Bolle. Die Hydrotherapie zeigt bei 
vielen Symptomen der Krankheit (besonders bei den sexuellen Symptomen und der 
Agrypnie) eine günstige Wirkung. Kurt Mendel. 


38) Ueber einige Beziehungen awischen Neurosen und örtlichen Er¬ 
krankungen, von Dr. Maximilian Sternberg in Wien. (Wiener klin. 
Wochenschr. 1898. Nr. 20.) 

Die Combination der Neurose mit einer localen Erkrankung kann eine nur 
scheinbare sein oder wirklich bestehen. 

Im erstereii Falle können die objectiv nachweisbaren localen Veränd^ngen 
dreierlei Ursprung haben: sie können einer bestimmten bestehenden Erkrankung zn- 
kommen, oder Residuen eines alten vollständig abgelaufenen Processes oder durch 
die angewendete locale Therapie erzeugt sein. 


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Als Beispiel einer weniger gekannten Beziehung zwischen acutem Oelenk- 
rbeumatismna und Hysterie theilt Verf. folgenden Fall mit: 

Eine SOjäbrige ClaTiervirtuoam war vor 8 Tagen an Gelenkrheumatismus er¬ 
krankt, der sich nur im rechten Knie localisirt hatte. Dieses etwas geschwollen, in 
leichter Beugestellung. Das ganze Bein bis zur Hüfte enorm hyperalgetisch; Druck¬ 
punkte an der Wirbels&ule und am Scheitel. Die Schwellung schwand nach 3 Wochen, 
die Schmerzhaftigkeit nahm zu. Auch ein Gypsverband brachte keine Besserung, 
Pat wurde nun T&llig unbeweglich, liess Ham und Stuhl rücksichtslos unter mch, 
und verlangte schliesslich die Abnahme des Verbandes in Karkose. Hach einigen 
Tropfen Chloroform gelang es leicht sie zu hypnotisiren und ihr zu suggeriren, dass 
sie ohne Schmerz erwachen werde. Die Besserung hielt aber nur einige T^e an, 
dann kehrten die alten Schmerzen wieder. Schliesslich soll sie doch mit ziemlich 
guter Beweglichkeit des Beines genesen sein. 

Äehnliche Verhältnisse liegen in manchen Fällen von Morphinismus und 
Cocainismus vor. Da der Gebrauch von Morphin meist durch ein schmerzhaftes 
Leiden veranlasst wird, so ist die Entscheidung oft mcht leicht, ob die Schmerzen 
mit einer Intoxicationsneurose oder mit dem Fortbestand des primären Leidens Zu¬ 
sammenhängen. 

Als Beispiel bringt Verf. folgenden Fall: 

Eine 53jährige Frau erkrankte an rheumatischen Schmerzen im rechten Bein, 
welche so unerträglich wurden, dass der Arzt ihr Morphininjectionen gab. Bald er¬ 
hielt sie mehrmals täglich eine Einspritzung. Vor 4 Jahren war ihr die linke 
Mamma wegen Carcinom operirt worden. 

Sie klagte Ober eine Anzahl nervöser Beschwei'den. Die Schmerzen im Bmn 
hatten keinen bestimmten Sitz und wurden angeblich durch Bewegung gestmgert. 
Keine Cachexie, nirgends vei^Osserte Drüsen. Die Muskelmasse im rechten Quadri- 
ceps war etwas schlaffer, der Umfang in der Mitte des rechten Oberschenkels um 
1 cm geringer als links nnd der rechte Patellarreflex fehlte vollständig. Keine 
Sensibilitätsstörung. Es war also unzweifelhaft eine Affection des rechten Cmral- 
nerven vorhanden. 

Han konnte an eine Carcinomroetastase am Cruralis oder seinen Wurzeln in 
einer LymphdrOse oder in einem der Gebilde des Wirbelcanals denken. Dafür waren 
aber keine Anhaltspunkte zu finden, ebensowenig für eine spinale Affection oder eine 
rocente entzfindliche Affection des Nerven. Verf. entschied sich für die Diagnose einer 
abgelaufenen Neuritis toxischen oder infectiösen Ursprungs, welche ursprünglich die 
Beschwerden verursacht habe, jetzt aber functionell bedeutungslos sei, während die 
gegenwärtigen Beschwerden dem Morphinismus angehören. Die Resultate der Ent¬ 
ziehungskur bestätigen die Diagnose; mit der Abgewöhnung schwanden auch die 
Schmerzen vollständig. 

Cocainismus kann auch durch locale Anwendung des Mittels entstehen und 
Verf. theilt als gewiss seltenes Vorkommniss einen Fall von Cocalnismns von der 
Harnblase ans mit: 

Einem 45jährigen Manne wurde wegen heftiger Beschwerden von Seiten einer 
alten Cystitis eine Blasenausspülung mit Cocain gemacht (1,2:80). Pat. gebrauchte 
zu Hause die AusspQlungen weiter durch 3 Jahre. Im Ganzen verbrauchte er 
475 g Cocain. Der Fall wurde bei Revision der Erankenkassenrechnungen entdeckt 
Verf. fand eine leichte chronische Cystitis und sistirte den Bezog des Cocahis. 
Cystitis und nervöse Beschwerden besserten sich. 

Bei Besprechung der Fälle, in welchen eine unzweifelhaft locale Affection mit 
einer allgemeinen Neurose combinirt ist, erwähnt Verf. in besonderen den Zahnschmerz, 
den cbroniscben Rachencatarrh, die klimakterische Schlundneurose, die Verf. in 
mehreren Fällen mit Akroparästhesie vergesellschaftet fand, die Wanderniere, die 
sexuellen Erkrankungen und die Herzaffectionen mit Neurosen. Da auch bei or- 


Nig : /cd oy CjOO^Ic 


919 


ganischeo Herzfehlern Störangen der Herzthätigkeit zweifellos nerrGser Katar Tor> 
kommen können, ist es prognostisch and therapentisch wichtig beides za unterscheiden. 
Hier kommt besonders die sexuelle Angstnearose Freud’s bei jungen Leuten 
oft in Betracht. Es folgen zwei einschlägige Fälle. 

1. 21jähriger Beamter; seit Monaten Herzklopfen. Leichte Cyanose, normale 
Berzdämpfung, präsystolisches Geräusch an der Spitze, Accentuation des 2. Pulmonal* 
tones. Herzklopfen unabhängig von Beschäftigungen, oft beim Einschlafen, nie 
Nachts. Im Ham Tripperftdon. Seit dem Tripper wegen Angst vor Infection 
Masturbation. Mit Unterlassen derselben schwand das Herzklopfen. 

2. 24jähriger Mann; vor 4 Jahren Gelenkrheumatismus; systolisches Geräusch 
am unteren Ende des Sternums. Bis vor kurzem Körperftbungen ohne Herzklopfen 
möglich; seit einigen Monaten Brantigam, seither Herzklopfen, nervöse Diarrhoe, Angst 
in grösseren Gesellschaften plötzlich wegen Stuhldranges aus dem Zimmer gehen zu 
mössen. Traitemeut moral und Faradisation des Bauches beseitigten den ganzen 
Symptomencomplex. 

Therapeutisch kommt Verf. zu folgenden Schiassergebnissen; 

Hat man in einem gegebenen Falle Grund, eine Combination einer allgemeinen 
Neurose mit einer localen Affection anzunehmen, so stelle man durch sorgfältige 
Anamnese und genaue Untersuchung beides fest Während der Untersuchung ver* 
meide man es absolut, Aber den Befund, wie das üble Gewohnheit vieler Aerzte ist, 
irgend eine Bemerkung fallen zu lassen. 

Ist eine locale, insbesondere eine operative Behandlung unbedingt erforderlich, 
dann soll sie ungesäumt in Angriff genommen und womöglich durch einen einzigen 
Eingriff beendigt werden. 

Ist keine unbedingte Indication zur localen Behandlung vorhanden, so fr^ es 
sich, ob die Beschwerden vorwiegend motorischer oder sensibler Natur sind. Im 
ersteren Falle bietet eine locale Behandlung mit suggestiver Nebenabsicht emige 
Aussicht auf Erfolg. 

Sind vorwiegend sensible Symptome bei allgemeiner Neurose vorhanden, dann 
ist es am besten, die locale Affection zu ignoriren, da eine längere locale Behänd* 
lung in solchen Fällen meist nur den Erfolg hat, die Beschwerden durch Auto¬ 
suggestion zu fixiren. Sind Schmerzen vorhanden, dann behandle man diese durch 
Debnungsgriffe. 

Weiss der Fat. nichts von seiner localen Affection, so ist es nicht nöthig, sie 
ihm mitzutheilen; man kann eine Menge zweckdienlicher Behandlungsmethoden durch¬ 
führen, ohne dass der Fai von seiner Localaffection zu wissen braucht 

Schwieriger wird die Sache, wenn der Kranke schon von seiner localen Affection 
weiss, und diese schon erfolglos behandelt wurde. In vielen Fällen wirkt da eine 
harmlose Nothlüge, in dem man die Abnormität für angeboren, für eine interessante 
Rarität erklärt Die Eitelkeit vieler Fat. bewirkt, dass sie alsdann auf ihren Befund 
stolz und völlig getröstet sind. J. Sorgo (Wien). 


39) lieber ein Fulsphänomen bei Neurasthenikern, von Dr. Sigmund 

Erben in Wien. (Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 24.) 

Während das irritable Herz der Neurastheniker auf die verschiedensten Körper¬ 
bewegungen mit vermehrter Schlagfolge antwortet fand Verf., dass diese ausblieb, 
wenn er die Fat. sich niederhocken oder au^iebig nach vom beugen Hess. Der 
Puls erhielt sich anfangs in seinem Rhythmus, und nach 4—5 Schlägen setzte 
plötzlich eine Pulsverlangsamung ein. Diese trat ohne Einleitung auf und setzte 
sich der rare Puls scharf von dem vorhergehenden ab. Nach dem ersten derartigen 
Pulae folgen gewöhnlich noch 3—6 gleiche, darauf erhebt sich die Pulsfrequenz 
wieder und erreicht eine Höhe, welche die Pulszahl vor dem Versuche übersteigt. 


D g : 7cd / G OOglC 


920 


ob DQD der Kranke weiter gebückt bleibt oder sich wieder anfgericbtet hat Kadi 
dem Aufricbten war das Gesicht meist leicht cyanotisch. Sabjective Beschwerdeo 
fohlten die Pat dabei nie. Oft trat das Phänomen erst nach mehrmaligem BOckoi 
ein, schwächte sich aber anderseits oft bei Wiederholungen des Yersuchs immer 
mehr ab. 

Ortner machte Yerf. darauf aufmerksam, d as« dasselbe Phänomen auch durch 
starkes Bflckwärtsbeogen des Kopfes ansgelbst werden könne. 

Beim nervengesunden Ifenscheii mit normaler Herzthätigkeit vermisste Yerf. 
dieses Symptom, ebenso bei den durch Basedow, Tabes, fieberhafte Erkrankungen, 
organische Erkrankungen des Herzens, Circulationsstbrungen in Folge von Erkraa« 
kungen der Leber, Lungen oder Kieren bervorgemfenen Tachycardieen; ebenso bei 
Hysterie. 

Die Sphygmogramme erinnerten an die durch elektrische Vagusreizung eraeagtcn 
Yaguspulse. 

Yerf. erklärt das Phänomen durch Beiz des Yaguscentrums in Folge venOser 
Himhyperämia durch das BQcken oder BOckwärtsneigen des Kopfes. Der Vagnspnls 
war auch jedes Hai von einer flüchtigen Cyanose begleitet. 

J. Sorgo (Wien). 


40) Die moderne Ueberbürdong, von Wildermuth. (Würtemberg. medic. 

Correspondenzblatt 1897.) 

Seine höchst interessante Studie fasst Yerf. in folgende Sätze zusammen: 

1. Eline zunehmende nervöse Entartung der Menschheit ist nicht bewiesen; 

2. angestrengte geistige Arbeit und die Einflüsse der höheren Cultur sind an 
sich keine Ursachen von Nervenkrankheiten; 

3. ein allgemein nachtheiliger Einfluss unseres gegenwärtigen Unterrichtssystems, 
insbesondere des Gymnasiums, auf das Allgemein beflnden der Schüler ist nicht nach- 
gewiesen; 

4. der drohenden Gefahr der Ueberbürdong auf dem Gymnasium wird am besten 
dadurch begegnet, dass man an der humanistischen Grundlage des Unterrichts 
festhält. 

Hit Becht weist er nach, dass die Zunahme des Geisteskrankheiten in neuerer 
Zeit nur scheinbar, nicht merklich ist, mit Ausnahme der Paralyse und des Alkobo* 
lismus (was, meint Bef., auch hier noch nicht absolut sicher nachgewiesen ist). 
Sicher haben Epilepsie und Idiotie, die Hanptrepräsentanten nervöser Entartung, 
nicht zngenommen. Unter 206 eigenen Fällen von Neurasthenie war nur in 49 
eine Ursache zu Anden. Davon waren exogen nur 13,5(besonders Infloenza); 
lö^o Onanie und Übertriebener Coitus (Bef. möchte das Homent von Onanie o.s.v. 
nicht so sehr betonen, da Onanie meist Ausfluss einer nervösen Beanlagung ist, 
diese aUerdings dann, wenn sie stark betrieben wird, noch steigern kann); Ueber- 
bürdung in 8,2 ®/o, hier aber war neben dieser noch Aerger o. s. w. vorhandca. 
Der Kampf um's Dasein ist kein schlimmerer als früher und wir haben nicht 
grössere politische und sociale Fragen zu lösen als früher. Damit hat Yerf. ge* 
wlss mehr Becht als die Gegner, nur möchte Bef. die Ueberbürdong als Ursache 
des Krankwerdens noch etwas mehr hervorbeben, obgleich damit gewöhnlich noch 
andere Momente mit ins Spiel kommen. Näcke (Hubertosburg). 


41) Importanza deir aatolntossioazloni nelle nevropstie, per C. Agostini. 
(Atti e Bendic. della Accad. med.*cbir. di Perugia. IX.) 

Gegenstand der vorhanden Arbeit ist die Erörterung der Beziehungen zwischen 
Autointoxication besonders von Hagen-Darmstömngen aus und Nervenkrankheiten. 


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Verf. tbeilt die Krankengescbicbte einer Hyeterica schweren Grades mit, bei der nach 
Behandlong der Indigestion stets auf kurze Zeit die nenro^paychopatbiscben Er« 
scheinnngen rerscbwanden. Die ersten Symptome waren nach Typhös aufgetreten, 
sie hatten sieb in der Gravidität wiederholt in Folge der damit verbundenen Magen« 
Darmstdrnngen; also beide Male war das veranlassende Moment Äutointoxication. 

Bei der Besprechung des Zusammenhangs zwischen Neurasthenie und Verdauungs« 
beschwerden giebt Verf. auf die Frage, welches von beiden das Primäre, welches die 
Folge sei, die Antwort, dass bei manchen Kranken die Verdauungsstörungen den 
Anfang und die Ursache der nervösen Beschwerden bilden, bei anderen das Umgekehite 
der Fall ist. Die nervöse Prädisposition muss jedoch immer vorhanden sein. Aus 
diesem Grunde kann man auch durch Behandlong der intestinalen Störungen zwar 
einzelne Symptome mit Erfolg bekämpfen, die Krankheit als solche aber nicht heilen. 
Anders bei weniger schweren, nicht constitutioneilen Neurosen, wie der Eclampste, 
bei der mit der schnellen Entfernung der toxischen Substanz auch das Leiden ge« 
hoben wird. 

Es folgt die Besprechung der prophylactiseben und therapeutischen Indicationen 
bei den aus Äutointoxication entstandenen Nervenleiden. Valentin. 


42) Neurasthenisoher Hanger, von Th. Benda. (Deutsche med. Wochenschr. 

1898. Nr. 13.) 

Bei Neorastbenikem traten zu den verschiedensten Tageszeiten — niemals je¬ 
doch sofort nach eingenommener Mahlzeit — in verschiedener, aber ziemlich gleich¬ 
bleibender Intensität Schwächezustände auf, ja obnmachtähnlicbe Zustände, besonders 
bei Huskelanstrengongen oder geistiger Arbeit. Auch Schwindelanfalle kommen vor, 
treten aber nicht als charakteristisch hervor. Bei anderen Kranken sind die körper¬ 
lichen Erscheinungen wenig aasgebildet, dagegen eine grosse Reizbarkeit vorhanden. 
Die Thatsache, dass derartige Schwäcbezostände häufig mit lebhaftem Hungergefühl 
verknüpft sind, führte den Verf. zu der Vermuthnng, dass die Schwäche auch da 
auf Banger basire, wo kein Hungergefühl vorhanden war: der Erfolg bestätigte die 
Annahme, Nahrungsaufnahme beseitigte mit einem Schlage die Symptome. Das 
Hungergefühl ist beim Neurastheniker krankhaft verändert, das Vorkommen von 
Hunger ohne Hungergefühl daher nicht wunderbar. Dass solche Zustände schon 
kurze Zelt nach der Mahlzeit auftreten können, erklärt sich durch verstärkte moto¬ 
rische Tbätigkeit, eventuell auch durch die ja oft bestehende excessive SäurebUdung. 
Diese gestörte Verdauungsthätigkeit des Neurasthenikers führt zu mannigfachen, un¬ 
angenehmen Consequenzen. Der Hunger, welcher ja schon physiologisch Stimmung 
und Befinden beeinflussen kann, bringt das überaus labile Nervensystem des Neur¬ 
asthenikers leicht ins Schwanken. Das asthenische Nervensystem regulirt nicht 
oder ungenügend den Rörperhaushalt, der Organismus passt sich daher dem Hunger 
nicht an und wird schwach zu einer Zeit, wo der normale Organismus nur eine 
leise Verstimmung verrätb. — Abnorme Reizbarkeit der Vagusfasem, secundäre 
Reizung des vasomotorischen Centmms in der Meduila oblongata, Gehirnanämie er¬ 
klären die geschilderten Ersebeioungen. Die Therapie ist einfach: die Fat. müssen 
häufig kleinere Mahlzeiten zu sich nehmen, stets etwas Geniessbares, z. B. Chokolade 
bei sich tragen. Die englische Tischzeit ist zu widerrathen, Analeptica wie Alkohol 
□. s. w. sind unzweckmässig, ebenso eine fast ausschliessliche Fleischuahrung. Der 
Genoss von nicht frischem Fleisch, wie Wild, Filet u. s. w., ist entschieden zu ver¬ 
meiden, „giebt dasselbe doch zu autointoxicatorischen Vorgängen, zu welchen der 
neurasthenische Organismus sowieso tendirt, doppelt leicht Veranlassung.*' 

R. Pfeiffer (Cassel). 


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43) Le traitement prophylaotiqae de Thyst^rie, par B. Verlioogen. (Joorn. 

m4d. de Bruxelles. 1897. Nr. 44 u. 60.) 

Die propbylactiscbe Behandlung der Hysterie hat ein doppeltes Ziel zu ver¬ 
folgen: 1. die nervöse Frädisposition zu bekämpfen, 2. den Einfluss der Gel^enheits- 
ursachen zu vernichten. Die erste dieser Forderungen ist hauptsächlich Aufgabe 
der Erziehung. Man soll prädisponirte Kinder nicht im Hanse der nervösen Eltern 
erziehen lassen, sondern sie in ein völlig anderes Milieu senden und sie dort von 
einem guten Pädagogen erziehen lassen. Wflnschenswerth ist das Zusammmilebn 
des Kindes mit anderen Zöglingen, doch darf deren Zahl nur so gross sein, dass der 
Lehrer sich auch wirklich jedem einzelnen widmen kann. Diese Isolation soll 
spätestens im 5. Lebensjahre beginnen, da dann das Gedächtniss sich zn entwickeln 
beginnt und sich somit von da ab die daheim empfangenen Eindrücke deutlich dem 
kindlichen Geiste einprägen. Die Erziehung selbst soll eine gewisse Strenge und 
Entschlossenheit erkennen lassen, der Erzieher soll dem Kinde ein Lehrer and zu¬ 
gleich ein Freund sein, er soll sein Hauptaugenmerk richten auf eine gesunde Ent¬ 
wickelung der Urtheilslähigkeit, der Aufmerksamkeit, des festen Willens und der 
Geduld des ihm Anvertrauten. Jede übertriebene Neigung ist möglichst zu unter¬ 
drücken, Aufregung und besonders erregende Bücher sind femzuhalten, ebenso geistig« 
Ueberanstrengung und zu starke Anregung der Phantasie zu vermeiden. Sehr widitq 
zur Ausbildung des Urtheils ist die Uebung der Sinnesorgane, zur Ausbildung d« 
festen Willens eine „psychische Gymnastik" (früh aufstehen, schnell sich ankleidn, 
kalte Abreibungen u. s. w.). In dieser moralischen Erziehung kommt dann noch die 
körperliche hinzu, Über welche Verf. später berichten will. Kurt MendeL 


44) Ueber die Behandlung von Nervenkranken und Payohopathen durdi 
nützliohe Miiakelbesohftftigung, von Henri Monnier. (Inaug.-Disseri 
Leipzig 1898.) 

Verf. berichtet über die im „Beschäftigungsinstitut für Nervenkranke“ vos 
Grohmann in Zürich gemachten Erfahrungen, wobei er zunächst anseinandezaetit, 
dass Arbeit, die die Aufmerksamkeit dauernd erfordert, das Hauptmittel gegen „Him- 
grübeleien, Hysterie, psychopathische Zwangsimpnlse nod Ideeen aller Art, sogen. 
Neurasthenie“ ist; nur diejenigen Kranken seien übrigens heilbar, die „ihre Ennk- 
beit erworben haben, sei es durch Suggestion in Folge medicinischer Lectüre, Uo- 
thätigkeit, Einflüsse der Umgebung, als Autosuggestionen, HimgrObeleien, Platzai^it 
u. dergl.“, weniger Erfolg glanbt Verf. bei Schwachsinnigen, Paranoikern u. & w. 
gesehen zu haben. Am besten haben sich Tischlerei, Typographie, Modellim, 
Zeichen, Tapeziren, bewährt; gegen „schlechte Gewohnheiten“, wie „spätes Aufstebea. 
unregelmässiges Leben, Ungehorsam, Trunksnchl^ Arbeitsnnlust“ n. s. w. empfiehlt 
Verf. gleichzeitige hypnotische Kuren (! Bef.). Kaplan (Herzberge). 


46) Die Nervenkrankheiten und die durch dieselbe bedingte Mortalitit 
in der russischen Armee, von Dr. Gorscbkow. (.lonmal der Nerven- uai 
psychiatrischen Hedicin. Herausgeg. von Prof. Sikorskij. Bussiscb. 1897. Bd. IL) 

Auf Grand einer sorgßltigen Durchsicht der Statistik ans dem Jahre 189ö 
konnte Verf. zahlreiche Tabellen feststellen, welche die Zahl der an Nerveakrask- 
beiten leidenden rassischen Soldaten und ebenfalls die entsprechende M(»talitll 
zeigen. In der russischen Armee kamen im Jahre 1893 nnr 3,1 Nmrveoknmk- 
beiten vor (auf je 1000 Soldaten). Diese Krankheiten bildeten etwa sämBt* 

lieber KrankheitsßUe in der Armee. Die eigentlichen Nervenerkraokongra bildeiM 
dabei * 1 ^ und die Geisteskrankheiten nur Vs Erkrankungen des Nervensystm. 


ig n^od Dy CjOO^Ic 


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Was die Art der Nervenkrankheiten selbst betril^, so finden am hänfi^ten fnnctio- 
nelle Erkrankungen statt (fast 7$ s&mmtlieher „Nervenfhlle“)* Besonders oft treten 
Neuralgien, speciell Ischias anf. Diesen folgt die Epilepsie und nicht selten tritt 
eine acnte Entzfindang des Gehirns und seiner H&nte auf. Was die Yertheilung 
der Nervenfalle in der Infanterie, Artillerie u. s. w. betrifft, so sind keine diesbezfig- 
licbe sichere Schlosse festznstellen. In der Artillerie treten die Nervenkrankheiten 
verhältnissmässig h&ufiger auf und es Qberwiegen dabei die schweren Fälle mit der 
grössten Mortalität Am häufigsten erkranken an Nerven« and Geisteskrankheiten 
kleine, unr^elmäasig gebaute Soldaten mit schwacher, nervöser Constitution oder mit 
degenerativen Erscheinungen. Eduard Flatau (Berlin). 


Psychiatrie. 

46) Certain physioal slgns ln melanoholia, by W. H. B. Stoddart. (Joum. 
of Mental Science. 1898. April.) 

Dem Verf. ist aufgefallen, dass bei Melancholischen die Bigidität der Mnskeln 
von der Schulter bis zu den Fingern und vom Becken bis zu den Zehen abnimmt, 
an erstgenannten Stellen am stärksten, an den letztgenannten am schwächsten sei 
(bei der hemiplegischen Steifheit der Glieder sei das Verhältniss umgekehrt) und 
legt auf diese Erscheinung grossen Werth. Ferner hat Verf., davon ausgehend, dass 
vielleicht beim Melancholiker, wie man annimmt, die Bindenzelle mit Producten 
regressiver Stoffwechselanatamorphose Oberladen sei und dass die Secretion der ein¬ 
zelnen DrOsen damiederliegt, therapeutische Versuche mit Pilocarpin gemacht und 
dabei gefunden, dass Melancholische anf Pilocarpin selbst bei grossen Dosen auffallend 
wenig mit Schweiss reagiren; ein Erfolg war daher auch nicht zu verzeichnen. 

Bresler (Freiburg i. Schl.). 


47) Periodische Psychose und Exaoerbation von Psoriasis zur Zeit der 
Erregungszustände, von Dr. 8. Fries, Sanitäterath, Director der Prov.-Irren- 
Anstalt Nietleben. (Festschrift anlässücb des fOnfzigjährigen Bestehens der 
Provinzial-Irren-Anstalt zn Nietleben 1897. Verlag von F. C. W. Vogel.) 

Verf. berichtet Ober einen Fall von periodischer Manie mit zeitweisem „para¬ 
noischem Gepräge**, bei welchem eine meist mit den manischen Phasen zeitlich 
zusammenfallende Verschlimmernng und weitere Ausbreitung einer vorhandenen Pso¬ 
riasis beobachtet wurde. Die Ursache bierfOr siebt er hauptsächlich in den viel¬ 
fachen Insulten der Haut (Unreinlicbkeit, Traumen u. s. w.) während der Erregungs¬ 
zustände, doch könne man vielleicht auch Cireulationsstörungen anschuldigen. Diese 
worden dann ihren Ursprung im Gefässnervensystem haben und zu einer Hyperämie 
sowohl des Gehirns als der Haut führen, welch erstere die Manie, letztere die 
Exacerbation der Psoriasis begünstigen müsste. Kurt Hendel. 


48) Das Irrenwesen in Ungarn, von Epstein. (Pester med. Chirurg. Presse. 

1897. Nr. 51 u. 62.) 

Das im Jahre 1850 gegründete „Ofener Frivat-Narrenhaus“ war die erste 
moderne Irrenanstalt in Ungarn; aus ihr ging die erste Generation ungarischer Irren¬ 
ärzte hervor und sie wurde die Wiege der ungarischen Psychiatrie. Später wurden 
Geisteskranke auf der Beobachtungsabtheilung des Bochus-Spitales und in der neu 
eröffueten Irrenanstalt Leopoldifeld verpflegt, 1882 ein Lehrstuhl für Pathologie und 
Therapie der Geisteskrankheiten in Budapest eingerichtet. 1884 wurde die Landes- 


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924 


pflegeanstalt za Eogeiafeld mit 244 Betten erOfoei Um den beständig steigenden 
Aufnahmen gendgeu zu können, wurde 1896 das Comitatshaos zu Nagj-Eällö zu 
einer Irrenanstalt adaptirt und den grosseren Comitats-Erankenhäusem kleine Ab¬ 
theilungen für Geisteskranke angefOgt. Die 1895 ermittelte Zahl von 25,071 gmstig 
defecten Individuen ist offenbar zu klein, wahrscheinlich wird die Zahl mindestens 
40,000 betragen; kanm lO^/g davon sind in Anstalten untergebracht Als wflnschens- 
werth fOr eine gedeihliche Entwickelnng bezeichnet Yerf. Einf&hrong der colonialen 
und familialen Yerpfl^ngsformen, Einrichtung von Trinkerheilanstalten, Reform des 
Wärterwesens n. s. w. Lewald. 


49) Ueber aoute Psychosen bei Koprostase (Delirium acutum durch in¬ 
testinale Autointoxioationen), von Dr. F. v. SOlder. (Aus der psychiatr. 

Klinik von Hofrath Prof. Krafft-Ebing.) (Jahrb. f. Psych. Bd. X^l.) 

Yerf. berichtet ftber eine Reihe von Fällen, die klinisch als Delirium acutum 
oder unter einem, diesem ähnlichen Bilde verUefen, bei denen die Section neben 
schwankenden Himveränderungen (Hyperämie und Oedem) und inconstanten Muskel* 
degenerationen, parenchymatöse Degenerationen an den Nieren und anderen Organen 
ergab, vor allem aber eine Dickdarmkoprostase, die Yerf. als die Ursache der psy¬ 
chischen Störungen auffasst. 

I. 40jährige Frau, hereditär nicht belastet, bisher gesund. In letzter Zeit 
Erkrankungeprodrome in Form von Eopfschmerzen and Angstgefühlen durch 14 Tage, 
dann plötzlich Aasbrach der geistigen StOmng, Yerwirrtheit, Ideeenflncht, starke Be- 
wnsstseinstrübung, grosser Bewegnngstrieb mit primitiven Beweguogsfonnen. Tem- 
peratnr nnr vorübergehend erhöht, Herzschwäche. Tod nach 14t^ger Erankhmts- 
daner. Bei der Obduction Obesitas, Oedem der zarten Meningen, Hyperämie des 
Gehirns, Lungen blutreich, schlaffes Fettherz, parenchymatöse Degeneration der Niereo. 
Eoprostase mit secundären Verändernngen der Darmschleimhant. 

II. 47jährige Frau im Elimacterium, habituell obstipirt. Durch 2 Tage Unwohl¬ 
sein und Schlaflosigkeit. Plötzlich Ausbruch einer Psychose mit Yerwirrtheit, zorniger 
Gereiztheit, Ideeeuflucht, später psychomotorische Reizsymptome. Temperatur sicht 
erhöht. Im Ham kein Aceton, Indican vermehrt, Schwefelsäure in normalen Ver¬ 
hältnissen. Herzschwäche. Tod nach 14 Tagen. Leptomeningen und Gehirn hyper- 
ämiscb und OdematOs; geringe gleichmässige Rindenatrophie, leichter Hydrocepbalos 
internus, sparweise Ependyrngranulationen. Acutes Lungenödem. Alte Spitzes- 
tuberculose. Parenchymatöse Degeneration des Herzens und der Niere, hochgradige 
Dickdarmkoprostase mit Rötbnng und Schwellung der Schleimhant. 

III. 26jährige Frau, nicht belastet, habitnell obstipirt. Residuen von Lnee, 
Rachitis und Tuberculose. Entwickelung der Geistesstörung ohne äusseren Anlass 
im Laufe von 12 Tagen, dann nach 13 tägiger Dauer Yerwirrtheit, tiefe Bewusstseins¬ 
trübung, Yerbigeration, motorische Unruhe. Temperatur nicht erhöht Im Harn 
kein Aceton, Indican nicht vermehrt Früh eintretende Herzschwäche. Tod dnrch 
Penmonie. Obduction: Hyperämie und Oedem am Gehirn und den Meningen. Pneo- 
monie. Parenchymatöse Degeneration des Herzens, Leber und Nieren. Dickdam* 
koprostase mit stellenweiser Scbleimhaotnekrose. Bacteriologischer Culturversucb ans 
dem Gehirn mit negativem Resultat. 

lY. 24jähr. Mädchen mit psychopathischer Yeranlagcng, rachitischem Schädel. 
Plötzlich Ansbmch der Geisteskrankheit, anfangs ungefähr das Bild einer Manie mit 
hysterischen Zügen, dann Yerwirrtheit, starker Bewegnngstrieb, kein Fieber. Hara 
enthält kein Aceton, wenig Indican. Yom 10. Tag ab ruhig, dann Herzscbwädta 
Tod nach 12 tägiger Erankheitsdaner durch Pneumonie. Obdnction: Hydrocephalos 
intern, chron., Hyperämie der Leptomeningen and der Hirnrinde, Lobolärpnenmcoi^ 


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H<n, Leber ond Kieren parenchyinatCs degeoerirt. Dickdarmkoprostase mit Schleim* 
baatcatarrb. 

y. 2djäbrige8 Mädchen, stark belastet, nenropatbiscb veranlagt. Erkrankang 
mit Kopfschmerz, Angst, hjpochondriscben Ideeen, Verwirrtheit, Erregtheit. StQrmische 
Erscbeinnngen nach 8 Tagen, fieberfrei. Ham frei von Aceton, Indican nicht ver¬ 
mehrt Vom 18. Tage an Herzschwäche, am 20. Tage Psychose wesentlich sbgelanfen, 
Bild von Erschöpfung nach 21 Tagen, Tod dorcb Herzschwäche. Obduction: Dnra 
mit dem Schädeldache verwachsen, Hirn hyperämiscb, etwas geschwellt, Lnngen blot¬ 
reich, ödematös. Herz, Leber, Nieren parenchymatös degenerirt. Dickdarmkoprostase 
mit Schwellung der Schleimhaut. Hypoplasie der Arterien. 

VI. 40jährige Frau, nicht belastet, gesund. Nach 6 tägiger Obstipation plötzlich 
Auftreten von Kopfschmerzen, Aufstossen, Herzklopfen, Angst, Verwirrtheit. Erregung, 
Stimmungswechsel, Schlaflosigkeit. Rasches Ansteigen der psychischen Symptome, 
starke Bewusstseinstrübung und Bewegungsdrang. Am 7. Tage der Psychose nach 
ausgiebiger Darmentleerung plötzliches Schwinden aller stürmischen Erscheinungen, 
Eintreten von Schlaf, Uebergang in Oenesong durch einen 6tägigen ruhigen Er¬ 
schöpfungszustand hindurch. 

In einer zosammenfassenden Betrachtung kommt Verf. zum Schlosse, dass es 
Fälle von Eoprostase giebt, in deren Verlauf als Folgeerscheinung eine acute Psychose 
auftritt, die dem Bilde eines Delirium acutum ähnlich oder identisch verlänh und 
in kurzer Zeit (8—14 Tage) durch frühzeitige Herzschwäche zum Tode führen kann. 
Anatomisch findet sich Hyperämie und Oedem des Qehims, grosser Blutreichthum 
der Longen, parenchymatöse Degeneration in Nieren, Herz, Leber in Abhängigkeit 
von den Dickdarmkoprostasen mit secondären Schleimhautveränderungen. Wenn somit 
die Aetiologie dieser Fälle durch die Eoprostase gegeben ist, so finden sich ausserdem 
bei den befallenen Individuen noch andere disponirende Momente. Verf. glaubt, dass 
auch die secundären Schleimhautveränderungen eine conditio sine qua non für das 
Anfteten der Psychosen bilden. 

Aus dem Krankheitsbilde hebt Verf. hervor, die tiefe Bewusstseinstrübung, eine 
erhöhte motorische und sprachliche Leistung in ganz einfachen Entänssemngen sich 
entladend. Bezüglich des somatischen Befundes hebt er das Fehlen irgendwelcher 
Zeichen von Verdauungsstörung hervor, im Ham fehlen die Zeichen gesteigerter 
Eiweissfäulniss. 

Dadurch hat die ätiologische Di^nose dieser Fälle grosse Schwierigkeiten. Aus 
dem psychischen Bilde sprechen nach dem Verf. für den intestinalen Ursprung ein* 
schlänge Fälle: das brüske Einsetzen der Verwirrtheit mit lebhafter motorischer Er¬ 
regung, Angst, Kopfschmerzen, die starke Bewusstseinstrübung, der continoirlicbe 
Verlauf ohne Remissionen, Auftreten primitiver Bewegnngsformen, Neigung zur Wieder¬ 
holung einfacher motorischer Leistungen, früh eintretende Herzschwäche Als negative 
Zeichen sind zn erwähnen, das Fehlen anderweitiger Krankheitsursachen, die vorher 
bestandene körperliche und geistige Gesundheit, Mangel an objectiven nervösen 
Symptomen, fieberloser Verlauf. Gegenüber dem Delirinm acutum bebt er als Unter¬ 
schied hervor; Mangel einer Krankheitsursache, fieberloser Verlauf, Mangel an 
Remissionen, geringe Intensität der psychomotorischen Beizsymptome. 

Therapeutisch ergiebt sich natürlich als wichtigste Indication die Behandlung 
der Koprostase (innerlich Calomel und änsserlicb Oelinfusionen). 

Bezüglich des Zusammenhangs zwischen Eoprostase und Psychose weist Verf. 
auf die schon bekannten Thatsachen über das Vorkommen von Psychosen bei Darm- 
erkrankongen hin (Wagner, Hamilton) hin, die als Folge von AutointozicaÜenen 
aufgefasst werden. 

Für das Delirium acutum, dem sich klinisch seine Fälle nähern, wurde vielfach 
angenommen, dass die Hyperämie des Gehirns die Ursache der Erscheinungen sei. 
Verf. weist eine solche Annahme zurück, schon weil in seinen Fällen eine Incongruenz 


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926 


zwischen Hyperämie and Psychose sich findet. Eine zweite Ansicht fasst das DelirioD 
acutum als Folge einer bacteriellen Invasion des Gehirns anf. Aach diese Ansicht 
ist nicht b^rfindet. Eine dritte Anschanung siebt im Deliriam acatnm den Aus¬ 
druck einer Giftwirknng (Infection oder Antointozication). Diese dritte Annahne 
erscheint dem Verf. fflr seine Fälle die plaasibelste, obwohl in keinem der Fähe die 
klinischen Zeichen einer gastrointestinalen Antoiotoxication nachweisbar waren. Ifin- 
gegen sprechen dafflr aasser anderen Momenten vor allem die parenchymatösen De¬ 
generationen in den inneren Organen, die als Giftwirknng anfzafassen sind. 

_ Redlich (Wien). 


50) Beiträge zu den Faerperalpayohoeen, von Ernst Siegenthaler. (Aus der 

psycbiatr. Klinik von Prof. Wille in Basel) (Jahrb. f. Psych. Bd. XVll) 

Unter die Poerperalpsychosen im weiteren Sinne werden meist auch die Qrsvi- 
ditäts« and Lactationspsycbosen, sowie die während des Gebartsaktes aaftretenden 
transitorischen Psychosen gereclmet Als Pnerperalpsycht^en im engeren Sinne werden 
alle innerhalb 6 Wochen nach einer Geburt, Frühgeburt oder Abortos, entstehenden 
Geistesstörungen bezeichnet Verf. giebt bieranf eine Uebersicht über die in der 
Litteratur ausgesprochenen Ansichten Über die Aetiologie und Pathogenese der Poer- 
peralpsycbosen, die zeigt» dass diesbezüglich noch keineswegs volle Etnigang erzielt 
wurde, insbesondere die Frage nach der Bedeutung der paerperalen Infection ist noch 
strittig. Verf. ist im Allgemeinen geneigt, Infectionen eine grosse Bolle beim Zostande- 
kommen der paerperalen Psychosen zuzuschreiben. Er weist darauf bin, dass der 
Nachweis einer puerperalen septischen Erkrankung, insbesondere bei Geisteskranken, 
aus verschiedenen Ursachen Schwierigkeiten haben kann. Ueberhaupt sei die Puerperal¬ 
fieberfrage noch nicht endgiltig gelöst. 

Terf. legt seinen weiteren Ausführungen 27 eigene Fälle von Puerperalpsycbosen 
im engeren Sinne zu Grunde. Er giebt bezüglich derselben eine grosse Reibe stati¬ 
stischer Daten, auf die hier zum Theil eingegangen sei. 

Im 3. Decennium standen 11, im 4. Decennium 13 Kranke, 3 Kranke waren 
Über 40 Jahre. Hereditär belastet waren 11 Kranke, erworbene Veranlagung fand 
sich ohne Heredität bei 10, mit Heredität bei 7. Schwangerscbaftsstömngen kamra 
bei 10 Kranken vor; bei 11 Kranken war die der P^chose vorausgegangene Gebart 
eine schwere, 4 davon erliten erhebliche Blutverluste. Bei 6 Frauen kamen schon 
bei früheren Geburten Störungen vor. Erstgebärend waren 10 Frauen. Bei einer 
Kranken war ein ätiologischer Einfiuss von Verdauungsstörungen nicht von der Hand 
zu weisen. Anämie und Inanition sind in ihrer Wirksamkeit nur schwer zu beor* 
theilen; sie scheinen jedoch keine besondere Bolle zu spielen. Bei 13 Krankoi 
wirkten psychische Momente als Ursache mit. AlkohoUsmus, Osteomalacie, Eclampsia 
und Urämie waren bei keiner Kranken nachweisbar, nur in einem Falle bestmiden 
Zeichen einer Nephritis. Bezüglich der Infectionen sind zunächst Fälle zu erwähnen, 
in denen eine nichtpuerperale Infection oder eine solche gleichzeitig nut Pnerperal- 
infection bestand. Für Beides giebt er Beispiele (Tuberculose u. s. w.). Bei 10 Fällen 
bildete eine schwere Infectionskrankheit die Grundlage der Psychose, davon bei 2 
Tuberculose, bei 8 puerperale Affection (5 davon mit Obductionsbefund). Bei weitere 
9 Fällen ist die Annahme einer leichten paerperalen Infection zulässig; im Ganzen 
also in 19 Fällen eine infectiöse Erkrankung, das ist bei 70,37o- kommen 
noch 4 Fälle, die in dieser Beziehnng als zweifelhaft gelten können. Die Psydic^e 
entwickelt sich in der Mehrzahl der Fälle auf der Höhe des Puerperalfiebers. 

Bezüglich der psychischen Krankheitsformen, die zur Beobachtung kamen, erwähnt 
er zunächst 3 Fälle transitorischer Geistesstörung von einer Dauer von 5 Stunden 
bis zu 2 Tagen bei Kranken mit schwerem Puerperalfieber. Die Geistesstörung 
entwickelte sich am 4., 5. und 11. Tag p. p. Sie gingen einher mit schwerer 


'ig: /od üy 


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TrflbDDg des Bewusstseins, Hallacinationen und psychomotorischer Erregung. Ein 
4. Fall ist direkt als Fieberdelirium zu bezeichnen. 

19 Fälle werden unter die Verwirrtheit eingereiht. FQr die Form der Psychose 
ist der Umstand, ob puerperale Infection bestand oder nicht, nicht ausschlaggebend. 
Verf. erörtert diann noch die Bedeutung anderer Momente (Älter, Zahl der Qe> 
bürten n. s. w.) auf die Form der Psychose, worauf hier nicht eingegangen sei. So 
will er z. B. gefunden haben, dass hohes Älter, zahlreiche Geburten fOr die Melancholie 
disponiren. 

Von den eigenen Fällen sind 17 geheilt, 2 ungeheilt, 8 gestorben (Folge der 
schweren puerperalen Infection). Jüngere Individuen genesen im Allgemeinen leichter 
als ältere. Besonders geßhrdet sollen alte Erst* und Zweitgebärende sein. Unter 
den verschiedenen Formen der Verwirrtheit soll die mit Tobsucht beginnende und 
nachher Stupor oder wechselnde Zustände zwischen Erregung und Depression zeigende 
Form die beste Prognose haben. Günstige Zeichen sind Remissionen, anhaltende 
Gewichtszunahme und Wiederkehr der Menses. In den Fällen mit Infection hat 
natürlich die Schwere der Infection für die Prognose einen massgebenden Einfluss. 
Weiter ergiebt sich aus seinen Zahlen, dass der Beginn der Psychose in der ersten 
Woche des Puerperium ungünstig ist; am günstigsten verlaufen die postfebrilen 
Psychosen. Sehr hohes Fieber ist meist ein ungünstiges prognostisches Zeichen. 

Die Dauer der Psychose hängt in erster Linie von der Krankbeitsform ab. 
Von grossem Einfluss ist auch das Alter der Kranken. Junge Kranke genesen 
rascher als ältere; von weiteren Factoren erwähnt er hier Zahl der Geburten, Dis¬ 
position u. s. w. Redlich (Wien). 


III. Aus den Gesellschaften. 

Finska Lakaresällskap. 

In der Sitzung vom 6. März 1897 berichtete Prof. Homen (Finska läkares- 
ällsk. bandl. 1897. XXXIK. 4. S. 599) Über 7 Fälle von Epilepsie, die nach 
Flechsig’s Opiummetbode behandelt worden; in allen war vorher Bromkalinm ohne 
Erfolg gegeben worden. In einem Falle musste die Opiumbehandlung nach 3 Wochen 
wegen schwerer gastrischer Störungen aufgegeben wurden. In den übrigen 6 Fällen 
dauerte die Behandlung 32—67 Tage; mit 10—30 Tropfen täglich wurde begonnen 
und bis za 150—225 Tropfen täglich wurde gestiegen, worauf plötzlich zu Brom¬ 
kalium (5— 6 g täglich) übergegangen wurde, ohne dass andere Abstinenzerscheinnngen 
zu bemerken waren als einige Tage Durchfall Auch während der Opiambehandlung 
kamen keine störenden Erscheinungen vor, ausser mitunter geringen gastrischen 
Störungen, und in einem Falle einige Tage lang unbedeutende Delirien. In 2 Fällen 
kehrten die beim Beginne der Brombebandlung etwas seltener gewordenen Krampf- 
anföUe mit der früheren Stärke wieder, in 4 Fällen minderten sich die Aniälle 
während der Opiambehandlung nicht wesentlich, hörten aber sofort nach Beginn der 
Bromkaliumbebandlung auf und kehrten bis zur Zeit der Mittheilung (allerdings nur 
einige Monate) nicht wieder. Der Allgemeiozustand hatte sich dabei gebessert und 
das Bromkalinm wurde nach der Opiumbehandlnng besser vertragen. 

Gleiche Erfahrungen hat Prof. Pipping (a. a. 0. 10. S. 1418) gemacht. Er 
tbeilt 4 Fälle mit, die alle Kinder betrafen. Bei aUen wurde die Opiumbehandlnng 
gut vertragen, die Pat. waren wohl, besonders zu Anfang der Kur, bisweilen etwas 
benomnaen mit contrahirten Pupillen, befanden sich aber sonst gut, hatten guten 
Appetit und gewöhnlich auch spontane Stublentleerungen; bei allen nahm während 
der Opiambehandlang das Körpergewicht zu; die Anfalle blieben während der Opium- 
behandlang unverändert, hörten aber sofort auf, als das Opium durch Bromkalium 


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ersetzt wurde, ln eioem Falle blieben eie bis zur Zeit der Mittheilung (2*/, Jahre) 
aus, in den drei Qbrigen Fällen war die Beeeemng nnr vorttbergebend. 

In einem von Linden (a. a. 0. 5. S. 654) in der Sitzung Tom 13. Man 1897 
mitgetbeilten Falle batte eich ein Soldat dorch Sturz auf das Genick eine Hali* 
wirbelfractur zogezogen. Pat. konnte zwar Arme und Beine bewegen, doch waren 
die rechten Gliedmaassen bedeutend schwächer als die linken, selbst ein ganz schwadier 
TViderstand konnte mit diesen nicht Qberwundeu werden. Die Bewegungen der Arme 
waren sehr eingeschränkt, die Finger der rechten Hand konnten gar nicht bewegt 
werden. Die Sensibilität war an allen Extremitäten bedeutend herabgesetzt, eut- 
schieden mehr auf der rechten Seite, die später auch Atrophie zeigte, ganz aufgehoben 
war sie an der Ulnarseite des rechten Arms. Die Respiration war erschwert and 
beschleunigt. Pai konnte die Blase nicht entleeren. Der Wirbelbroch wurde gebalt 
und Pat. genas. Von 13 Fällen von Wirbelbrfichen, die Vortr. in 7 Jahren im 
chirurgischen Erankenhanse zu Helsingfors behandelt wurden, betrafen 7 Halswirbel 
und von diesen Kranken genas nur einer, der keine Lähmung hatte, alle 6, bei 
denen Lähmungen bestanden, starben. Die Todesursache war gewöhnlich Cystitie 
und Pyelitis und Lungencomplicationen. 

In der Sitzung vom 20. März 1897 theilte Prof. Homen (a. a. 0. 6. S. 734) 
einen Fall von äusserst stark entwickeltem Hydrooephalus bei einem Kinde mit, 
das seit dem Alter von drei Monaten die Zeichen der Krankheit trug, anfangs 
unruhig war, dann Krämpfe bekam und später apathisch und regungslos dalag und 
im Alter von 2 Jahren starb. Unter der zum grossen Theile mit dem Schädel ver* 
wachseneo Dora befand sich eine grosse Menge seröse Flüssigkeit Der Himoantel 
fehlte zum grössten Theile und der innere Theil vom Buden des stark erweiterten 
Seitenventrikels, wie die dem 3. Ventrikel entsprechenden Theile lagen blos. Ton 
der Himconvexität war auf beiden Seiten an der Falx cerebri nur je eine dfiooe 
Schicht übrig, die einen wallförmigen Bogen längst der Sntura s^ttalis bildeten, 
dessen vorderen Theil die ebenso redocirten Frontallappen bildeten; der hintere Theil 
beider Orbitallappen und der vordere Theil beider Temporallapen waren erhalten, 
verschmälerten sich aber nach hinten zu zu strangförmigen Gebilden, die in ihrem 
vorderen Theile die Unterlage für die grossen Himganglien bildeten und diese be* 
grenzten, in ihrem hinteren Theile bildeten sie die Unterlage für die Gyri hippo- 
campt, die stark entwickelt waren; nach hinten zu gingen diese Stränge in die stark 
abgeplatteten Occipitallappen über, von denen nnr derjenige Theil übr^ war, 
der hinteren inneren Wand des hinteren Horns entspricht; nach oben gingen dieee 
Beste der Occipitallappen in den erwähnten bogenförmigen Wall über. Die Optid 
bildeten schmale dünne Stränge, die fast dünner waren als die OculomotoriL Die 
Pyramiden waren abgeplattet uitd graulich verfärbt Das Kleinbiru war normal 
Der spiuale subdurale ^um war stark mit seröser Flüssigkeit gefüllt — Ein an* 
geborener Defect. wie man anfangs hätte glauben können, lag nicht vor, wie ans 
dem Umstande hervor^ng, dass die weichen Hirnhäute überall die innere Fläche der 
Dura bekleideten, auch ao den Stellen, wo die Himmasse zu Grunde gingen wv. 

Walter Berger (Leipzig). 


Um EioBendung von Separatabdrücken an den Herausgeber wird gebeten. 

EinsendnngeD für die Redaction sind zu richten an Prot Dr.E. Hendel, 
Berlin, NW. Schiffbauerdamm 18. 

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Howerbui^sgesuche mit Nachweisen sind bis 1. November d. J. an das 
Krankeupflcgnmt oinznsenden. 

Auskunft erthälen die Oberärzte Hofrath Dr. Oanser und Dr. Hecker. 


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0 Kurhaus Bad Nassau a 

0 Wasserheilaostalt, das gauze Jahr hindnreh gedffnet. Für Bheuma« 0 
0 tismus. Nervenleiden, Verdauungsstörungen etc. 0 

Q Leitender Arzt; Dr. E. Poensgen. 9 

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I Kurhaus für Nerven- und Gemiithskranke I 
I in Neckargemünd bei Heidelberg. | 

I Prospekte durch die Besitzer und leitenden Aerzte | 

I l>r. Richard Fischer. I)r. Ernst Ueyer. | 

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^ gToesentheils renoTirt, ist das ganze Jahr geOfihet Geisteskranke ausg^hlossen. ^ 
4 Näheres durch Dr. Staehlv und Director Butin. S 

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Wasserheilanstalt Sonneberg i. Thiir. 

gegrQndet von SaD.>Rath Dr. Richter. 

♦ Sanatorium für Nervenkranke. » 

X>as gatiTte Jahr hindarch geöffnet, 

Prospecte durch den dirig. Arzt u. Besitzer Dr. med. Bauke. 

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(vormals Dr. R. Gnauck’s Kurhaus in Pankow). ♦ 

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Uebersicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie 
und Therapie des Nervensystems einschliesslich der Geisteskrankheiten. 

Heraosgegebes von 

PEO l&^^esBor Dr. E. Mendel 
Siebzehnter " Jahrgang. 

Monatlich erscheinen zwei Nommern. Preis des Jahrganges 24 Mark. Za beziehen durch 
alle Bachbandlangen des In- and Aaslandes, die Fostanstalten des Deatschen Reichs, sowie 
direct von der Verlagsbachhandlong. 

1898. 15. October. Nr, 20. 


Inhalt: t. Origlnalmltthellungen. 1. Zar Pathologie des Myxödems, ven W. Murafow. 
2. Ueber den centralen Verlauf des Gowers'schen Bändels, von G. J. Roiaolimo. 3. Ein Fall 
von doppelseitiger Ischias bei acater parenchymatöser Nephritis, von Michael Lapinsky. 

II. Referate. Anatomie. 1. Ueber die Primitivdbrillen in den Ganglienzellen vom 
Menschen und anderen Wirbelthieren, von Bethe. — Experimentelle Physiologie. 
2. Mödication thyro'idienne et arsenlc, par Bddart et Mabille. S. Die Verrichtongen der 
Hypophyse, von v. Cyon. — Pathologische Anatomie. 4. Des lösions mednllaires dans 
le tdtenos expörimental, par Pdchoutre. 5. Contribation ä l’ötade des encephalocMes con- 

f enitales, par Froelich. 6. Beitrag znr pathologisoben Anatomie des Nervensystems bei dem 
etanns des Menschen, von Gosbel. — Pathologie des Nervensystems. 7. Sai distarbi 
psichici e suUe alterazioni del sistema nervoso per insonnia assolota, per Agostlni. 8 . In- 
tiaenza dell’ attenzione dorante il sonno, per Vaschlde. 9. An anasaally snccesfal resalt of 
tbyreoid treatraent in a case of myxoedema, by Bonney. 10. Myzoedema, by Beadles. 
11. A case of acromegaly witb diabetes, by Chadboiirne. 12. Acromegaly, by Kaufimann. 
13. Case of acromegaly, by Hunter. 14. Une observation de manie aigne obez nne aoro* 
mögalique, par Garnier et Santenoise. 15. Notes on a case of acromegaly, by Esteroe. 16. A 
lase of the so-called hypertrophic palmonsry osteo-artbropathy of Marie, witboat pulmonary 
lisease, by Steven. 17. Ostöo-arthropatbies hypertrophiqaes da gcnoa droit et des deox 
)ied8 d’origine nerveuse. Tabes oa syringomyelieP Etöle d’ane tare nerveose dans la röaji- 
lation des modalitös tabetiques, par Tournier. 18. Fall von Tetanie, in Schwangerschaft 
mtstanden, nach Kro^operation, von Meinert. 19. Zar Thyreoidinbehandlang der Tetanie, 
’OD Alexander. 20. ueber die familiäre Form des acuten circamskripten Oedems, von 
‘eblesingor. 21. Contribation ä Tdtnde de la paraplögie spasmodiqae familiale, par Lorrain. 
2. Two cases of laryneeal spasm fatal in the first att^k occarring in the same family. 
S. A boy, aged 14, who exmbited tabetic Symptoms, by Stanley. 24. Family lateral 
clerosis, by Moore. 25. Een familiestamboom, door Borst. 26. Nya bidrag tili kännedomen 
m en säregen familjes jokdom ander form a progressiv dementia, af Hom4n. 27. Er- 
abmogen über Trionu als Schlafmittel mit besonderer BQcksicht aaf die Beeinflassang des 
'Intdruckes, von Kornfeld. — Pychiatrie. 28. On cyclone-nearosee and psychoses, by 
remer. 29. Algonae consideraclones sobre el pronostico de la alienacion mental, per Borda. 
0. Le morti per pellagra, alcoolismo e saicidio in Italia, per Tornasari di Verce. 

111. Aus den Geseiischaften. Jahressitzang des Vereins deuteoher Irrenärzte in Bonn 
OQ 16. und 17. SeptemW 1898. — Wiener medicinischer Klub. — K. k. Gesellschaft der 
erzte in Wien. 

IV. Vermischtes. IV. Versammlnng mitteldeutscher Psychiater und Neurologen. 

V. Personalien. 

VI. Berichtigung. 


59 


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930 


I. Originftlmittheilungen. 


1. Zur Pathologie des Myxödems. 

Von W. üuratow, 

PriTat>Doeentea an der UniTersitat zu Moskau. 

Die Veränderungen des centralen Nervensystems bei Myxödem sind jetzt 
noch eine nicht ganz entschiedene Frage. 

Wir haben die Untersuchnngen von Bo(K)wit8ch, Lamohans, Kofp. 
welche die dnrch experimentelle Entfernung der Schilddrüse entstandenen Ver¬ 
änderungen in Betracht ziehen. 

Die Untersuchungseii'ebnisse sind zum Theil unbestimmt, zum Theil negativ. 
Dafür erlaube ich mir einige Befunde, welche ich in einem Falle von angeborenem 
Myxödem machen konnte, zu veröffentlichen. Ich habe die Kranke zusammen 
mit meinem Collegen Dr. Wladihisow beobachtet 

W. B., ein 6jähriges Mädchen, stammt von gesanden und jungen Eltern (die 
Mutter ist 20 und der Vater 24 Jahre alt). In der Familie sind keine constitutk*- 
Dellen Krankheiten, keine Lues und Tiiberculose zu coustatiren. Bei der Gebart 
wog das Mädchen 9 Pfund. Die Kranke bat die Mutter selbst mit ihrer Brost 
genährt. Schon von den ersten Tagen bemerkte man einen krankhaften Zustand des 
Kindes. Eine abnorme „Fettleibigkeit", eine mangelhafte Behaarung, eine kalt^ 
trockene Haut. Im Jahre 1895 war eine Behandlung mit Kali jodatum angeordnet 
Dadurch verminderte sich das Gewicht und der ödematÖse Zustand der Kranken. 
Dieser therapeutische Erfolg dauerte nur kurze Zeit und bald kam die Kranke in 
denselben Zustand, in welchem sie früher gewesen war, zurück. In der Anamnese 
(Dr. WiiADminow) ist festgestellt, dass die Eltern der Kranken schon lange einen 
vorgeschrittenen Zustand der Idiotie bemerkt hatten. Die Kranke war in das Sophies- 
Asyl von Fürst Schsbbatow zu Moskau am 24. September 1896 aufgenommen. 

Bei der Untersuchung zusammen mit Dr. Wladihibow fand ich Folgendes: 

Beim ersten Anblick konnte man ein ausgeprägtes GeschwoUensein des ganzen 
Körpers, ein kretinoides Aussehen, eine sehr blasse Farbe der Haut bemerken. Der 
Mund ist offen, zwischen dicken Lippen liegt eine dicke muskulöse Znnge. Die Anse 
sind flectirt und au die Brost gepresst. Die Bauchdecken sind festgespanut, der 
ÖdematÖse angespannte Nabel steht hervor. Die Körperlänge beträgt 73 cm (wie bei 
einem Neugeborenen). Das Körpergewicht ist relativ sehr gross und betr^ = 20,700. 
Eine Dolichocephalie mit einer bedeutenden Verminderung der frontalen Dimensiones. 
Eine sehr kärgliche Behaarung. Die Haare sind derb, trocken, schwach pigmeoürt 
Die Lippen sehr dick, die untere Lippe sinkt herab. Der Gaumen nnd die Uvolz 
sind ödematös. Der Gaumenreüex ist ausgeprägt. Eine sehr arme Mimik. Die 
Kranke lacht und weint nicht. Der Gesicbtsausdmck ist völlig theilnabmslos, wie 
man es gewöhnlich bei Idioten beobachtet Sie drückt durch nichts Zufriedenheit 
aus; wird die Kranke gereizt, so krächzt sie. Die active Aufmerksamkeit fehlt 
völlig, die passive ist kaum ausgeprägt. Die Beizungen der Sinnesorgane — eis 
klares Licht oder ein lauter Tou — nimmt sie wahr. Die activen Bewegungen sind 
sehr träge, dabei ist die Kranke nicht gelähmt Im Bett kann sie die Beine und 


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931 


Hände bewegen, aber sie thot es mit Unwillen. Sie kann aber weder gehen noch 
stehen. Der FatellarreQez ist sehr lebhaft. Die Sphincteren ohne organische 
SUrang, die Kranke bemerkt aber keine Noth zur Urin- und Kotbentleerung. 

Die Sensibilität, welche nur durch reflective Abwehrbewegungen bestimmt werden 
kann, ist erhalten. Den Zustand der Muskelernäbrung kann man eines diffusen Oedems 
wegen nicht bestimmen. Eine lebhafte mechanische Erregbarkeit. Paradiscb erhalten 
wir folgende Daten: H. deldoid. 70, M. triceps 60, H. biceps 65, Ens’scher Punkt 70, 
M. tibialis ant. 55, U. gastrocn. 55, H. lingualis 75. Auf dem ZizMMSR’schen Funkte 
giebt bei normalen Verhältnissen derselbe Apparat 85—90^ 

Das myzödematäse Geschwollensein ist in der Cervicalgegend am meisten aus¬ 
geprägt. Auf den beiden SchlOsselbeinen sind ädematbse Geschwülste bemerkbar. 



>ie oberen und unteren Extremitäten, die Bauchdecken zeigen ein hochgradiges 
'edem. Temperatur 34,5—35*^ (in axilla). Die Kranke ist der Kälte sehr zu- 
änglicb. Eine sehr abgescbwächte Herzthätigkeit. Im Urin kein Zucker und 
Ibumingehalt. 

In unserem Falle ist das klinisohe Bild so einfach und klar, dass wir, ohne 
eitere differentielle Analyse, das Myxödem zu diagnosticiren im Stande waren, 
j genügt, einen Blick auf die beigegebenen Photographieen zu werfen, nm jeden 
weifel zu beseitigen. In diesem Zustande verblieb die Kranke unter unserer 
K)bachtung einige Wochen und starb endlich an catarrhaler Lungenentzündung. 

Bei der Obdnction constatirte ich ein vollständiges Fehlen der Schilddrüse, 
den inneren Organen fand ich ausser der catarrhalen Lnngenentzündung 
;bts besonderes. Eine sehr ausgeprägte myxödematöse Schwellung der äusseren 
utdecken. Die quergestreifte Muskulatur hatte ein blasses Aussehen. Eine 

59* 


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982 


mjTödematöee Degeneration des Pericardinms. Das Gehirn war sehr gross und 
batte ein Tennehrtes Gewicht. Makroskopisch constatirte ich eine gelbe Ver¬ 
färbung der weissen Substanz, welche stellenweise vorkam. \'od der Glandula 
thymus war auch keine Spur zu bemerken. Die graue Substanz zeigte nichts 
besonderes. 

Eine vollständige anatomische Untersuchung der Leiche wurde nicht ge¬ 
stattet. Die Obduction war 48 Stunden nach dem Tode, nachdem die Erlaubniss 
der Eltern erreicht worden war, angestellt. 

Zur mikroskopischen Untersuchung konnte ich das Gehirn, die Trachea und 
die Zunge bekommen. 

Bei der mikroskopischen Untersuchung der Trachea konnte ich keine Spoi 
von Glandula tbyreoidea constatiren. Zwischen dem Perichondrium und M. crico- 
thjreoid. bemerkte ich nur bindegewebige Gebilde. 

Die Färbung nach van Gibsson ergab nur einen negativen Befund. 

Das Gehirn wurde in einer starken Lösung von Formaldehyd (20 “/q) ge¬ 
härtet und nachdem theils in Spiritus nach Nissl, theils in Kali bichromicum 
nach Weiqebt, Iba van Glesson und Mabchi bearbeitet 

Bei der mikroskopischen Untersuchung des Kehlkopfs waren wir nicht im 
Stande das Vorhandensein der fuuctionell entwickelten Elemente der Schilddrüse 
zu constatiren. Zwar fand ich im Gebiete des ersten ringförmigen Knorpels 
einige Gebilde, welche an Zapfen der Drusen erinnern. ISs war ein schmaler 
Streifen von weitmaschigem kernreichen Bindegewebe zwischen dem M. crico- 
thyreoideus anterior und dem Perichondrium. Inmitten dieser rudimentäreo 
Läppchen fehlen die epithelialen Decken völlig. Sie sind mit einer homogenen 
colloiden Masse gefüllt. Vielleicht sind diese Gebilde als Rudimente der atro- 
phirten Schilddrüse anzusehen. 

Die Zellen der Hirnrinde, welche nach Nisan gefärbt wurden, zeigen einige 
sehr starke Veränderungen, welche Kyneto- und Trophoplasma betreffen, tu 
den meisten Zellen ist die Grundsubstanz sehr intensiv blau gefärbt Die 
chromophilen NissL’schen Körnchen sind deformirt und nur undeutlich zu sehen; 
die Fortsätze siud geschwollen. 

Das Gesammtbild der Zelle erscheint dunkel, die differentiellen Theile sind 
undeutlich. In anderen Zellen dagegen ist die Grundsnbstanz sehr blass ge¬ 
worden. Anstatt der normalen blass-blauen Farbe erscheint die Zelle homogen 
und ungefärbt: stellenweise kommen einige Reste von chromophiler Substanz in 
Form von deformirten NissL’schen Körnchen vor. Sie sind sehr verkleinert, 
vermindert und deformirt In allen Zellen der letzten Kat^orie sind die Kerne 
vergrössert und intensiv blau gefärbt; in einigen Zellen sind sie nur undeutlich 
zu sehen. Am Ende kommen Zellen mit völlig homogenen Protoplasma vor; 
nur der gequollene und vergrösserte Kern ist intensiv gefärbt In den Fasern 
der Gehirnrinde kann man deutliche parenchymatöse Veränderungen nach 
Weigert und Mabchi constatiren. 

Die Tangentialfasern sind sehr schwach gefärbt Von den subcorticalen 
Fasern siud die Bogenfasern am meisten afficirt (die kurzen Associationsbahnen). 


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933 — 


Sie sind dünner als normal und förben sieb schwach; dabei sind sie mit kleinen 
Fetttropfen besäet Dieselben Fetttropfen kommen auch im Projectionssystem 
Tor, doch sind die Leitungsbahnen besser entwickelt. Das Neuroglianetz ist sehr 
dicht und massir. 

Bei der yan GiESsoN’scben Färbung konnte man keine colloide Degeneration 
und keine Einl^erung von colloiden Substanzen in Neuroglia beweisen. Nur 
die Gelasswände nehmen eine röthliche Farbe an. Die Neuroglia ist sehr kern¬ 
reich und dicht In der quergestreiften Muskulatur ist ein Geschwollensein der 
Fasern zu constatiren. 

Stellenweise ist die Streifung undeutlich. Colloide Degeneration des Proto¬ 
plasmas konnte ich nicht nachweisen. Die peripherischen Nerven konnte ich 
einer unvoUständigen Obduction wegen nicht untersuchen. 

Unsere pathologisch-anatomischen Daten stehen den Befunden von Rogo- 
wiTscB näher als den später von Lanqhans mitgetheilten Thatsachen. Dieser 
Autor fand im centralen Nervensystem „nichts beschreibungwertbes“. 

Diesen Unterschied kann man mit zwei Bedingungen erklären: 1. gehört 
unser Fall zu congenitalem Myxödem, 2. die von Langhans und mir an¬ 
gewandten Untersuebnngsmethoden sind völlig verschieden. Langhans hat die 
Präparate in Kali bichromicum Jahre lang gehärtet, damit sind sie zur feineren 
Untersuchung der Nervenzellen untauglich geworden. 

Wir haben das Vorherrschen der parenchymatösen Veränderungen bewiesen. 
Zum Theil sind sie unmittelbar mit der chronischen Toxämie verbunden. 

Auf diese Weise sind die Veränderungen der Rindenzellen zu erklären. Wir 
haben das Geschwollensein der NissL’schen Körner und stellenweise eine dicht- 
blane Färbung der Grundsubstanz (Pyenomorphie) bemerkt 

Eine schwere Verdunkelung des Trophoplasmas mit der Umgestaltung der 
chromophilen Körner kommen auch bei anderen toxischen Processen, z. B. bei 
Tetanus vor. 

Die Chromatolyse, welche wir in einigen Zellen beobachteten, zeigt eine 
leichtere toxische Veränderung. Die weisse Substanz ist leichter als die Zellen 
afdeirt Vielleicht hat die letzte Läsion auch einen toxischen Ursprung, es ist 
aber wahrscheinlicher, eine Entwickelungshemlmung anzonehmen. 
Sauptsächlich sind die snbcorticalen Associationsbahnen (die Begenfasem) afficirt. 
Es ist durch die Untersuchungen von Monakow und meine eigenen Untere 
mchungen bewiesen, dass die Zellen der Rinde die trophisohen Centren für die 
Bogenfasem darstellen. Es ist leicht zu verstehen, dass eine im embryonalen 
Lieben auftretende Läsion der trophischen Zellen eine Entwickelungshemmung 
ier subordinirten Associationsbahnen zur Folge hat 

Wollen wir unsere Untersuchungseigebnisse kurz recapituliren, so müssen 
vir folgende Thatsachen hervorbeben: 

1. Eine toxische Affection der Zellen der Rinde. 

2. Eine secundäre Veränderung (Entwickelungshemmung) der Himsysteme 
ind besonders der Bogenfasem. 


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934 


3. Ein völliges Fehlen der functionell entwickelten Elemente der Schild¬ 
drüse. 

4. Klinisch ist das Angeborensein der Krankheit anznnehmen^ weil die 
Kranke von Gebart an mjxödematös erschien. 

Diese anatomischen Thatsaohen können zn einigen epikritischen Bemerkungen 
Anlass geben. 

1. die psychischen Ausfallserscheinnngen, welche dem klinischen Bilde des 
Myxödems eigen sind, erklären die schweren anatomischen Läsionen der Rinde; 

2. dieselben stehen mit experimentellen Angaben Eobsley’s in Zusammen¬ 
hang, welcher eine verminderte Erregbarkeit der Rinde bei thyroidectomirten 
Tbieren beobachtete. 

Wollen wir weiter noch daran erinnern, dass der B^inn der functionellen 
Thätigkeit der Schilddrüse nach Hobslet zum 6. — 8. Monate des embryonalen 
Lebens gehört Die höheren Nervencentren befinden 8i<fii zu dieser Zeit im 
Entwickelungsprocess. Das Toxin wirkte hier auf die Oentren, wenn die Ent- 
wickelungsvorgange noch nicht abgeschlossen waren. Daher folgte der Toxin¬ 
wirkung nicht nur eine Störung der functionellen Thätigkeit, sondern auch eine 
Entwiokelungshemmung. Die gestörte Ernährung der Zellen übt eine schädliche 
Wirkung auf die subordinirten Fasern aus. 

Bei diesen Bedingungen sollen die höheren Associationsbahnen am meisten 
affioirt sein. Wir bemerkten wirklich eine vorherrschende Atrophie der Bogen¬ 
fasern, weiche nur sehr spat ach entwickeln und ausschlie^ich p^chische 
Functionen besitzen. Die Leitungsbahnen und die Balkenfasernng sind leichter 
afficirt 

Diese pathologisch • anatomischen Eigenthümlichkeiten des kindlichen Myx¬ 
ödems stehen in Zusammenhang mit dem Unterschiede des klinisdien Bildes 
zwischen dem Myxödem der Kinder und der Erwachsenen. 

Die p^chische Sphäre leidet bei Kindern mehr als bei Erwachsenen und 
die psychischen Störungen sind nicht der Thyroidintherapie zugänglich. Anderer¬ 
seits zeigt die klinische Erfahmng, dass bei kindlichem Myxödem auch eine 
gewisse Entwickelung und functionelle Thätigkeit des Nervensystems möglich 
ist Man kann aber behaupten, dass im kindlichen Alter immermehr einige 
Defecte der intellectuellen Thätigkeit bleiben werden. Die Thyroidinbehandlung 
bei Erwachsenen beseitigt die chronische Toxämie und stellt die normale p^- 
chische Thätigkeit wieder her; im kindlichen Alter kann trotz der Beseitigung 
des toxischen Zustandes die psychische Thätigkeit sich nur in den Grenzen 
eines degenerativ veränderten Gehirns entwickeln. 


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935 


2. üeber den centralen Verlauf des Gowers’schen Bündels. 

Von G. J. Bossoiimo, 

Priv.*Doc. an der Uniyersität za Moskau. 

ln Anbetracht der Bedeutung des Studiums über den weiteren Verlauf der 
centripetalen Bäckenmarksjsteme im Grosshim ist das Interesse vollkommen 
gerechtfertigt, welches die Untersuchungen von Hoohe, Fatbik, v. Söldeb, 
Mott, Tooth u. A. über den Verlauf des GowEBs’schen Stranges, dessen 
Endigungen während vieler Jahre im verlängerten Marke in der Höhe der 
Oliven angenommen wurden, hervorgerufen haben. 

Den angeführten Autoren gelang es, den GowEBS’schen Strang weiter zu 
verfolgen, wobei einige zu dem Resultat kamen, dass derselbe, nach Erreichnng 
des Gebiets der Vierhügel, im Kleinhirn endige, — mit anderen Worten, dass 
er eine schroffe Umbiegung nach rückwärts in der Richtung des Kleinhirns 
durch dessen vordere Schenkel ausfübre. Man könnte sich mit diesem Schema 
vollkommen einverstanden erklären, in dem Falle, wenn einerseits eine solche 
schroffe ümbi^nng nicht etwas paradox erschiene, andererseits, wenn wir nicht 
über einer solchen Annahme widersprechende Facta verfügten, z. B. über einige 
von Mott und Klimopf (Kazan. 1897. Russisch) gefundene experimentelle 
Tbatsachen (der letztere Autor konnte keine secundären D^enerationen m der 
Richtung zum Kleinhirn nach Durcbtrennung seiner vorderen Schenkel con> 
statiren). 

Unsere Untersuchungen haben uns nun zu Resultaten geführt, welche theils 
mit den bestehenden Meinungen im Einklang stehen, theils mit diesen schroff 
auseinandeigehen. 

In Anbetracht dieses letzteren Umstandes und auch dessen, dass wir die 
Endigungen des GowEBs’schen Stranges im Grosshirn fanden, wollen wir in 
Kürze unsere Beobachtung mittheilen: 

Es handelt sich um das centrale Nervensystem eines 12jährigen Mädchens, 
welche vom ersten Beginn der spinalen Symptome, hervorgerufen durch Metastase 
einer sarcomatösen (kleinzelligen) Geschwulst aus dem im retroperitonealen Ge¬ 
webe gel^enen Herde, in unserer Klinik beobachtet wurde. 

Die Affeotion des Rückenmarks bestand ungeföhr 3 Monate, begann mit 
Wnizelerscheinungen in der Höbe des unteren Brust- und oberen Lumbal¬ 
segment, und endigte, allmählich pr<^essirend, mit dem Bilde einer oompletten 
Rnckeumarkscompression im Niveau der unteren Wurzeln des Brostmarks. 
Totale Paraplegia inferior, Anästhesie beider unteren Extremitäten, der Nates, 
des Perineums und des untersten Abschnitts des Bauches mit einer hyper¬ 
ästhetischen Zone, Incontinentia urinae et alvi, Fehlen des Fusssohlen- und des 
Analreflexes, ebenso des Patellar- und Achillessehnenreflexes, Oedem der unteren 
Extremitäten, Decubitus; die ganze Zeit über bestanden heftige Schmerzen im Ge¬ 
biete der ursprünglichen gereizten Wurzeln. 


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936 


Die Autopsie ei^ab, ausser sarcomatösen Herden im retroperitonealen Ge¬ 
webe, im Mediastinum poster., in den Lungen, noch Infil tration der linken 
Lumbalmuskeln, saroomatöse Erweichung der linken Proc^ transvers. und der 
Bögen des L und 11. Lumbalwirbels. Auf der äusseren Oberfläche der Dura 
mater befindet sich ebenfalls eine weiche saroomatöse Geschwulstmasse, welche 
entsprechend dem oberen der Lumbalanschwellung hauptsächlich der hinteren, 
seitlichen und in geringerem Grade der Torderen Oberfläche der Dura spinalis 
anliegt, indem sie röhrenförmig den oben genannten Abschnitt des Bäckenmarks 
umgreift Auf der inneren Oberfläche der Dura und auch den wessen Häuten 
des Böckeninarks fehlt die Geschwulst Ausserdem konnten bei der genaueren 
Untersuchung der Präparate zwei saroomatöse Herde in der Böckenmarkssubstaiu 
selbst nachgewiesen werden: der eine von ihnen, von spindelförmiger Gestalt, 
nimmt beide Hinterstränge dn und berührt an der Stelle seiner grössten Dicke, 
wobei er hier die Hinterhömer auseinanderdrängt und compriznirt, die hintere 
Commissnr; er dehnt sich von der XL Dorsalwurzel bis zur 11. Lumbalwunel 
aus; der zweite Herd ist von bedeutend geringerem Umfange, breitet sich im 
Kopfe des rechten Hinterhoms aus und erstreckt sich, eben&lls spindelförmig, 
Ton der IX. Dorsal- bis zur 1. Lumbalwurzel. Die Lumbalanschwellung zeigt 
das Bild einer nicht sehr hochgradigen parenchjmatösen Veränderung (unter¬ 
sucht wurde nach unserer Formol-Methylenblau-Methode): zerstreut li^nde 
Schollen, Kömchenzellen, geringe Infiltration in der Umgebung der Gefässe; in 
einigen Zellen lassen sowohl Kern, Ausläufer, als auch Granula keine Abweichung 
Ton der Norm erkennen, andere d^egen zeigen Vacuolisation, Chromatolyse, 
Schwund des Kerns und vollständige Zerstörung der Zelle. Grobe VerändeningeD 
der Structur mit Zerstörung der Configuration lassen sich ni^ends nachweiseo, 
ausser an der Stelle, wo sich die spinalen Metastasen des Sarcoms finden. 

Zur Untersuchung der secundären Degenerationen bedienten wir uns der 
Methode von Dr. Cb. Bcsoh (aus unserem Laboratorium)^, welche vor der 
MABCHi’schen Methode die Vortheile hat, dass die schwarzen Markschollen sich 
von einem reineren und helleren Fond abheben, dass nicht ein einziger Schnitt 
bei der Untersuchung verloren geht — ein so wichtiger Umstand bei Anfertagung 
von Serienschnitten — und dass endlich die Zeit der Untersuchung bedeutend 
abgekürzt wird. 

Der nach dieser Methode untersuchte lumbale Theil ergab eine solche Menge 
von Kömchenzellen und MarkschoUen, dass nicht eine einzige gründe Stelle 
nachzuweisen war; die Veränderungen betreffen sowohl die weisse, als auch 
graue Substanz, wobei von irgend einer Systematisirung keine Bede sein kann. 
Gleichzeitig bieten die hinteren und die vorderen Wurzeln einen höheren odei 
geringeren Grad der Degeneration. Diese diffusen Veränderungen erstreckeo 
sich nach oben und differenziren sich allmählich erst in der Höhe der Ylll. Dorsal¬ 
wurzel Hier localisiren sie sich hauptsächlich in den beiden Hintersträngeo 
und an der Peripherie der Vorder- und Seitenstränge; eine geringe Anzahl vou 


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Nearolog. Centralbl. 1898, S. 476. 



937 


MarkschoUen lässt sich in den Winkeln der grauen Substanz und ebenfalls in 
der Torderen Commissur, von wo aus man ihre Fortsetzung in die Vorder- und 
Seitenstränge verfolgen kann, ln der Höhe der mittleren Dorsalwurzeln nehmen 
die aufsteigenden Degenerationen fo^nde vollkommen symmetrische, typische 
Gebiete ein: die GoLL’schen, Eleinhimseiten- und OowsBs’schen Strange und 
die peripheren Theüe des Gmndbündels der Vorderseitenstrangbahnen im Gebiete 
der vorderen Wurzeln, ln den übrigen Abschnitten des Büokenmarks gebt die 
Degeneration nicht aus den oben bezeichneten Gebieten heraus (Fig. 1, 2). ln An¬ 
betracht der vollkommenen Symmetrie der Veränderungen werden wir nur von den 
d^enerirten Bahnen der einen Seite sprechen und jeden Strang einzeln nach 
oben verfolgen. Wir werden von dem anfangen, welcher in unserem Falle uns 



Pig. 1. Fig. 2. Fig. 8. Fig-4. Fig. 5, 


hauptsächlich von Interesse ist, der übrigen aber werden wir nur in Kürze 
Erwähnung thun. 

Der GowBBs’sche Strang; Im Gebiete beider Kreuzungen behält er die 
ganze Zeit über seinen Platz an der lateralen Oberfläche der Med. oblong, bei, 
in Form eines Dreiecks, dessen Spitze der Mittellinie zugekehrt ist, und liegt 
lateral von dem Vorderhom. Einige seiner Fasern dieses Grenzgebiets zeigen 
die Tendenz mehr in das Territorium der Kleinhirnseitenstränge einzudringen. 



Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9. 


Aus den Kernen der GoLL’schen Stränge derselben Seite ziehen einzelne dege- 
nerirte Fasern bogenförmig zu dem GowEas’schen Bündel. Längs dem ganzen 
Verbreitungsbezirk der unteren Oliven nimmt das GowEss’sche Bündel das ihm 
eigene Territorium, ebenfalls an der Peripherie, ein, zwischen dem Corp. restif. 
und der aufsteigenden Trigeminuswurzel einerseits und der dorso-lateralen Ober¬ 
fläche der Olive andererseits; seine Form ist hier ebenfalls dreieckig und ebenso 
wie früher unten bi^en auch hier von ihm Fasern nach dem Corp. restif. um. 
Die d^nerirten Fasern aus den Kernen der GoLL’scben Stränge ds^egen 
biegen hier, nachdem sie einen noch schrofferen B<^en beschreiben, schon in 
das degenerirte Feld der Kleinhimseitenstrangbahn ein (Fig. 3, 4, 5, 6, 7). Mit 
dem Auftreten von Fasern des Corpus trapezoides rückt der GowBBs’sohe Strang 
von der Peripherie ab und kommt jetzt auf der dorsalen Oberfläche dieses ersteren 
zu liegen in Form eines länglichen Bündels mit etwas schräg getroffenen Fasern; 


ig ti^cd :jy CjOO^Ic 



938 


von hier geben, entsprechend der proximalen Yerlaofericbtnng, einige wenige 
Fasern in das degenerirte Corp. restif. Ober (Fig. 8). Je höher» desto mehr Ter- 
schiebt sich das Gebiet dieses letzteren znm Kleinhirn, während der GowxBs’sche 
Strang, gleichsam das Corp. restif. einholend, immer mehr in dorso-lateraler 
Richtung vorrückt, indem er anfinglich den Winkel, welcher ron der medialen 
Seite der Facialiswurzel nnd der dorsalen Seite des Corp. trapezoides gebildet 
wird, einnimmt, späterhin die laterale Seite der medialen Schleife berährt (Fig. 9). 
In der Höhe des Nucl. later, tegmenti fuhrt der GowEBs’sche Strang eine noch 





schroffere Biegung ans, um mit seiner ganzen Masse in den Bestand der lateralen 
Schleife einzngehen, längs deren Territorium er, ohne sich zu zersplittern, immer 
näher znm Yelnm medulläre antic. und zum Gebiet der Trocdüeariskreuzung 
rückt (Fig. 10, 11, 12). Ein Theil seiner Fasern fährt hier eine zerstreute and 
bündelfdrmige Kreuzung aus, um sich mit dem entsprechenden GowsBs’sohen 





Strange der anderen Seite zu Terbinden. Die Brach, oonjunct bleiben 
die ganze Zeit über Tollkommen normal. In der Yierh^^elgegend hält 
das GowEfis’sche Bündel, welches jetzt schon Fasern derselben und der oon> 
tralateralen Seite enthält, das Gtebiet der lateralen Schleife ein, giebt ein an 
den hinteren Hügel tretendes und diesen von der ventralen Seite umfassendes 
Bündel ab, verläuft immer in demselben Rayon bis zur Höhe der vorderen 
Yierhögel, macht hier eine scharfe Wendung in ventro-lateraler Richtung und 
tritt in den Fascicul. longitud. intermedius ein, um sich in dem die Subst nigra 
von der ventralen Seite umgebenden Netz und in der Substantia selbst auf- 
zusplittem (Fig. 13, 14, 15). In diesem Gebilde und in dem ihm anliegenden 
Netze finden sich eine grosse Menge Markschollen, deren Zahl in proximaler 
Richtung immer mehr sich der medialen Linie nähert, wo eine gewiffie Anzahl 


"Q'Iii’Od 


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939 


derselben auch im medialen Abschnitte des Himschenkels sich erweist; zn 
dieser Stelle gelangen auch ein^e degenerirte Fasern, indem sie den Him- 
scbenkel von der ventralen Seite bogenförmig umziehen, ohne den Fascic. Ion* 
gitud. intermedius und die Subst nigra zn berühren (Fig. 16). Die weiteren con> 
secutiven Schnittreihen aus dem Gebiete der 
Ganglien und der Caps, int lassen mehrere 
degenerirte bogenförmige Bündel, welche 
das Gebiet des Genu caps. intern, kreuzen 
und eine grosse Ansammlung von Mark¬ 
schollen in den beiden Gliedern des Globus 
pallidus erkennen; in diesen liegen die Mark¬ 
schollen anfänglich in ihren occipitalen 
Theilen, höher aber mehr zu ihren frontalen 


Fig. 16. Fig. 17. 

Enden (Fig. 17). Auf diese Weise geben die Fasern des GowEns’schen Stranges, 
welche ihren Ursprung im Lumbalthei! des Büokenmarks batten und in den oben 
beschriebenen Gebieten ihren Verlauf nahmen, einige Fasern in die Eleinhim- 
seitenstrangbahn längs der ganzen Ausdehnung des Corp. restif. ab, nehmen 
einige wenige Fasern ans dem GoLL’schen Strang derselben Seite auf, voll- 
führen eine partielle Kreuzung im Tel. med. anter. und endigen in 3 Gebilden: 

1. in den hinteren Vierhügeln; 

2. in der Subst nigr. Sömmeringii; 

3. im Globns pall. (in den beiden inneren Gliedern des Nucl. LenticuL). 

Was seinen von einigen Autoren ang^ebenen Verlauf aus dem Gebiete der 

^'ierhügel in das Kleinhirn nach rückwärts anbetrifft, so erlaubt uns unsere 
Schnittserie nicht eine solche Annahme, und wenn auch einige Fasern des 
Go'WEBs’scben Bündels in das Kleinhirn Übergeben, so sind es nur diejenigen, 
welche aus ihm in die Kleinhimseitenstrangbahn übertreten. 

Die Kleinhirnseitenstrangbahn; Sie weicht in unserem Falle bezüglich 
ihrer Lage und des Verlaufs in Nichts von dem Bekannten ab und endigt in 
den Windungen des Oberwurms. Unsere Präparate zeigen unter anderem den 
CTebergang einiger degenerirter, nicht gekreuzter und in ihren Kernen nicht 
unterbrochener .Fasern des GoLL’scben Stranges in das Corp. restif. 

Die GoLL’schen Stränge: Dieselben waren bis zu ihren Kernen d^ie- 
lerirt, welche ebenfalls mit den gewöhnlichen und auch kleineren Markschollen 




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940 


erfüllt waren, wobei «nige der Fasern, ohne hier eine Unterbrechung zu er¬ 
fahren, bogenförmig in die GowEBS’schen und Kleinhimseiteostrangbahnen der¬ 
selben Seite verliefen. 

Die Wurzelzone des degenerirten Gebiets des Vorderseiten¬ 
stranggrundbündels konnte von nna nach oben bis in die Format reücuL 
der Med. oblong, verfolgt werden, wo diese Fasern sich in dem dorso-medialen 
W'^inkel der unteren Olive erschöpften. 

Moskau, den 15. Mai 1898. 


[Aus der propadentischen Klinik von Prof. Th. A. Lobsch zu Kiew (Bassland).] 

3. Ein Fall von 

doppelseitiger Ischias bei acuter parenchymatöser Nephritis. 

Ton Dr. Michael napinsky. 

In der Litteratur sind Mittheilungen darüber vorhanden, dass Neoralgieen 
Nierenleiden begleiten können. 

SncpsON ^ theilt mit, dass bei der Nephritis örtliche Paresen und Neuralgieen 
beobachtet werden. 

OppoiiZBB* hat die Gelegenheit gehabt bei dem Morbus Brigthi Neuralgieen 
zu beobachten, welche den Verlauf der Intermittens larvata nahmen. 

Beboeb’ beobachtete Neuralgieen bei chronischer Nephritis (Schnunpfniere). 

Auf Grund von 9 Fällen derartiger Neuralgieen zieht der Autor folgende 
Schlüsse: 

Die Neuralgieen entwickeln sich bei dieser Krankheit in jenen vorgerückten 
Stadien, welche die charakteristischen Veränderungen des Circnlationsapparates 
darbieten. Sie treten ohne äussere Anlässe durchaus spontan auf. Das Leiden 
beschränkt sich auf einzelne Zweige des Plexus ischiadicns. Die Schmerzanfille 
zeichnen sich durch eine furchtbare Atrocität und lange Dauer aus. Die Neu¬ 
ralgieen dieses Ursprungs haben die Neigung sich anf die symmetrische Extre¬ 
mität zu verbreiten. Gewöhnlich wird das Gebiet der betroffenen Nerven der 
Ort mannigfaltiger vasomotorischer Störnngen. 

Pathologisch • anatomische Veränderungen der Nerven bei der Neuralgie 
während der Nephritis sind von den erwähnten Autoren nicht fes^estellt 
worden. Ebensowenig ist etwas über die nächsten Ursachen dieser Neuralgieea 
bekannt. Beboeb versucht sie für ein urämisches Symptom zn halten. 

* Cant. Jahresbericht. 1855. 8. S75. 

* Horbas Britbi. Spitalseitung. 1859. 

* lieber diabetisobe nod nepbritisehe Nearalgieen. Neorolog. CentralbL 1882. 


'ig 'v7C(i 


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941 


So spärliob sind die übdr das betreffende Leiden in der Litteratiir vor* 
bandenen Mittheilongen. 

Die unten folgende Beobachtung (mit einem kurzeu Auszuge aus der 
Krankengeschichte) kann znr Gruppe gerade derjenigen Neuralgieen gezählt 
werden, die von den Autoren als nephritische beschrieben werden. 

Am 8./HI. 1896 erschien io der propädeutischen Klinik (von Prof. Lobsch) 
der 22jäbrige Kranke — Eappaport — und klagte Ober sehr häufige Brech- und 
Diarrboean^e (8—10 kTäl am Tage). Ausserdem empfand der Patient in beiden 
Beinen sehr starke Schmerzen, welche sich im Verlaufe der N. ischiadici vom Kreuz 
bis zu den Zehen binzogen, und als Anfälle von 3—östOndiger, ununterbrochener 
Dauer 2—3 Mal am Tage auftraten. 

Anamnese: Die Schmerzen zeigten sich beim Patienten 1^/, Monate vor seinem 
Eintritt in die Klinik. Sie traten augenscheinlich ohne besondere äussere Anlässe 
auf. Das Erbrechen und die Diarrhoe stellten sich eine Woche vor dem Erscheinen 
des Patienten in der Klinik ein, waren ungewöhnlich heftig und erschöpften den 
Patienten sehr. Derselbe gehörte einer gesunden Familie an, er hatte in der Kind¬ 
heit die Masern und Scharlach, und vor 8 Jahren Bronchitis durcbgemacht. 

Lues und Potns verneinte er. Immer führte er ein sehr mässiges Leben und 
beschäftigte sich mit intelligenter Arbeit. Die letzte Wohnung, in der er 3 Monate 
nnunterbrochen bis zum Eintritt in die Klinik gelebt hatte, war sehr feucht und kalt 
gewesen. 

Status praesens: Der Fatiept ist von mittierer Gestalt, regelmässigem 
Körperbau und sehr schlecht genährt. Die Hautdecken und die Schleimhäute sind 
sehr blass. Ein leichtes Oedem der Fasse und der Augenlider ist vorhanden. Die 
LjfflpbdrOsen sind wenig fühlbar. Die Gelenke beider Beine sind vollkommen frei 
beweglich. Die Muskeln sind schwach entwickelt. Der Bauch ist leicht aufgebläht, 
bei Percussion leicht tjmpanitisch gedämpft. 

Die Grenzen der Leber und der Milz weichen vom Normalzustände nicht ab. 
Die Milz ist nicht fühlbar. Das Gebiet beider Nieren und des ganzen Dickdarmes 
ist sehr empfindlich. Die Spitze des Herzens befindet sich einen Finger breit links 
von der Linea mammülaris. Die rechte Grenze des Herzens ist auf dem linken 
Bande des Sternum. Leichte systolische Geräusche sind an allen Klappen hörbar. 
Der zweite Ton der Aorta hat einen starken Accent. Der Puls ist zusammeugedrückt, 
hart und hat 66—70 Schläge in der Minute. Die Grenzen der Lungen sind normal. 
Der (percutorische) Ton derselben ist normal. Bei der Auscultation sind leichte 
Rhonchi sibUlantes hörbar. 

Die Temperatur beträgt in der Achselhöhle 36,2—37,2. Sechs spärliche schleimig- 
wässrige Entleerungen finden in 24 Stunden statt. 

Der Ham beträgt 600 ccm in 24 Stunden. Er ist trüb, röthlich und hat einen 
reichlichen Niederschlag. Das specifische Gewicht beträgt 1,024. Die mikroskopische 
Untersucbnng zeigt epitheliale fett-degenerirte Cylinder in grosser Anzahl, Zellen ans 
den Hamcanälen und reichliche rothe Blutkörperchen. Der Eiweissgehalt betr^ 10 
pro 1000,0. Galle-Pigmente und Zucker sind nicht vorhanden. 

Die Betastang der Nn. ischiadici vom Kreuz bis zum Knie, der beiden Nn.poplitei, 
tibialis et peronei in ihrer ganzen Verbreitung zeigt eine sehr grosse Schmerzhaftig¬ 
keit. Das Beogen der gestreckten Beine im Hüftgelenk über ISO*’—140*^ ruft 
die grössten Schmerzen in den beiden Xn. ischiadici und im Gebiete der Verbreitung 
der Nn. peronei hervor. Die Schmerzen lassen jedoch sofort nach, weun das ge¬ 
streckte Bein im Knie gebeugt wird. Das im Knie gebeugte Bein kann man sogar 
an den Bauch pressen, ohne dass der Patient besonders unangenehme Empfin¬ 
dungen hätte. 


K.Googlc 


942 


Die willkQrliche Beweglichkeit aller Moskeln beider unteren Eztremit&ien ist 
völlig normal. Die passive Beweglichkeit desselben zeigt keinerlei Steifigkeit. Alle 
Arten der Sensibilität (Schmerz, Berührnng, Orts* and Maskelsinn, Temperatar- 
empiindung) an den beiden Beinen und am Kumpfe weichen keineswegs von der 
Norm ab. Der BeSex auf das Kitzeln der Fusssohle, sowie die Cremaster* and 
Baachrefieze sind sehr lebhaft. Der Fossclonas ist beiderseits vorhanden, die 
Fatellarrefleze sind normal. Keinerlei Blasen* oder Sphincter ani • Störung sind be¬ 
merkbar. Die Pupillen reagiren beiderseits gleich prompt auf Lichteinwirkongen. 

Die Betastung der Kreuz* and Inguinalgegend von anssen und per rectum zeigt 
keinerlei Qeschwulst oder sonstige Abnormitäten im Becken. 

Die faradische und galvanische Beaction beider Nn. ischiadici, peronei, tibiales, 
obturatorii et crurales sind durchaus normal. 

Nach 2 Wochen starb der Patient unter den Erscheinungen der immer weiter 
vorscbreitenden Anurie und Urämie. 

Die aus der Leiche herausgeschnittenen Nn. ischiadici (die vollstängige Obduction 
wurde von den Verwandten des Patienten nicht gestattet) waren in der UQl 1er'- 



(U 

Fig. 1. 


sehen Flflssigkeit gehärtet und die von ihneu gemachten Schnitte wurden nach Pal, 
Weigert und durch Carmiu und Alaun-Haematozilin gefärbt 

Die mikroskopische Untersuchung solcher Schnitte zeigte Folgendes: 

Das Epineurium enthielt keinerlei Spalten oder Höhlungen, die man durch das 
Oedem derselben hätte erklären können. Seine einzelnen Bindegewebsfasern waren 
von normaler Dicke und gut zu unterscheiden. 

Die Zahl der Vasa epineurii war augenscheinlich vermehrt. Die Zellkerne 
ihrer Wände waren sehr gross und sehr intensiv geßrbt. Die Zahl der Kerne war 
in einigen Vasa epineurii sehr vermehrt Indem sie nach aussen und nach innäi 
wucherten (Periendoarteriolitis), verengten sie das Lumen und infiltrirten das Oewebe 
des Epineurium (Fig. 1, b). Solche stark entartete Gefösse waren leer; andere, deren 
Wände noch nicht verdickt waren, waren sehr hjperämisch (Fig. 1, a). 

Das Perineurium war überhaupt nicht verändert und umschloss überall das 
Nervenbündel ebenso eng wie in der Norm. 

Die allgemeine Masse des Endoueurium war nicht vermehrt 
Die Vasa endoneurii waren ebenso wie die Vasa epinenrii durch die Periendo¬ 
arteriolitis verändert Ihre Wände enthielten eine vermehrte Anzahl von Kernen 
(Fig. 1, e), die, nach aussen wuchernd, das Gewebe des Endonenrium infiltriren, and, 


MoyGOOgIC 


943 


Dach innen wncherod, das Lumen verengten. Einige Qeßtsae waren stark mit Blut 
gefüllt. 

Die Zahl der Myelinfasem war unverändert. Am Längsschnitte war eine Ver* 
mehrung ihrer Kerne nicht bemerkbar. Die Mehrzahl der Fasern batte eine cyliu- 
drische Form, eine gleichmässige Oberfläche, 
eine gleichstarke Färbung. Die Minderzahl der 
Fasern wies einige Veränderungen des Myelins 
auf: sie waren ungleichmässig geerbt, ent¬ 
hielten stark geübte Klümpchen und Körner 
(Fig. 2). Ihre Scheide hatte keine parallelen 
Bänder und war stellenweise garnicbt vor¬ 
handen. Jedoch war die Zahl solcher Fasern 
mit den Anzeichen des Verfalls sehr gering. 

Wenn wir alles bisher gesagte recapituliren, so sehen wir, dass beim 
Patienten, der über Schmerzanfälle im Verlaufe der Nn. isohiadici klagte, ob- 
jectiv eine starke Empfindlichkeit der Stämme derselben gegen Zerrung und 
Druck gefunden wurde, bei völliger Abwesenheit irgend welcher Veränderungen 
in ihren Functionen und bei normaler Beaction auf den elektrischen Strom. 
Ein derartiges klinisches Bild entspricht der Neuralgie. Dagegen wurde mikro¬ 
skopisch eine Entartung und Obliteration der Vasa nervorum gefunden, eine 
starke Hyperämie der weniger degenerirten von denselben und eine Infiltration 
des Gewebes des Epi- .und Endoneurium durch Kerne bezw. Zellen. Stellenweise 
zehrte sich der Zerfall des Myelins. 

Ein derartiges patholc^ch-anatomisches Bild lässt annehmen, dass ausser 
den toxischen Ursachen, welche Beboeb wahrscheinlich unter dem Worte „urä¬ 
mische Symptome“ versteht, die neuralgischen Schmerzen bei der Nephritis auch 
durch örtliche Veränderungen im Gewebe des Nerven selbst hervorgerufen werden 
können. Die nächsten Ursachen dieser Veränderungen können in der Entartung 
der Gefässe liegen. Es ist sehr schwer, anzunehmen, dass die Obliteration einiger 
Vasa nervorum nicht auf die Ernährung derjenigen Nervenfasern, welche bis 
dabin ihr Blut von ihnen erhielten, einwirken sollte. Noch weniger ist zu er¬ 
warten, dass die das Gewebe des Nervenbündels infiltrirendeu Kerne, indem sie 
zwischen Nervenfasern dringen und sie zusammendrücken, diese einzelnen Nerven¬ 
fasern unbeschädigt la^n sollten. 

Die Veränderungen der Vasa nervorum in den Fällen von nephritischen 
Neuralgieen erscheinen um so wahrscheinlicher, als die Erkrankung der Blut¬ 
gefässsysteme bei Nierenleiden überhaupt ausser jedem Zweifel stehen. 

Was die betreffende Beobachtung anlangt, so muss bemerkt werden, dass, 
ähnlich wie in Bebgeb’s Fällen, die Erkrankung eine doppelseitige war, sie 
entwickelte sich ohne irgend welche äussere Anlässe und bestand in sehr lauge 
anhaltenden und unerträglich schmerzhaften Anfällen. Nicht ganz vereinbar 
mit den Beobachtnngen Bebgeb’s ist es, dass die Neuralgie sich bei der be¬ 
schriebenen Krankengeschichte nicht während der chronischen Nephritis, sondern 
bei der acuten parenchymatösen Nephritis entwickelte, und nicht einzelne Zweige 
der Nn. ischiadici, sondern alle Hauptäste derselben ei^riff. 



Pig. 2. 


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944 


11. Referate. 


Anatomie. 

1) Ueber die Primitiyflbrillen in den Ganglienaellen vom Menaohen and 
anderen Wirbelthieren. von Albrecht Bethe. (HorpboL Arbeiten, beraus- 
gegeben von 0. Scbwalbe. 1898. Bd. YIII. S. 96.) 

Nachdem es Apatby gelangen war, an der Hand einer besonderen, von ihm 
geschaffenen Methodik (Nacbvergoldnng in Sublimat Qxirter Objecte, Goldimprägnation, 
Methylenblau- und Hämatoxylintinction nach besonderen Vorschriften) die nbrülen 
in den Nervenzellen and Fasern von Himdineen und Lumbricus mit einer ungeahnten 
Klarheit nacbzuweisen, hat sich nun Yerf., angeregt durch die Apäthy’schen 
Methoden, bemüht, eine Methode za finden, die die Fibrillen aach im Nervenplasmt 
der Wirbeltbiere mit gleicher oder annähernder Schärfe hervorzuheben geeignet sei 
Das Brgebniss dieser Bemühungen ist ein neues Färbeverfahren, das in der Tfa&t, 
wie Ref. nach eigener Anschauung bestätigen kann, allen bisher zu diesem Zwecke 
empfohlenen Methoden flberl^en ist, namentlich was den Zellkörper centraler Nerven¬ 
zellen betrifft, während für den Axencylinder auch mit anderen Färbungen ähnliche 
Resultate zu erreichen sein dürften. Eine ausführliche Mittheilung seiner Methode 
hält sich Yerf. für eine spätere Veröffentlichung vor; das wesentliche dea Verfahrens 
erfahren wir aber bereits aus den kurzen Andeutungen, die Yerf. hierüber in seiner 
Arbeit: Das Centralnervensystem von Carcinus Maenas. Archiv f. mikrosk. Anatomia 
Bd. LI. S. 366 macht Darnach bandelt es sich zunächst darum, die Nissl’scben 
Schollen, die die Färbung der Fibrillen beeinträchtigen, aus den Zellen zu entfernen. 
Dies erreicht Yerf. durch Behandlung der Schnitte mit Ammoniak und Salzsänre. 
Von der Voraussetzung ausgehend, dass die Fibrillen, die sich ja bekanntlich bei 
Färbungen acidofil verhalten, aus einer basischen Substanz bestehen, bindet Verf. 
diese Base dnrch Molybdensäure und bewirkt dadurch eine völlige Omkehrnng des 
förberischen Verhaltens der Fibrillen. Die Molybdensäure hat nämlich die Eigen¬ 
schaft, mit verschiedenen basischen Anilinfarbstoffen unlösliche Yerbindongen n 
bilden. Am besten hat sich zu diesem Zweck das Tolnidinblau bewährt, durch das 
also die nun mit Molybdensäure imprägnirten Fibrillen, entgegen ihren ursprflngUcheD 
Farbstoffneigungen, in intensiv blauer Farbe dai^estellt werden können. 

Die Fibrillen im Axencylinder peripherischer Nerven schildert Yerf. als feine, 
glattcontonrirte Fäserchen, die meist leicht wellig nebeneinander verlaofen. Mac 
kann sie auf längere Strecken (mehr als 50/<) verfolgen und sich hierbei Über¬ 
zeugen, dass keine Querverbindungen zwischen ihnen bestehen; da auch an den 
Querschnitten der Axencylinder die Fibrillen als gegeneinander vollkommen isolirte 
Punkte erscheinen, so sei die Annahme eines wabenartigen Aufbaues des Axes- 
cylinders (Bfitschli, Heid, Cajal) als widerl^ zu betrachten. Die zwischen 
den Fibrillen befindliche Substanz erscheint bei der Färbung des Yerf.'s homogen. — 
Etwas schwieriger ist es, die Fibrillen in den centralen Axencylindem darznstellra, 
da sie hier viel dichter liegen, indessen lassen die Erfahrungen des Yerf.’s auch 
hier über die gleiche Structur der Axonen keinen Zweifel übrig. Bemerkenswerth 
ist das vom Yerf. festgestellte Verhalten der Fibrillen an • der Bifurcationsstelle dw 
sensiblen Fasern. Die Fibrillen der Stammfaser weichen Y-artig auseinander; direkte, 
aus dem einen Tbeilungsast geradlinig in den anderen übergehende Fibrillen bst 
Yerf. nicht gesehen. Yerf. hebt dies hervor als einen Beweis zn Gunsten der An¬ 
nahme, dass die Fibrillen wirklich reizleitende Apparate und nicht etwa nur Stütz* 
gebilde sind. — In den Collateralen der Hinterstrangfasem sind die Fibrillen aof- 


Googlc 



945 


fallend dick, doch handelt es sieh hier wahrscheinlich nicht um einzelne PriniitiT- 
fibrillen, sondern um verklnmpte FibrillenbOndelchen. Sie treten bogenförmig aus 
dem Verlauf der Längsfaser heraus, natürlich immer mit cellulifugalem Bogen, daher 
man an longitudinalen Rückenmarkschnitten aus der Art ihrer Herausbiegung be¬ 
stimmen kann, ob die Längsfaser, aus der sie entspringen, im Rückenmark auf- oder 
absteigend verläuft. 

ln den Nervenzellen erscheinen die Fibrillen ebenfalls als wohlindividnalisirte, 
stark geRLrbte Bildungen, die durchaus nicht lediglich den Eindruck einer „Proto- 
plasmastructur“ machen, sondern als richtige selbständige Fasern aufzufassen sind. 
Ihre Bündelchen füllen die zwischen den Nissl'schen Schollen übrig bleibenden 
Zwischenräume aus. Das Nissl-Bild stellt also das Negativ des Fibrillenbildes 
dar. ln den einfacheren, mehr länglichen Zellen, io denen die Schollen eine regel¬ 
mässige spindelförmige Gestalt und eine einfache Anordnung zeigen, gelingt es, alle 
Primitivfibrillen continuirlicb von Fortsatz zu Fortsatz durch den Zellleib hindurch 
zu verfolgen; in den plumperen Zellen dagegen mit complicirterer, unregelmässiger 
Anordnung der Schollen, wie z. B. in den motorischen Vorderhornzellen des Rücken¬ 
marks, sieht man daneben immer auch noch eine Anzahl von Fibrillen, deren weiterer 
Verlauf nicht klargestellt werden kann. Immerhin h:t es aber auch für diese 
Fibrillen höchst wahrscheinlich, dass sie sich wie die anderen verhalten, d. h. durch 
die Zelle glatt hindurchgehen. Nur iu überaus seltenen Fällen sah Verf. Theilui^en 
der Fibrillen in der Zelle; die Regel ist, dass sie ganz ungetheilt die Zelle durch¬ 
setzen. An einzelnen Zellformen, z. B. an den oben erwähnten motorischen Vorder- 
bomzellen, bilden die Fibrillen manchmal in den inneren Tbeilen der Zelle, in der 
Umgebung des Kerns, ein ziemlich dichtes Gewirr, das auf den ersten Blick wie 
ein Netzwerk aussieht; tbatsächlich ist es aber kein Netz, sondern ein Filzwerk, 
das aus isolirten Fibrillen besteht. Allem Anscheine nach kommt es in den Nerven¬ 
zellen niemals zu einer Verbindung der Fibrillen unter sich, sondern sie durchziehen 
die Zelle vollkommen isolirt gegeneinander. Verf. tritt hierdurch in einen gewissen 
G^ensatz zn Äpäthy, der auf S. 628 seines Werkes angiebt, dass die Neurofibrillen 
nicht nur bei Wirbellosen, sondern auch bei Wirbelthieren im Zellkörper der Nerven¬ 
zellen ein förmliches Gitterwerk bilden sollen. 

ln vielen Zellgattungen zeigen die Fibrillenbündelchen einen spiraligen Verlauf, 
wodurch ihre Verfolgung sehr erschwert wird, so z. B. in den grösseren Pyramiden¬ 
zellen, den solitären Hinterhornzellen. Eine sehr interessante Beobachtung sei hier 
besonders hervorgeboben. Theoretisch sollte man meinen, dass sich die durch die 
Deudriten in den Zellkörper einströmenden Fibrillen schliesslich alle im Nervenfortsatz 
vereinigen. Dem ist aber nicht so; ein grosser Theil der Fibrillen biegt aus dem 
einen Dendriten gleich wieder in einen Nachbardendriten ein; ja es giebt Fibrillen, 
die in grosser Entfernung von der Zelle aus dem einen Seitenzweig eines Dendriten 
an der Theilungsstelle gleich in einen anderen Seitenzweig einlenken, die also gar 
nicht das Gebiet der Zelle betreten. 

Verf. giebt eine sehr ins Einzelne gehende Schilderung des Fibrillenverlaufs in 
verschiedenen Zellen (Vorder- und Hinterbornzellen, Pnrkinje’sche Zellen, Pyramiden¬ 
zellen), die sich einem erschöpfenden Referate schon deshalb entzieht, weil sie sich 
hauptsächlich an die der Arbeit beigegebenen Abbildungen anlebnt. Nur das sehr 
übersichtliche Verhalten der Fibrillen in den Pyramidenzellen sei hier als Beispiel 
angeführt. Die meisten Fibrillen verlaufen hier in der Längsrichtung der Zelle, sie 
strömen im Haupidendriten („Spitzenfortsatzder Zelle zn und vertheilen sich 
gleichmässig auf die Basalfortsätze, ohne den Axon irgendwie zu bevorzugen; der 
Nervenfortsatz enthält also nur einen Theil der Fibrillen. Daneben giebt es noch 
eine Anzahl von quer durch die Basis der Zeile biudurchziehendeD Fibrillen, die 
einerseits die seitlichen Dendriten mit einander, andererseits diese mit dem Axon 
verbinden. Die Fibrillen erschienen in den einzelnen Dendriten oft zu mehreren 

60 


Googli 



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BAnddlchen angeordnet; jedes B&ndelchen entspridit in der Begel einem Äst des 
Dendriten. Der Nervenfortsatz zeigt ein sonderbares Yerhaltmi. Bleich an seinen 
Ursprünge legen sich die Fibrillen so dicht aneinander, dass man das Bild ein« 
soliden Stranges erh&lt and der Fortsatz recht dOno erscheint. Unweit von der 
Zelle schwillt er aber wieder an and hier wird dann die fibrilläre Stractor wieder 
deutlich. Von einer Netzbildong der Fibrillen ist in diesen Zellen ebensowenig etwas 
ZQ sehen, wie in anderen. 

Schon aas diesem einen Beispiel ersieht man, dass in Bezug auf den Verlaaf 
der Fibrillen ein durchgreifender Unterschied zwischen den Dendriten und dem Kervea- 
fortsatz nicht besteht und das gleiche gilt fflr alle vom Verf. untersachten Zoll* 
gattungen. Der Nervenfortsatz erscheint dorebaus nicht als die Sammelstelle aller 
durch die Dendriten dem Zellkörper zoströmenden Fibrillen, was ja eigentlich aacb 
bei der oft grossen Zahl von Dendriten ohne Anastomosen der Fibrillen fast tm* 
m(^lich wäre, sondern enthält ebenso wie die anderen Fortsätze nur einen Theil 
davon. 

Ueberblicken wir die vom Verf. mit seiner nenen vortrefflichen Methode ge¬ 
wonnenen Ergebnisse, so scheint es durch sie in der Tbat zuverlässig nachgewieseu, 
dass in den centralen Nervenzellen das Zellplasma besonders in den Fortsätaen 
und den peripherischen Theilen des Zellkörpers eine fibriUäre Differenzimng erfohren 
kann oder vielleicht sogar regelmässig erßhrt, wobei die Fibrillen als auf längere 
Strecken selbständig verlaufende Gebilde zur Entwickelung kommen und bei den 
einzelnen Zellsorten einen bestimmten, offenbar mit deren Form zusammenhängenden 
Verlauf haben. Wenn diese Fibrillen bisher bei verschiedenen Forschem, theilweise 
auch beim Eeferenten, auf Bedenken gestossen siud, so ist dies ja erklärlich ans 
dem Umstande, dass die bisherigen Methoden in der That nicht im Stande waren, 
sie mit jener Sicherheit zur Ansicht zu bringen, die man vom Standpunkte einer 
exacten Forschung fordern muss. 

Mit einiger Spannung muss man erwarten, wie sich bei des Verf.'s Färboog die 
peripberiseben Nervenzellen verhalten, die in Bezug auf die Anordnung des Tigroids 
einen wesentlich anderen Typus zeigen als die centralen Zellen, und bei denen der 
Nachweis von Fibrillen mit anderen Methoden mit der grössten Schwierigkeit ver¬ 
banden ist Verf.’s Arbeit enthält hierfiber nichts. 

Inwieweit aber die O^enwart and Anordnung dieser Fibrillen uach der phjsio- 
logischen Sichtung hin Verwerthang finden kann, bleibt einstweilen noch dakio- 
gestellt Bin zwingender Grund ihr die Schultze-Apäthy’sche Auffassung, daas 
einzig und allein die Fibrillen die leiteude Substanz darsteUen, die Interflbrillir- 
Substanz dagegen ans der Beizleitung vollkommen ausgeschlossen ist, scheint dem B«f- 
in keiner Weise vorznliegen. Auch Verf. drückt sich in dieser Beziehung sehr T 0 ^ 
richtig aus. Mit der Bejahui^ oder Vemeinnng dieser Frage aber stehen und fallm 
die weiteren Schlussfolgerungen, die Verf. an seine Befunde knüpft, so z. B. die. 
dass ein wesentlicher Unterschi^ zwischen Dendriten und dem Nervenfortsatz aickt 
vorhanden sei, sowie auch die Annahme, dass in Anbetraoht des oft ans einem Des- 
driten in den anderen ombiegenden Verlaufe der Fibrilleu die Dendriten sowohl celioli- 
petal wie cellulifugal leiten können. So lange nicht die alleinige reizlritrade PanefioD 
der Fibrillen und der Ausschloss der interfibrillärsabstanz aus der Beizleitung dordi 
andere Momente genügend erwiesen ist, könnte man mit gutem Becht den Spie« 
umkehren und sagen, dass die vom Verf. enthüllte Anordnung der FibriUw ibhI 
der Dendriten ein Beweis sei gegen ihre ausschliessliche err^ngsleitende Bedeutung. 
Welchen Sinn sollte Oberhaupt die bei anderen Methoden so scharf hervonreteode 
morphologische Verschiedenheit d» Nervenfortsatzes g^nüber den Dendriten (Mangel 
des Tigroids, scharfe Grenzen, gleiches Kaliber n. s. w.) haben, wenn damit niekt 
eine physiologische Verschiedenheit vwknüA wäre? 


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Die Unteranchangen des Verf. sind als eine ansserordentiich dankenswerthe 
Bereicherong nnserer Kenntnisse vom Anfban des Nervensystems zn begrflssen. 
Mit den vielen Aufscblflssen und Anschauungen, die uns die Golgi’scbe und 
MethylenblaomeÜtode vermittelt bat, stehen sie — wenigstens die bisher verbffent> 
lichten Erfahrungen des Verf.’s bei Wirbelthieren — in keiner Weise in Wider* 
sprach; sie stellen einen weiteren Schritt in der Erkenntniss des Nervensystems dar, 
der sich jenen Errungenschaften ohne jede Collision ot^nisch angliedem lässt Bei 
dem Mangel jeden Gegensatzes sind daher die etwas schroffen Bemerkungen am 
Anfänge des Aufsatzes, deren Spitze sich gegen die Golgi’sche Methode richtet, 
nicht leicht verständlich. Sie mögen als Ausdruck einer besonderen Idiosynkrasie 
des Verf.’s hingenommen werden, aber mit dem Inhalt seiner Arbeit stehen sie in 
keinem inneren Zusammenhänge. Es ist Niemandem eingefallen, zu behaupten, dass 
die Golgi'sche Methode geeignet sei, Ober die Frotoplasmastroctur der Nervenzellen 
und ihrer Fortsätze Anfschlflsse zu geben. Ihre Leistungsfähigkeit bewegt sich in 
einer ganz anderen Richtung: wie keine andere Methode, ist sie in Stande, die Form, 
Verästelungsweise, Gruppirung der verschiedenen Zellgattungen des Nervensystems, 
ihr gegenseitiges räumliches Yerhältniss, die Drspmngsweise und Endigung der Nerven¬ 
fasern u. s. w., mit einem Worte das, was man die mikroskopische Topographie, den 
inneren Aufbau des Nervensystems nennen kann, zur Ansicht zu bringen. Die 
„Golgi*Periode“ kann das Verdienst für sich in Anspruch nehmen, auf einem Ge¬ 
biete, wo vielfach sozusagen nur Rudimente eines Wissens vorhanden waren, Licht 
verbreitet zu haben. Denke man sich einmal alles weg, was wir durch diese Me¬ 
thode erfahren haben — die Aufschlüsse Ober den Bau des Rückenmarks, der peri¬ 
pherischen Ganglien und Nervenendigungen, der Netzhaut, der Eleinhimrinde, Gross* 
himrinde u. s. w. —, und man wird es am besten fühlen können, wie viel wir ihr 
verdanken. Die Golgi’scbe Methode mag „einseitig“ sein, wie sie Verf. bezeichnet, 
aber das ist ein Nachtbeil, der allen unseren Methoden anbaftet, und nicht am 
wenigsten der Bethe’schen FibriUen^bung, mit der man ja niemals das, was uns 
die Silberimpi^niation gelehrt hat, hätte ergründen können. Verf. sollte nicht ver¬ 
gessen, dass, wenn er sich jetzt bei seinen Fibrillenstudien mit solcher Sicherheit 
und Leichtigkeit unter den verschiedenen Zellgattungen aaskennt, wenn er von der 
Bifurcation der sensiblen Fasern und ihren CoUateralen spricht, er auf der Grundlage 
iteht, die durch die Golgi’sche Methode gewonnen wurde. 

M. V. Lenbossdk (Tübingen). 


Experimentelle Physiologie. 

2) Mddioatlon thyroldienne et arsexüo, par Bddart et Habille. (Comptes 
rendus de la soc. de biolog. 1898. 21. Mai.) 

Yerff. haben die interessante Thatsache entdeckt, dass die nach Thyreoidea* 
Otterung bei Menschen und Thieren eintretenden Störungen von Seiten des Circulations* 
ipparats (Tachycardie) und Nervensystems (Tremor, Excitationszustände) durch Dar- 
-eichung von Arsen in der Form des Liq. Fowleri verhindert, bezw. wenn sie sich 
chon entwickelt haben, beseitigt werden. — Die Yerff sehen daher in dem Arsen 
lin branchbares Antidot gegen die schädlichen Folgen der Thyreoideafüttemng und 
ombiniren mit bestem Erfolg in den einschl^igen Fällen die gleichzeitige Darreichung 
leider Medicamente. — Auch die durch die Schilddrüsenfütterung erzielte oft nn* 
rwfinschte Abmagemng der Patienten wird dnrch den gleichzeitig verabfolgten 
,iq. Fowleri verhindert oder mindestens eingeschränkt. 

* W. Cohnstein (Berlin). 


60* 


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3) Die Verriohtongeix der Hypophyee, von B. v. Cyon. (Pfi&ger’s Aitbiv. 

Bd. LXXL) 

Verf. hat Hypopbysenoztract des Kalbs- oder Ochsengebirns Händen and 
Kaninchen eingespritzt Er stellte fest, dass nach venöser Injection die Freqnein 
der Herzscbl^e abnimmt, während die Berzcontractionen gleichzeitig stärkM- werden. 
Der Blotdrnck steigt nur f&r kurze Zeit, aber beträchtlich. Bei schwacher wirkenden 
Extracten geht der Dmcksteigerung eine Dmcksenkung voraus. Am wirksamsten 
waren Eztracte, welche aus der getrockneten and gepulverten Hypophyse darcb 
längeres Kochen unter Atmosphärendrock erhalten wurden. Weiter ergab sich, dass 
einige Cobikcentimeter von Hypophyseneztract im Kreislauf des Kaninchens genOgen, 
um die Lähmung der Tagi durch Atropin (0,007 g) zu verhindern. Hierin stimiDt 
der Hypophyseneztract mit dem Jodotbyrin überein. 

Eine schwache elektrische oder mechanische Beizung der Hypophyse am lebenden 
Thier ruft die nämlichen Veränderungen der Herzschläge und des Blutdrucks hervor 
wie die Einspritzungen der Hypophyseneztracte. ln seltenen Fällen ruft der mecha¬ 
nische Druck auf die Hypophyse umgekehrt eine Depression des Blutdrucks hervor, 
mit oder ohne gleichzeitige Bescbleunigung der Herzschläge. Die blosse ErC^ung 
der Sattelböble, wenn sie vorsichtig und ohne Berührung der Hypophyse gelingt, 
sowie ein leichter Druck auf das uneröftiete Dach dieser Höhle, ruft ebenfalls oü 
eine kleine Blutdrucksenkung mit Pulsbescbleunigung hervor. 

Noch auffälliger war folgende Beobachtung: die nach Compression der Aorta 
deecendens regelmässig eintretende, auf Vaguserregung beruhende Pulsverlangsamnng 
bleibt nach Ezstirpation der Hypophyse aus. Verf. nimmt an, dass der durch die 
Compression der Aorta gesteigerte Druck in der Schädelhöhle direct die Hypophyse 
erregt und erst von dieser aus reflectorisch — auf vielleicht im Tuber cinereuD 
verlaufenden Bahnen — die Vagi erregt werden. 

Der Hypophyse würde danach eine chronische und eine uiechaniscbe 
Function zokummen. Erstens erzeugt die Hypophyse eine ähnlich wie das Jodotbyrin 
das Herz- und Gefässnervensystem beeinflussende Substanz, und zweitens setzt sie 
bei den geringsten Druckveränderungen in der Scbädellinie Schntzapparate in Tbätig- 
keit, durch welche die Druckstörungen beseitigt werden. Die Beseitigung erfolgt 
wahrscheinlich dadurch, dass die Erregung der Ya^ eine enorme Beschleunigung d« 
Blutstroms in den Venen der Schilddrüse und — in geringem Maaase ,— auch in 
anderen Körpervenen erzeugt 

Die chemisch wirksame Substanz der Hypophyse, das „Hypophysin^', ist nach 
Verf. eine oiganiscbe Phosphorverbindung. Th. Ziehen. 


Pathologische Anatomie. 

4) Des Idsions m^dullaires dans le tAtanos ezpdrimental, par F^choutre. 

(Comptes rendus de la soc. de biolog. 1898. 25. Joni.) 

Verf. injicirte Kaninchen virulente Tetanoscultnr und tödtete die Tbiere nacb 
4 Tagen. — Bei der Untersncbung des Bfickenmarks nach Nissl fand er constanl 
folgende Veränderungen, die in den ControUpräparaten von gesunden Thieren stets 
fehlten: 

An den Zellen der grauen Vorderhömer wurde zunächst die Conturirung un¬ 
deutlich, dann veigrösserte sich das Volumen der Zelle und gleichzeitig trat eine 
diffuse Färbbarkeit der achromatischen Substanz in Erscbeinung. Die NissTschoi 
Granula verloren ihre r^elmässige Anordnung and zerfielen zu gleicher Zeit io 
feinen, kaum mehr sichtbaren Staub. — Die Protoplasmafortsätze zeigten ähnliche 
Degenerationssymptome. — Der Kern und das Kemkörpercheo vergrösserten sich 


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und verloren ilire centrale Lage; aacb veränderte eich die Färbbarkeit des Kerns 
insofern, als er sich lebhaft nach Nissl tingirte, was normalerweise nicht der 
Fall ist. W. Cohnstein (Berlin). 

6) Contribution ä l’ätude des enoöpbalooäles oongönitales, par Dr. Froelich 
(Nancy), (MÄlecine infantile. 1898. Vol. II. Nr. 4.) 

Bei einem 2^/2jährigen Mädchen bestand ein angeborener, dem Hinterhaupt 
mit breitem Stiele anfsitzender Tumor, der seit der Geburt von Nuss- bis Faustgrösse 
gewachsen war. An demselben war eine Zweilappung auffallend; der obere kleinere 
Antbeil zeigte Puls* und Bespirationsschwanknngen, die grössere untere Partie bot 
mehr die Erscheinungen eines soliden Tumors. 

Die mit Erfolg ausgeführte Operation und die nachfolgende histologische Unter¬ 
suchung des Tumors ergaben, dass derselbe grösstentheils aus einem Bbrös-cystischen 
Gewebe bestand und meist an seinem Stiele Himrindenelemente aufwies. Der Terf. 
bezeichnet diese Art von Himgeschwfllsten nach Ddrier und Berger als Encephalom, 
im Gegensatz zur Encephalocele, bei welcher die Wand des ganzen Tumors ans 
nervösen Elementen zusammengesetzt ist. In der reichlichen Bind^ewebswucherung 
und dem Aufhören der Pulsation in einem Tbeile der Geschwulst sieht Verf. einen 
Spontanheilongsprocess, indem dadurch die Neigung zur Consolidirui^ angedeutet 
erscheint. Ans diesem Grunde ist es vielleicht bei nicht bestehender Leben^efabr 
angezeig^ mit der Operation derartiger Tumoren zu warten, um die eventuelle Nei¬ 
gung zur Selbstheilung als gflnstigen Operationsfactor ausnfltzen zu können. 

Zappert. 

4 

6) Beitr^ zur pathologiaohen Anatomie des Nervensystems bei dem 
Tetanus des Mensohen, von Dr. Wilhelm Goebel. (Monatsschr. f. Psych. 
u. Neurolog. 1898. Bd. III.) 

Im Anschluss an einen Biss der Patellarsehne, der genäht worden war, und 
geeitert batte, entwickelten sich Krämpfe in den Hasseteren, Schmerzen im Nacken 
und allgemeine tonische Krämpfe. Trotz Tetanusantitoxin erfolgte der Tod am 
9. Tage. Bei der Section zeigte sich Hyperämie der Lungen, der Leber, der Nieren 
und der Milz. Auf der Serosa des Herzens und der Longen fanden sich zahlreiche 
Blutungen. Gehirn und Bfickenmark waren makroskopisch unverändert. Verf. fand 
aber mikroskopisch mit der Harchi- und Nissl-Methode interessante Veränderungen 
an den Strängen nnd den Ganglienzellen des Bflckenmarks, die er in der vorliegenden 
Arbeit beschrieben, mit denen anderer Autoren verglichen nnd in vortrefflichen 
Zelcbnungen reprodncirt bat G. Ilberg (Soonenstein). 


Pathologie des Nervensystems. 

7) Sul disturbi psichiol e sulle alteraaloni del slstems nervoso per in- 
sonnia assoluta, per C. Agostini. (Biv. speriment di Freniatria. XXIV.) 

Im Anschluss an 2 Fälle, in denen nach einer schlaflosen Periode von 6 bezw. 
) Tagen und Nächten ein deliriöser Znstand znm Ausbmch kam, der nach ge- 
iftgender Bnhe schnell in Heilung überging, bespricht Verf. die in der Litteratur 
liedergelegten ähnlichen Beobachtungen. Des ferneren erörtert er die Pathogenese 
[es Leidens nnd schlägt für dieselbe den Namen: „transitorisches agrypnisches De- 
irinm'* vor. Es ähnelt sehr dem Schlaf and ist charakterisirt durch iocohärente 
fnllacinationen, plötzliches Entstehen, durch Verwirrtheit begleitet, von ungeordneten 
laudlongen und wechselnden Affecten, durch Trübung des Bewusstseins und durch 


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consecntiTe Amnesie. Seine Daaer beträgt wenige Stunden bis einige Tage. Die 
Prognose ist eine gute. Autointoxicatioo und in Folge dessen Schädigongeo der 
Nervenaellen bilden die ätiologisch-anatomische Grundlage. 

Der experimentelle Theil der Arbeit berichtet Ober 2 Hunde, deren Nerven- 
System nach 17 beiw. 12 schlaflosen Tagen vom Verf. untersucht vmrde. An den 
Zellen der Hirnrinde und der Spinalganglien fand Verf. Fragmentation der Tigroid- 
körper; also Resultate, die mit denen Daddi’s äbereinstimmen (s. d. Centralbl 
1898. S. 502). Klinisch f&hrte die Schlaflosigkeit bei den Thieren an fortschrä- 
tender Erschöpfung der psychischen Thätigkeit, zu einer Verringerung der sensoriellen 
Perceptionsfähigkeit. Haut« und Schleimhautrefiexe, wie die Schmerzempfindliriikeit 
wurden inuner mehr herabgesetzt Valentin. 


8) Inflaensa dell* attenzione dorante U sonno, per K. Vaschide. (Kvist 
speriment di Freniatr. XXIV.) 

Ans einer Umfrage and aus Versuchen an sich und Anderen, wie lange vor 
oder nach einer bestimmten Zeit, zu der aufzuwachen man sich Toi^feDommen, das 
Erwachen erfolgte, und wie der Schlaf unter dieser Bedingung sich vom gewöhn¬ 
lichen unterscheidet, zieht Verf. unter andern folgende Schl&sse: 

1. In den allermeisten Fällen wacht der Betreffende vor der yorgeeetzteu 
Zeit auf. 

2. Die Differenz zwischen dem Erwachen und der fes^esetzten Stunde häi^ 
von der Gewohnheit vom Älter, den körperlichen Bedingungen o. s. w. ab und ist 
um so grösser, je entfernter die Stunde von der gewohnten des Au&tehens liegt 

3. Der ScÜaf in den Nächten, in denen man zur bestimmten Stande zu er¬ 
wachen sich vorgenommen, der „aufmerksame", „gespannte" Schlaf (sonno attento) 
unterscheidet sich vom gewöhnlichen. 

4. Als körperliches Zeichen der Aufmerksamkeit bemerkt man bei mandieD 

Personen eine Beschleunigung der Herzthätigkeit und eine gewisse Unmhe ungefähr 
20 Minuten vor der Zeit des Erwachens. Valentin. 


0) An onosually suooesful reenlt of thyreold trewtment in a oase of myx- 
oedema, by Bonney. (New York Medical Journal 1898. Vol LIVll 
Nr. 14.) 

In einem vorgeschrittenen Falle von typischem Myxödem trat.nach Behandlmg 
mit Thyreoidtabletten in ganz kurzer Zeit — schon innerhalb eines Monats — er¬ 
hebliche Besserung ein, die sich in der Folgezeit noch vermehrte. Dieses glänzende 
Resultot wurde erzielt durch ganz kleine Dosen, anfangs 2 Gran ^ 0,13 g täglich, 
später 3 Gran. — Eine Erhöhung der Dosis auf 6 Gran bewirkte starke Erechöpfong 
und Verschlechterung des Befindens, Erscheinungen, welche nach kurzem Aussetseo 
des Präparats schwanden. Verf. betont die Notbweudigkeit kleiner Thyreoidingibeo 
zumal bei ärztlich nicht dauernd coutrollirten Kranken. 

R. Pfeiffer (Cassel). 


10) Myzoedema, by Cecil F. Beadles. (Brii med. Joum. 1898. Apr. 9. 

S. 947.) 

Verf. gab seine Befunde bei 3 Myxödemfällen in Beziehung auf die patho¬ 
logische Anatomie. Irresein von einigen Jahren Dauer in diesen 3 Fällen hato be¬ 
standen. 

Das Fettgewebe war bleich und gallenartig. Die Zunge weit Aber normalgniss. 
Nieren granulirend (in 2 Fällen), verfettet in 1 Falle. — Die Thyreoidea atrophisch 


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oDd bleich. In 1 Falle dentliche Yergrusserung der Ol. pitaitaria; die Zellen abnorm 
gross; CoUoid punktweise. — In 2 Fällen war die Pituitaria ein geringes Ober 
normalgross und enthielt CoUoid in normalen Bläschen; im 2. FaUe war die Quantität 
des CoUoid abnorm gross. Er lenkte die Aufmerksamkeit auf die merkwfird^e 
Yacuolation der FettzeUkeme, welche auch bei anderen Krankbeitszuständen ge¬ 
legentlich gefunden wird. In den Lungen sah Verf. Herde von dichter hyaUner 
Substanz, äber deren Natur er sich nicht klar werden konnte. In einer der 3 Lungen 
fanden sich viele kleine Chondrome; zufaUig fand sich in 1 FaUe auch Trichinosis. 

L. Lehmann I (Oeynhausen). 

11) A 0 M 6 of aoromegaly wlth diabetea, by Chadbourne. (New York 
Medical Journal. 1898. VoL LXVII. Nr. 14.) 

Typischer FaU von Akromegalie mit Diabetes. Die kurze Beobachtungszeit 
gestattete nicht eine genauere Untersuchung des Angenhintergrundes. 

R. Pfeiffer (Cassel). 


12) Aorom^aly, by Kauffmann. (firit. med. Joum. 1898. Apr. 9. S. 951.) 

Verf. steUt der Midland med. Oes. einen 23jährigen Akromegalie-Patienten vor. 
in seiner Familie kein ähnlicher Fall, nicht Oicht, noch Bheomatismus. Vor473 Jnhren 
Bleikolik, doch seitdem hatte Pai die Beschäftigung mit Blei gänzlich aufgegeben. 
Gesicht (ausgeschlossen die Ohren), Hände und Füsse bedeutend vergrössert. Ky- 
phosis. Innere Organe, auch Thyreoidea und Thymus, nicht vergrössert. Haar 
reichlich. Haut bleich. Anämie. L. Lehmann I (Oeynhausen). 


13) Caae of acromegaly, by William Hunter. (Brit. med. Joum. 1898. 

March 19. S. 760.) 

Verf. legte der Londoner Oesellschaft für Pathologie die langen Knochen der 
Ober- und Unterextremitäten, nebst der 01. pituitaria und Abformungen der Hände, 
der Ffisse und des Gesichts von einem Akromegaliefallo vor. Gehirnblutung war die 
Todesursache. Die Nieren waren ungewähnlicb gross, Thyreoidea vei^rössert, 
Gl. pituitaria ungemein gefössreich mit frischer Hämorrhagie. Es bestand vasculäre 
Hypertrophie. Die Knochen der Ffisse, Hände, der Femora, Humeri, Radii, des 
Schädels, der Basis Cranii zeigten Hyperämie des Marks; im Mark der Tibia Blut¬ 
extra vasate. Eine Tibia zeigte eine Verdickung syphilitischer Natur; sonst keine 
osteoplastische Entzfindungen in den anderen Knochen. 

L. Lehmann I (Oeynhausen). 


14) Une Observation de manie aigue ohea one aoromdgalique, par Garnier 
et Santenoise. (Arch. de nenrolog. 1897. December. S. 486.) 

Patientin entstammt einer Familie,, in der keine nervösen Störungen erblich 
waren, jedoch einmal Lungentuberculose vorgekommen war. Soweit sie in ihre Jugend 
zorOckdenken konnte, litt sie an starkem Kropf und hatte stets sehr grosse Extre¬ 
mitäten (Hände und Füsse). Ein besonders schnelles Wachsthum hatte der Mann 
in mehljähriger Ehe nicht beobachtet Drei gesunde Kinder leben, zwei waren jung 
(nach der Gebart und im 3. Monat) gestorben. Die Menstruation war bis in die 
Mitte der 30er Jahre stets regelmässig anfgetreten. 

Mit 41 Jahren erkrankte die Pai an acuter Manie. Während des Anstalts- 
anfenthalts, der 2 Monate dauerte and mit Genesung endete, wurden genaue Messungen 
und Untersnehungen der Extremitäten, des Thorax and des Gesichts vorgenommen. 


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Sie ergraben das Krankheitebild etoer Akromegalie, bei der alle Symptome 
vorhanden waren mit Ausnahme der sonst behaupteten Sterilität 2 Ab* 
bilduugen lassen die Verbältnisse gut erkennen. 

Das zuiällige Auftreten der Psychose wurde durch keine anamnestiscben Er¬ 
kundigungen erklärt Jedenfalls interessirt der Fall und bildet einen werthvoUeo 
Beitrag zur Casuistik der Akromegalie. Adolf Passow (Strassbuig L/E.). 


15) Notes on a caae of aoromegaly, by John Korvott J. Esteroc. (Brit 
med. Joum. 1897. 4. Dec. 8. 1636.) 

Unter Beigabe einer photographischen Abbildung wird die Kmnkheitsgeschicbte 
des 39jährigen, verbeiratheten Hannes erzählt. Keinerlei Heredität oder vorher¬ 
gehende Krankheit mit Ausnahme von InSuenza, an welche sich Schwellnng der 
Unterlippe und Zunge, sowie Veigrösserung der Hände und der Brust anschlosseo. 
Die FQsse ebenfalls vergrOssert, doch in geringerem Haasse. Nasen* und Ohrknorpel 
verdickt, ebenso die Larynxknorpet Eminentiae frontales bedeutend bervortretend; 
die Schläfengruben eingefallen. Oeeichtshaut pigmentirt, OeSnnngen der Scbweiss- 
drflsen erweitert Zeitweise Dysphagie und Asthma. Sehen verringert, Hemianopie. 
Sternum mehr als doppelt Übemormale Grösse, ebenso die Rippen. Thyreoidea nicht 
vergrössert. Viel Schweis.s und Durst. Gedäcbtniss fflr die Letzteeit sehr herab¬ 
gesetzt. Haltung gebockt Gang langsam. Behandlung: Tabletten von Pituitaria, 
3 Hai täglich 2 Gran. Besserung. L. Lehmann I (Oeynhausen). 

16) A osae of the 0 o*oailed bypertropblo pulmonary ostoo-artbropaäiy 
of Marie, witbout pulmonary dieease, by John Lindsay Steven. 
(Glasgow Hedical Journal. 1897. October. Nr. 4.) 

Ein 48jähriger Hann zeigt seit 9 Monaten eine Anschwellung der Hände und 
FOsse. Die Finger sind dick, kolbig, mit starker Krümmung der N^el, die an des 
Daumen wie ein „Papageiscbnabel“ aussieht Die Finger sind total verdickt be¬ 
sonders an den Gelenken; sie zeigen kein vermehrtes Längenwacbstbom. Die rechte 
Hand kann gamicht die linke kaum geschlossen werden. Ein Röntgen «Bild zeigt 
an Phalangen und Hetararpalknocben eine deutliche subperiostale Knocbenneubildiing. 
Die Hypertrophie der distalen Partie der Vorderarmknocben erinnert etwas an 
Rbacbitis. Die verdickten Knochen sind an der Oberfläche rauh; auch an Radios 
und Ulna ist die subperiostale Knochenneubildung sehr beträchtlich. Das Gesichl 
ist völlig normal. An den unteren Extremitäten bestehen dieselben Verändenrngen 
wie an den Armen; besonders die Malleolarregion ist stark verdickt Die Sensibilität 
ist normal, die Patellarreflexe sind leicht erhöbt Der Gang ist in letzter Zeit stöf 
und unsicher geworden. Pat klagt Ober Schmerzen in den geschwollenen Eme* 
gelenken. Der Rumpf ist normal. Die Urinmengen sind erhöht. Die Scbilddrfise 
ist in normaler Grösse nachweisbar. Es lässt sich eine leichte Einengung der tem¬ 
poralen Gesichtsfelder nachweisen. Brust* und Bauchorgane zeigen nichts abnormes. 

Der Fall erinnert an 3 Krankheitsbilder: die Harie’sche Akromegalie, die 
Paget’sche Osteitis deformans und die Uarie’sche hypertrophische pulmonäre Osteo* 
Arthropathie. Von der Acromegalie unterscheidet er sich besonders durch die 
mangelnde Hypertrophie der Weichtheile der Hände, von der Osteitis deformans dorck 
das Fehlen der Knochenverkrümmungen und das langsamere Fortschreiten der 
krankung. Dagegen stimmt er mit der von Marie gegebenen Beschreibung der 
hypertrophischen Osteo-Ärthropathie völlig Qberein, nur dass eine chronische Loi^ra* 
oder PleumaffectioD, welche zu der Ernährungsstörung der Knochen führen soll, hier 
völlig fehlt. Verf. ist geneigt, einen rheumatischen Grundcharakter der Erkrankiuig 
anzunehmeu. Behandlung mit Schilddrüsensubstanz war ganz ergebnisslos. 

M. Rothmann (Berlin). 


K.Googlc 



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17) Oatöo'arthropathies hypertrophlques du genou droit et des deux 
pledfl d’orlgine nerveose. Tabes ou syringomyelleP Bole d’une tare 
nerreuse dans la r^alisation des modalit^s tabetiques» par C. Tournier 
(Lyon). (Revae de MMecine. 1897. Mars. S. 221.) 

Der 60j&brige Kranke litt seit frflher Kindheit an Unempfindlichkeit der Unter¬ 
schenkel gegen Kälte und an ungleichen Pnpillen. Hit 24 Jahren Tenerisches Ge¬ 
schwür. Mit 27 Jahren lancinirende Schmerzen. Mit 48 Jahren Arthropathie des 
linken Fnsses nach einem Trauma, 1 Jahr darauf Arthropathie des rechten Kniees 
und wiedemm 2 Jahre später Arthropathie im rechten Fuss. Hypertrophie des 
ganzen rechten Beins. Beöectoriscbe Pupillenstarre und fehlende Patellarrefiexe. 
Oar keine Ataxie, kein Bomberg’scbes Symptom. Qeringf&gige Blasenbeschwerden 
und ausser Thermanästhesie der Unterschenkel keine Sensibilitätsstömngen. 

Verf. deutet den Fall als Tabes bei vorhergehender Syringomyelie. Letztere 
bedingte die besondere Art der tabischen Symptome. Der tabische Frocess scheint 
sich in der Hauptsache mit der Arthropathie „erschöpft" zu haben. 

Strümpell (Brlai^n). 


18) Fall von Tetanie, in der Sohwangereobaft entstanden, nach Kropf- 

Operation, von Dr. E. Meinert, Dresden. (Archiv f. Gynäkologie. Bd. LT.) 

Bei einer 36 jährigen Frau, welche sich im 4. Monat ihrer 10. Schwangerschaft 
befand, machte ein schnell wachender Kropf starke Dyspnoe, von diesem wurde die 
rechte Hälfte entfernt. Nach 3 Tagen trat Tetanie ein, die Anßlle verschwanden 
in kurzer Zeit, Pat. gebar am normalen Ende der Schwangerschaft ein Kind, das 
stets kränkelnd mit 4 Monaten Krämpfe bekam und mit Jahren starb. Pat. 
wurde wieder gravida, in 8 Monaten traten die tetanischen An^le von neuem mit 
verstärkter Heftigkeit auf. Es fehlten nicht die klassischen Zeichen der Tetanie 
(Facialis-, Trousseau’sches Phänomen, erhöhte elektrische Erregbarkeit, typische 
Uandstellnng). Die Anfälle folgten schnell aufeinander und waren von heftigen 
Schmerzen begleitet. Der zurückgelassene linke Lappen der Schilddrüse war nicht 
mehr nachweisbar. Nach Einleitung der künstlichen Frühgeburt verminderten sich 
die Anfälle schnell an Intensität und Zahl, verschwanden aber, wenn auch nur 
andeutungsweise, nicht ganz, kehrten sogar später in verstärktem Haasse zurück, 
wenn auch nicht so heftig wie während der Schwangerschaft und leidlich durch 
Morphium und Brom zu beeinflussen. Ton localen trophischen Störungen war auf¬ 
fallend starker Ausfall der Kopfhaare, und, was bereits Terf. früher zu beobachten 
Gelegenheit hatte, Terlnst sämmtlicher Finger- und einiger Zehennägel. Zuletzt nahm 
Pai SchilddrOsentabletten, von denen 200 ä 0,3 das Leiden so auf Vj Jahr zum 
Stillstand bringen, dass auch das Tronsseau’sche Phänomen nicht auszulösen ist. 
Tetanie nach halbseitiger Kropfoperation ist nach dem Terf. bisher nicht beschrieben, 
im vorliegenden Falle vielleicht durch das Zusammentreffen mit Gravidität zu erklären. 
Die bei der folgenden Gravidität sehr heftig auftretende Tetanie ist auf das Fehlen 
der inzwischen gänzlich geschrumpften Schilddrüse zurückzuführen. Dass die Tetanie 
Oberhaupt anf die ungenügende Function der Schilddrüse zurückzuführen ist, ergiebt 
sich ans der Wirksamkeit der bei allen Übrigen Formen der Tetanie versagenden 
Schilddrüsentherapie. Samnel (Stettin). 


18) Zur Thyreoidinbehandlung der Tetanie, von A. Alexander, prakt Arzt 
in Berlin. Aus der Klinik von Prof. Mendel. (Inaug.-Dissert. Leipzig. 1897.) 

16jähriger Laufbursche hat die typischen Erscheinungen einer leichteren Tetanie. 
Betroffen sind hauptsächlich die Muskeln des Gesichts und der Anne. Erhöhung der 
elektrischen Erregbarkeit vorhanden. Mechanische Erregbarkeit der Muskeln be- 


Googlc 



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fcr&chtlicb, der Nerven weniger aoagesprochen. Chvoetek’sches Symptom an enielen, 
Tr.ousseau’sches Phänomen nur bei starkem Druck aoasolösMi. Rechte Seite stärker 
betroffen. Beim Beklopfen dee K. cmralis Zuckungen im Gebiet des N. ischiadicos, 
wird als Erhöhung der reflectorischen Erregbarkeit aofgefasst. 

Yerf. recapitulirt drei bisher bekannte Fälle von Tetanus, welche mit Thyreoidii, 
und zwar mit gflnstigem Erfolge behandelt waren. Pai erhielt anfangs jeden Tag 
1, später 2, dann 3 Tabletten (ä 0,3). Der Erfo^ war nicht nennenswerth. Die 
elektrische Erregbarkeit war zwar nicht mehr erhöbt, doch verschwand der Tetauna 
nicht _ Samuel (Stettin). 


20) Ueber die femillftre Form des aoaton oiromnskripten Oodema, von 

Doc. Dr. Hermann Schlesinger. (Wiener klin. Wochenachr. 1898. Nr. 14.) 

Bei einem 44jähr. Eaufmann traten seit dessen 22. Lebensjahre erst alle halbe 
Jahre, später jeden 10.—11. Tag Attaquen auf, die mit AuOr^ngsznständen und 
GemQtbsdepression begannen; dann erschien ein rotbes, aus Ringen bestehendes, 
seltener baumartig verzweigtes Exanthem an i^end einer Stelle des Körpers, seltener 
Aber einen grösseren Theil der Körperoberfläche ausgebreitei Nach 6—Sstflndiger 
Dauer verschwand es und es bildete sich oft in wenigen Secunden eine starke An¬ 
schwellung eines Körpertheils, meist der rechtsseitigen Extremitäten, des Scrotums 
oder des Penis aus. Am Kopfe trat die Schwellung nie auf. Die Schwellung ver¬ 
ursachte Spannungsgefflhl, aber keine Schmerzen; die Haut gespannt, ödematös, 
meist blass. Oft ging das Exanthem ohne nachfolgende Schwellung vorftber, dum 
trat aber heftiges Schmerzgeffibl in der Magengend mit starker Druckempfindlichkmt 
derselben auf. Dabei häufig Erbrechen. Pat litt ausserdem an einer Hitnl* 
insufhcienz. 

Therapeutisch wurde Menthol verordnet, von der Möglichkeit ausgehend, dass 
vielleicht abnorme Zersetzungen im Hagendarmtract das Zustandekommen der AnfillA 
erleichtern, die Diät und der Stuhlgang geregelt; ferner wurde Massage empfohlen, 
auf eine Beobachtung des Pai fussend, dass bei Oedem der Ffisse dasselbe durch 
Geben zum Schwinden gebracht werden konnte. Blosser Druck genflgte dazu nicht. 

An derselben Affection litten noch 4 Mitglieder der Familie des Pai: seio 
Grossvater, sein Vater, eine Schwester und ein Sohn. Bei allen trat sie in deraelbeB 
Form auf wie bei dem Pat. und bei allen relativ spät, um das 20. Lebensjahr hemn. 

Eigenartig ist das Auftreten von gastrointestinalen Störungen an den Tagen, 
an welchen nach anderen Erscheinungen ein Oedem zu erwarten gewesen wäre. Das 
rasche Entstehen und das rasche Verschwinden dieser Störungen, sowie die vim 
anderen Autoren beobachteten Scbwellungen sichtbarer Schleimhäute deuten darauf 
hin, dass es sich dabei um Schwellnngsznstände der Schleimhaut des Magendana- 
tracts handelt. 

Verf. weist auf die Aehnlichkeit und Beziehungen hin, welche das acute cireum- 
skripte Oedem zu anderen Krankheitszuständen hat, und erwähnt die intermittirende 
Gelenkswassersucht, das intermittirende Erbrechen, die transitorischen Oedeme bei 
Morbus Basedowii; auch manche Fälle von snpraclaviculären Pseudolipomen und von 
Asthma bronchiale dflrften der Gruppe der umschriebenen acuten angioneurotischea 
Oedeme zuzurechnen sein. 

Verf. stimmt der Ansicht bei, welche in nervösen Einflüssen die Ursachen des 
acuten circumskripten Oedems sucht und tbeilt eine Beobachtung mit, welche das 
Auftreten von Oedemen unter Nerveneinflus^ zweifellos macht: Bei einem jungen 
Menschen mit Lähmung beider Beine trat öfter eine acute Anschwellung der Ffisse 
auf, weiche durch Stunden und Tage persistirte und ebenso rasch wieder verschwand, 
als sie gekommen war. Oefter trat statt des Oedems der Rayuaud'scbe Symptomea- 
complex oder Brythromelalgie an den FOssen auf. Die Obduction ergab einen 


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955 


grossen mtradnraleD, aber extramedullären. von den Kervenwarzeln ausgebenden 
Tumor (Sarcom), der das liendenmark and die untersten Abschnitte des Brustmarks 
comprimirt hatte. 

Die experimentellen Erfahrungen namentlich der Stricker’schen Schule, dass 
die vasomotorisohen Bahnen von der Grosshimrinde bis zu ihrem Austritte aus dem 
Bttckenmarke zu wiederholten Malen innig zu Centren vereinigt werden, eine seg- 
mentale Anordnung zeigen, möchte Terf. zur Erklärung des Auftretens der An* 
Schwellungen bei acutem Oedem heranziehen. Für ein überwiegendes Betroffensein der 
Centren im Gehirn liege in der Mehrzahl der Fälle kein Anhaltspunkt vor, dagegen mögen 
mitunter Erregui^* und Lähmungszustände in den sympathischen Geflechten eine 
Bolle spielen. Das circumskripte Auftreten der Oedeme macht ein alleiniges Be¬ 
troffensein des vasomotorischen Centrums erster Ordnung in der Mednlla oblongata 
unwahracheinlich. 

Auch in dem mitgetheilten Falle sprechen die Aenderung des psychischen 
Verhaltens zur Zeit der Anfälle, die Auslösung derselben durch psychische Erregungen, 
das überwi^end halbseitige Auftreten n. s. w. für eine functioneile Läsion des 
Centralnervensystems, womit die Erkrankung sich einreibt in die grosse Gruppe der 
familiären Nervenerkrankungen. J. Sorgo (Wien). 


21) Contribation ä l’dtude de la parapldgie apaamedique famlUale, par 

M. Lorraio, ancien interne des höpitanx de Paris. (Paris 1898.) 

Verf. bespricht zunächst in Kürze sämmtliche hereditär vorkommende Erkran¬ 
kungen der motorischen Nervenbahnen. Er zeigt, dass die Läsionen oft ganz diffus 
sind, dass man nicht immer Systemerkrankungen erwarten darf und dass die Ueber- 
gangsformen zwischen den einzelnen familiären Erkrankungen sehr zahlreich sind. 
Hierauf geht er zo seinem eigentlichen Thema, der familiären spastischen Paraplegie 
Aber. Br hat ans der Litteratur nach Ausschaltung von Fällen, welche bezüglich 
dee spinalen Ursprungs Zweifel bieten, 17 Fälle von familiärer spastischer Paraplegie 
znsammengestellt und fügt ihnen eine neue Beobachtong hinzu; ferner bespricht er 
zwei typische, selbst beobachtete Fälle, in denen die Erkrankung zwar nnr ein ein¬ 
ziges Kind betraf, welche aber einen spinalen Ursprung primärer Art sicher erkennen 
lassen. Nerven- und Geisteskrankheiten, Syphilis, Alkoholismus in der Ascendenz, 
ferner auch Verwandtschaft zwischen Vater und Mutter prädisponireu zur Erkrankung. 
Dieselbe tritt ungeföhr ebenso oft beim männlichen wie beim weiblichen Geschlecht 
anf nnd beginnt meist zwischen dem 8. und 15. Jahre. Als Gelegenheiteursachen 
iind besonders Infectionskrankheiten anznschnldigen, in 3 Fällen ging ein Trauma 
voraus. Die fischen Symptome bestehen in spastischer Paraplegie mit Beflex- 
jteigerong nnd Fussclonos ohne Störung seitens der Sensibilität oder der Sphincteren. 
Oie ophthalmoskopische Unterauchung ist stets vorzunehmen, da zuweilen Opticus- 
itrophie beobachtet ist In einem Falle des Verf.’s fand sich Abblassung der Papille 
ooit starker Herabsetzung der Sehschärfe. Intelligenzdefecte fehlen fast immer zum 
Jnterschied von cerebralen Diplegieen. Der Verlauf der familiären spastischen 
’araplegie ist meist ein langsam progredienter. BemissioneD kommen vor. Tnber- 
lulose ist oft die Todesursache. Die einzige Antopsie bei spastischer Paraplegie 
'ezdanken wir Strümpell. Sie ergab eine primäre combinirte Sklerose der Pyra- 
niden, der direct cerebellaren Bahnen, sowie der Goirschen Stränge; erstere war 
□ der Dorsalregion, letztere in der Halsregion am ausgesprochensten. 

Differentialdiagnostisch kommen in Betracht: Myelitis, Bückenmarkscompression 
bei beiden bestehen Schmerzen, Sensibilitätsstömngen nnd Störungen seitens der 
ipbincteren). Bückenmarkssyphilis (bei welcher meist die Sphincteren mitergriffen 
.nd andere Zeichen der Lues vorhanden sind), moltiple Sklerose (bei typischer Form 
ieser Erkrankung: kein familiärer Charakter, Beginn zwischen 20. und 30. Jahre, 


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956 


meist nach Infectionskrankbeit, cerebello-spastiacber Gang, SeDsibilitatsstöron^o, 
scaodirte Sprache, groasschlägfiger Tremor, asymmetrische Ängenst^rangen), ferner 
Friedreich’sche Erankheit (bei dieser: tabeto*cerebeIlarer, ODCoordinirter Gang, 
Ataxie, ReflezaDrhebnng, choreiforme Bewegungen, h&ofiger Schwindel, Sooliose). Bei 
Erwägung der Differentialdiagnose mit der cerebellaren Heredo>Ätaxie verdient be> 
sonders der cerebellare Gang Berdcksichtignng. Am häufigsten aber werden mit der 
familiären spastischen Paraplegie die cerebralen Diplegieen verwechselt; in einzelnen 
Fällen, io denen keine Störungen seitens der Intelligenz, welch letztere für die 
cerebrale Form sprechen würden, bestehen, ist eine sichere Entscheidung zur Zet 
nicht möglich. Bei plötzlichem Auftreten der Paraplegie, z. B. nach Schreck, ist 
stets an Hysterie zu denken. 

Die Behandlung der familiären spastischen Parapl^e besteht hauptsächlich in 
warmen Bädern, Massage und Ruhe. In einzelnen Fällen erwiesen sich Sehnen- 
oder Nervendnrchschneidungen als nützlich. Kurt Hendel 


22) Two oaaee of laryngeal spaam fatal In the first attaok ocourring in 

tha same fiamlly. (Brit. med. .loum 1898. Apr. 2. S. 881.) 

2 Kinder derselben Familie, ein 19 Monate alter Knabe und ein 7 Monate altes 
Mädchen sterben — nur ein Zeitraum von 2 Tagen dazwischen — plötzlich an Er¬ 
stickung in Folge von spastischem Laryngismus (Spasmus glottidis), und zwar inner 
halb weniger Minuten. Der Tod war eingetreten, als der gerufene Arzt nach einigen 
Minuten ins Zimmer trat. Die Kinder warfen den Kopf zurück, wurden blau in 
Gesicht und starr; der Tod trat ein. Bis zu dem Anfall waren die Kinder voll¬ 
kommen gesund gewesen. Die Autopsie ergab ausser Anzeichen von Rhachitis nichts, 
was die Ursache des Todes erkennen liess. L. Lehmann I (Geynhansen). 


23) A boy, aged 14, who exhlbited tabetio Symptoms, by Douglas 
Stanley. (Brit. med. Joum. 1898. Apr. 2.) 

Verf. stellte der Birmingham und Midland Gesellschaft einen lijähhgen Knabeo 
mit Tabessymptomen vor. Incontinenz der Blase, atactiscber Gang, fehlende Kn» 
refleze, Pupillen eng, reactionslos für Licht, Romberg’s Zeichen, EnieschmeneD. 
Gegen Accommodation reagirteu die Pupillen. L. Lehmann I (Oeynhausen). 


24) Family lateral solerosis, by Norman Moore. (Brit. med. Joum. 1698. 

March 12. S. 690.) 

Yerf. stellte der k. m. chir. Ges. 2 Brüder, 24 nud 26 Jahre alt, vor, welche 
vom 15. Lebensjahre anfingen, spastische Lähmung der Beine zn bekommen, die all¬ 
mählich sich steigerte. Arme, Spinkteren, Intelligenz, Augen blieben normal. Die 
Sprache etwas schleppend. Eine Schwester hatte nnr diese Sprachstörung, keine 
anderen der genannten Erscheinungen. L. Lehmann I (Oeynhausen). 


26) Een familiestamboom, door D. J. Borst. (Psychiatr. en neuroL Bladen. 
1897. Nov. Nr. 5 en 6. blz. 484.) 

Verf. theilt in einer Tabelle den Stammbaum einer Familie durch 3 Generationen 
(Stammvater und Stammmutter abgerechnet) mit. Der Stammvater war betriebsam, 
bel.arrlich, egoistisch, trotzig, wollüstig, ohne erbliche Anlage, er starb an Marasmus 
senilis. Die Stammmutter war eine rechtschaffene, gottesfürchtige Frau, sie starb 


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957 


an Apoplexie; einer ihrer Brfider war ein Tninkenbold, ein anderer schwachsinnig 
ond batte schwachsinnige Nachkommenschaft. Die 3 Söhne dieses Paares hatten 
starke Neigungen und B^ierden und waren ungewöhnlich leidenschaftlich, eine 
Tochter war schwachsinnig. Nur der älteste der 3 Söhne, der ganz nach seinem 
Vater geartet war, hatte einen Sohn, der den Familiencharakter geerbt hatte. Die 
beiden Söhne des 2. Sohnes, der trotzig war und durch gewagte Unternehmungen zu 
Grunde ging, auch trank, batten den Familiencharakter zwar auch geerbt, aber der 
eine trank zu viel, der andere war zu impulsiv, um die guten Charaktereigenschaften 
zur Geltung kommen zu lassen. Der 3. Sohn des Stammvaters, ein betriebsamer, 
entschlossener, beharrlicher, gründlich unterrichteter Mann, batte nur Töchter; 3 von 
ihnen fehlte der kräftige Charakter des Vaters, sie waren ängstlich, zaudernd und 
wankelm&thig, nur eine Tocher machte davon eine Ausnahme, sowie ein Enkel, der 
nach seinem Qrossvater gerietb, und die guten Familienzflge zwar nicht so ausgeprägt 
besass, aber dafür frei von den Fehlem war. Alle 4 Kinder der Stammeitem starben 
an Apoplexie, sie hatten auch die Lust zum Trinken geerbt, die in der mütterlichen 
Familie wahrscheinlich erblich und das degenerirte Moment war. ln der 2. und 
3. Generation überwog die weibliche Nachkommenschaft'. 

Walter Berger (Leipzig). 


36) Nya bidrsg tili kännedomen om en säregen fhmiljes jukdom linder 

form af progressiv dementis, af Prof. E. A. Uomen. (Finska läkaresällsk. 

handl. 1897. XXXIX. S, 1369.) 

Verf. hat schon früher 3 Fälle von einer die Form der progressiven Dementia 
bietenden Krankheit bei 3 Geschwistern mitgetheilt und fügt nun die Mittheilung 
über dieselbe Erkrankung bei den bbiden jüngsten Geschwistern jener Patienten hinzu. 
Ein 16 Jahre altes Mädchen erkrankte Ende 1891 an Mattigkeit, Kopfschmerz, 
Schmerz in den Beinen, Schwindel, Appetitlosigkeit, die Menstruation hörte auf. Fat 
zeigte eine wenig entwickelte Intelligenz. Nach einer längeren antisyphilitischeu 
Kur trat bedeutende Besserung ein, nach der Entlassung verschlimmerte sich aber 
der Zustand allmählich wieder und wurde ebenso wie vor der Behandlung. Pat 
starb nach 2^/, Jahren an Tuberculose. Bei der Section fand sich Verdickung des 
Schädels ond der zum Theil mit ihm verwachsenen, im Übrigen schlaffen Dora ond 
Atrophie der Hirnwindungen, besonders im vorderen Theile. — Das jüngste Glied 
der Familie, ein Sohn, erkraukte im Jahre 1893 im Alter von 17 Jahren, unter 
denselben Erscheinungen, bei ihm bestand ausserden^ eine besondere Art zu errothen. 
Unter einer strengen und kräftigen, lange fortgesetzten and wiederholten antisyphi* 
litiscben Kur besserte sich der Zustand bedeutend, so dass Pat. wieder arbeitsfähig 
wurde nnd bei fortgesetzter Behandlung schwanden die Symptome bis auf die Neigung 
zu erröthen. 

Verf. ist der Meinung, dass es sich in allen den 5 ans derselben Familie 
stammenden Fällen um hereditäre Syphilis als Basis der Krankheit bandelte, wofür 
auch der Erfolg der antisyphilitischen Behandlung, namentlich im letzten Falle, spricht 
Für identisch mit der allgemeinen Paralyse hält Verf. die Krankheit nicht; der 
Zusammenhang mit Syphilis muss als etwas intimer betrachtet werden, als der 
zwischen Syphilis und progressiver Paralyse. Walter Berger (Leipzig). 


27) Brftihniiigen über Trional als Schlaftuittel mit besonderer Rücksicht 
auf die Beeinflussung des Blutdruckes, von Dr. Sigmund Kornfeld, 
Primararzt der Landesirreoanstalt in Brünn. (Wiener med. Blätter. 1898. 
Nr. 1—3.) 

Die Erfahrungen des Verf.’s erstrecken sich auf 2^/3 Jahre und über 200 Krank* 
heitsfälle der verschiedensten Formen der Geisteskrankheiten und der Neurasthenie. 


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Er hielt Trional fOr ein Terl&sslichee and meist siemlich rasch wirkendes SchiateitUl, 
welches einen dem normalen annähernd gleichweiihigen Schlaf erzeugt nnd sur 
selten von übrigens bald vorübergehenden Kebenwirkungen gefo^ ist Die gün- 
stigäten Erfahrungen machte Verf. bei ErschOpfnngs- and Depresaonssnständeo, sowie 
bei Angstzuständen im Verlaufe der Neurasthenie nnd Melancholie. Bei Erregungs¬ 
zuständen im Verlaufe der Paralyse und bei Manischen waren die Erfolge nicht so 
constant, das Mittel versagte oft schon bei der ersten Anwendung oder nachdem es 
einige Male mit Erfolg g^eben worden war. 

Verf. untersuchte die Einwirkung des Mittels auf den Blutdruck und &nd, dass 
Trional, wenn es wirksam ist, den Blutdruck immer herabsetzt und zwar auf eine 
ziemlich beträchtliche Weise (bis 50 7o)- Messungen wurden an der Badial- 
arterie voi^enommen. Mit der Vertiefung des Schlafes nimmt die Bmiedrignng des 
Blutdruckes zu. Indem das Medicament die Erregung der vasomotorischen Centnc 
herabsetzt, vermindert es auch die Afifecte, welche in einer stärkeren InnervatioQ 
jener Centren ihre organische Grundlage haben und beseit^ so Momente, weldie 
die Blutdrucksteigerung unterhalten. Non erst kann eine weitere Binwirkuag auf 
die vasomotorischen Centren stattfinden, welche eben als schlafmachende asaa* 
sehen ist. 

Mit dem Aussetzen des Trionals schwindet auch die Blutdruckemiedrigong 
wieder. Wenn von Seiten des Pat am folgenden Tage Über BetäubungsgefQhl ge¬ 
klagt wurde, konnte stets auch ein Fortbestehen der Blutdruckemiedrigung constatirt 
werden; und bildete bei längerem Trionalgebrauoh dieses Gefühl eine dauernde Neben¬ 
wirkung, so blieb auch die Blutdruckemiedrigung constant 

Von anderen Nebenwirkungen fand Verf. nur ein Mal saures Anfstossen. 

Dass Trional den Blutdruck erniedrigt durch Herabsetzung der Erregbarkeit der 
Ge^snervencentren und nicht auch durch Schädigung der Leistungsfähigkeit des 
Herzmuskels geht daraus hervor, dass die pathologisch erhühten Oruckwerthe auf ein 
dem normalen nahestehendes Maass herabgedrflckt werden, and dass die im Tiioiial- 
schlafe beobachteten Senkuogen die im normalen Schlafe gefundenen nur in einzelaeo 
Fällen unbedeutend Übertreffen. 

Bei Kranken mit dauernd gesteigertem Blutdrücke soll man gleich mit aner 
Anfai^dosis von 2,0 g beginnen. J. Sorgo (Wieu). 


Psy ohiatrie. 

28) On oyolone-nenroses and psyohosea, by Bremer. (Bead before tbe 
St Louis Medical Society. 1896. Nov.) 

Am 27. Mai 1896 ward St. Louis, wie bekannt von einem fnrchtbaroi Cycloo 
betroffen, dem kleine Cyclone folgten. Verf. bat genau und interessant über die 
während dieser Zeit entstehenden Neurosen and Psychosen berichtet Unter dm 
ersteren war am häufigsten Hysterie, dann Neurasthenie, immer bei schwer Dispo* 
nirten. Wie bei railway-brain und •spine ist das physische nnd psychische Moment 
zusammen meist wirksam gewesen, wobei oft die Verletzung ganz unbedeutend wv. 
Oft war aber Furcht Schrecken die einzige Ursache. Hysterisdie motorische und 
sensible Lähmungen waren häufig, auch Monoplegieen, ebenso Äphasieen nnd Aphonie«' 
Plötzliche und entschiedene Besserungen chronischer Hysterie, fmilich nur vorüber 
gehend, traten auf. Es gab kaum wen^er Hysterie bei den Männern, als Fnom- 
Wahrscheinlich gab es auch viele Organerkraiikongen, die nur hysterisdi warm. 
Als neurasthenische Zeichen entwickelte sich eine wahre Cyclonophobie. Eine ge 
wisse Panik hatte ja Jedermannn ergriffen. Verf. sah durch den Cyclon erzeugt: 
1 Fall von Epilepsie, Urticaria mit Darmerscheinungen, einfache nervöse Fröste, oft 
periodisch, and mehr Malaria als sonst ebenso Diarrhöen. So hat die alte Meioiiag 


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959 


Tom ZasaiDiDenfaaD^ yon Krdbeben mit Epidemieen viel fQr sieb. Einigen Franen 
worden die Haare trocken und fielen aus. Viele Einwohner gingen am Tage des 
Unglücks wie im Tranm einher, als reine Automaten, Aller hatte sich mehr oder 
minder eine melancholische Stimmung bemächtigt. Verf. sah einen Fall retrograder 
Amnesie: Monate lang kam ihm aber keine eigentliche Psychose zn Gesicht, ausser 
einige Haie Melancholie and Paranoia, die durch die Furcht verstärkt worden waren, 
aber keine Manie. Kenerdings erst sah er einige Psychosen, wo die Erinnerungen 
als Emotionen und Wahnideeen sehr deutlich waren. Viele sonst Gesunde träumten 
Wochen«, ja Monatelang von dem Cyclon. Interessant ist es endlich, zn erfahren, 
dass besonders auch Hühnchen, aber auch Pferde, Hunde, die den Cyclon durch¬ 
gemacht hatten, ebenso nervös bei Herannahen eines Sturmes sich zeigten, wie viele 
Menschen. Endlich wird die wichtige Fr^e aufgeworfen, welchen deletären Einftnss 
der Cyclon auf die Kinder haben wird, die darnach geboren wurden, ob es also 
„Cyclon*Einder" geben wird, wie die bekannten „enfants de sibge“ von Paris 1870. 

Näcke (Hnbertusburg). 


28) Algnnse oonsideraolones aobre el pronostioo da la alianaoion mental, 

per Dr. Josd J. Borda (Bnenos-Aires). (Boletino del Circolo Hedico Argentino. 

1898. Jan. S. 12.) 

Verf. stndirte sehr soi^fältig die Prognose der verschiedenen Formen von 
Geisteskrankheiten im Hospital de la Mercedes (BuenoS'Aires) vom Jahre 1892 bis zum 
Jahre 1897. In dieser Zeit sind 23ö0 Patienten behandelt worden, wovon 566 ge¬ 
heilt, 451 gebessert, 88 entlaufen nnd 618 gestorben sind. Das Procent der Hei¬ 
lungen betr^ also 23. Verf. glaubt, diese Zahl sei zu gering, weil von den Ent¬ 
laufenen gewiss mehrere geheilt waren zur Zeit ihrer Flucht Das Procent der 
Heilungen ist in den einzelnen Zeiten sehr verschieden. Im Jahre 1892 war es 
and im Jahre 1894 3S^(q. In den 5 Jahren sind 368 Fälle von Manie 
eingetreten, von denen 112 geheilt, 76 gebessert, 15 entlaufen und 104 gestorben 
sind. Von 300 Fällen von Melancholie sind 55 geheilt, 66 gebessert, 10 entlaufen 
und 59 gestorben. W. C. Krauss (Buffalo). 


30) Le morti per pellagra, aloooliamo e aiüoidio in Italia, per E. Tornasari 
di Verce. (Riv. speriment di Freniatria. XXIV.) 

Ans der statistischen Zusammenstellung seien im folgenden einige Zahlen mit- 
getbeilt Die Sterblichkeit an Pellagra hat sich in Italien von dem Jahre 1881 
bis 1886, io denen die Statistik nur an den städtischen Districten geführt wurde, 
vermindert von 172,8 auf 77,7 unter 10,000 Todesftllen oder von 4,8 anf 2,3 anf 
10,000 Einwohner. In der Zeit von 1887 bis 1896, io der auch die ländlichen 
Bezirke gezählt wurden, sank die Ziffer bis 1889 von 3,688 auf 3,113, stieg dann 
wieder and sank im Jahre 1894 auf das Minimum von 3,028 oder 98 auf 
1,000,000 Einwohner. Von den einzelnen Provinzen ist am stärksten betheiligt das 
Venezianische. Dort kamen im Jahre 1881 17,2 Todesfälle an Pellagra auf 10,000 Ein¬ 
wohner, dann folgt die Lombardei mit 4,8 und die Provinz Emilia mit 3,6. 

An chronischem oder acutem Alkoholismus starben 1881 bis 1886 (Periode der 
nur städtischen Zählung): 1881:17,1; 1886:11,7 auf 10,000 Todesfälle. 1887:15; 
1891:21; 1896:18 unter 1,000,000 Einwohnern. 

Die Zahl der Selbstmorde ist von 1343 im Jahre 1881 auf 2000 im Jahre 1896 
gestiegen. 1872 betrug sie 890. Auf 1,000,000 Einwohner kamen 1896 64 Fälle 
von Selbstmord. Als Ursache des Suicidlnms findet sich: Pellagra mit 0,9 "/y, das 
Alkoholdelirium mit 0,5 ®/(,, Geistesstörung mit 1,8*’/^. Zahlen, die aber wahr¬ 
scheinlich hinter den wirUichen znrttckbleiben. Valentin. 


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m. Aus den Gesellsohaften. 

JahreasitBung des Vereins deutscher Irrenärzte ln Bonn 
am 16. und 17. September 1888. 

Die Sitzung fand in der Pro?inzisl*Irrenan8talt zn Bonn statt.. Nach der Nr* 
Öffnung durch Herrn Jolly begrüsste Herr Pelman die Versammlung im Namen 
der medizin. Facultät und der Provinz, Hinisterialdirector von Bartsch im Namen 
des Ministeriums und Oberb&rgermeister'Spiritus seitens der Stadt Bonn. 

Es wurde beschlossen, die Versammlung von nun an im Fr&hjahr stattfinden 
zu lassen. Die ausscheidenden Vorstandsmitglieder Herr Jolly und Herr Pelman 
wurden wiedergewählt; au Stelle des Herrn Zinn wurde Herr Hitzig gewählt 

Herr Thomson (Bonn): Die Anweudxmg der Hydrotherapie und Balneo¬ 
therapie bei psyohisoben Krankheiten. 

Vortr. führt aus, dass das Wasser seit undenklichen Zeiten ein beliebtee Mittel 
zur Behandlung von Krankheiten gewesen ist. Man steht aber noch heute auf dem 
Boden der Empirie, da die Art der Einwirkung des Wassers anf den Organismos 
noch nicht klar gestellt ist. ln einem geschichtlichen Heberblick berichtet er über 
die verschiedenen Arten der Wasserbehandlung, wie sie zu den verschiedenen ZeitMi 
angewandt wurde. Winternitz machte zuerst in den 80er Jahren d. Jahrhunderts 
das Wasser in seiner Anwendung auf den Oiganismas zum Gegenstand wissenschaft¬ 
licher methodischer Untersuchungen. Die Erböhnng des Blntdmcks, die gegenseitige 
Wechselwirkung zwischen den inneren Organen nnd den Haotgefässen, die reflectorische 
Ueizung der Nervenendigungen in der Haut sind das wesentliche. Die Ernährung 
und die Function des Gehirns kann natürlich durch Einwirkuug des Wassers auf 
den Organismus unter veränderte Bedingungen gesetzt werden. 

Bei den Psychosen ist das Wasser in den verschiedensten Arten zur Anwendung 
gekommen; kalte und warme Bäder, Vollbäder, Halbbäder, prolongirte Bäder, Schwitz¬ 
kuren, Donchen, kalte Abreibungen, feuchte Einpackungen u. s. w. Da aber das 
eigentliche Wesen der Psychosen noch unklar isi^ bewegen wir uns anf onsichereai 
Boden. 

Vortr. fasst seine Ausführungen dahin zusammen: 

1 . eine exacte Hydrotherapie bei den Psychosen giebt es noch nicht; 

2. eingreifende Wasserproceduren sind zu vermeiden; 

3. nur bei acuten Psychosen ist eine methodische caosale Wasserbehandlong 
indicirt; 

4. bei apathiscboD stuporösen Personen sind kalte Abreibungen zn empfehlen: 

5. bei chronischen Geisteskrankheiten kann nur von einer rein symptomatischem 
Wasserbehandlong die Bede sein. 

Discossion: 

Herr Meschede weist anf die Samnel’scben Versnche am Kaninchenohr bin. 

Herr Fürstner: Bei den fenchten Einpackungen ist Vorsicht nötbig, da sich oft 
phlegmonöse Entzündungen einstellen. 

Herr Scbfile: Bef. soll den Vortrag veröffenüichen; im Anschluss daran soll 
eine Sammelforschung angestellt werden über die Erfahrungen der Waseerbebandlnn^ 
bei den einzelnen Psychosen. Der Gegenstand soll dann in der nächsten Jahres- 
Sitzung wieder beraten werden. 

Herr Schäfer schlägt vor, im Anscblnss an Schüle’s Vorschlag, znerst die 
Einwirkung des Wassers bei Aufregungszoständen zn behandeln. 

Herr Jolly: ln der Charitö sind feuchte Einwickelungen bei Delirinm tremeos 
versucht worden. Beim Abklingen des Deliriums haben sie sich bewährt; auf der 
Höhe trat mehrfach CoUaps ein. 

Kr macht auf die in Japan übliche Heisswassertheraple aufmerksam. 


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Uerr Farstoer (Strassburg iJE.)-. Die ZureohnungsAhigkeit der Hyste¬ 
rischen. 

Kachdem Vortr. auf die Dflrftigkeit der emschlägigen Litteratur hmgewieseu, 
2 iebt er eine FaraUele zwischen der Epilepsie and der Hysterie» Während bei der 
Epilepsie, bei welcher der Alkobolismas und der Schwachsinn eine grosse Rolle 
spielen, die Yeigehen g^en die Person nnd ausserdem die Brandstiftungen flber- 
wiegen, handelt es sich bei Hysterischen mehr um Vergehen gegen das Eigenthum, 
Diebstahl, Betrag, Schwindeleien u. s. w. 

Was die Anfälle angeht, so rechtfertigt deren Vorhandensein allein nicht die 
Anwendung des § 61. 

Die psychischen Störungen können einmal den Anfällen Toransgehen, dann auch 
im Anschluss an sie — postparoxysmal — auftreten. In beiden Fällen, besonders 
in letzteren, kann es zu criminellen Handlungen kommen. Die Störungen des Be* 
wusstseins, deren Gradmesser die Amnesie ist, kann bei diesen psychischen Störungen 
eine bedeutende, aber auch eine geringe sein. Dadurch wird die Beurtbeilung 
natOrlicb sehr erschwert Dazu kommt noch die bekannte Neigung der Hysterischen 
zum Fabüliren und zur pathologischen LQge. 

Veränderungen der sexuellen Empfindung kommen Tor, werden aber selten Gegen* 
stand der forensischen Betrachtung. Wenn bei ii^end wem, so gilt es bei der 
Hysterie zu indiTidualisiren, von Fall zu Fall abzuwägen, ob der § 51 in Kraft 
treten muss oder nicht. Die Fälle, in denen die Zurechnungsföbigkeit völlig aus- 
zuschliessen ist, sind nicht allzu häufig. Wir kommen bei der Hysterie ohne die 
verminderte Zurechnungsfähigkeit nicht aus. 

Discussion: 

Herr Ganser: Die postparoxysmalen Psychosen sind doch recht selten. Statt einer 
gesteigerten sexuellen Empfindung findet sich oft sexuelle Frigidität bei Hysterischen. 

Herr Leppmanu: Der Einfluss der alkoholischen Getränke ist bei derart^fen 
Personen nicht zu unterschätzen. In vielen FälUen muss man Verminderung der 
Znrechnungsföhigkeit annehmen. 

Die weitere Discussion wandte sich vom vorliegenden Thema wesentlich ab; es 
folgte eine kurze Erörterung Ober die pathologische Löge und den § 51. An ihr 
betbeiligten sich noch Delbrfik, Meschede, Moeli, Schäfer, Siemerling und 
Thomson. 

Herr Siemerling: Heber Marksoheidenentwiokelung des Gekims und 
ihre Bedeutung für die Looslisationu 

Nach einer Mittheilung der von Flechsig erhobenen Befunde und ihrer Deutung 
berichtet Vortr. über die einschlägigen Untersuchungen von Bighetti und von 
V. Monakow. Ersterer ist im Grossen und Ganzen, was die zeitliche Reihenfolge 
derMarkscbeideuentwickelunganlangt, zu denselben Resultaten gekommen, als Flechsig, 
von Monakow bebt hervor, dass bei Neugeborenen nicht ausschlisslicb Projections* 
fasern markreif sind. 

Verf. bat Untersuchungen angestellt hei Föten vom 6. und 9. Monate, bei Neu¬ 
geborenen und an Kindern im Alter von 47, 80, 104, 117, 201, 365 und 398 Tagen. 
Anfertigung von Schnitten in verschiedener Richtung mit dem Jnng’scheu Gehirn* 
microtom. Weigert’sche Entfärbung, ln der Hirnrinde ist Mark am frühesten 
nachweisbar in der hinteren Centralwindung, dann im Lob. paracentralis und in der 
vorderen Centralwindung, der medianen Fläche des Hinterhauptlappens, hauptsächlich 
in der Gegend der Fissura calcarina, im hinteren Abschnitt der 1. Schläfenwindung 
mit den angrenzenden Qnerwindungen, einem kleinen Abschnitt im unteren Stimhim 
und im Gyrus bippocampi. 

An anderen Stellen des Grossbims ist Mark viel früher vorhanden als in der 
Rinde. Bereits im 8. fötalen Monat sind markhaltig theilweise die hintere Com- 

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962 


missur, der Fascicnlns retroflezas, die obere Schleife und eine kleine Partie im 
hinteren Abschnitt des hinteren Schenkels der inneren Kapsel. 

Die Harkscheidenbildnng in der Grosahimrinde beschränkt sich jedoch nicht 
von vom herein auf ganz distincte Stellen, an den eben genannten B^onen ist 
Harkbildung ntur hanptsächlieh nachzuweisen. Keineswegs sind die flbrigen Abschnitte 
ganz frei. Bei Nengeborenen, wo diese Abschnitte dnnkelschwarz ge£ärbt hervQ^ 
treten, ist anch im oberen Scheitellappen nnd im vorderen Stimlappen eine Anlage 
von Harkfasem sichtbar. Bei einem Kinde von 47 Tagen ist dieses Vorhandensein 
von Harkfasem schon sehr markant. Wenn also anch einzelne Stellen des Gehirns 
schneller und intensiver in der Markbildnng vorangehen, so ist diese keineswegs aH 
ganz bestimmte Gebiete beechränki Die radiären Fasern zeigen im grossen Ganzen 
znerst stärker Mark, es gelingt aber nicht, eine Periode nachznweisen, wo nv 
radiäre Fasern markhaltig sind, stets, wo diese vorhanden, waren anch d« 
Oberfläche parallele mit Mark umhQlli Die Insel macht davon keine Ansnahme. 
Die Harkscheidenbiidnng schreitet an den Fasern, wo sie sich verfolgen lässt, von 
Centrom nach der Peripherie fort, derselbe Weg, wie er bei der Bildung des Marks 
in den Hiraoerven nach ä. Westphal inn^ehalteo wird. Nach Abschluss des 
3. Monats fehlen schon an keiner Stelle der Grosshirnrinde die mark* 
haltigen Fasern. Die Dentnng dieser znerst mit Mark sich umhtUlenden Fasern 
als ProjectioDSfasem ist eine hypothetische. Weder ans der Yerlanfsriehtong, noch 
aus Form nnd Gestalt ist dieses zn entnehmen. Und wenn wir auch als das wahr* 
sclielnlichste diese sich zunächst entwickelnden Fasern als Projeetionsfasem ansehen, 
so ist dabei nicht ausser Acht zu lassen, dass diese sich nicht auf bestimmte Hira- 
tbeile beschränken. Ohne weiteres lässt sich nachweisen, dass zn diesen sich Mh 
entwickelnden vermuthlichen Stabkranzfasem aus allen Thmlen des Gehirns sich 
später weitere Fasern in derselben Verlaufsrichtung gesellen. 

Die Masse der Projeetionsfasem, welche aus Flechsig’s Verstandscentrea 
hervorgeht, ist schon von vom herein eine respectable und im 3.—4. Monat eine 
sehr beträchtliche. Sehr schön ist dieses am Stabkranz der Sehstrahlnng zn Te^ 
folgen. Diese bildet einen von hinten nach vor wachsenden Faserzug, nnd man kina 
ohne Schwier^keit erkennen, wie sich aus dem Scheitellappen, dem Gyr. angularis, 
ans der ganzen convexen Fläche des Occipitallappens Fasern dazugesellen. 

Die zuerst und stärker sich mit Hark umhüllenden Fasern heben sieb auch 
beim Uim der Erwachsenen noch sehr markant ab. 

Ja, es scheint, als ob in Krankheitsfällen, z. B. progressiver Paralyse, diese 
Fasern eine grössere Besistenzföbigkeit beeüren. Stark entfärbte Saggittalschoitte 
durch das Grosshim bei progressiver Paralyse lassen einen noch stärkeren Beichthnin 
von Fasern an diesen Partieen erkennen. Der Nachweis der spitzwinkeligen Um* 
biegung der Fasern oder des Verlanfs in scharfgekrümmten Curven ist nicht zu er¬ 
bringen. 

Somit ergiebt auch die Methode der Harkscheidenentwickelni^, dass keine SteUe 
des Hirns ohne Projeetionsfasem ist. Auch die Insel bat einen Stabkrani 
(Faserzug au der convexen Fläche des Linsenksras). Dass dis Associationseenbrea 
einen gemeinsamen, sie von den Sinnescentren nnterscheidendsn Grundtypus der 
histologischen Stmetur besitzen, ist nicht richtig. 

Die Üntersnehnngen Über den Fasei^ehalt der Binde an einzMnen Stellen siisi 
noch so lückenhaft, dass sieh daraus bisher keine bestimmten Schlüsse ziehen lassM. 

Die UntersDchuDg der Hirnrinde eines neogeborenen nnd eines einjähzigio 
Kindes mit besonderem Einschluss der sogen. Sinnes* und Assoeiatienscentren io 
Bezug auf die Zahl und Beihenfolge der Schichten eigiebt eine sehr einheitliche 
Gestaltung an allen Stellen. Ueberall sind folgende Schichten nachznweis«: 

1. Stratum zonale, 

2. äussere Schicht der kleinen Pyramldenzellen, 


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3. Schicht der mittelgroasen Pyramidenzellen, 

4. innere Schicht der kleinen Pyramidenzellen, 

5. Schicht der groseen Fyramidenzelien, 

6 . Schicht der polymorphen Z^en. 

Ein Schnitt durch die Querwindungen des Sehläfenlappens unterscheidet sich 
in nichts von einem aus der 2. oder 3. Schläfewindung oder ans dem Scheitelhirn. 

Grosse Pyramidenzellen fehlen nirgends, besonders gross sind sie z. B. im vor¬ 
deren Stimhim. Wenigstens reichen die bis jetzt bekannten Unterschiede im Aufbau 
der Rinde nicht aus, um sie zur Annahme von Associations- und Sinnescentren zu 
verwenden. Die Erfahrungen der secundären Degeneration (Sachs, v. Monakow, 
Oejerine) sprechen durchaus dagegen. 


Der Vortrag wurde durch Zeichnungen und Präparate erläutert. 

Autorreferat 


DiscuBsion: 

Die Herren Vogt, Oudden, Nissl, Bruns, Ffirstner, Kramer. 

Herr Gudden demonstrirt im Anschluss an den Vortrag einige in Formol ge¬ 
härtete Oehime. 

Herr Bruns wendet sich gegen die Annahme der vielen Centren im Oebirn. 
Herr Ffirstner lobt die Art der Conservirui^ der demonstrirten Oehime. 

Herr Kramer desgleichen. 


Herr Oebeke (Bonn): Das rheinisolie Irrenwesen. 

An der Hand von Zahlen giebt Vortr. einen Ueberblick aber das, was in der 
libeinprovinz auf dem Gebiete des Irrenweseus geschehen ist und geschieht. Schon 
in frtüieren Jahrhunderten wurden hier in den Klöstern viele Geisteskranke verpfl^. 
Die erste Provinzial-Anstalt, die speciell ffir heilbare Kranke bestimmt war, wurde 
im Jahre 1825 zu Siegburg eröSuet Als sie im Laufe der nächsten Jahrzehnte 
sich als Dicht genfigend erwies, fasste die Provinz 1865 den Beschluss, ffir jeden 
Regierungsbezirk eine eigene Anstalt zu bauen. Und so erhoben sich in den nächsten 
17 Jahren die Anstalten Andernach, Bonn, Dfireu, Grafenberg und Merzig. Das sind 
die zur Zeit bestehenden Provinzial-Heil- und Fflegeanstalten. ln ihnen wnrden im 
Laufe der nächsten Jahre manche Umbanten erforderlich der Erweiterung halber. 
Ausserdem ist jetzt eine neue Anstalt im Pavillonsystem im Ban begriffen bei Galk- 
hausen zwischen Köln und Düsseldorf, die im October 1899 eröffiiet wird. Zudem 
ist der Bau einer Anstalt Ifir Epileptiker in der Nähe von Krefeld beschlossen. 
Um aus den Übrigen Anstalten das lästige Element der geisteskranken Verbrecher 
zu entfernen, ist in Dfiren eigens ffir geisteskranke Verbrecher ein Pavillon gebaut 
w'ordeu, der demnächst seiner Bestimmung übergeben wird. In der Bonner Anstalt 
wurde die 1. und II. Pensionarabtheilung aufgehoben und statt dessen auf der Hänner- 
und Frauenseite je eine Äbtheilnng zum Zwecke des klinischen Unterrichtes ein¬ 
gerichtet. 

Neu geschaffen wurde die Stelle d^ Landesp^chiaters als sachverständiger 
Deirath des IjandeshauptmaonB bezw. Landesansschusses. 

Dem Oberpflegepersonal wurde durch die Einrichtung der Stationspfleger (-innen) 
eine Stütze gegeben, die zu seiner Entlastung dienen soll. Die Stationspfleger (-innen) 
haben die Aufsicht über die ihnen zuertbeilten Abtheilungen. 

ln Andernach und Merzig soll die Familienpflege eingerichtet werden. 

Die Anstalten sollen nicht fiber 600 Kranke enthalten. Die Kosten sind bei 
den bestehenden auf 4200 Mark pro Kopf veranschlagt worden; bei dem Ban der 
neuen Anstalten auf 4000 Hark. 

Ausser diesen Provinzial-Anstalten existiren in der Bheinprovinz noch eine grosse 
Anzahl von Privat-Heil- und Fflegeanstalten für die bessereu Stände; ausserdem viele 
L^riwat-PÖegeanstalten, die sich zum grössten Theil in den Händen geistlicher Oe- 

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Dossen schäften befinden, mit denen die Provinz einen Contract abgeschlossen hat 
Zwecks Abgabe und Verpfiegung unheilbarer Geisteskranker. 

Die Aufsicht fiber die Anstalten, an der übrigens kein Mangel ist, wird vom 
Landeshaaptmann und Landesausschuss aasgeübt Auch die Pfiegeanstalten werdw 
von der Provinz beaufsichtigt 

Es besteht ausserdem ein Hülfsverein für Geisteskranke in der Rheinprovinz. 

Mit diesen Einrichtungen dürfte die Provinz in dem Irrenwesen völlig auf der 
Uöhe der Zeit stehen. 

Discu^sion: 

Herr Pelm an schliesst sich den Ausführungen des Vorredners an. Er weist 
dann auf die Schwierigkeiten hin, die sich ans der Vereinigung der Stelle eines 
Anstaltsdirectors und klinischen Lehrers eigiebt und bespricht kurz die Einrichtung 
der klinischen Abtheilnngen in der Anstalt Bonn. 

Herr Schultze (Bonn): Beitrag zur Itehre von den psthologisohen Be¬ 
wusstseinsstörungen. 

Vortr. berichtet über 3 interessante Fälle von sog. „automatisme ambnlatoire*'; 
die Kranken onternahmen des Häufigeren ohne äusseren Grund zweck- und sinnlose weite 
Reisen, für die nachher eine mehr oder weniger grosse Gedächtnisslücke beetand. 
Vortr. fasst die Ausführung der verschiedenen Reisen als epileptische Aequivalmite 
auf; wenn auch in keinem der Fälle ausgesprochene epileptische AnfäUe vorhaudeu 
waren, so Uessen sich nämlich doch bei allen Kranken epileptoide Erscheinungen, als 
periodischer Kopfschmerz, periodische Erregungen mit nachheriger Amnesie, periodisch« 
Depressionen mit ausgesprochener Selbstmordneigung, Schwindelanfölle, Dipsomanie n.s.v. 
neben ätiologiscben Momenten (gleichartige Heredität, Trauma capitis) nachweisen. 

Discnssiou: 

Herr Meschede führt einen ähnlichen Fall an. 

Herr Fürstner: Der Wandertrieb findet sich auch bei andereu Psychosen, be¬ 
sonders im jugendlichen Alter. Er allein ist für Epilepsie nicht beweisend. 

Herr Scbfile weist auf die diesen Zuständen ähnlichen sog. neurastheniscbeD 
Dämmerzustände bin, wie sie v. Krafft-Ebing beschrieben hat. 

Herr JoUy: Der Wandertrieb findet sich auch im Verlauf des mrcaläreo 
Irreseins. 

Herr Ganser spricht den Verdacht aus, dass es sich vielleicht um hysterische 
Zustände gehandelt habe. 

Herr Nissl (Heidelberg); Die Verwerthung des anstomisohen Materials 
in Irrenanstalten. 

Vurtr. ist der Ansicht, dass unsere Anschaunngen fiber die Architektonik dar 
nervösen Centralorgane jetzt nnklarer sind als sie je zuvor gewesen Die Meuroneo- 
theorie ist eine unglückliche nnd kann wohl kaum aufrecht erhalten werden. ICt 
einem Hinweis auf seine eigenen Giftversoche hält er es für das Richt^ate, möglichst 
viele Eiozelforschnugen anzustellen, um auf diesem Wege zu einer Anschauung über 
den Bau der nervösen Apparate zu gelangen. Da bei der Ueberlastung der patho¬ 
logischen Anatomen auf diesem Gebiet von ihnen nichts zu erwarten ist, so mOssen 
die Äerzte in den Irrenanstalten sich selbst mit der schwierigen Technik vertrant 
machen nnd die Gehirne untersuchen. Am weitesten gelangt man, wenn ganz be¬ 
stimmte Theile der Rinde an möglichst vielen Gehirnen znr Untersuchung kommen. 
Eine Gefahr liegt allerdings darin, dass es sich dabei immer um Gehirne von Geistes¬ 
kranken handelt. Sehr zu empfehlen ist zum Zwecke der Untersuchungen die Mikro¬ 
photographie. 


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Discassion: 

Herr Siemerling: Es lässt sich doch nicht behaapton, dass die Nenronen- 
tbeorie nngl&cklich ist and fallen gelassen werden mnss, sie hat noch viele angesehene 
Anhänger. 

Herr Ftiratner schliesst sich dem an. 

Herr Nissl glaubt, darüber könne man die Zeit entscheiden lassen. 

Herr Sioli (Frankfurt b./U.): Die Fürsorge für Oeiateskranke in den 
dentaohen Groesstädten. 

An 45 deutsche Städte mit über 60 000 Einwohner hat Vortr. Fragebogen 
geschickt, um sich darüber zu orientiren, was in ihnen für Geisteskranke geschieht. 
Es stellte sich dabei heraus, dass in diesem Punkte noch Vieles zu wünschen übrig 
bleibt Namentlich sind die Aufnahmebedingungen in vielen so schwerßllig, dass 
zwischen dem Aufnahmeantr^ und der Aufnahme in eine Anstalt eine längere Frist 
— bis zu mehreren Monaten! — verstreicht Am besten steht es in der Bhein- 
provinz, wo alle Formalitäten binnen 3 Tagen erledigt sein können. In einigen 
Städten ist eine provisorische Fflrsoi^e getroffen in der Form von Kliniken und Irren- 
abtheilungen bei den Krankenhäusern. Dadurch wird den Irrenanstalten kein Ab¬ 
bruch gethan; sie erhalten doch fast die gleiche Zahl von Kranken; es gehen ihnen 
vornehmlich ab die Deliranten, ln einigen Gressstädten kann die Aufnahme sofort 
erfolgen, so in Frankfurt a./M., Dresden und Breslau. In den meisten Gressstädten 
liegt die Sache aber so, dass bald Abhülfe geschaffen werden muss. 

Herr Lfihrmann (Dresden): Ueber Btadtosyle. 

Der Vortr. fasste seine Ausführungen nach einer Darstellung des Standes der 
Irrenfürsorge in den deutschen Grossstädten sowie der Pariser, Brüsseler, Londoner 
und Glasgower Verhältnisse in folgenden Sätzen znsammen: 

1. Im Interesse der öffentlichen Irrenfürsorge ist die Gründung von Stadtasylen 
in grösseren Städten nothwendig. 

2. An der Spitze eines Stadtasyls muss ein P^chiater von Fach stehen. 

3. Die Stadtasyle begünstigen in hohem Grade die Frühauüiahme, dienen zur 

Entlastung der grossen centralen Anstalten (40 bis 50 7o Aufnahmen können 

in den ersten Wochen entlassen. werden) und eignen sich zu Lehrinstituten. 

4. Es ist wünschenswerth, in grossen Asylen eine Wachabtheilnng für ruhige 
Kranke, eine zweite Wachabtheilnng für die unruhigen Kranken zu haben, beide mit 
blonderem Personal lediglich für den Nachtwachdienst. 

5. In grossen Stadtasylen sind Einrichtungen zur Aufnahme gebildeter, aber 
wenig bemittelter Personen zu treffen. 

6 . Die Anüiahme in die Stadtasyle muss eine leichte sein, und zwar sollen 
Kranke dort auf eigenen Antrag und auf Gutachten des Anstaltsoberarztes hin auf¬ 
genommen werden können. 

7. Die zwangsweise Einweisung von Geisteskranken aus ihrem derzeitigen Auf¬ 
enthalt soll auf das Gutachten eines beamteten, bezw. eines damit behördlicherseits 
besonders beauftragten Arztes geschehen; Voraussetzung aber dabei ist, dass die 
Untersnehnng bezw. die Ueberführung mit grösster Beschleunigung erfolge. 

Disenssion über die beiden letzten Vorträge: 

Herr Fürstner: In Strassburg sind leichte Aufnahmebedingungen. Wünschens¬ 
werth ist es, wenn in einer Klinik in beschränktem Haasse eine Pensionärabtheilung 
beetehi Zwei Wachsäle sind nothwendig, einer für ruhige, einer für unreinliche 
Kranke; für die unruhigen soll anderweitig gesorgt werden. 

Herr Meschede: In KÖnigsbei^ ist eine Irrenabtheilung mit dem Kranken¬ 
hause verbunden. 


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Herr Kräpelia: In Baden werden oft grosse Schwierigkeiten bei den Änf- 
nahmen gemacht Das PobUkam soll möglichst viel Zutritt zu den Anstalten haben, 
damit die Yorurtbeile gegen diese serstreut werden. 

Herr Ganser empfiehlt anf Gmnd langjähriger Erfahrungen diingend die Ein¬ 
richtungen mehrerer Wachsäle mit eigenem Wachpersonal. 

Herr SchQle wendet sich gegen die Ausführungen Eräpelin's bezüglich der 
Scbwier^keit der Aufnahmebedingungen in Baden. 

Die Vorträge von Trömmer (Berlin): „Zur pathologischen Anatomie des Deliriimi 
tremens*' und von Vogt (Berlin): „Zur Psychopathologie der Hysterie*' fielen aus. 

Am ersten Sitsungstag gab die Bheinprovinz der Versammlung ein opulentes 
Frühstück; Abends vereinigten sich die Hitglieder zu einem Festessen; am zweites 
Tage beschloss ein ^ueflug anf den Drachenfels die diesjährige Versammlung. 

Lückerath (Bonn). 


Wiener medloinlsoher Club. 

Sitzung vom 20. October 1897. 

Knieböck demonstrirt eine Arthropathie des Unken EUenbogengelenkM 
bei Syringomyelie. 

Der Fall betrifft eine 33jährige Patientin, bei welcher trotz ausgedehnter Ge- 
lenksprocesse keine Muskelatrophie besteht Bedeutende Schwellung des linken EU- 
bogengelenkes, welche Diaphysen und Epiphysen betrifft; Knochen, Kapsel und Binder 
zeigen eine wesentliche Verdickung. Abnorme Beweglichkeit und Crepitation im 
Gelenke, die Haut über dem Gelenk ist normal, die Bewegungen schmerzlos. Der 
Prozess hat sich ohne Schmerzeu entwickelt Es besteht eine ausgedehnte Therm- 
anästhesie und Analgesie an dem erkrankten Arme und auf der Brust, in der Anam¬ 
nese schmerzlose Panaritien. Gesteigerte Reflexe an den unteren Extremit&ten, leicht« 
Kyphoskoliose im oberen Bmstsegment der Wirbelsäule. 

H. Schlesinger bemerkt hierzu, dass in diesem Falle das Auftreten einer 
Gelenksaffection als Frühsymptom der Syringomyelie zu betrachten sei. Es 
sind dies vielleicht nicht so seltene Vorkommnisse, denn Redner hat in kurzer Zeit 
zwei zweifellose Fälle von Syringomyelie gesehen, in welchen eine trophische Störung 
and zwar in dem einen Falle eine Spontanfractur, in dem anderen Falle eine Oe- 
lenksaffection die erste Störung war, welche überhaupt auf eine Erkrankung aof- 
merksam machte. Von Wichtigkeit für die Diagnose ist in solchen Fällen eine 
Steigerung der Patellarrefiexe und dies dann, wenn die Steigerung sich besonders 
auf jener Seite findet, an welcher die trophische Störung sich markirt hat Sch. 
verweist anf die grosse Bedentung der Kenntniss dieses Frühsymptoms für die Be- 
urtheilung von UnföUsn und anf die Wichtigkeit in gerichtsärzilicber Beziebosg- 
Bei der Beurtbeilung der Verletzung wird dann die besondere Körperbeschaffenheit 
in Betracht kommen müssen. 


Sitzung vom 16. November 1897. 

(Wien. klin. Wochenschr. 1897. Nr. 47.) 

F. Hahn; Ueber Senaibilität bei Syringomyalle. 

Vortr. bat an einer grösseren Zahl von SyringomyeließUen der Klinik Scbrötter 
die von Laehr erhobenen SeDBibUitätsstömngen bei dieser Affection in gleicher Wom 
wie der Berliner Autor finden können and zwar zeigten dieselben segmentalen Typus 
nicht bloss in Bezug auf die Temperaturempfindung, sondern auch anf Schmerz- und 


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Tastsinn. Die froheren Befunde des Vorkommens aes centralan Typus der Sensi« 
bUitätsstOrongen bei Syringomyelie sind zum Tbeile auf eine physiologische Abnahme 
der Temperaturempfindlichkeit gegen die Peripherie der Extremitäten hin, die durch 
Oedem, Cyanose, ^hwielenbildung u. s. w. noch vermehrt wird, zum Tbeile aber auf 
diagnostische Irrtflhmer zorückzufflhren. Doch abgesehen von diesen Verhältnissen 
findet sich bei manchen Fällen von Syringomyelie, aber durchaus nicht bei allen, 
eine effecbive Abnahme der Sensibilität gegen die Peripherie der Extremitäten hin, 
doch traf sie Vortr. immer innerhalb des Rahmens einer segmentalen Anordnung, nie 
allein fOr sich bestehend. 


Sitzung vom 24. November 1897. 

(Wiener klin. Wochenschr. 1897. Nr. 60.) 

J. Schnabel demonstrirt einen Fall von Lues cerebrospinalis mit zwei 
Herden, einem im Opticus, dem anderen im Bmstmarke, mit dem Bilde der Halb¬ 
seitenläsion. 

Eine 27jährige Weissnäherin bemerkte plötzlich vor 2 Monaten Schlechtersehen 
nnd Nebel vor dem linken Auge. 5 Tage später Parästhesieen und Schwäche im 
linken Beine, in weiterer Folge rasche Abnahme des Sehvermögens auf dem linken 
Auge bU zur vollständigen Erblindung; zunehmende Lähmung des linken Beines. 
Lnes und Fötus negirt, filiber mit Ausnahme einer vorflbergehenden Lungenaffection 
stets gesund. 

Die Untersuchung ei^ab zur Zeit der Aufnahme ins Krankenhaus Fehlen der 
Lichtempflndung des linken Anges bis auf eine Spur io der nasalen Gesichtsfeld¬ 
hälfte, absolute Beactionslosigkeit auf Licht, consensuelle Eeaction erhalten, Beaction 
auf Accoxnodation prompt. Rechtes Auge, Augenmuskeln, alle Himnerven intact, 
Augenhintergrnnd beiderseits normal. Paralyse des linken Beines, Parese des rechten, 
Steigerung der Sehnenrefiexe beiderseits. Bis zur Höhe des 4. Intercostalraumee 
vom und des 4. Brustwirbeldoms hinten hochgradige Hyperästhesie für alle Empfin¬ 
dungsqualitäten auf der rechten Seite, links nach unten zunehmende Hyperästhesie 
für tactile, algetische und thermästhetische Reize. Muskelsinn und Gefühl für Lage 
und Bewegung der Extremitäten links herabgesetzt. Obere Extremitäten, Blase, 
Hastdarm vollständig frei. 

Vortr. hebt hervor, dass der Brown-Sdqnard’sche Symptomencomplex hier 
deutlich ausgesprochen sei. Hysterie ist ausgeschlossen. Den einen Herd verlegt 
Vortr. in den Opticus zwischen Bulbus und Chiasma, wegen des kurzen Bestandes 
der Affection fehlt die Opticusneuritis. Deo anderen Herd verlegt er ins Brustmark; 
das Wahrscheinlichste sind gummöse Infiltrate. Unter antiluetischer Behandlung 
Rückgang der Augenerscheinungen und des Rückeamarksbefundes. 

In einer späteren Sitzung, nnd zwar vom 9. Februar 1898, stellte Vortr. 
neuerdings die Kranke vor, welche bis dahin antilnetlsch behandelt worden war. 
Nach einiger Zeit trat links deutliche Atrophie des Sehnerven auf, ferner Schmerzen, 
welche vom rechten Fass ins Hypochondrium ausstrahlten, tonische Krämpfe im 
rechten Beine, Rückgang der Parese am linken Beine. Die Sensibilitätsstörung rechts 
vollständig geschwunden, das Sehvermögen des amblyopischen Anges gebessert. 

Vortr. stellt weiter einen 38jäbrigen Mann traumstisoher Neuroee vor. Die¬ 
selbe tritt in Form von klonischen Krämpfen der Stemocleidomastoidei nnd der 
Bauchmuskeln anf. Die Krämpfe traten vor 8 Jahren ein, als Fat. beim Heben 
einer schweren Last zusammenstürzte, und zwar als Hitbewegungen und Dreh- 
bew^ungen des Kopfes, ferner klonische Krämpfe der Bauchmusculatur, welche so 
hochgradig sind, dass der Kranke nur mit vorgebeugtem Oberkörper, die Hände auf 
die Kniee gestützt, gehen kann. Die Krämpfe cessiren im Schlafe und iu Rücken¬ 
lage und treten erst bei jedem Gehversuche des Kranken auf. 


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Sitzung vom 26. Januar 1898. 

(Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 7.) 

F. Pineies demonstrirt einen Fall von chronischer, seit 20 Jahren reoidi« 
▼irender Tetanie. 

Die jetzt 37j&hrige Patientin erkrankte vor 20 Jahren an Typhus. In der 
Beconvalescenz traten plötzlich heftige Krämpfe in beiden oberen Ex^mitäten auf. 
Nach dem Ablanfen des Typhus schwanden die Krämpfe vollständig, um dann 
neuerlich im Februar des nächsten Jahres wiederzukehren. Keine MagenstOrungen. 
Nach mehrwOchentlicher Dauer verloren sich die Krämpfe; von jetzt ab stellten sich 
die Krämpfe jedes Jahr in den Monaten Januar oder Februar ein und waren immer 
von ziemlich gleicher Intensität und Dauer. Sie betrafen stets die Muskeln beider 
Arme und Uessen die Beine (KOrpermnskeln) frei; manchmal sollen Äugenmnskel« 
krämpfe bestanden haben. Seit nngeßhr 14 Jahren leidet die Kranke an Diarrböeu, 
jedesmal verschlechtern sich dieselben bei Eintritt der Krämpfe, welche weder durch 
Berufswechsel, noch durch Aenderni^ des Aufenthalts, noch durch Gravidität irgendwie 
beeinflusst worden. Die Krampfanfälle sind typisch; die galvanische Erregbarkeit der 
Nerven ist bedentend erhöht, Trousseau’sches und Facialisphänomen deutlich vor« 
handen. Zur Zeit der Attaquen bestand hohes Fieber und trat ein Exanthem aa 
der Streckseite der Unterschenkel auf, welches sich auch sonst zur Zeit der Attaquen 
eingestellt haben soll. Diese Prävalenz des Auftretens der Tetanie zu bestimmten 
Jahreszeiten, der Verlauf unter hohem Fieber und die allgemeine Prostration sprechen 
dafür, dass hier eine infectiöse Schädlichkeit vorliegt. Im Urin war Indican nicht 
vermehrt, abnorme Bestandtheile nicht nachweisbar. 

Dr. Kienböck demonstrirt vier atypische Fälle von Syringomyelie aas 
der Klinik Sehrötter. 

1. Fall: 39jähriger Forstwirth. Die ersten Symptome der Erkrankung vor 
4 Jahren ohne bekannte Veraulassung. Spasmus im linken Arm und spastischer 
Gang, leichte Atrophie mit bedeutender Schwäche im Schulteigörtel beiderseits oad 
hochgradige Atrophie des linken Oberarmes mit Lockerung des gleichzeitigen EUbc^eo« 
gelenks. Die partielle Empfindungslähmung betrifft fast genau das Gebiet ist 
Cervicalnerven, die aus dem mittleren Autheile des Cervicalmorks (2.—6. Hals¬ 
segment) stammen. Keine Blasen« und Hastdarmstömng, Steigerung des Patelkr« 
reflexes, Fusselouns beiderseits, Kyphose im oberaten Abschnitte der Wirbelsäule. 
Hirnnerven normal. Als auffallende Erscheinungen müssen Spasmen der linken 
oberen Extremität mit Streckstellung derselben im Ellbogengelenk bezeichnet werden. 

2. Fall: 35jähriger Tischler mit höchstgradiger Verstümmlung beider Hände, 
die sich im 21. Lebensjahre im Anschlüsse an Panaritien in kurzer Zeit entwickelt 
haben. Im Decemher v. J. schmerzlose, sehr umfangreiche Verbrennung am rechten 
Oberarme; Sensibilitätsstörung der oberen Körperhälfte im syringomyeUscben Siime 
am rechten Oberarme und Störung der Berührungsempfiudnug, Huskelatrophieen nur 
an den Vorderarmen. Gesteigerte Patellarreflexe. Die linke Hand ist im Hand¬ 
gelenke luxirt, die Handwurzel liegt den Diapbysen der Vorderarmknochen an deren 
Beugeseite an. Es handelt sich um pathologische Luxatiou mit hypertrophischer 
Deformation der Kuochen. An der rechten Hand fehlen Theile der EndphaUnx des 
Daumens mit enormer breiter Zunahme der Grundphalaux. Der deformirte Zeige* 
fiuger ist durch eine Art Schwimmhaut mit dem Daumen au der Basis verbanden, 
in den Hetacarpophalaugealgelenkou beiderseits bedeutende Hypertrophieen. Ankylose 
und Verdickungen der Fiuger, schwielige Veränderung der cyauotisch gefärbten, voll¬ 
kommen analgetischen Haut. Hirouerven bis auf den Trigeminus intact. Wirbel¬ 
säule gerade, Gang und Sphincteren nicht gestört. 

3. Fall: 20jäbriger Hirth hat sich im 12. Lebensjahre, ohne es sogleich m 
merken, an dem Gesäss am offenen Feuer verbrannt Seit einem Jahre ist der Gang 


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spastisch, Pat. muss baim Uriniren stark pressen, Incontinentia alvi. Dissociirte 
SensibUitÄt an der unteren Körperhälfte, besonders links, Steigerung der Patellar* 
refiexe, keine Moskelatrophieen. Obere Extremitäten und Himnerven intact. Kein 
Bomberg’sches Phänomen. 

4. Fall: 29jährige Bäuerin. der Erkrankni^ im 9. Lebensjahre mit 

Erschwerung des Ganges und GflrtelgefQhl. Parese der Hand im 14. Lebensjahre. 
Panaritien im 16. Lebensjahre, im 17. umfangreiche, schmerzlose Verbrennung am 
Bficken. Verschlimmerung des Zustandes seit der Geburt des dritten Kindes vor 
9 Monaten. Es besteht Hamträufeln, ab und zu Incontinentia aWi, rechtsseitige Nieren» 
kohken mit Nierensteinen. Die obere Körperhälfte ist sehr abgemagert, hochgradige 
Atrophie des Schnltei^rtels und der oberen Extremitäten, bedeutende Kjphoskoliose 
im oberen Brusttheile der TVirbelsänle, Lordose der Lendenwirbelsäule. Die Schulter¬ 
blätter sind nach vom und unten gesunken, die Arme sind cyanotisch, die kleinen 
Handmuskeln links atrophisch, an der rechten Hand Contractur, die Finger verdickt. 
Der Gang spastisch »paretisch, die Haut am linken Unterschenkel verdickt und 
glänzend. An den Genitalien und der Innenseite der Oberschenkel ein Ekzem eigen- 
th&mlicber Art mit Wucherungsvorgängen (von Prof. Neumann als solches dia» 
guosticirt). Himnerven nicht paretiscb. Typische syringomyelische Sensibilitäts* 
störuDg an den oberen Extremitäten, sowie um den Anus. 

Vortr. hebt hervor, dass die Höhlenbildung im 3. Falle im lumbalen Antheile, 
im 4. Falle in der ganzen Länge des Räckenmarks, besonders im dorso-lumbalen 
Antheile zu suchen sei. Die Erkrankung hat in allen Fällen während der Jugend 
begonnen, eine Verletzung war bei keinem vorausgegangen, ebenso wenig Infeetions* 
krankheiten. Die Wirbelsäule war in zweien der Fälle gerade, in zwei anderen ge¬ 
krümmt Die sehr schwierige Differentialdiagnose gegenüber der Lepra (im Falle 3) 
wird eingehend besprochen (Leprabacillen worden im Secrete nicht gefunden). Die 
SensibilitAtsstörung war überall eine segmentale, die distalen Abschnitte waren stärker 
atrophiscb. 

Vortr. betont, dass in einem der Fälle Nephrolithiasis besteht, in zwei anderen 
an der Klinik Schrötter von Schlesinger beobachteten, aber nicht publicirten 
Fällen Nephrolithiasis bestand. Letztere Affection ist in Wien sehr selten. Da alle 
Kranken mit Nephrolithiasis Gelenkstörungen darboten, ist vielleicht bei Syringomyelie 
ein gewisser Zusammenhang zwischen der Steinbildung der Niere und den Geleuk- 
störungen vorhanden. 

Schlesinger betont, dass die Zahl der Syringomyelieffille anscheinend in stetem 
Wachsen sei, was mit der besseren Kenntniss der Erkrankung zusammenhängt; in 
den letzten 3 Jahren hat er am liegenden Material an der Klinik allein gegen 20 
nicht publicirte Fälle von Syringomyelie beobachtet. 


Sitzung vom 9. Februar 1898. 

(Wiener klin. Wocheuschr. 1898. Nr. 9.) 

A. Bum stellt einen 39jährigen Tabiker vor, bei welchem er seit dVj Monaten 
meohsnisohe Ataxiebehsndlong nach Frenkel Übt. Der Kranke konnte im 
Herbst verflossenen Jahres nur mühsam am Stocke gehen und wies die typischen 
Symptome der Ataxie auf. Er geht jetzt ohne Stütze vor- und rückwärts, auch auf 
den Zehenspitzen, selbst mit geschlossenen Augen, steigt 'Treppen auf und ab u. s. w. 
Vortr. hat von der FrenkeTschen Methode in der überwiegenden Mehrzahl der von 
ihm bisher behandelten Fälle gute Resultate gesehen, doch schwankte die Behandluugs- 
dauer sehr bedeutend. Die besten Resultate geben die stationären Fälle. Die An¬ 
wendung von Apparaten für die Ataxiebehandlung der unteren Extremitäten hält 
Vortr. nach seinen Erfahrungen für entbehrlich. 


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970 


Heinrich Weias stellt eine lOjährige Patientin mit Par^legUi q;>astica 
Infuitilin vor. 

Normale Oebort, drei Geschwister leben nnd sind gesund. Die Krankheit stellte 
sich im Älter von 5 Jahren bei dem bis dahin gesanden Kinde angeblich nach einem 
Schrecken ein. Zuerst Sddeohtei^hen mit dem rechten Beine, dann Auftreten tod 
Erscheintmgen im rechten Arme, allgemeine Yerschlimmernng des SpraehTennö^m; 
das Kind kann spontan sprechen, stockt aber, wenn es antworten soll. Die Intelligenz 
ist gut Allrnfthlicher Uebeigang der Erscheinongen auch auf die Extremitäten der 
anderen Körperh&lfte, neben spastischen Contracturen bestehen athetotische Bewegungen 
in den H&nden; links spastischer Krampf* nnd rechts spastischer Spitafuss. Spasmos 
der Lippen* and Zungen*, zum Theil auch der Nackenmoskolatur. Kerne Anästhesie; 
Aplasie der rechten Stirn* und Schläfengegend nnd der rechten Kopfhälfte. 


Sitzung Tom 16. Februar 1898.) 

(Wiener klin. Wocbenschr. 1698. Nr. 10.) 

H. Schlesinger demonstrirt das anatomische Präparat ^es Falles Ton Stirn* 
himtumor, welches von einer 52jährigen Frau stammt 

Dieselbe wurde im somnolenten Zustande aufgenommen. Während der knn 
dauernden Beobachtung wechselte das Verhalten des Sensorinms der Kranken; ver* 
spätetes Beagiren auf äussere Beize, namentlich acustischer Art Nur hie nnd da 
Kopfschmerzen, nie Krämpfe, keine Storungen von Seite der Bespiration oder des 
Pulses, Albuminurie. Keine deutlichen Störungen ton Seite der HimnerTsn odm* der 
Extremitäten ln Bezug auf Motilität oder Sensibilität nur eine geringe BrhObuag 
der Sehnenreflexe auf der rechten KOrperhälfte. Der Augenhintergrund war nonnal; 
erst unmittelbar ante mortem Verwaschensein der Begrenzung der linken Papille. 
Der Gang der Pat konnte nicht geprüft werden; keine Witzelsncht Vor 6 Jahren 
war das Örtliche Becidiv eines Bauchdeckentumors (Fibrosaroom) entfernt wordmi, 
wodurch die Annahme ^es Hirntumors wahrscheinlicher wurde. Vor und über dem 
linken Ohre saes ein halbzwetschenkemgrosser, knochenharter, vollkommen nnverscbieb- 
lieber Tumor, der vom Vortr. als Knochenmetastase au^fasst wurde, welche nach 
innen protoberire, auf das Stimhim drücke oder auf dasselbe übergegrifEm habe. 
Dauer der cerebralen Erscheinongen 5 Wochen, Beobachtnngsdaner im Spitale 2 Wochen. 
Exitus unter Lungenödem. 

Die Obdoction zeigte, dassl^der Tumor des Knochens eine Exostose war, welche 
gar nicht nach innen protuberirte; gleichzeitig aber fand sich, genau entspreebend 
der Exostose, ein riesiger Tumor des Stimhims derselben (linken) Seite, welche 
den Himabschnitt vollkommen einnahm. 

Vortr. hebt hervor, dass in diesem Falle ein operativer Eingriff geplant war, 
und dass die Kenntniss solcher pathologischer Vorgänge, welche zu Fehldiagnosen 
Anlass geben können, recht werthvoU seien, zumal er schon zum zweiten Male eine 
derartige Combination von Schädel- nnd Himgeschwnlst gesehen habe. Der Tumor 
war offenbar metastatischer Natur, er war wahrscheinlich von dem vor 6 Jahren 
operirten Fibrosarcom der Bauchdecken ausgegangM und latent getragen wordeo. 


Sitzung vom 2. März 1898. 

(Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 11.) 

H. Weiss demonstrirt einen Hann mit Paohymaningitis oervioslis luetioa. 
(Wird an anderer Stelle ausführlich publicirt.) 


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Sitzung vom 9. März 1898.) 

(Wiener klin. Wochenachr. 1898. Nr. 13.) 

F. Pineles demonstrirt 2Fälle von halbseitiger cerebralerKinderUhmung. 

I. Fall, löjäbriges Mädchen, körperlich gut entwickelt, geistig sehr zurück* 
geblieben, hereditär nicht belastet. Geburt normal, im 2. Lebensjahre Convulsionen; 
im Anschlüsse daran heftiges Zittern der linksseitigen Extremitäten, welches ziemlich 
unverändert bis zum heutigen T^e anhäli Fast continuirlich anhaltende Krampf* 
bewegungen der linken oberen und unteren Extremität, welche eine Mischform von 
Scbütteltremor und choreaartigen Zuckungen darstellen. Keine trophischen Störungen, 
keine Sensibilitätsdefecte. Grobe Kraft beiderseits gleich, Sehnenrefiexe links ge¬ 
steigert Himnerven intact. 

II. Fall. 27jäbrige Patientin mit ausgesprochen infantilem Habitus, geistig 
etwas unentwickelt Normale Geburt. Beginn der Affection im 3. Lebensjahre nach 
Varicellen. Anfang mit leichter Schwäche der rechten Körperhälfte, allmählich 
Steigerung der Intensität derselben, bald darauf Schflttelbewegungen der rechts¬ 
seitigen Extremitäten, Nachscbleppen des rechten Beins. Pat. lernte schlechter. Im 
13. Lebensjahre traten reissende ^hmerzen in den unteren Extremitäten mit Zunahme 
der Schüttelbewegungen ein; später, im 22. Lebensjahre, Schmerzen im rechten 
Arme, welche nach Dehnung des rechten Plexus brachialis nachliessen, späterhin 
wurde wegen der Schmerzen die Dnrchschneidung dieses Plexus ansgeffihrt. Die 
Schmerzen im rechten Bein blieben unverändert. 

Die rechte Körperhälfte zeigt ausgesprochene Wacbsthumshemmung; rechter 
Mnndfacialis, rechter Hjpoglossus paretisch, keine Aphasie. Im rechten Bein con* 
tiouirlich anhaltende Schüttelbewegungen, Equinovarusstellung des Fusses. Starke 
Contracturen in allen Gelenken, rechts Heratoetzung der Sensibilität für alle Quali¬ 
täten. Uuakelsinn rechts deutlich vermindert; andauernde heft^ Schmerzen im 
rechten Beine. 

Vortr. spricht sich dagegen aus, dass die Schmerzen durch eine Zerrung oder 
Spannung der Gelenke und Muskeln erzeugt worden wären, und meint, dass sie ein 
vom Zustande der Muskeln ganz unabhängiges, sensibles Reizsymptom darstellen. 


Sitzung vom 16. März 1898. , 

(Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 13.) 

V. Zeissl macht eine vorläu6ge Mittheilung über Verauohe über Gehim- 
draok. 

Der Gehimdruck wurde mit dem Federmanometer von Basch direct erhoben. 
Die Versuche eigaben: 1. dass eine grosse Menge von physiologischer Kochsalzlösung, 
ins Gdhlm eingespritzt, den Gehirn* und Blutdruck nur vorübergehend steigmt. 
2. Jodjodnatriumlösung, in die V. jugularis injicirt, führt unter starker Steigerung 
des Blutdruckes, welche von einer Pulsverlangsamung begleitet ist, zu einer beträcht¬ 
lichen Steigerung des Gehimdruckes, und zwar steigt letzterer mehr an, als dies 
durch Steigerung des Blutdruckes und conseoutive Blutfülle des Gehirns allein 
möglich wäre. Es muss also ausser der vermehrten Blutfülle des Gehirns noch eine 
zweite Bedingung hlnzutreten, welche eine Volumsvermehmng des Scbädelinhalts 
hervorruft Vortr. nimmt an, dass eine Transsudation von Flüssigkeit aus den Ge* 
fässen ins Gehirn stattfinde. Diese Annahme ist nm so berechtigter, als diesbezüg¬ 
liche Versuche lehren, dass die Gehimdmcksteigerung ausbleibt oder sehr un¬ 
beträchtlich ist, wenn vor Einspiitzung der Jodjodnatriumlösung der Bückenmarks¬ 
canal durch Einschneiden der Membrana obturataria eröffnet wurde. Der Gehimdruck 
steigt nach Injection des genannten Jodpräparates erheblich höher an als durch 


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972 


andere Manipulationen, welche den Blutdruck erhoben (Reizung des Ischisdicus, 
Strychnineinspritzung, Aortacompreeaion). 


Sitzung vom 23. März 1898. 

(Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 14.) 

H. Schlesinger demonstrirt 2 Fälle von Muskelatrophie. 

Vortr. betont, dass eine scharfe Abgrenzung der spinalen Amyotrophie von der 
Dystrophie nicht mehr möglich sei und fährt dies des weiteren ans. Die beiden 
Torgestellten Fälle zeigen, wie schwierig sich die Di^nose zu gestalten vermag. 

Der 1. Fall betrifft einen 39jäbrigen, nicht belasteten Zimmennann. Be^nn 
der Affection vor 3 Jahren mit Schwäche in den Beinen' und mit Nackenschmorzen. 
Allmähliche Progression der Erscheinungen. Die Dntersuchung ei^ebt keine Hirn* 
nervenerscheinungen, der Kopf liegt, nach vom gesunken, dem Brustbein an, kann 
wegen hochgradiger Schwäche der Nackenmuskolator nicht gehoben werden. Com* 
pletter Schwand der Muskolatur neben der Halswirbelsäule. Stemoeleidomastoidei 
fast vollständig geschwunden, die Schulterblätter nach vom gesunken, die ganze 
Scbultergfirtelmuskulatur hochgradig atrophisch, in ihr vereinzelte fibrilläre Zuckungen. 
Keine Atropbieeo im Bereiche des Vorderarms, die Handmuskolatur ist sehr gut 
entwickelt Nirgends am ganzen Körper Huskelhypertrophieen. Die Bew^lichkeit 
im Scboltergelenk hochgradig eingeschränkt, im Ellbogen*, in Hand- und Finger- 
gelenken nicht eingeschränkt Starke Kyphose der Brustwirbelsäule. An den unteren 
Extremitäten hochgradige Schwäche, aber keine Muskelatropbieen; Patellarrefiex sehr 
gesteigert Fussclonns. Biceps- und Tricepsreflex kaum auslösbar. Keine Störongeo 
im Bereiche der sensiblen Sphäre, keine Blasen-Mastdarmstörong. Die elektrische 
Untersuchung zeigt alle Abstufungen von einfacher Herabsetzni^ bis zom vollständigen 
Schwund der Beaction im Bereiche der atrophischen Muskeln, keine Entartongs- 
reaction. Vortr. spricht diesen Fall als spinalen an und wQrde ihn am ehesten als 
chronische Poliomyelitis auffasseo. 

Der 2. Fall betrifft einen 24jährigen, ebenfalls nicht belasteten Arbeiter (Seiden¬ 
weber). Beginn der Erkrankung vor 4 Jahren, angeblich nach Ueberanstrengnng 
beim Arbeiten (16—18stfindige Arbeit täglich). Zuerst trat Schwäche in den Beinen 
auf, welche besonders bei der Arbeit in Anspruch genommen waren, dann Schwäche 
in den oberen Extremitäten mit allmählicher Progredienz der Erscheinungen. 

Die Himnerven sind vollkommen frei. Die ganze Halsmuskulator, besonders 
die Stemoeleidomastoidei stark hypertrophisch, die eigentliche SchultergOrtelmnskulatnr 
äuaserst dürftig entwickelt, ebenso die Muskulatur beider Oberarme ohne bestimmte 
Bevorzugung einzelner Muskeln. Vorderarm und Hand relativ gut entwickelt Die 
Muskelatropbie betrifft auch die Bflckenmuskolatur, besonders stark aber die des 
Beckengürtels. An den unteren Extremitäten sonst kein Muskelschwund; der Patellar¬ 
refiex eben auslösbar, ebenso Biceps- und Tricepsreflex. Im Bereiche der atrophischen 
Muskulatur bemerkte Vortr. schon seit Monaten häufige fibrilläre Zuckungen. Die 
elektrische Untersuchung ergiebt in den atrophischen Muskeln einfache Herabsetznng 
der elektrischen Erregbarkeit; im Bereiche des M. supraspinatos sind die Zuckungm 
träge und warmförmig, aber die KSZ überwiegt. Die Sensibilität am ganzen Körper 
in allen Qualitäten intact Gang ziemlich gut, typisches Emporklettem des Kranken 
an sich selbst. 

Eine Excision aus dem atrophischen rechten Deltoides ergab, dass der Muskel 
nahezu vollständig von Fettwucherungen durchsetzt war. Die histologische Unter¬ 
suchung des excidirten Stückchens zeigte auffallende Grössenunterschiede der Muskel- 
fasern, sehr viele atrophische, wenige hypertrophische Elemente, sehr bedeutende 
Keravermehrung, aber ohne Anhäufung um die Geßsse. 


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Vortr. betont, dass in diesem Falle die Muskelknospen intact gefunden wurden 
und erörtert die Bedeutung dieses Befundes fOr die in Rede stehende Äffection. 
Trotz der fibrillären Zuckungen und der Veränderungen der elektrischen Erregbarkeit 
betrachtet Tortr. den Fall als Dystrophia musculornm. 


Sitzung vom 20. April 1898. 

(Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 19.) 

Sorgo demonstrirt Präparate von Oanglienaellen des Büokenmarks mit 
Färbung der Klsal’sohen Granulationen naoh einem neuen Verfahren. 

Vortr. hat gemeinsam mit Luitlen das Unna’sche polychrome Methylenblau 
zur Granulationsfärbung verwendet, und zwar in folgender Weise: Färbung der Schnitte 
durch 24 Stunden in der Farblösung bei Zimmertemperatur nnd durch kurzes Er« 
hitzen der Flüssigkeit bis zum Aufsteigen von Dämpfen, und verdünnte Glycerin- 
Aethermischung von Unna bis zur deutlichen Differenzirung, Uebertragen in absoluten 
Alkohol. Die Differenzirung erfolgt in ^ 4 —^Ird am besten am 
Objectträger voigeuommen. Aufhellung im Origanumöl. 

Die Färbung hat den grossen Vortheil, dass die Darstellung der Nissl’schen 
Granula nach jeder der gebräuchlichen Härtungsmethoden, auch nach Härtung in 
Mäller’scher Flüssigkeit, möglich ist; in letzterer können die Präparate 6—8 Wochen 
verbleiben. Ist die Zerkleinerung derselben eine genügende, wird die Flüssigkeit 
öfter gewechselt und findet vor der Weiterhärtung in Alkohol ein gründliches Aus- 
wässem statt, so lässt sich die normale, wie die pathologische Structur der Ganglien¬ 
zellen ebenso deutlich wie an Alkoholpraparaten zur Anschauung bringen. An ge- 
chromten Schnitten färben sich ausser den Zellen auch das Bindegewebe und dessen 
Kerne, sowie die Axencylinder. Die Einbettung erfolgt in Celloidin. Die Schnitte 
müssen möglichst dünn sein. 

Zappert sieht den Hauptwerth der Methode in der Möglichkeit, nach vor¬ 
heriger Härtung in MüUer’scher Flüssigkeit Ganglienzellenpräparate mit Nissl’schen 
Granulationen zu erhalten. Er frägt, ob nicht durch die Chromhärtnng die Ganglien¬ 
zellen Veränderungen erfahren, welche leicht zu scheinbar pathologischen Bildern 
führen. 

Vortr. bemerkt, dass er Controllnntersuchungen vorgenommen habe, welche dar- 
getban haben, dass sein Verfahren zuverlässig sei. Bei Verhärtung in Müller’scfaer 
Flüssigkeit empfehle es sich, immer mit polychromem Methylenblau und nicht nach 
der von Nissl angegebenen Methode zu färben. 

Kienböck demonstrirt eine grosse Zahl von Böntgen-Fhotographieen, unter 
anderen die Hand eines Akromegalen mit Verlängerung und Verdickung aller 
Knochen, eine weibliche Hand mit Asteoarthropathie hypertrophiante, bei 
welcher man besonders dentlich sieht, dass die Verdickungen dnreh Weichtheile- 
Verdichtung entstanden sind. Pfaotographieen von Händen Syringomyelitischer 
ohne wesentliche Verknöcherungen bei hochgradigen Veränderungen der Weichtheile. 


Sitzung vom 27. April 1898. 

(Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 19.) 

M. Steroberg: XTeber einige Beaiehungen awisohen Nenroaen und 
Örtliohen Erkrankungen. (Erscheint ausführlich.) 

V. Basch macht auf eine von ihm seit Jahren besonders bei Hysterischen 
beobachtete Bespirationsneurose aufmerksam. Die Kranken klagen über Athem- 
ooth ohne sobjectiven Grund. 


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Die Athrnnng ist sehr seicht und oberflächlich and wird zeitweilig durch erneu 
tieferen Atbemzng unterbrochen; es kann sich dadurch leicht Djspnoe einsteUeo. 

H. Schlesinger (Wien). 


K« k. Oeeellsohaft der Aente in Wien. 

Sitzung vom 21. Januar 1898. 

(Wiener med. Wochenschr. 1898. Nr. 4.) 

V. Friedländer und U. Schlesinger demonstriren einen Pall von operirten 
und geheiltena Hirntumor; derselbe war ein Gumma der Dnra mater. Die 
Vortr. sprechen Aber die Indicationen zum chirurgischen Eingriffe bei Hirii< 
Syphilis. (Der Fall wird in extenso in den „Mitthmlungen aus dma GrenigebieteD 
der Medicin und Chirnrgie" publicirt.) 

Ferner demonstrirt H. Schlesinger einen zweiten Fall, bei welchem vor 
8 Jahren ein Hirntumor operativ entfernt worden war. Der jetzt ca. 3öjäbrige 
Kranke acquirirte nach mehrfachen schweren Eopftranmen eine Jacksou’sche 
Epilepsie im 17. Lebensjahre, die auf Brommedication 6 Jahre lang cessirte. Duo 
neuerliches Auftreten derselben mit Zunahme der Zahl der Anf^le, welche stets mit 
Beugekrämpfeu der linken oberen Extremität begannen. Allmählich Parese der liokes 
Körperhälfte, am linken Scheitelbein eine emptindlicbe Stelle. Die seiner Zeit tod 
Prof. Albert vorgenommene Operation zeigte, dass, wie im ersten vorgestellten Falle, 
eine sehr bedeutende Knocbenverdicknng bestand. Entfernung eines wallnossgrossu, 
schwieligen Duraltamors, Himprolaps. Die nach einem Monate wieder auftreteDden 
Krampfanfälle schwinden nach Abtragung des Prolapses vollkommen. 

Gegenwärtig besteht Parese des linken Beines und des Unken Armes, namentlich 
der Finger. Die Sensibilität ist in allen Qualitäten mit Ausnahme der BerAhrnogs- 
empfindung anf der linken Körperhälfte herabgesetzt Besonders an den distaleo 
TbeUen der linken oberen Extremität Schmerz- nnd Temperatnr- sowie MoskelsisD 
geschädigt. Localisationsvermögen Unks hochgradig gestört; cerebellare Ataxie dtf 
linken oberen Extremität, Sebnenreflexe sehr gesteigert. 

Vortr. betont, dass man bei Abtr^ng von Duraltumoren entgegen der To^ 
Schrift mehrerer Chirurgen die angrenzenden Bindenschichten mö^ichst schonen soll, 
um dauernde Lähmung wenigstens in einem Theile der FäUe zu vermeiden. 

Ferner berichtet der Vortr. Aber einen dritten Fall von operirtem Hirntumor. 
Ueber denselben ist bereits (Neurolog. Centralbl. 1895. S. 702) referirt. 

Der weitere Verlauf des Falles ist folgender: Der temporäre Erfolg, welcher 
nach Eröftiung des Schädeldaches sich eingesteUt hatte, blieb noch durch mahiw« 
Monate erhalten. PaL konnte das Spital verlassen und seinem Bemfe nachgehcD, 
die Lähmungen gingen bis zu einem gewissen Grade zurAck. Der Kopfschmen 
schwand vollständig, die Stanungspapille bildete sich zurAck; dann trat neuerhch 
eine rapide Verscblimmerong des Zustandes anf, die Lähmungen steigerten skh 
wieder, der Kranke wurde benommen und ging einige Wochen, nachdem die Symptomo 
sich verschlimmert batten, zu gründe. Da bei der elektrischen Beiznng der Hirn¬ 
rinde die gleiche Körperhälfte gezuckt hatte, war angenommen worden, dass ein so 
mächtiger Tumor vorliege, dass die Pyramidenbahneu vollständig unterbrochen wären 
und die contraloterale Hemisphäre durch starke Stromscbleifen gereizt werde. 

Die Nekroskopie zeigte, dass die ganze rechte Hemisphäre durch ein riesiges 
Gliosarcom ersetzt war, welches auch die ganzen Bindenabschnitte in der Gegend 
der Centralwindungen inflltrirt batte. Die mikroskopische Untersuchung zeigte eine 


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absteigeode Degeneration, nur war das absteigend degenerirte Areale nnterbalb der 
Pjramidenkreuzung im Pyramidenseitenstrage kleiner als in der Norm. Die Pyramiden* 
kreoznng war gat entwiokelt. 


Sitznng vom 4. März 1898. 

(Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 10.) 

A. Biedl demonstrirt zwei Gehimpr&parate, welche die Ansicht Spina’s be¬ 
weisen sollen, dass in den Gebieten des verlängerten und des Halsmarkes ein vaso- 
oonstrlotorisobes Centram f&r die oerebralen Oefltsse gelegen sei. Die 
Zerstbrung dieser Centren hat bei gleichzeitiger mächtiger Blatdmcksteigemng (z. 6. 
durch Injection von Nebennierenextract) eine starke Ueberrflllnng des Gehirns mit 
Blut znr Folge, durch welche blosgele^e Himtheile sich röthen and ihr Volnmen 
derart vergrössem, dass dieselben ans einer kflnstlicb angebrachten Oeffnnng im 
Schädel mächtig hervorqaellen. Eines der demonstrirten Präparate entstammte einem 
Versuche, in welchem an einem schwach curarisirten Thiere nach Setzung einer 
Trepanlflcke am Schädeldach eine Dorchtrennung der Mednlla oblongata vorgenommen 
und Nebennierenextract injidrt worden war. In der folgenden Minute gelangte unter 
den Augen der Beobachter eine kugelige Hervorwälbung zur Entwickelung, welche 
am Präparate flxirt wurde. 

Das zweite Präparat ist das Gehirn eines ungefähr gleich grossen und gleich* 
alterigen Hundes, welches in allen Dimensionen bedeutend grösser ist als f^her; die 
einzelnen Gyri sind um Vieles breiter, das ganze Gehirn dunkelbrannroth geftrht, 
mit Blut imbibirt Bei diesem Versnche wurde das Schädeldach vollkommen ent* 
femt, die Dura eröffnet und abgetragen, so dass die nach 2ier8törung des Vaso* 
constrictorencentrums ond der folgenden Blotdrucksteigerung eingetretene Volums* 
Vermehrung im ganzen Gehirn in Erscheinnng treten konnte. Die Ursache der 
Volnmsvermebrung ist in der starken Hyperämie und in den Blotnngen in die 
Gebimmasse gelegen. 

R. Hitschmann stellt einen Kranken mit einseitiger neurotischer Sehnerven¬ 
atrophie, Infirsorbltalneuralgie und subjectiven Ohrgeräusohen ln Folge 
eines Aneurysma oirsoideum vor. 

Der 66jährige Kranke bemerkte seit 2 Jahren Abnahme des Sehvermögens am 
rechten Ange. Die Untersuchung ergab nenrotische Atrophie des rechten Sehnerven 
und das Vorhandensein eines Angioma arteriosum racemosum der Schädeldecken von 
sehr bedeutendem Umfange; Ober die Ursachen der Entstehung desselben ist nichts 
zn ermitteln. 3—4 Monate vor dem Anfänge der Sebstörung trat Ohrensausen von 
rythmisehem Charakter am rechten Ohre auf; normaler Ohrbefund. Gleichzeitig mit 
den Ohi^eräusehen traten Sobmerzen im rechten Unterkiefer, dann im rechten Ober* 
kiefer anf, die anfallsweise kommen und blitzartigen Charakter haben. Nur ganz 
geringe Sensibilitätsstörungen im Bereiche des rechten Trigeminus, keine Druck* 
empfindlichkeit desselben; sonst keine Hirnnervenerscbeinungen. 

Vortr. meint, dass sich die ganzen Erscheinungen durch Ge^sverändernngen 
im Bamificationsgebiete der Carotis externa genfigend erklären lassen (Affectlon des 
Sehnerven und des N. infraorbitalis durch Druck seitens der erweiterten A. infra* 
orbitalis, das rytbmische Geräusch durch aneurysmatiscbe Erweiterung der A. auri* 
cularis profanda and der Ä. tympanica. 

H. Schlesinger (Wien). 


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IV. Vermisohtes. 

Za der am 22. und 23. Ootober d. J. in Dreeden Btattfindenden IV. Ver¬ 
sammlung mitteldeutscher FsyoMater und Neurologen beehren eich die anter- 
zeiehneten Oeschäftef&brer eigebenst elDzaladen. 

SoDDabeod, den 22. Ootober, von 8 Uhr Abends an: Qeeellige Veteinigang im „Hotel 
da Nord“. 

Sonnte, den 23. Ootober: I. Sitzane: 9 Uhr Vormittags; IL Sitinng: 1 Uhr Nach¬ 
mittags, beide im Sitznogssaale des Königl. Landes-Medicinal-CoUegiam, Zeoghansplatz 3, L 

Gemeinsames Mahl: 4V> Uhr Nachmittags im „Earopäischen Hof". 

Tages-Ordnung: 

1. Herr Weber (Sonnenstein): Ueber die Äofnahme tob Bestimmongen öber Te^ 
minderte Zorechnaogsßhigkeit ins Strafgesetzbach. — 2. Herr Windscheid (Leip&g): Dag 
Vorkommen und die Bedentong der sograannten Orarie. — 8. Herr Vogt (Berlin): Zu 
Psychopathologie der Hysterie. — 4. Herr Oppenheim (Berlin): Nerrenkrankheit and 
LeotOre. — 5. Herr Hnoha (Lindenhof): Bemerkungen zor Lehie Ton der Katatonia - 
6 . Herr Banniger (Sonnenstein); Ueber Sprachstörungen bei Katatonie. — 7. Herr MSbins 
(Leipzig): Ueber die Operation bei Blorbus Basedowii. ~ 8. Herr Friedländer (Jena): 
Neue ErfahruDgen öber die Anwendung von Bakterien^ften bei Psychosen. —- 9. Herrlfar- 
gulids (Prag): Ueber die BorenannM Pseudodipsomanie Legnun'a — 10. Herr Näeke 
(Unbertusbuig): Die sezuellen Perversitäten in der Irrenanstalt — 11. Herr Ilberg (Sonnen- 
stein): Hirngewichtsveränderungen bei Dementia paralytica. —12. Herr L&hr mann (Drttden): 
Die Vortäu^ung verschiedener Krankheiten durch Hj’sterie. — 18. Herr Strubell (Jeu): 
Syphylis und Saroom der Rfickenmarksbäute. — Herr Ganser (Dresden); Uebü nenn- 
stbenische Geistesstörung. 

Es ist erwönscht, dass die Vorträge nicht öber je 20 Minuten, die Bemerkungen in da 
Besprechung nicht öber je Ö Minuten dauern. 

Anmeldungen zu weiteren Vorträgen werden -baldigst Anmeldungen zur TheilnahBe 
am gemeinsamen Mahle (Gedeck 4 Mark) werden bis zum 20. d. Mts. an den I. Geschifb- 
führer [Ganser (Dresden)] erbeten. Die Herren Tbeilnehmer werden in der Lage srin. dk 
Abendschnellzöge ln der Bichtang Berlin (7 Uhr 8 Min.) und Leipzig (7 Uhr 18 Min) za te- 
nntzen. 

Als Absteigequartiere werden empfohlen: Europäischer Hot Union-HöteL Hötel Coo- 
tinental, Hötel dn Nord, Kaiser Wilhelm-Hotel, Stadt Gotha. 

Um Weiterverbreitung dieser Einladung wird gebeten. — Gäste sind willkommen. 

Dresden, im October 1898. 

Die Gesohäftsföhrer: 

Ganser (Dresden). Pierson (Lindenhof). 


V. Personalien. 

Unser verehrter Mitarbeiter Herr Dr. Lewald, bisher leitender Arzt der Anstalt is 
Kowanöwko, hat am 1. October d. J. die Leitung der von ihm erworbenen Heil- und Päeg^ 
Anstalt för Nerven- und Gemötbskranke in Obemigk bei Breslau Obemommen. 


VX. Beriohtigui^. 

In Nr. 19 d. Centralbl,, 8. 894, Zeile 22 von oben, liess: „fächerartig“ statt fuebeD- 
artig; Zeile 29 von oben lies-. „Minuten“ statt Monate. 


Um Einsendung von Separatabdröcken an den Herausgeber wird gebeten. 

Einsendungen för die Bedaotion sind zu richten an Prof. Dr. E. Mendel, 
Berlin, NW. Schiffbauerdamm 18. 

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Eiectro- n. Pneumatotherapie, Gymnastik, Massage, Diätkuren. Dr. Paal Hennings. 

in Obernigk bei Breslau. 
Sanatorium f. Nerven- «.“innetÄ:) 

Hydro-Kleftrotherapie, Massage, electr. Zweizelleubäder, Sandbäder, Hiätkuren tit, 
ConipensaloriHChe Uebiingstlierapie bei Tabesdorsalis otc. 

(Apparate nach v. Leyden u. Jacob.) 

■ Das ganse Jahr hindurch geöffnet — 

Grotser Park. Wald in unmifielharer Xvä^e. Mä4itige PreUf. 

Dirig. Arzt: Dr. L. Mann, Privatdocent f. Nervenheilkunde in Breslau. 
AnstJiltsarzt: Dr. Kuhn (wohnt in der Anstalt). 


Dr. W. Balser’s Sanatorium Koppelsdorf 

bei Sonneberg in Thüringen. 390 Meier über dem Meer. 

Behaglich eingerichtete, dicht am Walde gelegene, das ganze Jahr geöfiEbetc, familiäre 
Anstalt für Beconvalescenteti, Erholungsbedürftige, Blutarme und Nervenkranke. 

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Villa Emilia 

zu Blankenburg im Schwarzathal (Thüringen) 
Heilanstalt für Nervenkranke 


Dr. Warda, 


(früher SanitStsrath 0r. Bindseil) 
ist das ganse Jahr geöffnet. 
ehemaU L Assisteozarat von Herrn Hufrath ProfeMor 


Dr. Btnswaagor in Jena. 


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Haus Rockenau bei Eberbatb am Neckar (Baden). 

Heilanstalt für 

Alcoholkranke n. Morphiumkranke 

der besseren Stände. 

Prospecte sowie nähere Auskunft durch den Beeitxer und dirigireuden Arzt 
t>r. C. Fftrer, vorm. Assistent von Herrn Prof. Krlpslin in Heidelberg. 


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LrbolungibedttrfUge, Nervenleid., cbron. Kranke. dUt Kurt-n all. Art. (Longeu- 
schwinds. u. Geistcekr. ausgcschL) Sftmmd. Hcilfact d. Wis-wnscb. Pr»tp. gr. 
Dr. med. Fischer) Besitzer. Dr. lued. liUlirinaiiii, Nervpnai7.t. Bresdrn A. 

Dr. Kothe’s Sanatorium Friedrichroda 

für Nervenkranke und Reconvalvscenten, 

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Dr. Putzar’s Kurhaus Bad Königsbrunn 

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I = Müdes Wssserbeü- und Kurverfahren. >- Vorzügliche Verpflegung. = 
I I>aH ganze Jahr hindurch geöffnet. 

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Spectalanstalt für Alkohol- und Morflumkrankar i 

Prospecte kostenfrei. Z>r. Ji» li&m&o ' | 















lEüliOLOftlSCriES Centralblatt. 

Uebersicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie 
und Therapie des Nervensystems einschliesslich der Geisteskrankheiten. 

Heraosgegeben von 

Professor Dr. E. Mendel 

Siebzehnter n Btriia. Jahrgang. 

UoQatlioh erscheinen zwei Nummern. Preis des Jahrganges 24 Mark. Zn beziehen durch 
alle Buchhandlungen des In- und Auslandes, die Postanstalten des Deutschen Reichs, 
sowie direct Ton der Verlagsbuchhandlung. 


1898. 


1. November. 

Leipzig, 

Verlag von Veit & Comp. 

1898. 


Nr. 21. 


iZJör ANKÜNDIGUNGEN. 


Assistenzarzt, demnUcbst oder zum 1. Jan. 1899 gesucht bei der 
sthdi. Irren-Anstalt zu Frankfurt a. M. 

Gehalt 1200 p. a. und freie Station. Meldungen an den Director. 


Am hiesigen stSdtischeii Irrenhanse in Breslan ist die Stelle eines 

Volontairarztes 

alsbald zu besetzen. 

Gewährt wird freie mdblirte Wohnung, Heisnng und Bedienung. 

Der IMIufii'lstrn.t. 


. . —»—» MW —» — 

An leitende Stellung in eine Nervenheilanstalt im Harz wird ein Arzt f 
mit psychiatrischer Vorbüdung gesucht. Bewerber mit Capitaleinlage be- | 
vorzttgt. Offerten unter A. D. 293 befördert Rudolf Mosse, Magdeburg. | 

.. . .. 


Ad der Provinzial-Irren-Anstalt zu ITietleben bei Halle a, S., ist die 
Stelle des 

VoloiAtararzte» 

ztmi 1. November d. J. zu beeetzen. Jahresgehalt 600 Mark bei freier Station 
I. Klasse (voraussichtlich weitere 6U0 Mark Remuneration). Bewerber wollen um¬ 
gehend ihre Meldungen nebst Approbation, Dissertation, Lebenslauf und eventuell 
ZeagDissen an den Unterzeichneten Director eiusenden. 

Nietieben, den 17 . Outober 1898 . SaJlitätsralh Dr. Fries. 


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Villa Emilia ^ 

ZU Blankenburg im Scbwarzathal (Thüringen) t 

Heilanstalt für Nervenkranke l 

(früher SanitÄtsrath Dr, Btndseil) c 

ist das gaiute Jahr geöfifuet. r 

TIt* obenial« 1. Asaütenzant von Herrn Hofratfa Professor E 

MJl . fT «AI Ua, Pr, Binswanger in Jona. fe 

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Dr. Gierlich’s 


Dr. W. Balser’s Sanatorium Köppelsdorf 

bei Sonneberg in Thüringen. 390 Meter Über dem Meer. 

Behaglich eingerichtete, dicht am Walde gelegene, das ganze Jahr geöffnete, famiiilK 
Anstalt für Beconralescenten, Erholungsbedürftige, Blutarma und Nervenkranke. 


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0 tismus, Nervenleiden, Yerdaunngsstorungen etc. 0 

S Leitender Arzt: Dr. E> Poensgen. S 


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Jeberslcht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie 
und Therapie des Nerven^ems einschliesslich der Geisteskrankheiten. 

Heraasgegeben von 

Professor Dr. E. Mendel 

Siebzehnter ” Jahrgang. 

Monatlich erscheinen zwei Nnmmem. Preis des Jahrganges 24 Mark. Za beziehen dorob 
le Bnchhandlangen des In* and Aaslandes, die Postanstalten des Deatscben Seichs, sowie 
direct ron der Verlagsbachbandlnng. 

IQ jö . ^^OTömber. Nr. 21. 

Inhalt: I. Orlglnalmltthellungen. 1. Keae Untersachongen über die Markbildnng in 
m menschlichen Grosshimla^en, von Prof. Dr. Paul Flechaig. 2. Die Seifang der Leitangs* 
ihnen im Thiergebim, von Dr. DOIIken. 3. Die Phylogenese des Pyramidenvorderstranges, 
»n Dr. G. Blkeles. 

M. Referate. Anatomie. 1. Ueber die Stirnnabt and den Stimfontaaellknoohen beim 
enschen, von Springer. 2. Contribato allo stndio anatomo-fisiologioo dei centri dei nervi 
alomotori dell’ aomo, per Panegrossl. 3. Contribato allo stadio dei nncleo dei n. faciale 
II aomo, per Pardo. — Experimentelle Physiologie. 4. 6eiti%e zur Kenntniss der 
^mphcircolation in der Grosshimrinde, von Blnswanger and Berger. 5. üeber tetanas* 
ititoxiscbe Eigenschaften des normalen Centralnervensystems, von Wassermann und Takikl. 

Ueber die psychischen Wirkungen des Hangers, von Welgandt. — Pathologie des 
ervensystems. 7. Om propagation med nervös opticas af Sarkomes, opstaede iodenfor 
Ibas ocoli, af Melsling. 8 . Een geval van spheno-lordose ten gevolge van kanstmatige 
sedelmisvorming. Akad. proefscbr. door Folmer. 9. Ein experimenteller Beitrag zur Frage 
r peripheren degenerativen Nenritia bei Tabercolose, von Hammer. 10. Zar Lehre von der 
ihtischen Nenritns, von Epstein. 11. Pressure nenritis caosed doring sorgical operations, 
Pershing. 12. Ueber einen in ätiologischer Beziehnng unklaren Fall von Polynearitis 
ronioa mit spinalen Veranderangen, von Winkler. 13. The diagnosis and treatment of 
dtiple nearitis, by Allen. 14. Käckenmarksveränderangen bei mnltipler Neuritis der Trinker, 
9 Melibronner. 15. Ueber Nearitis gonorrhoica, von Naunyh. 16. Ueber alkoholische Para* 
e and infectidse Nearitis multiplex, von Tlling. 17. Die Beri'Beri-Krankbeit, von Dinkler. 
. Ein Fall von Lepra anaestbetioa mit Sectioosbefnnd, von Samglni 19. Znr Lehre von 
’ Lepra; Contagion and Heredität, von OUring. 20. Ueber die Behandlung der Lepra auf 
1 Fidschi-Inseln, von LewIn. 

Hi. Aus den Gesellschaften. Versammlung deotsober Natnrforsober und Aerzte zu 
sseldorf am 19. und 20. September 1898. 

IV. Bibliographie. Allgemeine Elektrotherapie, von Dr. Leopold Laquer. 

V. Mlttheiiung an den Herausgeber. — VI. Vermischtes. 


1. Originalmittheilungen. 

Neue Untersuchungen über die Markbildung in den 
menschlichen Grosshirnlappen. 

Von Prof. Dr. Faul Fleohaig. 

Ich habe durch Untersuchung einer grösseren Anzahl früher von mir nicht 
ücksichtigter Entwickelungsstadien einen betrachtlidien Theil der Lücken aas¬ 
en können, welche in Bezug auf den zeitlich-örtlichen Gang der Markscbeiden- 

62 


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978 


bildüng noch verblieben waren und verfüge nunmehr über Befunde an 48 Hemi¬ 
sphären, welche insgesammt 28 Gehirnen augehöreu. Es sind fast alle Alters¬ 
stufen vertreten, vom 7 monatlichen Fötus bis zum alten Kinde. Die 

hierbei zum Theil neu gewonnenen Resultate sind folgende: 

1. Die Entwickelung der Markscheiden folgt in den Grosshirnlappen io 
räumlich-zeitlicher Hinsicht denselben allgemeinen Gesetzen, wie in Kückenmark, 
Oblongata, Kleinhirn, Mittelhim.^ 

2. Das Fundamentalgesetz lässt sich etwa so formuliren, dass gleichwerüiige 
Fasern annähernd gleichzeitig Markscheiden erhalten (nur mit der Einschränkung, 
dass Collateralen ausnahmslos später sich entwickeln als die Stammfasem), ver- 
schiedenwerthige Systeme in gesetzmässiger Reihenfolge sich ausbildeu. 

3. Hieraus geht hervor, dass Fasersysteme, welche zeitlich grosse Unter¬ 
schiede zeigen (z. B. Radiarfasem der 2. Parietalwindung [29, Fig. 1] und der 
hinteren Gentralwindung um 3 Monate und mehr) nicht von übereinstimmender 
Bedeutung sein können. 

4. Das Fundamentalgesetz tritt am schär&ten hervor an Frühgeburten, 
welche relativ lange Zeit gelebt haben, z. B. 7monatlichen Föten, welche 1 bis 
2 Monate alt geworden sind. 

Hier tritt auch der anatomische Charakter der sich sondernden Faserzüge 
am deutlichsten in die Erscheinung, deutlicher als bei reifen todtgeborenen 
Früchten. 

Meine bisherigen Mittheilungen über die Sinnesleitungen gründen sich ganz 
wesentlich auf die Untersuchung von Frühgeburten mit längerer Lebensdauer.' 

5. Die Neubildung in den Grosshirnlappen b^nnt 2Vt—3 Monate vor 
der normalen Geburt, bezw. vor der Reife. Die ersten Systeme sind die 
„Schleifenstrahlung“ und der Tractus olfactorius, also zweifellos sensible 
Leitungen; zerstreute markhaltige Fasern finden sich daneben nirgends in 
den Grosshirnlappen. 

Untersucht man ältere Früchte, so kann man leicht zu der Ansicht ge- 
lai^n, dass auch Associationsfasem sich gleichzeitig mit jenen Projections&seni 


' Dieser Satz ist eigentlich selbstverständlich; ich hebe ihn hier nor hervor, weil ntas 
nenerdings von verschiedenen Seiten her den Versneh gemacht hat. den Ablauf des Proeesee« 
als regellos hinzostellen. Ungenflgendes (wichtige Entwickelnngsstadien nicht enthaHend«) 
Material, schlechte Präparate und Dufähigkeit, sieh im verwickelten Ban des Hirns znrecht* 
znflnden, nicht aber Qesetzlosigkeit der Natur sind die eigentlichen Ursachen solcher An- 
schanongen. 

* Es liegt hier offenbar das Gegenstfick zu den OcDDur’schen fixpeiimenten vor, die 
Sinnesoi^^e neugeborener Tbiere ausser Function zu setzen und hierdurch die Entwickelnsg 
der zugehörigen Leituogsbahnen zu hemmen. Vorzeitige Function wirkt demgegenfiber 
besonders stark beschleunigend — soweit ich sehe — im Wesentlichen auf die eigenÜkbeB 
Sinnesleitungen (ProJectionssjstenie), nicht so sehr auf die Associationssysteme. Ich habe 
solcher Frühgeburten im Ganzen 10 untersucht, wovon 5 im Alter von 7—T'/i Monatea. 1 
von 8 '/i> I von O'/t nnd 8 , welche ohne specielle Angabe des Alters einfach als ,.FVäh- 
gebürten“ bezeichnet sind — reifgeborene Kinder im Alter von 4 Tagen bis zu 2 Monaten 7, 
&ber 2 Monate bis IV 4 Jahr 11. 


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979 


entwickeln. Bei soi^iUltiger Berücksichtigung des Alters kann ein solcher Irr- 
thnm nicht aufkommen; er beruht auf leicht vermeidlichen Beobachtungsfehlem. 

Die Markeutwickelung in der Rinde beschränkt sich von vorn¬ 
herein auf ganz distincte Stellen; die übrigen Abschnitte sind ganz 
frei, aneh von ganz vereinzelt verlaufenden markhaltigen Fasern. Das 
Weiterschreiten erfolgt felder- bezw. bündelweise, 

6. Die Rinde zerföllt so entwickelungsgescbicbtlich in eine grosse Anzahl 
besonderer Zonen, welche ich hinfort als „entwickelungsgeschichtliche 
Rindenfelder“ bezeichnen werde. Es sind transitorische Erscheinungen von 
dauernder Bedeutung; jedes Feld ist durch eine besondere Entwickelungszeit 
seiner Nervenfasern au^ezeichnet und jedem einzelnen kommen Besonderheiten 
in Bezug auf die leitenden Verbindungen zu. 

Die Zahl dieser Felder ist weit grösser als ich früher annahm, 
die (rliederung der Rinde eine viel feinere, die örtlichen Unterschiede viel zahl¬ 
reicher. 

Ich unte^heide jetzt vierzig entwickelungsgeschichtliche Rindenfelder, 
während ich früher nur 9 (5 Sinnes- und 4 Associationscentren) nachweisen 
konnte. Die Vermehrung ist hauptsächlich bedingt durch eine weitere Zer¬ 
legung meiner Associationscentren und das Auffinden zweier weiterer 
Sinnescentren. Ich halte aber die Zahl 40 noch nicht für definitiv, da es sich 
uothwendig erweisen könnte, gelegentlich mehrere zusammenzulegen, bezw. neue 
abzugrenzen. So lange ich hierfür triftige Gründe nicht habe, verbleibe ich 
zunächst bei dieser Zahl, welche sich aus den Untersuchungen unmittelbar er¬ 
geben hat. Offenbar ist der Reichthum der inneren Gliedemng viel grosser, als 
man es sich bisher überhaupt vorgestellt hat. 

Der Him-Anatomie ist mit diesen Feldern ein fester Halt für weitere Unter¬ 
suchungen gegeben, da es sich, wenigstens zumeist, um natürliche, nicht künst 
liehe Trennungen handelt Für einen Theil derselben lässt sich schon jetzt 
die Bedeutung als besondere Functionsgebiete nachweisen, wie ein Blick auf 
Figg. 1 und 2 zeigt Deckt sich doch Feld Nr. 1 mit der motorischen Zone 
Chaecot’s, Feld Nr. 5 mit der Sehsphäre, wie sie Vialet richtig abg^enzt 
hat, u. A. m. Von allen Feldern ist die Eigenschaft als besondere Functions¬ 
gebiete der Rinde, als Bindenorgane (etwa gar im Sinne Gall’s) nicht zu er¬ 
weisen; wenn hierfür überhaupt die Zahl derselben verdächtig gross erscheint, 
so muss doch betont werden, dass weitaus die meisten Grenzlinien, welche Fi^. 1 
und 2 andeuteu, als typische fötale Markgrenzen, d. h. als Grenzlinien markhaltiger 
und zeitweilig marklöser Gebiete aufzufassen sind, welche nicht rein zuföUige 
einmalige Befunde darstellen, sondern über eine gewisse Entwickelungsperiode 
persistiren. Jedenfalls hat vorläufig die grosse Zahl den Nutzen, den Gang der 
Markentwickelung bis ins Einzelne darzustellen, während die von mir früher 
abg^enzten Associationscentren zu umfänglich sind, um hier klare Vorstellungen 
zu gewähren. Auch macht eine nähere Untersuchung der Säugethierhime, ins¬ 
besondere mittelst der snccessiven Markbildung (vgl. unten die betreffenden 
Mittheilungen des Herrn Dr. Döllkbn), es sehr wahrscheinlich, dass die Rinden- 

62 * 


^ ...i oyGoogIc 



980 



felder, mit wenigen klar nachweisbaren Ansnahmen^ in der Thierreihe (phylo- 
genetisch) sncceesiv heirortreten in derselben Reihenfolge wie am menschlichen 



Fig. 1 meoscbliches Gehirn von aoBsen, Fig. 2 von mnen unten. Die Nommem beteichnee 
die Reihenfolge, in welcher die Rinde niarkbaltige Faeerbündel in geschloeBener oder mehr 
zeratrentcr Form erkennen lässt. Die Bochstsben dienen znr Harkimng besonderer Ab¬ 
schnitte in ein nnd demselben Feld, Ober deren Bedentnng erst nein ansfhhriiohee Wert 
Mittheilangen bringen wird. Nr. 26. 26*. 26*’ bilden ein einziges .iRindenfeld*^, des¬ 
gleichen Nr. 38, 33 o. B. w. 


:vr:.yGOOglC 




981 


Fotos und Neugeborenen. Hier erschliesst sich der vergleichenden Anatomie 
ein Feld, welches an Fruchtbarkeit, wie mir scheint, mit jeder anderen Methode 
wetteifern kaniL 

Ich theile die Felder nach der Entwiokelungszeit in drei Gruppen ein; 
diese Gruppen geben in einander über und bilden streng genommen eine Reihe, 
da grössere Pausen zwischen Gruppe 1 und 2, 2 und 3 nicht nachweisbar sind. 
Die Eintheilung ist besonders vergleichend anatomisch von grossem Interesse. 

a) Primordialgebiete, schon vor der Reife sich r^elmässig ausbildend 
(1—8, Figg. 1 und 2). 

b) Intermediärgebiete, bis 1 Monat nach der völlig reifen Geburt mit 
der Markentwickelung b^innend (9—32). 

c) Terminalgebiete, später als 1 Monat nach der normalen Geburt 
Mark bildend (33—40). 

Die Frimordialgebiete decken sich sämmtlich mit Sinnescentren meiner 
älteren Eintheilung. Die Terminalgebiete ausschliesslich mit Theilen (den Central¬ 
gebieten) meiner Associationscentren. Die intermediären Gebiete sind theils 
Sinnescentren, theils Associationscentren. 

Die Markbildung in den Tenninalgebieten setzt 47^—4 Monate später 
ein7 als die in den Primordialgebieten. Die letzteren sind schon überwiegend 
markbaltig, bevor in den Terminalgebieten auch nur eine^ markhaltige Faser 
nachweisbar ist. 

Die Sinnescentren zerfallen also in primordi^e und secundäre. 

* Abgesehen von pathologischen Entwickelnngsverhältnissen, worQber in der Folge 
mehr. Gesetzmässige Beziehungen lassen sich naturgemäss nur an einer grossen Reihe 
gleichalterigef Individuen gewinnen. Ich bin in der glöcklichcn Lage. z. B. über 8 annähernd 
gleichentwickelte Fröhgeburten von etwa T’/t Monat und vier 7 Wochen alt gewordene reif- 
geborene] Individuen zu verfQgen, und es zeigen sich hier Variationen von weittragender 
Bedeutung. 

* Ich habe die ersten markbaltigen Fasern in den Terminalgebieten Nr. 38—40 bei 
7 Wochen alt gewordenen, angeblich reifgeborenen Kindern gefunden. Wenn Herr 
SmcsBLiNO (nach dem Referat io der letzten Nummer d. Ceutralbl. S. 962) behauptet, in 
den Veratandescentren seien schon von vornherein eine respectable Menge von Projections- 
fasem naohweisbar, so ist dies eine so plumpe Entstellung des Tbstbestandes, dass ich sic 
kaum noch mit einer äusserst flüchtigen üntersuchnng und mangelnder Orientirungsiahigkeit 
in Zusammenhang bringen kann. Von meinen Gehirnen zeigen die 6 jüngsten ausnahmslos 
in lückenlosen gntge&bten S^hnittreiben auch nicht eine einzige markhaltige Faser, 
geschweige denn „Projeotionsfasem in respectabler Menge“ ausserhalb der Primordialgebiete. 
Nackte Axencylinder sind hier natürlich schon lange vorher angelegt, aber um diese handelt es 
sich ja gar nicht. Nach dem Referat zu schliessen, beginnen SiBUBULmo’s Uatersachungen mit 
einer Entwickelungsstufe, welche etwa 2*/*—2 Monat nach Beginn der Markbildung im 
Stabkranz erreicht wird. Alle Anfangsstadien bat er demnach ausser Acht gelassen, alle 
die Stadien, wo Ober den Charakter der markbaltigen Fasern (als centripetale Projections- 
fasem) ein Zweifel gar nicht anfkommen kann. Oder sind nach Herrn Sishbbluto etwa 
der Tractus ol&otorins and die Schleifeobahn auch „vielleicht“ nur Projectionssysteme? 
Ich würde mich nicht wundem, auch einen solchen Aosepruch von ihm zu hören; denn 
falls das Referat richtig ist, stehen seine Anschauungen Ober den Himban keinesfalls 
auf einer höheren Stufe. Wie mag wohl ein Intellect beschaffen sein, der sich nach den 
VorateUongen des Herrn Sibkekudg entwickelt? 


DiQ'iii’od 


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982 


Primordiale Sinnescentren sind: die Gentralwittdungen (besonders die hin¬ 
tere), die Lippen der Fissura calcarina und die 1. Occipitalwindung, Gyruü 
uncinatus und innere Riechwindung, Ammonsbom, Subiculum oomu Ammonk 
Oyrus fomioatus (besonders das mittlere Drittel) und die Querwindungen des 
Sohläfenlappeos. 

Terminalgebiete unterscheide ich ebenfalls acht; sie vertheilen sidi ins¬ 
besondere auf die 1. und 2. Stirnwindung, die untere Parietalwindung, die 2. 
und 3. Schläfenwindung und ein Stück des Gyrus fornicatus. Se sind die¬ 
jenigen Rindenalrachnitte, bezüglich deren das menschliche Gehirn sich am 
meisten von dem der Anthropoiden unterscheidet. Sie sind auch wesenükh 
formbestimmend für den menschlichen Schädel (unter dessen Höckern sie ge- 
l^n sind). Die 3. Stimwindung gehört nu^ends zu den Tenninalgebieten. 

Die Intermediärgebiete entwickeln sich in der Periode zwischen den Pri¬ 
mordial- und Terminalgebieteu. Beim reifen Kinde sind sie zum Tbeil bereits 
markhaltig, doch vermisse ich hier ganz regelmässige Befunde, vielleicht nur, 
weil die genaue Altersbestimmung der betreffenden Früchte nicht immer gelang. 
Die zuerst entwickelten Intermediäi^ebiete sind sämmtlich Sinnescentren („secnn- 
däre Sinnescentren“), die späteren nenne ich „Bandzonen von Sinnescentren“. 
Letztere liegen immer je einem Sinnescentrum an, mit welchem sie besonders 
innig verknüpft sind, während sie directe Verbindungen mit mehreren Sinnes- 
centren nicht sicher erkennen lassen, wenn schon solche nicht sidier aus¬ 
geschlossen sind. Projectionsfasem kommen in den Bandzonen vereinzelt vor,also 
weit spärlicher als in den Sinnescentren, und sind, wie mir scheint, auch znebr 
individuellen Schwankungen au^esetzt; die Mehrzahl derselben ist oorticofiigaler 
Natur. Secundäre Sinnescentren sind der Fuss der 1. Stimwindung (Nr. 9), der 
orbitale Tbeil der 3. Stirnwindung (Nr. 10), der Fuss der 3. Stimwindung (Nr. 12). 
der Gyrus subangularis (Nr. 13) u. a. Bandzonen sind das hintere Drittel der 
1. Temporalwindung (Nr.23), das vordere Drittel (Nr. 21), Nr, 29, Nr. 22 u.am. 

Die 1. Stimwindung zerfallt in vier entwickelnngsgeschichtlidie Bindeo- 
felder, die 3. in drei In der 3. Stirnwindung bildet die Pars triangularis in 
Bezug auf die Markentwickelung eine von der Pars orbitalis und opercolahs 
scharf geschiedene Abtbeilimg; die Pars triangularis gehört zu den spätreifendeD 
Intermediärgebieten, die Pars orbitalis schliesst sich den primordialen Sümes- 
centren dicht an. 

Die 2. Parietalwindung zerfällt in 4 Felder, ein vorderstes kleines im Oper- 
culum gelegenes (Nr. 15) secundäres Sinnesoentrum, ein hinteres, den lieber- 
gang zur 2. Occipitalwindung vermittelndes (Nr. 22), ein dem mittleren Drittel 
der hinteren Centralwindung anliegendes, welches den Gyrus supramargin^' 
grösstentheils bildet (Nr. 29) und das Scheitelhöckerläppchen (Nr. 39). Nor 
letzteres ist Terminalgebiet, doch entwickelt sich auch Nr. 29 erst kurz vor den 
Terminalgebieten. 

Nr. 22 und 29 sind allem Anschein nach im Gyrus angularis niederer 
Affen vorhanden, bei den Anthropoiden, ist nach makroskopischen Vergleichen ZQ 
schliessen, Nr. 29 sehr erheblich ausgeprägt Nr. 39 bing^en fehlt entweder 


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983 


ganz oder ist uur rudimentär angelegt. Den Uebergang vun Feld Nr. 22 zu 
dem mittleren Tbeil der 2. Temporalwindung (Uieils Randzone der Hörspbäre 
Nr. 25) bildet ein Windungsabscbnitt (Nr. 33), welchen ich im Gehirn der 
Anthropoiden gleichfalls vermisse. An schlecht entwickelten menschlichen Ge¬ 
hirnen ist derselbe mit dem Gyrus subangularis und der ersten Temporalwin¬ 
dung mehr oder weniger verschmolzen.^ Da der Gyrus subangularis sich durch 
l'ligenthämlichkeiten seines Baues auch beim Cbimpansen auffinden lässt, so 
lässt sich auch mikroskopisch die Annahme stützen, dass Nr. 33 den Anthro¬ 
poiden fehlt oder bei ihnen nur ganz rudimentär angelet ist. Nr. 33 und 39 
sind pathologisch insofern von hohem Interesse, als in allen Fällen reiner Alexie 
(ohne Hemianopsie, also eine reine Associationsstöruug) die Rindenverletzungen 
in dieselben hineinragten, oder ausschliesslich auf sie beschränkt waren.^ Ver- 
mnthlich können die Afien schon deshalb nicht eine Sprache bilden, weil sie 
Nr. 33 und 39 nicht besitzen — nach Herrn Weenigke’s Theorie des Him- 
baoes ist nicht abzuseben, weshalb sie der Sprache entbehren. 

Der Praecuneus wird gebildet durch vier Kindenfelder, von welchen nur 
eines Terminalgebiet ist (meist dem Gyrus fumicatus angehörig Nr. 34), die 
übrigen Felder sind Randzonen (Nr. 23 und 31); der vorderste Abschnitt der 
1. Parietalwindnng ist individuell wechselnd Sinnessphäre oder Randzone, je nach¬ 
dem der Sulcns oalloso-marginalis weiter nach vorn oder hinten in die Mantel¬ 
kante einschneidet Er enthält demgemäss auch bald Eiesenzellen, bald nicht 
Die Entwickelungsgeschichte zeigt speciell am Praecuneus, dass die Kandzonen 
wie die Terminalgebiete (34*!) an Grösse individuell hochgradig variiren. 

Die Insel zerfällt gleichfalls in vier Felder, von denen eines (Nr. 32) den 
Uebei^ng der Intermediärgebiete zu den Terminalgebieten bildet; dasselbe li^ 
io der untern Hälfte der Insel mehr nach hinten zu. Von den übrigen drei 
ist eines (Nr. 1 ein Primordialgebiet mit spärlichen Projectionsfasern (dicht 
neben den Centralwindungen gelegen). 

Die Primordialgebiete zeigen jedes eine besondere Stmctur, so dass ein ge¬ 
übter Beobachter Schnitte aus jedem derselben sicher unterscheiden kann.^ 

Im KntwidEelungsgang der Fasern eines Feldes zeigt sich das Gesetz, dass 
die verschiedenen Kategorieen nacheinander in gesetzmässiger Reihenfolge auf- 

i Am Gehirn von Hslmholtz sind speciell Nr. 39 and Nr. 83 nosgezeicbnet differenziit. 
Hier schieben sich zwischen die 1. Schläfen Windung (in welcher auch die Randznne Nr. 23 
der Hönphäre sehr gut ansgebildet ist) und den Gyrus subangularis zwei deatUob ge¬ 
sonderte Windnngen ein, während an schlecht entwickelten Hirnen kaum eine deutlich 
nachweisbar ist. Freilich finde ich aach am Gehirn einer einfachen, aber ehemals sehr 
tfichtigen Frau ans dem Volke die doppelte Windungsanlage angedeatet. 

* Nach einer demnächst za veröffentlii'hciiden Untorsuchnng von Salzboko. welcher 
alle bekannten Fälle von Älezie kritisch gesichtet und mit einigen neuen Fällen zusammen' 
gestellt hat. In der Mehrzahl der Fälle findet sich neben der Alexie amnestische Aphasie, 
woranf schon Naumyn die Aufmerksamkeit gelenkt bat. 

* Diejenigen, welche ininier noch an die Gleichheit der Rindeostractur in allen Feldern 
glauben (ein Köhlerglaube), möchte ich auf die Bilder verweisen, welche die Rinde z. B. 
eines Hundts oder Kaninchens darbietet, welchem in vivo Methylenblau (nach Sam Hbtsr) 
injieirt worden ist (e. n.). 


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984 


treten, ln der einen Beibe der Felder beginnen Projectionsfoaem aicfa mit 
Mark za umhüllen, in der anderen Associationsfasem, so dass man sdion daiaof- 
hin die Felder in Projections* und Associationscentren scheiden könnte. Ich 
bezeichne die zuerst reifenden Fasern als Primärsysteme ^ und unterscheide von 
ihnen die Secundär-, Tertiär-, Quartärsysteme je nach der Reihenfolge, in wd- 
cher sie auftreten. Die Primäisysteme sind bald Projecüons-, bald Associations- 
(insbesondere Balkenfaser-) Systeme; in keinem Felde vermochte ich bei Unter¬ 
suchung hinreichend früher Perioden die gleichzeitige Entstehui^ bdder Kate- 
gorieen nachzuweisen. 

Die Leitungsrichtung ist mit grosser Sicherheit zu erschliessen ans der 
Entwickelungsrichtung. Die Primärsysteme der Primordialgebiete entwickeln 
sich ausnahmslos von den Stammganglien gegen die Binde, was besonders an 
der primären Sehstrahlung berrortritt, welche z. B. bei einem 1 Vs—2 Monate zu 
früh geborenen Kinde von 12 Ti^n extrauterinen Alters nur bis zur Mitte 
zwischen äusserem Kniehöcker und Rinde markhaltig ist. In dieser Yerfolgtuig 
der Entwickelungsrichtung ist ein unschätzbares Hülfsmittel für die Bestimmung 
der Leitungsrichtung selbst einzelner Fasern gegeben. 

Alle Primärsysteme der Primordialgebiete sind in Anbetracht 
ihrer Entwickelungsrichtung als corticupetale Leitungen anzusehen. 

ln den Terminalgebieten tritt in der Regel an den Rindenfasem Mark zu¬ 
erst in unmittelbarer Nähe der Rinde auf. Die Primärsysteme leiten hier also 
cortioofugal. Es handelt sich aber keineswegs xun motorische Projectionsfasem, 
da solche nirgends primär sich entwickeln, sondern soweit sich wirklich sichere 
Aufschlüsse gewinnen lassen, nur von Rindengebieten aaswachsen, bis zu welchen 
sensible bezw. oortico-petale Leitungen markhaltig geworden sind. Es handelt 
sich vielmehr um Balkenfasem, was indess nur an besonderen Schnittebenen 
nachweisbar ist. 

Die entwickelungsgeschichtlichen Rindenfelder sind im Allgemeinen bei der 
Mehrzahl der Individuen in gleicher Yertheilung wiederzufinden. Doch kommen 
individuelle Differenzen vor, deren weitere Yerfolgung u. a. wichtige Anfschlns« 
über die cerebralen Gmndl^^n der Individualität in Aussicht stellt Yon 
Interesse ist besonders, dass die spät entstehenden Intermediär- und Terminal- 
gebiete am meisten variiren, wie insbesondere Feld Nr. 33 und 34*, 37 u. a. w. 
Hierdurch wird z. B. bedingt, dass man bei einzelnen Individuen zwischen Nr. 23 
und 13 eine ganze Windung von besonderer Entwickelungszeit (d. h. mit aus¬ 
schliesslich spät reifenden Fasern) nicht nacbweisen kann, dass sich hier viel¬ 
mehr ausnahmsweise überall zwischen die spät entstehenden Fasern einzelne 
frühreifende einschieben. Im vorderen Stimhim finden sich mitunter geradem 
Yerwerfungen im geologischen Sinne, so dass z. B. Nr. 40 fest ganz in die 


' Ich werde in meinem unter der Presse befindliohen ausführlichen Werke den Venoeb 
machen, für die Felder und Faserznge einfach Nummern und Buchstaben als Bezeichniug 
einzuführen. Es bedarf ja nur der Verständigung unter den Forschem, um die auf & 
Enwickelungszeit (Nummer in der Entwickelnngsfolge) gegründete Zählung zur aUgemeinei 
Annahme zn bringen. 


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985 


1. StirnwinduDg rückt In der Kegel beginnt im Feld Nr. 37 ein Faserbündel 
markhaltig zu werden, welches vom entsprechend dem mit + bezeichneten 
Kreis Fig 2 endet und nach rückwärts gegen die innere Riechwindung zu ver¬ 
folgen ist (vermuthlicb ein Associationssystem der Biecbsphäre, welches kurze Zeit 
nach der reifen Geburt markhaltig wird). Vorher gelangen vom Primärsystem 
des Gyros fornicatus markhaltige Fasern bis an die 1. Stimwindung, welche 
hier spitzwinklig umbi^en, wie an gutgefärbten Präparaten leicht zu de- 
monstriren ist; ich finde sie besonders deutlich an Frühgeburten (ca. 8 Monate 
alte), welche mindestens 1 Monat gelebt haben. Es ist das zuerst reifende System des 
vorderen Sehhügelstieles (System s meiner Benennung, d. h. das überhaupt an 5. Stelle 
kommende Stabkranzbündel). Das erstgenannnte Associationsbändel und System e. 
vermischen sich gelegentlich, so dass es den Anschein gewinnt, als reichten die 
Fasern von e bis in den Stimpol — was nur bei ungenauer Untersuchung 
unterläuft ln der Folge zeigen sich mannigfaltige Verschiedenheiten dadurch, 
dass ein regelrecht in der Hauptsache zur 3. Stimwindung ziehender Theil des 
vorderen Stieles sich gelegentlich (und zwar rechts eventuell anders als links) 
auf 3. Stirn- und 1. Stimwindung vertheilt — zufällig habe ich eine solche Un¬ 
gleichheit bereits 1876 in meinen Leitungsbahnen Taf. VII, Fig. 9 al^ebildet. 
Das eigentlich gesetzmässige Verhalten hier zu finden, fällt keineswegs leicht; 
man muss eben m^ere gleichaltrige Individuen an completen Schnittreihen 
vergleichen — 27 x Fig. 5 bezeichnet die Punkte, welche mitunter gleich¬ 
zeitig mit bezw. kurz vor Nr. 27 Mark erkennen lassen, während der Haupttheil 
von Nr. 37 weit später in die Entwickelung eintritt). 

Die individuellen Variationen steigern sich noch dadurch, dass in einzelnen 
Fällen auch ein wahrer Typus inversus der Markentwickelung auftritt; wäh¬ 
rend bei der Mehrzahl der nicht reifen Kinder im Stabkranz die Sehstrahlung 
weiter fortgeschritten ist als die Hörstrahlung, während hier mehrfach neben 
einer markhaltigen Sehstrahlung eine marklose Hörstrahlung (Strahlung des 
inneren Kniehöckers) gefiinden wird, zeigt ein Individuum, welches der Grösse 
des Gehirns nach im letzten Fötadmonat geboren war und 20 Tage gelebt 
hatte, Markscheiden in der Hörstrahlung und eine mark lose Sehstrahlung. Da¬ 
neben treten hier einzelne markhaltige Fasern auf in Gebieten, welche in der 
Kegel noch marklos sind. Dass es sich hier um pathologische Verhältnisse han¬ 
delt^ ist mehr als wahrscheinlich; inwiefern dieselben geeignet sind, auf die 
psychische Entwickelung modificirend einzuwirken, darf wohl erwogen werden. 

Findet man demgemäss ein von dem oben beschriebenen Gang der Mark- 
entwickelnng abweichendes Verhalten, so wird man sich vor allem die Frage 
vorzulegeu haben, inwiefern hier anomale Zustände g^eben sind. Es kann 
leicht geschehen, dass einem Untersucher zunächst ein derartiger atypischer Fall 
unter die Hände kommt; ein Beweis gegen ein streng gesetzmäßiges Verhalten 
der Markentwickelung ist darin nicht gegebeur 

Hierzu kommt aber als weiterer Factor die ii^dividuelle Variabilität des 
Faserverlaufs. Wie hochgradig dieselbe in den Centralorganen ist, beweisen vor 
aUem Befunde an der Fussschleife. Durch meine neueren Untersuchungen 


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986 


in Verbindung mit den vun Hochs ^ gemachten werthvollen Mittheilnngen, 
sowie einem von Qübnsbl untersuchten Fall bin ich hier zu folgenden An¬ 
schauungen gekommen. 

Die Fussschleife besteht ans einem doppelten Bündel: 1. Starke Fasern 
der Hauptechleife, welche sich mit den Hinterstrangfasern derselben ent¬ 
wickeln, in die Substantia nigra eindringen und hier enden, zum Theil auch 
zum Linsenkem Vordringen, loh finde sie schon bei 7 monatlichen Fötus voll¬ 
entwickelt; vermuthlich gehört (in Anbetracht der gleichzeitigen Entwickelung 
u. s. w.) die MsYNEBT'sche Gommissur dazu als gleichwerthiges aber gekreuzt 
verlaufendes Bündel.’ 

2. Einem weit später sich entwickelnden Faserbündel, welches mit der 
Pyramidenbahn aus der inneren Kapsel austritt und im Hirnschenkelfass an¬ 
gelangt, sich in der Regel nach hinten wendet, an die Hauptschleife anl^ und 
mit derselben verschmilzt’ Ich will sie von nun an Pyramiden-Schleifen- 
bahn nennen. Mit der Schielte gelangen die Fasern in die Brücke und hier 
theils nach Kreuzung in der Raphe, zum Theil ungekrenzt in die motorischen 
Kerne des Quintus, Facialis und Hypoglossns; die Pyramideu-Schleifenbabn ist 
also motorisch. Ausnahmsweise kann sie die Pyramideubahn bis io die 
Brücke, ja bis zum oberen Theil des verlängerten Markes b^leiten und bitt 
dann erst hier in der Gegend der oberen Olive in die Formatio reticularis bezw. 
diu Riiphe ein, um sich zu den motorischen Nervenkerneu zu begeben. 

In einer weiteren Reihe von Fällen läuft die Pyramiden-Bchleifenbahn im 
Himschenkelfuss an dessen Oberfläche nach innen, kommt medial vom Abmold’- 
scheu Bündel (meiner frontalen Grosshimrinden-Brnckenbahn) zu liegen und 
tritt als Bündel vom Fuss zur Haube zwischen den Hauptechleifeu in die Brücke 
ein. Sie liegt dann hier vor der medialen Schleife an Stelle von Fasern, welche 
in der Kegel vom innersten Theil der AnMOLD’schen Bündel geliefert werden. 
Beide zu unterscheiden fallt nicht schwer, da sich letztere erst nach Ende des 
1. Lebensmonats mit Mark umhüllen, die Pyramiden-Schleifenbahn schon vor der 
völligen Reife. 

Die CompUcation der Verhältnisse vergrössert sich aber noch dadurch er¬ 
heblich, dass sich die drei Verlaufsweisen einseitig oder doppelseitig finden 
können, so dass es im Ganzen 9 Variationen der Anordnung der Pyramiden- 
Schleifenbahn giebt Man findet demgemäss auch an der medialen Schleife 
scheinbar zahlreiche Irregularitäten bezüglich der Zeit der Markeutwickelung; 
schaut man tiefer, so gewahrt man, dass es sich um Irregularitäten im Ver¬ 
laufe der Leitungen handelt 

Die Pyramiden-Schleifenbahn variirt also in ihrem Verlaufe ganz wie die 
Pyramidenbahnen des Rückenmarks,^ für welche eigentlich nur die Regel gilt, 

‘ Arch. f. pBjeh. Bd. XXX. S. 103. 

* Diese Fasern hängen, wie Tsoubrmak gezeigt iist, mit den Hinterstraiigkenien u* 
eammen (Arch. f. Anat. and Psyeb. 1898. Anat. Abth. 8. 291). 

’ Laterale pontine Bündel Schlbsuiosb. 

* Als ioh ii) meinen Leitangsbabnen a. s. w. (1876) dies damit erklärte, dass die Pjn- 
niidonfascm von oben nach abwärts sieb vorsi'liieben als ZellenfortMtse, wurde diese .\nsicbt 


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987 


dass ihr Verlauf variabel ist Charakteristisch ist, dass alle diese Bündel, welche 
sich durch hochgradige Variabilität auszeichnen, direct von der Binde kommen. 

Die verschiedene Verlaufsweise, speciell der Pyramidensohleifenbahn erklärt 
eine ganze Anzahl von Variationen des Faserverlaufs an der Oberfläche des 
Himschenkelfusses und der Brücke, welche schon von Henle u. A. bemerkt 
worden sind. 

Bei solchen Variationen wird es keineswegs überraschend sein, wenn auch 
in den Orosshimlappen einmal ein Faserzug anders verläuft, als ich ihn ge¬ 
schildert habe, und wenn in Regionen* welchen ich eine erhebliche Menge 
Projectionsfasem abspreche, auch gel^entlich einmal ein kräftiges Stabkranz¬ 
bündel-gefunden wird. 

Meine neuen Untersuchungen erm^lichen auch ein entscheidendes 
Urtheil darüber, inwiefern die Furchen regelmässig in gleichwerthige Ab¬ 
schnitte der Orosshimrinde einsohneiden. Es zeigt sich, dass gewisse Furchen 
stets in einem bestimmten Bindenfeld zu Anden sind, z. B. die Centralfurche^ 
stets im primordialen Sinnesceutrum Nr. 1 (Centralwindungen), die Fissura 
ealcarina stets in der primären Sehsphäre Feld Nr. 5 (= Lippen der Fissura 
calcarina). Ofienbar trägt speciell die Bildung der Fasersysteme, welche in 
diese Rindengebiete eintreten, dazu bei, dass sich die Furchen entwickeln. 
Andere Furchen schneiden bald in dieses bald in jenes entwickelungsgeschicht- 
licbe Bindenfeld ein. Der Sulcus calloso-marginalis z. B. bildet in seinem 
Mittelstück meist den Rand des Feldes Nr. 8, selten schneidet er in Feld Nr. 1 
ein; an seinem hinteren Ende liegt er bald mitten im Feld Nr. 18 drinnen, 
bald trennt er genau Nr. 1 und Nr. 18. Für die Frage, inwiefern man aus 
dem Flächeninhalt eines zwischen zwei bekannten Furchen gel^nen Windungs- 
gebietes, also mittels der einfachen äusseren Besichtigung feststellen könne, ob 
ein g^ebenes Functionsgebiet, z. B. die motorische Zone stark oder gering ent¬ 
wickelt ist, sind diese Befunde entscheidend. Sie zeigen, dass z. B. der Prae- 
cuneus äusserlich klein erscheinen kann, während in Wirklichkeit das Feld 


TOD der GuDDBir'schen Schale wie ein schlechter Witz behaodelt Heute zweifelt wohl 
NiemaDd mehr an der Richtigkeit derselben; ich war meines Wissens der Erste, welcher 
die Entstchnng der centralen Lcitnngen als Anslänfer von GangHenzellen an einem langen 
System direct naebgewiesen hat, erntete zunächst aber nur Hohn und Spott für diese Ent¬ 
deckung! Die heutigen Angriffe auf die Associationscentren stehen kaum anf einem höheren 
Nirean als jenes ürtheil über meine Theorie der Pyraniidenentwiokelnng. — Dass Faserzüge, 
welche so weit von ihrer Normalspnr abgewicheo sind, wie die an die Anssenfläche der 
Brücke geratbene FnssBoblcife, doch immer wieder ihr normales Endorgan erreichen, ist rein 
mechanisch sicher nicht zn erklären. Liegen hier vielleicht ehernotactische Wirkungen 
vor, dergestalt, dass die Endorgane (z. B. die Zellen des Facialiskems) anziehend anf die 
heranwachseoden Fasern (z. B. der Fnssschleife) wirken? 

* Uotersneht man die Bildung dieser Furche an Schnittreiben, so gewinnt man 
wenigstens an einzelnen Gehirnen entschieden den Eindrnck, dass nicht die Furche sich in 
die Tiefe senkt, sondern die Windungen sich emporheben über das umgebende Niveau. Es 
badet eine Ansstfilpang der Gebirnobertläche statt, nicht eine Einstülpung — vermntblich 
dnreh wachsende Foaersysteme! VermnthUch giebt cs in Bezug anf die Ursacben mehrere 
verschiedene Arten von Sulci. 


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Nr. 18 sehr entwickelt ist — falls dasselbe mehr oder weniger vor den 
Salcus callu8o*maiginalis zu liegen kommt Oder umgekehrt der Praecimeos ist 
gross, die Kindenfelder desselben aber nur von mittlerer Grosse, weil das Plus 
dem Feld Nr. 1 augehört. Berücksichtigt man diese Variationen nicht um¬ 
sichtig, so kommt man leicht zur Annahme eines atypischen Entwickelung^anges 
der Markanlage. In diesen Befanden sind zweifellos die Anfänge einer wirklich 
individuell vergleichenden Anatomie der menschlichen Gehimoberfläcbe und die 
Grundlagen einer exacten Phrenologie gegeben. Die secundären Degenerationen 
verm^en hier die Entwiokelang^:e8cliiohte nicht zu ersetzen, da kein Forscher 
jemals über hinreichendes Material verfügen wird, um an der Hand der secun- 
daren Degenerationen die Flächenentwickelung eines beliebigen Gentrums ver¬ 
gleichend zu bearbeiten. 

Ich komme nun zu einem Punkt, welcher gegenw^g besonders lebhaft 
die Gemüther beschäftigt und zu literarischen E^^sen geführt hat, die man 
kaum anders denn als „Radau-Neurologie“ bezeichnen kann, da sie mit 
der wissenschaftlichen Himlehre nichts gemein haben. Es scheint, dass der 
Gedanke, meine Associationscentren könnten sich allgemein Bahn brechen, in 
diversen Köpfen eine geradezu sinnlose Wuth entfacht hat, so dass in derem 
Interesse eine baldige Lösung der Fragen dringend zu wünschen wäre. 

Giebt es unter den entwickelungsgeschichtlichen Rindenfeldem auch solche, 
welche eines Stabkranzes entbehren? Ich habe in dieser Hinsicht bekanntlich 
in meinen früheren Publicationen keineswegs einen gleichbleibenden Standpunkt 
eingenommen. Die äusserst aphoristische Fassung in meiner ersten vorläufigen 
Mittheilung^ bezog sich auf den Stabkianz sensu strictiori, d. h. Projections- 
fasern in Form von Stäben also mehr oder weniger stärkeren Bündeln. Solche 
hatte ich bei meinen ersten Untersuchungen vermisst, nicht aber einzelne zer¬ 
streut verlaufende Projectionsfasem, welche ich zahlreichen Bachem meines 
Laburatoriums demonstrirt habe. In meiner ersten ausführlichen Mittheilung’ 
habe ich sogar die Vermuthung ausgesprochen, dass möglicherweise alle Theile 
meiner Associationscentren durch Collateralen mit dem Stabkranz in Ver¬ 
bindung stehen, was doch zweifellos dasselbe besagt, wie „mit Projectionsfasem 
ausgestattet sind“. Da ich nun, als ich diese Vermuthung ausspracb, die Asso- 
ciationscentren keineswegs fallen liess, hätte mau doch wohl hinreichend ersehen 
können, dass das Nichtvorhandensein von Projectionsfasem für mich keines¬ 
wegs das einzige Merkmal der Associationscentren bildete. Es ist in der 
That nur ein taktischer Kniff meiner Gegner, wenn man glauben mach«) 
will, meine Associationscentren stehen und fallen mit dem Nachweis einiger Stab- 
kranzbündel in denselben. Dieser Gesichtspunkt ist freilich so einfach, dass sich 
mit Rücksicht darauf selbst die ungeübtesten Anfänger an der Debatte betbeiligen 
zu können glauben. Ich habe seit Langem schon betont: ln Bezug mif die Pn>- 
jectiousfasern handelt es sich um die Frage: Treten dieselben in gewissen Feldern 


Dig ti/cn'i 


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* Neorolog. Centralbl. 1894. Nr. 19. 

* Ebeada. 1896. Nr. 28. 



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g^enüber den AssooatioDsfasem um vieles mehr zurück, als in den Sinnea- 
eentren? Man übersieht ferner ganz, dass ich meine alten Associations- 
centren gar nicht mehr in dem Sinne für einfache ung^liederte Centren halte, 
wie es nach m^en ersten Mittheilnngen scheinen konnte. Es sind zwei ganz 
renohiedene Fragen: Existiren sie überhaupt und: habe ich die Grenzen völlig 
genau angegeben? Die Argumente meiner Gegner beziehen sich auf Irr> 
thümer, welche ich schon lange selbst corrigirt habe? Ich habe thatsäch’ 
lieh, den fortgesetzten Untersuchungen entsprechend, die Grenzen 
aller Centren mehrfach geändert, wie ich auch heute es für keineswegs 
ausgeschlossen halte, dass ich in Zukunft noch weitere Modificationen vor- 
zonehmen gezwungen sein könnte. Untersuchungen von dem Umfang der 
Mer vorll^nden können vor dem Ablauf von Jahrzehnten nicht zum Abschluss 
gelangen! Nachdem ich meine alten Associationscentren weiter habe zerlegen 
können (in Randzonen und Centralgebiete), auch im Bereich derselben einige 
deutlich mit Projectionsfasem ausgestattete Feldchen (z. B. Nr. 13) auf- 
gefunden habe, bin ich gar nicht mehr in der Lage, einfach die Frage zu 
formuliren: Haben die Associationscentren einen Stabkranz oder nicht? sondern 
zunächst vor allem: Wie gross ist der Umfang derselben, welche Bindenfelder 
der neuen Eintheilung gehören dazu, welche nicht? Hierbei ist aber be¬ 
sonderes Gewicht darauf zu legen, dass nicht allein der geringe Gehalt 
an Projectionsfasem, sondern auch noch ganz andere Momente 
mich bewegen haben, die Abgrenzung vorzunehmen, vor allem die Beziehungen 
jener Felder zu den langen Associationssystemen, also auch positive Befunde, 
nicht rein n^ative, worüber unten mehr. Den Ausschlag hat aber ein ganz 
anderer Gesichtspunkt gegeben, welchen man völlig ausser Acht gelassen hat, 
obwohl er für mich thatsächlich immer den hauptsächlichsten, den pri¬ 
mären Grund für die Unterscheidung gab: die Rücksicht auf die allgemeinen 
Entwickelung^fesetze der Markscheiden in topisch-chronologiscber Hinsicht. 

Die Fasers^teme im grössten Theil meiner älteren Associationscentren ent¬ 
wickeln sich mindestens drei Monate später als jene der Sinnescentren bezw. 
als die Primärsysteme der primordialen Sinnescentren.* Fasersysteme von so 
grossen Zeitdifferenzen der Entwickelung können niemals gleicbwerthig sein. Sind 
die Primär^steme der Primordialgebiete die eigentlichen Sinnesleitungen, so können 
es die Radiärfasem insbesondere der Termialgebiete nicht auch sein. Da nun die 
Function einer grauen Masse ausschliesslich bestimmt wird durch die Art der 
Faserverbindung, durch die Herkunft, das Ende der Leitungsbahuen, so müssen 
auch Abschnitte der grauen Rinde verschiedenwerthig sein, welche mit 


‘ Die TOD der hinteren Centralwindang aasgebenden langen AesociationseTsteme ent¬ 
wickeln eich annähernd gleichzeitig mit den späteren Terminalgebieten! Es entwickeln eich 
thatsächlich innig zasammenwirkende Elemente, wie die Zellen der Tenninalgebiete und die 
langen AssociatioDBsyBteme der Sinnescentren annähernd gleichzeitig. — Die ABsociations- 
systeme der Centralwindungen entwickeln sich etwa in 8 Absätzen! Hier kommen Ge¬ 
heimnisse der phylogenetischen Entwickelung znm Vorschein, welchen hoifentlieh bald einmal 
TOD wiasenschaftlicheD Forschem nachgegangen wird. 


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990 


Faserzügen Ton so grossen zeitlichen Entwickelungsdifierenzen Zusammenhängen. 
Zu dieser Ansicht hat jeder wissensohaitUche Forscher Stellung zu nehmen, 
welcher auf dem Gebiete der Hirnanatomie arbeitet 

Dass das, was ich Sinnescentren nenne, von den übrigen Bindenbezirken fono 
tionell verschieden sein müsse, erschloss ich also zunächst aus meinen allgemeinen 
Erfahrungen über die Faserentwickelung in Kückenmark, Oblongata u. s. w., und 
lediglich die feste Zuversicht in die allgemeine Gültigkeit der Ent- 
wickelung^fesetze war es, welche mich unentw^t in der Ansicht bestärkte, dass 
hier verschiedenwerth^ Kronen vorliegen. Andernfalls hätte ja jeder An^nger 
meine Lehre von der besonderen Stellung der Associationscentren umst&rzen 
können, falls es ihm geglückt wäre, an irgend einem leidlich geförbten Schnitt 
Projectionssysteme in irgend einem derselben nachzuweisem Kleide ich jenen 
Satz in meine neue Terminologie, so heisst er: 

Nach den Entwickelung^^tzen müssen insbesondere die Tenninalgebiete 
eine ganz andere Stellung im Gesammtmechanismus einnehmen, als die Ftimor* 
dialgebiete. Um diesen Satz voll zu würdigen, muss man freilich die Gesammt- 
summe der Ersdieinungen auf diesem Gebiete beherrschen; das landläufige 
Wissen über die Gehimentwickelung, welches in den gangbaren Lehrbüchern zu 
finden ist, genügt hier bei weitem nicht! 

Indem ich den Besonderheiten der Entwickelung nachging, bemerkte idi 
alsbald, dass sich annähernd gleichzeitig mit dem Gros der Fasermassen besonders 
der Terminalgebiete die langen Associationssysteme entwickeln (die kurzen sdron 
viel eher, je nachdem sie verschiedene Theile eines Primordialgebietes unter 
einander, oder Sinnescentren mit ihren Bandzonen verknüpfen) und dass über¬ 
dies die langen Associationsbahnen besonders ausgiebige Beziehungen zu den 
Terminalgebieten eingehen.* 

Zu alledem gelang es mir, das Zusammentreffen von Leitungen ans mehreren 
„Sinnescentren“ z. B aus der Körperfiihl- und Sehsphäre im Gebiete Nr. 39, aus 
der Hör- und Sehsphäre im Gebiet Nr. 38 direct nachzuweisen — während sieh 
der Nachweis directer Verbindungen der Sinnescentren nicht führen 
liess; denn der famose Fasdculus longitudinalis inferior^ auf dessen associattve 
Natur die WEBNiCRB’sche Schule ihre Vorstellungen vom Himbau ganz w^ent- 
lieh gründet, erwies sich alsbald mit aller Sicherheit als primäre Sehstrahlung, 
also als Projeotionssystem — und schliesslich musste ich erkennen, dass auch 
das Cingnlum, in welchem ich selbst ursprünglich ein directes Associationssystem 
verschiedener Sinnessphären vermuthete, in der Hauptsache ein Projectionssystem^ 

' leb hab« leider die Bezieboag za den langen ÄHaociatiooBsystemea nicht ao ent- 
schieden hervorgeboben, wie es zweckdienlich gewesen wäre; dass sich die korzen Rbrae 
arenatae überall in derJUnde finden, war so allgemein bekannt, dass ich es für Qbeiüfiang 
hielt darauf noch besonders hintoweisen. 

* Die Darstellnng desselben bei vom Homakow — Himpathologie Fig. 121 — ist rdn 
phaiitastiscb, 

' Dessbalb ist das Cingnlnm sehr gnt ansgebildet auch bei niederen Sängern, wo 
man sonst vergeblich nach langen Associationssjstemen, ja überhaupt nach Aasociatioos- 
systeoien ansserhalb der Hirnrinde sacht 


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darstellt. Schon hiernach blieb keine andere Wahl, als die Verknüpfung ver- 
schiedener Sinuessphären entweder dem Thalamus opticus zu übertragen, oder 
besonderen Bindengebieten, die eben die Eigenschaft haben, mit allen oder der 
Mehrzahl der Sinnescentren in leitender Verbindung zu stehen. 

Bei Prüfung dieser Frage an der Hand klinischer Erfahrungen ergab sich 
nun alsbald, dass nur die Verletzung derjenigen B^onen Sensibilitats*^ bezw. 
Motilitatsstorui^en regelmässig bedingt, in welche sich beim Fötus und Neu¬ 
geborenen die Sinnesleitungen verfolgen lassen, während die Erkrankung der 
anderen Gebiete besonders häufig Associationsstörungen erkennen lässt Doch 
habe ich in kritischer Würdigung des unvollkommenen Zustandes der topischen 
Diagnostik hierauf nie das Hauptgewicht gelegt, obschon mir eine soi^ltige 
Durcharbeitung auch der Litteratur mehr und mehr Belege für die Bicbtig- 
keit der Hypothese ei^b, dass insbesondere die Terminalgebiete im Wesentlichen 
nur mit associativen Verrichtungen zu thun haben. 

Jedenfalls sprach die Klinik mehr für die Bichtigkeit der anatomisch ge¬ 
wonnenen Anschauungen als gegen dieselbe, was auch yon Monakow anerkennt 

Ob nun die fin^lichen Associationscentren auch mit dem Thalamus opticus 
durch Stabkranzbündel verknüpft sind, ist für die Benrtheilung dieser allgemeinen 
Leistnngen durchaus secuudärer Natur; es sei denn, dass es sich hier um 
echte Sinnesleitungen gleich den Primärsystemen der unzweifel¬ 
haften Sinnescentren handelt 

Hierfür fehlt aber thatsächlich jeder Beweis! Die Frage lässt sich gar 
nicht beantworten, ohne dass festgestellt ist: 

1. die Leitungsrichtung in den vereinzelt zwischen Terminalgebieten und 
Sehstrahlung u. s. w. verlaufenden Fasern, und 

2. die Bedeutung des Sehhügels im Allgemeinen; die Leitungsverhältnisse 
in demselben im Speciellen. Sind denn überhaupt alle Stabkranzfasem als Pro- 
jeotionsfasem in dem Sinne au&ufassen, dass sie in Leitungen zwischen periphere 
Endorgane und Grosshimrinde eingeschaltet sind? Der Sehhügel unterscheidet 
sich von den anderen Internodien von Sinnesleitnngen wie äusserer Kniehöcker, 
Bulbus olfactorius etc. ganz wesentlich. Er ist ein viel complicirterer Apparat,^ 
welcher entwiokelungsgeschichtlich sechs, durch die Zeit der Markumhöllung 
au^^eichnete, somit verschiedenartige Gebiete enthält, während z. B. der Globus 


* leb &ehe io den Sinnesoentren in erster Linie lUndeofelder, io welchen die 
Sinnesleitnngen in die Rindenorganisation zanäebst eintreten nnd von welchen ans sich 
Sinoeseindrücke Ober engere oder weitere Bindenfelder verbreiten. Inwiefern die Sinnes¬ 
centren aelbat&ndig die Sinneseindrheke verarbeiten, ist eine secundäre Frage. 

' Die Frage, ob vom Tbalamns opticus her associirte Sinneseindrücke (Gesiebt- 
MoBkelsioQ, Hoskel-Tastsinn) im Gegensatz za den einlbrmigen Erregungen des äusseren 
Knieböekers a. s. w. znr Binde gelangen, scheint mir besonders wichtig. — Aach 
ist von recht beaebtenswertber Seite betont worden, dass der Tbalanios insbesondere zu den 
emotiven Vorgängen oäbere Beziehangen hat, so dass auch bierfbr ein Mechanismiis getänden 
werden könnte, welcher mit dem Projectionssj'stem f&r Sinneseindrücke nnd WUlkürbewegongen 
nichts gemein bat 


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palUdas bis auf ein System sich einheitlich entwickelt. Die Scbleifenkerne bilden 
nur einen kleinen Theil des SehbugeLs, auch strahlen in ihn zweifellos viele 
corücale Fasern ein, wdche sich in ihm in Endbäumchen auf lösen, also cortico' 
fugal leiten, was insbesondere auch vok Köllikeb entschieden hervo^hoben 
hat. Die Entwickelungsri(ditnng der z. B. aus Nr. 39 hervo^ehenden Fasern 
zur Sehstrahlung ist eine oorticofugale; man könnte somit zunächst nur daran 
denken, dass dieselben g^n den Thalamus leiten, wie sie auch mit der Region 
der Scbleifenkerne nachweisbare Verbindungen nicht eingehen. 

Da nun auch die isolirte Erkrankung z. B. des Feldes Nr. 39 Sensibilitäts¬ 
störungen, insbesondere Störungen des Muskelsinns nicht setzt, so liegt nicht 
der geringste Grund vor, Nr. 39 irgend wie den Sinnescentren an die Seite m 
stellen. Wie, wenn der Thalamus ein Oigan wäre, welches unter Anderem eine 
Einwirkung z. B. der Sehspbäre oder ihrer Bandzone auf die motorische 
Zone erm^licht (wofür eine ganze Anzahl Grunde sprechen!). Soll man dann 
die Leitungen ans jenen Gebieten als Projectionsfasem auffassen? Hier sind 
also noch eine ganze Anzahl Vorfragen za erledigen, ehe man den Befand 
selbst zahlreicher Tbalamusfasem in den Terminalgebieten für deren Natur als 
Sinnescentren ins Feld führen könnte. 

An dem sehr gut gefärbten Gehirn eines im 9. Lebensmonat verstorbene 
lündes fand ich aber nur ganz vereinzelte Fasern, welche man als Stabkranz- 
fasem des Sehhögels ansprechen könnte; ich schätze sie kaum auf Vt« 
ßalkenfasem. Meine Gegner werden nun wahrscheinlich den Unterschied 20:1 
nicht erheblich Enden; da aber in den Sinnescentren das Verhältniss etwa 20:40 
ist, so ist die Differenz doch höchst beachtlich. 

Man wird demg^enuber wohl auch einwenden, ich habe die erstere Procentzahl 
viel zu niedrig bemessen; man sehe ja zahllose Fasern aus dem Gyros parietalis 
inferior in die Sebstrahlung eintreten.^ Hier aber liegt eine grobe Täuschung vor, 
welche man sofort vermeiden kann, wenn man geneigte Horizontalschnitte zor 
Untersuchung verwendet Man bemerkt hier, dass die Fasern, welche von der 
»Seite her in die Sehstrahlung eintreten, zwar zum Theil in der secundären 
Sehstrahlui^ (Fleghsio — nach aussen von der Balkenlage) eine Strecke g^en den 
Thalamus verlaufen, dass aber auch diese wie die Mehrzahl direct in das Tapetum 
übertreten und theils Balken, theüs Associationsfasem darstellen. Ganz unmög¬ 
lich ist es, an erwachsenen normalen Gehirnen, den Procentgehalt derer, welche 
in der Sehstrahlung verbleiben, festzustellen. Der Schluss vieler wenig kritischer 
Gegner der Associationscentren: Weil Faserböndel aus dem Gyros angularis m 
die Sehstrahlung eintreten, muss es sich um Projectionsfasem handeln, ist »o 
Fehlschluss. Ich habe dieser Frage von Anfang an die grösste Au&ierksämkeit 
gewidmet, da ich diese Fasern selbstverständlich schon am ersten Präparat 
sah, welches sie erkennen Hess, zumal meine ersten Untersuchung^ ausschliess¬ 
lich an 3—dmonatUcben Kindern angestellt wurden. 

* Ich habe diese Fasern anf dem Schema (Taf. V) in „Oehim and Seele'* at^bddet 
— nnr soweit sie direct bindnrebziehen — nicht die streckenweise mit der echtes 
Sehstrahlung verlaufenden! 


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Es bieibeD thatsachlich als entscheidende Befunde nur die secundären 
Degenerationen übrig, aber nur solche, welche mit den nöthigen Cauteleu 
{sichere Umgrenzung der primären Herde!) gewonnen werden. Es sind Tor allem 
nur Herde in Betracht zu ziehen, welche sich auf die Binde und die nächst- 
anliegende R^on der Markleisten beschränken. Nähern sich Zerstörungen dem 
Isthmus (Verbindungsstück der Markleiste mit dem Centrum semiovale) einer 
Windung, so können an vielen Stellen schon Easerzüge zerstört werden, welche 
an der betreffenden Windung nur vorüberziehen. 

Bei einer sorgfölrigen Durchsicht der Literatur habe ich auch nicht einen 
Fall aufgefunden, der annähernd sicher den Beweis lieferte, dass die Terminal¬ 
gebiete und eine Anzahl lutermediärgebiete einen erheblichen Antheil am 
Stabkranz haben. Dejebine berichtet zwar, er habe „oberflächliche“ Herde im 
mittleren und vorderen Theil des Stimhims beobachtet mit secundären Degene¬ 
rationen im vorderen Sehhügelstiel und medialen Sehhügelkem, er will auch 
einen Fall von reiner Erkrankung der Gjrus angularis^ mit Stabkranzdegeneration 
gesehen haben; indess geht aus seiner Beschreibung nicht einmal hervor, 
welches oder welche meiner Rindenfelder erkrankt waren (Nr. 17 enthält viele 
Projectionsfasern!). Solange hier nicht Mittheilungen in extenso vorliegen, so dass 
man ersehen kann, inwiefern Fälle und Methodik einwaudsfrei sind, möchte ich 
auf diese Angaben entscheidendes Gewicht nicht legen — zumal sich bei Herrn 
Dejerine auch eine Bemerkung findet, die sofort Misstrauen in die Zuver¬ 
lässigkeit seiner Angaben ^ erwecken muss. Er sagt, es sei „allgemein bekannt“, 
dass der Schläfenlappen in seiner ganzen Ausdehnung überall Projectionssysteme 
führe; soweit meine Kenntniss reicht, ist eine derartige Behauptung einfach 
aus der Luft gegriffen, da bisher in der Literatur eine wissenschaftlichen An¬ 
forderungen entsprechende Behandlung dieser Frage überhaupt noch nicht statt¬ 
gefunden hat. Was von den Angaben der Autoren hier zu halten ist, lehrt ein 

‘ Herde im Felde Nr. S9 haben in der Regel die Form eines schlanken Kegels, dessen 
Spitze in die Sehstrahlnng hereinreicht. Hat Herr Dejebimb vielleicht diese primäre Degene¬ 
ration für eine eecnndäre gehalten? Die Sehstrahlang degenerirt hier, weil sie primär 
durchbrochen wird. Vergl. im Uebrigen meine Bemerkungen in Nr. 7 Jahrg. 1897 dieses 
Blattes. 

* Zumal die Anatomie des centres nervenz des Ehepaars Dejbsinb von Irrthümern 
in Bezug auf den Faserverlanf geradezu etrozt. Die graphische Darstellnng der langen 
AssociationsBjsteme z. 6. anf 5 grossen Figuren ist derart, dass ich in Zweifel bin ob auch 
nur ein Böndel von Anfang bis zu Ende richtig ist. Nur 2 Beispiele hiervon: Das 
Cingnlnm, welches in seinem Haupttheil, der allein den Namen Cingnlnm verdient, wesent¬ 
lich Projeotionssjstem ist, wird hier als reines Associationssystem dargestellt, und der 
nnterste l'beil der GBaTioLBT'scben Sehstrahlang, welcher ansschliesslich Projectionsfasern 
)fhr die Macula Intea) f&hrt, als reines Assooiationssystem (Traitä etc. S. 778) zwischen 
Occipitalpol, Schläfenpol. Insel u. e. w. vorgef&hrt. Unter diesen Umständen erscheint es 
mir doch gewagt, auf die blosse Versicherung des Herrn Dbjerinb hin auf anatomischem 
Gebiete alles mögliche fQr glaubhaft zu halten. — Das DBJBBiME’sche Himwerk zeigt nor 
zu deatlicb, auf einem wie niedrigen Niveau eine Hirnforschnng steht, welche auf die Mark- 
entwickelnng keine Rücksicht nimmt. Die einfachsten and sichersten Thatsaohen fehlen, 
während ein Wnst unsicherer Vermuthnngen and obsoleter, gänzlich werthloser Angaben 
gewissenhaft Anfnahme gefunden hat. Malta eed non mnltnrn! 

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eiufacbes Beispiel, von Monaxow erblickt in den TJntersuohungen Dbjbbxme’s 
einen Beweis daMr, dass das TüBK’sche Bändel (äusseres Viertel des HirO' 
scbenkelfusses) vorzüglich aus dem Gyrus occipito-temporalis hervo^bt (Him- 
patbologie. S. 261), Dbjerinb selbst dafür, dass es aus der Mitte der 2. und 
3. Scbläfenwindung entspringt. Welche dieser Versionen ist nun „allgemein än> 
erkannt“? Ich meine, es sind beide falsch, da der wesentliche Ursprung des 
TüBK’schen Bündels in der 1. Temporalwindung zu suchen ist Bei diesem geradezu 
traurigen Zustand^ der Lehre von den secundären Degenerationen, sollte es doch 
Jedermann einleuchten, dass die Ausbreitungsweise des Projectionssystems, der 
Prooentgehalt der Terminalgebiete insbesondere noch viel zu wenig sichergestellt 
ist, als dass man auch nur mit einiger Wahrscheinlichkeit, geschweige denn 
mit solch’ apodictlscher Sicherheit, wie Herr Wbknicke behaupten könnte, der 
Stabkranz sei über alle Windungen gleichmässig ausgedehnt Hierzu bedarf es 
thateächlich nur einer gehörigen Dosis von Kritiklosigkeit! 

Die Consequenzeu eines derartigen Verfahrens zeigen sich denn auch nur 
zu deutlich an den Früchten, welche sie zeitigen. Wie stellt sich z. B. Herr 
VON Monakow die Functionsvertheilung über die Grosshimoberfläche eigentUch 
vor? Da Associationscentren fehlen, müssen die Sinnesceutren sich natürlich 
über die ganze Fläche ausbreiten. Herr von Monakow vertheüt demgemäss 
z. B. den Scbeitellappen zwischen Muskelsinn und Sehsphäre. Die Methode, mit 
deren Hülfe er dies fertig bringt, ist kein^wegs neu. Er verrenkt einfach 
pathologische Erfahrungen so lauge, bis sich das Hirn seinem Vorurtheil fugt 
Dass der Gyrus angularis^ zur Sehsphäre gehört, wird damit bewiesen, dass angeb* 
lieh bei Zerstörung beider Hiuterhauptslappen an der ganzen inneren Fläche, 
am Fol u. s. w. die Maculae luteae noch functions^hig bleiben, dass nur eine Ge> 
Sichtsfeldseinengung stattfindet — er vergisst nur, dass die Fälle, welche er zum 
Beweis anführt, sämmtlich noch intacte Stellen meiner Sehsphäre (Cuneus, Gyi. 
lingualis, occipit 1) in recht erheblicher Ausdehnung zeigen, dass andererseits 
ein Fall doppelseitiger totaler Zerstörung der Hinterhauptslappen ohne totale 
Amaurose gar nicht existirt — Der Muskelsinn wird in den Farietalwindungeu 
untergebracht mit einer noch einfacheren Methode. Die Schleife, als eigentliche 
Trägerin des Muskelsinns soll sich im ganzen Scheitelbirn ausbreiteo. 
Beweis: im Falle Hösel-Flechsig ist die Hauptschleife fast total d^nerirt, 
nicht weil die hintere Gentralwindung zerstört war, sondern weil „das ganze 


* Han vergleiche doch in dieser Hinsicht die Uebersicht der gesicherten Erfahrungen 
dieser Art (von Menschen!), welche von Mohakow S. 259 seiner Hirnpathologie giebt! 
So gering die Zahl hier ist, so ist sie doch noch sn h.och gegriffen! Wie kommt es wohl, 
dass VON Monakow hier secondäre Degeneration von Stabkianzbündeln kaum ^ die Hälfte 
der Windungen kennt, welche insbesondere nach seinen mündlichen Aussagen in Frank* 
furt a./M. in Betracht kommen? 

^ Wenn man aus experimentellen Beobachtungen auf die Functionen des „Gjrus an¬ 
gularis“ beim Menschen Rücksoblttsse macht, sollte man nicht unberücksichtigt lassen, 
was oben über die Unterschiede der 2. Parietalwindung des Menschen und des Gpus so- 
gnlaris der Äffen gesagt wurde. Beide haben znm Theil miteinander nichts gemein. 


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Mark des Parietallappens mitei^rifren war“ (Himpathologie S. 260). Da ich den 
Fall persönlich untersucht habe und auch Präparate davon besitze, kann ich, 
wie alle vorurtheilslosen TJntersucher desselben versichern, dass die Parietalwin* 
düngen kaum im vordersten halben Centimeter Yeränderangen zeigten. 

Die Hanptsohleife endet thatsächlich nur in den Centralwindungen ^ und 
ausnahmsweise im oberen vorderen Abschnitt der ersten Parietalwinduug 
(x Fig. 1). Storungen des Muskelsinns sind dementsprechend am regelmässigsten 
bei Erkrankungen in der Centralgegend zu finden, von Monaxow, der dies 
anerkennt, will aber auch drei Fälle von Erkrankang der Parietal Windungen 
aufgefunden haben, wo bei Störung des Muskelsinns „die Centralwindungen 
als gesund bezeichnet wurden“ und Femwirkungen auf dieselben aus¬ 
geschlossen waren („Hirnpathologie“ S. 423). Hören wir, wie der eine dieser 
Fälle wirklich beschaffen war! Es handelt sich um den Fall Vetter.* Hier 
lautet der Bericht über den Sectionsbefund: 

„Erweichimgsherd: Derselbe reichte von der Marksubstanz bis unmittelbar 
unter die Pia, die graue Substanz der ersten Parietalwindung völlig einnehmend, sich 
ferner über die obere Hälfte der zweiten Parietalwindung und zum Theil auch in die 
zweite Centralwiudung und die derselben entsprechende Marksubstanz erstreckend!“ 
Nach Monakow sind hier die Centralwindungen „als gesund bezeichnet“. 

Also nicht durch gewissenhafte ,Sichtung, sondern durch Verzerrung der 
pathologischen Erfahrungen kommt ton Monakow zu dem Ergebniss, dass die 
Sinnescentren sich über die gesammte Oberfläche der Scheitel-Hinterhaupts¬ 
lappen ausdehneu, anderweitige Bezirke dazwischen aber nicht existiren. 

Bezüglich der Hörsphäre giebt von Monakow allerdings zu — entg^eu 
Wernioke —, dass dieselbe nicht im ganzen Temporallappen, sondern nur in 
der 1. Schläfen Windung zu suchen ist, was ja auch angesichts der Thatsache, 
dass bei Erkrankung der 2. und 3. Temporalwindung und des Gyrus occipito- 
temporalis „auch nicht eine leichte“ secundäre Degeneration des Corpus genic. 
internum gefunden wird, nicht anders möglich erscheint 

Bei Beurtheilung der Einwände gegen die Existenz von Associationscentren 
mit geringer Entwickelung des Projectionssystems darf man nicht ausser Acht 
lassen, dass die grosse Mehrzahl der Forscher ihre Ansichten Über die Him- 
faserung gegenwärtig auf nach Weioebt gefärbte Schnittreihen insbesondere 
von Thiergehimen aufbaut und die Befunde bierselbst ohne weiteres auf den 
Menschen überträgt, ohne zu bedenken, dass derselbe seine ganz besonderen 


‘ Die Existenz einer corticopetalen Leitong in der „motorificben Zone“ ist so sieber- 
gestellt, dass aoch negative Erfabrnngen beim Experiment (SchXfsb contra Mokk) sie niobt 
nmstüTzen können. Nnr muss man berücksichtigen, dass beim Menschen die vordere Central- 
windnng weit weniger Fssem der sensiblen Scbleifenstrahlong erhält als die hintere, and 
dass z. B. beim Hand die Scbleifenstrahlong, wie die Markbildnng gleich den se* 
enndären Degenerationen (Tscbebmak) lehrt, haoptsächlicb in den Gyros corooarias, 
weniger in den Oyros sigmoideos eingeht. Hier giebt es nicht eine vordere and hintere* 
sondern eine äussere und innere Ceotralwindong. 

^ Nothnagel, Topische Diagnostik. 1898. S. 397. 

63* 


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Eigenthümliohkeiten besitzt Aber schon die aufmerksame Betrachtung eines 
Nagerhims, z. B. vom Hamster zeigt, dass die auf den ersten Blick überall gleich- 
massige Yertheilung des Stabkranzes in Wirklichkeit nicht besteht Man ünd^ 
hierzwischen stabkranzreiohen, offenbar Sinnescentren darstellenden Bindenflächen, 
kleine Bezirke, welche durch ihren enormen Beichthum an Ganglienzellen einer¬ 
seits, durch den fast vollständigen Mangel an Radiärfasem andererseits ausge¬ 
zeichnet sind. Die Zellen sind hier viel zahlreicher als anderswo, und jeder dieser 
Haufen ist durch intracorticale Associationsfasem mit mindestens 2 Sinnescentren 
verbunden. Hier zeigt sich auch, wie absurd geradezu die Lehre ist, dass die 
Hirnrinde überall gleichmassig gebaut sei. 

Je höher man in der Säugethierreihe aufkteigt desto deutlicher, bezw. 
grösser werden die stebkranzarmen, wenn nicht freien Gebiete, wennschon sie 
bei weitem weniger in die Augen fallen als beim Mensch. 

Herr Muke, dessen Anschauungen nach vielen Richtungen hin in der 
Entwickelungsgeschichte eine kräftige Stütze finden, ist denn auch im wesent« 
liehen nur durch das Bestreben, überall Sinnessphären finden zu wollen, auf 
Abwege gerathen. Mau vergleiche nur die unverhältnissmässige Grosse seiner 
Föhlsphären des Auges und Ohres! Die Theorie der Zusammensetzung der 
Himoberfläche ausschliesslich aus Sinnessphären droht der Wissenschaft mit 
denselben Gefahren, wie seinerzeit die Lehre vom punktförmigen Seelensitz und 
der üntheilbarkeit der Seele. 

Und nun zum Schluss noch einen Befund an den Sinnesleitungen: 

ln Bezug auf die Hörleitung haben die neueren Untersuchungen ergeben, dass 
dieselbe bei 2 Individuen (die anderen konnten wegen der angewandten Schnitt¬ 
richtung nicht verglichen werden) die linke Hörstrahlung (zwischen Kniehöcker, 
SehhQgel und Querwindungen des Schläfenlappens) etwa doppelt so stark 
erscheint als die rechte; die Entscheidung darüber, ob hierin ein Schlüssel 
für die Benutzung der linken Hörsphäre zum acustischen Erfassen der Worte 
gegeben ist, muss weiteren Untersuchungen Vorbehalten blühen. Auffällig war 
auch, dass in beiden Fällen die Raudzone No. 25 links markhaltig war, rechts 
nicht Au der Sehstrahlung habe ich deutliche Asymmetrien nie beobachtet 


[Aus der psychiatrischen und Nervenklinik der Universität Leipzig.] 

2. Die Reifung der Leitungsbahnen im Thiergehirn. 

[Vorläufige Mittheilung.] 

Von Dr. Döllken, 

Assistenzarzt der Klinik. 

Ich untersuchte etwa 45 lückenlose Schnittreihen, die ich frontal, horizontal 
oder sagittal durch Gehirne von Hunden und Katzen l^te. Die Färbung 


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997 


der einzelnen Schnitte erfolgte nach Weigert-Pal. Bearbeitet ist systematisch 
eine Reihe Ton Gehirnen vom neugeborenen bis 35tägigen Thier, ferner zwei¬ 
monatliche, dreimonatliche und erwachsene Gehirne. 

Es ei^b sich, dass im Grosshim dieser Thiere eine successire Markentwickelung 
der Leitungsbahnen stattfindet. Mir ist es nicht gelungen vereinzelte, zerstreute, 
markhaltige Fasern an h^end einer Stelle des Grosshims zu entdecken, auch 
nicht bei ganz tadellos gefärbten Präparaten. Stets war mit grosser Sicherheit 
naohzuweisen, dass die Umhüllung der Fasern mit Mark bündel- oder lamellen¬ 
weise geschieht. 

Vor dem 8.—9. Tage habe ich im Grosshirn meiner Thiere keine mark- 
haltige Faser gesehen. Gegen den 8.—9. Tag werden markhaltig bei der 
Katze; 

1. Bändel aus der inneren Kapsel zum Gyrus coronalis und Gyrus cruciatus 
anterior und posterior (entsprechend den Centralwindungen des Menschen); 

2. Tractus olfactorius; 

3. Fomii longus; 

4. der obere Theil der Commissur der Ammonshömer; 

5. eine Lamelle vom Ammonshorn in den Gyrus hippocampi {Theil des 
Alveus). 

Es folgen am 10.—11. Tage: 

6. ein Theil des Cingulum; 

7. ein dünnes Bündel aus der inneren Elapsel in den Gyrus ectosylvius 
posterior. 

8. der vorderste Theil der 4. und 3. Bogenwindung. 

Am 13.—14. Tage traten auf; 

9. eine schmale Lamelle in dem mittleren Theil des Gyrus marginalis; 

10. Bündel aus der inneren Kapsel in dem Gyrus ectosylvius posterior. 

Etwa am 15.—16. Tage gelangt ein markhaltiges 

11. Bündel aus dem Corpus geniculatum externum in den hintersten Theil 
des Gyrus marginalis und Gyrus postsplenialis. 

Am 19. T^e ungefähr beginnen zu reifen; 

12. das mittlere Drittel des Balkens; 

13. der dunkle Äntbeil der vorderen Commissur. 

Beim Hund ist am 9. Tage weiter nichts markhalüg im Grosshim wie der 
Gyms coronalis, sowie der Gyrus cruciatus anterior und posterior und die Bahn 
zu denselben aus der inneren Kapsel. 

Es beginnt am 11.—12. Tt^e die Reife des Fomix longus, des oberen 
Theiles der Ammonscommissur, einer Bahn aus der inneren Kapsel in den 
hinteren unteren Theil des Gyrus marginalis, des oberen Theils der 4. und 
3. Bogenwindung. 

Am 14. Tage etwa sind Bündel sichtbar, die vom Corpus geniculatum ex- 
ternum in den Gyrus marginalis und postsplenialis ziehen. 


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Vom 17.—20. Tage werden markhaltig das mittlere Drittel des Balkens 
(zuerst) und das vordere Drittel (etwas später). Die Balkenfosem stammen vor- 
wi^end aus der Frorea (mediale Seite), aus dem Gyrus cruciatus anterior und 
posterior und aus dem Gyros coronalis. 


Im Uebrigen sind die Verhältnisse 



denen bei der Katze analog, nur erfolgt 
die Markentwickelung der einzelnen 
Bahnen beim Hund meist 1—2 Tage 
später, wie der entsprechenden bei 
der Katze. 

Die aofgezählten Bändel lassen 
sich völlig isolirt verfolgen. Markhaltige 
Associationsfasem zwischen zwei VTin* 
düngen finden sich bis etwa zum 18. 
bis 20. Tage ausschliesslich in einem 
Theile der Körperfuhlsphäre (Gyr. coron. 
etc.) spärlich und vielleicht noch in der 
Sehstrahlung. 

Dass nicht alle Stellen des Hunde* 
gehims Frojectionsfasem haben, glaube 
ich ganz bestimmt nachweisen zu 
können, doch muss die Darstellung 


Schema dea Hnndegehirns. 

M FoBsa Sylvii, pr Fissnra praesylvia, er 
Fisaara craciata, ot Fissora occipito • tem* 
poralis, gen Fiasara genualia, l Gyros coro* 
nalia, 2 Qyroa emeiatoa posterior, 3 Gyros 
crociatos anterior, o Lobos olfaotorios, t Gyros 
sylviaeos (ant. o. post) =: 1. Bogenwindong, 
e Gyros ectosylrius, m Gyros soprasylvioB, 
m G 3 rraB marginalis, f>ro rrorea, ec Corpos 
callosam, f Gyros fomicatos, h Gyros hippo- 
campi, » UncuB, ep Gyros splenialis, pr^ 
Gyros praesplenialis, up Gyros soprasplenialis, 
app Gyros postspleoiaiis. 


dieser Verhältnisse ebenso wie die ge¬ 
naue Abgrenzung der Bindenfelder der 
ausfährlichen Mittheilung Vorbehalten 
bleiben. 

Zeitlich anders, doch im Frincip 
gleich, erfolgt die Markentwickelung 
beim windungslosen Thiergehim — 
Kaninchen, Ratte, Maus, Meerschwein¬ 
chen. Meine diesb^glichen Unter¬ 


suchungen sind nahezu abgeschlo^n. 
Nicht bei allen Thieren derselben Species tritt genau am gleichen Tage 
Reifung bestimmter Bündel ein. So ist das eine meiner Hundegehime von 
17 Tagen weiter entwickelt, wie ein anderes von 20 Tage, und ein Katzengebim 
von 15 T^n weiter, wie ein anderes von 16 Tagen. 


Immer aber sind vom 8. bis etwa 18. Tage nur isolirte Fasersysteme im 
Grosshim sichtbar. Die Reifung geschieht, soweit ich bisher feststellen konnte, 
für die einzelnen Bündel immer in derselben Reihenfolge. 


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[Aus dem patbolc^isoh-anatomiscben Institut in Lemberg.] 

3. Die Phylogenese des Pyramidenvorderstranges. 

Von Dr. G. Bikeles. 

M. y. LenhossAk fasst in seinem bekannten Werke: „Der feinere Bau des 
Nervensystems“ 1895 (S. 390—392), den Pyramidenvorderstrang als eine Snb* 
stitution für ursprünglicb im Seitenstrange verlaufende und nicht-gekreuzte 
Pyramidenfasem auf. Dieser Autor beruft sich auf Beobachtungen von Sheh- 
BiKOTON, wonach auch im Rückenmarke derjenigen Säugethiere, wo nur seit¬ 
liche Pyramidenbahnen bestehen, die Kreuzung keine totale, sondern eine par¬ 
tielle ist „Nun erst“, führt v. Lenho8s£e weiter aus, „fallt ein Licht auf den 
Zusammenhang der Erscheinungen. Die Semidecussation der Pyramidenbündel 
und damit die Möglichkeit der Einwirkung der motorischen Rindenspbäre auf 
beide Körperhälften scheint eine durchgreifende Regel zu sein, aber w^rend bei 
den Camivoren alle Fasern, die gekreuzten wie die ungekreuzten, im Seitenstrang 
untergebracht werden können, schliessen sich beim Menschen die ungekreuzten 
nicht an die gekreuzten an, sondern ziehen für sich allein als Pyramidenvorder- 
strangbahn in der direoten Fortsetzung ihres cerebralen Verlaufs herunter.“ 
In den Fällen, in denen die Pyramidenvorderstrangbahnen fehlen, „muss man 
annehmen“, bemerkt y. LenhossAe, „dass die Fasern, die sonst diese Bahnen 
bilden würden, nicht der gekreuzten, sondern der gleichseitigen Fyramiden- 
aeitenstraugbahn zugetheüt sind.“ 

Es wäre demnach also zu erwarten, dass beim Fehlen der Pyramiden- 
vorderstrangbahn eine Läsion in der Capsula interna der einen Himhemispbäre 
im Bückenmarke ausser der Degeneration im gekreuzten Seitenstrange noch 
eine solche in bedeutend beträchtlicherem Grade als sonst im Seiten¬ 
strang derselben Seite hervorrufe. Allein diese Erwartung traf bei der ana¬ 
tomischen Untersuchung eines entsprechenden Falles nicht ein. In einem Falle 
von frischer Hemiplegie in Folge von Embolie in der Arteria fossae Sylvii mit 
consecntiver Erweichung der motorischen Bahn innerhalb der Capsula interna 
wurde nämlich das Halsmark nach Mabchi gefärbt Es zeigte sich nun eine 
sehr beträchtliche Degeneration im gekreuzten Seitenstrang; im Vorderstrang 
derselben Seite in der Nähe der Fissura anterior einige wenige (4—6) schwarze 
Schollen, die man als minimale Andeutung eines Pyramidenvorderstranges an¬ 
zusehen hat; im Seitenstrang derselben Seite selbst im obersten Kalsmark 
nur wenige auf die Gegend der Pyramidenbahn zerstreute schwarze 
Schollen, deren Anzahl keine grössere ist als in Fällen mit gut ent¬ 
wickelten Pyramiden vordersträngen. 

Dieser Umstand dürfte darauf hinweisen, dass der Pyramidenvorderstrang 
keine Substitution für nicht-gekreuzte Pyramidenseiteustrangfasern und somit 
bloss eine Verlagerung derselben darstelle. Man ist vielmehr berechtigt, die 


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1000 


FTramidenTorderstrange als neue Formation, als eine neue, lange, Hirn- und 
BQckenmark verbindende Bahn anzusehen. Phylogenetisch könnte man diese 
Bahn auf die absteigend degenerirenden Fasern im Yorderstrang vieler Sänge* 
thiere (MAniE’s Faisceau sulco-mai^nal, Löwenthal’s Faisceau marginal antä* 
rieur) zuräckführen. In Präparaten, welche von Hunden mit lädirtem Halsmark 
herrähren, konnte ich bei Färbung nach Mabghi in dem Gebiet, in welchem 
beim Menschen ebenfalls bei Färbui^ nach Mabghi die Pyramidenvorderstrang* 
degeneration sich zeigt, eine sehr intensive absteigende D^nerataon constaüren, 
der gegenüber die daselbst anfsteigend degenerirenden Fasern unbeträchtlich 
sind. Es ist daher m^lich, dass diese Intersegmentalbahnen beim Menschen 
und ^ vielleicht auch andeutungsweise bei manchen Säugethieren ^ wenigstens 
theilweise sich zu langen Bahnen umgestalten. 


II. Referate. 


Anatomie. 

1) Ueber die Stirnnaht und den SÜmfontanellknoohen beim Uensoh^ 

von Springer. (Inang.'Dissert 1897. Königsberg.) 

Nach einer eii^ehenden historischen Einleitnng giebt Verf. seine Resultate ao 
804 Schädeln Erwachsener der Königsberger anatomischen Sammlung und fasst äe 
selbst folgendermaassen am Schlüsse zusammen: 

1. Eine Sutura frontalis kommt durchschnittlich in vor. 

2. Eine unregelmässige Krenznng der zusammentreffenden Nähte: Sutura üddI. 
und sagittalis und Sntura coronalis ist sehr selten, unter 64 Fällen nur 9 Hai (14 *^' 0 ). 

3. Es findet sich häufig eine Unregelmässigkeit in der Verbindung der beides 
Seitenhälften des Stirnbeins mit den beiden Scheitelbeinen. 

Unter 64 Schädeln stiessen alle 4 Knochen nur 4 Hai in einem Punkte zu¬ 
sammen. 47 Mal verband sich das rechte Scheitelbein aosser mit dem rechten, auch 
mit dem linken Stirnbein, 13 Mal das linke Scheitelbein ausser mit dem linken, auch 
mit dem rechten Stirnbein. Der Grund dieser Unregelmässigkeit ist zu snchmi in 
dem Auftreten von accessorischen Knochenkemen im Bereiche der Stimfontanelle. 
Letztere fand Verf. in l,47o> iu verschiedener Grösse, Gestalt und Lage. Der 
Schloss der Stimfontanellgegend mnss durch mindestens einen Knochenkem entstehen, 
wie das Bestehen des Stimfontanellknochens beweist. Näcke (Hubertusburg). 


2) Contributo alle etudio aziatozno*>fl8iologioo del oentii dei nervi ooulo- 
motori deir uomo, per G. Fanegrossi. (Bicerche fatte nel laboiator. di 
Anatomia normale della B. Univers. di Borna. 1898. Yl. 2 e 3.) 

An 6 Fällen chronischer Ophthalmoplegie nntersnehte Yerf. das Verhalten der 
Kerne der Augenmuskelnerven. Da sich die zahlreichen Einzelheiten der sehr so^* 


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’ VergL Ksdlice, Neorolog. Centralbl. 1897. 



1001 


ftltigen Arbeit der Wiedergabe im Referat eutzieben, seien hier nur die Äugen- 
Symptome and der anatomische Befund der einzelnen Fälle, sowie die Schlussfolge¬ 
rungen, zu denen Verf. auf Grund seiner Untersuchungen und der einschlägigen 
Litteratur gelangt, zusammengestellt. 

Fall 1. Dementia paralytica post tabem. Geringer functioneller Defect der 
Convergenz der Bnlbi und des Rectus eztemus, links stärker als rechts. Ungleich¬ 
heit der Pupillen 1. > r. Zweifelhafte Lichtreaction. Eem und Wurzelfasern des 
Abducens beiderseits erkrankt, rechts stärker als links. Hinteres LängsbQndel normal, 
ebenso der Trochlearis. Leichte yei‘ändernngen des distalen Abschnittes der Lateral- 
keme, des VI. Rdinger-Westpharschen, Centralkem and die medio-ventrale Zell- 
gruppe gesund. Die seitlichen Wnrzelfasem des Oculomotorins verschmälert, in den 
distalen Abschnitten besonders rechts. Normal die medialen und die Bogenfasem, 
ebenso der Darkschewitsch’sche Kern and die hintere Commissur. Das Nerven- 
fasergeSecht und die Zellen des centralen Böhlengrau fast gänzlich geschwunden. 

Fall 2. Progressive Paralyse. Linkes Äuge normal. Rechts: vollkommene 
Ptosis, jedoch vermag der Kranke bei Bedeckung des gesunden Auges das Lid zu 
heben. Bulbus unbeweglich, nach aussen unten abgewichen. Beide Pupillen licht¬ 
starr; die rechte auch auf Accommodation nicht reagirend. Anatomisch Befund: 
Beiderseits Kern und Wurzelfasem des Abducens schwer geschädigt, rechts noch 
stuker als links. Hinteres Längsb&ndel normal. Trochleariskem pathologisch rechts 
wiederum stärker, ferner Stamm- und Wurzelfasern in ihrer ganzen Ausdehnung er¬ 
krankt Schwere Veränderungen des distalen Theiles der lateralen Hanptkerne des 
Ocolomotorius. Edinger-Westpharscber und Centralkem normal. Der medio- 
ventrale Kern beiderseits erkrankt Wurzelfasern des Oculomotorins rechts fast voll¬ 
kommen geschwunden, links nur auf den distalen Schnitten durch den Kern ver¬ 
ändert. Darkschewitsch’scher Kern beiderseits erkrankt; normal die hintere 
Commissur. Im centralen HShlengrau die Zellen und das Nervengeflecht fast gänzlich 
geschwunden. 

Fall 3. Melancholie. Beide Äugen nach aussen abgewichen. Ausfall der 
Convergenz (angeborener Strabismus divergens). Pupillenreaction normal. Anatomisch: 
der accessonsche Abducenskem vorhanden. Beiderseitige Agenesie des distalen Ab¬ 
schnittes der dorsalen Zellgruppe des Ocolomotorius. Höhlengrau normal. 

Fall 4. Dementia paralytica post tabem. Leichte Ptosis rechts. Rechter 
Bulbus nach aussen abgewichen und nach dieser Richtung unbeweglich. Links: 
leichte Ptosis bei monoculärer Untersuchung, Convergenz- und Divergenzbewegungen 
eingeschränkt; bei monoculärer Untersuchung das linke, amaurotische Auge fast ganz 
unbeweglich. Papillen ungleich, rechte grösser als die linke, und lichtstarr. Ana¬ 
tomisch: Trochleariskem, Stamm- und Wurzelfasern beiderseits erkrankt, rechts stärker 
als links. Schwere Läsionen der Lateralkeme, der Central-, der Edinger-West- 
phal’schen, der medio-ventralen Keme und der Wurzelfasem des Oculomotorius, 
alles rechts mehr wie links, gut erhalten die Fibrae rectae. Darkschewitsch’scher 
Kern fast normal rechts, links verändert; hintere Commissur stark pathologisch. 
Fast vollkommen geschwunden Fasemetz und Zellen des centralen Höhlengrau. 

Fall 5. Tabo-paralyse. Linkes Auge normal. Pupillen leicht ungleich und 
träge reagirend. Rechts: leichte Ptosis, Augapfel nach aussen abgewichen, stark 
eingeschränkt. Die Bewegungen nach innen und oben. Anatomisch: Abducens- und 
Trochleariskem und Wurzeln normal. Der Stamm des Trochlearis beiderseits ver¬ 
ändert. Erkrankt der distale Abschnitt der Lateralkeme stärker in seinen dorsalen, 
als in den ventralen Zellgruppen und die lateralen Wurzelfasem beide rechts aus¬ 
gesprochener als links. Normal der Centralkem, der Westphal-Edinger’sche, 
der Nucleus medianus anterior, die medialen Wurzelfasem, der Darkschewitscb’- 
sche Kern und die hintere Commissur. Im centralen Höhlengrau Nervenfasergeflecht 
und Ganglienzellen fast ganz verschwunden. 


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1002 


Fall 6. Dementia paralytica post tabem. Rechts Ptosis, Balbos nach aussen 
abgewichen, die Conrergenz beider Ängen fast ganz aufgehoben, stark eingeschränkt 
die Rotation nach aussen oben and unten. Pupillen gleich, lichtatarr. Anatomisch: 
Beiderseits erkrankt Kern und Wurzelfasem des Äbducens links stärker als rechts; 
hinteres Langsbündel normal. Pathologisch verändert der Trochleariskem rechts 
mehr wie links. Normal die Wurzelfasem des Trocblearis. Erkrankt die Lateral- 
keme des Oculomotorius, und zwar ausgesprochener die dorsalen Gruppen und die 
rechte Seite. Normal Edinger-WestphaTsche, Centralkeme und Noclei medianl 
anteriores. Verändert rechts starker als links die lateralen Wurzelfasem, die medi' 
alen auf Schnitten durch das distale Keragebiet geschwunden. Darkschewitsch’- 
scher Kern und Commissura posterior normal Fast vollkommen geschwunden Faser* 
netz und Zellen des centralen Höhlengraues. 

Die Schlussfolgerungen des Verf.’s sind: 

FQr den N. äbducens: 

1. Oie Fibrae arciformes superficiales stehen in einfacher Contiguität mit dem 
Abducenskem, die Yerbindungswege zwischen diesem Fern und seiner motorischen 
Rindenzone oder dem Occipitallappen sind noch ganz unbekannt. 

2. Es ist noch zweifelhaft, ob das hintere LängsbQndel Yerbindongen eingeht 
mit den Kernen der Angenmnskelnerven. Die Annahme, dass dieses Bflndel ein 
Yerbindongsweg zwischen Abducenskem der einen Seite mit dem Oculomotorinskem 
der entgegengesetzten Seite sei, ist nnb^Qndet. 

3. Es ist zweifelhaft, ob der accessorische Abducenskem (Pacetti) znm YI. 
oder VII. Hiranervenpaar gehört. 

N. trocblearis: 

1. Der Kern des Trocblearis sind die Zellen, die in einer Einbuchtung des 
Fascicul. longitud. post, liegen. Die Westpharscben und Boettiger'schen Zell* 
gruppen haben nichts mit dem Trocblearis zn thun, gehören vielmehr znm centralen 
Höhlengrau. 

2. Der Trochleariskem kommt klar zur Anschauung nur auf proximal geführten 

Schnitten. Seine distale Partie wird oft von einer kleinen Zellgmppe gebildet, die 

nicht immer in einer kleuien Ausbuchtung des hinteren Längsbündels liegt, an 

Localisation und Grösse starken Schwankungen unterliegt und in ihrem sagittalen 
Verlauf häufig unterbrochen ist. 

3. Da eine anatomische Grundlage für die Existenz directer oder doppelt ge¬ 
kreuzter Fasern nicht vorhanden ist, muss man an der Annahme einer totalen 

Kreuzung des Trocblearis festhalten. 

4. Der Trochleariskem setzt sich direct in den Oculomotoriuskem fort 

N. oculomotorius: 

1. Die von Pertia gegebene Eintheilung des Oculomotorinskemes stimmt am 
besten zu unseren heutigen Kenntnissen vom morphologischen Bau dieses Nerven* 
centrums, wenn sie auch zu schematisch und noch nicht in allen Punkten be* 
stätigt sind. 

2. Man kann sicher eine partielle Kreuzung der Wurzelfasem des Ocalomotorius 

nacbweisen, und namentlich der aus den distalen Abschnitten stammenden. Die 

medialen Wurzelfasem, besonders diejenigen, welche von der dorsalen Gruppe ihren 
Ursprung nehmen, sind die gekreuzten. 

3. Eine genaue nucleäre Localisation der vom Oculomotorius versoigten Muskeln 
entbehrt der motorischen Grundlage. 

Den Darkscbewitsch'scben Kern muss man als Kern der hinteren Commissur 
ansehen. 

Es scheint ausgeschlossen, dass der Edinger*Westphal’scbe Kern und die 
Nuclei mediani anteriores Centren für die Innervation der inneren Muskulatur des 


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1003 


Ai^^es sind; wabrsclieiQÜcher ist es, wenn auch noch aicht bewiesen, dass sie zu 
den äusseren Äugenmuskeln in Beziehung stehen. 

Viele WahrscheinlichkeitsgrQnde sprechen dafür, das Centrum für das obere 
Augenlid in den proximalen Theil des Trochleariskems zu verlegen. Es ist nicht 
unmöglich, dass dieses Centmm sieb auch unter dem Einfluss des oberen Facialis 
befindet 

Es ist wahrscheinlich, dass das Centrum für den M. rectos internus seinen 
Sitz im distalen Ende des Dorsalkems des Oculomotorius hat. Seine Fasern hätten 
mithin einen gekreuzten Verlauf. 

Der M. obliquus inferior, dessen Thätigkeit oft synergetisch zu der des Bectus 
intemuB ist, hat höchst wahrscheinlich mit diesem eine gemeinsame Localisation. 

Wenn dies richtig ist, kommt man per exclnsionem zu dem Schluss, dass der 
M. rectus snperior und inferior im vorderen Theil des Hauptkems des Oculomotorius 
ihr Centrum haben. 

4. Die Fasern, die in den proximalen Ebenen zu beiden Seiten der Medianlinie 
verlaufen (Fibrae rectae), gehören wahrscheinlich nicht den Wurzeln des Oculo* 
motorius zu, sondern haben eine andere Bedeutung. Valentin. 


3) Contributo allo Studio del nuoleo del n. faoiale dell uomo, per G. Pardo. 

(Ricerebe fatte nell Lab. di Anatom, norm, della R. Univ. di Borna. 1898. VI.) 

Der Fall, an dem Verf. die Anatomie des Facialiskerns studirte, betraf einen 
46jährigen Schuhmacher, der 26 Jahre vor seiner wegen Dementia paralytica erfolgten 
Aufnahme in die psychiatrische Klinik zu Born sich durch einen Pistolenschuss das 
Leben zu nehmen versucht und dabei die rechte Eiefergegend verletzt batte. Es 
war rechtsseitige Taubheit und rechtsseitige complete Facialislähmung zurückgeblieben. 
Die faradisebe und galvanische Erregbarkeit des rechten Facialis war herabgesetzt, 
die von ihm versoi^n Muskeln zeigten partielle Entartungsreaction. 

Auf Serienschnitten durch das verlängerte Mark erschien am distalen Ende des 
VII. Kerns das Gebiet des rechten Facialis erheblich kleiner, sein Nervenfasemetz 
spärlicher, die Zellen besonders in der dorsalen und medialen Partie an Zahl ver* 
riugert, an die Peripherie gedrängt und geschrumpft; der aufsteigende Schenkel der 
Wurzel auf den dritten Theil seines Volumens reducirt. Weiter nach oben wird der 
Unterschied zwischen den beiderseitigen Kernen zuerst geringer, dann nimmt noch 
weiter proximalwärts die Atrophie des rechten wieder zu. Der absteigende Schenkel 
der VII. Wurzel ebenfalls stark verkleinert. 

Auch linkerseits ist im Vergleich zu normalen Präparaten der Facialiskem an 
Grösse reducirt, die Zahl seiner Zellen vermindert, diese selbst theils gut erhalten, 
theils sehr klein, blass und geschrumpft Alle diese Veränderungen betreffen in der 
Hauptsache nur den ventro>lateralen Abschnitt des linken Kerns. 

Der geschilderte anatomische Befund führt den Verf. zu dem Schloss, dass beim 
Menschen die Fasern des unteren Facialis grösstentheils ihren Ursprung nehmen aus 
dem gleichseitigen Kern, und zwar aus dessen dorso'medialer Partie und zum 
lüeineren Theil aus dem ventro'lateralen Theil des Korns der Gegenseite. Stimmt 
diese Annahme einer partiellen Kreuzung des Facialis mit den bei niederen Sänger 
thiereu erhobenen Befunden und mit den für den Menschen von Obersteiner ge¬ 
machten Angaben fiberein, so ist doch die Atrophie des Kerns der contralateralen 
Seite bisher in keinem pathologischen Fall beobachtet worden; hauptsächlich wohl 
deshalb weil meist zwischen dem Eintritt der Facialislähmung und dem Exitus letalis 
eine relativ zu kurze Zeit verstrichen war. Valentin. 


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1004 


EiperimenteUe Physiologie. 

4) Beiträge sur Kexxntniss der Lymphoiroalation in der Groashimrinde, 
von Prof. 0. Binswanger und Dr. H. Berger. (Virchow’s Archiv. Bd. CLII.) 

Die Verff. konnten im Anschluss an die Autopsie eines Falles von progressiver 
Paralyse, bei welchem sich gleichzeitig Erebsknoten in beiden Himhemisphären, 
sowie grosse Blnteztravasate unter der Subarachuoidea und im rechten Seitenventrikel 
fanden, die zum Tbeil noch unklaren Verhältnisse der Lymphcirculation in der Gross* 
hirnrinde stndiren. Die Resultate ihrer (Tntersuchuugen decken sich theilweise mit 
den diesbezüglichen Anschauungen von Key und Betgius, Schwalbe, Ober¬ 
steiner, Bevan Lewis u. A. Danach sind die Bindengeßsse von einem doppelten 
Lymphraum, einem intra- und einem extraadventltiellen, umgeben, die beide nicht 
miteinander communiciren. Der letztere steht in Verbindung mit den pericelluliren 
Lymphräumen und mit den Aroold'schen Lymphspalten der Pia, während der Intra- 
adventitielle Lymphraum mit den subarachnoidalen Lymphbahnen, sowie mit den 
Ventrikeln in freier Communication steht. Die VerCf. konnten nun feststellen, dass 
ein wesentlicher Tbeil des letzteren Lymphsystems durch die Gliazellen der MolecuUr- 
schiebt der Kinde und deren bis an die Himoberfläche reichende Ausläufer dargestellt 
wird. Es ei^b sich dies unzweifelhaft daraus, dass bei der mikroskopischen Unter¬ 
suchung dieser Zellen im obigen Fall sich dieselben, gleich den iutraadventititilen 
Lymphräumen, mit grossen Mengen Blotpigment angefOllt, zeigten, das nur ans den 
subarachnoidalen bezw. ventricularen Blutextravasaten durch den Lymphsaftstrom 
dorthin gelangt sein konnte. Bestätigt wurde diese Thatsache durch Thierexperi- 
mente, welche Verff. in der Weise anstellten, dass sie Hunden feingepulvertee Carmia 
in den Subarachnoidalraum injicirten, das sich dann nach Tödtung der Thiere eben¬ 
falls in den Gliazellen der Molecularschicht leicht nachweisen Uess. — Sonach war 
also im obigen Falle das in den Seitenventrikel ergossene Blut zuerst in den Sub- 
arachnoidalranm gelaugt und hatte von hier seinen Weg in die intraadventitieUes 
Lymphspalten einerseits und in die Gliazellen der Molecularschicht andererseits ge- . 
nommen, während die Bahnen des extraadventitiellen Lymphsystems sich voUkoauna 
frei sowohl von Blutpigment als auch in den Thierexperimenten von Cvmin er¬ 
wiesen, somit in keinerlei Verbindung mit dem anderen System stehen. Di^egea 
Dessen dieselben deutliche Stauungserscheinungeo — Erweiterung der Lymphspaltsn 
und Ausfüllung derselben mit Leukocyten — erkennen, offenbar eine Folge der in 
dem intraadventitiellen Lymphsystem erheblich gesteigerten Druckes. 

Nach Anschauung der Verff. ist das Veutrikelsystem mit den mit ihm commiuü- 
cirenden subarachuoidalen und intraadveutitiellen Lymphspalten kein eigenüichä j 
Lympbgefasssystem im engeren Sinn, sondern es dient dasselbe scheinbar nur der 
Begulirung des hydrostatischen Druckes im Gehirn, während das extraadventitielie ^ 
Lympbgefässsystem seiner ganzen Beschaffenheit nach als ein den übrigen Lymph¬ 
bahnen des Körpers analoges, echtes Geiasssystem angesehen werden muss. i 

Lilienfeld (Gr. Lichterfelde}. ' 


6) Ueber tetanusantitoxlsohe Eigenaohaften des normalen Centralnerven- 
Systeme, von Wassermann und Tabaki. (BerUner klin. Wochensebr. 1S9S. 
Nr. 1.) 

Mischt man eine selbst zehnfach tödtliche Dosis einer durch Ceutralvnsache 
als wirksam erwiesenen Lösung des Tetaousgiftes mit einer Emulsion von DonDalen). 
tbierischen BOckenmark oder Gehirn und spritzt diese Mischung Mäusen unter die 
Bückenhaut, so lässt sich ausnahmslos nachweisen, dass das normale Gehirn usd 
Rückenmark stets tetanusantitoxisebe Wirkung hat. Kein anderes Organ hat dieselbe 


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1005 


Wirkung, wie vergleichende Yersache lehrten. Das Rückenmark ist in seiner anti* 
toxischen Wirkung schwächer als das Gehirn. Die tetanusgiftbindende Kraft des 
Centralnervensystems äussert sich sogar nicht nur bei directer Mischung mit dem 
Gifte, sondern auch dann, wenn man die beiden Substanzen nacheinander selbst in 
Intervallen von Stunden dem Yersucbstbiere einverleibt. Geprüft wurde das Central* 
nervensystem des Meerschweinchen, der Taube, des Kaninchens, Pferdes und des 
Menschen. Bei allen diesen Arten wurde in gleicher Weise die antitosische Wir¬ 
kung des Gehirns oder Rückenmarkes nachgewiesen. Die antitoxische Kraft wohnt, 
wie das Experiment ergeben, den Zellen nnd nicht etwa einer in dem Central* 
nervensystem vorhandenen wasserlöslichen Substanz inne. 

Bielschowsky (Breslau). 


6) Ueber die psyohiachen Wirkungen des Hungers, von Dr. W. W ei g an dt, 

Assistenzarzt an der psychiatrischen Klinik zu Heidelbei^. (Münchener med. 

Wochenschr. 1898. Nr. 13.) 

Es handelte sich zunächst darum festzustellen, ob und inwieweit durch Nahrungs* 
enthaltung bez. Unterernährung auf experimentellem Wege eine Aenderung der 
psychischen Leitungen hervorgerufen werden kann und dadurch Rückschlüsse für 
gewisse Psychosen erlaubt sind. Es wurden verschiedene geistige Functionen zuerst 
an normalen Tagen, dann nach einer Hungerzeit von 12—72 Stunden und schliess¬ 
lich wieder an den darauf folgenden normalen Tagen geprüft. Zunächst wurde die 
Anffassung, dann die Vermischung zweier Vorstellungen durch das associative Denken, 
nachher die Auslösung einer Willenshandlung und schliesslich das Festhalten von 
Vorstellungen im Gedächtniss untersucht. An 6 Personen, sämmtlich jüngeren Aerzten, 
wurden 9 Versuchsreihen angestellt, welche unter 75 Versuchstagen 12 Hungertage 
aufwiesen. Dadurch kamen etwa 451 einzelne Versuchsabschnitte zu Stande. Unter 
Hungern ist die vollständige.Enthaltung von irgendwelchen Nahrungsmitteln bei aus¬ 
schliesslicher Zufuhr von Wasser zu verstehen; an 2 Tagen fiel auch diese fort. 

Es fand sich eine nur geringe Beeinträchtigung der Äufiassung, während die 
Associationen qualitativ herabgesetzt und die Wahlreaktionen etwas verlangsamt 
waren und zu Feblerreactionen wurden. Das Gedächtniss war deutlich ver¬ 
schlechtert, die Ablenkbarkeit erhöht und somit die Aufmerksamkeit verringert. An 
den Tagen mit Wassereuthaltung waren ihre Associationen noch weiter verschlechtert. 
Am Wichtigsten ist, dass der Hungerzustand nicht allgemein schädlich wirkt, son¬ 
dern dass er electiv vorgeht. Der Grundzug im Bild der Meynert'schen Erschöpfungs* 
Psychose, die Auffassungsstörung, die Verwirrtheit, findet sich bei diesem künstlichen 
Zustande nicht wieder. Die übrigen Befunde treten auch bei den Erschöpfungs¬ 
psychosen auf. E. Asch (Frankfurt a./M.). 


Pathologie des Nervensysieins. 

7) Om Propagation med nervus opticus af Sarkomes, opstäede indenfor 
bulbua oculi, af Aage A. Meisling. (Nord. med. ark. N. F. 1897. VII. 1. 
N. Z.) 

Verf. theilt 3 Fälle mit, in denen Chorioidealsarkome auf dem Wege des 
Nervus opticus und seiner Scheide durch das Chiasma hindurch auf den Opticus 
oder die Orbita der anderen Seite übergeführt wurden. Eis wurde zwar in keinem 
Falle der anatomische Nachweis dieses Vorganges geliefert, aber die klinische Beob¬ 
achtung und die Analogie früher veröffentlichter Fälle erwies die endocraniale Ver- 
breitungsweise der Geschwülste. Die Fälle zeigen, wie wichtig es ist, bei Cblorioidal- 


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1006 


Sarkomen eine sorgfältige {JntersQcbQng der Fanction des anderen Auges vorzunehmen, 
die sich nicht allein auf die Sebstärke beschränken darf, sondern auch das Sehfeld 
umfassen muss und, wenn die centrale Sebstärke herabgesetzt ist, auch nach cen¬ 
tralen Skotomen soeben muss. Es gebt daraus hervor, w^cbe Bedeutung die 
Ophthalmoskopie für den Nachweis der Atrophie des Opticus haben kann, und 
schliesslich ist eine eingehende, auch mikroskopische Untersuchung des Sehnerven des 
wegen Ohorioidealsarkoms entfernten Auges von ausserordentlicher Bedentung, da 
dessen Intervaginalraum der Weiterverhreitung in der Schädelhdhe als Weg dient. 

Walter Berger (Leipzig). 


8) Een geval van spheno-lordose ten gevolge van konstmatige schedel- 
misvorming. Akad. proefschr. door Hendrik Christian Folmer. (’s Graven- 
bagen 1897. C. P. B. ten Hagen. 8. 97 blz. en 4 plaaten.) 

Die vom Yerf. angestellten Untersuchungen betreffen den Schädel eines bei 
Schaphalster Zijl in der Gemeinde Winsum in der Prov. Qroiiingen au^egrabenen 
Skeletts, der Missbildungen zeigt, wie sie auf kflnstliche Weise durch Umschnfirongen 
an Schädeln von Kindern hervorgebracht werden. Am Hinterhanpte finden sich drei 
flache Stellen, die als Wirkung von durch steife Platten ausgeübtem Drucke au&u- 
fassen sind, eine gleiche flache Stelle flndet sich an der rechten Seite des Yorder-’ 
kopfes, wo auch schwache Spuren des Bandes zu sehen sind, durch das die Platten : 
befestigt waren. In Folge des Zosammendrückens ist der Schädel in der Längsrieh- | 
tung sehr verkürzt, während die Diagonalmittellinie eine enorme Grösse erreicht hat, j 
mit Verschiebung hinter den höchsten Punkt, der vor der Lambdanaht liegt. Da- j 
durch ist der Schädel cuneiform geworden. Die grösste Breite des Schädels liegt 
tiefer als gewöhnlich und fällt unterhalb der Tnbera parietalia. Die Sntora coronaria j 
ist eigenthOmlich geformt und schliesst sich rechts weiter nach hinten an die Sntora ; 
sagittalis an als links. Der Clivus ist hernntergerückt und liegt in gleicher Ebene 
mit dem Foramen magnum, das Basion steht tiefer, wie auch das Keilbein, das Sieb- 
bein und der Oberkiefer. Dadurch, dass die Pars basilaris des Clivus bedeutend | 
mehr herabgerückt ist als die Pars sphenoidalis, sodass beide einen Winkel von 
192*^ (bei normalen Schädeln 156^) bilden, entstand ein an einen Cretinenschädel 
erinnernder Prognatismus, obwohl die Nasenknocheo nicht dem Cretinenschädel ent¬ 
sprechen. In Folge der Senkung der Schädelbasis und der Vorragong der Schläfen- 
theile musste der Unterkiefer nach hinten verschoben werden. Aus allem gebt her¬ 
vor, dass die Veränderungen in frühester Jugend, und zwar anmittelbar nach der 
Geburt, auf künstliche Weise erzeugt worden sein müssen. Nach VerL’s weiteren 
Nachforschungen musste der Schädel von einem belgischen Kriegsknecht stammen; 
nach Vesalins (De corporis humani fabrica. Ausg. von Boerpave. Lngd. BaUv. 
1725. Lib. I, Cap. V. p. 16) war bei den Belgiern damals thatsächlich eine künst¬ 
lich Formveränderung des Schädels durch Einwickelung gebräuchlich. 

Walter Berger (Leipzig). 


8) Ein experimenteller Beitrag zur Frage der peripheren degenerativen 

Neuritis bei Tuberoolose, von Dr. Carl Hammer, Oberarzt an der medk. 

UniversitätskUnik in Heidelberg. (Deutsche Zeitschr. flir Nervenheilk. 1898. 

Bd. XII.) 

Die Anregung zu dieser sehr werthvollen Untersuchung empfing Yerf. durch 
einen rein zufälligen Befund. Bei 2 Meerschweinchen, welche intraperitoneal tuber- 
culös infleirt wurden und die in Folge davon an allgemeiner MUiartuberculose zu 
Grunde gingen, Hess sich an den Nn. peronei eine Über den ganzen Nerven ver¬ 
breitete Degeneration nachweisen. Nach dieser Beobachtang wollte sich Verf. davon 


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1007 


Tergewissern, ob diese DegeneratioDserscheinuDgen in den peripberen Nerven bei 
experimentell erregter Taberculose regelmässig auftreten, und wenn dies nicht der 
Fall, unter welchen Bedingungen sie hervorgemfen werden kOnnpn. 

Die E^ebnisse der sehr mühevollen, vermittelst der Nissl’schen Methode an 
Meerschweinchen angestellten Untersuchnngen sind folgende: Die motorischen Zellen 
des Bückenmarks erkranken bei der experimentell erzeugten Taberculose regelmässig. 
Die Intensität der Zellveränderungen ist eine sehr verschiedene; es kann bis zn einem 
Untergange der Zellen kommen. Wurden mehrere Thiere unter sonst gleichen Be* 
dingungen inficirt, so lässt sich die Zunahme der Zellverändemngen je nach der 
Krankheitsdauer feststellen. Wahrscheinlich ist die directe Ursache dieser Zellver* 
ändernngen nicht infectiCser, sondern toxischer Natur, also nicht auf die Thätigkeit 
der Bacillen zurückzuführen, sondern eher durch giftige Stoffwechselproducte bedingt. 
Diese und vermuthlich auch andere, nach Infectionskrankheiten auftretenden Neuri* 
tiden sind offenbar secundärer Natur, d. h. von den primären Veränderangen der 
Ganglienzellen abhängig. E. Asch (Frankfurt a./M.). 


10) Zur Lehre von der giohtisohenNeuritis, von Wilhelm Ebstein. (Deutsche 

med. Wochenscbr. 1898. Nr. 31.) 

Bei der sehr untergeordneten Rolle, welche die Neuritis in der Gichtlitteratur, 
besonders der deutschen, spielt, ist es erforderlich, klinische Belege dafür zu sammeln, 
dass „bei der Gicht Neuritisformeu Vorkommen, welche mit den aus anderen ätio* 
logischen Ursachen vorkommenden vollkommen übereinstimmen und wofür sich andere 
ätiologische Momente als die Gicht trotz sorgfältigster Uotersucbung nicht finden 
lassen“. Als Anregung hierfür theilt Yerf. eine eigene Beobacbtang mit: Ein 48jähr. 
Holzhändler mit typischen, alljährlich wiederkehreuden Gichtanfällen und Tophi an 
beiden Ohren zeigte eine Neuritis im Gebiete des rechten Plexus brachialis (Parese 
und Atrophie des rechten Armes, besonders ausgesprochen am M. deltoideus, Biceps 
und Interosseus 1; Parästhesieen). Eine Abmagerung des linken Armes war nicht 
nachweisbar, in der letzten Zeit sollen sich jedoch ziehende Schmerzen auch in dieser 
Extremität eingestellt haben. Die auf Yerf.’s Bath vom Hausarzte vorgenommene 
galvanische Behandlung beseitigte die Beschwerden am linken Arme, der rechte zeigte 
keine Besserung, aber auch kein Fortschreiten des Processes. Ein ätiologisches 
Moment ausser der Gicht war nicht zu eruiren, insbesondere fehlten die Symptome 
eines chronischen Potatoriums; die Möglichkeit eines zufälligen Zusammentreffens, die 
Anffassung der Neuritis als eine Complication besteht natürlich zu Recht. 

R. Pfeiffer (Cassel). 


11) Pressure neuritis oaused during surgioal operaüons, by Howell T. Pers* 
hing. (Medical News. 1897. 11. Sept.) ^ 

Yerf. berichtet über 3 Fälle von Narkoseulähmung, von denen der eine den 
Plexus brachialis, die beiden anderen den N. pero.neus betrafen, alle drei entstanden 
durch Druck der Extremität gegen einen scharfen Rand des Operationstisches. Die 
Fälle an sich bieten keine Besonderheiten. Martin Bloch (Berlin). 


12) Ueber einen in ätiologischer Beziehung unklaren Fall von Polyneuritis 
ohronioa mit spinalen Veränderungen, von Dr. S. Winkler. Aus dem 
Laboratorium von Prof. H. Oppenheim in Berlin. (Deutsche Zeitschrift für 
Nervenheilkunde. 1898. Bd. XII.) 

Nach einer — nur im zeitlichen Sinne — prophylactischen Heilseruminjection 
war bei einem jugendlichen Patienteu eine bald vorübeigehende Nierenentzündung 


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1008 


constAtirt worden. Mehrere Monate später setzten Symptome ein, welche, an Schwere 
und Zahl zunehmend, allmählich das Bild einer multiplen Neuritis darboten. Ausser* 
dem Hess eine gleichzeitig bestehende Parese der Blase auf eine complicirende Myelitis 
lumbalis schliessen. Die wichtigsten Erscheinungen wurden vom Yerf. selbst folgender* 
maassen zusammengefasst: 

1. Doppelseitige periphere Facialislähmung; 

2. doppelseitige Taubheit mit dem Zeichen der galvanischen Hyperästhesie; 

3. leichte Äffection des linken sensiblen Trigeminus; 

4. beiderseitige, leichte Neuritis optica; 

5. fast vollständige Lähmung beider unteren Extremitäten mit dem Zeichen der 
peripheren Lähmung und Störung der Sensibilität, beträchtliche Druckschmerzhaftigkeit 
der Nerven und Muskeln. 

Bei der Section fand sich einmal in der That eine myelitische Degeneration der 
Lendenanschwellung. Die weiteren wichtigsten Befunde waren; 

1. Ein ausgedehnter alter Degenerationsprocess in deu peripheren Nerven der 
unteren Extremität und im peripheren Facialis; 

2. alter Process in den Goirschen Strängen, frischer in den Burdacb’scben 
Strängen, KleinhimseitenstrangbahD, vorderen und hinteren Wurzeln des Bückenmarks: 

3. eitrige Meningitis spiualis, am stärksten im Lendenmarke; 

4. Degeneration der beiderseitigen spinalen Trigeminuswurzeln; 

5. Degeneration der intracorticalen Markstrahlen in der Rinde der motoriscbcD 
Region. 

üeber die ans dem Falle sich ergebenden streitigen Punkten spricht sich der 
Verf. in der Frage nach der Aetiologie der multiplen Neuritis dahin aus, dass wohl 
eine Reibe von Ursachen zusammengewirkt haben mögen. So die Nephritis, eine nicht 
manifest gewordene Diphtberieinfection und vor Allem die Alkoholintoxication, auf 
welche die Anamnese hinweist. Zur Deutung der Röckeumarksbefunde fasst Yerf. be¬ 
sonders den Zeitpunkt der Entstehung der einzelnen Degeneration ins Auge. Da skh 
nun der Process in den GoH’scben Strängen als ein alter präsentirt, so wird er 
auf die nämlichen Ursachen wie die Erkrankung der peripheren Nerven zurflckgefflbn. 
Dagegen werden die obengenannten frischen Yoranderungen in Abhängigkeit von der 
Meningitis gebracht. Diese selbst wird mit einem starken Kreuzbein* Decubitus in 
Beziehung gesetzt und als die Ursache der zum Tode föbrenden Yerschlimmenmg 
dos Zustandes angesehen. 

Während sich der Yerf. gegenüber der pathologischen Bedeutung gewisser, nur 
durch Marchi deutlich gemachter Degeuerationsbilder au den vorderen Wurzeln und 
Vorderhörnern skeptisch verhält, zweifelt er nicht an der Wichtigkeit des obee* 
erwähnten Befundes in der Grossbimrinde. E. Asch (Frankfurt &./JL). 


13) The diagnosis and treatment of multiple neuritis, by Ch. Lewis Allen. 

(Medical Record. 1897. 24. April.) 

A. bespricht Aetiologie, Symptomatologie, Diagnose, Prognose und Therapie d« 
Neuritis multiplex. L. führt vier eigene Beobachtungen an: 

1. Eine Arsenikneuritis an den unteren Extremitäten nach längerem Qebnoebe 
von Fowler'scher Lösung gegen Chorea bei einem 14jähr. Mädchen. Dauer 4 bis 
6 Wochen. 

2. Bei einer Qljäbrigen Imbecillen, anscheinend nach Erkältung, nenritische 
Lähmung aller 4 Extremitäten, mit nur quantitativen, elektrischen Ydränderunges 
und fraglicher Sensibilitätsstörung. Nach ca. 3 Monaten Heilung. 

3. 19jähriger, kräftiger Manu, bekommt nach einer Fingerverletznng leicht« 
Septikämie, die langsam heilt. Zur Schule zurückgekehrt, bemerkt er: Doppeltaebeo, 


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StÖroD^ der Articolation, Farästbeaieen in den Fingern, Armachväche, dann geringe 
Bompfmoakelpareee nnd ap&ter Beinpanplegie. Nach ?orflbergebender Beaaernng ein 
Bflckfail, bei dem aber Angen«, Qeeicbts* nnd Znngenmaslnilatar Terschont blieben. 
Geringe SensibilitätsstCrnngen, nur qnantitatiTe elektrische Yer&ndemngen in einzelnen 
Muskeln. Nach Jahre Heilnng. 

4. Ein 50jähriger Mann, mäesiger Potator, .der schon ror 5 Jahren eine ähn¬ 
liche Krankheit flberstanden hat, bekommt eine zunehmende doppelseitige Bein« nnd 
Annparese mit SensibilitätseUrnngen, wozn sich Blaaenstörnngen gesellen. Elektrisch 
geringe Veränderungen. — A. nimmt an, dass sich BflckenmarksTe^ndernngen zu 
der Neuritis alcoholica gesellt haben, (w^n der BlasenstSrnng). — Nach 6 Monaten 
war der Zustand noch unverändert Toby Cohn (Berlin). 


14) Bttokenmarksveranderungen bei multipler Neuritis der Trinker, von 

Karl Heilbronner. (Monatsschr. f. Psychiatrie n. Neurologe. 1898.) 

Terf. hat mit Hülfe der neneren Untersnchnngsmethoden in mehreren Fällen von 
multipler Alkoholneuritis Nervensystem nnd Mnskniatnr untersucht Der erste Fall 
betrifft eine 37jähr^ Frau mit dem typischen Bilde einer schweren, in 6 Wochen 
zum Ezitns führenden Trinkerneuritis, verbunden mit einer Korsakow’schen Psychose. 

In allen betroffenen Nerven besteht starker Faseransfall und frische Oegeneration; 
auch im Muse, temporalis finden sich degenerirte Nervenästchen. Die Mnsculatur 
zeigt Atrophie, Kernvermehruiig und fiindegewebswuchernng, bei meist gut erhaltener 
Queistreifung und fettiger D^neration einzelner Muskelfasern. Im Bückenmarke lassen 
sich mit der Marchi’schen Methode feststellen: Degeneration der intramedullären 
Abschnitte der vorderen Wurzeln im Lendenmarke und schwächer im Halsmarke, 
Degeneration der hinteren Wurzeln mit Einstrahlung in Hinterhümer uud Hinter- 
stränge, im Halsmarke stärker als im Lendenmarke, aufsteigende Degeneration in den 
Hiutersträngen. Eine acute, dem psychischen Processe entsprechende Schädigung der 
Qehirnsubstanz ist nach Marchi nicht nachweisbar. — Der zweite Fall einer 61 jähr. 

Frau Hess intra vitam die Diagnose zwischen Rflckenmarksaffection und Nenritis 
schwanken; der Befund an Nerven, Muskeln nnd Bückenmark entspricht dem des 
ersten Falles. Dem intra vitam bestehenden tiefen Stupor entspricht starke Degene¬ 
ration der verschiedensten Abschnitte der Hirnrinde. Im dritten Falle bei einem 
48jährigen Phthisiker ist das Erhaltenbleiben der Patellarrefiexe trotz neuritischer 
Symptome und einer Degeneration der hinteren Wurzeln in den unteren Bflekenmarks-. 
sbechnitten bemerkenswerth. Dasselbe ist vielleicht mit der in diesem Falle zu con- 
statirenden Seitenstrangsaffection in Beziehung zu bringen. Die Veränderungen der 
Wurzeln sind auf die unteren Bflekenmarkaabsohnitte beschränkt Es besteht aus¬ 
geprägte Faserdegeneration in den Vorderbürnern. In einem weiteren Falle sind 
nach Nissl die für Alkoholismns charakteristischen Zellveränderut^en der motorischen ^ 
(HngHenzellfn im Lendenmarke zu constatiren. Derselbe beweist ferner, dass die 
Worzelveränderungen auch ohne Fieber und ohne allgemeinen Marasmus festzustellen 
sind. Im letzten Falle endlich, bei einer im acuten Delirium zu Grunde gegangenen 
36jähr. Frau, ist eine der intra vitam vorhandenen Beflexsteigerung entsprechende 
Degeneration der Pyramidenbahn zu constatiren, während Veränderungen der Wurzeln 
und secundäre Hinterstrangsdegeneration fehlen. 

Verf. betont, dass bei der Alkoholneuritis die interstitiellen Veränderungen g^en- 
über dem parenchymatösen Ausfälle ganz in den Hintergrund treten. Die Muskel- 
affection stellt sich dar als eine partielle fettige Degeneration der functionirenden 
Muskelsubstanz, die elektiv Faser um Faser ezgreift; erst um die atrophisch ge¬ 
wordenen Fasern erfolgt eine Kernvermehning. Die Veränderungen der Ganglien¬ 
zellen nach Nissl bestehen in feinkörnigem Zerfall der Nissl-Körper, zunächst um 
den Kern, dann peripher, excentriseber Lagerung des Kerns und Vaenolisimng der 

64 





1010 


Zellen. Die y«ränderongen sind nicht so schwere, am eine Bestitution völlig suä- 
loschliessen. Wae die nach Marchi erhobenen Bfickenmarksbefande betrifft, so 
kommt Yerf. zu dem Schlüsse, dass die hier oenstatirten Ver&nderangen zu denen 
der peripheren Nerven nicht im Verh&hnisse von Ursache und Wirkung stehen, 
sondern der Ausdruck einer an verschiedenen Stellen — unabhing^ von einander — 
wirksam gewordenen Schädigung ^ind. Diese Soh&digumg ist eine toxische, ohne 
dass der Alkohol dabei aussohliesslich in Betracht kommt Yerf. wendet sieh gegen 
eine principielle Absonderung der Affection der hinteren Wurzeln und Hinterstrsnge 
bei Neuritis von den als tabische bezeichneten Affbctionen der gleichen Abschmtte. 
Es kann sich wahrscheinlich aus einer toxischen Hintertrangserkrankung bei Nenritis 
eine alle Charakter der Tabes aufweisende Affection entwickeln. 

H. Kothmann (Berlin). 


16) Ueber NeorltlB gonorrhoioa, von B. Nannyn. (Zeitsehr. f. prakt Aerzte. 

1898. Nr. 11.) 

Bei einem 17 J&hrigen entwickelte sich einige Wochen nach einer gonorrhoischen 
Infection eine Arthritis im linken Bllenbogengelenke und Knie. Fast gleichzeitig trat 
im rechten Beine eine Nenritis auf mit sehr heftigen continuirlichen Schmerzen nnd 
eigenthflmlicher Hyperästhesie fhr Berfihrung. Unter Anwendung von Natr. salicfl. 
and Leiter’schen Böhren schwanden die Schmerzen; jedoch zeigte sich nun eine 
beträchtliche Atrophie des rechten Beines mit Herabsetzung der activen Bewe^ch- 
keit und Paresen, vor Allem des Quadriceps. Der Fatellarreflex war beiderseits 
gesteigert, Dorsalclonus vorhanden. 

Yerf. giebt einen historischen Ueberblick Aber diese sicher in Beziehung znr 
Gonorrhoe stehende nervöse Erkrankung. Es kommen neben den Neuritiden auch 
spinale Erkrankungen mit transversale Symptomencomplexe vor, Aber die einige 
genauere auatomische Untersuchungen vorliegen. Alle diese nervösen Zufälle sind 
Folgen der im Anschlüsse an Gonorrhoe anftretenden Allgemeinerkrankung. Sie Anden 
sich vorwiegend bei jungen Leuten. Zur Therapie empfiehlt Yerf. 3—4 g Natr. 
salicyl. in einer Dosis einige Tage nacheinander Abends und Kälte auf die erkrsnkt«i 
Nervenstämme, besonders in Form der Leiter’schen Röhren. 

M. Bothmano (Berlin). 


16) Üeber alkohoUsohe Paralyse und InfeotiSse Neuritis multiplex, von 

Director Dr. Th. Tiling, Anstalt Bothenbe^. (Harhold. 1897. Halle a./S.) 

Bei der sogenannten Alkoholparalyse ist die p^chiscbe Störung durch primfa-en 
Schwachsinn charakterisirt, deren Haupteymptom eine bedeutende Gedächtniss* 
Störung ist. Die Kranken haben Erinnerungstäuscbungen nnd schmAcken wirkliche 
Erlebnisse phantastisch aus; Geschichten, die sie im Moment der Erzählung erfindra, 
ersählen sie gleich darauf in anderem Sinne wieder. Wahnideeen sind nicht vor¬ 
handen. Nachdem schon eine Zeit lang psychische Krankheitssymptome bestandeo 
haben, gesellen sich somatiscfa-nervöse Anomalieen zu ihnen. Dieselben bestehen in 
Herabsetzui^ der motorischen Kraft, Paresen der Extensoren, Yennindemng des 
Tastsinns, namentlich an der Peripherie, Schmerzen in den Extremitätra, Yerisng- 
samung der Schmerzempfindung, BAckempfindung, subjectivem KältegefAhL Die 
Patellareehnenreflexe fehlen, Atropbieen bilden sich ans, die elektrische Beaction ist 
herabgeeetct, Entartungsreaction wird beobachtet. Die Muskeln fühlen sich teigig an. 
Der Puls kann beechleunigt werden und anssetzen, Athembeschwerden können anf- 
treten. Tremor manuum besteht Bei geebneter Behandlung gehen die nenritischMi 
Symptome weg, die psychische Störoi^ ist jedoch nach den ErAüirangen des Terf.'8 
nur relativ reparabel, meistens verbleibt psychische Invalidität. Die Hauptsache der 


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Bebandlang ist Alkoholabstinsnz; ausserhalb der Aostaltspfl^e trinken die Kranken 
immer wieder — zam Theil deswegen, weil sie in Folge ihrer Oedächtnissstörung 
vergessen, dass sie soeben erst getrunken haben. Ref. hat zwei sehr schwere F&Ue 
von sogenannter Alkoholparaljse körperlich und psychisch heilen sehen und 1^ im 
Gegensatz zum Verf. der electrischen ßebandlung Werth bei. Die Krankheit w&hrte 
in den beiden vollständig geheilten Fällen im Ganzen 1—2 Jahre. 

Ausser dem Alkohol können non noch verschiedene andere Intoxicationen (Auto* 
intoxicationen) das Bild der multiplen Neuritis mit amnestischer Geistesstörung her* 
vormfen. Festgestellt ist dies nach Typhös, Puerperium, Gangrän, Bnteritis und 
Aebnlichem. Hier gehen psychopathologische Anomtdieen der Krankheit nicht voraus, 
nenritiscbe und psychische Störungen setzen zu gleicher Zeit ein. Psychische Ge¬ 
nesung ist häufiger als bei Alkoholparalyse. Die Krankheit ist aber viel seltener 
als die zuerst skizzirte. Fieber ist bei beiden Affectionen in der Regel nicht vor* 
banden. G. Ilberg (Sonnenstein). 


17) Sie Beri'Beri-Krankheit, von E. Däukler. Nach einem Vortrag, gehalten 
aof der 60. Versammlung deutscher Naturforscher n. Aerzte in Frankfurt a./H. 
(Virchow’s Archiv. Bd. CLXU.) 

Verf. schildert auf Grund zahlreicher eigener klinischer und pathologisch-anato* 
mischer Beobachtungen und unter BerUcksichtigung der einscblä^en Litteratur in 
zusammenfassender Weise das Krankheitsbild der Beri-Beri. Er geht namentlich auf 
die noch unklaren ätiologischen Verhältnisse ein und betont, dass er der Auffassung 
anderer Autoren, welche die Beri'Beri in nahe ätiologische Beziehung zur Malaria 
bringen, nicht beitreten kann. Der Vortrag enthält im Uebrigen nichts wesentlich 
Neues. Lilienfeld (Gr.-Lichterfelde). 


18) Hin Fall von liepro onaestbetios mit Saotionsbefond, von Bamgin. 

Aus dem I. Stadthospital in Moskau. (Deutsche med. Wochenschr. 1898. Nr. 30.) 

Die Uebertragung geschah wahrscheinlich durch Beschäftigung mit Rohseide, 
bezogen ans den asiatischen Provinzen Russlands und aus Bnchara, wo die Lepra 
endemisch ist. Die Krankheit begann bei dem ÖOjUirigen Manne mit chronischer 
Rhinitis und Schmerzen, verbunden mit Anästhesieen, an den Extremitäten. Bei der 
ersten Untersuchnug durch Verf., 6 Jahre nach den Initialsymptomra, war schon der 
grösste Theil des Körpers anästhetisch, kurz vor dem Tode die Sensibilität nur an 
einer 17 cm breiten und 20 cm langen Stelle im Interscapnlarraum erhalten. An 
den meisten anästhetischen Stellen, welche genau den atrophischen, von einem pigmen* 
tirten Saum umgebenen, leprösen Flecken entsprachen, befand Thermoanästhesie und 
Analgesie bei annähernd normaler tactiler Empfindung. Die leprösen Flecke flössen 
g^en Ende des Lebens zusammen, der pigmentirte Saum wurde undeutlich, die 
Haut zwischen den Schulterblättern blieb normal An den Fingern Narben in Folge 
von Panaritium analgicum, keine Mutilationen. Lähmung des N. fadalis, links com* 
plett, rechts nur im oberen Theil, des N. nlnaris und peronei. Intra vitam Lepra* 
bacUlen in der Hant nicht nachweisbar (im Nasenschleim? Ref.). Exitus. Die 
histologische Untersuchung der Hant ergab Abplattung der Papillen, Verdflnnnng des 
Stratum Malpighii, Atrophie der Drüsen und Haare, zerstreute Infiltrationen von 
runden oder spindelförmigen Zellen in der Umgebung der Gefässe und Drüsen, keine 
Riesenzellen. An früher betroffenen Stellen trat die Infiltration zu Gunsten der 
Atrophie nnd bindegewebigen Umwandlung zurück. Leprabacillen wurden nur spär* 
lieh gefunden nnd nur in frischen Infiltrationen beobachtet; sie sassen in den Zellen, 
aber auch in den Gefösswänden und waren in den älteren Hm^ieD in Detritus um* 
gewandelt, der aber noch die Ziehl’sche Färbung annahm, während die ganz alten 
Infiltrationen weder Bacillen noch Detritus zeigten. Die peripheren Nervenäste nnd 
grösseren Stämme wiesen interstitielle Neuritis auf; Peri*, Epi* und Bndoneurium 

64* 


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waren betroffen, aeigten specifiscbe Infiltration mit Bundzellen und bind^ewebige 
Umwandlung. Das Hjelin war nur in KlQmpcben erhalten oder ganz rerscbwanden, 
die sp&riicben Bacillen lagen in den LeprazeÜen oder auch zerstreut im Bindegewebe 
des Kerven. Es bestand ferner in den hinteren Wurzeln secundäre aufsteigende 
Degeneration ohne specifiscbe Infiltration, Sclerose der Goll'schen Stränge, besonders 
im Halstheil; die Zellen der Vorder- und Hinterhömer waren intact. In den Spinal¬ 
ganglien fand sich theilweise Degeneration der Nervenfasern, Hyperplasie des Binde¬ 
gewebes mit Kernveroiehrung und starke Pigmentation der Zellen. — Bacillen waren 
weder im Rückenmark, noch in den Spinalganglien, noch in der Hirnrinde oder den 
untersuchten inneren Organen zu constatiren. 

Bei der rein anästhetischen Lepra finden sich die Bacillen nicht nur in den 
Nerven, sondern auch in den Hautiufiltrationen. Die specifiscbe Infiltration, an den 
peripheren Enden der Hautnerven bannend, schreitet sehr weit centralwärts fort, 
hoher hinauf folgt dann mit dem Anfhören der Infiltration die secundäre D^ene- 
ration, welche sich ancb auf die Wurzeln ansdebnt Die Degeneration der GolTschen 
Stränge ist daher secundär. 

Die bindegewebige Umwandlung der Infiltrate bedingt den raschen Schwund der 
Bacillen in der Haut und den Nerveniufiltratdn und die Sclerose der Nervenstämme. 
Diese bindegewebige Organisation ist charakteristisch ffir Lepra anaethetica, gegen- 
Aber der L. tnberosa, beide Formen unterscheiden sich ferner durch die Qualität 
bezw. verschiedene Lebensbedingungen der Bacillen. Nur so lässt sich erklären, 
warum bei der Lepra tnberosa trotz zahlreicher Bacillen die Nerven anatomisch und 
fnnctionell intact bleiben, während bei der anästhetischen Form wenige Bacillen voll¬ 
ständige Nervensclerose bedingen können. B. Pfeiffer (Cassel). 


19) Zur Lehre von der Lepra; Ckmtagion und Heredität, von Prof. £. v. 

Dfiring in ConstantinopeL (Deutsche med. Wochenschr. 1898. Nr. 20 o. 21.) 

Verf. unterzieht die Arbeiten von Kaposi (Wiener klin. Wochenschr. 1897. 

Nr. 47) und Zambaco (Lettre ä Hr. le prdsident de la SocidtO Impdriale de Alddeciiie, 
Moniteur Oriental. Novembre 26 und De la confdrence sn la lOpre, tenue rdcemment 
ä Berlin. Bevue mddico-pharmatiqne. 1897. Nr. 11. Novembre 16.), ferner den Auf¬ 
satz von Baeltz (Berliner klin. Wochenschr. 1897. Nr. 46£) einer eingehenden 
Kritik, deren Details im Originale nacbznlesen sind. Gestützt anf die bacill&’e Katur 
der Krankheit, das Freibleiben der in Constantinopel lebenden Griechen und Türken, 
die Verbreitung der Krankheit bei den Spaniolen, das Freibleiben der Nachkommen 
der Norweger in Amerika und die Abnahme der Lepra in Norwegen durch die Iso¬ 
lation hält Verf. die Lepra Rir eine contagiOse Infectionskrankbeit Die Uebertrag^og 
geschieht nur von Mensch zu Mensch durch Contagion in einer bisher nicht sbsolnt 
sicher festzustellenden Weise, sie kommt in unserem Erdtheile nicht sehr leicht und 
nicht sehr häo^ vor. — Die Verbreitung der Lepra durch Heredität ist, wenn über- 
haupt vorhanden, gering. B. Pfeiffer (Cassel). 

20) Ueber die Behandlung der I<epra auf den Fidschi-Inseln, von Prof. 

L. Lewin (Berlin). (Deutsche med. Wochenschr. 1897. Nr. 21.) 

Das Verfahren ist nach dem Berichte des Missionars Moore folgendes: In einer 
kleinen Hütte wird der nackte Körper des Leprösen mit grünen Blättern gerieben 
und mit diesen ganz bedeckt, dann ein kleines Feuer entzündet und auf dasselbe 
einige Stücke des giftigen Sinubaumes gelegt. An Händen und Füssen gefesselt, 
wird der Lepröse mit einem an seinen Hacken befestigten Tan über das Feuer ge¬ 
zogen, so dass sein Kopf, ca. 15 Zoll vom Boden entfernt, mitten im giftigen Rauch 
sich befindet. Die Thür wird geschlossen, der Kranke bleibt oft Stunden lang in 
der Hütte; erst wenn er genügend durcbräuchert ist, kratzt man den „Schleim** vom 


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Dk; i- 


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Körper und schneidet tiefe Wunden in die Haut, bis das Blut flieset — alsdann 
legt man den Kranken auf eine Matte. In vielen F&Ilen folgt Genesong von der 
Lepra, ln einzelnen der Tod. 

Der Sinnbaum ist die Euphorbiacee Exeoecaria Aggallocha L.' und flndet sich 
auch in Indien, dem malayischen Archipel, Keu-Guinea und den Inseln des stillen 
Oceans bis zu den Freundschaftsinseln. Der Stamm des Baumes liefert bei der Ver- 
wondong einen reichlichen, welssen Milchsaft, der eingetrocknet eine kautschukähn¬ 
liche Hasse darstellt, welche zu 0,06—0,12 g von den Bootsleuten der vorderindischen 
Westk&ste als Furgans gebraucht wird. Der Saft hat ferner eine local entzfindungs- 
erregende Eigenschaft und zweifellos einen wesentlichen Antbeil an der behaupteten 
Wirkung der oben geschilderten Behandlung. Die Grundbedingungen der letzteren: 
Wärme, möglichst langes Wirkenlassen des Milchsaftes der Exeoecaria bezw. deren 
Scbmelzproducte und tiefe Scarificationen, Hessen sieb bei eventuellen Versuchen leicht 
erfüllen. Lepraforsebem erschliesst sich hier eine, wie Verf. glaubt, aussichtsvolle 
Arbeit. R. Pfeiffer (Cassel). 


111. Aus den Gesellsohaften. 

Versammlung deutscher Naturforscher und Aerste zu Düsseldorf am 
18. und 20. September 1898. 

Section für Neurologie und Psychiatrie. 

Sitzung vom 19. September, Nachmittags. 

Herr Prof. Dr. Hirt (Breslau): Ueber chronischen Morphinismus und 
dessen Behandlung ausserhalb einer Anstalt. 

Vortr. bespricht nacheinander: 

die Ursachen des Morphinismus (in erster Linie körperliche Erkrankungen 
mit sehr heftigen Schmerzen — Tic doulonreux, Intercostalneur.ügie, Ischias, Tabes 
n. 8. w.), ferner psychische Abnormitäten, Depresssions- und Angstzostände, psychische 
Impotenz, geistige Ueberanstrengnng n. s. w)., 

die Applicationsweise des Morphiums (in 907o 
Spritze gebraucht und zwar werden nach seiner Erfahrung in erster Linie der linke 
Vorder- und Unterarm, der linke Oberschenkel, dann der rechte Arm, seltener die 
Wade und ganz ausnahmsweise der Baach zn den Injectionen benutzt), 

die Höhe der verbranchten Dosen (unterliegt enormen Schwankungen), 
die Wirkung des Morphiums bei einzelnen and bei fortgesetzten Injectionen, 
die Erscheinungen des inveterirten Morphinismus (fahles gelbgraues 
Aussehen, pergamentartige Beschaffenheit der Haot, enge Papillen, profuse Tag- und 
Nachtsebweisse, Sinken und völliges Erlöschen der Libido sexualis, Verschwinden der 
Spermatozoen aus dem Sperma, Unfähigkeit zu geistiger und körperlicher Arbeit, 
Abnahme des Gedächtnisses und endlich völlige Kachexie), 

die mit der Morphiumentziebnng verbundenen qualvollen Erschei¬ 
nungen, 

nnd schliesslich 

die von ihm geübte Behandlung der Fälle, die weniger wie 3—4 dg 
auf den Tag spritzen. 

Während Vortr. bei Kranken, die höhere Dosen injiciren, den Aufenthalt in 
einer Anstalt für die ersten Tage der Abstinenz für unentbehrlich hält, glaubt er 
bei diesen die Entziehung ausserhalb einer Anstalt durchführen zu können und zu 
müssen, da der Morphinismus zu den Leiden gehört, die man wegen des anf ihnen 
lastenden Odiums der Oeffentlichkeit möglichst zu entziehen sacht und sein Bekannt- 


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1014 


werden durch den Anstaltsaofenthalt nicht selten die sociale Existenz dee Kranken 
geföbrdet, ja vernichtet. 

Da bei diesen Kranken von einer sogenannten Luxus« und Arbeitadosis im 
Sinne Erlenmeyer’s nicht die Bede sein kann, so gilt Tortr. bei ihrer Behandlung 
als Suprema lex: „Fort mit dem Morphium, ohne vorherige Herabminde* 
rung der Dosen, gänzlich und augenblicklich bei Beginn der Behänd« 
lung!“ 

Während ihrer Dauer, besonders aber in den ersten Tagen, muss der Kranke 
scharf überwacht und darf niemals ohne Begleitung sein. Hierzu eignet sich 
am b^ten das weibliche Geschlecht, nnr ein Weib ist nach der Erfahrung des Vorü*. 
„absolnt zuverlässig und am besten verwendbar in den Stunden der Gefahr, wenn es 
den Patienten fost unwiderstehlich in die Bande des Morphiums zurfickzieht.“ 

Um den Kranken Ober die ersten 3—5 Tage, die die schlimmsten sind, hinweg- 
zuhelfen, giebt es nur ein Mittel, das ist der Schlaf; der vielfach vorgescblagene 
Alkohol in seinen verschiedenen Formen nützt nichts. Der Kranke muss nach Entziehung 
des Giftes 2—3 Mal 24 Stunden möglichst ununterbrochen schlafen; die Nahrungs¬ 
aufnahme ist in dieser Zeit Nebensache. Vortr. erzielt den Schlaf am 1. und 
2. Tage durch 3—3*/* g Chloral, am 3. und 4. Tage durch 2—3 g Trional, event 
auch mehr auf den Tag. 

Sind die ersten 4 Tage vorüber, so verordnet Vortr. laue Bäder mit kühlen 
Uebergiessungen 2—4 Mal täglich, giebt in Eis gekühlte Milch, Eefjr, Sodawasser, 
brausendes Bromsalz und wenn Patient darnach verlangt, Alcoholica. Auch femerhis 
muss wochenlang die Ernährung des Kranken auf das Peinlichste geregelt und 
überwacht werden. Die eigentliche Behandlung des Morphinisten beginnt am 
6. Tage mit systematisch vorgenommenen Suggestionen 3 Mal am Tage je eine 
Stunde. 

Da Vortr. seine Stellung zur Snggestioustherapie wiederholt öffentlich, zuletzt als 
Sachverständiger in dem bekannten Process Czynski dargelegt hai^ geht er nicht 
weiter auf Details ein, sondern bemerkt nur noch, dass zur Herbeiführung der be¬ 
friedigendsten Erfolge nie ein tiefer Schlaf, viel mehr nnr ein leichte Dämmer¬ 
zustand erforderlich ist, eine sogenannte Wachsng^estion, deren ricbtige Herbei¬ 
führung allerdings nur durch viele Uebung erlernt werden kann. 

Zum Schluss giebt der Vortr. eine Uebersicbt Ober die von ihm in den letzten 
Jahren behandelten Fällen. Die Dauer der Behandlung schwankte zwiacbeu 3 Wochen 
und 9 Monaten. Von 35 Morphinisten (24 Männer — 11 Aerzte, 7 Juristen, 3 Philo¬ 
logen, 3 Apotheker —,11 Frauen — 3 Krankenpfi^erinnen, 3 Lehrerinnen, 5 Familien« 
mütter ans den besten Ständen —) wurden 27 (777o0 füllig geheilt, 6 entzogen 
sich der Behandlung, 2 endeten durch S^bstmord. Völlige Genesung nimmt Vortr. 
erst dann an, wenn IV 2 —^ Jahre nach der letzten Injection ohne Rückfall ver« 
floasen sind. Von den Aerzten, die Morphinisten gewesen, verlangt er als conditio 
sine qna non, die absolnte Enthaltung von jeder subcntanen Einspritzung in der 
Praxis, da eine einzige Injection bei einem anderen einen Rückfell herbeiführen kann. 
(Der Vortrag erscheint in extenso in den Thera^tischen Monatsheften.) 

In der Uiscussion nimmt zunächst Herr Brlenmeyer (Bendorf) das Wort: 

Die hauptsächlichste Aufgabe, die bei der Leitung einer Horphiumentziebung 
zu lösen ist, ist die Durchführung einer Ueberwachung, die absolut sidier ist, die 
vor allem verhütet, dass der Kranke sich heimlich, hinter dem Bücken des Antes 
Morphium veraebafft. Deshalb muss die Ueberwachung sowohl in Bezug auf die 
Räumlichkeiten und ihre Einrichtung, in denen der Kranke behandelt werden soll, 
als auch iu Bezug auf das Personal durchaus vollendet sein. Unter diesem Gesichts¬ 
punkte ist das Vorgehen des Vortr. Morphinisten in einem Hotel einer plötzlichen 
Entziehung zu unterwerfen, als sehr gewagt zu bezeichnen und muss bezweifelt 
werden, dass diese Methode bei allen Kranken durchführbar ist- Auch die Scheidung 


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der KranVen in zwei Klaseen — in solche, die unter 0,5 g, and solche, die mehr 
spritzen — ist nicht gerechtfertigt, denn wichtiger als die Ursache des Morphinismus 
und die Dosis ist filr die Behandlung die Zeit, welche der Patient an das Morphium 
gewöhnt ist; von ihr hängt die Prognose ab, sowohl die Prognose der Entziehung, 
wie die des Becidivs. 

Der Behauptung des Yortr., dass in dem Sperma des Morphinisten keine Sper* 
matozoen gefunden würden, steht die Beobachtung entg^en, dass sehr viele ver* 
heirathete Morphinistea während der Zeit der Morphiumzufnhr Kinder gezeugt haben. 
Unbedingt ist aber dem Yortr. darin beizupflichten, dass er für die Entziehungskur 
weibliches Pflegepersonal empfiehlt und während der Kur wenig Alkohol giebt. Am 
beeten verlaufen nach E.'s Erfahrung die Kuren, in denen gar kein Alkohol ge¬ 
reicht wird. 

Herr Mann (Breslau) kann sich für die Suggestionsbehandlung nicht begeistern, 
da er io den Ausfflhrungen des Vortr. einen Beweis für die Wirksamkeit der 
Si^gestionsbehandlung nicht findet Auch er hält, wie Erlenmeyer, die Ueber* 
wachong für die Hauptsache in der Behandlung der Morphinisten. 

Herr Höstermaon (Boppard) spricht sich für die allmähliche Entziehung aus, 
da sie das Nervensystem doch wesentiich schone. 

Herr Jolly (Berlin) bemerkt, dass im Gegensatz zu den Mittheilungen des 
Yortr. nach seiner Erfahrung die Injectionen sehr häufig auch am Bauch, reichlich 
BO häufig wie an den unteren Extremitäten gemacht worden. 

Herr Hirt (Breslau) (Schlusswort): Abgesehen davon, dass die gut geleisteten 
Anstalten für viele zu thener sind, muss man auch daran denken, dass semper 
aliqnid haeret, wenn jemand in einer Anstalt gewesen ist Daher soll man, wenn 
es sich irgendwie durchführen lässt einen Morphinisten, der mittlere Dosen (bis zu 
0,4 auf den Tag) spritzt, ausserhalb einer Ans^t behandeln, und dass dies möglich 
ist zeigt seine ^fahrung. Für die Behandlung ist nicht sowohl die Ursache, Dosis, 
Zeit, als vielmehr der Zustand des Kranken von Wichtigkeit Die allmähliche 
Entziehung nützt nichts, verlängert nor die Qualen. 

Herr Gramer (Göttingen): Ueber moralisohe Idiotie. 

Die Aufnahme des B^i& der moralischen Idiotie in den § 2 des Schweizer 
lirengesetzentwurfs, sowie ein gegen seine Kritik der Kölle’schen Gutachten ge¬ 
richteter Artikel Forel’s über die moralische Idiotie haben Yorb:. veranlasst noch 
einmal auf dies alte Thema einzngehen. 

Nachdem er des längeren die Unmöglichkeit der Annahme des Begriffes der 
moralischen Idiotie sowohl vom wissenschaftlichen, wie vom praktischen Standpunkte 
nachgewiesen, kommt er zu folgenden Schlusssätzen: 

1. Die moralische Idiotie kommt in foro nur dann in Betracht 4ie sie 
veranlassende Krankheit nachgewiesen ist 

2. Die moralische Idiotie ist in der Praxis nnr verwendbar, wenn eine Gesetz¬ 
gebung in deterministischem Sinne vorhanden ist. 

3. Ich halte mich nicht für competent darüber zo enteoheiden, ob es zweck¬ 
mässig ist solche Gesetzgebung einzufflhren, glaube aber, dass es noch lange 
dauern wird, bis alle Schwierigkeiten, welche sich der praktischen Durchführung 
en^genstellen, beseitigt sind. 

4. Die moralische Idiotie kann bei den verschiedensten Geisteskrankheiten als 
ein am meisten in die Augen fallender Sjmptomencomplex Vorkommen. 

5. Der Nachweis der ethischen und moralischen Perversität allein genügt zum 
Nachweis der Krankheit nicht. 

6. Es kann desshalb, so lange die heutige Gesetzgebung besteht in ^oro nicht 
von einer moraliscben Idiotie als Krankheit im Siune des § 51 des Str.-Q.-B. ge¬ 
sprochen werden. 


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7. Bei dem heotigen Stande der Wissenscbaft ist es änsserst schwierig, in 
praktisch dQrchfQhrbarer Weise in einer zu schaffenden Gesetzgebung die moralische 
Idiotie im Sinne der „Neuen“ zu beräcksichtigen. 

8. Es ist nicht statthaft, ein Gutachten im Sinne einer noch zu schaffenden 
Gesetzgebung abzugeben. 

9. Die Fälle mit im Vordei^und stehenden ethischen und moralischen Defecteu, 
bei denen man auch nach genauer Untersuchung im Zweifel sein muss, ob Krank* 
heit vorliegt oder nicht, sind selten. 

10. Das praktische Beddrfniss fflr solche Fälle eine besondere Gesetzgebung zn 
schaffen, ist nicht so gross, wie es auf den ersten Anblick scheint Es deckt rieh 
diese Frage ungefähr mit der Frage nach der geminderten Zurechnungsfähigkrit; 
vielleicht könnte die Ausdehnung der bedingten Strafaussetzung auf Erwachsene hier 
noch Erleichterungen schaffen. 

11. Wird der Begriff der moralischen Idiotie heute schon in die Geset^^ung 
eingefflhrt, so wird die Zahl der Individuen, welche in dieses Gebiet fallen, in vöUig 
ungerechtfertigter Welse enorm ansteigen. 

Discussion: 

Herr Mendel (Berlin) kann sich mit den Anschauungen des Vortr. im grossen 
und ganzen nur einverstaiiden erklären; betrefEs der Frage der verminderten Zu* 
rechnungsfähigkeit erinnert er daran, dass dieser Begriff in den Entwurf zum Straf* 
gesetzbuch fOr den norddeutschen Bund aufgenommen war, von der Commission dee 
Reichstags aber nach längerer Debatte gestrichen wurde, da die mildernden Umstände 
ihn hinreichend ersetzten. Auch jetzt liegt nach seiner Ansicht ein Bedflrfniss zur 
EinfQhrung der verminderten ZurechnungsAhigkeit in das Strafrecht nicht vor, viel* 
mehr besteht fär den Fall ihrer EinfQhrung die Gefahr, dass dann mancher un¬ 
zweifelhaft Geisteskranke, der jetzt auf Grund des § 61 freigesprochen, unter An* 
nähme der verminderten ZnrechnungsAhigkeit verurtheilt wird; d^egen hält er die 
bedingte Yerurtheilung mit Annahme mildernder Umstände für manche Fälle, wie 
auch schon der Vortr. ausgefbhrt, für sehr zweckmässig. Der Schwerpunkt fOr die 
fQr die sogen, verminderte Zurechnungsfähigkeit in Betracht kommenden Fälle li^ 
nicht darin, dass die Dauer der Strafe eine kürzere ist, sondern darin, dass für 
diese Fälle der Strafvollzug ein anderer, als bei geistig normalen Verbrechern sein 
muss. Auf ein Beichsgesetz für den Strafvollzug warten wir aber bisher vergeblich. 

Herr Gramer hält die von M. erwähnte Gefahr, dass für den Fall einer Auf¬ 
nahme der verminderten ZurechnungsAhigkeit in das Strafrecht Geisteskranke als 
gemindert zurechnungsAhig verurtheilt werden könnten, ebenfalls für sehr nahe¬ 
liegend. 

Herr Nissl (Heidelbei^): Sind wir im Stande, aus dem pathologisoh* 
anatomlsohen Befunde die Diagnose der progressiven Paralyse su steUmP 

Vortr. hat die Ueberzeogung gewonnen, dass seine vor 2 Jahren aufgestellte 
Hypothese, die paralytische Bindenerkrankung sei eine primäre Erkrankung der 
Bindenneurone sich nicht mehr aufrecht halten lässt, da es keine sogenannten Nerven* 
einheiten giebt. Das leitende Element im Nerven und in der Nervenzelle, wie fest 
steht, ist die Primitivfibrille, aber ihr Schicksal jenseits der letzteren ist unbekanst 
„Han weiss nur, dass zwischen den Nervenzellen sich die graue Substanz befindet, 
die ein specifischer Bestaudtbeil des nervösen Gewebes ist.“ Dagegen ist ihre 
Arcbitectonik, ihre Beziehungen zu den Nervenzellen, den Azencylindern und den 
Markfasem, zu den Gliazellen, ihren protoplasmatischen Ausläufern und den Weigert’* 
sehen Gliafasern, zu dem Blut- und LympbgeAssapparat, bisher ^nzlich onbekannt; 
ebensowenig kennt man die Bedeutung der mit den heutigen Hülfsmitteln nimhweis* 


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1017 


baren krankhaften Veränderongen der NervenzelleD; aicher sind sie nicht der Aus- 
drack von nervösen Functionsstömngen. 

Da nun ganz abgesehen von anderen Hypothesen Aber das Wesen der Paralyse 
nicht einmal die am grflndlichsten atudirte Erscheinung derselben, die paralytische 
Bindenerkrankung ihrem Wesen nach bekannt ist, so ist es klar, dass, wenn eine 
pathologisch-anatomische Diagnose der Paralyse Überhaupt möglich ist, sie auf 
Grand rein empirischer Anhaltspunkte gestellt werden kann. 

Bei seinen diesbezüglichen Untersuchungen der Leichenbefunde in den chronisch 
verlaufenden, d. h. sich auf mehrere Jahre erstreckenden, klinisch unzweifelhaften 
Fällen von Paralysen ist Vortr. zu dem Ergebniss gelangt, dass folgende Yierzahl 
der Erscheinungen die Diagnose der chronisch verlaufenden Paralyse äusserst wahr¬ 
scheinlich macht, vielleicht sogar sicher stellt: 

1. nachweisbarer Schwund der Diploö, 

2. eine nicht durch ihre Intensität, sondern nur durch die Art ihrer Ausdehnung 
charakteristische Verdickung und Trübung der weichen Häute — sie erstreckt sich 
Über die Convexität und die Innenfläche des Stirn- und Scheitelhirns, lässt aber den 
Occipitalpol frei; die milchige Trübung ist nicht constant und häußg nur stellen¬ 
weise angedeutet, der Accent ist daher auf den Nachweis der Verdickung zu legen, 

3. Hydrocephalus internus und extemns, 

4. eine nachweisbare Atrophie des Stirn- und Scheitelhirns über der Convexität 
ond Innenseite des Hirnmantels. 

Nicht daranf kommt es an, dass diese 4 Erscheinungen intensiv oder in 
gleicher Intensität anftreten, sondern daranf, dass alle 4 Erscheinungen zu 
gleicher Zeit überhaupt nachweisbar sind. 

Wenn nun auch das gleichzeitige Vorhandenseüi aller 4 Erscheinungen die 
Diagnose der chronischen Paralyse äusserst wahrscheinlich macht, vielleicht sogar 
sicher stellt, so ist man aber auf der anderen Seite nicht berechtigt, sie in Abrede 
zu stellen, wenn die genannte Vierzahl nicht gleichzeitig nachzuweisen ist. 

Die Ependymgranulationen, starre, klaffende Gefässe n. s. w. gehören nicht zu 
den di^nostisch-verwerthbaren Befanden. 

Was die mikroskopischen Befunde anbetrifft, so sind weder die Verändernngen 
der Nervenzellen und markhaltigen Fasern, noch der Gefässe und Lymphbahnen, noch 
der Stützsubstanz für die Paralyse charakteristisch. 

Eine Diagnose auf Grund des mikroskopischen Befundes ist ohne weiteres nur 
möglich in den seltenen schweren Fällen von Paralyse, in denen in grosser Aus¬ 
dehnung die Grundsnbstanz faserig umgewandelt, die Schrumpfung ohne Weiteres 
erkennbar und die mit Kernen übersäte Markleiste auf einen kleinen Bruchtheil ihres 
Umfanges reducirt ist, in denen ferner ein anormaler Ausfall von Markfasem, und 
statt der Tangentialfasem ein mächtiger Wall eines dichten Gliafilzes gefunden wird, 
in denen endlich reichliche, znm Tbeil förmlich gemästete Sptnnenzellen neben fast 
durchweg sklerosirten Nervenzellen und ausserdem noch die schwersten Gefäss- 
erkrankungen aller Art in Verbiudung mit hochgradigen PiaverändernngAn u. s. w. 
coQstatirt werden können. Aber auch hier sind die gefundenen Veränderungen an 
und für sich nichts für die Paralyse charakteristisches — ähnliche Bilder finden 
sich stellenweise auch bei anderen Erkrankungsprocessen —, sondern nur die 
luteusität und Ausdehnung der geschilderten Veränderungen ist für die 
Paralyse charakteristisch. 

ln den weniger schweren Fällen ist eine sichere Diagnose auf Grund des mikro¬ 
skopischen Befundes schon nicht mehr möglich. 

Die sichersten Kriterien für das Vorhandensein einer paralytischen Rinden- 
erkrankung sind nach des Vortr. Erfahrung: 

Abweichung in der Lagerung und Vertheilung der Rindenelemente, 
sowie damit Hand in Hand gehend ein Undeutlicherwerden oder gar 


D g : 7cd / G OOglC 



1018 


eine Verwischung des Schichtenbildes^ npd eine Verkleinerang der 
Zwischenräme zwischen den Nervenzellen. 

Diese Merkmale hat er nur bei der klinisch unzweifelhaften chronisch ver> 
laufenden Paralyse gefunden und sie hier in keinem Falle vermiast. 

Daher ist bei ihrem Vorhandensein nach seiner Ansidit die Diagnose der para« 
lytischen Kindenerkrankung ausserordentlich wahrscheinlich. 

Zum Schloss seines Vortrages erörtert Vortr. die Frage, ob die letzt erwähnten 
Merkmale mit dem Wesen der paralytischen Bindenerkraukung zusammenhängoi, und 
ist geneigt, sie zu bejahen, da er sie bei keiner anderen Erkrankung, trotz Binden« 
atrophie, trotz Gliawucherung, trotz AnsfalJs von Markfasem gefunden hat und darin 
dennoch die Ursache ihres Vorkommens bei der Paralyse nicht zu suchen ist. Er 
spricht die Vermuthung aus, dass sie auf eine Veränderung bezw. auf das zu Grunde 
gehen der grauen Substanz znrOckzufQhren seien; dennoch wäre die paralytische 
Bindenerkrankung als ein pathologisch-anatomischer Process aufznfassen, bei dem die 
graue Rinde schwindet bezw. zu Grunde geht. 


Sitzung vom 20. September 1898, Vormittags. 

Herr Sander (Frankfurt a./H.): Die Hirnrinde bei multipler Sklerose 
(mit Demonstrationen). 

Ausgehend von der Erwägung, dass die Bindenberde bei mnltipler Sklerose 
besonders geeignet sein mflssten zur Entscheiduog der Frage nach Entstehen nnd 
Fortschreiten des Krankheitsprocesses, da in der Rinde die verschiedenartigen ner¬ 
vösen Elemente dicht beieinander liegen und pathologische Veränderongen in der 
StQtzsubstanz schon im frfihesten Stadinm deutlich za erkennen sind, hat Vortr. bei 
Untersuchung eines Falles von multipler Sklerose (10 jähriger atypischer Veriauf mit 
spastischer Lähmung der unteren fotremitäten, Inteutionszittem und mässiger De¬ 
menz) speciell sein Augenmerk auf die Veränderungen in der Hirnrinde gerichtet 

Der makroskopische Obduetionsbefund war der gewöhnliche. 

Die mikroskopische Untersuchung (Markscheiden- und GanglienzellenfärbnogeB 
nach Wolters, Marchi, Nissl, Weigert'sche Nenrogliamethode, Robertson'- 
sehe Methode, Comhination der Marchi-Hothode mit anderen Markscheidenßrbnngn) 
ergab Folgendendes; 

Ueber das ganze Centralnervensystem zerstreut, sowohl in der graoen wie weissen 
Substanz, finden sich zahlreiche grössere, wie kleinere und kleinste Herde älteren, 
jüngeren und jüngsten Datums, in denen je nach ihrem Alter die Markscheiden 
tbeils zn Grunde gegangen, theils erheblich gelichtet, theils in frischem Zerfall be¬ 
griffen sind. 

Die Achsencylinder sind m den älteren Herden des Markee vereinzelt aus¬ 
gefallen, in den jüngeren, sowie in den Bindenberden sind sie erhalten und ohne 
nachweisbare Veränderungen. 

Die Ganglienzellen zeigen in den Herden, die schon makroskopisch sichtbar 
sind und offenbar die älteeten Krankheitsprocesse in der Binde darstellra, zuweUen 
Degenerationsorscheinungen bis zu völligem Ausfall. 


’ Vortr. unterscheidet 4 Schichten: 

1. einen Nervcnzcllen-freien Rindensaam, 

2. die Schicht der Pyramidenzellen, die sich häufig in zwei Lagen, in die Schicht der 
kleinen (2. MBvNBRT’sche Schicht) und iu die Schicht der grossen PyramidenzeUen (8. Mzt- 
MS&T’scbe Schicht) trennen lässt, 

3. die kleinzellige Schicht, 

4. die Markfaeerscbicht, die sich ebenfalls in zwei Schichten zerlegen lässt, in eine 
äussere, die meist g^^ssere Pyramidenzellen enthält, and eine innere, die vorzugsweise ans 
spindelartigen Zellen besteht. 


DiQ'iii’od 


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1019 


Die Veränderungen der Glia in den Markherden entsprechen deren Alter. Auf 
der einen Seite finden sich Herde, in denen die Gliawucherung durch Auftreten von 
Deiters'scben Zellen, durch Kemvennehrung und Kemtheilungsfigoren im Bereiche 
derselben eben angedeutet ist — während der Markscbeidenzerfall bereits einen er¬ 
heblichen Grad erreicht hat! — auf der anderen Seite Herde, in denen ein dichter 
Filz von Gliafibrillen das nervöse Gewebe ersetzt hat, und dazwischen alle Ueher- 
gange. 

Anders dagegen verhält sich die Glia in der Binde. „Hier sieht man trotz der 
zahlreichen Herde keine Spur einer herdförmigen Sklerose. Selbst im Bereich offen¬ 
bar älterer Krankheitsherde erscheint die Glia meist noch völlig normal. Nur ganz 
selten finden sich Stellen, an denen eine Vermehrung der Gliakeme, zahlreichere 
Fasern und vereinzelte Spinnenzellen nachzuweisen sind. Diese als beginnende Sklerose 
anfzufaasenden Stellen waren meist in den tieferen Rindenschichten, da, wo die 
Nervenfasern noch dichter zusammenliegen und demgemäss durch den Erankbeits- 
process auch zahlreichere Fasern gleichzeitig ausgefallen waren. Solche Herde, in 
denen von einer Gliawucherung gesprochen werden kann, sind aber änsserst spär¬ 
lich im Vei^leich zu den zahlreichen anderen Herden, in denen selbst bei totalem 
Markscheidenausfall noch keine Spur einer pathologischen Glia erkennbar ist Auch 
da, wo Herde aus der Markleiste in die untersten Bindenschicbten sich fortsetzen, 
hört die Gliawucherung an der Grenze von Hark und Binde ziemlich schnell auf. 
Nur selten sieht man vom Harkberd aus einzelne stärkere Fasern und Spinnenzellen 
in die Rinde einstrablen. Ausserdem findet sich in der Binde eine diffuse und überall 
deutlich ausgesprochene Gliavermehrung in den äussersten Schichten in gleicher 
Weise, wie wir sie auch bei anderen atrophischen Processen in der Hirnrinde sehen. 
Stärkere Grade scheint diese Bandskleroae namentlich da zu erreichen, wo in der 
Tiefe ein beträchtlicher Faserausfall stattgefundeu bat'* 

Entzündliche Frocesse an den Gefässeu sind auch im Bereich frischer Herde 
nicht deutlich nachzuweisen und selbst in zahlreichen älteren Herden findet sich 
keine Spur einer pathologischen Gefässveränderung, nur io den älteren Herden des 
Markes sind die Gefösswandungen oft deutlich verdickt. 

Auf Grund dieser Befunde, die er durch zahlreiche Mikrophotographien er¬ 
läutert, bekämpft Vortr. in längerer Ausführung die Anschauung Goldscheider’s, 
dass die multiple Sklerose nur eine Form der disseminirten Myelitis sei, sowie die 
Ansicht anderer Antoren, dass der Ausgangspunkt der sklerotischen Herde im Inter- 
stitium zu suchen sei, er hat vielmehr die Ueberzeuguog, die er des näheren be¬ 
gründet, gewonnen, dass der als multiple Sklerose bezeichnete Krankheitsprocess rein 
degenerativer Natur ist, der seinen Ansgang im Parenchym nimmt. 

Das Brgebniss seiner Untersuchungen fasst Vortr. znm Schluss in folgenden 
Sätzen zosammen: 

Die multiple Sklerose ist in ihrem anatomischen Befunde charakterisirt durch 
einen berdartigen Zerfall der Markscheiden in der weissen wie grauen Substanz des 
Centralnervensystems. Die Gliawucherung ist secundär durch den Zerfallprocess be¬ 
dingt und wird durch die Örtlichen Verschiedenheiten der Glia beeinfiusst; Achsen- 
cylinder und Ganglienzellen fallen erst spät und hauptsächlich in Folge der reak¬ 
tiven Gliawucherung dem Untergange anheim. Der Ausgangspunkt des Processes ist 
im Paremchyro zn suchen. 

Im Anschluss an seinen Vortrag demonstrirt Vortr. eine grössere Anzahl mikro- 
photographischer Aufnahmen aus der pathologischen Anatomie des Centralnerven¬ 
systems und empfiehlt wann die Anwendung der Photographie bei mikroskopischen 
Präparaten des Centralnervensystems wegen der grossen damit verbundenen Vortheile 
(Uöglichkeit des gegenseitigen Austausches der einzelnen Befunde, des Vergleiches 
identischer Stellen aus normalen und pathologischen Gehirnen u. s. w.). 


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1020 


Discussioj). 

Herr Nissl (Heidelberg) wendet sieb gegen die Anffaseung des Yortr. von der 
Genese der multiplen Sklerose; er führt aas: Die PrimitiTfibrillen sind das leitende 
Element im Axencylinder und stellen den parenchymatösen Gewebstheil in dem nerTsn« 
leitenden Gewebe dar. Die Bolle der Markscheide ist nns unbekannt, nach einer 
von Weigert aasgesprochenen Yermothung gehört'ihre Bildnng zu den katabioti' 
sehen Zellfunctionen. Da wir nun zur Zeit keine genügend feine Unterauebungs* 
methoden besitzen, um Yer&ndernngen an den Axencylindern naehzuweisen, so konnte 
sich Yortr. über den Zustand der Frimitivfibrillen (des Parenchyms) auch nicht onter* 
richten; und ist daher seine Behauptung, dass die multiple Sklerose im Parenchym 
ihren Ausgang nehme nicht bewiesen. 

Herr Eräpelin (Heidelberg) macht für die Wiedei^be von Mikrophotographieen 
auf die sog. Eilometerphotograpbie der Keuen Pbotc^raphischen Gesellschaft n 
Seböneberg bei Berlin aufmerksam, die recht gute, freilich zun&chst noch ziemlich 
theure Bilder liefert. 

Herr Sander (Scblosswort) rechnet die Markscheiden ohne Berücksichtigung 
ihres Ursprunges zum Parenchym, wie es auch bisher stets Üblich war, im Gegen* 
Satz zum interstitiellen Gewebe und bestreitet, dass es, wie Herr Nissl behaeptst, 
zur Zeit nicht möglich sei, von einer Erkrankung der Axeni^linder zu sprechen. 
Denn wenn man bei demselben über Jahre sich erstreckenden pathologischen Process 
in einem Tbeile der Erkrankungsherde einen Ausfall von Axencylindern findet, io 
anderen aber keine Spur davon sich zeigt, so ist man nach seiner Ansicht berechtiigt 
anzunebmen, dass es sich im ersten Falle nm einen Erkranknngsprocess und hier¬ 
durch bedingten Ausfall der Axen^linder gebandelt hat, im letzteren dagegen nicht 

Herr Nonne hat im Laufe der lotsten 2 Jahre von Neuem in 12 Füllen 
von letalen An&mieen das Büokenmark untersuoht. In 3 Fällen handelte 
es sich um Verblutungsanämieen, in 8 Fällen um primäre pernieiöse Anämie, in 
1 Falle um secundäre Anämie bei chronischer Nephritis. 

Bei den Fällen von Verblutungsanämieen war der mikroskopische Befand ein 
nativer, in den 8 Fällen von pemieiöser Anämie faud sich zweimal das Bflekoh 
mark normal, dreimal fanden sich incipiente and dreimal weiter vorgeschrittene Yer- 
änderungen. Die Untersuchungen wurden auch mittels der Marchi-Methode und 
nach Nissl vot^enommen. 

N. untersuchte ferner das Hückenmark in 9 Fällen von Endocarditis ulceroa 
beziehungsweise Sepsis, in 5 Fällen gelang es ihm, herdweise Hyelitis-Yeränderongm 
in der weisson Substanz naehzuweisen. Die Localisation dieser Herde, sowie die 
Morphologie derselben entsprach den Bildern der Rückenmarksdegenerationen in des 
Frühföllen der pemieiösen Anämie, ein locales Yerhältniss der Myelitisherde zu des 
Gefässeu liess sich ebenfalls nachweisen. 

In 9 Fällen von Seniumrückenmarken zeigte sich eine exquisite herdiÖ^oig^ 
sich stets an ein erkranktes Gefäss anscliliesseude, chronische Degeneration. 

N. resQmirt: 

1. Die KückenmarkserkrankUDgeD bei letalen Anämieen sind, wie Hinnicb ond 
ich dies in unseren ersten Untersuchungen bereits dargestellt haben, herdweise. 
Sie sind nicht systematischen Charakters im Sinne der combinirten System- 
Erkrankungen, sondern sind als acute, dissemiuirte Myelitis aufzufassen. 

2. Die Localisation dieser Myelitis zeigt einen localen Zusammenhang mit dm 
Blutgefässen. 

3. Ein ätiologischer Zusammenhang in dem Sinne, dass die supponirte Noxe 
vom Blut tran.sportirt wird, wird sehr wahrscheinlich durch die Ergebnisse der Rfickn- 


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1021 


marksunterfiuchungen an einer BeiLe von Fällen von Sepsis. Der Befand auf dem 
B&ckenmarksqnerschnitt gleicht in einigen dieser Fälle dem Bfickenmarksbefund in 
den Frühfallen von letalen Anämieen. Eine Analogie auf dem Gebiete der chroni¬ 
schen Bflckenmarksdegenerationen bieten die ebenfalls vascalär entstehenden Degene¬ 
rationen des Greisenalters. 

4. Die graue Substanz kann in weit vorgeschrittenen Fällen auch erkrankt 
sein; diese Erkrankung ist jedoch keine primäre, die Erkrankung der weissen Btlcken- 
markssubstanz secuudär prodncirende, sondern eine scbliessliche Miterkrankung; in 
Frühfallen fehlt sie, resp. ist auch mit der Nissl- und Harchi-Methode nichts 
nachweisbar. 

5. Die mittels der Harchi-Methode bei schweren Anämieen und bei letal 

verlaufenen Fällen von Sepsis im Bfickenmark neben den herdfürmigen Erkrankungen 
nachweisbaren diffusen Degenerationen erlauben nur den Schluss auf das Bestehen 
einer trophischen Alteration, nicht aber einer functioneilen Schädigung der Nerven- 
elemente. Für die Harchi-D^enerationen stellen die einstrahlenden hinteren Wurzeln 
and die vordere Commissur einen Prädilectionsort dar. (Autorreferat.) 

Herr Mann (Breslau): Zur Physiologie und Pathologie der motorischen 
Neurone. 

Herr Hann erörtert in seinem Vorträge die Frage, in welcher Abhängigkeit 
steht das periphere motorische Neuron (periphere Nerv + Spinalzelle) vom centralen 
(P^ramidenbabn -f- Bindenzelle), — Er gebraucht hier den Ausdruck Neuron nur 
als eine bequeme Bezeichnung, ohne damit iigend wie Stellung zu der jetzt vielfach 
angefochtenen Neuroulehre zu nehmen — und kommt auf Grund seiner diesbezüg¬ 
lichen Untersuchungen und Beobachtungen, nach denen beim Menschen Zerstörung 
des centralen Neurons einerlei an welcher Stelle die Willkürbewegungen, die Sehnen- 
nnd Haotreflexe, wie den Hnskeltonus und den normalen trophischen Zustand der 
Uaskeln aufhebt, zu dem Schlosse: Die von Pierre Harle aufgestellte Hypothese, 
nach der das periphere Neuron das eigentlich treibende und bewegende Element ist 
und eine unter hohem Drucke arbeitende Maschine darstellt, die durch das centrale 
Neuron fortwährend gehemmt werden muss, entspricht nicht den Thatsachen. Gerade 
das Gegentheil trifft zu, das periphere Neuron ist im Gegensatz zu seinem Ver¬ 
halten bei Thieren, besondere bei niederen Thieren, beim Menschen ein vollständig 
nnselbstständiges Gebilde; diese „Maschine", das periphere Nenron leistet für sich 
allein gar nichts, sondern steht sofort still, sobald ihre eigentliche Kraftquelle, das 
centrale Neuron, gestört ist. (Ist das auch beim Neugeborenen der Fall? Bef.) 

Discussion. 

Herr Krapelin (Heidelbeig) erinnert an die Beobachtungen von Goltz bei 
Hunden mit theilweise entferntem Bückenmark. 

Herr v. Monakow (Zürich) ist der Ansicht, dass man erst noch mehr Material 
sammeln müsse, bevor man die Frage nach der Abhängigkeit des peripheren vom 
centralen motorischen Neuron entscheiden kann. Denn die von Gerhardt und 
Senator mitgetheilten Fälle, in denen trotz vollständiger Continuitätstrennung die 
Haut- und Sehnenreflexe nahezu bis zum Tode erhalten waren, und ein von ihm 
beobachteter Fall, in dem trotz totaler Pyramidendegeneration eine ziemlich aus¬ 
gesprochene Contractur auf der entsprechenden Seite bestand, sprachen g^en die 
Bichtigkeit der Schlussfolgerungen des Vortr. 

Herr Mann (Schlusswort) bemerkt gegenüber Herrn v. Monakow, er habe 
den Stand der Frage, die allerdings auch nach seiner Ansicht noch nicht völlig ge¬ 
klärt sei, nach seinen Erfahrungen und den in der Literatur bekannten Beobach¬ 
tungen gekennzeichnet; er habe jedenfalls niemals unter seinem Material bei Fällen 
von totaler Unterbrechung der Pyramidenbahn Contracturen beobachtet; bei den 


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1022 


gegentbeiligeu Beobachtungen sei immer an die H^^cbkeit rein mechanischer Muskel- 
retraction zu denken. Die Fälle von Gerhardt und Senator seien nicbt ein- 
wandtfrei und daher nicht beweiskräftig. 

Herr v. Monakow (Zfirich): Ueber die seoundären Veränderungen im 
RüokenmarM nsoh altem Defeot eines Plexus braohialis beim MensohexL 

Vortr. berid)tet Aber die Befunde im Centralnervensystem eines Sdjäbrigen 
Mannes, der im 13. Lebensjahre eine starke Zerrung des rechten Plexus bracbnla 
mit nachfolgender, anfänglich vollständiger, schlaffer atrophischer Lähmung der 
rechten Schulter und des rechten Armes, erlitten hatte. Während die Extensores 
des Vorderarmes, sämmtliche Oberarm* und Schultermuskeln dauernd gelähmt blieben, 
stellten sich in der Hand einzelne Bewegungen (Beugung der Hand und der Finger) 
wieder ein und war auch geringe Pro* und Supination des Vorderarmes mOglicb. 
Trotz der hochgradigen Bewegongsstärung war Pat im Stande mit der rechten Hand 
Gegenstände zu greifen und längere Zeit festzuhalten, wenn er vorher mit der linken 
die rechte Hand geöffnet hatte; so konnte er sogar beim Holzspalten das Holzstäck 
mit der rechten festhalten. Dio Sensibilität im rechten Arme war nicht gestört 

In der linken Armregion, die besonders in der hinteren Centralwindong 
leicht atrophisch war, erschienen namentlich die beiden oberen Rinden- 
schichten krankhaft verändert, während die Biesenpyramidenzellen erhalten 
resp. nur wenig atrophisch waren. Der linke SebhGgel war etwas kleiner als der 
rechte. Die linke Pyramide zeigte eine geringe Volnmsreduktion und allgrawine 
Verschmälerung einzelner Nervenfasern, aber keine degenerativen Veränderungen. 

Die rechten vorderen Wurzeln vom 4.—8. Cervicalnervenpaar bestanden 
ans bindegewebigen Fädchen, in denen keiue normale Nervenfaser mehr zu findet 
war; die 1.—3. Cervical- und die 1. Dorsalwurzel waren ziemlich intaci 

In den entsprechenden hinteren rechten Wurzeln war der Umfang der 
Degeneration in den verschiedenen Höhen verschieden; es fanden sich hier und da 
Bändel normaler Nervenfasern. 

Im rechten Vorderhorn bestand eine hochgradige Degeneration (NerTm- 
zellenschwnnd und 'Atrophie), die ihre grösste Ansdehnnng zwischen der 5. und 
7. Wurzel hatte; nur die mediale vordere Zellengrappe (CommissorenzeUen- 
gruppe) war durchw^ ziemlich gut erhalten, ln den lateralen Gruppen fanden 
sich normale Zellen caudalwärts erst von der Mitte der 8. Cervicalwnrzel und fronUl- 
wärts vom 3. Cervicalnervenpaare an. 

Im Mittelhorn waren ebenfalls degenerative Veränderungen vorhanden. 

Im rechten Hinterhorn fand sich Schwund der hinteren Wurzeln (Reflex- 
collateraien) und der Subst gelatinosa Bolandi. 

Von den B&ckenmarkssträngen waren entsprechend der Ausdehnni^ der 
Degeneration des rechten Vorderhoms bauptsäcbiich die Vorderstrangbündel und 
Seitenstrangreste, in der nächsten Umgebung des rechten Vorderhoms total 
degenerirt Ferner zeigen die lateralen Felder der Bnrdacb’sehen String« 
(äussere Wurzelzone) einen bemerkenswerthen Faserausfall. 

Vorstehender Befand lehrt, wie Vortr. in der epikritiscfaen Beepreehung da 
Falles zum Tbeil unter Heranziehung der experimentellen Untersnchungen toi 
Gudden, Mayser, Mott, Sherrington des näheren »isfOhrt: 

1. dass schon einfache starke Zerrung des Plexus brachialis nahezu voUständigM 
Untergang seiner Wurzeln und der entsprechenden Partieen des BAokenmarks nr 
Folge haben kann, 

2. dass die dem Vorderhorn anliegenden FaserbOudel der Vorderstrax^gmodbAndei 
and der Seitenatrangreete kurze Etagenverbindungefasem sind, 

3. dass den medialen vorderen Zellengrappen des Vorderhoms grösstaüi^ 
CommisBurenfasera entstammen, 






1023 


4. dass die Nerven fdr die Schulter und Ärmmnskulatar hauptsächlich den 
lateralen Zellengroppen entstammen und dass bezüglich ihres Höhennrsprungs die 
Angaben Starr’s zutreffeo, 

5. dass unvollständige Zerstörung der hinteren Cervicalwurzeln die Sensibilität 
nicht beeinträchtigt. 

Discnssion: 

Herr Schmitz (Bonn) ist der Ansicht, dass der vorgetragene Fall die 6ynä* 
hologen mahnen müsse, mißlichst schonend bei eingreifenden Operationen vorzugehen- 

Herr Mann (Breslau) fragt an, wie die Beweglichkeit der Hand beschaffen war, 
)b die Hand beim Händedruck umklappte und ob ein wirklich kräftiges Zufassen 
nöglich war. 

Herr v. Monakow (Schlusswort) kann darüber nichts näheres mittheilen, da er 
len Fall klinisch selbst nicht beobachtet bat. Orthmann (Grrafenberg.) 

(Schloss folgt) 


IV. Bibliographie. 

Allgemeine Slektrotherapie, von Dr. Leopold Laquer, Nervenarzt in Frank* 

fort a./M. (Aus Enlenbnrg and Samuel’s Lehrbuch der Allgemeinen Therapie.) 

[Urban n. Schwarzenberg. 1898. Wien u. Leipzig.] 

Verf. geht, nachdem er die physiologischen Grundlehren, die ärztliche Elektro* 
echnik und die Elektrodiagnostik klar und anschaulich unter Beifügung zahlreicher, 
ehr gelungener Abbildungen erörtert, zu den elektrotberapeaüscheo Erfahrungen 
her, welche die grössere Hälfte des vorliegenden Bnches aasmachen. 

Er zeigt sich hier überall als ein Praktiker mit reicher Erfahrung, welcher 
benso fern dem Nihilismus, wie der kritiklosen Verwertbung angeblicher Heil* 
rfoJge steht. 

Es werden nacheinander die Krankheiten der peripheren Nerven, des Bücken* 
larks, des Gehirns und die Neurosen besprochen, das, was bei den einzelnen Er- 
ronkungen von der Anwendung des elektrischen Stromes zu erhoffen und wie der* 
ilbe zu appliciren sei. Dabei fehlt es nicht an eingestreuten wichtigen praktischen 
emerkungen über die verschiedenen Erkrankungen, welche die Lection des Buches 
i einer anziehenden machen. 

So polemisirt der Verf. z. B. mit Recht gegen den „charakterlosen Miscbbegriff: 
eurasthenie**, ein „diagnostisches Faulheitspolster“, wenn er auch den Ausdruck 
cht ganz verbannt wissen will. Er hebt die mangelnden Erfolge der elektrischen 
)handlung, wie jeder anderen physikalischen, bei ünfallkranken, hervor, and bringt 
) in Zusammenhang mit dem hartnäckigen, unbeugsamen, krankhaft gereizten 
larakter der Verletzten. 

Wir fügen das Scblussergebniss, zu welchem der Verf. auf Grund seiner lang* 
irigen Erfahrung kommt, wörtlich hier auf, weil es uns den augenblicklichen 
ind der Frage der Elektrotherapie treffend zu kennzeichnen scheint. 

„Der galvanische und der faradische Strom gehören zu den wichtigsten Heil* 
bteln bei Hnskel* und Nervenerkrankungen, vorausgesetzt, dass sie unter strenger 
achtuDg physikalischer und anatomisch*pbysiologischer Grundlehren und unter ge* 
aer Einhaltung schwacher oder mässig starker Stromdosen Verwendung finden. 
3 Methodik ihrer Anwendung stützt sich zumeist auf exacte Beobachtungen ärzt* 
her Wissenschaft und Erfahrung. 

Neuralgieen und periphere Lähmungen, denen schwere degenerative Processe 
Nerven^stems nicht zu Grunde liegen, werden durch Einwirkung des Stromes 
leilt. 


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1024 


Subjective Beschwerden and FunctionsstöraDgen, welche durch Erkrankutga 
der nenrfiscn Centralorgane bedingt sind, können dnrch Elektricit&t gemildert ond 
beseitigt werden. Auf den Verlauf der diesen Störungen za Grunde übenden am* 
tomischen Processe scheint der Strom einen Einäass nicht za besitzen. 

Bei der Bebaodlung der sogen, functionellen Neirenerkrankangen (Keurosen) 
kann sich der elektrische Strom in erster Reihe als ein geeignetes Hfllfsmittel zur 
seelischen Beeinflossong des Kranken erweisen; er übt aber aach von der Haut aos 
gleich den anderen physikalischen Heilmitteln der Uassage und der Hydrotherapie 
einen Beiz aas, der die Erregbarkeit des Nervensystems in gflnstiger Weise b^ 
einflusst. 

Zur Erkl&rnng der Heilerfolge der Elektricität bei Nervenstörungen ist weniger 
die Lehre von der durch elektrische Vorgänge etwa bedingten Regeneration an^ 
mischer Veränderungen als die der biologischen Wirkung von Beizen auf die FnnctioD 
eines jeden Neuron heranzuzioheu.‘' 

Die Arbeit des Verf.’s wird sicher neben anseren bereits vorhandenen vonfig* 
liehen Werken aber Electrodiagnostik and Elektrotherapie seinen wohlverdienten 
Platz einnebmen. M. 


V. Mittheilung an den Herausgeber. 

Herr Dr. L. Stembo (Wilna) macht darauf aafmerksam, dass der von Hem 
Dr. Holzinger in Nr. 19 d. Centralbl. beschriebene „Hypothenarreflex“ von iln 
bereits als „PalmarreQez“ in Nr. 15 der Berliner klin. Wochenschr. 1894 beschriebai 
worden ist. 

Es heisst dort n. A.: 

„Bekanntlich gehen vom Ulnarrande der Aponearosis palmaris drei bis ri« 
dOnne quergerichtete Moskelbandel, die sich in der Haut am Ulnarrande der Ennd 
verlieren. Dieser Muskel ist es, der bei Druck auf das Os pisiforme sich refleo- 
torisch contrabirt und die Haut am Ulnarrande der Hand in Falten legi 

Normalerweise kommt die Thätigkeit dieses Muskels daun zur Aeusserung, wenn 
wir unsere Hand zur Faust ballen. Eine isolirte Contraction dieses Muskels siod 
wir gewöhnlich nicht im Stande hervorznrufen, sondern es mOseen noch viele ander« 
Muskeln in Thätigkeit versetzt werden, besonders der Palmaris longus, um dk 
Palmaraponeurose zu fixiren. 

Dieser Reflex kommt am leichtesteu zu Stande und ist viel anschaulicher, wenn 
die Finger in leichter Flexlons* und die Hand in Adductionsstellang sich befinden.“ 


VI. Vermischtes. 

Am 1. October d. J. ist die Leitung der Heil- und Pflege-Anstalt f&r Gem&tbs- ood 
Nervenkranke zu Endeuicb bei Bonn von Sauitätsratb Dr. Heyden, der von seiner Thlög- 
keit an der Anstalt znrQcktritt, auf Dr. von der Helm nbergegangen, der vorher äk 
9 Jahre an der Anstalt als Arzt fnngirte. 

Die SteUnng von Geh. Rath Dr. Oebeke als regelmässig consnltirender Arxt kleiU 
nngeändert. 

Ausserdem ist ein Assistenzarzt angestellt. 


Dm Einsendung von SeparatabdrCcken an den Herausgeber wird gebeten. 

Einsendungen fOr die Bedaction sind zn richten an Prof. Dr.E. Hendel, 
Berlin, KW. Schiffbanerdamm 18. 

Verlag von Vsrr & Comf. in Leipzig. — Druck von Uwrobb & Wittiq in Leipzig- 


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lUe Buchhandlungen des In- und Änslandee, die Postanetalten des Deutschen Keicbe, sowie 
direet von der Verlagsbuchhandlung. 

1898. 15. November. Nr. 22. 


Inhalt: t. OriginalziHthelizngen. 1. Ueber frahzeitige Verkalkung der mmgefäese 
ils Ursache Ton EpUe^e, von Prof. Dr. Hochhaat. 2. Ueber Störungen des Stoffwechseb 
»ei Neurasthenie, von Prof. Dr. W. v. Bechterew in St. Petersburg. S. Das elektrische Tricho- 
istbesiometer und die sog. Haarempfindlichkeit des Eöipers, von Prof. Dr. W. v. Bechterew 
n St. Petersburg. 4. Wäche Äenderungen hat das klinuohe Bild der progressiven Paralyse 
ler Irren in den letzten Deoennien erftmren ? von Prof. Dr. E. Mendel. 

II. Referate. Anatomie. 1. Experiments in ezamination of the peripheral distribution 
f tbe fibres of the posterior roots of some spinal nervee. by Sherrington. — Pathologie 
les Nervensystems. 2. Ueber Beri-Beri, von Orimm. 8 . A note on the etiology of Mri- 
eri, by Hunter. 4. Casnistiache Beiträge zur MyopaUbologie, von Herzog. 5. Sur les formes 
ivereea de la psyohose polynövritique. par Soukhanefl. 6 . Beitrag zur Lehre von den sog. 
■olyneoritischen Psycboeen, von Schultze. 7. Congenital ptosis with anormal associated 
lovement of the affeeted lid, by Miller. 8. Ophths^oplegia exterior completa mit Paralyse 
ee Augenfacialis, von v. Fragiteln und Kempner. 9. Un cas d'opbtalmopl^e externe d’ori- 
ine nueldaire ehez une flUette de vingt-deux mois ä la suite de varieelle. par Marfan. 
0. Ophthalmoplegia externa with impeirment of tbe orbicularis oculi, by Taylor. 11. Myo- 
iris ossificans pr(^easiva mxiltiplez, von Matthes. — Psychiatrie. 12. Die Bedeutung 
er Katatonie, von llberg. 13. Zur Pathologie der katatonen Symptome, von Lehmann. 
4. Beiträge zur Eenntniss der Katatonie, von Miicha. 15. Ueber gewisse mychisohe 
törusj^n nach Selbstmordversuchen durch Erhängen, von Wollenberg. 16. lieber die 
osolc^Bche Auffassung und die Therapie der periodiMben Geistesstörungen, von Hitzig. 
7. A propos de la revision de la classmcation officielle, par Francotte. 18. Psychiatry in 
je Southern states, by Powell. 19. Notes of some cases of folie ä deux io seveiM members 
f the same family, by Woods. 20. Zoophilie et zoopbobie, par F4rd. 21. Ein Fall von 
wangsiTorstellongen und BerflhrungsAircht im Kindesalter, von Kalitcher. 22. Zur Lehre 
t>m Gedankenlautwerden, von Jzlliitbiirgor. 23. Diabetes und Geistesstörung, von Laudon- 
simor. 24. Osservazioni oliniche ed anatomiche solle demeoze post-apopletticbe. par Min- 
izzlni. 25. Blood-pressure in the insane, by Cralg. 26. La demenza precoce, per Hnzi e 
sdranl. 27. La paralipemania, per Roncoronl. 28. Sexual Inversion, by Ellls. 29. La pena 
ei reati sesnnali, per Vlazzi. 80. Lage und Stellung der Aerzte an ^ Öffentlichen Irren- 
Dstalten des deutocben Reiohea, von Hoppe. 31. Zar f^age: Moralisches Irresein, von Bogdan. 

Hl. Aut den Goaollsehaften. Versammlung deutscher Naturforseher nud Aerzte zu 
Qsseldorf am 19.—22. Septembw 1898. (Schluss.) 

IV. Porzonallen. 


65 

Dig Ii7cd c,' Google 







1026 


1. Originalmittheilungen. 


[Aus der mediciniscben Klinik zu Eiei.] 

1. lieber frühzeitige Verkalkung der Hirngefäase als Ursache 

von Epilepsie. 

Ton Prof. Dr. H. Hoohhaof. 

Der anatomisohe Befund bei der genuinen Epilepsie ist bekanntlich ein 
sehr mannigfacher: Verundeningen an den Himhänten, an der Himsobstaoz 
and an den Oefassen and dabd gefunden worden, ohne dass es allerdings 
möglich gewesen, im Einzelfalle mit Sicherheit zu sagen, ob die constatirte Er¬ 
krankung auch wirklich die directe Ursache der Epilepsie gewesen sei oder 
nicht.! Immerhin erscheint mir der nachstehende, in der Kieler mediciuisch^ 
Klinik beobachtete Fall w^en seines bemerkenswerthen Obductionsbefundes oner 
kurzen Beschreibung werth. 


Krankengeschichte: 

Anamnese (4./yiII. 1896): Fr. Wölhk, Branereiarbeiter, 28 Jahre alt, ludet 
seit l!/, Jahren an Kr&mpfen, die in mehrmonatlidien Intervallen anftraten, dw 
letzte in voriger Woche. Die Anfälle beginnen mit Kribbeln am ganzen Körper, 
dann stOrzt Pat bewusstlos hin and hat Znckongen in den Armen and Beines; 
mehrmals hat er sich dabei auch in die Zange gebissen. Gleich nachher nnkUree 
Bewnsstsein, Schlafsucht ond Eingenommenheit des Eopfee. Beit etwa 9—10 Jahres 
besteht eine Schwerfälligkeit der Sprache. Keine Lues, angeblich ancb kein Potatoriam. 

Status: Ziemlich grosser, kräftig gebauter Hann. 

Schädel normal gebaut, Sensorinm frei, Intelligenz normal, Cerebralnerven intad 

Zange zittert etwas beim Vorgtrecken, am vorderen Bande ein grosses flacbm 
UlcQS, links eine tiefe Narbe. 

Innere Organe normal, Pols voll nnd kräftig. 

im Urin weder Eiweiss noch Zucker. 

Therap.: Bromkali 4 Mal 1,0 g. 

8./VI1I. Seit gestern und heute Angstgefthl, wie ee früher den Anfällen häufig 
voranging. 

lO./Vni. Sehr nnmhiger Schlaf. 

14./yill. Heute früh ein Anfall. Der Kranke fiel plötzlich bewn^os bis, 
bekam Krämpfe zuerst in den Armen, dann anch in den Beinen, die etwa 10 Mts. 
gedauert haben sollen. Nachher schlief Pat. noch eine knrze Zeit, gab dann, nachdeo 
er zn sich gekommen war, an, dass er vorher wieder das Kribbeln am ganzen Körper 
verspürt habe. 

22./1X. Seit dem 14./VI11. kein Anfall mehr, nur ab and zu noch Kribb^ 
am ganzen Körper, das in letzter Zeit aber auch weniger geworden ist Da der 


^ Blooq et MAunrasco, Semaine mödicaie. 1892. 
Wynnb, liSncet 1898. 



1027 


Kranke sich andauernd wohl fhhlt, wird er entlasseo mit der Anweisung, Bromkali 
weiter au nehmen. 

Trots dee fortwährenden Bromgebranchs erfolgten am 30./IX. und 6./X. wieder 
Anfälle, so dass der Kranke am 6./X. wieder aufgenommen wnrde. 

Kurz nach der Anfiiahme im Erankenhause ein typischer, epileptischer Anfall. 
In der Fo^zeit bis znm 12./X1I. waren die Anfalle im allgemeinen selten, im 
ganzen 4—6. Dag^en spürte der Kranke ein taubes Gefühl und Kribbeln am 
Kdrper fast täglich. 

Vom Id./XlI. ab wurde eine Opinmkur eingeleitet Der Kranke bekam zuerst 
3 Mal 10 Tropfen Tci opii simpl. t^lich, die bis znm 23./XII. auf 3 Mal 35 Tropfen 
langsam gest^gert worden. — Die An^e wurden bei dieser Kur zusehends zahl¬ 
reicher und heftiger, wiederholten sich zuletzt fast täglich mehrmals. Die seelischen 
Kräfte verfielen mehr und mehr und am 3./L 1897 kam es zum Ausbruch einer 
acuten Manie, so dass der Kranke isolirt werden musste. Das Opium wnrde nun 
abgesetzt nnd wieder Brom gegeben. Am 7./I. war die Tobsucht wieder geschwunden 
und der Kranke verständig. Die Anfälle dauerten aber in der Folgezeit fort nnd 
wiederholten sieh am Tage häufig mehrmals, so dass sowohl der geistige wie der 
kün>erliehe Zustand des Kranken erheblich verschlechtert erschien. 

Am 17./L moigens war der Kranke benommen, ohne dass ein Anfall voran¬ 
gegangen war, am Kachmittag erfolgte ein kurzer Anfall, abends Ansteigen der 
Temperatnr, die bis dahin stets normal gewesen wm-. Am anderen Tage hohes 
Fieber, sehr kleiner nnr^lmässiger Puls, tiefes Coma, g^en Abend unter zunehmender 
Herzschwäche Exitus letalis. 

öbduction: 

Scbädeldecke sehr dünn, an der Innenfläche mit ziemlich tiefen Qefässfurcben 
and Pacchioni'schen Gruben. 

Im liängssinns ein dunkelrothes Bln^erinsel und wen^ flüssiges Blut 

Dura dünn, gespannt 

Innere Häute zart weisslicb, getrübt 

Die Windungen breit die Sulci eng. 

Auf dem Durchschnitt die Binde sehr dunkel, hortensiafarben, das Mark rosig. 
Scheck^, mit zahlreichen, stachelartig Über die Schnittfläche vorstehenden, feinen, 
starren Gefässen, nnd zwar auf der rechten Hemisphäre weniger als auf der linken. 

Seitenventrikel eng, wenige Tropfen Flüssigkeit enthaltend. 

UI. Yentrikel weit, ohne mittlere Commissur. 

Flexns chorioidens stark gerüthet 

Centralganglien dunkelroth. 

Kleinhirn normal, derb, sehr blutreich; anch hier in der weissen Substanz ver¬ 
kalkte Gefässe. 

An der Basis Häute zart Geßsse zartwandig, stark mit Blut gefüllt 

Brücke ziemlich dunkel gerötbet nuf der Schnittfläche keine verkalkten Gentsse. 

Mednlla oblongata blass. 

Becbtes Hinterhom obliterirt 

Ausgedehnte ältere nnd frischere pneumonische Infiltrate, besonders in dem 
linken Unterlippen. 

Hyperämie der Leber. 

Sti^e Trübung der Niereu. 

Weiche Schwellung der atrophischen Milz. 

. Starke hämorrhagische Sprenkelong des Hagmis. 

Von allen Gehirnpartieen von dem Sfäm-Central-, Parietal- und OccLpitallappen, 
sowie vom Ammonshom, vom Kleinhirn, der Brücke, der Mednlla oblongata habe ich 
zuerst kleine Stückchen zerzupft und frisch untersucht gleichzeitig aber auch solche 

66 * 


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1028 


in Alkohol gehärtet und mit Hämatoxylin und Eosin, sowie nach Kissl geHirbi 
Das Resultat dieser üntersnchong war folgendes: 

In allen den untersuchten Himpartieen fanden sich verkalkte kleinere Geßsse. 
Im Stirn-, Parietal- und Occipitallappen, sowie im Kleinhirn indess nur in ganz ge¬ 
ringer Menge, so dm»« auf einem Schnitt nur 1—2 erkrankte Oe&sse zu sehen 
waren. Im Occipitallappen waren fast gar keine. Erheblich bedeutender war die 
Anzahl der verkiükten Oefässe in den Centralwindongen; auch hier waren es meist 
die allerkleinsten Gefässe, die Capillaren; von den etwas grösseren waren nur einige 

wenige befallen. Am ausgedehntesten war 
diese Gefässveränderung in der Ammons- 
Windung, und besonders in der linken. 
Innerhalb dieser letzteren waren fast die 
gesammten Capillaren in ihren Wandungen 
mit Kalk infiltrirt, wenigstens der weissen 
Substanz, wie das die nebenstehende Zeich¬ 
nung eines Gljcerinpräparates sehr deutlich 
zeigt — Der Grad der Kalkinfiltratioo 
war bei den einzelnen Gefässen ein sehr 
verschiedener. Bei den meisten war die 
Wand fast ganz continuirlich mit gröberen, 
dicken Ealkstflckchen besetzt, so dass von 
der eigentlichen Geßsswand gamicbts mehr 
zu erkennen war; bei anderen dagegen war 
sie nur hier und da mit einzelnen feinen, 
durch die bekannten Beactionen als Kalk zu erkennenden Pünktchen bedeckt Ton 
den etwas grösseren Gefässen waren auch einzelne, sowohl Arterien wie Venen, be¬ 
troffen. Alle grossen Geßsse waren frei, ebenso konnte weder an den Ganglien¬ 
zellen (NissTsche Färbung), noch an der Neuroglia irgend eine Anomalie entdeckt 
werden. 

Pons nnd Mednlla oblongata waren frei 



Gljceriiipiäparat bei schwacher Ver- 
grösaernng. 


Als Ursache für die beobachtete schwere Form der Epilepsie fand sich also 
eine weitverbreitete Verkalkung der kleinsten Gefässe des Gehirns, and zwar 
vorzugsweise der linken Oentralwindang and Ämmonswindung. 

Dass diese thatsachlich den Grand for die Epilepsie abg^eben, scheint 
ans nicht zweifelhaft, da wohl anzunehmen ist, dass eine so ausgedehnte Ver¬ 
änderung der Gefässe auch eine schwere Störung der GehimemähruDg bedingt 
Vasculäre Veränderungen, meist allerdings anderer Natur als die von uns be¬ 
schriebenen, sind ja nicht so selten auch von anderen Antoren als Ursachen der 
Epilepsie gefrmden worden. Das vorwiegende Befalleuseiu der Ammonswindung 
ist auffallend, und erinnert an die zahlreichen Fälle, bei denen auch eine Er¬ 
krankung gerade dieser Gehimpartie, meist sclerotischer Natur, angetrofifen 
wurde.* 

Eine andere Frage ist nun die, wie sich in so jagendlichem Alter eine 
solch starke Verkalkung der Gefässe überhaupt, und zwar gerade im Gehirn 
entwickeln konnte. Im höheren Alter ist dieselbe im Anschluss an Arterio- 
sclerose ein relativ häufiges Breignias, im jugendlichen wenigstens in ähnlicher 
Ausdehnung sehr selten. 


These de Coulbant Paris 1881. 


1029 


In der Litteratur finde ich derartige au^^ehnte Verkalkungen der Gehirn* 
gefasse zuerst’von Vibohow^ beschrieben als sogenannte Kalkmetastasen, wobei 
an irgend einer Stelle des Knochensjstems eine krankhafte Einschmelzung statt¬ 
fand und die fireigewordenen Eaiksalze, da die Nieren sie nicht ausscheiden 
konnten, sich an anderer Steile ablagerten, und zwar im Magen, im Darm, in 
den Nieren oder auch in den Himgefassen. Unter die letzte Kategorie gehört 
besonders der Fall VI Viechow’s*, der einen 26jährigen Mann betraf, welcher 
an ausgedehnter Caries der Brust und Lendenwirbelsäule litt, und bei dem sich 
bei der Obduction eine Verkalkung der feineren Himgefässe fand mit normaler 
Beschaffenheit der Basa^ßsse. Auch der von ihm im IX. Bande beschriebene 
Fall, sowie der von Smorr im LV. Bande desselben Archivs erwähnte Fall 
zeigen einen ähnlichen Befund, ohne dass indess das Erankheitsbild der Epilepsie 
daW beobachtet worden ist Einen Hinweis auf die hier in Betracht kommenden 
ätiologischen Momente giebt eine interessante Beobachtung von Hubeb, der 
bei der Obduction eines 22jährigen luetischen Mädchens eine ausgedehnte Ver¬ 
kalkung fast der gesammten Eörperarterien fand mit Ausnahme allerdings der 
Gehimgefasse. Da irgend ein anderer Grund für diesen auffälligen Beffind 
nicht vorhanden war, zweifelt Hubeb nicht, dass derselbe auf die Lues zurück- 
gefuhrt werden müsse. 

In unserem Falle war ausser den ffischen Veränderungen an Lunge und 
Niere sonst keine Erkrankung zu constatiren, so dass wir es hier sicher mit 
einer primären Verkalkung der kleinsten Himgefässe zu thun haben. Einen 
Fingerzeig für die Aetiol(^e giebt uns das Gewerbe des Patienten; derselbe war 
Brauer und da ist es ja wohl möglich, dass durch die gewohnheitsmässige starke 
Flüssigkeitsaufnahme, dem Gefasssystem häufig zu viel Arbeit zugemnthet wurde 
und es in Folge dessen eine Schäd^ng seiner Elemente erlitten, die die Ealk- 
infiltration b^ünstigt hat Dass der Alkohol dabei in gleichem Sinne mitgewirkt 
bat, ist wohl sicher anznnehmen. 

Wie es kam, dass nur die feineren Himgefösse davon betroffen wurden, 
ist schwer mit Sicherheit zu sigen; möglicherweise waren dieselben von Haus 
ans weniger widerstandsfähig. 


2. Ueber Störungen des Stoffwechsels bei Neurasthenie. 

Von Prof. Dr. W. v. Bechterew in St Petersburg. 

Die Frage nach dem Verhalten des Stoffwechsels bei den allgemeinen 
Neurosen und speciell bei der Nenrasthenie ist nicht neu in der Wissenschaft 
Doch scheint das, was in dieser Beziehung vorliegt, noch nicht zum Gemein- 


> Virchow’B Archiv. Bd. VIII. 

* Virchow’s Archiv. Bd. LXXIX. 


- Google 



1030 


gute der Aerzte geworden zu sein. So erklärt es sich, dass Biebnacd* mit 
Hülfe der Sedimentirungsmethode des Blutes neuerdings wieder zu bewäsea 
sucht, dass die sc^en. allgemeinen functioneilen Neurosen (Hjsterie und Keor* 
asthenie), welche von Einigen nicht mit Unrecht zu den psychischen ErkraulniDgeB 
gezählt werden, nicht primäre Affectionen des CentralnerTensystemes darstdleo, 
sondern secundäre Symptomencomplexe bilden, bedingt durch primäre Stönu^ 
der Oxydationsprocesse und durch Einwirkung so entstandener Stoffwechsel- 
producte auf das Nerrensystem. Hjsterie und Neurasthenie erscheinen in diesem 
Lichte als zu derselben Kategorie gehörig, wie Diabetes mellitus, Bheumatismus, 
pathol<^;isohe Fettsucht und überhaupt Krankheiten, die auf Altaati<»en da 
normalen OzydatiousTorgänge beruhen. 

Können diese Ergebnisse des genannten Autors axuih nicht als ganz nea 
gelten, da die Ansid)!, die Ursache der Neurasthenie und Hystoie liege io 
abnormen Ozydationsprocessen, schon früher in der Litterator vertreten wordeo 
ist, so bleibt immerhin der Umstand beachtenswerth, dass jene auf Blut- 
Untersuchungen gestützten Schlüsse mit den Ei^bnissen der Hamuntersoohnng 
bei den nämlichen Krankheiten sich gut decken. 

Ueber das Verhalten des Harns im Verlaufe der allgemeinoi Neurosen sind 
von der Schule der Salpötriöre besonders werthToUe Befunde zu Tage geimdert 
worden. Gestüfrt auf solche Befunde verficht Vioousoux schon seit vkleo 
Jahren Storungen der Ozydationsvoi^änge als Ursache der allgemeinen Neurom 
und kommt bei (Gelegenheit der erwähnten Mittheilui^n von Biebha«] 
neuerdings wieder auf diese Angelegenheit zurück.^ Bezüglich der Neurasthaiie 
ergaben ihm seine Hamanalysoi, wie er hervorhebt, ungenügenden Zerfall und 
sehr merkliches Sinken des Stickstoffooeffiaenten. 

ln seinem bekannten Werke „La neurasthönie et rarthritisme“ (Paris 1893) 
setzt ViQOCBOux Nenrasthenie auf gleiche Stufe mit hamsaoier Diatbess. 
„Neurastheniker sind Arthritikeri', schliesst er. „Dieser Satz ist nicht mehr 
neo, konnte aber bisher nur durch klinische, also strittige Beobachtangen ge¬ 
stützt werden. Die Urologie verleiht dieser Vermuthung die Objectivität und 
die Klarheit einer chemischen Thatsaohe“ (S. 23). An einer anderen Stelle 
nUirt er fort: „Arthritismus ist notbwendige Vorbedingung der Neuiastfaenie. 
Um weiter zu gehen, muss man den Boden der Hypothese betreten. Von Leb- 
teren ist eine der annehmbarsten diejenige über Autointoiioation“ (S. 39). 
Nach ViGOUBoux’s Ansicht kann zur Quelle solcher Autointozication Mago- 
erweiterung werden. Bei der Heilung der Neurasthenie sollen vor Allem anti- 
dyscrasische und nicht symptomatische Methoden in Anwendui^ kommen. 

Von anderen französischen Forsdiem wird auf anal<^ Veränderungoi 
neurasthenischen Urins bingewiesen. Schon Huchabd fand bei Neurasthenikeni 
constant Vermehrung der Urate, in Folge dessen er diese Krankheit als ar- 
tritische Neurose aufzufassen sich veranlasst sah. 

' Hittbeilang io der Qesellschaft der Äerste zu Warschau 1897. — VargL Oboireqe 
psichiatrii. 1898. Nr. 6 und Neurolog. Ceotralbl. 1898. 

* Neurolog. Ceutralbl. 1898. Nr. 8. 


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1031 


Da die Frage nach dem Zustande des Stoffwechsels bei den allgemeinen 
Neurosen fffr die Aetiologie und das Wesen dieser Erkrankungen von hoher 
Bedeutung ist, so habe ich schon seit langer Zeit über das Verhalten des Harnes 
dabei Au^chnungen gesammelt und die betreffenden Harnanalysen, Dank der 
Liebenswürdigkeit von Prof. Foebl, io dessen Laboratorium ausfffhren lassen. 
Die jetzt nach dieser Bichtung mir vorliegenden Ermittelungen deuten, wenig* 
stens was die Neurasthenie, von der allein hier zunächst die Bede sein soll, 
betrifft, ebenfalls auf Unregelmässigkeiten der Oxydation hin. In sämmtliohen 
Fällen, besonders aber bei den schweren Formen der Neurasthenie, fand sich 
mehr oder minder beträchtliche Abnahme des Harnstoffes und grösstentheils 
eine gewisse Zunahme der Harnsäure. Das Verbältniss des Gesammtstickstoffes 
des Urins zu der Stiokstoffquantität des Harnstoffes (der Coefficient der Oxy¬ 
dationsenergie und der Ausdruck der Gewebsathmung nach Poehl) wies con- 
stant hin auf merkliches Sinken der Intensität der Stickstoffoxydation. Das 
Verbältniss der Hamsäuremenge zu der Quantität der Pbosphor^ure in Form 
ihres Dinatriumsalzes zeigte oonstant nach Zeeneb erhöhte Abspaltung von 
Harnsäure an, liess also auf Vorhandensein mehr oder weniger ausgesprochener 
bamsaurer Diatbese zurücksobliessen. 

Eine weitere Besonderheit der Hamzusammensetzung, welche ich oft in 
schweren Fällen von Neurasthenie beobachtet habe, besteht darin, dass das 
Verhältniss des Gesammtstickstoff^ im Harn zu der Menge der Pbosphorsäure, 
d. h. jener Goefffcient, welcher nach Zülzeb die Zerfallsenergie des Nerven¬ 
gewebes angiebt, gesteigert erschien. Manchmal war das Verhältniss der 
Gesammtphosphorsäure zu der Quantität der Glycerinphosphorsäure, welches 
nach Lepin den Lecithinzerfall anzeigt, höher als normal Letztere Erscheinung 
zeichnete sich jedoch durch geringere Constanz aus. In vielen Fällen endlich 
erschien das quantitative Verhältniss der Schwefelsäure zu den gepaarten 
Sdiwefelsäuren, was als Index der Danniaulniss dient, mehr oder weniger stark 
gesteigert 

Dem wäre noch binzuzufügen, dass in einzelnen Fällen Besserung des 
Krankbeitszustandes mit Abnahme oder Verschwinden der arthritischen Er¬ 
scheinungen zusammenfiel. Es ist also auch nach meinen Beobachtungen Neur¬ 
asthenie zweifellos verbunden mit Unregelmässigkeit der Oxydation der Stick- 
stoffsnbstanzen. Sie kann und muss daher mit den übrigen, auf dem Boden 
von Stoffwechselabnormitäten sich entwickelnden Erkrankungen zu der gleichen 
Gruppe gerechnet werden. 

Was die nächste Ursache der in Rede stehenden Unregelmässigkeiten der 
Oxydation betrifft, so erscheint mir am allerwahrscheinlichsten der Einfluss der 
Darmfäulniss hier wirksam zu sein, was in meinen Fällen durch specielle Ana¬ 
lysen nachgewiesen ist Im Darme ist also wesentUch die Wurzel der Neur¬ 
asthenie in der Mehrzahl der Fälle zu suchen. Selbstverständlich präjudicirt 
dies in keiner Weise einen primären Ursprui^ der fr^lichen Darmstömngen 
und sohliesst zugleich den Einfluss anderer zu Neurasthenie prädisponirender 
ätiologischer Factoren (übermässige geistige Anstrengung u. s. w.) nicht aus, 


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1032 


doch wäre zu prüfen, ob diese Momente, wenn auch nur indirect, nicht auf 
die Fänlnissrorgänge im Darme zurückwirken. Bezüglich geistiger lieber- 
anspannung z. B. Hesse sich an den FünfliMR dauernder Ablaoknng des 
Blutes von den Baucheingeweiden auf die Functionen des Darmes denken und 
in noch höherem Grade ist hier vielleicht die mit geistiger Arbeit T^ondene 
sitzende Lebenswöse und die so entstehenden Stauungen im Gebiete der Leber 
wirksam. Zur Erklärung des Einflusses von Erschütterungen auf die Ent¬ 
wickelung der Neurasthenie können gewisse vasomotorische Störungen von Be¬ 
deutung sein. Vielleicht kommt auch die Zusammensetzung der Nahrung hi«' 
mit in Frage, doch sind alle diese Factoren zunädist durch ganz spedelle 
Untersuchungen auf ihren Werth zu prüfen. 


3. Das elektrische Trichoästhesiometer und die sog. Haar¬ 
empfindlichkeit des Körpers. 

Von Prof. Dr. W. ▼. Beohtetww in St. Petersboif. 

. Unlängst sind in meiner Klinik von den Drr. E. J. Noisohewski und 
B. F. Ossipow an gesunden Individuen und an Nervenkranken Untersuchungen 
über die sogen. Haarempfindlichkeit der Haut angestellt wurden. Man versteht 
darunter jene eigenthümliche Empfindung, welche gewöhnlich bei sehr zarter 
Berührung behaarter Hautpartieen auftritt und an die Empfindung des Kitzd- 
reizes sehr lebhaft erinnert^ Zur Untersuchung dieser Art von Sensibilität, die 
zweifellos bedingt ist durch mechanische, bei Bewegungen der Haare auftretende 
Beizung besonderer Nervenendigungen an den Haarbälgen, eignen sich am besten 
so zarte Beize, welche die Haare der Hautoberfläche in Bewegung setzen, ohne 
gleichzeitig die geringste Empfindung der Berührung auszulösen. Es kann hierzu 
z. B. ein Haar von der Kopfhaut des Menschen benutzt werden. Dodi hat die 
Anwendung eines solchen Beizmittels eine Beihe rein technischer Schwierigkdten 
bei der Prüfung der Haarempfindlichkeit. Dr. K. J. NoaoHswBKi hat bereits 
bei sdnen früheren Untersuchungen über diesen Gegenstand ‘ in verdienstvoller 
Weise zu diesem Zwecke eine zarte Uhrfeder oder ein sogen. UhrhäroheD io 
Anwendung gebracht und einen besonderen Apparat construirt, bestehend sos 
einem zwischen den Spitzen einer Pinoette eingeklemmten gewöhnlichen Uhr* 
barchen.’ Berührt man eine haarbedeckte Hautstelle mit solch einer Haarfeder, 

‘ Beide dtlrfen nicht mit einuder verweeheelt werden. KitselgeflUü entsteht darrfa 
gröbere Hnntreizting and pflegt an den Fnsssohlen nnd in den Äefaselgraben am intenaintN 
za sein, während Haarempfindlichkeit an ersteren, wie wir sehen werden, voUatändig fehlt, 
in letzteren sehr schwach ist. 

* Vortrag, gehalten in der Gesellschaft der Aerzte za Dflnabarg (Dwinsk) am 2. April 
1896 and am 28. November 1896. 

* K. Noucbbwsxi, Trichoästhcsiometr. Nowing lekarskie. 1896. Nr. 6. 







1033 


so empfindet man thatsachlich etwas, was lebhaft an Kitzelgefuhl erinnert, wäh¬ 
rend Berührung der Elant mit diesem Instrument auch in solchen G^nden, 
wo das Xastverm^en am schärfsten ausgepr^ ist, wie z. B. an den volaren 
Flächen der Finger gänzlich empfindungslos verläuft. Mit Hülfe dieses ein¬ 
fachen und zugleich sinnreichen Apparates hat Dr. K. J. Noisohewsei seine 
ersten Untersuchungen über Haarsensibilitat des Menschen 
angeführt und den Apparat selbst als Trichoasthesiometer 
bezeichnet 

Die praktische Handhabung des Apparates hat aber 
einige Schwierigkeiten. Der Beobachter muss bei der 
Prüfung der Haarempfindlichkeit, um den erforderlichen 
Beiz ansnlösen, die Uhrfeder den Haaren entluig hin¬ 
führen und da dies aus freier Hand geschieht, so wird 
in Folge der unvermeidlichen Ungleichmässigkeit einer 
solchen Bew^ung auch die Haarempfindlichkeit keine 
gleichbleibende sein können. Ein anderer wesentlicher 
Nachtbeil des Histrumentes besteht darin, dass das Tricho- 
ästhesiometer Noisohewski’s kein exactes Maass der Haar¬ 
sensibilität angiebt 

Als daher Dr. Ossipow und darauf Herr Noischewski 
in meiner Klinik an die Untersuchung der Haarempfiud- 
lichkeit herantraten, veranlasste ich die Genannten, ein 
vollkommeneres Trichoasthesiometer mit gleichmässigen 
Schwankungsamplituden zu oonstruiren und sich dabei der 
Mitbülfe des Elektromagneten zu bedienen. Es bestand an¬ 
fangs der Plan, ein solches Trichoasthesiometer nach dem 
Principe der elektrischen Stimmgabel einzurichten, doch 
wurde bei der praktischen Verwirklichung des Instrumentes 
den Schwankungen des Trichoästhesiometers der Mecha¬ 
nismus des NsEP’schen Hammers zu Grunde gel^ 

Ein solcher Apparat wurde nach den Angaben von Dr. 

K. J. Koisohbwbki von der Firma Urlaub in Peters¬ 
burg helgestellt, leider aber zu einer Zeit, als K. J. Noi- 
scHEWBKi und W. P. Ossipow ihre Untersuchungen mit¬ 
telst des gewöhnlichen Trichoästhesiometers bereits ab¬ 
geschlossen hatten. 

Das elektrische Trichoasthesiometer hat fo^nde Anordnung. Ein Metall¬ 
stab a (s. nebenstehende Abbildung), an dessen Ende mittelst Klammem eine 
Haarspirale h befestigt ist, steht mit einem im Innern des Griffes c verborgenen 
Elekrom^neten so in Berührung, wie der NEEP’sche Hammer in den gewöhn¬ 
lichen elektrischen Apparaten. Die Begulirung der Schwankungen des Stabes o, 
sowie die Grösse der Excarsionsamplitude des die Uhrfeder tragenden Aufsatzes 
geschieht, wie bei dem NEBP’schen Hammer mit Hülfe einer Schraube d. Zur 
Verbindm^ des Elektromagneten mit dem Elemente dienen Oeffiiungen in den 


a\ 




, ^ i.vGoogIc 



1034 


am £nde des Apparatss befindlichen metallischen Vorsprüngen ee, an weldien 
Scbianben znr Befestigung der Drähte f,f angebradit sind. Zu erwähnen ist 
ansserdem, dass an dem Griff eine besondere bew^liche Metallplatte g Tor- 
hmiden ist, welche nach vorne bew^t den Strom in dem Elektromagneten 
schliesst, rückwärts geschoben ihn auf hebt Der Apparat kann daher aowchl 
als elektrisches, wie auch als ein&ches Tricholsthesiometer benutzt werden. 
In beiden Fällen ist seine Anwendung aus der Beschreibung leicht ersichtlich. 
Zn bemerken wäre hier nur das eine, dass es bei der Untersuchung vor Allem 
darauf ankommt, die Hantoberfiäche in änsserst zarter Weise zu berühren, da 
andernfalls das Ende des Stabes selbst die Haut träfe und anstatt einer Haar¬ 
empfindung einen Tastreiz hervorriefe. 

Zum Schlüsse will ich hier die Ergebnisse der Untersuchungen über Haar¬ 
sensibilität bei Gesunden und Kranken, welche in meiner Elinik von E. J. Noi- 
BOHEW8KI und W. F. OssiFOW im Wintersemester 1897/98 mittelst des gewöhn¬ 
lichen (nicht elektrischen) Trichoästhesiometers ausgefuhrt wurden, kurz zn- 
sammenfassen. 

Eine Vergleichung der Intensität der Haarempfindlichkeit in den verschie¬ 
denen Körpergegenden eigiebt, dass diese Empfindlichkeit am schärfsten ist 
an der Haut der vorderen Stimgegend, besonders in der Region der Glabella 
und an der Haargrenze des Kopfes, sowie an der Wangenbaut über der Naso- 
labialfalte. Ungewöhnlich fein ist die Haarempfindlichkeit auch auf der Innmi- 
fläche der Nase, deren Beizung mittelst des Trichoästhesiometers häufig Kiesen 
anslöst In zweiter Reihe folgt die Schamg^nd und die Umgebung des Ani^ 
In den genannten, bei weitem empfindlichsten Theilen ruft Beizung mit dem 
Trichoästhesiometes nicht selten so intensive Empfindungen hervor, dass gleich¬ 
zeitig ein allgemeines reflectorisches Erzittern des Körpers auftreten kann („wahrer 
Haarreflez^^. Etwas schwächer ist die Haarempfindlichkeit der Gesichtshant; 
die mit Bart und Schnurbart bedeckten Gruden sind weniger empfindlich als 
die übrigen Theile. Weiter schliesst sich nach der Intensität der Haarempfind¬ 
lichkeit an: die G^nd des Halses, des Schultergürtels, des Rumpfes bis zu 
den Ingninalfalten vorne und dem Gesässe hinten, die dorsale Fläche der Hände, 
die hintere Fläche der Oberschenkel, die oberen Theile der Innenfläche der 
letzteren, die Haut des Vorderarmes, die vordere Fläche der Füsse und die 
hintere der Unterschenkel Die Haarsensibüität fehlt gänzlidi an der Vcdi 
manus, an der Planta pedis, an der Hacke, an der volaren und plantaren hläche 
der Finger bezw. Zehen, an den Flächen der Endphalai^en der Finger und so 
der Glans penis, also in jenen Körpergegenden, die der Haare völlig entbehren 
und gleichzeitig ein äusserst scharfes Tastvermögen besitzen. 

Die Intensität der Haarempfindlichkeit steht augens<dieinlich in Conelatii» 
mit der Grösse und Dichtigkeit der die Haut bedeckenden Haare: je fein« 
und dichter diese, desto intensiver jene und umgekehrt, je länger und späriicber 
diese, desto schwächer jene. 

Dass die in Rede stehenden Empfindungen in der Tbat durch Schwingung^ 
der Haare hervorgerufen werden, wird dadurch bewiesen, dass, w^m man das 





1035 


Thoboästhesiometer zart zwischen den Haaren einwirken lässt, was an den Ober* 
Schenkeln leicht ausfahrbar ist, überhaupt keinerlei Empfindung auftritt Narben- 
fläohen sind ebenfalls empfindungslos. 

Die Yertheilung der Intensität der Haarempfindlichkeit entspricht in be* 
merkenswerther Weise durchaus nicht der tactilen Sensibilität 

Unter pathologischen Verhältnissen geht nach den Ermittelungen derselben 
Beobachter die Haarsensibilität manchmal verloren bei noch erhaltener Tast* 
empfindlichkeit In anderen Fällen erscheint sie dagegen auffallend gesteigert, 
während das Tast* and Schmerzgefühl im Wesentlichen unverändert bleiben. 
Dies scheint mir entschieden darauf hinznweisen, dass die Haarempfindlichkeit 
eine ganz besondere Qualität der Hautsensibilität daistellt, die völlig verschieden 
ist von dem Tast- und Schmerzgefühl. Die ganze Frage der Haa^mpfindlich- 
keit verdient daher meines Erachtens in sorgfältigster Weise geprüft zu werden. 


4. Welche Aenderangen 

hat das klinische Bild der progressiven Paralyse der Irren 
in den letzten Decennien erfahren?' 

Von B. HendeL 

Dass manche Krankheiten im Laufe der Zeit und zu verschiedenen Zeiten 
ihr klinisches Bild verändern, ist eine Erfahrung, welche vielfach bestätigt 
worden ist 

Die Cholera, die Pest und andere Infectionskrankheiten haben zu ver- 
»hiedenen Zeiten sehr verschiedene klinische Bilder daigeboten, am auffallendsten 
st jene Thatsache für den Neuropathologen bei der Diphtherie. Hier giebt es 
ind gab es Epidemieen, in welchen nervöse Kachkrankheiten kaum zur Beo- 
)aohtang kamen, während in anderen in anfallender Häufigkeit leichtere und 
chwerere Formen von Lähmungen au die diphtherische Afiection des Rachens 
der anderer Eörpertheile sich anschliessen. 

Auf der anderen Seite d^gen verlaufen die verschiedenen Erkrankungen 
es Herzens, der Nieren, die BBioHT’sche Erkrankung, wie die Schmmpfniere 
anz in derselben Weise, ohne jede wesentliche Veränderung des klinischen 
lildes in den Decennien, in welchen wir diese Krankheiten zu diagnostioiren 
n Stande sind. 

Mit Rücksicht gerade auf diese letztere lliatsache muss es auffallend er* 
3heinen, dass bei einer Oehirnkrankhdt, welche wir den letzteren Erkrankungen 


‘ Nach einem in der Versammlang dentecher Natnrforseher ond Aerzte zn Dfissddorf 
shaltenen Vorträge. 


D g I ,:od oy GOO^ Ic 



1036 


an die Seite zn stellen gewohnt sind, der progressiven Paralyse der Irren, irgend 
wie wesentliche Veränderungen in dem klinischen Bilde eingetTeten sein sollten 

Nichts destoweniger scheint an der Thatsache, dass eine solche Veränderong 
eingetreten ist, kein Zweifel zu sein. Bereits in meiner monographischen 6^ 
arbeitung der progressiven Paralyse^ sagte ich: ,.Änch die Zeit bringt unzw^d- 
hafte Aenderungen und Transformation der verschiedenen Formen hervor.^ Ich 
stdtzte mich dabei auf die Angaben Calmcl’s, welcher 1826 die grosse Selten« 
heit melancholischer Delirien bei der Paralyse hervorgehoben, während er 1859 
äusserte, dass die melancholische Form der prc^ressiven Paralyse seit etwa 
10 Jahren fast ebenso häufig, wie der Grössenwahn auftrete, und auch Lükieb 
hatte eine Aenderung bemerkt, insofern als die langsam verlaufende Panl^ 
und die deprimirte Form häufiger zur Beobachtung käme. 

ln den 30 Jahren, in welchen ich selbst mich mit dem Stadium der pro¬ 
gressiven Paralyse beschäft^, erscheint mir non vor allem eine Thatsadie 
auffallend: das Zurncktreten der typischen Form der Paralyse gegen¬ 
über der dementen Form. 

Aus den älteren Beobachtungen eigiebt sich, dass die typische Form der 
Paralyse — melancholisches oder hypochondrisches oder hypochondrisch-melu- 
cbolisches Stadium, maniacalisches und dementes Stadium — über die Hüfte 
oder annähernd die Hälfte aller Fälle betrug: Beiebbe de Boismoht fand 1859 
unter 100 Beobachtungen 64 Mal die typische Form, Calheil unter 62 Pülen 
25 Mal, Batlb unter 85 Fällen 52 Mal 

Camuset’ fand unter 173 Paralytikern nur in 25,4‘*/o die demente Foim. 

Ich selbst fand 1880 unter 180 Fällen eigener Beobachtung 55 Ual die 
typische Paralyse verzeichnet 

Herr Dr. Soholinub, der jetzige Leiter meiner firüheren Anstalt, hat die 
Güte gehabt, die Fälle von Paralyse, welche in den letzten 8 Jahren in die 
Anstalt angenommen wurden, nach ihren Formen zusammenzustellen. Ünta 
den 194 Fällen von Paralyse bei Männern fanden sich nur 24 Fälle von dee 
typischen Form — sie ist also bei im Wesentlichen gleichem Material um etn 
die Hälfte in ihrer Häufigkeit herabgegangen. 

Abgesehen aber von der grösseren Seltenheit der typischen Form, treten in 
dieser selbst speciell die Grössenwahnvorstellungen im Allgemeinen nidit 
so excessiv hervor, wie dies früher der Fall war. 

Zwar fehlt es auch jetzt nicht an jenem „blühenden“ Grössenwahn, welche 
für die progressive Paralyse charakteristisch gilt, aber die Intensität desselb« 
bat im Allgemeinen abgenommen. 

Während ich unter jenen Fällen im Jahre 1880 37 Mal die demente Fom 
verzeichnete, erscheint dieselbe unter den 194 Fällen der neuen Zusammenstellosf 
70 Mal, ist also etwa auf die doppelte Zahl gestiegen. 

Das Yerhältniss zu Gunsten der Häufigkeit der dementen Form der PirÜT^ 


' Mbhdkl, Die progressive Paralyse der Irren. 1880. S. 2 '.> 
* Anna!. m4d.'pBych. 1888. Hai. 







1037 


wird aber noch evidenter, wenn man die nicht kleine Zahl der dementen Para* 
Ijtiker hinzurechnet, bei welchen wegen ihres ruhigen und ungefährlichen Ver¬ 
haltens nicht die Nothwendigkeit eintritt, sie in eine Anstalt zu bringen, und 
liie entweder als poliklinische Kranke oder bei privaten Gonsultationen zur 
Kenntniss des Psychiaters kommen. 

Auf dieses jetzt hervortretende Vorwiegen der dementen Form der Paralyse 
st übrigens, wie ich sehe, auch an anderen Orten und in anderen Landern 
lereits die Aufmerksamkeit gelenkt worden. 

Akgioletto^ fand unter 84 Paralytikern 40 die demente Form. 

CoLLiNS^ hebt die Zunahme der dementen Form mit ihren motorischen 
jähmungen hervor, endlich hat auch Bbuks bei Gelegenheit der Versammlung 
les Vereins der Irrenärzte Nieder-Sachsens und Westfalens* die Frage auf¬ 
geworfen, ob nicht auch in den Anstalten, wie ausserhalb derselben, die auf- 
[eregten Formen der Paralyse gegenüber der progressiv dementen Form seltner 
'eworden seien, eine Fr^e, welche in der Versammlung bejaht wurde. 

Dass im Uebrigen nicht etwa eine bessere Erkenntniss, speciell die Unter- 
nchong der Sehnen- und Fupillenreflexe und ihre Bedeutung för die Di^ose, 
itzt eine Di^nose der prcgressiven Paralyse da erleichtert, wo sie früher 
erkannt wurde, und dadurch gerade die Zahl der dementen Paralytiker sich 
ermehrt hat, braucht mit Rücksicht auf die verhältnissmässige Kürze der hier 
Q Frage kommenden Zeit, in welcher die diagnostischen Mittel im Wesent- 
chen dieselben blieben, kaum hervoi^ehoben zu werden. 

Eine zweite Thatsache, welche in Bezug auf den Verlauf der prc^essiven 
'aralyse in der neueren Zeit auffällt, ist das verhältnissmässig häufige 
lOftreten erheblicher Remissionen. 

Dass solche Remissionen und zwar in einem Grade sich zeigen, dass sie 
en Eindruck von Heilungen der Krankheit machen, ist eine alt bekannte That- 
MJhe. Ich würde nichts Neues bringen, wenn ich Ihnen hier solche Fälle mit- 
teilen wollte. 

Ziffermässig und procentualiter lässt sich das häufigere Auftreten von 
emisaionen gegen früher schon deswegen nicht beweisen, weil aus der früheren 
eit genaue Z^enai^ben über die Häufigkeit erheblicher Remissionen fehlen. 

Die Remissionen zeigen sich in einer Anzahl von Fällen, nachdem geistige 
nd körperliche Symptome eine solche Höhe erreicht haben, dass an der Diagnose 
^r pr(^ressiTen Paralyse kein Zweifel ist, nach schweren hypochondrischen oder 
iftigen maniacalischen Stadien. 

Die Remission erlaubt dem Kranken, in seinen Beruf zurückzukehreu. Der 
itimere Verkehr lässt eine gewisse Veränderung, welche seine Psyche erlitten, 
icht verkennen, nach aussen hin erscheint er aber gesund, und solche Remissionen 
tuem 1, 2 Jahre imd länger, ehe ein wiederholter Ausbruch in der R^el 


' 11 maDieomio. 1897. S. 82S. 

* Medical reoord. 1898. Febr. 5. 

* Neorolog. CeotralbL 1898. S. 606. 


D g ii/od oy GOO^ Ic 



I0S8 


dann die Krankheit progressiv entwickelt. Aber ancb dann kommen in einzelnen 
Fällen nochmals Remissionen vor. 

In einer Anzahl anderer Fälle zeigen sich die initialen Symptome der pro¬ 
gressiven Paralyse in reflectorischer Pupillenstarre, Mangel der Sehnenrefleze 
oder erheblicher Stärke derselben, in Analgesie der Unterschenkel, in gewissen 
Veränderungen des Charakters und in Andeutung von Sprachstörung und Stö¬ 
rungen der Schrift, dazu treten hypochondrische Verstimmungen — die Diagnosp 
auf progressive Paralyse wird gestellt, aber die Progression tritt nicht ein, ja 
die hypochondrischen Verstimmungen, die Exaltationen verschwinden, der Etankp 
ist wieder thätig im Beruf —, es ve^hen zuweilen Jahre, ehe es zu aiier 
fortschreitenden Entwickelung der Kraiüüieit kommt 

Die Böcksichtnahme auf diese nicht allzu seltenen Fälle hat eine besondere 
praktische Bedeutung. Bei der Diagnose der progressiven Paralyse wird auf 
die „Progression“ bei Aerzten und Angehörigen der Kranken hau^ der Haupt- 
werth gel^ Das Ausbleiben der Progression lässt dann die geeilte Diagnose 
unrichtig erscheinen. Man thut demnach gut, bei der gescherten Diagnose der 
progressiven Paralyse doch auf die mehr und mehr sich häufenden Beobach¬ 
tungen von Remissionen und längerem Stillstehen des Prooeeses hinzuweiaeiL 

Dass auf der anderen Seite auch ebenso wie früher im Gegensatz dacu 
die Fälle nicht selten sind, in welchen die Demenz sieb ungemein rapid oit- 
wickelt, und sehr schnell dazu führt, dass der eben noch im Beruf tbitige 
Paralytiker zu jeder Arbeit unfihig wird, mag hier nur angedentet werden, ln 
der Mehrzahl dieser Fälle steht dies im Zusammenhang mit apoplectifonueo 
Anfällen, welche, nicht beachtet, als Schwindel bezeichnet weiden oder ancb in 
der Nacht unbemerkt aulgetreten sind. 

Wenn nach den eben geschilderten Bichtangen hin die Paralyse in den 
letzten Decennien milder in ihrem Verlauf geworden zu sein scheint, so ist anf 
der anderen Seite nicht zn verkennen, dass ihre Ausbreitung eine grössere 
worden ist 

Ziffemmässig lässt si<b zwar mit Sicherheit die relative Zunahme «kr 
Häufigkeit, d. h. eine procentoal grössere Häufi^eit, als sie der Zunahme <kr 
Bevölkerui^ entspri<fiit, nicht nachweisen, wenn auch immerhin diese Zunsho« 
wahrscheinlich ist, — aber bei dem weiblichen Gesrfiüechtj ist äne stfidte Zu¬ 
nahme ganz evident. 

Ich erinnere daran, dass Neuhakn noch im Jahre 1859 behaupten konnte, 
dass die progressive Paralyse nur eine dem männlichen Oeechledit eigenthöm- 
liehe Krankheit ist, jetzt ist die Häufigkeit der Erkrankung bei den Frauen m 
gestiegen, dass jetzt auf etwa 3,5—4 Männer 1 paralytisdie Frau kommt 

Ich weise in dieser Beziehung anf Obeidenbbbo’s Aufsatz* hin, in welcbes 
sich die diesbezügliche Litteratnr findet Nach den Zusammenstellungen ins 


* Nearolo^. Centralbl. 1898. Nr. 8. 


Dig'Uzcd Dy Google 


1089 


meiner Poliklinik' ist das VeriüUtniss der Paralyse der Männer zu den Frauen 
wie 3,9; 1, 

An dieser Stelle sei auch auf die zunehmende Häufigkeit der Erkrankung 
von Eh^tten an Paralyse, bezw. an Paralyse und Tabes, hingewiesen. 

loh habe, wie ich glaube, zuerst auf das Vorkommen von Paralyse bei 
Eh^tten aufmerksam gemacht* 

Meine Erfahrungen erstrecken sich jetzt auf 20 Ehepaare. 

In 7 Fällen entwickelte sich bei beiden Ehegatten progressive Paralyse. 
In dem einen Fall inficirte der Mann in der Hochzeitsnacht seine Frau, er er¬ 
krankte nach 16jähriger Ehe an Paralyse und ging 3 Jahre später duan zu 
Qmnde. 

Schon etwa Jahr vor dem Tode des Ehemanns begannen die Erschei¬ 
nungen der prc^ressiven Paralyse bei der Frau, welche nach 6 jähriger Erkrankung 
ebenfalls derselben «‘lag. 

ln 6 f^len erkrankte der Mann an progressiver Paralyse, die Frau an 
Tabes, in 3 Fällen der Mann an Tabes, die Frau an pr<^;ressiver Paralyse, und 
in 4 anderen Fällen erkrankten beide Ehegatten an Tabes. 

Von besonderem Interesse erscheint 1 Fall, in welchem ein Mann seine 
Frau inficirte. Der Mann geht an Paralyse zu Grunde, die Frau verheirathet 
sich wieder, der zweite Mann erkrankt an Tabes, und jetzt erkrankte die Frau 
selbst unter den Erscheinungen einer organischen Erkrankung des Gentral- 
nervensystems (reflectorische Pupillenstarre, Mangel der Patellarreflexe), wobei 
es augenblicklich noch zweifelhaft ist, ob mch Paralyse oder Tabes ent¬ 
wickeln wird. 

Während ich in Bezug auf den Durdischnitt des Alters, in welchem die 
Paralyse am häufigsten auftritt, kaum eine wesentliche Difierenz g^n früher 
finden kann, hat sich doch die Zahl der Fälle von progressiver Paralyse bei 
Kindern in auffallender Weise gehäuft 

Baillabobb fand im Jahre 1850 unter 400 Fällen von IWalyse nur 
1 Fall onter 20 J^iren, jetzt werden in rascher Aufeinanderfo^ zahlreiche Fälle 
von Paralyse im jugendlichen Alter veröffentlicht* 

Hierbei tritt uns die mit Rücksicht auf das Verhältniss der Häufigkeit der 
Paralyse bei Männern und Frauen auffallende Thatsache entg^n, dass die 
Paralyse im jugendlichen Alter zum mindesten in derselben Häu^keit beim 
weiblichen Geschlecht auftritt, als beim männlichen. Nach meinen eigenen £r- 
fahmngen ist sie bei ersterem sogar häufiger. 

Die hereditäre Syphilis als ätiologisches Moment dieser Paralyse im jugend¬ 
lichen Alter ist nach den vorliegenden Erfahrui^en nicht zu bestreiten. 

Vielleicht gelingt es in der Zukunft, durch genaue anatomische Unter- 
snohnnngen gerade dieser ji^ndlichen Fälle zusammen mit dei^jenigen Fällen, 


* DiBsertotion tod Hdusoh. 

* Neorolog. Ceotralbl. 1888. S. 884; cf. aach Litterator bei LüHBMAmr, ebenda. 1895. 
632. 

* cf. Guddui, Äroh. f. Peycb. 1894. XZVI. S. 480 (ZoBamineDsteUnng von 20 Fällen). 


D:, .- vGOOgIC 



1040 


welche HouAn als familiäre progressiTe Demenz beschrieben hat, die Bröcka 
za finden, welche die syphilitischen Erkrankungen des Neiren^stems mit deooi 
der progressiTen Paralyse Terbiuden. 

Fragt man nach der Ursache der eben gesdülderten VeränderangeD des 
klinischen Bildes und der Zunahme der progressiTen Paralyse, speciell auch be 
Frauen, so dürfte in Bezug auf die letztere, die Ausbreitung der Paralyse, 
die Erklärung nicht allzu schwer sein. 

Sieht man die Prädisposition zur Paralyse in der grossen Mehrzahl da 
Fälle gegeben in der Syphilis (über 75 ^/ 0 ), und die Ursache in dem Kampfe 
ums Dasein, in getäuschten J&fiüiangen, in ungezügelten Etu^^ bei nicht 
entsprechender Begabung für die Ziele desselben, so wird die Ausbreitung der 
Krankheit bei Erwachsenen bei der unleugbaren Zunahme der ^hilis, wie 
jener psychischen Schädlichkeiten zu verstehen sein. 

Sie wird bei dem weiblichen Geschlecht mit der zunehmenden Hmmnztänng 
desselben in den socialen Kampf zunehmen müssen, und würde dasselbe be 
der Durchführung der sogenannten „Emancipation'' der Frauen noch in skt 
steigerndem Grade thun. 

Schwierig d^^n und zur Zeit wohl unlösbar erscheint die Aufgabe, die 
Veränderung der Form zu erklären. 

Dass nicht etwa die vorang^angene antisyphilitisdie Behandlung im Stande 
ist, das klinische Bild zu ändern, lässt sich leicht durch Vergleich derjenign 
Paralytiker, welche antisyphilitisch behandelt, mit denjenigen, welche nidit s» 
behandelt worden sind, beweisen. 

Ebensowenig kann etwa die „friihere Intemirung und die bessere Bebind* 
lang** zur Erklärung herangezc^n werden. 

Ich glaube nicht, dass seit 20 Jahren ein wesentlicher Unterschied, 
speciell in Bezug auf die wohlhabenden Stände, aus denen meine eigene oben 
g^bene Statistik, wie die des Herrn Dr. Sohounub, stammt, eii^treteo ist 

Da^ unsere Gehirne in den letzten 25 Jahren weniger widerstands&hg 
geworden sind, dass sie nicht mehr im Stande sind, rieh zn znaniacaliscbmi Exil- 
tationen in ezeessiver Weise zn erheben, dies werden wohl die Anh&ng pr der 
zunehmenden „Degenerescenz“ annehmen; ich halte eine solche Annahme für 
nicht erwiesen, bezweifle sie und glaube nicht an die Degenerescenzen io des 
Umfange, wie sie jetzt als Schlagwort, spedell in der P^chiatrie, gebiaocbt 
werden. 

Man könnte daran denken, dass das syphilitische Gift gewisse Aendemogei 
erfahren hat So viel ich weiss, ist auch die Syphilis der übrigen inneren Oigur 
milder geworden, wobei es dahingestellt bleiben mag, ob die Behandlung slkiD 
dies hervorgebracht Aber auch für jene An nahm e fehlt es bisher an iigend- 
welch sicheren Anhaltspunkten. 

Es muss demnach der Zukonft Vorbehalten bleiben, jene eigenthämlkbrn 
Thatsachen zu erklären. 


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1041 


U. Referate. 


Anatomie. 

1 ) Bxperiments in examinstion of the peripheral diBtribntioxi of the 
flbres of the posterior roots of some spinal nerres, by C. S. Sher rington. 
Part U. Philosoph. Trans, of tbe roy. sociely of London. Series B. 1898. 
Vol CXC. S. 45—186. 

Die Arbeit des Yerf.’e enthält viel mehr als der Titel Tersprichi Anaser ge* 
naaen experimentellen Untersnchnngen Aber die Yertheilnng der Hals* und obersten 
Brnstnerrenwurzeln in den Haut* and Muskelgebieten, speciell beim Affen, bringt 
der Yerf. noch gleiche Untersnchnngen Aber den Trigeminns, ferner auch fAr die 
menschliche Pathologie sehr wichtige Untersnchnngen Aber das Yerhalten von Affen 
nach totalen Qnertrennnngen des BAckenmarks, mit specieller BAcksicht auf das 
Verhalten der Sehnenreflmce, and schUesslich sehr ansAhrliche Hittheilnngen Aber 
die Abrigen spinalen Beflexe nach Trennung des BAckenmarks ?om Oehim. Die 
Arbeit verdient ein eingebendes Beferat, vielleicht sogar ein noch eingebenderee als 
der verfAgbare Ranm leider an geben gestattet. 

Die experimentellen Methoden des Yerf.’s, znnächst im ersten Theile der Arbeit, 
bei der Untersuchung Aber die Yertheilnng der hinteren und vorderen Kervenwnrzeln 
in Haut und Muskeln waren die folgenden: Zar Feststellung der Hantgebiete der 
einzelnen hinteren Wurzeln benutzte Verf. die Methode der „remaining aesthesia''; 
es wurden die der zu prAfenden Wurzel proximal und distsd zunächst gelegenen 
4—5 hinteren Wurzeln intravertebrai durchschnitten und nun festgestellt, in welchen 
Hauttheilen noch gefühlt vrurde. FAr die Beurtheilung der Yertheilnng der vorderen 
Wurzeln in den Muskeln wandte Yerf. zwei Methoden an: erstens die elektrische 
Beizung derselbeni zweitens ihre Durchschneidung, proximal vom Intravertebral* 
ganglion; nach Entritt der absteigenden Degeneration wurde das Thier dann ge* 
tCdtet, die betreffenden Kerventbeile in Osmium fixirt und die Plexus und Kerven 
aofgeÄisert, und die degenerirten Fasern in die einzelnen Muskeln verfolgt Diese 
letztere Methode gab besonders genaue Besnltate. 

Auf di^ Weise bat der Yerf. nun zunächst den Trigeminus, Yagos, Hypo* 
glossus, die 8 cervicalen und die ersten beiden dorsalen Nervenwurzeln untersucht 
Es kann hier natürlich nicht auf alle Einzelheiten der Besoltate dieser Experimente 
eingegangen werden, dazu muss Bef. auf die Experimentberichte, die Schemata und 
Tabellen, speciell 8. 66 und 67, 8. 119, 121 und 127 verweisen. Es stellt sich 
vor allem auch hier heraus, dass die Hantgebiete der einzelnen sensiblen Wurzeln 
sehr erheblich ineinander Abergreifen, „overlap“; und dass die einzelnen Muskeln von 
sehr vielen verschiedenen Wurzeln Fasern beziehen. Im ganzen stimmen die Besnltate 
am Affen, auch in ihren Varietäten, Aberein mit den klinischen Erfahrungen, die 
durch Thorburn, Allen Starr, Makenzie, Head, Kocher und dem Bef. an 
Menschen gemacht sind (8. 91). Yon iuteressanten Einzelheiten mag folgendes er* 
wähnt werden. Nach Durchschneidung des Trigeminns fehlt beim Affen der Qeschmack 
an den vorderen der Zunge, ebenso wie das GefAhl; hinten und an Tbeilen des 
Gaumensegels fühlt und schmeckt der Affe (Glossopharyngeus). Theile des Ohres 
werden von oberen Cervicalnerven, vom Trigeminus und auch vom Yagos versorgt 
Die einzelnen Aeste des Trigeminus verhalten sich nicht vrie gesonderte spinale 
Nervenwnrzeln, sie greifen nur in dem geringen Maasse ineinander Aber, vrie es die 
peripheren Nerven thun; ein starkes Uebergreifen findet erst zvrischen 2. cervicalen 
Nerven und Trigeminus statt. Der Hypoglossus und die 1. Cervicaiwurzel haben 

66 


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1042 


kein sensibles Oeblet, die 2. entspricht erst dem eccipitalis nmjor. Das Gebiet 
der 5. hinteren Cerricalirorzel kann sich nach unten am Bnmpfe bis an die Brost* 
Warze erstrecken, was einen Fall des Bef. erkl&ren würde. Das Zwerchfell wird tod 
der 4.. 5. nnd 6. Cerricalwnrzel yersorgt; von der 4. vom, yon der 6. hinten. Die 
2. dorsale Worzel versorgt sensibel die obere innere Seite des Oberarms, motorisch 
kleine Uandmoskeln, wohl auch meist beim Menschen. Kor ist der Cervicalplexos 
beim Menschen im G^ensatz znm Affen praefixirt nnd betheiligt deshalb nicht immer 
motorisch die 2. dorsale Wurzel. Die Angenfasem für Dilatator pupillae und glatte 
Muskulatur der Orbita kommen nicht nur aus der 1., sondern auch noch ans tiefem 
Dorsal wurzeln. 

Capital II handelt über das segmentale Schema der Innervation der 
Glieder. Bei oberfl&chlicher Betrachtung scheinen in der Anordnung der Ansbreitunga* 
gebiete der motorischen nnd der sensiblen Wnrzeln an den Gliedern sehr erhebliche 
Differenzen zu bestehen. Die motorischen Felder bilden oootinnirliche Strahlen, die 
alle an der Medianlinie des Bnmpfes beginnen and mehr oder weniger weit in die 
Bxtremit&t bineinreichen: mit anderen Worten, aoch die Wurzeb, die die Mnskein 
an den äuseersten Extremit&tenenden innerviren, innerviren doch zngleich solche am 
Bnmpfe. Die sensiblen Felder scheinen dagegen znm Theil vom Bnmpfe losgritet; 
die Hantgeblete der 7. und 8. cervicalen nnd 1. dorsalen Wurzel z. B. erreichen 
nirgends den Bnmpf. Doch besteht diese Differenz nnr zwischen Haut» und moto* 
rischen Muskelnerven, nicht zwiechen sensiblen and motorischen Wnrxelo im all¬ 
gemeinen; denn da, wo die betreffenden hinteren Wnrzeln die Hant in der Mittel¬ 
linie nicht erreichen, erreichen sie die Mittellinie doch in den Hnskeln — als 
sensible Hoskelnerven — und in anderen sabcntanen Gebilden, sie bilden also such 
vollkommene Strahlen. Die sensiblen Moskelnerven entaprii^en immer genan aus 
dem Spinalganglion des Segments, ans dem auch der betreffende motorische Mnskel* 
nerv stammt; als Beispiel dient das Diaphr^ma S. 94. 

Das 3. Capitel hüidelt von der „segmentalen Architectnr der Glieder“, 
speciell der oberen Extremit&t Die nervösen Elemente eines Gliedes bilden den 
besten Führer, am znm Yerst&ndniss seinw segmentalen Architectnr zu kommen. 
Vorher beantwortet Verf. aber noch einige andere Fragen. 1.: Ist der Grad des 
Ineinandergreifens der Uantgebiete der einzelnen benachbarten hin¬ 
teren Wurzeln überall gleich gross? Das ist nicht der Fall. Am Bumpfe 
z. B. betheiligt sich beim Äffen an einem Hantgeblete neben der Hauptwnrzel nur 
je eine halbe darüber nnd darunter gelegene Wurzel; an den Extremitäten erhält 
jede Hantatelle 3 volle Wurzeln; an einzelnen Stellen ist die Versoigang sogar ebe 
4 fache, z. B. am äusseren Ohr — Trigeminns, V^os, 2. and 3. Cervicalwnrxel 
Die 2. Frage ist die: Ist das Ineinandergreifen der Felder der sensibleo 
Wurzeln grösser oder kleiner als das der peripheren Kervenatämm»? 
Es ist viel grösser, selbst an Hand und Fuss. Hedianus, Ulnaris und Badialü 
greifen hier nnr sehr wenig ineinander Ober; dagegen werden grosse mittlere Par* 
tieen der Hand und der Finger dorsal und ventral zugleich von der 1. dorsalen, 7. 
und 8. cervicalen Wurzel innerviri Topographisch bestehen zwischen beiden „Overlap“ 
keine Beztebnngen. Die 3. Frage ist: Geht das Ineinandergreifen der Uaat- 
bezirke der verschiedenen hinteren Kervenwnrzeln parallel der Ani- 
stomosirnng verschiedener Wurzeln in einzelnen Muskeln? Diese Fngs 
ist mit Ja zn beantworten. Es giebt 2, 3, 4 und mehr segmentäre Muskeln, an 
den Gliedern nnr ganz wenige nnisegmentäre, d^egen werden die Intercostalmuskelo 
nur von einer Wurzel versorgt. Die Hand- and Fussmoskeln zeigen die stärkste 
Vermischnug von motorischen Wnrzeln verschiedener S^mente. Die 4. Frage ist die: 
Was hat das „Overlapping*' fonctioneli zu bedeuten? Das sensible könnt« 
ein besonders gutes and feines Gefühl bedingen sollen. Dagegen qnicht aber, dass 
es am Handrücken ebenso stark ist, wie an der Volarüäche. Auf der anderen Seit« 


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1043 


sieht man in einzelnen Muskeln oft so wenige Fasern eines einzelnen motorischen 
Segments gehen, dass diese fnnctionell kaum eine Bedeutung haben können. Die 
Anastomosirung hat eben eine morphologische, keine functionelle 
Grundlage. 

Im Verhältniss der einzelnen Wurzeln zu Muskeln und Haut kommen 
grosse indiridnelle Unterschiede vor. Es giebt prae- und postfixirte Typen; 
auch geringe bilaterale Äsymmetrieen kommm vor. Am Beine sind die Varietäten 
noch grösser, als am Arme. Sie bieten der Segmentdiagnose die grössten 
Schwierigkeiten; man darf, wie auch Bef. stets hervorgehoben hat, diese nicht 
auf die Schneide des Messers stellen, muss sich einrnr gewissen Spielraum 
lassen. 

Nach Erledigung dieser Praeliminarfn^en kommt Verf. wieder auf die segmentale 
Arcbitectnr der Glieder, speciell des Armes, zurtick. Die Hautgebiete der einzelnen 
Wurzeln des Plexus brachialis sind um eine dorsale und ventrale Mittellinie 
am Arme gruppirt, welche Linien sich als seitliche Ausbuchtungen der gleichen 
Linien des Rumpfes ansehen lassen und senkrecht auf diesen letzteren stehen. Die 
einzelnen Wurzeln betheiligen also alle sowohl dorsale wie ventrale Theile der Haut 
des Armes. Besser als eine Beschreibung zeigen diese Anordnung die Schemata auf 
S. 66 und die Tafeln. Die nach vom (oral) von diesen Mittellinien gelegenen 
Theile verbrauchen sowohl am Arme wie am Beine mehr Segmente, als die nach 
hinten (aboral) gelegenen — sowohl die Muskeln wie die Haut. Zwischen einzelnen 
Wurzeln der Arme und der Beine bestehen merkwOrdige Uebereinstimmui^en. So 
versorgen die 8. cervicale und 6. lumbale Wurzel beide die Haut des ganzen freien 
Endes vom Arme oder Beine und eines Theiles vom Unterschenkel oder Unterarme 
und ihre motorischee Fasern erstrecken sich Über die ganze Länge des Gliedes; sen< 
sibel erreichen dagegen beide den Bumpf nur in subcutanen Geweben. Ebenso 
merkwürdig ist die Uebereinstimmnng zwischen 2. dorsaler und 8. postthoracicaler 
Wurzel. Beide innerviren motorisch die äussersten Muskeln an Hand und Fuss; 
ihre Hautgebiete sind weit davon getrennt, liegen am Oberarm und Oberschenkel. 
Die motorischen Felder der einzelnen Wurzeln des Plexns brachialis bilden Strahlen, 
die im rechten Winkel znm Kumpfe stehen und parallel miteinander verlaufen. Der 
am weitesten nach hinten gelegene Strahl, der aus der 1. oder 2. dorsalen Wurzel 
kommt, ist der längste, gebt am weitesten am Eztremitätenende; der am weitesten 
nach vom gelegene ist der kürzeste — alle gehen sie aber vom Kumpfe aus (siehe 
Tabelle S. 119 und Diagramm 120). Dass die Ansicht von Krause und van der 
Kolk, welche annehmen, dass die Muskeln von denselben Wurzeln versorgt werden, 
wie die sie bedeckende Haut, nicht stimmt, zeigt am besten die 2. dorsale Wurzel 
(siehe oben). 

Auf 8.123 und den folgenden bringt Verf. eine tabellarische Uebersicbt über 
die Erfolge der elektrischen Beizung der einzelnen Wurzeln des Plexus brachialis. 
Seine Besultate stimmen mit Ferrier und Yeo überein. Man beachte besonders das 
Schemas. 127, das auch hier das „Overlapping“ zeigt. Jedes einzelne Wurzel« 
bOndel enthält schon Fasern für eine ganze Anzahl von Muskeln. 

Damit schliesst der erste grosse Abschnitt der Arbeit des VerL’s. Der zweite 
beschäftigt sich mit den Beflezen im vom Hirn abgetrennten, also isolirten Bücken¬ 
mark. Der Schnitt wurde meist über der 1. cervicalen Wurzel gemacht, manchmal 
weiter unten, einige Male in praepontinen Niveaus. Es wurden dann erst — mit 
Bficksicht auf Prae- oder Fostflxation — die einzelnen Wurzeln gereizt; die so er¬ 
folgten Beflexe sind in einer Tabelle S. 130 n. f. znsammengestellt Die Natur 
macht solche Experimente nie; die Tabelle ist also nur zu gebrauchen im Vergleich 
mit den bei Beizung einzelner peripherer Nerven oder Hantstellen erfolgenden Reflexen: 
in letzterem Falle geht die Bahn immer durch mehrere Wurzeln. 

66 * 


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1044 


Der n&chste Abschnitt ist einer von den wichtigsten der ganzen 
Arbeit wegen der Aosblicke, die er anf die menschliche BflckenmarkB* 
Pathologie gestattet Verf. geht davon ans, dass die Untersnchongen Aber die 
Befleze im at^etrennten BQckenmarke des Affen wesentlich gestört werden, zanächst 
durch die Shokwirkung dieser Operation. Diese Shokwirknng erstreckt sich nur nscli 
unten, nie nach oben vom Schnitte, was bei der grossen Menge aufsteigend leitender 
Bahnen sehr merkwürdig ist. Sie ist nahe am Schnitte — also meist in den Armen — 
grösser und andauernder als in den Beinen. Die Shokwirkung ist beim Affen eine 
sehr grosse. Einige Secunden nach der Durchschneidung hängen bei ihm die Beine 
schlaff herab — selten kommt es au ganz schwachen Muskelzncknngen —, alle 
Befleze fehlen. Kach etwa 20 Minuten kommen Hantrefleze wieder, nmnchmal zoerst 
der sogenannte gekreuzte Kniereflez, dann Plantarreflez, dann allmählich andere. 
Die Knierefleze fehlen nach der Dnrchschneidung Tage und Wochen; 
nur in sehr seltenen Fällen kehren sie sehr früh wieder. Der Blasenreflez erholt 
sich bald — suerst muss manchmal katheterisirt werden. Der Tonne des Sphincter ani 
bleibt erhalten, die Defäcation geht normal von Statten. Alles in allem bleiben 
beim Affen auch nach Smonatlicher Beobachtung nach totaler hoch- 
sitzender Durchscheidnng der Mednlla die Befleze schwach und spär¬ 
lich, doch herrschen hier auch grosse individuelle Verschiedenheiten. 
Vor allem ermüden die Befleze auch leicht Jedenfalls unterscheidet 
sich der total paraplegiscbe Affe sehr erheblich von Hund und Katze, 
wo nach gleicher Operation die Sehnen« und Hautrefleze sofort enorm stark sind 
und starke Spasmen eintreten. Der Hund unterscheidet sich in dieser Be¬ 
ziehung weniger vom Frosch als von dem ihm viel näher stehenden 
Affen. Doch sind die Unterschiede nnr quantitative, nicht qualitative; von den 
Nervenwurzeln ans kann man auch beim Affen nach totaler Dorchschneidung alle 
Befleze hervorrnfen. 

Uebrigens bleibt es beim Affen nach der totalen Durchschneidung nicht bei der 
Shokwirkung — einer Art Hemmung —, sondern es bleiben, wie erwähnt, 
dauernde Ausfallserscheinungen zurück, auch wenn der Shok vorüber Ist 
Diese beruhen anf „Isolirungsveränderungen" — „isolation alt eration“ ^ 
des abgetrennten Bückenmarks. Auch diese Ausfallserscheinung en sind sIsd 
beim Affen viel grösser als bei allen anderen geprüften Thieren; der anfhörende 
Effect des Shoks geht allmählich io den zunehmenden der Isolimngsalteration über. 
In der That ähnelt der ganze Status des total paraplegischen Affen 
sehr dem des Menschen, wie ihn neuere Untersnchongen — Bastian, 
der Bef. und Ändere —, speciell was die Mangelhaftigkeit der Befleze und der Coo- 
tracturen anbetrifft, festgestellt haben. Nur ist die Shok- und Isolirungswirkung b^ 
Menschen noch stärker und andauernder als beim Affen, was, wie Verf. sagt, bei 
dem noch feineren Ban und der feineren Function des menschlichen Bückwmarts 
nur natürlich ist Anch sind die Verletznngen hier meist gröber. Deshalb 
kommen beim Menschen nach totaler Durchtrennnng die Sehnenreflexe 
ttberhanpt nicht wieder, selbst die Hautrefleze können in seltenen Fällen dauernd 
fehlen. Auf die Möglichkeit und Natürlichkeit solcher Unterschiede in 
diesen Dingen zwischen Hund und Mensch hat Bef. schon in seiner Be¬ 
sprechung der Arbeit Bischofs (d. Centralbl. 1897. S. 77) hingewieaen 
Seine Annahmen finden hier eine sehr erwünschte Bestätigung. 

Erwähnt mag noch werden, dass beim paraplegischen Affen schliesslich Beoge- 
contractnr der Beine entsteht; Verf. meint, beim Menschen trete, wenn überhaupt. 
Streckcontractnr ein; doch ist gerade bei schweren Paraplegieen such 
beim Menschen Bengecontractur nicht selten; allerdings vor allem in 
den Fällen, wo alle sonstigen Erscheinungen auf totale Qaerläsion 
hinweisen,dieSebnenrefleze aber wenigstens sehr lange erhaltenbleibea. 


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1045 


Der letzte ^osse Theil der Arbeit des Yerf.'s, der sich mit den Gesetzen der 
knnen und langen Beflexe am isolirten Bflckenmark befasst, bat ein mehr rein 
physiologisches Interesse. Unter kurzen Reflexen versteht der Verf. solche Beflexe, 
die in einer sogenannten spinalen Region ablaofen, ohne in andere flberzngehen. 
Als solche Regionen führt er beim Affen an: Schwanz, untere Extremit&t, Bampf, 
Arm and Nacken. Als 1. Gesetz für die kurzen Beflexe führt er an, dass Beflexe 
Ton einem Segment sich am leichtesten in benachbarte Segmente aus- 
breiten; man beachte aber hier, was er S. 145 über den Begriff eines Segmentes 
im Allgemeinen sagt. Der geringste Widerstand (2. Gesetz) steht der Ausbreitung 
der Reflexe in den Segmenten gegenüber, dessen Wurzeln gerade gereizt werden, 
doch ist er manchmal kaum grösser gegen die Ausbreitung auf benachbarte Seg¬ 
mente. Am Rumpfe breiten sich die Reflexe leichter aboral- wie oraiw&rts aus, was 
im Widersprach zu Pflüger steht Ein 3. Gesetz sagt, dass ein Beiz von einer 
einzigen zuführenden Wurzel oder auch nur eines Bündels derselben 
reflectorisch durch mehrere Wurzeln austritt; der Reflex ist pluri- 
segmentaL Functionell zusammengehörige ZeUgroppen senden ihre Ausl&ufer durch 
mehrere Wurzeln. Namentlich ist das an den Extremitäten so, wo jeder Muskel 
TOD mehreren Wurzeln versorgt wird, weniger am Rumpfe, da die Intercostalmnskeln 
oni8^;mentär sind. Die spinalen Nervenwurzeln sind morphologische Einheiten, ihre 
Fasern vertheilen sich in Muskeln ganz differenter Function; die peripherischen 
Nerven sind physiologische Einheiten. Die Flexas sind dazu da aus den mor¬ 
phologischen Einheiten durch ümlagerung functionelle zu machen; sie 
sind deshalb an Arm und Bein nötbig, weil hier eine functionell einheitliche Function, 
z. B. eine Beugung, die peripher in einem Nerven verläuft, von Fasen) aus einer 
ganzen Anzahl von Wurzeln aasgelöst wird; am Rumpf sind sie nicht nöth^, weil 
der periphere Intercostalnerv nnisegmentär ist 

Ein 4. Gesetz S{^, dass wenn der Reflex auch den geringsten Wider¬ 
stand findet, doch der Widerstand der einzelnen Zellgrnppen dieses 
Segmentes noch ein verschiedener ist Auf einzelne 2iel^ruppen desselben und 
auch benachbarter Segmente geht der Reflex leichter über als auf andere; die meisten 
Reizni^en führen z. B. zu reflectorischer Beugung der unteren Extremitäten, kaum 
welche zur Streckung. Deshalb gerathen auch die Beuger leichter in Contractnr, da 
jeder Hantreflex am Beine Beugung in allen Gelenken hervorruft, so wird ^ese 
Stellung schliesslich fixirt (Bef. glaubt, dass auch beim Menschen in den Fällen 
paraplegischer Bet^econtractur diese Stelluog auf Hautreflexen beruht — auch hier 
fllbrt jeder Hautreiz zu reflectorischer Beugung.) 

Diejenigen Zellengruppen eines Segmentes, die bei Auslösung eines Reflexes Be¬ 
wegungen nicht auslösen, versorgen die Antagonisten derjenigen Muskeln, die dabei 
in Bewegung gerathen. Bei einer bestimmten Bew^ng gerathen also die Anta¬ 
gonisten nicht gleichzeitig in Bewegung, wie Winslow und Duchenne glaubten. 
Gehen die Reflexbewegungen von einem Gelenke auf ein anderes über, so führen sie 
in allen stets zu combinirten Bewegungen, die zu einer gemeinsamen Function ge¬ 
hören, z. B. zu Beugung aller Gelenke eines Beines, eine Stellung die beim Schritt 
nöth^ ist 

Die langen intraspinalen Beflexe verlaufen von einer spinalen Region 
(siebe oben) zu anderen. Auch sie gehen meist candalwärts (g^en Pflüger), doch 
kommt auch das umgekehrte vor. Die Armreflexe, die näher am Schnitt liegen, 
sind deshalb überhaupt schwer auszulösen; auch in Folge dessen ist ein aufsteigender 
Yerlanf der Beflexe seltener. Streckung in EUenbogen und Enie kommt leichter als 
langer, wie als kurzer Reflex vor. Der lange Reflex von Arm zu Bein tritt leichter 
ein als der von einem Arm zum anderen quer durch das Mark; überhaupt sind die 
primären langen Reflexe uugekreuzt. 


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1046 


Das Gaeetx PflQger’a, dass gekreaste Reflexe symmetrisch mit deo angekreazteo 
sind, stimmt nicht Als gekremter Reflex an den Beinen tritt z. B. h&ofig Streckung 
ein, die auf der gleichen Seite so schwer sn erreichen ist; wir haben dann auf der 
gereizten Seite ^Beogung, anf der gekremten Streckung des Beines (Gan^w^ng). 
Auch kann entgegen Pflflger der gekremte Reflex der stärkere sein. Scheinbare 
gekreuzte Reflexe, die bei Sehligen auf die Glieder n. s. w. eintreten, z. B. Addnction, 
gekreuzter Kniereflex, sind keine echten Kreuzungen; sie entstehen dnrch Brschflttenmg 
der Wurzeln selbst auf der anderen Seite. 

Alle diese verschiedenen Reflexgeeetze werden durch reichliche Beispiele illustrirt 
Der Aufsatz enthält das Resultat einer enormen Arbeitsleistung; das 
Referat, obgleich lang, konnte nnr die Hauptzflge hervorheben. Jeder, den es an* 
gebt, muss das Original doch selber lesen. L. Bruns. 


Pathologie des Nervensystems. 

2) XTeber Beri-Beri, von F. Grimm in Berlin. (Deutsche med. Wochmischrift. 

1898. Nr. 29.) 

Die nicht an tropisches Klima gebundene Krankheit „Beri*Beri“ beruht 
nach der Ansicht der meisten Autoren anf peripherer Neuritis. Bin einheitliches 
Krankheitsbild ist bisher nicht geschaffen; Terf. findet in der Litteratur bezflglich 
der Symptomatolc^e vielfach widersprechende Ansichten und führt diese Thatsache 
zurück auf Nichtbeachtung des Momentes der Entwickelnngsperiode der 
Krankheit und der Möglichkeit wiederholter Infectionen während des 
Verlaufes. Verf. unterscheidet zunächst Initialsymptome: Zunahme der Puls* 
frequenz, gesteigerte Erregbarkeit des Herzens, Gefühl vcm Schwere im Epigastrium, 
Beklemmungen, Parästbesieen, Druckschmerz der befallenen Muskeln (vorwiegend an 
den Unterextremitäten), stellenweise herabgesetzte Hautsensibilität, fast constaot 
Steigerung des Patellarreflexes und der elektrischen Err^barkeit, hartes Oedem flbtf 
der vorderen Tibiafläche, gedunsenes Gesiebt, regelmässige Temperaturstdgemng, in 
schweren Fällen als böses Omen Nausea. Die genannten Symptome können an Inten* 
sität in weiten Grenzen schwanken. — Das einfache, uncomplicirte Beri*Beri lässt 
drei, allerdings nicht sehr scharf getrennte Perioden unterscheiden. Im ersten, kaum 
eine Woche überschreitenden Zeiträume Temperaturerhöhung, Steigerung sämmtUcher 
Initialsymptome; die zweite Periode kann einige Wochen währen, die Temperatur fällt 
ab, es bleibt aber eine gewisse Unruhe in der Fiebercurve, Pareeen treten anf mit 
Entartungsreaction bezw. völligem Schwinden der elektrischen Err^barkeit und 
Atrophie, das Kniephänomen wird träge und baumelnd bei starkem Ausschläge — 
das Schlnssstadinm, die Reconvalescenz kann einige Tage, in schweren Fällen einige 
Monate anhalten, bei den Ueberlebenden ist Heilung die Regel Die Temperaturen 
sind normal, der Pstellarreflex, anfangs meist völlig fehlend, kehrt allmählich zurück. 
Das einfache Beri*Beri macht keine Encerbationen, Becidive und intermittirende 
Fieberbewegungen, diese Elrscheinongen zeigen sich dag^n bei dem dnrdi Neu* 
infection während des Verlaufes entstehenden Beri*Beri accumulatum. Dieses führt 
im Gegensatz zum einfachen Beri*Beri sehr häufig zum Tode. Oie patholog^ische 
Anatomie hat bisher zu selten die erste Periode des Beri*Beri, die Zeit der actnellen 
Erkrankung, berücksichtigt und ist keineswegs abgeecblossen. Die Annahme einer 
Neuritis ist nach Verf. bisher nicht sicher fnndirt Die Therapie ist rein sjrmpto* 
matisch. Obwohl das Virus unbekannt, haben sich, besonders in Japan, bestimmte 
prophylactische Anhaltspunkte ergeben: Freibleiben von Europäern in Japan, wenn 
sie bei europäischer Küche bleiben, Säuberung der japanischen Marine von Beri-Beri 


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1047 


durch consequente Regelung der NahrungsaufnaliiDe der Uaunschaften im Sinne eure» 
päischer Di&t, Befreiung der japanischen Gefangenanstalten von Beri«Beri durch 
strenge Regelung der Zubereitung der Speisen und Em&hmng. Vieles spricht dafür, 
dass die Beri*Ben-Koxe mit Seetiren in Zusammenhalt xn bringen ist und durch 
Zubereitung, z. B. Garkochen, unschädlich gemacht werden kann. — Die „Reistheorie“ 
isttsufzugeben, ziemlich allgemein wohl schon anfgegeben. — Eine Raseenimmunität 
ezistirt nicht, dagegen absolute Immunität im jüngeren B^desalter. 

Es partidpirten an der Erkrankung von 10—16 Jahren 1,3 von 15—20 
21,8 Ton 20—30 41,8«/o. von 30—40 20,7 °/o von 40—60 10®/o, von 50—60 
37o> waren über 60 Jahre alt — 79,4^0 Patienten waren männlich, 20,6 

weiblich. R. Pfeiffer (Cassel). 

3) A note on the etiology of bezi*berl, by W. K. Hunter. (Lancet 1898. 

26. Juni.) 

Verf. bat in 2 Fällen von Beri-Beri wiederholt frische Blutproben bacteriologisch 
untersucht. Die Cnlturen ergaben stets den weissen „Staphylococcus beri>beri“ von 
Fekelbaring und Winkler. Impfversnche bei Kaninchen ergaben wenigstens in 
einem Falle Lähmungssymptome und in allen Fällen peripherische neuritische Ver* 
ändernitan. Hit dem Staphylococcus pyogenes albus ist der weisse Staph. beri-beri 
nicht identisch. Die Nahrung der beiden Kranken hatte in Reis, Erbsen und ge* 
dörrten Fischen bestanden. Das Culturverfahren ergab für den Reis die Anwesenheit 
desselben Staphylococcus. Uebeigeimpfte Culturen ergaben bei einem Kaninchen 
gleichfalls peripherisohe Nervenfaserdegeneration. Th. Ziehen. 


4) Casxdstiaohe Beiträge aor Myopathologie, von Dr. Herzog (Mainz). 

(Deutsche med. Wochenscbr. 1898. Nr. 37 u. 38.) 

A) Ein Fall von Neuromyositis. 

Der 22jährige, nervös belastete Pat. war früher im Wesentlichen gesund-und 
neigt in den letzten Jahren zur Obstipation. Im Anschluss an eine Erkältung — 
Fat. batte mehrere Stunden im Nassen gestanden und nasse Füsse bekommen — 
stellten sich am folgenden Tage, anscheinend ohne Keber, Schwächezustände an den 
unteren und oberen Extremitäten ein. Die Symptome nahmen zu, Ankleiden, Gehen, 
Drehen des Kopfes, Lageverändemngen des Rumpfes fielen schwer, Aufrichten ohne 
Zuhfllfenahme der Arme wurde unmöglich, zugleich das Schlucken mühsam (keine 
Schmerzen). Das Schlucken besserte sich, die übrigen Symptome blieben zunächst 
bestehen und erst in der 3. Woche b^nn Hebung der Kräfte. In der 2. Woche 
traten in Kreuz, Bücken, Beinen, zuweilen in Armen und Schultern Schmerzen auf, 
dieselben bestanden spontan im Krenz und an der hinteren Fläche des Oberschenkels 
bis zum Knie, in den anderen Muskeln nur auf Druck oder bei bestimmten Stellungen. 
Keine Veränderung der Haut, kein Ameisenlaufen u. s. w. Seit der 2. Woche Ab¬ 
magerung an Extremitäten, Brust und Rücken, Gewichtsabnahme von 14 Pfund. 
Ca. 3 Wochen nach Beginn des Leidens ei^b die Untersuchung Atrophie der Mus¬ 
kulatur an den Extremitäten, an Brust, Schultergürtel, Bücken und Gesäss; der rechte 
Ana ist stärker atrophisch als der linke. Insnfficienz des linken M. internus. Druck¬ 
schmerzhaftigkeit des I. Trigeminusastes beiderseits und des II. linken Astes an der 
Durchtrittsstelle, beider Plexus in der Fossa supraclavicularis, der N. radiales an der 
Umschlagstelle, der M. snpinatores, pectorales und vasti intemi. Grobe Kraft der 
Extremitäten sehr gering, keine Spasmen, keine Störungen der Sensibilität, keine 
Hautveränderung. Zittern der hervorgestreckten Zunge und der gestreckten Hände. 
Eefiexe an der Tricepssehne und dem Processus styl, radii erhalten, Fatellarrefiexe 


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1048 


Tent&rki ICilxtamor. Starke Herabeetsong der elektrischoi Erregbarkeit an d» 
Oberextremit&ten flkr bade Stromeaarten bei direeter und indireeter Beizong, 
Zacknngen. Ord.: Arsenik, Oalvanisation nnd warme Bftdw. — Billige Tage sp&ter 
fibrUl&re Zncknngen in den Terschiedensten Mnskelpartieen, starker Tremor beim 
Spreiien der Finger bezw. Äasstreeken der Beine, wenig«* bei intendirt«i Bewegnngm; 
Beflexe wie {rfthm-, dazu normale Unterkiefer«, Bancb«, CremastoreSexe, kein Achülee« 
sehnen«, kein Patellarrefiex, kein Foseolonos. ^brill&re Zacknngen, Tremor und 
Moakelsohmerzen dominiren fortan im Erankhdtsbilde, Beflexe nnTer&ndert Im 
Jannar 1898 vdllige Genesnng. 

Verf. hält die Diagnose Nearomjocdtis für sicher (Bef. kann sich dieser Ansieht 
nicht anschliessen), da gegen reine NeoritU die Schmerzhaftigkeit der Mnskeln, 
die einfache Herabsetznng der elektrischen Erregbarkeit und die dauernd normale 
bezw. gesteigerte Intensität der oben genannten Sehnenreflexe sprächen (? Bef.). Als 
Ursache der Erkrankung betrachtet Verf. die rheamatische Schädlichkeit. 

B) Ein Fall von intermittirender Myositis interstitialis. 

Der SOjähr., laotisch nicht inficirte OraTenr 0. T. hatte im Alter von 15 Jahno 
nach einer Qaetschong der änsseren Seite des rechten Oberschenkels heftige Schmsrea 
daselbst und Schwellang der aiflcirten Stelle, so dass er 4 — 5 Monate bettl^erig 
war. 5 Jahre später an der gleichen Stelle nach einer Dnrchnässang wiedemm 
Schwellang nnd heftige Schmerzen, Fat wurde 15 Wochen aofs Krankenlager ge¬ 
worfen, hinkt seither and batte oft an dem Verletzungsorte heftige Schmerzen. Das 
rechte Bein magerte ab und die Bewegungsfähigkeit im Eni^elenke verringute sieb. 
Nach einer Behandlong durch einen Naturarzt Zanahme der Beschwerden am reehtoi 
Beine, gleichzeitig Schmerzen in der linken Brostseite, Husten and Atbemnoth. Die 
Untersuchung ergab neben Pleuritis exsudativa sinistra eine Myositis am rechteo 
M. vastas extemus. Dem unteren Theile des Muskels entsprechend sieht man eine 
ovale, ca. 15 cm lange und 6 cm breite, leicht geröthete, geschwellte, nicht scharf 
begrenzte Partie, die anf Druck schmerzhaft ist Druck auf die Haot erzeugt keine 
Delle, Femur anscheinend nicht auigetrieben. Keine Sensibilitätsstdrungen. Hfift- 
and Kni^elenk frei. Oesteigerte Fatellarreflexe — Umfang des Oberschenkels 28 cm, 
über dem Capitolum fibulae rechts 44,8 cm, links 44,4 cm, der Wade rechts 33,5 cm, 
links 36 cm. Active and passive Flexion beschränkt und schmerzhaft. Temperatar 
in den msten Tagen nicht gemessen, später bis 37,8. In der Folgezeit Abmtiime 
der Schwellang und Schmerzen, später geringe Schwellung im oberen Theile dee 
VastuB und Biceps femoris mit Herabsetzung der elektrischen Erregbarkeit Dnrdi- 
leuchtui^ des Oberschenkels ergiebt überall glatten Knochen. — Gel^entlich anek 
Bdthnng der Haut des rechten Kniees und geringe Schwellong desselben. — Patient 
geht seinem Berufe nach, die afficirten Muskeln sind härter als normal and dru^- 
empfindlich, zeitweise heftige Schmerzen. Umfang des Oberschenkels 15 cm, fther 
dem Capitolum flbnlae rechts 36,2 cm, links 37,0. 

Der Fall erinnert an die Beobachtung Laquer’s und ist wahrscheinlich dureb 
Infection mit dem abgeechwächten Gift des acuten Gelenkrheumatismus bedingt — 
Symptomatolc^iscb interessant ist das Wandern der Entzflndung nnd das ephemere 
Auftreten gewisser Entzündungserscheinungeo, auffallend das Erfaaltensein des Fatellsr- 
reflexes. B. Pfeiffer (Cassel). 


6) Sur los formea diverses de la psyohose polyndvritique, par Dr. Sook- 
hanoff, clinique psychiatrlque de Moscon. (Bevue de Mddedne. 1897. Hai. 
8. 317.) 

Ansftlhrliehe werthvolle Arbeit, die sowohl sine vollständige Litteraturfiberslcbt 
über den in Bede stehenden Gegenstand, als anch zehn neue, mm Tfaeil recht gsun 


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1049 


beobachtete F&Ue von polTnenritischer Psychose enthält. Das aaf^endste Symptom 
derselben ist stets die Qedächtnissschwäche. Zuweilen vei^^t der Kranke schon 
nach wenigen Secanden, zuweilen erst nach 5 Minuten das soeben Oesehene und 
QebOrte. Dazu gesellt sich eine retrograde Amnesie, die sich verschieden weit 
zurflck erstreckt (manhmal auf viele Jahre). Zur Gedächtnissschwäehe gesellen sich 
zuweilen Erinnerungstäuschungen hinzu. Dieselben sind nie systematisirt und 
fizirt, sondern regellos und sich widersprechend. Oft knüpfen die Qedäcbtniss* 
ftlschnngen an äussere Eindrücke an: im Anschluss an Schmerzen im Bein erzählen 
die Kranken von einem angeblichen Oberen Beinbruch u. dgl. In manchen Fällen 
zeigt sich einfache Amnesie ohne alle Gedächtnisstänschungen. Das geistige Interesse 
und der Ideeenkreis der Kranken ist sehr eingeengt Sie machen oft einen kindisch* 
naiven Emdruck. Ihr Gemüthsznstand ist meist heiter, ruhig, zu Scherz geneigt 
trotz ihres oft hülflosen Zustandes. In ihren Fragen und Antworten sind sie stereotyp. 

Yerf. hält an der engen Beziehung zwischen Polyneuritis nnd Psychose fest 
Die Ursache ist in tozisohen Einflüssen zu suchen. Weitaus die meisten Fälle kommen 
bei Alkofaolisten vor. Zuweilen treten die Erscheinui^n der Polyneuritis gegenüber 
den Cerebralerschmnungen fast ganz in den Hintergrund, so dass man sorgsam nach 
ihnen suchen muss. Besteht gleichzeitig Tnbercnlose, so ist die Prognose meist un* 
günstig. Strümpell (Erlangen). 


6) Beitrag zur Lehre von den sogen, polyneuritlsohen Psychosen, von 
Dr. Ernst Schultze. (Berliner klin. Wochenschr. 1898. Nr. 24 u. 25.) 

Ganz eigenartig ist der Symptomencomplez der bei Folyneuritis vorkommenden 
nnd zuerst von Korsakow eingehend beschriebenen Psychosen. Die Kranken be* 
nehmen sich ganz geordnet, erfassen schnell nnd sicher den Sinn gestellter Fragen, 
antworten formell immer richtig darauf, befolgen ihre tägliche Arbeit, aber sie haben 
keine Erinnerung für ihre letzte Vergangenheit. Nichte, was die Kranken zur Zeit 
erleben, was sie selbst in ganz geordneter Weise erledigen, wird dem Gedächtniss 
einverleibt Dies absolute Versagen des Gedächtnisses, was natürlich den Eindruck 
der Verwirrtheit hervorruft, ist von Strümpell als „actuelle Gedächtnissschwäehe** 
bezeichnet worden. Neben diesem Ausfall des Gedächtnisses stellt sich noch eine falsche, 
perverse Thätigkeit desselben ein. Es treten Erinnemngstäuschungen nnd Erinne* 
mngs^sebnngen auf; Sully bat die ersteren Hallucinationen, die letzteren Illusionen 
des Gedächtnisses genannt Die Erinnerung an manche Begebenheiten, die die 
Kranken früher in Wirklichkeit erlebt haben, ist vorhanden, aber es bestehen grobe 
Irrthümer über die örtlichen und zeitlichen Beziehungen. So erzählt ein Kranker 
von der Schlacht bei 8t Privat, verlegt sie aber in den Feldzug von 1866. — 
Br hatte beide Kriege mitgemacht Ein anderer Kranker, der im Jahre 1870 im 
Felde gewesen, giebt häufig, wenn er von der Feldarbeit kommt, an, er komme gerade 
ans einer Sohlscbt zurück. Die Kranken leben gewissermaasseo in den Tsg hinein, 
machen sich wenig Sorge um die Zukunft, empfinden das Vers^en des Gedächtnisses 
nicht, sind im Gegentheile meist guter Stimmung. Zn einem neuen Gedanken schwingen 
sie sich kaum auf, sie arbeiten nur mit den alten Elementen, die sie freilich in einer 
oft geradezu kühnen Weise untereinander nnd mit der Gegenwart combiniren. Verf. 
führt drei Krankengeschichten an, die hinsichtlich der psychischen Symptome ein¬ 
ander ansserordentlicb ähneln. Während aber bei einem Fall gleichzeitig eine 
Polynenritis vorlag, liess sich bei den beiden anderen trotz mebrmonatlicher Beob¬ 
achtung kein Zeichen derselben feststellen. Verf. muss daher die Behauptung 
Korsakow’s, dass in allen Fällen der von ihm beschriebenen Psychose Zeichen von 
Nenritis zn finden seien, als nicht zu Recht bestehend znrückweisen. Er glaubt, dass 
alle lufectiouen und Intoxicationen und ganz besonders der Alkohol, die eine Poly¬ 
neuritis zn verursachen im Stande sind, auch das aetiologische Moment für die be« 


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scbriebeDe Psychose abgeben könnexL Warum dieselbe Bcbädlichkeit einmal eoe 
periphere Erkrankung, ein andermal eine Psychose oder drittens eine Combinahon 
beider hervorroft, entzieht sich vorl&nfig unserer Eenntniss. Verf. h&lt daher dii 
Bezeichnung „polyneuritische Psychose“ für unrichtig und schl^ vor dieselbe dorct 
Korsakow’sche Psychose zu ersetzen. Bielschowsky (Breaian). 


7) Ck>iigeiütal ptosis witb anormal aeaoolated movmnent of the aflbeted 
lid, by Victor Miller. (Brit. med. Joum. 1898. May 14. 8. 1259.) 

Verf. stellte einen 9j&hrigen Patienten mit congenitaler linksseitiger Ptoaii 
vor. Wenn Pat. den Mund Othet, da hebt sich das Lid plStxlich nnd unbeabsichtigt; 
also bei Contraction der M. digastrici entsteht die ungewöhnliche Mitbeweging. 
Das gehobene Lid zeigt nach einer oder zwei Secunden wieder die Neigung a 
&llen. Dieselbe Mitbewegnng erfolgt bei Bew^ung des Dnterkiefas von einer Seiti 
zur anderen, so dass in diesem Falle die Contraction des Pterygoideus extern, du 
Veranlassung der Mitbew^ung ist — ln dem voigeetellten FWe ist der Beetu 
super, gel&hmt; die linke Pupille grosser, als die rechte; Fundus normal, jedoct 
hochgradige Hypermetropie. 

Die von der ophthalmologischen Gesellschaft ernannte Commission zur Unter 
suchung eines analogen Falles stellte die Ansicht auf, dass der Levator palpebne 
sup. auch vom Kern des 3. Nerven innervirt wird, oder dass der Kern des Ocolo- 
motoriuB auf dem Wege Aber den Trigeminus erregt werden kann. 

L. Lehmann I (Oeynhausen). 


8) Ophthalmoplegia ezterior oompleta mit Paralyse dee Angenibotalla, 
von Dr. von Fragstein und Dr. Kempner in Wiesbaden. (Deutsche eud 
Wochenschr. 1898. Nr. 36.) 

Der miigetheilte Fall betrifft einen 47j&hrigen Winzer L. B. mit rechtsamtigea 
Spitzencatarrh und completer doppelseitiger Lähmung sämmtUcher äusseren Auges* 
muskeln, incl. der vom rechten otraren Facialisaste versorgten Muskeln: das ftbrigi 
Nervensystem vollkommen intaci Fötus und Lues negirt, keine vorhergegaogeM 
Diphtherie, kein Nicotinmissbraacb, keine Bleiintoxication, kein Trauma. Das Leidm 
entwickelte sich allmählich im 15. Lebensjahre; ob Doppelbilder bestanden babea, 
weiss Pat nicht Die Autoren nehmen eine Kemlähmung an, bedingt dnrdi primire 
Eemd^neration oder eine Sklerose, entsprechend der Bnlbärparalyse, oder emm 
tubercnlOsen Process und sehen in ihrem Fälle eine Stütze der Mendel’schen Thenic 
ober den Ursprung des Augenfacialis, dessen so seltenes Betroffensein bei der nudearwi 
exterioren Ophthalmoplegie allerdings auffallend bleibt Bei der 32jährigea Dauer 
des Leidens ist natflrlich von einer erfolgreichen Therapie nicht die Bede. 

K. Pfeiffer (Cassel). 

9) XTn oas d*ophtalmopl4gie externe d’origine nuoläalre ohez una lUlette 
de vingt-denx mois ä la suite de varloelle, par A. 6. Marfan. (Ardiivm 
de Mddecine des Enfants. 1898. März. Bd. I.) 

Ein 22 Monate altes Kind weist beiderseits Lähmung sämmtUcher änssmm 
Augenmuskeln mit Ausnahme dee Abducens auf. Das Kind hatte vor 8 Monatca 
VariceUen durchgemacbt, an welche sich ein Uautabscess hinter einem Ohr augeechlossm 
hatte. Bevor der Abscess gespalten wurde, traten ein mnziges Mal ConvulsioQm 
auf; von diesem Zeitpunkt an will die Mutter das Herabhängen der Lider, die Ub* 
beweglichkeit der Bulbi bemerkt haben. Auf Grund dieser Anamnese und differeohal* 
diagnostischer Erwägungen steUt Verf. die Diagnose auf medulläre Eemerkrankuug 


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im Sione einer PolioencephalitlB soperior, für welehe die Varicellen die Veraniasanng 
gegeben haben sollen. Nach dem sobacnten Verlaufe des Leidens glaubt sich Verf. 
za einer recht günstigen Prognose berechtigt. Zapperi 


10) Ophthalmoplegis externa wlth Impeirment of the orbloularis oouli, 

bj James Taylor. (Brit med. Joom. 1898. May 14. S. 1264.) 

Verf. stellte der ophthalmologischen Qesellsobaft einen Fall vor, der neben 
Ocalomotorinsl&bmnng Schwäche des Orbicnlaris zeigte. Hendel habe behauptet, 
dass die eigentliche Innervation des Orbicnlaris vom 3. Nerven geschehe, wie es auch 
in dem hier vorgestellten Falle sich erzmge. Eine Analogie dieses Verhaltens be* 
stehe bei Paralyse des Orbicolaris oris und des Hypoglossus. — Die Discussion 
(Beevor, Flemming), welche sich an die Vorstellung schloss, ist hier nicht wieder« 
gegeben worden. L. Lehmmann I (Oeynhausen). 


11) Myooltla oasifloans progresaWa multiplex, von Hatthes. (Centralbl. f. 

d. Grenzgebiete der Med. n. Chir. Bd. I.) 

Verf. bringt nach kritischer Siebtang und genaner Mittheilnng des gesammten 
Torli^enden Materials feilende Schlusssätze: Die Myositis ossificans progressiva ist 
ein klinisch wohl abgegrenztes Krankheitsbild, das sieb durch seinen Verlauf von 
der multiplen Osteombildung unterscheidet und dessen Aufstellung deswegen be* 
rechtigt ist. Allerdings finden sich Uebergangsformen im klinischen Verlaufe zu dem 
Bilde der multiplen ExostosenbUdung. Pathologisch-anatomisch betrachtet, kann die 
Myositis ossificans progressiva schwer bestimmt eingereiht werden, sie kann mit 
ziemlich gleich gutem Grunde zu den Geschwülsten wie zu den chronischen recur« 
rirenden Entzündungen gerechnet werden. Aetiologisch steht nur die häufige Com« 
bination mit Missbildungen sicher. H. Schlesinger (Wien). 


Psychiatrie. 

12) Die Bedeutung der E^atatonie, von Georg Ilberg (Sonnenstein). (AUgem. 

Zeitschr. f. Fsych. Bd. LV. 8. 417.) 

Verf. macht auf das ausserordentlich häufige Vorhandensein katatonischer 
Symptome, besonders des Negativismus und der Stereotypie bei alten Geisteskranken 
auftnerksam. Bei vielen dieser — und nur diese rechnet er zur Katatonie — zeigt 
sich eine eigenartige Entwickelung der Krankheit in Gestalt wechselnder Znstands« 
bilder. Die Einlmtung bildet gewChnlich eine mehr oder weniger depressive Phase, 
der ein Erregungszustand von verschieden langer Dauer und Form nachfolgt Von 
diesen Stadien fehlt zuweilen eines, am r^elmässigsten noch findet sich der nun 
folgende Stupor. Der Ausgang ist stets der in Schwachsinn geringeren oder stärkeren 
Grades. Krampfzustände (auch epileptoider Art) und körperliche Erscheinungen 
(Weite der Pupillen, Neigung zu Schweiss u. s. w.) sind sehr häufig. Verf. bat 
beobachtet, dass die Symptome oft sich zurückbildeten, allerdings nicht ohne leichte 
Budimente zurückzulassen, theilt aber durchaus die Meinung von Kraepelin, dass 
es sich dabei in der B^el um Bemissionen handle. Der Beginn der Erkrankung 
liegt durchschnittlich bei seinen Männern im 25. Lebensjahre. Die Veranlagung der 
Kranken war theils gut, theils auch nur gering. Oft waren die Patienten von Kind¬ 
heit an still, verschlossen, reizbar. 45% erbliche Belastung scheint mir im Ver¬ 
gleich zu meinen Kranken sehr wenig; ich fand 60"/^ erbliche Belastung bei Frauen, 
71^/o bei den Männern. 


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4 Katatonikergehirne zeigten keine Atrophie; der Himstamm war normalen Tot* 
h&ltaissen gegenflber eher etwas zn schwer. Nerrenfasem und Oefösse erschienen 
normal; neben vielen normalen Ganglienzellen fanden sich auch atrophische, in deren 
Nähe der aosserordentliche Beichthnm der Gliazellen, der sogenannten Trabantzellen 
auffiel. Die Behandlang erstreckt sich im wesentlichsten auf Pflege nnd, wegen der 
Gefahr der Lnngentuberculose, Anr^ung der Athmung. 

Verf.'s Anschauung, dass die Stadien etwas fär die Krankheit charakteristisches 
sei — obgleich schon allein das gelegenüiche Pehlen einzelner oder das mehrfache 
Wiederkehren dersriben Phase dagegen spricht —, macht ihn natnigemäss zum 
Gegner der von mir vertretenen Anschannng der vollständigen Einheitlichkeit der 
Krankheitaformen Katatonie nnd Hebephrenie. Es wird ja die Beantwortnng diee« 
nicht unwichtigen Frage dm* weiteren Forschung Qberlassen werden mflssen. Dagegm 
glaube ich, die Bebauptung, dass katatonische Symptome ausser bei Katatonie, auch 
bei Imbedllen, bei Schwachsinn nach Melancholie, Paranoia, Amentia n. s. w. vor* 
kommen, nicht unwidersprochen lassen zu dürfen. Damit würde bei der Unzuverlässig* 
keit, den Verlauf in Phasen als charakteristisch anzusehen, die Berechtigung hinfällig 
werden, in der Katatonie eine specifische Krankheitsform zu erkennen. Meiner auf 
Grund von über 200 Fällen gewonnenen Ansicht nach ist der Ausgang in die 
charakteristische Demenz voller Absurditäten, Tics im Denken und Handeln der 
gleiche, ob nun das Bild der Erkrankung anfangs mit oder ohne Wahnideeeo, mit 
oder ohne depressive Vorstellungen einheiging. Aschaffenbcrg (Heidelberg). 


13) Zur Pathologie der fcatatonen Symptome, von P. Lehmann (Wemeck). 

(AUgem. Zeitecbr. f. Psyeh. Bd. LV. S. 276.) 

Der Verf. hat sich seit mehreren Jahren mit der Symptomengruppe beschäftigt, 
die als Stereotypen, Äutomatismen bezeichnet werden, die motorischen Hemmun^- 
und Beizerscheinungen, die nach seiner Ansicht im Verlaufe fast aller anderen Psy* 
chosen episodisch oder dauernd Vorkommen können, bezeichnet Verf. als „katatone 
Symptome*'. Zu diesen rechnet er den Stupor, Katalepsie, Mutacismus, pathetische 
oder rhythmische Bedesucht, andere eigenartige Sprech* und Schreibweisen, Vtfbi- 
geration, Bewegungs* nnd Haltungsstereotypen, st^ee, gewohnheitsmässiges Thun, 
ficholalie, Ecbopraxie, negativistisches Gebahren, nnmotivirtes impulsives Handeln, 
automatischer Bewegungsdrang. Diese Symptome, die alle der Ausdruck eines ganz 
bestimmten Seelenzustandes sind, hält der Verf. für den Ansdruck einer herabgesetzte 
Energie des Bewusstseins. Er glaubt nicht wie Schüle, dass die einzelnen katatoneu 
Erscheinnogsformen verschiedenwerthig sind, dass aber die Prognose in sonst gleiches 
Krankheitsfällen nm so trüber sei, um so zahlreicher und dauerhafter dieee katatones 
Symptome sich zeigen, dass schon das Auftreten auch nur eines derart^mi Symptoms 
ein Anzeichen für die Verzögerung der Heilnng sei. Demnach hält er die Pn^oee 
der Kahlbaum'echen Katatonie für ungünstig. 

An zwei Beispielen zeigt er die anscheinende Berechtigong der prognostisdiea 
Verwendung der Zahl der katatonischen Symptome; der erste heilte, der zweite nicht 
Ich möchte nun dem gegenüberhalten, dass die Heilnng erst 1 Jahr dauert; ausserdem 
aber traten oft verblüffend weitgehende Bemissionen gerade in den Fällen auf, in 
denen die Menge der katatonischen Erscheinnngen nnd deren Intensität am aller¬ 
grössten ist. Ich muss deshalb leider befürchten — leider, denn der prognostisch« 
Merkmale sind nicht allzn viele —, dass der Verf. mit seinen Kriterien nodi off 
grosse Ehittäuschungen erleben wird. 

Mit Becht wahrt sich der Verf. gegen die Erklärung katatonischer Brechemangen 
durch Befiele aus Sensibilitätsstörungen oder als Wirkung von Hallucinationeo auf 
im Beizznstande befindliche motorische Centren. Zar Erklärung der Symptome geht 


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er TOD Meynert’s Ansicht ans, dass der Cortez and die intracorticalen Ganglien 
im WecbseWerhältniss stAnden, dass also der corticaleo Schw&che eine subcorticale 
ReüQDg entspräche. Die katatonischen Eracbeinungen liegen als fertiger Nerven- 
mecbanismus vor; wird dieser nicht genügend von im Cortez sich abspielenden Vor- 
stellangen und Hemmnugen regnlirt, so kommt es bei Beizung der snbcorticalen 
Centren zu den Erscheinungen, die wir als katatonisch bezeichnen. Es wird, wie 
der Verf. selbst bemerkt, bei dem Widerstreben und der Demenz sehr schwer, auch 
nur die einfachsten Ezperimente mit den Kranken zu machen; so bleibt die An¬ 
schauung des Verf.'s vorläufig eine Hypothese, der mir manche klinische Erfahrungen 
tu widersprechen scheinen, vor allem, dass viele der Bewegungen durchaus gewollte 
sind, also ohne lebhafte Mitwirkung des Cortez nicht denkbar sind. 

Aschaffenbnrg (Heidelberg). 

14) Beiträge zur Kenntnlsa der Katatonie, von Hucha '(^osw^). (AUgem. 

Zeitscbr. f. Fsych. Bd. LV. S. 429.) 

Verf. steht durchaus auf dem Boden der Kahlbanm-Neisser’schen, von 
Kraepelin wesentlich erweiterten Anschauung, in der Katatonie eine eigene 
Krankheitsform zn sehen; er warnt aufs entschiedenste vor der von SchOle 
vertretenen Auffassung, dass die katatonischen Erscheinungen in allen möglichen 
Krankheitsbildem Vorkommen können, und führt besonders aus, dass die Melancholia 
attonita, die Schflle wieder vertheidige, keine Melancholie sei, worauf auch schon 
Kahlbanm aufmerksam macht. Hysterie, mit der übrigens nicht allzu oft eine 
Verwechselung möglich ist, scheidet vor allem der Nachweis des constitutionellen 
Zustandes von der Katatonie und der Ausgang der letzteren in Verblödung leichteren 
oder schwereren Grades. Diesen Ausgang nahmen alle Fälle, die der Verf. beobachtet 
hat. Auch der Verf. betont die Analogie der Hebepbrenie und Katatonie nicht nur 
in zahlreichen Symptomen, sondern vor allem im Ausgange und nähert sich fast völlig 
meinem Standpunkte, beide Krankheiten für identisch zu erklären, nicht nur für 
verschieden gefärbte Bilder deseiben Krankheitsproceeses, sondern für eine Krankheits- 
form. Aschaffenbnrg (Heidelberg). 


15) Heber gewisse psyohlsohe Störungen nach Selbstmordversuchen durch 
Erhängen, von Privatdocent Dr. B. Wollenberg, Oberarzt der psychischen 
und Nervenklinik zu Halle a./S. (Festschrift anlässlich des öOjähr. Bestehens 
der Frovinzial-Irren-Anstalt zu Nietlebeo. 1897. Verlag von F. C. W. Vogel.) 

Verf. berichtet Über 4 Patienten, welche kurz vor ihrer Aufabme Selbstmord 
durch Erhängen versucht batten und nach der Wiederbelebung eigenartige Störungen 
im Gebiet des Centralnervensystems boten. Allerdings handelt es sich nur in einem 
dieser 4 Fälle am einen vor der Strangulation relativ gesunden Menschen, während 
in den 3 übrigen Fällen eine Complication mit Epilepsie bezw. Alkobolismus und 
Hysterie vorlag. Ans den ausführlichen Krankengeschichten geht hervor, dass 
Krämpfe während oder nach der Wiederbelebung nicht als constantes Symptom an- 
Zusehen sind. Becbt constant scheint hingegen nach Brbängungsversuchen die retro- 
active Amnesie vorzukommen, wie diese aocb den 4 beobachteten Fällen ihr eigen¬ 
artiges Gepräge verlieh. Die retroactive Amnesie scheint gerade nach Erhängungs- 
versuchen sich vorzufinden, während sie nach andersartigen Selbstmordversuchen sehr 
selten ist Han muss zur Erklärung der nach Strangulation beobachteten Zustände, 
speciell der retroactiven Amnesie, physische Schädigungen des Gehirns annehmen, 
und zwar kommen hierbei als ätiologische Momente die Asphyzie und die acute 
Himanämie in Betracht. Deshalb nimmt auch mit der Dauer der Strangulation die 
Schwere der Folgezustände zu. Der Hysterie ist die Bolle eines complidrenden, 


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Dicht eines ätiologischen Momentes zaznsehreiben, wie ja Qbm-haapt das Vorkoniaett 
der Hysterie neben organischen Krhrankangen des Nerrensystems häofig beobachtet 
wird. Kart MendeL 


16) Ueber die nosologisohe Anf&aaaiig and die Therapie der periodiaohea 

OeistesstÖrangen, von Prof. Eduard Hitzig (Halle). (Berliner klin. Wochen* 

Schrift. 1898. Nr. 1—3.) 

Verf. Tersteht anter periodischen Psychosen aasschliesslicb soldke Krank* 
heitsformen, welche in ihrer eigenthflmlichen Ersebeinangsweise regelmässig 
periodisch wiederkebren and nnterscheidet 3Onmdformen: Bxaltaüons-, Depressüms* 
znstände and circoläre Ponnen. Heynert hat den melancholischen Syinptomm* 
complex aaf eine gesteigerte Thätigkeit des basalen, vasomotorischen Centrains mit 
consecotiver vermehrter Contraction der Gehimarterien gurQckgeffihrt, das Zostande* 
kommen des manischen Krankheitsbildes aber dadurch zn erklären versucht, dass er 
eine Erschlaffung der Vasomotoren mit secundärer Oe&ssdUation annahm. Da das 
Morphium die Eigenschaften hat, die Henthätigkeit und den Blutdruck herabzusetzen, 
das Atropin aber eine Beschleunigung der Herzthät^keit und eine Entspannung der 
Kärperarterien bei gleichzeitiger Steigerung des Blutdrucks bewirkt, so entspräche 
nach den Voraussetzungen Meynert's die Atropinwirkung den bei der Manie, die 
Morphiumwirkung den bei der Melancholie herrschenden Gefässzuständen. Es lag 
daher die Schlussfolgerung nahe, dass das Morphium ein Heilmittel f&r die Manie, 
das Atropin ein solches für die Helandiolie sei. Die Praxis hat diesen thecwetisehen 
Erwägungen nicht Recht gegeben. Das Morphium hat sich als fast ganz unwirksam 
erwiesen, das Atropin dagegen hat einen unverkennbar gftnstigen Einfluss, aber in 
anderer Weise, als die theoretische Voraassetzung erwarten lassen sollte. Eis bat 
sich nämlich bei den therapeutischen Versuchen gezeigt, dass das Atropin im Stande 
ist, beim einfach periodischen und beim circulären Irrsein sowohl die 
maniakalische Err^ung, wie den melancholischen Depressionszustand zu coupiren 
oder wenigstens abzukflrzen und zu mildem. Obwohl Verf. versucht hat, durch die 
Trepanation einen Einblick in die Circnlationsverhältuisse der Gehirne morphinisirter 
und atropinisirter Thiere zu erlangen, ist es ihm nicht mägUch, eine Erklärung für 
die gleiche Wirkung des Atropins bei ganz verschiedenen Zuständen zu geben. Ge* 
meinschaftlich ist diesen verschiedenen Krankheitsformen nur die Feriodicität 
Verf. warnt vor zu grossen therapeutischen Hofbungen, giebt aber nach seinen Er- 
fahmngen zn, dass wir in dem Atropin ein Mittel besitzen, durch welches eine An* 
zahl von Fällen aus einer Grappe von bisher für unheilbar gehaltenen Geistes* 
krankheiten zu heilen oder doch zn bessern ist. Die Indication und die Anwendni^ 
des Atropins präeisirt er zum Schluss folgendermaassen: 

1. Anwendung nur bei periodischen P^chosen. 

2. Beginn der Behandlung knrz vor Eintritt des zn erwartenden Anfalls. 

3. Snbcutane Anwendung. B^inu mit sehr kleinen Dosen und vorsichtiges An* 
steigen. 

4. Allmähliches Hernnteigehen mit dem Mittel. 

_ Bielschowsky (Breelau). 


17) A propos de la revision de la olaasifloation offiolelle, par Franeotte. 
(Bull, de la sociätd de m^decine mentale de Belgique. 1897. Sept) 

In Belgien soll eine neue, sagen wir, Zählkartenbezeichnung eingeführt werden; 
Verf. schlägt folgende vor: 

1. Manie, I 3. acute hallucinatorische Verwirrt* 

2. Melancholie, i heit. 


,Google 



8. P^cbose aaf der Basis einer 
Neurose (Neurasthenie, Hysterie, 
Epilepsie), 

9. toxische Psychose, 

10. Folie morale (?l), 

11. d^enerirtes Irresein (?), 

12. Entwickelongshemmungen. 

Lewald. 


18) Payohlatry in the soathem statee, by Powell. (American Journal of 
insanity. 1897. Joni.) 

Tor dem Kriege, der die Emancipation der Sclaven znr Folge hatte, gab es 
wenig geisteskranke Neger; seitdem begann ihre Zahl zu wachsen, und sie ist jetzt, 
wie viele statistischen Berechnungen zeigen, beängstigend hoch und wächst an¬ 
scheinend noch weiter; auf eine Million Neger kamen 1860 169, 1890 886 Geistes¬ 
kranke. Ans „socialen'* Orftnden hat man in deti Anstalten fOr die schwarzen 
Geisteskranken eigene Abtheilungen, zwei Shdstaaten haben sogar vollkommen getrennte 
Irrenanstalten. 

Merkwtlrdig berflhrt uns der Wunsch des Verf.'s, es möge die Politik aus den 
Anstalten entfernt werden; „nur dann können die Anstalten Centren wissenschaft¬ 
licher Arbeit und treuer Krankenflege sein, wenn ihre Aerzte dauernd angestellt 
werden.** Bis jetzt wechseln mit jedem politischen Systemwechsel auch die Aerzte 
der Irrenanstalten. Der Staat Indiana ^ein hat eine Ausföhrungsbestimmung er¬ 
lassen, die Behörden sollen in Erwägung ziehen (1), dass Tflchtigkeit und Fähigkeit, 
nicht die politische Stellung ausschla^ebend sei. Lewald. 


4. periodische Psychosen, 

5. Paranoia, 

6. Dementia [a) essentielle Demenz, 
senil und organisch, b) secundäre 
Demenz, c) Dementia paranoides 
Kraepelin], 

7. Paralyse, 


19) Notee of some caees of folle 4 denx in eeveral membera of the same 

family, by 0. Woods. (Joum. of Ment Science. 1897. Octob.) 

1. Vater (50 Jahre alt), Hutter (ebenso alt), Sohn (21 Jahre alt), Tochter 
(19 Jahre alt) wurden an einem in die Anstalt eingeliefert. Der Sohn, etwas 
schwachsinnig und mit Kropf behaftet, war 4 Tage zuvor in der Kirche ohnmächtig 
geworden und seitdem leidend; es wurde weiterhin nichts Besonderes Ober die Familie 
bekannt, bis der Schutzmann sie in der Wohnung verbarrikadirt und beim Erbrechen 
der Thür in so wildem Kampf untereinander vorfand, dass er mehrerer Männer be¬ 
durfte, um sie auseinander zu bringen. Die Mutter hatte versucht, eines der kleineren 
Kinder zu verbrennen, weil es „ein Geist sei**. Als Ursache dieser gemeinschaftlichen 
Erkrankung vermuthete man in der Umgebung den Genuss von faulem Fleisch oder 
dem eines an Hundswuth gestorbenen Schafes. Die Kranken, am Meisten die weib¬ 
lichen, waren verwirrt, incohärent in ihren Aeusserungen, schrieen, warfen sich zu 
Boden, hatten Gesichtstäuschungen und glaubten alle zum Tode verurtbeilt zu sein. 
Nach 14 Tagen konnten sie geheilt entlassen werden. („Hysterische Tobsucht".) 

2. 5 Geschwister, im Alter von 24—45 Jahren, wurden innerhalb zweier Tage 
intemirt; zuerst erkrankten die beiden Aeltesten (Brüder) unter Symptomen der Tob¬ 
sucht, dann die übrigen Drei (Schwestern). Der ältere Bruder, welcher in Folge 
Tuberculoee schon sehr heruntergekommen und geschwächt war, starb bald an Er¬ 
schöpfung; der andere folgte bald. Die Schwestern erlangten ihre Gesundheit wieder. 
Eine der letzteren war vor Jahren schon einmal in einer Irrenanstalt gewesen; in 
der entfernteren Verwandtschaft (Vettern) ist Geisteskrankheit mehrfach vorgekommeii. 
Auch hier wurde von der Umgebung als Ursache der Geistesstörung Genuss entweder 
von amerikanischem Zinnbüchsenfleisch oder, wie Andere wissen wollten, von Fleisch 
eines von einem tollen Hunde gebissenen Huhnes angegeben. Geber die psychotischen 


,Google 



lOM 


^rmptome dor 3 Schwestern wird benerkt: „Sie waren sämmtiüeh, in gleich« Wüse, 
unrabig, sangen religiCiee Lieder and l^ten, ideeenflOchtig and incohärent» «ahlreirfia 
religiöse Wahnrorstellongen an den Tag^; sie hielten o. A. die fokrankong der 
beiden Brflder für eine Heimsuebong der Yorsehnng. 

Yerf. bemerkt, dass er in Irland Terb&ltnissm&ssig oft diese familiären 
Geistesstörongen zo beobachten Gelegenheit bat. Meist handelt es sieb 
am Hereditarier, gewöhnlich aacb am Scrofolöse and Nearotisebe and awar Familien, 
deren Glieder, fern ab Tom Yerkehr, ihre ganze GedankentiiätigkeH nnr auf sieh 
selbst and ihren Erwerb richten. Religiöse and dSmonomanische VorsteUongen 
spielen in der Krankheit eine grosse Bolle and unter ihrem mächtigen Rmfln« er> 
eignen sich dann auch bei solchen Zuständen die Morde, wie ein solcher bei Cuüliären 
Irrsinn Tom Yerf. selbst 1889 (Joom. of Hent Sdence) berichtet and erst im rer* 
flossenen Jahr wieder in Irland beobachtet worden ist 

_ Bresler (Fr^bnrg L/SdiL). 


20) Zoophiiie et soophoUe, par Fdrö. (Belgique mödicale. 1897.) 

Das was ein Gefühl krankhaft erscheinen lässt, ist weniger seine Abnormität, 
als seine Hartnäckigkeit So kann es eine wahre fixe Idee bilden, besondms wenn 
es pervers ist Je nachdem es sich um heilbare Formen (Nenrasthenie a. B.) oder 
am congenitale oder hereditäre Disposition handelt, kann Heilong eintretmi odw 
nicht Za den anormalen Gefühlen gehört mit die übeigroese Liebe zu Thierai, 
oder die krankhafte Furcht oder Graosamkeit ihnen g^enüber. Die Fardit vor 
Thieren ist das primitive Gefühl beim Menschen, das sich nicht später reetificiri 
Bei Kindern wandelt sich dieselbe bisweilen in Grausamkeit am, besonders bei solchea, 
die der „famille ndvropathiqae“ angehören. Zorn, Hass, Graosamkeit sind im Grande 
nar secundäre, asthenische Leidenschaften mit einer primären unangenehmen, die 
zomeist eben die Furcht ist Dies sieht man auch bei Thieren, wie verschMdaee 
Beispiele beweisen. Dies ist psychologisch wichtig bei Degenerirten, die oft graosan 
gegen geliebte Personen verfahren, Graosamkeit oder Heftigkeit kann aber auch so» 
Machtliebe entstehen. Immer finden sich aber anormale Gefühle Thieren gegenüber 
nar auf pathologischem Boden (angeboren oder erworben). Die Zoophiiie kann öA 
Haasthieren gegenüber bethätigen, einem oder mehreren, derselben oder verschiedener 
Basse, gesunden, wie kranken und hässlichen, oder aber abstossenden gegenüber, wir 
Spinnen, Mäusen a. s. f. Der Hand ist hier von alters her bekannt Mode, reli^öee, 
philosophische Ideeen a. s. w. spielen hierbei eine Bolle. Es kann zur reinen Manie 
ansarten and oft ist damit Gleichgültigkeit gegen die Familie and die sodalen 
Pflichten verknüpft Zoophiiie ist besonders bei Frauen anzntreSen, oft schon Mb 
oder in der Pubertät Die Degenerirten adoptiren sich eher an die Gesellschaft von 
Thieren (bisweilen auch Pappen), als von Menschen. Oft besteht zugleich Irrsisn. 
Oft bei Ledigen and sterilen Fraoen. Antivivisectionnisten gehören gern zo thoen, 
auch manche Yegetarianer. Die Sodomie dagegen beraht weniger in Zoophiiie 
in einer Sexaalperversion. Als Zoophobie ist die Furcht vor Wanzen (Sdgain) and 
neuerdings die Äcarophobie (Thibierge), d. h. die Forcht vor Parasiten, oft mit 
heftigem Jacken and Tasthallucinationen verbunden, beschrieben worden. Zoophili« 
und Zoopbobie können sich vergesellschaften, auch mit anderen krankhaften Gefühlen 
verbanden. Zuletzt beschreibt Yerf. einen hierhergehOrigen Fall, and zwar war bei 
der Matter Zoophiiie, bei der Tochter Grausamkeit and Zoophiiie vorhanden. 

Näcke (Babertosborg) 


Google 



— 1057 


21) Ein Fall von Zwangsvorstellungen und Berührungsfuroht im Kindes¬ 
alter, TOQ Dr. S. Kalischer, Arzt fhr NerTenkraakheiten. (Archiv f. Kinder* 
heük. Bd.XXIV.) 

Ein erblich nicht belasteter, 8j&hriger Knabe, der durch verschiedene Krank¬ 
heiten körperlich geschwächt war, geistig aber normale B^bnng zeigte, erkrankte 
ziemlich plötzlich an Zweifelsucht, Bertührnngsforcfat, Angst und deprimirter Stimmung. 
Er äuaserte hypochondrische Klagen, Vei^iftungsideeen nnd litt an Zwangszuständen 
mannigfacher Art. Alle krankhaften Empfindungen nnd Vorstellnngen beurtheilte er 
als Zwang nnd blieb sieh des unnatfirlichen Yoi^ngs in seinem Inneren klar bewusst. 

Verf. erörtert im Anschluss an die Schilderung dieses Falles den Unterschied 
zwischen Zwangsvorstellung und Wahnidee, und erinnert daran, dass Zwangsersehei- 
DDDgen im Verlaufe von Hysterie und Neurasthenie verkommen, aber auch Symptome 
einer eigenartigen selbständigen Krankheitsform des Irreseins mit Zwangsvorstellungen 
auftreten können. Das Zwangsvorstellungsirresein geht anefa bei Kindern nicht in 
Verrflektheit Aber. G. Ilberg (Sonnenstein). 


22) Zur Iiehre vom Gedankenlautwerden, von Dr. Otto Jnliusburger 

(Berlin). (AUgem. Zeitschr. f. Psych. Bd. LV. S. 29.) 

Bei einem 37 Jahre alten, nicht belasteten Tabiker besteht neben Opticnsatropbie 
Ptosis und erhebliche Einschränkung der Augenbewegnngen, besonders nach rechts, 
eine völlige Taubheit, die sich später als das Augenleiden entwickelt hatte. Der 
Kranke hat ausserdem Wahnideeen, erscheint aber noch leidlich intelligent. Wenn 
er mit den Augen Bewegungen nach rechts oder links macht, hört er einen hellen 
Ton, beim Geradeanssehen oder nach Obenschauen nichts. Später beobachtete er bei 
Markirung des Bhythmus eines Liedes durch Angenbewegungen, dass die Glocken die 
Melodie ertönen Hessen. Ebenso gaben sie den Bhythmus eines Hexameters genau 
wieder, allerdings im gleichen Tone bleibend. Alle diese Klät^^e traten nnr bei 
horizontalen Angenbewegungen auf. 

Der Verf. stellt sich als Ursache dieser Erscheinungen eine „eigenartige Asso¬ 
ciation zwischen den centralen acustischen Projectionsfeldem und den centralen 
Projectionsfeldem der Augenmuskelbewegungsempfindungen“ vor; ferner eine Steigerung 
der Err^barkeit der Elemente in den centralen acustischen Projectionsfeldem. 

G. Asebaffenburg (Heidelbei^). 


23) Diabetes und Geistesstörung, von Landenheimer. (Berliner klin. Wochen¬ 
schrift. 1898. Nr. 21—24.) 

In einer mit zahlreichen Krankengeschichten belegten, sehr kritischen Arbeit, 
die sich zum Beferat nicht eignet, bespricht Verf. den Zusammenhang der Psychosen 
und des Diabetes und stellt folgende Möglichkeiten auf; 

1. Zuftll^e Coincidenz von Diabetes und Geistesstörung ohne causale Beziehung. 

2. Diabetes als Folge der Geisteskrankheit. 

3. Diabetes als Ursache des Irreseins. 

4. Diabetes und Psychose coordinirt als Folgeerscheinungen einer gemeinsamen 
(cerebralen) Ursache. 

Die essentiell diabetogene Natur einer Psychose wird am Oberzeugensten durch 
ihre Heilbarkeit in Folge antidiabetiseber Haassregeln erwiesen. 

Bielsohowsky (Breslau). 


67 


D g ii/od oy GoOg IC 



1058 


S4) OMorradonl oUniohe ad »natomlohe solle demenie post>apoplettiolie, 

p«r G. MingassinL (BIt. sperimeDt. di Fteniatria. XXUl. B o. 4.) 

Das Ergebniss von 19 Uioisch and anatomisch untersachten Fallen. 

Die st^en. post-apoplectisehen Dementen, die bisweilen das Bild wahrer Pejchosen 
bieten, entstehen nur nach Erweichungsherden im Gehirn; nach Himhämorrbagieen 
entwickeln sich nnr Znst&nde von Geistesschwäche, nie aber wirkliche Demenz. Verf. 
hält ee deshalb fOr richtiger, statt von post-apoplectischer, von post-encephalomala- 
cischer Demenx zu sprechen. Nach den Forschnngen Bonchard’s and Charcot's 
sind die Hftmorrhagieen Folge miliarer Aneorysmen and nicht einer ao^etweiteten 
Atheromatose, so dass durch einen Blatnngsherd nur Commuoicationswege nnter> 
broohen werden, während die Qbrige Himsubstanz intact bleibt; Erweichungaherde 
di^egen entstehen immer nar im Gefolge allgemeiner Atheromatose der Himgefäsee, 
and es bestehen in Folge dessra schon Atrophieen der Windangen; ein Krankheits» 
herd wird deshalb nicht nnr die Verbindung zwischen zwei oder mehreren Centren 
anfheben ond die Symptome dieser gestörten Commnnication hervorrufen, sondmn in 
noch höherem Grade die anderen Centren fanctionell schädigen. 

An einigen der obigen und vier weiteren Beobachtungen konnte Verf. anf die 
Function des Linsenkerns und die Symptome seiner Erkrankung Schlflsse ziehen. 
Motorische Fasern verlaufen im Nucleos lentiformis in bestimmten Abschnittoi, so 
dass Herde selbst von geringerer Ansdehnang entweder keine motorischen Störungen 
verursachen oder aber Parese der Extremitäten, des unteren Facialis und oft des 
Hypoglossus der entgegengesetzten Seite bedingen. Der Patellarsehnenreflex ist auf 
der der Läsion en^^engesetzten Seite gesteigert; der Puplllenlichtreflex ist träge 
und die Scbmerzempfindlichkeit herabgesetzt. Fast immer ist auf der contralateraleu 
Seite die Papille enger. Dysarthrische Storungen entwickeln eich beinahe aus¬ 
schliesslich bei Erkrankungen des linken Linsenkems. Die Fasern für die Spracb- 
bewegungen verlaufen in umscbriebenen Abschnitten des Kucleus lentiformis. 

In den Fällem mit acustischer Aphasie lag der Erweichungsherd im mittleren 
Theile des Gyms temporalis snperior et medius sinister. 

Das Articulationscentmm verlegt Verf. nach seinen Beobachtungen in den hinteren 
oberen Abschnitt der Pare opercularis der 3. Stimwindung; und das Centrum für die 
Hebung des oberen Augenlids in die vordere Centralwindung, nicht in den Gyros 
ai^nlaris, der einige Male erreicht war, ohne dass Ptosis bestand. Valentin. 


26) Blood'preasnre in the Inasne, by M. Craig. (Lancet 1898. 25. JonL) 

Verf. hat mit dem Sphygmometer von Barnard und Hill gearbeitet. Alle 
Untersuchungen fanden am linken Arme zwischen 11 und 12 Uhr statt. Fflr den 
Gesunden ergab sich der bezügliche Blutdruck zu 120—125 mm Hg. Bei err^baren 
Individuen ist er niedriger, bei apathischen hoher. Bei 21 weiblichen, an acuter 
Melancholie leidenden Kranken betrag der Blntdmck 140—160 mm, bei 15 mäun- 
liehen, an derselben P^choee leidenden Kranken 155—160 mm. Je geringer die 
Depression war, om so geringer war auch die Blatdrucksteigerong, Bei 33 Kranken, 
welche an „acuter Manie'* litten, betrug er uur 95—110 mm. In einem Falle von 
circulärem Irresein (?) betn^ er in der depressiven Phase stets ca. 150 mm, im 
Intervall 125 mm, in der Excitation 106 —110 mm. Bef. hat selbst mit dem 
Basch’schen Sphygmomanometer zahlreiche Kranke untersneht und stets gefonden, 
dass bei agitirter Melancholie der Blutdruck gleichfalls — entsprechend der durch 
meine sphygmographischen Untersuchungen nachgewiesenen Verengernng der pni- 
pherischen Arterien — der Blutdruck steigt. Verf. hat bei diesen Formen „etwas 
schwankende" Ergebnisse gehabt In zwei Fällen von „Stupor" war der Blutdruck 
geeteigert. Bei „seeuudärem Stupor nach Manie" soll er niedrig sein, ebenso bei 


Dig'H^cd Dy Google 



1059 


Depressionssnetftnden nach acuter Manie. Bei intellectuellen Geistesstörungen ist er 
etwa normal, nur bei effectiver Err^ung steigt er. In den Erregungszuständen der 
Dementia paraljtica ist er niedrig, nur bei sehr starker Erregung hoch, ln den 
Schlnssstadien sinkt er beträchtlich. Uebrigens sind die auf diese Psychose bezQg* 
liehen Angaben zum Theil zweifelhaft, zum Theil geradezu widersprechend. 

Terf. sucht weiterhin nachzuweisen, dass wahrscheinlich sehr oft die Blutdruck- 
Veränderung die Ursache der Psychose ist und nicht umgekelirt. Seine Ai^umentaÜon 
ist allerdings keineswegs einwandfrei. Dementsprechend empfiehlt er ffir die Thwapie 
bei beginnender Melancholie Bittersalz, bei schwererer Depression, namentlich bei 
starkem Scbeiteldruck, ausser der Aperitiva Nitroglycerin oder — behufs nachhaltiger 
Wirkung — das dem Bef. praktisch nicht bekannte Erythrol »s Tetranitrai Bei sehr 
geringer Füllung der Arterien ist eine reichliche Flössigkeitsauftiahme neben Wasser- 
eingiessungen in das Bectum und eventuell Infusionen angezeigt. Bei subnormalem 
Blutdruck scheint sich das prolongirte Bad zu bewähren. Th. Ziehen. 


26) La demensa preoooe, per J. Finzi e A. Vedrani. (Ferrara. 1898.) 

Verff. besprechen kurz Erscheinungen, Verlauf und Differentialdi^ose der 
Dementia praecox. Sie unterscheiden 3 Formen: die hebephrenische, die catatonische 
und die paranoide. Erstere giebt im Anfangsstadium leicht zur Verwechslung mit 
Neurasthenie Anlass. Nach der Initialperiode stellen sich dann Aufkegungszustände 
mit motorischer Erregtheit und Logorrhoe oder än^tliche Unruhe mit Mutismus und 
Oehörshallucinationen ein. Die catatonische Form zeichnet sich durch das Hervor¬ 
treten psychomotorischer Symptome aus. Bei der paranoiden Form der Dementia 
praecox treten aus HallucinaÜonen oder Augenblickseindrficken entstandene Wahn- 
ideeen in den Vordergrund, die durch Absurdität und Labilität charakterisirt sind, 
sich jedoch auch für einige Zeit fixiren können. Valentin. 


27) La parallpemania, per Boncoroni. (Annali di freniatria. 1898. S. 50.) 

Unter dem Namen Paralypemanie beschreibt Verf. Fälle von Paranoia, in denen 
ein ganz au^eprägtes Stadium der Melancholie sich einschiebt. Als differentiell 
von der gewöhnlichen Melancholie werden folgende Punkte gegeben: 

1. In der Paralypemanie ist der Ernährungszustand ein besserer; 

2. die „paraphysiologischen“ Ursachen (Ueberarbeitui^, Elend, Soi^n u. s. w.) 
Laben gerii^ere Bedeutung, d^egen mehr die pathologische Belastung; 

3. die körperlichen Entartungszeichen sind häufiger nnd schwerer; 

4. der Tastsinn ist feiner, der Schmerzsinn abgestumpfter; 

5. die Delirien der Unwürdigkeit (der Sünde, der Verdammung u. s. w.) beruhen 
weniger auf verändertem Gefühle, als auf verändertem Denken; 

6. die hypochondrischen Ideeen, die Zweifelsucht, Zwangsideeen, Verfolgungsideeen 
sind hier deutlicher; 

7. Hemmung oder Verlangsamung des Ideeengangs sind seltener; 

8. das Gefühlsleben ist gestörter, und 

9. neigt sie nicht zu Ausgang in Blödsinn oder Heilung. Scheinbare Heilungen 
bringen stets Becidive. 

Verf. giebt von dieser Varietät der Paranoia 9 Fälle. Ob es uötbig ist, die¬ 
selben mit einem eigenen Namen zu bezeichnen erscheint um so fraglicher, als diese 
Fälle von den nicht so selten im Verlaufe der Paranoia zu beobachtenden Depressions- 
zoständen mit melancholischem Anstriche nur quantitativ sich abbeben. Der Sucht, 
immer neue Namen zu erfinden, sollte man möglichst steuern! 

Näcke (Hubertusbuig). 

67* 


D,.,Google 



1060 


28) Sexual inveraioii, b; Havelock Kllis. (London the univerBithy press. 

1897. Wathard. 199 Seiten.) 

Von dem dorcb Bef. an anderer Stelle schon aosffthrlich besprochenen Buche 
des Verf.’8, welches derselbe vor kurzem deutsch hat durch Kurella berausgeben 
lassen, bat Verf. jetzt ebeu eine englische Ausgabe veranstaltet, die viele Zusätze, 
aber auch Abstreichungeu enthält, und auch in dieser Gestalt hoch willkommen ist. 
Weggelassw ist unter Anderem der grosse Abschnitt Ober die Geschichte der 
griechischen Liebe durch Symouds, was Bef. eigentlich bedauert, da gerade dieses 
Kapitel glänzend geschrieben war und nicht nnr den Philologen, sondern deo 
Historiker und Sociol<^n lebhaft interessirte. Als sehr schätzenswerther Zusatz ist 
jetzt eine eingehende Darlegung der Ansichten von Ulrichs Ober Homosexualität 
g^eben. Han sieht jetzt erst, wie klar dieser Manu schon damals sah, wie er die 
Hanptcat^rieen der Homosexuellen richtig au&tellte, theoretisch das Problem 
auf die Bmbryologie verwies, weiter auch schon die richtigen Linien zog, die das 
Gesetz beobachten sollte. Bndlich möchte Bef. noch hervorheben, dass Verf. sehr 
recht hat, die hohe Wichtigkeit der Homosexualität und der Untersuchungeu hierftber 
wiederholt zu betonen, da leider so Manche mit vornehmem Lächeln Ober diese 
Dinge aburtheilen und von „Bordellgescbiehten** reden. 

Käcke (Hnbertusburg). 


29) lia pena nei reati seasuali, per ViazzL (Arcbivio di psichiatria. 1897. 

S. 501.) 

Nach einigen allgemeinen Bemerkungen handelt Verf. erst von den sexaellen 
Delicten, die als offenbarer Ausfluss psychischer Abnormität Unzurechnungafähigkeit 
und daher Straflosigkeit verlangen, wobei er sich gegen die „verminderte“ Zurechnongs* 
ßhigkeit ausspricbt. In der 2. Hälfte der Arbeit werden d^^en die sexuellen 
Beate betrachtet, die bestraft werden müssen, da Verf. nicht der Ansicht huldigt, 
dass jeder Verbrecher krank sei. Die hänfigen sexuellen Verbrechen bei Dementia 
paralytica, bei Manie, seniler Demenz, Idiotismus und Imbecillität werden kurz be* 
rflhrt, die bei Epilepsie nicht weiter erwähnt. Nicht unrichtig erscheint die Be* 
merkui^ (die freilich nicht vom Verf. herrflhrt!), dass die Stupra alter Leute an 
Kindern am häufigsten nicht aus Perversität ausgefOhrt werden, sondern, weil der 
Ooitus an Erwachsenmi schwer zu erlangen ist. Nach Grimaldi fehlt in dem 
Altersirresein das Schamgefühl in 100 7o» gewiss zu hoch ge¬ 

griffen ist Ferner sind oft heftige Stnpra, besonders wenn von Lustmord begleitet 
pathologisch als Ausfluss von Sadismus, ebenso der Exhibitionismus (der den Ma¬ 
sochismus verdecken kann), Fetischismus n. s. w. (Bef. meint aber, dass es sieb oft 
nur une rouäs handelt also nicht pathologische Personen). Zu bestrafen sind dag^mi 
alle Wollüstlinge, Lasciven, ferner gewisse Fälle von NoUizneht Baub, Ehebmcb, 
Bigamie u. s. f., also bei Gelegenheitsverbrechen. Verbrechen muss man immer da 
anuehmen, wo Gewalt oder Tötung gegen eine Person (also namenüicb gegen Kinder) 
in Anwendung kam. Bei Frauen ist das strafbare Alter tiefer zu verlegen, als bei 
Männern. Straflos sollte die sexuelle Handlang zwischen Personen unter der straf¬ 
baren Altersgrenze sein. Die Strafen müssen abgestuft werden, da viele Handlungoi 
viel verwerflicher sind, als der normale Coitus. Blit Puglia verlangt Verf. Be¬ 
strafung der Päderastie, wenn sie für gewöhnlich an allgemein zngänglichen Orten 
geschieht (Wenn es sich nm eine Art Bordelle handelt so meint Bel, wäre die 
Strafe ungerecht) Auch Attentate auf das Schamgefühl in der Privatwohnung sollen 
bestraft werden, ebenso der Incest nicht aber jeder Baub oder jedes Kupplerthum, 
nur wo letzteres namenlos oder gewohnbeitsmässig geschieht. Bei Ehebmch und 
Concubinat soll für gewöhnlich nur der ungetreue Gatte bestraft werden, nicht die 
3. Person (? Hef.). Nur wo Obeönitäten in Schrift oder Bild Speculationsaache ist 


Google 



1061 


soll Strafe eintreten. Yerf. glaubt ferner, dass das uovollendete Delict weniger hnrt 
*a ahnden sei, als das vollendete (? Ref.). Der Strafort soll kein Verbrecher-Irren* 
hans sein; ein Krankenhans mit unbestimmter Dauer fOr den „Delinquente nato"; 
kurze Strafen sollen bei Minorennen fortfallen und dnrcb Strafgelder ersetzt werden. 

Näcke (Hubertusbnrg). 


30) Lage und Stellung der Aerate an den öffentliohen Irrenanstalten des 

deutschen Beiohes, von Hugo Hoppe (Allenberg). (Ällgem. Zeitschr. f. 

Psych. Bd. LIY. S. 429.) 

Die ausserordentlich dankenswerthen Zusammenstellungen und Ausführungen 
des Verf.’s Aber die Glebalts- und Befbrderungsverhältnisse der Irrenärzte sind leider 
den Behörden nicht so zoganglich, wie gewflnscht werden muss. Die Besoldung der 
Aerzte lässt an Verschiedenheit jedenfalls viel weniger zn wQnschen als an Höbe; 
die Gehälter sind theilweise geradezu empörend niedrig. Die Oberärzte (II. Aerzte) 
haben zur Zeit ein Durchschnittsalter von 36 Jahren 9 Monaten und beziehen bei 
10 Jahren und 7 Monaten durchschnittlicher Dienstzeit als Irrenärzte im Mittel 
3550 Mark Qehalt, eine Summe, die hauptsächlich durch die städtischen Anstalten 
nach oben zn verschoben wird. Die 111. Aerzte und Anstaltsärzte mit Familien- 
Wohnungen haben 2850 Hark Qehalt bei 7jähriger Dienstzeit und 33 Jahren 8 Hon. 
Durchschnittsalter. Die Aussichten auf Vorwärtskommen erscheinen nicht allzu gross, 
wenn man bedenkt, dass in 56 Anstalten 56 Directoren, 75 Oberärzte, 113 Assistenz¬ 
ärzte und 27 Volontärärzte thätig sind. Da non jedes Land und jede Provinz mög¬ 
lichst frei werdende Stellen aus dem eigenen Nachwuchs besetzt, so ist es ganz 
selbstverständlich, dass ein grosser Theil der Irrenärzte, und sicher nicht der un- 
tächtigste, es vorzieht, statt den Tod der Vordermänner abznwarten, den Irrendienst 
zu verlassen. Aber nicht nur die materielle Seite der irrenärztlicben Misöre wird 
vom Verf. dai^estellt, er verlangt auch eine Reihe anderer Maassregeln, ohne deren 
Schaffung ein Gedeihen der Psychiatrie nicht erwartet werden kann. 100 Kranke 
anf einen Arzt ist das Maximum dessen, was in einer Pflegeanstalt dem Arzte zo- 
gemuthet werden dürfte. Bei der dienstlichen Anspannung muss jeder mindestens 
6 Wochen Urlaub beanspruchen können. Unter der Ueberlastung der Directoren mit 
Yerwaltungstechnik, der Oberärzte mit Kranken, leidet am meisten die fachmännische 
und klinische Ausbildung des Nachwuchses. Von 121 Irrenärzten an preussischen 
Provinzialirrenanstalten hatten nur 65, von 103 an anderen deutschen Anstalten an- 
gestellten Aerzten 45, im Ganzen 44,47a psychiatrische Vorlesungen und Kliniken 
auf der Universität besucht! 

Wer nnbeflingen die Arbeit des Verf.’s liest, muss sich sagen, dass die Lage 
der Irrenärzte eine unwürdige ist, deren Schaden — es sei hier nur an die mangel¬ 
hafte Ausbildung und die zu grosse Krankenzahl erinnert — unbedingt zum Tbeil 
von den Kranken mi^etragen werden muss. Wenn sich dieser Einsicht aber das 
Gros der Irrenärzte verschliesst, wird eine Abhfllfe kaum erwartet werden können. 

Ascbaffenburg (Heidelbei^). 


31) Zur Frage: Horallsohes Irresein, von Dr. T. Bogdan in Langenlois. (Wiener 
med. Wochenschr. 1897. Nr. 30 n. 31.) 

Durch eine Reihe von Beispielen sucht Verf. die Anschauung zu begründen, 
dass ein ethisch depravirtes Individonm, weichem gesellschaftlichen Stande es auch 
angehöre, selbst wenn es die Erscheinungen der angeborenen Imbecillität snfweise, 
im eigenen und im Interesse der Allgemeinheit, nicht in eine Irrenanstalt, sondern 
in eine Beasemngsanstalt abzugeben sei. 


D g !i.:od oy GOO^ Ic 



1062 


Den forensischen F&Uen gegenflber hält er an dem Stuidponlrte Mejnert’s 
fest, dw ethische Defectuosität nur dann als krankhaft anzosehen sei, wenn sie als 
Änsfloss einer klinisch begründeten Erkrankung des Gehirns, namentlich des Vorder* 
hims, nachgewiesen werden könne. J. Sorgo (WieaX 


in. Aus den Oesellsohaften. 

Versammlnng deutscher Kstorforsoher and Aente zu Düsseldorf vom 

19.—22. September 1898. 

(Schloss.) 

Oem^sohaftliohe Sitsung mit der Abtheilung für innere Medicln. 
Sitzung Tom 20. September, Kachmittags. 

Herr Stintzing (Jma): Heber Wesen und Behandlang des Tetanus 
traumatious. 

Nachdem Vortr. kurz die Äetiologie und Diagnose des Tetanus traumaticus ge* 
streift, bespricht er eingehend an der Hand eigener, wie fremder Beobachtungen und 
Untersuchungen die Anatomie und Pathogenese des Tetanus. Die daraus sich er¬ 
gebenden, theils feststehenden, theils hypothetischen Anschauungen über die Anatomie 
und Pathogenese des Tetanus fasst er am Schlüsse seiner Aosföhrnngen in folgenden 
Sätzen zusammen: 

Der Tetanasbacillus erzeugt an dem Orte seiuer Ansiedelung (Wunde od^ 
Impfstelle) Toxine. Diese gelangen theils in die Blutbabn (bei Thieren) und können 
Ton dieser aus wirksam werden. Im wesentlicben aber werden sie längs der nahe 
gelegenen Nerven, vermotblich in den Haschen des Perineurium, deren Flüssigkeit 
eine besondere Attractionskraft eigen zu sein scheint, zum Böckenmarke fortgeleitet. 
In den Subarachnoidealrauro oder unmittelbar in das Böckenmark gelangt, entfalten 
sie — bei Thieren — ihre toxische Wirkung zunächst von der EinmOndui^sstcUe 
aus und erzeugen somit zunächst den örtlichen Tetanus. Wird Gift in genOgender 
Menge weiter producirt und zugeleitet, so erzeugt es regionär (bis zum allgemeinen 
Tetanus) fortschreitende Krämpfe. Beim Menschen kann der Vorgang der gleiche 
sein. Meist jedoch breiten sich bei diesem die Krämpfe ohne Begel aus, vermuthlicfa 
weil die Toxine in den weiteren, mit Flüssigkeit angefüllten Bäumen rascher diffun- 
diren. Den ÄngrifEspunkt für das Tetanusgift bilden jedenfalls die motorischmi 
Ganglienzellen in den Vorderbömem, die unter der Einwirkung des Giftes in einen 
Zustand erhöhter Erregbarkeit gerathen. Dass die neuerdings gefundenen, morpho¬ 
logischen Veränderungen dieser Zellen einen dem Tetanus eigenartigen Befund dar¬ 
stellen, ist noch fraglich. 

Bezüglich der Behandlung des Tetanus führt Vortr. aus, dass die Serum- 
therapie selbst bei frühzeitiger Anwendung die in sie gesetzten Hoffhongen bisher 
nicht erfüllt bat, und empfiehlt daher auch fernerhin neben dem Antitoxin die alten 
Behandlun^methoden anznwenden, vor allem die möglichst frühzeitige Excision und 
Kautherisation der Wunde; in zweiter Linie Narcotica (Chloral, Morphium). 

Discnssion: 

Herr Nissl (Heidelberg): Bezüglich der Beziehungen zwischen MerTensellm- 
Veränderungen und nervösen Fonctionsstörungen steht es wohl fest, dass die zur Zeit 


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1068 


Bsebweisbaren ZellTer&Ddenuigen sicherlich nicht in erster Linie der Ansdrack ner- 
Theer FnnctionsstQrungen sind. Die en^egei^^esetzte Ansicht fand ihre Stfltze in 
den Ei^ebnissen der sogenannten snbacaten maximalen Vergiftnngsweise. Hier treten 
je nach der Art des Giftes specifische und so charakteristische Ver&nderangen an 
den Kerrenzellen aof, dass man ans der Yerändening der Zelle auf das jeweilig an¬ 
gewandte Gift schliessen kann. Dagegen kann bei der acnten und noch mehr bei 
der chronischen Yer&riftang von specifischen Yerfindeningen der Nervenzelle keine 
Bede sein. Gegen die Auffassni^, dass die heute nachweisbaren Zellverändernngen 
der Ausdruck nervöser Fnnctionsstömngen sind, spricht, abgesehen von anderen Er- 
fahrnngen, vor allem die sogenannte acnte Zellerkranknng, eine Erkrankungsform, 
die ausserordentlich charakteristisch und nicht zu verwechseln ist, und bei der, wenn 
sie in der menschlichen Binde auftritt, stets alle Nervenzellen der ganzen Binde 
in gleicher Weise erkrankt sind. Trotzdem findet man sie bei ganz verschiedenen 
Krankheitsznständen, wie die Herkunft der (von N.) ansgestellten Photogramme von 
sogenannter acuter Zellerkrankung zeigt. Die eine Zelle stammt von einem auf- 
geraten Paralytiker, die andere von einem Fall von Typhus, die dritte ebenfalls 
▼on einem nicht-geisteskranken M&dchen, das in Folge von Brandwunden zu Grunde 
gegangen ist. 

Herr von Jaksch (Frag) weist darauf hin, dass es Fälle von Tetanns trau- 
maticns giebt, die ihrem klinischen Yerlaof nach unzweifelhaft Tetanus sind, in denen 
jedoch weder die Eingangspforte, noch Gift, noch Bacillen gefunden werden. Fflr 
die Behandlung empfiehlt er Urethan in grossen Dosen (20—25 g pro die). 

Herr Nannyn (Strassburg): Bei einer Erörterung der Pathogenese des Tetanus 
muss auch der Bose’sche Eopftetanus mit seiner Facialislähmung berflckaichtigt 
werden. 

Herr von Jaksch (Frag) bemerkt, dass der Eopftetanus dieselbe Aetiolc^e 
wie die anderen Fälle von Tetimus traumatica habe, er habe nämlich in einem von 
ihm beobachteten Falle von Eopftetanus Tetannsbacillen nachweisen können. In 
einer Epidemie von Tetanns puerperalis sei es ihm nnr vereinzelt gelungen. 

Herr Stintzing (Jenaj hat den Tetanus puerperalis nicht in den Ereis seiner 
Betrachtung gezogen, da seine Zugehörigkeit znm Tetanns traumaticns noch nicht 
erwiesen sei. 

Herr Blumenthal (Berlin) betont, dass der Tetanns puerperalis uud der 
Tetanns traumaticns zweifellos durch dieselbe Ursache bedingt seien, wie er und 
Stabsarzt Heyse schon vor mehreren Jahren nachgewieaen habe. 6. spricht weiter 
an der Hand seiner neuesten Untersuchungen über das Yerhältniss des Tetannsgiftee 
zu den Nervenzellen und zum Antitoxin. 

Herr Epstein (Göttingen): Schon vor einer Reihe von Jahren hat Prof. Ni- 
colaier in einem Fall von Eopftetanus den Tetanusbacillus nacl^ewiesen. Die in 
diesem Falle vorhanden gewesene periphere Facialislähmung spricht für die von 
Stintzing behauptete Fortleitung des Tetanusgiftes längs der Nerven. 

Herr Weber (Uchtspringe): Obdnotionsbefimde beim Tod im Sta^ epi- 
leptiouB. 

Ausgehend von der Ansicht, dass nur ein genaues Studium der von den Einzel- 
äussemngen der Epilepsie geseteten Gewebsverändernngen eine Lösung der Frage 
nach der Natur der epileptischen Schädlichkeit, der Art ihrer Wirkung und der 
Genese der durch sie hervorgemfenen, klinischen Erscheinungen der Epilepsie bringen 
kann, hat Yortr. die in den letzten 4 Jahren in Uchtspringe an Status epilepticns, 
„der acutesten Aeusserung der Epilepsie", Yerstorbenen einer eii^^eheuden anatomischen 
Untersoohang unterworfen. 


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1064 


Die makroskopUehen Befunde: ÄasserordenÜiche BlotftberfQUang eänuntlicher 
inneren Organe, besonders der Lungen, Leber, Mils, Kieren, in fiut allen FÜIcd; 
constant Blutaastritte in den serösen Häuten der Lunge, des Herzens, im Ben- 
mnskel und Lnngenparencbym selbst; häufig grössere blutig-angeschoppte Herde m 
fester Consistenz in den Lungen, manchmal wirkliche In&rcirungen. ln den meisten 
Fällen frische Verfettungen des Herzmuskels, der Leber und der Hiermi; fettige 
Usor und atheromatöse Veränderungen (auch bei sehr jugendlichen Individuen) an 
den Herzklappen, in der Aorta und den grösseren Ärtehenstämmoi. Oleichm&aage 
starke BlutftberfQllung des Gebims und seiner Häute mit einzelnen Extravasaten io 
der Dura, Pia und dem Bpendjm des 3. und 4. Ventrikels — nur selten bestand 
Anämie der Himsubstanz — decken aidi im grossen und ganzen mit den in der 
Litteratur veröffentlichten Obductionsbefunden bei Todesfällen im Status epilepticoB. 

Die mikroskopische üntersuchung, Ober deren Technik man die VerhandlnDg»- 
berichte nachlesen m{^, ei^b als wichtigsten Befund in allen Fällen mehr odM 
minder hochgradige, frische Veränderungen am Qefässsystem: Starke FfiUm^ der 
Capillaren und der mittleren Gefässe, Entzfindung der Gefltsswandungen, Sebwellnng 
und Wucherung der Endothelien der perivascnlären Ljmphscbeiden bis zu dmn Bilde 
lebhafter Zellinfiltration der Gefässwandung und ihrer nächsten Umgebung; in den 
erweiterten Ljmphränmen bei schneller Härtung eine homogene farblose Masse, ln 
einzelnen Fällen beginnende hyaline Entartung der ganzen Wandung kleinerer 
Gefässe. 

Des weiteren ei^b die mikroskopische Untersuchung bei fast allen Fällen aaU* 
reiche Blutaastritte in die perivasculären Bäume und das umliegende Gewebe unter 
theilweiser Zerstörung desselben von wechselnder In* und Extensität in der Binde, 
der Harkstrahlung im Himstamm (in der MeduUa oblongata, besonders unter den 
Ependym des 4. Ventrikels und im Bereich der Kerne der Himnerven), manchmal 
auch im BQckenmark. An den Ganglienzellen fanden sich in vielen Fällen schwere 
Veränderungen; bei jugendlichen Individuen abnorm grosser Pigmentgehalt der 
Zellen, nicht selten frische kleinzellige Infiltration in den periganglionären Bäomm. 

Vortr. führt dann des längeren aus, dass diese Befunde nicht nur die klinischeo 
Erscheinungen des Status epilepticus unschwer erklären, sondern auch die von 
Schröder van der Kolk beobachtete Tbatsache, dass in der Mehrzahl der secirtm 
Epileptiker chronische Gefässverändemngen in der Hedulla oblongata geftmden werdo, 
eine Beobachtung, die seiner Zeit zu der falschen Theorie von der medullären Eot* 
stehnng der Epilepsie geführt hatte. 

Betreffs der Genese der von ihm gefundenen GeAssverändemngen weist er auf 
die analogen Veränderungen in der Hirnrinde und Vedulla oblongata bei acutes 
Vergiftungen und schweren acuten Infectionskrankheiten hin und spricht im Anschloss 
an eine namentlich von den Franzosen vertretene Anschauung die Vermutung sos, 
dass die acuten Aeusserungen mancher Epilepsiefonnen die Wirkung eines jeweils im 
Körper selbst entstebeuden, das Centralnervensystem schädigenden Giftes amen, du 
wie jede chemische Noxe zunächst die Gefösse — von der einfachen Beizung and 
Hyperämie bis zu Blutaustritten in das umliegende Gewebe — und dadurch weitvhin 
die nervösen Elemente schädige. (Diese Hypothese würde auch eine Erklärung für 
das häufige Vorkommen von atheromatösen Veränderungen bei den Epileptikern selbst 
bei sehr jugendlichen Individuen geben, da man ja neuerdings immer mehr die» 
Qefässerkrankuug auf infectiöse und toxische Wirkungen zurfickfOhrt. Bel) 

Zum Schluss bezeichnet Vortr. als sicheres Resultat seiner Untersoefanngea: 

1. In den meisten Fällen von Tod nach schweren epileptischen Attaquen fioda 
sich in der Hirnrinde und MeduUa oblongata frische Geftseerkrankungen nnd Extra* 
vasate mit theilweiser Zerstörung der benachbarten nervösen Elemente. 

2. Diese Veränderungen sind, falls sie in der MeduUa oblongata liegen, in vieleo 
FäUen die directe Todesorsache, in anderen Fällen verursachen sie, je nach ihrer 


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1065 


Lage zu den betreffenden nervösen Elementen, Circnlationsstöningen und Blafcnngen 
in den grossen Eörperorganen, schädigen den Bespirationsapparai, machen transitorische 
Paresen der Extremitäten and psychische Störungen. 

Herr Hoffmann (DAsseldorf): Durch Badiographie naobgewiesene Fremd¬ 
körper als Ursache von spinaler und peripherer liähmung. (Kranken- 
Torstellong.) 

Ein 34jähr^er Mann warde vor 2 Jahren durch einen Pistolenschuss aus an¬ 
mittelbarer Nähe vom am Halse neben dem Schildknorpel verletst Die Kt^el drang 
in die Tiefe and blieb im Halse stecken. Sofort nach dem Schuss Bewusstlosigkeit 
und Lähmung aller 4 Extremitäten; nur die Finger der rechten Hand konnten ein 
wenig bewegt werden. Allmähliche Besserung zunächst der Beweglichkeit des rechten 
Armes, der nach 10 Wochen schon wieder bis zum Hunde geführt werden konnte, 
dann der beiden Beine, wobei das rechte sich schneller besserte, wie das Unke. 
Na<di einem halben Jahr konnte Patient wieder gehen. Jetzt sind rechter Arm und 
beide Beine, abgesehen von geringem Schwächegeffihl, wieder ganz in Ordnung, nur 
der Unke Arm ist noch sehr unbeweglich. 

Durch die Untersuchung lässt sich eine fast complette Lähmung der Hm. del- 
toides, sopra- und infraspinatos, ferner Schwäche in den verschiedenen Muskeln des 
Annes, besonders in den Strecfannskeln und Muskeln des Daumens feststellen. Die 
Lähmung zeigt keinen bestimmten Typus, auch fehlt überall Yeränderung der elek¬ 
trischen Eir^barkeit Störungen der Sensibilität fehlen. Die Reflexe sind erhöbt 
Durch Untersuchung mit Röntgen-Strahlen und Photographie wurde der Sitz der 
etwa erbsengroBsen Kugel im linken Wirbelb<^en des 4. Halswirbels fes^estelit, wo 
sie, da sie seit einem Jahr sich unverrückt an derselben Stelle befindet, offenbar im 
Knochen fest eingedrungen haftet 

Aus den kUnischen Symptomen muss auf eine ursprüngliche Compression des 
ganzen Rückenmarks, sei es durch die Kugel, sei es durch Bluteiguss, geschlossen 
werden. Die jetzt noch bestehenden Lähmungen müssen als Beste derselben angesehen 
werden. Nervenwurzeln scheinen nicht durchtrennt zu sein, da Entartungsreaction 
fehlt Ebenso kann mne Durchtrennung eines Theiles des Rückenmarks nicht statt- 
gefunden haben. 

Der zweite Fall betrifft einen Arbeiter, dem vor 4 Jahren beim Nietben ein 
Hammer zersplitterte. Yon einem abspringenden Stück desselben erlitt er eine 
blutige Yerletzung am Yorderarm rechts. Es trat Schwäche in der Rand ein und 
taubes Gefühl im Bereich des 4. und 5. Fingers. Trotz eiMgen Nachsuchens wurde 
seitens des Operateurs — wie in einem von seiner Hand geschriebenen Gutachten 
niedergetegt ist — kein Fremdkörper in der Wunde gefunden. Die Schwäche der 
Hand besserte sich nicht. 

Es besteht jetzt Atrophie der kleinen Handmuskeln, Schwäche der Opposition 
des Daumens, Unmöglichkeit die Finger ganz gerade zu strecken und dieselben weit 
zu spreizen. Dabei Herabsetzung aller Gefüblsqualitäten an der ulnaren Seite der 
Hand und den beiden letzten Fingern. 

Auf dem Badiogramm, wie am Leuchtscbirm sieht man 6 cm oberhalb des 
distalen Endes der Ulna einen unregelmässig geformten Schatten eines etwa pflaumen- 
kemgrossen Fremdkörpers ganz dicht der Ulna anliegen, der offenbar durch Com¬ 
pression und Yerwacbsung Ursache der Lähmung des N. ulnaris ist. (Der Vortrag 
erscheint ausführlich mit Abbildung in „Fortschritte der Böntgen-Strablen“.) 

(Autorreferat) 

Herr Mendel (Berlin): Welche Aenderung hat dsa klinische Bild der 
progreaaiven Paralyse der Irren in den letzten Deoennlen erfhhrenP (siehe 
Original-Hittheiluug 4 in dieser Nummer). 


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Ducosrion: 

Herr Stintsing (Jens) spricht die Yermnthnng ans, dass Yieileioht die snt 
Foornier häufiger und energischer dorchgefflhrte mercorielle Behandlang der SjpbUis 
einen Einfluss auf den Charakter der Paralyse ausgefibt bat, da nach eemer Er* 
fabrang die schwere Form der Syphilis nicht abgenommen hat. 

Herr Kräpelin (Heidelberg) ist der Ansicht, dass die Zunahme der Häufigkeit 
der dementen Fälle, die auch er beobachtet hat, eher eine Verschlimmerung als eine 
Milderung des Krankheitscharakters bedeutet, da bei der grossen Hasse der demeotw 
Fälle die Demenz sehr schnell einzutreten pflegt. Ueber die Hrsacbett der Zumüme 
der dementen Form der Paralyse wisseu wir nach seiner Ansicht durchaus gar nichts, 
insbesondere nichts über den Einfluss der Behandlung. Dagegen ist eine Ton ihai 
beobachtete Aenderung im Krankheitsbilde der Paralyse, die Abnahme der Hänfi^nt 
der paralytischen An^le auf die in den letzten Jahren systematisch dorchgeführte 
Bettbehandlung der Paralytiker zurfickzuführen. 

Herr Leppmanu (Berlin) hat in den letzten Jahren die Beobachtung gemacht, 
dass die Exaltation bei der Paralyse häufig in der Form der drculären Psychose 
auftritt. Ferner macht er anf die bisher nicht ^klärte Thatsache aufmerksam, dass 
in den Straf* und Gefangenen^Anstalteu die Paralyse so selten ist 

Herr Ortbmann (Grafenberg) hält es auf Grund der Geschichte der Syphilis 
und der Er&hmngen der Aerzte in den Hafenstädten (in den Tropen erworbeue 
Syphilis verläuft viel schwerer als die einheimische) nicht für ausgeschlossen, dass 
der Charakter des Syphiiisgiftes in den letzten Jahrzehnten sich geändert haben kann. 
Eine Erklärung für die behauptete Zunahme der dementen Form der Paralyse findet 
er darin, dass eine ganze Beibe von Krankheiten in den grossen Topf der Paralyse 
geworfen werden, die klinisch unter einem ähnlichen Bilde wie die demente Form d« 
Paralyse verlanfen, die aber ein ganz anderes anatonüsches Substrat haben. Br 
erinnert an die arteriosklerotische Himentartung (Binswanger, Alzheimer), die 
Encephalitis subcorticalis chronica progressiva (Binswanger), die perivasculsn 
Gliose (Alzheimer). 

Herr Mendel (Schlosswort): Hach seiner Erfahrung sind weder die paralytisdiso 
Anßlle seltener geworden, noch hat die circnläre Form eine Aenderung äfahreo, 
noch hat die vorgenommene antisyphilitische Behandlung einen Einfluss auf die eat* 
stehende Form der Paralyse. „HÜd‘* hat H. den Verlauf bei der dementen Fom 
bezeichnet gegenüber dem stürmischen Auftreten der Paralyse im maniakalischin 
Stadium. Die schnell dement werdenden Paralytiker hat er nicht erwähnt, da diese 
Form, längst bekannt nnd beschrieben, eine Aenderung gegen fküher nicht erfohrei 
hat. Die Seltenheit der Paralytiker in den Strafanstalten hat wohl seinen Grund 
darin, dass sie meist schon während der Untersuchungshaft oder in der «sten 
Zeit der Strafverbüssung als solche erkannt, den Heimathsbehörden bezw. den Imo- 
anstalten überwiesen werden. Mit den verschiedenen anatomischen Befunden bei 
dem klinischen Bilde der Paralyse lässt sich zur Zeit noch nichts anfangen, und 
muss man sich, da man während des Lebens eine specielle anatomische Diagnose 
nicht stellen kann, vorerst mit dem „grossen Topf der Paralyse'^ begnügm. 

Der Vortrag von Herrn Schrdtter jnn. (Wien): Zur Aetiologie und Patho¬ 
logie der Bogenaimten Kaissonkrankheit musste w^en vorgerückter Zeit zorflek- 
gestellt werden; er wurde am 22. September, Nachmittags, in der Abtheilong Ar 
innere Hedicin gehalten. 

An der Hand zahlreicher Abbildungen nnd Präparate tr^ Vortr. die Ergebnis» 
seiner diesbezüglichen an Hunden angestellten Untersuchungen vor. Nach plötzlicher 
Decompressioii kam es bei den Tbieren zu asphyctischen und Läbmangserscheioungeo. 
Gingen sie rasch zu Grunde, so ergab die ^ction Luftblasen (Stickstoff) im Blote. 
Einen gleichen Befund hatte er Gelegenheit beim Menschen zu erheben; in diesem 
Falle war das Herzblut dennaassen mit Luft gemischt, dass Percussion des Herzens 


InyGOOgl 


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tympanitiscben Schall gab. Gelang es, die Thiere längere Zeit am Leben zn erhalten, 
so fanden sich im BQckenmarh sowohl in der weissen wie grauen Substanz Erweichungs- 
herde, wie sie nach Qe^verstopfung durch die Anämisirung und Ischämie des be¬ 
treffenden Gebietes zu Stande kommen, aus denen durch weiteren Zerfall secundär 
theilweise Höhlen hervoi^egangen waren. Damit ßllt die Ton Leyden vertretene 
Ansicht, dass es sich bei den Höhlen um Spaltbildung im BQckenmark handelt, sowie 
die, dass die Herde das Besultat primärer Blutungen sind. 

Nachdem Yortr. dann noch an der Hand eigener wie fremder Beobachtungen 
die klinischen u. s. w. Erscheinungen der Caissonkrankheit beim Menschen besprochen 
hat, kommt er zn dem Schluss: Die sogenannte Caissonkrankheit wird dadurch 
hervoi^erufen, dass bei plötzlicher Decompression Luft aus dem Blut, die unter der 
Compression aufgesangt worden war, frei wird. Diese fährt zn LuftemboUeen in den 
EOckenmarksgefässen, die dann Nekrose der betreffenden Partieen zur Folge haben. 
BezQglich der Therapie empfiehlt Yortr. sofort die Becompression auszufOhren, ein 
Mittel, das absolut sicher sei. Er konnte bei den Hunden dadurch alle Erscheinungen 
sofort znm Schwinden bringen. Entsprechende Erfahrungen liegen auch beim 
Menschen vor. 


Sitzung vom 21. September, Nachmittags. 

Herr Böder (Heidelberg): tJeber die Anwendung einer neuen Methode 
der Untenuohung bei nervösen Erkrankungen nach tTnfall. 

Da die Anschauungen Ober die Häufigkeit und die Beurtheilung nervöser 
Storungen nach Unfall zum grossen Theil deshalb weit auseinandei^ehen, weil es 
an Methoden fehlt, ihren Werth oder Qnwerth objectiv festzustellen, veranlasste 
Yortr. eine Beobachtung des Dr. Groos (früher in Heidelberg) — G. konnte in 
einem Falle von nervöser Erkrankung nach Unfall mit körperlich nahezu negativem 
Befund mittels psychophysischer Untersncbungsmethoden (ausser anderen benutzte er 
einfache rechnerische Aufgaben: Addiren, Subtrahiren, Zählen) nachweisen, dass die 
Klagen des Kranken, die sich haoptsäcblich auf verminderte Leistung in seinem 
Geschäft nud schnelles Mödewerden bei seiner Thätigkeit bezogen, begründet waren; 
denn seine Gesammtleistnng in einer bestimmten Zeit verglichen mit der eines Ge¬ 
sunden desselben Alters und derselben socialen Stellung war auffallend niedrig, und 
zu einer Zeit, in der ein Gesunder noch keine Abnahme seiner Leistung zeigte, trat 
bei ihm eine solche dentlich zu Tage — durch weitere Anwendung dieser Methode 
in ähnlichen Fällen die Frage zu prüfen, ob und wie weit sie sich für die Unter¬ 
suchung derartiger Kranker allgemein verwerthen lässt. 

Für eine allgemeine Anwendung muss der zu benntzende Apparat möglichst 
einfach und die Aufgaben so leicht sein, dass keiner sich ihrer Lösung entziehen 
kann, unter dem Yorwande, er könne sie nicht leisten. Der Apparat bestand dem¬ 
entsprechend in Heften, in denen einstellige Zahlen in Reihen übereinander gedruckt 
waren and in einer Secundenuhr zur Beobachtung der Zeiten; die Aufgaben bestanden 
darin, dass die betreffenden Personen an mehreren anf einanderfolgenden Tagen unter 
möglichst gleichen Bedingungen hintereinander möglichst rasch von 1—100 and 100—1 
zählen, Vz Stunde addiren, fortlaufend 7 von 100 subtrahiren und schliesslich die 
Zählungen wiederholen mussten. (Empfehlenswerth ist, wie sich im Yerlanf der 
Untersuchungen heransgestellt bal^ vor das Addiren noch Subtrabireu einzuschieben.) 
Von den 7 Unfallverletzten, die er nach dieser Methode nntersnchte, konnte Yortr. 
auf Gmnd ihres Ergebnisses einen bisher als Neurose aufgefassten Fall als solchen 
ausscheiden — die weitere Untersuchung eigab dann als Ursache seines schlechten 
Allgemeinbefindens chronischen Magencatarrb in Folge Zabnmangels —, in einem 
anderen Fall, der Lues überstanden und deutliche Arteriosklerose hatte, mnsste qt 
ein non liquet anssprechen. 


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Bei den übrigen fünf aber zeigten die gewonnenen Ergebnisse, die sowohl unter 
sieb, wie mit dem bei dem Oross’sche Patienten gefandenm in weitestem Umhngt 
ftbereinstimmten: das Zählen erforderte Terhältnissmässig grosse Zeit; in der htibei 
Stunde worden wenig Additionen gerechnet, and zwar zunehmend weniger in der 
Zeiteinheit; die Sobtraetion fortlaufend 7 ?on 100 geschah langsam; das zweite Zahleo 
erfordert noch mehr Zeit als das erste; die Leistungen besserten sieh mit dw 
Wiederholung (Uebongszuwaehs) zor Evidenz, — d asR geringe Leistungsßbigheit imd 
grosse Ermüdbarkeit bei ihnen bestand. 

Um zu prüfen, ob und wie weit eine Simulation möglich ist, stellte Vortr. is 
3 Oruppen von Qeeunden ControUantersnebangen an: 

druppe 1 waren 2 Aerzte, „die einerseits die Besultate des Dr. Gross kannten, 
andererseito mit den in Betracht kommenden Prflfungsmethoden durch viel&cbee 
eigenes Experimentiren vollständig vertraut waren.“ 

Gruppe II 2 Aerzte, „denen das klinische Bild der Erkrankung geläufig war; 
Beide überlegten sich vorher den Weg, den sie einschlagen wollten, um die Täuschong 
durchzufübren.“ 

Gruppe III 2 intelligente Pfl^r, denen Vortr. möglichst eingehend beschrieb, 
„sie sollten einen Mann darstellen, der eine Rente zn erlangen sucht, unter der Be¬ 
hauptung, er könne wenig leisten und ermüde rasch.“ 

Die Ergebnisse waren folgende: 

Gmppe I gelang es ziemlich gut, sich als leicht erschöpfbar hinznstellw ood 
den UebnngBzawachs za markiren, aber nicht die Differenz zwischen Anfangs* and 
Endleistung in der Zeiteinheit nachznmachen. Die Verschlecbternng betrag bei ihnen 
150 und 60°/o gegen 15—33^/o bei den Unfallverletzten. 

Gruppe II und III vermochte nnr beim Addiren die ErmOdnng vorzntäoscba, 
aber nicht beim Zählen wie Subtrabireo and ebensowenig den Uebnngsznwacbs vor- 
zuspiegeln. 

Demnach konnte Vortr. dorch seine Untersnehnngsmetbode bei allen 6 Dach- 
weisen, dass sie zu tänseben versucht batten. 

Anf Grund dieser Ergebnisse steht Vortr. nicht an, „seine Methode als eine 
brauchbare ßereicbemng fllr die Untersuchnng Unfallskranker zu bezeichnen“ and 
ist der Ansicht, dass sie in vielen Fällen eine objective Beurtbeilung der nervösoi 
Klagen Unfallverletzter ermöglichen werde. 

Als einen nicht zu unterschätzenden Vorzug seiner Methode führt Vortr. nocli 
an, dass sie Gelegenheit giebt, den Kranken anbemerkt zn beobachten, ob die «tn 
geklagten nervösen Erscheinungen (Zittern, Schiritzen, Herzklopfen u. s. w.) beio 
Arbeiten wirklich eintreten, was sich für die Beurtheilang des in Frage stebendst 
Falles verwerthen lässt. Hierbei ist jedoch zn berücksichtigen, dass Vortr. auch bei 
den Gesunden während des Arbeitens leichte Pnlsbeschleunigung, Bothwerden nad 
motorische Unruhe auftreten sah. 

Discussion: 

Herr Gross (Alt*Scherbitz) warnt davor, derartige üntersnehnngen vorzanebnes, 
wenn man mit den einschlägigen Methoden nicht völlig vertrant sei, weil man sooft 
zu leicht Trugschlüssen ansgesetzt sei Unbedingt erforderiieh sei weiter, dass die 
betreffende Person während der Lösung der Aufgaben ständig Überwacht wode. 

Herr Kräpelin (Heidelberg) empfiehlt die Methode, und bemerkt dazu, diss 
es ja, da nach heutiger Aoffassung das Erankheitsbild bet Unfallverletsten weseotiiti 
psychisch bedingt sei, nabe liege, sie mit psychischen Methoden zn nnteisoclim 
Dies sei bisher deshalb unterblieben, weil man die Gesetzmässigkeiten anf disssD 
Gebiete nicht genügend gekannt habe. 

Herr Göbel (Bielefeld) glaubt, dass die neue Methode höchstens zur Bst* 
Scheidung der Frage, ob Krankheit oder Simnlation vorliege, nicht aber znr Be¬ 
stimmung des Grades der Erwerbsunfähigkeit zu verwerthen seL 


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Herr Kräpelin (Heidelbei^) erwidert dem Yorredner, dass die aagegebene 
üntersDchang nar die Feststellung der Ermüdbarkeit, nicht die der bernflicben 
Leistongsßbigkeit bezwecke, die von ganz anderen praktischen Qesichtsponkten ab- 
hänpg sei. 

Herr Oebecke (Bonn) verspricht sich nicht viel von der nenen Methode, da 
die Qrenze zwischen physiologischer und pathologischer Ermüdbarkeit schwer zu 
ziehen sei. 

Herr Rüder schliesst sich in seinem Schlusswort den Ansfübrungen von Gross 
nnd Kräpelin an. 


Sitzung vom 22. September, Vormittags. 

Dr. A. Schmitz (Bonn): Was haben die deutsöhen Aerzte gethan und 
was können sie thun im Kampfe gegen den Uissbrauoh geistiger Ge¬ 
tränke? 

Die Geschichte des Alkoholismus ze^ dass man zu allen Zeiten und bei allen 
Vülkem wegen der mit dem Missbrauch geistiger Getränke verbundenen Gefahren in 
g^ondheitlicher und socialer Beziehung nach Mitteln nnd Wegen gesucht hat, dem 
Missbrauch geistiger Getränke vorzubeugen. In diesem Kampf gegen den Alkoholismus 
sind die Aerzte nicht die letzten gewesen; unter ihnen war es besonders der ver¬ 
storbene Bonner Psychiater Werner Nasse, der 1876 im Verein der deutschen 
Irrenärzte zu Hamburg in seinem Vortrage: „Wie können die deutschen Irrenärzte 
zur Beseitigung des Schadens, den der Alkoholmissbrauch in unserem Volke anrichtet, 
mitwirken?“ auf die erschreckendste Zunahme der alkoholistischen Geistesstörungen 
hinwies und die deutschen Aerzte mit beweglichen Worten zum Kampf gegen den 
Alkoholismus, dies grösste Uebel der menschlichen Gesellschaft, aufrief. Das auf- 
genommene Thema liess er nicht mehr fallen, und gelang es seinen unausgesetzten 
Bemühungen endlich, im Jahre 1883 den deutschen Verein gegeu den Missbrauch 
geistiger Getränke ins Leben zu rufen. Derselbe zählt zur Zeit ungefähr 10000 Mit¬ 
glieder, unter denen sich jedoch verbältnissmässig wenig Aerzte befinden. Dies ist 
um so mehr zn bedauern, da sie in erster Linie die verwüstenden Wirkungen des 
Alkoholismus kennen lernen und vermöge ihrer Wissenschaft, in ihrem Berufe und 
in ihrer gesellschaftlichen Stellung nicht nur dazu berufen, sondern auch in der Lage 
sind, dem socialen and gesundheitlichen Eiend, welches der Missbranch geistiger 
Getränke nach sich zieht, zu steuern. Es ist daher Pflicht der Aerzte, wenn sie 
etwa die Ausgabe von 3 Mark, um Mitglied des Vereins zu werden, scheuen, wenig¬ 
stens die Bestrebungen des Vereins thatkräftig zn unterstützen. Das können sie 
einmal dadurch thun, dass sie nicht nur im eigenen häuslichen Kreise, sondern auch 
in der Gesellschaft ein gutes Beispiel der Nüchternheit and Hässigkeit geben, was 
leider heutzutage nicht immer der Fall ist, da manche Aerzte glauben, den Strapazen 
ihres Berufes am besten gewachsen zu sein, wenn sie reichlich geistige Getränke zu 
sich nehmen, and zweitens dadurch, dass sie den alten Schlendrian fahren lassen, 
ihren Kranken nicht mehr die grossen Mengen geistiger Getränke verordnen oder 
gestatten, weil nach Erfahrung des Vortr. nicht selten auf solche Weise die Kranken 
dem Alkoholismus in die Arme geführt werden. 

An der Discussion betheiligten sieb die Herren v. Muralt (Zürich), Bayer¬ 
thal (Worms), Steiner (Köln), Leppmann (Berlin), Oebecke (Bonn), Schäfer 
(Leugericb). 

V. Muralt and Bayertbal treten für totale Abstinenz ein, da sich der Begriff 
der Mässigkeit wissenschaftlich nicht definiren lasse und nnr die , totale Abstinenz 
Erfolge gegen das Trinkerelend erziele. 

Die anderen Herreu stimmen ihnen darin bei, dass Kinder keinen Alkohol be¬ 
kommen sollen, dass Trinker nur durch totale Abstinenz zu heilen sind, wenden sich 
aber entschieden gegen die Forderung der Abstinenzler; „weg mit dem Alkohol auch 


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f&r Q«SQnde“ als weit über das Ziel hinaosscbiesseQd, da der Alkohol zu den Lebens* 
reizen gehöre, und sein mässiger Genoss dem Gesunden nichts schade. 

In seinem Schlusswort schliesst sich Herr Schmitz diesen Aasführongen an, 
definirt den Begriff der Massigkeit dahin, dass jemand, der nur solche Quantitäten 
geistiger Getränke zu sich nehme, bei und nach deren Genuss er sich wohl fühle, 
mässig ZQ nennen sei und betont gegenüber v. Muralt und Bajerthal, dass der 
deutsche Verein gegen den Missbrauch geistiger Getränke in den letzten Jahren 
grosse Erfolge erzielt habe. 

Steiner (Köln): Ueber einige besondere Fälle von Hirnftbscees mit 
Seotionsbefünd. 

Vortr. giebt die Krankengeschichten und Sectionsbefunde dreier von ihm beo¬ 
bachteter Fälle von Gehimabecess und knüpft daran epikritische Bemerkungen. 

Die betreffenden Fälle sind: 

I. Sch., Schlosser, 24 Jahre, Vater f an Phthise, er selbst vor einem Jahre an 
Lungencatarrh gelitten, es wurde am 13. Hai bei der Arbeit plötzlich die rechte Hand 
lahm. Bei der Aufnahme ins Hospital am 14. Mai klagte er fl^r heftige Kopfschmerzen 
and Mattigkeit ln den Gliedern. Die Untersnchong ergab: rechtsseitige Hemiparrae 
incl. des Mundfacialis, Steigerung beider FateUarrefleze, Fussclonns rechterseits. 
Pols etwas unregelmässig 60—70 p. M., Temperatur 37,9^ Uebrige Befand normal. 
Diagnose trotz des negativen Lungenbefundes mit BOcksicht auf die Anamnese: Em¬ 
bolus an der klassischen Stelle des Gehirns, herrflhrend aus einem in der Tiefe 
sitzenden Lungenberd. In der Folge allmählich Rückgang der Erscheinungen; im 
Juni die Kopfschmerzen vollkommen, die Hemiparese bis auf eine ganz geringe 
Schwäche geschwunden. 26. Juni Wiederauftreten der Kopfschmerzen; 28. Juni, 
morgens, todt im Bett gefunden. 

Bei der Section fand sich im Gehirn eine das ganze hintere Drittel der linken 
Hemisphäre einnehmende Höhle mit klarem, dünnflüssigem, nicht riechendem Eiter; 
in der rechten Lunge ein etwa kirschgrosser Eiterherd, in seiner Nachbarschaft 
eine alte Narbe und sonst nichts Pathologisches. 

II. Frau S., 50 Jahre alt, keine Erblichkeit, 1894 Fall auf den Binterkopf, sei: 
Mitte November 1896 intensive Kopfschmerzen. Ende November linksseitige Hemi¬ 
parese incl. des Mundfacialis. Bauschen im Kopf, Glockengeläute im rechten Ohr, 
ab und zu Erbrechen. 

Erste Untersuchung durch Vortr. am 9. December 1896: Starke Kopfschm«T«3x 
rechts mehr wie links. Drockempfindlichkeit der Höhe des Kopfes, des Kacken, 
beider Occipitalnerveu, der Rflckenwirbelsäule zwischen den Schulterblättern und des 
Kreuzes. Linksseitige Hemiparese, im übrigen normaler Befund. Diagnose mit 
Rücksicht auf den Fall vor 2 Jahren: Himabscess in der Gegend der inneren Kapsel. 
Daneben bestand zugleich Hysterie. Im Hospital schneller Nachlass der BescBweH^ 
so dass Pat. knrz vor Weihnachten entlassen werden konnte. Bei einer Untersuchung 
nm 11. Februar 1897 war von allen Erscheinungen nur noch eine unbedeoteude 
Schwäche links vorhanden. Diagnose: Hysterie, kein Äbscess. 

3 Wochen darauf Fractur des linken Oberschenkels. Als Vortr. sie 14 Tag? 
später sah, waren die heftigen Kopfschmerzen und das Erbrechen wiedergekehk 
Der linke Arm stand in Beugecontractur, ab und zu Incontinentia urinae. Pols 120. 
Keine Temperatarsteigerung. Fat. lamentirte sehr viel. Diagnose: Organisch? 
Affection des Gehirns, wahrscheinlich Abscess. 

In der nächsten Woche kam Incontinentia alvi hinzu. Von Anfang April an 
wurde Fat. ruhiger, lamentirte nicht mehr so viel und gab auf Fragen nicht immer 
Antwort. Ende April doppelseitige Stauungspapille, Puls 152, ziemliche Apathie. 

Unter Zunahme aller Erscheinungen Exitus Ende Juni. Die Section, die sich 
auf den Kopf beschränken musste, ergab, dass das hintere Drittel der rechten Him- 


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hemisphäre in eine scbmierige, käsige Masse verwandelt war, in deren vorderem, 
inneren Winkel sich ein vollkommen runder, brannrotber, harter, kirscbgrosser Körper 
mit eitrigem Inhalt fand. 

III. S., Postanterbeamter. 33 Jahre alt Knde October Ohrenschmerzen und 
Schwerhörigkeit auf dem linken Ohr, kein Aosflnss. Nach Paracentese des Trommel« 
felis schwanden die Schmerzen, aber nicht die Schwerhörigkeit. Am 3. December 
intensive Kopfschmerzen, an den folgenden Tagen ausserdem GefQhl von Benommen¬ 
heit, Schirindel und Erbrechen. Bei der Aufnahme ins Hospital am 7. December 
leicht benommen, starke rechtsseitige Kopfschmerzen. Abgesehen von schwacher 
Fupillenreaction fiel die Untersuchung, auch die des linken Ohres und Warzen- 
fortsatzee, sowie eine Lumbalpunction am 12. December absolut negativ aus. Am 
13. December Njstagmus, Parese des linken Armes und Beines — die Parese war eine 
Schwäche und zugleich eine Ataxie —, Patellarrefiez beiderseits schwach. An einem 
der nächsten Tage linke Fnpille > als rechts, Strabismus convergens links. Am 
24. December plötzlicher Exitus. Bei der Section fand sich ein Abscess, der die 
ganze linke Kleinhimhemisphäre einnahm; ferner ein Thrombus im linken Sinns 
transversus nnd ganz leichte Caries des linken Felsenbeins. 

Discussion: 

Herr Nonne (Hamburg) berichtet Ober zwei interessante Fälle von Hirntumor. 

I. Bei einer jungen Frau mit doppelseitiger Otorrboe traten cerebrale Allgemein- 
sjmptome auf. Da der linke Warzenfortsatz druckempfindlich war, wurde er eröfhiet, 
aber weder hier, noch in dem sodann aufgemeisselten rechten Warzenfortsatz Eiter 
gefunden. Unter Zunahme der Allgemeinsjmptome in den nächsten 3 Tagen rechts¬ 
seitige Convulsionen mit nachfolgender Hemiparese. Trepanation auf den linken 
Temporallappen gerichtet. Probepnnction ei^b nnr Hydrocephalns internus. Exitus 
eine Woche nach der Operation. Seetionsbefund: Doppelseitige eitrige Otitis media, 
h&bnereigrosser Tumor (Gliosarcom) dicht nach aussen von der linken inneren Kapsel, 
Dirgends Meningitis oder Abscess. 

n. ln dem zweiten Falle trat ln vollem Wohlsein plötzlich eine typische rechts¬ 
seitige apoplectiscbe Hemiplegie mit leichter atactischer Aphasie ein. Bäckgang 
aller Erscheinungen bis auf unbedeutende Beste. Nach einigen Wochen neue apo- 
plectische Attaque, Exitus. Niemals Stauungspapille, ganz kurz vor dem Tode 
leichte Pnlsverl^gsamung. Seetionsbefund: Weicher Tumor im linken Frontallappeu. 

Herr Oestreicher (Nieder-Schönhausen) fragt Yortr., ob in Fall II der Inhalt 
des kirscl^rossen Abscesses auf Tuberkelbacilleu untersucht sei. 

Herr Steiner erwidert, dass dies aus äusseren Gründen nicht möglich ge¬ 
wesen sei 

Herr Orthmann (Grafenberg): Ueber Geisteastörozigeii bei Arteriosklerose. 

Yortr. schildert und bespricht zunächst die von Yoisin, Ffirstner, Bins- 
wanger, Alzheimer, Beyer bei Arteriosklerose beobachteten psychischen Krank- 
hüitsbilder, die auch ihm nicht selten zu Gesicht gekommen sind. Während es sich 
aber in den von ihnen veröffentlichten Fällen um Leute, die im reifen Alter, an der 
Grenze des Greisenalters, oder im Greisenalter selbst standen, bandelte, batte Yortr. 
mehrfach Gelegenheit eine durch Arteriosklerose hervorgerufene Geistesstörung bei 
Individuen Ende der zwanziger und Anfang der dreissiger Jahre zu beobachten. Der 
Verlauf in seinen Fällen war folgender: 

Nachdem kürzere oder längere Zeit Kopfschmerzen, Kopfdruck, Neigung zu 
Schwindel, Gefühl von Beklemmung in der Herzgegend, Herzklopfen, Frieren und 
fliegende Hitzeerscheinungen, die seiteus der Angehörigen bei Erhebung der Anam¬ 
nese als schleichendes Nerven- oder Wechselfieber bezeichnet wurden, vorangegangen 
sind, treten plötzlich Erregungszustände ein, in denen die Kranken unter den Zeichen 
grosser Angst laut schreiend umherlaufen, sich mit den Fäusten gegen den Kopf 


Dig ti/cn'i 


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schufen, die Haare raufen, mit dem Kopf g^n die Wand reimeD, sich uf der 
Erde beromwälzen, in den Boden za beiseen Tersuchen n. 8. w., Selbetmordversuebe 
macben, gevaltth&tig gegen ihre Umgebung werden, Qberbanpt ^ Bild ToUkommener 
Verworrenbeit nnd Deeorientirnng bieten. Das Gesicht ist stark geröthet, mit 
klebrigem Scbweiss bedeckt, die Uerztb&tigkeit colossal gesteigert, der erste Mitralton 
nicht selten unrein, der Puls sehr bescbleonigt» bis zu 140 Schien in der Hinute, 
in jeder Beziehung ■ unregelmässig, manchmal nicht zählbar. Dieser Zustand geht 
das erste Mal gewöhnlich ziemlich schnell vorüber, die Herzthätigkeit beruhigt sich, 
der Puls wird regelmässig, die motorische Unrnhe lässt nach, die Angst schwindet 
und das Bewusstsein kehrt zurück. Für das, was sie während eines derartigen An* 
falles gemacht, haben die Kranken nur eine summarische Ermnerung. Entstehnng 
und Verlauf schildern intelligentere Kranke etwa folgendermaassen: Mitten in ihrer 
Thätigkeit sei plötzlich — manchmal unter Frieren — ein Gefühl von grosser Be¬ 
klemmung in der Herzgrube aufgetreten — häufig mit heft^em, stechendem Sdimerz 
an der gleichen Stelle verbunden —, ein Gefühl, als ob das Herz aufhöre in 
schlagen und sie im nächsten Augenblick sterben müssten. Dann habe sie eine 
furchtbare Angst Überfallen, die sich gar nicht beschreiben lasse, dass sie nicht aoe 
noch ein gewusst Dazu seien massenhafte Gehörstäuschungen schreckhaften Inhalts 
gekommen; schliesslich seien sie ganz verwirrt geworden und hätten nicht mehr ge¬ 
wusst, was sie getban. ÄUmählicb habe dann die Angst nachgelassen, die Stimmen 
seien weniger geworden und schliesslich ganz ausgeblieben. Nach BOckkehr des 
Bewusstseins sei es ihnen gewesen, als ob sie aus einem wüsten Traum aufgewacbt 
seien und hätten sich an allen Gliedern wie zerschlagen gefühlt. 

Bei der körperlichen Untersuchung dieser Kranken fand Vortr. beginnendmi 
Arcus corneae, geschlängelte Temporalarterien, einen barten, gespannten Puls, starr- 
wandige Cubitalarterien, die Herztöne sind rein, die zweiten klappend, mit metallischem 
Anklang, der Spitzenstoss hebend. 

Derartige Anfälle kehrten nun in kürzeren oder längeren Zwiscbenräumui, io 
denen die Kranken bei klarem Bewusstsein waren, wieder, die damit verbundene Be¬ 
wusstseinsstörung hielt immer länger an und schliesslich entwickelte sich entweder 
ein paranoischer Zustand mit massenhaften Hallncinationen und mit vorwiegend Vw- 
folgungsideeen, oder es resultirte ein geistiger Scbwäcbezustaod. 

Die geschilderte Form der Geistesstörung zeigt grosse Uebereinstimmang mit 
der von Ffirstner beschriebenen, durch Arteriosklerose bedingten Geistesskörung du 
Seniums, nur dass bei ihr die Prognose absolut ungünstig war, während von des 
Fürstner'schen Kranken über 50*’/^ genasen, nnd ist Vortr. der Ansicht, dass sie 
durch die bestehende Arteriosklerose bedingt und für sie charakteristisch ist Br 
weist dann noch kurz auf die gerichtsärztlicbe Bedeutung der geschilderten Anfälle 
hin, da er es nicht für au^eschlossen hält, dass sie auch isolirt bleiben köniMD, 
wenn bald genügende Compensation seitens des Herzens eintritt nnd spridit die 
Vermuthung aus, dass eine nicht geringe Zahl der als Mama oder Melancholiz 
traositoria beschriebenen Fälle wohl hierhin gehören. Orthmann (Qrafenberg). 


IV. Personalien. 

Herr Prof. Dr. Obersteiner in Wien wurde zum ordentlichen Professor für Phjiw- 
logie und Pathologie des CeDtralnervensysteinB eraannt. 

Unser verehrter Mitarbeiter Herr Dr. Samuel (Stettin) bat die Leitung der Wawr- 
heilanstalt Eckerberg bei Stettin übernommen. 

Um Einsendung von Separatabdrücken an den Heranageber wird geb^ea. 

Einsendungen für die Bedaction sind zn richten an Prof. Dr. E.Uendel, 
Berlin, NW. Sebiffbauerdamm 18. 

Verlag von Vbit Comp, in Leipzig. — Druck von Mbtsobb & Wittio io Leipzig. 


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Heilanstalt für Nervenkranke 

(früher Sanitatsrath Dr. Blndseil) 

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1/1. TTdlUd, Dr. Binswanger in Jens. 


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gegründet ton San.-£ath Dr. Richter. 

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Professor Dr. E. Mendel _ . 

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lÄ Boehhandlangen des ln* and Auslandes, die Postanstalten des Deutschen Reichs, 
sowie direct von der Verlagsbachhandlong. 


1898. 


1. December. 

Leipzig, 

Verlag von Veit & Comp. 
1898. 


Nr. 23. 


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1898. 1. Deoember. Nr. 23. 


Inhaltt I. Orlfllnalmitthellzngsn. 1. Der Alkohol in Irrenanstalten, von Dr. Hugo 
Hoppe (Allenberg). 2. Sin Beitrag znr Eenntni** der Bemhardt’scben Sendbilitätsstörang, 
Tun Dr. WoelslaM von NariowtU, Nerrenaizt in Kraluui. 

H. Rofortl*. Anatomie. 1. A new Niasl Uethod, b; Lord* 2. Znr Anatomie nnd 
Physiologie des Phrenionskems, von KohnsUfflm. — Experimentelle Physiologie. 
8. Beiträge znr Physiologie des Centrslnerrensystems. I. Die sc^nannte Hypnose der 
'niiere, von Vorwem. — Patbologisehe Anatomie. 4. Contribations to tbe stndy of 
some of the afferent and efferent tracts in tbe spinal cord, by Rüssel. 5. Unilateral des* 
oending atrophy of the fiUet, areiform flbres and posterior oolnmn nnelei resnlting from an 
ezperimmital Irnion in the monkey. by Mott. 6. 'ne cerebral eortioal ceU nnder the inflnenoe 
of Misonons doe^ of potossii bromidam. by Wrlght. 7. 'The morbid anatomy in a oase of 
lead paralysis; condition of the nerree, mnscles, mnscle spindles and spinal cord, by Laslett 
and Warrln|toii. 8. Les malformations oräniennes ohez les häddo*8yphilitiqne8, par Fonrnler. — 
Pathologie des NerTensystems. 9. Beitrag znr sogenannten Pseodopsmysis hereditär* 
syphilitisäker Sänglinge, von Zappsrt. 10. Cerebral syphilis with wide spread involTment 
of tbe ontnial nerves, by Protton. 11. Lagophtbalmns im Schlafe bei vollständi^m Lid* 
smnsse im wachen Ziutande als Tbeilb^nd multipler HimDerrenlähmang in Fol^ 
luetischer Baealmeningitis, von Hanke. 12. Contribnto allo stndio clinico ed anatomico deUa 
meningite nfilitiea cerebro-spinale, per Qlannnll. 18. lieber die Besiehnngen der Qlykosnrie 
and des Diabetes mellitns zur Syphilis, von Manohot. 14. Zur liSbre von der syphilitischen 
Bpinalparalyse (Erb), von Pick. 15. Over syphilitische spinaalparalyse. door Mnskeus. 
16. Nenrosen in Fo^^e von Syphilis, von DomblUb. 17. Uebw die chinrgische Bebandlnng 
der Himsyphili^ von Friodll^or und $cliloslngsr. 18. Osserraziom clinicbe tendenti a 
dimonstrare l’esistenza di fibre assodative tra il nervo facciale e il nervo oculo*motore comune 
del medesimo lato, per Nsgro. 19. An unoanal form of facial paralysis, hy Moltone. 
20. Diplegia facialis, per Siidnik. 21. Herpes zoster mit gleichzeitiger Faoialisläbmung, von 
Sratsmann. 22. Ün cas de paralysie &ciale p6riph4rique dite rbumatismale ou „a fngore“ 
suivi d'autopsie, par Oijdrioo et Tbaokari. 28. Interpretation d’nn phenombne rdcemment 
ddcrit dans la panlysie fociale pdripherique, par Campos. 24. Das Cn. Bell'sche Phänomen 
bei peripherischer Fadalislähmung, von Bernhardt. 25. Ist das sogen. Beli’sche Phänomen 
ein ^ die Lähmung des N. faciaUs pathognomonisobet Symptom? von KBstor. 26. üeber 
SensibilitätBstbrungen bei rheumatischer FaciaUslähmung, von Adler. 27. KUoische Stadien 
über die Qeschmackslähmungen darch Zerstbrnng der Chorda tympani und des Plezos 
tympanieos, von Schliehttng. — Psychiatrie. 28. Die Onanie im Kindesalter, von 
gchmucklor. 29. Das Wesen der Paranoia-Yerrficktheit, von Breslor. 

I|l. Ans den Bosollochzfton. Berliner Qesellschaft fOr Psycbiatne upd Nervenkrank* 
beiten. — IV. Versammlong mitteldentscber Psychiater nnd Neurologen in Dresden am 
22. und 23.'October 1898. 


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I. Originalmittheilungen. 


1. Der Alkohol in Irrenanstalten.' 

Von Dr. Hugo Hoppe (AUenbeig). 

Der Alkohol gehört seiner Wirkung nach dgentlich zn den Narkotios und 
wird in manchen Anstalten auch als solches verwendet. Ich habe über den 
Alkohol als Schlafmittel keine Erfabmi^n. Wenn er in dieser Beziehung und 
bei gewissen melancholischen Zuständen einen Werth besitzt, was ich durchaas 
nicht bestreiten will, so gehört er ebenso wie in seiner Eigenschaft als Analep- 
ticnm in die Anstaltsapotheke. Ich will aber über den Werth des Alkohols 
als Heilmittel hier nicht reden. Ich will hier nur die Frage erörtern: Hat der 
Alkohol als tägliches Genussmittel für Geisteskranke eine Berechtigung? Ist 
derselbe hier als solches zweckmässig oder gar nothwendig? Man mag die 
Zweckmässigkeit und Unentbehrlichkeit des Alkohols als tägliches Gennssmittel 
für normale Menschen zugeben. Gilt das dann in derselben Weise audi iur 
die Insassen der Irrenanstalten? 

Sehen wir uns einmal die Kategorieen von Kranken, welche unsere Irren¬ 
anstalten bevölkern, genauer an. Da bilden, wenigstens unter den männlichen 
Kranken, die hier vorzugsweise in Betracht kommen, die Trinker einen ganz erheb¬ 
lichen Procentsatz. Nach den Veröffentlichungen des E^aiserl Gesundheitsamtes 
litten von 82068 Geisteskranken, die von 1886—1889 in öffentliche und private 
preussische Irrenanstalten kamen, 3531 ss lio/^ allein an Del trem. (1895 sogar 
12,6°/o), und von allen den Geistesstörungen bei Männern, bei denen nberbaapt 
eine Krankheitsursache ermittelt werden konnte, bildeten die durch Alkohol¬ 
missbrauch entstandenen 1886: 34°/o, 1887: 36°/^ und 1880: 40°/^. Besonders 
gross ist die Procentzahl der Trinker in den städtischen Anstalten, ln der 
Königl. Chsritö zu Berlin wurden von 1889—1891: 4784 Geisteskranke ern- 
geliefert, von denen 2660 =2 45^/^, durch Trunk erkrankt waren. 1893 hstt^ 
die Stadt Berlin 4398 Geisteskranke in Anstalten untei^bracht, darunter vraren 
g^en 50^/o notorische Trinker. 1895—96 bildeten in Herzberge die Trinker 
46,4 der männlichen Aufnahmen. In der städtischen Irrenanstalt zu Dresdeo 
litten 1892: 32,4“/^, 1893: 32®/o und 1894: 30,4®/(, der Männer an Trinker- 
p^chosen, und unter 1900 von 1889—1894 verpfl^:ton geisteskranken Männern 
litten 500 s: 26,3*’/o an Geistesstörungen, die lediglich durch Trunk bedingt 
waren. Rechnet man aber auch die Fälle, welche die Trunksucht im Verein 
mit anderen Einflüssen die Geisteskrankheit nachweislich verursacht haben, so 
kommen im Jahre 1894 bei den Männern 56,2'’/o und bei den Frauen litVjt 


‘ Nach einem Vortrage aof der JafaresverBammlung dee Vereine deutscher Irrenänte 
zu UannoTer am 19. September 1697. 



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1076 


anf Bechoang des Alkohols. — Aber auch in den ländlichen Anstalten ist die 
Anzahl der Trinker noch immer gross genug, ln üokermünde zählte Kkeoht 
von 1890—1895 unter 279 MännerauOiahmen 77 = 27,6®/(„ bei denen Trunk¬ 
sucht die Krankheitsursache war. Stabk fand in Stephansfeld 29,4"/o Potatoren 
unter den aufgenommenen Männern. In Alt-Scherbitz war 1896 der Trunk bei 
24,3^0 (iei* Männer die Ursache der Geistesstörung, in Hildesheim 1895—96 
bei 20“/ß, in Neustadt W./Pr. in demselben Jahre bei 20,5®/o. Nach meinen 
Berechnungen bUden die Potatoren in Allenberg ca. 85 der geisteskranken 
Männer. Vom 1. Januar bis Ende August 1897 waren unter 62 Männern, die 
zur Äufhahme kamen, nicht weniger als 31, also genau die Hälfte, Gewohn¬ 
heitstrinker.^ Für ganz Deutschland berechnen Stabk sowie Jollt die Zahl der 
durch Trunk geisteskrank gewordenen Männer im Durchschnitt auf 257o> und 
es ist sicher eher zu niedrig als zu hoch gegriffen, wenn man annimmt, dass 
die Potatoren den vierten Theil der männlichen Anstaltsinsassen bilden. Im All¬ 
gemeinen sind jetzt wohl Alle darüber einig, dass Trinker nur durch völlige 
Abstinenz geheilt werden können, und dass bei den in Folge des Trunkes geistes¬ 
krank gewordenen Irren die völlige Entziehung des krank machenden Agens, 
des Alkohols, den obersten Grundsatz der Behandlung bilden muss. So lange 
sie in der Anstalt sind, müssen sie abstinent leben, und es ist ärztliche Pflicht, 
wenigstens den Versuch zu machen, sie dadurch zu dauernder Abstinenz zu 
erziehen. Der vierte Theil unserer männlichen Anstaltsinsassen muss also vom 
Alkohol fern gehalten werden, weil sie durch Alkohol krank geworden sind. 

Dazu kommen aber noch mehrere andere Erankenkategorieen, für die er- 
fabmngsgemäss der Alkohol durchaus schädlich ist. Dabin gehören in erster 
Linie die Epileptiker. ‘ Nach den in dem Jahresbericht der Irrenanst^t Neu¬ 
stadt in Westpr. angegebenen Daten über die Jahre 1883—1896 bildeten die 
männlichen Epileptiker 7,8 aller Männeraufioahmen (bei den Frauen etwas 
weniger, 7,6°/o). In Allenberg bilden die Epileptiker augenblicklich 7®/o des 
Bestandes. In Herzberge waren 1895—96 unter den männlichen Aufnahmen 
Epileptiker. Nach der im Jahre 1891 erschienenen amtlichen Statistik 
über die preussischen Irrenanstalten berechnet sich in denselben die Procentzahl 
der männlichen Epileptiker in den Jahren 1880—1888 auf 10 —ll°/j, des Be¬ 
standes und auf 7 —des Zuganges; 1895 betrug sie 9,7 des Zuganges. 
Man wird also annehmen dürfen, dass die Epileptiker im Durchschnitt ungefähr 
10°Iq der Anstaltsinsassen bilden. 


* Im g&nzen Jahre 1897 worden 107 Männer anfgenommen, von dicaen waren 49=45,8*/, 
Potatoren. Im Jahre 1896 waren unter 134 Hänner-Aafnahmen 48=85,87o Potatoren. AU 
lediglich dorch 'I'mnk bedingt nmssten 18*/, der OeUteestörongen gelten. 

* cf. K&azPBLiN, Psychiatrie. 5, Aofl. 1896. S. 726: Von ganz besonderer Wichtig¬ 
keit ist die dauernde und vollständige Enthaltsamkeit gegenfiber dem Alkohol 
auch in jenen Fällen, in denen es sich nicht um eine eigentliche Alkoholepilepsie handelt. 
Jeder Epileptiker ist in höherem oder geringerem Orade intolerant gegen Alkohol und ist, 
wie ich glauben muss, dazu disponirt, durch denselben in schwerere geistige Störung zu 
verfallen, sich selbst und Anderen in höherem Grade gefihrlich zu werden. 

68 * 


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1076 


Der ungünstige Einfluss alkoholischer Getränke auf eine w^tere grosse 
Krankengruppe, die Paralytiker, düi^ ebenfalls allgemein anerkannt sein. Uao 
madit fortwährend die Erfahrung, (l aw Paralytiker keine Alcoholica Tertr^m 
und dass oft schon nach ganz geringen Alkoholmengen Goi^estionen, Sdiwindel* 
anfalle, stärkere Sprachstörungen und Ataxien eintreten. In AUenbe^ leiden 
die Paralytiker bei den Männern augenblicklich lO^/g des Bestandes, in Nra- 
Stadt bildeten sie 1893—96 22,3 des Zuganges, in Heizberge 1895—96 
16,1% des Zuganges und 16% des Bestandes, in allen prenssisc^n Irren¬ 
anstalten in den Jahren von 1880—88 in steigender pK^ression 15—19% 
des Zuganges und 7—8^0 des Bestandes. Nach der preussischen Statistik für 
das Jahr 1896 waren 18,4% der Männeraufnahmen Paralytiker. Nimmt man 
dazu die sowohl in anderen Beziehungen als auch hinsichtlich der Besistem 
gegen Alkohol in dieselbe Categorie gehörigen Fälle mit oiganischen Himleideo, 
Hirntumoren, Himlues, senilen Himveränderungen, so kann man im Duitdischnitt 
mindestens auf diese Kranken rechnen. 

Idiotie und Imbecillität wird man, meine ich, auch für Erankhaitsfonna 
erachten, bei denen Alcoholica wenig angebracht sind; Imbeoille nammitlicb 
vertr^n alkoholische Getränke gewöhnlich sehr schlecht In Neustadt bildete 
diese Categorie 1883—96 10% des Zuganges, in Herzberge April 1895 14^1^ 
und April 1896 13 des Bestandes, nach der preussischen Statistik in d» 
preussisdien Irrenanstalten von 1880—88 18,37o Bestandes und 9% 
Zuganges, 1895 11,1 des Zuganges (bei den Frauen lO^/^). Man wird daher 
wohl im Durchschnitt 13 7o ^ Gruppe rechnen können. 

Wenn ich ganz von den tobsüchtig erregten und verwirrten Kranken ab¬ 
sehe, bei denen maTi doch sicher Alkohol für nicht indidrt halten wird, so ist 
schliesslich noch die Gruppe der Periodiker zu erwähnen, welche wenigstens naeb 
meinen Erfahrungen g^n Alcoholica wenig tolerant sind. Oft genug schliesss 
sich bei diesen Eianken ein Anfall direct an einen kleinen Ezcess. So habe kdz 
bei einem Periodicus, der viele Jahre lang von AnßÜlen verschont geblieben war, 
auf das Stiftungsfest, hei dem er viel Bier getrunken hatte, einen heftigen Er- 
regnngsanfall folgen sehen, der sich seitdem alle Jahre 2 oder 3 Mal wiederboh 
hat Ueher die Zahl der Periodiker findet sich leider in den Anstaltsberichtn 
und sonst wenig verwerthbares Material, ln Allenberg beträgt augenblicklicä 
die Ziüil der Periodiker bei den Männern 4,5 7o- haben aber schon viel mehr 
gehabt. Im Durchschnitt wird man wohl die Zahl mindestens auf 5 7o vena- 
schlagen dürfen. 

Von den letzten Categorieen, den Epilektikem, Paralytikern, Idioten und 
Periodikern, die zusammen ungeßhr 437o Kranken bilden, redme ich aber 
noch 10°/o ah, da ich annehmen will, dass der vierte Tbeil von ihnen ni deo 
Trinkern gehört und bei denselben bereits in Rechnung gekommoi ist Wir 
hätten mit den 25 der Alkoholiker zusammen also mindestens 56 oder & 
grössere Hälfte unter den männlichen Kranken, welche keine alkoholischen Ge¬ 
tränke geniessen dürfen. (Bei den Frauen dürfte sich die Zahl am 20— 25*;^ 
ermässigen, da Alkoholiker und Paralytiker unter ihnen selten sind.) Ob der 


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Alkohol den übrigen 44^0, welche sich yorzugsweise aus Paranoikern und 
obronisch yerwirrten Kranken znsammensetzen, dienlich ist, will ich dahingestellt 
sein lassen. Aber angenommen selbst, dass er für alle diese harmlos und un¬ 
schädlich ist — wird man es als zweckmässig bezeichnen können, in Irren¬ 
anstalten der kleineren Hälfte w^en den Alkohol als r^lmässiges Genussmittel 
zu verabreichen, oder dürfte es nicht rationeller sein, der grösseren Hälfte wegen, 
die keine Alcoholica bekommen darf, dieselben yoUständig aus den Irrenanstalten 
zu verbannen? Und muss dies nicht schon der 25 *’/q Alkoholiker w^n ge¬ 
schehen, die in der Anstalt zur Abstinenz erzogen werden sollen? Dass aber 
an eine strenge Durchführung der Abstinenz nicht zu denken ist, wenn der 
Trinker mitten unter Kranken lebt, welche täglich ihre alkoholischen Getränke 
bekommen, liegt klar auf der Hand, und darüber wird sich auch Niemand einer 
Dloaiott hingeben. In dem letzten Jahresbericht yon Wuhlgarten bei Berlin 
heisst es: „Ein massiger Genuss ist selbst in der Anstalt nicht zu gewährleisten. 
Trotz der peinlichsten Aufeicht war es imm erhin einzelnen Kranken, so lange 
Bier zur ^köstigung gewährt wurde, möglich, durch Zusammentragen und 
Tauschgeschäfte sich reichlichere Mengen als die jedem Einzelnen zagescluiebenen 
zu verschaffen; ja selbst das Wartepersonal missbrauchte sein ihm gewährtes Bier 
zur Belohnung för Dienstleistungen an Kranke, und dadurch wurde manche 
Verschlechterung im Befinden letzterer hervoigerufen und befördert“ 

Nun bat man in einzelnen Irrenanstalten in neuerer Zeit zu dem Aasweg 
gegriffen, besondere Trinkerabtheilungen einzurichten, von welchen alle alkoho¬ 
lischen Getränke femgebalten werden. Dass auch das Wartepersonal auf solchen 
Abtbeilungen dann abstinent leben muss, ist selbstverständlich. Wie Möiu in 
seiner Broschüre: „Die Irrenanstalt Heizberge“ berichtet, hat er in Herzbeige 
zwei solcher Häuser für Trinker eingerichtet, die in Kranken und Personal ab¬ 
stinent gehalten werden. Mir will es jedoch nicht besonders zweckmässig 
scheänen, die Trinker, welche zum grossen Theil aus den degenerirtesten und 
unangenehmsten Elementen bestehen, alle auf eine Abtheilung zusammenzulegen 
(ganz abgesehen davon, dass man dieselben bei Err^fungszuständen doch wieder 
auf andere Abtheilungen bringen muss). Bel der UnverträgUobkeit, Unzufrieden¬ 
heit und Nöigelsnoht der Trinker, bei ihrer Ne^ng zum Räsonniren, Hetzen, 
Intriguiren und Komplottiren kommt mir die Anhäufung der Trinker auf ein oder 
zwei grossen Abtheiluugen bedenklich vor. Mir wenigstens hat sich die mög¬ 
lichste Auseinanderlegung gewisser Elemente unter den Trinkern als eine Noth- 
wendigkeit erwiesen. Bei den meisten Irrenanstalten kommt noch dazu, dass 
sie mehrere Klassen von Kranken verpflegen. Es müssten also für die Pensionäre 
und für die Kranken der gewöhnliohen Stände besondere Trinkerabtheilungen 
eingerichtet werden, und dieser Abtheilungen müsste es für jeden der beiden 
Stände mehrere geben, um eine genügende Sonderung der Elemente vrie bei den 
übr^en Geisteskranken zu ermöglichen. 

Aber selbst, wenn man über solche Trinkerabtheilungen verfügt, so ist 
damit doch nicht die gänzliche Abstinenz der in denselben unteigebrachten 
Trinker gewährleistet, da sich, wie die Verhältnisse in den Irrenanstalten li^en, 


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eine vollkommene Abschliessung derselben von den übrige Ermiken der Anstatt 
nicht durchfuhren lässt Bei den mannigfaltigen Arbeiten kommen die Kranken 
aller Categorieen doch überall zusammen. Nun nehmen manche Kranke ihr 
FrübstQcksbier mit in die Werkstätten, die Handwerksmeister trinken auch ihr 
Bier bei der Arbeit Bei den Feldarbeiten wird den Kranken in Allenberg 
sogar während der Erntezeit das Bier hinaus auä Feld gebracht Wie kann 
man da die Trinker vom Bier femhalten, wenn man nicht gerade für dieselben 
besondere Werkstätten mit besonderen abstinenten Werkmeistern einrichtet and 
ihnen bei den Garten- xmd Feldarbeiten besondere Arbeitsterrains zuweist, wo 
sie unter abstinenten Wärtern arbeiten. Das hieese aber in der Irrenanstalt 
eine streng gesonderte, womöglich durch einen hohen Zaun abzutrenneode 
Trinkeranstalt errichten. 

Den vollen Zweck erfüllen also die Tiinkerabtheilungen in IrrenanstalteD 
sicher nicht, immerhin nähern sie sich diesem Zwecke. Bei den gewöhnlidieii 
Verhältnissen, wo wie in Allenbei^ die Trinker auf den verschiedensten Ab¬ 
theilungen mit anderen Kranken Zusammenleben, ist an eine Durchfuhmi^ der 
Abstinenz erst recht nicht zu denken. Ich erstrebe dieselbe wenigstens, indem 
ich den Potatoren Milch statt Bier verschreibe. Kann ich aber verhüten, dass 
dieselben sich nicht Bier, vielleicht auch in grösseren Mengen von ihimi Mit¬ 
kranken verschaffen, von denen sie es gegen Lebensmittel, Cigarren oder Ge- 
ßlligkeiten anstausohen? Dabei habe ich beständig mit der bei jeder Gelegenheit 
sich kundgebenden Unzufriedenheit der Trinker zu kämpfen, dass ihnen das 
Bier entzogen wird, während es alle Kranken um sie herum bekommen. Sie 
sollen gegen die übrigen Kranken zurückgesetzt werden, denen sie sich geistig 
und z. Th. nicht mit Unrecht bedeutend überlegen fühlen; sie, die früher soviel 
getrunken, sollen nicht mehr das Bier vertragen können, das doch den Geistes¬ 
schwachen und den Schwerkranken in ihrer Umgebung gestattet wird! Das 
können die meisten nicht verstehen, soviel mRn es ihnen auch klarzul^en sucht 
Ebenso bringen die Epileptiker, die Paralytiker und andere Kranke, welche kein 
Bier erhalten, ihren Missmuth und Aerger darüber allenthalben zum Ausdruck 
Alle sind sie unzufrieden, räsonniren, stellen gelegentlich die Arbeit ein und 
suchen auch andere von der Arbeit zurückzuhalten. 

Besonders fühlbar aber machen sich die Schwierigkeiten bei den Anstalts¬ 
festen, wo wenigstens bei den Männern Bier in grösseren Mengen fliessen mii^ 
Dabei kommt es stets, da man die Zügel der Disciplin, um die allgemeiue 
Festesfreude nicht zu stören, nicht so straff ziehen will, bei emzelnen Krankeo 
zu Eicessen. Auch die übrigen trinken meist mehr, als ihnen gut ist, was um 
so bedenklicher ist, als sie an grössere Quantitäten nicht gewöhnt sind. Irii 
habe bereits oben erwähnt, dass bei einem Feriodioos die Anfalle, welche Jahre 
lang ansgeblieben waren, im Anschluss an ein solches Fest wieder einsetzten. 
Bei einem Hallucinanten, welcher schon ziemlich frei von SümestäuschungeQ 
schien und sich bereits fleissig auf der Abtheilong beschützte, erfolgte noch am 
Abend des Festtages der Aosbmcb eines heftigen, Wochen lang andauemdea 
Erregungsanfalles mit massenhaften Sinnestäuschungen und VerfolgungsideeeiL 


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Bei Epileptikern sind epileptische AnAlle oder epileptische Aequivalente oft 
genug die Folgen solcher Feste. Wir hatten übiigens früher in Allenberg bei 
den Anataltafesten nur für die Pensionäre bayerisches Bier, für die übrigen 
Kranken aber Braunbier verzapft Das gab jedoch stets zu solcher Dnzufheden- 
beit und Yerstiminung Anlass, dass seit einigen Jahren bei diesen Festen allen 
Kranken bayerisches Bier verabreicht wird, wobei die Gefahr allerdings noch 
grösser ist, da die meisten an das wesentlich schwerere Bier nicht gewölmt sind. 
Es ist ferner, um eine Controle zu haben, einige Male der Versuch gemacht 
worden, an die Kranken Marken in massiger An7Ahl zu vertheilen, welche sie 
sich am Büffet gegen die entsprechende Anzahl von Gläsern Bier Umtauschen 
sollten. Auch das gab zu soviel Reibereien und zu soviel Unzufriedenheit An¬ 
lass, ohne doch den Zweck zu erfüllen (da sich Tauschgeschäfte entwickelten 
und viele Kranke, welche weniger tranken, ihre Marken anderen für Cigarren 
und dergL abtraten), dass man dieses System der Controle vrieder au^b. ln 
dieser Beziehung eine genaue Controle durchzufflhren, ist bei dem Festtrubel 
schlechterdings unm^lich, ebenso wie es unmöglich ist, die an dem Feste theil- 
nehmenden Alkoholiker, Epileptiker, Paralytiker u. s. w. vom Trinken ganz fern 
zu halten. Will man bei diesen Kranken die Abstinenz auch bei den Anstalts¬ 
festen durchführen, so bleibt entweder nur übrig, denselben die Tbeilnahme zu 
versagen, was aber, wenn sie sonst geeignet sind und sich das Jahr über fleissig 
beschäftigt haben, für dieselben eine grosse Härte wäre, oder aber, was mir 
naturgemässer und naheliegender scheint, die alkoholischen Getränke ganz von 
den Anstaltsfesten zu verbannen. Dazu müsste schon der oberste Grundsatz 
ärztlichen Handelns: „Nihil nocere“ führen. 

Will man diesen Grundsatz gelten lassen, so muss man aber noch weiter 
gehen, man muss die alkoholischen Getränke überhaupt von der Beköstigungs¬ 
liste der Anstalt streichen. Das ist der einzige W^, auf welchem alle die 
zahlreichen Schwierigkeiten, die ich Ihnen auseinandeigel^ habe, gelöst und mit 
einem Schlage gelöst werden können. So und nur so lässt sich die völlige 
Abstinenz der Trinker und der übrigen Krankencat^orieen, welche keine alko¬ 
holischen Getränke bekommen dürfen, durchführen, und am einfachsten 
durchführen, während zugleich ein fortwährender Quell der Unzufriedenheit und 
des Streites damit verstopft vrird. Ist man überzeugt, dass für Alkoholiker die 
Abstinenz das oberste Behandlungsprincip bilden muss, so muss man dieselbe 
auch mit allen zu Gebote stehenden Mitteln durchzuführen suchen und dazu ist 
die unumgängliche Vorbedingung, dass alle Alkoholica aus der Umgebung ent¬ 
fernt werden. Nothwendig oder werthvoll sind doch die alkoholischen Getränke 
für Niemanden. Nagee rühmt zwar in seinem Aufsatze: „Der Alkohol in 
Irrenanstalten“^ den erzieherischen Einfluss des Bieres als werthvoUe Unter¬ 
stützung der psychischen Therapie, indem dasselbe Fleissigen als Belohnung ge¬ 
geben, Faulen aber entzogen wird. Dabei fugt er ausdrücklich hinzu, dass unter 
Umständen ganz notorische Säufer in Hnbertusburg so behandelt werden (auch 


‘ Zeitschrift ftr ErankcDpflege. 1895. Juni. 


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106 Ö 


Epileptikern trerden in Hnbertosborg anstandslos AlcoboUca veAibracht). Was 
die notorischen Säofer betrifft, so will ich mit ihm daraber nicht rechten. Wa 
da glaubt, notorischen Sänfem, welche der Missbraach alkoholischer Getränke in 
die Anstalt geführt hat, solche weiter rerabrächen zu dürfen, mit dem ist eben 
in dieser Frage eine Discnssion unmöglich, ich meine auch, daa er sich da mit 
der allgemeinen ärztlichen Anschaonng in Widerspruch setzt Was mm da 
erzieherischen Werth des Bieres betrifft, so will ich gar nicht leugnen, das mao 
damit Kranke psychisch beeinflussen kann. Ahet gilt denn dies ausschlieslidi 
roD alkoholischen Getränken? Ist dieser erzieherische EinfluM mdit in 
gleicher Weise durch jede Zulage, jede Ve^&nstigung zu errielen, welche da 
Kranken fflr Fleiss gewährt und für Faulheit entzogen wird? In Allenberg z. B. 
bekommen die arbatenden Kranken ausser der Flasche Braunbier riennil 
wöchentlich Bntterbrot mit Belag und ausserdem Tabak und Cigarren als Zu¬ 
lagen. Ich gebe, wie gesagt, Potatoren ond vielen anderen Kranken Milch stitt 
des Braunbieres. Aber es ezistiren noch manche andere Zulagen, welche ebenso 
erzieherisch wirken würden. Limonaden, Obstsfffte u. dergl. leisten dasselbe. 
(Ich habe Alkoholikern, Epilepükem, Paralytikem zu den Anstaltsfeeten Himbeer¬ 
saft in Wasser oder Gitronenlimonade geten lassen, was von den meisten such 
gern getrunken wurde.) Obst wird den Kranken unserer nordischen Anstalta 
viel zn wenig als Zulage verabreicht, in Allenberg bekbmmen die Kranken Otst 
nur an den Anstaltsfeeten. Sicher würde dasselbe von den meisten Kraokoi 
als angenehme Abwechselung freudig b^Tüsst werden, und die Frauen besondos 
würden dasselbe gern für das Bier eintausoben, an dessen täglichen Genuss die 
meisten von Hause aus, wenigstens in Norddeutschlond, gar nicht gewöhnt and. 

Für die bedeutenden Summen, die von den Anstalten fOr Bier iüBgegeim 
werden, Hesse sich in dieser Beziehung schon ganz Erhebliches leisten. Io 
Allenberg (ca. 750 Kranke) wurden z. B. im Jahre 1896 83,000 Liter Biaon- 
bier im Werthe von 7250 Mk. und 26,000 Liter bayerisches Bier für 4160 Hk^ 
oder im Monat durchschnittlich fOr 600 Mk. Braunbier und für 350 Mk. bsje- 
risches Bier consumirt Dabei ist zn bemerken, dass bayerisches Bier nur den 
Pensionären und den von der Anstalt verpflegten Beamten verabFei<dit wird. 
Die Pensionäre bekommen täglich eine Flasche, die höheren Subaltembeamteo 
täglich zwei Flaschen und die Aerzte täglich drei Flaschen bayrisches Bier m 
ihrer Beköstigung. Ausserdem giebt es hier, besonders im Sommer, sehr häofig 
zum Abendbrot eine Flasche bayerisches Bier statt der Suppe; von den Kranken 
der dritten Klasse bekommen nur die Arbeiter täglich eine Flasche Braosbia, 
im Sommer die meisten eine zweite statt des Nacbmittagscafö’s, die Mäher scgar 
noch als Extrazul^e eine dritte, ln den Sommermonaten steigert sich daher 
der Bierverbrauch ganz bedeutend. So wurden im Monat Juli 1897 9744 Liter 
Braunbier im Werthe von 855 Mk. und 2400 Liter bayerisches Bier im Weitbe 
von 384 Mk., zusammen für über 1200 Mk. Bier verbraucht 

Einen Naohtbeil der ßierverabreichung in Anstalten habe ich noch gar nicht 
erwähnt. Es wird dadurch, wie schon BiiBULss hervoigeboben bat, von den 
Anstalten, welche als Wohlthätigkeitsanstalten sonst ihre Leistongmi sof das 


-.VcrinyGOOglC 



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Notfatreodigste beschränken, die Gewöhnang der Kranken an den t^liohen Ge* 
ntuB eines Genassmittels herbeigeffibrt, der bei den meisten von Haus aus 
wenigstens in dieser Begelmässigkeit nicht vorhanden ist, and es wird ihnen 
gleichsam von autoritativer Seite die Ueberzeugong eii^impft, dass alkoholische 
Getränke zum täglichen Leben notbwendig seien. Ob nicht gerade die Irren* 
anstalten, die einen nicht unbeträchtlichen Theil ihrer Kranken dieser immer 
mehr sieh aasbreitenden üeberzengung verdanken, die Pflicht hätten, gegen diese 
Ueberzeugong Front zu machen, anstatt derselben Vorschub zu leisten?! 

Seit Beginn dieses Jahrzehntes hat sich denn alioh an den Irrenanstalten 
eine Bewegung gegen die Alcoholica geltend zu machen begonnen, die, wenn 
ich mich nicht täusche, im Zunehmen begriffen ist Den Anfang haben englische 
Irrenanstalten gemacht Im Jahre 1890 besohlws das Comitö für die vier Irren¬ 
anstalten Londons (welche fast alle ihre eigenen Brauereien hatten) mit zusammen 
7890 Kranken, alle Alcoholica abzuschaffen; die Brauereien wurden abgebrochen 
und die Utensilien verkauft Die 600 Wärter und Wärterinnen bekommen statt 
des früher verabreichten Bieres eine Geldentschädigung (die Wärter 60, die 
Wärterinnen 50 sh. pro Jahr). Das Subcomitä sowohl wie die ärztlichen Leiter 
der Inenanstalten heben nun übereinstimmend den wohlthätigen Einfluss hervor, 
welchen die Abschaffung des Bieres auf den ganzen Geist der Anstalten und auf 
die Ruhe und den Frieden im Allgemeinen wie für die Alkoholiker und Epilep¬ 
tiker im Besonderen au^übt hat^ Soweit mir bekannt, ist dieses Beispiel auf 


* So beriobtot d«8 Sabcomit^ von Banstead: Dieae Aeodenrag ist von wohlthätiger 
WirktiDg gewesen, besobdera bei solchen Patienten, deren Krankheit durch fibermässigen 
Alkoholgennss hervorgerafen war. Dr. Shaw, der Director der Anstalt schreibt: „Die neue 
DiätTorscbrift, deren wichtigste Aendemng der Ersatz des Bieres dnroh Hilch war, erzielte 
eine volle nnd erfolgreiche Wirkung. loh bin ganz sicher, dass den Patienten die Ab- 
Bohaffnng des Bieres sehr grosse Dienste leistete, nnd ich möchte keinesfalls die alte Gewohn¬ 
heit wieder angenommen sehen. .. . Ein sehr grosser Vortheil ist der, dass die Patienten, 
deren Krankheit gerade doreh Alkoholezoesse hervorgerafen war, die aber noch heilbar sind, 
dadoreh einsehen lernten, dass sie viele Monate ganz ohne Alkohol leben konnten, and dass 
sich ihr Zostand dabei inunerw&hrend besserte. Diese Thatsaohe ist für dieselben somit ein 
entscheidender Beweggrund, ihre neaerworbene Lebensweise später wieder fortzasetzen, was 
aaf frgend eine andere Weise ihnen kaum hätte beigebracbt werden können.“ 

Der Director von Colne; Efatsch, Dr. Sswakd, berichtet: „In Anbetracht der grossen 
Zahl von Kranken, deren Krankheit doicb Alkoholmissbranoh verorsacht war, hat das Sab- 
coxnitö besehloBsen, das Bier ganz wegzolassen. Patienten dieser Art hatten also eine 
gflnatige Qel^enheit einsehen za lernen, wieviel besser sie sich ohne dieses toxische Getränk 
befinden, and es steht zu hoffen, dass viele eich diese Erfehrang nach ihrer Entlaesnng ans 
der Anstalt zn Natzen ziehen werden. Statt des Bieres bekommen die Kranken, welche 
aioh an der Arbeit betheiligten, Milch znm Lanoh, and znm Abendessen alle Kranken irgend 
eine Zasatsspeise.“ 

Für Hanwell heisat es im Bericht des Sabconitös: „Wir können die Anstalt bezQg- 
Hch der eingefOhrten Neaemng in allen Beziebnngen nur beglflokwönsohen.“ 

Und Dr. ALBZAimaB, Leiter der Männerabthellong, berichtet: ,Jch möchte sagen, dass 
diese Aendenxng in der Diät von dem glfieklichsten Erfolge gekrönt war, welcher aas der 
zunehmenden Znfriedenheit and der ganz merklichen Abnahme von Streit and Zänkerei 
unter den Kranken hervorlenohtete. Die wohlthätigen Erfolge der Eioföbrang der EnthaltBam* 


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dem FesÜande zuerzt in Borghdlzli bei Zürich von Fobbl nachgeahmt worden.^ 
Von deutschen Anstalten hat sodann die Irrenklinik in Heidelberg den Alk<^l 
als Genussmittel verbannt; den Wärtern wurde hier, wie in den anderen An¬ 
stalten, eine entsprechende Geldvergutung gewahrt ln allemeuester Zeit md- 
lieh sind in der Epileptikeranstalt Wuhlgarten bei Berlin die alkoholischen Ge¬ 
tränke aus der Krankenkost ganz entfernt worden. Im letzten Jahre8ben<dite 
dieser Anstalt heisst es: „Es zeigten sich auch hier nach der Durchfuhinng der 
Entziehung sichtlich die wohlthätigen Wirkungen der gänzlichen Enthaltong. 
An Stelle des Bieres, welches den Kranken zur Anünuntemng und Belohnong 
gegeben wurde, wird ihnen jetzt eine Zulage von Wurst, K^ u. AebnL zum 
Frühstück und an bestimmten Abenden zur Aufbesserung der abendlichen Kost 
gewährt, was sich mit Rücksicht darauf dass Arbeiter eine kräftigere Kost be¬ 
dürfen, von selbst ergab.^* 

Ueberall also hört man nur die günstigsten Folgen rühmen, welche sich 
nach Abschaffung der Alcoholica geltend gemacht haben. Zwar sind es bis jetet 
nur wenige Anstalten, die damit vorg^angen sind, andere aber werden noch 
folgen, und die Ueberzeugung wird sich immer mehr Bahn brechen, dass der 
Alkohol als Genussmittel in Irrenanstalten keine Stelle bat. 


2. Ein Beitrag 

zur Kenntnis» der Bernhardt'schen SensibiiitätsstÖrung. 

Von Dr. Uieoislans von Nartowski, 

Nerreoarst in Erakao. 

Seit dem Jahre 1895, in welchem Prof. Bebnbabdt die Aufmerksamkeit auf 
eine eigenthümliche Stömng der Sensibilität im Gebiete des Nervns catanem 
femoris extemus lenkte, sind schon einige Arbeiten und Beobachtungen pnblicäit 


keit vom Alkohol rind ganz besonders bei den Epileptikern bemerkenswerth gewesei, 
deren fatale Cbaraktereigenthfimlicbkeiten viel weniger anfallend waren als früher und 
deren Neignng za Anfällen in maneben Fällen geringer worde.'* Ancb hier wnrde die 
KrankenkoBt nach dem Wegfallen des Alkobob durch Speiseznsätze verbessert. 

In der 4. Anstalt Cane Hill war das Bier bereits vor 1890 at^eeobafft worden. 

Wie DavgDALE in seinem auf dem internationalen Congress in Basel 1895 gehaltenen 
Vortrage: „Tberapentics witboot aloobol“ mittheilte, gaben nach einem Bericht von JoBn 
Lobs Qber 100 städtische and ländliche Irrenanstalten Englands die Hälfte an, dass bei 
ihnen Alkohol in keiner Form ansser als Medidn gebraucht würde. 

‘ FoasL bat darüber in einer kurzen im Correspondensblatt f. Schweizer Aerste 1893 
erBchionenen Notiz: „Der Alkoholgenoss in Irrenanstalten'*, welche mir erst naehtn^ch 
zugegangen ist, berichtet. Er weist darin anf die üblen, den meinigen entsprechenden Er 
fahniDgen bin, die er bei der Verabreichnng von alkobolischeo Getränken in München and 
in Burghölzli gemacht bat und lenkt die Aufinerksamkeit anf die in den Londoner Inea- 
anstalten mit der Absohaffung der Alcoholica gewonnenen Resultate. 


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worden, in welchen die veischiedenen Autoren Verschiedenes hinsichtlich des 
Charakters der ganzen Krankheit und ihrer Symptome, dann der Aetiologie, 
der Prc^ose und Therapie angeben. 

Die £[rankheit, die als „BsBNHABDT’sche Sensibilitatsstömng^^ bekannt ist, 
ist ein Leiden, welches nicht gefährlich, jedenfalls aber sehr unangenehm und 
schmerzhaft ist. 

Die Schmerzen, welche an der Aussen* oder Vorderfläche des Oberschenkels 
äuftreten, sind heftig oder ganz massig. Es handelt sich aber öfter nur um 
eigenthümliche Parästhesieen, wie z. B. um Kribbeln, Taubsein, Pelzigsein u. s. w. 

Die Hautempfindung ist mehr oder minder beeinträchtigt und manchmal 
finden wir keine Sei^bilitatsstörungen. 

Der Verlauf der ganzen Krankheit ist nach Angabe der verschiedenen 
Äntoren ein sehr langwieriger, es kommt aber zu erheblichen Besserungen oder 
relstiTen Heilungen. 

Von der Aetiologie der Affection werden. von den Autoren verschiedene 
Angaben gemacht; z. B. beschuldigt Bernhardt als ätiol(^isches Moment 
die verschiedenen Infectionskrankheiten und von diesen vor allem Typhus, dann 
Bleivergiftung, Erkältung. Die anderen Autoren ein Trauma, dann schlechten 
Sitz von Kleidungsstficken und nämlich das Benutzen eines fest anschliessenden 
Riemens um die Hüften, weicher den Reizzustand unterhält; Köster und 
Adler die körperliche Ueberanstrengung und vor allem ein zu langes Stehen, 
dessen Wirkungsweise Adler in dem anatomischen Verhalten des Nervus cutaneus 
femoris exteruus erblickt, welches er in folgender Weise charakterisirt; „Der 
Nerv läuft nach seinem Durchgang unter dem PoupARx’schen Bande einige 
Centimeter in einer straffen von Fascia lata gebildeten Scheide, welche mit dem 
Ligamentum ileo-tibiale in Zusammenhang steht, das von der Spina 11. ant. sup. 
nach der Tuberositas tibiae zieht Während beim Sitzen dieser Fascienstreifen 
entspannt ist, tritt beim Stehen eine Spannung derselben ein; hierdurch kommt 
es zu einer Druckwirkung auf den in der Fascienscheide eingeschlossenen Nerven 
und in dem liegt das schädigende Moment des Stehens.“ 

Es ist sicher, dass bei der ganzen Affeotiou die Ueberanstrengung der unteren 
Gliedmaassen eine sehr wichtige Rolle spielt, und dass in dieser Ueberanstrengung 
das ätiologische Moment der meisten bis jetzt veröffentlichten Fälle dieser Seu- 
sibilitätsstörung liegt 

Der geringen Zahl der Veröffentlichungen über diese Affection halber, 
welche nur deswegen so selten vorzukommen scheint, weil viele Aerzte keine 
genaue Untersuchung bei den Kranken, die wegen verschiedener Parästhesieen 
an den Beinen ihre Hülfe brauchen, machen, und schon ganz zufrieden sind, 
wenn sie Rheumatismus diagnosticiren und dem Kranken ganz einfach Salicyl 
geben, glaube ich berechtigt zu sein, einige Fälle, welche von mir selbst beob¬ 
achtet wurden, anzuführen. 

1. Fall Ein Förster im Alter von 51 Jahren, der von seinem Hausarzt wegen 
Bheumatismus nach Trencsin-Teplitz geschickt war, ist am 16. Juli 1897 zu irir 


n,Googlc 



1Ö84 


gekommen, am sich za berathen and zu fragen, ob er von seinen Beschwerden ni« 
befreit werden kOnne. 

Er empfindet seit 26 Jahren ein sehr unangenehmes Kribbeln, Taubsein and 
Stechen an der Vorderfl&che des rechten Oberschenkels, weiche beim Heromgehen 
sehr unangenehm und schmerzhaft sind. Beim Liegen und Sitzen verschwinden sie, 
aber im Ganzen fühlt sich der Kranke gesund. 

Der Patient, der ganz kräftig gebaut ist, und bei welchem die genaue Onte^ 
Buchung der inneren Organe nichts Krankhaftes ergiebt, ist ein mässiger Alkoholiker. 

Die Untersuchung des rechten Oberschenkels ei^iebt anscheinend nichts Krank¬ 
haftes. Die Prüfung der Berührur^sempfiudung und Ortswabmelimung ergiebt aber 
eine sehr bedeutende Herabsetzung an der ganzen Yorderfläche des Oberschenkels. 
Die Untersuchung der Temperatur* und Schmerzempfindong zeigt eine deutliche 
Beeinträchtigang, auch die electrocutane Sensibilität ist etwas herabgesetzt 

Starker Druck auf das Gebiet des Nervus cutaneus femoris extemus wurde als 
unangenehm empfunden. 

Ich habe dem Kranken gesagt, dass ich überzeugt bin, dass hier von keinen 
Rheumatismus die Rede sein kann, dass ihm die Bäder nichts nützen werdra 
und dass man das lieiden mit Massage und Blektricität beeinflussen kann. Er 
willigte ein. 

Nach 7 Wochen, in welchen dem Kranken der faradiscbe Einsel und die Massage 
an der beeinträchtigten Fläche applicirt und innerlich eine Solotio Kalii jodati grobes 
wurde, sind die Schmerzen, welche der Kranke beim Gehen durch 26 Jahre gespOit 
hatte, im Ganzen verschwanden, auch von Kribbeln und Taubsein war der Krank« 
ganz frei and am 5. September 1897 ist er nach Hanse gefahren. 

Der Beobachtung Kösteb’s gemäss, glaubte ich, dass das Leiden noch zorflck- 
kehren wird, im Jnli dieses Jahres aber hat mich der Kranke besucht und zufneden 
erzählt, dass er jetzt so wie „neo geboren“ ist, dass er keine Beschwerden ond 
Schmerzen spüre, obwohl seine Beschäftigung dieselbe wie früher ist 

Ich glaube also, dass, wenn die Affection nach einem Jahre nicht zurflckkehrt«, 
kann ich gewiss annebmen, dass das der einzige Fall ist, in welchem die volle 
Heilung erzielt wurde, und ich glaube, dass die gleichzeitige Anwendung der Elek- 
tricität and Massage und innerliche Darreicbnng von Kalii jodati von grosseai 
Nutzen gewesen ist. 

2. Pall. Ein 45jähriger, sehr stark ond kräftig gebanter Mann, Ontsbesits« 
in Ost'Galizien, ist seit 8 Jahren an eigenthümlichen'Schmerzen, die er als „taub“ 
bezeichnet, am linken Oberschenkel leidend. Er muss, nm die Arbeiter zn betuf- 
sichtigen, sehr viel stehen; im Sommer bei der Ernte und im Winter beim Dre8di«a 

Der Patient hat keine Veränderungen in den inneren Organen, war immer ge- 
sond und mit keiner Heredität belastet Die Schmerzen an der linken AnssenflidK 
des Oberschenkels sind zwar nicht gross, sie sind aber onangenehm, and der KiaDk« 
ist verhindert die linke Seite während des Schlafes zn benntzen, da er gleich m 
unangenehmes Gefühl, dann Kribbeln nnd Schmerzen bekommt. Dies alles wiederholt 
sich immer, wenn der Pat anf dieser Seite zu liegen sacht nnd verschwindet dum 
allmählich im Ganzen. Manchmal erwacht er dieser Schmerzen w^en, wenn er skk 
unbewusst auf diese Seite wendet 

Er war schon von vielen Aerzten untersucht, keine Behandlung aber lindeil« 
ihm diese Beschwerden, welche seit 8 Jahren immer zunehmen. 

Bei der genauen Untersuchung konnte ich Tast-, Schmerz*, Kältegefühl 
elektrocutane Empfindlichkeit an der Anasenfläche des linken Oberschenkels in um- 
lieh hohem Grade gestürt, constatiren. 

Alle Symptome, welche ich also vom Kranken erzählt bekomme, und welche icb 
selbst gefunden habe, zeigten mir, dass wir es hier mit einer Stürnng der Sensibilitit in 


Ijiq :i/üd Dy 


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1085 


Oebiete des Nervus cutaneus femoris extemus zu thnn fasbeu uud als ätiologisches 
Momeut habe ich 7u langes Stehen (Köbtxb, Adlsb) angenommen und dem Kranken 
eine Solutio Kalii jodati und die far^iscbe Pinselung, welche der Kranke, trotzdem 
dass ich ihn von dem abziehen wollte, sich selbst durch die Zeit vom 10. September 
1897 bis 25. Harz 1898 einmal täglich appUcirte. 

Am 20. November 1897 habe ich den Kranken zum 2. Mal gesehen und er 
bat mir erzählt, dass die Eüektricität ihm sehr gut thut, und dass er eine kleine 
Linderung seiner Affection spüre. 

Dann habe ich den Kranken noch im Januar 1896 gesehen, und er erzählte 
mir, dass er dieses unangenehme Gefühl und das Kribbeln, welches er früher beim 
Liegen an der linken Seite immer gespürt, schon fast ganz verloren habe; es be¬ 
stehen von der ganzen Affection nur die Schmerzen, welche erst nur etwas gelindert 
und dem Kranken unangenehm sind. 

Ich verordnete dem Kranken noch eine leichte Massage, und als ich ihn zum 
letzten Mal am 6. April 1898 gesehen hatte, bestanden noch leichte Schmerzen, aber 
nur dann, wenn der Kranke durch längere Zeit auf der linken Seite liegt und es 
kommt niemals der Schmerzen wegen zum Erwachen. 

3. Fall. Eine 63 Jahre alte Frau, die 4 Mal nonsai entbunden hatte, hat 
die heft^ren Schmerzen an beiden Oberschenkeln und nämlich an der Vorderfläche 
derselben, die manchmal so stark waren, dass sie nicht gehen konnte. Es kommt 
sehr oft auch zu Stechen an der ganzen Vorder- und Seitenfläche der beiden Ober¬ 
schenkel, und nämlich vom Becken bis zum Aussenrande der Kniescheibe herab. 

. Sie ist von der Heredität nicht belastet und von den Krankheiten bat die 
Patientin vor 33 Jahren einen Typhus dnrchgemacht and, wie sie erzählt, ist sie seit 
dieser Zeit niemals gesund, sie litt immer an verschiedenen unangenehmen Empfin- 
dongen in den Beinen; die ersten Schmerzen hat sie einen Monat nach dem Typhus 
bekommen. 

Die ganz genau dnrehgefübrte Untersnehong bat gezeigt, dass die Motilität 
and Befiexe ganz normal sind, dass das Aussehen der Haut nichts Krankhaftes zeigt, 
dass die einzelnen Muskeln an den Beinen nur etwas, aber dem Älter gemäss atro¬ 
phisch sind, dass die grobe Kraft gut erhalten und dass nur die Empflndung der 
Berührung der Haut mit einem weichen Pinsel, dann Ortswahmebmung, elektrocutane 
Sensibilität, Temperatur- und Schmerzempflndung sehr deutlich herabgesetzt sind. 

Bei starkem Druck auf eine Stelle, 8 cm oberhalb der Kniescheibe und 
von der Mittellinie des Oberschenkels nach aussen gelegen, treten die unerträglichen 
Schmerzen anf; es kommt aber zn einer Lindernng derselben, wenn der Druck 
länger danert. 

Ich behandelte die beiden Vorderflächen der Oberschenkel mit dem faradischen 
Pinsel, innerlich verordnete ich Kali jodatnm 1,50 pro die und nach 2 Monaten der 
Bebandlong waren die nnaogenehmen EmpfindangeD, welche die Patientin durch 
33 Jahre gequält batten, and weshalb sie antirbeumatisch behandelt wurde, im 
Ganzen verschwunden; es sind aber die Schmerzen geblieben, sie sind jedoch nicht 
so gross wie früher and machen der Patientin keine Behinderung im Gehen. 

4. Fall. Bin 53jähriger Mann, Hauswäcbter, ist seit 15 Jahren an Schmerzen 
in beiden Füssen, an den Ober- und Unterschenkeln leidend. 

Der Patient trinkt viel, hatte Lues vor 30 Jahren. 

Von der Heredität ist nichts hervorzuheben, auch die inneren Organe sind ziem- 
ich normal und geben ihm keine Ursache zum Klagen. 

Das erste Gefühl, welches er bemerkte, war nach einer Lungenentzündung, 
irelcbe er vor 15 Jahren dnrchgemacht hatte. 


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1086 


Br bemerkte zuerst ein leicbteR Brennen, dann Kribbeln am rechten Obeiechenkil, 
dann am linken, später gleichzeitig an beiden Unterschenkeln, und sowohl auf de 
Vorder* wie auf der Aossenseite. 

Die Schmerzen waren oft so gewaltig, dass der Kranke keine Bohe b«a 
Gehen, Stehen oder Liegen finden konnte, er warf sich im Bett hin nnd her uid 
seit 7 Jahren sind dazu noch die Empfindongen der Taubheit gekommen. Jetzt 
kann der Kranke weder viel gehen, noch stehen, denn sonst kommen gleich die 
gewaltigen Schmerzen — sie entstehen manchmal aoch dann, wenn der Kranke in 
Bett liegt nnd sich erheben will. 

Bei der Untersnchnng konnte ich keine Verändemng der Haut, keine Vermis« 
derong der groben Kraft und keine Veränderung in den Befiezen constatiren. Die 
Sensibilitätsempfindnng aber, die Ortswahmebmnng and die elektrocntane Sensibilität 
waren im hohen Grade beeinträchtigt Temperstnrgeffibl war ganz nonnaL Qoetscbn 
von Hantfalten zwischen den Fingern war an den beiden Oberschenkeln gut 
schmerzlos. 

Die Muskeln an beiden Ffissen sehen ziemlich gut aus, und die Erregbarkeit 
der Muskeln nnd Nerven anf den galvanischen, wie auch auf faradischen Strom, 
ist normaU 

Ich verordnete dem Kranken innerlich Kalii jodati and applicirte durch 9 Wocheo 
den faradiscben Pinsel. Von der 2. Woche der Behandlung an waren die SchmerzeB 
von einem Ti^e znm anderen immer etwas vermindert nnd nach 9 Wochen ist es dun 
gekommen, dass der Kranke, zwar nicht geheilt war, aber doch liegen, stehen vii 
anch geben konnte, ohne grosse Schmerzen zu sp&ren. 


5. Fall. Ein 48jähriger Mann ist seit 8 Jahren an verschiedenen Parästbesiaet 
an der Aussenfiäche der beiden Oberschenkel leidend. Er erzählt, dass ihm vw 
9 Jahren einer Krankheit wegen der Arzt kalte Bäder nnd Donchen verordnet bat Die» 
haben ihn ganz bergestellt Nach 1 Monate aber begann er beim langen Geben 
die Schwäche in beiden Füssen und gleichzeitig Kribbeln und Tanbheit zu sp&ren. 

Br wandte sich von dieser Zeit an vielmals an die Aerzte; sie haben Bhec- 
matismos diagnosticirt and der Kruike hat immer Salicjl nnd verschiedene Salb« 
bekommen. Von diesen sind, wie er erzählt, noch in den letzten Wochen die 
Schmerzen an beiden Oberschenkeln entstanden, weshalb er zn mir gekommen ist 

Er stammt von einer ganz gesunden Familie and war bis vor 9 Jahren immer 
gesund; er ist kein Alkoholiker and hat keine venerische Krankheit gehabt Die 
Untersnchnng des Kranken zeigte die Vermindening des Dmck-, Schmerz- and Taet- 
gefübls, die verminderten Hautrefieze und eine ziemlich starke Vennindernng d« 
elektrischen Erregbarkeit der Muskeln im Gebiete der beiden Nervi cntanei femoris 
ezteml 

Ich verordnete dem Kranken eine Solotio Kalii jodati and den faradiscben Pinsel 
welchen ich dem Kranken durch 10 Wochen applicirte. 

Die erste Bessemng und zwar das Verscbwinden der verschiedenen ParästhesiMi 
habe ich in der 3. Woche der Behandlung gesehen, dann war die Schwäche, wdcbe 
der Kranke beim Geben in den beiden Füssen spürte, verschwunden, und kam eiw 
Linderang der Schmerzen, zur Heilung aber ist es im Ganzen nicht gekommen; ucli 
einem längeren als Spazierengehen oder beim zo langoi Stehen iübltt 

er wieder sein Kribbeln, Schmerzen nnd Taubheit in den Füssen. 

Ich glaube, dass man hier nach einer noch längeren Behandlung nnd nach 
Massage noch mehr hätte erzielen können, der Kranke aber wollte sich dazn nkbt 
entschliessen, indem er sagte, dass er schon mit dieser Linderui^ der ganz« ACeo* 
tion zofrieden sei. 


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1087 


Wir sehen dso, dass es sich in diesen Fällen, welche ich beobachten konnte, 
um die rerschiedenen Parästhesieen im Gebiete des Nervns cutaneus femoris 
exteroas handelt; einmal haben wir diese Affection, welche als BEBNHASDT’sche 
Sensibilitätsstörnng bekannt ist, dann aber auch, wenn die Schmerzen nicht 
nur an der Aussenfläche des Oberschenkels, sondern auch am Unterschenkel 
rerspflrt worden, den Uebe]^;ang zn solchen Fällen, in welchen die Bbsn- 
HABDT’sohe Sensibilitätsstörnng nur als eine Theilerscheinung, als Symptom 
emm* au^breiteten Erkrankung und zwar einer Neuritis oder Nennte des 
Plexus Inmbalis auftritt 

Wenn wir zn den einzelnen Fällen übeigehen, so sehen wir, dass der 
erste und fünfte Fall hinsichtlich der Aetioiogie zur Erkältung gehört. Der 
Förster, welcher grösstentheils im Walde herumzugehen hat, ist immer ver¬ 
schiedener Temperatur au^esetzt; im Sommer ist der Boden fast immer feucht, 
im Winter geht er durch Schnee u. s. w. 

Im 5. Falle entstand die Affection nach einer Krankheit, zu deren 
Beeinträchtigung der Arzt kalte Bäder und Douchen nehmen Hess, es ist also 
auch hier zu einer localen Erkältung gekommen. 

Diese beiden Fälle sind also nach Erkältung entstanden, was auch Bebm- 
HABDT und Fbbüd als die ätiologische Ursache annehmeru Im ersten Falle 
ist das Leiden nur am rechten Oberschenkel entstanden, trotzdem, dass die 
beiden Fnsse des Beranken der Erkältung ausgesetzt waren; dies ist aber keine 
Ursache, um etwas anderes zu diagnosticiren, da ^e Symptome des Leidens 
und Erfolg der Therapie dafür sprechen, dass wir mit einer BEONBABDT’schen 
Sensibilitätsstörung zu thun haben. 

Der 5. Fall, in welchem die Affection nach kalten Douchen entstand, 
macht einen G^nsatz zu den Erfahrungen Bebmhabdt’s, Näcke’s und 
y. Ldzeebebgeb’s, da das Leiden doppelseitig, also ganz ähnlich wie in einem 
Falle, welcher von Fbeud mitgetheilt ist, auftritt 

Die Affection im 3. and 4. Falle ist nach einer Infectionskrankheit, das ist 
einmal nach Typhus und zweitens nach einer Lungenentzündung entstanden. 

Diese beiden Fälle stimmen also hinsichtlich der Aetioiogie mit Bebnhabdt's 
Angaben, dass diese eigenthümüche Sensibilitätsstörung nach einer lufections- 
kiankheit entstehen kann, da im 3. Falle sich das Leiden gleich nach einem 
Typhös entwickelte, im 4. unmittelbar nach Lungenentzündung. 

Die Affection im 2. Falle ist nach dem vielen Stehen entstanden, das ätio- 
Ic^iscbe Moment ist also dasselbe, welches zum 1. Male Köbteb bei einem 
Kranken, welcher bei der Besichtigung von Museen und Ausstellungen durch 
längeres „Umherstehen“ und dann in kurzer Zeit Adleb bei einem Postbeamten, 
dessen Beschäftigung die Ordnung der Briefe in einem Eisenbahnwagen war, 
und welcher bei dieser Beschäftigung nur wemge Schritte hin und her geht, 
hervorgehoben batten. 

Oer Kranke in meinem Falle musste auch sehr viel stehen, um die Leute 
beau&ichtigen zu können. Bemerkenswerth ist in diesem Falle, dass der Kranke 


oyGoogIc 



— 1088 — 

beim Gehen keine Sohmenen hat, daaa sie aber beim Stehen and Benatun dei 
linken Seite beim Schlafen entstehen. 

ln der Beseitigang der Krankheit und der renchiedensten Rmpgndnng an habe 
ich Tiel erreicht In 4 Fallen war das Leiden erträglich gemacht die Kranket 
wie sie selbst angaben, fast geheilt und in einem Falte erhielt ich afasolnte 
H^ong, was noch keiner von den Beobaohtem bei diesem Leiden erzi^te. 

BnaNHARDT hat eine Beseitigung der Eisoheinongen, höchsteng 

nur eine Linderung erzielt Käckb hat auch nur eine annähernde Heihug 
der Parästbeeieen erzielt und Fubcb macht aufmerksam, dass die Natur «tes 
Leidens auch sehr r^ressiT werden k^nn. 

Den guten Erfolg und die Beseitigung der Krankheit in diesem einzigen 
Falle verdanke ich dem, dass der Kranke geduldig war und sich im Ganzen 
auf meine tberapeutisoben Maasflnahmen und speciell anf die Biassage mul 
Elektridtat einzugehen entschlossen batte. 


Litterntnr. 

BnKHAXDT, Kenrolog. Ceotnibl. 1895. Nr. 6. N^ou, Ebenda. 1895. Nr. 8 
Fbsitd, Ebenda. 1895. Nr. 11. t. LnzvKBaRau, Ebenda. 1896. Nr. 22. Köstib, Ebnida 
1897. Nr. 6. Bbxda. Ebenda. 1897. Nr. 6. Adia, Ebenda. 1897. Nr. 15. TBAoeon, 
Monatuebr. f. Piyoh. n. Nenrolog. 1898. Bd. Ul 


U. Beferste. 


Anatomie. 

1) 4 nsw NisSl Method* by J. B. Lord. (Jonmal of Mental Scienea. 189B. 

October.) 

Von der Uedico’Psyebologkal Association of Great Britain and (reland pit d«r 
Broncemedaille nnd dem 10 Quineen-Preise an^^eichnet 

Ein Stöck ganz friscben Gehirnes, je frischer, desto besser, etwa 2 ccm, i(s 
der Centralwiodong nebst adb&renter Pia bringt man euf dem Mikrotome snm An- 
frieren, so dass die Pia nach dem Beobachter geriohtet ist. Etwas Gnmmi erieiobtMt 
das Frieren. Die angefertigten Schnitte werden sofort ins Wasser gebrachi, dariof 
mit einem Objectträger anfgenommen and etwas Pikroformol darüber gegoesen, so dssi 
der Schnitt auf dem Fixatir schwimmt; 5—15 Secnnden bleibt der Schnitt d« 
letzteren ausgesetzt und wird dann ins Wasser zurfickgebracht Mit einem Object* 
träger wieder anfgenommen, wird er mittelst mner Pipette mit ein«r 0,5% wässert I 
Nissl'soben Methylenblanltonng (Methytenhlso Patent B) betränfelt in denelboi Wmm , 
wie vorher mit Pikroformol. Darauf Erwärmung bis die erste Blase aufsteigt, da&o | 
Abkohlung. Der Ueberscbuss der Farbe wird abgewaschen und eine LOeung vog , 
Anilinöl in absolutem Alkohol — 10 — Ober den Schnitt grossen, bis kein« | 

Farbe mehr aus demselben beraustritt Abtrooknen mit Fliesspapier, deoeen Ober* I 
fläche glatt sein muss. Origanumöl wird alsdann nur Äofbellang anfgeträntelt ssd ' 


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1089 


in gleicher Weise entfernt Benzin entfernt die letzten Reste des Oels. Die Ein- 
bettong in Colophoniom geschieht folgendermaassen: Etwas Colophonium wird in 
eioer Porzellanschale geschmolzen unter Zufügung einer nur geringen Menge von 
Benzin. Das geschmolzene Colophoniom wird mittelst eines Qiasstabes anf den 
Schnitt geschmiert, ein Deckglas darauf gelegt und so lange erwärmt, bis es eine 
befnedigende Lage hat (über einer dünnen Asbestplatte, welche auf einem Draht¬ 
geflecht auf einem Dreifuss Über einer Bunsenflamme ruht). — Bei der Benutzui^ 
der Qefriermethode wird die beim Härten erfolgende Schrumpfung der Kervenzelle 
Termieden, das Fett derselben wird nicht aufgelüst wie beim Gebrauch von Alkohol; 
die fettige Degeneration lässt sich daher genauer Terfolgen. Innerhalb 30 Minuten 
nach dem Tode kann ein Präparat anf diese Weise fertiggestelllt werden. Der Inhalt 
des Gewebes lässt sich mit dieser Modiücation eingehend studiren. Keoroglia und 
Blutgefässe sind deutlich ge^bt, — Die Fixationsflüssigkeit besteht aus einer ge¬ 
sättigten wässei^n Losung von Pikrinsäure 60 7o FormoUOsung in 

Wasser 50®/q. 

Diese Mischung eignet sich überhaupt gut für fixative Processe; von Präparaten, 
die einige Wochen darin gelegen, kann man Gefrierschnitte machen und färben; für 
manche Methoden kann man dieselbe auswaschen. — Bei der Methode Ton Lewis 
kann man zur Fixirung statt Osmiumsäure auch Pikroformol, wie oben angegeben, 
rerwenden. 

Verf. hat mit seiner Methode u. a. die fettige D^eneration der Nervenzellen 
— ein bei Psychosen häufig anzutreffender Process — genau studirt; die der 7er- 
fettong anheimfallende Substanz färbt sich erst dunkelblau, dann dunkelgrün, dann 
hellgrün und schliesslich gelb. Pettsubstanz befindet sich aber auch in normalen 
Zellen als Zeichen des gewöhnlichen Stoffumsstzes oder eines natürlichen Verfalls 
der Zelle. Die erstgenannten Erscheinungen pathologischer Verfettung finden sich 
jedoch nicht ausschliesslich bei Psychosen, sondern auch bei anderen Krankheiten. 
Man kann die Fettsubstanz auch zur Darstellung bringen, wenn man ein Stück 
Gehirn in Pikroformol härtet (3 Tage), schneidet und die Schnitte für 12 Stunden 
in 0,25 Osmiumsäure legt und mit Methylenblau nachfärbt. 

Bresler (Freibui^ L Schl.). 


2) Zur Anatomie und Physiologie des Phrenlouskems, von Oscar Eohn- 
stamm. (Fortschritte der Medicin. XVI. 1898. Nr. 17.) 

Dm die Lage des Phrenicuskems anatomisch festzul^n, bediente sich Verf. 
des Nissl’schen Ver&hrens. Er resedrte bei ausgewachsenen Kaninchen einseitig 
den Phenicus in der Hohe der oberen Brustapertur und tötete nach 2—4 Wochen 
das Versuchsthier, nachdem er sich überzeugt hatte, dass die entsprechende Zwerch¬ 
fellhälfte nur noch passive Bewegungen zeigte und auch hinsichtlich ihrer Blut- 
Versorgung eine deutliche Abweichung gegenüber der ungelähmten Seite aufwies. — 
Es zeigte sich nun bei der Untersuchung nach Nissl constant, dass sich eine be¬ 
stimmte, spindelförmig nach oben und unten sich verjüngende, von der Hohe des 
4. bis zum 6. Halswirbels reichende Zellgruppe im Zustande der Chromatolyse 
befand. Andere Zellen, insbesondere die entsprechende Zellgruppe der anderen Seite, 
wurde niemals ähnlich verändert gefunden. Die chromatolyti^hen Veränderungen 
waren die typischen und erstreckten sich sowohl auf die Form der Conturen, als 
auch auf die Auflösung des Tigroids und die Verlagerung des Kerns. 

Eine zweite Reihe von Experimenten, in welcher der Versuch gemacht wurde, 
phasiach-functionelle Veränderungen der Zellstmctur aufzudecken und wobei zu diesem 
Zwecke die Zwerchfellthätigkeit durch doppelseitige Vagotomie excessiv gesteigert 
wurde, hatte nativen Erfolg. Die Phrenicoszellen zeigten keinerlei Abweichung 
von der Norm. W. Cohnstein (Berlin). 

69 


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Experimentelle Physiologie. 

3) Beitrftge sur Physiologie des Centrslnervensystems. I. Die sogenannt« 
Hsrpnose der Thiere, von Max Verworn. (1898. Jena, Gustav Fischer.) 

Verf. hat sich die Aufgabe gestellt» den Zustand der Bew^nngsloägkmt, ia 
welchen viele Thiere dadurch versetzt werden können, dass man sie in abnomei 
Körperlagen an LagecorrecÜons* oder Fluehtbewegungen verhindert (fixpttimentniB 
mirabile de imaginatione gallinae des Pater Kircher 1646), physiologisch zn ergrOndn. 
Den Aasdmck „Hypnose der Thiere“, welchen man vi^fach für diese Erscheinnng 
vorgeschl^en hat, hält Verf. nicht fär zweckmässig und er erklärt das PhüiomeB 
vielmehr als die Resultante aus zwei Componenten, einer tonischen Erregong d«e 
Lagereflezgebietes (Kleinhirn?) und einer Hemmong der cortico*motorischeD Sphäre. 
Die tonische Erregung der Zellen cerebralen oder cmbellaren Lagereflezgebietes ist die 
Folge der angestrengten and erfolglosen Lagecorrectionsbewegungen, und man si^t 
daher das Thier stets in. tonischer Contractur der am Lagereflez meist betbeiligtea 
Muskeln bewegungslos werden. Das Grosshim ist an der firscbeinong nur durch 
Hemmaug der willkürlichen motorischen Impulse betheiligt und es kann daher das 
Phänomen auch an grossbimlosen Thieren in typischer Weise bervorgemfmi werden. 
— Das „Erwachen“ der Thiere und ihr spontanes Aufsteben aus der abnormen Lage 
erfolgt entweder durch vom Grosshim her eingeleitete innere Beize oder aber 
häufiger durch äussere, auf dem Wege des Reflexes zu dem Lagereflexcentnus 
fortgeleitete Reize, welche den Tonus des letzteren plötzlich zu einer gröesem 
Err^ungshöhe steigern. Hierdurch erhalten die tonisch contrahirten Muskeln plötzlich 
einen Contractionszuwachs und es wird eine rasche Lagecorrectionsbewegung ans* 
gelöst 

Die Hemmung der corticalen motorischen Centren ist ve^leichbar der Hemmuag 
von spontanen Bew^nngen oder Handlungen, wie sie auch heim Menschen durch 
plötzliche Sinneseindräcke bervoigebracht wird. Der plötzliche Sinneeeindruck wird 
dort bewirkt durch das energische, plötzliche und erschreckende Zufassen dee Ex¬ 
perimentators. 

Grosshirolose Thiere bleiben daher im allgemeinen länger in dem bewegungs¬ 
losen Zustande als Thiere mit intactem Grosshim. Denn bei ersteren ist die eine 
Quelle des die endliche Lagecorrection berbeiführenden Reizes, nämlich die spontanes 
vom Grosshirne zu dem tonisch erregten Lagereflezcentrum strömenden Impuls« 
au^eschaltet W. Cohustein (Bo-lin). 


Pathologische Anatomie. 

4) Contributions to tbe study of some of the afferent and efferent txmoti 
in the spinal oord, by Risien RusseL (Brain. 1898. Summer.) 

Verf. hat eine Anzahl interessanter pathologisch-anatomischer Präparate, ^wciell 
in Bezog auf die secundären Degenerationen im Bäckenmarke nntersucht. 

Im 1. Falle handelte es sich um eine Degeneration der 1. Sacralvmrxel z 
Folge von Alkoholneuritis. Die Hinterstrangsdegeneration lag zunächst dicht hinta 
am Hinterbom an, verbreitete sich aber in den nächsten Segmenten Ober das ev- 
sammte Hinterstrangsgebiet, auch das ventrale und ovale Feld nicht ffei la^od: 
später ging sie in bekannter Weise in den Goirschen Strang Aber. Collatenla 
waren in die gleichseitige Hinter- und Vordersäole und in die Substantia gebtia« 
Bolandi in der Höhe des Eintrittes der Wurzel und in den nächst oberen Segmeita 
zu verfolgen; dingen nicht in die gekreuzte graue Substanz und auch nicht sidiff 
in die weisse Substanz derselben Seite. 


Dig :vcd: 


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1091 


Im 2, Falle hatte ein intra* und eztravertebrales Sarcom die 7. cervicale 
Wonel and einen anliegenden Thexl der rechten Seitenh&lfte des Halsmarkes zerstört 
Die Degeneration im rechten Hinterstrange lag im 3. Cervicalsegment im Bardach’* 
sehen Strange, dicht am Septam intermedinm, als schmaler, nar in seinem hinteren 
Fünftel and am hinteren Bande des Markes breiter werdender Streifen. Sie drang 
nicht in den Ooll’schen Strang ein. Äosaerdem war die Kleinhirnseitenstrangbahn 
aofsteigend and die Seitenstrangpyramide absteigend d^enerirt 

Im 3. Falle handelte es sich am einen intramedallären Tumor, der am Conus 
terminalis begann and bis zum 4. Lnmbalsegmente reichte. Unten betraf er beide 
Seiten ^mmetrisch; im 4. Lombalsegmente war eine Seite bis auf Hinter* und 
theilweise Vorderstr&nge frei. Das 3. Lumbalsegment war anf der einen Seite noch 
erweicht. Es fand sich eine aufsteigende Degeneration der Hinterstr&nge beiderseits 
und eine solche der Oowers’schen Bahn dicht am Bande des Markes aaf der Seite, 
wo der Tumor bis ins 4. Lombalsegment gereicht hatte. 

Im 4. Falle handelte es sich am eine totale Qoerschnittszer^rang im 6. and 
7. Cerricals^ment. Das Hinterstrangsbild Ober der Läsion war das bekannte; im 
4. Halssegmente waren die äusseren Theile der Bnrdach’sohen Stränge wieder normal, 
die inneren Theile aber blieben bis oben hin degenerirt; die Fasern von der 5. cervi* 
calen Wurzel an blieben also in den äusseren Theilen des Bnrdach’schen Stranges. 

Die autsteigende Qowers'sche D^eneration lag nicht am Bande des Markes. Ab- 

eteigend waren die Pyramidenbahnen, das Schultze’sche Comma und der absteigende 

Tractus ventrolateralis degenerirt. Das Comma konnte mit Pal 6 Segmente weit 

nach unten verfolgt werden; der absteigende Tractus ventrolateralis lag ganz am ^ 

Bande (doch nicht so ganz mit seinem dorsalen Ende. Bef. — Dieses entfernt sich 

vom Bande gerade so, wie in einem Falle des Bef. Ärch. f. Psych. Bd. XXV). 

Im 5. Falle war bei einer Tnmoroperation ein grosser Theil der rechten 
Hemisphäre — speciell im Gebiete der Centralwindnngen — entfernt Genaueres 
muss im Original nachgesehen werden. Es fand sich im Hirnstamm Degeneration 
der Pyramiden, einzelner Fasern in der Zwiscbenolivengegend und eines anterolateralen 
Sfranges aussen nnten an der Olive. Bei der Krenznng gingen einzelne Fasern in die 
gleichseitige Seitenstrangspyramide; ausserdem fand sich ein compactes degenerirtes 
Böudel am dorsalen Theile der nicht degenerirten Pyramide — also später dem gekreuzten 
Vorderstrange entsprechend. Im Bflckenmarke und speciell im Halsmarke waren 
beide, besonders natürlich die gekreuzte Seitenstrangspyramide, die gleichseitige 
Vorderstrangspyramide, ein gleichseitiger Faserzug am ventralen Bande des Markes 
g^nOber dem Vorderhim und Fasern im gekreuzten Vorderstrange degenerirt Die 
Degeneration der gekreuzten Seitenstrangspyramide hatte eine viel grössere Äus- 
dehnnng als man bisher annahm — sie betraf besonders auch die Grenzschicht der 
grauen Substanz bis in den Vorderstrang und theilweise ancb die Kleinhirnseiten* 
stränge. Die gleichseitige Vorderstrangspyramide krenzte sich im Sacralmarke. 

Im 6. Falle handelte es sich um einen cystisch erweichten Tumor in der 
rechten Hemisphäre, der theilweise auch die Centralganglien afficirt hatte. Es fehlte 
hier die Degeneration im nngekrenzten Pyramidenseitenstrang, im gekrenzten Vorder* 

Strange, in der Zwischenolivenschicbt am dorsalen Theile der intacten Pyramide und 
im ventrolateralen Theile des Seitenstranges; im Röckenmarke waren also nnr die 
gekreuzte Seiten- und die ungekreuzte Vorderstrangspyramide degenerirt. 

Anf die Schlüsse des Verf.’s kann nnr zum Theil eing^ngen werden. Die 
hinteren Wurzeln im Sacralmarke sind bald nach ihrem Eintritte so über die der Hinter* 
stränge vertheilt, dass sie auch das ventrale Feld and das ovale Feld betheiligen; 
diese Gebiete enthalten also nicht nur endogene Fasern, wie auch Ddjdrine and 
Spüler gefunden haben. Die Bedexcollateralen der hinteren Wurzeln erreichen 
nnr die Gebiete, die oben im Fall 1 angegeben sind; speciell für eine Bahn in dem 
gekreuzten Vorderseitenstrang (Edinger) ist also kein Beweis vorhanden (Ddjd- 

69» 


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1092 


rine and Spiller, Mott). Von der 7. cervicalen Wurzel ausgehende Hinterstrang»- 
fasern gelangen nicht in die GoU’schen Stränge. Der Gowers’sche Strang muss, 
wie Fall 3 beweist, schon im 4. oder 8. Lumbalsegmente beginnen; er liegt in 
Lumbal- und Dorsalmarke dicht am Bande des Markes, im Cervicalmarke von dieeea 
durch normale Fasern, die offenbar dem Tractus anterolateralis descendens entsprecheo, 
getrennt Das ist bisher Qbersehen. Dieser letztere Tractus liegt überall dicht &a 
Rande des Markes (doch s. die Bemerkung oben bei Fall 4). Die in dmn gläch- 
seitigen Seitenstrange verbleibenden Pjramiden^m verlassen die sich sonst kFenzeode 
Pyramide bei der Kreuzung am unteren Ende der MeduUa oblongata — sie g^eo 
bis ins Sacralmark; ebenso geht die angekreuzte Vorderstrangspyramide bis iss 
Sacralmark, wo sie sich kreuzt Das Qebiet der gekreuzten Seitenstrangspynmi- 
den ist ein viel grösseres, als man bisher annahm (s. o.). Bei partiellen Läsioan 
der motorischen Gebiete des Grosshims kann die Degeneration der homoUtenla 
Seitenstrangspyramide fehlen. Die im gekreuzten Vorderstrange befindlichen Faaeni 
in Fall 5 sind wohl auch Pyramidenfasem, sie stehen mit der Degeneration an 
dorsalen Theile der intacten ^ramide in der Höhe der Kreuzung in Zasammmhanz; 
es giebt also gekreuzte und ungekreuzte Vorder- und Seitenstrangspyramiden. 

Im Allgemeinen stimmen die Besultate des Autors mit den bisher bekanntee. 
namentlich mit den neuesten durch Marchi’s Methode gewonnenen Resultatea fibereia; 
das, was ganz neu ist, ist besonders hervoigehoben. L. Brnna 


5) Unilateral desoending atrophy of the flUet, aroiform flbres and poeteriot 
oolumn nnolei reaultlng from an experimental leaion in the monkey. 
by F. W. Mott. (Brain. 1898. Summer.) 

Durch das Experiment war eine leichte Läsion des linken Thalamus optiens, 
eine schwere des linken unteren Vierhügels und Corpus geniculatum eztemum erfolgt; 
ebenso waren alle drei Eleinhirnarme lädirt; in der Hauptsache war aber 
die laterale Schleife dicht über dem Pons durchschnitten. Es fand sick 
eine absteigende Degeneration der Schleife besonders in ihren mittleren Partieea, 
eine solche des Corpus trapezoides und des Stratum interolivare linke, rechts ein» 
solche der inneren Kbrae arciformes und der Hinterstrangskeme; keine Degenoatioa 
der Pyramiden und überhaupt im Bückenmarke nichts trotz der Läsion aller Kleis- 
himschenkel. 

Der Affe war im Anfang rechts hemianopisch (Läsion des linken Corpus gesi- 
culatum extemum), ferner zeigte er Nystagmus nach links; links Tremor nach Art ds 
Intentionstremors und Schwäche (Läsion der linken Kleinhimschenkel). Ferner beetaad 
redits Anästhesie (Läsion der linken Schleife) und Schwäche; letztere wohl indireet 
durch die Sensibilitätsstömng bedingt. Zuletzt war alles mit Ausnahme der rechtes 
Hemianopsie wieder verschwunden. Der Äffe lebte 3 Jahre nach der OperatiMi. 

L. Brnos. 


6) The cerebral oortioal cell under the Influenoe of poisonoua doaee of 
potaseii bromidum, by Hamilton E. Wright. (Brain. 1898. Summer.) 

Verf. bat das Gehirn eines Epileptikers untersucht, der offenbar in Folge eia« 
mehrtägigen Gebrauchs enormer Bromdosen gestorben war; zur ControUe diotm 
KaDiuehengebinie nach Anwendung grosser Bromkalidosen. Br hat ausser leidktm 
Veränderungen im Zwischengewebe besonders Veränderungen an den BindenganglM»’ 
zellen gefunden, die nach seiner Ansicht an den peripbersten Theilen da* Proti- 
plasmafortsätze begannen, da diese immer erkrankt waren, wenn sich am Zellk«kpir 
etwas fand, aber sich unter Umständen auch schon erkrankt fand«), wenn der 


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1093 


körper Docb normal war. Die Erkläroogen der psychischen Wirkung des Broms 
aus dieser Erkrankung gerade der periphersten ^den der Protoplasmafortsätze 
sind wohl psychophysiologische Zukunftsmusik. L. Bruns. 


7) The morbid anatomy in a case of lead paralysis; condition of the 
nerves, mosoles, musole spindles and spinal cord, by Laslett and 
Warrington. (Brain. 1898. Summer.) 

Fall von ansgebreiteter Bleilähmung der Arme und der Beine; an den Armen 
waren auch der Supinator longns, Triceps und die Schnltermuskolatur, ferner die 
Interossei betheiligt. Es fand sich erhebliche Degeneration in den peripheren Nerven 
und Muskeln, doch hatten die letzteren ihre Querstreifung bewahrt. Die Muskel* 
Spindeln waren erhalten. Hintere Wurzeln am Halsmarke normal, vordere atrophisch. 
In den entsprechenden Torderhomzellen des Halsmarkes Verändemngen, die die Yerff. 
als retrograde auffassen. L. Bruns. ' 

8> Los malformatlons oräniennes ohes les hörddoosyphilitiques, par 

Edmond Fonrnier. (Nonv. Iconographie de la Salpetridre. 1898. XL S. 288.) 

Charakteristische Schädeldeformationen finden sich bei erblich Syphilitischen an 
der Stirn als sog. Olympierstim (HervorwAlbung der ganzen Stirn) oder als Pro* 
minehz beider Stimhöcker, oder als mediale Leistenbildnng: an den seitlichen 
Tbeilen des Schädels als Prominenz der Scheitelbeinhöcker, als Terbreiterung des 
Schädels in transversaler Bildung, oder als sog. cräne natiforme, bei dem die 
Scheitelbeine so nach oben vorgewölbt sind, dass eie in der Mittellinie eine Binne 
zwischen sich bilden, wodurch der Schädel das Aussehen der Nates erhält 

Eingehender bespricht Yerf. dann die folgenden bei erblich Syphilitischen häufig 
beobachteten Missbildungen: 1. Asymmetrieen des Schädels, 2. Synostosen der 
Knochennähte, 3. Anomalieen der Schädelform als Acrocephalie, Dolichocepbalie, 
Scaphocephalie, 4. Mikrocephalie (besonders häufig), 5. Hydrocephalie. (Den Hydro* 
cephalus will Yerf. als ein besonders wichtiges Stigma fflr erbliche Syphilis be¬ 
trachtet wissen, das in jedem Fall den Yerdacht auf hereditäre Syphilis lenken 
sollte. Er hat allein 170 Fälle gesammelt, wo hydrocepbalische Kinder von syphi¬ 
litischen Eltern stammten. Er theilt 17 betreffende Krankengeschichten mit, von 
denen 10 bisher unveröffentlichte Beobachtungen seines Yaters A. Fonrnier sind.) 

Zum Schluss lässt er seinen Yater Ober ein eigenthflmliches Symptom sprechen, 
welches letzterer oft bei erblich syphilitischen Kindern beobachtet bat und das in 
der Erweiterung gewisser Yenen am Schädel besteht, so dass ein prall gefälltes 
Venennetz unter der Haut sichtbar wird, besonders im Bereich der Vena temp. 
superf., der Yena angularis und der Frontalvenen. (Circulation cränienne suppld- 
mentaire.) Facklam (Lübeck). 


Pathologie des Nervensystems. 

9) Beitrag rar aogenannten Pseudoparalysis heredltär-ayphUltisoher Säug¬ 
linge, von Dr. J. Zappert. (Jahrbuch Äir Kinderheilkunde. Bd. XLYl.) 

Die als Psendoparalysis syphilitica (Farrot’sche Krankheit) bezeicbnete vor^ 
übergehende Unbeweglichkeit einer oder mehrerer Extremitäten, wie man sie bei 
hereditär-lnetischen Neugeborenen hie and da beobachtet, hat meistens ihre Ursache 
in einer Osteochondritis, deren Schmerzhaftigkeit den Säugling von Spontanbewegungen 
abhält. — Der vom Yerf. nntersnchte Fall bot klinisch das Bild einer solchen 


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1094 


Psendoparaljae dar, welche den rechten und in schwächerem Qrade noch den Unku 
Arm betraf. Bei der Autopsie zeigte sich der Knochen, wenigstens für die makn- 
shopiscbe Untersncbong intact, bing^en bestand eine nnr auf das Cenricalmarlt be¬ 
schränkte Meningitis spinalis mit beträchtlicher Degeneration der hinteren Bflckeo- 
markewurzeln. Aach die vorderen Wurzeln waren im Baismarke stärker degenerirt, 
als dies YerC. sonst bei kindlichen Kflckenmarken zu finden pflegt. Der Umstand, 
dAM diese Bückenmarkaveränderungen nur das Halsmark betrafen, dass dieselben 
ebenso wie die klinischen Erscbeinungen rechts stärker ausgeprägt waren als links, 
endlich das Fehlen einer erklärenden Knochenaffection veranlasst den Verl, in den 
spinalen Veränderungen die Ursache fftr diesen Fall von Psendoparalyse zu erblicken. 
Vielleicht liessen sich durch weitere Untersuchungen des Centralnervensystems maoebe 
Fälle dieses Leidens, bei welchen eine Enochenerkrankung unauffindbar ist, emar 
Erklärung zufQhren. H. 


10) Cerebral ayphUia with wlde spread involvment of the oraoial nervM, 
by George T. Preston, H. D. (Alienist and Keurologist Si liouis. 189S. 
Jannary. XIX. Nr. 1.) 

Verf. berichtet Ober einen 37jährigen Patienten, welcher mit 27 Jahren einen 
Schanker and secundäre Erscheinungen hatte; mit 34 Jahren heftige Eopfschmenm: 

2 Jahre später rechtsseitige Lähmung, Schwindel ohne Bewusstlosigkeit, aber an¬ 
scheinend mit vorfibergehender Aphasie. Objectiv fand sich rechtsseitige Hemiasopeie 
ohne hemianopische Pupillenstarre, linksseitige Anosmie, Augenbewegungen frei; auf¬ 
gehobene Tast' und Scbmerzempfindung bei erhaltener Wärmewahmehmong in der 
Umgebung des linken Auges und an der Unken Schläfe; mangelnde Tastempfindimr 
an der linken Zungenhälile, linksseitige Taubheit, Lähmung des rechten Faeialk. 
Sprache artikulatorisch etwas gestört, Zunge weicht nach rechts ab, keine Schling- 
b^hwerden. Lähmung der rechten oberen und unteren Extremität mit leicbts 
Atrophie ohne qualitative electrisehe Veränderungen. PateUarreflex rechts gesteigmt 
rechts Fussclonus. Verf., welcher besonders das auffällige Freibleiben der soosi 
häufig bei Lues cerebri betroffenen Augenmuskeln betont, nimmt an, dass es mcb 
um eine ausgedehnte gummöse Leptomeniugitis handele, die sich besonders nach d<f 
linken Seite erstrecke und wahrscheinlich zu einer Thrombose der linken nittlereD 
Himarterie gefObrt habe. Kaplan (Herzberge). , 

11) liagopbthalmua im Schlafe bei wollatändigem Udaohluase im waohes 
Zuntande ala Theilbefond multipler Himnervmilähmuiig ln Folge 
loetiaoher BasalmeningitU, von Dr. Victor Hanke. (Wiener kUniecb« 
Wochenschr. 1898. Nr. 16.) 

Eine ö7jährige, vorher stets gesunde, hereditär nicht belastete Frau, der» 
Mann an einer venerischen Erkrankung gelitten haben soll und daran auch stut, 
bekam im Februar 1895 nach einer aufregenden Nachricht einen „Schlagsn&ü“: 
Kopfschmerzen, Erbrechen, Krämpfe am ganzen Körper und binnen wenigen Stund» 
eine vollständige Lähmung des Unken Auges. Die linke Gesichtshälfte war stair 
und gefühllos, der Mund nach rechts verzogen, das Kauen links nicht beeinträchügt. ' 
Bewnsstsein nicht alterirt. 

Elektrische Behandlung; nach Jahren Besserung der Lidlähmung und Ft- i 
cialislähmang, aber Auftreten von Doppeltsehen; seit 8 Monaten tbeüweise Wieder¬ 
kehr des Gefühles ün Unken Trigeminusgebiet, im Uetuigen der Zustand seit 3 Jahres 
stationär. 

Der Sohn iet Patientin gab spontan an: die UnmögUchkait der PaUMÜn, auf 
dem linken Auge zu weinen, weder auf psychische Erregungen lech refiecteriseh ui 
das Offenbleibmi der linken Lidspalte ün Schlafe. 




1095 


Seit dem Schlagani&lle auCbllende Schl&Mgkeit und sanehmende Vergeeslicbkeit, 
Yom Auge in die linke Oesichts* und Sohläfenseite aoaetrahlande Schmerzen nnd 
hänfige, in kurzer Zeit ohne Behandlung wieder schwindende EntzAndangen des 
linken Auges. Anlässlich einer solchen kam Patientin ins Spital, wo folgender 
Status praesens aofgenommen wurde: 

Auffallende Apathie uud Schläfrigkeit, intacte aber sehr langsame Sprache. 
Arteriosklerose, Hypertrophie des linken Ventrikels; starke Accentuation des II. Aorten¬ 
tones, leichtes systolisches Geräusch Ober der Spitze, normaler ürinbefund. Normaler 
Nerrenbefund an Stamm und Extremitäten sowie an den rechtsseitigen Himnerven. 
Herabsetzung der Taat- und Scbmerzempfindung im linken Trigeminus, am stärksten 
im 1., am schwächsten im 3. Aste. Motorisches Gesichtsfeld frei. Geruch links etwas 
besser als rechts. Auf NU 3 links keine reflectorische Thränensecretion. Linksseitige 
Facialisparese mit Ausnahme des Stirntheiles. Gehör links normal, rechts seit Jugend 
bestehende Affection des schallleitenden Apparates. Leichte aber deutliche Herab¬ 
setzung der Empfindlichkeit der Zungen-, Lippen-, Wangen- nnd Gaumenschleimhaut, 
sowie der Epiglottis links. Herabsetzung der Geschmacksempfindung an der ganzen 
linken Zungenhälfte. Gaumen- und Wtlrgreflex links herabgesetzt, motorisebe Inner¬ 
vation des Schlund- und Kehlkopfes normal. Ptoais links; der Lidsehluss ist links 
vollkommen, reflectorisch sowohl von der linken als von der rechten Seite aus er¬ 
folgend; totale linksseitige Oculomotorius- nnd Trocblearislähmung. Linke Cornea 
getrübt, im Centrum ein graugelbes ulcerirendes Infiltrat; Anästhesie dm: Cornea. 
J odkalibehandl ung. 

Vom weiteren Verlaufe sei hervoigeboben, dass nach etwa 4 Monaten nunmehr 
im 1. Trigeminusaste eine geringe Hyperästhesie bestand; die Facialisparese hatte 
sich gebessert, der Lidschluss im Schlafe war rollständiger wie früher, der Geschmack 
normal, die Schleimhautsensibilität beiderseits gleich, sonst Status idem. 

Verf. begründet die Diagnose „luetische Basalmeningitis der linken mittleren 
Schädelgrobe“; der Beginn der Erkrankung unter Allgemeinsymptomen, Kopfschmerz 
und Erbrechen, vereinzelten Krampfanfällen, Beklommenheit und Schlafsucht, und 
hierauf folgende Lähmung der Angenmuskelnerven sind das typische Bild der in 
Bede stehenden Krankheit. Das Freibleiben des 3., 4. und 7. Hirunerven, sowie des 
motorischen Gesichtsfeldes spricht nicht g^en die Diagnose; die Einseitigkeit des Pro- 
cesses gegen eine oucleare Affection. Dazn kommt die auf Lues positive Anamnese 
und die Erfolge der specifischen Therapie. 

Die Herabsetznng des Geschmackes auch im hinteren Drittel der Zunge kann 
Folge der Trigeminoserkranknng sein (Bruns, Gowers). 

Das Fehlen psychischer nnd reflectorischer Thränensecretion auf Seite der 
Lähmung scheint im vorliegenden Falle mehr die Rolle des Trigeminus als Erreger 
der Thränendrüse (Tepliacbine) zu sprechen, als für die des Facialis (Gold¬ 
zieher); denn erstens war die Störung der Thränenseeretion vollständig und bei 
Weitem anSallender als die Lähmongserscheinnngea des Facialis, nnd dann änderten 
sieb die Facialissymptome fast gar nicht, während zi^leicb mit dem Bflekgange der 
sensiblen Trigeminuslähmong das psychische und reflectorische Weinen sich wieder 
einstellte. 

Die Erscheinung, dass im wachen Zustande die Lider des linken Auges sowohl 
willkürlich als reflectorisch vollständig geschlossen werden können, während im 
Schlafe der reflectorische Lidsehluss fehlt, erklärt sich aus der Schwäche des Muskels 
und der Anästhesie der Cornea und Bindehaut. Im Momente des Einschlafens wurden 
beide Angen gleiohmässig geschlossen, links wegen der erwähnten Anästhesie nicht 
direct, sondern consensuell mit der grannden rechten Seite. Der paretische Orbicul. 
oc. sin. ist aber nicht im Stande, seinen Contractionszustand lauge Zeit festznhalteo. 


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das Auge Cffnet sicli wieder und bleibt gedffioet, da w^en der Anästhesie dei 
Cornea und ConjonctiTa die Beize zu erneuter Contraction fehlen. 

J. Sorgo (Wien). 


12) Contributo allo Studio oUnioo ed onatomioo della meningito sifllitica 

oerebrO'Spinale, per F. Giannuli. (Biv. sperim. di Freniatria. XXIII.) 

Der Tom Yerf. beobachtete Kranke bot einen sehr seltenen Complex von Sjm* 
ptomen dar: linksseitige Lähmung und Hemiatropbie der Zunge zusammen mit rechts» 
seitiger schwerer Hemiplegie, und Abducenslähmnng rechts mit linksseitiger Hemi¬ 
parese. Die erste Combination ist die Millard-Gubler’scbe, die zweite zuerst tmi 
G oukowsky beschrieben worden. Das Leiden hatte sich sprungweise entwickelt 
Die Abducenslähmung war der des Hypoglossos voraufgegangen. Anatomisch bestand 
gummöse Meningitis, charakterisirt durch necgebildetes, kleinzelliges, ge&ssrmdLes 
Gewebe in der Pia mater, namentlich stark im BQcken- und Lendenmark an der 
Anstrittsstelle der hinteren Wurzeln. An der Basis des Himstammes zwei Gummata. 
Die Pyramiden-Seitenstränge rarificirt rechts stärker als links, Hinterhömer rer- 
schmälert, io der Bolando’schen Substanz und den Clarke'sehen Säulen die Z^ea 
ergriffen und das feine fibrilläre Netzwerk geschwunden. Die Degeneration des 
Goll’schen Stranges nach oben bin abnehmend, weiter aufwärts nur den hinteren 
medianen Abschnitt nabe der Mittellinie einnehmend. 

Yerf. knflpfte an seinen Fall einige anatomische Betrachtungen über die Lage 
der Kerne im Bulbus. Valentin. 

13) lieber die Besiehungeu der Olykoaurie und des Diabetes mellitcB 

sur Syphilis, von Dr. med. C. Manchot. (Monatshefte ffir prakt Dermatologie. 

1898. Bd. XXVU.) 

Der erste (historische) Theil der Arbeit beschäftigt sich mit einer kritischei 
Sichtung der diesem Thema gewidmeten Arbeiten. Eine ganz specielle Berücksichti¬ 
gung findet hierbei die von Leyden angeregte Arbeit Scheinmann's (Deutsche 
med. Wochenschrift. 1884.) 

Yerf., der am alten allgemeinen Krankenhaus zu Hamburg unter Engel- 
Beimers arbeitet, Terwertbet im II. Theil das grosse Material dieses Krankenhauses, 
um die Beziehungen der Glykosurie bezw. des Diabetes mellitus zur Syphilis festsc- 
stellen. Die Schlussfo^erungen des Yerf.’s sind im Wesentlichen die fo^nden: 

Im Verlaufe der secundären und tertiären Syphilis kommt eine Torübergehend« 
Glykosurie vor. Unter 359 syphilitischen Individuen konnten 12 Fälle tranä- 
toriseber Glykosurie festgestellt werden (3,3 ^/q), deren luetische Aetiologie absolut 
sicher ist. 

Bei der Lues congenita wurde niemals Zucker im Urin gefunden. Auch bei 
2 Fällen von Lues hereditaria tarda war der Urin stets zuckerfrei. Die Glykosurie 
liess in keinem Falle einen auffälligen Zusammenhang mit der Schwere der Infecb« 
erkennen. 

Die transitorische Glykosurie der Syphilitischen ist eine Theilerscbeinnng dw 
syphilitischen Erkrankung des Gesammtorganismus. Als directe Ursache la^en siet 
vorflbergehende, reparable Störungen des Pankreas, vielleicht auch der Leber 
vermuthen. 

Die transitorische Glykosurie der Syphilitischen ist als ein weiteres Glied ü 
der Kette jener Erscheinungen aufzufassen, welche die Betheiligung der ümeni 
Organe an dem Ausbruch der constitutionellen Syphilis doenmentiren (Albunünuria 
Icterus, Gelenk- und Sehnenscheidenaffectionen, acute Herzschwäche der Luetiker). 

Moritz Fürst (Hamburg). 


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14) Ztir Lehre von der Byphilitisohen Spinalparalyse (Erb), von Frivatdoc. 

Dr. F. Pick. (Prager med. Wochenschr. 1898. Nr. 18—20.) 

Verf. spricht sich fOr die Existenzberechtigung einer syphilitischen Spinalparalyse 
im Sinne von Erb aus anf Grand eines ansfhhrlich mitgetheilten Falles. Er betrifft 
einen Mann, der mit 30 Jahren ein Ulcas mit Secandärerscheinangen acquirirte. 
1 Jahr später plötzlich Unvermögen aafzustehen, wegen Schwäche and Spasmen der 
Beine, Stnhlverhaltnng. Anf Jodkali Besserung. Becidive der Erscheinongen nach 
iVa Jahren. 4 Jahre nach der syphilitischen Infection im Jahre 1888, also vor 

dem Erscheinen der Arbeit von Erb, wurde bereits die Diagnose anf Paralysis 

spinalis spastica e lue gestellt. Damals bestanden bloss Erscheinungen von Seite 
der unteren Extremitäten; ansgesprochen spastischer Gang ohne soustige auffällige 
Maskelspannnngen oder Paresen, gesteigerte Reflexe, Sensibilität kaum nennenswerth 
gestört, keine BlasenstÖmng, Wirbelsäule im 4.—6. Brust- und 3. Lendenwirbel 
etwas druckempfindlich. In den folgenden 10 Jahren zeigten die Erscheinungen 
wohl einige Schwankungen in der Intensität, blieben aber sonst unverändert; nur 
reflectorische Pnpillenstarre trat hinzu. 

Abweichend von dem Erb’schen Typus ist in diesem Falle bloss der plötzliche 

B^inn der Erscheinungen. Verf. weist aber nach, dass unter den in der Litteratur 

beschriebenen Fällen Erb’scher syphilitischer Spinalparalyse eine ganze Reihe diesen 
plötzlichen Beginn zeigen. Er bringt in dieser Beziehung einen zweiten eigenen 
Fall mit plötzlichem Beginn der Erscheinungen bei: 

Er betrifft einen Kranken, der mit 26 Jahren Syphilis acquirirte. 1 Jahr später 
plötzlich Harnverhaltung und bald darauf vollständige Lähmung der unteren Extre¬ 
mitäten, Verlust der Sehnenreflexe, totale Anästhesie. Nach 7 Wochen Besserung. 
Bei der Untersuchung 3 Jahre später an den unteren Extremitäten geringe Spasmen, 
keine auffällige Lähmungserscbeinungen, ausgesprochen spastischer Gang, leichte 
Hyperästhesie, starke Steigerung der Sebnenreflexe, Parese der Blase. Spasmen des 
Sphincter ani. In der weiteren Folge blieben die Eracheinungen stationär. 

Es zeigt sich also, dass nicht so selten die syphilitische Spinalparalyse mit den 
Erscheinungen einer totalen Querschnittläsion beginnt, ohne dass man nach Verf. 
eine Berechtigung hätte, diese Fälle von denen mit allmählichem Beginne zu trennen, 
da ja die Fälle im weiteren Verlaufe sich vollkommen gleichen. Als charakteristisch 
fOr die syphilitische Spinalparalyse hält Verf. den ausgesprochen spastischen Gang 
bei relativ geringen Huskelspannungen. Blasenstörung, geringe noch am meisten 
fQr den Temperatursinn ausgesprochene Sensibilitätsstörungen. 

Man könnte höchstens die chronisch beginnenden Fälle als primäre oder ge¬ 
meine syphilitische Spinalparalyse, die acut einsetzenden als secundäre bezeichnen. 
Als anatomischer Befund ergab sich in vereinzelten Fällen (Nonne) primäre System¬ 
degeneration, andererseits solche im Verein mit einer Transversalmyelitis. Ftlr die 
Fälle mit plötzlichem Beginn dürften insbesondere Gefässerkrankungen eine 
Rolle spielen. 

Aetiologisch ergeben sich nebst der Lues als wichtig Eälteeinwirkungen und 
körperliche Ueberanstrengung; auch sah Verf. Verschlimmemng nach Darreichung 
von Abführmitteln. Redlich (Wien). 


15) Over syphllitlaohe Bplnaalparalyse, door Dr. L. J. J. Huskeus. (Psychiatr. 
en neurol. Bladen. 1897. Sept. Nr. 4. blz. 328.) 

Ein Soldat zog sich in Ostindien im Jahre 1886 Syphilis zu und wurde mit 
Schmierkur und Jodkalium behandelt. Im Jahre 1891 kehrte er nach Holland 
zurück. Im Jahre 1894 bemerkte er Schwierigkeit bei der Hamentleerang, wozu 
sich bald Krämpfe, Schwäche und Vertaubung in den Beinen gesellte, dann Zittern 
in den Beinen, später bestanden deutliche Blasenstörungen, besonders Insufficienz des 


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Detrasor. PareM beidw Baine, stark geateigerte Selmenraflexe, die aidi sUrend in 
jede wiUkarliche Bevegung miachten, da der leicbteate Stoaa an das Bein eine Streck- 
bewegang aosldste. Becbta waren diese Erscheinungen stärker und rechts fand äck 
auch der Muskeltönus stärker, als links. Ausserdem bestanden Sensibilitätsstönug«! 
in den Unterschenkeln. Seit 2 Jahren bestand der Zustand so ziemlich unveränden 
Yerf. diaguosticirte syphilitische spastische Spinalparalyse. 

Walter Berger (Leipzig). 


16) Neurosen ln Folge von Syphilis, von Dr. Otto DornblQth, Nerveiiant 
in Rostock. (MQnchener med. Wochenschr. 1897. Nr. 42.) 

Verf. betont die ätiologische Bedeutung der Syphilis fllr Neurasthenie, Hysterie 
und Epilepsie, wie sie schon ez juvantibus hervoigeht, und zwar ist es der Ifercnr, 
von welchem in solchen Fällen prompter Erfolg zu constatiren ist. Während die 
Neurasthenie ohne gleichzeitige, deutliche Syphilissymptome aufzntreten pflegt, 
die Hysterie häufig in die Periode der secundären Lues (Charcot). Yon syphi¬ 
litischer Epilepsie werden mehrere Fälle angeführt und zwar handelte ee sich einmal 
um eine Frau mit besonderer Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten neben den 
mehrmals täglich anftretenden Anfallen (petit mal). Quecksilberbehandlung in Fons 
von Sublimatinjectionen batte auffallende Besserung des Intellects, sowie Yermindenii^ 
der Anfälle zur Folge. In einem weiteren Fall wurde die in Form von Abseacss 
anftretende Epilepsie bei einer Frau unter Gebrauch von Hydraig. tannicum bedeoteod 
gebessert. Auch hereditäre Syphilis kann die Ursache von Epilepsie sein, wie zwei 
weitere Fälle zeigen, ferner können durch sie Zustände von Idiotie and angeboresrai 
Schwachsinn veranlasst werden, welche der Ug-Behandluog gleichfalls zugänglich mod. 

E. Asch (Frankfurt a./'M.). 

17) lieber die obinu^;lsobe Behandlung der HimsyphUle, von Dr. F. von 
Friedländer und Dr. H. Schlesinger. (Hittheiiungen aus den Qrenzgebieteo 
der Medicin und Cbiruigie. Bd. III.) 

43jähriger, vor längerer Zeit schon luetisch inflcirter Hann erkrankte 2 Jshif 
vor der Operation an linksseitigen, Nachts ezacerbirenden Kopfschmerzen. Seit 
3 Honaten häufige Anfälle von Bindenepilepsie, die in der Zungenspitze beginnen, 
und sich rasch auf das Gebiet des rechten Facialis, die rechte Hand und den rechte 
Arm erstrecken. Yor dem Krampfanfalle zeigen sich sensible Beizerscheinungen, die 
sich in derselben Weise ausbreiten. 

Das Bewusstsein ist während der AnßUe erhalten, nach denselben findet skb 
öfters eine vorübeigehende motorische Aphasie. Die Sprache verschlechterte adi, 
mehrfache luetische Kuren brachten keine Besserung. 

Bei der Aufnahme ins Hospital zeigte Patient: Rechtsseitige Hypogloasuslähmoi^, 
rechte Facialisparese, später Lähmung des rechten Armes nnd Ataxie in demselben. 
Die Berührnngsempfindung ist erhalten, hing^eo das Localisationsvermögen, der 
Temperatur*, Schmerz* und stereognostische Sinn gestört Doppelseitige Stauongs- 
papiUo. Am linken Scheitelbein findet eich eine dmckempfindliche Stelle. 

Die Haut in der rechten oberen Extremität ist livid verübt und tuigesceot 
Da von einer weiteren antisyphilitiscben Behandlung kein Nutzen zo enrartei 
war (Patient hatte bereits mehrmals sich einer Inunctionskur nnterzc^en), so ent* 
schloss man sich zum chiruigischen Eingriffe. Es fand sich in der G^esd d« 
nnteren Tbeiles der Unken Oentralwindangen ein von der Dnra ao^bendw Tomv. 
der entfernt wurde und sich bei mikroskopischer Untersuchnng als Gumma erviM- 
Beaetionslose HeUung der Wunde. Die Lähmungen an oberer nnd nnterer ExtreoH^ 
bildeten eich gänzlich lurfick, ebenso die Facialislähmung. Hingegen blieb die richts- 


Digi; zed by 




1099 


seitige UypoglossoBlähmang bestehen. Diese isolirte corticale Uypoglossusläbmimg 
spricht fflr das Torhandensein eines besonderen Bindencentmms für den N. hypo* 
glossns beim Menschen, etwa im untersten Viertel der vorderen Centralwindung. 
Ferner war in der Beconvalescenz eine ausgesprochene Verspätung der Schmerzempfindung 
rechts zu conatatiren, sowie Hyperalgesie und schmerzhafte Nachempfindung. Von 
Wichtigkeit ist, dass in vorliegendem Falle die Verspätung der Schmerzempfindung 
rein corticaler Natur war und auch hier wie bei spinaler und peripherer Mhmung 
als eine Art von Summationsvorgang anzuseben ist 

Zugleich mit dem operativen Eingriff trat die schon vorher bestehende und für 
einige ^it verschwundene vasomotorische Störung auf der gelähmten Eörperhälfte 
wieder auf, eine Beobachtung, die für den corticalen Ursprung derselben spricht. 

Verff. stellen als Indicationen für den chirurgischen Eii^rif^ der wie in dem 
beschriebenen Falle lebensrettend wirken kann: 1. Stationärer Tumorbefund nach 
antiloetiscber Behandlung bei leichter Zugänglichkeit und vermnthlich geringem Um¬ 
fange. 2. Progredienz der Erscheinungen trotz eingeleiteter specifischer Behandlung, 
wenn eine Indicatio vitalis besteht 3. Trotz antiluetischer Behandlung bestehende 
Jackson’sche Epil^sie, auch wenn die fHlheren Tumorsymptome inzwischen ge¬ 
schwunden sind. A. Doberenz (Leipzig). 


18) Oeservazionl oUziiohe tendenti a dimonstrare PealsteiuEa di flbre asao- 
oiative tra ü nervo foooiale e U nervo ooulo-motoM oomune del 
medeaimo lato, per C. Negro. (Boilettin, del policlin. gen. di Torino U.) 

Ist bei Oesichtelähmungen der obere Ast des Facialis mitbetroffen, so macht der 
Kranke eine Botationsbew^ng des Bulbus oculi der gelähmten Seite nach oben 
und aussen, seltener nach oben innen, jedes Mal, wenn er versucht, das Auge 
zu schliessen. Das Auge behält diese Steilung bei, so lange die willkfirliche Con- 
traction des orbicolaris oculi andauert. Das Ai^e der gesunden Seite vollführt eine 
associirte aber weniger ausgiebige Excnrsion nach oben innen, bezw. oben aussen. 
Auf die diagnostische Wichtigkeit dieses Phänomens bat Verf. in einer früheren 
Arbeit (Bollett. del policlin. gen. di Torino. 1896. Nr. 3) hingewiesen. Zu seiner 
Erklärung war Verf. von den Untersuchungen Mendel’s (d. Centralbl. 1887) aus¬ 
gegangen, nach denen der obere Facialis im Ocnlomotoriuskem entspringt und im 
hinteren Längsbündel zum Eniee des Facialis zieht. Eine gleiche physiologische 
Verbindung nahm Verf. vom Facialis zum Oculomotorins derselben Seite an, so dass 
ein Willenreiz, der anf der Bahn des ersteren Hindernisse findet letzteren 
zufiiesst. Erfolgt die Bewegung des Auges nach oben und aussen, so ist es der 
Husculus obliques inferior, erfolgt sie nach oben innen, der Beetns superior, der 
innerviert wird. Dass die erstere Bewegung bei der Facialislähmung die häufigere 
ist liegt an der auch anatomisch wahrscheinlich gemachten Dissociation im Kerne 
des Oculomotorins. 

Besteht die vom Verf. angenommene Verbindong zwischen Facialis und Oculo- 
motorioB, so muss, wenn amgekehrt die Bahn zum Hueeulas obliqous inferior unter¬ 
brochen ist eine Contraotion der vom oberen Facialis versorgten Muskdn eiotreten, 
wenn der Kranke den gelähmten Augenmuskel willkfirtich bewegen will. Unter 
6 Fällen, 5 Tabikern und einem Kranken mit ebroniseber speoifiseber BasUarmeuingitis, 
bei denen unter anderra der Husculue obliquns inferior einer oder beider Seiten 
gelähmt war, traf dies 4 Hai zu. 

Wie erklären sich die beiden Ausnahmeai? Verf. antwortet: aus dem Sitee der 
Erkrankung. Nur wenn die Lähmung des Musculns obliques inferior eine periphere, 
kann der Beiz auf den Faoialts weiteigeleitet werden. Ist der Kot des betreffeuden 
Nerven erkrankt, so ist auch diese Bahn untorbroeben. Valentin. 


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19) An nnnanal form of Ibolal paralysis, by W. S. Helsome. (Pediatricft. 
1898. Vol. V.) 

Das anfälligste Symptom in diesem Falle einer nach Ohroperation aufgetreienen 
rechtsseitigen Facialisl&hmung bestand darin, dass das 5jährige Kind während dee 
Schlafes das rechte Ange völlig mit dem Oberlide zu bedecken im Stande war, 
während wUlkÖrlich eine vollkommene Schliessong des Auges unmöglich etachieo. 
Der Fall ging rasch in Heilung Über. Zappert 


20) Diplegla faoiaÜBt per Dr. Sudnik in Buenos*Aires. (Semana Hedica Buoioe* 

Aires. 1897. Sept. 30.) 

Yerf. berichtet über einen interessanten Fall von Diplegia facialis bei einem 
jungen Hanue von 17 Jahren, der kürzlich vorher Syphilis acquirirt hatte. Er litt 
an heftigen Schmerzen der rechten Seite des Qesichts und 3 Tage nachher tritt eine 
Paralyse der Gesichtshälfte ein. Einige Tage nachher stellte sich eine Paralyse da 
linken Seite des Gesichts ein, aber olme vorai^^angenen Schmerzen. 

Die üntersuchung der Ohren ist negativ. 

Gehörsinn ist unverletzt; Pharynx zeiget mehrere Plaques moqueuses: Ge* 
schmackssinn ist vermindert; Yelum Palati ist nicht abweichend; Reflex vermindert; 
keine Störung der Sensibilität 

Die elektrische Untersuchung ergiebt Entartungsreaction für beide Seiten des 
Gesichts. 

Yerf. glaubt, die Diplegia bängt mit der Syphilis zusammen. 

W. C. Erauss. 

21) Herpea loater mit gleiohaeltiger FaoialiBlähmang, von Qrassmann. 

(Deutsches Archiv f. klin. Hedicin. 1897. Bd. LIX.) 

81jährige Dame erkrankte mit Schmerzen im rechten Plexus cervicalis unter 
Auftreten von Herpes zoster im Gebiet dieses Plexus, sowie des 3. Astes des Trige* 
minus und des Facialis. Daneben war eine Schwellung der rechten Wange und 
vollständige Facialislähmung der rechten Seite zu beobachten. Nach Abheilung des 
Herpes blieben noch beträchtliche Störungen der Hautsensibilität im Bereich dee 
Plexus cervicalis zurück. E. Grube (Neuenahr). 

22 ) Un oaa de paralyaie Iboiale perlphdrique dite rhumatlamale ou 

„a frigore** suivi d'autopaie, par J. Döjärine et A. Theohari. (Comptee 

rendns de la Soc. de Biolog. 1897. 4. Däc.) 

Die Yerff. beobachteten einen Fall von rheumatischer Facialisparalyse bei einer 
81jährigen dementen Frau, welche einem Utemscarcinom erlag. & zeigte sich bei 
der Section keine Spur von irgend einer Elrkrankung des Schläfenbeins oder dee 
Fallopi’schen Canals, dagegen erwiesen sich die terminalen Endigungen des Facialis 
bei der mikroskopischen Dntersncbung als hochgradig degenerirt: das Mark war 
schollig zerfallen, der Axencylinder nicht mehr nachweisbar; auch die von den be* 
treffenden Nerven versorgten Muskeln befanden sieb im Zustande der Degeneration 
und zeigten eine undeutliche Querstreifung und reichliche Eemanhäufung. — ln 
Facialiskeru fanden sich zahlreiche degenerirte Zellen. 

Der vorliegende Fall ist nach zwei Richtungen bin interessant Einmal lehn 
derselbe, ähnlich wie der früher von Minkowski beschriebene Fall, dass die „rbeo* 
matische Facialisparalyse“ augenscheinlich eine infectiöse Ursache hat, bei welcher 
die „Erkältung“, wenn überhaupt nur einen auslösenden Effect hat Ferner war es 
auffallend, dass die unteren Facialisäste, deren Function bekanntlich sich am 


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schwersten wieder einstellt, am weitaus heftigsten erkrankt befunden wurden, indem 
hier nur auf etwa je 10 erkrankte Kervenfasem eine normale kam, ein Verhältniss, 
das bei den oberen Facialisftsten gerade umgekehrt beobachtet wurde. 

W. Cohnstein (Berlin). 


23) Interprdtstiozi d’on pbdnomöne reoemment ddorlt dans la paralysie 

faoiale pdriphdrique, par M. Campos. (Progr^s mddical. 1898. S. 97.) 

Vergangenen Herbst beschrieben Bordier und Frenkel bei der peripher be¬ 
dingten Facialisl&hmang folgendes von ihnen neabeobachtetePh&nomen: eine Bew^ung 
des Augapfels nach oben und aussen bei geschlossenen Augenlidern. Sie hielten 
dieses Zeichen ftlr prognostisch sehr wichtig, und zwar in ungQnstigem Sinne, indem 
das Symptom eine schwere Erkrankung bezeichne. Bonnier theilte einige Wochen 
später mit, er habe dieses Symptom sehr häufig beobachtet und könne nicht der 
Autoren Ansicht theilen. 

Terf. erklärt in vorliegendem An&atz das Phänomen als ein ganz einfaches 
nnd phy8iol<^isch bedingtes. Im Zustande der Bube stellte sich der Augapfel be- 
kanntermaassen stets nach oben und aussen ein, wie dies bei Oeffoen der Lider 
eines Schlafenden zu beobachten sei. Er bringt des ferneren als Stfltze für seine 
Behauptung physiologische, normal wie experimentell anatomische und pathologische 
Facta und bespricht des näheren die Functionen der Augenmuskeln, die bei diesem 
physiologischen Vorgänge in Betracht kommen. Es sei hierdurch auf die Abhandlung 
hingewiesen. Adolf Passow (Strassbn^ i./E.). 


24) Das Ch. Bell’sohe Phänomen bei peripherisoher Faoialislähmung, von 

Bernhardt (Berlin). (Berliner klin. Wochenscbr. 1898. Nr. 8.) 

Bordier nnd Frenkel haben in der Semaine Häd. (Sept. 1897) behauptet, 
bei der Facialislähmung ein Phänomen beobachtet zu haben, welches bisher noch 
nicht beschrieben sei. Fordert man den Kranken auf, die Augen fest zu schliessen, 
so gelingt dies leicht auf der gesunden Seite. Auf der gelähmten Seite kommt aber 
nnr eine geringe Verkleinerung der Lidspalte zu stände; der sichtbar bleibende Aug¬ 
apfel bewegt sich zuerst nach oben und dann leicht nach aussen, während sich das 
obere Lid etwas senkt. 

B. und F. ziehen aus dieser Erscheinung und der event. Besserung mehrere 
diagnostische nnd ätiologische Folgerungen. Verf. weist nach, dass letztere nicht zu 
fiecht bestehen, und da «« das sogen, neue Phänomen schon vor 75 Jahren Ch. Bell 
bekannt war und seitdem oft beschrieben worden ist. 

Bielschowsky (Breslau). 

26 ) Ist das sogen. Bell’sobe Phänomen ein für die Lähmung des K. faoialis 

patbognomonisohes SymptomP von Dr. Oeorg Köster. (HOnchener med. 

Wochenscbr. 1898. Nr. 28.) 

Eine Reihe von Forschem, wie Oowers, Möbius, Strümpell u. A., haben 
das BeU’sche Phänomen, d. h. die Drehung des Bulbus ocoli nach oben innen und 
dann nach aussen, als ein für Facialislähmung patbognomonisches Symptom angegeben. 
Seil selbst hingegen hält das Aufwärtskehren des Augapfels nicht für pathologisch, 
sondern erachtet es als einen bei jedem Lidschluss auftretenden physiologischen Vor¬ 
zug. Dieser Ansicht schliesst sieh Verf. vollständig an. Er bat an Hunderten 
von Gesunden den Weg verfolgt, welchen die Bolbi bei activem oder passivem Lid- 
scblnss nehmen, und stets gesehen, dass sich die Augäpfel nach oben innen und dann 
nacb aussen bewegen. Natuigemäss kann man dies Phänomen am besten studiren, 



1102 


wenn die Lider darch eine L&hmong am Schliesses Terhindert werden. Patbognomooiseh 
für eine Facialislfchmnng ist ee aber entscbieden nicht 

Ebenso kann Terf. die Bonnier’sche Beobachtang nicht beetätigeD, dass 
n&mhch bei Facialielähmang das obere Lid sich bebe, wenn Pat. dasselbe zo seblieasai 
rersnche. Yielinebr hat Terf. in jedem einzelnen Falle eine leichte Senkung des 
Lides bei intendirtem Schlosse sehen können. Kort Mendel 


36) üeber Bensibilltätsstörungen bei rheomatinoher FaolaliaUUimiuig, roo 

Dr. Adler. (AUgem. med. Centralzeitong. 1898. Nr. 22.) 

1. 47jähr. Frau erwacht eines Morgens mit einer rechtsseitigen Gemchtslähoimg 
und TaubbeitsgefQhl auf der rechten Zongenhälfte. Die Dntersnchung ergab neben 
einer tjpiscben Facialisl&hmong deutliche Termindemng des Tast«, Schmen« ond 
Temperatorgeffthls auf der Oberfläche der rechten Zungenhälfte und der Schleimbnat 
der rechten Unterlippe. OeschmacksTermögen der rechten Zangenhälfte yollkomm«] 
aufgehoben. Einige Tt^^e später Schmerzen in der rechten Warzenfortsatzg^eod 
und der Tiefe des GehOrgaoges, die etwa 2 Wochen anbielten. Nach 4 Wochen 
Heilung. 

2. Bei einem 47jähr. Manne stellte sich onter Scbmerzen in den Zähnen der 
rechten Mundhälfte und hinter dem rechten Ohr, die etwa 14 Tage anhielten, eioe 
rechtsseitige Gesichtslähmung mit totaler Entartungsreaction ein. Geschmack der 
rechten Zongenhälfte aufgehoben, Tast-, Schmerz- und Temperatnrempfindung wie 
elektro-cutane Sensibilität auf der rechten Zongenhälfte an Ober- and Unterseite, 
sowie an der Schleimhaut der rechten Oberlippe erheblich yennindert. Nach 4 Wocbeo 
noch Status idem. 

Verf. yerweist auf die den seinen ähnlichen Beobachtungen yon Bernhardt 
und y. Frankl-Hochwart; ob es sich in solchen Fällen um ein Mitergriffenseb 
von Trigeminosfasem handelt, oder ob die Annahme statthaft ist, dass im Facialis 
auch sensible Fasern yerlanfen, ist zur Zeit noch fraglich. 

Martin Bloch (Berlin). 


27) KUnlsohe Studien über die Oesolimsokelähmungen duroh Zerstömsg 
der Chorda tympani und des Flexas tympanious, yon Dr. H. Schlich- 
ting in Gflstrow. (Zeitschr. f. Ohrenbeilk. Bd. XXXII.) 

Es ist zwar ein physiologischer Pnndamentalsatz, dass die Chorda tympani die 
yorderen Zangenpartieen mit Geschmacksfasem versoi^, allein der weitere centri- 
petale Verlauf nnd der schliesslicbe Verbleib ist zweifel^ft 

Für den Verlauf der Geschmacksfasem im Trigeminus sprechen sowohl physio¬ 
logische Versuche, als auch Ergebnisse der Pathologie, doch fand sich andererseits 
auch bei Trigeminnsresection nnd bei Erweichung des Gasser’scfaen Enotens nur 
Herabsetznng, einmal sogar yöUige Intactheit der Gescbmacksempfindlicbkeit. 

Noch mehr Differenzen bestehen bei der Frage, welchen Weg die Chordafiseii 
zom Trigeminus nehmen, ond welcher Ast des letzteren sie centralwärts ßhit 
Uebrigens haben einige Autoren den Facialis, andere den Glossopharyngeus als Oo* 
schmacksnery bezeichnet; für letztere Hypothese hat Carl aof Grund einer Selbst¬ 
beobachtung einen Beweis zu erbringen geglaubt, welcher jedoch yom Verf. widw- 
legt wird. 

Dass für das hintere Zungendrittel der Glossopharyi^^os der GeacbmacksnerT 
ist, wird fast abereinstimmend behauptet Zor weiteren Erörterung der Frage nach 
der Gescbmacksinneryatiun geht Verf. von der Tbatsache aus, dass man bei Eranka 
mit chronischer Pankenböhleneiterung fast stets GeschmackslähmuDg findet, allerdings 


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1108 


TOD sehr wechselndor Ausdehnang; in solchen geeigneten F&llen entscheidet die Fest« 
stellong, ob die Chorda oder der Plexns tympanicos oder beide zerstört bezw. erhalten 
sind, welchen die Qeschmacksempfindung cerebralwälia za nehmen hat Yorf. 
beschreibt ansfübrlich die Qrftnde, nach welchen bei Erkrankongen der Paakenhöhle 
auf eine Zerstönmg des Plexns tympanicos oder der Chorda oder beider zu scbliessen 
ist nnd hat eine Beihe so Erkrankter auf ihre Geschmacksfähigkeit untersacht 
Danach ergiebt sich, dass allein die Chorda den vorderen Theü der Zunge mit Ge- 
schmacksfasem versorgt geschieht jedoch in einer individoell sehr verschiedenen 
Ansdehnung von Vs ‘*/g der Zange. Es stand nnr ein Fall zur Verfligung, bei 
welchem die Chorda erhalten, der Plexus aber verletzt war, hierbei ergab sich eine 
Gescbmackslähmnng in den hinteren Tbeilen der Zunge nnd am weichen Gaamen. 
Bei Zerstörung der Chorda nnd des Plexus tympanicus fehlt die GescUmacksempfin- 
dang fast immer vollständig, diese Thatsache kann bei Berücksichtigung der Inner¬ 
vation des vorderen Theiles der Zunge durch die Chorda als Beweis dienen, dass 
der hintere Theil der Zunge und der weiche Gaumen die Geschmacksinnervation 
durch den Plexus tympanicus erhält. 

Die Geschmacksleitung geht also in jedem Falle durch die Paukenhöhle. 

Samuel (Eckerberg). 


Psychiatrie. 

28) Die Onanie im Kindesalter, von Dr. J. E. Schmnckler in Kiew. (Archiv 
für Einderheilk. 1898. Bd. XXV.) 

Entgegen der verbreiteten Ansicht welche in der Schule die Ursachen für das 
Entstehen der Onanie sucht, tritt Yerf. dafür ein, dass im Hanse viel mehr Anlass 
zum Zustandekommen des üebels gegeben sei. Schon das warme Säoglingsbett, das 
durch mangelnde Reinlichkeit bedingte Hautjucken in der Qenitalgegend veranlassen 
die Kinder zu wollüstigen Bewegungen. Später könne das Kriechen, die Art unserer 
Kleidung, der Genuss alkoholischer nnd gewürzter Nahrungsmittel, fernerhin das 
Tanzen, Reiten u. s. w., die Anwesenheit bei erotischen Scenen oder Gesprächen, 
endlich das Yorbandensein von Erkrankungen der Hant oder Genitalorgane einen 
geschlechtlichen Beiz auf die Kinder ansüben; in vielen Fällen sei 'natürlich das 
Uebel durch directe Nachahmung bedingt. Yerf. sieht in der Ausbreitung der Onanie 
eine beängstigende sociale Erscheinung, welche dem Staat und der Gesellschaft wohl 
die Verpflicbtnng zn Gegenmaassregeln auferlegt. 

Zum Schlüsse formulirt Yerf. seine Vorschläge in einigen Sätzen, in denen er 
namentlich für zweckmässige Belehrung der Eltern und für ärztliche Beaufsichtigung 
der Schulkinder eintritt. Zappert (Wien). 


29) Das Wesen der Faranoia-Verrüokthelt, von Oberarzt Dr. J. Bresler in 

Freihuig i/Schl. (Deutsche med. Wochenschr. 1898. Nr. 41.) 

Das Wort „Paranoia“ bezieht sich nnr auf chronische Zustände: das Charak¬ 
teristische. derselben liegt in einem Antagonismus von Nervenerregungen, der sich 
klinisch in dem Nebeneinander von Grössen- und Verfolgongswahn documentirt. Das 
körperliche — primäre — Ich ist verrückt, die Persönlichkeit eine andere geworden. Von 
der Paranoia in diesem Sinne trennt Yerf. als „chronischen Verfolgungswahn“ oder 
..chronischen Wahnsinn“ jene zahlreichen Fälle, bei welchen die antagonistische 
Gegenüberstellung von Fördernng und Beeinträchtigung fehlt, das primäre Ich un¬ 
versehrt ist, das normale Bewnsstsein des Körpers, Namens, Standes nnd der socialen 
Beziehungen erhalten bleibt. Yerf. betont die Nothwendigkeit der hier gemachten 
Trennang nnd hofft von weiterer klinischer Forschung nene Anhaltsponkte zur früh- 
eeiiigen Erkennung der Paranoia. Zeitig ist bei der Entseheidnug der Frage: wird 


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1104 


bei einem Kranken mit Verfolgnngswabn später aach Qrfesenwahn sieh entvickeb, 
d. h. liegt Paranoia vor? das von Beginn des Leidens gesteigerte Selbstbewosstneii 
sicherlich das erste Merkmal daf&r. B. Pfeiffer (Cassel). 


HX Aus den Gesellschaften. 

Berliner OesellBohaft für Psyohiatrie und XTervenkrankheiten. 

Sitzni^f am 13. November 1898. 

Vor der Tagesordnang stellt Herr Levj'Dom eine Patientin vor, vrelche vor 
8 Jahren nach einem Typhus eine rechtsseitige Serratoslähmung bekam; später int 
zu dieser rechtsseitigen eine gleiche auf der linken Seite hinzu. Um die ans dieser 
Lähmung resultirenden Störungen der Stellung und Bewegung der Schulterblätter n 
verbessern, wurde Patientin von einem Chirurgen 6 Mal operirt. Das Besnltat dieser 
Operationen ist, dass Patientin die Arme jetzt noch schlechter bewegen kann, als 
vorher und bei Bewegungen Schmerzen hat, welche von einer handbreiten, zwisehea 
den Schulterblättern befindlichen Narbe herrQhren. Yortr. demonstrirt eine von diss« 
Patientin aufgenommene Böntgen-Photographie. 

Herr M. Bloch stellt einen 42jähr. Patienten aus Prof. Mendel’s Poliklinil 
vor, der im Jahre 1879 ein Ulcus dumm acquirirt hat und damals mit Suhlimt* 
injectionen behandelt worden ist. Pat. ist erblich nicht belastet, kein Trink« ofd 
hat ein gesundes Kind. Seit etwa Vs leichte lancinirende Schmerzen in da 

Beinen; der Gang soll, besonders im Dunkeln, unsicher geworden sein, Potenz beiüh 
gesetzt, bisweilen geringe Incontinentia vesicae. Pat sucht die Poliklinik wee« 
einer Erkrankung der Nägel sämmtlicher Finger und Zehen auf. Seit etwa 4 Moosta 
besteht eine allmählich auf sämmtliche Nägel sich erstreckende Yerändemng, die 
mit einer Gelbförbung derselben beginnt Diese Yerßrbung wird allmählich duokkr 
und dunkler bis zu völligem Schwarzwerden der Nägel. Gleichzeitig tritt öu 
stärkere Langsriffung des Nagels, sowie erhöhte Vulnerabilität der Nagelsabetaa 
auf. Schon bei geringen Insulten, aber auch spontan, treten Bisse und SprOnge ii 
der Querrichtung des Nagels auf, denen entsprechend ganze Stücke des Nagels t» 
zum völligen Verschwinden desselben sich abstossen. Die ganze Äffection v«Uq^ 
absolut schmerzlos, sowie ohne jede Eiterung. Seit Beginn der Erkrankung Par- 
ästhesieen in den Fingern und in der Haut der Vorderarme. 

Objectiv besteht Fupillendifferenz, träge Beaction der Pupillen, Andeutung da 
Bomberg’schen Symptoms, tiefe Analgesie der Vorderarme, Ataxie der 
Analgesie am linken, stellenweise auch am rechten Unterschenkel, Westpharseke« 
Zeichen, kurz die Symptome der Tabes. 

Vortr. demonstrirt die Nagelerkrankung, deren sämmtliche Stadien sich zur Tm 
an dem Pat. präsentiren und macht darauf aufmerksam, dass, während ErkiaokBOz 
einzelner Nägel, besonders der grossen Zehe, schon öfter bei Tabes beechrieben ir« 
die Äffection in derartiger Extensität wohl noch kaum zur Beobachtong gekoawa 
ist. Eine andere gleichzeitig mit Nagelerkrankungen auch schon beschriebene trc- 
phische Störung, nämlich Atrophie des Zahnfleisches, ist bei dem Pat gleich&Us z: 
constatiren. 

Irgend welche Symptome, die auf das Bestehen einer multiplen Neuritis odw 
von Syringomyelie hinweisen, sind nicht zu constatiren, insbesondere besteht kö« 
Druckempfindlichkeit der peripheren Nerven; der Temperatorsinn ist normal. 

Herr Bemak: Erankenvorstellang. 

Vortr. stellt eine ööjähr. Frau vor, welche, bis auf Anßlle von Hersbeechwwda 
bis dabin gesund, am 24. October 1897 plötzlich mit Schwindel, Versiehimg ia 


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1105 


Gesiebte, Uebelkeit, Erbrecben, Unßhigkeit zu schlacken, erkrankt sein will, and, 
seitdem sie wieder anf den Beinen ist, wegen Doppelsehen eine linksseitige Äogen- 
klappe tr&gt. Sie kam im Äagost d. J. mit fol^nden noch bestehenden Änsfalls- 
erscheinangen zar Beobachtung: 

1. einer linksseitigen schweren degenerativen Facialisparalyse, 

2. absolnter Lähmn:^ des linken N. abdneens (das Auge steht im inneren 
Winkel), 

3. einer Parese des rechten Bectas intemos bei dem Versuche nach links zu 
blicken, nicht aber bei der ConTei^enz. 

Andere Stömngen fehlen. Es ist die Diagnose auf eine Herderkrankung 
(Blntnng oder Erweichnng) im linken dorsalen Poosabschnitt in der (Hegend 
des Facialis* und Äbdacenskems za stellen. 

Hit der theilweisen B&ckbildung der Facialislähmong haben sich Zuckungen 
eingestellt, durch welche der linke Mundwinkel nach oben und aussen geschnellt 
wird. Ganz wie in einem 1887 vorgestellten Falle von geheilter traamatischer 
Facialisl&hmnng sind diese Zuckungen synchron dem Lidschlag und hören auf, wenn 
leerer unterdr&ckt wird. Bei willkürlichem Angenscbloss beider oder auch nor 
des rechten Aages tritt tonische Mitbewegung der den linken Mundwinkel hebeuden 
Uuskeln und Vertiefung der Nasolabialfalte ein. Es sind die clonisclien Zuckungen 
nichts als Hitbewegungen des Lidschlages (des reflectorischen Augenschlosses). 

Zo denselben Resultaten gelangt man bei der Analyse der Zuckungen einer 
zweiten vorgestellten 39jährigen Patientin mit geheilter recidivirender Facialis* 
lähmong. Sie hat 1887 in einem Jahre eine linksseitige, 1897 innerhalb von 
5 Monaten eine mittelschwere rechtsseitige Facialislähmung flberstanden. Links sieht 
man Zuckungen im Bereiche der Waiden, rechts in den Uoterlippenmuskeln. Auch 
diese sind synchron dem Lidschlage und hören auf, so lange die Kranke starr 
blickt Bei forcirtem Augenschluss treten Hitbewegungen in denselben Muskeln anf, 
welche auch anscheinend spontan sonst zucken. 

Während im ersten Fall ein Beizungszustand des Facialiskems, soweit er sich 
restituirt hat, angenommen werden könnte, ist nach peripherischer Lähmung an retro> 
grade Degeneration desselben zo denken. 

Eine Irradiation der motorischen Innervation des peripherischen Keurons des 
Facialis bei willkürlicher Bewegung erklärt die Hitbewegungen, bei cloniscber an* 
willkflrlicher die „Spontanzuckungen*' nach abgelaufenen degenerativeii Facialis* 
lähmungen. 

Bernhardt bemerkt, dass ja bekanntlich bei ganz gesunden Menschen eine 
Reihe von Hitbewegungen auftreten. Weniger bekannt ist, dass bei einfachem Blinzeln 
eine Mitbewegung in den Dilatatores narium eintritt. 

Herr Henneberg: Ueber einen Fall von Ueningomyelitis mit Er* 
Kränkung der SpinalgangUen und intrameduUftrer Degeneration einseiner 
hinterer Lumbalwurseln. 

Patientin, ein SOjäbriges Fräulein, erkrankte ziemlich plötzlich an einer totalen 
Lähmung der Arme nnd Beine, nachdem längere Zeit vorher Schmerzen and Schwäche 
in den Extremitäten bestanden hatten. Bei der ersten Dntersuchung wurde constatirt: 
Stauungspapille und Abdneensparese beiderseits, schlaffe Lähmung der Arme und 
Beine, Fehlen der Patellarreflexe, Fnssclonus, normale elektrische Err^barkeit der 
Muskulatur, hochgradige LagegefQhlsstömug in allen (Helenken der Extremitäten, im 
übrigen normale Sensibilität. 

Im Verlaufe der weiteren Beobachtung erschienen die Patellarrefiexe wieder, 
die Lähmung blieb danemd eine schlaffe, es brat eine constante Verengernng der 
linken Lidspalte and Papille sowie anfallsweise Dyspnoe und Pulsbeschleunigung 
anf. Tod nach 8 wöchentlicher Beobachtung durch Bapirationslährnnng. 

70 


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no6 


Sectionsbefund: MeningoniyeHtis des Cervical- und Dorsalmarkee, Uebergreifen 
des EntzQQdung.sproeessee auf die SpinalgaDglien, Deceneration der linkes 4. snd U 
sowie der rechten 3. und 2. hinteren Lombalwurzeln und ihrer intramedoUaren Fort¬ 
setzungen. Die Degenerationsfelder der erkrankten Lnmbalwurzeln liegen im Lumbal- 
marke, sowie im 12. und 11. Dorsalsegment, im wesentlichen unTermengt neben¬ 
einander, sie überschreiten im Lumbalmarke nicht wesentlich das Gebiet der mitttereo 
Wurzelzone, greifen insbesondere nicht wesentlich in die hintere mediale Wnrzelsooe 
über. Vortr. bespricht die Bedeutung dieser Thatsachen für die BeartheUosg 
der Degenerationsbilder im Lendenmarke bei der Tabes, die sich durch die Ännabme 
einer summarischen Wurzelerkranknng erklären lassen. — Trotz der Degeneratite 
in der Westphal’schen Stelle waren die Patellarreflexe erhalten, da ein Theil der 
Lumbalwurzeln intact war. Das Schwinden der Patellarreflexe bei DegeoeraUon der 
Westphal’schen Stelle, die die Fasern der 1. Lnmbalworzel enthält, setzt eine Er¬ 
krankung der tieferen Lumbalwnrzeln voraus. Eine besondere Bedeutung für die 
Localisation des Patellarreflexes kommt derselben anscheinend nicht zu. Die Ursache 
der Wurzeldegeneration ist in der Erkrankung der Spinalganglieu und io peri- 
neuritischeo Yeränderumgen an der Nageotte’schen Stelle zu suchen. Die Lage- 
gefühlsstörung und die Schlaffheit der Lähmung trotz Vorhandensein der Reflexe dürfte 
durch Läsionen der das Lagegefühl bezw. den Muskeltonns vermittelnden Bahnen im 
Eückenmarke selbst zu erklären sein. 

Herr Oppenheim glaubt, dass man in diesem Falle eine syphilitische Grund¬ 
lage annehmen könne. Sowohl das klinische Bild, als auch die Verdickungen d« 
Meningen weisen darauf hin. Von klinischen Erscheinungen deuten z. B. das Doppel¬ 
sehen darauf hin, dass hier sowohl cerebrale als auch spinale Symptome vorhzödeo 
waren, dass also eine mehr allgemeine Erkranknng Vorgelegen ^be. O. hat eineii 
ähnlichen Fall beobachtet und beschrieben, wo diese Hinterstrangs- und Seitenstnngs- 
erkranknng zu beobachten war und fragt an, ob eine specifische Behandlmig statt- 
gefunden bat. 

Henneberg. Klinische Symptome können niemals beweisen, dass eine ^hi- 
litische Erkrankung voriiegt. Alles, was sonst als bezeichnend für Lues aosgeflihrl 
wird, läge hier nicht vor. Sowohl das negative Resultat bezüglich der Aimmneee, 
als auch der anatomische Befand widersprächen der Annahme einer Loes. 

Herr L. Jacobsohn: Ueber die Qesetamässigkeit secundftrer Degene¬ 
ration der Elemente des NervenayatemB ala Prü&tein der ITeurontheorie. 

Nachdem nach Jahre langer Forschnng die Nenrontheorie so gut wie befestigt 
zn sein schien, ist diese Lehre durch nene Thatsachen, besonders durck die voa 
Betbe gefundenen, wieder stark erschüttert worden. Ans diesen nenen Thatsadia 
scheint zu resultiren, dass die Nervenzellen in ähnlicher Weise, wie es schon flüher 
angenommen wurde, continuirlich mit einander verbunden sind and ferner könne man 
aus Bethe’s Experimenten folgern, dass die Nervenzellen znr directen Fortleitunr 
des Stromes nicht erforderlich seien, sondern nnr ein trophisches Centrum für dit 
Nervenfasern darstellen. Da vorläufig eine genaue Nachprüfung der Bethe’schoi 
Befonde nicht möglich sei, insofern deesen Methode noch nicht pnblicirt wäre, e» 
bleibe nnr ein Weg übrig, nämlich der, nachzusehen, wie sich die geeetzmäasig ntd 
Leitungsunterbrechung auftretende secnndäre Degeneration zur einen bezw. aadens 
Theorie stelle, ob der Gang derselben mehr in den Rahmen des einen bezw. andvn 
Gebäudes hineinpasse. An der Hand der bis jetzt bekannten Thatsachen erläutert 
Vortr. darauf die sich jedes Mal einstellende secundäre D^eneration zuerst an eineai 
Schema der motorischen und sensiblen Bahnen, wie man sich diese Bahnen nach dw 
Neuronentheorie anfgebant zn denken hat. Der Aasfall der Degeneration h&ng^ «ie 
Monakow es in anatomischem Sinne richtig erklärt, im Wesentlichen davon ab, oh 
ein Neuron Coilateraie besitzt oder nicht, oder wie es physiologisch von Marinesco, 


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107 


Nissl, öoldscheider, Flatau a. A. Übereinstimmend formalirt wurde, ob die 
FoDctioD des Nervenelementes erhalten bleibt oder gestOrt ist. Nach der Nearon- 
theorie lasse sich der Q^ang der secondären Degeneration in der motorischen 
Bahn sowohl ihrer Art als auch ihrer jedesmaligen Äusdehnnng nach gut und präcis 
erklären, hingegen nach der Netztheorie nicht so gnt, insofern sich schwer die Grenze 
augeben lasse, wo die Degeneration einer bestimmten Bahnstrecke aufh^ren soll, oder 
mit anderen Worten, wie weit sich der tropbische Einfluss einer Nervenzelle erstreckt. 
Andererseits sei man bei den Degenerationen sensibler Bahnen, wenn man letztere 
nach dem Schema der Neurontheorie auf baue, oft genöthigt, zur Erklärung sich 
Hülfsbrficken zu bauen, während dies nach der Netztheorie weniger nöthig sei; nach 
letzterer lasse es sich auch leichter vorstellen, warum die secundären Degenerationen 
im sensiblen Gebiete im Allgemeinen weniger schnell und weniger stark auftreten, 
als im motorischen. 

Diese Ergebnisse regen bei der wiederum acut gewordenen Fr^e nach dem 
feineren Aufbau des Nervensystems den Gedanken an, dass das letztere nicht nach 
einem einheitlichen Plane constrnirt sei, sondern dass das motorische Gebiet sich 
vom sensiblen in seinem feineren Baue wesentlich unterscheide. Ersteres enthalte 
wahrscheinlich Elemente, die entweder vollkommen isolirt sind, wie es die Neuron« 
theorie annehme, oder die hüchstens in kleineren Gruppen durch ein Netzwerk ver* 
bunden sind, letzteres dagegen bestehe aus Elementen, die möglicher Weise sämmt- 
lich durch ein continuirliches Netz im Zusammenhang standen. 

Für dieses Doppelsystem sprächen auch sehr gut physiologische Thatsachen. 
So könne man es sich sehr gnt bei Annahme eines Netzes erklären, wie ein kleiner 
Beiz allmählich dieses Netz dnrchlanfend das ganze motorische Gebiet reflectoriscb 
in Erregung zu versetzen vermag; dagegen müsste man, wenn man auch im 
motorischen Gebiete ein solches continnirlich über das ganze Gebiet sich erstreckende 
Netz annähme, nach Isolation eines kleinen motorischen Centmm, (also z. B. des 
Gebietes des oberen Falialisastes) von dieser isolirten Stelle ans alle übrigen distal 
gelegenen motorischen Gebiete io Erregung versetzen können, was wohl nicht 
möglich sei. 

Aber auch einzelne mit der G o lg i'sehen Methode gefundene Thatsachen lassen 
sich zu Gunsten obiger Annahme anführen. Diese Methode hat schon früh die 
interessante Thatsache erkennen lassen, dass an manchen Zellen (den Zellen des sog. 
zweiten Golgi’schen Typus) der Ächsencylinder sich in ein ausserordentlich feines 
Netzwerk aufsplittert. Es sei nun merkwürdig, dass die Zellen, bei welchen sich 
der Ächsencylinder in dieser Weise zu einem Netze nmforme, ausschliesslich dem 
sensiblen Gebiete angehören, während man im motorischen nur Zellen findet, bei 
denen alle Fortsätze isolirt verlaufen. 

Schliesslich könne zur Stütze dieser Hypothese auch noch der verschiedene Bau 
des motorischen und sensiblen Endapparates an der Körperperipberie angeführt 
-werden. Während der motorische Endapparat aus einzelnen, distinct abgegrenzten, 
isolirten Theilen, nämlich den einzelnen Muskeln besiehe, stelle der sensible Apparat 
eine sich über den ganzen Körper gleichmässig erstreckende continuirlich ineinander 
-Qbeigehende Ebene dar. Es sei wohl möglich, dass im Centralorgan dieses Doppel- 
System als Projection zum Ausdruck komme, so dass es in dieser Hinsicht ein 
Spiegelbild der Peripherie darstelle. 

Herr M. Bothmann: Ueber Bückenmarkaveränderungen naoh Verschluss 
der Aorta abdominalis. (Erscheint als Originalmittheilung in d. Centralbl.) 

Die Disenssion Ober die beiden letzten Vorträge wurde auf die nächste Sitzung 
7 erschoben. Jacob soh n. 


70* 


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1108 


IV. Venammlnag inlttald«ataoher PsyohlAter und Neurologen in Dr oodon 
am 22. und 23. Ootober 1898. 

An der Verummlang n^men 76 Herren Theil. Nach der Begrfissnng der 
YersammloDg darch Renn Ganser (Dresden) eröffnete der Vorsitzende der VomüttaKS* 
Sitzung (Herr Hitzig-Halle) dieselbe. Zum Vorsitzenden der Nachmittagssitzong 
wurde Herr MObios (Leipzig) gew&hlt Bevor die Vortr&ge begannen, beschloss die 
Versammlong nur ein Mal im Jahre, im Herbste, zu tagen. Als n&chster Ort der 
Zusammenkunft wurde Leipzig ausersehen; zu Gesch&ftsftthrem der V. Versammlung 
wurden Hr. Flechsig und Hr. Windseheid gew&hlt Es folgten sodann die Vorbige. 

Herr Weber (Sonnenstein): Ueber die Aufüahme von Bestimmungen 
über verminderte ZureohnungsAhigkeit ins Straflgeaetzbuoh. 

Die Ansicht dass es psychische Zust&nde giebt, die nicht in den Rahmen des 
§ 51 passen, aber doch im Gesetze aufgenommen werden sollten, ist ziemlich all¬ 
gemein, doch fehlte es immer an bestimmt formulirten Antiken. Einem Vorsdüage 
des Justizministers, die verminderte Zurechnungsfähigkeit in das Gesetz aufsunehmen, 
stimmten fast alle Autoritäten bei, aber der bezügl. Passus wurde bereits in da 
Bondestagscommission begraben. 1887 trat der Verein deutscher Irren&rzte auf 
Grund eines Vortrages Jollj’s der Frage wieder näher; es wurde eine CommissioD 
gewählt und erstatteten dann Hendel und Grashey 1888 das Referat 

Hendel hielt den g^enwärtigen Zeitpunkt nicht ffir gee^et, an die Behörda 
heranzotreten, und rieth, abzuwarten, bis neue Momente und Tbatsachen eine ge¬ 
eignete Handhabe bieten wflrden. 

Grashey vertrat die Ansicht, dass der § 51 ausreiche. 

Hendel’s Ansicht wurde ziemlich allgemein anerkannt und hierauf der Antrag 
Schfile’s angenommen, dass das Material bearbeitet werden und von v. Erafft- 
Ebing alle Fälle „verminderter Zurechnungsfähigkeit*' gesammelt werden sollten. 

Weiteres wurde nicht bekannt Vortr. ist non der Ansidit dass der § 51 des 
Gutachtern oft die Hände binde. Es gäbe eben viele Fälle, in denen die freie 
Willensbeetimmung nicht ausznschliessen sei und in denen wir die Angeklagten nicht 
völlig straflos ansgehen sehen möchten, bei denen wir aber eine normale Bestixnmongs- 
fähigkeit nicht annehmen können. Vortr. hat im Auge, Zustände mässigen intellec- 
tnellen Schwachsinns und mässigen moralischen Schwachsinns bei Individuen, die 
ohne wirklich zu erkranken, doch dauernd normale Beaction auf äussere Vorgänge 
vermissen lassen. Weiter allgemeine Neurosen, Epilepsie, Hysterie und Neurasthenie 
in leichteren Formen, Uebergänge zum senilen Schwachsinn, Alkobolismns, der noch 
nicht zu schwerer Degeneration fflhrte, u. a. m. Bei vielen oben genannten Krank¬ 
heiten werden wir den § 51 nicht immer anznwenden in der Lage sein und dock 
werden wir nicht von normaler Bestimmnngsfähigkeit sprechen können. Es wurde 
oft die Einwendung gemacht, dass der Passns der „mildernden Umstände" üniner 
genfige. Vortr. bekämpft diese Anschauung und weist unter anderem darauf hia, 
dass ffir den Mord mildernde Umstände nicht existirten; mr beantragt daher die An¬ 
nahme des § 61*: 

Bat sich der Thäter zur Zeit der That in einem Zustande befunden, in den 
seine freie Willensbestimmoi^ zwar nicht ao^eschlossen, aber erheblich beschränkt 
war, so sind gegen ihn die Stntfvorschriften in § 57, Absatz 1, Ziffer 1—7, an- 
zowenden. 

1. Besteht dieser Zustand der verminderten Zurechnungsfähigkeit zur Z«t to 
Beginns der Strafvollstreckung noch fort, so ist, wenn nicht alsbaldige Aendouug 
des Zustandes in Aussicht steht, eine erkannte Freiheitsstrafe in besonderen, zer 
Vollstreckung von Strafen an Personen verminderter Zurechnungsfähigkeit bestimDtmi 
Anstalten oder Bäumen zu vollziehen. 


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1109 


2. Dieselben Yorscbriften sind anzowenden, wenn nach Begehung der Thai ein 
zur Zeit des B^nns der Strafrollstrecknng noch rorhandener Zustand der rer- 
misderten Zurechnungsfähigkeit eingetreten ist. 

3. Der Strafvollzug an Personen verminderter Zurechnungsfähigkeit hat nach 
besonderen, dem Zustande entsprechenden, insbesondere auf Besserung des Zustandes 
berechneten Vorschriften zu erfolgen. 

4. Ist der Zustand der verminderten Zurechnungsfähigkeit ein andauernder oder 
seiner Natur nach wiederkehrender, und hat der Tbäter durch wiederholte Bestrafungen 
Anlass zu der Befftrchtung gegeben, dass er nach Terbflssung der erkannten Strafe 
weitere Strafthaten begehen werde, so kann neben einer Freiheitsstrafe zugleich er* 
kannt werden, dass der Verortheilte nach Terbflssung der erkannten Strafe dem 
Yormundschaftsgerichte zu flberweisen sei. Durch die Ueberweisnng erhält das 
Yonnundschaftsgericht die Befugniss, ihn so lange in einer besonderen, zur Aufnahme 
von Personen verminderter Zurecbnungsßhigkeit bestimmten Anstalt unterzubringen, 
als die Befflrcbtung, dass er wieder Strafthaten begehen werde, fortbestebi Gegen 
Ausländer kann statt der Ueberweisnng an das Tormondschaftsgericht auf Ueber* 
Weisung an die Landespolizeibehörde erkannt werden. Diese erhält dadurch die 
Befngniss, die Verweisung ans dem Bundesgebiete zu verfügen. 

Zum Absatz 4 des § 51* bemerkt Vortr. erläuternd, dass derselbe sich ins* 
besondere auf Individuen beziehe, die immer wieder dieselben oder ähnliche Straf* 
tbaten begeben, und dadurch sich oder die Gesellschaft schädigen; fflr solche wäre 
eine längere Intemimng im Sinne des § öl * zwecks Besserung oder Heilung gewiss 
ebenso human, als nutzbringend. Eine solche könne aber der Richter nach den 
gegenwärtigen Gesetzen nicht anssprechen. 

Discussion: 

Herr Pick (Prag) meint, dass die heutige Versammlung kaum in der Lage sei, 
die Frage zum Abschluss zu bringen; dieselbe wäre gewiss eingehenden Studiums 
werth und wäre jetzt vielleicht die Zeit gekommen zu untersuchen, wie sich die 
Juristen anderer Länder als Sachsen zum § 51* verhielten. 

Herr Moeli (Herzberge) kritisirt den Entwurf des § 51* und glaubt den wich¬ 
tigsten Punkt in der Frage zu sehen, welchen Charakter die in § 51* vorgeschlagene 
Anstalt ti^en solle. Soll dieselbe eine Strafanstalt oder eine Krankenanstalt sein? 
Redner fflhrt diese Frage näher aus. 

Herr Ganser (Dresden) sieht den grossen Werth obiger Ausfflhrungen darin, 
dass zum ersten Hai praktische Vorschläge gemacht wurden. 

Herr Hitzig (Halle) stimmt Herrn Hoeli bei und findet gleich diesem eine 
grosse Schwierigkeit in der Einreihung der sogen. Affectivverbrecher. 

Herr Weber sagt in seinem Schlusswort, dass ursprflnglich nur solche Indi¬ 
viduen der Wohlthat des § 51* theilhaftig gemacht werden sollten, die eine krank¬ 
hafte Veranlagung darböten, die Juristen aber verlangten, dass auch die Affectiv¬ 
verbrecher mit aufgenommen werden sollten. Redner meint, dass eine Trennui^ der 
Zurechnungsföhigen, der minder Zurechnungsfähigen und der im Sinne des § 51 
Kranken nach dem §51* wohl möglich wäre. Stellt sich nach der Beobachtung im 
Gefängnisse heraus, dass der Inculpat pathologisch ist, dann soll er eben den ge¬ 
dachten Anstalten zugewiesen werden, in welchen ein Psychiater die Hauptaufsicht 
führt Wer sich der Thatsache erinnert, dass ein grosser Procentsatz der in den 
Strafhänsem Intemirten geisteskrank, schwachsinnig oder irgendwie belastet erscheint, 
der wird in dem § 51* gewiss eine Bereicherung des Gesetzes finden. 

Herr Windscheid (Leipzig): Das Vorkommen und die Bedeutung der 
sogen. Ovarie. 

Vortr. sieht die Berechtigung, die Ovarie als selbständiges Thema zu behandeln, 
in ihrer grossen Häufigkeit und dem Umstande,^ dass seiner Erfahrung nach die 


Diy 


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1110 


Äerzte dieses wiubt^e Symptom zam Tbeil uicbt kennen oder seine Bedeutung nicht 
würdigen. Vortr. giebt die von Cbarcot aufgestellte Definition der Ovarie wieder, 
nach der wir als solche bezeichnen: den Schmerz, den man bei Hysterischen dnrch 
Druck auf eine bestimmte Stelle der Unterbauchgegend hervorrufen oder auch unter¬ 
drücken kann, andererseits aber auch eine rein subjeetive Empfindung schmerzhafter 
Art, welche an der genannten Stelle localisirt wird. Beides bezog er aaf das 
Ovarium als veranlassende Ursache. Vortr. will sich auf die objectiv hervorznrufeode 
Ovarie beschränken; er beschreibt den hysterischen Anfall, wie er in typischen Fällen 
vorkommt und erwähnt die verschiedenen Abstufungen, bei denen aber immw ein 
Zustand vorhanden ist, den er mit dem Namen der nervösen Exaltation belegen 
möchte. Zu den Ursachen der Ovarie fibergebend, bekennt sich Vortr. zu der 
ziemlich allgemeinen Ansicht, dass das Ovarium nicht in allen Fällen mit Ovarie 
etwas zn thun habe und gelang es dem Vortr. auch von anderen Stellen des Ab¬ 
domens aus, z. B. vom Kpigastrium, dann von einer Stelle oberhalb der Symphyse, 
neuerdings auch vom Stelssbein aus einen der Ovarie sehr ähnlichen Symptomen- 
complex zu erzeugen. Vortr. giebt einige Hypothesen verschiedener Autoren aber 
die Ovarie wieder und möchte seinerseits die Haut als die mögliche Ursache des 
Auftretens der Ovarie ansprechen, und erscheint ihm der Einwand, dass gerade bei 
Hysterie oft eine Analgesie der ^ucbhaut bestehe, nicht richtig, da trotz Analgesie 
erhöhte Druckempfindlichkeit bestehen könne. Er erklärt also die Ovarie lediglich 
für eine durch Reizung der Bauchhaut bedingte bysterogene Zone, die allerdings 
ungemein viel häufiger gefunden wird, wie andere derartige Zonen und darin liegt 
auch ihre Bedeutung; dabei dürfte jedoch das Ovarium nicht absolut ausser Acht 
gelassen werden, wenn es auch nicht der ganzen Erscheinung ihren Namen geben 
solle. Zur Frage, was wir aus dem Auftreten der Ovarie folgern können, äossert 
sich der Vortr. dahin, dass man aus der Civarie allein niemals eine Hysterie TUtd 
aus dem Fehlen der Ovarie nie die Abwesenheit einer Hysterie di^osticiren dfirfe. 
(Eine Ansicht, die wohl alle Neurologen thoilen.) Vortr. sieht in der bei der 
Hysterie auftretenden Ovarie nur ein weithvolles Ergänzungssymptom für die Diagnose 
und stellt eine Symptomentrias auf, aus der er die Diaguose Hysterie ableiteo 
zu können glaubt: Verlust oder hochgradige Abscbwüchung der Conjunctival-, Er¬ 
höhung der Patellarreflexe und Ovarie. Vortr. theilt mit, dass er diesen Symptomen- 
complex ebenso bei rein neurastbenischen Zuständen gefunden habe. Fär die Be¬ 
hauptung, dass die Ovarie nicht bloss bei Hysterie und Neurasthenie, sondern ancb 
bei anderen Erkrankungen vorkomme, spräche auch eine Statistik, welche Herr 
Teichmüller (Leipzig) auf Anregung des Vortr. hin aufgestellt hat, aus der hervor¬ 
geht, dass die Ovarie häufig auch bei nicht nervösen Erkrankungen vorkomme. Id 
dieser Statistik finden sich die Männer in bedeutender Ueberzahl; die Erfahrung» 
des Vortr., die sich nur auf Nervenkranke erstrecken, gehen dahin, dass die Ovarie 
bei Frauen häufiger sei. Ueberdies habe Vortr. typische Fälle der Ovarie auch bei 
Kindern gefunden. Was das Vorkommen der Ovarie bei nicht Nervenkranken an¬ 
belange, so glaubt Vortr. recht wohl annehmen zu dOrfeo, dass wir die Symptome 
einer erhöhten Reizbarkeit, und das ist die Ovarie, sehr gut auch in (infolge von 
anderen Krankheiten als secundäre Erscheinung finden können, doch habe die Ovarie 
als solche mit der Grundkrankheit nichts zu thun. Vortr. schliesst mit einigen Be¬ 
merkungen Ober die Diagnose der Ovarie und möchte zur Vermeidung von dia¬ 
gnostischen Irrthümem hinweisen auf die Verbindung des allgemeinen nervös» 
Exaltatiooszustandes mit der Ovarie. 


Discossion: 

Herr Oppenheim vermisst die Berücksichtigung des psychogenen Momentes 
nnd äussert starke Bedenken gegen die vom Vortr. aufgestellte Trias, insbesondere 
könne er die Steigerung der Kniepbänomeue nicht als typisches Merkmal der Hys(«te 


oyGOOgIC 



1111 


gelten lassen nnd müsse er sich besonders gegen ihre Schnollverwerthung bei Unfalls* 
kranken, wie Vortr. empfiehlt, aussprecheu, da gerade bei diesen oft eine luomentune 
Steigerung in Folge von Aufregung u. s. w. vorkomme. Mehr noch trage er Be* 
denken gegen die Verwendung des Symptoms der Herabsetzung des Conjunctival* 
reflexes, der oft wechselnd, herabgesetzt, fast aufgehoben auch bei gesunden 
Leuten sei. 

Herr Ziehen (Jena) begrüsst mit Freuden die strenge Unterscheidung der 
einfachen Druckemp^dlichkeit mit Schmerzreaction und diejenige, bei der ein Anfall 
eintritt Er mßchto von diesem Gesichtspunkte aus 3 Gruppen hysterischer Störungen 
unterscheiden: 

1. Einfache, halbseitige Druckempfindlichkeit und cutane Sensibilitätsstöningen; 

2. Oppressionsgefühl und Constrictionsempfindungen; 

3. direct bysterogene Funkte, von denen aus Anfalle zu erzeugen sind. 

Die von Oppenheim geäusserten Bedenken gegen die vom Vortr. aufgestellte 
Symptomentrias theile er auch. Den Coroealreflex habe er bei Gesunden nie vermisst 

Herr Möbius (Leipzig) betrachtet auch umschriebene Schmerzhaftigkeit des 
Abdomens meist als hysterisches Stigma. Da jeder Mensch seiner Ansicht nach mehr 
oder minder hysterisch sei, Gesundheit nnd Hysterie oft ineinander Qbei^ingen, so 
könne man den einzelnen hysterischen Symptomen wenig Werth zumessen und solle 
daher Hysterie nur unter Berücksichtigung des Gesammtbildes diagnosticiren. 

Herr Windscheid weist in seinem Schlusswort darauf hin, dass er als für 
die Hysterie patbognomonisch nur das Zusammenvorkommen der drei erwähnten Er* 
scheinnngen betrachtet wissen wolle. 

Herr Vogt (Berlin): Zur Fsyohopathologie der Hysterie. 

In sehr beschränkten Krankheitsfällen kann die Selbstbeobachtung im Zustand 
des suggestiv erzielten systematischen partiellen Wachseins die intellectuellen Sub* 
strate aller derjenigen hysterischen Phänomene aufdecken, welche Gefühlserscheinungen 
oder Suggestionswirkungen darstellen. 

Eine in dieser Welse vorgenommene Analyse zahlreicher hysterischer Erscheinungen 
bat stets eine psychische Aetiologie aufgedeckt. 

Dabei handelt es sich in der einen Gruppe um reine Gefühlswirkungen. 
Es ging dem hysterischen Symptom keine Vorstellung von seinem Auftreten voran. 
Entweder das intellectuelie Substrat des pathogenen Gefühls, dieses selbst oder dessen 
secundäre Innervationsveränderungen bildeten den Inhalt des hysterischen Phänomens. 
Die pathogenen GefOhlstöne waren theils an reale Erlebnisse, theils an Froducte der 
Phantasie geknüpft! Niemals schuf ein einziges Erlebniss ein hysterisches Symptom, 
sondern vorhergegangene affectbetonte Erlebnisse hatten bereits eine Disposition ge* 
schaffen. Alle Beobachtungen weisen darauf hin, dass bei Hysterischen die Tendenz 
zur associativen Erregung gefühlsstarker Erinnerungsbilder besteht: eine Tendenz, 
die Bof besonders geffihlsstarke Erlebnisse und weiterhin auf eine pathologisch ge* 
steigerte gemüthliche Erregbarkeit zurückzuführen ist. 

In den anderen Fällen ging dem hysterischen Phänomen die Vorstellung von 
seinem Auftreten voran. Zuweilen geschah dieses nur als Erinnerung an frühere 
pathologische Phänomene ohne die Idee von deren eventueller Wiederkehr. Dann 
kamen einzelne pathologisch starke Willensleistungen vor. Meist aber handelte 
es sich um Suggestionen. Das Moment, das diese verschiedenen Vorstellungen 
als pathologische Erscheinungen auslösen liess, war ihre starke GefOblsbetonung, die 
hinwiederum wesentlich auf associative Elemente und damit — wie in der ersten 
Gruppe — schliesslich auf eine pathologische gemüthliche Erregbarkeit zurück* 
zufflhren war. 


, ^.yGooglc 



1112 


Herr Oppenheim (Berlin): KerrenkrsnUiaiten und I«eot&re. 

Vortr. fuhrt aus, dass die Lectfire eine grosse Bedeutung flir das Wohlbefinden 
hat und die Gesundheit auf verschiedene Weise schädigen kann. Besonders npricht 
er sieh .gegen die sich immer mehr verbreitende Sucht nach der DarsteUong dee 
Krankhaften in der Presse und Litteratur aus. Er ist der Meinung, dass auch ans 
den äratUchen Vereinigungen, Gesellschaften und Congressen noch zu viel in die 
Tagespresse gelange, mehr als nötbig und gut sei. Ferner verweist er auf die Ge¬ 
fahren der sexuellen Litterator, deren Gebiet sich immer mehr erweitere. 

Schliesslich macht er den Versuch, die Lecttire zu kennzeichnen, welche als 
gut und heilsam im sanitären Sinne zu betrachten sei. Weun er dabei auch den 
Factor des ästhetischen Genusses eine besonders grosse Bedeutung zuzuschrnben 
geneigt ist, muss er doch zugeben, dass die individuelle Empßinglichkeit hier ein 
ausschlaggebendes Moment ist, so dass sich allgemeingflltige Satzungen kaum aufstoUeo 
lassen. (Der Vortrag wird ausführlich veröffentlicht werden.) Autorreferat 

Herr Mucha (Lindeohof): Bemerkungeo. aur Lehre von der Xatatonie. 

Vortr. giebt zuerst die bekannte Schüle’sche Ansicht über die Katatonie 
wieder („es giebt keine essentielle Katatonie, sondern katatonische Znstände u. a v.“). 
Dann skizzirt Vortr. Aschaffenbnrg, der zu ganz entgegengesetzten Anschauungen 
kam und eine selbständige Krankheiteform Katatonie und Hebephrenie annimmt Kr 
beide mOchte Aschaffenburg den gemeinsamen Namen Dementia praecox vorschlagen. 
Vortr. giebt non seine Erfahrungen, die er in Bezug auf die fraglichen Funkte ge¬ 
macht hat, wieder. Er habe während der letzten 3 Jahre in SO Fällen katatone 
Symptome gefunden, d. b. motorische Hemmungs« nnd Reianngserschemungen, Stupor, 
N^ativismos, Mntacismus, dauerndes Festhalten der gleichen Muskelspannong, Kata¬ 
lepsie, Haltnngs- und Bew^ngsstereotjpen, pathetische Redesucht, Verbigeration. 
In allen Fällen sah Vortr. denselben Verlauf der Erkrankung; dieselbe setzte zienalicli 
acnt ein, durchlief in manchen Fällen ein depressives und expansives, ein vervorme» 
nnd stnporbses Stadium; in anderen Fällen wechselten Affecte, Wahnvurstellangm 
und Sinnestäuschungen regellos miteinander ab; der Ausgang war jedes Mal, zoveil« 
nach wenigen Monaten, meist nach 1—2 Jahren, der in geistige Schwäche, in welcher 
sich einige der früheren katatonen Symptome erhielten. Vortr. glaube klinisch nicht 
anders vergeben zu können, als alle diese Fälle einer und derselben Krankheit tu- 
znweisen. Mit Bezog auf die Bebaoptongeo Schüle’s nnd anderer Antoren, das 
die katatonen Erscheinui^en bei den meisten Geisteskrankheiten in grösserer odw 
geringerer Anzahl verkommen, möchte Vortr. die Ansicht vertreten, dass dieselbe 
vereinzelt gewiss auch bei anderen Formen von Geisteskrankheit verkommen könMu, 
dass aber, wenn sie in grösserer Anzahl und danemd auftreten, die Krankheit jedes 
Mal den gleichen Verlaufstypns ionehält, der für die Katatonie, bezw. für die De¬ 
mentia praecox charakteristisch ist Vortr. möchte mit Aschaffenbnrg die Hebe- 
phrenie und Katatonie als einheitlichen Krankheitsprocess und den von jenem vor- 
geschlagenen Sammelnamen der Dementia praecox fAr durchaus zutreffend halteo und 
führt er zur Stütze dieser Ansicht u. a. einen Fall vor, bei dem sich bei eueo 
19jährigen Mädchen aus einer Hebephrenie eine Katatonie entwickelte. 

Zur Frage der Belastung übergebend citirt Vortr. zunächst Kahlbanm, der 
unter 50 Fällen nur 4 Mal hereditäre Belastung fand, Ilberg giebt 45°/o> 
hoff ÖO^/q an; letzterer rechne die Katatonie nicht zu den degenerativen Psyebooeo. 
Mucha fand Übereinstimmend mit Kraepelin welche Zahl wohl noch u 

niedrig gegriffen sein dürfte. Zar Besprechung der Prognose übei^hend, tbcili 
Vortr. 3 Fälle von Katatonie mit, die sich in ihrem Verlaufe wesentlich von da 
anderen unterscheiden. Dieselben zeigten einen dentlicben circularen Typus uod 
verschieden langdauemde (zum Tbeil heute noch bestehende) Remissionen. Vortr. 
glaubt die schwere erbliche Belastung für diesen atypischen Verlauf versntwortlicb 
machen zu müssen and weist auf ähnliche Verhältnisse bei anderen Geisteskrsuklieita, 


1113 


z. B. \m der Paralyse hin. (Ob die Zahl der Katatonien nicht eingeschränkt vftrde, 
wenn wir an der Uaasischen Schilderung Kahlbanm’s festhielten? Fälle, wie die 
drei von Mucha beschriebenen, scheinen mir eher die Züge der von Magnan in 
Frankreich, von Binswanger in Deutschland aufgestellten Form der „erblich dege- 
nerativen Geistesstörung'', gerade wegen der schweren Belastung und ihres wechsel- 
vollen atypischen, circulären Yerlaufes zu tragen. Bef.) 

Zum Schlüsse macht Vortr. auf einen differential-diagnostischen Punkt auf¬ 
merksam; derselbe betrifft die Unterscheidung der Katatonie von der Hysterie. Gr 
weist auf die Autoren hin, diealleFälle vonKatatonie (Bevau, Lewis, Wille u. A.) 
oder zumindest einen Theil derselben (Scbfile) der Hysterie bezw. dem hysterischen 
Irresein zuweisen wollten. Mucha läugnet nicht, dass gewisse Erscheinungen des 
hysterischen Irreseins und der Dementia praecox sehr ähnlich seien und kommen bei 
der letzteren auch Krampfanfälle vor. Für ihre Unterscheidung sei massgebend das 
Fehlen hysterischer Stigmata bei der Dementia praecox, dann die vollständige Ver¬ 
schiedenheit der Entstehung und des Verlaufes beider Krankheitsformen. 

Discussion: 

Herr llberg verlangt strenge Scheidung der Hebephrenie und Katatonie. 

Herr Hitzig ist auch der Ansicht, dass bei unzweifelhaften Fällen von Dementia 
praecox — wie er sagen möchte — Krämpfe hysterischen Charakters auftreten. 

Herr Möbius (Leipzig): Ueber die Operation bei Morbns BasedowU. 

Vortr. berichtet zunächst über einen Fall von Morbus Basedowii bei einer 
48 jährigen Patientin, der nach verschiedenen Bichtungen hin interessant erscheint. 
Während dieselbe schon seit mehr als 5 Jahren an nervösen Beschwerden und Herz¬ 
klopfen leidet, bemerkte sie die Anschwellung des Halses erst seit einem Jahre; im 
Verlaufe einer Thyreoidinkur trat rasche Verschlechterung ein; Vortr. Hess das 
Thyreoidin fort und verordnete Bromkalium und Galvanisation. Mit dem Aufhören 
der Schilddrüsenbehandlung trat eine vorübergehende Besserung ein, bald aber ver¬ 
schlechterte sich der Zustand und es trat ein neues überraschendes Symptom auf. 
Pat. erschien paraphasisch (sie sagte z. B. statt „Mutter“: Luftballon u. a. m., die 
Störung trat nur zeitweise auf bei ungetrübtem Unheil und keiner Spur einer 
geistigen Störung). Auf Bath des Vortr. wurde zur Operation geschritten und die 
rechte Hälfte der Struma (adenoiden Charakters) entfernt Die Durchtrennung erfolgte 
mit dem Thermokauter. Trotz ungünstiger äusserer Verhältnisse (gemüthliche Er¬ 
regungen) trat unverkennbare Besserung ein. Pat. nahm um 20 Pfund zu, die ner- 
YÜsen und sonstigen Erscheinungen waren zwar nicht behoben, doch waren sie 
geringer und Pat leistungsfähiger geworden. Vortr. weist auf die eigenthümliche 
Paraphasie, sodann darauf hin, dass die Operation, obwohl sie eine nur massige 
Besserung bewirkte, zweifellos den Wendepunkt der Krankheit darstellt; des weiteren 
macht er darauf aufmerksam, dass vielleicht gerade der zurückgelassene linke Lappen 
d«D eigentlichen Herd der Krankheit bedeute, woraus sich der geringere Erfolg der 
Operation erklären Hesse. Nicht bezweifelt könne mehr werden, dass im Allgemeinen 
die Operation bei Morbus Basedowii die erfolgreichste Therapie bedeute. 

Sorgo berichtet über 174 Fälle. In 2 Fällen ist der Ausgang der Operation 
nicht bekannt. 48 (27,9®/o) wurden geheilt 27 (15,2®/o) wurden bedeutend, 62 
(36^/o) deutlich gebessert. Nicht gebessert oder schlimmer wurden 11 (6,4%) 
und 24 (13,9^/o) starben nach der Operation. 

Für die Operation spächen 3 Gründe: 

1. Die Unzulänglichkeit der medicinischen Behandlung. 

2. Die Langwierigkeit der Krankheit 

3. Die Gefahren der Krankheit 

Ad 1 betrachtet Vortr. die gewöhnliche Therapie als unzulänglich und die An¬ 
wendung der Schilddrüsen- und Jodpräparate im activen Stadium der Krankheit als 


.od.vGooglc 



1114 


Konstfehler. Wirklichen Kotxen (symptomatisch, und aach da nur bei leichta 
Fällen) sah Yortr. nor von den Bromsalzen. Eine verständige Wasserbehandloog 
kann manchmal ntitzen, die elektrische wirkt wohl nor rein soggestiT. 

Ad 2 weist Yortr. aof die lange Däner der Krankheit hin mit ihren Exa« 
cerbationen nnd Remissionen, and anf die, wenn auch seltenen Fälle mit tädtUehen 
Ausgang. 

Ad 3 mOssen wir immer an die Gefahren der plötzlichen Herzlähmnng denken, 
an die schweren Erkrankungen der Aogen (Yereiterong der Balbi), GehimafFectionen 
u. a. m. 

Gegen die Operation spricht ein Grnnd. and das sind die Gefahren der Operation, 
die Thatsache, dass die Operation relativ oft den Tod bewirkt, nnd zwar starben 
die Kranken entweder darch Herzlähmnng, wobei die Operation nor die Gelegenheits* 
Ursache abgiebt oder in den meisten Fällen durch Yei^ftong in Folge der Ueber- 
schwemmung des Körpers mit dem Safte der kranken Schilddrüse. Bezüglich der 
Frage, ob wir im Stande sind, die Gefahren der Operation zu vermeiden, äusaeri 
sich Yortr. dahin, dass es gegen die Vermeidung der Herzlähmni^ nur den Ausweg 
gäbe, zu operiren, so lange das Herz noch widerstandsfähig ist. Was die Nareoee 
anbelangt, so ist die von Kocher vorgeschlagene Cocalnisirung zu beachten, da 
wohl manche Todesfälle aof die allgemeine Narcose zoröckzoführen sein dürften. 
Gegen die acute Basedow^Yergiftung empfiehlt Yortr. grosse Yorsicht bei da 
Exstirpation der Drüse, Yermeidong dieselbe anzuschneiden, welche Cautelen dorch 
Kauterisation wohl am besten durchgefüfart werden könnten. Zum Schlosse gedenkt 
Yortr. noch der io Frankreich anfgekommenen SympathicuaresectioQ. Ihre Erfolge 
müsse man abwarten, Gefahren birgt auch diese Operation in sich, da auch nach 
dieser mehrere Todesfälle zu verzeichnen sind. 

Discussion: 

Herr Oppenheim ist der Ansicht, dass die Franzosen die SympathieusreeectioB 
schon verlassen hätten. 

Herr Moosdorf berichtet Über 2 Fälle von Morbus Basedowii, von denen einer 
nach der Operation vollständig geheilt wurde, einer nngeheilt blieb. Einen anderen 
Fall habe er mit Elektricität geheilt nnd möchte er hier die SaggestivwirkuDg aos- 
schliesseo, da auch die Drüsen kleiner worden. Schliesslich berichtet er Ober einen 
Fall, bei welchem die Struma geschwunden, die anderen Basedow'Symptome aber 
geblieben waren. 

Herr Ziehen macht anf die Möglichkeit der zweizeitigen Operation und leichte 
Karcoee bei Herzschwäche aufmerksam. 

Herr Matthes (Jena) nimmt denselben Standpunkt wie der Yortr. ein; er 
empfiehlt vor der Operation eine Mastknr vorznnehmen. 

Herr Möbius sagt in seinem Schlusswort, dass die Sympathicosresection nicht 
verlassen und die Ansichten über ihren Werth getbeilt seien; ein Pall von Morbus 
Basedowii, der ohne Struma fortbestand, habe er noch nicht gesehen, die zweizeitife 
Operation könne von Yortheil sein, zur Vornahme einer Mastknr, die an und für sich 
gewiss empfehlenswertb sei, fehle in vielen Fällen die Zeit 

Herr Banniger (Sonnenstein): üebür Sprachstörungen bei Katatonie. 

Yortr. greift ans der katatonischen Gruppe die Sprachstörungen heraos, dk 
hierher gehörigen krankhaften Erscheinnngen seitens der Sprache sind der Mntisnu, 
die Echolalie, die pathetische verschrobene Ansdrncksweise, die Wortneubildnngou 
die Yerbigeration, endlich die eigenthOmliche Sprachverwirrtheit (Wortsalat). Wzs 
den Mntismus aobelangt, so unterscheidet Yortr. den als Theilerscheinung eines all¬ 
gemeinen Stnpors auftretenden und den mehr willkürlichen, dorch Wnhnideeen und 
Sinnestäuschungen bedingten. Rin Beispiel für letzteren erhalten wir in einem sehr 
interessanten Falle eines seit 10 Jahren völlig stummen Katatonikers. ln der Scbo* 


1115 


lalie sieht Tortr. mit Recht kein der Katatonie allein zakommendes Symptom. Was 
die eigenthamlich verschrobene pathetische Anadrucksweise der Katatoniker anbelangt, 
so ist sie sowohl in der Laut- als namentlich auch in der Schriftsprache deutlich 
zu erkennen. Den Grund zu dieser haben wir hauptsächlich im gehobenen Selbst¬ 
gefühl der Kranken zu suchen. Wir finden diese eigenthQmiiche Sprach- und Schreib¬ 
weise nicht ausschliesslich bei der Katatonie, sondern auch bei der Paranoia. Hierher 
gehören auch die Wortneubildungen der Katatoniker, und ist das Zustandekommen 
derselben wohl mit dem Bestreben der Kranken zu erklären, für den neuen Gedanken- 
inbalt, der ihnen durch die Wahnvorstellungen gegeben wird, auch neue Ausdrücke 
zu bilden. Ein gleiches finden wir auch bei der Paranoia. (Wenn der Vortr. als 
Beispiel von Wortneubildung von einem Kranken erzählt, dass er den Kopf; „Frucht“, 
die Arme und Beine: „Wurzeln“ u. s. w. nenne, so können wir hierin eine Wort¬ 
neubildung nicht erkennen, höchstens eine Transposition bekannter Worte im Sinne et¬ 
waiger Wahnvorstellungen. Bef.) Zu der wichtigsten katatonischen Sprachstörung, der 
Verbigeration, übergehend, betont Vortr. seine abweichende Ansicht bezüglich zweier 
Funkte; im Gegensatz zu Kablbaum und Kraepelin kann Vortr. die Verbigeration 
nicht als ein der Katatonie bezw. Dementia praecox ausschliesslich zukommendes 
Symptom anerkennen, da er das gleiche Symptom auch bei einem Paralytiker und 
einem Epileptiker gefunden hat. Was den zweiten Punkt anbelangt, so möchte 
Vortr. den Begriff der Verbigeration enger gefasst sehen. Die mehrfache nicht vom 
Willen abhängige Wiederhoinng uns unverständlich oder zosammenhangslos erscheinender 
Worte möchte er als Verbigeration sensu strictiori von der Pseudoverbigeration, die 
der Willkür unterworfen ist, und als die bewusste Beaction auf die verschiedensten 
Hallncinationen anfgefasst werden darf, geschieden wissen. 

Herr Friedländer (Jena): Neue Erfahrungen über die Anwendung 
von Bakteriengiften bei Fsyobosen. 

Vortr. berichtet über den For^ang der therapeutischen Impfungen mit Bakterien¬ 
giften bei Psychosen, wie sie auf der psychiatrischen Klinik in Jena seit einer Seihe 
von Jahren angestellt werden. Nach einer kurzen Uebersicht über die bisher^en 
Veröffentlicbui^en macht er von einem neuen fiebererregenden Mittel Mittheilnng, 
mit welchem er g^enwärtig bei 10 Kranken Erfahrungen gesammelt hat. Dieses 
Mittel sind abgetödtete Beinculturen des Typhusbacillns. Vortr. bespricht die Her¬ 
stellung der Cnlturen, die Versuche an Tlüeren und legt sodann die Methode der 
Injectionen dar. Bei Hunden und Kaninchen konnte selbst durch Dosen von 40 ccm 
Dacterium coli and 10 ccm Bacterinm typhi der Tod nicht herbeigeführt werden, 
gleichwohl empfiehlt Vortr. nur ausnahmsweise über 1 ccm hinauszngehen, da bei 
einem Falle nach der Injection von 2 ccm bedrohliche Erscheinnngen anfgetreten 
waren, die allerdings ohne Folgen zu hinterlassen schwanden (Temperatur 41,7 ^ 
paroxysmale Glykosorie und Albnminnrie, die nach 36 Stunden vorfibeiging). Die 
ersten Impfungen wurden an absolut verlorenen, unheilbaren chronischen Psychosen 
vorgenommen, um die Wirkung des neuen Präparates zu stndiren. Bei der Mehrzahl 
dieser Fälle zeigte sich die ans der Litteratnr wohl bekannte Erscheinang, dass 
während des Fiebers eine mehr oder minder vollständige Klärung eintrat Mit dem 
Verschwinden des Fiebers trat natürlich der frühere Zustand wieder ein. Was die 
einer Therapie flberhanpt zugänglichen Fälle anbelangt, so kann von zwei Besserungen, 
zwei sicheren und einer wahrschmnlichen Heilung berichtet werden. Zur Auswahl 
der für die therapeutische Impfung tauglichen Psychosen bemerkt Vortr., dass am 
geeignetsten hierzn wohl jeiu^Fälle von Erschöpfnngsalienationen und schwere 
MelanchoUeen mit dem drohenden Uebergange in secnndäre Demenz erscheinen, bei 
denen wir durch das Fieber und die elektive Einwirkung der Bakterientoxine eine 
heftige Anregung des StoffwedlMls in dem torpiden indolenten Organismus erzeugen 
wollen. Besonderes Gewicht legt Vortr. darauf, dass nicht frische Fälle (von Amentia 


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1116 


beispielsweise), sondern lang^aaernde, die eine Neigang in Schwacbsinn fibenugebea 
zeigen, der therapeutischen Impfnng zogewiesen werden, damit Selbstt&oscbai^ 
vermieden werden. (Der Vortrag wird in extenso nebst den einschligigen frbheren 
Beobachtungen an anderer Stelle verCffentlicht werden.) 

Discossion: 

Herr Windscbeid spricht sich gegen die Zulftssigkeit der tberapeutischeD 
Impfung ans; er habe sich schon bei dem voijährigen Vorträge Binswanger’e ia 
Halle eines nnangenebmen QefQhls nicht erwehren können. Dasselbe sei heute io 
verstärktem Maasse aufgetreten, und wäre es sehr zn bedauern, wenn solche Be* 
Strebungen durch die Presse in die Oeffentlichkeit drängen. Es ginge doch toM 
nicht an, somatisch gesunde Menschen mit solchen Mitteln zu behandeln. 

Herr Pick (Prag) möchte die Befürchtungen Herrn Windscheid’s zerstreDeo, 
indem er ihn auf die auch von Herrn Friedländer erwähnten üntersuchoogn 
Wagner’s (Wien) hinweist, die ancb in die Oeffentlichkeit drangen. Dieselbe be* 
ruhigte sich bald. Principiell sind diese Versuche ebenso berechtigt, wie andere, 
und die von dem Vortr. gemachten Hittheilungen aus der Utteratnr, die Pick seihet 
durch eigene Erfahrnngen vermehren könne, erweisen zur Genüge die wissenschaft¬ 
liche Futtdirnng der therapeutischen Impfnng. 

Herr Hitzig pflichtet den letzten Ausführungen dee Herrn Pick vollständig 
bei und würde er seinerseits die therapentische Impfung mit Freuden begrflssen, so¬ 
fern es sich erweisen sollte, dass durch dieselbe dauernde Erfolge zn erzielen seien. 

Herr Möbius meint, dass Herr Windscheid sich nicht g^n die Zoläs^keit 
der therapeutischen Impfung erklärt habe, sondern nur vermieden sehen wolle, dass 
Mittheilungen hierüber in die Tagespresse gelangen. 

(Wenn Herr Windscheid erklärte, dass es nicht angii^e, somatisch gesunde 
Menschen mit Bakteriengiften zu behandeln, so liegt hierin wohl eine Verurtbeiluitg 
aller derartigen Bestrebungen, die seit vielen Jahren durchaus nicht erfolglos an- 
gestellt wurden. Zudem dürfte die somatische Gesundheit, deren sich beispielswüM 
eine in secundären Schwachsinn fibeigebende Amentia erfreut, keine Contraindicatioo 
zu einem letzten Versuche ihr möglicherweise psychische Genesung zu verschaffen 
abgeben. Bef.) 

Herr Margnliös (Prag): Ueber die sogenannte Fseudodlpsomanle 
Legraln’s. 

Vortr. giebt in grossen Zügen die Wandlang wieder, die die klinische Auf¬ 
fassung der Dipsomanie seit ihrer ersten Beschreibung durch Salvatori im Jahre 
1817 durcbgemacht bat Von diesem und anderen Antoren (Hufeland, Brfihl- 
Kramer) als eine durch übermässigen Alkobolgenuss hervoi^emfene Psychose an¬ 
gesehen, wurde sie später als Monomanie der Trunksucht beschrieben (Esqoirol, 
TrÖlat D. A.). Die Engländer nnterscheiden nach Hutchinson eine acute, cbronisdie 
und periodische Form; die Franzosen folgen heute in der Mehrzahl Morel, der dir 
Dipsomanie als ein Symptom seines Dölire ömotiv beschreibt Die Lehre Horel's 
hatMagnan zur vollsten Entwickelung gebracht Ball unterscheidet eine hereditäre 
und acquirirte Form, Skaö eine impulsive und recidivirende Varietät der Dipso¬ 
manie. Da sich der Begriff der klassischen Dipsomanie im Laufe der Zeit vanrisclit 
hat und nicht zum Vortbeile einer genauen kUniscben Abgrenzung mit anderoi 
Krankheitsbiidem identificirt wurde, betrachtet Vortr. es als ein Verdienst LegrziD's 
die zuletzt genannten Krankheitsformen unter dem Kamen der Pseudodipsomanie der 
wahren Dipsomanie gegenübergestellt zu haben. Vortr. giebt zwei intwessute 
Erankheitsfelle wieder. Es bandelt sich um zwei Kranke, die in Intervallea eos 
verschieden langer Dauer alkoholische Bxcesse verübten. In ihren freien Periodeo 
waren sie sieb ihres Znstandes wohl bewusst; bei irgend einer Gelegenheit ^ 



1117 


Widerstand berabsetzt, nahmen sie eine kleine Qnantit&t Alkohol, woranf der peendo* 
dipsomanische Anfall eintrat. Nachdem Vortr. einen wahren dipsomanisohen and 
die bei einem Kranken aufgetretenen AnßUe beschrieben hat, kritisirt er die Yer* 
schiedenbeit beider Erankheitsfonnen. Die Psendodipsomaneo, die Legrain als 
moralische Schwächlinge bezeichnet, leiden zwar auch unter ihrem Znstand, doch 
haben sie eine aasgesprocbene Liebe fbr Alkohol und schwanken zwischen dem 
Wunsche, ihm zu widerstehen und dem geheimen Verlangen ihrer Leidenschaft Genüge 
zu thun. Yortr. hebt den Umstand besonders hervor, dass diese Kranken eine ganz 
besondere Intoleranz gegen Alkohol besitzen, und dass schon ein Glas Bier oft genüge, 
die Kranken, wie Legrain sagt, wahre AnföUe von Moral insanitj durchleben zn 
lassen. So e^ebt sich die Aehnlicbkeit der Dipso* und Pseudodipsomanie, die ja 
beide auf dem Boden der erblich degenerativen Belastung entstehen, zugleich aber 
auch der Unterschied beider Zustände. Der wahre Dipsomane erliegt seinem Schicksal 
einem spontan anftretenden unwiderstehlichen Zwange nachgebend, der Pseudodipso* 
mane ver^t in seinen Anfall, indem er bei irgend einer Gelegenheit seine Vorsätze 
und die Folgen seiner Schwäche vergessend, denselben sozusagen provocirt. (Der 
Vortrag wird ausführlich veröffentlicht werden.) 

Herr Gebhardt (Jena) demonstrirt ein Uikroekop, speoiell lur Unter- 
sTichnng und Projeotion sehr ausgedehnter Präparate (a. B. Gehimeobnitte), 
welches io mehreren Punkten von den gebräuchlichen Modellen abweichi Diese 
Abweichungen betreffen sämmüich den Oberbau des Mikroskopes, während Fuss und 
Abbä’scher Beleuchtungsapparat dieselben sind wie bei allen grösseren Modellen 
der optischen Werkstätte von Carl Zeiss, der auch das demonstrirte Instrument 
entstammt Das Anfßlligste an diesem ist der 25 X 25 cm grosse Objecttisch, der 
sich ausser für sehr ausgedehnte Präparate, auch noch für physiologische Versuche 
unter dem Mikroskop als sehr geeignet erweisen dürfte. Derselbe ist am freien 
vorderen Bande kreisbogenförmig ausgeschnitten, um auch bei senkrechter Stellung 
des Mikroskopes das Licht bequem zum Spiegel des Beleuchtungsapparates gelangen 
zu lassen. Die 7 cm grosse centrale Tiscböfhinng lässt sich durch ringförmige Ein* 
lagen beliebig verkleinern. Neu an dem Mikroskop sind auch die Mikrometer* 
bewegung und die Einrichtung des groben Triebes. Die neue Bewegung erreicht 
durch Verwendung eines Schneckengetriebes bei leichtestem Gang die Möglichkeit 
minimal dosirbarer Verstellungen. Der Tubus ist ein extra weiter, wie bei dem 
neuesten mikrophotographischen Stativ von Zeiss (vei^l. Zeitschr. f. Instrumentenk. 
Max Berger: Ein neuer Mikroskopoberbau). Es lassen sich an ihm sämmtlicbe 
Mikroplanare ohne wesentliche Beschränkung ihres grossen ebenen Feldes verwenden, 
das sind die Brennweiten von 20, 35, 50, 70, 100 mm mit Gesichtsfeldern im 
Object von bezw. 10, 17—20, 25—30, 35—40, 50—60 mm Durchmesser. — 
Das Stativ dürfte daher für Beobachtui^, Projectiou und Mikrophotographie, auch 
für schwächste Ve^össerungen mit ausnahmsweise grossem Felde, Universalität der 
Anwendnngsfähigkeit darbieten. Bezüglich näherer Details sei auf die oben citirte 
Publication hingewiesen. 

Georg llberg (Sonnenstein): HirBgewiohtaveränderuiigen bei Dementia 
paralytioa^ 

Das Gewicht des nnzerschnittenen Gehirns ist bei Geisteskranken um eine un¬ 
gleiche Grösse verschieden von dem Gesamm^ewicht der bei der Section entstehenden 
Tbeile. Das grösste Quantum dieser Differenz, die bei Paralytikern bis zu 165, ja 
bis zn 215 g gew(^n worden ist, kommt auf die in den erweiternden Ventrikeln 
befindliche Himflüssigkeit. Vortr. hat das Gewicht des nnzerschnittenen Gehirns 
daher einstweilen vernachlässigt und nur das Gesammtgewicht der bei der Meynert’- 
sehen Himsection entstehenden Theile berücksichtigt Da es ihm an entsprechenden 
Yergleichszahlen fehlt, hat er die Himtheile ohne weiche Hirnhäute bei Paralyse 


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1118 


und geistiger Gesundheit noch nicht verarbeiten können, eondmi nur die mit ireichen 
Hirnhäuten. 

Ohne das Gehirn eines makrocephalen Paralytikers, das nnzersehnitten 1649 
wog und ein aus den Theilen berechnetes Gesammtgewicht von 1567 g repräsenürt«, 
und ohne diejenigen Gehirne, die von Personen unter 150 cm Körperlänge, sowie 
mit längerer Dauer der Paralyse als 79 Monate stammten, bestand sein Material 
aus 63 männlichen Paralytikei^ehimen. Diese 63 Gesammthime und ihre Theüe 
wurden mit den von Ludwig Ptleger 1881 in den Jahrbüchern für Psycbiathe 
festgestellten Normalzahlen verglichen und zwar rficksichtlich des Verhäitaissee 
zwischen absolutem Gewicht und Körperlänge, sowie relativem Gewicht der Theüe 
des = 1000 gesetzten Gehirns und Körperlänge und rücksichtlich des Verhältnisses 
zwischen absolutem und relativem Gewicht und der Dauer der Dementia paraiytica. 
Tortr. vermied es, Zahlen zu nennen, veranschaulichte vielmehr seine Untersucbongs* 
resultate durch Demonstration von 4 Ourventafeln, die später veröffentlicht werden. 
Eine 5. Curventafei demonstrirte, wieviel Gramm Gesammthim, Himmantel, Sümbim, 
Schläfen«, Scheitel«, Hinterhanptshim, Himstamm + Kleinhirn, Himstamm allein und 
Kleinhirn allein beim Normalen und beim Paralytiker auf 100 cm Körperlänge bei 
150—187 cm Gesammtlänge kommen. Eine letzte Curve stellte die Zunahme der 
VentrikelflÜssigkeit bei zunehmender Dauer der Paralyse fest. 

Die Pfleger’scben Zahlen beweisen, dass bei Geistiggesunden das absolute 
Gewicht des Gesammthims, sowie dasjenige des Himmantels mit zunehmend« 
Körperlänge (von 150—189 cm) steigt; Himstamm -|- Kleinhirn und Kleinhirn allein 
werden hier ebenfalls schwerer, aber in geringerem Maasse; eine Zunahme des Him- 
stammes allein findet nicht statt. Zwischen dem absoluten Gewicht des Gesammt« 
bims und Himmantels der Paralytiker und demjenigen der Geistiggesunden sind bei 
allen Körperlängen sehr bedeutende Unterschiede; im Mittel beträgt die Differenz 
zwischen den Gesammthiraen 152 g, zwischen den Hiromänteln 142 g (= 93*^/g) zu 
Ungunsten der Paralytiker. Kleinhirn -|- Himstamm sind bei Paralytikern, abgesehen 
von denjenigen, die länger als 180 cm waren, leichter als bei Normalen. Das 
Kleinhirn wog im Durchschnitt bei Paralytikern sogar etwas mehr als bei Pfleger's 
Normalen; das Stammhim der Paralytiker jedoch war um durchschnittlich 14 g 
leichter. 

Was das relative Gewicht der Theile des — 1000 gesetzten Ge« 
sammthirns anbetrifft, so nimmt bei geistig gesunden Individuen bei zunehmender 
Körpergrösse das relative Gewicht des Himmantels mässig zu, das des Kleinbims + 
Himstammes, sowie des Himstammes allein mässig ab, das relative Gewicht des 
Kleinhirns bleibt etwa gleich. Ein Vergleich der betreffenden Curven Geistiggesond« 
und Paralytischer lehrt, dass der Himmantel Paralytischer relativ leichter. Klein* 
hira + Himstamm und Kleinhirn allein relativ schwerer sind. Das relative Gewicht 
des Himstammes allein war bei Paralytikern mit 150—159 cm leichter, bei solcheo 
von 160—169 cm gleichschwer, bei solchen von 170—189 cm schwerer als bei 
Geistiggesunden. Die Betrachtung der relativen Wertbe ist namentlich auch deshalb 
wichtig, weil die absoluten Werthe des Gesammthims, z. B. zwischen 869 und 
1890 g, also zwischen weiten Grenzen li^en. 

Auf 100 cm Körperlänge kommt bei Geisti^esunden mit zunehmender 
Körpenn'össe immer weniger Gesammthim; auch alle Uimtheile nehmen bei dieser 
Berechnung mit zunehmender Körpeigrösse ab. Es ist dies deshalb sehr interessant, 
weil — wie erwähnt — das absolute Gewicht des Gesammthims mit zanehmender 
Körpergrösse zunimmt. Bei Paralytikern sind auch bei der Berechnung auf 100 co 
Körperlänge das Gesammthim und der Himmantel um vieles leichter, HimstaiDin + 
Kleinhirn und Himstamm allein um weniges leichter, das Kleinhirn di^^en «i 
klein wenig schwerer als bei geistig Gesunden. Mit längerer Dauer der Dementia 
paraiytica nimmt das absolute Gewicht des Gesammthims, des Himmantels, des 


1119 


Stirnhiros tmd des Schl&fenseheitelliinterhaDpthinis ganz bedeutend ab. Bei Klein* 
birn + Hinistamm und Hirnstamm allein zeigte sich auch eine Gewichtsabnahme, 
doch in geringerem Maasse. Das Kleinhirn blieb im grossen und ganzen trotz 
längerer Dauer gleichschwer. 

Das absolute Gewicht der Tentrikelfl&ssigkeit nahm mit zunehmender 
Däner der Krankheit wesentlich zu. 

Was endlich das relative Gewicht des = 1000 gesetzten Gesammt* 
hirns im Verhältniss zur Dauer der Paralyse anbelangt, so konnte zwar ein 
geringeres relatives Gewicht des Himmantels und dementsprechend ein höheres 
relatives Gewicht des Hirnstammes + Kleinhirns allein ermittelt werden; die Abnahme 
des Himmantels stieg aber bei längerer Dauer der Krankheit nur um weniges; diesem 
Befund entsprach eine nur geringe Zunahme des relativen Gewichts von Kleinhirn + 
Himstamm, die am meisten auf einer Znnahme des Kleinhirns allein beruhte. 

Von einer Berechnung des Verhältnisses zwischen Hirngewicht und 
Leichengewicbt verspricht sich Yortr. bei der Dementia paralytica keine Aufklärung. 

Charakteristisch für die Paralyse ist die oft sehr bedeutende Gewichts¬ 
differenz zwischen rechter und linker Hemisphäre. Das Gewicht der 
Hemisphären differirte um durchschnittlich 19 g, im tlaximum um 77 g; nur wenige 
Hemisphären waren gleichschwer. Bei Hirnwägnngen von Fällen von Dementia 
senilis ohne Brweichungsherde fand Vortr. trotz bedeutender Abnahme des Gesammt- 
gewichts oft kleine, oft sehr geringe Differenzen zwischen den Hemisphären. Bei 
der Paralyse waren Insel 4- Corpus striatum 4- Thalamus opticus der leichteren Hirn* 
mantelhälfte in der Begel ebenfalls leichter. 

Die Capacität des Schädels und das specifische Gewicht des Gehirns 
worden nicht berficksichtigi (Autorreferat) 

Discussion: 

Herr Hitzig erinnert daran, dass doch ausser der Flüssigkeit in den Ventrikeln 
diejenige in den Maschen der weichen Hirnhäute zu berftcksichtigen sei. Er 
zweifelt daran, ob die Hemisphären bei Gesunden stets gleich schwer sein mflssten. 

Herr Pick empfiehlt statt der von Meynert vorgeschriebenen Durchtrennung 
des Himmantels in der Centralfurche diejenige hinter dem Gyros postceotralis. 

Herr Ganser hält es im Gegensatz zu Heim Pick fOr praktischer, bei der 
Heynert’schen Technik zu bleiben. 

Herr llberg bat den Hydrocephalus exteraus nur bei den mitgetheilten Hirn« 
Wägungen, die sich auf Himtheile incl weichen Hirnhäuten beziehen, ausser Acht 
gelassen; aus der Differenz zwischen diesen und den Theilen excl. weichen Hirn* 
bäoten kann er den Hydrocephalus exteraus berechnen. Bei Geistesgesunden ohne 
Rhachitis and ohne Degeneration, auch bei einem nach kurzer Krankheit gestorbenen 
racereinen Neger fand er die Hemisphären und die beiden Stimlappen mit und ohne 
weiche Hirnhäute völlig gleichschwer, wenn nicht etwa Erweichungsberde, Arterien- 
verstopfung, Blutungen oder dergleicW Vorlagen. 

Herr Lfihrmann (Dresden): Ueber die Vortäusobung verschiedener 
Krankheiten durch Hysterie. 

Der vielgestaltige Symptomencomplex der Hysterie kann bekanntermaassen eine 
Reihe organischer Krankheitsbilder Vortäuschen oder sich auch denselben zugeselien, 
eo dass es selbst för den ge&bten Untersncher manchmal nicht leicht ist, in kurzer 
Zeit die richtige Diagnose zu stellen. 

Weniger besprochen ist, wie die Durchsicht der einschlägigen Litteratur zeigt, 
die Vortäuschung von Psychosen (im engeren Sinne) und der Simulation durch 
Hysterie. 

An der Hand von einschlägigen klinischen fieobachtnngen und unter Hinweis 
auf einige fremde Angaben zeigt der Vortr., dass die Neurose Krankheitsbilder 


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1120 


BcbaffeD kann, die der Katatonie, der acuteu Melaucbolie, der pn^raasiTeo Fataljae 
and der Simulation sebr ähnlich sehen. 

Zngegeben ist allerdings, dass die längere Beobachtong banpteächlkh nnter 
BerQcksichtignng der Unbeständigkeit and Lannenhaftigkeit der einaelBen Symptome 
die Diagnose anf den richtigen Weg bringt; es darf andererseits aber aoch bebaoptet 
werden, dass selbst der Fachmann ohne Kenntniss der Anamnese and bei den erst«) 
B^egnungen mit dem Kranken in die Gefahr gerathen kann, Katatonie, Melancboli«, 
progressive Paralyse, bezw. Simalation anzonehmen, wo es sich lediglich am Hysterie 
handelt, was dann der Terlaaf aasweist (Der Vortrag wird ansfOhrlich verbffentlkbt 
werden.) (Aatorreferat) 

Herr Stoubell (Jena): Ueber Syphilis der Büokenmarkshäiite. 

Vortr. spricht Uber einen seltenen Fall von Syphilis der Bftckenmarkshäate: 
Eine 86 jährige Frau bekam plötzlich Ober Nacht eine Paraplegie beider Beine mit 
Anästhesie bis zum Nabel; Patellarrefiexe waren erloschen, kein Fossclonos. Ezitoa 
27) Wochen später an Pneumonie. Bei der Obdoction fand sich Zerfall des 3. bis 
6. ßrustwirbelkörpers mit starker Verdickang der Meningen in dieser Höbe. Mikro* 
skopisch stellte sich heraus, dass die Affection der Wirbel weder auf Tubercoloee, 
noch auf Carcinom beruhte. Die meningeale Geschwulst nahm von der Aassenääche 
der Dura ihren Ausgang, griff auf das extradurale Fettgewebe Aber and war vom 
mit dem Periost des Wirbelcanals verwachsen. Sie bestand ans Ideinzelligem Grana* 
lationsgewebe, das um die Gefäsee inselförmig angeordnet war und central Tendenz 
zur Verwachsung zeigte. Die GeAsse boten die von Heubner u. Ä. beschriebeneo. 
für Lues charakteristischen Veränderungen dar. Vortr. hält aas dem Gesammtbilde, 
bei Abwesenheit von Tuberculose anderer Organe, die Diagnose Laes fflr höchst 
wahrscheinlich. 

Die Pachymeningitis externa(Penpachjmeningiti8) syphilitica ist äosserst 
selten (Fälle von Vircbow, Heubner o. A.). Differentialdiagnostische Unterscheidung 
von Pachymeningitis cervicalis hypertrophicai anatomisch leicht, da letztere eine 
Pachymeningitis interna ist (kommt auch am Brastmark vor). Vortr. wendet skb 
gegen die Bezeichnung Meningomyelitis cervicalis chronica (Wieting, Köppen) 
statt Pachymeningitis cervicalis hypertrophica. Die älteren Fälle von Charcot und 
Joffroy sind gut beobachtet und gehen von der Dura aus, die von Wieting and 
Köppen sind Leptomeningitiden. Schliesslich nennt man alles Heningomyelitis. — 
Zum Schluss erwähnt Vortr. das Fehlen der Fatellarreflexe bei hohem Sitz der Ge¬ 
schwulst und intactem Lendenmark. Cbok ist hier ausgeschlossen. Der Fall passt 
nicht in das alte Schema von den Reflexen und scheint fflr die BrunS'Bastian'sche 
Theorie zu sprechen. (Aatorreferat.) 

Discussion unterblieb w^en Zeitmangel. 

Herr Ganser: Ueber die nearaetlienieohe Getsteaetörimg. (Der Vortrag 
erscheint in ausfflbrlicher Form.) 

Friedländer (Joia). 


üm Einsendung von Separatabdrflcken an den Herausgeber wird gebeten. 


Einsendungen f&r die Redoction sind zu richten au Prof. Dr. £. Mendel, 
Berlin, NW. Schiffbanerdamm 18. 


Verlag von Vsm & Comp, in Leipzig. — Druck von Manen & Wittm in Lcspsig. 





Dr. med. Haupt, Tharandt 

Kurhaus für Nervenkranke. 




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alle Buchhandlungen des In* und Auslandes, die Postanstalten des Deutschen Beichs. 
sowie direct tod der Yerlagsbacbhandlung. 


1898. 


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15. December. 


Nr. 24. 


Leipzig, 

Verlag ton Veit & Comp. 
1898. 


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Mit dieser Xummer scUliesst der Jahrgang 1898 des ,^Neurologischen 
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Bestellungen auf den Jahrgang 1899 uebmon alle Buchhandlungen 
des In- und Auslandes, sowie die Postaustalten des Deutschen Reiches 
entgegen. Wir bitten, dieselben baldigst zu bewerkstelligen, damit in der 
regelmässigen Zustellung keine Unterbrechung stattüiidet. 

Der Preis des Jahrganges 1899 betragt 24 <^. Gegen Einsendung 
dieses Betrages direct an uns versenden Avir an jede uns aufgegebene 
Adresse im In- oder Auslande die einzelnen Nummern nach Erscheinen 
H^nco unter Kreuzband. 

Leipzig. Veit & Cwn^u 


ANKÜNDIGUNGEN. 


Bekanntmachung. 

An der Provinsial-Imnanstalt zu Metleben bei Halle a. S. ist die Stolle des 

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eoslcich zu besetzen. Jahresgefaalt 600 Mk. bei freier Station I. Clasae (voraus- 
sichtlich weitere QOü Mk. Kemuneration). Bewerber wollen umgehend ihre Mel¬ 
dungen nebst Ä^robatioo, Dissertation, Lebenslauf und event. Zeugnissen an den 


auterzeiebneten ihrector einsenden. 

Nietleben, dcu SO. November 1898. 


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im anatomo'patliologischen Laboratorium der psychiatrischen Klinik der 
Fakultät von Buenos Aires ist zu vergeben. 

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Nerveosystemb besonders erfahrener Arzt 

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alle Bnohhandinngen des In* and Aoslandes, die Postanstalten des Dentsoben Beiebs, sowie 
direct von der Yerlagsbachhandlang. 

1898. iF. December. Nr. 24. 

Inhalt: I. Orlglnalmlttballangeii. 1. Epileptische nnd epileptoide AnftUe in Form 
von Angstznständen, von Prof. Dr. W, v. Bechterew in St. Petersbarg. 8. Ein Fall von 
Hemiplegia hysterica, von Dr. euttmaiui , Nervenarzt io BiUberstadt. 

II. Referate. Anatomie. 1. Note on a modiflcation of the Weigert-Pal method for 
puafiin sections, by Laslett. 8. Die mikroskopischen Untersnchangsmethoden des Aages, 
von Seligmana. — Experimentelle Physiologie. 3. 1. Le mdoanisme et la signification 
de rdtat moniliforme des neorones, par Demoer. IL Le sommeil hibemal et les modiflcations 
des neorones cdrdbranx, par Querton. 4. Die Wirkang der Narcotica anf die motorischen 
Vorderhomzellen des Bhckenmarks, von Frlnkel. — Pathologische Anatomie. 5. Non* 
veiles recherches sar les Idsions des centres nerveax consdontifs a l’arrachement des ner&, 
par Marlnesce. 6. Salle alterazioni del sistema nervoso centrale nella inanizione, per Daddi. 
7. Naove ricerche sperimentali sol potere batteridda del sangae dwli animali in rappoito 
alle aato*infezioni degli alienati, per Cenl. 8. Sol comportarsi delF mcalinita del sangae in 
alcnne forme psicopatiche e nelF epilessia, per Lul. — Pathologie des Nervensystems. 
9. Night terrors, par Saltmann. 10. lieber Epilepsia choreica, von v. Bechterew. 11. Ein 
Fall von ^ilepsie nach lange danemder Doncoe anf den Eopf, von Breltlng. 12. Zar Aetio* 
l(^e der Epilepsie, von Wildermuth. 18. Hereditary nearotic condition and acqoired insta* 
bility and disease associated with crime, by Winter. 14. Der Werth der Beseotion des Hals* 
s^pathicns bei gemeiner Epilepsie, nebst einigen Beobacbtnngen and physiologischen 
Versnchen über Sympathicnslähmang, von Donath. 16. Beneficial effeots of we withdrawal 
of bromides in the treatment of epilepsy, by Petereon. 16. Zar Opiam*Brombehandlang der 
Epilepsie, von Linke. 17. Essai sar le traitement chirargioal de rdpilepsie, pu Rellay. — 
Psychiatrie. 18. Die Untersachnng and Behandlong gmstig zorückgebliebener Kinder, von 
Uebnann. Therapie. 19. Tetanus facialis, mit Antitoxin Behring behandelt, von Erdheim. 

III. Aus den fieeeilschaften. Aerztlicher Verein zn Hamborg. — Biologische Abtheilong 
des ärztlichen Vereins za Hamborg. 

IV. Register. 


I. Originalmittheilungen. 


1. Epileptische und epileptoide Anfälle in Form von Ängste 

Zuständen. 

Von Prof. Dr. W. v. Beohterew in S. Petersburg. 

Anfälle von Beängstigung sind bekanntlich eine gewöhnliche Begleit¬ 
erscheinung der Neurasthenie. Die Angstzustände erscheinen bei dieser Neurod 
häufig unter ganz bestimmten Verhältnissen als Topophobie, Anthropophobie 

71 


DiQ'iii’od 


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1122 


Astrophobie a. s. w. Es ist aber zweifellos, dass Beängstigimgen in einigen 
Fällen als Ansdrnok einer viel schwereren nervösen Affection, nämlich der 
Epilepsie anftreten können. Anfälle von Angst sind nach meinen Beobaditongot 
bei Epileptischen dnrebaas nichts Seltenes, do<di ist dieser Umstand bish^ noch 
wenig beachtet worden. Erst in ganz jüngster Zeit meldet Cb. FArB drei 
von Epilepsie, wo Angst als epileptisches Aeqoiralent auftrat In allen diesoi 
Fällen knüpften sich die Angstanfalle anscheinend an bestimmte Ideeen. So 
bestanden bei einer Patientin FnnA’s ausser epileptischen Analen als Aequi- 
valente derselben schwere Angstznstände, die mit der Vorstellung ewiger Ver* 
dammniss in Verbindung standen. Bei dem zweiten Kranken stellten 8i<h, 
während die epileptischen Anfälle unter dem Einflüsse therapeutischer Maass¬ 
nahmen seltener >mrden, plötzlich Beängstigungen ein, welche sich an den Ge¬ 
danken, die Oeschlechtstheile zu entblössen, anschlossen. Der dritte Kranke, 
ein schwachsinniger Onanist, litt ausser Kopfecbwindel, zu Zeiten an dem Angst¬ 
gefühl, von einem Lastwagen erdrückt zu werden. 

Was meine eigenen Beobachtungen betrifft, so geht aus denselben hervor, 
dass bei einer Reibe von Epileptikern neben den gewöhnlichen Erscheinungoi 
dieser Krankheit von Zeit zu Zeit Anfälle unwillkürlicher, undefinirbarer und 
qualvoller Angst auftreten, wobei das Bewusstsein nicht verloren gebt oder dodt 
nur schwach getrübt erscheint Kopfschwindel ist für gewöhnlich ebenfalls nicht 
vorhanden. Der Zustand geht manchmal als Aura einem starken epileptischen 
Anfall vorauf oder besteht als epileptisches Aequivalent für sich. Irgend einen 
Gedanken, der sie in diesem Zustande gequält und mit dem Gefühle der Angst 
verbunden gewesen, konnten die Kranken trotz genauester Befragung nicht 
angeben. 

Seine Angstanfälle schildert einer meiner Epileptiker folgendennaassen: 
„Ich habe einmal gelesen, dass der Mensch zur Zeit eines Erdbebens ein be¬ 
sonderes Gefühl empfindet. Wenn er sieht und fühlt, dass die Erde unter ihm 
bebt, jene Erde, welche er sein ganzes Leben lang gewohnt war, als „uner¬ 
schütterlich“ anzusehen, ergreift ihn ein grenzenloses, ein ganz besonderes Ekit- 
setzen, wie es sonst unter keinen anderen Verhältnissen empfanden wird. Eine 
ebenso schwere und eigenartige Angst muss den Menschen sicherlich auch dann 
überkommen, wenn in seinen Kopf, wo er doch allein zu herrschen gewohnt 
ist, irgend eine dritte Person eindränge und sich dort nach Belieben zu geberden 
anschickte. 

Dieser Vergleich kommt mir fast immer zuerst in den Sinn in Augen¬ 
blicken, wenn mich jenes unfassbare Entsetzen ergreift, jene qutdvollste 
und zugleich alltägliche Ausgeburt meines kranken Kopfes. 

Während geräuschvoller Unterhaltungen oder auch in Augenblicken vöU^ 
Einsamkeit gebe ich mich plötzlich jenem grossen rückhaltlosen Entsetzen hin, 
ich erwache davon aus tiefstem Schlafe, ich wälze mich und werfe mich von 
einer Seite auf die andere, ich biete meine ganze Willenskraft auf, mich der 


* Les pliobies ^piUptiqoes. La medecine moderne. 1898. Nr. 24. 


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1124 


5. Mftnfl hmal werden sie auch im Verlaufe epileptiformer AnMe der 
Dementia paralytica beobachtet 

6. Zorn Unterschiede von den neurasthenischen Beängstigungen knüpfen 
sich die epileptischen AngstzufaUe nicht an ii^nd welche bestimmte äussere 
Bedingungen (Oertlichkeiten, Donner, Menschenmassen n. s. w.), wie dies bei 
der Pathophobie beobachtet wird. 


2. Ein Fall von Hemiplegia hysterica.* 

Von Dr. Outtmuin, 

NerreDajTSt in Halbentedt 

M. H.I Hemipl^een, d. h. halbseitige Körperlähmnngen, theilt Stbükpell 
nach der Natur ihrer Entstehungsursachen in zwei Dmppen: in Lähmungen 
aus anatomisch nachweisbaren Ursachen und in sogenannte functicmelle. Die 
ersteren entstehen hauptsächlich durch Entzündungen, Neubildungen, Degene> 
laüonen und die Folgen ron Circulationsstömngen, nämlich: Erguss, Embolie 
oder Thrombose. Die letzteren beruhen auf p^chischen Störungen, unter 
welche auch die Hysterie zu rechnen ist, da diese als eine Erankheitserachdnung 
au&ufassen ist, bei der die normalen Beziehungen zwischen den Vorgängen des 
Bewusstseins und der Körperlichkeit in Unordnung gerathen sind. 

Sehen wir von den erstgenannten drei pathologisch-anatomischen ürsachsi 
ab, indem auf Grund derselW die Hemiplegieen sich langsam entwickeln, und 
betrachten wir die Folgen der CirculatioDSstörungen, und zwar nur die im 
Gehirn, die meist ein plötzlicdies Auftreten der Hallmteiilähmnng herbeifuhren, 
so finden wir als deren Symptome, je nadi der Intenatät des Anfalles stärker 
oder schwächer ausgebildet: Bewusstlosigkeit, Conia, stertoröse Athmung, unregä- 
mastigen, meist verlangsamten Puls, Incontinentia orinae et alvi, Aufhebung der Be¬ 
fiele, auch desjenigen der Pupillen. Die betroffenen Gliedmaassen fallen aufgehoboi 
und losgelassen wie todt zurück, sind activ mehr oder weniger unbeweglich und 
kraftios und zeigen Hyp-, häufig auch Anästhesie, mitunter auch Parästhesieen. 
Es besteht unter Umständen Aphasie. Stets findet man Verzerrung des Ge- 
tichts, Ptosis, Abweichen der herausgestreckten Zunge, schlafferes Herabhängcn 
des Gaumens mit geringerer Beweglichkeit beim Phoniren; und einige andere 
feinere Störungen noch. Alle diese Erscheinungen sind in den häufigsten Fällen 
einseit^, und zwar betreffen die meisten von ihnen die dem Herd entg^^ 
gesetete Körperhälfte. 

Wichtig ist, dass diese Symptome alle unter einander eine bestimmte 
typische Zusammengehörigkeit haben, obzwar sie wechselnd und ungleichmästig 
stark hervortreten, oder auch einzelne ganz ausfallen können. 

^ Vortrag mit KrankeDTorstelluog. gehalten in der medioiniacheo Geaellacbaft n 
Halberstadt. 


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1125 


Anders die auf hysterischer Basis entstandenen Hemiplegieen, die möglicher¬ 
weise die gleichen und auch fast alle genannten Erscheinungen zeigen können, 
bei denen sich aber fast immer eine Störung in der typischen Zusammen¬ 
gehörigkeit nadiweisen lässt, ein Widerspruch zwischen den einzelnen Sym¬ 
ptomen sich finden and dadurch die hysterische Grundlage sich dooumen- 
tiren wird. 

Bevor wir näher darauf eingehen, wollen wir erst unsere Patientin be¬ 
trachten: 

B. Earoline, Schafmeistersfrau, 62 Jahre alt, erblich nicht belastet, die Lnes 
und Fotos in Abrede stellt, als Kind kräftig herangewachsen ist, mit 17 Jahren 
menstmirt, hat mit 23 Jahren geheirathet und 3 Partus und 2 Abortos geleistet. 
Ansser an einem Typbus mit 24 Jahren, ist sie nie ernstlich krank gewesen, mit 
56 Jahren ins Climacterinm eingetreten, und war zwar nicht mit schwerer Körper- 
arbeit, doch immer in häuslicher und landwirthschaftlicher Thätigkeit fleissig be¬ 
schäftigt Dieselbe fiel vor 2 Jahren eine steinerne Treppe von 10 Stufen herunter, 
wobei sie sich eine kleine SuggUlation an der Stirn und eine grosse im linken 
Oberarm, sowie eine Verstauchong des rechten Danmens zuzog. Diese Schädigungen 
waren nach kurzer Zeit geheilt und Patientin wieder vollkommen arbeitsfähig, nur 
glaubt sie einen Schmerz im Genick und Hinterkopf, den sie öfter verspürt, auf 
jenen Unfall znrflckführen zu müssen. 

Vor ca. einem Jahre nun wurde sie ans ihrem Hittagssehlaf durch ein Kind, 
welches geräuschvoll zur Thür hereinkam, anfgeschreckt, wollte dieses zur Buhe 
weisen, vermochte aber nicht zu sprechen; erst nach ungeAhr 2—3 Minuten kam 
ihr die Sprache zunächst lallend and st(ttswei6e, dann allmählich sich bessernd, 
wieder, so zwar, dass nach ca. Stunde dieser Torfall erledigt war. Im Yerlaufe 
desselben Nachmittags merkte sie darnach eine langsam zunehmende Schwäche im 
linken Arm und nach einigen Tagen auch im linken Bein, welches sie seitdem nach¬ 
schleppe. Diese Schwäche in den linken Extremitäten habe im Verlaufe mehrerer 
Wochen eine gewisse Höhe erreicht und sei dann stehen geblieben, nicht mehr ge¬ 
wachsen, habe aber auch trotz angewandter Einreibungen nicht abgenommen. — 
BewnssÜos sei sie damals nicht gewesen, auch habe sie weder Athemnoth, noch 
Uebelkeit oder Erbrechen gehabt; auch seien ihr Stuhl nnd Urin nicht unfieiwillig 
abgegangen. — Oer Arzt habe , dies damals für einen Nervenanfall erklärt 

Seitdem habe sie zwar ihre Wirthschaft mühsam versoigen können, aber die 
Arbeit sei ihr mit dem linken Arm und Hand ongemein erschwert gewesen; da sie 
zwar die einzelnen Bew^ungen habe aasführen können, aber die Hand im Zufassen 
und Festbalten kraftlos sei Nachdem sie nun auch in den letzten Monaten be¬ 
merke, dass ihr linker Arm und linkes Bein „schwinden“, nämlich an Umfang, und 
sie im linken Bein, nicht in der Hand, ein nnangenehmes Kältegefühl und Kribbeln 
empfinde, so ängstige sie sich sehr, nnd käme nun hierher zur Untersuchung nnd 
eventuellen Behandlung. 

Dies war vor etwa 16 Tagen. Auf Befragen gab sie weiter an, dass ihr Ge- 
iächtniss und ihre Sehkraft auch stark nachliessen; sowie dass sie weder vor 2 Jahren 
oei dem Sturz die Treppe herab, noch vor 1 Jahre bei dem Anfall oder sonst je 
Blut durch die natürlichen Kopföffnungen verloren habe; auch sei das Gesicht nie 
rerzerrt gewesen. 

Die Untersnchnng der wohlgenährten, mit gutem Fettpolster versehenen, kleinen 
Person von untersetzter Statur and kräftigem Knochenbau ergab, dass die Muskulatur 
les rechten Armes etwa nm 1,6 cm, des rechten Beines um ca. 3 cm grösseren Um- 
ang anfwies als der linken Extremitäten; doch fühlte sich das Unke Bein nicht 
cühler an, als das rechte, auch fand sich keine Cyanose, ebensowenig konnte an den 


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1126 


Armen und Händen ein Temperatnrnnterachied feetgestellt werden. Während sich 
die Kraft der Beine bei Widerstandsbewegnngen als gleich nnd hinreichend erwies» 
wurde der Druck mit der rechten Hand kräftiger ao^Qbt» sobald man mit beiden 
Händen gleichzeitig je eine Hand sich drücken Uess; sobald man aber den Dmek 
einzeln hintereinander prüfte, war der Drnck beiderseits ziemlich gleich and mittel- 
kräftig; Widerstandsbewegongen der Arme ergaben eine leichte, kaum messbare 
Differenz in den Kräften za Ungunsten der linken Seite; bei passiven Bew^nngen 
zeigten sich im linken Arm und Hand mittlere Uoskelspasmen, kanm merkbare im 
linken Bein, gar keine in den rechten Extremitäten; active Bewegungen wurden in 
allen Gelenken aller 4 Extremitäten gleichmässig und mit gleicher Ausgiebigkeit aoa- 
geffibrt, erwiesen sich nur linksseitig etwas ungeschickter in der Ausführung, be¬ 
sonders im linken Fus^elenk. Die passiv bew^ten Extrenütäten blieben in jeder 
g^ebenen Lage und Stellung und wurden auf Befehl activ in jede beliebige Lage 
und Stellung verbracht — Hinsichtlich des Ganges lieas sich ein Unterschied 
zwischen dem rechten und Unken Bein nicht wahmehmen, doch machte es bei deo 
hänflg wiederholten Beobachtungen „einmal** den Eindruck, als ob der Kürper vom 
rechten Bein etwas rascher auf das Unke hinübeigelegt werde. 

Während sich die HantempfindUchkeit bei Prüfung mit Pinaelstriehen als 
durchweg intaet erwies, ei^b die Prüfung der SensibiUtät mit Kadelsticben sehr 
verschiedene Resultate, bei den öfters wiederholten Untersuchungen wechselnd swiscbmi 
den rechten und linken Extremitäten, und schwankend in der Intensität, so dass 
eben nur eine Hypästhesie als solche mit Sicherheit fes^esteUt werden konnte. — 
Die Triceps-, Kniesehnen« und Perioetreflexe zeigten sich erhalten. — Es bestand 
Tremor der Fii^er der Unken Hand beim Vorstrecken und bei Bewegni^en, keiner 
in der Buhe, ebensowenig ein solcher des Beines. — Contracturen konnten nirgends 
festgesteUt werden. 

Die elektrische Prüfung ergab für beide Stromesarten nnd für aUe 4 Extremi¬ 
täten gleich gute Erregbarkeit, nur für die Finger der linken Hand war sie für den 
galvanischen Strom herabgesetzt; die elektrische Empflndlichkeit dagegen war flbeiall 
die gleiche. 

Im Uebrigen konnte an dem Körper nichts Patholi^iscbes nächgewiesen werden. 
Insbesondere waren die Himnerven absolut frei; Popillarrefleze, sowie Augenbewegungmi 
in Ordnung; Trigeminus rein empfindUch. Der Facialis erwies sich in allen seinen 
Theilen und beiderseits vollkräftig und gleichmässig, so dass keine Spor einer 
Qesichtsverzermog zu bemerken war; die Zunge wurde gerade heraasgestreckt und 
zeigte fibrilläres Hnskelzittem; die Sprache war ohne Besonderheiten; Geschmack 
und Geruch wurden als in Ordnung befindUch ai^egeben; Schwindel, Doppelsehen 
und etwaige darauf beruhende Unsicherheit in den Bewegungen in Abrede gestellt 
Bewegungen und Drehungen des Kopfes auf dem Halse geschahen activ und posrnv 
ganz fret — Am Herzen Hess sich nichts Pathologisches nachweisen; die Gefaas- 
Wandungen waren ohne abnorme Härte. 

Die IntelUgenz konnte dem BUdungsgrade entsprechend geachtet werden, doch 
Hess das Rechnen Lücken erkennen, die fiUber nicht vorhanden gewesen sein soUea; 
obzwar die Sprache keine Abnormitäten aufwies, konnten doch die berühmten Para¬ 
digmata nicht glatt naehgesprochen werden; aUerdings macht die Frau im aUgemeinen 
einen etwas altersschwachen Eindruck, von körperUchem und geistigem TerfalL 

Wir haben also kurz zusammengefasst: 

Snbj.: Alter von 62 Jahren; Sturz vor 2 Jahren eine Treppe herab; &• 
schrecken vor I Jahre ohne nennenswerthe Veranlassung; Aphasie von minuteo- 
langer Dauer; wenige Stunden später eintretende Unksseitige Parese des Armes 
und der Hand; nach einigen Tagen auftretende Parese des Unken Beines, mit 


1127 


Käit^ffthl und Kribbeln in demselben; Schmerz und ein gewisses Steihgkeits* 
gefuhl im Hinterkopf und Genick; Abnahme des Gedächtnisses und der Sehkraft 

Obj.: HimnerTen durchweg frei; Atrophie der Muskulatur des linken Armes 
and Beines; Spasmen im linken Arm, jedoch keine Gontracturen; Tremor der 
linken Hand; vielleicht leichte Herabsetzung der Kraft im linken Arm und Bein; 
Sensibilität in den Extremitäten herabgesetzt und wechselnd; Reflexe durch* 
gehende in Ordnung; am Gange höchstens eine geringe Schwäche des linken 
Beines, die ofienbar nicht immer vorhanden ist; passive und active Bew^ungen 
in sämmtlichen Gelenken aller 4 Extremitäten ausgiebig möglich, mit geringer 
Einschränkung der linken Hand; gleichmässige galvanische und faradische Er* 
r^barkeit in gleicher Ausdehnung wie eben; — Imbecillitas senilis leichteren 
Grades (unter Herabsetzung der Denkkraft und der Spraohfahigkeit). 

ln diesem Bilde könnte fast jedes Symptom einzeln für sich, manche davon 
auch miteinander vereint als Folge eines vor 1 Jahre eingetretenen apoplectischen 
Insnltes gelten; besonders in Berücksichtigung des hohen Alters, der „gewissen“ 
Plötzlichkeit des Auftretens und der in psychischer Err^fung bestehenden 
Ursache. 

Gegen die Annahme eines solchen aber sprechen folgende hochbedeutende 
Erwägungen: 

1. Aphasie tritt nur ein, wenn der Erkrankungsherd die „linke“ 3. Stirn-, 
die sogen. BnooA^sche Windung triflt Nehmen wir nun an, der Herd liege 
linksseitig, so müsste bekanntlich die Lähmung die rechten Extremitäten be¬ 
treffen; anderen Falles müssen wir bei linksseitiger Extremitätenlähmung, wie 
solche hier vorliegt, den Herd in die rechte Himhälfte verlegen, und dann wäre 
die Aphasie nicht zu erklären. 

2. Aphasie nach Apoplexie verschwindet nie nach wenden Minuten, sondern 
braucht im besten Falle einige Tage; wohl aber wissen wir, dass das „Versagen“ 
der Sprache auf psychischer Ursache — wie im vorli^enden Falle — meist 
nach kurzer Zeit wieder behoben zu sein pflegt. 

3. Wenn es zwar nicht das Gewöhnliche ist, dass die Hemiplegie der 
Extremitäten nach Apoplexie so langsam anftritt, und allmählich sich erst aus¬ 
bildet, so finden wir doch derartige Erscheinungen in der Litteratnr veizeidmet 
Aber haben wir denn hier bei unserer Patientin überhaupt eine Halbseiten¬ 
lähmung, wie solche nach Bluterguss ins Gehirn oder Bückenmark stets ge¬ 
funden wird? oder auch nur vorliegen gehabt? Ich glaube nicht, dass dies der 
Fall gewesen ist, denn Patientin spricht nur von einer allmählich aufgetretenen 
„Schwäche“ in den linken Extremitäten, giebt jedoch auf Befrt^en an, dass sie 
„alle“ Bewegungen damit habe ausführen können, nur eben habe die eigentliche 
Kraft zur Arbeit gefehlt. (Während des Vortrages bestätigt der damals bdian- 
delnde Arzt diese Angaben.) Es fehlt also durchaus die „schlaffe“ Lähmung, 
das sogenannte „Abgestorbensein“ der Gliedmaassen, wie der Volksmund es be¬ 
zeichnet. 

4. Ganz besonders auffallend ist das Fehlen jeglicher Gesichtsverzerrung, 
d. h. der Lähmung der Gesichtsmuskulatur, sowie des Gaumens und der Zunge, 


D g : 7cd / G OOglC 


1128 


die doob bisher noch nie nach einem apoplectisdien Insult noch so gmingei 
Art — der aber doch Aphasie bezw. Gliedmaassenschwäche mit sich geführt 
hat — an^blieben ist 

5. Als Folge Ton apoplectiscben Läbmnngen sehen wir wohl ContiactareD 
auftreten, welche die Freiheit der Extremitätenbew^nngmi in den Gelenken 
einsohränken; im vorhanden Falle ist nichts derartiges vorhanden. — Nie aber 
sehen wir, wie hier, leichte Mnskelspasmen, die wohl eine Sohwerfalligkät in 
der Bewegung, nicht aber eine Behinderong erzeogen, und wahrscheinlich auch 
die Schuld an der Yermindemng der Kraft tr^n. 

6. Endlich müssen wir Doch die Herabsetzung der Sensibilität berück* 
sichtigen; dieselbe ist nach einer Apoplexie auf der gelähmten Seite zunächst 
herabgesetzt, erholt sich aber im Laufe der Zeit wieder; bei unserer Patientin 
aber ist sie heute noch unterwertiiig, vor allen Dingen aber wird sie wechselnd 
bald auf der gesunden, bald auf der kranken ^te als schwächer erklärt, 
während Apoplectiker ihre Angaben immer sicher machen, und stets die ge¬ 
lähmte Seite als die minderempfindliohe bezeichnen. 

Alle anderen Erscheinungen, wie der Tremor manns sinistr., die Parästiie- 
sieen, die Atrophia mnsculorum sinist, sind differential-diagnostisch nur uratcher, 
also für uns gar nicht zu verwwthen. Denn der Trem. man. und die Par* 
ästhesieen finden sich in sehr vielen Erankheitsbüdem; die Muskelatropbie ist 
höchstwahrscheinlich auf die Inaotivität zurüokzuführen, worauf auch die für 
beide Seiten gleicbgebliebene elektrische Err^barkeit hinweist. — Intellectuelle 
Schwäche endlich, wie wir solche an unserer Patientin fratstellen, kann öfters 
als Folge von Apoplexie beobachtet werden. In unserem Falle jedoch glaube 
ich dieselbe gerade entg^engesetzt auffassen, sie für den Ausgangspunkt des 
vorhanden Sjmptomencomplexes halten, und das Krankheitsbild folgender- 
maassen deuten zu müssen: 

Die Pat, vor 2 Jahren bereits 60 Jahre alt, und in Folge Arbeit und des 
Lebens Lasten altersschwach, stürzt eine steinerne Treppe herab, ohne besondermi 
sichtbaren Schaden zu nehmen; dennoch ti^ dieser Dnfoll doch zweites 
dazu bei ihre p^chische Kraft zu verringern. 1 Jahr später tritt eine plötzliche 
psychische Erregung an ihr durch das vorbenannte Trauma geschwächtes Nerven¬ 
system heran und erzeugt jene vorhanden Erscheinungen, die sich unter der 
Diagnose der hysterischen Neurose, bezw. hysterischen Hemiplegie sehr gut ver¬ 
einigen lassen. 

Denn das mit diesem Namen bezeichnete Erankbeitsbild gestattet ein 
Zusammenauftreten einer Aphasie, die Minuten lang dauert und sich dann 
langsam löst mit einer linksseitigen Extremitätenschwäche; in ihm nimmt jene 
Schwäche Monate lang zu, um dann lange Zeit auf gleidier Höhe stehen zn 
bleiben; in ihm tritt plötzlich GUedmaassenlähmnng „ohne“ FaciaUspareee auf; 
in ihm finden wir Muskelspasmen oder spastisch-paretische Bew^fongen wa 
Arm und Bein zur Erscheinung kommen; und vor sdlem ist gerade ihm eigen- 
thümlich jene Unsicherheit und Schwankungen in den Sensibilitätsempfindungec 
und Angaben. Nehmen wir noch die Angaben der Patientin hinzu — und 


iT, vGoogIc 


1129 


wsnun sollten wir an denselben zweifeln —, dass sie ihre Kraft sich heben 
bemerke, seitdem sie Ton mir elektrisirt wird, dass ihr manche Arbeiten jetzt 
schon möglich seien, die sie das ganze Jahr hindnrch nicht habe Terricbten 
können (m. R! es geht doch Nichts über die elektrische Suggestion!), so meine 
ich, dass im vorliegenden Falle die Diagnose: Hemipl^a hjsterica, nicht aber 
apopleotica, voUberecht^ sei 

Zum Schluss möchte ich noch erwähnen, dass differential-diagnostisch auch 
vieUeioht die Forme fruste der multiplen Sklerose, die auch in spateren Jahren 
auftreten kann, in Erwägung zu ziehen wäre, besonders wenn wir die V^er- 
ändemngen berücksichtagen, welche die senile Involution im Gehirn hervorbringt, 
dass mir aber der Mangel jeglidier Augen- und Augenmuskelerscheinungen, das 
Fehlen der scandirenden Sprache und b^nders die Art der Sensibilitätsstörungen 
g^n diese Annahme zu sprechen scheinen. 


II. Referate. 


Anatomie. 

1) N’ote on a modifloatlon of tbe Welgert-Fal method for paraffin seotions, 
by E. Laslett (Lancet. 1898. 6. Angnsi) 

Verf. schlägt folgende Methode vor: 

1. Zweiwöchentliche Härtung in Mflller’scber Flüssigkeit. 

2. Einlegen kleiner Stücke von 2 mm Dicke in Harchi’sche Flüssigkeit für 
1 Woche. 

3. Aaswaschen nnd Paraffineinbettnng in üblicher Weise. 

4. Schneiden, Aufkleben der Schnitte auf den Objectträger mit Wasser, Ent¬ 
fernung des Paraffins. 

5. 12stflnd^e8 Färben in Essigsäorehämatoxylinlösung. 

6. Weiterbehandlang nach der Pal’schen Methode. Th. Ziehen. 


3) Die mikroskopiaohen Untersuohungemethoden des Auges, von Dr. 

8. Seligmann in Berlin. (Karger. Berlin. 1899.) 

Das vorliegende Bach wird den Ophthalmologen and Neurologen in gleicher 
l^eise willkommen sein. Die Leitffiden der histologischen Technik behandeln im 
allgemeinen das Sehorgan in einer für den selbständigen Untersacher nnzoreichenden 
Peise. Diesem Mangel sollte die Arbeit des Verf.’s abhelfen. Sein Bach zerfällt 
i einen allgemeinen nnd einen speciellen Theil. In dem ersten wird nach den ein- 
»iienden Capiteln über die erforderliche Beschaffenheit and Gewinnnng des Materials, 
le Orientirong am Augapfel, die Präparation und Conservirung desselben, die Her- 
ellung des mikroskopischen Präparates, die Darstellnng der nervösen Elemente und 
hliesslich die Darstellung besonderer normaler and pathologischer Zell- und 6e- 
sbsbestandtheile behandelt, ln dem Capitel Über die Herstellang des mikroskopischen 
-äparates giebt der Verf. nicht allein eine specielle Färbetecbnik des Auges, sondern 


ig |i/od oy CjOO^Ic 



1130 


schildert auch die in der mikroskopischen Technik flir die Beretellung ge&bUr 
Dauerpräparate allgemein geltenden Procednren (Fixiren, Einbetten n. s. w.). Daducli 
macht er demjenigen, welcher sich seines Buches bedient, den Gebrauch anderw 
technischer Leitfaden vollkommen entbehrlich. Die eingehende Behandlung der 
Oolgi’schen Imprägnationsmetbode und der Ebrlich’schen vitalen MethylenUan- 
methode wird dem Neurologen besonders angenehm anffallen. In dem 2. Theil wird 
für jeden Organtheil des Auges (Cornea, Sclera u. s. f.) die Darstellung seiner einielnen 
Bestandtheile genau erörtert. An Ausführlichkeit und Klarheit der Schilderung lässt 
das Buch nichts zu wünschen Übrig. Sein Werth wird dadurch noch erhöht, das 
jedem Capitel eine sehr sorgßltige Zusammenstellnng der einschlägigen LiUeratur 
angefögt ist. Uax Bielschowsky (Berlio). 


Experimentelle Physiologie. 

3) l. Le mäoanlsme et la slgnifloatlon de Pätat monlUfbnne des neuronee, 
par Jean Demoor. (Travaox du laboratoire de Tinsbitut Solvay. II.) — 

II. Le sommeil hibernal et les modifloations des neurones ^rdbranx, 
par Louis Querton. (Ebenda.) 

Die beiden vorliegenden Arbeiten behandeln die Frage nach der „amoeboidm 
Beweglichkeit“ der Neurone und beide beantworten sie in bejahendem Sinne. Qenan 
ebenso, so etwa deduciren die Verff., wie wir einen einzelligen Organismus (Amoebe, 
Lenkocyt) auf einen jeden Beiz, der denselben trifft, durch Einziehung seiwr 
Pseudopo^en reagiren sehen, so muss auch der „einzell^e Organismus emes 
Neurons“ auf Beize, die ihn treffen, durch Veränderungen in der Vertheilaog 
seines Protoplasmas reagiren können. Und wirklich behaupten die Verff. (wie sncb 
schon vor ihnen manche Autoren) gewisse Veränderungen im Protoplasma der 
Ganglienzellen und ganz besonders in deren Protoplasmafortsätzen und den Appen* 
dices piriformes beobachtet zu haben, welche auf Beize, die das betreffeode 
Neuron trafen, sich entwickelten. Diese Beize konnten non sehr mannigfaltigw 
Natur sein: bald waren es Gifte (Morphin, Chloroform n. s. w.), bald waren tß inswe 
Beize (Schmerz, Ermüdung), bald waren es Temperaturscbwankungen (Abkühlung). 
Je nach der Intensität des einwirkenden Reizes waren die VerändemDgen owbr oder 
weniger stark entwickelt: bald handelte es sich nnr um leichte Verdickungen (dtat 
monoliforme) der äussersten Ausläufe der Protoplasmafortsätze, bald waren die leMsm 
stärker afficirt, kugelig aufgetrieben oder sogar in eine Beihe von perlenart^en obne 
Zusammenhang flottirenden Gebilden zerfallen. In diesen fortgesc^ittensten Stadien 
war eine Bestitutio in integrum natürlich ausgeschlossen, die leichteren Veränderangeii 
aber, insbesondere z. B. nach Morphinvergiftung, gingen mit Nachlassen des Beo« 
wieder zurück. — Was die physiologische Bedeutung dieser Veränderungen, welch« 
Übrigens die Verff. auch durch Photograpbieen deutlich zu machen sich bemBhoi. 
anlangt, so liegen dieselben noch völlig auf dem Gebiet der Hypothese. Insbesondere 
moBs der Versuch, den natürlichen Schlaf und den Winterschlaf durch eine Lösufig , 
der „associativen Verbindung zwischen den verschiedenen Neuronen“ zu erkläna ' 
als verfrüht bezeichnet werden. — Erwähnt sei noch, dass die geschilderten Vv- j 
ändemngen sich ansschliesslich im Gehirn and in den Sinneszellen (Olfactoiiv) j 
nach weisen Hessen; die Zellen des Rückenmarks wurden stets unverändert befund« 
und auch im Gehirn zeigten sich die verschiedenen Zellenlagen nnd die verschied»« 
Centren in sehr wechselndem Maasse befallen. W. Cohnstein (Berlin)- 


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1131 


4) Die Wirkung der Narootioa auf die motorieohen Vorderhomzellen des 
B&okenmarks, von Dr. Arthur Fränkel in Berlio. (Aas einer von der 
Berliner ined. Facultät gekrönten PreisachrifL Berlin. 1898.) 

Verf. will durch seine an Kaninchen nnd Hunden angestellten Versuche ent¬ 
scheiden, ob die Narcotica auf die' motorischen Vorderhomxeller des BQckenmarks 
wirken. Bei geringer Dosiruog ist entsprechend der klinischen Erfahrung, nach 
welcher keine fnnctionelle Störung des Bfickenmarks beobachtet wird, auch anatomisch 
eine Einmrkong von Tomherein nicht zu erwarten. Für die Arbeit des Verf.’s 
kommen also nur die schwereren Vergiftungen mittelst der Narcotica in Betracht. 
F&r die mikroskopische Untersnchnng hat Verf. sich ansschliesslich der Nissl’schen 
Methode bedient Er stellte fest, dass Strychnin, Brncin, Tbebain nnd Pikrotozin 
deutliche and constante Veränderungen an den motorischen Vorderhomzellen erzeugen; 
dagegen ergaben Morphin, Chloralhydrat, Chloroform, Aether nnd Carare solche Ver¬ 
änderungen nicht. 

Das Endergebnis ist: Die motorischen Vorderboruzellen des Bflekenmarks werden 
durch die Narcotica auch in starker Dosis nicht gelähmt 

Moritz Fürst (Hambnrg). 


Pathologische Anatomie. 

5) Nouvelles reoherches sur les lÖBions des oentres nerveux oonsdoutiAi 
A rarraohement des nerfs, par Marinesco. (Bulletins et mömoires de la Soc. 
mdd. des Uöpitauz de Paris. 8öance du 10 jnin 1898.) 

Verf. riss Hunden sowohl Hlm- wie Bückenmarksnerven vollständig aus und 
beobachtete dann nach 10 Tagen an den Zellen der betroffenen Seite theils partielle, 
tbeils totale „Achromatose*' (d. b. Fehlen cbromatophiler Elemente). Der Kern ist 
in einzelnen Zellen geschwollen, in anderen ist seine Form nnd sein Volumen ge¬ 
ändert Bei vorgeschrittener Ächromatose ist der Kern atrophirt, er liegt im Centrum 
oder an der Peripherie der Zelle. Der Nucleolns bewahrt im Beginn der Aehro- 
matose Form nnd Tinctionsfähigkeit später ist er atrophirt nnd von unregelmässiger 
Form, schliesslich — bei absolnter Ächromatose — kann er vollständig schwinden. 
Neben diesen Zellveränderongen findet man auf der Seite des ausgerisseuen Nerven 
Degeneration der Wurzeifasera und locale Entzündung der Pia. Die chromatischen 
Qrannlationen, welche man in einzelnen nncleolusfreien Zellen beobachtet, scheinen 
von der Auflösung des Nucleolns in seine Elemente, wenigstens zum grössten Theile, 
herznrühren. Es würde sich demnach um eine Cbromatolyse des Nucleolus bandeln, 
für welche allerdings ein so starkes Trauma, wie es die Nervenausreissung ist, notb- 
wendig erscheint Die Forschungen des Verf.’s zeigen, dass der Nncleolus aus einer 
Menge von Granulationen gebildet ist, welch’ letztere eine homogene Substanz zu- 
sammenhält Ferner bestätigen sie die Ansicht, dass das Volumen des Nncleolus 
Veränderungen znlässt. Kart Mendel. 


6) Sülle alteraslonl del sistema nerroso centrale nella inanieione, per 
L. Daddi. (Bivist di patolog. nerv, e ment III.) 

Die Verändernngen des Nervensystems durch Hangern sind keine sehr schweren 
und stellen sich erst nach längerer Zeit ein. Bei einem nach 9 tägigem Hungern 
getödteten Hunde, dem jedoch täglich mittelst Scblandsonde Wasser eingeführt wurde, 
fand Verf. die Nervenzellen ohne nennenswerthe Erkrankungen. Letztere entwickeln 
sich langsam, wenn der Inanitionsprocess ein langsamer ist; schnell, wenn dies^ 
rascher vor sich geht 


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1182 


Hauptsits der Yerftndenragen waren die SpinalgangUen, Klein* and GroesUn; 
sehr wenig oder gar nicht hetroffen Bflokenmark und Bnlbos. Die Iiäsionen bestudeo 
in Chromatoljse und leichter Bareficimng bis Vacaolenbildong in der achromatieden 
Substanz. Kern und Hocleolos blieben normal 

Die gefundenen Läsionen fähi» Verf. auf die allgemeine Unteremährong. Zur 
Annahme einer Autointoxieation siebt er keinen Gmnd. Dass das Chromitin fflr 
die Zelle eine Nährsnbstans sei, glaubt Terf. ans seinen Befanden nicht mit ächv* 
beit schliessen sn können. Wenn dem so wäre, mflsste es proportional dem allge¬ 
meinen Yerfall schwinden und deshalb ansgiebiger geschädigt s^ als es der Fall war. 

Yalentin. 


7) ITuowe rioerohe sperlmentall sul potere batterioida del sangoe degU 
animali in rapporto alle auto-infezioni degli alienatt, per C. Ceni. 
(Bit. speriment di Freniatria. XXIY.) 

Beim acnten Deliriom and anderen mit grosser motorischer Unmhe tinhw- 
gebenden Geisteskrankheiten hatte Yerf. pyogene Bakterien im Blnte gefnndmi. Er 
reizte nun Thiere dnreb stark faradische Ströme bis znr Erschöpfong und fand, da« 
die bakterientödtende Kraft des Blntes dieser Thiere nach korzem Ansteigen in dw 
Periode der Ermfldung bis znm G^entheil des Normalen sinkt, so dass das Blot 
dieser Thiere ein gnter Nährboden Ar l^phosbacillen wird. Es kann die Yerminde' 
mng des baktericiden Yermögens des Blnt^ den Zeichen der Brscböpfnng des Thieree 
Toransgehen. Und auch bei der Autoinfection der Geisteskranken kann man oft 
pathogene Keime im Blnte finden, ehe der Kranke Symptome der Depreemon oder 
des Oollapses zeigt Yalentin. 


8) Sol oompoTtarsl dell’ alo^initi del songue in alonne forme psioopatiohe 
e neu* epilessla, per A. Lni. (Bi?, speriment di Freniatria. KXIY.) 

Die Untersnchnngen des Yerf.’s erstrecken sich auf Fälle von acnter nnd chro¬ 
nischer Manie, Melancholie, Dementia paralytica, Pellagra, Alkoholismns und Epilepsie. 
In den normalen Grenzen schwankte die Blutalkalescenz bei der Melancholie und bei 
der acuten Manie, während sie bei der chronischen meist geringer war. Niedrige 
Ziffern erhielt Yerf. anch bei Paralytikern in allen Stadien; während epileptiformer 
Anfölle sank der Alkaligefaalt vorftbergehend. Das Blut chronischer Alkoholiker 
ergab eine ziemlich hohe Alkalescenz. Bei Geisteskranken, in Folge Pellagra, saat 
diese unter das normale Mittel bei den gewöhnlichen Formen, noch stärker bei F&Ueo, 
die starke Intoxicationserscheinnngen zeigten, während sie bei den der Heilung uhen 
sich wieder hob. Das Blut reagirte ferner während oder unmittelbar nach einen 
epileptischen Anfall weniger alkalisch, als in den fteien InterTallen; eine constanU 
Herabsetzung der Alkalescenz fand sich zur Zeit gehäufter Anfälle. In der Zeit 
zwischen zwei Anfällen schwankte der Alkaligehalt um die unteren DonDsieo 
Grenzen. 

Die Herabsetzung der Blutalkalescenz ist im Yereine mit anderen SymptooH 
ein Zeichen der Yerlangsamung des Stoffwechsels, nnd bei der Wichtigkeii ^e d« 
Alkaligehalt des Blotes Ar die Besorption hat, und bei den Beziehungen, waldie 
zwischen Intoxication und Aendenmg der Blutalkalescenz bestehen, vielleicht getigiwt, 
ein Licht auf die Pathogenese mancher Fälle, namentlich von Epilepsie und PellagiZi 
zu werfen. Yalentin. 


1133 


Pathologie des NerTensjstems. 

9) Night terrors, par Prof. Soltmann. (Änaales de Mddecme et Chirurgie in- 
faotUes. 1898. 15. Sept.) 

Terf. giebt eine kurze Darstellung der Symptomatologie, Pathogenese, Pri^ose 
und Therapie des Pavor noctnmns. ln der viel umstrittenen Frage nach den Ur¬ 
sachen dieser jBLrankheit citirt Terf. die verschiedenen Meinungen der Autoren, ohne 
sich nach einer bestimmten Richtung hin zu entscheiden. Die Entstehung des An- 
hüles seltmt erkl&rt Terf. durch periodisch wiederkehrende Reizungen im Verlauf der 
Sehbahnen. Oie Prognose ist, wenn kein anderes Leiden (z. B. Epilepsie) dahinter¬ 
steckt, gdnstig. Bei der Therapie bevorzugt Verf. allgemeine Eräftigung, namentlich 
warme Seeb&der, während er Brompräparate in zweite Linie stellt, Opiate ganz ver¬ 
meidet (Die neuere Arbeit von Rey, welcher den Pavor noctnmus neuerdings auf 
adenoide Vegetationen im Nasenrachenraum und dadurch entstehende weitergehende 
Kohlensäureintozication zorftckftlhrt, ist im vorliegenden Aufsatz noch nicht ber&ck- 
sichtigt Ref.) Zappert (Wien). 


10) Ueber EpUepsis ohoreioa, von Prof. W. v. Bechterew in St. Petersburg. 

(Deutsche Zeitschrift fflr Nervenheilkande. 1898. XIL) 

In dem mitgetheilten Fall handelt es sich um den wahren Zusammenhang 
zwischen Epilepsie und choreaartigen Oliederconvulsionen und nicht um eine Goin- 
cidenz beider Krankheiten. Bei dem Herannahen des epileptischen Anfalls nehmen 
die Zuckungen an Stärke zu und setzen nach Ablauf desselben eine Zeit lang ans. 
Verzögert sich der Eintritt des epileptischen Anfalls, so werden die Zuckungen sehr 
stark. Der Anfall selbst stellt sich nur als eine mit Bewusstseinsverlust einher- 
gehende Steigerung der Choreaconvulsionen dar. Stärkere epileptische Anfälle ver¬ 
mögen die Intensität der Zucknngen erheblich herabzusetzen. In dem beobachteten 
Falle bildete die Epilepsie das Ornndleiden, war dann eine Zeit lang latent nnd 
brach später von Neuem ans, nachdem kurz vorher, veranlasst durch einen stärkeren 
Affect, zum ersten Male krampfartige Zuckungen und Stösse des Körpers hinznge- 
kommen waren. Mit Rflcksicht auf die nahen Beziehungen zwischen diesen Convul- 
sionen und dem epileptischen Anfall, schlägt Verf. fflr diese Kninkheitsform den 
Namen Epilepsia choreica vor. E. Asch (Frankfurt a./H.). 


11) Bin Fall von Bpilepaie naoh lange dauernder Donohe auf den Kopf^ 
von M. Breiting in Coburg. (Deutsche med. Wochensehr. 1898. Nr. 39.) 

Der 16jährige Knabe H., hereditär nach keiner Richtung belastet und bis anf 
leichte Masern stets gesund, nahm im Jahre 1892 nach starker Erhitzung durch 
Laufen eine Douche nnd zwar -Stand er wenigstens Stunde unter der Brause nnd 
Hess sich dieselbe so recht gerade anf den Kopf prasseln. Heimgekehrt, war der 
Knabe sehr aufgeregt und bekam am nächsten Morgen einen typisch-epileptischen 
Anfall, dieser blieb nicht vereinzelt, es entwickelte sich vielmehr Epilepsie. Verf. 
fand bei der .Untersuchung im April 1898: weite, träge reagirende Pupillen, Herab- 
aetzong der Hörfäh^keit links fflr Ton- und Sprachgehör, Abweichung der Zungen¬ 
spitze nach rechts, Beeindnssung der Intelligenz in malam partem, keine ausgesprochenen 
Hjperästhesieen oder Hypalgesieen. 

Die Anfälle binnen mit Kribbeln und Jucken der linken Hand. Verf. fasst 
die Epilepsie als traumatisch auf, bedingt durch die anhaltende Douche, und hält es 
f&r dringend nothwendig, mindestens durch Plakate in den Badezellen darauf hinzu- 
weisen, dass es gesundheitsschädlich ist, sich den Strahlen der Douche so auszu- 



1134 


setzen, dass sie den Kopf senkrecht treffen, and dass flberbanpt einzig und aHeis 
richtig das Wasser den oberen Tbeil des BQckens und der Bmst peitschend n 
treffen bat B. Pfeiffer (Cassel). 


12) Zur Aetiologle der Epilepsie, von Dr. Wildermntb. (Festschrift des 

Stuttgarter ftrstllcben Vereins. X897.) 

Verf. bespricht in dieser Arbeit die Bedeutung des chronischen Alkoholisaos 
und der ScbädeUerletsnogen für das Zostandekommen der echten Epilepsie. Unter 
210 Epileptikern, die er in den letzten 6 Jahren behandelt bat und von denen er 
eine zoTerlSssige Anamnese erbeben konnte, sind 6 Alkoholiker, die zweifellos Trink« 
waren, ehe sie epileptisch wurden. Bei 3 von diesen 6 war indessen dem Alkohol¬ 
missbrauch ein schweres Schädeltrauma roraufgegangen, so verbleiben demnach nur 
1,4 von reinem Alkoholismus. Diese 3 Fälle gehören zu den 48 Kranken, bei 
denen die Epilepsie nach dem 20. Lebensjahre aufgetreten ist; legt man diese Zahl 
zu Qronde, so erhält man 6,2 Alkoholismus als Ursache d« Epilepsie. 

Wesentlich anders sind die Ergebnisse, wenn man von einem wegen des Alkoholismus 
in ärztliche Behandlung und Beobachtung tretenden Krankenmaterials au^ht (wie 
die Statistiken von Westpbal, Fflrstner, Moeli und Siemerling). Wir m&ssen 
daher die Alkobolepilepsie und die echte Fallsucht grundsätzlich trennen, sell^ wenn 
es nicht gelingen sollte, scharfe klinische Unterschiede zwischen der einen und d« 
anderen zu finden. Andererseits wird nicht geleugnet, dass wiriitige mannig¬ 
fache Beziehung zwischen Alkoholismus und Epilepsie bestehen; so kann ein mn- 
maliger Alkoholexcess, gleichsam als agent provocateur bei einem Veranlagten die 
Epilepsie zum Ausbruch bringen. Weit wichtiger ist die Thatsache, dass die Trunk¬ 
sucht eines der Eltern oder beider bei den Kindern Epilepsie erzeugen kann. Bei 
146 Patienten fand sich erbliche Belastung in 49 ^/g. uäbei stellt sieh für eine 
procentaale Berechnung der belastende Moment heraus, dass die Trunksucht d« 
Eltern mit 21^/g an zweiter Stelle rangiil 

Scbädelverletzungen Hessen sich unter 210 Kranken 8 Mal, d. h. in 3,8 
nachweisen. 2 andere Beobachtungsreihen ergaben dem Verf. 2, bezw. 47o- Ib 
allen Fällen bestand das Trauma in Schlag oder Fall auf den Kopf. In der Mefa^ 
zahl waren unmittelbar nach der Verletzung Erscheinungen von Himerschfitterung 
vorhanden. Die Zeit des Auftretens der ersten epileptischen Zustände nach dem 
Trauma betrog in 6 von 8 Fällen nicht mehr als 1 Jahr. 4 Fälle waren sich« 
erblich belastet; bei dreien nur wies der weitere Verlauf typische Anfälle anf, bei 
den anderen nur verschiedene Formen der epileptischen Bewusstseiusstörong. Auch 
hier wird in der Mehrzahl der Fälle die Verletzung nur als Gelegenheitsuisadie fBr 
den Ansbruch des latenten Leidens anzusehen sein. Martin Bloch (Berlin). 


13) Hereditary nenrotio condition and aoqnired inatabUlty and diaoaee 
aaaoolated wlth crime, b; Hen; Ljle Winter. (New York Medical Joom. 
1897. Vol. LXVL 8. 621.) 

Im Anschluss an die Beschreibung eines Patienten mit schwerer nervöser Be¬ 
lastung, zahlreichen Degenerationszeichen und psychischen Attaquen betont Verf. die 
hohe forensische Wichtigkeit der psychischen Epilepsie, den Mangel unser« die»- 
bezQglichen Kenntnisse and die Unzulänglichkeit des Qericbtsverfahrens im gegebenee 
Falle, z. B. bei Anklage wegen Mordes. Es sollte die Begutacbtung zunädist Sache 
einer ärztlicbeu Commission sein, diese könnte dann nach eingehender UDtersuebunr 
dem Gerichtshof eine wissenschafUiche Grundlage Bir die Leitung der Verhandlongea 
and die Fällung des Urtbeils an die Hand geben. B. Pfeiffer (Cassd). 


1185 


14) Der Werth der Beseotion des Halssyxnpathicua bei gemeiner Epilepsie, 

nebst einigen Beobachtungen und physiologischen Versuchen über 

Bympathlouslähmung, von Dr. Julius Douath, Universitätsdocent in Buda¬ 
pest. (Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 16.) 

Yerf. Hess in 3 Fällen von gemeiner Epilepsie and in 1 Falle von Hirntomor, 
welcher gemeine Epilepsie vortanscbte, die Besection des Balssjmpathicos vornehmen. 

1. Fall: 20jähriger Maschinenmeister. Seit 2 Jahren epileptische Anfälle. 
Geringer Grad von Demenz. Bromkalibehandlung erfolglos. Am 20. Jnli 1897 
beiderseitige Exstirpation des Ganglion sup. des Halssympathicus. Am 8. August 
4 starke AnföUe; weiterhin nach mehrwöchentlichen Intervallen immer durch mehmre 
Tage häufige Anfölle. 

2. Fall: 22jähriger Tagelöhner, seit dem 3. Lebensjahre nach einem Schreck 
anfangs täglich, später allwöchentlich epileptische* Anßlle. Bromkallbehandlnng er¬ 
folglos. Rechte Papille etwas abgeblasst, Gesichtsfelder temporalwärts eingeschränkt. 
Seh' und Hörschärfe links herabgesetzt, ebenso der Geruchssinn. Leichtes Stottern. 
Am 7. August 1897 beiderseitige Excision des Gangl. sup. und eines Stückes des 
zwischen diesem und dem Ganglion medium liegenden Stückes des Grenzstranges. 
Kach 4—5 Wochen Wiederkehr der Anfälle in derselben Häufigkeit, wie vor der 
Operation. 

3. Fall. ISjähriger Fleischeigehülfe, seit dem 8. Lebensjahre epileptische An¬ 
fälle in steigender Häufigkeit, in letzter Zeit mitunter 50 täglich. Normaler Nerven- 
Status bis anf beiderseitige Herabsetzung der Hörschärfe. Operationen wie im 
2. Fall; kein Einfiuss auf die Häufigkeit der Anfälle. 

4. Fall. 23jähriger Geschäftspraktikant. Seit dem 9. Jahre Krämpfe nach 
einem Schrecken, in 3—4 monatlichen Intervallen, später in zunehmender Häufigkeit, 
oft von Erbrechen begleitet. Als Verf. im Jahre 1892 Pat. zum ersten Male sah, 
bestand seit 6 Wochen rechtsseitige Hemiplegie mit Betbeilignng des ganzen Facialis 
derselben Seite. Unter Boraxbehandlung verschwand die Lähmung rasch und er blieb ein 
Jahr frei von Anfällen. Zeitweise Benommenheit oder Schmerz in der Scheitelg^end. 
Die Hemiparese kehrte dann vorübergehend wieder, und es betrafen auch die epilep¬ 
tischen Anfälle vorwiegend die rechte Seite. Die Aogenuntersuchung ergab: Myopie, 
Atrophia nervi opt. o. u., Strabismus divergens o. s., starke coucentrlsche Gesicbts- 
feldeinscbränkung beiderseits, centrales Scotom links. Im September 1893 Haaraus¬ 
fall und entzündliches allgemeines Hauterythem, ersterer auf Faradisation der 
Schädelhaut, letzteres auf Aussetzen der Boraxmedication schwindend. Anfälle bis 
Jani 1896 oft in mehrmonatlichen Intervallen. In diesem Monate Besection eines 
3 cm langen Stückes aus dem oberen Theile des rechten Halssympathicus und des 
Ganglion fusiforme. Anfälle persistiren; nach 2 Wochen erliegt Patient einem 

Status epilepticus. 

Obduction: Osteom in der Seiten wand des linken Vorderhomes, beginnend 3 cm 
hinter dem Polos frontalis nnd endigend entsprechend dem Sulcus frontalis. 

Interessant sind bei diesem Falle das epileptische Moment (Schreck), das Fehlen 
bleibender motorischer Lähmungserscheinungen trotz des 14jährigen Bestandes der 
Epilepsie, und der Mangel aller Symptome, welche für Stimhirngeschwülste angegeben 
werden: Ataxie, Schwäche der Kopfbewegungen oder der Rumpfmuskulator und Witzei- 
encbt I)ie vorübergehende Hemiplegie war offenbar ein Nachbarscbaftssymptom, 
bedingt durch rascheres Wacbstbum des Tumors. Die Abwesenheit von Uerderscfaei- 
nnngen dürfte in der Einübung compensatoriscfaer Bahnen begründet sein. 

Diese 4 Fälle beweisen die völlige Wirknngslosigkeit der beiderseitigen Besection 
des oberen Halsganglions nnd des zwischen diesem nnd dem Ganglion medium ge¬ 
legenen Stückes des Grenzstranges auf die epileptischen Anfälle. Der Grund liegt 
darin, dass die Gefässlähmung in den nächsten Tagen wieder schwindet, da die 


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Bla^ef&ase des Kopfes wahrscheinlich nicht nur vom Sjmpathicns, sondern auch 
direct vom Gehirn durch intracraniell verlaufende Fasern versoi^ werden» welche 
fUr erstere vicariirend eintreten können. Bei einseitiger Operation meht man nn« 
mittelbar danach lebhafte Böthung der betreffenden Gesichtsh&lfte, Injeetion der 
Conjunctiva, lebhafte Temperaturerhöhung und stärkere Schweissabsondemng» die aber 
schon nach 4 T^en wieder schwanden. Bei den beiderseitig Operirten waren Ptoms 
und Hiosis mitunter auf beiden Seiten ungleich» Iiieht>, Accommodations- und Con* 
vergenabewegungen der Pupille waren gut erhalten, desgleichen das Yerhalten gegen 
Hiotiea und Mydriatica. 

Bei anseitiger Besection fand Terf. den elektrischen Leitnngswiderstand der 
betreffenden Wangenhant vermindert, offenbar wegen Hyperämie und gesteigerter 
Schweissabsondenmg, ein Befhnd, der auch das Vigouroux’scbe Phänomen bei 
Morb. BasedowU erklärt. J. Sorgo (Wien). 


16) Beneflolal efiBsots of the withdrawal of bromidea in the treatment of 
epUepsy, bj F. Peterson. (New York medical JoumaL 1897. September.) 
Terf. besträtet, daaa die plötzliche Entziehung des Broms bei Epileptikern, 
welche dasselbe lange Zeit In hohen Dosen genommen haben, in der Begel einen 
Status epilepticus oder Vermehrung der An^e zur Folge habe, sondern sdirabt 
derselben gerade einen gOnstigen Einfluss zu. Er stfltzt sich hierfür auf 5 Fälle, 
in welchen nach plötzlicher Entziehung ein erheblicher Nachlass der Eramp&n&Ue 
und wesentliche Besserung in körperlicher wie psychischer Hinsicht eintrat und 
6 andere Fälle, in welchen nach plötzlicher beträchtlicher Herabsetzung der Brom* 
dosis ähnliche günstige Wirknim;en zu constatiren waren. 

Leonhardt (Freibarg L/SchlX 

16) Zur Oplam*Brombeha]idltmg der Epilepsie, von Linke. (Allg. Zehschr. 
für Psych. Bd. LV. 8. 260.) 

„Denn wir Anden bei jedem Heilmittel, dass es zu Anfang seines Gebrauches 
unübertreffliche Wirkungen zeigt und alle gegen früher gegen dieselbe Krankheit ange* 
wandten Mittel ganz und gar entbehrlich macht, sobald es aber eine Zeit lang im 
Hedicinkasten der Materia medica gelegen hat, zur verlegenen und kraftlosen Waare 
wird." Die schönen Worte von Fecbner*Mise6 in seiner Satire über die Jodine 
könnte man als Motto Über einen Bückblick setzen, der als Grabrede für die 
Brom-Opiombehandlung dienen könnte. Anfangs mit B^eistemi^ gepriesen, viel* 
fach anerkannt, dann bald wegen der Gefahren gemieden, wird jetzt in Ooet, wie 
Verf. schreibt, die Opium-Bromkur bei der Behandlung EpileptiMher nicht mehr 
in Anwendung gezogen. Verf. batte vor 3 Jahren bei 4 von 7 nach Flechsig 
behandelten Fällen leidliche Erfolge erzielt Wie er nun jetzt berichtet, hat der 
Erfolg absolut nicht Stand gehalten. Das Ausbleiben der Krampfanfälle nach dem 
Aussetzen des Broms ist nicht von Dauer, die physischen Anfälle und der epilep* 
tische Charakter werden nicht beeinflusst, das körperliche Befinden verschleditert 
in einzelnen Fällen (nicht in denen des Verf.'s) traten bedrohliche Zustände, ja sogar 
der Exitus ein. Äschaffenburg (Heidelberg). 


17) Sssiti nur le traitement ohirorgioal de rdpilepsle, par P. Bellay. 
(Felix Alcan. Paris. 1898.) 

Verf. berichtet zunächst über das definitive Besnltat der Cranieetomie bezw. 
Trepanation in 6 Fällen von idiopathischer Epilepsie. Abgesehen davon, dass in 2 
derselben anfangs die Krämpfe 3 bezw. 12 T^e ausblieben, war in sämmtlicben 
Fällen nach der Operation eine Zunahme der AnflUle an Frequenz wie Intensität 


1137 


UDd ferner Auftreten von psychischen Störnngen bezw. schnelle Abnahme der Intel¬ 
ligenz zu verzeichnen. Verf. geht hierauf auf die Hypothese ein, dass die gemeine 
Epilepsie ebenso wie die Idiotie auf einer Compression des Gehirns in Folge präma* 
tnrer Verknöcherung der Sch&deloähte beruhe, und dass die Compression durch die 
Craniectomie beseitigt werde. Er weist diese Annahme als unhaltbar znräck auf 
Grund des Befundes an 5 trepanirten Schädeln von Idioten, an welchen sich keine 
prämature Synostose fand und sich andererseits eher eine Verstärknng der Com* 
preesion durch die anatomischen Veränderungen io Folge der Operation ergab. 

Leonhardt (Freibarg i./Schl.). 


Psychiatrie. 

18) Die Untersuohimg und Behandlung geistig snrückgebllebener Kinder, 

von Dr. med. Alb. Liebmanu. (Berlinische Verlagsanstalt. 1898.) 

Wie leicht es auch im Allgemeinen ist, festzustellen, dass ein Kind in seiner 
geistigen Entwickelung zurückgeblieben ist, so schwer ist es nach Verf., bei den 
bisher bekannten Untersuchnngsmethoden ein bestimmtes Urtheil über den Grad and 
die Prognose der Störung abzugeben. Nach der Ansicht des Verf.’s wird die Prognose 
in den meisten Fällen zu un^nstig gestellt, und Kinder als idiotisch bezeichnet, 
die es nicht sind; dieser diagnostische Fehler würde um so schwerer ins Gewicht 
fallen, als die Eltern dadurch bewogen werden, von einer weiteren Fürsorge für die 
geistige Entwickelnng des Kindes abzuseben. Da man unter Idiotie ein definitive,s 
Stehenbleiben der psychischen Entwickelung im Eindesalter versteht, so spitzt sich 
die Frage dahin zu, ob die psychische Entwickelung des betreffenden Kindes in der 
That unwiderruflich abgeschlossen ist Zur Entscheidung dieser Frage hält Verf. 
doo somatischen Befund nicht für durchaus beweisend, da er selbst bei schweren 
körperlichen Complicationen, z. 6. starke Hikrocephalie, Epilepsie. Lähmungserschei* 
nungen öfters ein gutes Resultat gesehen hat Er macht vielmehr die Prognose 
von einer detaillirten Untersuchung sämmtlicher centralen Fähigkeiten abhängig. 
Anf die Details dieser Untersuchung, deren Darstellung die vorliegende Arbeit ge¬ 
widmet ist, und die recht mühsam zu sein scheinen, kann im engen Bahmen eines 
Referates nicht eingegangen werden. Lewa Id (Obemigk). 


Therapie. 

19) Tetanus facialis, mit Antitoxin Behring behandelt, von Dr. Sigmund 
Erdheim. (Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 19.) 

Fall I. öBjähriger Gerber; vor 13 Tagen kleines Knötchen mit rothem Hofe 
in der Gegend des linken .lochbeines, das 8 Tage später aufbrach. Zi^leich be¬ 
standen Kopfschmerzen, Mattigkeit und Ziehen in den Gliedern. 5 Tage später 
Krampfe im rechten Masseter. Die Untersuchung ergab: Temperatur 36,5, Puls 66, 
Respiration 30, freies Sensorinm; links Über dem Jochbogen ein von Krusten be¬ 
decktes Geschwür mit gerötheter und infiltrirter Umgebung; Facialisparalyse links, 
linke Papille etwas weiter, reagirt prompt; der rechte Masseter krampfhaft contrahirt, 
der linke etwas geringer; Krampf der Hals- und Nackenmuskeln, Erhöhung der 
Söhnen- und Muskelredexe; keine Sensibilitätsstörung im Gesicht. Während der 
Reinigung des Geschwüres 2 Anfälle von allgemeinen Krämpfen mit Aussetzen der 
Athmong, Cyanose in der Dauer von je 20 — 25 Secunden. Injection von Behring's 
Antitoxin (10 g Trockensubstauz mit 500 NormalantitoxineinWten) unter Cocaln- 

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anästhesie am 12 Uhr Mittags. 3 Uhr Nachtnittags neuer Anfall von allgememeD 
clonischen Krämpfen mit starker Betheiligang der Tborazmnskeln. Nach 2 StuDden 
2 weitere Anfälle; Patient verliert das Bewusstsein und bleibt nach dem Anfalle mit 
weiten, reactionslosen Pupillen liegen. Trotz Chloralhydrat und Morphininjectiooeu 
Häufung der Anfälle, das Bewusstsein kehrte nicht wieder, in der Nacht um 4 Uhr 
frflh Exitus letalis. 

Obduction: Umschriebene Phlegmone mit Nekrose der Haut io der Regio zygo* 
matica. Hyperämie und Oedem der inneren Hirnhäute, sowie beider Lungen; paren* 
chymatöse Degeneration der Leber und Nieren; umschriebene Hyperämieen und 
Ecchymosen der Hagen' und Darmschleimhaut 2 Hause, welchen StQcke der vom 
QeschwQre entfernten Kruste unter die Haut eingeimpft wurden, gingen an typischem 
Tetanus zu Grunde. 

Fall II. 48jähriger, früher immer gesunder Bauer; am 11. August Schnitt* 
wunde beim Ackern, 5 Tage später Trismus. Die Untersuchung ergiebt: Hassetereo' 
krampf, Risus sardonicus, Temperatur 39,0, Puls 120, Respiration 24. Reflexsteigerung; 
Ober dem Fersenbein quere, die Achillessehne durchtrennende Schnittwunde. Abends 
am 17. der 1. allgemeine tetaoische Anfall; danach Bewusstlosigkeit Unmittelbar 
nach dem Anfall Injectaon von 10 g Antitoxin (— 500 Antitoxineinbeiten); Des- 
infection der Wunde. Fortdauernde Häufung der Anfälle, nach iVt Stunden Exitns 
im Anfalle. Postmortale Temperatorsteigerung von 41,8*^ C. 

Die Injection des Antitoxins war im 1. Falle intravenös, im 2. subcutan aas- 
geführt worden. J. Sorgo (Wien). 


UL Aus den Oesellsohaften. 

Aerztliober Verein zu Hamburg. 

Sitzung vom 14. Juni 1898. 

Herr Grisson demonstrirt eine Patientin nach erfolgreicher Operation einer 
Gehirn'Cyste. Dieselbe ist auf dem rechten Ohre taub seit ihrer Jugend. Aof 
dem linken Obre besteht seit 4 Jahren Otitis media suppurativa. Vor IV, Jahren 
wurde der Proc. mastoid. aufgemeisselt Seitdem herrschten Schwindel« Sehstörungen. 
Faeialisparese. Im Februar 1898 war eine radicale Aofmeisselung gemacht, es waren 
Sequester aus dem Felsenbein entfernt, die Dura mater eröffnet und mehrfache Func¬ 
tionen des Scbläfenlappeds gemacht worden. Seitdem bestehen rasende Kopfschmerzen, 
die grosse Morphiumdosen erfordern. 

Als die 27jähnge Kranke am 26. April 1898 ins Freimaurer-Krankenhaos auf- 
genommen wurde, bot sie das beklagenswerthe Bild schwersten lieidens, doch waren 
Anfangs cerebrale Symptome nicht vorhanden; auffallend war die hohe Intelligent 
der Kranken. Es b^tand von vonrherein die Vermutbong eines Himabscesses. Erst 
allmäblicb entstand Polsverlangsamung. Stauungspapille war nie vorhanden. Am 
26. Mai wurden zuerst clonische Zuckungen des rechten Armes, dann auch des rechten 
Beines beobachtet Am 27. Mai wurde von Dr. Säuger die Patientin ontersueht. 
Derselbe constatirte hochgradige Empfindlichkeit der linken Scbädelhälfte (speciell 
des linken Schädelbeina), eine Sensibilitätsstörung in der rechten oberen ExVemitst 
ohne Störung des Lagegeffihla oder des stereognostiscben Vermögens; ferner eine Sen* 
sibilitatsstömng im 2. und 3. linken Quintosast. Ansser einer leichten Parese im 
rechten Arm und geringe Ataxie der rechten oberen und unteren Extremität war 
nichts nachweislich afficirt Stauungspapille war nicht vorhanden, dagegen öfter 
Pulsverlangsamung. 

Von Herrn Sänger wurde die Diagnose gestellt, dass entweder im Schläfen- 
lappen, oder io der Nähe der vorderen Centralwinduug, wahrscheinlich in der hinteren 




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Alkohols fOr bestimmte Organe bei bestimmten Individuen; Nonne möchte diese 
Falle als „Polyneuritis alcoholica insontium“ bezeichnen. 

In 6 Fällen aus dem Krankenhansmaterial, die, mit Ausnahme eines Falles, 
intra vitam keine unzweifelhaften spinalen Symptome geboten hatten, untersuchte 
Nonne das R&ckenmark. Diese 6 Fälle stammten von ganz besonders 
schweren Potatoren, die seit laugen Jahren Stammgäste der Alkoholistenabtbei* 
lang des Krankenhauses gewesen waren und bei der Sectioti mannigfache Zeichen 
des chronischen Älkoholismus boten: Arteriosclerose, Lepto- und Puchymeningitis, 
Lebercirrhose, interstitielle Nephritis, allgemeinen Marasmus u. s. w. Nur in einem 
Fall fand sich eine geringe Sclerose der Goll’schen Stränge — wie es von Vier- 
ordt zuerst beschrieben worden ist — in einem anderen Fall, der wegen Pupillen- 
anomalien, lancinirender Schmerzen in den unteren Extremitäten und schwer anslös¬ 
barer Patellarrellexe, bei früherer Lues, schon intra vitam auf Tabes verdächtig 
gewesen war, fand sich eine für beginnende Tabes charakteristische Hinterstrangs¬ 
veränderung; in den anderen 4 Fällen fand sich das Rückenmark normal. Nach 
diesen Erfahrungen giebt Nonne der Ansicht Ausdruck, dass auch ein protrahirter 
und schwerer Alkoholmissbrauch das Rückenmark in der Regel 
verschont. 

Herr Nonne stellt einen 12jährigen Knaben vor, der an Dementia 
paralytica leidet. Derselbe war ca. 2 Monate zu früh zur Welt gekommen, war 
in den ersten Lebensjahren körperlich schwächlich gewesen, hatte sich dann aber 
geistig und körperlich noch im Bereich der Norm entwickelt. Vor 3 Monaten begann 
das Kind, ohne dass eine Ursache dafür nachweisbar war, speciell ohne dass er ein 
Kopftrauma oder sonst ein Trauma erlitten hatte, unaufmerksam, zerstreut, vergesslich 
zu werden; dann entwickelte sich eine rasch zunehmende Demenz. Als Nonne das 
Kind zuerst sah, constatirte er erhebliche Intelligenz- and Qedächtoissdefecte, es 
bestand ein mittelgrobschlägiger Tremor der rechten oberen Extremität, cbarakte- 
ristiscbe articulatorische Sprachstörung, Mydriasis und reSectoriscbe Pupillenstarre bei 
Erhaltung der Accommodationsßhigkeit (Dr. Frauke). Die Sehnenredexe der nnteren 
Extremitäten waren lebhaft. Ungefähr 2 Wochen später Hess sich eine Parese der 
rechten Facialis- und der rechten Zungenhälfte constatiren. Die weitere Beobachtung 
im Krankenhanse ergab das Vorhandensein einer einfachen progressiven Demenz ohne 
Orössenideeen und ohne Erregungszustände. 

Die Mutter gab an, ungefähr 1 Jahr vor ihrer Verheirathuug extrageoital — 
durch Pflege einer wegen florider secundärer Syphilis in ärztlicher Behandlung be- 
flndlichen Kranken — inficirt worden zu sein und damals eine Schmierkur durch- 
gemacht zu haben. Ihre erste Schwangerschaft endete mit einem Äbortus im 
6. Monat; das 2. Kind kam einen Monat zu früh zur Welt und bekam im 5. Lebeus- 
monat einen universellen Äusschl^, starb im 5. Jahre an „GehimeotzOndung**; die 
3. Gravidität endete mit der Geburt unseres Patienten, ebenfalls einen Monat zu früh, 
als 4. Kind wurde ein jetzt 10 Jahre altes Mädchen — rechtzeitig — geboren, 
das seit dem 4. Lebensjahre an Albuminurie mit zeitweiligen hämorrhagischen 
Schüben leidet; das 5. Kind war gesund und starb im 2. Lebensjahre an Brecb- 
durcfafall. 

Potus war bei den Eltern mit Sicherheit auszuschliessen, ii^end welche uennens- 
werthe Belastung mit Neuropathieen lag weder in der Mutter, noch in des Vaters 
Familie vor, beide Eltern sind zur Zeit körperlich und geistig rüstig; die eingehende 
Untersuchung beider Eltern auf Lues bezw. Residuen von Lues und auf Anomalien 
am Nervensystem ergab ein negatives Resultat. 

Herr Nonne betont, dass dieser Fall in besonders incomplicirter Rein¬ 
heit die Dignität der hereditären Lues für die infantile Paralyse 
demonstrire und bespricht den Fall unter Vergleichung derselben mit den bisherigen 
Fällen aus der Litteratur. 


1141 


Sitzung vom 25. October 1898. 

Herr Luce demonstrirt- ein Schrumpfnierenpräparat, das einem 23jährigeii, auf 
der Abtheilung von Dr. Nonne beobachteten Manne, mit Lues und excessivem, 
chronischen Äbusus spirituosorum in der Anamnese, angehört. Unter statbtischen 
Belegen und unter Hinweis auf die differenten Aetiologieen wird das Vorkommen der 
Grannlaratrophie in den verschiedenen Lebensaltern, insbesondere die relative Selten¬ 
heit derselben io so jugendlichem Alter erörtert. Das vorgelegte Herz zeigt sehr 
ausgesprochen die bekannten secundären Veränderungen der concentrischen Hyper* 
trophie beider Ventrikel. 

Der Kranke war im April a. c. im Status apoplecticus mit completer links¬ 
seitiger Hemiplegie und mit den Symptomen der subacuten parenchymatösen Nephritis 
aufgenommen. Im Laufe der nächsten Monate entwickelte sich klinisch das Bild 
der progredienten Schrumpfniere. Als Herdsymptome der erlittenen Apoplexie hinter* 
blieben linksseitig: eine spastische Hemiparese incl. der N. N. VII und XII, eine 
Heraiataxie, Hemihyperalgesie und Hemianopsie von streng halbseitigem Charakter. 
Ophthalmoskopisch war Retinitis albuminurica mit diffusen Hämorrhagien vorhanden. 

Der Kranke ging schliesslich im October a. c. an einer acuten, Zweimarkstück- 
grossen, bei der Höhe des Trigeminusaustrittes unmittelbar unterhalb der Schleife 
und central gelegenen BrQckenblutung zu Grunde. (Demonstration des Präparate.) 

Klinisch verlief die Brflckenblutnng unter allgemeinsten clonischen 
Convulsionen der Muskulatur der Zunge, des Mundbodens, des Gaumensegels, des 
Pharynx, Laryiix, des Kopfes, des Nackens, sämmtlicher Rumpfmuskeln und der 
hlxtremitäten. Es bestanden intensive klonische Krampfe in den Levatores 
palpebrarum, sowie im Gebiet der N. N. III. und IV., bestehend in klonisch 
hebenden und senkenden, rotirenden (besonders nach unten und innen) Zuckungen 
der Bulbi; die Pupillen waren myotisch, lichtetarr, die Cornealreflexe erloschen. 
Die beiden einzigen Muskelgebiete, welche in auffälligem Contrast an 
diesem wahrhaft allgemeinen Mnskeldelirium sich nicht betheiligten, 
waren das Gebiet der Faciales und Abducentes. Patient war absolut 
comatös, der Puls war sehr frequent und voll, die Athmung beschleunigt, vertieft, 
geränschvoll. Rin Frontalschnitt durch die Hemisphären am occipitalen Ende des 
Paracentrallappens ergab in der Höhe der 1. rechten Schläfenwindung hart an der 
Ventrikelwand im Marklager die Anwesenheit von zwei bräunlich'gelben encephalo* 
malaciscben kleinen Herden. 

Zur Erklärung des Freibleibens der Facialis- und Abducensgebiete im Krampf* 
aofall wird angenommen, dass die Ponshämorrhagie distalwärts die Kern* 
gebiete der N. N. VI. und VII. zerstört hat. 

Der Pall wird nach der mikroskopischen und theoretischen (Nothnagel’s 
Krampfcentrum) Seite später eingehend bearbeitet werden. (Autorreferat.) 


Biologische Abtheilung des ärstlichen Vereins su Hamburg. 

Sitzung vom 8. November 1898. 

Herr Nonne zeigt Rückenmarkspräparste von 5 Fällen von multipler 
solerose. 

Die beiden ersten stammten — Abtheilung von Nonne im Eppendorfer Kranken¬ 
haus — von einem 22jährigen jungen Manne, bezw. von einer 40jähr. Frau. Beide 


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1142 


/ 

hatten durch 4 bezw. 3 Jahre hindurch das reine Bild der „Hjelitis spastica dor> 
sal is“ mit mehr oder weniger schweren BlaaenstörongeD and finalem Decnbitus geboten; 
in beiden Fällen war neben ausgedehnten Veränderungen im Hals*, oberen Dorsal* 
und Lendenmark, die in der bekannten irregulären Yertheilung die verschiedensten 
Theile des Querschnitts betroffen hatten, im unteren Dorsalmark je ein grosser, fast 
den ganzen Querschnitt betheiligender Herd nachzuweisen. Der 3. Fall — Äbtheilong 
von Könne im Neuen Allgemeinen Krankenhanse — betraf einen 36jäbrigen Mann, 
welcher 10 Jahre im Neuen Allgemeinen Krankenhause in Beobachtung gewesen 
war, und bei dem eine spastische Parese der oberen, spastische Parese der unteren 
Extremitäten neben einer Intentionsstörung der Extremitäten und doppelseitiger neu- 
ritischer Opticusatrophie bestanden hatte; während bis vor 4 Jahren ab und zo sehr 
erhebliche Remissionen ftlr mehrere Monate eintraten, so dass Patient am Stock 
wieder geben und die oberen Extremitäten zu gröberem Hantiren gebrauchen konnte, 
wurden seitdem die spastisch-paralytischen Symptome constant. Dazu kam ein 
schwerer Decubitus am Kreuzbein und Sphincterenlähmung. 

Der Befund im R&ckenmark war im Wesentlichen derselbe wie in den ersten 
beiden Fällen. 

In einem 4. FaU — derselbe wurde vom Yortr. vor 4 Jahren im „Vereins* 
hospital“ beobachtet und betraf eine fiOjährige Frau — entwickelte sich, nachdem 
die Kranke schon seit ca. 3 Jahren spastisch-paralytische Symptome der unteren 
Extremitäten geboten hatte, subacut eine schlaffe motorische Paraplegie der 
unteren Extremitäten, deutliche aber nicht sehr starke SensibilitätsstÖrungen 
an denselben, Sphincterenlähmungen und Kreuzbeindecubitus. ln diesem Falle fand 
sich ebenfalls eine in der ganzen Länge des Rückenmarks disseminirte, fleckweise 
multiple Sclerose, deren „transversaler“ Herd im mittleren Lendenmark sass. 

In allen 4 Fällen fanden sich im Grosshim im frischen und gemöllerten Prä¬ 
parat nur sehr spärliche kleine Herde; das Kleinhirn, die Pons und Hedulla oblongata 
waren in allen 4 Fällen frei. 

ln einem 5. Fall, der ein SOjähriges Mädchen betraf, war vor 4 Jahren wegen 
einer wechselnden motorischen Schwäche in der rechten oberen Extremität, die mit 
ausstrahlenden, die ganze Extremität betreffenden Schmerzen verbunden war — die 
ebenfalls wechselten — die Diagnose auf Hysterie — Mangels objectiver Symptome 
— gestellt worden. 2 Jahre später kam Patientin wieder zur Aufnahme im Neuen 
Allgemeinen Krankenhaus und bot zunächst das Bild einer Kleinhimaffection: cere* 
bellare Ataxie, Taumeln nach links, Kopfschmerzen, Erbrechen, Neuritis optica duplex, 
Parese des linken Facialis. Im weiteren Verlauf trat Nystagmus, wechselnde Pareeen 
im Oculomotorius*, Trochlearis*, Abducensgebiet, scandirende Sprache und Intentions¬ 
tremor auf. Während die früher vorhandene linksseitige Facialislähmung sich zurflck- 
gebildet hatte, wurde ca. Vs ante mortem rechts die Nothnagel’sche Form der 
Facialislähmung constatirt und blieb constant: Lähmung des rechten Facialis bei 
unwillkflrlichen mimischen Bewegungen, bei Erhaltensein der willkürlichen Inner¬ 
vation; dabei bestand exquisites Zwangslachen und Zwangsweinen; den Schluss 
bildeten Bulbärerscheinungen: Schluck- und Kaustörung, sowie eine erhebliche 
Demenz. 

Die Untersuchung ergab, neben dem gewöhnlichen Bild der im Rückenmark 
bunt vertbeilten Herde: verschiedene kleinere Herde im Harklager beider Hemisphären, 
einen grossen Herd im linken Thalam. opticus, einen grossen Herd im 
linken Kleinhirnstil, grosse Herde in der Oculomotorius-, Trochlearis-, 
Abducens-Kernregion, sowie in der Höbe des Vaguskems, neben multiplen 
Herden in der Pons. 

Vortr. betont, dass dieser letzte Fall ein für die Sclerosis multiplex selten 
reines Beispiel der Congruenz zwischen klini.'^chen Symptomen und anatomischem 
Befund bietet. 


1143 


'Ferner ist Vortr. geneigt, in diesem Falle eine Bestätigung der Noth- 
nagel’schen Lehre zu finden, dass der Thalamus opticus ein Centrum ffir 
den Ausdruck der Affectbewegungen darstellt 

Die atypischen, vom ursprünglichen Charcot’scben Bilde abweichenden 
Fälle kommen heute Überwiegend häufig zur Beobachtung: So sah Nonne 
in den letzten 3 Jahren nur eine Section eines Falles von multipler Sclerose, die 
das klassische Charcot’sche Bild intra vitam geboten hatte — Vortr. demonstrirt 
die Bückenmarkspräparate dieses Falles —, und gegenwärtig hat Vortr. auf seiner 
Krankenhaosabtheilung neben 2 Fällen multipler Sclerose vom „typischen“ Bilde 2 
solche vom hemiplegischen, 4 vom chroniBch>„myelitischen“ Charakter in Be> 
obachtnng. 

Des Weiteren berichtet Vortr., dass er vor 6 Jahren einen Fall von Dr. Gläser’s 
Äbtheilung obdncirt und mikroskopisch untersncht hat, der intra vitam das letzte 
Jahr im Wesentlichen das Bild der amyotropbischen Lateralsclerose gezeigt hatte, 
sowie dass ein Fall, der vor 3 Monaten im Neuen Allgemeinen Brankenhause — 
Abtheilung von Prof. Rumpf — zur Obduction kam, über Va •^**^*’ 
falls als amyotrophische Lateralsclerose imponirt hatte, bis hinzutretende spastische 
Symptome der oberen Extremitäten, Sphincterenlähmungen, Decubitus und Opticusver« 
ändemngen die Auffassung veränderten. 

Endlich beobachtete Vortr. eine 26jährige, sonst ganz gesunde Frau, bei der 
sich ohne irgend eine nachweisbare Ursache subacut eine schlaffe motorische Para' 
plegie der oberen Extremitäten, deren Grad sehr wechselt, mit nicht constanten 
Sensibilitätsstörungen, neben spastischen Paresen der unteren Extremitäten und ge« 
ringen und wechselnden Blasenstörungen entwickelt hat; später wurde eine Neuritis 
optica dextra incipiens festgestellt. Auch in diesem Falle handelt es sich offenbar 
um eine atypische Form einer multiplen Sclerose. 

In keinem der obducirten Fälle — das muss gegenüber der neueren Tendenz, 
Traumen ätiologisch verantwortlich zu machen, betont werden — war anamnestisch 
ein verantwortlich zu machendes Trauma nachweisbar. 

Auf die mikroskopischen Befunde will Nonne zur Zeit nicht eingehen. 

Dieselbe Erfahrung, dass die atypischen Formen der „multiplen Sclerose“, in 
specie die unter dem Bilde der „chronischen Myelitis“ mit und ohne Opticusverände* 
rungen, sowie die als hemiplegische Form auftretenden die überwiegende Häufigkeit 
darstellen, hat Vortr. auch in der Privatpraxis gemacht. 


Sitzung vom 22. November 1898. 

Herr Saenger demonstrirt einen geheilten Myxödemfbll. 

Die 47jähr. Gastwirthsfrau fühlte sich seit 3 Jahren auffallend elender werden, 
klagte Über grosse Mattigkeit und sah sehr blass ans. Sie bekam innerlich Eisen, 
doch ohne irgend welchen Nutzen. 

Am 25. Juli d. Jahres sah Vortr. sie zuerst und fand das Gesicht blass ge* 
dunsen aussehend und von blödem Ausdruck. Die Haut war an der Stirn, den 
oberen Extremitäten und den Händen hart, verdickt und besonders trocken, und 
schilferte ab. Au den unteren Extremitäten zeigte sich ausser myxödematöser Ver* 
Änderung der Haut auch richtiges Oedem. 

Die Untersuchung eigab, dass die Pat in den letzten Jahren theilnahmsloser 
geworden sei, nicht mehr schwitze, die Haare gingen ihr aus und hauptsächlich 
klagte sie Über sehr lästiges Thränen der Augen und spannendes Gefühl in den 
Armen und Händen, die gleich den Füssen geschwollen waren. 


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Yortr. verordoet der Fran 2 Thyreoidintabletten (Borrough, Welcome u. Cie.), 
doch koDDte sie diese Dosis Dicht vertragen, es stellten sich Mattigkeit, Henklopfeo, 
Angst und Hitzegefflhl ein; aber die Hände waren weniger steif als früher. 

Pat erhielt non täglich nur eine Tablette and vertrag diese ohne Neben* 
erscheinungen, ansserdem gab Vortr. ihr noch innerlich Eisen. 

Am 29. September hatte die Pat 16 Pfund an Gewicht abgenommen and war 
kaum wiederzoerkennen. Ausgenommen an der Stirn, war die Hant sonst an allen 
Stellen wieder weich geworden. Die Fran fühlte sich wieder gesund wie vormals, 
ist wieder froh und lebhaft wie ehedem, auch das Thränen hat anfgehört. 

Vorfibergefaend hatte Pat Polyurie, der Urin war stets frei von Zucker und 
Eiweiss. 

Vortr. stellt noch einen Pall vor, einen Tischler von 35 Jahren mit ankylo- 
sirender Entaündung der gansen Wirbelsäule (Arthritis deformans). 

Fat. bat seit 6 Jahren heftige Schmerzen im Nacken, der Brust und dem 
Bücken. Zuerst ze^te sich Steifigkeit im Genick, die sich jedoch besserte. Bald 
darauf wurden Bücken und Genick wieder steif. Seit 3 Jahren ist der Mann arbeite* 
unfähig. Lues, Tuberculose oder Alkobolismus sind nicht nachweisbar. Es ist noch 
hervorzuheben, dass der Kranke schwere Lasten (Holz) auf dem Rücken getragen hat 

Vortr. weist darauf hin, dass die ganze Wirbelsäule von oben bis unten stock* 
steif ist. Der Kopf ist vornüber gebeugt und kann nnr wenig bewegt werden. Die 
Wirbelsäule ist im oberen Brustabschnitt gleichmäasig nach hinten convex verbogen. 
Wenn der Pat. Wendungen nach der Seite machen will, so thut er es mit dem 
ganzen Rumpf auf einmal, sich nach rückwärts zu biegen ist ihm nicht möglich, 
wohl aber nach vorwärts, doch geschieht die Beugung nur in den nicht afficirteo 
Hüftgelenken. Der Tiefendurcbmesser des Brustkastens hat abgenommen und die 
Vorderfläche ist flacher geworden. Das Athmen ist abdominaler Natur, die Rippen 
nehmen nicht daran theil. Die Pectorales, Intercostalmuskeln, oberen Cucullares und 
Bhomboidei sind abgemagert. Unter den beiden Brustwarzen findet sich eine Zone, 
in der eine Hyperästhesie gegen Nadelstiche nachznweisen ist. Qualitativ ist die 
elektrische Erregbarkeit in den atrophischen Muskeln nicht verändert. Am Unken 
Kniegelenk ist eine ganz leichte Veränderung. 

Vortr. bespricht den vorliegenden Fall an der Hand einer Böntgen-Aufnahme, 
an welcher man knöcherne AufU^erungen an den Bippen sieht, und eines Knochen* 
Präparates von einem ähnlichen Falle. Es handelt sich hier um Arthritis deformans 
der Wirbelsäule, mit knöchernen Ankylosen der Wirbelkörper. 

Gegen die Bechterew'sche Behauptung, dass Steifigkeit und Verwachsnng 
der Wirbelsäule eine Krankheitsform für sich sei, spricht sich Vortr. ans und stimmt 
der Ansicht Oppenheim’s zu, das besprochene Leiden als Arthritis deformans der 
Wirbelsäule anznsprechen, wie besonders die Chirurgen es schon lange beschrieben 
haben. Quoad valetndinem ist die Prognose ungünstig. In der Therapie sind warme 
Bäder, Massage, Elektricität und innerlich Jod anzuwenden. (Autorrefrai). 

Nonne (Hamburg). 


Um EiuBendung von Separatabdrüoken an den Heraosgeber wird gebeten. 

Eineendungen für die Redaction sind zu richten an Prof. Dr.E. Hendel, 
Berlin. NW. Sobiffbanerdamm 18. 

Verlag von Ysit & Coitp. in Leipzig. — Druck von ManoBB & Wittig in Leipzig. 




Register 1898. 

I. Originalaufsätze. 

Belt« 

1. Das Verhalten der Spinalganglienzellen bei Tabes auf Grand Nissl’s Färbtmg, von 

Docent Dr. Karl Schaffer. 2 

2. Geber Zwangsvorstellangen. von E. Mendel. ^ 

3. Geber einen Fall von traamatischer Lähmang des Pleins bracbialis (sug. Grb’scber 

eonbinirter Scbnlterarmlabmung), von Dr. med. Chr. Rasch.50 

4. Zar Elektrodiagnostik der Ocalomotorinslähiunngen, von Dr. J. K. A. Wertheim 

Salomonson.54 

5. Ein Fall von Rernhardt’scher Sensibilitätsstömne am Oberscbcnkel, von Dr. A. Good 57 

6. Zar Localisation des Hnskelbewnsstseins auf Grund eines Falles von traamatischer 

Kopfverletzang. von Dr. Wladimir Muratow.59 

7. Zar Frage von den Lähmangserscheinnngen bei PastenPseben iropfangen, von 

Prof. L. 0. Darkschewitsch .9K 

8. Beiträge znr absteigenden Hinterstrangsdegeneration, von Dr. Julias Zappert . 102 

9. Geber angeborenen Maskelkrampf and Hypertrophie an der linken oberen Extre¬ 
mität. von Dr. S. Kalischer.107 

10. Historische Notiz zar Lehre vom Kopftetanns (Tetanus hydrophobicas, Tetanus 

facialis. BMm. Bosel. von Prof. M.Bernhardt.146 

11. Geber die Erregbarkeit der Grosshirnrinde nengeborener Tbiere, von Prof. Dr. W. 

V. Bechterew . 148 

12. Beitrag zur Pathologie der Spinalgauglienzelle, von Dr. Otto Jnliasbnrger und 

Dr. Ernst Meyer.151 

13. Notiz betrelFs dos Rindenfeldcs der Hinterstrangbabnen, von Dr. med. Armin 

Tschermak.159 

14. Von der Bedeatnng der Associationscentren von Flechsig zar Erforschong der Eot- 
wickelang des Geistes, der Sprache, der Psychologie der Sprache, wie auch der 


1.5. Geber Localisation innerhalb des äusseren Knieganglions, von S. E. Henschen . 194 

16. Die partielle Kreozang der Sehnerven in dem Chiasma höherer Sängethiere, von 

Prof. Dr. W. V. Bechterew.199 

17. Ein Fall von Hirngeschwnlst in der linken motorischen Sphäre, linksseitiger Läh¬ 
mang, Abwesenheit der Pyrnmidenkreazang, von Dr. Philip Zenner .... 202 

18. Geber den Markfasergehalt der Centralwindnngen eines normalen männlichen Indi- 

vidaams. von Dr. Adolf Passow.242 

19. Zar Casaistik der Kleinhimtomoren, von Dr. A. Boettiger.244 

20. Zar Äetiologie der faoctionellen Nearoaen (Hysterie and Neorastbenie), von Dr. 

E. Biernacki.250 

21. Geber die Bedeatnng der Cardiaca bei der Behandlang der Epilepsie, von Prof. 

Dr. W. V. Bechterew . 290 

22. Der Blntschntz des verlängerten Markes, von Prof. Albert Adamkiewicz . . 295 

28. Eine Verbindung candaler Himtbeile der Taube mit dem Striatam (Tractus isthmo- 

striatuB oder balbo-striatos?), von Dr. Adolf Wallenberg.800 

24. Zwei Fälle von Friedrcich’scber Ataxie, von Dr. Paul Cohn.302 

25. Zur Äetiologie der fanctionellen Nenrosen (Hysterie and Nearasthenie), von Dr. 

R. Vigouroui.338 

26. Geber die allgemeine progressive Paralyse der Irren bei Frauen, von Dr. med. 

B. Greidenberg.341 


D g : 7cd / G OOglC 
























27. UntersacliQDgen Ober das ßttckenmark und das Kleinhirn der Vögel, von Dr. 

nr ä 


28. Üeber Phosphorlähmnng, von Prof. Dr. S. E. Henachen.3S6 

29. Ein Fall von Neuritis optica mit 4wöcheDtl. doppelseitiger, in complete Boilang 

ausgegangener Blindheit, von H. Higier.389 

30. Beitrag zum Faserverlanf der Hiuterwurzeln im Cervicalmarke des Menschen, von 

Docent Dr. Karl Schaffer.434 

31. Nervenendigung in den Centralorganen, von Dr. med. Leopold Auerbach . . 445 

32. Ein Fall von Saroom der Dura spinalis. Beitrag zur Kenntniss der secundären 

Degenerationen nach Rfickenmarkscompression, von Dr. F. Quensel.4:^S 

33. Experimenteller und pathologisch'anatomischcr Beitr^ zur Jjehre von der chronischen 

Schwefelkohlenstoffvergiftnng, von Dr. Georg Köster.493 

34. Uebcr das innere Ohr bei der Anencephalie, von Dr. 0. Veraguth.530 

35. Das mediale Opticnsbändel der Taube, von Dr. Adolf Wallenberg.533 

36. Syringomyelitiscbe Dissooiatiun der Sensibilität bei transversalen Myelitiden, von 

Privat-Docent Dr. L. Minor.53' 

37. lieber Magen-, Darm- und Harnblasencontractionen während des epileptischen An¬ 
falls, von Dr. W. Ossipow.539 

38. Ein mit den Svmptomen des Malum snboccipitale cinborgehender Fall von Gehim- 

geschwnlst nud Hemiatrophia lingnae, von Dr. Johann Wenbardt.541 

39. BemerkuDgen Qber den Bau der Spinalganglienzellen, von Prof. Dr. M. v. Lenbossek 577 

40. Zur Frage von den centralen Verbindungen der motorischen Himnerven. Vorläufige 

M Mittheilnng, von stud. M. P. Bomanow.593 

41. Hysterie bei einer Katze and einem Kanarienvogel, von H. Higier.597 

42. Zur Histologie and Pathologie der inselformigen S^klerose, von Dr. Sigmnnd Erben 636 

43. Mnskelatrophie bei moltipler Sklerose, von Priv.-Doc. Dr. L. Braoer .... 635 

44. Znr Färbung der Ganglienzellen, von Dr. Friedrich Lnithlen und Dr. Josef 

Sorgo.et*} 

46. Zur Härtung des Centralnervensystems in situ, von Dr. Hermann Pfister . . 64' 

47. Die Arteriosklerose des Gehirns, von Prof. P. J. Kovalevsky.674 

48. Ueber nervöse und pmhische Störungen bei Gummiarbeitem (Schwefelkohlenstoff- 

ver^ftang), von Dr. Kudolf Landenheimer.691 

49. Badialislähmung nach epileptischen Anfällen, von Dr. Adler.691 

ÖO. Ein Fall von spinaler Monoplegie des rechten Beines, von Dr. Julius Weil . . 6£i 

51. Ueber bämorrbs^che Encephalitis, von Dr. Deiters.7£ 

52. Ein Fall von Worttaubheit nach Basisfraetnr, von Dr. M. Bloch and M. Biel- 

schowsky.739 

53. Nervenendigung in den Centralorganen, von Dr. med. Leopold Anerbach . . 734 

54. Zwei Fälle von Hirntumor mit ^nauer Localdi^oose, von Dr. L. Brnns . 770. 84* 

55. Ueber die elektrische Erregbarkeit des N. radialis, von Dr. Karl Gumpertz . . 788 

56. Ueber die Struetnr der Spinalganglienzellen. Eine Erwidemng, von Dr. Ernst 

Heimann. 797 

57. Ueber eine eigenartige psychopathische Form der Retentio nrinae, von Prof. Dr. 

W. V. Bechterew.SS4 

58. Meningitis ventrienlaris chronica adnltomm. Plötzlicher Tod bei derselben, von 

Oberarzt Dr. Bresler.840 

59. Veränderungen der Nervencentren nach Ansreissung der Nerven mit einigen Er- 

wagnngen betreffs ihrer Natur, von G. Marinesco.883 

60. Zur Histotechnik ganz beginnender Strangdegenerationen, von Privat-Docent Dr. 

Karl Schaffer.SW 

61. üeber einen Hypothenarreflex, von Dr. F. Holzinger.8SM 

62. Znr Pathologie des Myxödems, von W. Mnratow.939 

68. Ueber den centralen Verlauf des Gowers’scben Bändels, von G. J. Bossolimo . 935 

64. Ein Fall von doppelseitiger Ischias bei aenter parenchymatöser Nephritis, tob 

Michael Lapinsky.940 

65. Nene Untersnehungen Qber die Markbildnng in den menscbUcheD Grosshirnlappen, 

von Prof. Dr. Pani Flechsig.97T 

66. Die Reifung der Leitungsbahnen im Thiergebim. von Dr. Döllken. 9^ 

67. Die Phylogenese des Pyramidenvorderstranges, von Dr. G. Bikeles.wv 

68. Ueber mbzeitige Verkalknng der Himgeßsse als Ursache von Epilepsie, von Prof. 

Dr. H. Hochhane.. . . U>ä6 

69. üeber Störungen des Stoffwechsels bei Neurasthenie, von Prof. Dr. W. v. Bechterew 103? 

70. Das elektrische Trichoästhesiometer ond die sog. Haarempfindlichkeit des Körpers, 

von Prof. Dr. W. v. Bechterew.1033 

71. Welche Aendemngen hat das klinische Bild der progressiven Paralyse der Irren in 

den letzten Decennien erfahrenP von Prof. Dr. E. Hendel.l(l$5 


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1147 


T2. Der Alkohol io IrrenanstalteD, von Dr. Hugo Hoppe.1074 

73. Ein Beikrag zur Konntoiss der Bernhardt’scbeQ SeDsibilitätsatdruDg, von Miecis- 

lans von Nartowgki.1082 

74. Epileptische and epileptoide Anfälle in Form von Ängstznstanden, von Prof. Dr. 

W. T. Bechterew.1121 

75. Ein Fall von Hemiplegia hyaterica, von Dr. Guttmann.1124 


IL Namenregister. 

(Die in Parenthesen eingeklammerten Zahlen bedeuten: Bemerkung in der Discnssion.) 


Abadie: Baeedow’sche Krank¬ 
heit 269. 

Abrahams: Hemiplegie 230. 

d’Abondo: Entwickelung des 
Nervensystems 68. 

Progress. Muskeldystrophie 
706. 

Adamkiewicz: Blutschutz des 
verlängerten Markes 295. 

Qebimcompression 810. 

Pathologische Schwere 862. 

Adler: Himgesehwfilste nach 
Kopfverletzung 866. 

Badialislähmung nach epi¬ 
leptischem Anfall 691. 

Facialislähmung 1102. 

Agostini: Autointozication und 
Nervenkrankheiten 920. 

Schlaflosigkeit 949. 

Akopenko: Schilddrüse 137. 

Aleiander: Tetanie 953. 

Allen: Multiple Neuritis 1008. 

Almtz: Kältepnnkte 411. 
Hitze 411. 

Perverse Kalteempfindnng 
412. 

Alt: (606). 

Coiticale Hürcentmm 807. 

Angioletts: Paranoischer Ver¬ 
brecher 702. 

Anth^anme: Kleinhimgliom 
227. 

Antomivi: Akromegalie 123. 

Anton: Herderkrankungen des 
Gehirns 803. 

AntonelU; AQgen8törttogen466. 

Amaud: Progressive Paralyse 
25. 

Arndt: (334). 

Amsperger: (44). (47). 

Aschaffenburg: Katatonie 86. 

( 88 ). 

Entmündigung Geisteskran¬ 
ker 618. 

Ascher: Kngelperiroeter 463. 

Aatid: Kyphose 367. 

d'Astros: ^drocephalie 460. 

Auerbach: Hysterische Hemi- 
plegieen 877. 

Nervenendigung in den Gen- 
tralorgancn 445 n. 734. 

Erythromclalgie 513. 


Babes: Infcotion und Nerven¬ 
zellen 413. 

Babinski: Zehenphinomen 649 

n. 866. 

MuskelersohlaATung b. Hemi¬ 
plegie 867. 

Associirte Bewegungen bei 
Hemiplegie 867. 

Barr: Echolalie 655. 

Bartels: Offene Anstalten 606. 

v. Basch: (973). 

Bastian: Mutismus 220. 

Battlehner: (44). (47). 

Banmgärtner:Lumba]panction 

621. 

Bäumler: Entzündung der 
Wirbelsäule 708. 

Bayerthal: Meningocele spuria 
213. (1069). 

Baylac: Spina bifida 898. 

Beadles: Hyx5dcm 950. 

v. Bechterew: (138). (1891. 

Corticale Centra 139. (140). 
(141). (143). 

Kleinhimgeschwülste 144. 

Grosshirnrinde neugebore¬ 
ner Tbiere 148. 

Chiasma h5herer Sänge- 
thiere 199. 

Cardiaca u. Epilepsie 290. 

Ijeitnngsbahnen 360. 

Verwachsung der Wirbel¬ 
säule 366. (716). (717). 
(718). (719). 

Tetanus 718. 

Himreizung bei Affen 720. 

Retentio nrinae 834. 

Stoffwechsel b. Neurasthenie 
1029. 

Trichoästhesiometer 1032. 

Angstzustände 1121. 

Epilepsia oboreica 1133. 

B4dart: Thyreoidin und Ar¬ 
senik 947. 

Beevor: Tabes mit Analgesie 
554. 

Benda: Tabes 555. 

Neurasthenischer Hunger 
921. 

Berger: Augenstörungen 464. 

Vorderhomzellen bei De¬ 
mentia paralytica 551. 


Berger: Theorie des Schlafes 
860. 

Lymphcirculation in Hirn¬ 
rinde 1004. 

Bernhardt: (40). (85). 

Kopftetanus 146. (602).(603), 

Hemianaesthesia alternans 

868 . 

Bell’scbe Phänomen 1101. 
(1105). 

Bernstein: Zwangssuebt 829. 

Berze: Hallucinarionen 276. 

Beselin: (332). 

Bethe: Ganglienzellen 614. 

Primi tivfibrillen in(janglien • 
zellen 944. 

Beyer: Delirien nach Atropin 
91. 

Bianchi: Hysterische Arthral¬ 
gie 914. 

Bickel: Rückonmarksphysio- 
logie der Amphibien und 
Reptilien 737. 

Bidlot: Hysterischer Trismus 
903. 

Bieberbach: (45). (90). 

Biedl: Cerebrale Gefässe 975. 

Bielsohowsky: W orttanbbeit 
729. 

Biemacki: Functionelle Neu¬ 
rosen 250. 

Bijl: Thjrreoideabehaudlung 
bei Psychosen 711. 

Bikeles: Pyramidenvorder- 
Btrang 999. 

Bing: Menibre'sobe Affection 
460. 

ßinswanger: (525). (570). 

Demonstration 571. 

Hysterischer Dämmer¬ 
zustand 915. 

Lymphcirculation in Hirn¬ 
rinde 1004. 

Biro: Ischias n. Hysterie 913. 

Biseboff: Sprachstörungen 216. 

Urämische Psychosen 826. 

Bisping: (jerebrale Kinder- 
lähmuug 704. 

Bitot: Tabes 16. 

Blancbard: TnmorderRücken- 
markspia 757. 

Blaschko: Lepra anaesth. 35. 


Dig uroci oy Google 








1148 


Bleoler: (87). 

Bl'K'b, R.-. Sjrmnictriscbe Atro¬ 
phie des Scbädeldacbes 
416. 

Bloch. M.: Worttaubbeit 715. 
729. 

Tabes 1104. 

Blomenau: Kindliche Hysterie 
899. 

Blamenthal: (1063). 

Rlumreich: Multiple Sklerose 
177. 

de Boeck: Alcoholismos 130. 

Bödeker: Augenmaskenäb- 
mang und progr. Para¬ 
lyse 21. 

ßoettiger: Hysterie (Hittbei* 
lang) 477. 

Hypochondrie 760. (762). 

Kleinhirnturooren 244. 

Neuritis 329. (326). (331). 

Bogdan: Moralisches Irresein 
1061. 

Röhm: Histologie 736. 

Boissier: Pacbymeningitis hä¬ 
morrhagica 23. 

Bolton; Härtungsmethode 

Bonar: Tabes 18. 

Bondurant: Beri-Beri 82. 

Bonhoeffer: Hirnchirurgie 813. 

Bonne: Cerebro-medulläre 
Symptome 416. 

Alkoholfrage 1139. 

Bonney: S^iftdem 950. 

V. Bonsdorn: |2S9). 

Borda: Prognose bei Geistes¬ 
krankheiten 959. 

Borischpolski: Vibration 141. 

Sinnesreize und Rlntcircu- 
lation im Hirn 719. 

Borowikow: Varolsbrflcke 

22 «. 

Borst: Facnilienstammbaum 
956. 

Bouilly: (659). 

Boulogne: Mult. Skier. 176. 

Bourneville: Alkoholi8maBl27. 

Pareso-Analgesie 186. 

Myzödem 276. 

Tbyreoidin 286. 

Alkoholismos-Epilepsic 315. 

Hemisphärengewiebt 645. 

Epilepsie naoD Typhus 654. 

HimsVerose 878. 

Boyer: Stummheit 218. 

Brain: Hämatorrhaebis 183. 

Bramwell: Friedreioh’sche 
Krankheit 27. 

Brasch: (335). 

Blutung im Pons 519. 

Hypoglossuslähmung 601. 
(603). 

Bratz: Ämmonshorn bei Epi¬ 
lepsie 36. (37). 

Opiumbehandlung bei Epi¬ 
lepsie 323. 


Brauer: Quecksilber 456. 

Multiple Sklerose 576. 

Mttskelatrophie 635. i 

Br^maun: Hämatomyelic 
182. 

Brehm: Irrenanstalt Burgbölzli 
117. 

Brciting: Epilepsie 1133. 

Bremer: Cyclonkatastrophe 
914 u. 958. 

Brcsler: Regpirationsapparat 
bei Epilepsie 318. 

Meningitis ventriculari6840. 

Paranoia 1103. 

Breuer: Bogengänge 457. 

Brisaaud: Myx^em 275. 

Briia: Pupillarreaction 15. 

Brooks: Akromegalie 121. 

Cerebrale Hämorrhagie 
864. 

Brown: Hereditäre Ataxie 
561. 

Bruce: Sacralmark 170. 

Brnnet: Aphasie 219. 

Bruns: Geschwülste des Ner¬ 
vensystems 94. 

(525). (526). 

Cerebrale Kinderlähmung 
603. 

Hirntumor 604. (606). 

Hirntumor 770 und 848. 

Buchholz: liUes cerebri 571. 

I Multiple Sklerose 618. 

Chronische Paranoia bei 
Epilepsie 656. 

de Buck: Tremor nach In- i 
flnenza 468. 

Vorderhorn nach Exsrticu- 
lation 739. 

Bum: Ataxiebehandlnng 572 
u. 969. 

Bauch: Bewegungendes Dünn¬ 
darms 500. 

Burgbart: Myxödem 271. 

Landry^scho Paralyse 506. 
j Barr: Hemiplegie 872. 

I Burzio: Hysterie und Syringo- 
I myelie 755. 

I Busch: Färbungsmethode476. 

I Bozzi: Lepra 505. 


Cabitto: Schweiss der Epi¬ 
leptiker 320. 

Heisse Luftbäder bei Epi¬ 
lepsie 321. 

Campo: Sarcom iu der hin¬ 
teren Scbädelgmbe 460. 

Campos: Facialislähmung 

1101. 

Cappelletti: Dementia para- 
lytica 558. 

Cappie: Circulation im Gehirn 
801. 


Carrara: Neurogliom nach 
Trauma 708. 


Cassel: (39). 

Lnmbalpunctiun bei Kindern 
827. 

Cavaxzani: Spinalganglien69T. 

Ceni: Röckenmarksdegenera- 
tionen 173. 

Acutes Delirium 711. 

lÄsion ini Pedaueuius 816 . 

Bakterien im Blut Geistes¬ 
kranker 1132. 

Cervesato: Ependymitis 228. 

Cestan: Littlc’sebe Krankheit 
861. 

Chadbournc: Akromegalie u. 
Diabetes 951. 

CbapQs: Hysterische Scoliose 
905. 

Cbiezzi: Nerreneleuiente bei 
loanition 71. 

Chipaalt: Tabes 19. 

Mal perforant 555. 

Epilepsie 656. 

Osteomyelitis vertebralis 
709. 

Christiani: Lobus praefrontalis 
224. 

Cladek: Rnckeumarkstuinor 
179. 

('tark: Bewusstsein bei Epi¬ 
lepsie 314. 

Epilepsie 314. 

Epileptische Aura 317. 

(’ohn, Paul: Priedreich’scbo 
Ataxie 302 u. 333. 

Cohn, Toby: Myasthenia 
useudo-paralytica 426. 

Atbetose 715. 

Collins: Tumor der Röcken- 
markspia 757. 

Colman: Farbcuempfinduo:; 

.361. 

Arsenikneuritis 507. 

Consiglio: Vasomotoren 171. 

Courmout: Experimenteller 
Tetanus 647. 

Hirntumor 811. 

Totanische Ck>Dtractor 860. 

Craig; Blutdruck bei Geistes- 
tranken 1056. 

Gramer: Hysterisches Stottern 
378. 

Horalische Idiotie 1015. 
j Crespi: Himchirui^e 235. 

Crisriani: Cretinismos 276. 

Sitopbobie 516. 

Cron: (520). 

Cunningham: Gehirn des 
Opossum 311. 

V. Cyon: Hypophyse 948. 


Baddi: Schlaflosigkeit 502. 

Inanition 1131. 

Dablborg: Tranmalasche Hy¬ 
sterie 375. 

Daland: Dysphagie 816. 


1149 


Dambacher: Hintere Wurzeln 
bei Tabes 548. 

Damsch: Psychose bei Icterus 
516. 

Dana: p8ychro>Ae8the8ie 469. 

Dänkler: Beri>Beri 1011. 

Dardel-. Epilepsie nach Typhus 
654. 

Darkschewitscb: Pasteur'schc 
Impfungen 98. 

T. Daridoll', Histologie 736. 

Davidsohn: M'yxödom 271. 

D^j^rine: Polyneuritis 81. 

Alkoholische Paralyse 128 . 

Beine Wortstammbeit 215. 

CoDipression des Halsmarks 
755. 

Worttaabheit 808 . 

Heroiple^e 869. 

Facialialähmung 1100. 

Deiters: Hämorrhagische En* 
eepbalitis 722. 

Delore: Neuroßbromatose 78. 

Demoor: Neurone 1130. 

Deniges: Lumbalpunction 
134. 

Dercum: Syringomyelie 179. 

Cerebrale Diplegie 416. 

Deutschmann: (765). 

Devay: Melancholie u. Base¬ 
dow 270. 

Devic: Hirntumor 811. 

Dexler: Chiasroa des Pferdes 
115. 

Schweiflähmnng d. Pferdes 
173. 

Dietz: Simulation von Geistes¬ 
störung 383. 

Dinfcler: Neuropathologie 228. 

Basedow'sche KranUieit 
617. 

Tuberculöse Compressions- 
myelitis 758. 

Dollinger: Tubercul. Wirbel- 
entzQndung 662. 

DöUken: Leitangsbahnen iui 
Thierhim 996. 

Donaggio: Spastische Spinal¬ 
paralyse 457. 

Wirkung des Ag. nitr. 699. 

Exstirpation der Qlaud. 
parathyreoideac 266. 

Dooath: Bernhardt-Botb'scbc 
Farästbesie 77. 

Sympatbicuslähmung 1135. 

Domblütb: Neurosen in Folge 
Ton Syphilis 1098. 

Doyon: Experimenteller Teta¬ 
nus 647. 

Tetanische Contractur 860. 

Dräsche: Luftdrucklähuiung 
878. 

Dabois: Galraniscber Beiz 
170. 

Dafoar: Hinterstrange 546. 

Düring: Lepra 1012. 


j Eberson: Colorirter Ge* 

I scbmack 361. 

Ebstein: Epilepsie und Dia¬ 
betes 319. 

Ohrenschwindel 459. 

Gichtische Neuritis 1007. 
(1063). 

Eckhard: (45). 

Edgar: (>steo-arthropathie125. 
j Edinger: Erzeugung tabes- 
I äbnlicherKrankneiten 429. 

Batten-Bflckenmark 617. 

Egger: Nervenbeilkundo 71. 

Eijkmann: Beri-Beri 82. 

Eliot: Hysterische Dysphagie 
902. 

Ellis: Sexuelle Perversion 
1060. 

Elsohnig; Augenmuskelläh* 
mungen 464 u. 574. 

Elzholz: Caroinompsyebosen 
667 u. 823. 

Emminghaus: (43). (44). (45). 

Engelmanu: (332). 

Euslin; Tabes- und Aorten- 
erkrankungen 555. 

Epstein: Irrenwesen in Ungarn 
923. 

Erb: Unhülserkrankungen des 
Bückenmarks 870. 

Paralysis agitans 466. 

Artcrienerkrankung 574. 

Erben: Reßexc 362. (572). 

Inseiföruiige Sklerose 626. 

Pulsphänomen bei Neur- 
ostbenie 669. 919. 

Erdbeim,Tetanus focialisllST. 

Erlenmcyer: (1014). 

Erlitzki: (139). 

Neuro^iazellen 141. 

van Erp Taalman Kip: Acute 
Manie 30. 

Periodische Imbecillität 472. 

Eschle; (90). 

Esteroc: Acromegalie 952. 

Eulenburg: Tabesbehandlung 

20 . 

Myasthenia pseudopara- 
lytica gravis 425. 

Kinderlähmungen 879. 

Eurich: Nenroglia 800. 

Eve: Sehnenverpüanzung bei 
Kinderlähmungen 879. 

Ewald: Epilepsie 619. 

Exner: Schilddrüse 265. 

van Byk: Epilepsie 652. 


Falk: Psychoneurosen 118. 
Falkenbcrg: (41). (334). 
Faure Sympa^icusresection 
bei Basedow 286. 

F4re: Prabemipleg. Schmerzen 
233. 

Toxicomanie 234. 

Sexueller Act 281. 


Fcre: Epilepsie 314. 

Melanodermie bei Epilepsie 
319. 

Träume bei Epileiuie 321. 

Hautreflexe bei Epilepsie 
658. 

Metbylenblauausscbeidung 
bei Epilepsie 653. 

Betraction der Paluiarfascie 
904. 

Zoophilie u. Zoophobie 1056. 

Ferrari; Ergograpb 897. 

Ferrier: StimrindeDfaserzfige 
67. 

Hysterie 900. 

Fieschi: Embolie in den Hirn* 
gefässen 801. 

Filbry: Spinale Kinderlähmxmg 
705. 

Finkelstein: Folie par trans- 
formation 281. 

Finzi: Spastische Spinalpara¬ 
lyse 420. 

Dementia praecox 1059. 

Firgau: MuHkelscbwand Un¬ 
fallverletzter 7on. 

Fischer: Irrenfürsorge 42. 

Klinische Mittheilungcu 743. 

Flatau: Pathologie d. Nerven¬ 
zellen 413. 

Nervenzellenforschuug 455. 

Flechsig: Markbildung in 
Grussbirnlappen 977. 

Fleming, A.; Aufsteigende De¬ 
generation 14. 

Kleiner: N. auricularis mag- 
nus beim Kaninchen 456. 

Gliosarcom d. Bückenmarks 
756. 

Folmer: Schädelmisabildougen 
1006. 

Forwell: Basedow'sche 
Krankheit 270. 

Foumier: Heredo-Syphilis 
1093. 

Fragstein: Ophthalmoplegie 
1050. 

Francotte: Somnambulismus 
130. 

Verwirrtheit 428. 

Hysterischer Trismus 903. 

Zählkarten 1054. 

Franke: (332). 

Poliomyelitis nach Unfall 
370. 

Fränkel: (89). (41). 

Narcotioa 1131. 

V. Frankl-Hocbwart: Nervöse 
Erkrankungen der Blase 
671. 

Fridenberg: Wahrnehmung der 
Farben 502, 

Friedländer: Kückenmark und 
Kleinhirn der Vögel 351 
u. 397. 

Psychosen 1115. 


:!d ov 


Googl 


c 




1150 


T.Friedländer: Hirntaraor 974. 

Hirosypbilis 1098. 

Friedmano: Uirnerschfitteranff 
365. 

EocepbalitU 610. 

Fries: Psoriasis 923. 

Froeliob: Eocepbnlocelcn 949. 

Frv: Leptomeniugitis 186. 

Paralysis agitans 468. 

FÜrbringcr: (39). 

Plirstner: (44). (46). (47). (48). 

UerediL Erkraoktingen des 
Nervensystems 473. 

Urämie 607. (960). 

Zarechnungsnbigkeit der 
Hysteriscben 961. 

(964). (965). 

dad: Neoronlebre 480. 

Gaofini: Inanition 468. 

Ganser: Hysterischer Dämmer* 
zostand 916.(961). (964). 
(966). (1109). (1119). 

Neorastbeniscbe Geistes- 
stömng 1120. 

Garnier: Akromegalie 961. 

Gebhardt: Aoflösang von Gold 
in Wasser 669. 

Mikroskop 1117. 

Gee: HämorrhagieimPons 863. 

Geelvink: (34). 

Alimcnt^ Glycosurie 383. 

van Gebuchten: Reilezbewe- 
gangen 184. 

Vorderhorn nach Exartica- 
lation 739. 

Gerard'Marohant: Sympatbi* 
casresection bei Basedow 
285. 

Gerhardt: (86). 

Paralysis agitans 468. 

Behexe bei Rückenmarks* 
läsion 612. 

Gerwer: ächilddrflsenpräpa* 
rate bei Geisteskrankheit 
712. 

CentraderassociirtenAagen* 
bewegungen 716. 

Gessler: Progr.Maskelatrophie 
75. 

Gianni: HirncysUcercos 224. 

Giannuli: Meningitis syphi¬ 
litica 1096. 

Gibson: Ocnlomotorins* 
läbmung 80. 

Angionearotisches Oedem 
512. 

Giese: Neuroglia 139. 

Glaeser: Casoistische Mil* 
tbeilangen 907. 

Glorieux: Copa'ivabalsam bei 
Ischias 84. 

Hysterie 910. 

Globardieci: Hemiplegie 232. 

(luebel: Suprascapularis- 
läbmung 73. 


Landry’scbe Paralyse 324. 

Tetanus 949. (1068). 

Goldberg: Traumatische amyo- 
tropbiscbe Lateralsklerose 
708. 

Goldflam: Paroxysmale fami¬ 
liäre Lähmung 417. 

(^idscbeider; Spinalpunction 
32. (39). (135). 

Multiple Sklerose 174. 

Nervenzellen bei Fieber 
335. 

Patfaolc^ie der Nervenzellen 
413. 

Nervensellenforschang 466. 
(600). (603). 

Bewegongstberapie 664. 

Neoronlebre 669. 

Hautsinnesnerven 880. 

Ooldschmidt: Tranmatische 
Hnterie 376. 

Gonzalez: Tetanus 657. 

Good; BernbardPsche Sensi- 
bilitätsstörung 57. 

Goodliffe: Hirntumor bei Irren 
562. 

Goodner: Typhus und Psy¬ 
chosen 426. 

Gordon: Encephalopathie nach 
Influenza 862. 

Gorscbkow: Nervenkrankheit, 
in der russischen Armee 
922. 

Gould: Hirntumor 811. 

Graanboom: Traumatische 
Porencepbalie 707. 

Grafd: Farbenempflndnng 
361. 

Grassmann: Herpes zoster bei 
Facialislähmung 1100. 

Gräupner: Tabesbehandlung 
560. 

Greidcnberg: Progr. Paralyse 
bei Frauen 841. 

Mc. Grew: Epilepsie 822. 

Grimaldi: Zellvcrändemngen 
an der Hirnrinde 549. 

Grimm: Beri*Beri 1046. 

Grisson: Doppelseitige Obr¬ 
eiterung 767. 

Gebimcyste 1138. 

Gross: (1068). 

Gmnbanm; Paralysis psendo* 
bypertropbica 603. 

Griitzner: Muskelerregbarkeit 
620. 

Guicciardi: Hallucinationen 
132. 

Guisy: Hysterische Anarie912. 

Guizzetti:Himerweiobang211. 

Qntnpertz: (602). 

Elektrische Erregbarkeit des 
N. radialis 788. 

Gutbrie: Idioglossia 706. 

Guttmanu: Heroiplegia byste* 
rioa 1124. 


Habel: Lepra 505. 

Tic convulsif bei Hemiplegie 
870. 

Hackney: Multipl. Sk)erosel77. 

Haenel: Tumor der Dura 371. 

Uagelstam: Akromegalie 120. 

Hahn: Ciliamerven 11. 

Syringomyelie 181.75.3.966. 

Hamburger: Myelitis 181. 

Hammer: Neuritis bei Tnber* 
culose 1006. 

Handford: Tumor im Poes 
Varoü 817. 

Hanke: Lagophtbalmus 1094. 

Hanszel: Tbyreoidin 284. 

Harris*. Hemianopsie 221. 

Reflexepileprie 317. 

Hartmann: Psychose nach 
Operation 659. 

Haäkovec: Akroparästhesie 78. 

Haynes: Angioneuroais 512. 

Heilbronner: Mnltipl. Neuriüi 
1009. 

Heimann, C.: Epilepsie bei 
Morphiumentziehang 

Heimann, Bmat: Spinal^g- 
lienzellen 797. 

Heimann, M.: Erytfaromelalgie 
514. 

Heise: (40). 

Heller: Hydrocepbalns 421. 

Henneberg: Quemlantenwabs- 
sinn 388. 

Meningomyelitis 1106. 
(1106). 

Henscheo: Aeusseres Knie¬ 
ganglion 194. 

Phoepborlähmung 386. 

Rönt^nstrahlen nnd Hin- 
chimwe 812. 

Hering: Reizung der Hirn¬ 
rinde 3l2. 

Herzog: Myopatbologie 1047. 

Hees: Hemiplegie 1^. (829). 

Heubner: DifRiM Himaklaose 
877. 

Heymann. B.: Röckenmarks* 
compreasion 172. 

Hiebei: Tbyreoidin 284. 

Higier: Kenritia optica 339. 

Hyaterie bei Thieren 597. 

Hill: Blutdruck 502. 

Hinabelwood: Wortblindheit 
805. 

Hirsch: üofallkrankbeit 374. 

Hirschbeig: Tabesbehandioog 

21 . 

Hiracfafeld: (384). 

Hirt: Morplüniamus 1013. 
(1015). 

Hitecbmann: At^enunter* 
Buchung bei Crctiiiismas 
825. 

Anenrysma cirsoidenm 9T5. 

Hitzig: (135). 

Rjintgen-Photographie SOS. 


Google 


1151 


Hitzig: Periodische Geistes- 
storaBgen 1054. (1109). 
(1113). (1116). (1119). 

Hoche: BäckeDmarksTerände -1 
ruQgeo bei HirndruckSlO. 

HochbaBB; Arteriosklerose und 
Epile^ie 1026. 

Hodgaon:Phimosea. Epilepsie 
818. 

Hodge: Friedreieb’sche Krank¬ 
heit 27. 

Hofbaoer: Interferenz zwiscb. 
Impnlsen 361. 

Hoffmann: Fremdkörper bei 
Lähmung 1065. 

V. Hülst: Hysterie 898. 

Holz: Bhckenmarkstu^rkel 
179. 

Holzinger: Nerrenkrankbeiten 
in Abessinien 137. 

Latyrismos in Abessinien 
142. 

Hypothenarreäez 894. 

Homen: Gekreuzte Anästhesie 
287. 

Bakterien u. Nervensystem 
237. 

BulbärafFection 239. 

Güose im Cervicalmork 754. 

Epilepsie 927. 

Hydrocephalus 928. 

Progressive Demenz 957. 

Hoppe: Stellnng der Irrenärzte 
1061. 

Alkohol in Irrenanstalten 
1074. 

Horsley: Kervenendigungen 
503. 

Hösel: (524). 

Insel- u. Thalamus opticus- 
Herde 570. 

Höstermann*. (1016). 

Hoyer: Hemiatrophia linguae 
509. 

Haobzermeyer:Hemipiegie285. 

Hudson: Fractur des 5. Hals¬ 
wirbels 755. 

Hunter: Akromegalie 951. 

Beri-Beri 1047. 

Hutchinsoo: Wirbelfortnahme 
bei Paraplegie 758. 

Höter: Carcinom-Metastasen 
des peripheren Nerven¬ 
systems 766. 

Jaboolay: Sympatbicusresec- 
tion bei Basedow 286. 

Jacob: (480). 

Doraliofosion 431. 

Tabesbehaudlung 665. 

Jacobi: Traumatische Hystero- 
EpUepsie 710. 

Jacobsobn: (34). (334). 

Neurontbeorie 1106. | 

Jatfö: Infantiles Myxödem 767. | 

Jakob: (335). I 


Jakoby: Multiple Sklerose 177. 
V. Jakscb: (1063). 

Janet: Hysterische Contractur 
904. 

Jastrowitz: Neuralgia occipi- 
talis 335. 

Jelgersmo: Augenoerven 454. 

Sinnesorgane 644. 

Jellinek: Hirnblutung 230. 
Jendrässik: Paralysis spastica 
418. 

Jlberg: Katatonie 569 n. 1051. 
(1113). 

Dementia paralytica 1117. 
(1119). 

Jnfeld: Muskelkrämpfe 578. 
Tabes 667. 

Jobannessen: Locale Asphyxie 
514. 

Johnson: Perniciöse Anämie 
267. 

Jolly; (135). 

Polyueuritis 508. (519).(600). 
(960). (964). (1015). 
Jones: Agoraphobie 516. 
Josias: Psendu-Meningocele 
861. 

Jnliusbnrgcr: Zellen der Cen¬ 
tralwindungen 37. 
Spinalganglienzelle 151. 
Ganglienzelle 550. 
Oculomotoriuslähmung 712. 
Gedankenlautwerden 1057. 
Juscbenko: Ganglion mesen- 
tericum inferius 141. 
Jwanoff: Gliomatose 830. 


Kaes: Markfasergehalt der 
Grossbirnrinde 267. 

Kaestermann: Hemianopsie 

222 . 

Kalischer: Muskelkrampf 107. 

Tetanie 273. (522). 

Erbliche Tabes 556. 

Infantile Tabes 556. 

BerührungafurcbtimKindes- 
alter 1057. 

Kaplan :Krankenvor8tenung40. 

Trauma und Paralyse 41. 
(601). 

Oculomotoriuslähmung 712. 

Karplus: Hysterische An^le 
906. 

Eassirer; Poliomyelitis anter. 
134. 

Kattwinkel: Wörgreflez und 
Sprache bei Hemiplegie 
231. 

Eaaffmann; Akromegalie 951. 

Kaufmann: (331). 

Kellner: Opium - Behandlung 
324 

Kemmler: (43). (45). 

Kempner: Ophthalmoplegie 
1050. 


Kienböck: Syringomyelie 966 
0. 968. 

Böntgen-Photographieen 

973. 

Eiernau: Hysterische Ptosis 
911. 

Kirscbgässer: Böckenmarks- 
erscbötteruDg S6S. 

Ktrstein: Simulation 383. 

Kisch: Herzbeschwerden in 
Folge Cobabitation 80. 

Klemperer: (335). 

Klinpel: Tabes 18. 

Neurone 69. 

Hirnbemispbären 455. 

Tabes 553. 

Knapp: Traumatische Neur¬ 
asthenie n. Hysterie 874. 

Knauer: Husikalisches Aus¬ 
drucksvermögen 216. 

Psychosen mit Chorea 279. 

Köbner: Cbinininiectionen 284. 

Koenig: Cerebrale Kinder* 
ImimuDg 876. 

Kofend: Syringomyelie 752. 

Kublrauscb: rhotographieen 
vom Gange 432, 

Kobnstamm: Phrenicoskern 
615 u. 1089. 

König: (519). 

Cerebrale Kinderlähmung 
520. (522). 

Köppeo: (87). (41). 

Kornfeld: Trional 957. 

Korniloff: (474). (829). 

Korolkow: Nervenendigungen 
141. 

KoshewnikolF: (92).(474).(565). 
(567). (829). (831). (882). 

Köster: Aphasie 217. 

Schwefelkuhlenstoffvergif* 
tung 493. 568. 

Dermatomyositis 510. 

Neurotische Gangrän 515. 

Snbdurales Hämatom 810. 

BelTsches Phänomen 1101. 

Kovaievsky: Arteriosklerose d. 
Gehirns 674. 

T. Krafft-Ebing: (574). 

Paralysia agitans 574. 

Eemnesie: 667. (668). 

Athetosis biiateralis 869. 

Kramer: Psychose bei Icterus 
516. 

Kräpelin: (48). (44). 

Imnfürsorge in Baden 46. 
(88). (90). (966). (1020). 
(1021). (1066). (1068). 
(1069). 

Kratz: (43). 

Kraus: Septische Polyneuritis 
81. 

Krause: Cbron. Paranoia 29. 

Spondylitis 188. 

Krauss: Hirnsyphilis 428. 

Hirntumor 811. 


c,-.,Google 



1152 


Kreidl: N. glossophai^ngeas. 

Vagus u. Accessorias 262. 
Kreaaer: (46). (45). (ciH). (90). 
Krogioa: Lingaali-snearalgi« 
238. 

Krön: Arbeitspareses 74 a. 85. 
HypuglosHQsiähtnuDg 601. 
(602). (712). 

Krönig: (38). (39). 

Kuqq: Multiple äklerose 178. 
Kunze: Scbädelläson 365. 
KüatenxiaDD: Beri-Beh 504. 


I*aehr: (35). (41). 

Hfickenverletzungen 371. 

Lepra 713. 

Laeae: SjriDgomjelie 764. 

liUgreffe: Spina bifida 898. 

I<amacq: Hotorisohe Centren 
311. 

Laoiberta: Traumatiaohe 
Hjatero-Epilepaie 710. 

Langer: lofantilePoliomyelitia 
704. 

Langlej: Nervenregeoeration 

12 . 

Lapinakj: lacbiaa bei Nephri¬ 
tis 940. 

Laquer: Hemicranie 517. 

Elektcrotberapie 1023. 

Larionow: GebÖracentra bei 
Hunden 137. 

l>aalett: Bleilabmung 1093. 

Weigert-Pal-Mutbode 1129. 

Ijiobr;: Methylenblau- 

auaacbeiduug bei Epilepaif 
653. 

Laudenbeimer: Qummiarbeiter 
568 u. 681. 

Diabetes und Geiateaatöning 
1057. 

Lanpts: Geachlechtatrieb 282. 

Lax: Traumatische Kücken- 
markserkrankuni^ 750. 

Lazarus: MinenkraDkheit379. 

Lea: Apoplexie 872. 

Ledderboae: Unfallfolgen 750. 

Lebuiann: Katatonie 1052. 

Lenhartz: (331). 

lienhoBs^k: Spinalganglien- 
zellen 577. 

Lenoander: Röntgen-Strahlen 
u. üimchirurgie 812. 

iiennnialm: Cerebrale Ataxie 
560. 

Leppuiann: (520).(961).(1066). 

Leven: Dermatoaia linearis 
neuropathica 78. 

Levi: Leichenveränderung an 
Nervenzellen 504. 

Kariokineaia 897. 

Levi-Dorn: l'remor 522. 

Serratualähmung 1104. 

Lewald: (41). 

Lewandowskj: (520). 


Lcwin: Leprabehandlung 1012. 

Lewis: Angiuneurosis der 
Zunge 514. 

V. Leyden: (39). (335). 

v. Liebig: Pneumatische Kam¬ 
mer 379. 

Liebmann: Payehische Taub¬ 
beit 806. 

(Geistig zurückgebliebene 
Kinder 1137. 

Liebrecht: (330). 

Liepmann: Himchirurgie8I4. 

Lilienthal: (519). 

Lindän: Meningitis 238. 

Halswirbelfractur 928. 

Lindh: Subdnrales Hämatom 
810. 

Linke: Epilepsiebehandlung 
1136. 

Litten: (335). 

Lloyd: Wirbelvcrletzung an 
der Halswirbelsänle 745. 

Fioewy: llieoric des Schlafes 
860. 

Looibroso: Progress. Muakel- 
atropbie 706. 

Lord: Nene Nissl-Methode 
1088. 

Lorenz: OaloPaches Brisement 
236. 

Lurraio: Spastische Paraplegie 
955. 

L5w: Morbus Basedowii 269. 

Löwenthal, S.: Biechhirn der 
Saugethiere 409. 

Lubarscb: Kückenmark bei 
Carcinoiuatösen 173. 

Ltibbers: Disseminirte Herd- 
Sklerose 175. 

Luce: Combinirte Syatem- 
erkrankungen im Kindes- 
alter 469. 

Hemiplegie 871. 

Schrumpfniere 1141. 

Lüderitz: Progressive Paralyse 
621. 

Logari: Canaliculi semioirco- 
lares 457. 

Lugaro: Nervenelemente bei 
Inanition 71. 

Spinalganglienzellen 548. 

Nervenzellenveränderung 

698. 

Lübrmaun: Stadtasyle 965. 

Hysterie 1119. 

Lui; Blutalkalescenz 1132. 

Lnisaela: Amyotrophie 706. 

Luithlen: GangUenzellen- 
farbung 

Lnntz: Syringomyelie 564. 

Luienburg: Vorderhornzellen 
während Thätigkeit 737. 

de Luzenberger: Trooblearis- 
lähmung 73. 

Nervensystem und Trauma 
362. 


de Luzenberger: Ganglien¬ 
zellen und Trauma 363. 


Maasa: Spina bifida occulta 
663. 

Mabille: Tbyreoidln und Ar¬ 
senik 947. 

Maclachlan: (^eistesktunk- 
beiten 661. 

Manan: Manie 31. 

M^nert: HerzepUepsie 318. 

le Maire :Hemiatropl^ facialis 
509. 

Maloljetttoff: Rückenmarks- 
abseess 881. 

Manebot: Diabetes u. Syphilis 
1096. 

Manicatide: Nervenzellen bei 
magendarmkranken Säug¬ 
lingen 313. 

Hann: Hemiplegie 232. 

Hemiplegische Contractor 
867. (1015). 

Motorische Neurone 1021. 
(1023). 

Manz: Hemianopsie 809. 

Marcus: Tabeasjmptome 558. 

Marfan :Ophthaliuopl^el050. 

Margulids: Hinterstringe beim 
Afien 465. 

Psendodipsomanie 1116. 

Marie: Syringomyelie 181 . 

Kyphose 367. 

Reugiöse Psychosen 427. 

Syringomyelie 752. 

Entwickelung der Sprache 
804. 

Marineseo: Tabes 553. 

Paraplegieen 818. 

Nervencentren 882. 

Nervenaosreissung 1131. 

Martin: StichverletsuDg der 
linken Hemisphäre 806. 

Intraeranielle Blutung 806. 

Massalongo: Osteo-artl^ 
patbie 125. 

Diplegieen bei Kindern 873. 

Matthes: Poliomyelitis acuta 
571. 

Myositis ossifioans 1051. 
(1114). 

Maylard: Tetanus 659. 

Hayser: Manie 525. 

Medin: Kinderlähmung 703. 

Meijer: Hallucinatoriscber 
Wahnsinn 472. 

Meinert: Tetanie 953. 

Meisling: Hemianopsie 222. 

Sarcome im Opticus 1005. 

Mcisowitx: Tabes 560. 

Melsome: Faciaiislähmung 
1100 . 

Melzer: Scblockact 646. 

Keizversuche am Thier¬ 
magen 646. 


1153 


Mendel: ZwangsvorstellmigeD 
7. (S34). (519). 

Doppel8eitig;erErweichaogB* 
herd im Sehläfenlappen 
713. (1016). 

ProgrMsive Paralyse 1035 
u. 1085. 

Meschede: (960). (964). (965). 

Meyer,Adolh HereditareAtaxie 
561. 

Meyer, £.: Zellen der Central- I 
Windungen 37. ' 

Spinalganglienselle 151. 

GsnglienzeUe 550. 

Meyer, L. S.; Angenbefond bei 
Epilepsie 649. 

Micbell: Melancholie 880. 

Miller: Congenitale PtosislObO. 

.Mingazzini: Aagenmuskelläh- 
mnng 468. 

Dementia postapoplectiea 
1058. 

Minor: (474). 

Krenzschmerz und Ischias 
474. 

TransTeraale Myelitis 587. 
567. (829). 

Mirallie: Polyneuhtis 81. 

HysteilBcbe Scoliose 906. 

Ekzem bei Hysterie 912. 

Mitchell: Oesichtshallnoina- 
tionen 881. 

Möbina: (525). (526). 

Qoethestndien 527. 

Nervenheilst&tten 608. - 

(ini). 

Morbus Basedowii 1118. 
(1114). (1116). 

HueÜ: Atrophie an den Seh- 
nerren 82. (41). (1109). 

M5Uers MyiSdem 272. 

Lo Monaco: Corpus eallosum 
801. 

T. Monakow: Seh8trahlung609. 

Mikrocephalie 609. (1021). 

Defeet eines Plexus brachia- 
lis 1022. 

Mondio: Demenz 881. 

Hongour: Ehwotümus 515. 

Monnier: Muskelbesobäftigung 
l^i Nervenkrankheiten 
922. 

Hontesano: Psychischer Reflex- 
schmerz 75. 

Beschäfti^gskrampf 75. 

Cerebrospinalflfissigkeit bei 
Paralyse 549. 

Montesson: Cerebrospmal- 
flAssigkeit bei Paralyse 
649. 

Montcvirdi: Akromegalie 122. 

Montfort: Ekzem bei Hysterie 
912. 

de Montyel: Pbarynxreflex 24. 

Alkoholismus 188. 

Verwirrtheit 471. 


de Montyel: Patellarreflex 648. 

de Moor: Tremor nachlnfluenza 
468. 

Moore? Familiäre Lateral¬ 
sklerose 956. 

Moosdorf: (1114). 

Mopurgo: Activitätehypertro- 
phie 508. 

Morat: Hinterwurzeln 547. 

MottsHimläsionbeiAffen 1092. 

Mucba: Katatonie 1058. 1112. 

Mühsam: Quecksilberbehand- 
Inng bei multipL Sklerose 
666 . 

Müller, Erich: Nervenzellen 
bei magendarmkranken 
Säufflingen 318. 

Müller, L. R.: Traumatische 
Sückenmarkserkrankungen 
760. 

Solitäre Tuberculose des 
Rückenmarks 757. 

Munk: Schilddrüse 264. 

V. Muralt: (1069). 

Muratow: Huskelbewnsstsein 
59. (94). (190). 

Zwangsbewegnngen 478. 
(476). (829). (881). 

Myxödem 980. 

Mnrawjeff: (94). (474). 

StreptokoÜen u. diphtheri- 
tisohes Toxin 475. 

Murri: Brb’scbeKraokheit424. 

Murro: Pubertät 288. 

Muskens: Traumatische Hy¬ 
sterie 376. 

Syphilit. Spinalparalyse422. 
1097. 

Mya: Amyotrophie 706. 


HTäcke: BemhardPsche Par- 
ästhesie 77. 

Chirurgische Thätigkeit des 
Irrenarztes 133. 

Zerstreuungen für Oeistes- 
kranke M8. 

NsmI: Multiple Sklerose 178. 

Nalbandoff: 8yringomyelie567. 

V. Nartowski: BmnhardPsche 
SenaibilitätsstÖrung 1082. 

Nauhdmer: Hysterie 912. 

Naumann: Jackson’sohe Epi¬ 
lepsie 652. 

Nannyn*. Neuritis gonorrhoica 
1010. (1063). 

Nebelthau: Clehimdurch- 
schnitte 476. 

Negro: Muskelreflexbei Ischias 
79. 

Rindenreizung 547. 

Hysterie 905. 

N. facialis et oculomotorins 
1099. 

Nehrkom: Meningeale Perl- 
geschwolst 18. 


Neumann (Königsberg): Ner¬ 
venmark- u. Axencylinder- 
tropfen 696. 

Neumann, Max: Alkoholismos 
und Epilepsie 315. 

Nissl: Psychiatrie und Hirn- 
anatomie 89. 

Rindenbefund bei Vergif¬ 
tungen 618. 

Anatomisches Material in 
Irrenanstalten 964. 

Progressive Paralyse 1016. 
(1020). (1062). 

Nonne: Leukämie 182. (325). 

Pseadospastisohe Parese mit 
Tremor 827. 

Maladie des tics 827. 

Rhythmische Bewegungs¬ 
störung 327. (329). 

Erwiderung 478. 

Fadalisläbmung von Ceburt 
an 762. 

Myelogener Tumor 764.(765). 
(766). 

Rückenmark bei letaler An¬ 
ämie 1020. (1071). (1139). 

Infantile Panüyse 1140. 

Multiple Sklerose 1141. 

Nnmford: Bew^ungeu bei 
Neugeborenen 171. 

Oddo: Tetanie 278. 

Odise: Nervenzellenbewegung 
647. 

Oebeke: Rheinisches Irren¬ 
wesen 968. (1069). 

Oestreicher: (1071). 

Oliva: Bindenreiznng 547. 

Önodi: Lautbildende Centren 
218. 

van Oordt: Tabes mit Hysterie 
622. 

O^nheim: (86). (37). (88). 

Tumor oerebri 186. 

Braohialgie 524. (526). (528). 
(1106). (1110). 

Nervenmnkheiten und Leo¬ 
türe 1112. (1114). 

Oppenheimer: Urticaria 512. 

Orlowsky: Saroomatose des 
Rücxenmarks 92. (191). 

Orthmann: (1066). 

OeistesstSmng bei Arterio¬ 
sklerose 1071. 

Ortner: Recurrensläbmung 73. 

Oster: Baynaud'sehe Krank¬ 
heit 515. 

Ossipow: XL Nervenpaar 188. 

Bettbehandlung 142. 

Epileptischer An&ll 589. 

Epilepsie nach Absynth 646. 
719. 

N. vsgi 697. 

Centra des Dickdarms 700. 

Ostankow: Tabes 17. 

Hautrefleze bei Tabes 140. 

73 


Google 



1154 


Ottolenghi: NemoelenieDte 
bei Urimie 70. 
Otaazewski: AuoeiAtiooseen* 
treo 168 a. 803. 


Fftcetti: Beeohäftigiiiigs- 
krunpf 74. 

Pal: Primire oombinirte Sy* 
■temerkrankaog 470. 

PaoegroBii: Oealomotorios* 
kern 1000. 

Paraaeandolo: TranmeD auf 
Thorax n. Abdomen 707. 

Pardo: Tabes 558. 

Facialiskem 1008. 

Pariot: Experimenteller Teta> 
DOS 674. 

Paris: Progress. Paraljse 85. 

Pascbelee: Himblntong 880. 

Passow: Harkfasergehalt der 
Centralwindongen 848. 

Anstalt f&r Geisteskranke 
288. 

Markfhsergebalt der Central- 
windooMn 616. 

Pasteurs In^tile Lihmnng 
419. 

Patriks Tabes 17. 

Pariot: Tetanisehe Contraetnr 
860. 

PatÜT: Cerebello-medolläre 
Symptome 416. 

Paosini: Akromegalie 188. 

P4aa: Neorone 79. 

Fdchontre: Experimenteller 
Tetanus 948. 

Feeters: Qdsteskranke in Bel¬ 
gien 87. 

Pelman: (964). 

Pershing: Neoritis 1007. 

Peters: Lumbalponction 887. 

Feterson: Bromentsiebang bei 
BpUensie 881 n. 1136. 

Petr4n: llkromboae in den pi- 
alen Qefimsen des R&cken- 
marke 759. 

P&nneDstill: Myxödem 871. 

Pfister: Härtung des Central- 
nerrensTstems 648. 

Pflflger: Opnthalmoplegie465. 

Philippe: Tabes 551. 

Little'sohe Krankheit 861. 

Pianetta: Dementia paralytiea 
659. 

Piodaino: Landry'sche Para¬ 
lyse 507. 

Pick: Hittheilong betreffs 
Qnersohnittsmyelitis 684. 

Syphilitisobe Spinalparalyse 
1097.(1109).(1116).(1119). 

Pinali; Gedächtniss 116. 

Pineies: Akromegalie 121. 
Tetanie 968. 

Cerebrale Kioderläbmang 
971. 


Pipping: Epilepsie 987. 

Pisenti: Fnpillenreflex 811. 

Pitres: Erenthopbobie 488. 

Planat: Krämpfe mit Stottern 

220 . 

Politzer: Faemliaparalyse naoh 
Tranina 628. 

Fontoppidan: Retrograde Am- 
neue 84. 

Hemianopsie 823. 

Potts: Tomor der Rheken- 
marksdora 756. 

Powell: Psychiatrie im Süden 
1055. 

Preston: Cerebralsyphilis 1094. 

Pribytkoff: Kuna^yelia oen- 
tralis 91. 

Rflokenmarkstomor 568. 

Gliomatose 830. 

BQckenmarksabsoess 881. 

pQgliese: Rindenoentren des 
oberen Faoüdis 815. 

Pognat: Nerrenzellenzerstfi- 
rang doreb Leokoeyten 
818. 


%aeDsel: Sarcom der Dora 
spinalis 482. 

Qnerton: Winterschlaf 1180. 


Bi^ohline: Dermographie bei 
Tabes 555. 

Ramon y Cajal: NerreosTstem 
des Mensehen onc dw 
Wirbelthiere 896. 

Banniger: Katatonie 1114. 

Basch: Lähmong des Plexxu 
braohialis 50. 

Tropenklima 808. 

Baven: Myxödem 887. 

Raymond: Tabes 20. 

Bedas: Sympathionsresectaon 
bd Basedow 286. 

Redlich: Senile Atrophie 668. 
701. 

R&ckenmarksmissbildang 

669. 

B^is: Ereuthophobie 488. 

Rmchel: Streifenhügel and 
Linsenkem 815. 

Bdchenbe^: Central entstan¬ 
dene Sehmerten 870. 

Rdmers: Bückenmarksdegene- 
rationen 148. 

Reinhard: Neoritische Moskel- 
atrophie 511. 

Rellay: AlkohoUsmos 127 a. 
815. 

Epilepsie 815. 

Epilepsiebebandlnng 1186. 

Remak: (86).(185).(580). (602). 
(608). (712). 

Krankenvorstellang 1104. 

Renda: Appendicitis bd Hy¬ 
sterie 911. 


Benton: ^ilepsie 880. 

Repond: Tranxenheit 129. 

Bey: Schädel bei Gdsteskras- 
ken 14. 

Pavor noctamos 820. 

Reynolds: PolynearitU 83. 

Riditer: Porencephalie 135. 
(522). 

Biasmann: Osteomalaeie 510. 

Bitti: Alter^tsychosen 659. 

B5der: ünteisachang bd teaa- 
matischen Nearosen 1067. 

Rollern: Erythromelalgie512. 

Hemiplegie bd Typhös 866. 

Romanow: Motorische Hin- 
nerven 598. 

BonoMoni: Paialiponanie 
1059. 

Bosenbaeh: 148. (717). 

Rosin: (87). 

Myelitis n. Syphilis 428. 

Nerventeilen 600 (601). 

V. Rosittky: Schilddrüse 865. 

Bossi: Nervenldtang bd Ef»- 
lende 313. 

RoBBOumo: Maltiple Sklerose 
176. (190). (191). (474). 
(566). 

Hereditäre Ataxie 566. 

Gowen’scbes Bündel 831. 
985. 

Both: Pytamidon 31. (191). 
(889). (881). 

Botbmann: (519). 

Versdilnss der Aorta 1107. 

Bot^cÜld: Linkshändigkdt 
268. 

Boatier: (659). 

Boox: Pseodo-Meningocele 861. 

Badis-Jloina^: Tetanos 658. 

^dnieor: Erkrankong des 
Tractos optioos. Pedon- 
oalas a. K. oeolomot. 817. 

lUiffini: Sensorisohe Nerven¬ 
endigungen 508. 

Roneberg: Aphade 838. 

Optiere Aphade 839. 

Bassel: Bahnen in der Med. 
oblong. 858. 

Oeeophagosstrictor 902. 

Secondäte Degenerationen 
im Rückeniaarke 1090. 

Baysch: Tranksneht 128. 


Sabraies: Tabes 16. 

Lombalpanction 184. 

Saoerdotti: Nervenelementebd 
Urämie 70. 

Sachs, B.: Idiotie 480. 

Sachs, Morits: Aagenmtxd;d- 
lähmangen 464. 

Seiler: Aseptische Himter- 
reissang 458. 

Salomonson: Oeolomotorios- 
lähmongen 54. 


Goo< le 


1155 


S&lomoDBon: Atrophie bei Dia- 
mutBohoeidem 511. 
Saloscbin: P^ohose bei Sali- 
c^isaore-lDtoxioatioo S82. 
SamgiD: Lepra aDaeathefeiea 
555 0 . 1011 . 

Sander: Poeteclamptiaobea 
Irresein 284. 

Farslysis aptans 467. 

Holt Sclerose 1018. (1020). 
Sfaiger: PoiTOeoritda 83. 
Operirter Basedow 286. 
Asthenisohe Bolbärpatalyse 
287. 

Hrsterisebe Hemiple^e mit 
Mntismos 288. (826). 
Ponetionell'neiTbse Erkran* 
kuDgen beim Kind 827. 
(332). 

UnfaUkiankheiteD 878.(525). 
Hysterische Angenmnskel* 
8t5nu«enö25.(527).(761). 
BdokenmarksgUom 768. 
HirDabBce88768.(765).(767). 
Tefantilfls Myxödem 767. 
Myxödem 1148. 

Arthritis deformans 1144. 
Sanjoaa: Hallacinationen bei 
Tanbstomraen 28. 

Sante de Sanetis: (See&nge der 
Epileptiker 317. 

Traom bei Hysterie und 
^Uepme 651. 

Santenoise: Aeromegalie 951. 
Saabö: Pniritas 24. 

Lass bei Tabes and pro- 
gressiTer Paralyse 559. 
Soaguoei: Acate Anämie 702. 
Schäfer: (960). 

Schaffer: Spinalganglienxellen 
bei Tabes 2. 

Hinterwnrzeln im Cerrioal- 
mark 434. 

Yorderbom bei Tabes 550. 
Bäumende StrangdegenO' 
rationen 890. 

Jcbataloff: Entztindong der 
Wirbelsänle 828. 

Ichech: Neiröser Husten 905. 
lehlagenhaofer: Mikrotom 574. 
ichlapp: Qrosshimrinde 384. 
Ichleringer, H.: Harnblase 18. 
Syringomyelie 174. 
BQokenmarksabscess 182. 
Rückenmarks- and Wirbel- 
tomoren 820. 

Cireamsoriptes Oedem 954. 

(966). (969). 
Stimhuntumor 970. 
Mnak^trophie 972. 
Hirntumor 974. 
Himsyphilis 1098. 
phli ahting ; Qescbmaokstäb- 
mungen 1102. 
shloffex: Traomatische Apo¬ 
plexie 742. 


Schmidt: (41). 

Schmidt, Ottomar: Progressive 
Paralyse 557. 

Schmitz: (1023). 

Alkoholmissbraaeh 1069. 

Sobmaokler: Onanie bei Kin¬ 
dern 1108. 

Schnabel: Lnee cerebrospinalis 
967. 

Traomatisohe Neorose 967. 

Schön: Liflantilismus 565. 

Schöndorff: Schilddrüse 263. 

Schröter: Wartepersonal 427. 

Schrötter: Caissonkrankheit 
1066. 

Schokowski: Hirnrinde and 
Atbmang 143. 

Schfile: Katatonie 181. (960). 
(964). (966). 

Schalte: Maskein 210. 

Schnitze: Akromegalie 119. 

Leukämie 182. 

Bürgerliches (}eeetzbach 
279. 

BewasstseinsstSrangen 964. 

Polyneuritiscbe Psychosen 
1049. 

Scholz, Bichard: Unfallerkran- 
kangea 868. 

Scboster: BOckenschmeri bei 
Üniallpatienten878. (602). 

Schwartz: Lähmung nach Nar- 
cose 910. 

Schwan, Otto: Aogenstömn- 
gen 462. (586). 

SeeliCTann: Yerwacbsang der 
Hirnhemisphären 898. 

SeeligmöUer: Beflexepilepsie 
655. 

Seligmann: Auge 1129. 

Semldaloff: Deuriom acatom 
188. 

Senator: Querschnittserkran- 
kong des Halsmarkee 746. 

Serbsky: (190). (474). 

SMeox: l^e W ortstommheit 
215. 

Melancholie 287. 

Worttaiü>heit 808. 

Sharp: Xerostomie 918. 

Shaw: Parästhesieen am Bein 
76. 

Sherrington: Exstirpation der 
Hirnhemisphären 811. 

Beizung der Hirnrinde 818. 

Nerveaworzeln 1041. 

Shdarow: Paerperale 
Psychosen 278. 

Sibelias: Yordeihom naoh Am¬ 
putation 266. 

Sick: Besection des N. radia- 
lis 85. 

Siegentbaler: Puerperal- 
psyohoeen 926. 

Sieletskij: Elektrioität bei 
Hemiplegie 873. 


Siemerling: Angenmuskelläh- 
mnng und progr. Para¬ 
lyse 21. 

Multiple Sklerose 575. 

Markscbeidenentwickeiong 
961. (966). 

Sievers: Brown • Söquard’scbe 
Lähmung 288. 

Sikoisld: Alkoholismns 562. 

Silvagni: Schwindel 458. 

Simmonds: (766). 

Simon: Friedrei<^’scbe Krank¬ 
heit 26. 

Simpson: Tabes 554. 

80jähriger ^ileptiker 656. 

Hysterische Paraplegie 907. 

Sioh: Fürsorge fu (Geistes¬ 
kranke 965. 

Siven: Traumatische Epilepsie 
381. 

Smith: Alkohologene Epilepsie 
90. 

Snell: Hypothermie 606. 

T. Sölder: Syringomyelie 571. 

Polyneuritis 572. 

In^tile Pseodobolbärpara- 
iyse 573. 

Hirnge&saneurysmeu 666. 

Mitbewegnng eines Ober¬ 
lides 667. 

Koprostsse: 924. 

Solmsen: Kopftetanus 659. 

Solowzeff: Missgestaltungen 
des Qrosshirns 190. 880. 

Soltmann: Pavor nooturnus 
1183. 

Sommer: (88). 

Motoris(^e Symptome 91. 

Sorgo: Ganglienzellenfirbang 
640 u. 978. 

Soukhanoff: Neurontheorie 
69. 

Polyneurit. Psychose 1048. 

SourT: Qehim 262. 

Spallitta: Vasomotoren 171. 

Spüler: Tabes 15. 

Syringomyelie 179. 

äeinnimerkrankung 226. 

BüokenmarkaerschQtterung 

368. 

Bückenmarkssypbilis 421. 

LitUe’sohe Krankheit 662. 

Muskelknospen 860. 

Hemiplegie 866. 

Spina: Bückenmarksdurcb- 
trennung 738. 

Springer: Stimaabt 1000. 

Stedelmann: Eisenbahnunfätie 

868 . 

Stanley: Epilepsie mit ünter- 

Ideferluxation 656. 

TabM bei Knaben 956. 

Stansiale: Hims]rphilis 213. 

Steckei: Migräne 517. 

Stefimowska: Dendriten 116. 

Stein: Syringomyelie 752. 

73* 


D g I ,:od oy GOO^ Ic 



1156 


Steinach: Hintere Spinal- 
nervenwnneln 699. 

Hinterwnrzeln 699. 

Steiner: Tetanns 668. 

Hysterie 901. 

Himabscess 1070. 

Stepp: BisenbabnunfiUe 369. 

Stemberg: Akromegalie 124. 

AecessoriasUUunang 4S2. 

( 668 ). 

Neoroeen 917 a. 978. 

Steven: Spastisehe Hemiplegie 
872. 

Osteo-arthropathie 952. 

Stewart: Kinderparalvee 746. 

Stiotzing; (525). (586> 

Tetanns 569. 

Tetanus tranmaticus 1062. 

/I 

Stoddart: Melancholie 928. 

Stolper: Rfickeomarksblntan* 
gen 869. 

StooMll: Syphilis der Rflcken- 
marksUnte 1120. 

T. Stranskj: Phosphorrergif* 
tnw mit Tetanie 278. 

Strelzoff: Fremdkörper im 
Magen Geisteskranker 94. 

Stricker: (480). 

v. Strhmpell: Akrom^faUell9. 

Entzflndnng der Wirbel* 
sftnle 867. 

Hvelitis 611. 

Anomalie 612. 

Peendoskleroee 877. 

Stummer: Mal perforant du 

pied 554. 

Snddutb: Epilepaiebehandlung 
828. 

Sndnik; Diplegia facialis 1100. 

8utfaerland:Hjdroceplialna461. 

Takiki: Tetanusantitozische 
Sgensohaften des Central* 
nervensystems 1004. 

Tallermann: Heiseluftapparat 
622. 

Tambroni: Spastische Spinal* 
pard^ 420. 

Tambnrini: Autosadismus 182. 

Automasochismus 182. 

Tantsen: Apoplexie im Seh* 
hOgel 865. 

Taylor: Ophthalmoplegie 1051. 

Tekntiew: Adonis vemalis bei 
Epilepsie 140. 

Teljatnik: BluUreislauf im 
Gehirn 715. 

Sinneereixe o.61otcireulation 
im Gehirn 719. 

Teoscber: Suggestion 526: 

Theodor: ^ina biflda 789. 

Tbeohari: Hemiplegie 869. 

Facialisl&bmung 1100. 

Tbieme: ünfallerkrankuogen 
740. 


Thiemich: Popillenweite bei 
Che 7 ne*Stoke 8 ’schemAth* 
men 818. 

Tbomann: Irrenf&rsorge 90. 

Thomas: Endigung des N. 
aeustaons 810. 

Thomsen: Hydrotherapie 960. 

Thomson: Geeichtsfelddefect 
214. 

Acute Ataxie 916. 

TiÜng: Alkoholische Paralyse 
1010 . 

Tilling: Alkoholische Paralyse 
127. 

Tokarsky: (880). 

Tooth: Alkoholismns 127. 

Himorrhagie im Pons 863. 

Tordens: Temnie 272. 

Torracchi: Akromegalie 122. 

de la Tourette: TaoM 19. 

Toumier: Osteo'-arthropathie 
958. 

Trapesnikow: Bettbehandlung 
142. 

Trapp: Chiru^e des Röcken* 
markes 187. 

Trönel: Kleinhimgliom 227. 

Trevelyan: Tabes 557. 

Trömmer: Traumatische Tabes 
519. (601). 

Tschermak: Hioterstrang* 
bahnen 159. 

Tfimianzew: SympathieusbOl. 

Tumpowski: Tabes 16. 

Turner: Himrindenfsserzfige 
67. 

Ocnlomotoriuslibmung 80. 

Nervenzellenuntersncbung 

800. 


IJhthoff: Sebstörungen bei 
intracraniellen Erkrankun* 
gen 461. 

Ullmann: Arthropatbia tabioa 
623. 

Ursio: Hirntumoren 212. 


Talenfon: Morbus Basedow 
269. 

Vallon: Religiöse Psychosen 
427. 

Vaschide: Schlaf n. Erwachen 
950. 

Vassale: Exstirpationd.(Hand, 
parathywldea 266. 

Vedrani: Dementia praeeoz 
1059. 

T elichJ:Nebenniereneztraeti 17. 

Yeragntb: Anencepbalie 580. 

di Veroe: Pellagra, Alkoholis* 
muB und Selbstmord 959. 

Terga: Dementia paralytica 
559. 

Verhoogen: Masseterencontrac- 
tnr 710. 


Verhoogen: Hysterie 922. 

Verwom: Hypnose der Thioe 
1090. 

Viassi: Sexuelle Deliete 1060. 

Vigouroux: Fusctionelle Neo* 
roeen 388. 

Vires: Hystero-Tabes 17. 

Virsiola: Spastische Pars* 
plegie 879. 

Voegele: StimbeinerkrankoD- 
gen 225. 

Vogt: Hysterie 1111. 

Vorster: (48). (88). 

Aphasie 89. 

Wagner: Combinirte Striog* 
erkranknng 188. (669). 

Wablfors: (289). 

Wallenbe^: Tractus isthiocK 
striatus 800. 

Spinale Trigeminuswuml 
409. 

Mediale Opticnsböndel der 
Taube 582. 

AcuaticosbahB der Taobe 
786. 

W alton: Kopfverletsungen S66. 

(Derebiale Hämorrha^e 964, 

Warda: Opinm-Brombebud* 
lung 324. 

Obrfonnen 526. 

Warrington: NerTenzd]ea549. 

Nerven seUenvcriodeniig 
701. 

Bleilähmung 1098. 

Wartmann: Amoholiamus ud 
Epilepaie 816. 

Waaaennaon: TetaouMntitoi. 
ihgenachaften deeCeatnl* 
nervensystemB 1004. 

Waters: Kropf 268. 

Weber, Leonbard: Sklero¬ 
dermie 186. 

Weber (üecbtspringe): Eioeo* 
halt GangliMÜellen 605. 

Demonstrationspiipante 

606. 

Eiseninfiltration der (Hs- 
glienzellen 740. 

Tod im Status epileptie« 
1068. 

Weber (Sonoenstein): Zuech* 
nungsfähigk. 1106.(1109). 

Weidenhaimme: (568). 564). 

Weigandt: Hungn 1005. 

Weif: Monoplegie 693 u. 113. 

Paralysis agitans 718. 

Hysterische Sehstörungei 
899. 

Weinleehner: Schädelfractorcs 
628. 

Weiss: Paraple^spastica970. 

'Pachymeningitisiaetifli970. 

Wenhardt: Himge^wnlit a 
Hemiatrophia lingusaMl- 
Werbitzky: Tabes 21. 



1157 


Weniloff: Haematomyeliaceo- 
tralis 91. 

Hyelitia caotralis 191. 

KäokenmarkscompresMon 

563. 

Westpbal: Intoxications- 
psyehoseo 382. 

Knmpfaiifille 517. 

Tabes a. Herpes zoster 556. 

'Wetteodorfer: Tetanie 272. 

WeydeDhammer: Deliriam 
acatnm 188. 

WeygaDdt: Schulhygiene 622. 

Wic^w: Böntgeoscbe Aof- 
nahmen 138. 

'Wiener*. BiDtereSpinalnerTen> 
wurzeln 699. 

Hämorrhagische Encephali¬ 
tis 862. 

Wildermutb: Pflege bei Epi¬ 
leptischen 657. 

Ueberbflrdong 920. 

Epilepsie 1134. 

Willard: RQckenmarkserschüt- 
terang 868. 


Wille: Sebweizerisebes Irren- 
gesetz 191. 

Williamson: Himblutong 865. 

Windsebeid: Ovarie 1109. 
(1111). (1116). 

Winkler: Epilepsie 650. 
Polyneuritis chron. 1007, 

Winter: Psychische Epilepsie 
1134. 

Woblgemuth: Infantile Hemi- 
m^e 871. 

Wolff: (48). 

WollenWg: <762). 

Selbstmordversuche durch 
Erhängen 1053. 

Wood: Lobus suboccipitalis 
501. 

Woods: Folie ä deuz 1055. 

Wormser: Schilddr&se 264. 

Wright: Bindenzelle nach 
Bromdosen 1092. 

Wyrubow: Geschwulst an der 
HimbaM 718. 

Wyss: Bämorrbagisebe Mye¬ 
litis 431. 


Zamazal: Endometritis und 
Herznenrose 80. 

Zander: Hautnerven des Kopfes 
261. 

Zappert: Hinterstrangsdegene- 
ratioD 102. 

Pseudoparalyae syphili¬ 
tischer Kinder 572. (978). 
Pseudoparalyse bei Säug¬ 
lingen 1093. 

V. Zeism: Himdmck 971. 

Zenner: Himgeschwulst 202. 

Ziehen: Periodische Psychosen 
380. (525). 

Simulation 570. 

^hasie 809. 
mmtumor 812. 
Neurasthenie 916. (1111). 
(1114). 

Zingerle: Balkenmangel 802. 

Zuckerkandl: NervSse Erkran¬ 
kungen der Blase 671. 


Abdneenskem, Verbindung 
mit Oculomotoriuskern 864. 
1002. —-Ursprung 454. — 
•LäbrouDff 464. 

Abessinien, Nervenkrankhmten 
dort 187. 

Acceesorins, centrale Endi¬ 
gungen 138. — -Lähmung 
des änsseren Astes 432. 602. 
712. 

Acnsticus. centrale Endigung 
310. — seoundäre Bahn 736. 

Acnstiensbahn 68. 

Adonis vemalis bei Epilepsie 
140. 290. 

Aequivalente cf. Epilepsie. 

Agoraphobie 516. 

Agrapnie 714. 805. 

Agrypnie cf. Schlaflosigkeit 

Akromegalie 119 (2). 120.121. 
123. 124. 612. 951 (2). 952. 
— u. Diabetes 121. 951. — 
u. Hemianopsia bitemporalis 
122. — pj^ielle 123. — 
Manie dabei 951. 

Akroparaesthesie 78. 

Alezie 714. 805. 988. 

Alkohol in Irrenanstalten 1074. 
u. ärztliche Praxis 1189. 

Alkoholepilepsie 90. 315. 816 
(2). 1134. 

Alkoholismus 562. 1069. cf. 
Trunksucht, Dipsomanie. — 
u. Nerrendegeneration 127. 


in. Sachregister. 

Alkobolismus im Alter von 
4 Jahren 127. — u. Paralyse 
127. — u. Somnambulismus 
130. — in Italien 959. 

Alkobolneuritis cf. Neuritis. 
Alkoholparalyse 1010. 

Alkobolpsychosen 1074. 

Alpdrücken bei Epilepsie und 
Hysterie 651. 

Amaurose u. Idiotie 420. — 
u. Läsion des Seheentruma 
461. — hysterische mono- 
euläre 466. — vorüber¬ 
gebende 856. 

Ammonshom bei Epileptikern 

86 . 

Amnesie, retregrade 670. —* 
nach Erhängen 84. ■— bei 
posteolampti^em Irresein 
284. 

Amputation, Rückenmark da¬ 
nach 266. 888. 

Amusie, sensorische 216. 

Amyloidkö^erchen 759. 

Amyotrophische Lsteralskle- 
rose CI. Lateralsklerose. 

Ai^otrophisohe paretische 
fermen der oombin. System¬ 
erkrankung 470. 

Anämie, pemieiöse 267. — cf. 
Lenkihnie. — path. Anat. d. 
Centralnervensyst bei acut 
702. — Rückenmark dabei 
1020. 


Anaestbesie, gekreuzte 237. 

Anencepbalie u. inneres Obr 
580. 

Angstneurose, sexnelle 919. 

Angstzustände and Epilepsie 
1121 . 

Anarie bei Hysterie 912. 

AortenerkrankuDgo. Tabes555. 

Aphasie 136. 204. 804. — op¬ 
tische 289. — optische u. 
tactile 89. — functionelle 
220. — motorische 219. — 
bei Linkshändern 866. — 
amnestische 216. 217. — 
sensorische 214. 215. 704. 
729.804.808. — hysterische 
866. — u. linksseitige Hemi¬ 
plegie 238. ■— Zuverlässig¬ 
keit der Angaben 809. 

Apoplexia cerebri 863 (2). 864. 
865 (2). 866. 867. 868. 869. 
870. 871. 872. — voran¬ 
gehende Schmerzen 233. — 
traumatische 792. — De¬ 
mentia danach 1058. — spi- 
nalis 693. 

Appendioitis bei Hysterie 911. 

ArMitsparesen 74. 85. 

Arsenik, Neuritis 607. n. 
Thyreoideaanweodung 947. 

Artena basilaris, Aneurysmen 
derselben 666. 

Arter. foBs. Sytvii syph. Er¬ 
krankung 229. 


Diy 


Google 



1158 


Alter, ueeeotericft eaper., Em> 
bolie217. — magDvepiDaUs 
297. 

Artoriotkleroaea. Epüepaie818. 
— TL OeUteMtdroog 1071. 

— des Gehirns 674. — Tbe^ 
rapie 680. 

Arthralgie bei Hysterie 914. 

Arthritis, Neoritis 1007. — 
o. Neorastbenie 1090. 

Arthritia deformans d. Wirbel* 
siiüe 1144. 

Arthropathie bei STriDgomyelie 
181. 966. — bei TSbm 623. 

Asphyxie, loeale ef. Raynand’* 
sehe Krankheit 

Assodationsoentren 168. 208. 

Asthenische Bnlbftrparalyse cf. 
diese. 

Ataxie, Behandlung mit der 
Frenkel'scheo iMthode 21. 
860.572.969. of. Priedieieht 
Khe Krankheit, Hdvddo- 
Ataxie, cerebellare Tabes. — 
frontiüe 780. — aonte eines 
Beines 916. — heredo-cere* 
bellare 227. 

Atbetosis 678. 603. 715. ~ 
bilateraUs 869. 875. 

Athmong TL Hirnrinde 148. 

Atropin, Delirien nach Ter* 
ffiftnng 91. *•> bei perio- 
oisefaen Psychosen 1054. 

Ange, mikroskopische Unter* 
sachnngametboden 1129. 

AngebdCretinismns, Zwerg* 
wachs 825. — im Sehlsle 
860. 

Aagenbewegnngen, associirte 
Centr. 7)6. 720. 864. 

AngenmaskeUibmnngen of. 
Abdaeens a. s. w. — progr. 
bei progr. Paralyse 21. — 
bei mnltipler Sklerose 176. 
178. ~ nei Dystr. mnse. 
706. — altonuende 468. 

— doTcb Geschwnlstmeta* 
stasen 464. 

Aagenmnakelstörongen, by* 
^risobe 525. 

Angenstörangen bei Hysterie 
380. 464. — TL Bmi* TL 
Rücken markskrankheiten 
462. 

Aora bei foilepsie 317. 650. 
1128 cf. Epilepsie. 

Anricnlaris ma^os, gefliss* 
▼erengende Fasern in dem¬ 
selben 456. 

Antosadisrnns 182. 

Axencylindertropfen 696. 

Axillsra, Lfthmong desselben 
71. 

Balken of. Conms callosTim. 

Basedow'sche Krankheit 269 


(2). 270. 271. — Oedeme 
ubei 269. — Helanobolie 
270. — Path. Anatomie 270. 
— Operation am Halasym- 
pathicTU 269 (2). 285. 286 
(2). — Scbilddräsenexetir* 
ptöon 286. — mit Hemi¬ 
plegie a. psychischen 8t5* 
rongen 617. >*• Operation 
1118. 

Bell'sches Ph&nomen bei Fa* 
wfciuiiahtriTing cf, diese. 

Beri-Beri 82. 504. 1011. 1046. 
— Bekftmpfang derselben 
82. — Aetiologie 1047. 

Bemhardt’scbe Senribilitits- 
stOmng cf.CntanJ’emor.extr. 

Berührangsfnreht im Kindes¬ 
alter 1057. 

Beschiftigongsmaakelatrophie 

75. 

BeeehtfkigTUigsneiirose cf. Ar- 
beitsparesen 74. 75 (2). 

BesebUtigangBpareee of. Ar¬ 
beitsparesen. 

Bettbehandlnng 142 (2). 287. 

Bewegangsttierapie 664 — of. 
Tal^ 

Bewoastseln bei Epilepsie 814. 

Bewasotseinsstömngen 964. 

Bier in Irrenanst^ten 1060. 

Blase, nerrbse Erkranknngen 
671.~Entleerang derselben 
888 . 

Bleilähmang, path. Anatomie 
1093. 

Blnt, baetericides Vermögen 
1182. — bd Psychosen a. 
Epilepsie 1182. 

Blnrnrack im Schlaf 502. — 
in Carotis 715. — bei Psy¬ 
chosen 1058. 

Blntdroeksteigerang, darob 
Nebennierenextr^ 117. 

Blntkreislaaf im Gehirn 715. 
801. ~ Wirkung ron Sinnes¬ 
reizen 719. — ranfloss Ton 
Rfickenmark 788. 

Bogengänge tl Raamsinn 457 
( 2 )- 

Brachialgie 524. 

Frombehandlnng bei Epilepsie 
821. 1186. — Tod dadarch 
1092. 

Brown - SdqTiard'seher Sym- 
ptomenoomplex 757.967. — 
0. Syphilis 288. — a. Disso- 
cianon des Sensibilität 755. 

Balbäraffeotionen mit gekreuz¬ 
ter Lähmng 289. 

BTilbärparalyse, asthenische 
287. — pseado 578. 

Bulbiu olnctorius 409. 

Csissonkrankheit 378. 1066. 

Calot’scbesBrisement 188.286. 


Oanalis semicircularis ct Bo¬ 
gengängen. 

Capsula interna, (>ite 816. 

Carrasquilla'scbes bd 
Lepra 505. 

Carctnom u. Psychose 667.82S. 

Carcinomatose 178. — der 
Wirbel 172. 

Cardiaca bei Epilepsie 290. 

Csstratiou bei Geisteekrsnka 
und Verbrechern 48. 

Cataraetextraetion u. Psyebose 
472. 

Cauda equina, Läsion deiselb. 
nach Unfall 364. 

Centmm d Hirnrinde, Loes* 
lisatioD. 

Cerebelliun cf. Kleinhirn. 

Cerebrospinalfltieaigkeit bei 
Paralysis progr. 549. 

Charcotrsche Kiukheit ef. A^ 
thropathie. 

Cheyne-Stokes’aohes Athnen 
818. 

Chiasma optienm ct Optiest. 

Chlorose 256. 

Chinin snbcntan gegen Ken- 
r^gieen 284. 

Cholesteatom ef. Perigesebw. 

Chorda ^mpani 1102. 

Chorea u. Psychose 279. — o. 
Athetose 876. — u. Epi¬ 
lepsie 1188. 

Chorea ehron. progr. 573. — 
congenita spastica 876. - 
rhyvunica hysteriea 910. 

Ciliamerren. Ban 11. 

Cocirinismas von der Hm* 
blase aus 918. 

Coitus 282. — intermptns 281. 

CompressionsmyeÜtus 17S.I84. 
187. 563 (2). 758. 818. 

Conjunetiralräex 1110. 

Contracturen 282. — hemi* 
plegiBChe867. — bysterisriie 
904. 

.Copaivabalsam bei Ischias 84. 

Corpus calloaum, Physiologie 
801. — Mangel desselb. 802. 
enieulatrun extersTuo, 
isation in demselb.194. 

Craniectomie 662 ct Trepa 
natioD. 

Cremastorreflex bd Paratjie 
648.* 

, CretinismTu u. Glandula tbj- 

I reoidea 276. — u. Arige 825. 

I Criminalanthropdogie ef. Fo¬ 
rensische P^ebi^e. 

Cms eerebri ef. HimsebenkeL 

Cntanens femoiis extenUi 
SendbUitätastbmng 57. 7A 
77 (2). 1082. 

Cyclon 0. Neurosen n. 
chose 914. 

CystieercTu des Hirns 224. 



1159 


SämmerSQstaod, hjstoriBoher 
915. 916. 

Darm, Eiowirkang der Med. 
oblong. 699. — eort. Centren 

700. 

Danneontraetionen. während 
des epUept. Anfalls 589. 
D^nention, absteigende der 
mntarstrftnge 108. — ab* 
steigende nnd anfsteigende 
im Köckenmark 144. 407. 
440. 442. 487. 1090. — se* 
cnndäre, Färbemethode 476. 
— Cbarakterisimng 890. ~ 
Nenrontheorie 1106. — se- 
condäre nach Herden in Insel 
n. Thal, opt 570. 
D^eneratiooBzeiohen cf. Ohr. 

D^rinm acntnm 188.^88. — 
Bakteriologie 711. 1182. — 
doreh intee^ale Antointozi* 
cation 924. 

— haUndnatoriom ef. Ver* 
wirtbeit 428. 472. 

— tremens of. Alkobolismns. 
Dementia paraljtica d Paral. 

progr. 

— poetapopleoboa 1058. 

— praecox 87. 1059. 

— progr. hereditäre 957. 

— secondäre 881. 

— senilis 660. 662. 668. 676. 

701. 

Dennatomjoeitis 510. 
DermatoeU linearis nenro- 
pathica 78. 

Dermographismns bei Tabes 
555. 

Diabetes u. Akromegalie 119. 
121. — n. Epilepsie 819. 
n. Geistesstbrong 1067. — 
a. Syphilis 1096. 
DiamantBcbneider, Mnskel- 
atrophie 511. 
Diastematomyelie 789. 
Dickdarm, corticale Centren 
700. 

Digitalis bei ^ilepsie 292. 
Diphtherie o. Hemipl^e 871. 

— «Toxin, Einwirkung anf 
Nervensystem 475. 

Dipleg^ cerebralis 416. 578. 

— ef. Kinderlähmnng, Little* 
sehe Lähmung. 

Diplegia facialis cf. Fadalis. 
Dipsomanie 1116. 

Dora mater cerebr., Tumor 
571. — Fungus 788. 854. 

— cf. Hämatom. — spinalis. 
Sareom derselben 482. — 
Geschwulst 756. 

Durahnfosion 481. 

Dyskineeen 474. 

I^Bphagie 816. 902 (2). 
Dysphade 816 


Dystrophia muscuL progr. o. 
Muskelspindel 508. 860. ~ 
u. Poliomyelit. ant. 184. 


Keholalie bei Epilepsie 655. 

Eclampsie, Amnesie darnach 
284. 

Ecmneeie 667. 

Eczema palmaris bei Hj^terie 
912. 

Euenbahnunfalle 868 (2). 869. 

Elektrodianostik der Ooolo* 
motorindähmungen 54. — 
gdvanisober ^iz 170. — 
Erhöhung der Erregbarkeit 
bei Schwefslkohlensto^er* 
mftui^ 494. ~ Badialia788. 
BeizTersuebe am Thier* 
magen 646. 

Elektrotherapie 1028. — bei 
M^enaffectionen 647. — 
bei Hemiplegie 878. 

Embolie der C^tis 801. 

EtteephalitiB haemorrba^ea 
u. Delirium acutum 189. — 
path. Anatomie 212. — hae* 
morrhagioa acuta 228. 722. 
862. — nicht eitrige 610 . 

Bncephaloeele, angeborene 949. 

Encephalopathia nach ln* 
fluenza 862. 

Endarteriitis obliterans cf. 
Hirnarterien. 

Sntfernungsreaction 882. 

Endm&ndigung 618. 

Entm&ndigangBveifabren 280. 

Ependymitis acuta 228. 

Epilepsie of. Eclampsie, Jack« 
Bon’scbe Epilepsie, Status 
epilepticns. 

— Mnstlich erzeug 619. 
Symptomatologie 814. 
psychiscbe 1184. — Spiaoh- 
störungen 216.—Gesdwin* 
digkeit der Nervenleitui^ 
313. — Angstzustände 1121. 
— Bewusstseinsstörung im 
Anfiül 814. — Melanodermie 
recurrirende 819.—Diabetes 
mellitus 819. — u. Jackson** 
sehe Epilepsie 320. — Schlaf 
651. — oohweiBS 820. — 
Träume 321. 651. — und 
Tabes 556. — Luxation des 
UnterkieferB 656. — An^* 
spiegelbefnnd 649. •* alter* 
nans 650. — proonniva 
650. — mit choreaartigen 
Bewegungen 1188. — Haut- 
redexe 658.— Ausscheidung 
von Methylenblau 658. — 
Paranda chronica 656. — 
Aura of.diese: Erinnernn|;B* 
anra 650. — Aetiologio: 
Mb eintretende 66. — Al* 


kohol 90. — 815 (2). 816. 
1075. — Absinth 646. — 
nach Eopfdonehe 1183. — 
AlkohoUsmus und Schädel* 
Verletzungen 1184. — Herz* 
krankb. 818. — Herzoon* 
Tulsionen 818. — Beflex* 
epilepsie cf. diese. — tarda 
656. — Trauma 821. 822. 
650. — Typhus 654. — als 
Abstmenzerscheinung bei 
Moiphiumentziehung 655. 
— Blutbeechaffenheit 1132. 
— Path. Anatomie. Am- 
monshomveränderungSO. — 
bei Cysticercus ccrebri 224. 

— btt Meningocele spnria 
214. — senile arterioscle* 
rotische 818. — frfihzeitige 
Terkalkung der Himgefässe 
1026.—SeraonBbefandl064. 

— bei enormen Bromdosen 
1092.—Diagose: Spillen* 
starre 906. — Therapie. 
Adonis vemalis 140. 290. 
— Digitalis 292. — heisses 
Luftbad 821. — Brompräpa« 
rate 821.1186. — Operation 
822 (2). 652.1186. — Opium* 
behandlung 328.824(2). 927. 
1 186 . — BMectiondes oberen 
Ganglion des Halssympatiii* 
ous 656. 1135. — Pflege* 
personal 657. 

Epileptiforme AnföUe, alko* 
bologene 90. — aus hoch* 
^pamger Phimose 318. 

Epdeptiseber Aequivalent, mn* 
sikaliscbes 317. 

Epileptische AnBUle, Absinth 
646. 719. — Bewusstsein 
314. — Einfluss von Hirn* 
affection 814. — Aura 817. 

— musikalische 817. — 
Erinnerungsaura 650. — 
Bespirationsapparat 818. — 
Magen u. s. w.*Contractionen 
539. — Augenhintergrund 
649. — B^alislähmung 
danach 691. 

Epileptogeae Zone 817. 

Epileptoide Anfille n. Angst* 
Zustände 1121. 

Erb'sche oombinirte Schulter« 
armlähmnng 50. — doppel« 
seitige 72. 

Erenthophobie 428. 

Ergographie 897. 

Eigotin und locale Asphyxie 
515. 

Erhängen, retrograde Amnesie 
danach 84. 1058. — psy« 
chische Störungen dana^ 
1058. 

Erröthen ef. Erenthophobie. 

Erythromelalgie 512.518. 514, 


L' 


Google 



im 


Faci&ÜB, oberer, bilaterale 
fHioctioD 816.—Verbindung 
mit Ocnlomotorina 1099. — 
Diplegia nach Paetear’icbeD 
Impfongen 101. — naeb 
Sypbilie 1100. — traoma' 
Uoa 628. — Krampf bei 
Hemiplegie 870. — Lab* 
mang von der Gebart an 
762. — Bell'echee Symptom 
1099. 1101 (8). — naeb 
Operation 1100. — Herpee 
zoster 1100. — path. Ana¬ 
tomie 1100. — Hitbewegnng 
1106. — Sennbilitätsstb- 
rangen 1102. —Qeschmaeka- 
stbmngen 1102. — recidi- 
▼irende 1105. 

FWiiüiskem 1008. 

Firbemethoden 476. 500.640. 
978. 1088. 1129. 

Familiftre Krankheiten cf. 
Friedreieb ’sobe Krankheit. 
416 (3). 417. 418. 419. 420 
(2). 478. 511. 566. 954. 955. 
956 (2). 957. — Qeistes- 
kranueiten 1055. 

Familienpfle« cf. Irrenpflege. 

Farben, Wanmehmang &i- 
selben 502. 

Fascia palmaris ef. Palmar- 
faseie. 

Folie a deox cf. indaeirtes 
Irresein. 

Fontanelle der Stimknoohen 

1000. 

Forensische Psychiatrie 279. 
618. 1015. 1060. 1108. 1184. 

Formolbärtnng 500. 648. 

Fremdkörper als ürsaebe spi« 
naler n. peripherer Lbbmang 
1065. 

Friedreioh’sohe Krankheit 20. 
802. 561. — n. Autopsie 26. 
27. — 0. Deformiät der 
Fflsse 27. 

Fnnioalos solitarius 409. 

Clanff, photomphiscbe Auf- 
nimme a. rrojeetion 482. 

Ganglienzellen ef. Nerren- 
zdlen. 

Ganglion cerricale nerr. vagi, 
Verletznng deeBelben874. — 
meeenterieam infer. n. Ham* 
blase 141. 

Gaomenmaskulator, Inner¬ 
vation 262. 

Ge^htniss 116. — nach 
Kopfverletzon^n 809. — 
bei polyneant. Peydiosen 
1049 (2). — nach Erhängen 
cf. dieses. 

Oedankenlantwerden 1057. 

Gefiissnerven cf. vasomotor. 

. Nerven. 


Gehör mit Farbenbildern 861 

( 2 ). 

Gelenkaffection cf. Arthro¬ 
pathie. 

G^ch bei Tabes 18. — cf. 
Bieehhim. 

Geschmack bei Tabes 18. — 
colorirter 361. 

Geschmacks&sem,VerlaQf410. 
1041. 1102. 

Gesetzbach, bötgerliobes 279. 
Geaichtsfeldanomalieen bei 
Hysterie 831. 

Qesichtsmoskelschwand, Ent- 
wickelangshenimung 66. 
Glandula parathyreoidea, Ent- 
femang bei Händen 266. 

— thyreoidea 264. 265. — 
ef. Struma, Basedow'sehe 
Krankheit, Myxödem. — u. 
Knoebensystem 187. — Ez- 
tract gegen Sklerodermie 
186. — u. Stoffwechsel 268. 

— experimentelle Beiträge 
264. — Jodgehalt 265. — 
Aktinomykose 271. — Cre- 
tinismas 276. — gegen 
Psychosen 711. 712. — u. 
AiMiik 947. 

GUose of. Syringomyelie. — a. 
multiple Sklerose 170. — 
einseitige des Bttckenmarks 
754. — path. Anatomie 830. 
Qlataeusreflez 79. 

Glyoosurie u. Epilepsie 320. 

— alimentäre bei Nerven¬ 
krankheiten 888. — 0. Sy¬ 
philis 1096. 

Goethestadien, psyehiatiische 
527. 

Gonorrhoe, Neuritis dabei 1010. 
Cbwers’sches B&ndel 489.490. 

491. 492. 935. 1092. 
Graves’sohe Krankheit cf. Ba- 
sedow*Bcbe Krankheit. 
Gummiarbeiter, nervOse and 
payehisebe Stömngen 568. 
681. 

Gyms cf. Lobus. — centralis, 
Mark&sergehalt 242. 616. 
— Tumor 748. 812. — 
Gliom 818. — oentralia 
posterior und Hinterstrang¬ 
bahnen 161. 

Maarempflndlichkeit cf. Tri- 
eboäsmeBiometer. 
Haematom, subdarales 810. — 
der Dora mater bei Con- 
vezitätameningiUs 909. 
Haematomyelie 750. — cen¬ 
trale 91. 182. 
Haematorhaohis 188. 
Haemorrb^een cf. Apoplexie. 
HaUncinationen cf. Oedanken¬ 
lantwerden. — bei Geistes¬ 


kranken a.bciTaabstunimeo 
28. — einseit^e (links) 40 

— bei KleinbimerkiankuDg 
227. — Bewusstsdn dabei 
276. — bei Hemicranie 391 

Halsmark. QaerschnittserkraD 
knng 746. 

^^o^'^aseiben b. Basedov’ 
scher Krankheit 269 (2).285 
286 (2). — bei Idiotie 656 

— bei Epilepsie 1135. 
Ham cf. Urin. 

Harnblase, Physiologie 13. — 

Innervation 141. — Contne- 
tionen während des epilept 
Anftül» 589. 

Haube of. Hiruscbmikel. 
Haut ef. Melanodermie, Sklero¬ 
dermie. 

Hautgefllhl, Bahn 68- 
Hantreflexe cf. Reflexe, Zehen- 
reflex.—im Anfangsstsdiom 
d. Tabes 140. — b. Röcken- 
markscompresaioD 185. — 
bei Epilepsie 658. 
Hautsinnesnerven 880. 
Hebepbrenie 86. 1112. 
Heisaiuftapparat 622. 
Heaiianaestnesia aleemansSSS. 
Hemianopsie 221. 222. 817. — 
bitemporale 122. 228. — 
Akromegalie bei Affeetäon 
des Corp. gen. ext. 197. 201. 

— homonymer sectoren- 
förmig Defeot 214. — 
doppweitige homonyme 222. 
809. — homonyme 462. 

Hemiatrophie 66. — des Ge¬ 
sichts 509. — der Zange 
509. 641. 

Hemiballismos 603. 
Hemiohorea 603. 

Hemikranie 221. 517. — mit 
Gesiobtshallacination38l.— 
Therapie 517. 

Hemiplene, infantile 66. 715. 

— bei 5jä!^. Knaben 188. 

— bei 2jähr. Kinde 230. — 


Pvramidsnkreuznng 202. — 
Wörgreftez, Sprache und 
B^lntition 281. — Sehoen- 
refleze 282. Zehenreflei 
649. 867. — Contraetnren 
282. 867. — praehemipleg. 
Schmerzen 288. — Bstua 
dabei 865. — hystmsebe 
288. 877. 866. 867. 872 (2). 
907.1124.— bei Typhös 866. 
Zwangsbewegungen 474. — 
MoskelersohlaSong 867. — 
Assodationsbewegong. 867. 
Knocheoatrophie 669. - 
Fortbestehen von Tic coo- 
vulsif 870. — SchmeneD 




1161 


dabei 870. ~ nach Keach* 
hnaten 871. — nach Diph¬ 
therie 871. — Eiektrioität 
dabei 878. — nrämiache 908. 
— Therapie 285. 

Hemisphären des Orossbirns, 
Aeqnivalens derselben 455. 
Ungleichheit des Giewichte 
645. — Verwaohsong 898. 

Hereditäre cerebeUare Ataxie 
227. 560. 561. 666. 

Heredität bei Psychosen cf. 
diese. — bei Tabes cf. diese, 
bei Syphilis of. diese. — 
cf. Fai^enktankheiten. 

Herpes zoster bei Tabes 556. 
—bei Facialislähmnng 1100. 

Herzkranksten n. Epilepsie 
818. 

Herznenrose bei Endometritis 
80. — d. Cobabitation 80. 

HinkeD, intermittirendee 574. . 

Hinterstränge of. Worzeln, ! 
hintere 107. 484. — abstei¬ 
gende Degeneration 102. — 
Rindenfeld 159. 802. — 
Aufbau derselben 546. 547. 
552. — nach schwerer An¬ 
strengung 617. — bei pro- 
gress. Paralyse 621. 

Himanatomie262.—Leitnngs- 
bahnen 860. — Faserrerlauf 
476. — Mikroskop 1117. — 
Markscheiden cf. diese. 

Hirn, Missgestaltnngen nod 
spinale Veränderungen 190. 

— antitoxische Wirkung 
gegen Tetanie 1004. 

Himabscess 767. 814. 1070. 

— im Lob. ocoip. 768. — 
Entstehung 801. 

Himarterien cf. die einzelnen 
Arterien, Blutkreislauf.— 
syph. Affeot. 213. 815. 

Himolatnng, Varietäten 230. 

— plötzucb tödtliche bei 
9jäu. Knaben 280. 

Himcyste, Operation 1188. 

Himdmok 78a 810. 971. — I 
cf. Blutdruck. — u. Ver¬ 
änderungen im BSckenmark 
810. 

Himerkrankung, Herde 808. 

Himerweichung, Histogenese 

211 . 

Uimgefisse, rasoconstricto- 
risches Centrum 975. — 
frühzeitige Verkalkung 1026. 

HimgesohwUste of. Cysticer¬ 
cus 95. 186. 202. 223. 608. 
718. 811. 848. 970. 974 (2). 
1071. — nach Kopfver¬ 
letzungen 364. 866. — bei 
Psychen 562. — Bücken- 
marksbefdnde dabei 212.810. 

— u. Trauma 743. 


Hirngewioht 1117. 

Himhemisphären cf. Hemi¬ 
sphären. 

Himnerven, motorische, cen¬ 
trale Verbindung 593. 

Hirnnervenlähmung, multiple 
syph. 1094. 

Bimphysiologie 262. 

Hirnrinde cf. Localisation 262. 
— Centren beim Affen 189. 
— Erregbarkeit bei neu¬ 
geborenen Thieren 148. — 
Lympbcirculation 1004. — 
motor. Centren des Opos¬ 
sum 811. — des Menschen 
311. — elektr. Reizung n. 
Hemmung der Contraction 
willk&rli^er Muskeln 812. 
—OrttiebeVerschiedenheiten 
884. — miliare Sklerose668. 
701. — Läsion 462. — bei 
Vergiftungen 618. — bei 
multipler Sklerose 1018. 

Himscbenkel, Haube, hämor- 
rhag. Herd 816. — Erkran¬ 
kung 817. 

Hirnsklerose 877 (2). 878. 

Himsyphilis cf. Syphilis 428. 

Himventrikel, Ependymitis cf. 
diese. 

Histologie 786. 

Hoden, Anästhesie b. Tabes 16. 

Hörapparat ef. Aousticus. 

Hörcentra, oorticale bei Hun¬ 
den 187. — bei Menschen 
807. 

Hörstummheit 806. 

Hunger, nenrastbenischer 921. 
— psyobiscbe Wirkungen 
1005. 

Hnntington’scbe Chorea of. 
Chorea. 

Husten, nervöser 905. 

Hydrocephalus 460. 880. 928. 
n. Symiilis 421. — Therapie 
mit Drainage 461. — n. 
Sarcom d. Schädelgmbe 460. 
idiopathischer 842. 

Hyoscin bei Manie 81. 

Hypnose der Thiere 1090. 

Hypochondrie 760. 

Hypoglossuslähmuug, trau¬ 
matische 601 (2). 

Hypophysistumor cf. Akro- 
m^ane. — Physiologie 948. 
119. 120. 121. 122. 225. 

Hypotiienarreflez 894. 1024. 

Hypothermie bei Geisteskrank¬ 
heiten 606. 

Hysterie 477. 478. 761. 898. 
— Symptomatologie u. 
Tabes 17. — rechtsseitige 
lAbmnng u. Mutismus 288. 
— Trismus 908. — Con- 
tractur 904. — pseudo- 
spastische Parese 327. — 


Dysphame 902 (2). — Pto- 
sis cf. diese. — Augenstö- 
rangen 380. 881. 464. — 
Amaurose 466. — Augen¬ 
muskelstörungen 525. — 
Tachypnoe 876. — Respi- 
rationsneuron 973. — Sen- 
stömngen 899. — Popillen¬ 
starre 906. — Parapl^e 
907. — Hemipl^e cf. 
diese. — Husten 905. — 
Stottern 878. — o. Tetanie 
518. — Chorea 910. — 
Skoliosis 905. — Schlaf u. 
Traum 651. — Dissociation 
der Empflndnngslähmung 
755. — Ovarie 1110. - 
Conjnnetivalrefleze 1110. — 
Sehnenreflexe 1110. — Psy¬ 
chopathologie 1111. — Re- 
traction der Palmarfascie 

904. — Radialisneuralgie 

905. — Nennt, isohiad. 913. 
— Appendicitis 911. — Ec¬ 
zema palmaris 912. — An- 
nrie 912, — vasomotorische 
Störungen 912. — Oelenk- 
erkranknngen 914. — acuter 
Gelenkrheumatismus 918.— 
Dämmerzustand 915. 916. 
— Zurecboungslähigkeit 
961. — Aetiologie 250. 
888. — Trauma 72. 288. 
827. 880. 374. 876. 376 (2). 
877. 878. 914. — im Kindes¬ 
alter 827. 329. 899 (2). 900. 
901 (2). 907. — bei Katze 
n. Kanarienvogel 597. — 
Cyelon 914. — Diagnose 
1110. 1119. — Therapie, 
prophyiactische 922. 

Hystero’Epilepsie 710. 


Icterus n. Psychose 516. 

Idic^lossie 706. 

Idiotie 876. — Markfaser¬ 
gehalt der Hirnrinde 267. 
— Hirnsklerose 87S. — 
familiäre mit Amaurose 420. 
— Paraplegie 879. — Aetio¬ 
logie 1076. — Ungleichheit 
des Gewichts der Hemi¬ 
sphären 645. — Echolalie 
655. — moralische 1015. — 
Besection des oberen Hals- 
ganglioo 656. — Craniec- 
tomie 662. — myzoedema- 
tosa 275. 276. 767. — The¬ 
rapie 285. 

ImbMillitas u. cerebrale Diple- 
gie 416. — u. progr. Paralyse 
558. — Untersuchung und 
Behandlung 1187. 

Impulse, Interferenz derselben 
861. 


Google 



1162 


Inanitioo q. NemDMlleo 71. 
458. 1131. 

locontiDentia ariiiAe 672. 

Indaoirtes ImBein 281. 1055. 

iDfantilümoB, nyxOdematöser 
275. 

laäaeoza: EDcephalopathiean 
862. 

loBQla Beilii 205. ~ Herde 
deneiben o. seeandäreDege- 
neratioB 570. 

loterfereBZ Ewiaeheo Impalaen 
im CeBtr^errenaystem S61. 

IrreBftrxte, Verein 768. 

Irrenanitalten, BadeB 46. — 
AnforderoBgen 28S. — ebi- 
rargiaeba Tbitigkeit 188. — 
ZeratreBiingen 288. — Stal* 
lang der Aerste 1061 cf. 
offene Anatalen, 
pencmal. 

IrraDfbraorge 90. — Bfirger* 
lichea Geaetsbaeb 279. 

Irrengeaetz, aohweiseriaehes 
191. 

Irrenpfl^e in Gbeel 27. — 
Familienpflege 28. 41. — 
anaaerhalb Anetolten 42. — 
Warteperwnal 48. 240. 427. 

Irrenweeen in üagam 928. — 
in den Bheinlanden 968. — 
in dentaeben Groaaatftdten 
965. - Stadtaayie 965. 

lacbia^ena, Taaomotor. Faaem 
172. 

lacbiaa. Uoskelreflex 76. — 
Djekineaie 474. — n. Hy- 
8terie918. ^Cop^rabalaun 
dagegen 84. — bei aonter 
parencbymatöaer Nepbritia 
940. 


Jackaon’acbe Epilepaie 652. 
— 0. Diabetc« 820. — a* 
Tranma 821. 652. 

Jodgebalt der Scbilddrflae 265. 

Jodotbyrin 264. 

KältegefQbl, perreraea 412. 

Kälteainn 411 (2). 

Katalepsie n. Ict^e 516. 

Katatonie 86. 181. 569. 1051. 
1052.1058.1112.—Sprach- 
atdmnMD 1114. 

Eeblkopraerren cf. Laryngeoa. 
n. Fonctionen der Thyreoidea 
265. 

Kencbbaaten et Pertaaaia. 

KinderUhmnng 419. 708. — 
cf. Poliomyeutia, Paraplegia 
spaati(^ Spioalpand;^ ap., 
Dipl^a eerebralis, Little’- 
aebe L&hmong. — cerebrale 
520. 603. 715. 876. 971. — 
Therapie 879. 


Kinddaalter, fQDctioneU>ner> 
rSae Erkrankong 827. 

Kindbeitaepocbe d. Henachen- 
geacblecbta, Bewegungen 
171. 

Kleinhirn der 851. 897. 

Kleinhirn-Anatomie 817. — 
centrifngale Bahnen 859. — 
Blutung 868. 

Kleinhimbahnen 408. 

Eleinbimeitoankune 226. — 
Gliom 227. — Geaebwolat 
244. 

Klimacterium 661. 

nomnke’ache L&bmnng 568. 

KniepUnomen cf. Pa^Uar* 
renexe, Sebnenreflexe. 

Knochen bei Hemiplegie der 
Erwaehaenen 869. 

KOmcbenxellen 750. 

Körpeivewiebt, Abnahme 
doreb Tbyreoidin 285. 

Kopf, Hautnenren deaaelb. 261. 

Kopftetanoa 146. 

K^fTcrletsung cf. Scbidel, 
Trauma Un^ — Gedieht* 
nias danach 809. 

Kyphoae, hereditire tranma* 
tiache 867. 


liaetopbenin 517. 

Lähmnonn et Paralyae. 

Lagophualmna 1094. 

Lamiiiectomie 187. 486. 758. 

Landry'aobe Paralyse 506. — 
pat^ Anatomie 824. 507. 
— bnlbire Form 326. 

Laryngeoa inferior, Urapmng 
262. — Superior, Ursprong 
262. 

Lateralakleroae, amyotroph. 
nach Trauma 708. 

La^riamoe 187. 142. 

Laotbildung 218. 

Leber bei Psycbonenrosen 118. 
— Nerrenendigungen 141. 

Lepra 505. 1012. — anaeethe* 
tica 85. 565. 1011. — ner* 
Töte Eracheinungen 718. — 
Therapie 505. 1012. 

Leukämie, Degenerationsherde 
im Rhckenmark 182 (2). 

Lingualia, Keuralgie 288. 

Linke Hand, KraftTeistangSO?. 

Linkshindigkeit, Uraaehender* 
selben 268. 

Linaenkem cf. Nnel. lentifor* 
mis 815. 

Little'ache Lähmung 417. 662. 
873.876. — Pyramidenbahn 
dabei 861. 

Lob. frontalia ct Gyr. eientr. 
224. 225. 970. — Inetiache 
Erknnl^g 229. — Trauma 
235. — ^rcom 604. 778. 


Lob. frontalia bei Affen 720. 
— Gliom 811 (2). 

— oocipitalis 2^. — Et- 
weiehnngsherd 222. — beim 
Kinde 501. — Glioaareom 
744. — AbaeeM 763. 

— parietalis, Sareom 605. 
— Fnngus 788. 854. 

— temporalia 217. — und 
Wortrtummbeit 215. 

Localisation in Hirnrinde 
beim Affen 139. — ftr Atb- 
mung 148. — Ar IjOT. palp. 
sup. 857. — ftr BOren IST. 
215. 807. 995. — ftr Sehen 
222. 228 (2). - ftr Hnakel- 
gefUil 69.856.—ftr Sprache 
216.220.—derHintnatiug- 
bahnen 16t. — für Senai- 
bOitit 547. — ftr Blase 8S9. 
ftr Darm 700. — für aaso* 
eibteAngenbew^nngenTlO. 
720. — ftr PnpiUen 720. — 
anbcerebral t Lanttnldno; 
218 

Luftbad bei BpUepne 821. 

Loftdmcklihmniigen 378. 

LumbalponetioD 82. 38. 1S4. 
621.827(2). 481.—d Dnnl- 
infuaioo 

Lymphbahnen io der Gehirn¬ 
rinde 1004. 

Magen, Fremdkörper bei Gei- 
nteakranken 94. 

Uagencontraotionen im epil^ 
Anfall 539. 

Halum perforann 554. 5^ 

— suDooeipitale 541. 

Manie 525. — acute 80. — 
Behandlung 81. — n. Akro- 
mee^ie 961. 

MarkbUdung im Gromhin- 
lappeu 977. 996. 

Markmaergehalt der Ceshal- 
Windungen 242. — dwHim- 
rinde bd IdiotMi 267. 

Markacbeidenbildung 68. - 
Bedeutung für LoeahmkioB 
961. 

Hasocbismua 188. 

Maseeterenoontractur 710. 

Mednlia oblongata ef. Bnlbw 

S atalyae. — Vuenliiiaahon 
erselben 176. — Blu^nti 
295. — Hemmnngswnkn^ 
auf Darm 699. — Uiafffvif 
Ton afferirenden und 
renden Fasern 858. — CHkmi 
909 

Melancholie 880. — u. Baa^ 
dow’sche Krankheit 270. - 
Bettbdiandhuig 287. - 
körpertiehe Zeiebea 923. ** 
Blutdruck 1058. — o- P«>- 
Boia 1059. 


Google 


1163 


Melanodermie, recarrirende 
319. 

HeDi^soherSjmptomeacom- 
plex 459. 460. 

Meningen, Perlgeschwnlst cf. 
diese. 

Meningitis cerebralis, Chole¬ 
steatom im inneren Ohr 288. 
— n. Hämatom 909. — 
syphilitica 1094. 

— oerebrospinalis syphi¬ 
litica 1096. 

— poralenta 909. 

— serosa 840. 

— spinalis pumlenta 186. 

— tabercnloea n. Hysterie 
899. 


— Tentricnlaris chron. ad¬ 
ult 840. 

Meningocele sporia (Billroth’- 
sehe Krankheit) 213. — cf. 
Psendo-Menint^le. 

MeningoeneepbaStis, syphili- 
tisebe 424. 

Meningomyelitis 1105. 

Hethylenbian, Ausscheidung 
im epUept Anfall 658. 

Migräne cf. Hemikianie. 

Milrocephalie 609. 

Minenk^kheit 879. 

Monoplegie, spinale 698. 

Moral inaanity 1015. 1061. 

Morphinisrnna 234. 882. 888. 
1018. — Abstinenzersohei- 
nnng 655. 

Morran’scbe Erankh. 186.567. 

Musikalisches AnsdmeksTer- 
m5gen cf. Amusie. 

Muskelatonie 710. 867. 

Muskeln, queigestreifte und 
länmestreifto 210. — Pa- 
ciorsche Körperchen in den¬ 
selben 508. — Aendemng 
der Erregbarkeit nach Aus¬ 
schaltung oder Hnrchschnei- 
düng seiner Nerven 620. — 
Associationebewegangen 
867. 

Muskelatrophie cf. Amyotro- 
phie, Hemiatrophie 972. — 
nei Goldpolirennnen 75. — 
bei Diamantschneidem 511. 
— bei multipler Sklerose 
576. 685. — u. infantile 
Poliomyelitis 704. 705. — 
nenriti^e 511. 

Muskelcontraeturen cH Con- 
tracturen. — Hemmung bei 
elektr. Reizung der Gross- 
himrinde 812. 

Hnskeldystrophie 705. — nach 
cerebialer Kinderlähmung 
704. — n. Augenmuskel- 
lähmung 706. — u. Idio- 
glossie 706. — mit rapidem 
Verlauf 706. 


Muskelgefhhl, Localisation 59. 
Huskelhypertiophie 107. 508. 
715. 

Muskelkrämnfe, progr. 578. 
Huskelpseuaohy^rtrophie cf. 

Dystrophie. 

Huskelreflez 79. 812. 
Huskelrigidit 811. 
Muskelspasmen, angeborene 
107. 

Huskelspindeln 502. 860. 
Huskelstarre 874. 875. 
Muskelthätigkeit in pneumat 
Kammer 879. 

Mntismns mit normalem Ge¬ 
hör 218. — hysterischer 220. 

— mit rechtsseitiger Hemi- 
pl^e 288. 

Myasthenia psendoparalytiea 
424. 425. 426. 

Myelin 696. 

Myelitis beim Pferde 181. 
Myelitis, acute hämorrhagische 
4SI. ~ centralis aeuta 191. 

n. Syphilis 422. — Disso- 
ciation der Sensibilität 587. 

— transversa u. multiple 
Sklerose 575. — acute u. 
chron. 611. 

Myositis interstitialis 1048. — 
cf. Nenromyositis. ~ ossi- 
fleans pre^reasiva 1051. 
Myotonie 418. 

Myxödem 271. 272. 287. 980. 
950 (2). 1148. — TL Base- 
doVscheKrankheit270.271. 
~ cf. Idiotie, Thyreoidin. — 
TL Infantilismus 275. 


Magelerkrankung bei Tabes 
1104. 

Nahmngsverweigenmg, Ur¬ 
sache derselben 516. 

Narootica u. Vorderhomzellen 
1181. 

Narcosenlähmnng 910. 1007. 

Nebennierenextract, Einwir¬ 
kung auf Blutcirci^ation 117. 

Nephntis n. Jsebias 940. 

Nervencentren, Veiändening 
nach Aosreissen der Nerven 
882. 1181. 

Nerven, peripherische cf. die 
einzelnen Nerven, Abduoens 
u. B. w. — Ausreisseo der¬ 
selben u. Entfemungsreac- 
tion cf. diese. — Carcinom- 
metastasen 766. ~ Degene¬ 
ration bei Alkoholismus 127. 
— Begeneration sympath. 
Fasern 12.—nachATisreissen 
885. 888. 

Nervenendigungen in Central¬ 
organen 445. 784. 

Nervengeschw&lste 96. 


Nervenheilstätten 608. 

Nervenkrankheiten cf. Neu¬ 
rosen u.s.w. — nach Bücken¬ 
verletzungen 371. — und 
Unfall S7S (of. Tranma). — 
in der russischen Armee 922. 

Nervenmwk 696 cf. Mark- 
bildung u. s. w. 

Nervenstrom, Geschwindigkeit 
desselben bei Epileptikern 
818. 

Nervensystem, individuelle 
Entwickelung 68. — ange¬ 
borene Missbüdimg 880. — 
Anatomie 896.—Einwirkung 
von Toxinen 287. — von 
Quecksilber 456. — von 
.^gent nitr. 699. — von 
Streptokokken-u.Diphtberie- 
toxin 475. — Einfluss von 
Tropenklima 808. 

Nervenzellen 455. 600.800. — 
Aebromatose 1181. — Fär¬ 
bung 640. 978. — Granula 
87. — Karyokinese 897. — 
bei Urämie 70. — bei An¬ 
ämie 702. — bei Inanition 
71. 458.1181. - Absterben 
derselben SIS. — nach asep¬ 
tischen Verletzungen 458. — 
Dendriten 116. — bei magen¬ 
darmkranken Sänglingen 
818. — bei fiebernden Men¬ 
schen 835. — bei Hyper¬ 
thermie 698. — Einnnss 
von Infectionen anf diese 
418. — Pathologie 418.414. 
549.550. — Schwefelkohlen- 
sto^eigiftnng496.—Brom- 
Vergiftung 1092. — Endi¬ 
gung der Nerven in diesen 
445. — Grundsubstanz 458. 
— Veränderungen durch 
Qaecksilber 456. — durch 
i^ent. nitr. 699. — bei 
Schlaflosigkeit 502. — 

Leicbenveränderungen 504. 
eisenhaltige 605. 740 — 
Primitivfibrillen 614.944.— 
des Rückenmarks, Bewe¬ 
gungen desselben 647. — 
m. Vorderhomzellen. — bei 
Tetanus 647.— nach Durch- 
schneidnng der vorderen u. 
hinteren Wurzeln 701. — 
nach Herausreissen von 
Nerven 1181. 

Neuralgie, Cbinininjectionen 
dabei 284. 

Neurasthenie 477. 478. 916, 
— Aetiologie 250. 368. — 
Trauma 874. — im Eindes¬ 
alter 827. 329. — TL Puls 
669. 919. — u. Antointoxi- 
catiOD 920. — Störungen des 
Stoffwechsels dabei 1029. 


g : /cd oy CjOO^Ic 



1164 


Neonsthooie, Uongfer 921. — 
B«haodlnDg 922. 

Neuritis haemorrhAgica des 
Oeolomotorioa 80. — bei 
Beri'Beri (of. diese) 504. •» 
bei Osteomalaeie cf. diese. 

— bei OoDorrboe 1010. — 
bei Qicbt 1007. — dorcb 
Arsenik 507. 1008. ~ bei 
Schwefelkohlenstoff • Veigif- 
tnng 68S. — iscbiadiea 918. 

— bei Narkosen lähmnng 
1007. — bei Bleillhmong 
1093. 

— mnitiplez ef. Beri>Beri, 
Lepra, Landrj'sobe Para- 
IjM. — mit Oedemen 61. 

— septiea 81. — bei Kindern 
708. — bei Tnberonlose 
1006. — aloohoL 187 (2). 
128. 1007. 1009.1010. 1189. 

pboepborica 888. — pner- 
MraUs 83 (2). ~ bei swei 
Brüdern 511. — mit {wy* 
cbischen Stömngea 506. 
1048. 1049. mit spinalen 
Verandemngen 1007. 1009. 
—Dia^osen. TberapielOOB. 

— optica dnplez 289. — 
Heilnng 889. 

— retro'bnlbaris 891. 895. 
Nenrofibromatosis 78. 
Neoroganglioma mjelinienm 

571. 

Nennwlia 800. — im B&eken* 
mark 139. 

Neorogliasellen, Ür8pnmgl89. 
141. 

Nenrogliom des Hirns nach 
Trauma 708. 
Kenrobjaloplasma 451. 
Nenrome, aUgemeine 79. 
Nenromjositis 1047. 

Neorone 28. 69 (8). 480. 614. 
644. 669. 964. 1021. 1106. 

— amöboide Beweglichkeit 
1180. 

Nenrosen, fnoctionelle Aetio* 
lo«e850. durch Schwefel- 
konlenstoffrer^ung 683.— 
n. örtliche Erkrankungen 
917.— TL Antointoxicationen 
921. — traumatische 968. 

— durch Syphilis 1098. 
Nierenkrankheiten bei PsychO' 

nenrosen 118. 

NissPscbe Methode 1088. — 
ef. Färbemethoden. 

Nucleus candatus, Erkrankung 
815. 

— lentiformis, Erkrankung 
815. — Function 1058. 

Nystagmus bei malt. Sklerose 
175. 178. 

tfculomotorins. Ursprung 455. 


OoTÜomotorinslähmangen cf. I 
ATigenmuskellshmang. — 
ElMtrodiagnostik 54. — 

Neuritis hMmorrhagica 80. 

— einseitige 712. 

Oculomotoriuskem 1001. 1008. 

—Verbindung mitAbducens- 
kem 864. 

Oedem, angioneurotisohes 512 
(2). 514. — bei Basedow'- 
scher Krankheit 269. — 
circumseriptes familiäres 
954. 

Oesophaguskraropf cf. Dys- 

O^en’^Anstaltan 606. 

Ohr, I^fonnität 526.—inneres, 
bei Anencephalie 530. 

Ohreusehwinoel 459 cf. He* 
niere'sche Krankheit 

Olfactoriiu cf. Geruch, Bnlb. 
olfaet. 

Onanie im Kindesaltar 1108. 

Ophthalmoplegie 1000 cf. Oon- 
lomotorius il Abducens. — 
bei HyasÜienia pseudopara* 
Ijtiea 425. — u. Hemian* 
op8ie462. — durch Carcinom 
im Siniu caTemosTU 465. — 
doppelseitige, oongenitale, 
ezt^e 465. — mit Para¬ 
lyse des Augenfacialis 1050. 
1051. — in Folge ron Tari- 
oellen 1050. 

Opimn bei Epilepue cf. diese 
828. 824 (8). 1186. 

Opticus. Pupillen tl Sehfasem 
in demselben 15. — atro¬ 
phische Zustände 32. — Ver¬ 
lauf 88. — -Kreuzung 84. 
115.199. — -Bahn 67. 194. 

— mediales Bündel 582. — 
Tind Sebstrahlung 609. — 
Atrophie bei ^edrdch'- 
scher Krankh. 307. — neuro- 
tisebe 975. ~ Saroom und 
I^pagation auf andere 
Seite 1005. 

Osteoarthropathis hypertroph, 
pneumica 125 (2). 958. 958. 

OsteomaUoie 510. 

Orarie 1109. 


Pachymeningitis oeirioalis 
bypertrophica nach Traama 
288. — tuberoulöse 485. — 
u. Tumor 757. — haemor- 
rfaag. und Paralyse 28. — 
eztm. syphilitica 1120. 

Falmar&scie, Betiiaetlon 904. 

Paialypemanie 1059. 

Paralyse, alkoholische 127.128. 
— nach PasteuFscben Im- 
phingen 98. — durch Fremd¬ 
körper 1065. — paroxysmale 


familiäre 417. — periodUchc 
des TrocblearU 73. 
Paralysis agitans 468.574. - 
Zittern 468. — u. Senilitit 
467. — und Tabes 713. — 
Therapie 466. 

Par^yaislabio-glosso-Iarriiges 
ef. Bulbärparalyse. 
Paralysis prcm., oymptoms- 
tologie: Shna. fortsebreit 
A ngenmusketlähmong 21.- 
Pruritus 24. — Puuynz- 
reflez 24. — bei Imbecillen 
558. — hypocbondriscbeöSS. 

— bei Pellagra 559. — Ee- 
flexe 648. — Blase 671 - 
Aenderung des klin. Bildes 
1085. 1066. — Blutdruck 
1058. — Blutbesdiaffenheit 
1182. — Aetiologie-. 1076. 
Trauma 41. — M Fraueo 
841. 1038. — bei Coden 
746.1140.—Alkohol 847.- 
Lnea347.559.1140.— beiSbe- 
paaren 1089. — im jugead- 
uchen Alter 1089. — V er¬ 
lauft Endperiodeo 25. — 
Bemissiouen 1037. — Dia¬ 
gnose: hämonhag. Psekj- 
meningitis 28. — n. Ärterio- 
sklerosis 676. — anstom. 
Befitnd 1016. — Patho¬ 
logische Anatomie: 153. 
557. 1017. — Kemverind»- 
ruD^n in den cortiealeo 
Zellen 549. — Cerebrospiual- 
d&aaigkeit bacteriolog.Dnter- 
snchungen 549. — Vorder- 
homzelTen 551. — HiDter- 
stränge 621. — Himgefnebt 
1117. 

Paralysis spastica cerebnüi 
cf. Diplegia cerebr. — 418. 
Paranoia cf. Qaemlantmiwibn- 
sitto. — Wesen derselbeo 
1108. — u. Tsbes 554. - 
TL Epilepme 656. ^ Hirn¬ 
rinde 708. — ebronies 29. 

— rudimentaria 11. — 
riod. 880. — luligiöas 427. 

— mit Melancholte 1059. 
Paiaparesia spastica in Abes¬ 
sinien 187. 

Paiapl^iia spastica total» 469. 

— &miliäre 955. — infutile 
879.970. — hysterische 907. 

Parese, peendo-epastische 327- 
Pasteurisehe Impfni^ea 96. 
Patellarreflexe, Localis^ 
1106. — bei Hysterie lUO- 

— cf. Sehinenräeze. 
Pavor nootumTis 320. 1133. 
Pedoncolua cf. Himseheiikel. 
Pellagra 559. 959. 
Perimeter, KTigelperiueter aas 

Celloid 468. 


1165 


Periodische Fsycbosen cf. diese. 

Perlgescbwnlst der Meningen 
IS. — im inneren Obr 288. 

— in der Gegend des 3. Ven¬ 
trikels 718. 

Peronensläbmnng 74. 86. 

Pertnssis n. Hemiplegie 280t 
871. 

Pflegepersonal 667. 

Phaj^xreflex cf. Wflrgreflex. 

Phoephor. Lähmnng 886. 

Pbrenicnskem 615. 1089. 

Pia mater spinalis, Spindel- 
zellensareom 767. 

Platzangst cf. Agoraphobie. 

PlexDBbrachialiB,Defecte 1022. 
— Hantgebiet 1048. 

Plexnslähmnng des PI. brach, 
cf. Erb’sche Lähmung. 

Pneumatische Kammer. Hns- 
kelthatigkeit in derselb. 379. 

Polioeneemialitis 703. 

Poliomyelitis ant. 708. — u. 
Dystropbiel84.— a.Traaina 
370 (2). — u. spinaleHaskel- 
atropnie 704. — Bficken- 
marKsTeränderungen 671. 

Pollakinrie 672. 

Polynenritis cf. Nenritis multi¬ 
plex. 

Pone Varolii, Tumor 226. 817. 
^ Blutung 619. 868. 869. 
1141. 

Porencephalie 186. — trauma* 
tische 623. 707. 

Praecuneus 988. 

PrimitiTflbrillen 614, 944. 

Pruritus tt. Paralyse 24. 

Psendodipsomanie 1116. 

Pseudohypertr. der Muskeln 
cf. Dystrophie. 

Psendomeningocele, tammat 
861. 

PseudoparalysiB, syphiL 1098. 

P^ohiatrieu. Himanatomie86. 

PsTchische Störungen l^i Er- 
Kränkung des Stimhims 224. 

— durcn Scbwefelkohlen- 
stoffrergiftuDg 684. 

Psychosen, Neurone 69. — 
Bintheilung 1064. — Brrn- 
ptomatologie: Haflnci- 
nationen 28. — Fremdkörper 
im Magen 94. — religiöse 
Vorstellungen 427. — Nah- 
rungsTerwe^erung 616. — 
Hypothennie606.—Zwangs- 
sucnt zur Einfabmng von 
Fremdkörpern 829. — Blut- 
druekl066. — Aetiologie 
cf. AlkoboL — puerpe^e 
278. 926. — Chorea 279. — 
indncirtes Irresein cf. dieses. 
_ durch Transformation 
281. — Salieylsaureintoxi- 
cation 882. — durch Intoxi- 


cationen 882. — Typhus 
426. — Greisenalter 659. — 
Typus erolutionis et inro- 
lutaonis 661. — Carcinom 
667.828. —Urämie 826.— 
Cataractextraction 472. 
bei Neurit. multipl. cf. diese. 
— Diabetes 1067. — Icterus 
516. —Tabee664. — Gummi- 
arbeiter 668. — nach Ope¬ 
rationen 669. — nach Apo¬ 
plexie 1068.—Arteriosolerose 
1071. — Koprostase 924. — 
bei Negern 1065. — Blut¬ 
beschaffenheit 1132.—P at b. 
Anatomie: Nieren o.Leber 
118.—Strangdegenerationen 
des Böokenmarkes 457. — 
Bimgeschwülste 662. — 
Verlauf: periodische 880. 
472. 923. 1064. — Einfluss 
des Typhus 924. — acute 
924. — Prognose 969.— 
Ansgänge: Todesfälle in 
Bn^hölzli 117. — Dia¬ 
gnose: Simulation 888 (2). 
— Therapie: Bettbehand¬ 
lung cf. diese. — Chinin- 
imectioa 284. — Thyreoidea- 
benandlnng 711. 712. — 
Hydrotherapie und Balneo¬ 
therapie 960. — Baoterien- 
gifte 1115. 

Psychroästheaie 469. — alrie 
469. 

Ptoeis hyeteriea 626. 526. 901. 
911. — congenita 1050. — 
n. Mitbew^ung 667. 1060. 

— u. Lob. (arietal. 867. 

Pubertät 288. 661. 

Pnerpe^psychosen 278. 926. 

Puls nei Neniastheale669.919. 

PupiUenreaotion bei vorhan- 

aener Lichtempfindung 16. 
—Beflexe vom Obr ana211. 

— bei Hysterie 880. — 
Sympatbienseinfluse 601. — 
bm Urämie 608. — period. 
Schwankungen bei Cneyne- 
Stokee - Athmen 818. — 
-Starre im hyct Anfall 906. 

Pyramidenbahn 986. — bei 
Little'seher Erankhdt 861, 

— -Kreuzung, Abwesenheit 
derselben 202. — 'Vorde^ 
sträng 999. 

Pyramiuon 81. 

%uärulanten-Wabnsinn 888. 

Quecksilber, Einfluss auf Ner- 
Tensystem 466. 

Bachenmusknlatur, Inner¬ 
vation 262. 

Badialis, Beeection desselben 
85. — elektr. Erregbarkeit 


768. — -Lähmung nach epi- 
lept An&Uen 691. —Neur¬ 
algie. hyst. 905. 

Baumsion n. Bogengänge 467. 

Baynand'sche Rankheit 512. 
514. 515 (8). 

BeonrrensläfarouDg 78. 

Beflexe ef. Haut-, Muskel-, 
Sehnenreflexe. — Verlauf 
derselben 787. — Aufhebung 
derselben 184. — Leitnngs- 
bahnen 862. — bei Urämie 
608. — Bückenmarksläsiou 
612. — bei progr. Paralyse 
648. — bei abgetrennum 
Bflckenmark 1044. — lange 
u. kurze 1046. — gekreuzte 
1046. 

Beflezepilepsie 817. 818. 655. 

Befleiechmerz 75. 

Beflexübeitragung, Ort der¬ 
selben 862. 

Begeneration, sympathische 
Nenrenfimem 12. 

Bespirationsstömng bei epi¬ 
leptischen Krämpfen 818. 

Betina, Veränderung bei Apo¬ 
plexie 665. 

Biecbhim der Säogethiere 
409. 

Bundität nach Entfemong dw 
Grosshimhemiaphäre 811. 

Bindencentren cf. Hirnrinde^ 

B5ntgenbilder 188. 812. 978. 

Bolando’sche Zone u. sensible 
Centren 547. 

Böokeomark cf. Hinterstränge, 
Vorderbom u. s. w. — der 
Vögel 851. 897. — Leitunge- 
babnen 860. — Sehnltze^- 
schesCommalO?.— Gowers*« 
aehes fiOndel of. dieses. — 
Neuroglia 189, — D^en^ 
rationen nach Durehacnnei- 
dong der vorderen u. hin¬ 
teren Wurzeln 148. — nach 
Amputationen 266. — Lage 
der Fasern in Lnmbo-saem- 
g^end 170. — bei Defect 
des Plexus brachialis 1022. 
— bei Missbildungen des 
Groeshims 190. — M Him- 
gesohwnlst 212. — nach 
Entfernung der Gland. para- 
thyreoid. 266. — Missbil¬ 
dung 669. — Spina bifida 
cf. meee. — traumatische 
Blutungen um und in das¬ 
selbe 869. — bei Anämie 
cf. diese. 

Bückenmarksabsoess 182. 881. 

Böckenmarkscompreasion ef. 
CompressioDsmyelitis. — 
pstb. Anatomie 172. — se- 
cundäre Degeneration 482.— 
schlaffe Lähmungen 818. 


'g ,'/eü 


Google 



1166 


Bttekeomarksdegtnerationen 
cf. StrangermakriDg. — 
sjatematüiche 113. — bei 
Leukämie 182 (2). — bei 
pernici&eer Anämie ef. dieee. 

BQokeDmarkMrkrankuDgen of. 
Hämatomjelie. HaUmark 
o. a. w. mit beaonderer 
Betheilirag der Blaae 18. 

— bei CaroioomatÖeeD 178. 

— bei PboBphorrergiftong 
889. — cf. Trauma. — 
Sjphilia et. diese. — Beflexe 
dabei ef. dieee. ~ Throm- 
boeen 759. — Chinugie 167. 
^ et Tiepanaticn. ~ et 
Lamioeetomie. 

BäokeDmarkaeraebflttaniiig, 
experimentelle 868. — nach 
Eüamiba^anAUen 868. 869. 

Bflokeomarkageachwfilste 18 
^). 96. 668. 820. — ct 
Dura und Pia apinalis. — 
Saeromatoee 98. — Tuberkel 
179. 757. » Saroom 179. 
~ QUosaroom 756. ~ Qliom 
763. 764. 

BBekenmarkahäute, Sarooma- 
tose 92. 

BaokenmarittTeränderungen 
bei multipler Neoiitis 1008. 
1009. 

Bfiokeneehmerxen bei Un&U- 
patienten 872. 

BflokeoTerletsungeu u. Nerven« 
krankheiten 871. 


Sadiamns 132. 

SalieylsänreintoxioatioQ und 

' Fsvcfaoee 388. 

Sobädel bei Geisteskranken 14. 
— des Gesichts 66. — Yer« 
letiung 865. 866. — und 
Epilepsie 1184. ~ bei here¬ 
ditärer S^hilis 1098. — 
Fraoturen im ersten Lebens¬ 
jahr 628. — der Basis 729. 

Sobädeldaeh, sjmmetr. Atro¬ 
phie 416. 

Schädeldeformationen 1093. 

Schädelgrube, Sarcom dersel¬ 
ben 460. 

Schädelknooben ct Stironabt 

^hädelmiaebildung 1006. 

^hilddrüse ct Glandula th;- 
reoidea. 

Schlaf, üisaohe desselben 502. 
647. 860. — bei Epilepsie 
n. Hvsterie 651. — Augen 
dabei 860. — Auftnerksam- 
keit dabei 950. 

Schlaflosigkeit, Veränderungen 
der Nervenzellen dabei 502. 
950.—psychische Störungen 
949. 


Schleife 816. 986. abstei¬ 
gende Degeneration 1092. 

ScÜucken cf. Deriutitioo. 

Schmerzen, centnlentstehende 
870. 

Schreiben 804. 

Sehnig Hyfläene derselben 622. 

Sehnl^scnes Kommaböndel 
547. 552. 564. 

Sohwefelkohlenstoffvergiftung 
et Gununiarbeiter 681. ~ 
chron. 493. 

Sehweiflähmung des Pferdes 
178. 

Sobweiss bei Epileptikern 880. 

Schwere, pathologische 862. 

Schwindel 456. 674. — ct 
Ohrenschwindel, Heniöre*- 
sehe Krankheit. 

Secundäre Sinnesempflndnng 
861. 

Sehaotbinocnlarer beim Pferde 
115. 

Sehbahn ct Oticus. 

Sehcentrum, Läsion 462. — 
phytioL Untennehnng 720. 

SenhOgel ct Thal opt. 

Sehnerv ct Opticus. 

Sehnen, Transplantation bei 
in&AtUer Pamyse 879. 

Sehnenreflex bei Tabes 140. 
bei Baekenmarkseompres« 
slon 185. ~ cf. Beflexe u. 
Patellarreflexe. ~ bei Hemi- 
pU$^u 882. — bei BQoken- 
marksläsionen 618. — bm 
Pmmlyse 648. — bei Qner- 
sehnittläsionen des Hals¬ 
markes 746. 819. — bei 
BOckenmarksdnrohsehnei- 
dnng 1044. 

Sebstörungen, hysterisehe 
899* 

SaKat wüilnng of. Optious 609. 

Seitenstaangsklerose, femiliäre 
956. 

Selbstmord in Frankreich 660. 
in Italien 959. 

Sensibilität. Dissociation 
ct Syringomyelie. — bei 
Hvelitis 587. — bei Brown- 
Sequard’Mhen Affisction 755. 
— Mi Hysterie 755. — bei 
Brttckenherd 869. 

Serratnslähmung 1104. 

Sexuelle Perversion 182. 282. 
1060 ](2). 

Simulation von OeistesstOrang 
888. — von Taubheit und 
Blindheit 570. 

Sinus cavernosus, Thrombose 
909. 

Sinusthrombose 807. 

Sitophobie ct Nahmogsver- 
weigeroDg. 


Sklerodermie, Thyreoidea- 
behandlnng 186. 

Sklerose ct SeitCDStrangikle- 
rose, Hirnsklerose. — mol- 
tiple 177.575.626.877.1141. 
— Aetiologie 177. — p^L 
Anat 174.1141. - Aogn- 
veraaderungen 175.178(8). 
— apoplectifonner Beginn 
176. — u. GUose 176. - 
n. BQckeomarkstnberkel 178. 
_ Mnskelatrophie 576. 635. 
~ QueckaillmbefaaBdlang 
666 . — miliare 668.701. - 
Hirnrinde 1018. 

Skoliose, hysteriscbs 905. 
Solitäres BQndel ct Funknlu 
aolitarius. 

Somnambulismus btt Alkeko- 
UsmuB 180. 

Spasmus gtottidis 956. 
Speieheldrtseu, Nenrenesdi- 

S 141. 

»lähmnng b. Pferde 

'178. 

Spina bifida ooculta 663.669. 
898. ^ mit Doppeltbeilong 
das B&ckenmarD 789. 
^inalgan^easellen, Bau 577. 
697. 797. » bei Tsbei 2. 
— nach Durohsehneidiug 
der hinteren Wuridn li 
156. — Pathologie 151. - 
u. Leukocyto 312. —ned 
Durobschiiridnng des cen¬ 
tralen Fortaatsee 548. 
Spinalparalyse, spastische 417. 
420. — syphUiL 421. 48t 
1097 (2). 

Spinalponetion of. lAinbil- 
pnoetion. 

Splanehnicos, Einfluss sei 
Darmbewegungen 500. 
Spondylitis et Calofsdi« 
Briaement. — tidtercolost 
188. 

Sprache 169.206. — bei Hemi¬ 
plegie 281. — bei Eat^nie 
1114. — ct Aphsttc, Lsq^ 
bildnng, Idiopostie, Verbi* 
geratiou. 

Statna epileptieus, Obduetions- 
befand 1068. 
8 tauangspi 4 >ill 6 781. 
StimnsAt 1000 . 
Stoffwechsel, Störungen bei 
Neurasthenie 1029. 
Stottern, hysterisches 878. 

*neiSe* 8 W. 
Strangerkranknngen des 
Ba&enmarkee. combiiirtc 
primäre 183. 612. " ba 
functionellen Psyehoett) 457 . 
StieifeahOgel ct NocL eandst. 
Struma, endemische 266. 


1167 


Strama, Thyreoidinbehand* 
lang: 284 (2). 285. 

Stryohain tt Blotdraek 738. 

Stommfaeit 218 of. Matumos. 

Stapor boi Paranoia 29. 

Sn^estioiubohaDdlQDg 1014. 

Soprasoapnlaria, Lahmaog 73. 

Sympathiona des Halses of. 
Halssynipathieiis, Splanch* 
nicns, Oedem. — o. Papille 
501. — L&hmoi^ 1185. — 
cf. Qanglioo mesenteiioaiD, | 
Vasoeoiutriotoren and Vaso* j 
motoren. I 

STphilis cf. Tabes, Paralyse | 
progr. — des Hirns 813. | 
438. 974.1094. ~ des Stirn* 
bims 229. — Ge&serkran* 
kruig of. Himarterien. — 
Brown'Sdqoard’scbe Uh* 
inaog238. — Hydrocephalns 
421. — des B&okenmarkes 
421. 422 (2). — der Bflokeii* 
inarkBbäatell20.— d.Him8 
n. Rackenmarkee 558. 967. 
*— Pachymeningitis oerri* 
cali8960.— Basumeningitis 
1094. — Heningit. oerebro* 
spinalis 1096. ~ bered. 421. 
556. 572. 1144. — Sobidel* 
formen 1093. — Psendo* 
paralysis dabei 1098. — 
Tberapie 1098. — Glycoi* 
arie 1096. — Neurosen 1098. 

— ^inalparaWse 1097 (2). 
— Diplegia Cialis 1100. 

Syringomyeue of. Morran’sobe 
Kimnkheit, GUose 174. 179. 
181 (2). 571. 754 (2). 755. 
968. n. Saroomatose 92. 
>- Tborazbildong 181. 752. 

— mit akromegaliscben Er* 
seheinungen 564. — Trans 
Morran cf. Morvan'acbe 
Krankheit and Tranma 
752. a. tranmat. Böcken* 
markser^nkong 745. —* 
mit totaler Hemianüthesie 
752. a. Spontanfractor 
752. — a. Arthropathie cf. 
diese. — Form o. Ansbrei* 
tang der SenaibUitätsstöran* 
gen 758. — Sensibilit&t 966. 

Syatemerkranknngen, combi* 
nirte 469. 470. 955. 

^^bes 551.554.— experünent 
Eneogang 429. — Sym* 
ptomatologie 17.555.— 
Frühsymptome 560.— srahi- 
litiscbe 295. — Anästnesie 
553. 554. — Analgesie der 
Testikel 16. — Oeracb and 
Geschmack 18. — Arthro- 

f »athie ef. diese. — Sensibi* 
ität 17.18. — des Kampfes. 


17. — im Gesicht 667. — 
Dermographismoa 555. — 
Patellorrraexe 17. 140. — 
Haatrefiexe 140. — Blase 
671. — gastr. Krisen 17. — 
Herpes zoster 556. — Nagel* 
erktraknng 1104. — and 
Hysterie 17. 622. — a. Epi¬ 
lepsie 555. — o. Paranoia 
554. — Biernactd’eohes Sym¬ 
ptom 18. 141. — Gtmg* 
stSningen 560. — Aetio* 
logie. Syphilis 16. 559. — 
Heridit&t 20.556. — jagend* 
Alter 80. 556. — in Abis- 
sinien 137. — Trauma 519. 
— Aortenerkranknng 555. 

— bei Hann o. Fraa 657. 
— XL Paralys. agitans 718. 

— im jagendUohen Alter 
956. — Pathologische 
Anatomie 15. — Spinal* 
ranglienzellen 2. — Hintere 
Warzein 548. — Vorder- 
hornzelleo 550. — o. Para¬ 
lyse 621. — Verlaaf gut¬ 
artig und bösartig 553. — 
Therapie 20. — Dehnung 
des RQokenmarkes 19. — 
Frenkel'sohe Methode 21. 
480. — Sperminom Poehl 
21. — Bewegungstherapie 
664. 665. 

Tachypnoe, hyster. 876. 
Taubnelt anMwasste 808. — 
psychische 806. 
TaaMomme, Halludnationen 
28. 

Temperator of£ilte* mW irme- 
sinn, Hj^tbermie. 

Testis of. Hoden. 

TeUnie 272. 876. 968. — im 
Kindesalter 273 (2). — xmd 
Phospborrergiftang 273. — 
mit javenilem Totwtar 272. 

— o. Hysterie 518. 600. — 
XL Schwangersohaft 953. — 
Tbyreoidinbehandlxing 953. 

Tetanos 657. 658. 718. — 
hydrophob. 146. 659 (2). — 
AntitozinbebandL 569. 658. 
1137. — traumaticxu 1062. 

— rheumatischer 658. — 
ZelleoTe^derang 860. — 
BflokenmarksTeränderaagen 

948. - pathoL Anatomie 

949. —anntoxische Wirkxing 
des Centralnerrensystems 
1004. 

Tetanus fiunatis 1187. 
Tbalamxu optioxu, Endigxing 
Ton ffinterstrangfasern 160. 
— Herd m secundäre De¬ 
generation 570. — 0 . Seh- 
strahlnng 609. — Apoplexie 
865. — Physiologie 1148. 


Tbomsen’sche Krankheit cf. 
Myotonie. 

Thorax bei Syringom. 181.752. 
Tbyreoidin 271 (2). 284 (2) 
of. Gland. thyreoid., Bom* 
dow^sche Knuikheit, Myx¬ 
ödem, Tetanie. 

Tic durch • Trauma 327. — 
—conTulsif ef. Facialiskrampf. 
Torticollis, hysterischer 905. 
Toxieomanie 234. 

Toxine, Einwirkxing auf Ner- 
rensystem 237. 

Trabs cf. Corp. callosum. 
Traotus isthmo-striatos 300. 
Tract opt. cf. Opticus 817. 
Traxun bei Epileptikern 321. 

651. — bei Hysterie 651. 
Traxima of. Hysterie (Aetio* 

logie), Eisen^nunfÜle. — 
und pr(^. Paralyse 41. — 
T.&hmnT>g desPlex. brachialis 
50. — XL Enoephalitis 868. 

— u. Apoplexie 742. — xl 
HirogesäiwalBt743.—Kopf- 
Terletzung 63.224.235.322. 
827. 364. 865 (2). 366 (2). 
707. 708. 806 (2). 809. 812. 

u. Porencephalle 623. 
707. — u. multiple Sklerose 
977. — XL Läsion der Cauda 
eqxxina 864. — u. Nerven* 
kmkheiten 878. — XLamyo* 
troph. Lateralsklerose 708. 

— u. PachymeningiÜs cer* 
vical. hraertr. 238. — des 
Vagus hypoglossxis xl Sym* 
pamons 874. — u. Brown* 
Söqnard’sche Lähmxing 288. 
Foüomyelitis ant 870 (2). 
— XL Bxübäraffection 239. — 
XL Nexxrasthenie u. Hysterie 
874. 914 ef. auch diese. — 
XL Epilepsie 821. 322. 650. 

652. — XL Hystero-Epilepsie 
710. — hysterische Tachy¬ 
pnoe 376. — hyst. Hemi* 
plegieen 877. — hyst. Stot* 
mra 878. — n. Masseteren* 
contractur 710. — u. Tic¬ 
krankheit 827. — n. alimen¬ 
täre Glycosxirie 888. — ex¬ 
perimentelle path. Anatomie 
des Nenrensystems 862. — 
Alterationen der Ganglien¬ 
zellen 363. — des Thorax 
u. Abdomen 707. — RQcken- 
marksenchtttterung 368. — 
des Böckens 864. 367. 371. 

— der Wirbelsäule 366.928 
cf. diese. — Rfiokensohmer- 
zen 372. — Dyskinesen 474 

— des Rfickenmarks 369. 
745. — Hämatomyelie 750. 
751.—STOUgomyelie 752. — 
Pseudo-Heningocele 861. 


Dig : /cd 3y CjOO^Ic 




1168 


Tretaor bei Paraljsis agit&ns I 
468. — Dach Inflneoza 468. 
— Pbjrsiolone 522. 
TrepanaöoD cf. Craniectomie. 

— des Rflckenmarkea ef. 
Lamioectomie. — des Schä¬ 
dels 224. 236. 810. 811 (2). 
812 (2). 818. 814. — bei 
Ej^ilepsie 821. 822.1186. — 
bei HirDbiatoDgen 864.—bei 
Hiro^bilia 974. 1098. — 
bei BirDgesehw&lsten 979. 

— bei Himeyste 1188. 
Trichoästbesiometer 1082. 
XrigemioTis cf. Liognalis. — 

spinale Wnrsel 4^. 754. — 
VerUnf 1041. 

Trinker cf. Alkohol. 

Trional 957. 

Trismus, compUeirt mit Ge- 
8iohtal&bmnng146. ~ bjate- 
riens 908. 

Trocblearis, period. Paralyse 
78. — Ursprung 454. 
Trochleariskem 1002. 
Tropenklima u. Nenrensystem 
808. 

Tr^hisebe Fasern a. hintere 
worzeln 547. 

Tronkaneht 128. 129. 180. 284 
cf. AlkohoUsrons. — Thera¬ 
pie 183. 

TnWeulose, Neuritis 1006. 
Typhös n. Epilepsie 654. — 
u. Hemiplepe 866. 

Veberbflrdnng 920. 
Unfallgesetsgebong 740. 
Unfallskranke 73. 868. 740. 
7.50.1067. — MnskeUchwnnd 
709. — cf. Trauma. 


Urämie und Nervenzellen 70. 
— nervbse Symptome 607. 
— Psychosen 826. 

Urin ct Annrie and Inconti¬ 
nentia. — Betention psjeho- 

S athoL Form 884. ^ bei 
reurasthenie 1081. 

Vagus d Aceeseorins. cen¬ 
trale Endigungen 697. 
Vaguskem 188. 
Vasoconstrictoren im Aorieu- 
laris luagnns 456. 
Vasomotorische Fasern der 
oBteren Extremitäten 171. 
— StOrongen bei Hysterie 
912. 

Verbigeration 1115. 
VerrQekthdt cf. Paranoia. 
Verwirrtheit 428. 471. 
Vibrationstberapie 141. 
Vorderhomzellen 549 cf. Ner- 
venzellen. ^ während der 
Thätigkeit 737. — bei Wir¬ 
kung Ton Nareotids 1181. 

bei Geisteskranken 550. 
~ bei Tabes 550. — bei 


Chromatolyse 789. 

Wärmesinn 411 (2). 
Wandertrieb 964. 
Weigert-Pal’sche Färbung cf. 

Fammethoden. 
Winterschlaf 1180. 
Wirbelearies 818. 
Wirbelentsflndnng, tuberculOse 
662. 

Wirbelfractur ef. Trauma, 
Wirbelsäule. 
WirbelgeschwUlste 820. 


Wirbelsäule cf. Kyphose. - 
Verwaebsongeo 366.367. - 
hereditär traomat Terinde- 
mngen 867. — ankylonrende 
Entsfindung 706.828.1144. 
— Osteomyelitis 709. - 
Bruch 755. 928. 
Wortblindheit 219.714.805(2). 
Wortetammbeit 215. 
Worttaubbeit ef. senaoriKlie 
.Aphasie 729. 808. 
Wflrgreflex bei Paralyse 24. 

-> bei Hemiplegie 231. 
WarxclD.hintere,Darcbseboei- 
düng deraelben 14. 547. - 
Veriauf im CerTMahDark4S4. 

— bei Tabes 548. — bei 
schwerer Anstrengui^ 617. 

— motor. FuDctMDen 699. 
— Tiscero-motor.Funetioseo 
699. — peripberisebe Vv- 
zweigung 1041. 

üümthom 78. 

Zeroetomie 913. 


Behenreflez 649. 866. 

Zelle cf. NerrenzeUe. 

Zittern cf. TVemor. 

Zoophilie 1056. 

Zoophobie 1056. 

Zureehnongsfthigkeit der Hj' 
sterischra 961. » Tsmu- 
derte 1016. 1108. 

Zwangsbeweguogen 473. 

Zwaogsudht 829. 

ZwangsTontellungen im Eia 
deealter 7. 144. 1067 d 
EreuthopfaoUe. 

Zwei^rwuc^, Auge dsbei tSi. 


Druck TM Metsfcr A Wlttlf ln Lsipriip 


-Btr-- I.,/ Google 




Kurhaus für Nerven- und Greniüthskranke 

in Neckargemünd bei Heidelberg. 

Prospekte durch die Besitzer und leitenden Aerzte 

Dr. Richard Fischer. Br. Ernst Beyer. 




J 


jP WißSlläl Bfl Lßhr’sche Kuranstalt Bad Nerothal. 


Für Netren- u. chronische Krankheiten. Alle ^ysikalischen Heil¬ 
methoden (auch Thermalbäder). Civile Preise. Prospekte franko. 

Sanitätsrath Or. Ritscher’s 

Wasserheilanstalt Lauterberg (Harz). 

— Das ganze Jahr besucht. Prospecte. - 

Dl”. Otto Dottma.!*. 

-- ^ I ■. I . I, .« . . . I , ■ I.»- 

Wasserheilanstalt Marienberg 

ZU Boppard am Rhein. 

Gegründet 1839, aaf's Zweckmässigste eingerichtet Näheres dnrcb 
ausführlichen Prospect 

Dirig. Arzt Dr. C. E. Hoestermann. 


Villa Emilia 

zn Blankenburg im Schwarzathal (Thüringen) 

Heilanstalt für Nervenkranke 

(früher Sanitätsrath Dr. Bindseil) 

Ut das ganze Jahr gedfihet. ^ 

JJj, öheinalfl 1. Assistenzarzt von Herrn Hofrath Professor t 


Dr. Binswanger in Jena, 


Kurhaus Villa Friede. Ballenstedt a. Harz. 

Pension und Heilanstalt für Nervenkranke und Erholungsbedürftige. 
Geringe Patientenzahl, engster Familienanschluss. 

Prospecte durch den Oirig. Arzt und Besitzer Dr. Barteis. 


^ »E R-KU 

Y f Wasserheilanstalt Sophienbad zn Reinbek (nahe Uamborg). 

' Slectro- n. Pneamatotherapie, Gymnastik, Massage, Diätkuren. Dr. Faul Hennings. 

f* Sanatorium Elsterberg | 

^ — »iloh». Vojgtlfiiicl — ^ 

A Specialanstalt fUr Alkohol- und Morfiumkranke. ^ 
Prospecte kostenfrei. Dr. li, JtÖmer, 

r‘ Wasserheilanstalt Godesberg 

^ groesentbeils renovirt, ist das ganze Jahr geöffnet. Geisteskranke ausgeschlossen. ^ 
^ Näheres durch Dr. Staehly Butin. » 




































Die Curanstalt für Nervenkranke 

in Blankenburg am Harz 

bietet Nerveakranken. Erbolongsbedürftigea und an leichten Verstimmangs- 
ZustAnden leidenden Patienten einen geeigneten Aufenthalt in mittlerer ge- | 
schützter Gebirgslage inmitten der besuchtesten Punkte des Harz-Gebirges. 
Näheres durch Prospecte. Sanitäterath Dr. Otto Müller. Dr. Paul Rehm. 


Wasserheilanstalt Soiineberg i. Thür. 

gegründet von San.-Eath Dr. Bichter. 

•ft Sanatorium für Nervenkranke. * 

Das ganze Jahr hindurch geöffnet. 

Prospecte durch den dixig. Arzt u. Besitzer Dr. med. Bauke. 

0 Kurhaus Bad Nassau o 

C Wasserheilanstalt, das ^anxe Jahr hindurch geöffnet. Für Rheuma- 0 
0 tismus, Nerveuleiden, Yerdauuugsstorungen etc. 0 

Leitender Arzt; Dr. E. Poensgen. q 
ooooooooooooooooooooooooooooooooc 


Haus Hockenau bei Eberbaeh am Keekar (Baden). 

Heilanstalt für 

Alcoholkranke u. Morphiumkranke 

der besseren Stände. 

Prospecte sowie n&here Auskunft durch den Besitzer und dirigirenden Arzt 
Dr* O. Fiirer, vorm. Aasistent von Herrn Prof. Kripelin in Heidelberg. 


I)r. W. Balser’s Sanatorium Köppelsdorf 

bei Sonneberg in Thüringen. 390 Meter über dem Meer. 

Behaglich eingerichtete, dicht am Walde gelegene, das ganze Jahr geöfinete, fand^-t- 
Anatalt für Reconvalcscenten, Erholuiigsbedürttige, Blutarme und Nervenkranke. 

Dr. Putzar’s Kurhaus Bad Königsbrunu I 

I bei K6nl^teln (S&ohe. Sohweii). t 

I = Mildes Wasserheil- und Korrer&liren. ~ Torzügliche Verpflegung. = j 

I Das ganze .Jahr hintiurch geöff'nei. | 

I AnsfUhrl. Gratis-Prospokte d. d. ärctl. Leiter: Dr. Putear n. Dr. Winchenbach. | 

Dietemnühle Wiesbaden. 

lorbaas f. NVrveokraiike u. krankbeltcD d. Stoffwerhsels. fieisteskraoke aosgeschlosscL 

Wasserkur. Dampfbäder. Dampl'doucke. Wiesbadener Thermalbäder. KiefemadelbsAr. 
Sool- n. Moorbäder. Fangobehandlang; Elektrotherapie; I-Vanklmische Douche; elek^>^» 
Bader. Massage und Heilgymnastik. Pncnmatische Glocken. Diätkuren. MilchJninuisiai:. 
Personen-Anfeog. Das ganze Jahr geöffnet und besucht. Näheres im Prospect. 

San.-Rath Dr* C. W* Müller, dir. Arzt. Dr. Bert>ea*ioli. 


uikd >V fksse1a.11: 

Bad Suderode a. Harz. 

Winterkur, mildes Geblrgs-Rllma. 

Siiuitäts^b, Dx- Pelisaea. 








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