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NEUK0L0GISCHE8
CENTRALBLATT
ÜBERSICHT
DEB
LEISTITNGEN AUF DEM GEBIETE DEB ANATOMIE,
PHYSIOLOGIE, PATHOLOGIE UND THEBAPIE DES NEEVEN-
SYSTEMS EINSCHLIESSLICH DEB GEISTESKBANKHEITEN,
HERAUSOEOEBEN
TON
Db. E. MENDEL,
PROmSOB AN DSB UNITEBBITÄT BERLIN,
SLBBZEHNTER JAHRGANG.
MIX ZAHLREICHEN ABBILDUNGEN IM TEXT.
Leipzig,
VERLAG VON VEIT & COMP.
1898.
Dig g/od oy Google
Dnek von Uetffer A Wittig Id Ltfpdfi
DiH'!i?od oy Google
1- :;St der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie
Therapie des Nervensystems einschliesslich der Geisteskrankheiten.
im
Sirtoekiler
Heraiugegeben tod
Professor Dr, E. Mendel
ZQ Bertio.
Jahrgaug.
encheineo zwei Nummern. Preis des Jahrganges 24 Hark. Zu beziehen durob
r^chluuidlangeB des In* und Aaslandes, die Fostanstalten des Deutschen lleichr.
sowie direct ron der Verlagsbachhandlnng.
m.
1. Januar.
Nr. 1.
Leitizlg»
Verlag von Veit & C o in |.
_ 1898. _
_ ANKÜNDIGUNGEN.
Bekanntmachung.
Die Stelle des I. Assistenzarztes (Oberarztes) an der yon mir ge-
arteten Klinik ist znm 1. April n. J. anderweitig zu l>e8etzen. Promovirte
Aerzte, die gründliche Kenntnisse in der Psychiatrie besitzen, in der Neuro¬
pathologie nicht ganz unbewandert sind, sich entweder bereits habilitiit, oder
dodj für die akademische Laufbahn vorbereitet haben und die sich um diese
Stelle zn bewerben beabsichtigen, w'ollen ihre Meldungen unter Beischluss
ihiw Papiere recht bald bei mir einreichen.
Halle a. S., 18. Decbr. 1897. Prof- Hitzig,
Ditccior der Psyebutr. u, Nerveniclinik.
Amtliche Bekanntmachung.
Die pensionsbereebtigte Stelle des Directors der hiesigen Irrenanstalt
iSt Jüi^enasyl). deren Verlegung aufs Land demnächst erfolgen wird, ist
ZU besetzen. Das jährliche Gehalt beträgt 8000 M., steigend nach je
5 Jahren um 800 M. bis zum Hdchstbetrage von 10400 M., neben freier
Wohnnng. Der Dienstantritt soll spätestens am 1. Juli, womttglicb jedoch
• hon fr^er staitßnden.
Schriftliche Bewerbungen sind bis zum 1. Februar k. J. bei der Re-
^emngskanzlei, Stadthauszimmer 21, einzureichen.
Bremen, den 23. December 1897. Die Regierangskanzlei.
Neurol.-psych. geb. Arzt, 34 J., ev., mit s. guten Zeugn. (auch Physic.)
EmpC, l&ngj. Anstaltserf.. noch als Vertr. d. dir. Arztes in Stell., wünscht
Leiter od. Theilh. a. e. Privatanstalt f. Nerven- od. Geisteskr. z. w. Adresse
nennt Rudolf Mosse. Köln.
-r-ag-
^ Neurologische Centralblatt
niooatlich xwctniai and «teilt »ich dio Aufgabe, neben kurten Origiual-Mitüioi-
etaen Oberblick Uber die getaminte euuchlügige Litteratur dea In- und AuHlandcs,
nexirologischen Jabreaberioht zu liefern. Wieweit der Redaktion die!>ea Ziel zxi
«wwirklK'hfn gelungen üt, dafür legen die sechzehn abg^chlossen yorliegondon Jahrgänge
ZngxiiAa ab. t’nterttUtzt von den bewahrten ständigen Mitarbeitern, von denen wir bervor-
kekea: Dr. t. Adler (Berlmh Dr. Alzheimer (Frankfurt a. M.), Dr. AsCh (Frankfurt a. M.), Docent
I Itr. Aeehaffeeburg (Heidelberg), Pmf. y. Bechlerew Petjer 8 l^^>,y|lk,,^^r (Leipzig). Dr. Beyer
s.._ O'
AnkündijruDg des Neurologischen Centralhlattes.
(Forfsetsmig von S. 1.) ^
(Hoidolberg). Dr. BieUchowsky (BrcslAti), Dr. Bielschowsky (Horlin), Prof. Blnswanger. Dr. Bloch ■
(Berlin), Dr. Boedeker (Hcnbertro b. Berlin), Dr. Bresler (Froiburg i.Schl.), Dr, Bruns (UHnnovor),
l‘r. P. Cohn, Dr. T. Cohn (Berlin), Dr. Cohnstein (Cliarlottonburg), Dr. 0. Oornblüth, Prof. Erb,
Prof. Eulenburg, Dr. Flafau (Berlin), Prof. Paul Flechsig, Docent Dr. v. Frankl-Hochwart (Wien),
Dt. Frenkel (Heiden), DocentDr. Freud (Wien), Dr. Freund (Breslau), Dr. Friedländer (WioKhadon),
Dr.Friedmann(Mnunbeini), Dr.6iese(St. Petersburg), Dr. Goldbaum (Warschau), Dr. Grube (Neuen*
a)u), Dr. Hatschek (Wien), Qeh. Medlzinalratb Prof. Hitzig, Docent Dr. Hoche (Strassburg i. K.),
Dr.iacobsohn (Berlin), Prof,Dr.Jendräs8ik(Budapest), Dr. IlbergfSonnenstein), Dr.Kaes(Hamburg),
Dr. Kalischer (Berlin), Dr. Kaplan (Herzberge), Prof. Kraepelm (Heidelberg), Dr. Krauss (Buffalo),
Dt. Kronthal (Berlin), Dr. Kuh (Chicago), Dr. Laquer (Frankfurt a. M.), Banitäterath Dr. L. Leh*
mann (Oeynhausen), SanitKtarath Dr. Leppmann (Berlin), Dr. Lewald (Kowanowko), Dr. Liepmann
(Bj-eslaii), Dr. Lilienfeld (Gr. Lichterfolde), Dr. Meyer (Chicago), Prof. Dr. Moeli (Herzberge
h. Berlin), Prof. Dr. v. Monakow (Zürich), Dr. Näcke (nubertu.sburg), Dr. Nonne (Hambui^),
Dr. Passow (Strassburg), Dr. Pfeiffer (Cassel), Prof. A. Pick, Docent Dr. Redlich (Wien), Prof.
E. Remak (Berlin), Dr. Richter (Hamm), Docent Dr. P. Rosenbach (St. Petersburg), Prof. Dr.
Roth (Moskau), Dr. Rothmann (Berlin), Prof. Th. Rumpf (Hamburg), Dr. Sachs (BresUii), Prof.
Sachs (New York), Dr. Saenger (Hamburg), Dr. Samuel (Stettin), Docent Dr. Schaffer (Budapest),
Docent Dr. Schlesinger (Wien), Dr. Schneyer (Bukarest). Prof. F. Schultze (Bonn), Prof. Dr.
R. Schulz (Braunschweig), Mcdizinalrath Dircctor Dr. F. Siemens (Lauonburg), Dr. Smidt
(Krcuzlingen), Director Dr. Sommer (Allenberg), Dr. Sorgo (Wien), Dr. Stieglitz (New York), ,
Prof. V. Strttmpell (Erlangen), Dr. Valentin (Berlin), Dr. de Watteville (London), Dr. Weit
(Stuttgart), Director Dr. Zander (Rybnik), Prof. Dr. Ziehen (Jena) — winl da« „Neurolo-
gisohe Centralblatt** auch femerixtn den gleichen Weg wandeln, den die «teta wachaendo
Abt)imentenzahl im In« und Auslande als deu richtigen anerkeniTen lässt,
Bestellungen auf das „Neurologische Centralblatt** nehmen alle Buchhand¬
lungen des ln- und Auslandes, sowie die Postanstalten des Deutschen Reiches entgegen. Der ,
Preis ftlr den Jahrgang von 24 Nummern beträgt 24 Jf, direct von der Verlagsbuchhandlung i
unter Kreuzband bezogen derselbe Preis. J
Ankündigungen oQener SMlen, sowie überhaupt von allen da« AnsfaltsveteJi be-Jj
treffenden Adgolegenheiten, von Bädern, Kurorten, litierariseken Ertcheinungen, neuen'
Ineii'umrnten u. s. w. finden durch das Neurologische Centralblatt die zwcckentsprechendet|^
Verbreitung. Der Preis der durchlaufenden Petitzeile beträgt 50
Leipzig. Die Verlagsbachhandiimg: Veit & Comp.
Farbenfabriken vom. Friedr. Bayer k Co,, Elberfeld.
Trloiiäl Sonidfosß
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Dosik: l.O—l.tO gr. (bei älania gr.)
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DosU: für Kinder Vt_S gr. laclicb.
für Erwachtene 6—IS sr. lacHch.
FEB 26 1888
Ue^isrs^ der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie
und Therapie des Nerven^tems einschliesslich'der Geisteskrankheiten.
Heransgegebeo von
Professor Dr. E. Mendel
Swta«i>ter ” Jahrgang.
XsMbch eitcheiDen awei Nammern. Preis des Jahrganges 24 Mark. Zn beziehen durch
iSefo^handlungen des Io» und Auslandes, die Postanstalten des Deutschen Beichs, sowie
. direct von der Terlagsbuchhandlung.
189S. 1. Januar. Nr. 1.
t. O^inalmitlheilungen. V. Das Verhalten der SpinalgaDglieuzellen bei Tabes auf Grund
Sissfs Färbung, von Uoc. Dr. Karl Schaffer. 2. üeber ZwangsTorstellungen, von E. Mendel.
IL Referat«. Anatomie. 1. Dntersnohungen über den histologischen Bau der Ciliar*
KTteo, TOD Hahn. — Experimentelle Physiologie. 2. On the regencration of pre*
ft^ieeic and of post-ganglionic visceral nerve fibres, by Langley. 3. Zur P^siologie
eer Haniblase. von Schlesinger. — Pathologische Anatomie. 4. Ein Fall von
ncuBgealef Perlgesobwnlst, von Nehrkorn. 5. Du craue chez les alienäs, par Rey. 6. The
(A ...Vscendiog degeneration“ ou tbe nerve cells of the ganglia ou tbe posterior
MTve roots. and the smterior coruua of tbe cord, by Fleming. — Patho*logie des
.^rrreneystems. 7. Ueber Fehlen der Papillarreaction bei vorbandeuer Li<rhtempfia-
TOD Brixa. 8. Tbe patholo^ of tabes dorsalis. A critical digest, by SpMler.
>■ Kote sur le retour de la eeoBibilitä testiculaire dans le tabes, par Büot et Sabrazil.
10. beitr^ zui AetioI<^e und Symptomatologie der Tabes dorsalis, von Tumpowskl. 11. Ueber
^iodisebes Erbrochen bei Tabeskranken (gastrische Krisen), von Oitankow. 12. L’asaociation
tjvteru-tabetiQae, par Vlraa. 13. Anaestbesia of the tnink io locomotor atazia, by Patrick.
14. Senorj disturbaoeee in locomotor ataxia, by Sonar, l.*:. Los troubles du goüt et de
Vadorst «Imm. le tabes, par Klippel. 16. I/älongation vraie de la mo6lle dans Io tabes, uar
le ti Tearett« et Cliipa*>lb 17. Tabes juvenile et tabes bereditaire, par Raymond. 18. Ueber
des gegeowärügeo Stand der Behandlung der Tabes dorsalis. von Eulenburg. 19. Traitcment
4t ratazie dans le tabes dorsalis par la räeducation des mouvements (mätbode de Frenkcl),
par ürtchharg. 20. Zwei Fälle von Tabes dorsalis mit Sperminam*Poebl behandelt, von
Bvtiofcy. 21. Chronische fortschreitende At^eomuskellähmung und progressive Paralyse,
SitaMrtiag und BSdeker. 22. Note sur un cas de pachyniäningite hemorrhagique priae
;»nr one paraljsie gdndrale, par Boiliier. 23. Ueber Pruritus als Symptom der progressiven
P&ralrse. von Sarhd. 24. Contiibution ä l’etude du räüexe pbaryngieu etudiä cbez les mämes
nak'ies aox trois periodes de la paralysie genärale, par de Moniyel. 25. I. Sur la päriodo
tenniaale de la ps^yeie gdudrale et sur hi mort des paralytiqnes gänäraux, par Arnaud.
11. PöHodea terminales et mort dans les soidisant paralysies generales progressives, par Parii.
^1. Us cas de maladie de Friedreicb avec autopsie et ezamen histologique, par Simon.
ft. Three cases of Friedreich'a disease all presenting marked in crease of tbe knee-jerk, by
28. Remarks on Friedreich’s Atazia, with notes of three canes, by Bramwell. —
Psyebiatr-ie. 29. L’assistance et le classement des alienes en Belgique, par Peeteri.
30. Sur lee ballocinations ermboliqucs dans les psyeboses et dans les räves des soiirds*
aaets. par Sanjuaii. 31. Ueber Zustände von Verwirrtheit und Aufregung oder Stupor im
Beginne und Verlaufe der ebronisebeo Paranoia, von Kraule. 31. Acute manic. door van Erp
TaMun Kip. 33. Traitement de la manie, par Magnan. — Therapie. 34. Ueber die Wirkungs*
veise des Pjramidon bei verschiedenen Krankbeitsznständen, von Rofh. 35. Lumbalpunction,
iipiBalpnnctioD. von Goldichelder.
m. Aas deo Seielliehaftsn. Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrank*
^'Atsa. Schluss.) — Verein fbr innere Medicin in Berlin. — Psychiatrischer Verein zu
Berlin. — 28. Versammlung der eOdwestdeutschen Irrenärzte in Karlsruhe am 6. und 7. No*
•«aber 1897.
IV. Vermischtet. — V. Periontlien.
1
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2
L Originalmittheilungen.
[Mittheilung aus dem bistolog. Laboratorium der Nervenabtheilung des haupt-
städt. Siechenhauses „Elisabeth“ in Budapest.]
1. Das Verhalten der Spinalgangliefizellen bei Tabes auf
Grund Nissl’s Färbung.
[Vorläufige Mittheilnng.]
VoD Doc. Dr. Karl Schaffer, Ordinarius der Abtbeilung.
Die Frage über das Wesen der Pathogenese der Tabes erfulir, wie bekannt,
in den letzten Jahren durch die Untersuchungen von Bbdlich^, Oberstbiner
und Redlich ^ sowie von J. Naoeotte’ ^ne erneuerte Bearbeitung, welche die
frühere Anschauung über eine primäre degenerative Strangerkrankung als hiu<
fällig erscheinen lässt, und die primäre Läsion bei der Tabes in die hinteren
Wurzeln localisirt. Insbesondere war es P. Mabib^ welcher als Erster scharf
betonte, dass gemäss der neuesten wissenschaftlichen Auffassung primäre
Strangsclerosen, d. h. Strangaffectionen ohne vorausgegangene Zellerkrankung
nicht ezistiren, da eine Strangerkrankung nur auf Grund der Läsion des respec-
tiven Centrums entstehen kann. Somit richtete sich die Aufmerksamkeit auf
die Urspruugsstätte der hinteren Wurzeln, d. h. auf die Spiualganglien, deren
genaueren Untersuchung sich in erster Linie Wollenbbso hernach Stboebe *
unterzog. Die sehr gewissenhaften Untersuchungen von Wollenbebu ergaben
die Schrumpfung und auffallende Pigmentirung der Spinalganglienzellen, sowie
die Trübung und Verfettung deren Protoplasma. Stboebe, der seine Präparate
nach WsiOEBT und mit van Gieson’s Hämatoxylin-Carmm färbte, fand an
den Spinalganglienzellen Schrumpfung und Verkleinerung des Zellleibes, abnorm
dichtes, hervorgewölbtes Protoplasma, hochgradige, als patbolc^sch anzusebende
Pigmentirung des Protoplasma oft gerade in geschrumpften Zellen; Vacuolisirung
und Zerklüftung des Protoplasma; am Kern eckigen, zackigen Contour, gelappte
* Die hinteren Wurzeln des Rückenmarks und die patbol. Anatomie der Tabes dors.
Jahrb. f. Psj'cb. 1892, sowie: Die Pathogenese der tabiseben Bfickenmarksentartang. 1897.
G. Fischer. Jena.*
’ Ueber Wesen und Pathologie der tabiseben Hinterstrangserkrankang. Arbeit aas
OBBRSTBiNBa’s Laboratoriani. 1894.
' Sur la Msion primitive du tabes. 1895. Paris. Steinbeil edit.
* Le^ons sur les uialadies de la moelle etc. 1892.
^ Untersuchungen über das Verhalten der Spinalganglien bei der Tabes dors. Archiv
f. Psych. 1892.
* Ueber Veränderungen der Spinalganglien bei Tabes dors. Centralbl. f. allg. Pathoi.
Q. patbol. Anatomie. 1894.
D g !i/od oy GOO^ IC
3
Eefsfom. abnonn starke Färbbarkeit des Kerns, zackiges Kerbkörpercben,
Biikslieb totalen Kernscbwond und Untei^ang der ganzen Ganglienzelle.
fma: Erwdtenmg dea Kapselraumes, Wuchening der Kapselwandzellen, welche
jßBaam auch ausfüllen können. Das interstitielle Gewebe der Ganglien zeigt
taie bedeutende Znnahme und Eemwucherung. Redlich (1. c.) fand vergrössert
«dtmeade Spinalganglienzellen mit hellem Protoplasma, öfters mit Yacuolen,
knter gesefammpfbe Zellen mit stärker ge&rbtem Protoplasma, der Kern oft
imdeQtlich. „Einzelne Zellen sind auch ganz ausgefallen.“ *
Ke Ton WoiinKKBSiBa und Stbobbe wie Reduch gefundenen Verände-
erfahren eine verschiedene Beurtheilnng. Während nämlich Wollen*
EE 16 dieselben ^iel zu gering schätzte, um sie für die primäre Läsion der Tabes
io^iedien za können, äussert sich im Gegensatz Stboebe folgend: „Die Befunde
iD den Ganglien^Uen dürften . . . wohl genügen, um mit P. Marie die primäre
Eriiankung bei Tab^ in die Spinalganglienzelleu zu verlegen und die Degene*
ntioD der Hinterstrange als eine hiervon abhängige secundäre Degeneration an-
zü5ebeiL“ Doch beeilt sich selbst dieser Autor hinzuzusetzeu: „Gegen diese
.Vnnahme spricht indes vorläufig der'nicht proportionale Grad der Erkrankung
der Hinterwurzeln und der sensiblen peripheren Fasern am Ganglion.“ Redlich
inssert äch treffend in folgender Weise: „Ein sicheres Urtheil über die Läsionen
der Sfänalganglienzellen bei der Tabes wird sich erst dann abgeben lassen, wenn
ausgedehnte 'Untersuchungen mit der NissL-Färbung vorliegen werden.“
Somit steht die Fr^e über die Rolle der Spinalganglien bei Tabes momentan
derart, dass einerseits wohl fondirte theoretische Erwägungen uns dazu zwingen,
m die Spinalganglien die primäre tabische Läsion zu verlegen, während ander-
Mts die tbatsächlichen histologischen Funde an den Spinalganglienzellen absolut
oieht als ausreichend zu bezeichnen sind. In Anbetracht dieser Sachlage musste
ich mir die Frage vorlegen, ob denn die modernen Zellstructurfarbnngen, nament¬
lich Xissl’s Tinction, uns nicht eines Besseren belehren dürften, umsomehr, da
wir in Lenhos8£k’s trefflicher Arbeit „lieber den Bau der Spinalgang-
l.enzellen des Menschen“^ eine vorzügliche Grundlage zur Entscheidung
der oben aufgeworfenen Frage besitzen. ^ entschloss ich mich bereits 1896,
die tabischen Spinalganglien mit Hülfe der NissL’schen Färbung zu unter-
j-uchen- Zur Analyse gelangten drei l’alle von Tabes, wovon ein Fall be-
zi^lich der Intensität der Hinterstrangsaffectiqn als beginnend zu bezeichnen
ist, während die übrigen zwei Fälle Vertreter der absoluten Tabes waren,
h. durchgreifende Entartung sämmtlicher hinteren Wurzeln des Rückenmarks
darhjteu
' Da nun die Beurtheilung der etwaigen Veränderungen der Spinalganglien-
zelleu in erster Linie von der normalen Structur abhängig ist. so sei mir in
unr einigen Zeilen gestattet, die wichtigsten Sätze aus LenhobsBk’s klassischer
Beschreibung vorzuführen. Ich beschränke mich hierbei einzig auf den färb-
oaren Bestandtheil des Zellkörpers, von Lenuossek nicht ohne Grund „Tigroid“
* Areb. f. mtkroskop. Aoatomi«. 1897.
1*
Dig :i 70 d
Google
4
iDenacnt, welcher doch das eigentliche Substrat der NisSL’soben Tinctiou
bildet.
Ad normalen Spinalganglien constatirte auch ich, dass der Zellleib der
Epithelkapsel eng anliegt, sowie Schollen verschiedenster Grösse enthält, welche
„eckige, klumpige, verzerrte Figuren“ (1. c.) darboten. Die gröberen Schollen
befinden sich in der Form eines „Eandschollenkrauzes“ hart an der Peripherie
des Protoplasma und kommen lediglich durch die Zusammenlöthung mehrerer
kleiner Schellen zu Stande. Im Inneren des Zellleibes fand ich zumeist feine,
ja allerfeinste Körnchen vor. LenhossAe hebt die Ungezwungenheit der Lagerung
der Schollen hervor, und betont, dass er sich von einer ooncentrischen Schichtung
der Schollen beim Menschen nicht Überzelten konnte. Hiergegen sei die Be¬
merkung gestattet, dass ich an einzelnen, immerhin seltenen Spinalganglienzellen
eine Andeutung der concentrischen Lagerung bestimmt auffinden konnte (s. Fig. 1). —
Als wichtigen Fund LBNHossfiE’s möchte ich bezeichnen, dass er bezüglich der
Grösse und Anzahl der Schollen mehrere Zellenarten unterscheidet, besonders
Fiff. 1. Spinalgauglieozelle mit Ändeutong der coDceotriscbeu
ScbicbtQDg des Tigroids. Initiale Tabes. (Sämmtliche Figuren
sind mit der homogen. Immersion Vis b.SO und Ocnl. III
Reichert gezeichnet.)’
aber als zwei, besonders scharf autesprochene Typen 1. die helle Zellenart
und 2. die grobscholligen Zellen hervorhebt. Die helle Zelle besitzt einen
fast immer vorhandenen Randschollenkranz, während derselbe* bei den grob¬
scholligen Zellen, deren Tigroid „zerrissene, flockige Körper“ (1. c.) darstellt, der
Regel nach fehlt. Die grössten Zellen sollen nach LenhossAe nur selten
grobscheckig sein, welche Behauptung ich, namentlich für meine Präparate,
nicht als ausnahmslos zutreffend. fand. Jedoch sei hervorgehoben, dass zwischen
der bellen und grobscbolligen Zelle so zahlreiche Uebergänge existiren, dass ein
Schnitt aus dem Spinalganglion unter schwacher Vergrösserung ein sehr buntes
Bild darbietet. Dieser Umstand ist aus dem Grund sehr wichtig, da er bei
der Beurtheilung etwaiger pathologischer Verhältnisse von hoher Bedeutung ist:
finden wir nämlich in den tabischen Spinalganglien belle Zellen mit feinster
Kömelung, so bedeutet dieser Fund noch keineswegs Chromatolyse, d. h. einen
Process, welcher beispielsweise au den Vorderhomzellen so äusserst leicht nach¬
zuweisen ist.
Ich gehe nun zur Darstellung meiner Funde an den tabischen Spinal-
ganglien über.
P 1 „yGooglc
5
Als allgemeioes Resultat aus der eingehenden Untersuchung
der Krasii’schen Präparate ergab eich der höchst überraschende
TJiBstand, dass als bestimmt pathologisch anzusprechende Nerven"
zellen an den* tabischen Spinalganglien sich kaum welche vorfanden.
Die cbromatische Substanz, das Substrat der NissL’schen Färbung, weist
keine nennenswerthe Alteration auf. An den Spinalganglien absoluter Tabes,
wo die hinteren Wipeln die vollkommenste Entartung aufweisen, erscheinen
die Nervenzelleri der Spinalganglien in ihrer normalen Form, und zwar so be¬
züglich der chromatischen Substanz, wie auch des Kerns. Letzterer ist an den
normalen Präparaten ein helles Bläschen, welches, wie dies aus Lenhossäk’s
trefflichen Illustrationen hervorgeht, von einem hellen, schollenfreien Saum um¬
geben ist Nur höchst selten fand ich, wie dies Fig. 2 zeigt, eine Schrumpfung
und abnorme Form des Kerns; fast an allen durchmusterten Zellen fand sich
ft
V
Fig. 2. SpiDalganglienzelle mit RandBchüliea-
kmz; chromatische Schollen etwas blasser tin-
gilt. Zackiger Kern. F » Pigment mit ab-
geblassten chromatischen Körnchen besetzt
Abeolnte Tabes.
Fig. 3. Spinalganglienzelle; heller Typus
mit Randschollcnicranz. Zellkörper mit
äasserst feinen chromatischen Körnchen
besetzt; um den Kern hemm Pigment in
der Form von dnnklen, kugeligen Pünktchen.
Initiale Tabes.
an blasenformiger JCern vor. Die chromatische Substanz zeigt überall die normale
Form und Färbbarkeit, wie dies besonders aus einem Vei^leich mit normalen
Spinalganglien ^ schlagend hervorgeht. Freilich giebt es sehr verschiedene Bilder:
Nervenzellen mit relativ massigen Schollen, dann solche mit kleinen Körnchen,
welche gleiohmäasig den Zellkörper durchsetzen, schliesslich Nervenzellen mit
allerfansten Pünktchen chromatischer Substauz, welche eben nur am Band des
Zellkörpers zu masagen Schollen sich zusammenballen, um den bekannten Rand«
sehoUenkranz zu bilden (s. Fig. 3). — Das Pigment zeigt sich nirgends in ab¬
normer Asbänfung. Yacuolen sab ich niemals.
Bieten somit die tabischen Spinalganglien das normale Bild dar, so kann
ich jedoch einen Eindruck nicht verschweigen, den ich bei dem Vergleich meiner
> Herr Prof. v. LsmhossSk hatte die Güte, mir von seinen schönen Nonnalpräparaten
aioige za übersenden, wofür ich auch an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dauk ans-
ipreche.
,-.,Googlc
zwei Fälle von absoluter Tabes mit jenem von beginnender Tabes erhielt Ks
£el mir nämlich auf, dass die chromatische Substanz bei letzterer sich intensiver,
gesättigter färbt, während die Spinalganglienzellen von absoluter Tabes blasser
tingirt erschienen; Grösse, Anordnung jedoch erlitt keine Alteration.
Leere Kapseln, durchgewucherte Kapselzellen fand ich an meinen Präparaten
nicht. Ueberhaupt halte ich die Feststellung von interstitieller Wucherung eben
bei den Spinalganglien für eine höchst schwierige Aufgabe.
Meine Funde sind somit ganz nativer Natur; die Angaben Mabihesco’s
(welche ich aus Redlich’s MonograpMe kenne), d. h. den Untergang der chro¬
matischen Substanz, kann ich nicht bestätigen. Ich halte vielmehr dafür, dass
Spinalganglienzellen mit scheinbarem Schwund der NissL’schen Körperchen dem
hellen Typus entsprechende Exemplare sind. Bereits oben betonte ich, dass die
ungewöhnliche Yariabilität der chromatischen Substanz uns in der Feststellung'
etwaiger'pathologischer Veränderungen ungemein vorsichtig machen muss.
Somit lehrt Nibsl’s Färbung, dass zweifellose Veränderungen an den tabi>
sehen Spinalganglien fehlen. Beweist dieser Umstand sicher, dass die initiale
Läsion der Tabes nicht in den Spinalganglien zu suchen ist?
Die Bedeutung der chromatischen Substanz bei Beurtheilung des normalen
wie pathologischen Zustandes der Nervenzelle ist momentan dominireud. Mögen
uns Goldscheidbb’s und Flatau’s' neuere Untersuchungen auch vorsichtiger
machen, die allgemeinste und capitale Thatsache bleibt doch feststehend, dass
die Auflösung der chromatischen Substanz ein anatomischer Index der gestörten
Zellvitalität bedeutet. Von diesem Standpunkt aus müssen wir den Mangel von
Veränderungen der chromatischen Substanz in den Spinalganglienzellen als einen
Beweis dafür betrachten, dass die initiale Läsion der Tabes ausserhalb der
Spinalganglieu sich befindet. Hierfür spricht schon auch der Umstand, dass der
periphere Neuritast des T-Axenoylinders unverändert ist; würde die Spinal-
’ ganglienzelle der Sitz der initialen Läsion sein, so müsste nicht nur ihr centraler
Neuritast, d. h. die hintere Wurzel, sondern auch ihr peripherer Ast, d. h. der
periphere sensible Nerv, degeneriren, da doch die trophisebe Rolle des Spinal¬
ganglions wohl zweifellos ist. — Da nun einerseits aus Redligh’s eingehender
Darstellung der Wuraelcharakter der tabischen Hinterstrangsentartung sicher-
gestellt ist, anderseits aber so Nageotte’s, wie die OsEBSTEiNER-REDLiCH’scben
Untersuchungen Wurzelläsionen feststellten, zweifle ich nicht mehr daran, dass
der Ausgangspunkt der tabischen Ruckenmarkserkrankung, in Anbetracht der
negativen Funde an den Spinalganglienzellen, in den hinteren sensiblen Wurzeln
zu suchen ist. Ob nun Naoeotte’s Anschauung oder die Obebsteinbb-
REDLicu’sohe Auffassung die richtige ist, darüber^ möchte ich in einem
späteren Aufsatz mich äussem. Mit der Localisation der primären tabischen
Ijäsion in den hinteren Wurzeln, wobei der periphere Ast der Spinalganglien¬
zellen intact bleibt, stimmt aufs Beste die Experimentaluntersuchuug von
‘ Weitere Beiträge zur Pathologie der NerveDzellen. 2. Mittbeilaog. Fortschritte der
Medicin. 1897. Nr. 15 u. 16.
DiQ'iii’od
Google
7
Lr6A»l laat welcher die Spinalganglienzdllen bei Dorchtrennung des peri-
päcTHj eine tiefgehende Veränderung erfahren, hing^en normal bleiben,
hä dis Messer den centralen Ast traf.
2. Ueber Zwangsvorstellungen.*
Von E. Mendel.
«
Den Namen ^^Zwangsvorstellungen'* führte \y£8TPHAL im Jahre lb77 in
die dratsche Psychiatrie ein. Seine Definition lautete folgendermaasseu: „Unter
ZvaogsTorsteliungen verstehe ich solche, welche, bei übrigens intacter Intelligenz
uod ohne durch einen Gefühls- oder affectartigen Zustand bedingt zu sein, gegen
snd wider den Willen der betreffenden Menschen in den Vordergrund des
Bewusstseins treten, sich nicht rerscbeuchen lassen, den normalen Ablauf der
V(}rstellungeii hindern und durchkreuzen, welche der Befallene stets als abnorm,
ihm fremdartige anerkennt und denen er mit seinem gesunden Bewusstsein
gegenübersteht,“ *
Id Frankreich werden diese Zustände mit idäes obsddantes oder obsesaions
beschrieben. Eine klassische Beschreibung gab Mouel unter dem Namen der
däire emotif.*
Möbel trennte ebenso wie Westpual diese krankhaften Zustände völlig
TOD den Psychosen. Wie weit sich seitdem der Begriff verschoben hat, mag
tos der einfachen Thatsache hervoigehen, dass die neuen psychiatrischen Lehr¬
bücher von einer „Geistesstörung durch Zwangsvorstelluugen*' oder von einem
„Zwangsirresein** sprechen, und neuerdings als „Anancasmus** diese besondere
Form der Geisteskrankheit beschrieben wird.
Abgesehen davon wirkte der Name „Zwangsvorstellung** wie ein Schlagwort
in der deutschen Psychiatrie, und wie dies gewöhnlich in solchen Fällen geht,
überall sah man Zwangsvorstellungen, und mit Hülfe des griechischen Lexikons
und des Wortes Phobie construirte man eine Unzahl neuer Namen, und nur
m einem Bruchtheil der constmirten Krankheitsbilder ist noch ein Zusammen¬
hang mit der ursprünglichen WESTPHAL’schen Definition zu erkeunen.
Der Bericht, welchen die Herren Fitbes und Kfiais bei Gelegenheit des
mtematioualen Congresses in Moskau über das gleiche Thema erstatteten^, und
^ Salle alterazioDi delle cellale oervose dei gaogli Bpicali in seguitü al taglio della
branca periferica o centrale del loro prolangamento. Bivista di patologia nervosa e men*
tale. 18 » 6 .
* Nach einem in der 11. VeraamulnDg mitteldeatacber Psychiater a. Neurologen am
14. October 1S97 in'Halle gehaltenen Vortrage.
* Berliner klin. Wochensohr. 1897. Nr. 46.
* Da DeUre ^motif, nävrose da systdme nerveox ganglionnaire visceral. Arcb. gen. de
Med. 1866.
* S^iologie des obseeeions et des id^ee fixes. 1897. Bordeaux.
. Google
8
welcher iu der geistreichsten Weise die grosse Fülle des Materials behandelt,
lässt erkennen, dass auch in Frankreich nach äusserlichen Merkmalen ihrer Ent*
stehung und ihrer Bedeutung nach sehr verschiedene Dinge unter einem Namen
zusammengefasst werden.
Bei dieser Sachlage erscheint es mir als eine nicht unwichtige Aufgabe,
den Versuch zu machen, eine Verständigung darüber herbeizuführen, was mau
unter Zwangsvorstellungen zu verstehen habe, ob die WESTPHAL’sche Definition
auch jetzt noch aufrecht zu erhalten sei, ob das Gebiet der Zwangsvorstellungen
zu erweitern oder zu verengern sei.
Wie ich aus einem Bericht über die Naturforscher-Versammlung in Brauu-
schweig ersehe, hat dort Herr Dr, Rehm‘ bereits einen Versuch gemacht, eine
Klärung der Ansichten herbeizuführen, doch kann ich aus dem Bericht selbst
nicht entnehmen, ob und in wieweit seine Auffassung mit der meinigen sich deckt.
Als Zwangsvorstellungen sind bezeichnet worden:
1. Gewisse Vorstellungen, welche unter bestimmten äusseren Verhältnissen
mit grosser Macht auftreten und Angst hervorrufen, ja selbst zu gewissen Hand>
lungen zwingen. Hier wurde zu nennen sein die Gewitterfurcht, die Furcht im
Dunkeln allein zu bleiben, die Furcht über Nacht allein zu sein. Auf der
anderen Seite sind jene Eigenthümlicbkeiten zu erwähnen, bei jeder sich zeigenden
Zahl auf Droschken, Eisenbahnwagen u. s. w. sofort nachzurechnen, ob sich die
Zahlen durch 3 oder 7 oder 13 kürzen lassen (Aritbmomanie) u. s. w. Derartige
Zustände werden bei durchaus gesunden Menschen beobachtet Ich kann
nicht auf Grund meiner eigenen Erfahrung dem beistimmen, dass sie Zeichen
einer Degenerescenz seien. Oft lässt sich nachweisen, dass jene eben erwähnten
An^tzustande (Keraunophobie, Nyktophobie u. s- w.) durch eine fehlerhafte Er¬
ziehung hervorgerufen .wurden und dass jene Jlechensucht ihre Entstehung den
ersten Rechenkünsten in der Schule verdankt und dann zu einer gewissen
durchaus harmlosen Angewohnheit geworden ist Ebenso lässt sich das gewohn-
heitsmässige Hinzufugen gewisser Beschwörungsformeln (Onomatomanie) auf einen
aus der Jugend stammenden Aberglauben zurückführen, oder auf eine kindliche
Naivität, welche durch ein ausgesprochenes Wort einem künftigen Unglück
Vorbeugen will.
Eine der geistreichsten Frauen Deutschlands hatte bi8,zu ihrem Tode in dem
Worte „unberufen“ und dem Klopfen an den Tisch jene Beschwörungsformel.
All’ diese Augstzustände und Handlungen finden sich in der Breite der
Gesundheit Will man sie überhaupt Zwangsvorstellungen nennen, so mag man
sie als physiolc^ische Zwangsvorstellungen von krankhaften unterscheiden.
2. Man hat von Zwangsvorstellungen bei Geisteskrankheiten gesprochen
und als solche übermässig sich hervordrängende Wahnvorstellungen bezeichnet.
Entspricht hier die Bezeichnung Zwangsvorstellung nicht derjenigen Auffassung,
welche Möbel und Westphal von den Zwangsvorstellungen batte, so erscheint
mir der Gebrauch jenes Wortes als Symptom einer Geisteskrankheit nur geeignet,
* Neurolog, Centralbl, 1897. S. 969.
Google
9
Verwimmg anzoricbten. Ich holte es d^wegen für geboten, das Wort Zwangs*
Torstelhuig als das Symptom dner Oeisteskronkheit zu vermeiden.
3. Beamders häufig wird von Zwangsvotstellung gesprochen da, wo Hypo-
hondrie die eigentliche Grundlage des krankhaften Zustandes ist.
Für die Entstehung der Platzangst lässt sich fast regelmässig bei Kranken,
he sieh za bwbachten im Stande sind, Folgendes feststellen: Auf einem freien
Platze tritt plötzlich Schwindel oder Schwindelgefühl oder Herzklopfen oder das
von Ohnmacht ein, der Befallene geräth in die höchste Angst, weil er
fern von einer menschlichen Wohnung und unmittelbarer Hülfe sieht. Das
wachste Mal, wenn er denselben oder einen anderen grossen Platz vor sich
;idit, tritt in die Erinnemng das, was er zuletzt an jener Stelle erlebt und
üüt dieser Erinnerung gleichzeitig die „Angst vor der Angst'*. Ist dieses erst
'loige Hai, zuweilen nur ein einziges Mal, geschehen, so vollzieht sich in aus-
?:^'hlifener Bahn der psychische Yoigang, ohne dass die einzelnen Coöfficienten
deiäeiben zum Bewusstsein kommen, und die Angst scheint unvermittelt auf-
Oitreten, es scheint ein unvermittelter Zwang zu sein, während thatsäcblich ein
mplieiiter psychischer Vorgang sie vermittelte.
Id einer Reihe anderer hierher gehöriger Zustände ist der psychische Weg,
«af dem die „Zwaugsvorstellong** entsteht, die Angst vor plötzlich auftretender
■jeisteskrankbeit oder Tobsucht. Untersucht man jene Kranken sorgfältig, welche
'•ei dem Anblick eines Messers oder einer Scheere fürchten, das Instrument zur
^erifitzuDg oder Tödtung ihres Kindes zu benutzen, oder welche sich fürchten
im offenen Fenster zu stehen oder über eine Brücke zu gehen, so wird man
2 da Regel Folgendes hören: „Ich habe Angst, dass ich plötzlich geisteskrank
v-rrden könnte und in dem Zustande geistiger Verwirrung das Kind mit dem
-'^reit liegenden Instrument tödten könnte oder in diesem Zustande aus dem
Froster oder über die Brücke in den Fluss stürzen konnte.“
Hypsophobie, Kyctopfaobie, Klaustrophobie gehören wenigstens in einem
ibeü der Fälle ebenfalls in diese Kategorie.
Die mystische „Zwangsvorstellung“, welche als Koro (im südlichen Theile
■ Q Celebes) neuerdings beschrieben wurde, verräth auf das Unzweifelhafteste
hypochondrischen Charakter. Anfallsweise werden die Kranken von der
^'/rsteilong gequält, dass der Penis sich in die Bauchhöhle zurückziehe und
^ Tod herbeiführen würde. Die Obsession dentaire, die „Zwangsvorstellung“,
^ die Zähne abbrechen, herausfallen würden, ist nichts anderes als eine
^ypochoodriscbe Vorstellung mit zulällig sich auf die Zähne richtendem Inhalt.
Endlich gehört ebenso wie die Zoophobie ein Theil der Fälle von Zweifelsucht
Berührungsfurcht (nicht allle) lediglich unter die hypochondrischen Zustände,
i h muss auf Grund meiuer eigenen Beobachtungen entschieden den Autoren
»i'leTsprechen, welche annehmen, dass die Hypochondrie erst die Folge jener
/•vangsvorsteUaugeu ist Primär ist die Hypochondrie, seeundär die hierzu
Zwangsvorstellung: Dies bat mir noch immer die sorgfältige Analyse
Fälle ergeben.
4 . Die „Zwai^ravorstellungen“ bei der Hysterie vollziehen sich mit Vorliebe
Dig g/ou
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10
in der Richtung des sexuellen Lebens. Die Obsessions de Jalousie, die unaus¬
gesetzte Beschäftigung mit dem Sexualapparat, die ZwangSTorstellungen in Bezug
auf den TJrindrang, auf welche Freud neuerdings besonderes Gewicht gelegt
hat, gehören hierher.
Die Complication mit Tympanites hysterioa giebt diesen Vorstellungen zu¬
weilen die besondere Richtung der Angst vor Blähungen. Complication mit
vasomotorischen Störungen wird Veranlassung zu jenen Zwangsvorstellungen,
welche man neuerdings als Erythrophobie beschrieben hat
5. Die Epilepsie kann nach mehrfacher Richtung hin zu sogenannten
„Zwangsvorstellungen“ Veranlassung geben. Es giebt Fälle, in denen zwischen
den typischen epileptischen Anfallen Vorstellungen auftreten, welche dem ganzen
Charakter des Individuums fremd sind, zuweilen mit Ausstossen von stereotyp
wiederkehrenden, häufig sehr unanständigen Worten. Das schnelle Vorüber¬
gehen dieser Zustände charakterisirt die Zwangsvorstellung als ein epilep¬
tisches Aequivalent Aehnliches kann auch als Aura dem epileptischen Anfall
vorausgehen oder sich postepileptisch demselben anschliessen, dann aber werden
noch Zwangsvorstellungen auch intervallär bei Epileptikern beobachtet, häufig
hypochondrischen Charakters. Sie können in solchem Falle, besonders bei nächt¬
licher Epilepsie, selbst diese Krankheit verdecken, wie ja mancher Hypochonder
ein verkappter Epileptiker ist.
6 . Nicht aus einer der hier erwähnten Krankheiten des Nen’ensystems
herzuleiten sind dagegen jene Zwangsvorstellungen, welche sich psychologisch
im Wesentlichen dadurch charakterisiren, dass entweder der Associationsvor^ng
von Ursache und Wirkung oder der des Contrastes die Herrschaft im Denk-
vorgange übernimmt In ersterer Beziehung sind zu erwähnen die Fälle von
Grübelsucht und Fragesucht, welche mit einfachen Problemen beginnen, zu der
tollsten Ausschreitungen führen. Warum hat Gott die Menschen erschaffen r
Woraus ist Gott, woraiM der Teufel geschaffen? Warum gehen die Menscber
nicht auf dem Kopfe? Warum ist der Himmel blau, nicht gelb? Wie seher
wohl die nackten Fösse des Mannes aus, der bei mir ein tritt? Ob sie woh;
gewaschen sind? u. s. w.
Die Contrastassociation erzeugt die Vorstellung, das Gegentheil von den
gethan zu haben, was man wollte, statt ja nein geschrieben, unter den Wechse
eine falsche Unterschrift gesetzt, auf einem weggeworfenen Zettel eine Majestäts
beleidigung niedergeschrieben, die Medicin vor dem Bette des Kranken vertausch
zu haben u. s. w.
Dieser knappe Ueberblick über all’ das, was man unter dem Namei
„Zwangsvorstellung“ zusammengefasst hat, zeigt, dass die Diagnose, welche mai
so häufig liest: „Zwangsvorstellung“ keine Dij^ose ist, und dass es Aufgah
des Arztes sein muss, in jedem Falle die Zwangsvorstellung auf jene Kraukhei
zurückzufuhren, auf deren Boden und aus der heraus sie entstanden ist. E;
ist dies nicht bloss eine theoretische, wissenschaftliche Forderung, sondern voi
der richtigen Classification der Zwangsvorstellung hängt sehr häufig die Prognos
und die Therapie ab.
'ig :i70d:
Google
11
Üs «irkliche ZwangSTorstellang im Sinne Westpbal’s, d. h. auf welche
UD We^ntlicben die von ihm gegebene Definition passt, würde ich nur die
mter 6. aofgeführte Art betrachten. Hier ist thatsachlich in den reinen Fällen
üd«s auderes Krankhaftes nachzuweisen, als dass wider den Willen des Indivi-
iooms sieb ein Vordrängen der Associirung der Vorstellungen nach einem oder
m PrincipieD vollzieht, welche beim normalen Menschen nur neben den anderen
i«üm^piincipjen einhergehen, zum grossen Theil wie das der Contrastvor-
«langen im normalen geistigen Leben nur eine unteigeordnete ^lle spielen.
dem Vordrängen dieser Principien tritt gleichzeitig ein Zurückdrängen der
a'ieH]eiQ. Mob8elu^ hat diese.Zustände als Paranoia rudimentaria bezeichnet,
isd kh glaube, dass dieser Ausdruck ein nicht unglücklich gewählter ist. Bei
ikr entvickelten Paranoia bildet ja auch den Ausgangspunkt der Krankheit die
bankbafte Association. Die Ellemente, die assocürt werden, können dabei sehr
T'<bl reale Wahrheit haben, die Wahnvorstellung kommt zu Staude, indem
Lm^Dte assocürt werden, welche nach den physiologischeir Ässociationsgesetzen
r’.ht assocürt werden dürfen.
Aoch insofern erscheint jener Ausdruck werth, acceptirt zu werden, als in
H Thal in manchen Fällen, wenn auch nicht allzu häufig, im weiteren Verlauf
^PanuKüa rudimentaria sich eine unzweifelhafte Paranoia entwickelt. Wenn
jener Ausdruck in der Psychiatrie einbürgeru würde, dann bliebe allerdings
Tjr eine Krankheit, welche man Zwangsvorstellungskrankheit nennen könnte,
uchls mehr übrig, da für die anderen FäUe höchstens eine Bezeichnung wie
HTpijcbondrie, Hysterie, Epilepsie mit Zwangsvorstellungen zulässig wäre.
Mit Rücksicht auf die Verwürrung, welche der Ausdruck „Zwangsvorstellung“
bfTTu^rufen hat, welche im Uebrigen sich schon in der dem Vortrage West-
folgenden Discussion zeigte, würde ich jedenfalls einen sehr eingeschränkten
‘jtbrauch jenes Wortes für die Zukunft für sehr rathsam erachten.
11. Referate.
Anatomie.
i) üotenuchuiigen über den Mstologisohen Bau der Ciliarnerven. 1. Extra-
»fulärer Theil, von Cand. med. W. Haho. (Wiener klin. Wochenschr. 1897.
Sr. 31.)
Teif. aDtersochte 20 Orbitae; rO vom Menschen nnd 10 vom Hunde. Methode:
Fisrong des Opticus sammt den ihn umgebenden Adnexen 24 Stunden in ^2 ^/o
«lUM&ore, ebe^lange Aq. destill., Färbung mit Pikrocarmin, Härtung in Alkohol,
bnfgMiDbettnng. Die Oiliamerven bestehen nach Verf. aus lauter markbaltigen
Fiieni von verschiedenem Caliber, 20—10—2^2 —^ kleinsten besitzen einen
' Manuale di seuiiotica delle malatie mental!. Vol. 1. 1885.
■ Google
12
äusserst feinen MarVmantel, sind zwischen den gröberen Fasern zerstrent. In den
dickeren N. ciliares breves fanden sich an der Peripherie des Nerven Bündel solcher
feinster Fasern, während in den dünneren Nerven solche Bündel fehlten. An den
N. ciliares longi worden diese Bündel ebenfalls vermisst. Im CJebrigen bilden diese
feinen Fasern einen constanten Befund an den Ciliarnerven und Oberwiegen in den
dünneren Nerven die stärkeren Fasern. Ob diese Fasern sympathischer Natnr sind,
lässt sich noch nicht entscheiden. Znpfpräparate erwiesen, dass sie nirgends die
Merkmale trugen, welche Mayer als cWakteristisch für de- oder regenerirende
Fasern nachgewiesen hatte.
Die Dicke eines Ciliamerven betrug mm. J. Sorgo (Wien).
Experimentelle Physiologie.
2) On tbe regeneration of pre-ganglionic and of post-ganglionio visceral
nerve fibres, by J. N. Langley. (Journal of Fhysiology. Bd. XXII. S. 215.)
Der Ausgangspunkt für die Dntersuchungen des Verf. war-die von ihm beobach¬
tete Thatsache, dass nach der Durchschneidung des Halssympathicus zwischen dem
unteren und oberen Ganglion eine vollkommene Regeneration des Nerven eintritt, so
dass nach einigen Wochen oder Monaten die elektrische Reiznug der 7, mit dem
Halssympathicns anastomosirenden, spinalen Brustnerven wieder die für jeden charak¬
teristischen Einzelsymptome hervorrnft.
Diesen zunächst ganz zufällig gemachten Befund erhob Verf. in einer Reihe
diesbezüglicher Versuche mit völliger Coustanz: schon kurze Zeit nach der Operation
war eine so vollkommene Regeneratien des Nerven eingetreten, dass die Reizung der
obersten drei Brustnerven die charakteristische Pupillenerweiterung, die Reizung der
obersten fünf Brnstnerven die bekannten Veränderungen in der Nickhaut und in der
Stellung des Bulbus bervorrief u. s. f. In ganz seltenen Fällen blieb die Reaction
von Seiten des einen oder anderen Brustnerven aus, eine Erfahrung, die sich sehr
wohl mit der histologischen Thatsache zusammenbringen lässt, dass an der Durch-
schneidnngsstelle fast stets eine Reihe von Nervenfasern blind endigend gefunden
worden, Elemente, welche augenscheinlich bei dem Regenürationsprocess den richtigen
Pfad in den centralen Nervenstrumpf nicht gefunden hatten. — Interessanter aber
als diese Beobachtung ist die vom Verf. mit Sicherheit festgestellte Thatsache, dass
an dem durchschnittenen und wieder regenerirten Nerven hie und da eine abnorme
Leistung sich etablirt, in dem Sinne, dass z. B. der 1. und 2. Brustoerv, welche
bei einem normalen Tbiere niemals eine Erection der Haare bewirken, bei einem
operirten Thiere gelegentlich eine solche Function aufweisen. — Abgesehen von
solchen Ausnahmen aber, muss unzweifelhaft eine gewisse Anziehnngskraft bestehen,
welche die neu gebildete Nervenfaser wieder.auf die ihr zukommende Nervenbahn
leitet, eine Anziehungskraft, welche sich Verf. als eine cbemotactische vorstellt.
Histologisch ist zu bemerken, dass die neu gebildeten Nervenfasern schon früher
ihre Function aufnehmen, bevor sie ihre Markscheiden bekommen haben.
Ganz ähnlich wie . bei den präganglionalen Fasern liegen die Verhältnisse bei
den postganglionalen Nervenbündeln. Auch hier besteht augenscheinlich in dei
Mehrzahl der Fälle eine „prästabilirte Harmonie“, welche bei der Regeneration di«
sich erneuernde Nervenfaser zu dem ihr von Rechtswegen zukommenden Endorgar
leitet. In Ausnahmefällen aber kommen wohl auch Abweichungen von dieser Rege'
vor und eine „pilomotorische“ Faser kann wohl einmal bei der Regeneration zi
einer „pnpillodilatatorischen“ werden und umgekehrt. W. Cohustein (Berlin).
Dig
Google
13
3) Zar Pbysiologto der Harnblase. Vorläufige Mittheiloog, von Dr. H. Scble-
jitftr. (Wiener klin. Wocheoschr. 1897. Nr. 47.)
Tsf. theilt zwei Fälle von Erkrankungen des Rflckenmarks mit nahezu isolirten
En^cagen von Seiten der Blase mit
1. Ffll Eine 61jäbr. Frau klagte schon durch Monate Ober Kreuzschmerzen
tai Ttolgkeit der ^Yirbelsäale. Es entwickelt sich nach und nach Lähmung des
snd Spbtncter veeicae, Hamträufeln, Anästhesie der Blasenschleimhaut, Ver-
)Et das Geföhls fQr den Ffillnngszostand der Blase; dieselbe war ausdrQckbar; später
Pirae des Spbincter ani mit Incontinentia alvi, Stuhl« und Urinabgang wurden
gefehlt; Anästhesie der Haut um den Anus, am Perineum, am äusseren G^eni*
ak Die Diagnose wur^e auf Compression des untersten Bttckenmarksubschnittes,
a^nckeiDlicb durch Tumor, gestellt. Die Section ergab ein Carcinom des 1. Lenden«
ai des 12. Brustwirbels, welches am unteren Ende des ersteren in den Wirbelcanal
cspnag und eine Quetschung des Röckenmarks im Bereiche des 4. Sacralsegments'
serteühhrte. Es ist dem zu Folge Qbereinstimmend mit anderen Fällen aus der
Unsatur, das Blasencentrum in die Höhe des 4. Sacralsegments zu verlegen.
2. Fall. Bin 50jähr. T^elöhner mit einem Neoplasma, welches die Vena cava
ai. thromboeirt batte und der ausser der dadurch gesetzten Erscheinungen noch
iee\e; Erscbwerong des Urinlassens, Pressen bei demselben, Sphincterenkrampf,
I^etnisorparese, Sensibilität der Blasen- nnd Urethralschleimbaot anscheinend intact;
^«thkl für BlasenvöUe bestand, ebenso fOr Urindrang, nie nnwülkOrlicher Urinabgang,
teae ausdröckbare Blase, Obstipatio alvi, keine Sensibilitätsstörungen von Seite der
9xst In der Hohe des 3. Sacralsegments fand sich ein hirsekorngrosser Knoten, der
HU dw einen Hälfte des Rückenmarks ansgehend dieselbe vollständig destmirt hatte
fiweicbe des 3. und 4. Sacralsegments. Es war also bei vorhandener, wenn anch
nriangsamter Beflextbätigkeit der Blase eine halbseitige Destruction des Rückenmarks
a dar Höbe der Beflexcentren für die Blase vorhanden. Daraus schliesst Verf. auf
^ Vtwbudensein eines paarigen Beflexcentrams für die Blase in der Höbe des 3.
Kd 4. Sacralsegments; eine Rückenmarkshälfte könne den Ablauf der Beöexvorgänge
ibernebmen. Ebenso scheint jede Rückenmarkshälfte die ganze Blase mit sensiblen
Fisera zu versorgen. Das Mastdarmcentrum verlegt Verf. mit Kocher tiefeV in das
fiaoilnark. 3. Sorgo (Wien).
Pathologische Anatomie.
4) Bn Fall toh meningealer Perlgesohwolst, von Dr. Alex Nehrkoru.
(Beiträge zur pathol. Anat. und zur allgem. Pathologie; heraasgegeben von Prof.
Dr. Erust Ziegler. Bd. XXL)
Bei einem 24 Jahre alten Patienten, welcher klinisch die Erscheinungen der
I'ementia paraljtica bot, zeigte die Autopsie das Vorbandensein einer ausgedehnten
Perlgescbwulst (Cholesteatoms), an welcher zwei deutlich von einander trennbare
Massen zu unterscheiden waren. Die-eine war oberflächlich gelegen und der linken
tsteralen Fläche des Pons, dem Cerebellum und der Med. obl. aufgelagert, die andere
Etetand sieb innerhalb der Substanz der linken Grosshirohemisphäre im Unken
ToBpcral« und Oocipitallappen nnd war mit Ausnahme einer kleinen Partie von
Henoigstflckgrösse von Himsnbstanz amschlossen. Diese fast vollkommene Um-
KbÜMSQDg einer derartigen GeschwnM stellt einen seltenen Befand dar. Den Aus-
OBgspuDkt der Nenbildnng sieht der Verf. in dem derselben auliegenden pialen
i^ebe. Histogenetisch bezeichnet er sie als ein meningeales Endotheliom in Form
Rier Endothelperlgesebwulst.
"Q'Iii’Od
Google
14
Die Arbeit enthält eine sehr sorgfältige Zusammenstellang and kritische Betrsch*
tang der histogenetischen Anffassungen, welche seit Job. Hüller Ober die PerN
geschwQlste geäussert worden sind. Max Bielscbowsky (Berlin).
6) Du cräne oben les alienös, par Key. (Compte rendu du Congrte international
d’anthropologie criminelle. Gen^ve 1896.)
Verf. untersuchte 200 Schädel von Irren und zwar frisch, wobei keine einzigea
Idioten, Epileptiker, auch nicht partiell oder total deutlich missgestaltete, mitgerechnet
waren. Es waren 60 Fälle von „einfachem Irresein“, 90 Paralytiker und 50 Fälle
von seniler oder apoplectiscber Demenz; alles Männer. V^glichen wurden sie mit
Parisemormalen, aber schon trockenen Schädeln. Es zeigte sich nun, dass im Durch¬
schnitt die Geisteskranken einen höheren cephaUscben hnd einen relativ geringeren
frontalen und verticotransversalen Index hatten, was eine constante Yergrösserung
der Parietal* und eine schwache Entwickelung der' Frontalgegend anzeigt. Alles
dies galt mehr für die einfachen Seelenstörungen, als für die anderen Kategorieen.
Bef. muss aber hierzu bemerken, dass 1. die Zahl der Untersuchungen doch noch zu
klein ist, um allgemein gültige Schlüsse zu ziehen, 2. die Differenzen in den Zahleu
laut der beigebracbten Tabelle meist nicht gering erscheinen und besonders 3. die
Individuen verschiedenen Departements entstammten, wo also sicher nicht unbedeutende
ethnische Differenzen der Indices sich finden, z. B. Paris und Marseille; 4. bei
Dementia senilis und apoplectica müssen eu ipso, durch das Älter bedingt, die Maasse
und die Indices etwas anders ausfallen, als l^i den übrigen Kranken und Normalen.
Man sieht also, wie viele Fehlerquellen hier noch vorliegen und wie ungeheuer vor*
sichtig man in seinen Schlüssen sein muss. Näcke (Hubertusburg).
6) The effeot of „Asoending d^eneration‘‘ oxi the nerve oellls of the
ganglia on the posterior nerve roots, and the anterior oomna of the
oord, by Bobert A.Fleming, M. D. (Edinburgh Medical Journal. 1897. March.)
Verf. hat an Hunden und Meerschweinchen hintere BQckenmarkswurzeln durch¬
schnitten oder doppelt unterbunden und dann die Zellveränderungen in den Inter*
vertehralganglien und den Vorderhömen studirt. Die Härtung geschah mib Sublimat,
die Färbungen mit Toluidinblau und Eosin Er kommt zu folgenden Schlüssen:
1. Die Zellen der Intervertebralganglien erleiden viel früher Veränderungen
als die Vorderhomzellen, wahrscheinlich schon vom vierten Tage ab nach der Nerven*
durchschneidung.
2. Eine der ersten Veränderungen besteht in einer Verkleinerung des Kerns.
Manchmal werden auch die Kemkeme kleiner und der Rem nimmt eine excentrische
Stellung ein.
3. Es bestehen bestimmte Veränderungen der chromatischen Substanz: Eine
Bondgruppirung derselben um den Kern, Verminderung derselben an .Zahl und
Grösse. Ein bestimmter Anhaltspunkt dafür, dass diese Veränderungen in der Nähe
des Axencylinderfortsatzes beginnen, besteht nicht.
4. Die Lymphräome am die Zellen werden grösser.
5. Es besteht ein grosser Unterschied beim Eintreten der Veränderungen in den
Interyertebralganglienzellen und in den mnltipolaren Zellen; Obscbon in den ersteren
die Veränderungen früher auftreten, scheint nach ungefähr 4 Wochen der degenerative
Process schneller in den mnltipolaren Zellen Fbrtschritte zu machen.
6. Ein an dem durchschnittenen Nerv applicirter Beiz scheint die Veränderungen
zu beschleunigen, besonders diejenigen in den Intervertebralganglien.
Bef. fürchtet, dass bezüglich dieser 6 Punkte manche Leser nicht völlig in
D g i.:od oyGoO^lC
15
daeiea Siiioe wie der Verf. überzeugt sein werden, besonders da sich die Methode
MS VttMens Ton Zellen und des Ziehens eines Durchscbnittsmaasses aus vielen Einzel*
MatlABgen auf ihre Zuverlässigkeit anzweifeln lässt.
Paul Schnster (Berlin).
Pathologie des Xervensjstems.
T| Uaber Fehlen der Papillarresotion hei vorhandener liiobtempflndnng,
TOD Dr. J. Brixa. (Wiener Win. Wochenschr. 1897. Nr. 36.)
Ebm SOjährigen Manne drang am 5. Mal bei einer Rauferei die Nuss eines
Pfnfe&rohres durch den inneren Theil des unteren Lides in die linke Orbita, den
Balbes nach vom, unten und aussen luxirend. Erbrechen, Bewusstlosigkeit, Nasen-
kstn. starke Odematöse Schwelluog der Lider und Conjunctiva. Ausser leichter
Trtbsog der Ck»mea und etwas verschwommenem Aussehen der Papille waren die
'rum Theile des linken Auges normal, tichtempöndung in 30 cm. Die linke
PQpQl« gleich weit wie die rechte, aber auf Licht nicht reagirend, noch kann vom
ahn Aage aus eine consensuelle Beaction am rechteu Auge ausgelöst werden.
Tiotidem bereits am Tage nach der Extraction des Fremdkörpers Finger gezählt
vird€4i, konnte doch noch durch einige Tage weder directe noch consensuelle Beaction
T9Q Linken Auge ans erhalten werden (Reflextaubheit, Heddaeus), Dieses Ver-
tthen erklärt Verf. daraus, dass durch den Exophthalmus eine Zerrung und vielleicht
tnck Torsion des Sehnerven, möglicherweise auch durch eine Fractur der- unteren
Orbital Wandung oder ein Hämatom eine Schädigung desselben erzeugt wurde, ein
Sueongsödem, das sich ophthalmoskopisch in dem verwaschenen Aussehen der Papille
iieerte. und dass dabei, aasnahmswelse die sonst widerstandsßihigereD Pupillarfasern
särker betroffen wurden.
13 Monate später hatte sich Atrophie der linken .Papille entwickelt; die linke
Pti|dll« weiter als rechte, rund, nicht direct reagirend, doch ist consensuelle Beaction
»vuhl vom linken als vom rechten Auge aus auszulöseu. Das Fehlen der directen
&eacuon lässt sich nach Verf. durch eine Schädigung sowohl der centripetalen
Popillarfaser, als auch der centrifugal leitenden Spbincterfasern und Ciliarnerven
ifcerhaupt erklären. (Für letzteres sprach die herabgesetzte Empfindlichkeit der
i.'emaa and die weitere Papille.) Dagegen ist das Vorhandensein der consensuellen
l^tion vom Unken Auge aus verständlich, da rechte normale ceutrifogale Fasern
^thalten sind, und ebenso auch das Vorhandensein derselben vom rechten Auge aus,
u eben die vom rechten Änge kommenden centripetalen Fasern normal sind und
stärkeren Beiz auf die nach dem linken Auge fQhrenden centrifugalen Fasern
iusöben.
Der Fall spricht für das getrennte Vorkommen von Pupillen- und Sehfasern im
Optkus, und dafür, dass die ersteren nicht bloss mit dem Netzhautcentrum in Ver-
a^ung stehen, und bietet das Besondere, dass die Pupillarfasern des Opticus sich
als weniger widerstandsfähig erwiesen, als die Sehfasern. J. Sorgo (Wien).
S) The pattaology of tabes dorsalis. A critical digest by William G. Spillen
(1897.)
Verf. stellt sich ganz anf den Boden der zuerst von v. Leyden, neuerdings
Ml Dejerine, Marie und Redlich begründeten Anschauung, dass die Degeneration
be Tabes den Degeneratiousgesetzen der hinteren Wurzeln folgt. Intact bleiben bei
ier Tabes die ventralen Felder der Eintersträuge (Marie's Zones comu-commissn-
nies) und das Flecbsig’sche ovale Feld im Lumbalmark. Fälle von alter Tabes,
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16
die mit einer Degeneration der Seitenstrangbabnen einbei^ingen, bat Verf., ebenso
wenig wie Bedlicb, selbst beobachtet und verlangt die strenge Scheidung von der
combinirten Systemerkrankung. In neuerer Zeit sind vielfach Veränderungen der
Spinalgauglienzellen bei der Tabes beschrieben worden; gegen diese „Qanglientheorie“
spricht das Intactbleiben des peripher verlaufenden Nervenzweiges. Obersteiner
nnd Bedlich haben die Theorie anfgestellt, dass eine Schädigung der hinteren
TVurzeln an ihrer Eintrittsstelle in das BQckenmark durch meningitische Verände¬
rungen bewirkt werde, mit retrograder Degeneration im extramedullären Theil der
hinteren Wurzeln. Nageotte verwirft diese Theorie völlig nnd weist eine Peri¬
neuritis und Mesoneuritis der hinteren Wurzeln nach, während die resistenteren
vorderen Wurzeln völlig oder beinahe intact bleiben. Die Tabes ist eine cerebro¬
spinale Affection; die Augen-, Behlkopf- und Zungenaffectionen werden grösstentheils
auf Neuritiden zurückgef&hrt. Es ist vielfach der Beginn der Tabes in eine peri¬
phere Neuritis verlegt worden; der Fall von peripherer Neuro-Tabes von Ddjerine
und Sottas ist nicht als Beweis für den peripheren Ursprung der reinen. Tabes
anzusehen. Doch ist es sicher, dass «die periphere Degeneration Ober die Spinal-.
ganglien hinweg auf die hinteren Wurzeln übei^eheo kann, so dass der periphere
Ursprung der Tabes immerhin möglich ist. Die Entstehung der Tabes durch Trauma
ist bisher nicht sicher festgestellt. M. Bothmann (Berlin).
0) Note 8ur le retour de la aensibilite teatloulaire dans le tabea, par
E. Bitot et J. Sabraz^s (Bordeaux). (Bevue de Mödecine. 1897. Fdvrier.
8. 156.)
Etwa bei 75% aller Tabiker findet man Analgesie der Testikel gegen Druck.
Dieses von Pitres zuerst betonte Symptom ist aber kein ganz unveränderliches, wie
etwa das Fehlen der Sehnenreflexe, die Pnpillenstarre u. a* Die Verff. haben drei
Fälle beobachtet, bei denen das Symptom der Hodenanalgesie deutlich bestand, aber
im weiteren Verlauf der Krankheit wieder veiischwand. Bei zwei dieser Fälle trat
mit der Wiederkehr der normalen Sei^sibilität in den Hoden auch zugleich eine
Besserung der vorher gestörten sexuellen Functionen ein. Strümpell.
10) Beitrag sur Aetiologie und Symptomatologie der Tabes dorsalis, von
Dr. A. Tumpowski. Ans der Poliklinik von Dr. 6. Goldflam in Warschau.
(Deutsche Zeitschr. f. Nervenheük. X. 1897.)
Zu der neuerdings wieder lebhafter gewordenen Streitfrage in Bezug auf die
Aetiologie der Tabes liefert Verf. einen bemerkenswerten Beitrag. Er verfügt über
ein Material von 267 Fällen und nimmt fiberstandene Syphilis als erwiesen an 1. im
Falle der Aussage des Kranken, begründet durch die ärztliche Diagnose, 2. beim
Vorkommen eines Ulcus mit secundärem Exanthem, 3. beim Vorhandensein eines Ulcus
von unbestimmtem Charakter, wenn andere specifische Erscheinungen zugleich be¬
standen. Zweifelhaft, jedoch wahrscheinlich, ist die Annahme der Syphilis, wenn eiu
zwar nicht sicher zu bestimmendes Ulcus aufgetreten war und zu gleicher Zeit Steri¬
lität, oder häufige Aborte oder das Gebären todter Kinder festgestellt wurde. Die
Fälle mit weichem Schanker sind einer besonderen Gruppe zugetheilt. Von den
257 Tabikern (darunter 3 Frauen) bestand sichere Lues in 38,9 wahrscheinliche
Lues in 19,8 “/q und weicher Schanker in 5,8 ®/o* Io 34,2 ®/o der Fälle figurirt die
Syphilis allein in der Aetiologie. Am häufigsten trat die Tabes zwischen dem 5
bis 10. Jahre, ziemlich oft auch zwischen dem 10. nnd 20. Jahre nach der An¬
steckung auf. Unter den 257 Tabeskranken waren 12 Aerzte, also 4,6 der Er¬
krankten, während das Verhältniss der Aerzte zu der Gesammtbevölkerung vor
Warschau nur 0,2 7o beträgt.
Dig :i7cd
Google
& aldo bei dieeem Material sicher constatirte Lues ätiologisch die grösste
BaHe, ist der Procentsatz nicht so gross; dass sich der Verf. der Ansicht von
Mitiu and Oppenheim anznschliessen vermag.
Vss die Symptomatologie anbetrifft, so wurden in 225 Fällen wohl Schmerzen
csBiaort, aber nur 112 Mal in charakteristischer Weise, indem dieselben stark oder
jcindk, mit mehr oder weniger langen, schmerzlosen Pausen serienweise auftraten,
*hr T<m einem zum anderen Ort überspringen und nur von knner Dauer sind, ln
die Kniereflexe verändert und zwar fehlte ein Kniereflex in 5°/o,
baieEeflexein 68,4 während sie in 11,2% abgeschwächt und ungleich waren.
iMrdeo fand sich bei verändertem Fatellarreflex 6 Hai einseitiges und 97 Hai
idppelaeitigee Fehlen des Ächillessehnenreflexes und 4 Mal Ungleichheit bezw. Ab>
cHächnng deeeelben. in den Fällen mit normalen Patellarreflexen fehlte der
Adilleaeehnenreflex 5 Mal beiderseits, 3 Mal einerseits und war 1 Mal ungleich, ln
>43*/o fdüte die PopUlenreaction auf Licht ein* oder beiderseits, in 20,2 ®/o war
beidmieita schwach, in 34,2 waren die Pupillen ungleich, in 21,7 "/g fanden
äeh Uhmongm der Augenmuskeln, in 10,1% Optieasatrophie, in 34,2% Blasen*
itfiDgeii und in 9,4 *’/„ gastrische, bezw. Lamyx-, Blasen* und Mastdarmkrisen.
E. Asch (Frankfurt a./M.).
11) Ueber periodisohee Erbrecdiezi bei Tabeakranken (gastrisohe Krisen),
von Dr. P. Ostankow. (Oboszrenie psichiatrie etc. [Bussmch.] 1897. Nr. 7 u. 8.)
Nach Anführung der einschlägigen Litteratnr berichtet Verf. in ausführlicher
Weise über xw« Tabeskranke, die an gastrischen Krisen litten. In dem einen Falle
bandelt ee sich um einen Kranken von 82 Jahren, der im Jahre 1886 einen Ulcus
denim acquiiirt hatte und seit 1893 an gastrischen Krisen leidet, die mehrere
Wochen, mit Rohepansen von 3—4 Tagen, andaueru. Bei dem anderen Kranken
waren die Krisen kürzer, worden aber nicht von Ruhepausen nnterbrocben. ln
widea Rdlen war vor B^;inn der Krisen ein Prodromalstadium zu bemerken. Einige
vor Begiim der Krise verloren die Kranken den Schlaf, es trat Urinreiention
ö, die Kranken wurden unruhig, der Appetit verlor sich. Während der Krisen
ariM trat bei dem ersten Kranken jedee Mal erhöhte Polsfiwqoenz au^ bei dem
swmtfln Kranken war Arythmie, verschiedene Stärke der einielnen Pulsscbläge, eine
ihtmdiiiig der ersten Pulswelle u. s. w. an verzeichnen; auseerdem zeigten die
iftanngsbewegungen verschiedene Unr^elmässigkeiten. Die oben beeehriebenen
ftönagen in der Herzthätigkeit and in der Athmung traten bloss während der
Krieea auf. Die gastrieoben Krisen wurden mit Darreichung von 0,06—0,15
Cerii oxalici 3—4 Mal täglich günstig beeinflusst E. Diese (St Petersburg).
U) Va—ootattoa hyatdro-tabdtliiae, par Vires. (Qazette des böpitaux. 1897.
Nr. 6.)
Aoaführiiehe Besprechung der hystero'tabetischen Symptome. Verf. behauptet
irhtifwilirh. Hysterie und Tabes seien verschiedene Staren der Degeneration des
(hgausmok Für die Entetehung der Hystäro-Tabes, wie aller Combinationen von
hmeiaoiinUen nnd organischen Nervenerkranknngen sei die degenerative erbliche Be*
astong von dominirendem Einfluss. B. Hatschek (Wien).
13) ftnaflirthfirf fl of the trunk ln looomotor* ataxia, by Hugh T. Patrick.
(New York Med. Jooru. 1897. Febr. 6.)
Im Anschluss an Lähr’s Uotersucbungen über Rumpf*Anästhesie bei Tabes
hat Verf. an 20 Tabikern ähnliche Prüfungen angestellt und das Symptom (besonders
2 '
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18
tactile Hyperästhesie) 17 Hai mehr oder weniger aa^eprägt gefonden. Bei be*
ginnenden oder mit Dementia paralytica complicirten Fällen ist es seltener, es findet
sich aber auch bei ganz frischen nnd fehlt gel^entlich bei sehr Torgeschritteneo
Fällen; ancb in 2 Fällen von Dementia paralytica bat es Verf. deutlich gesehen,
auch beobachtete er eine Ausnahme von der Erfabmng, dass bei Fällen von Opticos-
atropbie die Anästhesie leicht ist oder fehlt, in einem Falle. Lähr's Beobachtang,
dass sich hin und wieder in der Nähe der anästhetischen Zone eine hyperästhetische
findet, von wo aus lebhafte Hautreflexe anszulösen sind, bestätigen die Erfahrungen
des Yerf.’s; dagegen fand er nicht immer — was Lähr gefunden hatte —, dass
die obere Begrenzung der anästhetischen Zone auf beiden Eörperseiten das gleiche
Niveau einnimmt. — Auf die Localisatiou der feinen Berührungen von Seiten der
Patienten will Verf. keinen grossen Werth legen, weil anch Gesunde, besonders am
Rumpf, oft nicht genau localisiren.
Die diagnostische Bedeutung des Symptoms ist nach Verf. wahrscheinlich nicht
gross, zumal jeder die hinteren Wurzeln in der Dorsalregion betheiligende Process
eine solche bandartige Anästhesie hervorrufen bann. Auch bei Hysterie kommt sie
vor, bei Syringomyelie, und sie bietet selbst kein differentialdiagnostlscbes Merkmal
bei Fällen, die der Tabes sehr ähnlich sehen, wie ein vom Verf. io extenso mit'
getbeilter Fall von BOckeumarkssyphilis beweist, in dem das Symptom deutlich nach-
zuweisen war.
Die Anästhesie folgt nicht dem Verbreitungsgebiet der Intercostalnerven, sondern
entspricht der segmentären Anordnung in der Medulla spinalis. Ihren anatomischen
Sitz vermuthet Verf. in den langen Fasern der Hinterstränge.
Toby Cohn (Berlin).
14) Sensory distnrbsnoes ln looomotor stazis, by Allen Blair Bonar.
(Medical Record. 1897. May.)
Verf. hat in 21 Fällen von Tabes dorsalis das Verhalten der Sensibilität unter¬
sucht. In 18 Fällen worden SensibUitätsstbrungen verschiedener Art theils als Früh-,
theils als Spätsymptom gefunden. Anästhesie des Rumpfes fehlte nur in 2 Fällen.
Am häufigsten wurde Verlust oder Herabsetzung der Druckempfindnng constatirt; in
der B^el war diese Stdmng mit Beeinträchtigung des Temperatursinnes und Schmerz¬
gefühls verbunden. Das Biernacki’sche Symptom fand sich in 17 Fällen, in 2 Fällen
nur auf einer Seite. Die anästhetischen Bezirke entsprechen mit Ausuahme der
unteren Extremitäten den Rückenmarkssegmenten, nicht den peripheren Nerven.
Die durch Schemen erläuterten Einzelheiten über Sitz, Ausdehnung nnd Form
der Störungen sind im Originale nachzulesen. Bayerthal (Worms).
16) Lee troubles da goAt et de Podorat dans le tabes, par Klippel. (Arch.
de Nenrol. Vol. III. 1897. Nr. 16.)
Nach den Untersuchungen des Verf.’s sind Störungen des Geruchs nnd Geschmacks
bei der Tabes gar nicht so selten, als man im Allgemeinen annimmt, solche geringeren
Grades sind sogar häufig. Dieselben sind ausserordentlich mannigfaltig. Man findet
Herabsetzung bis vollständigen Verlust, perverse Empfindungen, Parästhesieen und
Herabsetzung bis Verlust der von diesen Sinnesorganen ausgehenden Reflexe. Ferner
finden sich Störungen der allgemeinen Sensibilität in den betreffenden Gebieten, von
denen die nasalen Krisen hervorgehoben seien. Dieselben beginnen mit einer aura-
artigen Parästhesie im Gesicht oder am Hals, dann stellt sich Prickeln in der Nase
ein, den Schluss bildet dann ein Nies-Anfall. — Stets fand der Verf., wenn Geruchs*
oder' Geschmacksstömngen irgend erheblicheren Grades Vorlagen, andere bulbäre
Nerven betroffen; es fanden sich Symptome von Seiten des Facialis, des Trigeminus
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19
cad BTpc^ossufl. Klinisch nicht unwichtig ist, dass die in Rede stehenden Störungen
afe PrtJisjinptoine aoftreten können.
Wts die pathologisch*anatomische Orondli^e dieser Symptome anlangt, so hat
Tgi einen Tabiker mit intensiven Störungen im Bereiche des Geruchs und
(»««rfstseb autopsiren können. Die mikroskopische Untersuchung ei^b Degeneration
der Kemnfasern im N. olfactorius, glossopharyngeus ond trigeminus und degenerative
FtrandeniDgen der zu den beiden letzten Nerven gehörigen Ganglien.
M. Weil (Stuttgart).
16 ) L’dlongation vrale de la moÖUe dana le tabes, par Gilles de la Tou*
rette et Chipanli Aus der Äcadömie de mödecine; Sitzung vom 27. April
1897. (ProgTÖs mödical. 1897. S. 278.)
Sach längeren anatomischen und experimentellen Untersuchungen iandm die
Terff, da» starke Beugung des Rückens eines mit ausgestreckten Annen sitzenden
ladiridanmg mne Verlängerung des Rückenmarks um ungeföbr einen Centimeter
herheiföhre, welch letztere besonders die Lumbalgegend beträfe. Sie construirten zu
diaeein Zwecke einen Apparat, io dem der Kranke gewissermaassen eingeschnallt
wurde, der aber andererseits die Athmung nnd die Blotcirculation nicht behinderte.
Auch einen Dynamometer brachten sie an, und zeigte dieser 70 kg im Durchschnitt
ab angewandte Kraft an.
Nachdem sodann 10 gesunde Individuen sich dazu verstanden batten, an sich
die Streckung vornehmen zu lasseu, unterwarfen sie 39 männliche und 8 weibliche
aa Tabes leidende Kranke der Kur. Unter den verschiedenen Formen und Stadien
dff Krankheit wandten sie diese Behandlung nur bei denen an, die in das zweite
Scadium eingetreten waren und, wenn ihnen nicht irgend wie geholfen wird, sehr
KkseQ einer progressiven Verschlechterung anheimfallen. Ausgeschlossen waren die
IlLÜe von sehr langsamer Entwickelung, ferner die im dritten (paralytischen)
Stadium be&ndlicben und die rapid fortschreitenden Formen.
Die Verff. hatten bei der Hälfte ihrer Patienten gute Resultate, indem fast
aäiumtliche Symptome der Tabes günstig beeinflosst worden. Die sensiblen Reiz*
eraebeuungen und die blitzartigen Schmerzen traten erheblich zurück. Die Blasen*
stj^nngeD, insbesondere die Retentio besserte sich; weniger günstig wurde die In*
eontineaz beeinflusst
Fast stets hatte die Kor eine günstige Einwirkung auf die Unsicherheit des
Gangee. 10 Patienten konnten wieder allein und sicher geben.
Auf die Aogen und Bnlbärsymptome batte die Dehnnng nur einen sehr bescbei*
denen Einfluss.
Die gewonnenen Resultate decken sich mit den anatomischen Verhältnissen, indem
die Dehnung besonders das Dorsal* and Lnmbalmark nebst der Caoda equina be*’
trifft; kliniscb übertr^en entspricht die Besserung diesen Rückenmarksgegenden.
Nor 10 Kranke empfanden keine Besserong, während der Rest eine geringe
zeigte, wenn anch nicht so ausgesprochen wie die erste Gruppe.
Die Sitzongen dauerten ungefähr 8 —12 Minuten and wurden 16 — 20 Mal
wiederholt.
Die Besserung zeigte sich meistens erst bei der 10. oder 16. Sitzung, wenn
der höchste Grad von Dehnung erreicht war.
Die Erfahrung lehrte, dass es praktisch sei, die Dehnung einen Tag um den
ladaeo vorzonehmen, während sie t^lich in den Fällen indicirt war, in denen die
Khmenhaften Symptome besonders aasgeprägt waren.
Mehr wie 3, höchstens 4 Monate — also 40—50 Sitzungen — soll die Be*
kmdhmg nicht fortgesetzt werden; hat sie nicht genützt, muss sie für Wochen unter*
iirocheo wertfeo, während welcher eine medicamentöse Behandlung statthaben muss.
Adolf Passow (Strassbmg i./E.).
- 2 *
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20
17) Tabes jnvönlle et tabes höröditaire, par Raymond. (Progrös m^ical.
1897. Angust. S. 81 n. 97.)
Zwei Krankengeschichten eines Taters, der an Tabes leidet und des Sohnes, der
ein ihr ähnliches Erankheitsbild bietet ^terer, hereditär belastet, fing schon mit
17 Jahren an, sich übermässigem Genosse von Absinth, Genevre und Branntwein
hinzugeben. Ausser Röcheln nicht krank; speciell Lues geleugnet. 1883 hatte er
einen Anfall ohne Bewusstseinsstörnng, der mit Doppelsehen begann, ungefähr eine
viertel Stunde dauerte und eine Paralyse der linken Seite zurQckliess. Solche An»
falle haben sich später mehrmals, auch mit Aufhebung des Bewusstseins wiederholt.
1894 zeigte er im Alter von 55 Jahren alle Symptome einer schon seit Jahren
bestehenden Tabes, welche auch jetzt progressiv fortschreitet
Büt 35 Jahren heirathete er eine gesunde Frau, die 4 Kinder gebar, keine
Aborte hatte. Während 3 Kinder völlig gesund sind, bietet ein Sohn folgendes
Erankheitsbild:'
Rechtzeitig und ohne Ennsthftlfe geboren,. lernte er mit 13 Monaten laufen and
Oberstand darauf leichte Erkrankung an Masern und Focken. Stets von beschränkter
Intelligenz, machte er mit 15 Jahren (1895), als er in Spitalbehandlung kam, den
Eindmck eines Kindes. Er spürte damals eines Abends eine starke Schwäche in
den Füssen, so dass er nicht laufen konnte; auch fiel ihm das Steigen einer Leiter
schwer, was er sonst seit Monaten in einem Geschäft hatte thun können. MöhnnalB
trat er fehl, fand die Stufen nicht nnd war gefallen. Auch die Finger worden
schwach und steif, er konnte nicht knöpfen.
Nach den Aufzeichnungen im Stat. praes. fanden sich: Eyphoscoliose; auffallende
Sprache — sie war lallend und zitternd, blieb im Munde gewissermaassen hängen;
bei angespannter Haltung des Kopfes nnd der Oberextremitäten osdllirende Bewe¬
gungen in diesen; bei intendirten Bewegungen bedeutende Ataxie der Anne; statisclie
Ataxie in den Unterffidremitäten; der Gang erinnert sowohl an den Gang der
Tabiker, als auch an den von Eleinhimkranken; kann nicht stehen, ohne mit dem
ganzen Körper hin und herzuschwanken; Romberg’s Symptom vorhanden; Patellar-
reflexe aufgehoben; grosse Menge Sensibilitätsstörungen, die dauernd wechsln; keine
Sphincterenschwäche; Nystagmus, Amaurose.
Sodann beschäftigt sich Terf. eii^ehend mit der Differentialdiagnostik, bespricht
die bis jetzt bekannten Tabesfälle des Kindes- und Jünglingsalters, die ererbte Tabes
nnd die Friedreich’sche Ataxie nnd kommt zu dem Schlüsse, es handle sich bei
dem Sohne um eine Mischform, die durch die nenropathische Teranlagnng modifidrt,
Symptome sowohl der Tabes dorsalis, als auch der Friedreich’scben Erkrankung^
bietet .
Jedenfalls in Folge der genauen Beobachtung seitens des bekannten Gelehrten
ein achtun^werther und zu neuen Untersuchungen ermunternder' Beitrag zur viel-
umstrittenen Tabesfrage. Adolf Passow (Strassbnig i./E.).
18) Tfeber den gegenwärtigen Stand der Behandlung der Tabes doresklla,
von Ä. Eulenburg. Torgetr. in der Section für innere Medicin der 69. Yer-
sammlnng deutscher Naturforscher und Aerzte in Brannschweig am 21./IX. 1897.
(Deutsche med, Wochenschr. 1897. Nr. 44.)
Bezüglich der Einzelheiten des gehaltvollen zosammenfassenden Tortrages vet^l.
das Original, ferner das Referat von Löwenthal, Neurol. CentralbL 1897. Nr. 30.
R. Pfeiffer (Cassel).
Google
21
10) *tn,itament de l’etexie dane le tabea donalis par la r^ödueatton des
■oafements (methode de Frenkel), psr Hirschberg. (Arch. de Nenro).
FgLH. 1896. Nr. 9 u. 11.)
Der Yerl berichtet über die Erfolge, die von ihm bei der Bebandlaog der
iax» hH der Frenherschen Methode erzielt worden. Er hat dieselbe in 9 Fällen
ar isveDdnng gebracht Zonächst erfolgt eine ansfährlicbe Beschreibnng der
CekiBgeD; hiertlber ist im Original nachzolesen. Der Verf. lässt die Uebongen
Tomebmen, im Anfang soUen dieselben ongeßhr 7a Stande daoem, später
etwa 1 Stunde; dieser Zeitraom darf aber nie flberschritten werden; keinesfalls dürfen
dir OebaDgen üebermfldong heryorrofen. Bei den Fällen, die der Verf. der Be«
hadhmg unterzogen hat handelt es sich 3 Mal am schwere Ataxie mit gänzlicher
rn&higkeit za gehen and zn stehen; in den übrigen 6 Fällen war die Ataxie mitt-
iaian Grades, ln allen Fällen warde Besserung erzielt in einigen sc^ar eine sehr
betiichtliehe. Znsammen mit der Besserang der Ataxie war aach eine Besserung
des Gefühls zn constatiren, die aber nur sabjectiv war, indem die Patienten angaben,
dtts sie ihre Beine besser fühlen, dass sie dieselben im Bett Dicht mehr so leicht
reriieren ol dergl., eine objective Besserung der Sensibilität liess sich nicht fest-
«mÜRL Die Anwendni^, der Frenkerschen Methode kann nach den Erfahrangen
des TwL's in allen Fällen von tabischer Ataxie geschehen, doch muss der allgemeine
Snährungszostand der Patienten ein guter sein, und es dürfen keine Complicationen
mit anderen Krankheiten vorliegen, wie z. B. Herzfehler. Eine absolute Contra*
indicstion erblickt der Verf. in den tabischen GelenkaffectioneD. Bei blinden Tabikern
hat die FrenkeTsche Methode keinen Nutzen, da sie sicher zu ihrer Ausübung
•bes intaeten Sehorgans bedarf. Psychische Stürungen, Abnahme der Intelligenz
dürfen glmchfalls nicht vorhanden sein, wenn die Methode Erfolg haben soll. Fälle,
wo die Tabes ganz acut sich entwickelt, sollen nicht sofort in Behandlung genommen
werden, eondem es ist abzuwarten, bis die Krankheit einen gewissen Stillstahd er*
reicht hat, oder das Fortschreiten ein langsameres ist
ln Bezog auf die physiologische Grundlage der durch die Frenkel'sche Me*
thode ermelten Besserui^en schliesst sich der Yerf. ganz den Anschauungen FreukeTs
an. M. W e i 1 (Stuttgart).
SO) Zw«i mie von Tabes doraalis mit Sperminom-Poehl behandelt, von
Dr. H. Werbitzky. Aus der Elhtik von Prof. L. Popoff in St. Petersburg.
(Deutsche med. Wochenschr. 1897. Nr. 41.)
Das BAsumä lautet: Besserung des Allgemeinbefindens, Schwinden der Schmerzen,
erhübte Hantoensibilität (alle Formen). Besseres Muskelgefühi, erhöhte Muskelkraft;
Yominderusg der atactischen Ersebeinungen. Besserung der Ptosis. Nach den
ersten Iiqectionen etwas erhöhte Scbweisssecretion. K. Pfeiffer (Cassel).
11 ) Cbronisobe fortsohareitende Angenmnskellähmnng und progressive
Paralyse, von Dr. E. Siemerling, Professor in Tübingen und Dri J. Bö-
deker, Privatdocent in Berlin. (Arch. f. Fsych. u. Nervenkrankh. Bd. XXIX.
S. 420 u. 716.)
Die vMüegende Arbeit bildet eine Fortsetzung der im Supplementband des
IXIL Bandes des Archivs für Psychiatrie veröffentlichten Untersuchungen über die
chroniBchen progressiven Lähmungen der Augenmuskeln, die Siemerling unter Be*
utaoDg der von C. Westphal hinterlassenen Arbeiten in so überaus sorgföltiger
Weise 1891 al^eeehlossen hatte. Die Yerff. haben nun lO neue Fälle von chro*
•iecher fortschreitender Augenmuskellähmung klinisch und anatomisch zum G^enstand
D g ii/od oy GOO^ IC
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ihrer Studien gemacht; bei 8 F&ilen handelt es sich um Paralytiker, bei 2 Fällen
um Tabiker mit GeistesstOrnng. Eine flbersichtUebe Tabelle giebt folgenden
Anfschluss Ober die klinischen ond anatomischen Befunde, wobei wir nnr der 8 Para*'
lytiker gedenken wollen.
Fall 1. Yerlanfsdauer 4 Jahre. Älter 49 Jahre. Pnpillen eng, lichtstanr,
starr bei Conrergenz. Rechter Abducens gelähmt. Trochlearis und Obliquus inf.
rechts intact. Parese der fibrigen rechtsseitigen Muskeln. Parese des linken Bectus
inf. und Obliqn. sup. Sprache gestört. Eniephänomen fehlt. Beide Äbdncenskerne
degenerirt, der rechte mehr. Rechter ÄbduceusnerT erheblich, linker geringer dege>
nerirt. Rechter Trochleariskem ond Trochleariswurzel stark, linker Trochleariskera
in geringem Grade, Ocnlomotorioskeme und Oculomotoriuswnrzeln beiderseits dege-
nerirt Blutungen in den Kernen und Muskeln. Mnakeläste, besonders rechts, ent¬
artet Hypoglossuskeme degenerirt, Fasern und Kerne im centralen Höblengrau
ebenfalls. Muscul. obliqn. super, besonders links stark erkrankt, Optici intact. Im
BQckenmark Hinterstrangsdegeneration.
Fall 2. Terlaufsdauer 2 Jahre. Alter 53 Jahre. Papillen starr, different.
Nervi optici atrophirt. Rücksichtlich der Augenbewegungen bandelt es sich um
fortschreitende Lähmung aller Muskeln. Beiderseits starke Ptosis. Protrusio bnl-
borum. Sprache gestört. Patellarsehnenreftexe lebhaft. Abducenskeme, Äbducens-
wurzeln und Abducensnerven beiderseits degenerirt, Trochleariskeme, Trochleariswurzeln
und Trocblearisnerven ebenfalls. Oculomotoriuskeme sämmtlich degenerirt, ebenso
die Wurzeln und Nerven. Blutungen im centralen Höblengraa. Sodann Degeneration
der Gangl. Gasseri, der aafsteigenden Trigeminuswurzeln, des linken Hypoglossus»
kems. Schwund der Fasern im centralen Höhlengrau. Degeneration des Peroneus.
Degeneration aller Augenmuskeln. Degeneration der Seiteostränge im unteren DorsaL
und Lendentheil.
Fall 3. Terlaufsdauer 20 Jahre. Alter 46 Jahre. Pupillen weit, lichtstarr.
Opticusatrophie. Fortschreitende Lähmung aller Augenmuskeln. Starke Ptosis.
Nystagmus. Sprachstörung. Patellarsehnenreflexe fehlen. Abducens* und Troch*
leariskem, «Wurzeln und 'Nerven degenerirt Oculomotoriuskeme beiderseits sehr
stark entartet. Degeneration der aafsteigenden Trigeminuswurzel und der spinalen
Glossopharyngeuswurzel. Blutungen in hinterer Commissur. Alle Augenmuskeln
degenerirt. Degeneration der Hinter- und Seitenstränge des Rückenmarks.
Fall 4. Verlaufsdauer unbekannt Alter 69 Jahre. Pupillen different starr
bei Lichteinfall und bei Convergenz. Papillen besonders temporal abgeblasst Augen-
bewegungen nach allen Richtungen gelähmt Mittlere Ptosis. Sprache gestört.
Kniephäoomen fehlt Abducens-, Trochlearis- und Oculomotoriuskeme, -Wurzeln und
-Nerven beiderseits degenerirt. Degeneration des linken Hypoglossuskems, der rechten
spinalen Glossopharyngeuswurzel, der aufsteigenden Tr^eminuswurzel, des N. peroneus.
Alle Augenmuskeln entartet Im Rückenmark Degeneration der Hinterstränge.
Fall 5. Terlaufsdauer 11 Jahre. Alter 29 Jahre. Pupillen different, licht-
starr, convergenzstarr. Atrophie der N. optici. Rücksichtlich der Augenbewegungen
wurden constatirt geringere Parese des rechten, stärkere des linken Abducens, ge¬
ringe linksseitige, starke rechtsseitige Ptosis, Parese des linken, Paralyse des rechten
Ocnlomotorius und Intentionsnystagmns. Sprachstörung. Gesteigertes Kniephänomen.
Degeneration beider Abducenskeme, beider Trochleariskeme and Trochleariswurzeln,
beider Oculomotoriuskeme, namentlich des rechten; aach die Oculomotoriuswurzel war
rechts dünner als links. Fasern und Kern im centralen Höblengraa degenerirt.
Alle Angenmuskeln entartet Degeneration der Hinterstränge im oberen Theil und
der Seitenstränge.
Fall 6. Terlaufsdauer 8 Jahre. Alter 37 Jahre. Pupillen different, licbtstarr.
Normaler ophthalmoskopischer Befund. Links Ptosis. Doppelseitige Abducenslähmang.
Sprachstörang. Fehlendes Eniephänomen. Abducenskeme, Abdncenswurzeln und
Dip'l'/od Oy
Google
23
iUBcsuDerreo degeserirt. Degeneration beider Ocnlomotorinakeme, namentlich des
hakn Icrns nnd der linken Wnrzel. Blntungen im centralen Höhlengran. D^e*
■otipa d^ OcalomotohttBmuskeln. RQckenmarksbefund nicht aufgeklärt.
Fall 7. Yerlanfsdaner nnbekannt. Alter 48 Jahre. Papillen starr bei Licht*
äa&l] and bei Convei^nz, different. Rechts Lähmung aller Oculomotoriasmaskeln,
m Bevegliehkeit nach oben etwas erhalten. Beiderseits Ptosis. Sprache nicht
dKtlkb gestört. Kniepbänomen fehlt. Ocnlomotorinskeme beiderseits degenerirt,
■traaednlläre Wurzeln rechte atrophisch. Kern im centralen Höhlengrau entartet,
FasBiMtx daselbst dOrftig. Degeneration der Hypoglossnskeme und Hypoglossns*
vtn^ Degeneration der Hinterstränge des Rückenmarks.
Fall 8. Yerlan&dauer 7 Jahre. Alter 51 Jahre. Papillen different, beider*
■fts üebtrtarr. Parese sämmtlicher Ocnlomotoriasäste Unks. Ptosis links. Links
lieber Abdneensparese, rechts unsicher. Nystagmus. Sprachstörung. Patellarsehnen*
ndeze fehlen. Beide Abdneenskeme degenerirt, links starker. Beide Ocnlomotorius-
bne degenerirt, links stärker. Linksseitige Oculomotoriuswnrzeln stark atrophirt.
fiktartong der Facialis-, Hypoglo^us* and motorischen Trigeminnskerne, der dorsalen
Tagoskeme, ihrer intramedoUären Fasern nnd der Glossopharyngeoswarzeln.
Abgeeehen Ton transitorischen Angenmuskellähmongen im Iniiialstadium der
Paralyse, abgesehen von den nicht zu seltenen Lähmungen, wie sie sich durch
Torhbü^ehendes Doppelsehen knndgeben, sind Augenmuskellähmungen bei Paralytikern
keine häufigen Erankheitserscheinnngen. Namentlich müssen nach den Untersuchungen
der Yeiff. das Vorkommen einer anhaltenden Einzellähmnng and die Entwicklung
der Ophthalmoplegia totalis als Seltenheiten angesehen werden.
Die Yerffl würdigen die über fortschreitende Aagenmnskellähmong vorhandene
Litteratur in der vorliegenden Arbeit, namentlich die nach 1891 erschienenen ein*
Khlägigen Yeröffentlichongen einer ansführlicben Besprechung und verfehlen nicht,
MS ihren Präparaten und den Forschungen anderer Autoren Nutzen zu ziehen für
die anatomische und physiologische Erkenntniss des Augenmuskelapparats, namentlich
der Zellencomplexe des Ocnlomotorins.
Id allen nntersnehten Fällen war das motorische Neuron (Kern-Nerv-Muskel)
in seiner Gesammtheit eighffen. Der Ansganspunkt der Erkrankung — es kommt cur
die ^ironische Ophthalmoplegie in Frage — ist in den Kernen zu suchen, wo als
constuter Befund die Degeneration der Ganglienzellen nnd der Schwund des Faser*
aetses hervortraten. Wirkliche Erkrankung der Gefösse fand sich in den meisten
FiQMi nicht. Weder Hyperämieen, weder Blntungen, noch Ependymverdickungen
adelten beim Zustandekommen der primären Yeränderungen der Zellen eine Rolle.
Pie beobachteten Blatangen traten wahrscheinlich erst kurz vor dem Tode auf. Die
SpeDdymvm'dickangen waren nicht constant ln vielen Fällen entsprach dem ver*
schiedeD weit fortgeschrittenem Grade des Zerfalls der Zellen eine entsprechend weit
oder gering vorgeschrittene Fnnctionsstörnng. Einige Male resultirte aus der nach*
wcielichett, mittleren Zelldegeneration eine Fnnctionsstörnng der zugehörigen Nerven
Boeh nicht. Klinisch wurde mehrmals ein Schwanken der Symptome, ein Wechsel
UB Grade der klinischen Ansfallserscheinungen bemerkt. Die Arbeit repräsentirt im
Terein mit der citirten früheren Siemerling’schen Arbeit nicht nur einen bedeutenden
Fortschritt in der Lehre von den chronischen Augenmuskellähmungen, sondern auch
in der pathologischen Anatomie des Mittelhims, des Hinterhims nnd des Nachhims.
Georg Ilberg (Sonnenstein).
23) iTote 8ur un oas de paohymdnlnglte hdmorrhagiqae prise pour \tne
paralyaie gdndrale, par Boissier. (Archiv, de Neurol. Toi. II. 1896.
Nr. 8.)
Anamnese: 42jähr. Portier, hereditär belastet; keine luetische Infection, kein
üigiVrcd oy Google
— . 24
Alkoholismus; häufig Congestioueii nach den geringsten Anft^nngen und gering*
fflgigen Diätfehlem. Beginn der Erkrankung im Jahre 1892' mit Schwindel« Ab¬
nahme der Intelligenz nnd Beizbarkeii Aognst 1893 heftigen Schwindelanfiail mit
nachfolgender Schwäche der linken Seite; zwei Tage darauf apopleetaformer Anfall mit
zweitägigem BewnsstseinsTerlust; darnach trat ein Zustand hochgradiger Erregung
ein mit Illusionen nnd Hallucinationen. Die nach Ablauf der Erregung Ende August
Toi^nommene genaue Untersuchung eigab: paralytische Störung der Sprache und
Schrift, Schwäche des Gedächtnisses und des Urtheils, ungleiche, schwach auf licht
reagirende Pupillen, rechtsseitige Parese. Es wurde in Folge dieses Befundes die
Diagnose auf Dementia paralytica gestellt
Am 7. Korember 1894 neuer apoplectiformer Insult; am 30. November ein dritter
schwerer mit Coma und Temperaturerhöhung, der nach wenigen Stunden zum Exitus
ffihrte.
Die Autopsie ergab nun ein Hämatom der Dura mater, das sich fiber die ganze
Convezität beider Hemisphären ansdehnte; die bei Paralyse gewöhnlichen Yerändernngeu
fanden sich jedoch nicht Es waren keine Terwachsnngen zwischen Dura und Pia
zu sehen, keine chrakteristischen D^enerationen, keine Ependymgrannlationen. Die
mikroskopische Untersuchung ergab gleichfalls nicht die Verändenmgen, die man bei
der Paralyse findet. Es fand sich jedoch eine beträchtliche Endarteriitis der pialen
Qefässe, welchen der Verf. auch die Entstehung des Hämatoms zuschreibt Die Dia¬
gnose dmr Paralyse war also trotz des so charakteristischen klinischen Befundes nicht
zntieffend gewesen. Der Yerf. kommt zu dem Schluss, dass in einem Falle von
Pachymeningitis haemorrhagica wie der vorliegmide, wo die ganze Convezität be¬
troffen ist und die Hirnrinde beiderseits gleichmässig leidet es unmöglich ist, die
Diagnose einer Pachymeningitis haemorrh^ca zu stellen; er meint aber, dass in
Fällen von progressiver Paralyse, die rapid unter apoplectiformen Anfällen verlaufen
und die ätiologisch (Mangel der Syphilis) und klinisch nicht ganz einwandsfrei mnd,
differentialdiagnostisch das Hämatom der Dura mater in Erwägung zu ziehen ist.
M. Weil (Stuttgart).
23) Ueber Pruritus als Symptom der progressiven Paralyse, von Dr. Arthur
Sarbö, Nervenarzt. (Budapest 1897.)
Verf. hat universellen Pruritus ohne Veränderungen zwei Mal bei progressiver
Paralyse beobachtet Das Leiden trat im Beginn der Oehimkrankbeit auf, besserte
sich während der Bemission nnd verschwand mit fortschreitendem psychischen Terfall.
Yerf. sucht den Sitz dieses Pruritus in der Hirnrinde und hält ihn für ein projicirtes
Beizsymptom des corticalen Tastsinnfeldes.
Auch Bet hatte Gelegenheit Pruritus bei Geisteskranken zu beobachten. Zwei
Paralytiker rieben sich im expansiven Stadium so heftig am Kopf, dass die Haare
ausgii^en; in dem einen Falle hörten Jucken und Kratzen im Endstadium der Krank¬
heit auf, nnd sofort wuchsen die Haare vrieder. Besonders starker Pruritus war in
einem Falle von Schwachsinn nach Melancholie vorhanden; der betreffende Kranke
zog sich irnnder und immer wieder Wunden am Kopfe, am Halse, an den Händen
nnd Beinen durch unablässiges Beiben und Kratzen zu. Auch in diesen Fällen war
kein Anlass, den Pruritus durch stattgehafte Yer^ftung oder durch Erkrankung
peripherer Nerven, bez. der Haut, zu erklären. Die Angst war bei dem secundär
Schwachsinnigen abgeblasst, leichte Klagen Über Jucken wurden geäussert.
G. Ilberg (Sonnenstein).
24) Contribntion ä l’ötode da rdfleze pharyngien dtudld ohea les mdmea
malades aux trols perlodes de la paralysie gdndrale, par Marandon
de Montyel. (Arch. de phys. norm, et path. Yol. lY. 1897. Nr. 4.)
Yerf. hat das Verhalten des Pharynzreflezes während des Yerlanfs der Dementia
üig : 70 dGoogle
25
pnijict t>is tarn Tode verfolgt Bei 72,3 fonden eich Stdrongen des Beftexes.
Sn ig tnag ist sehr selten, am hänfigsten ist Fehlen. Meist ist die Stdrong des
Befc» «Aon in der 1. Knnkheitspehode vorhanden. Steigerung kommt Vortags-
VW ii den vo^erüekiien Krankheitsstadien vor. In der 2. Krankheitsperiode findet
■n FeUen dee B^exee wesentlich seltener als in der 1. and 3.; flberhsnpt sind
is de 3. Periode Stömngm des Reflexes seltener. Die demente Form ze^ am
kta^stsB, die depressiTe Form am seltensten Ähweichnngen. Zn der Sprachstörung
■cd mr Haotsensibilität bat sich keine bestimmte Beziehnng ergeben. Während der
Baianonen bleibt die Eteflexstdrung in der Regel bestehen und soll daher beweisen,
da« keine wirklicbe Heilung eingetreten ist. Bei alkoholistischer Äetiologie sollen
ikvnchnogen bänfiger sein, als bei Syphilitikern. Bei ersteren scheint das Fehlen,
kä letztaa die Steigenmg relativ iräsonders hänfig. Ref. ffircbtet, dass Yerf. an
■ehren» Punkten die Thatsache nicht genügend in Betracht gezogen hat, dass auch
ha ganz gesunden Individuen der Pharynxreflex fehlen kann; ferner findet man bei
Saaäei) relativ oft Bteigerungen; endlich ist fraglich, ob Yerf. eine genaue Unter-
ichädong des Gaumen- und Pbarynxreflexes dnrchgefflhrt bat. Th. Ziehen.
SS) L Sur perlode termtnale de la paralysle gdnerale et sur la mort
dea paralytlquea gdndrsux, par Ärnand. (Arch. de Neurol. Yol. III.
1897. Kr. 18.) — II. Fdriodes terminales et mort dans les soldisuit
panlyxiM gtedrales progressives, par Paris. (Ebenda. Yol. lY. 1897.
Kr. 22.)
L Auf Omnd der Beobachtung von 38 Fällen kommt Yerf. zn folgenden
Scklüsseo:
1. Man moas in Bezug auf die Endperioden bei der progressiven Paralyse zwei
Cktsgorieen auseinanderhalten. Bei der einen tritt kürzere oder längere Zeit vor
d«D Tode allmählich zunehmende Lähmung ein, so dass die Kranken sich nicht mehr
fsribewegSD kdnnen. Bei der zweiten Gruppe, die mmdestens ebensogross ist, wie
die erst^ kommt es zum Exitus, ohne dft<^ vorher ein derartiger Lähmungszostand
erätriti. Diese beiden Gruppen nnterscheiden sich dadurch, dass bei der ersteren
frühzeitig Mnakel^annungen und Contracturen auftreten, während bei der zweiten
diese Symptome fehlen.
2. Die oerel^en Anfälle sind die häufigste und natürlichste Todesursache
is Paralytiker; der Tod an Marasmus und Decubitus ist viel seltener als man bisher
sagmiommen bat.
IL Dieser Artikel enthält eine Polemik gegen die obigen Ausführungen. Yerf.
ist der Anticht, dass das Material von A. für die Entscheidung über die Frage der
Eodperiode und des Todes bei der progressiven Paralyse ungenügend ist; denn einmal
irt es so klein, und dann entstammen die Fälle A.’b einer Privatanstalt, die nur
mfrnnlirbn Eranke ans den gut situirten Classen aufnimmi Man muss zur Ent-
*A*idimg der Fr^e gemischtes Material verwerthen sowohl in Bezug auf das Ge-
vdkleebt, als auch auf die sociale Provenienz der Kranken. Unter diesen Bedingungen
vird man finden, dass die männlichen Paralytiker häufiger einem Anfall unterliegen,
als die Frauen, dass die Paralyse in ihrem Endstadium weitaus am häufigsten zum
Ksnsmos flLbrt, und dass die Kranken aus den wohlhabenden Classen viel häufigem
AifiUlen an^esetzt sind, als die Paralytiker der ärmeren Classen. Der Verf. ist
tberhsupt der Ansicht, dass man zur Zeit unter dem Kamen der progressiven Para-
Ijss ätiologiBch ganz verschiedenartige Affectionen und Intoxicationen zosammenfasst,
vriehe nichts gemeinsames haben als eine paralytische Phase uud dass dieselben sich
■ thrsD Endstadien nnterscheiden, ebenso wie sie vor der paralytischen Periode in
im Beginn und in der Entmckelnng der Symptome verschieden sind. Die Ursachen
- Google
26
Dnd erste Entvickelong dieser ÄffectLonen sind zu erforscheo und den Endperiodexi
gegenflberzostellen, dann wfirden sieb, nach der Meinung des Verf.'s, diese Unter-
schiede aufklären. H. Weil (Stnttgart).
26) Un oas de znaladie de Friedreloh aveo autopsie et examen hisrtologiaixe«
par J. Simon. (Progrds mddical. 1897. 3. 145.)
Patient ist einziges Kind, hereditär nicht belastet, hatte mit 2—3 Jahren eine
Äugenkrankheit und klagte gleichzeitig Ober Schmerzen in den Füssen. Keine wesent¬
lichen Erkrankungen ausser Diarrhöen. Mit 5 Jahren 2 Monate dauernde Dysenterie;
darnach schlechter Gang. Mit 10 Jahren Spitalbeobachtung. Diagnose wurde saf
Friedreich’sche Krankheit gestellt. Das Wichtigste des Befundes war (J. Simon):
Asymmetrischer Schädel, Physiognomie wenig intelligent, häufiges Lachen; Sprache
langsam, etwas saccadirt. Kein Nystagmus, keine Skoliose, keine KlumpfOsse, keine
Störungen im Gebiete der Sensibilität und der Sphincteren. Obere Extremitäten
normal. Das Stehen ohne fortwährende Bewegungen des ganzen Körpers unmöglich.
Beim Gehen beschreibt der Kranke Curven; er fällt oft beim Spielen, Fehlen der
KniescheibenreSexe. Bomberg’s Symptom angedeutet.
Mit 12 Jahren Charcot vorgestellt, sprach sich dieser dahin ans:
Abgesehen des Fehlens verschiedener Symptome (Scoliose, Nystagmus, Sprach¬
störung), die sich Jedoch später entwickeln könnten, halte ich den Fall für eine
Friedreich’sche Erkrankung weil
1. es sich nicht um congenitale, noch um erworbene cerebrale Läsionen bandeln
kann,
2. die Erkrankung regelmässig zunimmt: Fehlen der Reflexe,
Fehlen von Sensibilitäts* und Blasen Störungen, leichte, erst anf-
getretene geistige Schwäche und eine geringe Aenderung der Sprache,
3. es sich bei den fehlenden Beflexeu nicht um einen Kleinhimtnmor handeln
könne.
Mit 16 Jahren konnte Fat. nicht mehr gehen, mit 17 Jahren folgender Befund
(P. Boncour):
Pat sitzt mit genäherten Knieen und gespreizten Beinen, die inneren Knöchel
liegen auf der Unterlage. Beine können nicht gehoben werden, jedoch noch einige
Bewegungen machen, ebenso die Zehen. Klumpfussstellung. Starke Atrophie der
Muskeln an den unteren Extremitäten, zumal an der Planta pedis. Keine Knie-
sebeibensehnenreflexe. Normale Sensibilität. Transversaler Nystagmus beim Fixlren
eines bestimmten Punktes. Hund halb geöfoet, viel Speichel. Beine Scoliose, je¬
doch in der Höhe des ersten Dorsalwirbels ein deutlicher Vorsprung. Keine Druck¬
empfindlichkeit der Wirbelsäule. Bedeutende Wärmeempfindung und Stechen in den
Lumbalgegenden und in den Waden. Intelligenz unter mittelmässig. Sprache langsam,
undeutlich und stotternd. Pat urinirt oft ins Bett und ist dauernd verstopft.
(Geber die oberen Extremitäten finden sich keine Angaben. Bef.)
Ohne Vorboten und Krankheitserscheinungen fand man Pat tot im Bette vor.
Die Autopsie ergab völlig gesunde Organe, Hess keine Veranlassung des plötzUcheu
Todes finden.
Das Bückenmark und Gehirn untersuchte Philipp. Die ausführliche Beschreib
bung kann leider en dötail nicht wiedergegeben werden; deshalb seien Ph’s Schluss¬
sätze angeführt:
1. Das auffallend dünne Rückenmark ist der Sitz einer combinirteii
Sclerose (Hinterstränge, Pyramidenstrang und Kleinhirnseitenstrang).
2. Es fanden sich Veränderungen der Zellen der grauen Substanz,
die noch näher beschrieben werden sollen.
Adolf Passow (Strassburg i./E.).
ig |i/od c/ Google
27
ST) Three OMae of Priedieioh’s disease all presentlng marked in orease
ol ths knee-joTk, b; Gleorge Hodge. (Brit. med. Joorn. 1897. Jan. 5.
8. UOö.j
3fUl« TOD Friedreicb’scher Lähmung, speciell beschrieben, unter Beigabe
nt ÜMofrsphMD, am eine charakteristiBche I^formität des einen oder beider FOsse
.Tads Patienten za illnstriren. Der Fass tritt mit dem Ballen and äusseren Bande
nf; ftm gehoben and nach aussen gedreht. — Im Übrigen sind die Unterextremi-
ttin lieffllich normal entwickelt. In dem einen Falle besteht auch Atrophie der
HüdBaskeln rechts, and die Hand hat Klanenform. ~ Die weitere Wiedergabe der
Lukteitsefscbeinangen, welche dem bekannten Krankheitsbilde Friedreich’s ent-
i^idts, unterbleibt hier. L. Lehmann I (Oeynhausen).
^ Bonarks on Priedreioh’s Ataxia, wlth notes of three oases, by Her¬
bert Bramwell. (Brit. med. Joum. 1897. Oct. 2. S. 896.)
I>ie Symptome, im Original weitläufig beschrieben, werden hier nicht weiter
EügBtheilt — 6 Kinder von sonst gesunden Eltern. 3 davon litten an Friedreich'-
Km Krukheit, and davon zwei kürzlich gestorben. Das älteste, eine Tochter, ganz
Rand, Terbeirathet und hat gesunde Kinder. — Das Zweitälteste, jetzt 27 Jahre
lii, ist njops, zart, nervOs, mit gesteigerten Kniereflexen und sonst keinen Symptomen
m Krukheit. — Das dritte, ein Sohn, starb 24jährig. Er bot im Leben alle
Tpaeben Erscheinongen der Friedreich’schen Ataxie. — Das vierte bekam eine
Knnkbelt im 6. Jahre and starb 19 Jahre alt — Das fünfte, ein Sohn, bekam die
Etukbeit im 7. Jahre; ist Jetzt 19 Jahre alt
Die Autopsie ergab bei dem ad vier genannten Mädchen, dass das Rücken-
■trk kleiner, als normal (im Gegensatz zu Ataxia locom. progr.), und diese
ceagmitale Kleinheit geht auf die Hed. oblongata und Pons über. 2. Die Sclerose
in hier ausgedehnter als bei Tabes und erfasst auch die GolTschen, Burdach’schen
tad Clark’schen Stränge, die directen Gehimstränge und die Pyramidenkreuzung.
In ernten Beobachtangen waren auch die hinteren Wurzeln im unteren Rückenmark
Es werden photographische Abbildungen der verschiedenen Rückenmarkshühen
io Osendmitt beigeffigt ans denen die Behauptungen hervotgehen.
Es sind auch Beobachtungen vorhanden, in denen Gowers’ Strang und die
ürscten Pyramidenstränge lädirt waren; ausserdem Verdickung der Rückenmarks-
lirie, Meningomyelitis, besonders im unteren Tbeile des Rückenmarks. — Es besteht
i« Priedreich'scher Ataxie also eine combinirte Sclerose gewisser Züge in den
Hmfar- and Seitensträngen, und ausserdem in den resiculären Clark’schen Säulen
'S der grauen Substanz und den hinteren Nervenwurzeln. Doch sind diese weiteren
Degeoerationsaosdehnangen erst Vorkommnisse und Prodnctionen der späteren Krank-
^(itiBtadiea. L. Lehmann I (Oeynhausen).
Psychiatrie.
28) L’asdsUuioe et le olaasement des alidnea en Belgique, par Dr. J. Al.
Peeters. (Bull, de la socidtd de mddecine mentale de Belgique. 1897. Sept.)
^ bewegliche El(^;e des Directors von Gheell Er beschwert sich darüber,
von den Verwaltnngs- und Armenbehürden, ebenso wie von den geschlossenen
iMaltm, ihm Kranke nach Gheel geschickt werden, welche für die Familienpflege
passen, und behauptet, dass in den geschlossenen Irrenanstalten eine Reihe von
die sich für Familienpflege trefflich eignen würden, zurflckgehalten werden.
kKserdem beklagt er, dass eine grosse Reibe von Kranken direct nach Gheel kommen,
Googli
28
olme durch eise geschloBseoe Anstalt hindorchgegangeo zo sein, dorthin überwies«
durch die Ärmenbehörden, die Yerwaltungsbehörden und die Krankenhäuser. Dai
diese Behörden von den verschiedenen Formen der Anstaltspflege, wie sie in Bel^c
gesetzlich fesigelegt sind, nichts wissen, ist bedauerlich; als ^deutend schlimm«
aber bezeichnet Verf., dass unter den belgischen Aerzten, die doch die bemfene
Berather dieser Behörden sein sollten, fast gar kein Interesse fOr Geisteskranl
besteht, was er daraus schliesst, dass im Gegensatz zu den Aerzten anderer Nationei
die häufig nach Gheel kommen, um die dortige FamiUenpflege kennen zu lernen, ei
belgischer Arzt sich dort sehr selten sehen lässt. Von allen nach Gheel gesandte
Kranken mussten in den letzten 4 Jahren 1 7*^/0 als f&r Familienpflege ungeeign«
zurflckgesandt werden. Verf. vergleicht mit seinen Besultaten die der Berline
Familienpflege und stützt sich dabei auf das bekannte Buch von Bothe. Die Arbei
von Falkenberg in der allgemeinen Zeitschrift für Psychiatrie, welche die Elnl
Wickelung der Familienpflege im Anschluss an die städtische Irrenanstalt Herzberg
schildert, 1^ ihm wohl noch nicht vor. Des näheren geht er dann auf die schottische;
Verhältnisse ein: von 13,862 amtlich gezählten Geisteskranken sind hier 2790 ii
Familienpflege untergebracht, und zwar sind davon nach der Statistik von Lawson
Imbecille . . .
• • 49,8%
Idioten ....
• 16.7 „
Demente . . .
. 12,8 „
Melancholische
2,4 „
Manische . . .
. . 19.8 „ (!)
FOr unsere Anschauung wirkt die Unterbringung mehr oder weniger acntei
Kranker in Familienpflege befremdend, besonders da ja die schottische Familienpfleg<
im Allgemeinen nicht über eine Centralanstalt verfügt, doch hat man dort gute Erfolg«
davon gesehen, wie ans den jährlichen Rapporten und aus einer eben veröffentlichter
Statistik hervorgehi Allerdings werden die für die Familienpflege bestimmten Kranker
mit ziemlicher Sorgfalt an^esucht; hängt doch von dieser Auswahl zum grosser
Theil das Blühen des ganzen Systems ab. Eine Reihe von Geisteskranken kommet
hier in Familienpflege, ohne jemals durch eine Irrenanstalt gegangen zo sein, und
zwar dann, wenn zwei Aerzte bescheinigen, dass der Kranke der Pflege in einer
geschlossenen Anstalt nicht bedarf. Auch in den geschlossenen Anstalten werden
die Kranken für die Familienpflege sehr sorgsam aosgewählt; unerlässlich ist natür*
lieh für das Gedeihen der ganzen Einrichtnng, dass Kranke, welche für die Familien-
pfl^e als ungeeignet sich erweisen, ohne weiteres und jedenfalls ohne grössere
Formalitäten der Anstalt wieder zngeführt werden können. Verf. kommt dann aui
die belgischen Zustände zurück und sagt: Es ist klar, dass sich unter den ruhigen
nnd unheilbaren Geisteskranken der geschlossenen Anstalten eine grosse Zahl der
arbeitenden Kranken befindet, die man nicht gerade gern entlässt; entlässt man sie
trotzdem in Familienpflege, so wird man mit leichter Mühe andere Arbeiter aus der
Reihe derjenigen Kranken finden — meint Verf. —, die bis dahin sich nicht be¬
schäftigt haben. Hit diesem avis auz lecteurs schliesst Verf. seinen hauptsächlich
wohl an die Adresse der belgischen Anstaltsdirectoren gerichteten Aufsatz.
Lewa Id (Kowanowko).
30) Sur les halluolnations symboUques dazu les psyohoses et daas les
rdves des sourds-maets, par Sanjnau. (Arch. de Neurol. Vol. III. 2. sör.
1897. Nr. 15.)
Die Hallocinationen der Sprache zerfallen 1. io sensorische (hallncinations du
langage de röception) « Hailuoinationen der visuellen und auditiven Worterinnemngs-
bilder, 2. in motorische (ballucinations du langi^e de transmission) = Halloci¬
nationen der Wortbewegungs- und der Schreibebewegungs-Vorstellungen. Die Taub-
DiQ'iii’od
Google
29
tiwtw, di« seit der itfibesteo Jugend des Gehörs und in Folge dessen auch der
beranbt sind, werden im Falle einer psychischen Erkrankung keine Uallu-
aHtwoen der aaditiyen Worterinnerungsbilder and keine der Wortbewegungs-Yor*
aßBBgen darbieten können. Unter den Taubstummen sind nun, abgesehen von
ia^ßü^en, die neben der Taubstummheit auch noch einen hochgradigen Intelligenz-
dcM auüreiBen, so dass sie etwas höhere geistige Leistungen flberhaupt nicht
^Urägen können, zwei Kategorieen zu unterscheiden: 1. Die „Ulettrös“; das sind
igemgo), die keinen Unterricht gehabt haben und in Folge dessen keine andere
besitzen, als eine etwas erweiterte Mimik einer gewissen Zahl von Gesten
Bd coBTsotioneUen SteUungen, von denen jede eine mehr oder minder complicirte
Twitelhmg anadrOekt Die Hallucinationen der Sprache bei dieser Gruppe können
lass Bor optis^-minüscher und motorisch-mimischer Natur sein. Der Verf. hat einen
a tisMr Gruppe Taubstummer gehörigen Älkoholdeliranten beobachten können. Dieser
PiL gib einein anderen Taubstnmmen, der ihn gut verstand, an, dass er roth ge-
UaMete Gestalten sehe, die durch Gesten ihn zu erwftrgen drohten. Die Gesten,
neh die Gestalten bedienten, bestanden zunächst in einer Bewegung der beiden
Hlade, die das Zudrflcken des Halses ihm andeuteten, dann in einer anderen, durch
«c sie ihm andeateten, dass sie ihn an der Decke aufhängen würden. Diesen
deächtäiallacmationen ist nun, wie der Yerf. ausfOhrt, verbale Bedeutung zazu-
idnibea, zum Unterschied von den grimassirenden Gestalten der nicht taubstummen
BaBadnanteii; die Grimaasen dieser haben keine verbale Bedeutung. Es handelt sich
also W dem Pat. um das Auftreten von Hallucinationen der ihm zu Gebote stehenden
seasorischea Sprache. Die Frage, ob bei dem Pat auch motorische Hallucinationen,
& ghachfalls mimisch hätten zum Ausdruck kommen müssen, anftraten,- Uess sich
ndd eotscheiden, da es unmöglich war, dem Kranken die hierauf bezüglichen Fragen
votändlkh zu machen. Zur Lösung dieser Frage zog deshalb der Yerf. die Tränme
coldMr T^bstummer herbei, die Unterricht gehabt hatten. Diese zweite Groppe
iMhstummeg ist im Stande, geläufig Ansknnft über den Charakter der während der
Tiiame auf^tendan Hallocinationen za geben, und die Tränme entsprechen ja den
P^ehosen in Bezog anf ihre fundamentalen Elemente, so dass, wenn in den Träumen
■cicaisebe -Hallucinationen anftraten, man die Existenz von mimisch-motorischen
HaUnäaationett bei taubstummen Geisteskranken bejahen könnte. In der That kommen
m 4«i Träumeo notorische HaUucinationen all’ der verschiedenen Arten der Sprache
vor, w^be die Taubstommen sich durch Unterricht erwerben, also der wenn auch
mdlkommen articolirten Sprache, der Schriftsprache, der Fingersprache.
H. Weil (Stuttgart).
Sl) Ueber Zuatlnde von Verwirrtheit nnd AuikHTiuig oder Stupor Im
BftgiTtiiir und Verlaufe der ohronlaohen Paranoia von Dr. Krause in
Göttii^^. (Monatsschrift f. Psychiatrie u. Neurologie. 6d. I. 1897.)
Yert giebt sieben Krankengeschichten von Paranoia, bei denen Zustände von
Twwirrtheit mit Aufregung oder von Stnpor beobachtet worden sind. Diese Zustände
üd mm Theil mehrfach gekommen und geschwunden. Sie traten einige Male auf,
als die Paranoia noch nicht lange bestand, bezw. schienen sie diese Krankheit ein-
gleiten.
Es ist gut und nützlich, dass der Yerf. auf diese Zustände aufmerksam gemacht
kt, die ja nichte allzuseltenes sind, ln jeder Irrenanstalt kann man Derartiges
kobaektoi. Bef. kennt einen alten Paranoiker, der etwa jährlich einen 8 Tage lang
kaonden Stuporanfall bekommt, und einen schon Jahrzehnte lang an combinatorischer
PoBoia kidmden Pat, der für gewöhnlich recht klar combinirt, aber ganz selten
isfalkweiM faallocinirt und dann sehr erregt und verwirrt ist. Bef. beobachtete noch
ktnlidi einm Kranken, der erst einige Wochen lai^ an Verfolg^ngsideeen gelitten
■' . Google
30
hatte, dann drei?iertel Jahr lang vollständig stuporös war und sieh erst in der hierauf
foigenden Zeit als echter Paranoiker entpuppte. Praktisch wichtig sind auch Fälle,
in denen die vom Verf. beschriebenen Erregui:^- oder Stuporzustände im Unter-
suchui^sgefangniBse auftraten und allein den Anstoss zur psychiatrischen Untersuchung
geben, welche zeigt, dass der Gefangene schon zur Zeit der Begehung der ihm zur
Last gelegten strafbaren Handlung paranoisch war. —
Weniger gut und weniger glücklich ist Yerf.'s Polemik gegen Eraepelin. Es
wird Eraepelin gar nicht einfallen zu bestreiten, dass Zustände von Verwirrtheit
und Äufr^ung oder 'von Stupor bei den von ihm zur Paranoia gerechneten Fällen
Vorkommen können. Verf. verwechselt das Zustandsbild der hallucinatorischen Ver¬
wirrtheit, das bei allen möglichen psychischen Erankheiten vorkommt, mit der selbst¬
ständigen Erankheit: acute Verwirrtheit Die Hauptbedentung der Eraepelin’schen
P^chiatrie liegt eben darin, dass er auf’s Ganze sieht und nicht am Momentbild
haftet. Mit weitem Gesichtsblick Übersieht er die Erankheiten vom Anfang bis zum
Ende, und nur solche Fälle bezeichnet er mit einem gemeinsamen Namen, die im
Grossen und Ganzen in verschiedenster Hinsicht übereinstiromen: nicht nur nach deu
Symptomen, sondern auch nach Art der Entstehung, Verlauf, Dauer, Ausgang und
eventuell Ursache. Es kann nun gewiss keine grösseren Gegensätze geben, als die
Erankheit acute Verwirrtheit (Amentia) und die Erankheit Paranoia. Mit vollem
Recht trennen Eraepelin und Andere beide grundverschiedene Erankheiten scharf
von einander ab und sträuben sich dagegen, sie als acute und chronische Paranoia
oder dergl. als innerlich verwandt mit einander erscheinen zu lassen. Wenn Verf.
das Zustandsbild der Verwirrtheit im Beginn der Erankheit bei einigen Paranoia¬
kranken sab, so hat er deshalb noch lange nicht gesehen, dass die Erankheit acute
Verwirrtheit in die Erankheit Paranoia Übei^ng. Folliculäre Angina und Eehlkopf-
tuberculose sind doch gewiss grundverschiedene Leiden. Wenn nun ein Eranker
mit Eehlkopftuberculose bei weiterem Umsichgreifen des Leidens gelegentlich auch
Böthung und Schwellung der Tonsille, also ähnliche Symptome, wie sie bei folli*
cularer Angina bestehen, haben kann, so gehören doch deshalb folliculäre Angina
und Eehlkopftuberculose noch lange nicht zu einer gemeinsamen Erankheit, von der
letztere die chronische und erstere die acute Form darstellt
Es könnte natürlich verkommen, dass eine Paranoika etwa im Puerperium
einmal von der Erankheit acute Verwirrtheit befallen würde; das ist natürlich wieder
etwas Anderes. G. Ilberg (Sonnenstein).
32) Aoute manle, door M. J. van Erp Taalman Eip. (Festb. d. Nederl.
Verein voor Psychiatrie 1896. S. 97.)
Verf. fand unter den Eranken, die er in der Irrenanstalt zu Dordreht beob¬
achten konnte, keinen einzigen, bei dem er sich zu der Diagnose von acuter Manie
als selbständige Erankheit gedrungen fühlte, und fand, dass die früher als acute
Manie diagnosticirten Fälle eine sehr grosse Verschiedenheit darboten, sowohl in
Bezug auf die beobachteten Erscheinungen, als auch auf den weiteren Verlauf; des¬
halb hat er die Erankengeschichten der vom Jahre 1894 in der Anstalt Verpflegten
genau durebgegangen und von 42 Patienten, von denen nur ein Anfall von Manie
bekannt, gesucht, weitere Nachrichten zu erlangen. Von den 26 Männern konnte ei
bei 20, von den 16 Frauen bei 14, die Periodicität durch das Vorkommen vor
mehreren, mehr oder weniger einander gleichenden Aoßllen feststellen. Unter dei
8 Eranken, bei denen sich nur ein Anfall nachweisen liess, war bei 4 die Diagnos«
der acuten Manie mehr oder weniger unwahrscheinlich, bei 2 von diesen, die Verf
persönlich untersuchen konnte, fanden sich deutliche Eennzeichen des periodischer
Irreseins. Die 4 Eranken, bei denen die Periodicität nicht bewiesen werden könnt«
(die einzigen von 1140 Eranken), befanden sich noch alle in jüngerem Alter, de]
Dig :i7cd cy Google
31
ihtft« fir 38 Jahre alt, und Kraepelin hat einen Fall beobachtet, in dem eine
■Mcbe Srbaobmg sich nach 32 Jahren genau in der früheren Weise wieder-
'^v^h hat
Hu kann dnsnach mit Becht annebmen, dass ein einziger Anfall von acuter
laaie e(M so grosse Seltenheit ist, dass man, alle Änfölle mit gleichen Erschei-
oster einen Gesichtspunkt bringend, gut thut, das am meisten bezeichnete
isateiehu, nämlich die Neigung der Wiederholung gleichartiger Anfalle auch als
untKlle Eigenschaft fOr die Benennung der Krankheit zu benutzen. Man soll
wh Terf. deshalb statt von acuter Manie lieber von periodischer Geistesstörui^
ipnden, nm eine bleibende Abweichung anzudenten, wo?on jeder Anfall von Manie
TS am Torübergehenden Zustand repräsentirt.
Walter Berger (Leipzig).
33) Traitement de le manie, par Magnan. (Revue de psjchiatrie. 1897.)
T«f. empfiehlt bei Manie: 1. No*restraint und Bettruhe (nur, wo es absolut
ficht anders gebt, zeitweise die Zelle); 2. Bäder, Brom und Chloral; 3. bei heftiger
Sngnog oder starker Schlaflosigkeit Injectionen von Hyoscium chloratum; 4. gute
ihätiniDg und kein fennentlrtes oder destillirtes Getränk. Die Zwangsjacke ist im
-btreu d'admission“ schon seit 25 Jahren abgescbafft, und seit einiger Zeit ver-
void^ Verf. bei den acuten Psychen, speciell der Manie, nur die Bettbehandlung,
da Zellen (letztere nur noch ausnahmsweise). Bäder von 33^ C. werden zur
2—5 Standen lang gegeben, mit kalten Compressen auf den Kopf; wo
^ Erreguog zn gross ist, tritt statt des Bades eine nasse Einwickelung ein. Abends
^ Pat 3—6,0 Bromkali und 2—3 Stunden später 2—3,0 Chloral; nach 10 Tagen
ctva, veoQ mehr Buhe da ist, ßUt das Brom weg, und nur noch zeitweise wird
riilonl gegeben, das Verf. dem Solfonal nnd Trional vorzieht. Wo Brom-Chloral
uchtE Dfitzt, dann ist gut Laudannm in steigenden Dosen; schlecht dagegen ist
V'iYphiom, sehr gnt eine Injection von 1 — 1 ^3 mg Hyoscin. Bef. möchte es scheinen,
fzs utts in den meisten Fällen von Manie mit weniger Medicin, als Verf. anzu-
vfodeu scheint, aaskommt, und der eigentlichen Zelle in den allermeisten Fällen
i>cber estrathen kann. Näcke (Hubertusbni^).
Therapie.
^ TTebsr die Wirkungsweise des Fyramidon bei verschiedenen Krank-
heitmsttnden, von Dr. Oonat Both. (Wiener klin. Wochenschr. 1897.
Hr. U.)
Terf. untersuchte das Fyramidon, ein Dimetbylamidoantipyrin ans den Höchster
^icbeowwken hinsichtlich seiner therapeutischen Eigenschaften, unter Anderem auch
^ Kflcksicbt auf seine schmerzstillende Wirkung bei Migräne, Cephalalgie, Neuralgie,
•d« und Folyneoritis. Die analgesirende Wirkung des Präparates wurde schon
'0 Filehne beobachtet, und Verf. kommt zu ebenso befriedigenden Besnltaten.
Io ÖF^en von Migräne wurde nach mehrmaligem Gebrauche etwas grösserer
iym (0,5 g pro die) vor oder im Beginne des Auftretens der Schmerzen stets
auch Schwinden derselben erzielt
besserten sich Kopfschmerzen rasch nach Darreichung von 0,5—1,0g.
Io einem Falle von Trigeminusnenralgie, die schon mehrere Wochen bestand
keiner anderen Behandlung wich, trat rasch Besserung ein.
^ Kranker mit Ischias erfqhr deutliche Linderung, ein anderer nicht Bei
Dig':ved oy
Google
32
einem Tabiker konnten schwächere Attaqnen von gastrischen Krisen mit Schmenen
und Erbrechen durch Pyramiden gehoben werden. Ebenso bewährte es sich gegen
die Wadenschmerzen eines Alkoholikers and die Kopfschmerzen je eines Falles
von acuter und subacuter Nephritis. Bei nervöser Tachycardie war es wirkungslos.
Unangenehme Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. J. Sorgo (Wien).
36) Lumbalpunotion, Bpinalpunotion, von Prof. Dr. A. Ooldscheider. (Enlen-
burg*8 Beal'Encyklopädie. 3. Anflage.)
Nach einer Darstellung der Geschichte und Technik der Spinalpunctioo erörtert
Verf. eingehend: 1. die diagnostische Bedeutung der Function. Er hält sie fOr eine
zweifellos werthvolle Bereichemng unserer di^nostiseben Hfllfemittel. Sie gestattet
in zweifelhaften Fällen, eine Vermehrung des Liquor cerebrospinalis und Druckerhöhung
naebzuweisen (bei Meningitis serosa und Hirntumor z. B.). „Finden sich klinisch
starke Drucksymptome, bei der Spinalpnnction aber nur mässig vermehrter - Druck,
so kann man auf einen aenten Process, umgekehrt — auf einen chronischen schliessen.
Deutliche Vermehrung des Eiweissgehalts lässt einfachen Hydrocephalus ausschliessen,
Bpurweiser Eiweissgehalt andererseits einen entz&ndlicben oder durch tubercolOse
Meningitis bedingten Erguss ausschliessen und ein Stannngstranssudat (Hirntumor)
als unwahrscheinlich erscheinen.“ Vorhandensein der Zuckerreaction ist nur mit
Vorsicht zu verwerthen. Gerinnselbildnng spricht fOr entzflndliche Affectionen, ihr
Ausbleiben fär Tumor oder Hydrocephalus. — Trftbe, zellenreiche FlQssigkeit spricht
fUr eitrige (oder chronische?) Meningitis, die aber auch bei klarer Flflssigkeit nicht
auszuschliessen ist. Wiederholtes Auftreten blutiger FlQssigkeit gestattet die Diagnose
Ventrikelblutnng, bezw. Bluterguss in den Dnralsack. Tuberkelbacillen beweisen
tuberculöse Meningitis; praktisch weniger wichtig ist der Nachweis anderer Bacterien
(Strepto-, Pneumokokken n. s. w.). Die Function ermöglicht die Diagnose einer acuten
serösen Meningitis.
Was 2. die therapeutische Bedeutung der Spinalpnnction anbelangt. Aber die
die Meinungen noch sehr getheilt sind, so meint Verf., dasH sie in manchen FWen
Besserung herbeifQhrt, z. B. bei acuter seröser Meningitis, kleinen Hirntumoren (zwei
Fälle von Tumoren der hinteren Schädelgmbe, die Verf. beobachtet-hat, zeigten nach
der Spinalpnnction auffallende Besserung). Die Ergebnisse fordern jedenMls zu
weiteren Versuchen auf.
Schliesslich werden die gelegentlich durch Spinalpunction verursachten Schädi¬
gungen angeführt, besonders die durch zu rasche oder zu intensive Druckentlastung
hervoigernfenen. Toby Cohn (Beiiin).
m. Aus den GeselUohaften.
Berliner Qeeellsohaft für Peyohiatrie und Hervenkrankheitan.
Sitzung vom 13. November 1897.
(äohloss.)
Moeli: lieber atrophisohe Folgeaustände an den Sehnerven.
Vortr. knüpft an seine im Jahre 1889 gemachten Hittheilungen über D^ene-
ration im Tractus und Nervus opticus an.
Es ist bekannt, dass selbst bei sehr langem Bestände eines Herdes in der Seh*
- Google
33
bei Erwachsenen im Tractus and Kerrea Degeneration nicht eintreteo muss.
Aath jaizt war dies nur bei einem der vorgefahrten ftinf Fälle vorhanden, und zwar
war eg eine Brknnhung im zweiten Lebenajahre, die zu vollständiger Schrumpfung
des gaazen rechten Hinterhauptes, hochgradiger Atrophie des Thalamus u. s. w. und
Degne.'ation in beiden Opticis geführt hatte. Weiter werden vier Fälle besprochen
nad mittelst Projecüonsapparates und Photographieen erläntert, in welchen nach
Erimakaag des Corp. gen. ezi oder dar centralaton Tractusabschnitte ausgesprochene
Deg^ientioo beider Sehnerven bestanden. In einem lag ein grosser, 18 Jahre be*
stehender Hinterhanptsherd vor. Die mikroskopische Untersuchung ergab aber einen
zwehen Herd im Corp. gen. lat.
[He Betnchtnng der meist fast völligen Atrophie eines Tractus und ihre Ver-
ibeilang durch das Chiasma u. s. w. hindurch führt unter Heranziehung der Unter«
sxhBQgsbefunde bei drei totalen einseitigen Opticnsatrophieen za folgenden Schlüssen:
Sowohl bei Zerstörung des Corp. gen. lat., als eines Opticus tritt in beiden
Hüften des Chiasmas nnd darüber hinans eine Degeneration ein, welche verschiedene
Siellai des Querschnitts auf beiden Seiten und Fasern von bestimmter Verlaufs-
nehtuBg betrifft.
Em aasgebreitetes Feld, welches ausschliesslich gekreuzte oder ungekreuzte
Fasern enthielte, ist jedenfalls auf dem grössten Tbeil des Cbiasmaquerschnitts, ins-
oes<nMi«re der Mitte desselben, nicht aachzuweisen. Andererseits finden sich zweifellos
Absehoitte, welche ganz vorzugsweise Fasern einer Gattung enthalten uni theilweise
nar oebnibei von anderen and anders gerichteten Bündeln dnrchlaufen werden.
Geht man vom atrophischen Trsctns ans, so tritt die erste Faserausammlong
ia drei Fällen ganz Obereinstimmand dorso-modial auf. (In einem vierten in den
Möpttalen Abschnitten mehr medial?) Die genaue Feststellung zeigt, dass diese
tbeils aas dem medio - ventralen Felde der gegenüberli^enden Seite, theils dorsal
kerübergekrenzte Faserung znm Tbeil eine Ausbiegung occipitalwärts macht. Das
öceipitale Ende der Ebenen, in welchen man sich die gekreuzten Fasern nach vom
Qsbiagend denken kann, liegt occipitalwärts vom Chiasma und reicht in höhere
Hurisontalebeneo hinauf, als das frontale Ende. Auch an den letzteren findet sich
brtanniUch ein schleifenförmiger Verlauf der Fasern frontalwärts (Michel).
Beim Aastritt ans dem Chiasma liegt die Masse der gekrenzten Fasern dorso-
meltal im Nerven, öfter hufeisenförmig die ungekrenzten umfassend, soweit letztere
sich schon gesammelt haben. Die mediale Baadzone wird von den am meisten frontal
gekrenzten eingenommen. In allen Fällen jedoch finden weiter noch Umlagerungen
der noch nicht basal vereinigten ungekrenzten Fasern statt, und zwar durch die
B&odel der gekreuzten Fasern hindorch. Weder beide Nerven, noch die einzelnen
FiUe bieten eine völlige geometrische Uebereinstimmung, aber in allen kommt scbliess-
Uch diese Sonderoi^ der Fasern, nnd zwar im intracraniellen Theüe des Opticos,
zu Stande. Bis dahin finden sich anf einem grossen Theile des Querschnitts, in
dem vierten Palle bis znm Poramen opticum selbst, beide Arten von Fasern vertreten,
so dass man erst an dieser Stelle des Verlanfes die zu einem ventro-lateralen, kahn-
förmigen Bündel zasammeogefassten angekreuzten Fasern den übrigen Theil des
Qnenchnitts frei lassen sieht.
Die nngekreuzten Fasern liegen sicher im Tractus hinter dem Chiasma grössten-
iheils lateral and dorsal (Opticusatrophie). Vergleiche der Tractasaffection mit
Opttensatrophie lassen annehmen, dass sie zam Theil radiär gestellte, meist latero-
T«Dtnl convexe Bündel in den hinteren, ziemlich gerade ventro-medial gerichtete
Bündel in den frontalen Chiasmaebenen bilden. Diese Bicbtung tritt auch vor dem
Chiasma noch an einem Theile der Bündel hervor. Die ventrale Lagerung nnge-
krmter Fasern in den vorderen Chiasmaebenen kommt aber anscheinend nicht
S
Google
34
nur anf diesem Wege, soodern Bach durch Heromaiehen an der Peripherie des
Chiasmaqaersehnitts zu Stande. Es ist nämlich der Beveis, dass in der frontalen Hälfte
des Chiasmas die zur Krenzang noch bestimmten Fasern — wenigstens in weeent-
lichen Mengen — bis an den lateralen Band gelangen, nicht zn führen.
In der vorderen Orbita theilt sich das nngekrenzte Bündel in der oft beschriebenen
Weise. Auch die Lage des gekrenzten Bündels entspriccht dem durch die Henschen’-
sche Zusammenstellung bekannt gewordenen Verlaufe.
Es Hess sich in zwei darauf untersuchten Fällen einer von dem Kniehücker
absteigenden hochgradigen Atrophie auch durch die Papille hindurch eine Yerändemng
feststellen, indem eine messbare Verschmälerung der zugehörigen Nervenfaserschicht,
jedoch ohne (durchgängigen) Schwund der Qanglienzellen sich ergab.
Sitzung vom 13. December 1897.
Discussion über den Vortrag des Herrn Moeli.
Oeelvink demonstrirt Präparate mit Degenerationen im Chiasma, die in Folge
peripher vor demselben stattgehabten Läsionen entstanden sind. Sie stammen von
einem 57jähr. Patienten, der an aphasischen Störungen, Äorteninsufficienz und Arterio«
scleröse litt. Die Sehkraft des einen Auges war durch einen glaucomatösen Process
zu Gründe gegangen. Ende 1896 starb der Pat. ganz plötzlich an Herzschwäche.
Der Hnke N. opticus war grau und um die Hälfte schmäler als der rechte, in den
beiden Tractus war makroskopisch keine Differenz nachznweisen. Auf Schnitten ei^ab
sich, dass der linke N. opticus vollkommen degenerirt war; der rechte hingegen
vollkommen normal. Tortr. demonstrirt sodann an vorgelegten Präparaten den Ver¬
lauf der normalen Fasermassen des rechten N. opticus im Chiasma opticum und die
Vertheilung derselben auf die beiden Tractus.
Jacobsohn demonstrirt Präparate vom Chiasma opticnm, welche vor einena
Jahre angefertigt wurden, aus Anlass eines Vortrages von Eölliker’s, den dieser
damals über die Kreuzung der Sehfasem auf dem Anatomencongress zu Berlin ge¬
halten hatte. Die Präparate sind aus dem Chiasma des Meerschweinchens, Kanin¬
chens, der Katze und des Affen. Diesen Thieren war ein Auge enucleirt worden
und das Chiasma, dann nach 2—4 Wochen mit der Marchi’scben Methode behandelt
worden. Letztere hat vor der Weigert-Pal'schen den Vorzug, dass sie die friscL
degenerirten Harkfasem positiv färbt, während sie das normale Gewebe ungefärbt
lässt. Dadurch ist es leichter möglich die degenerirten Nervenfasern auf ihrem
Wege von einer Station zur andern zn verfolgen. Die Präparate (gröastentbeils
Horizontalscbnitte durch das Chiasma) zeigen nun evident, dass beim Meerschweinchen
eine totale Kreuzung der Sehfasem stattfindet, dass beim Kaninchen der allergrösste
Theil der Opticnsfasem zum Tractus der anderen Seite hinübei^eht, während nur
vereinzelte auf derselben Seite bleiben. Ein geschlossenes Bündel nmgekreuzter
centripetaler Fasern existirt beim Kaninchen sicher nicht Bei der Katze. dagegen
gehen ausser den zahlreichen gekreuzten Fasern eine sehr grosse Zahl nach dem
Tractus opticus derselben Seite. Die Zahl der letzteren ist beinahe so gross, wia
die der gekrenzten. Beide Arten gehen nicht als ein dickes Bändel an der inneren
hezw. äusseren Seite des Tractus, sondern -zerstreuen sich über den ganzen Tractus.
Beim Affen nähern sich die Verhältnisse denen wie sie am Menschen beschrieben
sind, d. h. der mächtige Zug der gekreuzten Fasern sammelt sich mehr an der
medialen Seite, der andere Zug der ungekreuzten Sehfasem concentrirt sich mehr an
der Aussenseite des Tractus. Indessen zerstreuen sich einzelne Fasern von diesen
Bündeln im späteren Verlaufe auch mehr über den ganzen Tractus. Vortr. macbt
beeonders auf diejenigen Fasern anfmerksam, welche an der lateralen Seite des Seh¬
nerven znm Chiasma ziehen nnd hier bogenförmig nach innen schwenken. Diese
machen anf Weigert-Pal-Präparaten den Eindruck, als ob sie alle uach der ge-
■' . Google
35
kmzt«D Seite hinfibei^ehen. Dieser letztere Umstand ist es auch besonders gewesen,
v4cber Kblliker zur Annahme einer voUständ^en Krenzung der Sebfasem verleitet
hat. Aof Marchi-Pr¶ten sieht man indessen, wie ein Theil dieser Bogenfasero
nicht nach der gekreozten Seite gebt, sondern nach dem Tractus der gleichen Seite
stehwenkL Vortr. demonsbirt darauf weitere Präparate, an denen sich der Verlauf
4« Sehfaeem bis zu den nächsten Centren (Vierhflgel, Corpos genicnlatnm ezt.,
Thalamna) verfolgen lässt Während der Zug der Sebfasem auf dem ganzen Wege
a dieeen Centren und in ihnen selbst beim Meerschweinchen nach Enucleation eines
Ai^ nor aof der g^enaberli^enden Seite degenerirt ist, ist dies bei der Katze
ud beim Affen anf beiden Seiten aufs deotlicbste ausgeprägt. Was den Verlauf
4er Sebfasem im Chiasma anbetrifft, so machen sie förmige Bögen, deren einzelne
Kcgungmi aber nicht in einer, sondern verschiedenen Kbenen liegen, so dass man sie
mit dem Laufe der Bögen eines Korkziehers vei^leichen kann.
Moeli macht noch einige ergänzende Bemerkungen über den Lauf der Sehfasern
im Chiasma.
Blascbko (als Gast): Ein Fall von Iiepra anaestbetica.
Die strenge Unterscheidung zwischen Lepra tuberosa und Lepra macnlo-anaesthetica,
welche besonders darauf basirte, dass man bei der ersten Form massenhaft Bacillen
bnd, während sie bei der zweiten Form zu fehlen schien, ist nicht mehr aufrecht
tu «halten, da man in nenerer Zeit anch bei der zweiten Form solche, wenn auch
in g«ingerer Zahl, gefunden hat In dem Falle, den Vortr. vorstellt, soll die In>
fection vor 14 Jahren stattgefunden haben. Die Patientin erkrankte mit einem
evjtbematösen Flecke anf der rechten Wange, welcher sich im Laufe der Zeit ver-
grösserte; es kamen dann neue Flecke auf der Oberlippe und anderen Körpertheilen
kinzo. Diese Flecke treten in zweierlei Arten auf: 1. sind sie zuerst lenticulär und
vergrössem sich im Laufe der Zeit oder 2. sind es Flecke, die auf einmal einen
grossen Bing einnehmen ond sich dann nicht mehr veigrösaera oder in der Art des
Herpes tonsurans weiterschreiten. Bei der vorgestellten Patientin sind nun alle diese
Flecke für Schmerz- und TemperatoreindrOcke unempfindlich, während die BerQbrungs-
empfind nng nur unbedeutend herabgesetzt ist. Die Übrige Haut des Körpers zeigt
disU dissociirte Empfindungsstörung nicht. Diese Thatsache scheint zu beweisen,
dass weni^tens für diesen Fall die Krankheit in der Cutis selbst liegt, uud dass
die Nervenfasern in diesen Flecken selbst betroffen sind und nicht eine centrale
Partie. Vortr. glaubt als Erklärung für diese eigentbümlicbe Erscheinung annehmen
zu köDDen, dass die Tast empfindenden Nerven gegen die lepröse Erkrankung resistenter
-ind als die anderen Nerven.
Laebr: Herr Blaschko hat eine Arbeit von mir erwähnt, in welcher ich mich
bemüht habe, die für die Differentialdiagnose zwischen Lepra und Syringomyelie in
Botncht kommeuden Momente Übersichtlich zosam menzustellen. Unter diesen glaubte
ich der bei beiden Krankheiten verschiedenen Localisation der Sensibilitätsstörongen
öne gewisse Bedeutung beilegen zu müssen, indem bei der Syringomyelie stets ein
Mgomstaler Tjpos zu finden sei, der bei der Lepra dagegen für gewöhnlich zu fehlen
scheine: Wenigstens sind ans d« Litteratur nur ganz vereinzelte Beobachtungen be¬
kannt, in denen eine radicoläre Anordnung beschrieben ist Ob hierzu die von Herrn
Blaschko angeführte Arbeit von Griesinger gehört, kann ich vorläufig nicht
ttgen, ehe ich nicht die Abbildungen gesehen habe. Die Untersuchnngen von Jean¬
selme stehen keineswegs nüt der von nur vertretenen Ansicht im Widerspruch. Sie
Mgen, dass neben einer fleckweise und unregelmässig, häufig handschuhförmig, von
4« Peripherie centralwärts sich ausbreitenden Anästhesie schon relativ frühzeitig
anch in peripberiscben Nervengebieten Empfindongsstörungen beobachtet wurden,
wekbe bei weiterem Fortschreiten sich immer mehr der radiculären Aasbreitangsweise
aäh«n. Jeanselme selbst sieht in diesem von der Peripherie centralwärts fort-
3“
D g ii/od oy GOO^ IC
36
schreitenden Sensibilitätsausfall einen wesentlichen Unterschied gegenüber der Aus-
hreitungaweise der syringoaiyelitischen Empfindungsstömng. Wenn man die von
Herrn Blaschho citirte Arbeit Oerlacb's berücksicht, durch welche bei der Lepra
eine anfsteigende neuritische Erkrankung fes^estellt ist, muss man ja auch theo¬
retisch ohne weiteres zugeben, dass dem Fortschreiten des Krankbeitsprocesscs eine
immer mehr dem radicolären Typus sich nühernde Ausbreitung der Anästhesie ent¬
sprechen wird. Eine solche Ausdehnung scheint aber, wie schon gesagt, sehr selten
beobachtet zu sein, and in solchen vorgeschrittenen Fällen wird es kaum an anderen
wichtigen differentialdiagnostischen Merkmalen fehlen. Die verschiedene Localisation
der Anästhesie ist ja nur ein Anhaltspunkt unter einer Beihe anderer, nicht minder
in die Wagschaale fallender.
Oppenheim findet das Interessante in diesem Falle darin liegen, dass der
Process ein partieller ist; bei neuritischen Processen findet man eine derartige Aus¬
breitung nicht; es scheine sich die Erkrankung nur auf die feinen Hautnerven zu
erstrecken.
Remak: Die Verlangsamung der Schmerzempfindnng bat man sehr lange als
Ausdruck einer Bfickenmarkserkrankung betrachtet; allmählich kam man zur An¬
erkennung, dass so etwas auch peripherisch Vorkommen kann; dasselbe scheint sich
auch jetzt mit der partiellen Empfindungslähmung zu vollziehen, weshalb Fälle, wie
der von Blaschko voi^stellte, von grosser Bedeutung sind. Schon Parmentier
hat die Beobachtung gemacht, dass im Centrum der anästhetischen Stelle alle Gefühls-
qualitäten gestört sind, während an der Peripherie die Berührungsempfindung un¬
gestört bleibt.
Blaschko bat in zwei Fällen dasselbe nachwei&en können, was Bemak soeben
erwähnt hätte, dass die Temperatur- und Schmerzempfindung immer um mehrere
Finger breit weiter aufgehoben war als die Tastempfindung. Das scheint auch da^
zu sprechen, dass seine vorher voi^etragene Ansicht richtig ist. Es ist möglich,
dass es sich hier weniger um eine Neuritis selbst, als um eine Perineuritis handelt.
Bratz: Ammonshornveränderungen bei Epileptikern.
Die Untersuchung erstreckt sich über 50 Kranke aus der Anstalt Wuhlgarten,
Untersucht wurden mehrere Rindenpartieen und besonders der Gyrus hippocampi mit
anstossendem Schläfenlappen. Die 50 Fälle zerfallen in zwei Groppen; die erste um¬
fasst die Fälle ohne Ammonshomerkrankung. In einzelnen Fällen fanden sich be¬
sondere Herde, Psammom mit Gliose, Herd im Corpus striatum u. s. w. Die am
häufigsten beobachtete Veränderung, 50 aller Fälle, war eine Verschmälerung
eines Ammonshornes; die Substanz des letzteren fühlte sich verhärtet an. Indessen
erwies mitunter die mikroskopische Untersuchung eine Erkrankung, wo keine Ver¬
härtung war und umgekehrt. In der Mehrzahl der Fälle findet sich bei der genuinen
Epilepsie immer die gleiche Veränderung. Die Verscbmälernng betrifft nicht nur
das Ammonshom s^bst, sondern auch die nächste Umgebung des Scbläfenlappens.
Es liegt eine Hypoplasie des gesammten Himgebietes vor, es finden sich ganze Zell-
lager atrophirt, besonders die der Pyramidenzellen. Der betreffende Raum ist mit
Glia ansgefüllt. Welcher Process der primäre ist, lässt sich nicht weiter bestimmen.
Die Erkrankung geht durch das Ammonshom hindurch bis in den Uncus hinein.
Gerade diese E'mförmigkeit des Erankheitsprocesses drängt zu der Annahme, dass es
sich um die Residuen eines weit zurückliegenden und zum Abschluss gekommeneu
Precesses handelt. Auch das klinische Bild in seiner klassischen Form bildet sieb
oft erst allmählich heraus. Die ersten Krankheitserscheinungen sind bei den Kindern
leichte Scbwindelanfalle, kurz dauernder Tonus der Muskulatur und erst im Uebei^ng
bilden sich die typischen clonischen Zuckungen heraus. Auch für die Epilepsia tarda
wurde in drei Fällen dieselbe Veränderung gefunden. Die typische Zellatrophie fand
Vortr. auch bei drei Paralytikern, bei welchen in einem Frühstadium epileptiforme
'ig'ii^od Dy
Google
37
Krimpfe anfgetreten waren. Zum Schluss bespricht Tortr. mehrere fOr das Ent«
stehen der Epilepsie aufgestellte Theorieen, von denen noch keine als gesichert an«
zneehen ist.
Köppen: Da das Ammonshom in Beziehung zum Geruchsorgan steht, so frage
ich an, ob einseitige Störungen des Geruches bei den Patienten vorhanden waren.
Oppenheim fragt an, ob Bratz es ffir ausgeschlossen halte, dass der Process
angeboren sei.
Bosin hält den Befund von Pigment in Ganglienzellen nicht fflr pathologisch.
Wenn das Pigment in atrophischen Zellen so stark erscheine, so rühre dies daher,
dass der andere Zellbestandtheil zurückgetreten sei.
Bratz stützt sieh in Bezug auf das Pigment nur auf den Vergleich mit normalen
iieüOL Ob der Procesa schon sehr früh entstanden sein kann, wie Oppenheim es
■«int, kann Bratz nicht entscheiden. Er glaubt nicht, dass die grossen Pyramiden«
zeüen des Ammonshoms die Tr^er des Geruchvermügens sind; wenn dies so wäre.
Kl hätte in diesen Fällen einseitige Geruchsstörung bestehen müssen; eine solche ist
aber niemals beobachtet worden.
Jolinsbnrger und E. Meyer (Autorreferat) berichten über Befunde an deu
VorderhomzeUen und den grossen Ganglienzellen der Centralwindnngen heim Menschen.
Die Härtcng wurde theils in 95 Alkohol, theils in Hfiller>Formol Yorgeoommen,
zur ^rbung wurde Tbionin, Methylenblau u. a. verwendet — Die ansgestellten
Präparate stammen von einem schweren Alkoholisten, der unter dem Bilde hoch«
gndiger Verwirrtheit motorischer Unruhe, Sinuestäuscbungeu bei normalem soma«
tischen Befände in wenigen VPochen zu Grunde ging. Weiterhin wird hingewiesen
aaf fälle von Erschfipfungsdelirien, Dementia paralytica, Dementia senilis. Unter
letzteren ist ein Fall besonders bemerkenswerth, wo bei einem 70jährigen Manne
Biit Schmmpfniere etwa drei Wochen vor dem Tode eine linksseitige Hemiparese
tut SensibUitätsstöningen im Anschluss an Krampfanfälle beobachtet wurde, ohne
dass für eratere durch die Section eine makroskopisch erkennbare Unterlage gefunden
werden konnte. Erst das Mikroskop zeigte eine sehr deutliche Veränderung der
grossen Ganglienzellen, sowie eine Vermehrung der Kerne des Zwischengewebes in
den rechten Centralwinduogen gegenüber der linken Seite. Hit der Methode nach
Marchi wurde eine sehr an^esprochene Schwarztypfelung in der linken Pyramiden*
bahn vom Gebim bis in das Bückenmark herab beobachtet
ln allen diesen fällen wurde auch das Rückenmark untersucht Ein weiteres
wurden die Vorderhornzellen von Personen studirt, die intra vitam keine Rückenmarks«
Symptome zeigten und an Carcinose, Tuberculose, Herzfehler litten; eine andere Reihe
betraf Fälle mit Erkrankung des Rückenmarks; es handelte sich um Lues cerebro«
spin&lie, Alcoholismus chronicus, pemiciöse Anämie. In einem Falle hatte ein Mann
ln Folge einer Krebsmetastase im linken Oberschenkel einen Broch desselben erlitten;
hier fand sich eine linksseitige ausgesprochene Veränderung der VorderhomzeUen im
Saeral- und Lendenmark. Bei derselben Person hatte eine Krebsmetastase am linken
Foramen condyloidenm den linken N. hypogloasns zur Atrophie gebracht und es
konnte eine sehr deutliche Alteration der Zellen im Kem der gleichen Seite constatirt
werden. Die Untersochongen erstreckten sich auf Individuen vom 5.— 84. Lebens¬
jahre.
Die Vortr. kommen zu folgenden Schlüssen:
Die Granula sind keine einheitlichen Körper, sondern nur Körnchenapparate;
ihre Alteration kennzeichnet sich darin, dass ihre feinen Körnchen zunächst
regellos, diffos angeordnet erscheinen und später schwinden. Dieser Process schreitet
zunächst vom Centrum nach der Peripherie, entweder gleicbmässig concentrisch oder
m der einen oder anderen Richtung in stärkerem Grade. Erst weiterhin kommt es
zu einer Formveränderung bezw. Volomenverkleiuerung der Zelle. Der Kern ändert
ach hinsichtlich seiner Form, seiner Stellung und Tinctionsfähigkeit. Zwischen den
Google
38
Ter&nderungen in den VorderbomzelleD und den grossen Ganglienzenen aus den
CentralwinduDgen besteht kein wesentlicher Gegensatz. Dos hohe Alter und Fieber
an sich f&hren zu keinen bemerkenswerthen oder constanten Veränderungen der
Granula. Die Zellverändemngen lassen nur einen quantitativen Unterschied in Bezug
auf einen und denselben Voi^ng erkennen, gleichgöltig ob dieses oder jenes ätio¬
logische Moment vorliegt. Die Structarveränderang ist nicht die anatomische Grund¬
lage einer bestimmten Fanctionsstörnng, sondern nor der anatomische Ausdruck
einer Beaction der Zelle auf ihre durch den Erankheitsvorgang abgeänderten Lebens¬
bedingungen. Die Grannla sind restitntionsfäbig und können als Nährsubstanzen für
die Zelle aufgefasst werden. Der Ausgleich der Structur zur Norm ist ein anato¬
misches Kriterium dafQr, dass die Anpassung der Lebensvorgänge in der Zelle an
ihre äusseren Einflasse vollzogen ist.
Den klinisch verschiedenen Bildern entsprechen keine specifiscb verschiedene
Gewebsbefunde. Jacobsohn (Berlin).
Verein ftlr innere Mtedisln in Berlin.
Sitzung vom 15. November 1897.
(Deutsche med. Wochenschr. 1897. Nr. 60.)
Discussion fiber den Yortr^ Stadelmann: Klinische Brfiahrungen mit der
Lumbalpunotion.
Kroenig: Die Gefahren der Lumbalpunction bestehen in der zu schnellen
und zu tiefen Herabminderung des Cerebrospinaldruckes und lassen sich bei An¬
wendung des von dem Redner angegebenen Apparates und Manometers vermeiden.
Der Normaldruck beträgt bei Erwachsenen in medio 125 mm Wasser im Liegen,
410 mm im Sitzen, Zahlen, welche die untere Grenze markiren und niemals Ober-
schritten werden sollen. Das GeßUe der Flässigkeit ist entsprechend der enormen
Differenz der Druckhöhen verschieden: das Ansffiessen geschieht in Horizontallage
stark tröpfelnd, in sitzender Haltung meist spindelnd oder spritzend. Als Regel
muss bei der Lumbalpunction allmähliche Herabsetzung des Druckes bis zur Norm
gelten; zwei Ausnahmen existiren. Die Function ist sofort zu unterbrechen bei
eintretendem oder sich steigerndem Kopfschmerz, zweitens soll man etappenweise
Vorgehen, durch wiederholte Function die Norm zu erreichen suchen, wenn es sich
cm einen nachweisbar (Stauungspapille) oder vermuthlich seit langer Zeit schon be¬
stehenden Ueberdruck bandelt, welchem das Gehirn sich entsprechend dem lang¬
samen Entstehen und Anwachsen desselben adaptirt hatte. In einem Falle von
Farietallappentumor sank der anfangs sehr hohe Druck (600 mm) plötzlich bis auf
«a. 20 mm, wahrscheinlich war der Liquor zwischen Canäle und innerem Durablatte
hindurch in den weitmaschigen Interduralrauro gedrungen. — Wie eine andere Be¬
obachtung zeigt, kann durch den physiologischen Flflssigkeitsstrom Eiter von einer
circumscripten, serös-eitrigen Arachnitis ln den spinalen Theil des Snbarachnoidal-
raumes getragen nnd durch die Canäle nach aussen befördert werden.
Oppenheim beobachtete einen 22JäbrigeD Mann mit alter, doppelseitiger, puru¬
lenter Otitis und acut entstandenen, schweren Himerscheinungen (beiderseitige* sehr
hochgradige Stauungspapille, Amaurose rechts, beträchtliche Herabsetzung der Seh¬
schärfe links, 1. Abducenslähmung, Nystagmus, cerebellare Ataxie), Temperatursteige-
rung und -abfall; Pulsverlangsamung und Benommenheit fehlten dauernd. Die Dia¬
gnose schwankte zwischen Tumor cerebelli und Hydrocephalus acquisitus, resp.
Meningitis serosa. Eine Lumbalpunction hatte gänstigen Eriolg, die Stauungspapille
wandelte sich zwar in Atrophie um, die äbrigen Erscheinungen aber schwanden.
Fat. ist seit 1 Vs Jahren arbeitsunßhig. Wahrscheinlich lag eine seröse Meningitia
'ig'ii/od Dy
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39
T«r. Im (Jebrigeo hat .0. keine gOnstigen therapeutischen Erfolge ?od der Function
beobachtet
Ooldscheider hält den Krönig’schen Apparat fQr eine werthvolle Ver-
bcjuernng, glaubt jedoch, dass man mit dem Qainke’scheQ Verfahren aaskommen
kann. Die Möglichkeit, den Subduralraum punctiren za kOnoen, bedarf noch der
Beetitigung. Vermehrter Eiweissgehali deatot nicht sicher auf Entzfindang. Be*
sftgUcb des positiven Toberkelbacillenbefundes in der Pnnctionsfl&ssigkeit theilt G.
den Standpunkt des Vortragenden, nicht aber dessen UrtheU Über den therapentisohen
Worth das Qainke'schen Verfahrens. G. sah günstige Erfolge nach der Function
bei Meningitis serosa (1 Fall) und in 2 Fällen von Tumoren der hini Schädelgrube
— letztere nehmen für die Lambalpanetion eine Sonderstellung ein; selbst kleinere
Geschwülste künnen durch Compression der Vena magna Qaleni schnell zu H^dro-
e^balos führen. G. sah bei anderen Hirntumoren und Meningitis niemals eine Besse*
nu^ durch die Lumbalpunction, auch nicht bei Chlorose, bei welcher übrigens eine
Tomehrang des Liquor nicht nachweisbar war. Bei eitriger Meningitis findet
lieh meist kein Eiter.
Fürbringer hat bei 71 Fällen tubercnlöser Meningitis 50 Mal, d. b. in
BacQleo gefonden. — Der Nachweis von Eiweiss and Zucker hat wissenschaftliches,
kein praktisches Interesse. In der Bestätigung oder Sicherung der Diagnose des
Schädalbrucbes leistet die Function viel, doch beweist die Entleemng klarer Flüssig*
keit nicht sicher, dass keine Fraktur, resp. kein Durchbruch der Blutung in die
Ventrikel vorlieg^ F. negirt nicht vüUig jeden tberapentischen Effect der Lombal-
pnncüon. — Für die Function geeignete Fälle von Chlorose sind selten: Besserungen
nad meist nnr vorübergehend, auch spielt die Su^estion dabei eine grosse Bolle;
in anderen Fällen ist der Nutzen zweifelhaft, ja es fo^ Verschlimmerung. Hirn*
Uotongco contraindiciren nicht ohne Weiteres ao^iebige Functionen, letztere können
Biekt selten sofortige Besserungen bedingen.
T. Lejden sah bei der Meningitis spinalis und Meningitis cerebrospinalis nicht
fsrade viele ond wesentliche Vortheile von der Punktion, bei der Chlorose keinen
Erfolg. Günstig wirkte der Eingriff in 8 Fällen von anscheinend seröser Meningitis,
■owie bei einem hydrocephalischen Kinde, bei einem zweiten war der Erfolg nicht
sidküich. V. L. räth, bei hydrocephalischen Kindern diese Procedur eventuell zu ver-
soclmD, dann natürlich die Pnnctionen in gewissen Zeitabständen zu wiederholen:
er glaobt, dass diese zeitweilige Drnckentlastung einen zeitweiligen reichlicheren Blut*
zaflott and so eine günstigere Chance für Entwickelung des Gehirns giebt.
Krönig hält gegenüber Goldscbeider die Quinke’schen Functionsvorachrifteii
flr nnzweckmässig, da hierbei der Druck nach Entleerung von 6—8 ccm, nicht der
wirkliche Druck gemessen wird, ein FlOssigkeitsverhältniss von 6—8 ccm klinisch
aber keiaesw^ irrelevant ist. Kr. beobachtete günstigeo, wenngleich vorüber¬
gehenden Erfolg der Function bei einem Falle von Parietallappentumor, dauernden
Nutaea bei der rbenmatischen Form der serösen Meningitis.
Fränkel kann Goldscheiders Behauptung, dass .eitrige Beschaffenheit der
PanctioBsflüssigkeit bei Meningitis purnlenta selten ist, nicht bestätigen. In einem
Falle mit anklarer Diagnose — dieselbe schwankte zwischen „Tumor cerebri" und
,aeate Encephalitis“ — brachte die Pouction sofort aufTalleude, dauernde Besserung,
die bis aur Heilung gedieh; möglicherweise hat Meningitis serosa vorgel^eu. ln
der Anwendung der Fnnction ist etwas mehr Maass zu halten, als jetzt geschieht.
Cassel fand unter 9 Fällen von tuberculöser Meningitis nur in einem Drittel
TaberkelbaeUlen. Wiederholte Lumbalpunctionen, sowie auch Himpunction bliebqn
kä einem 4 Wochen alten Kinde mit Hydrocephalus congenitus und bei einem
10 Monate alten Kinde mit Bydrocepbalns chron. acquisitus erfo^los. C. sab bei
tfeBingitis inberenlosa vorübergehenden eclatanten Nutzen nach der Fnnction, aber
ksine danemde Besserung.
Googli
40
Bernhardt erinnert, dass pl{ptzlicbe Todesfälle lei Tuir.oren des Gehirne,
nan.eDtlich der hinteren Schädelgrube, Mter vorhonnDen, also nicht alle Todesfälle
nach Lumlalpunction bei Hirntumoren auf die Operation zo schieben sind; anderer¬
seits ist Vorsicht nöthig in der Anwendong der Function gerade bei Keubildongen
innerhalb der Scbädeldecke.
Heise citirt einen im Sanitätsberiebt der Armee besprochenen Fall. Hier lagen
schmore meningitische Symptome vor: sofort nach der Function, die klare, sterile
Flüssigkeit entleerte, Erleichterung. Ein nach ca. 10 Tagen erfolgtes Ansteigen der
Symptome murde durch eine zweite Function günstig beeinflusst, Fat. war am Tage
danach fieberfrei; es trat Genesung ein.
Vortr. vertheidigt Quiuke gegen die Vorwürfe KrCnigs. Bedner hält es für
sicher, dass man unter pathologischen Verhältnissen den Subduralraum punctiren
kann; er hat keine günstigen therapeutischen Resultate nach der Function gesehen,
solche aber nicht grundsätzlich negirt. K. Ffeiffer (Cassel).
Faychiatrlscher Verein au Berlin.
Sitzung vom 18. December 1897.
Kaplan (Herzbei^e): Kraskenvorstellnng.
Es handelt sich um eine 46jährige Frau, welche früher stets gesund gewesen
sein will. Ihre jetzige Krankheit begann vor l^s Jahren und zwar mit Kopfschmerz
und Schwindelgefühl, zo welchen Erscheinungen bald darauf eine Lähmung der linken
Seite eintrat. Ein paar Wochen später bemerkte die Patientin, dass sie nicht recht
sehen konnte; sie stiess an Gegenstände an. Manchmal hatte eie Doppeltsehen.
Ausserdem erschienen ihr die Gegenstände breiter, zogen sich in die Länge ond
waren doppelt. Die Blumen, die in Gefässen standen, schienen sich anfzurichten,
die Bäume und Häuser schwankten und dergl. mehr. Fat. sab aber auch Gegen¬
stände, die gar nicht vorhanden waren, z. 6. Mäuse in allen Farben, die sich be¬
wegten, grosser ond kleiner wurden, ond zwar tauchten diese Gegenstände immer
von der linken Seite auf. Fat wurde matt, schläfrig, und kam endlich wegen aller
dieser Störungen in's Kraukenhans. Bei der Untersuchung findet sich eine links¬
seitige Hemianopsie, ferner hei der ophthalmoskopischen Untersuchung eine beginnende
Atrophie des N. opticus. Es bestand ferner leichte Ptosis an dem linken Auge und
die Unke Pupille reagirte weniger prompt, als die rechte; es findet sich ferner ein
Kystsgmns, welcher sich in einer langsamen Raddrehong der Augen äussert. Ausser¬
dem ist noch eine leichte Parese im linken Facialis und eine linksseitige Hemiparese
mit Steigernug der Sehnenphänomene auf dieser Seite.
Von der nystagmusartigen Augenbewegung nimmt Vortr. nicht an, dass sie
angeboren ist, sondern sie hängt wahrscheinlich mit der jetzigen Erkrankung, Lnes
cerebri, zusammen und ist ein bei dieser Krankheit sehr seltenes PhSnomen; Uhthoff
beobachtete es unter 2.^0 Fällen nur 2 Mal.
Einzelne Erscheinungen, welche die Fat. hatte, Doppelbilder, VergrCsserong und
Verkleinerung der Gegenstände u. s. w., können durch die Angenmuskelstörun^en,
wozu auch eine Accommodationsparese angenommen werden muss, erklärt werden.
Bei den anderen noch aufgetretenen Erscheinnngen kommen psychische Störungen
hinzu, und Vortr. erklärt die combinii-ten Gesichtsstörungen als Illusionen der durch
die gestörten Muskelfunctionen gesetzten Erscheinungen. Aber die Kranke hatte auch
Hallucinationen; diese sind theils einfacher Natur, theils zusammengesetzter (Mäuse).
Alle Hallucinationen betrafen die optische Sphäre und erschienen immer auf der
linken Seite; das weist darauf hin, dass diese Gesichtshallucinationen in enger Ver¬
bindung stehen müssen mit der organischen Erkrankung (Sebstrablung und Binde
des rechten Hinterhauptslappens). Gm die ganzen Störungen zo erklären, müsse xrian
Dig i'/od c/ Google
41
n« Herd«, eineii an der Hinibasie ond einen im rechten Hinterhanptelappen an-
Mhi&eiL Di« Störungen haben sich nach einer Inunctionakor erheblich gebessert
Laehr fragt, ob die Kranke daoemd an den unilateralen Hallucinationen ge>
litteo hat oder nocli leidet Bei drei von ihm beobachteten Kranken war das nur
tcrbbergehend der Fall.
Kaplan: Knaelne Hallucinationen b^annen 2—3 Wochen nach Eintritt der
Brwanopö«, andere traten später auf nnd Terschwanden auch wieder.
Discueaion über den Vortrag Falkenberg (Uerzberge): Familienpflege
Oeiataakmiücer.
Schmidt meint, dass es yielleicbt zweckmässiger sei, Idioten nnd ähnliche
Klinke weiter yon der Anstalt entfernt auf das platte Land zn bringen.
Lewa Id weist anf den bedeutungsvollen Unterschied bin, welcher in der Familien-
pdege bei Berliner Anstalten nnd deijenigen anderer Anstalten besteht Während
MB bei den letzteren mit Glück versucht, die Kranken ausserhalb der Anstalt zu
halten, bat man in Berlin versucht, dem Kranken durch Familienpflege wieder eine
Existenz zn verschaffen.
Fraenkel hält die Familienpffege auch ihr eine segensreiche Einrichtung;
Bfinte aber, dass sexuelle Schädigungen dabei eintreten können.
Moeli: Die Familienpflege soll eine Zwischenstation werden zur Erreichung der
Unabhängigkeit in der Lebensführung. Diese Pflege ist nur dann statthaft, wenn
die Kranken selbst arbeiten. Die Arbeit fahrt aber auch wiederum eine gewisse
GeßhrduBg mit sich. Das weibliche Geschlecht wird durch die vielerlei Arbeit im
Hause weniger ans der Familie herausgefübrt als das männliche. Wenn die männ-
Uchen Kranken arbeiten, so m&ssen sie auch zum Theil trinken; sie stehen in dieser
Hinsiebt durch das Beispiel anderer unter einem gewissen Zwange, und was die
Anstalt mit Mühe dnrehgesetzt hat, geht unter diesem Zwange wieder verloren.
Aibeitsgelegenbeiten in der Anstalt selbst emzurichten, hat noch nicht verwirklicht
verdeu können.
Falkenberg meint, dass einer Ausdehnung der Familienpflege auf das platte
Und . so wünschenswerth es auch sein möge, doch zu erhebliche Schwierigkeiten
rsgenüber stehen. In sexueller Hinsicht hätte die Familienpfl^e keine Missstände
ergeben. Kranke, die zn derartigen Dingen neigen, wörden gewöhnlich bei Ver¬
wandten nutergebracht üeber' die Beschäftigung der einzelnen Kranken hat Vortr.
verrucht, eine Statistik anfzustelien, aber etwas Brauchbares ist dabei nicht heraus-
gekommeu. Han kann nur eine ungeföhre Schätzung annehmen. Unter den Pfleg-
linfen sind vielleicht nur 40^/^ als arbeitsfähig zu betrachten (vollkommen arbeite-
fthig ist natürlich kein Kranker). Von diesen sind es auch wieder nur etwa
die eine ihren Kräften entsprechende Arbeit erlangt haben. Die Trinker, welche
tbcr ein« grössere Arbeitskraft verfügen, stellen keine grossere Zahl von Arbeits-
&higen dar; kein einziger von den Trinkern ist Abstinent und kein einziger ist in
der iBge, vollkommen selbständig zu sein, so dass er keine Unterstützung mehr
inucht
Kaplan: Ueber Trauma und Paralyse.
Unter 546 Fällen von Paralyse ergaben die Krankengeschichten, dass 24 Mal,
also in 4^/^ ein Trauma stattgefunden batte. Von diesen konnte aber bei näherer
Prüfling kein einziger Fall als directer Beweis angesehen werden, dass die progressive
PtnljE« durch ein Trauma verursacht wird.
Köppen fragt an, wieviel Fälle von einfacher Demenz nach Trauma eingetreten
«ad; ob das Trauma vielleicht Zustände herbeigefQhrt batte, welche der Paralyse
^r ähnlich sehen.
Moeli glaubt, dass in mehr Procent der Fälle Trauma in der Anamnese vor-
komsen mnss, als es die Zusammenstellung in der Anstalt Herzberge ergeben hat.
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42
EaplaD kann die Frage Köppen's im Augenblick nicht mit einer beetimmteo
Zahl beantworten, meint aber, dass es sicher viele derartige Fälle giebt.
Jacobsohn (Berlin).
26. Veraammtang der südweetdeutaohen Irrenärste in Karlsruhe
am 6. und 7. November 1897.
Die erste Yersammlnng begann Sonnabend Nachmittag 3 Uhr.
Emmminghans (Freibo^) eröffnet die Sitzniig.
Zum Vorsitzenden wnrde für die erste Sitzung Fflrstner (Strassburg), zu
Schriftführern wurden Gross (Heidelberg) und Dörner (Freibni^) gewählt.
Den ersten Vortrag hielt, da der erste Beferent Ganser (Dresden) verhindert
ist, als Correferent Fischer (Pforzheim): Heber den weiteren Ausbau der
Irrenfürsorge ausserhalb der Irrenanstalten.
Er sprach speciell übet; die badischen Verhältnisse. Die Erfahrungen haben
gelehrt, dass die Entlassung eines Kranken aus der Heilanstalt nur eine Versuchs*
weise sein könne.
In Baden besteht die Uebung, dass nach der versuchsweisen Entlassung erstmals
4 Wochen später, dann von Zeit zu Zeit Erkundigungen über den Entlassenen ein¬
gezogen werden. Nach Ablauf eines Jahres könne die definitive Entlassung aus¬
gesprochen werden.
Sehr grosse Dienste hat in Baden der finanzielle Hilfsfonds des Hilfsvereins
zur Unterstützung bedürftiger Geheilter geleistet. Die materielle Unterstützung des
Entlassenen allein genügt aber nicht, er bedarf vor allem einer richtigen Verpflegung.
In dieser Hinsicht müsse betont werden, dass die Irrenärzte durch das Pnblikum
in ihren Bestrebnngen unterstützt werden müssen; dann werde es auch möglich sein,
die locale und familiäre Verpflegung der wiedergenesenen Geisteskranken in weiterem
Haasse auszudehnen. Es vrird in dieser Hinsicht von Ludwig (Heppenheim) vor¬
geschlagen. unbemittelte Entlassene in Sanatorien anfzunehmen. In diesen Sanatorien
sollen auch unbemittelte, an schwerer Nervosität Leidende aufgenommen werden.
In Baden sind in den Kreispflegeanstalten etwa 600 bis 650 Geisteskranke nnter-
gebracht Diese Einrichtung entspreche aber trotzdem nicht den bestehenden Be¬
dürfnissen.
Der Staat stehe zu diesen Anstalten nicht in solchem Verhältniss, dass er einen
Einfluss auf die Aufnahme Geisteskranker ansübe.
Auch die Organisation der Kreispflegeanstalten lasse zu wünschen übrig bezüg¬
lich des Wärterpersonals, vielfach fehle auch den Anstalten ein psychiatrischer Director.
Die Ueberfüllung der Irrenanstalten fordere eine B^elung der Beziehungen der
Staatsanstalten zu den Kreispflegeanstalten, sowie das Eingreifen der Armenpflege
für die Verpflegung unbemittelter Geisteskranker.
Der Vortr. stellt folgende Forderungen auf:
1. B^elung der Verhältnisse der Staatsanstalten zu den Kreispflegeanstalten,
Ausdehnung der familiären Verpflegung; öffentliche Belehrung der weiteren Kreise
durch die Presse;
2. Errichtung von Sanatorien als Uebergangsstationen;
3. Regelung der Staatsanstalten.
An der Discussion betheiligen sich: Emminghaus (Freibut^), Krenser
(Schnssenried), Kräpelin (Heidelberg). Wolff (Würzbu^), Kemmler (Zwiefalten),
Fürstner (Strassburg), Battlehner (Karlsruhe), Arnsperger (Karlsruhe), Kratz
(Heppenheim), Eckhard (Elingenmünster), Bieberbach (Heppenheim).
Die Meisten sprechen für die Errichtung von Sanatorien.
Google
43 ~
Emain^haas be^rtsst zunächst den Gndanhea Ludwig’s, die Errichtung von
SsDstohen graannter Art und besonders fär prophylahtiscfae Zwecke. Kach seiner
Anäeht eignen eie sich hauptsächlich fOr solche Kranke, die an Furcht vor heran-
oaheeder bezw. beginnender Seelenstörong (z. B. an ZwaogSTorstellangeu and Im-
palsea) leiden.
Krenser will Sanatorien für Morphinisten, Alkoholiker und Neurastheniker und
Hfirwortet Ihre Verbindung mit TJebeigangsstationen für Beconvalescenten.
Kräpelin wünscht gleichartige Einrichtungen wie die Staatsanstalten für die
vaersn Klassen. Er erinnert an den Vorschlag von Hübins zur Errichtung von
UffTenheilanstalien auch für Unbemittelte. In Heppenheim plane man eine ähnliche
finrichtung. Er könne solche Kranke nicht in die Klinik aufnebmen, da das Statut
4«r Irmklinik in Heidelbeig keine freiwilligen Aufnahmen zulasse. Für Genesende
aekt er eine Unterbringnng in freien Abteilongen der Anstalt vor; jede Anstalt sei
in der Lage ohne Mühe derartige Abtheilungen einzorichten.
Wolff (Würzborg) erwähnt, dass die erwähnten Verwaltungsschwierigkeiten, die
skk oft einer erwünschten raschen Anfnahme entgegenstellten, an der Würzburger
Klinik nicht beständen, da die Klinik weiter nichts sei, als die selbständig gewordene
Irmabthmlang des Jnlinsspitals; insbesondere käme die Klinik nie in die Lage,
einem Nervenkranken die Anfnahme wegen Fehlens der Papiere verweigern zu müssen.
Torster (Stephansfeld) glaubt, dass die Irrenanstalten dorch geeignete Ab-
'AeQongen der Sanatorienfrage gerecht werden könnten. In Stepfaansfeld sei die Auf-
uhme von Nervenkranken bezw. an leichter Secienstörung Leidenden gesetzlich
nUssig.
Kemmler (Zwiefalten) hält besondere Sanatorien für überflüssig. Für wohl-
tzbende Kranke beständen Privatanstalten, für die Unbemittelten empfiehlt sich der
iasehloas an eine Irrenanstalt. Für Reconvalescenten wünscht er „offene Abtbeilungen'^
4ie allerdings an den meisten Anstalten erst geschaffen werden müssten, sie seien
aber ein onentbehrlicbes Glied einer vollkommenen Irrenanstalt. Wo besondere offene
ibtheDungen fehlen, sollten wenigstens Sprechstunden für psychopathisch Minder-
vvrthige in den Anstalten eröfoet werden.
Als eine Verkennung der Sachlage durch die maassgebenden Instanzen bezeichnet
er den Umstand, dass die Statoten der meisten Anstalten „freiwillige Aufnahmen'*
rieht znlaasen.
Für anheilbare Kranke, die keiner psychiatrischen Behandlung mehr bedürfen,
m eine zweite, nach Art eines Sieebenhauses eingerichtete offene Abtheilung das
Zweckmäasigste, da die betreffenden Kranken an ärztliche Pfiege und an Wartung
nr geringe Ansprüche stellten. Nicht zn empfehlen sei die völlige Abscheidung
ii«ser Kranken von der Irrenanstalt unter Zutheilung an besondere Pfiegeanstalten
(Kreispflegeanstalteu, LandarmenaDstalten); wenn diese Haassregel jedoch nicht zu
GDgebeu sei, so müsste einb sachverständige Anfsicht durch einen Irrenarzt vor¬
handen sein.
Kratz (Heppenheim) erläutert den Vorschlag Lndwig’s, die Gründung beson¬
dere Sanatorien. Dieser Vorschl^ finde sich in dem Bericht des hessischen Unter-
etätzungsvereins für bedürftige Geisteskranke vom Jahre 1S95. Dieser Verein
beabsichtigte damals:
1 . Die Errichtong sogenannter Geoesnngshänser, kleine Asyle für höchstens
3 bis 4 Kranke, auf Vereinskosten; diese sollten gewissermaassen eine Art erweiterte
Familieopflege darstellen für nervöse Kranke und Reconvalescenten besonders höherer
SUsde.
2. Wurde damals vou dem Verein angeregt, dass die hessischen Provinzen mit
tmatlicher Subvention Siechen- oder Pfiegeanstalten errichten sollten, in denen ausser
körperiieb Siechen alle die Pfleglinge der staatlichen Irrenanstalt, die der ununter-
Dig i'/od c/ Google
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brochenen ärztlichen Ueberwaebung und Bebandlnng nicht mehr bedfirfen, sowie auch
die Reconvalescenten aus den breiten Schichten der Bevölkerung zu verpflegen seien. —
Die Verwaltung jenes V'ereins hat ihren damaligen Standpunkt jetzt in Folgendem
geändert. Die Errichtung von Genesnngshäusem, also der eben erwähnten Sanatorien,
ist nicht räthlich, da die wenigen Patienten, die sich fflr diese Behandlnng eignen,
leichter und billiger in einfacher Familienpflege verpflegt sein dürften. Auch der
Gedanke, einen grösseren Bruchtheil der Beconvalescenten von Geistesstörung ein
Durchgang* und Probestadinm in der Frovinzialpflegeanstalt durchmachen zn lassen,
sei anfgegeben worden. Dagegen verspräche sich der Verein von den zu errichtenden
Frovinzialpflegeanstalten grosse VortheUe, sobald diese nur solche Kranke aufneLmen,
die einer directen Wartung und Pflege nicht mehr bedürfen, jedoch in Folge ihrer
Unselbstständigkeit einer gewissen sachverständigen fremden Leitung und Unter¬
stützung bedürfen.
Als besondere Vortheile für die Anstalt und die Fürsorge der Kranken ergäben
sich daraus:
1. Eine unbeschränkte Aufnahmefähigkeit für jeden Kranken.
2. Die Möglichkeit, in einer staatlichen Irrenanstalt eine Abtheilung für nervöse
Kranke zu errichten.
3. Die Hoffnung, dass auch in der öffentlichen Anschauung über Irrenanstalt
und Geisteskrankheit eine wesentliche Aenderung eintrete, wenn die Anstalt nicht
mehr ausschliesslich die Bewahranstalt auf Lebenszeit darstelle.
Fürstner bemerkt, dass sich auch in Elsass*Lothringen das BedÜrfniss nach
solchen Einrichtungen geltend mache, wie sie Baden in den Kreispflegeanstalten
besitzt Die Verpflegung in diesen Anstalten ist immerhin eine anerkeuneuswerthe
und bessere, als in vielen Familien.
Viele solcher Anstalten, wie die in Freibnrg, werden masterhaft geführt.
Den Sanatorien stehe er skeptisch gegenüber. Hier sollte man die Wünsche
mehr beschränken und den Hebel da ansetzen, wo etwas zu erreichen ist
Zn empfehlen sei die Verbindung von Aufnahme*AbtheiIui^en für nervöse Leute
mit den psychiatrischen Kliniken. Die Idee der Errichtung von besonderen Becon-
valescenten'Abtheilungen bei den grossen Heilanstalten halte er für leichter durch¬
führbar, als die Errichtung von Sanatorien.
Man sollte versuchen, Anstalten, wie die Kreispflegeanstalten, zu gewinnen für
die Aufnahme von in der Irrenanstalt Genesenen, die eine specielle ärztliche Be¬
handlung nicht mehr bedürfen; solche Beconvalescenten, von denen eine bestimmte
Genesung noch zweifelhaft ist, sollten in hierfür geschaffenen Abtheilungen in den
grossen Irrenanstalten verpflegt werden. Der freien Behandlung der Kranken in den
Anstalten sei grosse Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Emminghaus erwähnt, dass in Freiburg, wo die Zahl der aufgegriffenen
Geisteskranken relativ ziemlich gross sei, die medicinische Klinik zur provisorischen
Anfnabme der meist sehr unruhigen Kranken nicht geeignet sei, und man deshalb
an die Errichtnng einer besonderen Aufnahme-Abtbeilung als Appendix der psy¬
chiatrischen Klinik bereits gedacht habe, von wo dann die Kranken entweder der
Klinik zugeführt oder wieder entlassen werden, je nach ihrem psychischen Verhalten.
Als einen Uebelstand bezeichnet Kräpelin die vorläufige Unterbriugung der
Geisteskranken. Solche Kranke könnten jeden Aogenblick in die Krankenhäuser
untei^ebracht werden, während der Unterbringung der Kranken in die psycbiatriscben
Anstalten Schwierigkeiten entg^enstehon.
Battlebner widerlegt entschieden die hervorgetretene Ansicht, als würden acute
Geisteskranke in Gefängnissen untergebracbt. Das sei in Baden durcliaus verboten.
Bezüglich der Kreispflegeanstalten erklärt er, bestehe die strikte Vorschrift, dass in
solchen Anstalten acute heilbare Geisteskranke nicht anfgenommen werden.
Arnsperger betont, dass in ganz Baden in allen Krankenhäusern Abtheilungen
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für die sofortige Aufnahme Nervenkranker, da die Behandlung von Nerven-
innies io solchen Anstalten dorchaus wQnschenswerth und nothwendig sei. Der
Suit kunoe aber solche Anstalten nicht errichten, da andere Anstalten (z. B. für
Lssfakraoke, Potatoren und Morphinisten) nothwendiger seien.
Fftretner resnmirt, die Discnssion habe die Ansicht hervortreten lassen, durch
k Kreispflegeanstalten könnten die Staatsanstalten entlastet werden durch Aufnahme
in Staatsanstalten gewesener Geisteskranker. BezQglicb der Errichtung von
Scatorien gehen die Ansichten auseinander, einig sei man darüber, dass die Er*
ndittDg von Reconvalescenteu'Abtheilongen in den Stsat-sanstalten wQnschenswertli
^ dflrchnilirbaT ist.
Ee bestehe das Bedfirfnlss nach Erleichterungen der Aufnahme von nervösen
Koliken in Stadtasyle und Kliniken.
Ee schloss sich hieran der Austausch von Erfahrungen mit der familiären Ver-
von Beconvalescenten.
Emmlnghaus theilt mit, dass die regelmässigen Erkundigungen nach dem
Befinden entlassener Patienten, wenn sie aaffallend (durch Schutzleute) geschahen,
cnDgRiehin empfunden wnrden, dass sie aber sonst ein werthvolies Material zur
Beeütignng dar Diagnose: Heilung, Besserung, Nichtgeneseusein seien.
Krenaer bemerkt, dass solche Erkundigangen in Württembeig nicht stattfänden.
ih* ungänstigen Nachrichten kämen schon von selbst. Auch aus anderen Gründen
iäen derartige Erhebungen nicht ervflnscht.
Eckhard erwähnt, dass die Zahl der Kranken in Klingenmünster, die sich in
Privatpfl^^ begeben wollten, eine beschränkte sei. Die meisten Kranken erklärten:
rran wir hinaus dhrfen, so wollen wir auch in unsere eigene Familie. Die Familien*
päege habe zwar keine besonders günstigen Besnltate eigeben, doch lless sie sich
dcrchföhren, da die Kranken mehr in Connex mit der Anstalt blieben, als in anderen
instalten, und die Pfleger, von der Bezahlung abgesehen, von der geleisteten Arbeit
itr Kranken wiele Yortheile hätten und diese deshalb dankbar annähmen. Die Be*
oandlnng sei gut, die Beköstigung einfach, ländlich, wie es die betreffenden Kranken
v'w so Hanse aus gewöhnt seien.
Bieberbach (Heppenheim) spricht sich nach seinen in Hofheim gemachten
Beobachtungen gegen die Familienpäege aus. Eine zweckentsprechende Familienpflege
besäe sich nnr durchführen, wenn auch die ärztliche Controle eine scharfe sei; dies
Mi jedoch nicht immer möglich. Er hätte bei ca. 20 Kranken durchweg die Er*
t^iuung gemacht, dass die Familienpflege nur zu egoistischen Sonderbestrebungen
fähre.
Kemmler berichtet über die familiäre Fürsorge, die von der Pflegeanstalt Zwie*
fallen aus in den Dörfern der Umgebung seit nunmehr iVj Jahren versuchsweise
eingerichtet worden sei und bis jetzt recht günstige Erfolge gezeitigt habe. Die
Fürsorge für Geisteskranke ausserhalb der Anstalt scheitere gewöhnlich an der Geld¬
frage. Sind genügende Mittel vorhanden, so könne bei einigermaassen gutem Willen
iweckentsprechende Aufsicht und Fürsorge für ruhige Geisteskranke überall gefunden
verdeu. Die Umgebung Zwiefaltens sei besonders günstig für eine gute Familien*
was schon in den Traditionen der Anstalt begründet sei, worauf Redner noch
über eingeht Hoffentlich werde überhanpt in nicht allzu ferner Zeit eine Organi*
wUon der geeammten Irrenfürsorge ausserhalb der Anstalt erreicht werden, die dem
(«üaeseoeo Geisteskranken die Mittel zu genügender Verpflegung und die Sicherung
«inar guten Pflege durch ärztliche Aufsicht verschafft. Auf Grund seiner Erfahrungen
vtsee er sich dabin aassprechen, dass jeder grösseren Irrenanstalt die Familienpflege
flmraihen sei.
Ffirstner ist der Ansicht, auf amtlichem Wege Erkundigangen nicht einzuziehen
Über die ans der Anstalt Entlassenen. Hingegen werde es stets von den Angehörigen
üa Tkeilnahme begrüsst, wenn gelegentlich ärztliche Erkundigungen erfolgen.
D g ii/od oy GoOg IC
46
Damit schloss die Discassion.
Nach einer Schlnssbemerkang des Referenten wurde beschlossmi, im Anschluss
an die erledigte Debatte das Thema: Die Lage der Irrenftireoi^ in Baden zur
Besprechung zu bringen.
Den Vortrag hielt Kräpelin (Heidelberg). Er ftihrt Folgendes aus:
Die Entwickelung der Fürsorge für die Geisteskranken in Baden ist im eilten
mit der Entwickelung der Heil- und Pflegeanstalt in Pforzheim, die die erste der¬
artige Anstalt in Baden war, verknflpft. Dann folgte 1826 die Ueberf&brung der
Geisteskranken nach Heidelberg, 1842 wurde Illenau erbaut, 1874 die Klinik in
Heidelberg, 1889 die Anstalt Emmendingen, 1886 die Klinik in Freibuig.
Insgesammt sind in den Staatsanstalten z. Z. 2210 Plätze für Geisteskranke
zur Verfügung. Trotzdem entspricht diese Fürsorge nicht mehr dem Bedürfniss, es
besteht bereits eine Warteliste.
Die Zahl der Geisteskranken ist in starker Zunahme begriffen, ausserdem ist
in den Familien weniger Neigung vorhanden, die Geisteskranken bei sich zu ver¬
pflegen. In Baden kommt auf 663 Einwohner ein Geisteskranker.
Es hat sich ergeben, dass heute auf je 500 Einwohner ein Platz in der Irren¬
anstalt offengehalten werden muss. Für Baden seien dadurch 3000 Plätze erforderlich,
während nur 2210 vorhanden sind. Hierdurch ergebe sich eine Verzögerung der
Aufnahme der Kranken, andererseits eine Entlassung aller nur irgend entlassungs-
ßhiger, sowie eine Anhäufung der Geisteskranken im Lande. Somit bestehe in Baden
grosse Unzulänglichkeit in der Irrenfürsorge.
Eine Verbesserung dieser Verhältnisse sei nicht zu erwarten, wohl eine successive
Verschlechterung.
Zur Schaffung der Abhülfe gebe es mehrere Wege. Zunächst die Erweiterung
der bestehenden Irrenanstalten. Da ergebe sich Folgendes: Die Erweiterung der
Anstalt Emmendingen, die schon 900 Plätze bat, lasse sich auf Ober 1000 Plätze
nicht gut ausffibren. Illenau Hesse sich auf 2—300 Plätze erweitern, auch seien
hierfür in das Budget 600,000 Hark eingestellt, doch wurden nur 60 Plätze ge¬
wonnen, weil noch andere Bauten von dem Gelde ausgeführt werden sollen. Eine
Erweiterung der Anstalt Pforzheim komme gar nicht in Betracht.
Die Privatpflege habe sich durchaus nicht bewährt. Es bleiben die Kreispflege¬
anstalten. In diesen seien 44,4 Geisteskranker im weitesten Sinne, 25,9
Geisteskranker mit erworbenen Seelenstörungen. Die Verhältnisse in diesen Kreis-
pflegeanstalten entsprechen den Anforderungen nicht, es mangele an Wärterpersonal,
an Abschliessung der Kranken, an Differenzirung u. s. w. Er selbst habe erhebUche
Uissstände angetroffen. Er habe Geisteskranke geschlossen, unreine auf den Stuhl
festgebunden, andere mit Handschuhen gesehen.
Der Procentsatz der Geisteskranken sei von 12,3 im Jahre 1889 auf 25,9
bis 1895 gesti^en. Die Grenze des Zuträglichen in den Kreispflegeanstalten sei
schon heute erreicht, wenn nicht überschritten, es könne nur noch eine Verschlechterung
eintreten.
Nach alledem bleibe nur der Neubau einer Irrenanstalt übrig. Ein Ausweg
lasse sich vielleicht dadurch Anden, dass man die Kranken auswählt und für die
weniger gefährlichen bilHge Pflegeanstalten errichtet. Zur Verringerung der Lasten
fllr die Pflege der Irrsinnigen Hessen sich diese Pflegeanstalten vielleicht unter ge¬
wissen Kantelen unter Selbstverwaltung stellen. Die Regierung müsste die Revision
regelmässig ausführen und die Besetzung des Postens des Directors ausüben. Als
Directoren dürfen nur Psychiater mit mehrjährigen Erfahrungen gewählt werden.
In Hessen dürfte diesem Plane in naher Zeit näher getreten werden. Zur
Durchführung von Verbesserungen auf dem Gebiete der Pflege der Geisteskranken
dürfte die Mitwirkung von Sachverständigen von grossen Werth sein.
Google
47
Die insteiloDg von Landespsjchiatern habe sich als eine ausserordentlich
iciklite Snrichtang enriesen. Zu empfehlen sei dagegen die Bildung von Sach*
intiiuligeo-ConfOTenzen. Eine weitere Forderung sei die Angliedenmg der Kliniken
a die Krankenhäaser. In Ueidelberg bestehen in dieser Hinsicht bedauerliche
hRude.
(Johaltbar sei auch die Definition fOr die Ueberführung der Kranken.
Ke Hauptfrage sei doch die, ob ein solch Unglacklicher der Pflege in einer
ema Irrenanstalt bedarf oder nicht.
Es müsse anerkannt werden, dass Baden f&r die Förderung der Irrenpflege
pwe Opfer gebracht, es sei das erste Land gewesen, das eine Irrenklinik ge-
«tiSeo. Die Anforderungen schreiten aber anf diesem ciebiete sehr rasch vorwärts.
Ti Schritt damit zu halten, mflssten viele Schwierigkeiten beseitigt werden, undber*
vadlich seien sie aber nicht.
Arnsperger giebt zn, dass die Verhältnisse in vielen Fällen thatsächlich so
iagta, wie sie Kräpelin geschildert, nnd der Aenderung bedOrfen. So schlimm
TW in Heidelberg seien die Verhältnisse in Pforzheim, Ulenau und Emmendingen
adit Die Heidelberger Klinik sei für 100 Kranke eingerichtet, ihr Aufnahmebezirk
■thm aber eine Seelenzahl von 640,000.
0«r Aufnahmebezirk Illenau zähle nur 664,000 Einwohner bei einer Aufnahms«
von 500 Kranken der Anstalt Der Aufnahmebezirk für die Freiburger
Dii^ ähle 406,000 Einwohner bei 100 Plätzen der Klinik. Die Regierung sei
43l in Entschiedenste bestrebt. Abhülfe zn schaffen. Dieserhalb sollen die Bezirke
Bredsn und Bruchsal vom Heidelberger Aufnahmebezirk getrennt und Pforzheim zu*
nthalt werden. Die Emmendinger Anstalt soll eine eigene Anstalt für verbrecherische
'jtiriegbanke erhalten. Die Kreispflegeanstalten seien von grosser Bedeutung für
oeinfnaboe unheilbarer Geisteskranker. Dem Landtag werde eine Vorige zugehen
T!fn Erweiterung der Irrenanstalt lUenau und Emmendingeo.
Battlehner giebt den Psjchiatem die Schuld, wenn bei uns das Irrepflege*
TMeu stagulrt und man in Baden nicht mit der Zeit fortgeschritten sei.
Die B^erung sei für kommissarische Beratbang in den einschlägigen Fragen;
iw einüge Bestimmong, die durchführbar sei, rühre von den Psychiatern selbst her.
Kt iier besseren Differenzirnng gehe mau vor; die Einrichtungen in der Kreispflege*
usult Hub zeigten dies, die Ereispflegeanstalt Freibui^ solle sogar in drei ver*
^kiedeue Anstalten, für die unreinen Geisteskranken, für die übrigen Geisteskranken
ml für die sonstigen Kranken gegliedert werden. Auf das Entschiedenste verwahrt
s »dl gegen die von Kräpelin erwähnte Behandlung in den Kreispflegeanstalten.
Ffirstner giebt ebenfalls den Psjchiatem die Schold, wenn Baden nicht mit
A&fordemngen der Zeit fortgeschritten sei. Die misslichen Zustände in Heidel*
^ seien noch gerade so wie zu seiner Zeit
Der Aufnahmebezirk für Heidelberg sei nicht zn gross, es müsse nur für eine
l.«te BTacuation gesorgt werden.
Br Mi zu einer flotten Evacuation sogar gesetzlich gehalten, seine Klinik zähle
-V 80 Betten und bewältige im Jahre 400 Aufnahmen.
Kräpelin erklärt sich entschieden gegen die Verkleinerung des Aufnahme*
der Heidelberger Klinik; eine solche Maassregei könnte verbängnissvoll
Die Klinik solle nur eine Vermittelungsstelle sein, es müsse ihr die Mög*
einer flotten Evacuatioo gegeben werden.
Aruiperger hält ebenfalls eine Besserung der Evacuatioo der Heidelberger
für dringend notbwendig.
Battlehner bemerkt in Freiburg und Illeoau gebe die Evacuatioo flott, nur
^ Hridelbetg stagnire sie. In das Krankenhaus müssten die Kranken aufgenommen
weil sie in die Klinik nicht aufgenommen werden könnten.
Google
48
Fürstner widerspriclit Battlehner, die Heidelberger Klinik könne noch
100 Äufnahmen mehr leisten, aber die Evacuation müsse flott geben.
Kräpelin will .den Beweis seiner Ausführungen betreffs der Heidelbei^r Klinik
actenmässig erbringen.
schloss die Discussion und nach kurzen geschäftlichen Hittbeüungen die
erste Sitzung um 7 Uhr. Dörner (Preiburg i./ß.).
(Schluss folgt )
IV. Vermischtes.
Gerade so wie bei nns bemühen sich auch in Belgieu die Irrenärzte, das Wartepersonal
za beben and auch dort hat man als ein sehr geeignetes Mittel dazu den regelmä'Sigeu
Unterricht des Personals erkannt. Bei dem Heinangsaostaaseb, der über diesen Pnnkt der
Socidt^ de mddicine mentale stattgofnnden hat (Bulletin ron Juli 1897), war man im Allge¬
meinen (ebenso wie bei uns) der Ansicht, dass das Handbook for attsmdents der englischen
medico-psychologiscben Qesellscbafc bei weitern über das Haass dessen herausgeht, was ein
Wärter zu verstehen vermag oder zu wi8.-en braucht. Ebenso wie auf der Jahresversammlang
deutscher Irrenärzte zu Hannover wurde auch hier der Wunsch ausgesprochen, ein brauch¬
bares Lehrbuch zur Wiederholung dessen, was es in den Coterriebtsstanden gehört bat, dem
Personal in die Hand zn geben. Als hindernd für einen zweckmässigen Unterricht wurde
der grosse Wechsel des Personals bezeichnet: Cuylits hat deshalb aus der Zahl seiner
Wärter zwei oder drei berausgesuebt, von denen er annahm, dass sie länger in der Anstalt
bleiben würden, und diesen hat er eingehenderen Unterricht ertheilt; wenn er ihnen dabei
Teiuperaturmessen gelehrt hat. so ist dagegen nichts zn sagen; höchst befremdend wirkt
aber auf nns, dass er ihnen die Technik su^utaner Injectionen beigebracht hat. Es ist dies
wohl d.iraus zn erklären, dass nur in der Minderzahl belgischer Anstalten Aerzte wobneo,
dieselben vielmehr lediglich täglich zur Visite in die Anstalt kommen. — Ueber die Diplo-
mirong des Wartcpersonals wnrde in der Debatte nicht gesprochen. Lewald.
Im Staate Michigan ist folgender Gesetzvorscblag dem Parlamente zngegangen, der
gute Chancen für eine Annahme haben soll (The Alienist and Neurologist. 1897. Juli.
St. Louis):
1. Alle jetzigen und künftigen Insassen des Hospitals für Schwachsinnige und Epilep¬
tiker sollen vor ihrer Entlassnng einer Operation nnterworfen werden, die „Asezualisation**
zur Folge hat, derart, dass eine solche Person aosser Stande ist, ihre Art fortzapHanzeu.
2. Die gleiche Operation soll an allen Verbrechern vollzogen werden, welche wegen
Kapitalverbrechen zum dritten Male vcrurtbeilt werden.
3. Die Operation soll vom Arzte der betreffenden Anstalt oder des betreffenden Gefäng-
nisses vorgenommen werden ohne Anspruch auf Extrahonorar; ein zugezogener Arzt darf
nicht mehr als 25 Dollars Honorar dafür beKommen.
4. Vor der Vollziehung der Operation ist der Aufsichtsbehörde Mittheilung zu machen,
welche spätestens 10 Tage vor der Operation die Augehörigen des betreffenden Individuums
in Kenntniss zu setzen hat.
5. Die gleiche Operation soll an Leuten vollzogen werden, welche w^en Nothzuciit
1 ‘echtskräftig verurtheiit worden sind.
6. Strafbestitnrnungen für die Anstaltsvorstände, die den Vorschriften dieses Gesetzes
nicht nachkommen.
Man darf anf das Schicksal dieser Bill im Parlamente von Michigan wohl gespannt
Bein. Lewald.
V. Personalien.
Unser verehrter Mitarbeiter Herr Oberarzt Dr. Pani Näcke wurde zum Ehreumit-
gliede des Vereius der holländischen Irrenärzte erwählt.
Um Einsendnng von Separatabdrücken an den Heransgeber wird gebeten.
Einsendungen für die Bedoction sind zu richten an Prof. Dr. E. Mendel,
Berlin, NW. Schiffhanerdamm 20.
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15. Januar.
Nr. 2.
I. OriginalniiUiellniteii. 1. üeber einen Fall von traamatisober Lähmong des Plexos
IrtilWstis (sog. Erb'scher combinirter Sobolterarmlähmang), tod Dr. med. Cbr. Ratck in
Siiaa K. L. 2. Zar Elektrodiagnostik der Ocalomotoriaslähmangen, von Dr. J. K. A. Wertbela
SilNiOMOn. 3. Ein Fall von Bembardt'scber Sensibilitätsstömng am ObOTschenkel, von
Da A. Oead. 4. Zar Localisation des Moskelbewasstseins auf Qrond eines Falles ron traa-
anfiscber Eopfrerletzong, von Dr. Wladlinfr Maratow , Priv.-Doc. an der Universität za Hoskaa.
U. Referate. Anatomie. An ezperimental rcsearch npon cerebro'cortical afferent and
^tent traeta. by Ferrier and Turner. — Experimentelle Physiologie. 2. Contribato
sHetadio della nnclinazziooe nelle vie di projezione del sistema nervoso centrale, per «fAbundo.
3. a* theorie des neorones en rapport avec Texplication de quelqnes ctats paychiqaes nor-
MÜS patbo](^qae8, par SeuUuuioff. 4. Les neorones. Les lois fondamentales de leara
diiiBdresceiices. par Klippel. — Pathologische Anatomie. 5. Sar les alt^rations des
«penta nerveaz dana la dyscrasie nremiqae experimentale, par Sacerdottl et Ottolenghl.
A 'Bolle alterazioni d^li elementi nervosi nelr inanizione, per Lugaro e Chiezzl. —
PlAbologie des Nervensystems. 7. Oasnistische Mittbeilongen ans dem Gebiete der
Sirvcobeilkonde, von Egger. 8. Pvalisi periodica del trocleare con cefalea e nauaea, per
S MMiberser. 9. Beearrensläbmaog bei Mitralstenose, von Ortner. 10. Ein Fall von Snpra-
MBOlaräU^nng, von Ceebel. 11. Zar Lehre von den Arbeitspareaen an den unteren
fivemitäten. von Krön. 12. Crampi profeasionale, per Pacettl. 13. Rifiessi dolorosi di
«iiltte paichica e di natura profeasionale, per Mentesano. 14. Sopra ona forma rara di
aimw profeasionale, per Mentenao. 15. Eine eigenartige Form von progressiver Haskeb
atamie bei Goldpolirerinnen, von Getslor. 16. Paraeatbesis of tbe externid femoral rcgion,
by Shaw. 17. Ein Fall von BemhardbRoth'scher Parästhesie (Paraestheaia n. cot fern, ext),
ISS Donath. 18. Intomo ad alcnni panti della tearia di Bernhardt sulla paresteaia della
esMia, per Nicke. 19. Ueber die Akroparäathesie (Schnitze), von Hatkovec. 20. Ein Fall
von Dermatosis linearis neoropathica, von Laven. 21. Nenroflbroiuatose cnüuiäe avec xan-
thase profond da bras droit, par Oetoro. 22. Kevromes g^näralisäa. Bdscction d’one gramle
pai^ des nerfa m4dian et cnbital. Retablissement des fonctions motricc et senaitive. Poly-
Qsd^e, par Plan. 23. 11 riflesao mnscolare provocato dei glatei nella nevralgia ischiatica,
psr ls gro. 24. Ein Fall von chronischer Endometritis mit Eracbeinnngcn einer Herzneurose,
im Zaaiazal. 25. Herzbeschwerden der Frauen, verursacht darcb den Cobabitationsact, von
Mfc. 26. Paralyais of one tbird from baemorrhagic ncnritis, with eztravasation over tbe
cfposite frontal lobe, by GIbaon and Turner. 27. Un cas de n4vrite 8y8t4matis4e motrice
avea anasarqoe, par Osiorine et Miralüd. 28. Ueber septische Polrneoritis, von Kraus.
29. Sn Versncb zur Bekämpfung der Beri'Beri, von Ei|kmann. 30. Endemie mnltiple neu*
äii (Beri-Beri), by BonduranL 31. Periplaral nenritis connected with pregnancy and the
pameial state, by Reynolds. 32. Ueber Neuritis poerperalis, von Saenger. — Psychiatrie.
S3 l Betn^rad Amnesi efter Suspension, af Ponloppidan. -* Therapie. 34. De l’emploi du
bsame de copabu dans lea sciatiqaes rebelles, par Glorieux.
in. Aus den Gesellschaften. Verein für innere Medicin zo Berlin. — Aerztlicher Verein
aHunborg. — 28. Versammlong der södwestdeotscben Irrenärzte in Earlsrnhe am 6. und
T.Hevamber 1897. (Schluss.) — Gesellscbaft der Neuropatbologen und Irrenärzte zu Moskau.
IV. BibliegragJile. Die Geschwülste des Nervensystems, von Dr. Ludwig Bruns.
V. Personalien.
„V-.,Google
50
I. Originalmittheilangen.
1. lieber einen Fall von traumatischer
Lähmung des Plexus brachialis (sog. Erb’scher combinirtei-
Schulterarmlähmung).
Von Dr. med. Chr. Raaoh in Sorau N. L.
Wenn auch der nachstehende Fall im Drange der Praxis keine so gründ-
Uche klinische Beobachtung erfahren konnte, als vielleicht wünschenswerth ge¬
wesen wäre, so dürfte derselbe doch nach mancher Richtung ein allgemeiaes
Interesse auch für weitere Kreise bieten, welches seine Veröffentlichung berechtigt
erscheinen lässt.
Anamnese:
H. Pr., 71 Jahre alt, Maschinenmeister aus B., ist erblich in keiner Weise in
Bezug auf Mervenkrankheiten belastet. Bis vor Kurzem ist er stets gesund und für
sein Alter sehr rüstig gewesen und ist seiner Beschäftigung auf der Hütte (Eisen¬
werk), wo er schon viele Jahre in Arbeit steht, nachgegangen. Er hat einen stillen,
soliden Lebenswandel geführt und nach keiner Richtung hin excedirt; insbesondere
wird Potus bestimmt iu Abrede gestellt. Pat. lebt in recht gnten Vermögens-
Verhältnissen, frei von Kummer und Sorgen.
Am 13. April 1890 stellte sich der Kranke mir zum ersten Male vor und gab
an, am 26. Februar 1890 beim Heben einer schweren Maschine plötzlich
einen heftigen Schmerz in der linken Schulter verspürt zu haben. Am
Abend, als er nach Hause kam, war er nicht im Stande, seinen Rock auszuziehen.
Obwohl die Schmerzen nicht nachliessen — eine äusserliche Verletzung war nicht
zn sehen —, so ging er doch nicht zu einem Arzte, vielmehr wandte er sich au
einen Kurpfuscher (Gliedsetzer), welcher die Schalter mit den Fingern gedrückt und
gerieben haben soll. Schlimmer ist es angeblich mit seinem Leiden nach den Mani¬
pulationen des Gliedsetzers nicht geworden, allerdings auch nicht besser.
In der Zwischenzeit ist er seiner Beschäftigung auf der Hütte, wo er schwere
Arbeit nicht zu verrichten hatte —. seine Beschäftigung bestand in Beaufsichtigung
der Arbeiter —, nachgegangen. Die Znnahme der Schmerzen in der Huken Schulter
in der letzten Zeit und die Unmöglichkeit seinen Arm zu gebrauchen, veranlassen
ihn nun ärztliche Hülfe aufzusuchen.
Seine Hanptklagen sind augenblicklich lähmnngsartige Schwäche und
lebhafte Schmerzen in der linken Schalter and im ganzen linken Arm.
Die Schmerzen werden als „reissend'* und „zuckend“ bezeichnet
Der körperliche Befund, den ich am 13./IV. 1890 erheben konnte, war
folgender:
Pat. ist ein grosser, kräftig gebauter Mann, für sein Alter sehr gnt conservirt.
Allgemeiner Kräfteznstand gut
Das Acromion linkerseite ist auf Druck schmerzhaft und zeigt in geringem
Grade abnorme Beweglichkeit. Crepitation nicht zu fühlen. Keine Depression oder
Dislocatiou des Knochens erkennbar.
ig g/od c/ Google
51
la dra Koochen und Gelenken des Schultergürtels sind weitere Verletzungen
sicht Dschweisbar, speciell an der Clavicula sind Zeichen einer Fractur nicht nach'
nnrasan.
Der linke Arm hängt schlaff herab, Pat. ist weder im Stande, den
Oberarm gegen die Schulter, noch den Vorderarm gegen den Oberarm
u beTegen, während der Gebrauch der Finger und der Hand möglich ist. Der
1. coeoUaris, pectoralis, infraspinatus, deltoidens und biceps linkerseits deutlich
itrepbisch und auf Druck empflndlicL Der linke Vorderarm ist im Ganzen (Beuger
vie Strecker) atrophisch, die einzelnen Muskeln fühlen sich Tiel schlaffer an als
nehta Die Muskulatur des linken Daomenballens weist gleichfalls deutliche Atrophie
uL Die Interossei scheinen gegen rechts nicht atrophisch.
Druck auf den Plexus brachialis linkerseits ist änsserst empfindlich; es wird
dabei fibm* aosstrahlenden Schmerz bis in die Fingerspitzen geklagt; auch die peri'
pbwe Bndaosbreitnng des Geflechtes (in der Achselhöhle, im Snlcus bicipitalis,
Sflkos ulnaris, Spatia interossea) zeigt dasselbe Verhalten. Bei Versuchen, active
Beveguogen im linken Scbnltergelenk auszuführen, treten sehr lebhafte and äusserst
sduuenhafte ui^leichmässige Zucknngen hauptsächlich im Biceps, Deltoidens und
rriceps auf, bald hier, bald dort Bei passiven Bewegungen treten gleichfalls sehr
heftige schmerzhafte Zuckungen in den genannten Mnskelgebieten auf; auch bei
hagerer Buhe beobachtet man fibrilläre und gröbere Zuckungen im Biceps
ud Deltoidens.
in der Streckseite des linken Vorderarms, etwa in der Mitte, findet sich eine
etfa handtellergrosse circomskripte Stelle der Haut, welche sich heisser an-
fühlt als die Umgebung und lebhaft geröthet ist (vasomotorische Störung),
ggentliche Entzündongserseheinungen fehlen. Die Abgrenzung dieser gerötheten
Partie gegen die Umgebung ist eine ziemlich scharfe.
Sonst sind trophiscbe Störungen an der Haut des linken Arms nicht nachzu-
veisen; die Kägel an den Fingern bieten nichts Auffälliges.
Die Muskelkraft ist links sehr bedeutend herabgesetzt, der Händedruck viel-
pringer als rechts.
Die Sensibilität ist am ganzen linken Arm und in der Schultergegend er¬
heblich herabgesetzt. Am Bumpf und an der linken Unterextremität sind
SeusibUitatsstöruDgen nicht nachznweisen.
Pat. klagt Über das Gefühl von Tanbsein in den Fingerspitzen der linken
Haad.
Die Untersuchnng der inneren Organe eigiebt im Uebrigen durchaus normalen
Befund. Urin frei von Eiweiss and Zucker. Körpertemperatur normal.
Ueber die Psyche des Kranken ist nichts Besonderes zu bemerken.
Ordination: Bettruhe, Mitella, kleinere Dosen Autipyrin.
2Ö./1V. 1890. Im Snlcus ulnaris linkerseits deutliche Verdickung des
Nerven zu fühlen. Seit einigen Tagen hat sich das Gefühl von Taubsein in den
VuigerD vermehrt Pat hat öfter das Gefühl, als ob kleine Thiere (Fliegen)
*ef der Hand hernmliefen. Klagt über Flimmern vor den Augen. Sehr
lUrker Tremor an der linken Hand.
2./V. Seit einigen Tagen Kopfschmerzen, sehr viel Schmerzen im Arm.
Parästhesieen dieselben. Flimmern vor den Augen geringer. — Obstipation.
16./V. Stai idem. — Phenacetin 0,5 drei Mal täglich.
4./VI. Viel Schmerzen im linken Ann während der stürmisch-kalten T{^e.
26./VL Kl^ jetzt über Schmerzen von der Fossa supraclavicnlaris an den
hin aasstrahlend. Jetzt aoch Klagen über Schmerzen and Schwäche im
Unken Bein. Der N. iscbiadicus ist anf Druck in seiner ganzen Endausbreitung
■chmerzbaft Atrophie der Beinmuskulatur ist nicht bemerkbar. Keine Oedeme. —
Halbseitiges (links) Schwitzen beim Gehen. Klagt über häufiges Kribbeln
4 *
D g ii^od oy GOO^ IC
52
im linken Arm. Die Fanctionsstörnng des Arms hat keine wesentliche Aenderang^
erfahren. Die rothe Stelle an der Streckseite des Vorderarms ist verschwonden.
Am 28./yi. wurde PaL auf meiuen Bath der UniTersitfttsklinik in E. flber-
wieeen, haupts&ohlich um eveni eine elektiische Behandlung zu ermöglichen.
Am 2./yiII. kehrte Pat von K. znrftck und stellte sich mir am 18./yiII. wieder
ror. Die ^hmerzen sind etwas besser, sonst ist der Zustand TöUig unTerftndttt.
16./yill. Die ganze linke Körperhftlfte schwitzt stark (Pat ist eine
halbe Stande sehr langsam gegangen); die rechte Seite ist völlig trocken, fieim
Gehen Schmerzen in der linken Höfte. Die isehiadischen Schmerzen bestehen fort,
Druckpunkte gleichfalls sehr schmerzhaft. Pat kl^t auch über „Sengein“ (Brennen^
in der Haut des Unken Beins. — Bekommt wieder Antipyrin.
21./yni. Wieder mebr Schmerzen, besonders im Unken Arm (Unwetter!).
6./il. Seit gestern ist die circumscripte Hantröthe an der Streckseita
des linken Vorderarms wieder aufgetreten, im Uebrigen ist der Zustand dea
Unken Arms g&nzlich unverändert Brausen auf dem Unken Ohr, Düsigkeit d. h.
Schwindelgeföhl im Kopf beim Geben. Diarrhöe.
12./XI. Diarrhöe ist vorOber, sieht recht angegriffen und elend aus.
9./I1. 1891. Pat steUt sich mir behufs AussteUung eines Gutachtens wieder
vor. Die Klagen über den Unken Arm sind dieselben wie bei der ersten Unter¬
suchung. Zeitweise sind die Schmerzen weniger heftig, zu Zeiten exacerbiren die¬
selben indessen recht stark. Ganz frei von Schmerzen ist Pat. nie. In der Hand
bat er das Gefühl von Taubsein; es ist ihm so, als wenn die Hand todt und ab¬
gestorben wäre; er muss die Hand dann reiben.
Ende September vorigen Jahres steUten sich Schmerzen in der Unken Kopf-
hälfte ein; jetzt hat er auch ziehende neuralgische Schmerzen im linken
Unterkiefer.
Zeitweise besteht linkerseits Thränentränfeln und wässeriger Ausfluss
aus dem linken Nasenloch.
* Pat klagt über ein Gefühl von „Steifigkeit“ und Tau.b8ein in der linken
Gesichtshälfte; er hat dass Gefühl, als „ob die Haut hier festsitzt“.
Klagen Ober Schwäche und Schmerzen in der linken Hüfte und im
linken Bein; mitunter Nachts „Ziehen“ nnd „Krämpfe“, Zusammenziebungen in der
Muskulatur des Beines — Pat s^: es kommen „Knubben“ s Knoten —; das Bein
wird ihm dann ganz steif; Gefühl von Brennen und Sengein im Bein.
Der Schlaf ist in Folge der Schmerzen oft gestört Das Allgemeinbefinden hat
sich verschlechtert, das Körpergewicht hat abgenommen.
Wae den objectiven Befand anlangt, so ist die Acromialfractur ohne Dislo¬
cation geheilt.
Die Functionsstörung des linken Arms ist genau so, wie bei den
früheren Untersuchungen featgestellt wurde. Die Lähmung hat keine
Veränderung erfahren; auch die SensibUität ist nicht gebessert. Die Atrophie
der Armmnskulatnr hat etwas, doch nicht sehr erheblich, zugenommen.
Die Halswirbelsäule erweist eich bei Druck auf die Domfortsätze recht
empfindlich.
Die Symptome an der Unken unteren Extremität sind ganz die gleichen, wie
am 28./VI. v. J. Bei der Prüfung der DruckempfindUchkeit lebhafte fibrilläre
Zuckungen in fast allen Muskeln des Unterschenkels. Der Patellar-
Sehnenreflex fehlt links. Herabsetzung der Hautsensibilität an dem
ganzen linken Bein.
Weder an der oberen, noch an der unteren Extremität sind Störoi^en des
Wachsthums der Haare oder der Nägel zu constatiren.
An der ganzen linken Gesichts* und Kopfhälfte ist die Hautsensibilität
herabgesetzt. Die linke Nasolabialfalte ist verstrichen.
Google
53
Dtf ScfaTtrmdgen beiderseits gleich,- keine Einengung des Gesichtsfeldes. Linker-
Nits Njstsgmus horisontalis; derselbe kommt anfsllsweise. Nachdem die
PeidelbewegiuigeD etwa eine Hinnte gedauert haben, ßngt das Auge an zu thr&nen.
[Ke ConjuDCtiTa des linken Auges ist stärker injicirt und geschwellt,
iNernirt reichlicher.
Die PspiUen sind gleich and ref^iren prompt aufLiohtreiz und Conrergenz.
Linkersmts denüiche Herabsetzung der Sensibilität der Cornea; bei
Bvfthraigen ist ein Beflex kaum anazulösen.
SünintUcbe Druckpunkte im Gesicht linkerseits schmerzempfindlich.
Sioe elektrische Untersucbni^ habe ich leider nicht vornehmen können.
Wir haben es in unserem Falle mit einer plötzlich entstandenen Arm-
libnung zn tbun.
Heber das ätiologische Moment kann keönerlei Zwdfel bestehen; es handelt
am ein Tramna, eine plötxliche, ruckweise Dehnung des linken Arms.
Was die Würdigung der klinischen Symptome anlangt, so reiht sich
iß Fall offenbar der von Duohenne und Rnn eingehend geschilderten TAhtnnng
ds Plexus brachialis an. Ebb hat diese Lähmung sehr treffend als „com-
biaine Schnlterarmlähmung“ bezeichnet. Der linke Arm hing in unserem
Falle schlaff herab, Pat war weder im Stande den Oberarm gegen die Sohulter,
fioefa den Vorderarm g^n den Oberarm zu bewegen. Der Gebrauch der Hand
udderFinger war nodi erhalten. Die Atrophie der gelähmten Muskeln
Et in der Krankengeschichte hinrdchend gekennzeichnet worden; 10 Monate
wh der Verletzung hatte die Atrophie noch zugenommen. Ein elektrische
ÜBtersuchung habe ich läder nicht Tomehmen können, so dass ich über den
vtm £bb als „partielle Entartungsreaotion^* bezeichneten Zustand nichts
tasmsagen Termag.
Das Vorhandensein von heftigen Schmerzen und Parästhesieen (Gefühl
Ton Kribbeln, Taubsein, Todtsein, die Empfindung, als ob Fliegen über den Arm
u. s. w.) beweist, dass, neben den motorischen Störungen, sensible
Fisern von dem Erankheitsprocess mitergriffen sind.
Ausserdem muss ich noch aufmerksam machen auf die trophischen
^^törongen sxi der gelähmten Extremität Die Böthung und Temperatur-
fibohong einer circumscripten Stelle der Haut des kranken Vorderarms kann
sor als vasomotorische Störung angesehen werden. Beachtenswerth ist das
Verschwinden und Wiedererscheinen derselben.
Mit dieser Plexuslähmung veigesellschaftet sich bekanntlich znweilen eine
Affection des Sympathicns, die sich durch Verengerung der Pupille und
Lklspalte, sowie I^traction des Bulbus auf der Seite, wo die Lähmung Platz
?%riffen hat, kundgiebt Diese Symptome fehlen allerdings in unserem Falle,
Tidleicbt ist aber die Hyperidrosis unilateralis als eine Sympathicusaffection
Was non dem geschilderten Krankheitsfall meiner Ansicht nach ein be¬
sonderes Interesse verleiht fies ist der Umstand, dass derselbe einen progres-
siten Verlauf zeigt, so zwar, dass sich der Krankheitsprocess nicht auf die
dofflal ogriffene Extremität beschrankt, sondern vielmehr centripetal weiter-
Dig t'/od
Google
54
schreitet Ausstrahlende Schmerzen von der Schulter an dem Halse
hinauf, Druckempfindliohkeit der Halswirhelsäule, Schmerzen in
der linken Kopf* und Gesichtshälfte, Neuralgie im Unterkiefer der
erkrankten Seite, Farästhesieen in der linken Gesichtsbälfte (Gefühl von
Taubsein, Gefühl als ob die Haut festsitze), Herabsetzung der Hautsensi*
bilität der linken Kopf- und Gesichtshälfte, Schmerzempfindlich¬
keit sämmtlicher Druckpunkte, Verstreichen der linken Nasolabialfslte,
anfallsweise auftretender Nystagmus des linken Auges, Hypersecretion
der Conjunctiva desselben, Herabsetzung der Sensibilität der Horn¬
haut des linken Auges, linksseitiger Schnupfen, ferner Schmerzen und
Schwäche in der linken unteren Extremität, Schmerzempfindlicbkeit der
Druckpunkte im Verlauf des linken Ischiadicus, Farästhesieen (Sengein und
Brennen), das Erlöschen des Fatellarsehnenreflexes, die Herabsetzung
der Hautsensibilität am linken Bein — alle diese Erscheinungen bewiesen
deutlich, dass nahezu die meisten Hirn- und peripheren Nerven der linken
Körperhälfte successive befallen worden sind. Die Einzelsymptome sind so be¬
weisend für das Ergrififensein der betreffenden Nerven, dass ich ein näheres
Eingehen auf dieselben mir erlassen darf. Dass es sich hier um ein Weiter¬
schreiten einer entzündlichen Reizung entlang der Nervenbahnen handelt,
dürfte wohl zur Genüge aus der Krankengeschichte hervorgehen. Beacbtens-
werth ist, dass der Erankheitsprocess an keiner Stelle auf die entgegengesetzte
rechte Körperhälfte Obergriffen hat.
Was die Frognose anbetrifff, so konnte dieselbe — zumal bei dem vor¬
geschrittenen Lebensalter des Patienten — nicht günstig gestellt werden. lieider
habe ich den Kranken später ans deu Augen verloren.
2. Zur Elektrodiagnostik der Oculomotoriuslähmungen.
Von Dr. J. K. A. Werthelm Salomonson, Priv.-Doc. an der Universität Amsterdam.
1. Die Augenmuskeln gelten als einer elektrodiagnostischen Untersuchung
unzugänglich.
G. Ebb, Elektrotherapie und Diagnostik. 1886. S. 450.
Remak, Grundriss der Elektrodi^ostik. 1895. S. 49.
Hibt, Elektrodif^ostik. 1893. S. 102.
V. ZiEMssxN regt zur elektrischen Untersuchung der Iris an. Seine Thier-
versuche haben ihm die M^lichkeit gezeigt, den Sphincter iridis durch elektrische
Reizung zur Contraction zu veranlassen. Ob jedoch in dieser Richtung bei
Menschen mit Oculomotoriuslähmungen experimentirt wurde, ist mir nicht
bekannt.
■■g ‘.'/ed Google
55
Passieb in seiner Electürotherapie ocuJaire 1896 erwähnt die elektro-
dägDostiscbe Augenmnskel-Üntersnchong gar nicht.
2. Die Ursache der aasbleibenden sichtbaren Locomotion des Bulbns bei
<]s elekbischen At^enmuskelreiznng wird von den meisten Autoren dem ge-
rifi^eQ elektrischen Leitnngswiderstande des Bulbus zugeschrieben. Die benach*
i-tittn Muskeln und Nerven haben einen so vielmals grösseren Widerstand, dass
Ik mästen Strömten den Bulbus durchsetzen und bloss ein verschwindend
doner Stromtbeil den Muskel oder den Nerven trifft. Selbst wenn man nach
Eelubübg’s Vorgang nach Cocainisimng der Gonjunctiva die Muskeln an ihrer
AmitKtelle reizt, erhält man noch keine sichtbare Excursion des Augapfels^
uth der ansehnlichen Stromstärke und Dichte von 0,5 Milliampere und
Elektrodenoberfläche.
Vergrösserong der Stromstärke über 1—1,5 Milliampere, die allenfalls zum
2ele führen müsste, ist nicht zulässig wegen der Gefahr, die Retina zu schädigen
Dtchehns).
3. Einen Muskel jedoch giebt es, der unter Umständen der directen per-
kutanen elektrischen Reizung zugänglich ist (der Levator palpebrae superioris).
Bei normalen Individuen ist der Muskel weder galvanisch, noch faradiscb
retzhar; auch nicht bei Patienten mit peripherischer Facialislähmung.
Während einer paralytischen Ptosis ist der Muskel bisweilen reizbar, indess
anr mit dem galvanischen Strome.
Die dazu nöthige Stromstärke wechselt bei den verschiedenen Patienten
uid ZQ verschiedenen Zeiten zwischen 0,03 und 1,4 Milliampere. Der motorische
Punkt li^ einige Millimeter unter dem Orbitalrande, in der Mitte desselben,
onter dem höchsten Punkte des Orbitalrandes. Ais Elektrode benutze ich
^onogsweise eine 5 mm grosse, runde, knopfformige, mit Leder oder Flanell
ibmc^ene Elektrode. — Stromschliessungen sind vorzugsweise nicht am Elek-
trodenbeft, sondern am Apparat auszufu^en, da die sonst fast nicht zu ver-
agdeude Verscfliiebang der Elektrode eine Zuckung vortäuschen könnte. —
Bei Rxirung der Elektrode mit der freien linken Hand ist auch der Gebrauch
les gewöhnlichen Unterbrechungsheftes zulässig.
4. Nach Dnrchschneidung eines motorischen Nerven treten die bekannten
Sncheinungen der Entartungsreaction auf. Hierzu gehört vor Allem die ver-
uderte directe galvanische Erregbarkeit, welche vom 12. Tage an schon deut-
iicb zu finden ist Wir sehen träge Contractionen, und noch einige Tage später
(ntes diese bei erstaunlich niedriger Stromstärke zum Vorschein. Was für die
äiamtlicben motorischen Nerven gilt, hat auch Gültigkeit für den N. oculo-
BiAorius. Bei vollkommener Durchtrennung des Nerven muss auch in den vom
*)ailomoteriu8 innervirten Muskeln nach ungelahr 3 Wochen erhöhte directe
^dnnische Reizbarkeit bestehen. Und wirklich finden wir in einem solchen
PtUe nach 3 Wochen deutlich träge Contractionen des Levator bei der directen
Satanischen Beizung an der oben bezeichneten Stelle.
Google
Eclkkbdbo, Ceotralbl. f. prakt. Aagenbeilfc. 1887. S. 88.
56
Ich habe Levatorcontractioneii zuerst mü 16. Tage nach dem Entateben
einer Oonlomotoriuslähmung gesehen. WahiBoheinlich hätte ich diese aa<di schon
am 14. Tage berromifen können. Die nothwendige Stromstärke betrag 1,2 Milli-
ampöre. Mm» wird in der Stromstärke nnr beschränkt dnrch das Auftreten von
Gontractionen des Orbicnlaris palpebramm. Vom 14. Tage an sinkt die Strom¬
stärke schnell herab bis za dem 25. T^, za welcher Zeit ^ Strom Ton nor
0,03 Milliampere, von drei Elementen geliefert, eine minimale Gontiaction ei^b.
Kathodenschliessung verursacht am leichtesten eine Gontraction. Bei stärkeren
Strömen ist auch Anodenöffiiangszucknng erhältlich. Einige Tage Bieter ^scheint
auch Anodenschliessnngszuckong, die schon bald stärker wird als die AnOz,
and noch später bei der gleidien Stromstärke als die Kathodensobliessangszackung
erzeugt werden kann. Es dürfen aber mch andere Verhältnisse Vorkommen.
KaDTet ist ziemlich schwierig und nur bei höherer Stromstärke, 1,4 Milliampöret
za erreichen.
5. Der weitere Verlauf gestaltet sich in den verschiedenen Fällen auch dem
Verlaufe der Paralyse entsprechend. Bei mittelschweren Fällen sinkt die Err^-
barkeit mit eintretender Genesnng sehr schnell. Bei schwereren Fällen bleibt
die Erregbarkeit des Levator längere Zeit bestehen. Nach 8 Monaten gelingt
es noch, Zuckungen auszulösen; die Zackungen werden jedodi allmählich
schwächer und sind zuletzt mit der höchsten zulässigen Stromstärke — 1,4 Milli¬
ampere — nicht mehr zu erzielen.
6. Die Zuckungen sind immer deutlich träge, jedoch nicht so träge, wie
man sie oft bei peripherischen Lähmungen sieht Die Dauer einer maximalen
Zuckung am 25.—SO. Tage, also während der maximalen Erregbarkeit, dürfte
jedenfalls 0,5 Secunde betragen. Die Excursion des oberen Augengliedes ist
Anfangs sehr gering und beträgt nnr Bruchtheile eines Millimeters. Später
wird die Excursion grösser und kann bis 3 mm erreichen.
7. Gontractionen des Levator sind erhältlich in mittelschweren und schweren
Fällen peripherischer Oculomotoriuslähmung. Bei leichten Fällen sind keine
Zuckungen auslösbar, wenn die gesammte Krankheitsdauer etwa 6 Wochen ist
Bei den nucleären und fasciculären Oculomotoriuslähmungen müsste man
a priori eine, der Entartungsreaction entsprechende, Reizbarkeit des Levator er¬
warten. Die von mir untersuchten Fälle entsprechen aber nicht dieser Erwartung:
in keinem Falle fasciculär oder nucleär bedingter Ptosis habe ich eine Levator-
zuckung anslösen können.
In einem Falle von congenitaler Ptosis war ebensowenig eine Gontraction
zu bemerken. Auch in einem Falle von recidivirender Oculomotoriuslähmung
blieb die Reaction bis jetzt aus, obgleich sich jetzt allmählich eine permanente
Ooulomotoriusparese ausgebildet hat Die meisten der angeführten Fälle sind
in meiner in der holländischen Sprache verfassten ausführlichen Mittheilung ^
dargelegt
8. Die Reizbarkeit des Levator palpebrae superioris ist also wahrscheinlich
’ Psychiatrische eo Neurologische Bladen. 1898. Nr. 1.
Dig l'/od oy Google
57
ds Zsicbea der Entartuogsreaction bei mittelschweren uod schweren Oculo-
BotnniBjlihmiingen. Sdmelles Verschwinden der Reizbarkeit zeigt auf eintretende
Ging hin.
Die Reixbarkeit scheint bet nocleär and äseiculär bedingter Ptosis za fehlen.
ftafiJb bei leichten und reädiyirenden Lahmangen.
9. Die Unraöglkdikest, ^ Bolbosmaskeln zu reizen, dürfte, ausser Ton den
sKQOstigen Terhiltnissen des Leitangswiderstandes (v. Ziembsen), Ton dem
fOBuenten Tonos der Aagenmoskeln bestimmt werden. Es ist nicht möglich,
üe iogcnina^eln willkarliofa za erscfalaffm. Dadurch wird eine Excursion des
Bolbos onter dem Einflüsse der galvanischen directen Reizung eines erlahmten
iB^Bunoskels verhindert IHe unzweifelhafl; stattflndende träge Zuckung kann
(ia Tcoos der gesunden Muskeln niidit flberwinden. Wahrscheinlich wird dies
der io Mr Narcose wohl möglich sein. Bis jetet war i(di nicht in der Lage,
äs Qthar zu ontersacben.
t £m Fall von Bemhardt’scher Sensibilitötsstörung am
Oberschenkel.
Von Dr. A. Good in Hflnangen.
Als casuisUscher Beitrag zur Nenritis, welche als BsBNHABDT’scbe Seusi-
aliUtsstörung in den letzten 3 Jahren mehrfach in dieser Zeitschrift beschrieben
■ude, möchte anch folgender Fall dienen.
Tor etwa einem Jahre trat eine Wärterin der Anstalt in meine Behandlung
aüt EUgot über Schmerzen im linken Oberschenkel, und zwar zeitweise von
»dcher H^hgkett, dass ihr das Stehen schwer wurde. Die Kranke, eine sonst
au gesunde, sehr kräftige Person, ohne jede nervöse Belastung, hatte im
Usalter Scharlach durchgemacbt, war aber vollständig ohne ii^endwelche
Sfadoen geheilt.
Seit 14 Jahren Wärterin in Irrenanstalten, hatte sie an einer Stelle vor
Uihren viel in einem kalten Waschhaus zu arbeiten und mit nassen Füssen
JD Dorrimig zn stehen.
Damals war sie mit den ganz gleichen Schmerzen im linken Oberschenkel
«dookt, wie letzten Spätherbst, und zwar, wie sie glaubte, in Folge von Er-
hltOBg. Anfänglich hatte sie damals das Gefühl von Spannang, Gefühllosig-
iat, Illzigsein, Brennen, ein Gefühl als ob an der Stelle zu wenig Haut wäre.
Hieoo kamen heftige stechende, brennende Schmelzen, die immer heftiger
’izrien, je mehr sie gehen und stehen musste. Im Bett waren sie am geringsten,
sie aber doch viel im Schlaf. Ein beständiges Feuern und Stechen die
Aossenseite des Oberschenkels entlang machte ihr die Arbeit beschwerlich.
■' Google
58
3 Monate hindurch wurde sie täglich massirt und faradisirt und konnte
sich etwas schonen. Letzteres wohl mehr als die übrige Therapie, besonders
aber die 3 Monate brachten allmählich Besserung. Die Schmerzen verschwanden
vollständig, nur hatte Patientin noch längere Zeit links ein anderes Gefühl beim
Betasten oder beim Reiben der Kleider als rechts. Doch auch das habe sich
verloren, so dass man also nach Angaben, der nebenbei gesagt zuverlässigen und
gut beobachtenden Person, eine völlige Heilung annehmen musste.
Ohne dass irgend ein ätiologisches Moment gefunden werden könnte, zeigte
sich im September 1896 die gleiche Äffection zum zweiten Male und führte die
Patientin nach einiger Zeit zum Arzte.
Bei der Untersuchung zeigte sich völlige Anästhesie der vom N. cutaneus
l'emoris exL innervirten Hautpmiae, und zwar wurden bei den mehrmals vor-
genommenen Prüfungen die Grenzen der Anästhesie immer gleich und so scharf
umschrieben angegeben, dass zweifelsohne dieser Nerv als isolirt ergriffen be¬
trachtet werden musste.
Innerhalb des anästhetischen Bezirks werden ziemlich tiefe Nadelstiche nur
als leise Berührungen empfunden. Auch der Temperaturann war bedeutend
herabgesetzt. Schmerzhaftigkeit oder Druckempfindliohkeit irgend eines Nerven-
stammes am Beine bestand nicht, ebensowen^ andere anästhetische Zonen am
Körper. Es bestand ziemliche Herabsetzung der elektrischen Err^barkeit der
Muskeln, Nerven für alle Stromarten, hingegen keine Entartungsreaction im
afficirten Gebiet.
Das Leiden hatte das zweite Mal damit begonnen, dass Patientin links
rascher müde wurde im Bein als rechts. Bei langem Stehen und Gehen bekam
sie dumpfe Schmerzen, dann Brennen, „Feuern“ und ein starkes Spannungs¬
gefühl. Die Schmerzen hinderten die Kranke am Einschlafen, wurden überhaupt
gegen Abend mit der Ermüdung immer intensiver, so dass Patientin hinkte.
Nach einiger Zeit milderten sie sich, wenn die Kranke sich zur Ruhe gel^.
Druck auf jene Hautpartie war nicht schmerzhaft
Die angewandte Therapie, die gewöhnlichen Mittel gegen Neuritiden halfen
wenig; am meisten Linderung verschaffte Einreiben mit einer Chloroform-
emulsion.
Nach und nach verloren sich die Schmerzen wieder, da der Wärterin
möglich gemacht wurde ihr Bein etwas zu schonen, aber es blieb subjectiv ein
anderes Gefühl links wie rechts.
Auch jetzt noch, also ca. Jahre nach Beginn der Äffection ist die tactile
Sensibilität, mit dem WEBEB’schen Tastercirkel gemessen, links gegen rechts
auf Vs herabgesetzt. Leise Berührungen mit einem Pinsel fühlt Patientin in
dem scharf begrenzten Bezirk des N. cntan. femoris ezt nicht Nadelstiche
fühlt sie darin weniger stark, und wie sie sf^ anders als rechts. Auch braucht
es immer noch, zur Erregung einer Zuckung, links stärkerer Ströme, wie an
der gleichen Steile des andern Beins. Eine rundliche, etwa 3 cm Durchmesser
habende Stelle (vielleicht um die Austrittsstelle des Nerven herum) innerhalb
der erkrankten Partie ist auch heute noch analgetisch.
Google
59
Es handelt sieh also hier nm einen Fall von BERNHAADT’scher Sensibilitäts-
am Oberschenkel oder mit anderen Worten um eine Neuritis des
N'. femoris cutan. ext. bei einer jungen Frauensperson, ein Fall, der nach
16 Jahren recidivirte, das erste Mal in Anschluss an Erkältung und Durch-
entstand, dann völl^ oder jedenfalls bedeutend mehr zurückging als
Becidiv, das nach 1 Jahren des Bestehens noch deutliche Sensibilitäts-
f^rnofen, wenn auch keine Schmerzen mehr, bestehen lässt.
4, Zur Localisation des Muskelbewusstseins
auf Grund eines Falles von traumatischer Kopfverletzung.
Von Dr. Wladimir Muratow,
PriTat-OoceDteo an der ÜDiversität zq Moskaa.
Die Erscheinungen, welche einer Läsion der motorischen Sphäre des Glehirns
sind sehr eingehend stndirt worden und stellen ein am besten bekanntes
’itlÄdp der Himpatholc^e dar. Für die Verletzungen der Centralwindungeu
der folgende Symptomencomplez festgestellt:
1. eine Lähmung in mono- oder hemipl^iscber Form,
2. eine Sensibilitätsstörung, welche sich parallel der Lähmung verbreitet,
^ hauptsächlich in der Störung des Moskelsinnes sich äussert,
3. Anfälle von jAssoN’scher Epilepsie.
Han muss dabei hervorheben, dass diese Trias der klinischen Erscheinungen
seht immer vorkommt Ein vöU^ ausgeprägtes klinisches Bild ist nur bei
Zerstörungen der Himsubstanz zu beobachten. Die Frage über die
Xiokdannesstörang erscheint besonders streitig. Durch die experimentellen
utonchiuigen ist diese Fn^e zum ersten Male ai^regt, und bald treten
^ Widersprüche in der Deutung der experimentell erworbenen Thatsachen.
wel<^er partielle Exstirpationen der einzelnen Rindenstellen anwendete,
die Störung des Moskelsinns als ein constantes Symptom der Ver-
der motorischen Sphäre; Goltz indem er die ganze Himoberfläche
SitQTte, fand die Sensibilität unverändert. Bbchtzbew^ studirte sehr eingehend
lüe fausten Sensibilitätsstorungen der operirten Xhiere und konnte keine Störungeu
k Kuskelgefuhls bemerken, ln der letzten Zeit constatirte Bechtebew^ eine
'^bilitätsstönmg bei einem Affen, welchem er die erregbare Zone entfernt
' Mcra, Ueber Verriebtungen des Orosshirns. 1891.
‘ Qoitz, Pflügen Archiv. Bd. XXXIV. XLU. LI.
’ Bicetbiw, Zar Physiologie der motorischeD Sphäre (rassisch). Charkow 1888.
*Bicbtkrbw, Sitzangsberioht« der wissenschaftlichen Versammtangen der psycbiatr.
^ Bediein. Akademie za St. Petenbarg. Wratseh 1887 (rossisob); s. anch B^vac
5!mlopqBe. 1897. Nr. 16.
Dig ti/cn-i
Google
60
hatte. Auf diese Weise schliesst er sich der Meinung von Münk an. Dieselbe
Ansicht bat Febbieb ausgesprochen.
Im Jahre 1893 batte ich 27 Experimente der Zerstörung der motorischen
Sphäre an Hunden angesteilt; ich habe stets eine Störung der Sensibilität
beobachtet, welche mehr oder weniger ausgepr^ war. Es ist zu bemerken,
dass in unseren Experimenten der Grad der Storung des MuskelgefOhls völlig
mit der Tiefe und Grösse der Läsion überrinstimmte. Allmählich verschwinden
diese Störungen bei kleinen Läsionen. Wie in den Versudien von Goltz, ver¬
schwanden auch immer die Bew^ungen, welche durch Hebung erworben waren.
Es ist besonders zu bemerken, dass ein Stadium der Muskelsinnsstörung von
dem Objecte der Untersuchung eine höhere psychische Thätigkeit fordert; auf
diese Weise tritt sie aus dem Rahmen d% physiologischen Tbierexperiments aus
und muss durch klinische Beobachtungen controlirt werden. Während wir von
der experimentellen Forschung zur klinischen Beobachtung ubei^ehen, treffen
mr denselben Widerspruch in den Meinungen.
ln den grossen Hand- und Lehrbüchern der Nervenkratüiheiten findet man
nur eine kurze Erwähnung von der Störung des Muskelgefühls, ohne eine ein¬
gehendere Analyse dieses Symptoms darzustellen (Gowebs, Chkboot und
Bbissaüi), Gbassbt). In der letzten Zeit haben Cbaboot und Pitbbb diese
Storungen als fiinctionelle hysterische erklärt
Indem ich die experimentellen Resultate durch anatomische Forschungen con-
trolirte, fand ich eine ausgedehnte Degeneration der Bogenfasem. Als Grund¬
lage für unsere Schlüsse über Physiologie der motorischen Sphäre haben wir
die Ansicht von Münk und Webmioke^ angenommen, dass die motorische
Sphäre ein Oigan für Bew^^gsvorstellungen darsteile. Die Störung des
Muskelsinns betrachten wir als eine Störung der Associationstbätigkeit dee Gross-
hims, und wir haben die D^eueration der B(^enfa8em schon im Jahre 1893
als anatomisches Substrat angenommen. Diesen Schluss haben wir mit folgenden
Worten geäussert: „Die Störung des Muskelgefühls bei Herderkran¬
kungen der motorischen Sphäre der Rinde hängt von einer Zer¬
störung der Associationsbahnen ab.“’ Im Jahre 1895 war ich’ im Stande
diesen Schluss durch klinische und pathologisch-anatomische Forschungen zu be¬
stätigen. Noch früher erschienen zwei sehr wichtige Arbeiten von Wbbnicke^
und Dana’. Webnicke stellte eine sehr genaue Beschreibung zweier Fälle von
traumatischer Läsion des Gehirns im Gebiete der Gentralwindnngen an. ln beiden
Fällen beobachtete er eine Lähmung des Armes mit einer Störung des Muskel-
’ Wbbmiokb, Der apbasisehe Symptomencomplex. Gesammelte Vorträge.
' W. Mciutow , Secandäre Degenerationeo nach ZerstSraog der motorischeD Sphäre
der Rinde. Moskau 189S (russiecb); s. auch Archiv für Anatomie und Physiologie 1693.
Aoat. Abtblg.
’ W. MoBaTow, Zur patbolog. Physiologie der corticalen Epilepsie. Zeitschrift für
Nervenheilkuode. 1896.
* Wernioxb, Arbeiten aus der psychiatr. Ehoik zu Breslau. 1896.
‘ Daka, Journal of oervous and mental diseases and Brain. 1896.
3,Google
61
oiid d«r tacUlen Sensibilität; in einem Falle, wo die ^ntalen Windungen
sitbeCnrffen waren, bestand auch Aphasie. Bei der Analyse der Bewegangs-
drangen kommt Webhiokb zu dem Schlosse, dass die Läsion in dem mittleren
Orittd der Centralwindon^n looalisirt war. Den Verlost der tactilen Sensibilität
er als eine Folge des Ausfalls der betrefifenden Vorstellungen. Webnioke
in smnem „Beitrage zur Looalisation der Vorstellungen“ aus*
indlieh hervor, dass die Bew^ongSTorstellnngen und der Muskelsinn eine
aap&irte Verrichtong der Associationsbahnen, nämlich der Bogenfasem der
iüBie, darstellen. EUne andere sehr bedeutende Mittheilung stammt von Dana.
Xadi einer Analjse der experimentellen Thatsachen giebt Dana eine
r*beiBcht der imtholc^iachen Fälle. Er will nicht mit Bastian annehmen,
üe centrale Windungen ein sensorisches Centrum darstellen, dem Wesen nach
äe motorisch. Die Binde der Gentralwindongen hat eine sensoriscb-motu-
caebe Function; sie bildet ein Organ von sensorisch-motorischen Vorstellungen.
Die Ansehannng von Datta ist der Ansicht von Münk und Wernicke, welche
notorische Sphäre als ein Organ der Bewegnngsvorstellungen bestimmen,
dr nabe. mnss bemerken, dass die Ansicht von Mitbetbeiligong des
IfaiMqTing in der Organisation der Banmvorstellungen schon in den Arbeiten
^ Metbzrt und Wui«]>t ao^esprochen ist So spricht Metnebt von den
SamTOistelhingen, welche durch Bewegung des Augapfels gebildet worden sind.
Ä onserer Arbeit (1893) haben wir die Ansicht Mevnebt’s etwas weiter ge*
ryDie Raumworstellungen sind nicht ausschliesslich mit den
iigenbewegungen, sondern mit jeder Muskelbewegung verbunden.
i'.f Bestimmung des Innervationsimpulses (Wundt) und die Ver-
ii^eruDg der Lage eines Gegenstandes kann nicht als einfache
Isprindnng bestimmt werden: Zweifellos haben wir es hier mit
■aer Combination der Empfindungen, das heisst mit einer höheren
>iTchiseben Thätigkeit zu thun.“^
Auf diese Weise kam ich zu diesem Schlüsse schon im Jahre 1893, indem
ti dtt Ansicht M^'rvEnT’s weiter entwickelte. Nach der Terminologie, welche
^ «twis später f^ die oombinirte Qehimthätigkeit vorgeschlagen habe, gehört
'■M Muskelgefühl zur ,4ntegrellen“ Function des Grosshims.*
Den Sdilnss, dass die B<^enfosem an der Bildnng der Raumvorstellungen
Tal nehmen, haben wir theils durch anatomische Thatsachen der Degeneration
focaler Zerstörung der motorischen Binde, theils durch psycho-
jc&ehe ZosammenstellTing begrtodet
Kürzlich im Jahre 1895 hatten wir Gelegenheit diese experimentellen That-
durch eine klinische Beobachtung und pathologisch-anatomische Unter-
ainng zu bestätigen. Wir werden unsere damalig Beobachtung hier kurz
■änmx. Eäne 53 Jahre alte Fran. Hemiplegia sinistra, Anlalle von corticaler
, Ueber intelltctaelle Function des Gehirns. Vortrag, gehalten in einer
Sitewng des Vereins der Neoropathologen zn Moskau 1886.
Dig t'/od
Google
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Epilepsie, welche Tom Arme beginneo, dann das Gresicht und das Bein treffe
Eine ausgeprägte, dem Grade der Lähmung parallele Störung der Sensibilit
links. Nur die Extremitäten anästheärt, die Sensibilität der Brust und d
Kumpfes unverändert Lungenschwindsucht Eine atheromatöse D^enerati<
der Gelasse. Tod durch tuberculräe Pneumonie.
Ein Erweichungsherd der Binde der Centralwindungen, das mittlere ui
das untere Drittel sind zerstört Mikroskopisch constatirte ich eine ausgebreite
Degeneration der Bogenfasern unter den Centralwindungen. Die Bindensubsta
theils zerstört, theils secundär atrophirt Eine partielle Entartung der tiefi
Associationsbahneu.
Wie es durch pathologisch-anatomische Forschung bewiesen wurde, hing
diesem Falle die Muskelsinnstörong von der Entartung der Bogen&sem ab. C
sensiblen Leitungsbahnen der inneren Kapsel zeigen mikroskopisch keine
äuderung. ln der Epikrise dieses Falles waren wir zum Schlüsse gelangt, da
die Störung des Muskelsinns mit der verbreiteten Degeneration der Bogenfase
in Zusammenhänge stehe. In der letzten Zeit beobachtete ich^ einen Fall v
allgemeiner Paralyse, welcher mit Störung des Muskelgefuhls in hemipl^iscl]
Form combinirt war; bei der mikroskopischeu Untersuchung fand ich auch ei
ausgeprägte Degeneration der Bc^nfasem.
Unserer Meinung nach ruft die Entartung der Tangentialfasem kei
Störung des Muskelsinns hervor: bekanntlich kommt eine Affection der Tange
tialfasem bei der allgemeinen Paralyse öfters vor, trotzdem ist die Stömng 6
Muskelsinns bei diffuser Encephalitis nur selten zu beobachten. Mau beobacht
diese bei tieferen Bindenläsionen, bei welchen die Bogenfasem auch betroS
sind. Für die Pathogenese dieser Störung halten wir eine tiefe und genüge;
verbreitete Affection der Binde für maas^ebend.
Als Organ einer isolirten Bewegungsvorstellung dient die Zelle der moto
sehen Sphäre der Binde. Für die Organisation der complioirten Vorstellung^
welche den Muskeisinn bilden, ist eine Cooperation eine synergische Thätigk
von vielen Zellen, eine Combination von vielen Bewegui^vorstellungen nöth
Die Bogenfasem sind die Träger dieser Combinationen. In der That folgen d
circumskripten, selbst tieferen Läsionen bei einem beschränkten Degeneratioi
processe weder Muskelsinnstörung, noch epileptische Anfalle. Zur weiteren I
gründung der Ansicht, dass die Bogenfasem die Associationsbahnen der I
wegungsvorstellungen sind, müssen wir bemerken, dass im oben angeführt
Falle der progressiven Paralyse mit Muskelsinnstömng von den tangential
Fasern nur die oberflächliche Schicht degenerirt war, indem die tieferen Fase
von Beoutebew und Baillabgeb normal geblieben und die B<genfasem sta
entartet waren.
Die Fälle von traumatischer Verletzung des Gehirns stellen ein besonde]
Interesse dar; nach der strengen Localisation der Zerstörung kann man di<
' Ueber die protrabirten oorticaleo Krämpfe bei der allgemeinen Paralyse. Nearol
Centralbl. 1897.
ig Ii7cd Cy" Google
63
FiQe mit dem Experimente vei^leicben. Ich eutschliesse mich daher eineu
»icbea F&U mitzutheilen. Das klinische Interesse des Falles wird dadurch er¬
best, dass die traumatische Läsion im fnihesten Alter statt^ehabt hatte.
Dü Kranke T. K., ein 23jäbr. Mädchen, ist als ein 6jähr. Kind ins Catharinen
eii^treten. Ohne hereditäre Anlage. Die Eltern sind gesund, eine Schwester
s [q frühester Kindheit an einer acuten Krankheit gestorben, die andere Schwester,
ii} Jahre alt, ist gesund und verbeiratbet Soweit die Erinnerung der Kranken
.-adt, ist sie gelähmt nnd leidet an epileptischen Anfällen. Ihre Mutter sagte ihr,
uii de Krankheit vom ersten Lebensjahre begonnen hatte. Als ein ätiologisches
!«at führt sie einen Sturz vom Ofen herunter an. Da erschienen die allgemeinen
kna^fanfalle, von dieser Zeit an blieb sie gelähmt. Wie wir später sehen werden,
ü äfiec Anamnese dorch objective (Jntersuchnng ihres Schädels, durch eine liefe
naaahsche Verletaung der Knochen bestätigt.
Statos praesens: Ein junges Mädchen von guter Ernährung und starkem
i-’r^ertao. Eine rechtsseitige Hemiparese. Der rechte Mundwinkel ist etwas lierab*
aakt, die rechte Nasolabialfalte ist abgeflacht.
Ib Gebiete des unteren Facialisastes sind von Zeit zu Zeit leichte clonische
ürhangen au bemerken. Der rechte Arm ist paretiscb, im Ellbogengelenke ist eine
ktpcontractor, das passive Änsstrecken ist unm^Uch. Im Handgelenke eine Beuge-
^ SopinatioDSContractar. Die Finger sind flectirt. Die Kampf« und Nacken-
riholatnr ist gut erhalten. Sie kann gut gehen, es ist nur ein leichtes Nach«
des rechten Beines zu bemerken. Im Bette kann sie das Bein gut
jwigo. Die Bewegungen im Häft« und Kniegelenk sind normal. Im Fassgelenk
Bttsaige Contractor der Achillessebne. Die Zehen sind gelähmt. Die passiven
des Knie« und Hüftgelenks sind frei, nur im Fussgelenk etwas rigid.
Die gelähmten Muskeln des rechten Annes sind atropbirt; am meisten sind die
^hckelo des Vorderarms betroffen. Deltoidens, Triceps und Biceps sind etwas atro-
|hit Der rechte Gastroenemins ist auch atrophisch. Die faradische Erregbarkeit
£ edtalteo, in atrophischen Hoskeln etwas verringert.
IHe Papillen sind gleich verengt, reagiren gut. Der Pharynzreflex erhalten.
Patellerreflexe beiderseits erhöht Von den Sehnen des Triceps und Gastro«
Affine kaott man keinen Beflex erhalten. Die Sphincteren normal.
Die Sensibilität ist anf beiden rechten Extremitäten herabgesetzt Der Tast«
-aa ist stärker als das Schmer^efllhl betroffen. Die Kranke ist im Stande Stiche
^ Botbrongen zu nntersebeiden, die Stiche sind aber mit keiner Schmerzempfindung
Die Localisation der tactilen Reizungen rechts ist gestört. Am stärksten
i das Haskelbewosstsein, d. h. die Bestimmung der passiven Bewegungen, der Form
«Gegenstände afficirt Bei passiver Flexion der Finger nimmt sie nur eine tactile
wahr, sie spricht dabei: „Sie halten meinen Finger.“ Die Bewegung des
fühlt sie nicht, and kann weder den Umfang, noch die Richtung derselben
^sanaeQ. Eine ähnliche Störung des Mnskelgefflhls im Handgelenk. Im Ellbogen«
fühlt sie die Bew^ng, aber schlecht. Eine ebensolche Störung des Muskel«
ist aoeh^in den Zehen zu bemerken. Hit der Hand kann die Kranke nicht
daPwB der verschiedenen Gegenstände bestimmen. Sie kann nicht die Form eines
'’^^üasels and einer Kugel nnteracheiden; eine glatte nnd eine rauhe Oberfläche
®**äfldet üe auch nicht.
Die p^chische Thätigkeit unverändert.
_ A&f meine Bitte bat Herr Prof. Zsrnow den Schädel der Kranken mit seinem
*<lAiIooeter* untersucht
‘ Die Beachreiboog dieees Instrumentes ist von Prof. Zbbnow in seioer Abbandlaug
■L'tpkslometer** mssisoh and französisch gegeben.
ig i'/od c/ Google
64
Er ist dabei zu folgenden Schlfiflsen gekommen:
Das mittlere Drittel der Centralwindungen ist zerstört, zum Theil ist das ob«-«
und untere Drittel und Gyrus angularis mitbetroffen.
Der oben beschriebene Fall stellt von vielen Seiten einiges Interesse dar,
Die traumatische Entstehung des Leidens ist durch Anamnese festgestellt
Wenn wir an den Angaben der Kranken zweifeln wollen, so bestätigt doch daa
Yorhandenseiu des Schadeitraumas ihre Worte. Der Untersuchung des Prof.
Zebnow verdanken wir die genaue Projection der Schädelfractur auf die Ober¬
fläche der Hirnhemisphäre. Die localen Symptome treffen mit der Localisatiön,
welche durch encephalometrische Messung bestimmt war, zusammen. Wir werden
doch dem Wege der gewöhnlichen klinischen Analyse folgen.
Die Kranke stellt jetzt folgende hauptsächliche Erscheinungen dar.
1. Eine halbseitige Lähmung der rechten Extremitäten und der rechten
Gesichtshälfte, welche mit einer Muskelatrophie und Entwickelungshemmung des
Khochenskeletts verbunden ist.
2. Eine Störung der Sensibilität mit einer vorhergehenden Affection de^
Muskelgefühls.
3. Anfalle von corticaler halbseitiger Epilepsie mit typischer Anordnuni
und constantem Anfänge der Krämpfe.
Diese Symptome genügen, um eine genaue Localisation des Herdes fest'
zustellen.
Der Herd ist in der linken Hemisphäre und nämlich in der Rinde v.
suchen. Ausser den typischen corticalen Anfällen kann man diese Localisatio]
auf Grund der constanten Erscheinungen annehmen. Das Muskelgefühl ist an
stärksten afficirt Wie die Lähmung, so ist auch die Sensibilitatstörung in de
oberen Extremität starker ausgeprägt, als in der unteren. An Brust und Rump
ist die Sensibilität normal.
Wenn wir es mit einer Affection der Leitungsbahnen zu tbun hätten, ward
die Anästhesie von anderem Typus und anderer Anordnung sein. Bei eine
Läsion der inneren Kapsel ist die tactile Sensibilität und Schmerzgefühl ai
stärksten und dazu in hemiplegischer Form afflcirt Das Muskelgefuhl bei diese
Localisation bleibt normal, oder gesammt mit Mnskelsinnstorung sind auch di
Leitungsbahneu für höhere Sinnesorgane betroffen. (Der hintere Abschnitt de
inneren Kapsel). Bei unserer Kranken sind keine sensible Leitungsbahnen, ab(
die Perceptionscentra zerstört Das Gebiet dieser Centra fallt mit der motorische
Sphäre zusammen.
Auf Grund der klinischen Analyse unseres Falles kommen *vir zum folge]
den Schlüsse: hauptsächlich sind die centralen Windungen in ihrem mittlere
Tbeile betroffen, znm Theil ist auch das obere und das untere Drittel afficii
wie es die Krämpfe und Lähmungen der unteren Extremität und Gesicht
muskulatur örweisen. Nämlich auch die von Prof. Zebbow genau ausgeführte
Schädelmessungen zeigen die Projection des Knochendefectes in diesem Gebie
, Zwar kann man die Localisation der Herdverändemng nur auf Grund d
klinischen Bildes feststellen, doch f^en die Messungen von Prof. Zebnow eii
Dig'ii/od Dy
Google
65
vidi%e Tbatsacbe zar Diagnostik dieses Falles hinzu. Bei dem Zusammen«
trefien der klinischen Localisation mit dem Knocbendefect kaun man sicher, be-
teqtten, dass die Rindenläsion einen traumatischen Ursprung hat Es ist von
aoer aosserordentlichen Wicht^keit für die operative Behandlung das Zusammen-
iRffeo der Knodien- und Himläsion festzustellen. Was die Diagnose des krank-
laftn Processes betriffl;} so muss man in unserem Falle eine träumatiscbe
irsblntong mit nachfolgender Erweichung annehmen.
Damit ist die klinische Diagnostik unseres Falles abgeschlossen, es bleiben
idino^e allgemein-pathologische Bemerkungen übrig. Die Grenese der epilepti-
knra Anfälle ist bei oben angeführten Localisatbnen leicht zu verstehen. In
fiMr anderen Mittheilnng haben wir die epileptischen Anfalle als ein O^enern-
aasmptom der Rinde betrachtet Wir haben dort zwei für die Entwickelung
i^reorhcalen An^e unerlässliche Bedingungen festgestellt:
1. Das Vorhandensein eines destructiven Processes der Rinde.
2. Eine Entartni^ der Bc^nfasern, welche mit einer seoundären Degenera-
in oder mindestens einer functionellen Veränderung der Rinde verbunden ist.
ln Facialiscentrum bemerkten wir einige Erscheinungen einer constanten
Seimog in Form von protrahirten Krämpfen. Wie wir in einer anderen Arbeit
haben, halten wir diese Erscheinungen für ein Degenerationssjmptom
ier Binde, äe zeigen eine Hjpertomie der Zellen an, welche der Entartung
ter Bogeofasem folgt
Die Störung des Muskelsinns, wie wir schon früher gezeigt haben, und wie
ßa TOD Wbbnicee and Dana angenommen ist, stellt, eine Ausfallserscheinung
irrAssodationsvorgäuge in der motorischen Sphäre der Rinde dar. Wir müssen
^ die Richtigkeit der Ansicht von Münk und Webnioke hervorhe^en,
‘•ia die sogennante motorische Sphäre ein psychisches Organ der Bewegungs-
vustelluDgen sei.
Die Bew^ungsvorstellangen, besonders die Vorstellungen der erlernten Be-
Ttgongen ist als ein Endresultat der compUcirten Associationen zu betrachten;
% sensiblen Reizungen treten als eine Ck»mponente hinz u.
Die einfachen Empfindungen des Stiches nehmen wir mit dem peripherischen
hidappaiate wahr, und diese Empfindungen erreichen das Gehirn durch Leitungs-
'•knen. Die compUcirten Vorstellungen von einer glatten oder rauhen Ober-
die Besümmnngen der passiven Bew^fuugen sind streng von einfachen
^^Mlongen zu unterscheiden.
Im ersten Falle ßUt die p^chologische Aufgabe mit der Wahrnehmung der
^^^^sehen Reizung der Haut zusammen, im zweiten ist die Haut gereizt, die
und der Bindeapparat passiv ausgedehnt, ln der Bestimmung dieser
is^en Bewegung ist auch eine wichtige Rolle den früheren Erinnerungen zu-
Qsehreiben. Dieselben Bedingungen sind auch bei den willkürlichen erlernten
öfsegungen unentbehrlich. Hier ist eine genaue Synergie der einzelnen Hirn-
erforderlich, dabei sollen die Associationsbabnen völlig intact sein. Auf
^ Weise ist leicht zu verstehen, warum die Entartung der Bogenfasem mit
5
Dig Ii7cd Cv" Google
66
einer Störung Muskelgefulils und einer Ataxie der erlernten Bewegungen
verbunden ist.
Bei dem jetzigen Stande unserer Kenntnisse, können wir diese Ergebnisse
der experimentellen Pathologie ohne weiteres in das klinische Gebiet übertragen.
Oie Muskelsinnstörung kann man als ein diagnostisches Zeichen
des tiefen destructiven Frocesses des motorischen Gebietes der
Hirnrinde annehmen.
Neben anderen diesbezüglichen Fällen ist unsere letzte Beobachtung als
ein neuer Beweis dieser Ansicht zu betrachten.
Trotz eines allgemein-pathologischen Interesses hat unser Fall für die Klinik
der infantilen Lähmungen einige Bedeutung. Wir haben schon oben die trau¬
matische Aetiologie fes^estellt.
Wenn wir das klinische Bild der traumatischen infantilen liäbmung und
das der infantilen Hemiplegie, welche von diffusen Erkrankungen des Gehirns
abhängen, vergleichen wollen, können wir einen gründlichen Unterschied zwischen
beiden bemerken. Den Entzündungsprocessen und anderen Erkrankungen des
Gefässsjstems ist gewöhnlich eine diffuse Verbreiterung, mit einer enormen .Zer¬
störung combinirt, e^n. Daher prävaliren dort die allgemeinen Himerscheinnngen
und das Bild des focalen Processes tritt nicht so deutlich zu Tage.
Die traumatische Lähmung hat eine strengere Localisaton, dabei treten die
oc^en Erscheinungen in den Vordergrund.
Diese Eigenthümlichkeit ist besonders in unserem Falle deutlich ausgeprägt
und ist für die operative Behandlung besonders wichtig.
Wie schon BEBOHAnN* festgestellt hat, ist die operative Behandlung nur
in den Fällen von corticaler Epilepsie anzuwenden. Von diesem Standpunkte
aus ist unser Fall auch als ein operativer zu betrachten.
Wollten wir hier die operative Behandlui^ anwenden, so müssen wir eine
tiefgreifende Entfernung der grauen und weissen Himsubstanz vornehmen.
Dabei können wir nur eine Verminderung der epileptischen Anfälle ver¬
sprechen. Man muss dabei eine Contraindication nicht ohne Bedeutung in Be¬
tracht ziehen, nämlich dass die Erkrankung schon 23 Jahre dauerte und weit¬
greifende degenerative Veränderungen nicht anszuschliessen sind.
Ferner wollen wir noch eine klinische Einzelheit erwähnen, n ämli ch dass
unsere Kranke eine deutliche Entwickelungshemmung des Gesichtsskelets und
der Extremitäten zeigt. Die Gesiohtsmuskeln rechterseits sind mäsag atrophirt
oder richtiger unentwickelt. Dabei zeigt der Arm eine vorwiegende Atrophie
im Gebiete des N. ulnaris — „Olypodactylie cubitole“ nach F£bA. Zweifelsohne
ist die Atrophie von cerebralen Ursprung. Wir halten dieselbe für eine
Degenerationserscheinung der Vorderhomzelle in Folge von der secundären Ent¬
artung der Fyramidenbahnen. (Die Atrophie der motorischen Zellen des Rücken¬
marks bei der Entartung der Pyramideubahnen habe ich anatomisch bewiesen.-)
* BsBOtiANR, Cbirurg'ische Behandlang der Himkraokbeiten.
* vergl. ansere Abhandlung: Zar Pathologie der Gebirndegenerationen. d. Ceutralbl.
1896. Nr. 11.
'ig g/od
Google
67
betrachtet halbseitige Entwickelongshemmung des Gesdchts und des
Eoipers zusammen mit »^Olypodactylie onbitale'^ als eine klinisches Bierkmal bei
iler gemeinen Epilepsie. Das Vorhandensein dieser Erscheinungen bei einer
foolen Epilepsie bei der Kranken, welche in Mher Kindheit^ von einer schweren
HiinTerietzang betroffen wnrde, spricht der bekannten Ansicht von Ffenfi und
^cs8 zn Gonsten, dass die Fälle Ton finh eintretender Epilepae einen orga-
ai^Q Ursprung haben und mit einem angeborenen Himleiden verbunden zu
SBD pflegen. Die Hirnverletzung ist zu klein, um eine angeborene Hirnlähmung
bermzurufen und doch ist sie genügend gross, um degenerative Veränderungen
Mi Gehirns zu geben und zur Epilepsie zu fuhren. In unserer Beobachtung
(he focale Entstehnng der d^nerativen Erscheinnngen zweifellos, daher kann
di« Beobachtung einige mehr complicirte Fälle erklären.
Zum Schlüsse erlaube ich mir, das schon früher von mir^ Gesagte zu
titdeiholen.
»Die' paUiologisdi-phjsi(d(^iscben Bedingungen beziehen sich auf diejenigen
Fille, TO kein destmctiver Process vorhanden ist, sondern alle Veränderungen
bica fuQctioneller Katur sind. Soweit wir berechtigt sind, von den anato-
lusdieD Erkrankungen anf die functionelle Epilepsie zu schliessen, müssen wir
*ega (ier Aehnlicbkeit der klinischen Erscheinungen die Identität der Locali*
tthMi des Processes annehmen.“
II. Referate.
Anatomie.
1) An experimental researoh upon oerebro-oortioal afferent and efferent
tracts, by David Ferrier and William Aldren Tnrner. (Proceedings of the
Royal Society. Vol. LXII.)
Vit Hülfe von destroctiven Läsionen und dem Stndinm der secundären Degene-
atkeen an Affen wurden die Faserzüge, die Eindrücke allgemeiner oder speoieller
^bilität zur Hirnrinde führen, untersucht.
1. Was zunächst die Sehbahn betrifft, so wurde der Hinterbauptslappen ent-
^t, der Gyros angnlaris exstirpirt, das Pulvinar thalami zerstört und das Splenium
'‘VTpons callosi durcbtrennt Eine corticofugale Bahn gebt vom Hinterhanptslappen in
Ms Sebstrablnng znm Pulvinar thalami derselben Seite und zu dem .Corpora quadri-
tcBiu anteriora derselben ond zum Theil der anderen Seite. Der Gyms angnlaris
at töne absteigende Bahn zu den Basalganglien, ist aber durch Associatiodsfasem
den Qyrus temporaUs superior, parietalis superior und dem Hinterbauptslappen
' Find. Snr Farret de devoloppement n. s. w. Kövae de mddecine. 1896.
* SicBs, A treatiee on the nerrous diseaaes in Children.
' W. llomATOw, Zur pathologischen Physiologie der corticaten Epilepsie. Zeitsehr. f.
^aveaheilk. 1896.
6 *
Dig i'/od c/ Google
68
verbunden. Vom Thalamus opticus zum Hinterhaoptslappen und dem Gyrus angularis
ziehen corticopetale Fasern. Die Gyri angulares und Lobi occipitales sind durch
Commissurfasern durch Splenium und Forceps des Corpus callosum verbunden.
2. Am Hörapparat wurde der Acusticus distal und proximal vom Ganglion
acnsticum accessorium durchschnitten; die hinteren Corpora quadrigemina worden zer>
stört, ebenso das Ganglion genieoiatum intemum, und der Gyros temporalis soperior
wurde exstirpirt. Der N. vestibuli ist mit dem Deiters’schen Kern und dem Teg*
mentum verbunden; wahrscheinlich besteht auch eine directe Verbindung mit dem
Abducenskem. Die Verbindungen des N. cochleae gehen durch das Corpus trape-
zoides und die laterale Schleife zum Corpus genicnlatum intemum der entgegengesetzten
Seite; von dort aus geht ein aufsteigonder Strang zum Gyros temporalis sup. Nach
Zerstörung des Ganglion acnsticum gehen Degenerationen in beide obere Oliven und
die Corpora quadrigemina posteriora. Nach Zerstörung des Gyros temporalis snp.
degenerirt ein in den oberen Tfaeil des Fons absteigender Nervenstrang. Beide Gyri
temporales sup. sind durch den Forceps corporis callosi mittels Commissurenfasern
verbunden und durch Associationsfasem mit dem Gyros angularis und dem Hinter-
hauptslappen.
S. Das System der Hautsensibilität und andere corticopetale Bahnen wurden
mittels Zerstörung des Tegmentum des Fons, des Crus cerebri, Thalamus opticus, des
Corpus quadrigeminum post, studirt Es treten corticopetale Degenerationen auf, die
durch beide Glieder der Capsula int., die Capsula ext. und das Centrum ovale zur
Hirnrinde zu verfolgen sind. Viele Fasern vom Thalamus opticus kreuzen durch das
Corpus callosum zur entgegengesetzten Hirnhemisphäre.
4. Die sensible Fortion des Trigeminus und der Glossopharyngeus
wurden proximal von ihren Ganglien durchtrennt. Ausser der Degeneration der auf>
steigenden Trigeminuswurzel und der Glossopharyngeuswurzel wurden keine centralen
Verbindungen klaigelegt.
5. Die Experimente an den präfrontalen und frontalen Regionen bewiesen
die Existenz einer fronto'pontinen Bahn, die durch den vorderen Schenkel der
Capsula int. und den Inneren Theil des Fes cruris zum Pons absteigt.
H. Bothmann (Berlin).
Experimentelle Physiologie.
2) Contributo sllo Studio della nuclinazzlone nelle vie di projesione del
sistema nervoso centrale, per d'Abundo. (Communicazione. 1897. Catania.)
Verf. bringt interessante Beiträge zur individuellen Entwickelung des Nerven¬
systems, speciell der Myelin-Entwickelung. Zweimal fand er so das Nervensystem
bei Kindern von 6 und 6 Tagen gleich dem eines 7 monatlichen Fötus, und einmal
war die Myelin-Entwickelnng bei einem Kinde von 8 Tagen cet. par. viel vor¬
geschrittener als von solchen im Alter von 3 nnd 5 Monaten, ln einem 6 monat¬
lichen Fötus war das Gowers'scbe Bändel, bis zum Bulbus mit Myelin eingehQUt
(ebenso in einem 7monatlichen) und der Goll'sche Strang mit feinen Fasern war im
Halsmarke wie in 2 Streifen zerlegt, einem inneren und äusseren, der oben nur weni^
myelinisirt war.' Wenig Myelin zeigte auch der Seitenstrang im hinteren Theile.
Sehr entwickelt war dagegen die vordere Commission. Die graue Räckeumarkssubstanz
zeigte reiche Nervenfasern aussen an der Subst. gelatinosa. Die Kopfnerven waren
gut myelinisirt. Vom Corpus restiforme aus gingen verschiedene Markfasem in das
Kleinhirn; eine reichliche Portion ging in die Gegend der Nuclei deutati and des
tectums. Markfasem gingen auch vom äusseren Nucleus acusticus aus nach den
Nuclei tecti hin. In einer 7 monatlichen Fracht zeigte sich kaum der Anfang einer
,Google
69
MirkbildoDg d«r sabcorticalen Ölenden des KleiDhirns. Bei Kindern von 5 und
8 Tigeo ah Verf. dentlich den Harlbeginn im mittleren Kleinhimstiele, während in
udereo von 19 und 44 Tagen nichts davon zn sehen war. Mit 7 Monaten des
F^tailebras war stets das RAckenmarhsgran, reich an Mjelinfasem, mehr im Halse,
ih iiD BScken, am meisten im Lumbartbeile. Die PyramidenbAndel entwickelten sich
breilee sehr schnell Bei einem Kinde von 19 Tagen waren sie schon, ziemlich
Birkbalbg io den Pednncnlis cerebri, im Pons nnd Bolbns, aber nicht im BflckeO'
ttfi eb^ wenig Markfasem im mittleren Kleinhimstiele. Bei mehreren Kindern
m 9, 11 and 14 Monaten waren die Pyramidenstrangfasem lange nicht so dick
ad zahlreich wie die Kleinhimstrangfasem, ansserdem waren sie fein und dazwischen
vucD dickere eingestreut, was nicht mehr bei älteren Kindern von 20, 24 und
30 Monaten zn sehen ist Wir haben also verschiedene individuelle Entwickelungen,
indes Tiele hereditäre nnd erworbene Ursachen die Markscheidenbildnng verzögern
lömo. Im Neurone geht sie vom Stamm aus und geht dann auf die Collateralen
j^. Unter den Ursachen spielen jedenfalls Infectlonen und Intozicationen mit die
an« Bolle, nnd sie müssen besonders die noch weniger ausgebildeten Theile betreffen.
Sie können die Entwickelung aufhalten oder die Systeme widerstandsloser machen
ad beim Erwachsenen ^d bei Disposition die Stömng eher an zuletzt entwickelten
angreifen, als bei älteren. Gerade die Beobachtung der Markscheidenbildnng
Tud flir vergleichende experimentelle Studien sehr wichtig sein können.
Näcke (Hubertusburg).
3) La thäorie des neorones en rapport aveo PexpUoation de quelques
dtats psyoliiques normauz et pathologiques, par Soukhanoff. (Arch. de
Sewol. Vol. UJ. 1897. Nr. 17 u. 19.)
Die Grundlage dieser rein theoretischen Änsffihrnngen bildet die Beobachtung
T» Wiedersheim, der die Nervenzelle eines niederen Thieres in der Thätigkeit
beobachten konnte und Fonnverändemngen derselben wahraahm. Auf diese Beobachtung
ntodet der Verf. die Hypothese, dass die Substanz der Protoplasmafortsätze der
PjT&ffiideDtelle der Hirnrinde die Fähigkeit habe, sich anf Reize mit rapider Schnellig-
ist zu coDtrahireo, eine andere Form anzunehmen und nene Sprossen zu treiben.
Di« Protoplasmasnbstanz der Neuronen, nimmt der Verf. weiter an, ist in fortwährender
Schwingung, die sich mit der Steigerang der functioneilen Thätigkeit verstärkt. Jede
^«>Scniog der molecnlären Welle wirkt als Beiz und ist so begleitet von einer Form*
^wuderong nud Proliferation der feinsten Den'dritenverzweignngen und bei Neu-
ffiert>UDg von Vorstellungen von Neoerwerbung von Contacten. An die Unversehrt*
icit dieser Thätigkeiten der Protoplasmafortsätze ist der regelmässige Ablauf der
pejcbischea Thätigkeit gebunden. Werden die Verbindnngen zerstört and besteht
Uaßhigkeit der Frotoplasmafortsätze zn neuen Verbindnngen, so entsteht Demenz.
Bei wganischer Demenz geben die terminalen Dendriten zu Grunde, bei- functionellen
et die Thätigkeit der Protoplasmafortsätze gehemmt, vielleicht durch Giftwirkung.
Bei Minie soll die Mobilität der Protoplasmafortsätze erhöht, bei der Melancholie
^wabgesetzt sein. In entsprechender Weise sucht dann der Verf. das Zustande*
k'^uueu Doch einer Reihe von psycbopathologischen Vorgängen zn erklären.
M. Weil (Stnt^art).
4) Les ueurones. lies lois fondamentales de leurs ddgöueresoenoes, par
Klippel. (Arch. de Neurol. Vol. I. 1896. Nr. 6.)
Der Verf. setzt sich in dieser Arbeit zur Anfgabe, zunächst die Gesetze, denen
^ einzelne Neuron in anatomischer, physiologischer nnd pathologischer Hinsicht
*9k(nrorfen ist, zn erörtern nnd dann die Beziehungen der Nenrone zn einander zu
DiQ'iii-od
Google
70
stadiren. Ton den AnsführnDgen des Verf/s- möge an dieser Stelle Folgendes Br*
wäbnnng finden. Das einzelne Nenron bildet eine Einheit; es besteht ans einem
centralen Leib, der Zelle, ans den Protoplasmafortsätzen, den Dendriten, nnd im All*
gemeinen ans einem Azen<^linderfortsatz, dem Nenrit. Die terminalen Theile dieser
beiden Fortsätze endigen frei, ohne mit denjenigen der benachbarten Neurone zn
anastomisiren. In Bezug auf die Function des eiuzelnen Neurons lässt sich der Satz
feststellen, dass die nervöse Erregung stets durch die Protoplasmafortsätze die Zelle
erreicht und dass sie dieselbe durch den Axencjlinderfortsatz verlässt. So sind also
die sensiblen Fasern, die von dem Spinalganglion nach der Peripherie gehen, als
Dendriten des peripheren sensiblen Neuron aufzufassen, dessen Üentrum die Zelle des
Spinalganglion bildet und dessen Azen( 7 linderfortsatz nach dem Bfickenmark geht
Bei der Betrachtung der Pathologie des einzelnen Neurons ist daran festzuhalten, dass
das Neuron eine Einheit bildet. Ton diesem Gesichtspunkt aus ist es logisch, anzn-
nehmen, dass die Läsion eines seiner Theile das ganze Neuron bis zu einem ge*
wissen Qrad mitafficirt; wird der Axencyünder eines Neurons durchschnitten, so er¬
leidet sowohl das periphere Stück desselben eiue Terändernng, als auch das centrale
mit dem Centrum, jedoch ist die Terändernng an beiden Seiten nicht identisch; das
periphere Stück degeneiirt nach dem Gesetz von Waller, das centrale zeigt Ter-
ändemngen nach dem Gesetz der sog. retrograden Degeneration bezw. der retrograden
Atrophie. Was die Protoplasmafortsätze anlangt, so scheint es, dass sie demselben
Gesetze folgen. Ton diesem Grundgesetz scheint es jedoch Ausnahmen zu geben, so
dass es vorkommt, dass das centrale Stück nach demselben Modus degenerirt wie das
periphere und umgekehrt. Die Bedingungen, unter welchen diese Ausnahmen eintreten,
sind vorerst unbekannt. Das eine Neuron setzt sich mit benachbarten Neuronen in
Contact und formt so Ketten von Neuronen, welche physiologische Systeme bilden.
Die eine dieser Ketten von Neuronen bildet das motorist^e System, eine andere ein
sensibles, wieder andere bilden Associations- und Commissurensysteme. Diese Nenronen-
systeme sind trotz ihrer verschiedenen Function, im Grossen und Ganzen genommen,
morphologisch und structurell einander gleich und unterliegen alle denselben D^e-
neratioDSgesetzen.
Die Ausführungen des Terf.’s über die Pathologie der zusammengesetzten Neu¬
ronen mögen im Original nachgelesen werden, da sie im kurzen Referat nicht wieder¬
gegeben werden können; nur noch ein Hanptgesetz möge hier angeführt sein, zn
dessen Aufstellung der Terf. im Terlauf dieser Untersuchungen kommt und das er
folgendermaassen formnlirt: Wenn von zwei Neuronen, die mit einander in Contact
sind, das eine erkrankt, so beeinflusst die Läsion des einen stets auch das andere
Neuron und zwar macht sich die Erkrankung des zweiten Neurons immer im Bereich
der Terästelungen des Axencylinders geltend, mögen dieselben nahe dem primär er¬
krankten Neuron, liegen oder von demselben entfernt; hier ist die Läsion immer zuerst
bemerkbar Und am deutlichsten; sie kann von hier ans mehr oder minder weit central-
wärts fortschreiten oder an diesem Theil stationär bleiben. M. Weil (Stuttgart).
Pathologische Anatomie.
6) Sur les altärstions des dldments nerveux dans la dysoraaie urdznique
experimentale, par Sacerdotti et Ottolenghi. (Arch. Ital. de Biologie.
Toi. XXTII.)
Die Terff. haben bei 4 Hunden ,und 1 Kaninchen die beiderseitige Nephrectomie,
bei 2 Kaninchen die doppelseitige Ureterenligatnr vorgenommen und dann sowohl
nach Golgi als auch nach Nissl die Grosshimrinde mit Einschluss des Ammons-
homs uud das Kleinhirn nntersucht. Die Nissl’sche Methode liess keine wesent-
Google
71
lieieo Va^eraagen erkeooen, hing^en zeigte stcb bei der ÜDtersachang nacb
dolgi im Weseotlicben folgendes: Die Dendritenforts&tze der Ganglienzellen beOnden
ach im Zustande der ?aricöBen Atrophie, während der Axencylinder gewöhnlich nicht
roiiKiert ist; die Neorc^lia nimmt dorchweg an dem pathologischen Processe tbeil
md zwar in Gestalt von Taricöser Atrophie der Zellfortsätze. Die degenerirten Zeilen
fidso sieb fiberall in der Grosshimrinde, anch im Fes hippocampi maior, and ge-
allen Zellcategorieen an; im Kleinhirn finden sie sich in der Zona molecolaris.
Kaplan (Herzbei^e).
6) Solle altenudoni degli elementi nerwoei Deirinanbdone, per E. Lngaro e
L Chiezzi. (Biw. di patolog. nerv, e ment II.)
ÜDtersQchQngen an Efunden and Kaninchen, die nacb länger daaemdem^Hungem
tbeli getödtet wurden,' tbeils von selbst starben.
ln den Spinalganglienzellen periphere Chromatoljse, in den vorgeschritteneren
^tadÜD' Zerfall der Chromatinschollen za Pulver, Vacaolenbildang, Schrumpfung
is Kerns.
Im BQckenmark bei einem Hand und einem Kaninchen hellere Färbung der.
l^nfflidenseitenstränge im Dorsaltheil. Die Strangzellen weniger gat und mehr
Iifiu gefärbt als normal, die Übrigen Zellen boten nichts besonderes dar, nur bei
3 Tbieren Veränderungen auch in den Vorderbomzellen.
Die Zellen der Kleinhimrinde bei einigen Thieren normal, bei anderen geschwollen,
lag Chrooatin, nameollich in dem der Himoberfläche entfernteren Tbeil der Zelle
so dass die Ketzstructur des Protoplasmas sichtbar wurde.
Id d«i Pjramidenzellen der Grosshimrinde hatten die Chromatinschollen ihre
».•naaleo Umrisse verloren, auch war tbeilweise Chromatolyse und Schrumpfung des
Kmu eisgetretfln.
Schwerere, nicht reparable Veränderungen treten an den Nervenzellen der Thiere
■st in den letzten Stadien des Hungerns kurz vor dem Tode ein. Den Anfang
Bsehen Alterationen des Cbromatins. Im Allgemeinen gleichen die Bilder, den bei
KBtm und chroniacben Vergiftungen beobachteten. Die VerfC. halten darum auch
^ Erkrankung der Nervenzellen während des Hungerns für Folgen einer Anto-
atoxication. ' Valentin.
Pathologie des Nerve-nsystems.
') Casniitisclie Mittheilongen aus dem Gebiete der Nervenheilkimde,
von Privatdocent Dr. F. Egger, Basel, stellvertretendem Director der allgemeinen
Pol iklinik .
Verf. beechreibt einen Fall von isolirter Lähmung des N. axillaris, einen solchen
doppelseitiger Erb'scher Lähmung und einen Fall von traumatischer Hysterie.
Im ersten Falle bandelte es sich um einen 66jährigen Mann, der nach einer
— gat reponirtan — Lnxation im linken Scbultergelenk trotzdem den Arm im
Sckaltergelenk nicht mehr bewegen konnte und deshalb nach über 2 Monaten die
Hilf« der Poliklinik aufäuchte.
Die Untersuchung ei^b ziemlich starke Atrophie des M. deltoideus mit voll-
niodiger Entartnogsreaction; Aufhebung der Berflhnmgsempflndang, sowie erhebliche
Hw^tzung der Schmerzempfindong und der Wahmehiqnng des faradischen Stromes
io «inan ca. 10 cm langen und 6—7 cm breiten, ovalen Bezirk, der sich von der
H«gnd des Homeroskopfes aus nach übten erstreckt. Bei Behandlung der Haut
■it der labilen Kathode unter ziemlich starken Strömen tritt in diesem Bezirke eine
^ aoffallende gelblich-weisse Verförbung der Haut ein, mit deutlich erniedrigter
- Google
72
Temperatur iu deuselbeu Fartieen. Nach l&ngerer Reizung tritt eine fleckige Röthe
in den zuerst veissen Stellen auf, von der Peripherie her strahlen rothe Protube-
ranzen ein, zuletzt ist die RGthung wieder gleichmässig. (Yerf. erklärt diese von
Hitzig zuerst erwähnte eigenthflmliche Beaction der Hautgeßsse als Ansfallserscbei-
nung io Folge Lähmung der centrifugalen, geßsserweitemden Fasern.)
Die Therapie — (Galvanisation des Nerven, Massage und Galvanisation des
atrophischen Muskels, passive Bewegung — führte eine wesentliche Besserung herbei.
Im zweiten Falle — doppelseitige Erb’sche Lähmung — handelte es sich um
einen 58jährigen, etwas decrepideu Mann, der plötzlich — angeblich nach vor¬
heriger vollkommener Gesundheit — beim Äufstehen früh den rechten Arm nicht
mehr bewegen konnte; am selben Tage noch kam Schwäche auch im linken Arm
dazu, welche binnen 24 Stunden zu vollständiger Lähmung einzelner Muskeln des
Armes führte. Begleitet waren die Erscheinungen von heftigen Schmerzen im Nacken,
zwischen den Schulterblättern und in den Schultern.
Bm der Untersuchung konnten die Arme im Schultergelenk nicht bewegt, nicht
auswärts rotirt, im Ellenbogengelenk nicht gebeugt werden.
Supination der gestreckten Arme soweit möglich, dass der Daumen nach vom
steht (Contraction des Supinator brevis). Beim Kopfbeugen nach rückwärts traten
heftige Schmerzen im Nacken auf; Druck auf die Domfortsätze des lY. Hals- bis
II. Brustwirbels (hier auch geringe Schwellung und leichte Kyphose) und Umgebung
war sehr schmerzhaft Sensibilitätsstörungen bestanden nicht. Rechts fand sich
Herabsetzung der elektrischen Erregbarkeit vom. Erb'schen Punkt ans, partielle
Entartuogsreaction im Husculus deltoides. Nach 6 Wochen erfolgte Exitus.
Als Ursache der Erkrankung ergab die Section eine carcinomatöse Geschwulst,
welche von einem ganz kleinen — völlig symptomlos verlaufenen! — Epithelkrebs
des Pharynx aus im Retropbaryngealgewebe sich entwickelt hatte und von da aus
in die Wirbelkörper und Zwiscbenwirbelkörper der untersten Halswirbel eingedrungen
War. — Krebsmetastasen in der Leber.
Mikroskopisch (nur theilweis untersucht) zeigten sich in der I., YI., VII. Cer-
vicalwurzel ausser der das Nervenbündel umgebenden Qeschwulstmasse zum Theil
Blutextravasate zwischen den Fasern des Perineuriums und auch längs des Endo-
neuriums bis ins Innere des Nerven hinein, sowie beginnender Zerfall desselben
(letzterer besonders in der V. Worzel). — Rückenmark: Im obem Cervicalmark
neben einzelnen degenerirten Fasern in beiden Bordach’schen Strängen, ein scharf-
umschriebenes, schwarz gefärbtes Bündel im linken Bordach’schen Strang, ln der
Höhe des Y. Cervicalsegments in Bereiche des rechten Seitenstranges eine kleine,
circamskripte, frische Blntang. Im YII. Cervicalsegment, besonders im Gebiete der
rechten Fyramidenseitenstrangbahn, ebenso links, und in den vorderen Grondbündeln
beiderseits diffuse myeiitiscbe Veränderungen; z. B. Schwarzfärbong 3er austretenden
Yorderwnrzeln. Einzelne Ganglienzellen in den Yorderhömem nndeotlich gezeichnet.
Im YIIl. Cervicalsegment sind — bis auf die graue Substanz — auf dem
ganzen Querschnitt diffuse myelitische Herde, namentlich auch in den Goll’schen
Strängen; gegen das erste Dorsalsegment zu nehmen die Herde rasch ab.
Dass klinisch die Hanptstörungen im Bereich der Y. Cervicalwnrzel auftraten,
erklärt sich aus den bedeutenden pathologischen (äosserlioh sichtbaren) Verände¬
rungen derselben beim Austritt aus dem Wirbelcanal. Es ist dies eine weitere Stfltze
für die Annahme, dass besonders die Fasern dieser Wurzel die bei der Erb’schen
Lähmung bethbiligten Muskeln versorgen.
Im dritten Falle — traumatische Aysterie, handelte es sich um eine isolirte
Bewegungsunfähigkeit im III. und IV. Finger der linken Hand, welche nach einer (ge¬
schienten) Radiusfractur sich entwickelt hatte. Beim Flectiren aller Finger folgen
die genannten erheblich später und nur ganz langsam, gleichzeitig, nach, ebenso beim
Wiederaasstrecken derselben. Beim Spreizen entfernen sich der III. and lY. Finger
./Google
— 73
akkt Tooeiouider. Passife Beweguog in allen Fingern völlig unbehindert. Starke
ibetoBpfimg der Berflbmngsempfindnng auf dem Bficken des IIl. und lY. Fingers,
^tfiage der Unken Hand and des Vorderarmes. MerkUch herabgesetzte Schmerz*
apfindong ood Temperatorsinnstömng im gleichen Bezirk. Elektrisch völlig normale
Vffkältnisee. Tortkbergehend trat während der elektrischen Behandlung eine Beuge*
cntnctor der beiden Interphalangealgelenke des Mittelfingers auf, welche sich nach
«nhsaffler passiver Streclmng des Fingers löste.
Der .Annahme einer „traumatischen Nenrose“ als einer besonderen Krankheit
Tcfug sich Verf. nicht anznschliessen. — Er plädirt am Schloss für eine ziel*
knate psfchische Behandlung der Unfallpatienten ausser der event. chirurgischen,
üM zrar insbesondere mit BQcksicht des Einflusses des Unfallgesetzes auf die
fsfcbogne Entwickelung der Nacfakrankheiten. Paul Cohn (Berlin).
S) Pmliai periodica del trooleare oon oefalea e nauaea, per Aug. di Lozen*
b«rger. (Manieomio. XIII.)
39jäbr. Mann, nie schwer krank gewesen (die Mutter litt an Hemicranie) erfuhr
£it 12 Jahren zum ersten Male nach einem mehrstöndigen Marsch, den er in der
>.{iM ond unbedeckien Hauptes gemacht hatte — einen Anfall, bestehend in rechts*
.«iugem, tiefem, drückendem Kopfschmerz (während der späteren Anfälle ging der*
idt« Dur aosnahmaweise auf die linke Seite über) mit Unwohlsein, Appetitlosigkeit,
(ohne Erbrechen) and Doppelteehen. Ein während der MUitärzeit am Kopf
diUcDer Hufscblag batte auf das Leiden keinerlei Einfluss Anfangs traten die
AiÜile fast jede Woche anf and dauerten einen Tag und Kopfschmerz und Doppelt*
i«ceii kamen and schwanden immer gleichzeitig; im Laufe der Jahre wurden sie
uer seltener, aber dauerten länger, schliesslich 15 Tage lang. Der vom Verf.
i^tachtete — letzte — Anfall dauerte 20 Tage; bei diesem begannen Kopfschmerzen
ad Kaosea erst Macbmittags und hielten bis znm Einschlafen an; das Doppeltsehen
lägKen war continnirlich. Beim Herannahen des Anfalls hatte Pat. das Gefühl
L-pfsoden Pulsirens im Kopfe. — Die rechte Tena temporalis war stärker gefüllt
ib die linke (beim Fehlen sonstiger Asjmetrieen am Kopfe). Bei der Untersuchung
ier .logen erwies sich das Doppeltsehen als auf einer Lähmung des Trochlearis
wibend; die Angen boten sonst nichts Abnormes. Durch mittlere Bromsalzdosen
^hDg es den Kopfschmerz zu beseitigen; das Doppeltsehen hielt aber noch weitere
Tage an and verschwand dann spurlos; auch die abnorme Füllung der rechten
temporalLs. Verf. hält dafür, dass durch periodisch auftretende ^hwellung des
cavernosus und dadurch bedingten Druck auf den I. Ast des Trigeminus und
in Trochlearis die Erscheinungen zu Stande gekommen seien.
Bresler (Freiburg i. Schl.)
BecnrreDslAhmung bei Mitralstenose, von Dr. N. Ortner, (Wiener klin.
Wochenschr. 1897. Nr. 33.)
Verf. theilt zwei Fälle mit, in welchen die durch Stenose des Mitralostinms
neogte mächtige Dilatation des linken Yorbofes den linken Nervös recurrens durch
tairüeken desselben an den Aortenbogen znr Degeneration brachte und linksseitige
'Usabandläbmnng berbeiführte. Im zweiten Falle stellte Yerf. die richtige Diagnose
a nro. J. Sorgo (Wien).
10) Sin Fall von Snprasoapularislähinung, von Ooebel. (Deutsche med.
Wochenschr. 1897. Nr. 19.)
Kach einem Trauma auf die r. Schulter entwickelten sich bei dem Fat. zunächst
^>i*|tdehntere Muskelparesen nnd Beugungsstörungen, nach 10 Wochen restirte eine
ig |i.:od oy CjOO^Ic
74
atrophische Lähmung des Muse, supra* u. infraspinatus, bezw. des N. suprascapolarU,
mit dem ruckweise erfolgeoden, zweizeitigen Erheben des Armes, dem subjectiv
empfundenen Wackeln im Gelenk. — Bei der Annahme, dass das Schlfisseibein beim
Auffall den Nervenplexus g^en die Wirbelsäule resp. die I. Rippe drückte, erklärt
sich die Erkrankung der beiden Muskeln, die Läsion des K. supr^capulatis leicht
aus seiner Yerlaufsweise.
Isolirte Supraclavicularisläbmnngen sind selten, im Ganzen nur 4 Fälle nach
Bernhardt publicirt R. Pfeiffer (Cassel).
11) Zur Lehre von den Arbeitsparesen an den unteren Extremitäten, von
>H. Krön. Nach einer Demonstration im Verein für innere Medicin am 30. Mai
1897. (Deutsche med. Wochenschr. 1897. Nr. 45.)
Zenker hat bekanntlich die Aufmerksamkeit auf Lähmungen gelenkt, die bei
Arbeitern in Folge von anhaltender Thätigkeit in knieender oder kniehockender
Stellung auftreten. Verf. bereichert die Casnistik durch Mittheilong einer eigenen
Beobachtung. Die 16jährige, neuropathiscb disponirte Patientin hatte vor 2 Jahren
Torfstücke nmzulegeo gehabt, wobei sie mit spitzwinklig flectirten Enieen und nach
hinten gerichteten. h;perextendirten Zehen fast den ganzen Tag auf feuchtem Boden
kauerte. Obgleich die FOsse von Beginn dieser Thätigkeit an oft einschliefen und
nach etwa 8 Tagen kalt nnd steif waren, arbeitete Pat. noch 6 Wochen lang fort
Es bestand nun Schmerz und Kribbeln in den Füssen, öfters Krampf der Flantar-
flexoren, besonders aber Schwäche der Ffisse, namentlich des rechten. Allmähliche
Besserung. Zeitig besteht noch Schweiss und Kälte der Ffisse und rechts noch
gelegentlich Krampf der Plantarflexoren, zumal bei knieender Stellung. Die Unter*
suchung ergiebt mässige Atrophie des rechten M. tibialis ani nnd Extensor digit
pedis communis mit Herabsetzung der Dorsalflexion des Fnsses und der Zehen und
mit partieller Entartungsreaction. Die Sensibilität ist normal, DruckempflndUchkeit
nirgends vorhanden, der Plantarreflex aaslösbar; die Achillesreflexe fehlen.
Bei der Zenker’schen Lähmung ist der N. peroneus viel häufiger und inten¬
siver ergriffen als der N. tibialis, ferner handelt es sich immer nnr am Paresen, nie
um schwere Lähmungen. Die Sensibilität ist stets alterirt, ihre Störungen gleichen
sich aber bald wieder aus. Verf. bezieht die Crampi bei seiner Pat. auf die neuro-
pathische Disposition, Wie lange Zeit die Schädigung gebraucht, um die Lähmung
manifest zu machen, ist nicht sicher anzugeben. Die Lähmung resultirt wahrschein¬
lich aus einer Compression der Nerven in der Kniekehle, die häufigere und stärkere
Betheiligung des N. peroneus daraus, dass die bei forcirter Beugung des Kniegelenks
stark angespannte Sehne des M. biceps femoris den oberhalb seines Eintritts in den
Canal dicht unter ihr gelagerten Nerven gegen das Fibulaköpfchen drängt. Die
nicht selten vorwiegende oder ansschliessliche Betheilignng eines Fasses ist darin
begründet, dass der Oberkörper auf der Seite der Arbeitsverrichtung mehr auf dem
ünterschenkel lastet und so eine stärkere Flexion des betreffenden Kniegelenks be¬
dingt. Die Prognose ist vorsichtig zu stellen, die Therapie in Qblicher 'Weise zu
leiten. In prophylaktischer Beziehung ist zu rathen, dem Körper beim Knieen eine
weitere Stfitee durch eine Hand zu geben, ferner sind die Lente auf die Gefahr auf¬
merksam zu machen and zn veranlassen, beim geringsten Eriebelgeffihl oder gai
beim Eintritt von Schwäche in den Füssen die Arbeit einzustellen.
R. Pfeiffer (Cassel).
12) Crampi professionale, per G. Pacetti. (Trattato di Medicina. Vol. VI.)
Verf. bespricht, den Schreibkraropf zum Paradigma nehmend,. Pathologie nnc
Therapie der Beschäftigongsneurose. Er hält die Erkrankung für ein gemischi
central-peripheres Leiden. Valentin.
: , Google
75
13) RifieNi dolorosi di origine psiohioa e di natara professionale, per
Mootesioo. (Rivista qoindicinale di paicolo^a, psychiatria. 1897. Nr. 11.)
Io erst«a Fall« handelt es sich um eine 16jährige, hereditär belastete VioHn*
•pifjerio, die selbst hysterisch, mit 13 Jahren Schmerzen in den linken Fingern
eapfud. sobald sie dieselben auf die Saiten der Violine aufsetzte. Das werde immer
!(MiaiDef, bis sie sogar Schmerzen ebenda empfand, sobald sie nur eine Kaebbariu
hSrte, ja neulich schon beim blossen Vorstellen des Geigenspiels. Sie ward
ribeüt
Io zveiten Falle ist es ein 35jähriger, schwer erblich belasteter Gesanglehrer,
e Mit 3 Jahren beim Geben der Stunden einen furchtbaren Ekel, allgemeine
SdiTitbe, Eopfechmerzen u. s. w. ron kurzer Dauer aber langer Erregung empfindet.
^ 1 Jahren bat er ansserdem dann Schmerzen in beiden Ohren.
Is beiden Fällen handelt es sich um psychischen Beflexschmerz, und zwar bei
IssSimiig des Berufs. Bekannt ist es schon lange, dass bei den beruflichen.Erampf-
Miraa die blosse Vorstellung, also psychisch, einen Krampf der betreffenden
leVeln erxeogeu kann; hier aber (im ersten Falle) wird psychisch echter Schmerz
: den Hoskelo erzeugt, und das ist noch bisher unbekannt gewesen. Nach Raggi
hn Eeflexschmerz psychisch erzeugt werden 1. durch eine Emotion und 2. durch
*31 forstellang. Das erste ist leichter begreiflich, weil physischer und psychischer
xkotn einander sehr nahe stehen. Wenn es aber durch eine Vorstellung geschieht,
V. kiBO es nur eine wahre Hallucinatioo sein; so erklärt sich der Reflexschmerz
is. sliein bei im Geisteskranken.
Aoeh im obigen zweiten Falle (Gesanglehrer) handelt es sich um psychischen
Mexscboerz, da eine Menge von psychischen Momenten eine Rolle spielten, so:
Stärke des Gesanges beim Schfiler, seine Entfernung vom Lehrer, ob Letzterer
V5 Gesang selbst auf dem Clavier begleitete oder nicht u. s. w. Während bei
iltnifsDeorosen mit Schmerz bei Ansfibung dieses durch eine Muskelbewegung ent-
ist hier dagegen der Schmerz an das Hören, also an keine Muskelaction ge-
vas gleichfalls bisher qoeh nicht beobachtet ward. Verf. ei^ebt sich noch
a veiler« theoretische Erwägungen interessanter Art Näcke (Hnbertosbuig).
Bopn uns fomui rara di orampo professionale, per Montesano. (Rivista
«tumdicinale di psicologia, psichiatria. 1897.)
Eins 34jäbrige, verheirathete Frau, erblich belastet, die vor 11 Jahren acute
^nirrtbeit nach Fieber gehabt hatte, sich mit Nähen und Stricken das Brot ver-
tnt, zeigt seit 2 Jahren bei diesen Arbeiten Steifheit in den Muskeln, die das
^eterzrbeiten verbieten. Beim Nähen stellte sich ein zeitweiliger Krampf der
I^fztoreD der Hand, mit gleichzeitiger Schwäche des Biceps nnd dann der Ober-
‘‘itaukeln ein, besonders des Deltoideus; beim Stricken hingegen ein Krampf der
f.af«tstreeker and der Addoctoren des Arms, and zwar beiderseits. Sonst zeigte
fiatersuchnng nichts Specielles, nnr dass die Kniereflexe wenig deutlich und die
•''ipiDenreactioD anf Licht träge war. Elektricität brachte etwas Besserung. Schneider¬
nd Sibkrämpfe sind bekannt, Stickkrampf ward nnr einmal bisher beschrieben. Der
^ Fall wies verschiedene Besonderheiten auf. Verf. glaubt, dass die centrale
^Mohe de« Leidens, speciell eine Störung des centralen Coordinationscentrums. am
alle Symptome erklärt. Näcke (Hubertnsborg).
IS) Kne eigenartige Form von progressiver Moskelatrophie bei Gold* *
polirerinnen, von Hermann Gessler. (Württemberg. med.Correspundenzblatt.
1896.)
7erl hat bei zwei Folirerinnen ans den Pforzbeimer Goldfabriken eine vollkommen
D g : 7cd / G OOglC
76
gleichartige Affection der rechten Hand beobachtet. In dem einen, genauer berichtete
Falle bandelt es sich um ein 21jäbriges, 8 Jahre in solchen Fabriken beschäftigt«
kräftiges Mädchen, bei dem vor 1^/, Jahren die beiden letzten Finger der rechte
Hand taub wurden und nicht mehr gestreckt werden konnten. Die rechte Han
wurde cyanotisch; schliesslich war die Hand vollkommen kraftlos, und es entwickelt
sich ein Schwund der Bandmuskeln. Gegenwärtig ist die Streckmuskulatur d<
rechten Vorderarms leicht atrophisch; an der Dorsalseite der Hand springen d:
Sehnen des Ext. digii commun. stark vor. Der abducirte Daumen zeigt Hype]
extension der Endphalangen, der Zeigefinger ist ulnarwärts abgewichen und zeig^ a
seiner Badialseite eine tiefe Grobe an Stelle des atrophischen Interosseos ext. primu
Auch der Mittelfinger ist etwas ulnarwärts gedrängt mit leichter Beugung der Ed<
phalange. Der Bing- und Kleinfinger sind stark abdocirt, ihre Endphalangen star
gebeugt Der Hypothenar ist stark, der Thenar leicht atrophisch. Die Sensibilit;
ist normal. Die Beweglichkeit der Finger ist stark behindert, so dass das Fes'
halten von Gegenständen kaum möglich ist. Bei elektrischer Beizung der Nervei
Stämme reagiren die Handmuskeln nicht. Die Interossei und Lumbricales zeige
totale Entartungsreaction, die Muskeln des Hypothenar galvanische Uebererregbarkei
mit Umkehr der Zuckongsformel bei herabgesetzter faradiseber Erregbarkeit, di
Muskeln ded Thenar Herabsetzung der Erregbarkeit.
Diese progressive Moskelatrophie ist bedingt durch die Besebäftigungweis«
Die Goldpolirerinnen halten Gegenstände an eine rotirende Beinigungsmaschine, wobe
das Handgelenk der rechten Hand hyperextendirt wird, die ersten Fingerphalange
im rechten Winkel gegen die Metacarpi gebeugt werden, die Endphalangen gege
die erste gebeugt sind, der Daumen und kleine Finger abdneirt und opponirt wirc
Es traten also in Tbätigkeit die Extensoren des Handgelenks, Interossei und Lam
bricales, die Muskeln des Thenar und Hypothenar, auf welche Muskelgrnppen auc
die Atrophie beschränkt ist.
Unter regelmässiger Galvanisation, später auch Faradisation des rechten Arm
und der rechten Hand, verbunden mit täglichen Einspritzungen von 5 g Strychni;
trat in beiden Fällen eine wesentliche Besserung ein, wenn auch die Atrophie de
gelähmten Muskeln noch nicht gänzlich gehoben ist.
Verf. will diese Fälle weder der centralen, noch der neuritischen oder myo
pathischen Form der Muskelatrophie zurechnen, sondern einer vierten Form, dere
Ursprung in den intennuscnlären Nerven und in der motorischen Terminalplatte zi
suchen ist. Als charakteristische Symptome dieser Form von Moskelatrophie stell
er auf: Exacte Beschränkung einer weitgehenden Atrophie .auf ganz ' bestimmt
Muskelgroppen, keine Tendenz zum Weiterschreiten, Fehlen objectiv nachweisbare
Sensibilitätsstörungen, normales Verhalten der zu den gelähmten Muskeln gehörende:
Nervenstämme, complette Entartungsreaction der atrophischen Muskeln, rasche Heiluiij
^i sachgemässer Behandlung. Sich selbst Qherlassen, kann der Degenerationsproces
allerdings auf dem Wege der peripheren Nervenbahnen zum Centralorgan vorscfareiteii
M. Bothmann (Berlin).
16) Faraesthesia of tbe external femoral region, by Shaw. Bead betöre th<
Brooklyn Medical Society. (New York Medical Journal. 1897. Nr. 7.)
Verf. berichtet Ober 4 Fälle von Farästhesieen im Bereiche des N. cutaneo.
femoris externus, welche er zum Theil schon vor langen Jahren beobachten konnte
Alle Patienten, darunter zwei Frauen, standen im mittleren Lebensalter. Die An
nähme, dass das Leiden in einer Compression des Nerven durch die Fasele seii
anatomisches Substrat hat, entbehrt der Begründung, ebenso Both’s Hypothese dei
gestörten Venencirculation. Bernhardt’s AuHassong, nach welcher eine degenerativi
Neuritis die Farästhesieen bedingt, erscheint dem Verf. unwahrscheinlich, da dii
Google
77
fyiptMw sdiwioden kÖDnen (ein nicht stichhaltiger Einwand. Bef.). Verf. glaubt,
hs tozuclie Eioflfisse eine ^Ue spielen und auf den prädisponirten Nerven ein-
firkaa Die Behandlung mnse in erster Linie die Beseitigung der eventuell vor*
^esa Dmehe erstreben, daneben sind Elektricität, Gymnastik, warme B&der
jftn Too Nntseo. B. Pfeiffer (Cassel).
17} Kin Fall von Bernhardt-Both*8oher Fsr&sthesie (Paraesthesia n. out.
tei. ezt), von Dr. Julius Donath. (Wiener med. Wochenschr. 1897.
Xr. 25.)
Sd 40 Jahre alter, früher stets gesunder Kaufmann acquirirte vor 7 Jahren
Kavirtiges Leiden, für welches er zwei ätiologische Momente anzufOhren weiss:
asteeUftzQg; zweitens wurde er einmal von einem Frauenzimmer in die Mitte der
Wjflüfbe des rechten Oberschenkels gekniffen und empfand durch mehre Minuten
Schmerz. Eänige Monate darauf begann sein Leiden: Taubsein und Kribbeln
iS in vorderen äusseren Fläche des rechten Oberschenkels, die sich bei längerem
Mifa nod Stehen zn Schmerzen steigern. Doch verlässt ihn auch im Liegen das
Tubbeit^rabl nicht ganz, ln der parästhetischen Zone besteht Hypästbesie für
ü Empfindongsarten (Tast-, Schmerz-, Kälte-, Wärmeempfindung und farado-cutane
wiibilität), besonders stark auf der unteren Hälfte des Gebietes. Ausserdem deut-
^Säväche des rechten Beins, auch objectiv nachweisbar. Sonst nichts Abnormes
& PiL ZQ finden.
SalTanofaradisätion nnd Ichthyoleinreibungen blieben erfolglos.
Wihrecheinlich handelt es sich bei diesem Leiden um eine chronische Neuritis
’x durch seinen oberflächlichen Verlauf mechanischen Schädlichkeiten besonders aus-
'ssoen N. cut. fern exi Huskelaction kann dann die Parästhesieeu leicht zu
steigern. J. Sorgo (Wien).
^ Intomo ad alooni punti della tearia di Bernhardt sulla parestesia
ddla coscia, per Näcke. (Bivista quindicinale di psicologia, psichiatria. 1897.
3.113.)
7arf. glaubt, dass die Parästhesie des N. cutan. ferner, ezt., häufiger ist, als
BI ^aobt, nod dass manche sogenannte Nenralgieen und Rheumatismen nur solche
•'Eiäfimsieeo darstellen oder wenigstens im Anfänge darstellten. Parästbesieen
Brin nor zu oft mit Schmerzen verwechselt, besonders von Ungebildeten. Han
Bsr diejenigen Fälle als Parästhesie hinstellen, wo solche vorwiegend und
>^<1 besteht, dagegen gehören Fälle von blosser Unempfindlichkeit nicht hierher.
^ sacht dann auf die Wichtigkeit des Traumas in der Äetiologie aufmerksam und
'd m anderes, was bisher ganz vernachlässigt wnrde: die hereditäre Beanlagung,
^ ^«falis, wie bei Nenralgieen o. s. w., eine Rolle spielt,. weil sie einen Locus
resisteutiae für den Nerven schafft. Freilich bietet nach dieser Hiusicht
die Anamnese grosse Schwierigkeiten, daher alle Statistiken über Erblichkeit
^ -Ulgnoeineo mehr als unsicher sind. Auf der anderen Seite soll man aber anch
^ Verth der erblichen Belastung nicht überschätzen, am wenigsten die indirecte.
maehi ferner aufmerksam, wie bei allen mehr subjectiven Leiden, so z. B. bei
gerade Selbstbeobachtungen von Aerzten hohen Werth haben, des-
auch für viele psychologische Thatsachen, z. 6. das Trauma. Endlich hebt
^ Wvor, dass bisher nur 2 Fälle von Heilungen obiger Parästhesie bekannt sind:
‘ Fall Köster und 2. sein eigener, der genau 1^/^—1^/, Jahr angedauert hat,
er nr Ergänzung seiner Oberen Mittheilung beifügt. (Autorreferat).
Dig :i^cd cy Google
78
10) Ueber die Akropsrästhesie (BohultBO), von Dr. L. Haäkovec. (Wiener
klin. Rundschau. J897. Nr. 43 — 45.)
Auf Grrnnd eines selbst beobachteten nnd ausführlich mitgetheilten Falles tos
A kropsrästhesie and nach Besprechung der bisherigen Arbeiten Über diesen G^ec-
stand kommt Yerf. zu folgendem Schlussergebnisse:
Es giebt Fälle von Parästhesie nnd Schmerzen der Hände, ev. der Füsse, mit
oder ohne vasomotorische Veränderungen, welche weder von einer organischen Er*
kranknng des Centralnervensystems, noch von einer Neuralgie oder parenchymatösen
Neuritis abgeleitet werden können. Nur in einigen Fällen waren die Nervenstämme
druckempfindlich. Alle Fälle sind chronisch und nicht fortschreitend. Die Ursache
kann in leichten perineuritiachen Veränderungen der peripheren Nerven, in dpn
Wurzeln nnd Ganglien oder in functioneilen Störungen der Hedolla oblougata liegeo.
Die Krankheit tritt am häufigsten um das 40. Lebensjahr auf, Öfter bei Frauen als
bei Männern. Erbliche Belastung und Anämie sind häufig. Als unmittelbares ätio*
logisches Moment wird oft rascher Temperaturwechsel angegeben. Die Prognose ist
in Bezug der Dauer ungünstig. Galvanisation des Nackens, der Plexus brachiaiis
und einzelner Nerven bewährt sich am besten. Auch Franklinisation kann empfobleu
werden. —
In dem mitgetheilten Falle handelte es sich um Farasthesieen und Schmerzen
«esonders im .8. und 4. Finger, die sich Über die ganze Hand erstreckten; massige
Röthung der Haut, leichte Druckschmerzhaftigkeit der Nervenstämme, keine objective
Sensibilitätsstörung nnd intacte elektrische Erregbarkeit der Muskeln und Nerven.
Herpesartiger Ausschlag nach dem ersten Auftreten. Keine hysterischen und neu*
rasthenischen Beschwerden, keine Störungen von Seiten des Centralnervensystems.
J. Sorgo (Wien).
20) Ein Fall von Dermatosis linearis neuropathioa, von K. Leven (Elberfeld).
(Deutsche med. Wochenschr. 1897. Nr. 41.)
Bei dem 16 Monate alten Knaben sieht man an der Hinterseite des linken Beines
einen langen Streifen, der, einwärts vom Trochanter major beginnend, anfangs schmal
ist, nach 4 cm Länge seine grösste Breite erreicht, um sich dann wieder zu ver*
jOngen. Das Band verläuft nach innen unten bis znr Kniebeuge, macht einen kleinen
Bogen nach aussen, läuft dann am Unterschenkel selbst anfangs wieder mehr an dei
inneren Seite, weiterhin gerade in der Mitte nnd endigt anf der Achillessebne ai
der Ferse. Das Band ist donkelrotb, deutlich erhaben, macht den Eindmck, „ah
habe man einen Nervenstamm mit einem Stift auf die Epidermis aufgezeichnet“; di<
Haut zeigt nicht den Charakter der Ichthyosis, macht den Eindruck einer leich
ekzematös erkrankten Hautpartie. Die Affeetion trat nach Aassage der Mutte
6 Wochen post partum anf und entwickelte sich schnell. Verf. nimmt für den vor
liegenden Fall eine Erkrankung der Hautnervenstämme an nnd zwar kämen in Be
tracht der N. entaneos femoris posterior und N. cutaneus post, medius nach He nie
bezw. N. entaneus femoris posterior, N. suralis, N. cutaneus surae extemos un
N. entaneus surae medius nach Heitzmann, bezw. des N. cutanebs post und >
peronens medins nach Hasse. R. Pfeiffer (Cassel).
21) Neurofibromatose outanee aveo xanthome profond du bras droit, pa
X. Delore. (Gazette des böpitaux. 1896.)
Bei einem 33jährigen, hereditär in keiner Weise belasteten Brettschneider b<
standen seit frühester Kindheit zahlreiche Über den grössten Theil des Körpers zei
strente Tumoren in und unter der Haut von Stecknadelkopf* bis Nussgrösse, thei
festsitzend, tbeils gestielt, die meisten von weicher, andere von fibröser Consisten
Dy Google
79
Mache sind durch Drack lam VerschwindeD zu bringen. Seit 2 Jahren hatte sich
tbcrUes — angeblich im Gefolge eines Schlages — an der Innenseite des rechten
Oberarmes eme bis Fanstgrösse herangevachsene schmerzlose Geschwulst entwickelt,
m BormaleT Haut bedeckt und im Centrom fluctnirend. Han vermnthete einen kalten
Abeeass. Bei der Inösion ergab sich ein sobaponeurotischer solider Tumor mit einer
cangdmässigen Höhle, die eine riscöse gelbe Flüssigkeit enthielt Zum Zwecke histo-
hoKber Dntersnchnng wurde auch ein kleiner congenitaler Uanttnrnor der Thorax«
»stirpiri. Derselbe bestand ans fibrösem Bindegewebe, dem kleine Bündel
na Nertenfasem beigemengt waren, and DrOsengewebe, das mit Scbweinsdrüsen voll«
säadig identisch erschien. Die Bildung wurde als Hjdradenoneurofibrom oder ein«
kcker als Teratoma eutaneom bezeichnet Der grosse Tumor hatte ein myxomatösee
Stnea. In seinen dichteren Partieen fanden sich e^enthümliche grosse Zellen, die
aaf dem ersten Blick Ganglienzellen glichen, möglicherweise aber modificirte Zellen des
Fettgevebes waren. ÄnsseHem fielen rnnde Zellen mit grossen Kernen in der Umgebnng
der Gefisse auf. Anch hier handelte es sich nm eine teratologische Bildung.
R. Hatschek (Wien).
tS) VÖTromes gdneralisea. Bdaeotion d’une grande partle des nerf mödian
^ «k cabital. BdtabUssement des fonotlona motrloe et sensitive. Poly-
orehidie, par Pöan. (Gazette des höpitanx. 1897.)
So 25j4hngeT, hereditär in keiner Weise belasteter Patient hatte seit seinem
j 4. Lebeasjahr zahlreiche isolirte, erbsen« bis nussgrosse Tnmoren am Bücken, den
/ EznwBitäten, an der Süme; manche davon hatten sich spontan znrOckgebildet, da«
^«0 andere, insbesondere am linken Arm, an Grösse zugenommen, verursachten da«
sftst heftige nenralpsche Schmerzen. Der grösste (beinahe kindskopfgrosse) Tumor,
der sieh auch durch seine flnetnirende Consistenz von den anderen unterschied, sass
•ab^neorotiseb an der Innenseite des Oberarmes. Bei der Incision desselben ent¬
arte sieh zunächst blutiger Inhalt, man sah dann, dass der cjstische Tumor sich
' z der Dicke des N. medianns entwickelt hatte. Unterhalb und oberhalb ist der
I I. medianos durchsetzt von theils fibrösen, thsils cystischen Tumoren von Kastanien-
:ii OrmngengTösse. Die Nerveosebeiden sämmtlicber Plexnsnerven sind sehr betracht«
xb verdickt. Wiewohl anch im Verlauf der Ulnaris gleiche Tomoren sich zeigten,
Mgnftgte Verf. sich, am den Eingriff nicht zu schwer zu gestalten, mit der Besection
m Medinnns längs des Oberarmes. Schmerzen in Folge des Wachsthnms der Ulnaris*
uaeren machten jedoch eine zweite Operation nöthig, wobei ein sehr langes Stück
im Herren entfernt, ausserdem Tnmoren an der Schulter und am Thorax exstirpirt
ad das SerotniD incidirt wurde, in welchem gleichfalls eine — heftige Schmerzen
owogeode — Geechwnlst sich befand. Es stellte sich heraus, dass es sich um einen
tDwzäbiigen Hoden handelte: an dem gemeinsamen T. deferens sass ein kleines
^enrom, das entfernt wurde. Seitdem ist Pat. schmerzfrei. Einige Woeben nach der
'Jpention begann allmähliche Bestitntio. Trotzdem Ulnaris und Hedianus in einer
iasdehnnng von 25—30 cm resecirt worden waren, stellte sich die Sensibilität voll«
?tiBdig wieder her, desgleichen die Motilität bis anf geringe Beweglichkeitsbeschränknng
im Daumens. Bei histologischer Untersnebnng ergaben sich die Tnmoren als reine
PhrMae, die von den Nervetiscbeiden aasgingen, jedoch keinerlei neugebildete Nerven«
Wn eothielten. B. Hatschek (Wien).
>3) n riflesso mnaoolare provooato dei glutei nella nevralgia isohiatioa,
per C. Hegro. (Bull, del PolicUn. gen. di Torino. II.)
Uebt man bei Ischiaskranken mit dem Finger einen Druck anf den M. glutaeus
ibw der Ine. ischiad. aas, so erfolgt eine technische Contraetion des Muskels. Ebenso
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zieht sich der Muskel in manchen Fällen zusammen, wenn man einen Druck im Ver¬
lauf des Nerv. glut. snp. aosfibt.
Terf. hält diese Contraction für einen Beflex, ausgelCst von den fiberempfind-
lichen Nerven. Bei zweifelhaften Fällen von Ischias hilft diese Erscheinung die Diagnose
bestätigen. Valentin.
24) Ein Fall von ohronisoher Endometritis mit Erscheinungen einer Herz¬
neurose, von Dr. Josef Zamazal, Stadtarzt in Wsetin. (Wiener medic.
Wochenschr. 1897 Nr. 15.)
Eine 34 Jahre alte Frau litt an chronischer Endometritis und stenocardiscben
Anßllen ohne schmerzhafte Sensationen in der Herzgegend. Für die Abhängigkeit
der Neurose von dem Gebärmutteiieiden sprach die regelmässige zeitliche Coincidenz
der AnföUe mit Verschlimmerung der Endometritis während der Behandlung and das
Aufhören derselben mit Beseitigung des pathologischen Processes.
Verf. sucht die Berechtigung der Diagnose Stenocardie trotz fehlender Schnoerzen
dadurch zu begrönden, dass das (üesammtbild und nicht ein einzelnes Symptom ffir
die Diagnose maassgebend sei.
Von der Gebärmutter eine durch Beizung bewirkte reflectorische krampfartige
Zusammenziehung der Coronararterien oder des Herzmuskels ist die Ursache der
Neurose, der Beflexmechanisrnns wird hauptsächlich fOr die nervösen Koliken und die
Gastralgie näher zn erläutern gesncht, ohne dass wesentlich neue Gesichtspunkte ge¬
wonnen würden. Das Gesetz der excentrischen Projection sei zur Erklärung dieser
Zustände unhaltbar. J. Sorgo (Wien).
25) Herzbesohwerdeu der Frauen verursaoht durch den Ck)habitation.8act,
von Prof. Dr. E. Heinrich Kisch in Prag (Marienbad). (Münchener medic.
Wochenschr. 1897. Nr. *23.)
Verf. sab bei Frauen, welche eine Reihe von Jahren hindurch den Coitus reservatus
ausübten, eine Art von Nenrasthenia cordis vasomotoria mit beschleunigter Herzaction,
sehr grossem Angstgefühl, Kopfschmerz, Schwindel, Schwäche der gesammten Körper-
muskulatur und zuweilen syncopeartigen Zufallen eintreteo. Das Herz erweist sich
dabei stets als gesund, ebenso ist an den grossen Gefässen nichts nacbzuweisen.
Auch im Elimacterium kommen ähnliche Herzbeschwerden vor, welche z. Th. durch
Behinderungen der Cohabitation (Schrumpfungsprocesse in der Vagina) bedingt sind.
E. Asch (Frankfurt a./M.).
26) Paralysis of one third nerve ftom haemorrbagio neuritis, with extra-
vasation over the opposite firontal lobe, by G. A. Gibson und W. Aldren
Turner. (Edinbui^h medical Journal. 1897. May.)
11 Monate altes Mädchen kommt zur Aufnahme wegen Brechdurchfall und seit
wenigen Tagen bestehender rechtsseitiger Ptosis. Schon seit 3 Wochen soll Pat.
häoüg einen heftigen Schrei ansgestossen haben. Die Motilität und die Beflexe am
ganzen Körper normal. Es bestand nur rechtsseitige Ptosis, Lähmnng der vom
Oculomotorius versorgten äusseren Augenmnskeln, sowie'Mydriasis der rechten, auf
Licht nicht reagirenden Pupille. Bei der 6 Tage nach der Aufnahme erfolgten
Autopsie fand sich eine ausgedehnte Hämorrhsgie in der Gegend der linken Sylvii’-
schen Spalte, nach vom und oben auf die Stimwindungen, besonders die zweite
fibergreif^end, mikroskopisch erwiesen sich die kleinen Arterien der Binde sehr er¬
weitert, die Blutung indessen nnr oberQäcblicher Art. Die Untersuchung des rechten
N. oculomotorius eigab eine intensive hämorrhagische Neuritis desselben von seinem
Austreten aus dem Himschenkel bis zum Eintritt iu die Orbita, der Eera war normal.
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81
Di« ArtCwwig 4er TerfL, daea die PtosiB s. s. w. tod dieaem Befand# am Narren
abUzig% so maeben ist, besteht zweifellos za Recht, auffallend bleibt indessen, dass
4* tuged^iaU eartieale Blutnni;, falls sie m^t rtwa agenaler UOTkanft ist, gar
taäe ^ptome^ nach nidit solelM allgemeiner Natur, wie Sopor, CeDTulsioaen, ge*
Btät iai. Martin Bloch (Berlin).
iT) Un oe« da nderlte ayatdmatisde motrioe aveo anaaaique, par J. Ddjerine
rt Ch. Mirallid. (Berne de Mddedne. 1897. Janrier. S. 60.)
T^pisehM^ Fall ron acater Folynenritis ron bestimmt infectidsem (Trspnuig.
learieAe Lähmung mit Muskelatrophie an allen rier Extremitäten, besonders an
teBenen. Keine Spur ron Sensibilitätsstömng, keine spontanen ^hmerzen, nur
Dradeapfindiichkeit Herabgesetzte elektrische Erregbarkeit, Fehlen der PateUar*
nhu,Ttchjcardie, kein Fieber. Am Auffallendsten war aber ein starkes diffuses
Oidta aller Extremitäten, welches allmählich unter Auftreten von erheblicher Poly*
Die mäckging. Der Pall endete mit röUiger Oeneeung. — Die Yerff beziehen das
auf eiae Störung rasomotorischer Herren und erinnern an die ähnlichen
Oidme bei der Beri*Beii (Sollte man die Oedeme bei der Polyneuritis nicht ein*
bläu aef eine Alteration der Gefässwände durch die rorauszusetzende toxische
^^UfiekksH beziehen können?) Strtlmpell (Erlangen).
S) Heber asptiaohe Folyneuritla, ron Dr. Hugo Kraus. (Wiener klin. Wochen*
Kkrift. 1897. Nr. 40.)
Gse 26jährige Schuhmacher^ttin wird mit sohmenhafter Schwellung an den
Im- sad Sprun^felenken anfgenommen. Temperatur 36,0^. Oynäkolo^che Unter*
atbssg: Reichlich eitriger Ansflnss, Anflockemng der Vagina, leichte Vergrössemog
bl Ctmis; im Secrete Gonokokken. Einige Stunden nach der Untersuchung Schottel*
^ eintgs Tage später Blutungen ans dem Genitale. Unter fortdaoemdem Fieber
Qi Oeleoksachmenen entwickelt sich das Bild einer Sepsis. Fieber Anfangs remit*
^ mit wiederholten SchOttelfrösten, später nahezu continnirlich; Herpes labialis,
ibeitntas, HämorrhagieeD im Geeicht nnd am Rnmpf, Stonwtitis; Blot bei Cnltur*
mnckot stsriL Vom 30. Tage an beiderseitige Pnenmonie. Vom 60. Tage an
bbufrsL Am 60. Tage rAhmmg beider Unterschenkel, nachdem sie schon einige
^ t\m Schmerzen und Schwäche in den Beinen geklagt hatte. Die Unterso^nng
Beide FOese befindea mh in SpitzfusasteUung, actire Bewegong im Spmng-
fdmke ufgeboben, passire sehr behind^ Bew^ungsAhigkeit der Zehen roUständig
ufiebeben; Moskela der Untmschenkel nnd FOsse schlaff nicht deutlich atrc^hiseh,
Am B ee d io n auf den faradiechen Strom. Dorsum pedis ToUkommen anästhetisch
m Ih« den Mallael. ext, ebenso vordere Hälfte der Fnsseohle; äusserer Fnssrand
^ te SenaibUititasU^nng nicht betroflsn. Ueber dem anäathetisehen Bezirke eine
* bit za den Enieeo reichende hyp^ästbetisdie Zmie. Dmckschmerzbaftigk^ dmr
und KerveDstänuBe der Unterschenkel, heftige spontane Schmerzen beeondmw
* Fersen.
Weiterhin imtwickeU sich dentLkhe Hnskelatrophie, die Herabeetznng der Sen*
■tttit sehraitei gegen den Unterschenkel hinauf fort Ke Beweglichkeit bessert
im weiterem VerlaBfe am ein weniges, die spontanen SchaMisen schwinden nach
sMh. Kai dar Zustand, als Pst die Klinik verliesB.
b am noch erwähnt dass Pat von den zur Zeit der septischen BrscheiDungen
‘‘Midten Mediommentmi weder Na. sali^l., noch Sabl, odmr Antipyrin nnd Sali-
^ vertrag. Anf Antipyrin reagirte sie mit Temperatarsteigeiung, mnimal bis 40 ^
bytkim dar Haut and Schleimliänte.
Ob 4« s^tieebe Proeeai vom gewöhnliohen Fhtereiregem oder Gomokokken her*
6
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Torgerufen war, liess sich hei dem bakteriologisch negativen Blotbefunde nicht ent¬
scheiden.
Yerf. bespricht noch die wenigen in der Litteratnr verCflfentlichten Fälle von
septischer Polyneuritis. Ein Theil derselben ist nnter dem Titel der puerperalen
Polyueuritis verzeichnet
Die Extensität und Intensität der Krankheit ist nach den vorliegenden Beobach¬
tungen verschieden. Es findet sich einseitige und symmetrische Affection, Erkrankung
einer oder aller vier Extremitäten; auch Bnmpfmuskeln, Yagos nnd äussere Augen¬
muskeln können ei^iffen sein. Lähmung der Accommodations- und Qanmenmnskeln
wird nie erwähnt Das mittlere Lebensalter und das weibliche Qescblecht scheinen
bevorzugt zu sein. J. Sorgo (Wien).
29) Ein Versuch Bur Bekämpfung der Berl-Berl von Dr. Eijkmann. (Yirchow’s
Archiv. Bd. CXLIX.)
Yerf. hat, gestützt auf Beobachtungen, die er bei Hühnern gemacht bat (ref.
Centralbl. 1897. 18), auf Java und den benachbarten Inseln Untersuchungen darüber
angestellt, inwieweit die Ernährung mit verschiedenen Beissorten von Einflnss auf
das Entstehen von Beri-Beri sei. Bei einer Statistik, die sich auf eine grosse Reibe
von Jahren nnd auf beinahe 300 000 Sträflinge erstreckte, konnte er feststellen, d*»»
in den Qefangnissen, in welchen der Reis halbgoschält, d. h. noch mit dem sogen.
Silberhäutchen behaftet, genossen wird, die Erkrankungs- bezw. Sterblichkeitsziffer
für Beri-Beri eine verschwindend geringe war im Yergleich zu derjenigen in den
Strafanstalten, in welchen vollkommen geschälter Reis zur Ernährung verwendet wird.
— Mit Recht erblickt Yerf. in dieser Thatsache einen wichtigen Hinweis für eine
rationelle Bekämpfung der Krankheit Lilienfeld (Or.-Lichterfelde).
SO) Endemio multiple neuritis (Beri-Beri), by Bo'ndnrant Read before the
Medical Assomation of Alabama, at Selma. 1897. 20. April. (New-York med.
Journal. 1897. Yol. LXYI. Nr. 21 u. 22.)
Die Mittfaeilnng bezieht sich auf 71 Fälle, welche in den Jahren 1896—1896
xmter den Insassen der Irrenanstalt zu Tuscaloosa (Alabama) zur Beobachtung ge¬
langten. Hauptsächlich wurden Patienten mit psychisch-d^enerativen Formen der
(Geisteskrankheiten befallen: 32 (von 80 im HospiW befindlichen) Epileptiker, ferner
Imbecille, Paranoiker und Kranke mit terminaler Demenz und degenerativen Stig¬
mata, während die Patienten mit acuten oder heilbaren P^chosen, sowie das Anstalts¬
personal verschont blieben. Die Neuritis befiel besonders Männer, weniger die schwarze
Bevölkerung, zeigte aber bei diesen ernsteren (Charakter. Die klinischen Symptom¬
bilder entsprachen im Wesentlichen den bekannten Typen der Beri-Beri, variirten im
Einzelfalle erheblich: bald traten die nervösen Störungen im Bereiche der befallenen
Nerven in den Yordergmnd, bald das Oedem oder die Herzstörungen, in anderen
Fällen erlangten an sich nebensächlichere Symptome (Fieber, gastrointestinale Störungen)
erhöhten, klinischen Ausdruck. Das im Allgemeinen der Schwere der Neuritis parallel
gehende Oedem der Hautdecken war in der Hauptsache vasomotorischer Natur, seltener
die Folge einer Nierenstörung. Yorher sicher constatirte, mildere Formen chronischer
Nephritis wurden durch die Beri-Beri nur in ca. der Hälfte der Fälle vorübergehend
verschlimmert Der Eintritt der Neuritis war plötzlich oder mehr schleichend, die
Krankheitsdauer je nach der Schwere verschieden, die definitive Genesung erfolgte
eft erst nach langer Reconvalescenz (11 Monate und darüber), 21 Patienten starben.
Oft war erhebliche Anämie bemerkbar, ohne dass die Blutuntersnchung dafür Anhalts¬
punkte lieferte; Malaria- oder andere Plasmodien fehlten. Todesursachen waren Herz¬
schwäche in 14 Fällen, Status epilepticus, Pneumonie, Tuberculose bezw. Combinationen
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der gmannten Zustände. — Die Behandlung war im Wesentlichen symptomatisch. —
Baflglkh der Ursache der Beri>Beri>En* bezw. Epidemie glaubt der Autor an eine
btvichelong des Krankheitsstoffes in dem kürzlich eu^edeichten Flusse unter Um*
Süden, die auch das Wachsthum der Halariakeime begünstigten — und Ueber-
mgong durch Ausdünstung oder Gebrauch des Wassers. — Eeinesfalls bandelte es
•dl um Halazianeuritis in diesen Fällen. Beri*Beri ist in den Vereinigten Staaten
idn, wie der Autor an der einschl^igen Litteratnr nachweist. Interessant ist
hn eine Epidemie von Poliomyelitis anterior acuta, die 1894 und 1896 beobachtet
vwde nnd besonders bezüglich der Aetiologie manche Aehnlichkeit mit der Beri*
B«n leigte. B. Pfeiffer (Cassel).
Sl) Feriploral neoritts ooxmeoted with pregnanoy and the poerperal state,
l^Ernest Septinns Reynolds. (Brit.med.Joom. 1897. 16. Oci S. 1080.)
I Zwei Fälle von Schwangerschafts* bezw. Wochenbettneuritis werden genaner be*
seärieben. Der erste der Fälle betrifft eine 24jährige Erstschwangere im 4. Monat,
' Bit heftigem Erbrechen. Künstlicher Abort. Darnach 3 Wochen dauernde Blasen-
^ Bectnmlähmnng, welche 14 Tage anhält und verschwindet Einen Monat später
aSiBählich sich entwickelnde Paraple^e beider Beine, die oberen Extremitäten nor-
ml — Amyotrophie der Beine; keine Flexionscontractnr: Fuss*, Talipes-, Eqoino*
Ttfos. — AUmähiicbe Herstellung unter Zunahme der Muskellänge, aber ForÜaoer der
iaieeontractar in geringem Grade. — Zum zweiten Male Schwangerschaft ohne Er*
kecken und normaler Entbindung. Die Lähmung zwar nicht gänzlich, doch grössten
\ Thals beseitigt.
Der zweite Fall betrifft eine 18jährige Primipara, die bis dahin gesund war.
.Xknmische Fyämie'* nach Operation eines Leberabscesses; Paraplegie: Amyotrophie;
CBiecontrsctoren. Die oberen Extremitäten normaL — Es erfolgte Herstellung, wenn
' ach die Eracbeinungen nicht spurlos verschwanden, einige Fuss* und Zehensteiüg*
i ist das Geben beeinflusste, aber nicht mehr hinderte.
j L. Lehmann I (Oeynhausen).
SS) Ueber Keuritia pnerperslis, von Dr. Alfred Saenger. (Mittbeilungen aus
den Hambuigischen Staatskrankenanstalten. 1897.)
Mach eingehende Würdigung der einschl^gen Litteratnr theilt Terf. 6 selbst*
heobaehtete Fälle von puerperale Neuritis mit.
In den drei ersten Fällen handelte es sich um multiple Neuritis, die einmal
sater dem Bilde der acuten aufsteigenden Paralyse durch Atbemläbmung zum Tode
ährte. Im ersten Falle bestanden auch Schlingstörungen, Mastdarmlähmui^ und
Hyperämie der Papillen. Die ersten Erscheinungen in Form von Schmerzen und
Partetbeaieen waren schon in der Gravidität anfgetreten. Im dritten Falle waren
dtSrungen von Seiten der Himnerven nicht vorhanden.
Im vierten Falle handelt es sich am eine ieolirte linksseitige Neuritis n. nlnaris
« «MdUni, im fünften nm doppelseitige, erst rechts, dann links auftretende Badialis-
od Medianoslähmnng. Im ersteren der beiden letztgenannten Fälle bestanden Par*
ifihesieeii der Hände schon in der Gravidität.
Im sechsten Falle endlich beflel der neuritiscbe Process nur die Sehnerven in
IwB einer Neoritis retrobnlbaris, die in wenigen Tagen za totaler Amaurose geführt
ktte and langsam sich besserte.
Was die Ursache der pnerperalen Nenritis betrifft, so möchte sich Yerf. mit
der Beeerve dahin ansspreehen, dass dieselbe schon in der Gravidität vorhanden sei;
haftr sprechen die Tbatsachen, dass die Vorboten häufig schon in der Schwanger-
afceft beobachtet werden. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um toxische Momente,
6 *
vGoogIc
84
wenn nan aacb Do«b nicht berechtig ist, von einem bestimmten, epedfiedi wirkendei
^Ae in sprechen. Dabei mnee die Krankheitsarsnche aber in physiologischen Vor
gingen an soeken sein, da die Blebrzahl dar Fälle normnk Scbwangersehaftai bexw
Poerperieen betrifA. Ifartin Bloch (Berün).
Psychiatrie.
33) Retrograd Amneei öfter Suspeneion, af Dr. Knud Pontoppidan. (Hosp.*
Tid. 1896. 4. E. IV. 50.)
Ein 66 Jahre alter Mann mit erblicher psychischer Belastong, hatte nnter den
Drache von Soi^n and Scbwermnth echon längere Zeit Selbetmordgedanhen gehegt
E^es Moigens stand er zeitig snf, nnd seine Frau war Zenge daron, dass er ix
halb hnieender Stellnng sich eine dfinne Schnnr nm den Hals legte, doeh so, dass
or zwischen den Hals nnd die Schlinge ein paar Lappen einschob. Es rergiogeii
etwa 2 Hianten, ehe der Erhängte abgeschmtten wurde. Im Kranhoibanse, wohiii
gebracht worden war, lag o* etwa 24 Stunden ohne Bewnsstsein, nnd ebenso lange
war der Kopf oberhalb der Strangmarhe cyanotisch, dann trat eine Periode ron
Unruhe nnd Agitation anf, die etwa 2 Stunden daoerte, woranf Fat. in Schlaf verfiel.
Ans dem Schlafe erwachte er mit vollem Bewusstsein, aber seine Erinnemng reidite
nur bis zu dem Abende vor dem Selbstmordversnche. Er erinnerte sich, zu Bett
gegangen zn sein, fär Alles, was direct vor dem Selbetmordversncbe und bis zu
seinem Erwachen ans dem ScÜafe im Erankenhause mit ihm votgegangen war, fohlte
ihm die Erinnernng noch mehr als 1 Jahr nach dem Vorfälle. — Die Amnesie beruht
nach Verf. in der Regel anf rein mechanischen Verhältnissen, ln dem vorliegoideu
Falle war» alle Zeichen einer mächtigen Hyperämie vorhaxulen, die durch dii
A^hyzie und die Compression der Carotid» hervoigerufon war. — Im Anschluss
au diesen Fall theilt Verf. ein» andern mit, in dem bei einem 54 Jahre altan Mann
retrograde Amnesie als Folge eines Schädelbroches saftrat, und erinnert an das Auf*
treten von Amnesie nach epileptischen Anf&llen, bei Vergiftungen, bei acuten In«
fectionskrankheiten und bei Hysterie. — Nach dem Selbstmordversuche war bei den
znerst O’Wähnt» Pat. eine partielle Paralyse des N. aecessorins nnd von Zweigen
des PlezuB cervLcalis in Folge von Beschädigung dnrch den Druck der Schlinge
beobachtet worden. Dass auch andere Norvenstämme auf diese Weise beschädigt
werden können, beweist ein vom Verf. scbliasslich noch mitgetheilter Fall, in den
bm einon 61 Jahre alt» Hann eine Paralyse des N. axillaris nach Selbstm(»iiveraocli
durch Erhängen auftrat. Walter Berger (Leipzig).
Therapie.
34) De l'emploi du bawznd de o<^bii. dans les aoUtiquee reb^ea, pai
Dr. QUrieuz. (PoUcliaique de Bruxelles. 1897. 15. März. Nr. 6.)
In 3 sehr hartnäckigen nnd aBen therapeutischen Maassnabm» trotzend»
Fällen von Ischias hat Verf. mit der von Marsh znerst empfohlenen Anweodnng
des Copalvabalsams (40—60 TTopf» pro die in Oblaten, mehr»e Wochen bis
M»ate hindurch) gute, zum Tbeil flberrascbeud gute Erfolge geseb», £e monate¬
lang anhielten. Er büt die diuretische Wirkung des Balsams fOr das Wesentliefaste
und räth zur Naefaprfifang. Toby Cohn (Berlin).
Dig'|i/cd Dy Google
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HL Aas den Gesellschaften.
Verelii Ar ixmere Uedloin sa Berlin..
SitzoDg TOm 31. Hai 1897.
(Deoteche med. Wocbenscfar. 1897. Nr. 25. VereinabeUage Nr. 17.)
Iroa: Zar laehre Ton den AilMitapereaen «n den unteren Extreml-
Skn. (Der Yortng eoU in der Deotsehen mediciaischen Wocbensohrift veröffenüicht
mda.)
ln der Discnssion bemerkt Bernhardt, dass er derartige Lähmongen eben-
fiik bec^tiditet hat bei Asphaltarbeitem z. B. oder bei Bohrlegem, die in lang hin-
Gr&bem knieend arbeiteten. Es kommen sodann Peroneusl&bmnngen ohne
I sekedare ftoseere Yeranlassang vor: in einem Theil der F&Ue ei^ebt die genanere
I I^itafUidiiiDg eine B&ckenmarksaffection, speciell Tabes, in anderen bleibt die Drsache
/ der rihTniing anklar.
/ Eron hat sich in solchen Fällen immer mit der Annahme von Neuritiden
' dnBaäschen bezv. toxischen oder infectiOsen Ursprungs helfen zu mäsaen g^lanbt.
Gerhardt beobachtete bei einem Bäckei^eaellen eine Schlaflähmung des Peroneus:
Da Pxt. gab bestimmt an, er lag in tiefem Schlafe, das rechte Bein über das linke
ctiegt, nad als er erwachte, war das linke Bein tanb, es bestand an^esprochene
PsoaeaUhoiimg. G. hat mehrfach derartige, in gestreckter Stellung entstandene
. iStrecklälunnngen“ geeeben. B. Pfeiffer (Cassel).
Aeizilioher Verein >a Hamburg.
Sitzung vom 29. Juni 1897.
(Deotaefae med. Wochenschr. 1897. Nr. 48. Yeremsbeilage Nr. 31.)
Sick stellt einen Mann vor, bei dem eine Beaeotlon des N. radiaUs mit
b f tJ g forgenommen wurde.
Bei einem Arbeiter trat nach einer Quetschung eine Lähmung des linken
X. radialis anf; Fat wurde längere Zeit ohne Erfolg elektricirt, dann dem Kranken-
haaee hberwieeen. Der freigel^te Nerv erwies sich in starre Narbenmassen ein-
und zeigt nach Entfemnng derselben an einer Stelle eine Yerdickung, peri-
^bsT' und eentralwärts davon eine verdflnnte Partie. Naht der Wunde, primäre
B^ung, aonehmends Degenerationserscheinnngen der vom Badialis versorgten Gebiete
^ektrischer Behandlung. Nach nochmaliger Freilegnng des Nerven, Excision
eines &ber 3 cm langen Stückes, Yereinigung der gedehnten Enden, glatte
Yndh^ang. — Allmähliche Besserung, Status bei der Entlassung: die Motilität
M gan« gnt, nur eine geringe Schwäche im Abductor poUicis longus vorhanden,
tams trophiseben Störungen, keine SensibiUtätsstörongen, nur quantitative Herab-
"Tvng dOT elektrisehett Erregbarkeit B. Pfeiffer (Cassel).
28. Twraammlmig der sfidwestdeutacheu Irrenftrafee in Karlsruhe
am 6. und 7. ITovember 1887.
(Schlaaa.)
II. Sitzung, 7. Novemb«', vorm. 9 Uhr.
TMuitzender Professor Eräpelin.
Auf Anr^uDg Prof. Kräpelins, die nächsigäluige Ywsamntiang in taner kren-
—abznhalten, damit Krankenmateri^ für kUnisebe Demonstrationen zur Ter-
■' Google
86
stehe, wird anf Vorschlag Director Erenser's als VersammlQDgsort fflr 1898
Heidelberg gewählt.
An die durch Eraokheit am Erscheinen verhinderten Herren Geheimrath Ludwig
and Geheimrath Schäle, werden Telegramme gesendet
Da der I. Referent Schäle, verhindert ist erstattet Aschaffenberg sogleich
das Korreferat äber die Katatonie.
Kahlbaam war bei der Anfstellnng seiner Katatonie von dem Krankbeits*
bilde der Helancholia attonita ansgegangen, in deren Beginne sich oft epilepti-
forme oder andere krampfhafte Zustände zeigen. Später bilden eich dauernde ^mpf-
artige Zastände (flexibilitas cerea) heraus, eine pathetische Exstase und Verbigeratioi
(Sprechen in Form der Bede mit häufiger Wiederholung derselben Worte). Di(
Psychose verläuft in Stodien, Melancholie, Manie, Attonität Verwirrtheit und Terminal'
blödsinn oder Genesung, von denen aber nicht alle SUdien verkommen mässen
Wegen der grossen Rolle, die die motorischen Erscheinungen (epileptiforme odei
choreaartige Anfalle, tonische oder klonische Krämpfe, katalepsieartige fleubilitaf
cerea, negative Willensbewegungen, Haltungs- und Bewegungsstereotypen, Mutacismui
und Nabrungsverweigerong) innerhalb eines einheitlichen Krankheitscomplexes spielen
nannte Vortr. diese Psychose, da er einen Spannungszustand der Muskulatur ode
vielmehr der Nerven voraussetzte, Spannungsirresein oder Vesania katatonica
Das Krankheitsbild wurde verbessert und vertieft besonders durch Hecker
Brosius und Keisser, endlich durch Kräpelin, der sich in seiner Anschauuni
von der ni^nstigen Prognose an Brosius anschloss.
Diesen Anhängern der Ansicht, dass die Katatonie ein selbständige
Krankheitsprocess sei, stehen die zahlreichen anderen Autoren gegenäber, di
in ihr nur eine Verlaufsart der anderen Psychosen erblicken. Unter diesen ht
zuletzt Schäle sich bemäht, die motorischen Symptome zu zerlegen; er glaubt, da£
ihre genetische Differenz auf wirkliche innere Verschiedenheiten hinweise.
Das katatonische Zustandsbild kommt nach ihm vor als Episode bei acuter, sul
acuter und chronischer Paranoia, bei Stuporzuständen, gewissen Manieen, circnlärei
Stupor und Melancholie; das Bild beherrschend bei Hysterie, primärer, oft heb<
phrener Demenz und periodisch^circulärer Degenerationspsychose. Der Eatatonii
begriff ist nach Schäle „aufgelöst und unter die anderen Gruppen vertheilt'*.
Vortr. hält die genetische Verschiedenheit der motorischen Symptome für unbi
wiesen und constmirt, den Nachweis von Wahnideeen, depressiven Vorstellungen u.s.^
während des Attonitätszastandes für unmöglich, nebenbei auch für nebensächlich. 1
Folge dessen ist in dieser Phase der Erkrankung eine genaue Diagnose und Prognoi
fär die Anhänger der Schäle’schen Auffassung nicht möglich. Nach der von ih
getheilten Aufbssung Kahlbanm’s in der Erweiterung Kräpelin's aber, die i
der Katatonie einen einheitlichen Krankheitsprocess sieht, ist zweierlei mit Bestimm
heit zu erwarten:
1. ein charakteristischer, katatonischer Weiterverlauf.
2. ein Ausgang in specifisch gefärbte Demenz.
Diese ist gekennzeichnet in den schwersten Fällen durch völlige Stumpfheit, stunde
langes Wiederholen der gleichen Bewegunga- und Haltungsstereotypen, Negativismu
in leichteren durch Interesselosigkeit, vereinzelte Wahnideeen oder Sinnestänschunge
Andeutungen von Katalepsie, vor allem aber durch e^enthämliche Absurditäten, Tii
(Ess-, Schreib-, Sprechmanieren, sonderbare Bewegungen, unerklärliche Handlange!
Die endgültige Störung zeigt sich, selbstverständlich in verschiedenster Ausbildui
und Combination, vor allem in den Handlangen, dem Wollen der Kranken, das eint
seits leicht beeinflussbar ist (Katalepsie, Ecbolalie, Echoprascie), andererseits jed
Lenkung vriderstrebt (Negativismus, Mutacismus, Nahrungsverweigerung), endlich
Googli
87
den Sonderbaikeiten eigenartige Seitenwege einschl> dann gehört nach noch die
nngdode Energie und die leichte Aoslösbarkeit heftiger Explosionen bei nicht-
eiftliten Wünschen.
Zaweilen entwickeln sich katatonische Erscheinongen erst, nachdem schon jabre-
lug eine Yerblödnng eingetreten ist Dies sind Fälle, die Hecker’s Uebepbrenie
ntgehören. Die Hebephrenie ist eine Erkrankung des jogendlichen Alters, die unter
Wechsel der Zustandsformen in einen eigenthümlichen Schwächezustand ansgeht, der
iorch Interesselosigkeit, unmotirirte sonderbare Handlungen, läppisches Wesen, Im-
pelärität und eine charakteristische Sprech- und Schreibweise sich auszeichnet. Dieser
Endzustand ist mit dem nach Katatonie sich entwickelnden identisch.
Tortr. hat yersncht bei 227 Fällen (118 Männern und 109 Frauen) die Hebe*
phrtaien von den Katatonischen zu scheiden. Diese Trennung war aber nicht dnrch-
flthihar. Aach die von Kräpelin angegebenen Unterschiede in der Betheiligui^
d« Geschlechter, des Alters, der Häufigkeit epileptischer Außlle und Bemissioueo
wvieeen sich als nicht stichhaltig. Deshalb ist Vortr. der Ansicht, dass die Hebe-
pkreuie und Katatonie einen einheitlichen Erankheitsprocess darstelleu,
veßr aneh die fast stets sich zeigenden katatonischen Züge im Endstadium sprechen.
Für diese Krankheitsform hält er die Bezeichnung Dementia praecox für die
pneeudste, da sie nur die Tbatsache eines sich vorzeitig entwickelnden Schwachsinns
athilt, keinen Hinweis auf den uns unbekannten Einfluss der Pubertät wie Hebe-
phr^de noch auf hypothetische Spannnngszustände in Kerv und Muskeln wie Katatonie.
Die Differentialdif^^l 08 e zwischen Dementia praecox und Imbecilliiät, Paralyse
■nd besonders dem circularen Irr^in wird eingehend besprochen.
Tortr. betont schliesslich, dass die Auffassung der Dementia praecox als eines
eaheiüichen Krankheitsprocesses vor der durch Schüle vertretenen den Vorzug ver¬
diene, da sie uns eine zuverlässige Prognose erlaube. Im einzelnen Falle sei es
zQerdings jetzt noch nicht möglich, den Orad des bestimmt zn erwartenden Schwach-
sinses vorherzusagen. So lange noch sctive Aufmerksamkeit vorhanden sei, seien
BemissioDen möglich, und je acuter der Process einsetze um so wahrscheinlicher eine
Sfiekbildiing. Aber hier sei noch viel zu thun; es müsse erstrebt werden, nicht nur
jedoi Fall frühzeitig als Dementia praecox erkennen zu können, sondern auch die
besondere Prognose des einzelnen Falles. Dies sei aber nnr erreichbar durch Ter-
tiefong der ^gemeinen Symptomatologie and Sammlung und Tei^leichnng guter
Beebaehtnogen.
Bien 1er (Bhelnau) bat schon seit 10 Jahren die Katatonie mit der viel selteneren
ea&chen Hebephrenie als eine einheitliche Psychose anfgefasst. Unter seinen 720
Kranken fand er 134 ganz sichere Eatatonieen. Von weiteren 80 Kranken, die an
ähnlichen Terblödangszostanden leiden, die aber keine der eigentlich katatonischen
Symptome zur Zeit zeigen, gehört mindestens die Hälfte noch zur Katatonie, so dass
also etwa ein Drittel des Krankenbestandes in Bheinan (Pflegeanstaltl) Eatatoniker sind.
Unter den psychischen Symptomen hebt er die sexnellen Ansschweifangen, den
Sfersnehtswahn, die religiöse Färbung der Wabnideeen, Hallncinationen des Gemein-
gefühlee, Selbstmordversuche, häufige nnmotivirte Gewaltthätigkeit und absurde Hand¬
langen hervor. Er hält die Onanie als Krankheitsursache für fraglich. Unter den
Mkperlicben Symptomen erwähnt er die Neigung zu Oedemen, Speichelfinss, Kopf-
•ekmen und epileptiforme AnfiUle.
Unter fünf sogenannten Spätheilungen, die er aber nicht als wirkliche Heilungen
betncbten könne, waren vier typische Eatatonieen, die fünfte wahrscheinlich auch.
NegativUmas bei Epileptischen und Paralytischen lässt sich anscheinend wohl von
den bei Katatonischen unterscheiden, ebenso die Stereotypie, während diese bei
Idioten der der Katatonischen sehr ähnlich ist.
Auch nuter den angeblich periodischen Kranken fand Tortr. in allen Fällen, in
dnm stereo^pe Bewingen and auffallende Manierirtheit vorhanden war, dass sich
:,Googlc
~ 88
die Feriodkität erst spftter entwickelt habe, w&hrend 4er Beginn der firkraaknng
mr den einer Katatonie entspricht Bei einer senil Dementen, die anfEailende
Mimik beim Grüssen zeigte, ist wahrscheinlich früher eine Katatonie ?eranfgegangmL
Bei anderen Kranken hat Vortr. bis jetzt nie katatoniererd&chtige Symptome gefonden.
Sommer: weist anf die Schwierigkeit der Differenzialdiagnose der Katatonie
g^n Epilepsie und Yerwirrtheit hin.
Ereaser: bezweifelt die Identität der von dem Vortragenden geschildertoi
Dementia praecox, als Verblödangspsychose, mit der Eahlbanm’schen Katatonie,
mit vorwiegend günstiger Prognose. Er neigt sich mehr der Aaffassnng Schfile's
20 , dass die katatonischen Symptome onwesentlich seien.
Torster: hat bei Katatonikem zwar sexoelle Erregung, aber nie Friapismos
gesehen.
Kräpelin: weist auf die Analere mit der Paralyse hin in Bezug auf die Ver¬
schiedenartigkeit der Symptomencomplexe, die Bemiasionsfth^keit, die Gleichartigkeit
der Prognose. Er betont einige Punkte, die anf einen innigen Zusammenhang mit
dem Geschlechtsleben sebliessen lassen. Schwierig sei die Specialprc^ose des ein¬
zelnen Falle. Die grosse Mei^e der in diese Groppe gehörigen Kranken sei be¬
denklich, doch sei die principielle Zusammengehörigkeit nicht zu bezweifeln. Er
hofft, dass die weitere Forschung die Anhaltspunkte für eine Zerlegung der Dementia
praecox in kleinere Groppen geben werde, ebenso wie bei der Paralyse.
Das Schlusswort ertiält der 11. Beferent Aschaffenburg.
Aschaffenburg (Schlusswort) bedauert im Interesse der Klärung der Kata¬
toniefrage, dass nicht mehr Gegner der von ihm vertretenen Ansicht das Wort er¬
griffen haben. Dass sich mit diesen Anschauungen klinisch arbeiten lässt, hat
Bleuler durch seinen Beitrag zur Discussion in schönster Weise bestätigt. Vortr.
geht auf einzelne der Fragen, die Sommer, Bleuler, Vorster, berührt haben,
näher ein. Die Äetiologie hat Vortr. bei Seite gelassen, um sein Beferat nicht durch
Hypothesen zu belasten. Er erwähnt, dass ihm Mastortmtion nur als Symptom, nidit
als Ursache der Krankheit begegnet sei. Wiederholt brach die Erkrankung im Ge-
ßngDiss ans und zeigte dann das den meisten im GeHtogniss entstehenden Psychosen
gemeinsame Verwiegen von Gehörstänschungen. Im weiteren Verlaufe wich das
Krankheitshild nicht von den gewöhnlichen Erscheinongsformen der Dementia praecox ab.
Der Einwand, dass die Verschiedenheit der Prognose bei Kahlbaom auf eine
Verschiedenheit des Erkranknngsprocesses hinweise, ist nicht stichhaltig. Auch
Kahlbaum’s und Neisser's FäÜe haben meist den Ausgang in geistige Schwäche
genommen.
Vortr. weist an der Hand eines Falles unter vielen nach, nm wie viel genauer
die von ihm vorgetragenen Anschauungen den wirklichen Verhältnissen entsprechen,
als die landläufige Methode der schematisirten Beuennnng. Die Kothwendigkeit, in
jedem Falle eine Prognose zu stellen, sichert den Fortschritt, da sowohl das Ein¬
treffen des erwarteten Ausganges, wie das Nichteintreffen belehrend wirken muss.
Zu Geschäftsführern für das Jahr 1898 werden gewählt: Prof. Sommer
(Giessen), Director Hardt (Emmendiugen).
Als Themata für 1898 werden bestimmt:
I. ITeber periodische Psyohosezi.
Beferenten: 1. Privatdoceot Dr. Missl (Heidelberg), 2. Prof. v. Speyr (Bern).
II. Irrengesetsgebimg.
Beferenten: 1. Prof. Smminghan8(Freibnrg), 2. Prof, des Strafrechts v. Lilien-
thal (Heidelbei^).
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89
Vortrft^:
NisbI CHmdetberg): Psyoliiatrle and Hirnanatoxnle.
Die Anatomie der nerrösen Centralorgane ist ein Thell der anatomisclien Wissen*
KbifUxL Der Irrenarzt verfolgt zwar mit grossem Interesse die Entwickelung nnd
fii Fortsduitte dieses m&cbtigen Zweiges der anatomischen Wissenschaften; die
tonekniig aber auf diesem Qebiete soll er dem Anatomen Qberlassen. Nach dem
kstigea Stande des Wissens ist die Beobaditnng am Krankenbette die Haoptqnelle
Sr die Ekkenntniss des Irreseins. Im Interesse des Fortschritts nnd der Entwickelung
im Psydiiatrie liegt es dahsTt diese Beobachtung m^^lichst zu verfeinern und ihr
an» HflUsmittel znanRihren. Es ist unvemQnftig, bimanatomische Probleme zu be-
«bcäen, über deren Beziehungen zu der Lehre ven den Geisteskrankheiten wir
zteolat nichts wissen, während andererseits wohl die naheliegendsten nnd wichtigsten
Fiagm der klinischen Psychiatrie unbeantwortet sind.
Anders als die anatomische Forschung ist die pathologisch-anatomische Forschung
a beortheilen. Fdr den Irrenarzt kommt in erster Linie die pathologische Anatomie
der Kndenflfkrankungen in Betracht Abgesehen davon, dass dem pathologischmi
ihclianatoiDen derartige Specialprobleme an sieb schon ferne liegen, mangelt ihm
aeb gänzlich die Kenntniss der besonderen Bed&rhiisse. Da diese nnr der Irrenarzt
besitzt, muss er schon sich die pathologische Anatomie der Bindenerkrankungen
■Ihst schaffen. Ohne eine genaue Kenntniss des Bindenbaues ist jedoch eine patho-
iogisehe Anatomie der Bindenerkrankungen ein Unding. Insofern muss sich der Irren¬
arzt asch eins genaue Kenntniss des Bindenbanes erwerben.
Derjenige, der glaubt er sei im Stande, lediglich auf Grund von ansgedehnten
lathok^isch-anatomlschen Untersnehnngen von Hirnrinden Geisteskranker diejenigen
pathologisch-anatomischen Krankheitsprocesse ableiten zn können, welche den ver-
aeliiedenen Irrsinnsformen zn Grunde liegen, hat entweder noch nie Hirnrinden
fiwnknkrnTikfir nntersneht, oder er beherrscht weder die Technik noch die für die
BeartheUnog dies« Fragen nöthigen Kenntnisse. Der Weg, der zu einer patbolo-
giichen Anatomie der Bindenerkrankungen führt, verläuft in diametral entgegen-
pgfrrtfir Bichtang. Bei dem heutigen Stande des Wissens muss die klinisch Psychia¬
trie^ Cntersnehung der pathologisch anatomischen Untersuchung den Weg dadurch
gmhaet haben, dass der letzteren ein wohlgeordnetes, sicher diagnosticirtes Material
ar Terfhgnng gestellt wird.
Toreter (Stephansfeld): Ueber einen Fall von optinoher and taottler
Apb—ie.
Terta. weist anf das seltene Vorkommen der Fälle von taetUer Aphasie bin nnd
besehrelbt eine eins^ilägige Beobachinng. Es handelt sich dabei um eine 74jäbrige
ah» Fran, die an poiodtscher Helancbolie litt. Bei dieser kat eine rechtsseitige
nemiparoee, Hemianästaeeie und Hemiopie auf, ferner Agrapbie und verbale Alexie.
I« lanfe mniger Tage schwanden die motorischen Störungen, an Stelle der Heniati-
iathama stallte Mh Hemihyperästhesie ein. Zngleieb werden Sprachstörungen im
d« optischen und tactileu Aphasie bemerkt Die Kranke erkannte alle Gegm-
Mäade, konnte jedoch mehrere weder bei optischer, noch bei tactiler Wahmebmung
Bai der Section fanden sidi in der linken Gros^imhemispfaäre zwei Erweiehnngs-
krde, der eine im Gebiet der Art. profunda cerebri, der andere im Marklager des
Gyr. marginalis.
Yortr. geht kurz auf die optische Aphasie ein und weist darauf hin, dass die
BeaehreiboDg der Krankheitsbäder von Freund zur Zeit nicht mehr als völlig zu-
tnffcDd erachtet werden können, indem cerebrale Sebstörnngen, die nach Freund
am klinischen Bilde der optischen Aphasie gehören, gelegentlich auch fehlen können.
Ueö« die tectile Aphasie bat Vortr. 8 Fälle in der Litterator gesammelt, in
aUcB bestand zugleich optische Aphasie. Eine isolirte Zerstörung der acostisch tactUen
Dig i'/cd Zj Google
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Bahn wird seiner Annahme nach zur Folge haben, dass die Benennnng von einfachen
Empfindungen gestört bezw. aufgehoben ist, während die Benennung von tactU-
stereognostiscben Wahrnehmungen erhalten sein kann.
Vortr. hält es für wahrscheinlich, dass im yorstehenden Falle die tactile Aphasie
auf den Herd im Marklager des linken Ojrus mai^inalis zurfickzu fflhren sei.
Thomann (Fnssbach): Ueber IxrenfiirBorge in Kreispflegeanatalten.
Vortr. wurde durch ein Rundschreiben des Grossh. badischen Ministeriums des
Innern, welches auf die Nothwendigkeit der Evacuation geeigneter Pfieglinge aus den
Irrenanstalten, bei der dauernden Ueberffillung der ersteren, binwies, zu seinen Fest¬
stellungen veranlasst Er hält es ffir wesentlich, ob die Ereispfiegeanstalten nur
Torflbergehend, während der Insufficienz der staatlichen Irrenanstalten, ffir die
Irrenffirsorge in stärkerem Grade, als es schon bisher der Fall war, herangezogen
werden sollen, oder ob sie dauernd als Entlastungsventile dienen sollen. In jenem
Falle mfisste man sich zu behelfen suchen; in diesem wären umfangreiche Aende-
rungen nothwendig, bei einigen Kreispflegeanstalten mehr, bei anderen weniger.
Vortr. betont insbesondere Folgendes: Der Arzt mfisse unbedingt im Hause wohnen;
das Pflegepersonal mfisste an Zahl und Güte verbessert werden; geschlossene Ab-
tbeilungen mfissten eingerichtet werden, vor Allem damit eine Trennung der Ge¬
schlechter dnrchffihrbar werden. Das Zusammeuleben von geistig und körperlich
Kranken mache den Aufenthalt ffir beide Kategorieen zu einer Pl^e und discreditire
die Kreispflegeanstalten beim unteren Volke Oberhaupt Bei der bisherigen relativ
geringen Zahl von Geisteskranken in diesen Anstalten habe sich durch geeignete
Placirung der Zustand noch erträglich gestalten lassen. Sollten aber die Kreispflege-
anstalten mehr zur Irrenffirso^e herangezogen werden, so seien umfangreiche und
kostspielige Neubauten nothwendig. Vortr. weist ferner darauf hin, dass sich nnr
wenige Arten von Kranken ffir die Ereispflegeanstalten eigneten, und wfinscht vor
der Ueberffihrung aus den Irrenanstalten die betreffenden Acten fiberwiesen zu haben,
damit sich der Leiter der Kreispfiegeanstalt ein ürtbeil über die Eignung des Kranken
bilden könne. Er möchte ferner die RQckverbringung des Pfleglings io die Irren¬
anstalt möglichst erleichtert sehen. Er motivirt dieses Verlangen unter Anderem damit,
dass es bei plötzlicher Nahrungsverweigerung eines Kranken nöthig geworden sei, ihn
durch einen Wärter mit der Scblundsonde füttern zu lassen, da der Arzt eine Stunde
von der Anstalt entfernt wohnte. Er verlangt schliesslich besondere Irrenabtheilungen
innerhalb der Pflegeanstalten.
Discussion.
Eschle (Director der Kreispfiegeanstalt Hob) bezeichnete unreine, zerstörungs-
sfichtige Kranke, sowie Vt^bunden als ungeeignet ffir Kreispfiegeanstalten.
Kreuser betont die Nothwendigkeit, Geisteskranke, ^otz der erwachsenden
Kosten, in Irrenanstalten zn verpflegen, nachdem andersartige Versuche kein brancli-
bares Resultat ergeben.
Biberbach theilt mit, dass die Siechenanstalt Heidesheim keine Geisteskranken
mehr aufnebme, da sie sie nicht vor Misshandlung durch die anderen Kranken
schützen könne.
Kräpelin frent sich, ans dem Vortrage die volle Bestätigung seiner Ansichten
entnehmen zn können. Er wunt vor der Entwickelung einer „Winkelpsychiatrie".
III. Sitzung, 7. November, Nachm. 3 ühr.
Smith (Harbach): Ueber eine nach Aetiologie, klinischem Verlauf nnd
Prognose genau abzugrenzende, als „alkohologene, oardisle Epilepsie" siolx
ohsrakterisirende Gruppe epileptiformer Zustände.
Vortr. hat nach der Bianchi'schen Frictionsmethode mit dem Phonendoskop
ig :./cd
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BffrantersachTm^eo aD Alkoholepileptikem gemacht Unter den mit Herzerweiterung
aalk^ebesden F^en von ÄlkobolepUepsie stellte er zwei Gruppen fest: in der ersten
gdvindoi die epileptischen Grscheinnngeo mit der Heilung der Herzerweiterung; in
der zweiten treten nach anf&nglicher Heilung später wieder Anfälle von Eerzrer*
pteserang, veigeeeUschaftet mit psychischen Depressionserscbeinungen, auf. Tortr.
flieht die Differentialdii^ose g^en genuine Epilepsie, circuläres Irresein und
Patljse. Therapeutisch empfiehlt er Totalabstinenz, systematische Bewegung, Trional.
Sonmer (Giessen): Die Diagnose einiger Nerven- und Geisteskrankheiten
t» motorischen Symptomen.
Votr. demonstrirt eine Anzahl von Curven, welche mit den ron ihm in den
kbno Jahren constmirten Apparaten aufgenommen sind. Dieselben beziehen sich
uf he Differentialdiagnose zwischen organischen Affectionen der Fyramidenseiten-
strüge und Hysterie, sowie auf die Frühdiagnose des Paralysis agiUns, sowie auf
aAiiseh« Symptome larvirter Epilepsie und in den anfallsfreieu Zeiten der Epilepsie.
?wtr. weist besonders auf die Anwendung dieser Methoden in einigen Criminalfällen
liin. AnsfOhrlidie Pnblication soll später erfolgen.
Beyer (Heidelberg): Ueber Delirien nach Atropinvergiftung.
Tortr. schildert einen solchen Fall bei einem 57jährigen Manne, den er in der
pijehiatnseben Klinik zn Strassbarg beobachtet bat. Der Yerlanf entsprach den An*
in der Litteratnr. Die psychische Störung besteht nicht bloss in motorischer
Srngnsg and einer Störung der Auffassung, welche durch eine Lähmung der sen-
abefat Endorgane erklärt werden könnte. Yielmebr zeigte sich völlige Zerfahrenheit
ia lUen psychischen Functionen, soweit sich dies ans der objectiven Beobachtung
■agels sprachlicher Yerständigang mit dem Kranken erkennen liess. Sinnestänschungen
kuKs Dor vereinzelt vor. Hinterher bestand totale Amnesie.
Or. Gross (Heidelberg).
Oesellscliaft der Neuropathologen und Irrenärzte zu Moskau.
Sitzung vom 22. October 1897.
1. Dr. N. Schataloff: Die Bolle des Unbewussten im lieben des
leuchen.
2. Dr. W. Mnrawjeff: Ueber den Ursprung der Sprache.
3. Dr. 6. Bossolimo: Die Furcht und die Erziehung.
Sitzung vom 28. November 1897.
1. G. Pribytkoff und N. Wersiloff demonstrirten einen Kranken mit Hä*
Bstomyelia centralis.
Der Kranke, ein Bauer, 18 Jahre alt, ist bis zu seiner jetzigen Krankheit stets
S«nmd gewesen. Syphilis, hereditäre, wie erworbene, wird, in Abrede gestellt; kein
Cms apirit. — Am 22. Mai 1897 entwickelte sich bei ihm, im Moment einer starken
XnkelanshengoDg, ganz plötzlich eine Paralyse beider oberen Extremitäten und
darauf, im Yerlaufe einiger Minuten, auch eine Paralyse der Bompfmusknlatnr,
Tualyse des rechten Beins und Parese des linken. Im Laufe der ersten beiden
Tage vollständige Incontin. nrin. und hartnäckige Obstipation. Nach 2—3 Tagen
koute der Kranke wieder etwas nriniren, nach 2—3 Wochen stellte sich auch
Buflraog der Bewegung in den unteren Extremitäten ein. Am 1. Juli konnte er
KboD ganz gut geben, die Arme hoch heben and sie im Ellb(^en beugen; aber zn
Dig ti/cn-i
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derselben Zeit ist in den kleinen Handnroskeln berate eine deotUcbe Atrophie, nelche
stetig iR'ogressirt, eh bemerken.
Bei der TJntersoobni^ ei^b sich beiderseits Einschtfthknig nnd Schirftebe Aar
Finger» nnd Handmnsknlatnr, degenerative Atrophie du- Handmaskeln nnd auch der
Extensoren nnd zum Theil der Flexoren der Unterarme. Paresen nnd Atrc^bieai
der Bnmpfmnskeln nnd der unteren Extremitäten botanden nicht. Vollständig
Anästhesie der Schmerz» nnd Temperatnrempfindnng auf der linken Seite der Bmst
nnd des Bflckens, deren obere Urenze vom in der Höhe der Uammilla, hinten in
der Höhe des oberen Bandes der Scapnla liegt; nach unten reicht sie bis zum
Bippenbogen. Starke Herabsetzung der Temperatnr* nnd der Schmerzempfindung auf
der ganzen linken EÖrperbälfte, die entere Extremitäten mit einbegriffen, ^was
geringere Herabsetznz^ der Temperatur» und SdimerzempQndang der rechten Beite
des Körpers incl. untere Extremität ron der Hammilla beginnend. Aosserdem auf
der ulnaren Seite beider Arme im Gebiete des N. entan. med. ebenfalls geringe
Herabsetzung der Schmerz» nnd Temperatnrempfindnng, welche fibrigens bald uer»
schwanden. Die rechte Pupille > als die linke, Lichtreaction normal. Patellarreflexe
stark erhöht, links Fussclonns.-
Nach Ansicht der Vortr. liegt hier ein Blnte^nss in die grane Substanz des
Backenmarks Tor, welcher in ungleichem Orade sowohl die vorderen, wie die hinteren
Hörner der einen, wie der anderen Seite ergriffen bat in der Höhe des 8. Hals» und
1. fimstsegments.
Discussion:
Prof. Koshewnikoff betont die Beinheit des Falles and mnthmaasst eine be¬
trächtliche longitudinale Ausbreitung des Blutergusses ins Rückenmark.
Ausserdem nahmen Theil Dr. Beppmann und Dr. Eorniloff.
2. B. Orlowskj: Saroomatose des Böokenmarks und Syringonkymlia,
sur Pathologie der Hohlenbildung im Rückenmark.
Es bandelt sich um ein lijähr. Mädchen, welches im October 1895 erkrankte;
zuerst bestanden leichte Schmerzen im Bücken, darauf stetig progressirende Schwäche
in den Beinen; Anfang December ist das rechte Bein schon vollständig paralytisch,
im linken Bein leichte Parese. Den 18./I. 1896 Anfnahme in die Kervenklinik.
Status praesens: Complete Paraplegia inferior, die Beinmusknlatnr schlafif
atrophisch, elektrische Erregbarkeit der Ab» nnd Adductoren der Hüfte erloschen.
Patellarreflexe fehlen, Acbillessehnenreflex lebhaft, links Fnssclonus. Anästhesie des
Bumpfes, vom 4 Fingerbreit oberhalb des Habels, hinten in der Höhe des 9. Wirbels
beginnend; die Anästhesie erstreckt sich bis auf die unteren Extremitäten incl. indem
sie die hinteren Oberflächen der Schenkel und die äusseren der Unterschenkel h-ei-
lässt (Gebiet des Plexus sacralis). Oberhalb der oberen Grenze der Anästhesie eine
schmale byperästhetisebe Zone. Betentio urioae et alvi. Die obere Hälfte des
Körpers normal.
Verlanf: Die Krankheit progressirte langsam und beständig. Die Anästhesie
verbreitete sich auch auf die Sacraluerven, am Körper rückte ihre Grenze immer
höher und höhm'; es stellte sich Decubitus ein, Parästhesieen und Zittern in den
Händen, dem Ivientionszittem äbnlich, Nystagmus. Im September griff die Anäsfheaie
auch aof die Arme Über, zunächst im (Gebiete dm* N. ulnar.; idlmähliche Entwicke-
Inng einer Parese der Arme; die unteren Extremitäten stark abgemagert. IHe Sr-
schmnungen aggravirten, bald blieb nur noch die Sensibiktät des Oesiefats normal,
die Bumpfmusknlatur wurde paretisdi (Athmung nur vermittels des Zwerchfells), die
Parese der oberen Extremitäten ze^te deutliche Zunahme. Ende November s^Ai»
cämische Symptome; eine Beihe bulbärer Brecheinungen; allmähllcbe Parese des
Aottst. dext.; Paralyse des Fac. dext. Exitus am 16. December 1896.
Ergebniss der anatomiseben Untersucbui^: Im Wirbelcanal eine sarcoBOtöee
■ig'ii/od Dy
Google
»8
jfeobiUaiig; «riebe ihren Amigoi’ipaott angeoseheinlich von den «eichen Bücken*
■rbhirieD nimmt (Bndothriioae), em Prodnet tod EndothelwuchemBg, welche
riutbeba Tnbekel and Ly^hepaltMi ^ Pia mater nnd AdTentitia der Gefieee
iwHridii tüe KenhUdug bat den ganzen interen Theil des Spmalmarks zerstört
ad ist in der Höbe dm* zwei onterstes Dorsal* und dee obersten Lnmbalwsrbele
teeb die Dun and den dem Wirbelcanai aaskleidenden lignnent&ren Apparat nach
omn dorebgehrori»n. Im Gewebe des lamors aablreiohe Geisse, zum Theil obli*
urirt nd dentiiebe hjaline Entartung and Verkaikong aofweisend; grosse Menge
ni Kndegewebe, ebenfalls snm grössten Theil hyalin entartet ln der Höhe der
9.9päalvarael befinnend, breitet sich die Neabildtuig gleichsam nach zwei Biebtangen
na Die Baoptmaase schiebt neb in den Sabdiralmam Tor^ in Form eines Fntterals
iu Eftckeomark zasammenpressend and in dasselbe an einigen Stellen bineinwuchernd.
De Dicke dieeee Futterals ist in rerschiedenen Höben nicht die gleiche: zuerst ver*
j&Bft sieh die Nenbildong in der Richtung nach oben, aber in der Höbe der Hals*
amettdliDg erßhrt sie wiederom eine bedeatende Zunahme, um dann rasch ab*
nbUrn and in da* Gegend der Pyramidenkrtszung aafzihören.
Deo anderen Terbreitni^weg der Kenbildang stellt der centrale Theil des
Btekauurks dar, lAngs wriehmn sie sieb in Form einer ziendiefa scharf abgegrenzten
Coidnae aasbreitet mit Uöblenbildung im Inneren derselben, welche mit Bindegewebe
nsfekledet erscheiat; im obermi Brosttheil theilen sich die centrale Neobildong und
& H(iblenbildug: die erste ist in Fasern einer begrenzten Insel im rechten Bar*
lieb'scben Strang griegen, die Höblenbildung abm*, im eigratlicben Sinne Gliar
wbmg mit kennender Höblenbildung localisirt sieb im linken Hinterstrange.
^ lodere Höblenbildung, welche in keinerlei wahmebinbarem Zusammenhänge mit
dw arcomatösen Keabildnng steht befindet sich im centralen Theil des oberen Hals*
airb; sie entwickelt sich in Mitten einer Gliose, welcher auch tiefer unten in der
imdehnong mehrerer Segmente in Form eines Fleckens im Hinterstrange zu be*
aabes ist. Beide Höhlen sind nirgends mk Epithel an^ekleidet nnd beben äugen-
keine Beziebsagen zom CentralcaBal. ln Folge von DiTertikelbildnng atrilt
h Istitert sich an Ttrien Stellen als multiple dar (so siebt aum z. B. in der Höhe
1« Halswsekwelhmig 6—7 Canble). Abgesehea von allen diesen TerfiaderuBgen
hm man in der BAckenmarbsebetaaz eine hochgradige Stauung des Blutes in d«*
eonstatimi; besonders deotlicb tritt diese Erscheinung im oberen fialamark,
sbrhalb der oberen Höblenbildung hervor. Das verlängerte Mark hochgradig er*
(bis znr flflssigen Conmstenz). In der Pia mater des Gross* nnd Kleinhirns
ÜOM Metastasen des Sarcoms. ln den übrigen inneren Organen keinerlei Metastasen
Geschwulst.
In anatomischer Hinsicht bietet unser Fall scharfe Besonderheiten, welche ihn
Ks der Reihe anderer Beobachtungen von Sarcomatose der weichen Rfickenmarksbäute
wiosbeben: 1. Die hochgradigen Ver&nderuxgen der Gefössobliteration, hyaline
^maratioD und Verkalkung; 2. Beziehnngen der sarcomatösen Elemente zur Rücken-
■ukxBbstanz selbst — die letztere ist gestört oder an vielen Stellen zerstört, selbst
vd die Neubildung in den Häuten wenig vorgeschritten ist. Viele Facta sprechen
hftr, dMB di* uater» BöUsahildui^f im Rtekenmark nicht in Folge Zerfall der
PmnrtBiem Meobildag sntstaDden ist; die Elemente der letzteren sind wahrsebein*
Ikk ii die Wanduig einer sriion rorgebiMeten Höhle bmeingewuehert. Dia obere
AAklmrildong ist eine wirkliche ans einer Gliose entstandene Syringomyelie, an der
Mdm g 4m Wandung nehmen keinen geringen Antbeil die ohliterirten GeAsse,
*<khs rish m bindegewebige Stränge umgewandelt haben.
Bride Froeesee, wriehe im Rflckenmerke gefunden worden: die Glaese nrit
^rngomyelie nnd die Sarcomateee können nicht als ein zoflUligee ZasaoMRentveffen
^*^nriitat werden, am so mehr als ein gleichzeitiges Nebeneinanderbeetelmn von
*^walst und Höblenbildung des Rückenmarks m der Litteratur viele Male be*
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schrieben worden ist. Die Nenbildang mft, indem sie in den H&nten nnd im
Bflckenmark wächst, in dem letzteren eine hochgradige Stauong hervor; die Stanong
kann das ursächliche Moment znm verstärkten Wschsthnm der Neuroglia bis zur
Oliose geben, in welcher letzteren dann Hdhlenbildnng anftritt Auf diese Weise
erscheint die beschriebene Beobachtoi^ als Bestätigong der Theorie von Langhans
nnd Kronthal Ober den Ursprung der Syringomyelie in Folge von Stauung. Dieses
bezieht sich natürlich nur auf eine gewisse Reibe von Fällen, obgleich diese Reihe
nicht nur durch Bückenmarksgeschwülste erschöpft wird; hierher gehört auch jede
andere Compression dieses Organs. Im Mechanismus der Einwirkung dieser Stauung
bleibt vieles noch unaufgeklärt; jedenfalls ist die Betheiliguug des Centralcanals im
gegebenen Processe entgegen der Meinung von Langhaus, Kronthal und Schle>
Singer nicht unbedingt nothwendig.
Der Vortrag wurde begleitet mit Demonstration einer Serie von mikroskopischeo
Schnitten mittels des Frojectionsapparates.
Discussion: Dr. Muratow bemerkt, dass ihm der Charakter der Zellen, welche
die Wandung der Höhle im oberen Halsmark auskleiden, nicht ganz klar geworden
ist. Ausserdem ist er mit Dr. Eorniloff der Meinung, dass dieser Fall die
Theorie von Langhans und Kronthal weder zu stützen noch zu widerlegen im
Stande ist.
Dr. Murawjeff meint, dass im gegebenen Falle sowohl die GUose, als auch
die Sarcomatose ein angeborener Process ist; auf diese Weise beweist der Fall die
Theorie der embryonalen Entstehung der Gliomatose^ringomyelie.
Ausserdem betheiligten sich an der Discussion Dr. Weydenhammer, Prof.
Koshewnikoff und Dr. Bossolimo.
3. P. Strelzoff: Zur Cssulstik von Fremdkörpern im Magen Geistes¬
kranker.
Der Autor berichtet über einen Fall, wo ein Melancholiker einen eisernen Nuss¬
knacker von 250 g Gewicht verschluckt hatte ohne nachtheilige Folgen. Nach
2 Jahren bahnte sich die eine eiserne Branche der Zange durch die linke Seite des
Brustkorbes einen Weg nach aussen und wurde hier nach Durchschneidung der
Hautdecken entfernt. Die zweite Branche wurde durch diselbe Fistel aus dem
Magen extrahirt. Beide Branchen zelten ein stark usurirtes Aussehen, das Schloss
war nicht zu finden.
Die Herren Bepmann, Jakovenko, Korssakoff und Pribytkoff führten
ihnen bekannte ähnliche Fälle an.
IV. Bibliographie.
Die Geschwülste des Nervensystems, von Dr. Ludwig Bruns. Eine klinische
Studie. (Berlin 1897. Verlag von S. Kaiser.)
Das vorliegende, umfangreiche Werk, welches dem Begründer der Lehre von der
LocalisatioQ der Functionen der Grosshimrinde Hitzig gewidmet ist, nennt sich allzn
bescheiden „eine kritische Studie“. In Wirklichkeit bietet dasselbe eine so erschöpfende
Darstellung der Geschwülste des gesammten Nervensystems, wie wir sie bisher noch
nicht besessen haben. Trägt das Werk einerseits den Stempel der Individualität des
auf diesem Gebiete so erfahrenen Autors, so berücksichtigt dasselbe auf der anderen
Seite die gesammte einschl^ge Litteratur in einer so vollständigen nnd übersicht¬
lichen Weise, dass hierdurch allenthalben die Möglichkeit einer raschen Orientirung
gegeben ist. Wer künftighin auf diesem Gebiete arbeiten will, wird dieses werth¬
vollen Fundaments nicht entrathen können.
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95
Man wird dem Yerf. darin beipflicbten, wenn er die chiraipsohe Bebandluo^
ie Gehirn- nnd B&ckenmarksgeschi^te und die Erfolge, welche diese Operationen
feiütigt haben, zn den gröasten Emmgenscbaften der wissenschaftlichen Hedicin
ta leteten Tierteb unseres Jahrhunderts zählt. Freilich muss man ihm auch darin
^epfikhten, dass die bisher auf chirurgischem Wege erzielten wirklichen Heilerfolge
yA recht spärliche sind. Jedenfalls steht nach den bisherigen Erfahrungen soviel
hEL dass eine Heilung der grossen Mehrzahl der Geschwülste des Nervensystems nur
■f diimrgisehem Wege möglich ist und dass es die Pflicht des Neurologen ist,
teh seine Arbeit dazn beizutragen, dass immer mehr Fälle dieser Art möglichst
frftbeitig und mit sicherer Diagnose, d. h. unter den günstigsten Bedingungen für
äft radicale Heilung dem Chirurgen zugewiesen werden können.
Do breitesten Baum nehmen in der Darstellung natuigemäss die Hirntumoren
ü. Diese haben vohl von jeher das Interesse der Kliniker und pathologischen
AnatüflMn in hohem Maasse erregt, aber mit der Diagnose schien der Fall fQr den
Cinito' beinahe erledigt denn die Unmöglichkeit einer Besserung, geschweige denn
eoKr Heilung galt fast als selbstverständlich. So sehr auch die Entdeckung der
Badeotung der Stauungspapille durch v. Gräfe und die physiologischen Experimente
T» Hitzig und Fritsch geeignet gewesen wären, die Diagnose zu fördern, so hat
iach die Klinik nur langsam diese werthvollen Errungenschaften sich zu eigen zu
■sehen verstanden. Es bestand nun einmal das Vorurtbeil, dass bei jedem Sitz der
Gesehwnlst die Terschiedensten, bezw. bei verschiedenstem Sitz die gleichen Symptome
bestehen können. Der sogenannten Femwirknng der Himgeschwülste wurde eine viel
a weitgehende Bedeutung zugemessen und man nahm allgemein an, dass die Functions-
' stfiru^en sich keineswegs anf die von der Geschwulst ergriffenen Partieen and ihre
Kaebberschaft beschränken, und dass jene sich vielmehr anf zahlreiche, vom Sitze
4er Geschirnlst z. Tb. sehr weit entfernte Himprovinzen erstrecken können.
Diese Lehre von der Unmöglichkeit, bezw. seltenen Möglichkeit der Localdiagnose
iräfT Uirngeschwulst konnte indessen der fortschreitenden Erkenntniss auf die Dauer
4odi nicht Stand halten. Die ezacten pathologischen und histologischen Untersuchungen
tbff die Natur der Himgeschwülste, der Ausbau der Lehre von der Localisation der
Ftaetionen des Grosshims, die Vervollkornrnnnng der chirurgischen Technik und die
nfeaimtem Erfolge der antiseptischen Wundbehandlung Hessen erst den Gedanken
afkommen, ob es nicht möglich wäre, eine Himgeschwulst auf operativem Wege zu
mUiKaefD. Den ersten missglückten Versuchen vonBennet nnd Godlee folgte bald
£a «wte glückliche nnd erfolgreiche Operation durch Victor Horsley und die An-
wbiimuiig, welche Charcot diesen Erfolgen zollte, bewirkte, dass diese Operationen
iSmihalbai schnell in Aufnahme kamen. Die zahlreichen Operationen, welche nun-
■äir geotacht wurden, gaben wiederum den Neurologen die willkommene Gelegen-
bfct, die durch das Thierexperiment gewonnenen Erfahrungen am Menschen nach-
nprüfen.
Pathologie, Vorkommen und Häufigkeit der Hirntumoren und insbesondere
dysptomatologie und Diagnose sind eingeheud in besonderen Capiteln behandelt
Wenngleich die Thatsache feststeht, dass ein Hirntumor ganz symptomlos verlaufen
kna, 80 ruft derselbe doch in den weitaus meisten Fällen ein woblcharakterisirtes
nd leicht diagnosticirbares Krankheitsbild hervor; Kopfschmerz, Scbwbdel, Erbrechen,
AsomaUeen der Herzthätigkeit and der Äthmung, psychische Störungen, Krämpfe und
Stanimgspapille sind die häufigsten Ällgemeiusymptome der Himgeschwülste und diese
AOgesMinerscheiDangen gehen in der Begel den Localerscheinungen zeitlich voran.
Die genaue detaillirte ^bilderung der Localsymptome bildet begreiflicherweise den
we e m tliehsten Tbeil dieses Capitels: ist doch eine exacte Localdiagnose die wesent-
bchete Voraussetzung für ein erfolgreiches operatives Vorgehenl Die bisherigen Er-
fihrsngen haben erwiesen, dass die Fälle, welche eine Localdiagnose nicht gestatten,
grosse Mindm’heit bilden. Konnte doch Verf. bei 76 Fällen 61 Mal eine Looal-
L g : /od 3y CjOO^lc
96
diagnose stelleD und in 7 mit Localdiagnoee zor (^mti<ai gekommenen F&Uea fand
Yerf. diese Diagnose jedesmal bestatigtl NatorgemAss pr&ealiren bei dm groeeen
Tameren die Allgemeinsymptome derart, dass die Localsymptone daducb geradeza
aenriscbt werden und im Allgemeinen kann man s^en, dass die ans beatimmtoa
Symptomen gewonnenen localdiagnostiscben Scbifisee am so siekerer sind, je geringer
die Allgemeinsymptome sind, d. b. mit anderen Worten, je kleiner dw Tumor ist
Für die specielle DiSerentialdi^ose des Himinmors kommen banptsächlich in
Betracht: Himabscess, fiimiogitis, Himsyphilis, Hämatom der Dura ma^, Encepba-
litis, Paralyse, Hydrocepbalie, multiple Sclerose, Epilepsie, Neorastbenie, Hypochondrie
and Hysterie. Besonders die letztere spielt bei der Differentialdiagnose ziemlkb
häufig eine Bolle, nnd eine ▼(«! Yerf. genauer mitgetheilte EraokMgeecbicbte be*
weist, dass hierbei selbst dem getlbten Untersocber mn diagnostischer Irrtbum passiren
kann. Im Allgemeinen aber kann man wohl den Satz von Howers gelten lassen:
„Nie lasse man sieb darob bestehende Erscheinungen von Hystwie soweit beeinflosseo,
dass man daraus die Diagnose Hysterie allein stellt nnd die weitere Unteraacbnng
nach organischeD Yerändemngen aufgiebt. Bei Hirntumoren fehlen solche Yerände-
rangen nie!“ (? Bef.)
Nun ist fireilicb von der Diagnose bis zur Operation noch ein weiter Weg.
Denn 60 der HimtnaMn^ mit sicherer Localdiagnose fallen fflr eine chirurgisebe
Behandlung schon deshalb fort, weil sie operativ überhaupt nicht zu erreichen sind.
Da nun ferner nur 80 aller Fälle eine exacte Localdiagnose (im günstigsten FaU)
gestatten, so würden von 100 Tumoren nur etwa 30 übrig bleitmn, bei welchen eine
sichere Allgemein* und Localdiagnose möglich ist nnd bei welchen zugleich der Tnmor
aa einer ehimrgisch angreifbaren Stelle sitzt Yon diesen Fällen scheidet aber nodi
eine m'bebliche Zahl aus, nämlich diejen^en, welche sich bei der Operation nach*
tr^lich noch als inoperabel erweisen. Es würde nach alledem die Zahl der opmrablen
Fälle auf etwa 8 und nach Abzug der ungünstig verlaufenen Fälle sogar auf etwa
4°/o berabsinken. So wenig dies Besnltat an sieh erfi^ulicb erscheinen mag, so mnss
man doch bedenken, dass auch diese 4^/^ boi der exspectativen Behandlai^ sicher
verloren gewesen wären.
Eine Besserung in dieser Hinsicht ist nur zu erwartra, wenn es gelingt, die
Diagnose in allen Fällen möglichst frühzeitig zu stellen.
Es würde den Rahmen eines Referates weit überschreiten, wenn ich die Dar*
Stellung der Geschwülste des Rückenmarks und der peripheren Nerven an dieser
Strile auch nur in aller Kürze besprechen wollte. Auch hier herrscht üb«^l in d«
Darstellung Klarheit, Uebermchtlichkeit und YoUständigkeii Die zahlreichen,* im
Text entbaltenen guten Abbildungen tragen zom Yerständniss der sehwiwigen Hatarie
viel bei Die Ansstattung dee Buches ist tadellos. Dasselbe sei dem Fachmenn
zum Studium angelegentlichst empfohlen: Es darf ihm in seiner Bibliothek nicht
fehlen. Adler (Berlin).
V. Personalien.
Unser gesebitzter Mitarbeiter Herr Dr. August von Luzenberger bat sieh in Ne^el
als Privatdooent für Neuropathologie habilitirt.
Um EinsenduBg von Sopsjatabdrücken an den Herausgeber wird gebeten.
EinBanduDgen f&r die Bedaction sind zu richten an Pro! Dr. E. Hendel,
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t^ans^^oeration, tod Dr. Julius Zappert. 3. Ueber angeborenen Unskelkrampf nnd Hyper-
‘imikiri an der Unken oberen Extremität, ron Dr. 8 . Kaliscbtr, Arzt für Nervenkranke.
IL Rtftraie. Anatomie. 1. üntersuchun^n aber den Faserrerlauf im Chiasma des
Pfades nnd aber den binocularen Sehact dieses Bieres, von Dsxltr. 2. Sur les appendices
des deadrites, par Stffanawska. — Experimentelle Physiologie. 3. Stndi su testi
per Pinali. 4. Ueber die Terändemngen in der BlntcirculatioD nach Einwirkung
des Ncbennieren-Bitracts. von Velleh. — Pathologische Anatomie. 5. Uber die Todes*
’filb nd Sectionsbefonde der Z&rcherischen kantonalen Irrenbeilanstalt Bargbölzli vom
1 ^ 81 . Min 1879 bis 17. März 1896, von Brthm. 6. Mikroskopische Verändernngen der Nieren
Lsber in 52 Fällen von Psycboneurosen, von Falk. — Pathologie des Nerven*
Systems. 7. Beiträge zur Symptomatologie und Anatomie der Akromegalie, von Schultze.
Beitrag znr Pathologie nnd pathologischen Anatomie der Akromegalie, Ton Strilmpeli.
ft fril af akroinegali, af Hagslstam. 10. A case of acromegalia witb aotopsy, by Brooks.
Crber die Beziehnngen der AkromegaUe zom Diabetes mellitns, von Pinelot. 12. Un
£ aerom^alia con eroiaoopsia bitemporaie e inferiore, per MoitlevordI e Torracchl.
ftdP acromegalia, per Pauiini. 14. Sopra an caso di acromegalia parziaie, per Antomlvl.
Oie Akronie^lie, von Stomberg, 16. Notes on a case of hypertropbic palmonary* 08 teo*
? , by Edgar. 17. Dell* osteo-artropatia ipertrofica pnenmica, per Massstongo. 18. Dege*
tbe nerves in alcohoUsm, by Tootb. 19. Alcoolisme, bemipidgie gaaobe et dpi-
eoDsdcntive, scldrose atropbiqae, pachymeningito et rndnin^-oncdphaUte, par Bournsvlilo
jr. — Psyehiatrie. 20. Ueber alkonolischeParalyse nnd infectiöse Neuritis multiplex,
YUUif. 21. Snr Tabsence d’alteration des cellales nerveoses de la moelle dpinidre dana
saa de paralysie aleooliqoe en voie d'amdlioration, par Dejorlno. 22. Drankzncbt en
^ genezing, door Ruysch. 23. Cd cas d’ivresse patboio^qne, par Ropond. 24. Patronage
aUdnds et alcoolisme, par de Boock. 25. Da somnambauame alcoohqne considdrd surtout
poiot de me mddico-ldgal, par Francotte* 26. Zar Kstatoniefrage, von Schfllo. 27. Oa-
* sesanali con impulsioni al saicidio per impiccamento (accessi di Autosadismo), per
i. — .Assasioni per volntta (allacinazioni sessnali ossessive), per Quicclardi. — Auto*'
e Aotomasochismo, per Tamburin!. — Therapie. 28. La thdrapeatiqne de alcoo-
riotemement prolon^ des bnveurs, par Marandon de Montyel. 29. Die chirargische
:t des IrreoarztM in der Anstalt, von Nicke, 30. Sar la valenr diagnostiqae de la
lombaire, par Osnlgls et Sabrazis.
H. Am den fioMlIschaftsn. Berliner Qeaellachaft für Psychiatrie und Nervenkrank*
— Wiasenschaftlicbe Yersammlang der Aerzte der St. Petersburger Klinik für Nerven*
Geisteskranke.
t¥. Fermfschfes. Einladung. - Notiz.
V. Mchtigung.
7
Google
98
1. Orisinalmittheilongen.
1. Zur Frage von
den Lähmungserscheinungen bei Pasteur’schen Impfungen.
Von Prof. Ii. O. Darksohowitsoh za Kasan.
Id letzter Zeit stösst man in der Litteratur^ anf f^lle, wo sich bei Personen,
welche PASTsuB’schen Impfungen unterzogen wurden, LahmungserscheinuDgen
entwickelt haben. Diese Fälle müssen unsere Aufmerksamkeit in Anspruch
nehmen, da sie eine Frage anregen, welche sowohl theoretisch als praktisch von
Wichtigkeit ist Einerseits ist es wichtig, festzustellen, ob in der That bei Wuth-
Schutzimpfungen Lähmungen Torkommen, andererseits, die Frage zu erörtern,
welchen Ursprunges solche Lähmungen sind, welchen Verlauf sie gewöhnlich
nehmen u. s. w. Indem wir diese Fragen beantworten, erreichen wir auch
praktische Resultate — wir stellen klar, inwiefern die Furcht vor den Pasteub’*
sehen Impfungen begründet ist, welche durch solche Fälle, wie die in der Litte-
ratur beschriebenen, in der Gesellschaft hervorgerufen wird. Das Alles wird
aber ohne Zweifel erst dann m^lich, wenn wir ein hinreichendes factisebes
Material zu unserer Verfügung haben; für’s Erste ist dasselbe noch zu spärlicii.
Letzterer Umstand veranlasst mich, hier zwei Fälle zu beschreiben, wo sich un¬
willkürlich die- Fr^e nach dem Zusammenhang zwischen den Wuthimpfungeo
und der Entwickelung von Lähmungserscheinungen aufdrängt.
Fall I. Sch. 32 a. n., verheirathet, bat 3 gesunde Kinder; Lues und Potos
in Abrede gestellt. Am 27./V1I. 1896 Abends beim Schlafengehen bemerkte Sch.
seinen Hanshond im Schlafzimmer unter dem Bett, and rief das Thier binans; ei
gehorchte nicht Er machte mit der Hand eine Bewegung, als ob er den Hand
schlagen wolle, wobei Letzterer zwei Finger der Hand mit den Zähnen packte. Pat
riss die Hand znrOck und schlag dabei gerade mit den vom Hunde gebissenen Fingern
an das eiserne Bett.- Der Schmerz war geringfügig. Nachdem die Hand gewascbei
war, erwies sich an einem der Finger eine Abschürfang; Patient vermochte nicht zi
si^en, ob die Abschürfung vom Bisse des Hundes oder vom Schice an das eiserne
Bett herrOhrte. Der Hand, welcher ans 9em Zimmer verjagt wurde, biss unterwege
noch die Mutter des Patienten, und — soviel mir erinnerlicb — aoeh eine Magd
Bei beiden Letzteren jedoeb waren keine Bissspuren zu entdecken. Der Hund ward«
getödtet und von dem besichtigenden Veterinär als toll erklärt, obgleich die Diagnos«
nicht durch Impfuogen cootroUirt worden war.
Vom 1. bis zum 12. August wurde der Kranke mit Pasteur'scben lujectionei
behandelt. Innerhalb dieser Zeit war nnbedeutender Hnsteu und Schnupfen vorhanden
Nachdem die Impfungen beendigt waren, kehrte der Kranke am 14./VII1. nach Haus«
zurück unf fühlte sieb soweit gut, dass er an demselbe T^e, wie er es gewohnt
^ Baltetiu de l’Acad^mie. 1897. Nr. 24, 26.
D g ii^od oy Google
99
nr, iweimal im Flusse badete. Am 17./TJII. bemerkte Patient zuerst eine erheb*
lickt Sdiiriche im rechten Tibiotarsalgelenke. Darauf traten nacheinander auf:
SdiBnen im linken Bein, in beiden Armen, erhebliche Abnahme der SensibUit&t im
iüa Bein ond eine gewisse Ungeschicktheit beider Arme bei feineren Bewegungen.
Bii Ende August hatte der paretische Zustand des rechten Beines erheblich abge*
tossD, die Schmerzen dagegen danerten fort, wenn auch in verminderter Intensität.
Idi sah den Kranken zuerst am 23-/XI. 1896, und constatirte bei der Unter*
abag I\>lgende8: yerminderte Kraft in den activen Bewegungen der Arme und
int mit dem Charakter einer peripheren Parese; der linke Arm und das linke
3 (q nnd dentUch schwächer als die Extremitäten der rechten Seite. Am meisten
Rgtprägt ist die ungenügende Beugung der Finger an der linken Hand. Bei
wraa Bewegungen der Finger — deutliche Ataxie. Der Gang ist nicht wesentlich
witdeti; RoMBBBo’schee Symptom nicht vorhanden. Kniereflexe normal, Becken*
ongestört. Die Lichtreaction der Pupillen etwas träge. Augenfällige
Pinsthesieen in den Extremitäten, besonders den Armen, nnd zwar sandiges Gefühl
sti Ameisenkriechen. Die Schmenempfindlicbkeit ist an den Extremitäten erheblich
kibgesetzt, nnd zwar entspricht der Typus der Anästhesie ihrer Anordnnng nach
n meisten dem peripherischen. Die anderen Kategorien der Sensibilität weisen
i&oe merkliche Abweichung von der Norm auf. Anästhesie des weichen Gaumens,
^tane Schmerzen in den Extremitäten sind zwar vorhanden, aber nur äusserst
abedentend. Deutliche Empfindlichkeit der Muskeln und Nervenatämme ist nicht
ucbioweisen (vor Kurzem noch vorhanden geweseni). Deutliche Abmagerung der
nrzcD Hnskeln der linken Hand, weniger erheblich an der rechten Hand; die Unter-
iachn^ dOT elektrischen Erregbarkeit ergiebt eine quantitative Abschwächung der
iactäon auf beide Stromesarteo.
Zum zweiten Mal untersuchte ich den Kranken im Juni 1897. Von dem
Hberen Symptomencomplex war nur noch eine gewisse Unsicherheit der Finger*
bnregnugeu nachzuweisen, besonders an der linken Hand; Parästfaesieen in den Armen
ad nbedentende Yerminderang des Schmerzgefühls an den oberen Extremitäten,
k Uebtigen war nichts Anormales nachznweisen.
Was die beiden anderen Personen betrifft, welche von dem Hunde gebissen
iiren, so wurden sie auch mit Impfnngen behandelt, und zwar gleichzeitig mit Sch.,
nf dtf gleichen Station: doch waren bei ihnen keinerlei Krankheitserscbeinungen
ü beobachten, weder unmittelbar nach den Impfnngen, noch auch in der Folge —
IS znm Jani 1897.
Fall II. B. 28 a. n., nnverheirathet. Bedeutender Fötus. Lues wird nicht
gegeben nnd ist auch objectiv nicht nachznweisen. Mitte Februar 1897 wurde er
ra recbtra Unterschenkel von einem Hund« gebissen. Obgleich der Hund sich nicht
ÜB toUwüthig erwies, so begab sich B. dennoch eine Woche nach dem Biss auf die
wgMatioD, wo er 16 Injectionen erhielt Eine Woche nach Beendigung der Injec*
lam — am den 20./1IL — entwickelte sich im Laufe weniger Stunden eine
' des n. facialis dexter, and zwei Tage später über Nacht auch eine lAh-
ang des n. facialis sinister. Das Kanen fester Speisen, sowie das Schlncken flüssiger
wrde dem Kranken änsserst beschwerlich, die Augen waren beständig offen. Was
ist Sxtrsmitäten betrifft, so war nach Angabe des Kranken an ihnen nichts Abnormes
4 bemerken.
Die Besserung im Befinden des Kranken begann schon eine Woche nach dem
Uftreten der Lähmongserscheinongen sich bemerkbar zu machen, und machte seit-
stetige, wenn anch langsame Fortschritte.
Dsr Knnke wurde am lO./IX. 1897 besichtigt Es fanden sich Spuren von
Parese der oberen Aeste n. facialis ntriusqne und eine deutlichere Parese im Gebiet
enteren Aeste beider Seiten. Die elektrische Untersocheng ergab eine bedeu-
'•eade Herabsetzung der Erregbarkeit auf beide Stromesarten, ohne jegliche Spur von
T
Google
100
Alteration der Formel und des normalen Charakters der Huskelcontractionen. Von
Seiten des Trigeminus nichts Abnormes; ebenso ist auch im ftbrigen Kerrensystem
nichts Anormales lu entdecken. Die Ohren sind gesund.
Die erste Frage, welche wir zu entscheiden haben, ist die, ob die Entwicke¬
lung der Lähmungserscheinungen, welche bei unseren Kranken auftraten, den
Impfungen zuzuschreiben sei, welchen sie wegen der erlittenen Bisswunden unter¬
zogen worden waren.
Die Entscheidung dieser Frage bietet sicherlich grosse Schwierigkeiten dar,
welche aus dem Wesen der Frage selbst entspringen. Jedes Mal, wenn wir für
i^end eine Erankheitsform ein neues ätiologisches Moment feststellen solleo,
halten wir uns vorzugsweise an zwei Erw^fungen: 1. ob die Entwickelung der
betreffenden Erkrankung mehr oder weniger häufig mit dem Yorhandensein des
entsprechenden ätiol(^schen Momentes zusammentriSt, und 2. ob in jedem ein¬
zelnen Falle der gegebenen Erkrankungsform andere mehr oder weniger sicher-
gestellte ätiologische Momente au^schlossen werden können.
Diese Grundlagen haben jedoch begreiflicher Weise nur relative Bedeutung.
Die erste Erwägung kann uns nur dann bei der Entscheidung der angedeuteten
Frage von I^utzen sein, wenn die Casuistik der uns interessirenden Krankbeits-
form durch Mittbeilung einer grösseren Zahl von Fällen so bedeutend wird,
dass schon die Statistik direct fär die Nothwendigkeit der Annahme eines
Zusammenhanges zwischen beiden Erscheinungen spricht. Was das zweite
Postulat anlangt, so kann auch diesem nur in besonders glücklichen Fällen
genügt werden, wo wir in Folge ausserordentlich günstiger Umstände, oft ganz
zufällig, ganz ohne Z^ern und mit voller Berechtigung jeden anderen Einfluss
ausscbliessen und einzig auf diejenige Ursache recurriren dürfen, deren ätio¬
logische Bedeutung uns hier beschäftigt. Während also die zweite der an¬
geführten Erwägungen einen besonders glücklichen Zufall voraussetzt, erfordert
die erste eine sehr reiche Casuistik.
Um die beregte Frage in Bezug auf unsere zwei Fälle zu entscheiden,
müssen wir uns natürlich vorzugsweise auf die zweite Erwägung stützen — das
Fehlen solcher Momente, welche ausser den Impfungen der Verursachung der
Lähmungserscheinungen hätten beschuldigt werden können. In dieser Hinsicht
verdient unser erster Fall besondere Beachtung. Wir sahen, dass unser Patient
sich bis zur Entwickelung der Krankheit in jeder Hinsicht vollkommen wohl
fühlte, und dass auch in der näherli^enden Vergangenheit nichts vorlng, wtLi
mit der Entwickelung der paretischen Erscheinungen hätte in Verbindung ge¬
bracht werden können. Unwillkürlich blieben die Gedanken bei den kürzlich
ausgeführten Impfungen stehen, and mit diesem Gedanken — dass die Läh¬
mungen sich in Folge der Impfungen entwickelt hätten — kam der Krankt^
zur Coiisultatiou zu mir. In der entfernteren Vergangenheit des Kranken irgen<i
ein Moment zu finden, welches in ursächlichem Zusammenhang mit der gegen¬
wärtigen Erkrankung gebracht werden könnte, gelang ebenfalls nicht: Patient
hatte niemals Alkoholmissbrauch getrieben, noch an Syphilis gelitten, was aucli
durch die objective Untersuchung bestätigt wurde.
■' Google
101
Was den zweiten Kranken betrifft, so der Gedanke, die Entwickelnng
öer Faeiaiisdiplegie mit den Torhetg^angenen Impfungen in Zusammenhang zu
Hringm, auf den ersten Blick bei Weitem nicht so nabe, wie hinsichtlich des
asten Kranken; gleichwohl erschien zuletzt die Annahme, dass auch hier die
Impfangen die Bolle eines ätiolc^:ischen Momentes gespielt haben könnten, doch
^rii^nd, als jede andere Erklärung der Krankheitsentstebung. Sahen wir
kd. dass die gewöhnlichsten Ursachen für Diplegia facialis — Syphilis und
'AieoI«den — bei unserem Kranken fehlten, ebenso deutete nichts auf eiue
Erkrankung der Meningen der Himbasis, noch auch auf eine Affectiou der
TnoUbröcke, zumal da auch der Verlauf der Diplegie in unserem Falle
ngen eine solche Annahme sprach. Die Entstehung der Lähmung dem Alkohol-
sussbmich zozuschreiben, ist ebenfalls kaum berechtigt, da weder zur Zeit der
E&tstehang der Diplegie, noch auch in der Folgezeit, als die Läbmungserschei-
Qiugen im Faciali^ebiet nachzulassen binnen, eine Affection anderer perl-
phner Nerven beobachtet wurden ist Es erübrigte noch, eine Diplegie e frigore
iQizi^hliessen. Allein die Diplegia facialis e frigore ist bekanntlich eine grosse
•^Itenbeit; .wenigstens ist mir persönlich im Laufe der letzten 5 Jahre im
imbolatohom der Kasaner Nervenklinik kein Fall von Facialisdiplegie hegtet,
^ die Ehkranknng beider Faciales mit Sicherheit auf eine primäre und isolirte
Pt/lTnearitis zurückzufuhren gewesen wäre. Somit dünkt uns die Annahme am
Wikrsebeinlicbsten, dass auch in unserem zweiten Falle die Wutbscbutz-
sp>faDgen nicht ohne Einfluss auf die Entwickelung der Facialisdipl^ie ge-
sind.
Wenn wir oonstatiren, dass in unseren beiden Fällen die Wuthschutz-
a^^gen als das wahrscheinlichste ätiologische Moment anzusehen sind, so
3ad wir damit such genötbigt, zuzugeben, dass die Läbmungserscheinungen,
v-jdie sich im Anschluss an diese Impfungen entwickeln, nicht nur durch einen
CT«litischen Process, sondern auch durch eine Erkrankung des peripheren
Norensystems bedingt sein können. Wenigstens müssen wir in unseren beiden
FMlen die Lähmongserscheinungen mit Sicherbeit auf eine Polyneuritis zurück-
%rva.
Entwickeln sich mm die Lähmungserscbeinnngen in Folge der Impfungen
cfhst, oder sind sie als Resultat der Afifection des Oi^anismus mit \Vutbgift
mzaseheD? Sicherlich können die Impfungen an sich zur Entwickelung der
lAhmnng fuhren, denn in unserem zweiten Falle war der Hund, der den Pat
Kbaen hatte, notorisch nicht tollwüthig, so dass die Impfungen ausschliesslich
IQ }«opbylaktischem Zwecke gemacht wurden. Allein die Ursache, weshalb die
Inpfiiiigen zu Lähmungserscheinungen fuhren, bleibt völlig unverständlich, ln
iisser Hinsicht ist nnser erster Fall sehr lehrreich. Gleichzeitig mit diesem
Kranken erhielten nämlich, wie oben erwähnt, auf der gleichen Station zwei
Angeborige desselben ebenfalls Einspritzungen; dennoch erkrankte nur unser
Patient, während die beiden Anderen völlig gesund blieben.
In unseren Fallen traten die Lähmungserscbeinnngen recht schnell nach
'ien ImjffuDgen auf: im eisten Falle etwa am 5. T^e nach Beendigung der
Diy
Google
102
Impfongen, im zweiten nach einer Woche. In beiden Fällen musste die Krank¬
heit als leichte bezeichnet werden, denn sowohl im ersten, wie im zweiten Falle
war der poijneuritische Frocess nicht besonders ausgebreitet und nicht sehr
hochgradig ausgeprägt
[Aus dem Laboratorium des Herrn Prof. Obebsteineb in Wien.]
2. Beiträge zur absteigenden Hinterstrangsdegeneration.
Ton Dr. Julius Zappert.
Ein wenige Tage altes, hereditär luetisches Kind bot ausser einigen klinischen
Nervensymptomen, die anderweitig (Jahrbuch für Kinderheilkunde) beschrieben
werden sollen, folgenden Interessenten Bückenmarksbefond:
Es bestand eine nur auf das Cervicalmark beschrankte Entzündung der
Pia mater, welche zu Verdickung derselben und zu Verwachsung mit der
Rückenmarkssubstanz geführt hatte; diese Meningitis war auf der rechten Seite
stärker ausgeprägt als links; im Dorsalmark, sowie in den tieferen Abschnitten
des Rückenmarks war die Pia Töllig intact
Als fernere Veränderungen Hessen sich an den angefertigten Mabcbi-
Präparaten Degenerationen der vorderen und hinteren Wurzeln constatiren.
Die Erkrankung der vorderen Wurzeln, die etwas schwächer auch atu
Lendenmark ausgeprägt war und sich namentlich auf den intraspinalen Antheil
der Wurzel beschrankte, ist anscheinend ein für den vorhanden Fall nicht
charakteristischer Kebenbefund; zahlreiche Untersuchungen an kind¬
lichen Rückenmarken haben mich gelehrt, dass derartige Dege¬
nerationen im Säuglingsalter einen geradezu häufigen patho¬
logischen Befund darstellen.
Hingegen war die Beziehung der Degeneration an der hinteren Wurzel
mit der Spinalmeningitis recht augenfällig. Die Wurzelveränderung zeigte sich
nämlich nur im Cervicalmarke, dem Sitze der Piaerkrankung, und war, ebenso
wie diese, rechts stärker als links. Ausserdem setzte die schwarze Körnung genau
an jener Stelle der hinteren Wurzeln ein, wo dieselbe beim Durchbruch durch
die Pia mater normalerweise eine Einschnürung erfahrt und die nach Osbb-
STEiNEB und Redlich ein Punctum minoris resistentiae des hinteren Wurzel¬
verlaufes darstellt. Es konnte in unserem Falle kaum einem Zweifel unter-
li^en, dass die erkrankte Pia auf die durchtretende Wurzel einen schädigenden
Einfluss ausgeübt, der sich durch die Degeneration der intraspinalen Antheile
der Wurzel zu erkennen gab.
Entsprechend dieser Veränderung an den hinteren Cervicalwurzeln fand
sich eine intensive aufsteigende Degeneration der BuRDACH’schen Stränge,
D K.Googlc
103
die uf der rechten Seite gleich&Us stärker war als links. Innerhalb des Bub-
Dice'schen Feldes zeigte sich das hintere äussere Feld am wenigsten von der
De^eoeratimi hetxoffen nnd hob sich namentlich im unteren Cerricalmark recht
dniUich TOB den übrigen Partieen der BoBDAca’schen Stränge ab. Cerebral-
firts sind di^ Yerändemngen in den Hintersträngen so weit zu yerfolgen,
ih das Torli^nde Bückenmarkspräparat reichte; die Medulla oblongata war
udit mehr an demselben rorhanden.
Verfolgen wir non die Hinterstrangsreränderungen nach abwärts, so
stea wir bald eine auffallende Aenderung der mikroskopischen Bilder. Ent-
spnebend dem Anfhören der nur auf das Cerrioalmark beschränkten Hinter-
vanderkranknng schwindet auch die Degeneration in den lateralen Partieen
des BüBDACH^scben Strangs recht bald; da ja die eintretenden Wurzelzüge nur
Biehr gesonde Fasern ins Rückenmark bringen. Die schwarzen Schollen, mit
desen sich die BüBDACB*schen Stränge in den höheren Ruckenmarksebenen be¬
deckt zelten, nehmen auf diese Weise immer mehr ab und lassen die lateralen
Umt^strangsantheile allmählich ganz frei. Ein zwischen BuBDACH’schem
aad Gonn^acbem Bündel befindlicher Rest von schwarzen Körnern
bleibt aber bestehen. Diese Degenerationszone tritt um so deutlicher hervor,
)e mehr sich die Hinterstrsnge sonst von d^enerirten Fasern frei erweisen; sie
ist während ihres ganzen Verlaufs rechts stärker ausgeprägt wie links.
Iffl oberen Dorsalmarke stellt sie einen zwischen dem BuBDACH’schen und
(roi.L’schen Felde gelegenen Streifen dar, dessen ventrales Ende dichter ist und
\m an die grsae Substanz reicht, während der dorsale schmälere Ausläufer die
kmtere Bödtenmarksperipherie nicht erreicht
Je weiter wir nach abwärts gehen, desto spärlicher werden die degenerirten
fman dieses Bündels. Etwa in der Mitte des Dorsalmarks besteht nur noch
Q den Tentralen Antheilen des rechten Hiuterstrangs ein gegen die graue Sub-
fisi des Hinterboms hinziehendes, etwas compacteres Degenerationsfeld. Das¬
selbe verliert sich in beferen Rückenmarkspartieen immer mehr, so dass man im
vBteren Drittel des Dorsalantheils nur bei darauf gerichteter Aufmerksamkeit
m rechten Hinterstrange einige schwarze Körnchen zu erblicken verm^^. Im
Undenmark fehlen dieselben vollständig. Auch an der zu beiden Seiten der
imteren Fissur gel^nen Parthie desselbeu ist es bei vorurtheilsfreier Beobach¬
tung kaum möglich, degenerirte Faserquerschnitte zu erkennen.
Die Form und der Verlauf dieser absteigenden D^eneratiou berechtigen
BBS zweifellos, darin das SoHuiiTzs'sche Comma zu erblicken; auch die
cäiiesBlifdie Anhäufung der Fasern in der Gegend der grauen Substanz ist ganz
gut mit Hochb’s Annahme des Uebertritts derselben in die Hinterhönier ver-
anbar.
Ee besteht also in unserem Präparate eine Degeneration des ScHULTZE’schen
Fekieu, wie wir sie sonst — Thierezperimente ausgenommen — nur bei hoch-
Iwgenden Compressionen zu sehen gewohnt sind.
Solche Bückenmarkscompressionen, bei denen meist der ganze Querschnitt
becbeiligt ist nnd reichliche auf- und absteigende Degenerationen zu coustatireu
Diy
Google
1Ü4
sind, waren bisher das banptsächlichste Stndienobject fdr die absteigende
Hinterstrangsdegeoeration. Dieselben waren kaum geeignet, eine endgültige
Entscheidung dafür zu bringen, welchen Ursprungs diese Fasern seien, und tbat-
sächlich ist auch heute die Frage noch nicht widerspruchlos beantwortet, ob wir
es im ScHULTZE’schen Bändel (und im dorsomedialen Felde des Lumbal- und
Saoralmarks) mit exogenen, ai^ den hinteren Wurzeln stammenden, oder mit
end(^nen, von Bückenmarkszeilen entspringenden Fasern zu thun haben. Ohne
auf die Litteratur dieser Frage, die jüngst in Rbdlioh’s „Pathologie der tabischen
Hinterstrangserkrankung** ausführliche Würdigung erfahren hat, näher eingehen
zu wollen, sei nur darauf hingewiesen, dass Sohdltze, Bnims, LEMHOssfiK,
SiNOSB, Redlich u. A. für den eichenen Ursprung des Commas eintreten,
während Tooth, Mabie, Goubault und Philippb, Daxbnbebgeb die endogene
Natur für wahrscheinlicher halten. Einige neuere Autoren, Hochs, Bibcbofp,
Heymann enthalten sich eines ürtheils und Obebstbineb, der sich noch in der
neuesten Auflage seines Lehrbuchs für keine der beiden Ansichten entschieden
aussprach, ist erst am voijährigen Moskauer Congress entschieden für die exogene
Natur des Commas aufgetreten. Experimentelle Untersuchungen am Thiere rückten
zwar die Annahme einer Beziehung der hinteren Wuneln zum ScHULTZE’scben
Feld in den Vordeigrund, Hessen sich aber nicht ohne weiteres auf die Menschen
übertragen.
Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet, gewinnt unser Fall die Bedeutung
eines Naturexperiments, b« welchem eine nur auf das kurze Gebiet
des Cervicalmarks beschränkte Erkrankung der hinteren Wurzeln
die alleinige Quelle für Bückenmarksveränderungen abgeben konnte.
Ebenso wie wir die aufsteigende Degeneration des BuBDACH’scben Stranges mit
dieser Hinterwurzelerkrankung in Beziehung bringen können, sind wir auch
berechtigt, die absteigende Erkrankung des ScBüLTZE’schen Feldes
als eine Folge der Läsion der hinteren Wurzeln anzusehen. Der
Umstand, dass die Cervicalwurzeln rechts stärker ergriffen waren als links er¬
höhte noch den Yersuchswerth des Falles, und Hess die auf derselben Seite
stärker ausgeprägte Degeneration des Commas als directe Folge der Wurzel¬
erkrankung erscheinen.
Eine andere Deutung der absteigenden Hinterstrangsdegeneration ist iu
unserem Falle wohl ausgeschlossen. Dass dieselbe mit den Veränderungen in
den vorderen Wurzeln in Zusammenhang stände, ist nicht nur a priori unglaub¬
würdig, sondern durch anderweitige zahlreiche Untersuchungen kindlicher Rücken-
marke, bei welchen ausser der Vorderwurzeldegeneration keine weiteren Ver¬
änderungen vorhanden waren, in völHg zweifelloser Weise widerlegt. Sonstige
Erkrankungen, welche als Ursache der Degeneration im ScHULTzs’schen Bündel
angesehen werden könnten, bot unser Rückenmark überhaupt nicht dar. Für
die etwaige Vermuthung von Strangzellenschädigungen, die man bei Rückeu-
markscompression immerhin als Druckwirkung für möglich halten könnte, fehlt
hier jeder Anhaltspunkt, umsomehr als die anderen endogenen Bahnen (im
Seitenstrauge u. s. w.) vollkommen frei von Veränderungen waren.
vGoogIc
105
Wir können nach dem Gresagten wohl bebaapten, dass unser Fall die Frage
udi der Xatnr des ScHUiiTZE^schen Conimas entschieden in dem Sinne beant-
foitHiftsst, dass dasselbe aus absteigenden Hinterstrangsfasern, die
ins dem oberen Rückenmarksantheile stammen, zusammengesetzt
itt IMe Möglichkeit, dass ausserdem noch anderweitige Fasern in dieser
Kahn verlanfen, lässt mch natürlich durch diese Thatsache nicht ausscbliessen.
Zur Entscheidong anderer, die absteigende Hinterstrangsdegeneratlon be¬
treffender Fragen bot der yorliegende Fall nicht viel Anhaltspunkte.
Dass wir es im ScHDLTZE’schen Felde mit langen Bahnen zu thun
Uten, wurde, seitdem mit der MABCBi’scben Methode gearbeitet wird, von allen
Aotcffen bestätigt; auch in unseren Präparaten konnten wir die betreffenden
Fiaem darch den grössten Theil des Dorsalmarks verfolgen.
Die Ton Hochs neuerdings behauptete Endigung des ScHULTZE’schen
Commas durch Einstrahlen der Fasern in die graue Substanz der
Hinterhöruer ist durch die von uns gesehenen Bilder nicht unwahr«
sdiönlkh gemacht; wir konnten wenigstens constatiren, dass in den tieferen
Bu^enmarksebenen die erkrankten Fasern sich in der Kähe des Hinterhorns
sammelten and bis an dasselbe heranreichten, wenn wir auch mangels an Längs¬
schnitten einen directen Eintritt derselben in die graue Substanz nicht beobachten
konnten.
Zar Frage einer eventuellen Beziehung des ScHüLTZE’schen Feldes
zn dem dorsomedialen Bündel des Lumbal- und Sacralmarks konnten
vir in unserem Falle keine Anhaltspunkte gewinnen. Die Degeneration war
sieht mächtig genug, um in den tieferen Rückenmarksebenen noch deutlich
erkennbar za sein, und es war daher nicht zu erwarten, dass sich im Lenden-
■ark ooch erkrankte Fasern an irgend einer Stelle würden aufffuden lassen.
Hing^en bot uns ein anderes Rückenmark, bei welchem eine Com-
pression im U. Dorsalis bestanden hatte, hierfür lehrreiche Bilder.
In diesem, von einem Erwachsenen stammenden Falle, dessen klinischer
Veriaaf mir nicht bekannt ist, konnten wir an MABOHi-Präparaten das stark
(kgeaeiirte ScauLTZE’sche Bändel beiderseits bis zur Höhe des XI. Dorsaluerven
verfolgen, ln Schnitten, die aus der Höhe des XU. Dorsalwurzelpaares stammen,
bat das Comma seine Gestalt verloren und einer unregelmässig über den Hinter-
ftzang vertfaeüten schwarzen Körnung Platz gemacht.
In der Gegend des ersten Lumbalis fallen einige grobe Schollen zu beideu
Seiten der Mittellinie auf, dieselben treten an Schnitten, die dem Austritte des
ZL Lnmbalnerven entsprechen, sehr deutlich hervor und nehmen genau die
Stelle des dorsomedialen Bändels ein. In der Höhe des nächstfolgendeu Nerveu-
paares sind die schwarzen Körner nur ganz spärlich zu sehen und in noch
täeferen Ebenen gelingt es nicht mehr, dieselben in eine bestimmte Gruppe
asammenznfassen.
Wir finden also in diesem Falle nach einer Compression des oberen
Dorsalmarks (2. Dorsalis) nicht nur das ScHULTZE’sche Comma dege-
nerirt, sondern auch einen, wenn auch geringen Antheil des dorso-
,Google
Dk; .i-
106
medialen Feldes erkrankt £s reiht sich diese Beobachtung an ähnliche
Ton früheren Autoren an, ?on denen sich in letzter Zeit namentlich Hoche und
Bisghoff eingehend mit der Frage eines eventuellen Zusammenhangs zwischen
ScHULTZB*scbem Bündel und dorsomedialem Felde b^chäftigen.
Beide Autoren lehnen eine directe anatomische Beziehung zwischen den
genannten absteigenden Hinterstrangsdegenerationen ab; doch gehen ihre Auf¬
fassungen über die Entstehung des dorsomedialen Bündels auseinander. Hoceie
beschreibt Degenerationsfelder, die schon im Dorsalmark sichtbar sind, anfangs
beiderseits an der hinteren Peripherie des Rückenmarks verlaufen, sich im
weiteren Absteigen allmählich der Mittellinie nahem und sich schliesslich zur
Bildung des dorsomedialen Feldes vereinigen. Bischofp konnte derartige Dege¬
nerationen nicht auffinden, es fielen ihm aber bereits kurz unter der Compressions-
stelle (2.—4. Dorsalis) degenerirte Fasern auf, die sich dicht am medialen
Septum befinden, anfangs mit dem SoBULTzs’schen Gomma einen losen Zusammen¬
hang aufweisen, weiter abwärts aber völlig getrennt von demselben verlaufen
und schliesslich die Stelle des dorsomedialen Bändels einnehmen.
In unserem Falle gelang es nicht, Bilder, die denen von Hochs beschrie¬
benen gleichen, zu constatiren, dag^en boten unsere Präparate manche Ana-
logieen mit den Befunden von Bischöfe.
Durch das ganze Dorsalmark konnten wir im Hinterstrange ausser dem
deutlich degenerirten ScHULxzE’schen Felde noch anderweitige zerstreute schwarze
Schollen beobachten, unter denen sich namentlich eine median und ventral
gelegene Gruppe schärfer abhob; diese Gruppe tritt etwa in der Höhe des
VIII. Dorsalnerven am deutlichsten hervor, wenn sie sich auch niigends so
bestimmt begrenzen lässt, wie das ScHCLTZB’scbe Comma. Weiter abwärts,
entsprechend dem X. und XI. Dorsalnervenpaare, ist die Scheidung zwischen
dieser medianen absteigenden Degeneration und den Fasern des Commas nicht
leicht, da ja auch die letzteren in den ventralen Partieen des Hinterstrangs au¬
gehäuft sind, ln der Höhe des 1. Lumbalnerven ist das ScHULTZB’sche Feld
geschwunden, nicht aber die mediane Degeneration, welche noch immer die
ventralen Hinterstrangsantheile besetzt hält. Dagegen ist diese Degeneration»-
Zone nur noch in geringem Reste sichtbar, wenn wir Präparate, die dem An¬
striche des II. Lumbalnervenpaares entsprechen, betrachten. In diesen
Schnitten begegnen wir aber zum ersten Male dem bekannten Bilde
des dorsomedialen Bündels zu beiden Seiten der Mittellinie; dasselbe lässt
sich noch ein kurzes Stück nach abwärts verfolgen, die mediane Degeneration
hingegen ist nun vollständig geschwunden. Das Auffallende an diesen Präparaten
ist also, dass die absteigende mediane Degeneration sich unabhängig vom
ScHULTZE’schen Felde bis ins Lendenmark verfolgen lässt, und dass sie mit dem
Auftreten der compacten Degenerationszone des dorsomedialen Bündels rasch
verschwindet.
Es lässt sich aus diesen Befunden und der Beobachtung Bischoff’s wohl
der Schluss ziehen, dass ein Theil der das dorsomediale Bändel bil-
denden Fasern bereits in höheren Rückenmarksebenen zu beiden
Google
107
Seiten der Mittellinie Terlänft und namentlich in den ventralen Hinter*
shangspartieen verstreut ist. Die Mehrtahl der Nervenbahnen des dorsomedialen
Feldes scheint allerdings aas tieferen Ebenen za stammen.
Die Präparate, welche man bei tiefliegenden Compressionen zu Gesiebt be¬
kommt, schien einer solchen Annahme nicht zu widersprechen. So konnten
vii in einem Falle yon Compression in der Höhe des I. Lendennerven
gleiehfallB mit der MAsem-Methode im ventralen Hinterstrangsgebiet reichliche
sduraize Körner erblichen, die sich immer mehr verloren, je deutlicher das
dorsomediale Feld uns entgegentiat
Fassen wir das Resultat dieser kleinen anatomischen Studie zusammen, so
biniieQ wir aus den beobachteten Fällen folgende Schlusssätze feststelleu:
1. Das ScHULiZE^sche Comma wird — wenigstens zum Theil —
aas absteigenden Hinterwurzelfasern der oberen Röckenmarks-
antheile gebildet.
2. An der Bildung des dorsomedialen Bündels nehmen ab¬
steigende Fasern, die bereits im oberen Dorsalmark in den medialen,
ventralen Hinterstrangsantheilen verlaufen, Antbeil.
3. lieber angeborenen Mnskelkrampf
und Hypertrophie an der linken oberen Extremität.^
Von Dr. 8. Kalisoher, Arzt fOr Nervenkranke.
Der Kranke ist ein 26j&hr., russischer Student, der mich im August dieses
Jahree wegen allgemeiner neurastbenischer Beschwerden aufsuebte. Er litt damals
•9 Kopfdrock. Schlaflosigkeit, vagen neuralgischen Schmerzen u. s. w. Diese Be-
»ckwerden besserten sich nach einem Aufenthalte an der See; doch traten nach der
Sftckkehr nenralgische Schmerzen in der rechten oberen Extremität auf, die Nachts
Qfillweise sich zeigten und bei geistiger Anstrengung, Schreiben, Zeichnen Zunahmen.
Wegen des völlig negativen Befundes wurde die Diagnose: Neuralgia Plexus brachialis
iextr. gestellt. Bei dem Veigleich mit dem linken, scheinbar gesunden Arm musste
eine Umfangszunahme der ganzen linksseitigen oberen Extremität sofort ins Auge
fallen. Die VolumenszuDahme besteht angeblich seit Geburt und wurde von den
Aagehörigen des Kranken auf einen Fall zurflekgefOhrt, den die sonst gesunde
Hotter kurz vor der Geburt erlitten haben soll. Die Geburt war normal und hat
der Kranke in der Kindheit niemals Krämpfe, noch irgend welche Zeichen einer
ffimerkrankung gehabt Die Stellung, welche Hand und Finger heute einnehmen,
besteht seit Geburt unverändert; nur will der Kranke in froheren Jahren bei An-
strenguDgen oder besonderen Bewegungen der Hand ein krampfartiges, schmerzhaftes
Ziehen oder Zucken in den Fingern gehabt haben, wobei die Beugestellung der Finger
• Nach einer Kraokeavorstellang in der Berliner Gesellschaft für Psychiatrie. No-
vcBber 1897.
üig'V^od oy Google
108
and Hand noch stärker wurde, als gewöhnlich; stets ging dieser tonische Krampf
durch Reiben und Jassiren der Finger schnell vorüber. Bewegungen atbetotischer,
choreatischer Natur, tetanieähnliche Krampfstellungen, clonische Krämpfe sind von
den Kranken nie beobachtet worden. In der Schule fiel er seinen HitschOlem durch
die Fähigkeit auf, an dem Kleinfiugerballen willkürlich eine starke Wulstbildung
hervorzunifen; auch war die Kraftleistung mit der linken oberen Extremität eine
flbergrosse, fast athletische; doch pflegte Arm und Hand nach vorübergehender, über¬
mässiger Leistung sehr schnell zn ermüden. Wie früher, so benutzt er auch heute
bei alleu üblichen Verrichtungen (Ankleiden u. s. w.) die linke Hand, wie jeder
Qesunde; nur vermeidet er länger währende Leistungen, wie das Tragen schwerer
Gegenstände, mit der Unken Hand.
In der Regel bängt der linke Arm schlaff herab, oder er wird ein wenig au
den Thorax adducirt gehalten, mit leichter Beugung im Ellbogengelenk, Pronations«
Stellung der Hand; dabei sind die Finger zur Faust eingeschlagen, der Daumco
leicht abducirt. Oberarm, Unterarm und Hand der linken Seite zeigen eine auffallende
Yolumenzunahme. Die Muskulatur fühlt sich am Ober« und Unterarm Überall fest
und derb an, während Haut und subcutanea Gewebe hier keine besondere Ver¬
änderungen zeigen. Der Umfang des Oberarms bei passiven Uerabhängen . beträgt
in der Mitte links 30, rechts 27 cm, bei forcirter Beugung des Unterarms und An¬
spannung des M. biceps betrügt derselbe links 35, rechte 31 cm. Der Unterarm hat
im oberen Drittel einen Umfang von 30 cm links und 24 cm rechte, im unteren
Drittel links 22 cm, rechts 18 cm. Die Hand, in der Mitte des Metacarpus ge¬
messen, hat links 29 cm, rechte 22 cm im Umfang.
Die Längenroaasse des Unterarms und Oberarms, wie der entsprechenden Knochen
sind links und rechte dieselben. Auf einer durch Herrn Dr. Levj (Dom) gütigst
angefertigteu Aurnabme beider Unterarme und Hände durch Röntgen-Strahlen
wird zunächst die Umfangszunahme des Unterarms wie der Hand deutlich wahr¬
nehmbar; die linke Hand ist auf den Röntgen-Fhotographieen 13^/3 cm breit, die
rechte IOV 2 cm. Die Knochen des linken Unterarms wie der linken Hand sind ein
wenig stärker als rechte, so misst der Radius in der Mitte auf der linken Seite 1,7 cm,
rechte 1,4 cm, die Ulna links 1,4 cm, rechte 1,2 cm. Die linksseitigen Metacarpal¬
knochen erscheinen ein wenig dicker und kürzer als die der rechten Seite und in
den Metacarpophalangealgelenken, soweit dieselben auf der Fig. 1 sichtbar sind, ist
an der linken Hand eine Distorsion der Finger nach der Ulnarseite wahrzunehmen.
Eine gewöhnliche photographische Aufnahme, die hier beigefügt ist, zeigt ebenfalls
die Volumszunahme der ganzen linken oberen Extremität deutlich; dabei sind die
übermässige Abduction des Daumens, wie eine Senkung der linken Schulter willkür¬
lich bei der photographischen Aufnahme entstanden und normal nicht vorhanden.
An den Brust' und Schultermuskeln, und besonders an den Mm. pectoralis, cucullaris,
serratus anticus major, supra-, infraspinatus n. s. w. besteht weder eine Zunahme oder
Abnahme des Volumens, noch eine Functionsstörung. Oie Thoraxbälften haben links
wie rechte in der Höbe der Mamilla den gleichen Umfang 46—47 cm, und Schulter-,
wie auch Ellbogen- und Handgelenk zeigten keine Abweichung von ihrem normalea
Zustande, ebenso die Stellung der Scapula in Ruhe und bei Bewegung. Der M. del-
toideus ist auf der linken Seite vielleicht ein wenig stärker als rechts, während die
Beuger des Unterarms, besonders der M. biceps, und zum Theil auch die Strecker
(M. triceps) auffallend stark entwickelt sind. Am Unterarm fallen die Flexoren,
und besonders die der Ulnarseite: Flexor carpi ulnaris, Palroaris longus, Pronator
teres, Flexor carpi radialis, doch auch der Supinator longus durch ihre kräftige
Entwickelung auf. Spasmen und Contracturen sind, abgesehen von einer kaum er-
wäbnenswerthen, geringen Anspannung des M. biceps, am Ober- und Unterarm nicht
vorhanden. Der Oberarm wird gut gehoben, gesenkt, nach innen and aussen rotirt,
an den Thorax adducirt und von demselben entfernt. Äoch die Bewegungen des
,Googlc
109
rctertnas: Pronation, Supination, Bdogong, StrecknDg werden gnt nnd meist mit
fibergrosser Kraft oder kräftiger als rechts ausgefOhrt.
Am meisten 'verbreitert erscheint die Hand auf der Unken Seite und zwar vor*
viegoid durch wulstige teigige Anschwellungen, die sich Aber den Hjpothenar in
i« Gegend der Mm. abdnctor et Flexor pollicis brevis finden, und an dem Thenar
ifi der Gegend der Mm. palmaris brevis, Flexor brevis, Opponens digii min., sowie
u der Aossenseite des V. Metacarpns in der Kegion des Abdnct. digit. min.; hier
die Schwellungen, die mit Forchen nnd Graben versehen sind, eine liporn-
Ualkhe Consistenz, die in eine derbe, pralle Hasse fibeigeht, sobald die Danmen-
«•Ueamoskolatar (Opposition, Addnction) oder die Kleinfingermnskulatnr (Abductioo,
Filmaris brevisl in kräftige Function tritt. In der Gegend dos Adductor pollicis
lodet sieh mne Einsenkung in der
T>ila manos. Meist steht die Hand in
Sähe leicht gebeugt, pronirt und stark
Bbiarvärts gewendet. Während der
DuBen meist in leichter Abdoction
cod Opposition bei StrecksteUung seiner
beiden Phalangen sich befindet, stehen
die anderen 4 Finger schräg, und zwar
rtark ulnarwärts gerichtet, so, als ob
eie im Metacarpophalangealgelenk dis-
lecirt sind; dabei sind die Finger ge-
beogt nud in die Hand eingescblagen,
nod zwar sind die Basalpbalangen am
meiiten und dauernd fiectirt, während
Flexion der Mittel- und Endphalangen
einen geringeren Grad hat; die Beogong
ist am 4. nnd 5. Finger stärker als
iB 2. nnd 3. Finger, nnd auch der
T. Hetacarpus befindet sich nlnarwärts
rcrichtet und in Beugestellung; ferner
und der 2. und 3., sowie der 4. und
i. Finger, namentlich mit den Basal-
päalangen so stark aneinander adducirt
rsd gepresst, dass die Interdigitalhant
iitr meist rotb and entzündet ist Fixa-
timen und Abnormitäten an den Ge-
isaken der Hand und Finger sind durch
Palpation nicht nachweisbar. Die
Sehaen nnd Fascien der Hatidfiächen zeigen weder Verdickungen, noch Contracturen.
Die Hand kann kräftig gebeugt und gestreckt pronirt, supinirt werden, und auch
die Seitwärtsbewegungen werden kräftig nnd ausgiebig ausgefdhrt Die in Beuge-
knapf stehenden Finger können kräftig zur Faust geschlossen werden, und ist der
Bäfidedmck links kräftiger als rechts; auch werden schwere Gewichte mit der linken
Ba^ kräftiger gefasst nnd gehoben als mit der rechten, doch tritt schnell eine Er-
aeUalfnng und Ennädung an der linken Extremität ein. Die passive Extension der
Gnmd- und Endphalangen geht bei Ueberwindung des Widerstandes der Flexoren
gst -von statten,, doch kehren die Finger schnell in die Beugestellung zurQck; ebenso
ül eiiie Anseinanderbreitung und Spreizung der adducirten und ulnarwärts gerich-
titen Finger passiv möglich. Willkürlich oder activ können die Basalphalangen weder
Wi horizontaler Handbaltung, noch bei dorsalflectirter Hand gestreckt werden, während
£e Endphalangen mit einiger Mühe gestreckt werden können; dabei stehen jedoch
die in den beiden Phalangealgelenken völlig gestreckten Finger im Metacarpophalan-
- vGooglc
110
gealgeleok, also zu den Metacarpalknochen rechtwinklich gebeugt Die paseive wie
active Radialwürtswendung der zur Ulna hingewandten Finger, namentlich dee 2. nnd
3. Finger, ist nicht mOglich. Streckt man passiv die Basalphalangen und 1^ die
Hand auf eine feste Grundlage, so können die Endphalangen willkürlich gnt ge¬
streckt werden, doch ist das Spreizen der Finger auch jetzt nur zum Tbeil möglich;
namentlich kann der 4. Finger nicht zum 3. adducirt und der 2. nicht vom 8. ab-
ducirt werden. Der Daumen, der meist ohne Spannung in leichter Abduction, Oppo¬
sition und Strecksteilung steht, kann gut gebeugt,. gestreckt, opponirt, abducirt nnd
auch an den cinarwärtsgerichteten II. Hetacarpns adducirt werden; nur die Adducüon
des Daumens geschieht hier nicht so kräftig wie an der rechten Band. Sehr kräftig
sind die Bewegungen des kleinen Filters: Abduction, Adduction, Flexion, Opposition;
dabei verschwindet die lipomähnlicbe Auftreibung über den Tfaenar und neben dem
Fig. 2.
V. Metacarpus; nameutiieh bei der Innervation des M. palmaris brevis tritt eine auf¬
fallend starke, derbe Wulstbildung mit grubenartigen Vertiefungen über der Klein-
üngermuskulatur hervor; auch gelingt es bei der dauernden Flexionsstellung des
kleinen Fingers hier leicht den M. palmaris brevis, der stark verdickt erscheint,
isolirt, willkürlich zu innerviren, was auch bei passiver Streckung des kleinen Fingers
dem Kranken gut gelingt (Fig. 2).
Alle die angeführten Bewegungen können prompt, schnell und plötzlich aus¬
geführt, wie auch unterbrochen werden. Eine Zunahme der Beugecontractur oder
clonische Zuckungen konnten bei passiven Ueberdehnungen oder Ueberstreckungen
nicht erzielt werden; auch traten nie spontane Bewegungen (atbetose- oder tetanie-
ähnUebe), schmerzhafte Crampi und dergleichen auf; fibrilläre Zuckungen waren nicht
vorhanden, ebenso fehlten trophisebe Störungen der Haut, Haare, Nägel, Cjanose,
Kältegetühl und Geßssanomalieen.
Die Streckseiten waren an beiden oberen Extremitäten stark behaart. Die
Sensibilität war normal, die Nervenstämme nicht druckempfindlich, Tbocsskaü's
D, - -/Google
ni
FUnomen nicht zn erüelen; anch fehlen Drackschmerzpookte in den SchlQsselbein*
pubea, an der Wirbelsäule, an Knochen and Gelenken der ganzen Extremit&i
Die mechanische Moskelerregbarkeit war nicht erhöht, die Sebnenrefleze lebhaft,
idcli nicht gesteigert. Anch an den anderen Körpertheilen, Schulter, Rumpf, untere
Extremitäten, sowie an dem rechten Arm und Hand waren Atrophieen, Hypertrophieen,
FoodionKtöningen nicht vorhanden. Die Waden waren beiderseits stark nud hatten
«Mi Umfang von 38 cna. Die Patellarrefleze waren an beiden Extremitäten gleich
avk, anch die Länge und die motorische Kraft dieselbe. Ebenso fehlten am Gesicht
ksndere Anomalieen; die linke Kasolabialfalte war zwar in der Buhe mehr ver*
aticben als die rechte, allein bei Bewegungen, Sprechen, Lachen war eine Differenz
a dw Innervation beider Gesichtsbälften nicht festzustellen. Papillen, Hirnnerven,
{^dusche Functionen waren ungestört
Was die elektrisclie Untersuchung anbetrifft so war trotz wiederholter, ein-
;ri»ader Unterauchang eine erhebliche Abweichung von der Norm an den Nerven
Muskeln der Unken oberen Extremität nicht festzostellen. Obwohl Nerven und
Modeln auf beide Stromesarten gut und schnell ansprachen, konute von einer Er*
kehimg der Erregbarkeit nicht gesprochen werden.
Tom Kn. radialis, medianns, ulnaris, wie bei directer faradischer und gal*
Tiräeher Reiznng waren aUe Muskeln, so namentlich die Interossei, Adductor
pdlkiB, die Kleinen Daumenballen* und Kleinfingermosknlatur, der Flexor und
Sztamor carpi radialis gut erregbar und von an^iebigen Bewegungen begleitet
Sv der Extensor digitorum communis, wie der Extensor indicis und digiti minimi
beviikten weder bei directer, noch bei indirecter Beizung eine Extension der Basal*
pittlangen, obwohl bei starker Beizung eine Anspannung der Muskeln am Unterarm
od der Extensoreosehnen an dem HandiUcken sichtbar und fohlbar war; nur am
üfliaai Finger war eine geringe Extension der Gnmdphalanx za erzielen. Wo die
Zscksngen vorhanden waren, traten sie prompt und blitzartig auf; Überall zeigten
^riasanng a. und OeffnongszuckuDgeD, Kathoden* und Anodenreizung normale Ver*
kältaiase zn einander. AoTe war nicht zo erzielen. Nirgends war eine träge
Xackung, eine Nachdauer der Contractiou, Dellen-Furchenbildung oder Undulireo bei
wtxaisehen Beizen festzustellen; ebenso wie für die myotonische, fehlen die für
Tetanie oder Myasthenie chrarakteristischen Beactionen. Der M. palmaris brevis war
la der fibUcben Stelle des Hypothenar direct, wie vom N. ulnaris aus Ober dem
Hndgelenk und am Ellbogen gut erregbar und zeigte sich auch hier eine auffallende
Wolst* und Forchenbildung an der Ulnarseite der Tola manus.
Der Krampfzostand blieb während der mehrmonatlicben Beobaebtungszeit an*
wnndert Das psychische Terbslten hatte auf die Intensität desselben ebensowenig
mm Einfloas, wie die elektrische Behandlnng.
Wie aos der Beschreibung ersichtlich ist, bandelt es sich hier um einen
isgeborenen und stationären Zustand von Krampf und Hypertrophie bestimmter
Muskeln der linken oberen Extremität Wir finden eine Volumenszunahme mit
dffber nnd fester Consistenz an den Muskeln des Ober- und Unterarms, während
in der Tolaifiäche der Hand (Thenar und Hypothenar) die Hypertrophie der
Makeln einen mehr teigigen, schlaffen Charakter hat. Neben der Muskel*
kypertrophie, die besonders die Flexoren und die Ulnarseite betrifft, konnte eine
Rnnge Verdickung der Knochen der Extremität festgestellt werden. . Dazu
ein dauernder tonischer Krampf, an dem die Interossei, die langen
Beuger der Endphalangen der Finger, die Beuger der Hand an der Ulnarseite
' ketbeüigt sind. Die starke Beugung der Basalphalangen und die Adduction
^ Finger moaste auf einen Krampfzustand der Interossei zurückgefuhrt werden;
- Google
112
wären diese allein am Krampf betheiligt, so mnssten wir eine gleichzeitige
Streckung der Endphalangen erwarten können; allein die Endpbalangen an den
4. Fingern standen ebenfalls in Beugecontractur, so dass eine Betheiligung der
langen Flexoren der Finger an dem Erampfzustand angenommen werden musste.
Die Beugung und Ulnarwendung der Hand kam durch einen Krampf des
Flexor carpi ulnaris zu Stande. Eine Lähmung des Extensor carpi radialis
longus (Extensor abductorius) war ebensowenig festzustellen, wie eine solche des
Extensor carpi ulnaris oder anderer Muskeln.
Die Function der langen Strecker der Finger war durch die dauernde Con-
tractur und pathologische Beugestellung der Finger und Hand unmöglich ge¬
worden; wozu auch die pathologische Stellung in den Metacarpopbalangeal-
gelenken beitrug. Die anderen vom N. radialis versüßten Muskeln, wie der
Supinator longus, Trioeps, der Extensor carpi radialis et ulnaris, die Strecker
des Daumens, functionirten gut und kräftig, Auch war eine sichtbare Atrophie
der langen Fingerstrecker nicht vorhanden, vielmehr sah man die Sehnen des
Extensor digit commun., Extensor indic. et digit minim, bei starken elektrischen
Reizen am Rücken der Hand sich anspannen und hervortreten. Ebenso war
an den lipomatös oder pseudohypertrophiscb erscheinenden Muskeln des Daumen-
und Kleinfingerballens weder eine Functionsschwäche, noch eine Atrophie nach¬
weisbar. Die kräftige Tbätigkeit derselben, die gute elektrische Erregbarkeit,
und die derbe Wulstbildung bei der Action der Muskeln deuten darauf hin,
dass auch hier eine echte Hypertrophie der Muskeln trotz der weichen, teigigen
Bescbafienheit vorhanden war.^
Bei den krampfartig angespannten Interossei überwiegte die Wirkung auf
die Extension der Basalphalangen und auf die Adduction der Finger, während
auch die durch den Krampf der langen Beuger flectirten Endphalangen in ge¬
eigneter Stellung durch die Interossei kräftig willkürlich gestreckt werden konnten.
Wir haben es demnach mit einem tonischen Krampfzustande zu thun, der
einzelne Muskeln betrifft, die vom N. ulnaris und vom N. medianus versorgt
werden; frei von dem Krampf bleiben im Gebiete des N. ulnaris der Adductor
pollicis, der Abductor, Opponens digiti minimi, der Falmaris brevis. Vom
N. medianus ist allein der Flexor digitonim sublimis et profundus von dem
Krampfzustand befallen.
An der Hypertrophie nehmen nicht nur die an dem Krampfzustand be¬
theiligten Beugemuskeln Theil, sondern auch die Beuger des Unterarms (M. bi-
ceps — M. ooracobrachialis) und zum Theil die Strecker (Supinator, Extensor
carpi radialis, ulnaris und vielleicht auch der Triceps). Die Muskeln des Klein¬
finger- und Daumenballens zeigen allein eine Volumensvermehrung von teigiger
Consistenz ohne Muskelkrampt Jedenfalls dürfte der Umstand, dass die derbe
und schlaffe Muskelhypertrophie auch an solchen Muskeln auftritt, die vom
Krampf völlig frei sind, zum Beweis dienen, dass die Hypertrophie hier nicht
nur eine Folge des Krampfes sein kann.
' Die ExcUioQ eines Moskelstflckchens wollte der Pat. nicht gestatten.
n.-, Google
113
Aofiallend ist noch in dem beschriebenen Falle die Hypertrophie und die
illngkät zur isolirtem willkürlichen Innervation^ des M. palmaris brevis, der
Muntlich vom Ulnarrand der Aponenrosis palmaris ao^ht und mit 3—4
qosgerichteten Streifen die Muskeln des Eleinüngerballens überspannt, um sich
un ülnarruid der Hand in der Haut zu verlieren. Es gelingt meist, ebenso
vie bd dem Kranken hier, diesen Muskel durch elektrische Reize vom N. ulnaris
Iba dem Handgelenk oder durch directe Reizung zwischen dem Hakenbein
Bfid dem Ansatz des M. opponens digit min. zur ContractiDn zu bringen. Eine
fiilkörUche isolirte Innervation konnte ich bei anderen Personen nicht beob«
lehteo. Meist tritt bei diesen bei starker Beugung des kleinen Fingers oder
oodi regelmässiger bei starker Abduction des kleinen Fingers unwillkürlich eine
kitbewegong des Palmaris brevis auf, die sich in starker Falten- und Gmben-
bOdoDg in der Gegend des Hypothenar äussert und bei manchen Individuen
oft langsam einige Secunden nach Ausführung der Abduction oder der extremen
Flexion des kleinen Fingers als Mach- bezw. Mitbewegung in die Erscheinung
mtt. Versorgt wird dieser Muskel vom Ramus volaris superüdalis des K. ulnaris.
Seme Mitbew^ung bei verschiedenen Muskelinnervationen, ebenso wie seine Aus-
fatMung and Stärke scheint individuell sehr verschieden zu sein.
Veber Site und Ursache der beschriebenen Anomalieen lässt sich kaum
etwas Sicheres sagen; man muss zunächst wohl an angeborene Bildungsstörungen
^oken, die intrauterin entstanden und wohl eher durch periphere, als centrale
^woknngen bedingt sind. In dem einzigen anal(^en Falle, den ich in der
Iktoator auffinden konnte, bringt Fb. Schutze^ diesen stationären Krampf
■it dem angeborenen spastischen Schiefhals in Parallele. In diesem Falle
boddt es sich am ein 18jähr. Individuum, das jede centrale Erkrankung aus-
ieUieswen Uess und seit einigen Jahren (?) einen Krampf und Hypertrophie des
Iahten Klemfingerballens, des rechten Vorderarms, und zwar besonders der
and der Ulnazseite aufwies. Die rechte Hand war ebenfalls erbeblich
B^mgreicber, als die linke, und die Finger standen in Bengecontractur. Sohultz’s
7aü von stationären Muskelkrampf in den Beugemuskeln st-eht, wie auch
BouTHABDr’ hervorbebt, ziemlich isoliit da. Vorübergehende tonische Krämpfe
*3 Bengemoskeln der Hand und Finger sind von y. Stbühpell, SEELiauüiiLBB,
Weib Mitchell beschrieben. Auch Bebnhabdt^ beobachtete einen merk-
vürdigen Fall von idiopathischem Mnskelkrampf im Bereiche der Nn. medianus
nd ulnaris an der rechten oberen Extremität; derselbe war aber ebenfalls nur
tc^fübagehender Natur und betraf einen 25jährigen Mann, dessen Patellarreflexe
fehlten Dort war der M. palmaris brevis an dem Krampf betheiligt, und der
£nmpf der Interossei äusserte sich in Streckung der Eudphalangen und Spreiz-
^ Dieselbe erinnert an die willkarlicbe InnerTation and Bewegung der Stirn-Kopfbaut
■ad Ohrenmiukeln, wie sie bei einzelnen Personen möglich ist
* üeber nngewöbnlidi localisirte Moekelkrämpfe and Hjpertropbie der betroffenen
IwArhi Zeitsehr. f. Nervenheilk. Bd. III. 1898.
* Die Erkrankungen der peripberiecben Nerren. II. Theil. 1897. S. 137. Wien.
* Archiv £. Psjcb. Bd. XJX. Febmar 1668. — 1. c. S. 136.
8
■' Google
114
Stellung der Finger; Hypertrophieen fehlten hier yollkommen, während sie in
dem Falle Sghültzb’s nur den Hypothenar, nicht auch den Thenar einnehmen.
Eine Verwechselung des eigenartigen Symptomencomplexes mit anderen
Krankheitsersoheinungen ist wohl kaum m^lioh, wenn auch Berührungspunkte
mit anderen Affeotionen vorhanden sind. Was zunächst die monoplegische Form
der sog. cerebralen Kinderlähmungen anbetrifft, so fehlen hier die anamnestischen
und ätiologischen Momente, ferner alle cerebralen Erscheinungen, die Lähmung
oder Schwäche, die Wachsthumshemmung, die choreatisch-atactischen oder athe-
totischen Bewegungen, der spastische Zustand in anderen Huskelgebieten
(Adductoren der Beine), die Reflexsteigerung u. s. w. Zwar ist in einzelnen Fällen
eine Hypertrophie der Muskeln dabei beobachtet worden, allein wohl nur im
Anschlüsse an starke athetotische Bewegungen, und stets entsprach die Hyper¬
trophie dem Grade der Athetose. Bei dieser bleiben auch die langen Finger¬
beuger meist verschont, und die mittleren und Endphalangen sind überstreckbar
und überaus beweglich und leicht spreizbar.
Auch g^en eine posthemiplegische Spätcontractur spricht das Fehlen des
charakteristischen Beginns und der Lähmung; es fehlt die Betheiligung anderer
Eörpertheile (Gesicht, Bein), die Muskelirritabilität und Steigerung der Sehnen¬
reflexe; auch sind die Interossei hierbei gar nicht oder wenig betheiligt
Für die Dystrophia musculorum progressiva fehlten die l''unctionsschwäcbe
der hypertrophischen Muskeln, der pn^ressive Verlauf, die ^mmetrische oder
beiderseitige Affection und die eigenartige Localisation. Hier sind bekanntlich
die kleinen Handmuskeln von der Hypertrophie fast stets verschont, wenn wir
von einzelnen Ausnahmen absehen (Extensor des Daumens [Gowebs] und Hyper¬
trophie des Abductor indicis [Tatlob]). Dazu gehört ferner die hier nicht vor¬
handene Atrophie der Muskeln des ^hultergürtels, des Bioeps, Quadriceps oder
die Hypertrophie im Deltoideus, Gastrocneumins, Infraspinatus u. s. w. Auch
sind Retractionen oder Gontracturen dabei selten und wenig ausgeprägt
Für Tetanie und Myotonie fehlen ebenfalls alle charakteristischen Er¬
scheinungen.
Wiederholt sind endlich Muskelhypertrophieen nach übermässigem Gebrauch
bei Athleten u. s. w. beobachtet worden; auch kommt es bei diesen gelegentlich
nach Ueberanstrengungen vor, dass die echte Muskelhypertrophie mit ihrem
derben, prallen Charakter unter Herabsetzung der Kraft in eine weiche, teigige
Consistenz (Pseudohypertrophie?) übergeht, diese hypertrophischen Muskeln sind
mitunter, wie die unseres Kranken, zu gesteigerter Kraftentfaltung für kurze
Zeit befähigt, ohne Ausdauer zu zeigen, ln der Regel ist der Sitz dieser Hyper¬
trophie an dem Schultergürtel, den Oberarmen, Oberschenkeln, Waden, Glu-
taei u. s. w.
In diese letzte Kategorie gehört wohl auch der von Jolly im Anschluss
an diese Krankenvorstellung erwähnte Fall von L. Auebbaoh.^ Hier entstand
bei einem jungen Manne während der Militärdienstzeit eine Hypertrophie der
* Ein Fall von wahrer Moskelbypertrophie. Virchow's Archiv. Bd. LIII. 1871.
Google
115
dert^o Moskulatur des ganzen rechten Arms und besonders der Mm. deltoideus,
bic^ des Vorderarms und Daumenballens. Mit dieser Hypertrophie gii^ eine
bläuliche Marmorimng, eine Venenerweiterung und Kältegefiihl der Haut einher;
aiMfa erlahmte der Arm schnell bei anstrengenden Hebungen. Diese Wachs-
tbaouzimahme der Muskulatur kam bald zum Stillstand, und die Leistungs>
Öligkeit besserte sich im Laufe der Zeit Die mikroskopische Untersuchni^
ones SQs dem Biceps exddirten Muskelstückchens erwies eine echte Muskel-
hjpertiophie (Volumenszunahme der Muskelfasern mit proportionaler Kem-
Tomehning). Auffallend war in dem Falle Auebbach's die Zunahme der
Sefavere der hypertrophischen Extremität (um 3 Pfund schwerer als die linke),
sne Eiseheinung, die auch bei meinem Kranken vorhanden war.
11. Referate.
Anatomie.
1) Untergachungen über den Faserverlauf ün Cbiaema des Pferdes und
Uber den binoonlsren Sehaot dieses Tbieres, von H. Dealer. (Arbeiten
aas Prof. Obersteiner’s Laboratoriuna. 1897. Wien.)
Terf. «eist zunächst darauf hin, dass eine Beihe von Momenten dafür spricht,
hag mh das Pferd einen binocnlaren Sehact hat; freilich ist diese Annahme noch
itiaesTegs bewiesen. Verf. bringt nun als weitere Stütze einer solchen Annahme
eise Befände, die eine partielle Opticnskrenznng auch beim Pferde beweisen. Er
■Bdelrte einem 2 Tage alten Fohlen einen Bnlbns und tödtete das Thier nach
^Mceateo. Das Nerven^stem wurde nach Pal untersncht. Zur Controlle dieser
l‘d|iarate wurde einem lOjähr. Pferde das eine Auge enuclelrt und das Thier nach
oOTigen getödtet; die Präparate worden hier nach Marchi gefärbt. Die in beiden
erhobenen Befunde, die im Detail wiedergegeben und durch Abbildungen
:^aärirt werden, ergänzten sich in schöner Weise nnd erlaubten bezüglich des Ver¬
gab der Optieosfasem beim Pferde folgende Schlussfolgerungen: Nach einseitiger
uodeatioo traten beim Pferde Degenerationen apf, welche sich in ihrer Hauptmasse
a den cootralateralen Tractns fortsetzt, znm kleineren Theile jedoch in den gleich-
Tractus Übergeht. Ersterer entspricht einem mächtigen gekreuzten, letzterer
^ schwächeren ungekreuzten Bündel. Die nicht gekreuzten Fasern sondern sich
dem Gitteigeflecht des Ohiasmas in der cerebral gel^enen Partie ab, liegen im
IVsetosaostritt dorsolateral, später ganz seitlich, verlaufen jedoch nicht als isoUrter
Suug im Tractns. Die Gesammtheit dieser Fasern dürfte etwa Fasern des
Tnctos ansmachen. Diese Zahl ist jedenfalls viel zu gross, als dass sie functioneil
^«iuglos sein oder bloss zur Versorgung der oculo-pupillären Impnlse dienen sollte,
spielt dieselbe beim Sebact sicherlich eine bedeutende Rolle. Die beim
sehr mächtige Gudden’sche nnd die Meynerfsche Oommissur verläuft zum
IWl vermischt, znm Theil durch Gliasephen von einander getrennt. Äboral von
•w Commissnr existirt ein schwacher gekreuzter Faserzug, der einseitig degenerirt
^ vahrseheinlich der ForeTschen Commissur entspricht, womit auch die Beobach-
tsngei von Leonowa am Menschen übereinstimmen. Ein directes Verfolgen ein-
8 *
- K, Google
116 —
zelner Fasern oder eines Bdodels im Ghiasma auf längere Strecken erscbeint namdg*
lieh, da alle Bündel versebiedene Windnngen dorcbmacben.
Verf. erachtet durch seine Befunde den Beweis der Fartialkreuzung beim Pferde
erbracht, zumal durch den oben referirten Fall von Schlangenhaufer auch der
anatomische Beweis im Sinne KOllicker’s für die partielle Kreuzung beim Menschen
g^eben sei; wird die partielle Kreuzung als anatomisches Substrat fdr das binoeulare
Sehen betrachtet, dann ist auch beim Pferde der binoeulare Sebact erwiesen.
Redlich (Wien).
2) Sur les appendices des dendrites, par Stdfanowska. Commun. prdlimin.
(Bulletin publid par la Socidtd royale des Sciences mddicales et naturelles de
Bruxelles. 1897.)
Die Hittheilungen des Verf.’s beziehen sich auf den reifartigen Besatz, welchen
die Dendriten der Nervenzellen an Präparaten aufweisen, welche nach einer der
Imprägnationsmethoden (Ramön y Cajal, Oolgi) bergestellt worden sind. Derselbe
wird von ziemlich regelmässig geformten ovoiden oder bimenförmigen Körperchen
gebildet, fOr welche der Name „Corpuscules piriformes“ vot^escblagen wird. Da die
Dendriten diejenige Einrichtung darstellen, welche den „Nervenstrom“ zum Zellkörper
hinleiten, so hätten die Corpusc. pirif. die Bedeutung, die Oberfläche der Dendriten
zu vergrössem und damit die Contaetbedingungen zu yerbessem. Wenn die Proto-
plasmafortsätze sich in dem sog. Etat perld befinden, in dem sie ein rosenkranzartiges
Aussehen darbieten, so sind die Corp. pirif. an ihnen der Zahl nach vermindert
Nicht selten habe man Gelegenheit zu beobachten, wie dieselben sich in die perlen¬
artigen Anschwellungen zurückziefaen und gewissermaassen in denselben untertauchen.
Aus dem Vorkommen der rosenkranzartigen Anschwellungen der Dendriten und dem
eigenartigen Verhalten der Corp. pirif. an denselben wird der Schluss gezogen, dass
die Protoplasmafortsätze keine fixirteu unbeweglichen Gebilde sind, sondern zu Be¬
wegungen sowohl in longitudinaler wie transversaler Richtung beßhigt sind.
Hax Bielschowsky (Berlin).
Experimentelle Physiologie.
3) Studi SU testl mentali, per Rudolfo Pinali. (Archivio di psichiatria, seiend
penali ed antropologia criminale. XVIII. S. 538.)
Verf. hat an 5 Männern und 5 Frauen Versuche Aber das Gedächtniss für
optische und acustische Bindrficke, geometrische Figuren, Zeitschätzung, Baumstrecken¬
schätzung, Aufmerksamkeit beim Hören (besser wohl als Auffassungsfähigkeit zu
bezeichnen) und Vorstellungsverbindungen gemacht Er zeigte 10 Objecte, Worte,
Ziffern und Eigennamen 5 Secunden lang und liess sich dieselben dann nennen; die
gleiche Aufgabe musste dann für ausgesprochene Worte, Ziffern und Namen gelöst
werden. Aus dem Ueberwiegen der richtigen Fälle beim Sehen oder Hören schloss
Verf. dann auf einen visuellen, acustiseben oder gemischten Typus. Das Nachzeichnen
der geometrischen Figur gelang nie vollständig; welchen Werth es überhaupt für
die Beurtheiluog des geistigen Zustandes haben kann, lässt der Verf. uiierörteri
Zur Prüfung der Aufmerksamkeit benutzte er das Zählen eines bestimmten Buch¬
stabens beim Vorlesen eines Prosastückes. Bei den Associationsversuchen nannte
oder zeigte er ein Wort und liess sich nun die erste Vorstellung oder das erste
Bild nennen, das auftaucbte. Heber die Schwierigkeiten seines Unternehmens scheint
sich der Verf. so wenig klar geworden zu sein, dass er sich, abgesehen von den
./Google
117
nhlr^ra Fehlern seiner Uethode, nicht einmal bemüht hat, zu ontersuchen, ob
dM erhaltenen Besnltate constant sind, und jede Person nur einmal untersuchte.
Ascbaffenburg (Heidelberg).
4) lieber die Veränderungen in der Blutoirculation naoh Einwirkung
des Nebennieren•EztraoU, von Dr. Alois Velich. (Allgem. Wiener med.
Zeitung. 1897. Nr. 27 — 29.)
Yerf. prüfte die Einwirkung des Nebennieren-Extracts von Fröschen auf die
BlatcirculaÜon von Hunden und Kaninchen und fasst die Resultate seiner Experimente
D folgenden Sätzen zusammen:
1. Der Extract ans den Frosch-Kebennieren, und zwar von Kana esculenta und
Bm temporaria, bewirkt bei Hunden und Kaninchen eine Blutdrucksteigerung und
Soang der Centra der N. vagL
Nach Durchtrennung der erscheint nach der Injection neben der Blut*
drucksteigemng eine Äcceleration des Pulses.
3. Dieselbe Wirkung wie die Vagusdnrchtrennnng bat anch eine starke Curare*
mgiftnng zur Folge.
Hierin li^ scheinbar ein Unterschied der Wirkung des Nebennieren • Extracts
TOD Wannblütlem und wechselwarmen Thieren, da der Extract von WarmblOtlem
bei stark cnrariairten Hnnden eine Retardation des Pulses bewirkt. Doch hat Verf.
in letzter Zeit nach Injection von weniger coocentrirten Extracten bei stark curari*
arteo Händen anch ein Ausbleiben der Retardation des Pulses beobachtet, was sich
«■küren lässt ans der Schwächung des Tonna der Vaguscentra durch starke Curare*
wgiftung. IHe Differenz der beiden Extracte scheint also nur eine quantitative zu
sein, indem Froscb-Nebenniereu’Extracte die Vaguscentren schwächer reizen.
4. Die Blatdrucksteigerung nach der Injection des Frosch-Nebennieren-Extracts
ist von dem verlängerten Harke unabhängig, denn sie tritt anch nach Zerstörnng
deaselben ein. Dabei macht sich gleichzeitig, wie bei dem Extracte der Säugethier*
Kebomieren, auch eine Pnlsacceleration geltend.
In allen Versuchen erwies sich somit die Einwirkong des Extracts von Frosch*
Sebennieren übereinstimmend mit jener des Extracts der Nebennieren von Sänge*
üieren, woraus folgt, dass beide Extracte diMBlotcirculation in gleicher Weise be*
e&flnsaende Substanzen enthalten, woraus mB weiterhin folgern kann, dass die
Sinnieren der Frösche als denen der SäugetA-e vollkommen entsprechende Organe
asfznfassen sind. Für die Verwerthung der mhlreichen an Fröschen angestellten
Kebennieren'Experimente in der menschlichen Pathologie und Physiologie ist diese
Tbatsache von Bedeutung. J. Sorgo (Wien).
Pathologische Anatomie.
5) Heber die Todesfälle und Seotionsbefunde der ZUroherlsohen kanto*
neleo Irrenheilanstalt Burghölali vom 17. Uära 1879 bis 17. Märs 1896,
von Arnold Brehm (St. Imier). (Allgem. Zeitschr. f. Psych. Bd. LIV. S. 373.)
Während der 17 Jahre, die der Statistik zu Grunde liegen, starben von 3927
behandelten Kranken 607 = 16,45 Davon entfallen aber auf Paralyse, senile
Daaenz und andere oi^nische Qehimerkranknngen 382 Todesfälle (nuter 690 Kranken).
ÜBter den 4 als Delirium acutum geschilderteu Kranken führt der Autor einen Exitus
iof Hitxschlag zurück. Dieser entstand durch die Einwickelung in trockene Woll*
deeken bei anhaltendem Stränben des tobenden Kranken. Die 510 Alkoholpsychosen
(l3®yo) hatten eine Mortalität von 7®/(,. Im Ganzen fand sich Tnberculose der
Google
118
Lungen in 35, der Lungen und Eingeweide in 50 Fällen, der Eingeweide allein in
1 Fall. 14 aller Gestorbenen sind also der Fbtbise erlegen. 4 Kranke endeten
durch Selbstmord. Alle anderen Einzelheiten werden am besten im Original nach¬
gelesen. Ascbaffenburg (Heidelberg).
6) Hikroskoplsohe Veränderungen der Nieren und Leber in 62 Fällen
Ton Fsyohonenrosen, von Dr. M. Falk. (Wjestrik psichiatrii i neuropato-
logii. 1897. KU [russisch].)
Das klinische Material der Arbeit stammt ans der St. Petersburger städtischen
Irrenanstalt und bestand aus 52 Fällen functioneller Psychosen; davon waren 22
acut, aus der Gruppe Amentia, 17 subacut mit protrahirtem Verlauf, 11 Fälle
chronischer Paranoia und secundären Schwachsinns, 2 Fälle psychischer Epilepsie.
Die meisten standen im Alter von 18—40 Jahren. Die Todesursache war verschieden
— in 28 Fällen Lungentuberculose, in 10 Gehimcongestion, ferner in einzelnen Fällen
croupCse Pneumonie, Magengeschwür, Lungengangrän u.s. w. Nieren und Leber wurden
ausftlbrlicber mikroskopischer Untersuchung unterzogen, und die Ergebnisse derselben
sind in der Arbeit des Verf.’s für jede einzelne Gruppe seiner Patienten eingehend be¬
schrieben. In den Nieren waren in allen Fällen, sowohl den acuten, als auch den protra-
hirten und chronischen, patholc^sche Befunde zu constatiren, und zwar hauptsächlich in
Gestalt parenchymatöser Degeneration und interstitieller Nephritis. Die erstere offenbarte
sich in allen möglichen Uebergangsformen von einfacher Trübung des Epithels bis zn
Zerfall und Atrophie desselben, mit besonderer Neigung zur hydropischen Entartung
Die Intensität des Processes war in den acuten Psychosen grösser als in denjenigen
mit protrahirtem oder chronischem Verlauf. Ausserdem wurde in 19 Fällen inter¬
stitielle Nephritis coostatirt, und die Mehrzahl derselben gehörte ebenfalls zu den
Gruppen der acuten und subacnten psychischen Erkrankungen. — Die Veränderungen
in der Leber bestanden in fettiger Entartung, Infiltration und Atrophie der Leber¬
zellen, Pigmentablagerung, Sclerose der Gefässe; ausserdem fanden sich in einzelnen
Fällen sclerotische Veränderungen seitens des Interstitialgewebes. Auch hier
überwog die Intensität der pathologischen Processe in den acuten und subacuten
Psychosen, während dieselben in den chronischen Fällen bedeutend schwächer aus¬
geprägt waren.
Bei der Beurtheilung der Bedeutung seiner Befunde sucht Verf. zuvörderst durch
Zusammenstellung der betreffenden Todesursachen nachzuweisen, dass die parenchy¬
matösen Veränderungen der Leber und Nieren, die mit solcher Beständigkeit bei
acuten und subacuten psychischen Erkrankungen Vorkommen, nicht durch somatische
Affectionen des Oiganismns erklärt werden können. Ferner hält er es für an^e-
schlossen, dass die allgemeinen Lebensbedingnngen bei diesen Psychosen, z. B. unge¬
nügende Emährnng, Schlaflosigkeit, Aufregung u. s. w. als wesentliche Ursachen so
intensiver pathologischer Processe im Leber- und Nierenparenchym betrachtet werden
können. Da in vielen der untersuchten Fälle Veranlassung war, anzunehmen, dass
die Veränderungen der parenchymatösen Organe der Entwickelung der psychischen
Erkrankung voransgingen, und da bei Sectionen Nichtgeisteskranker chronische inter¬
stitielle Nephritis bedeutend seltener constatirt wird, als bei der Untersuchung der
Nieren von Geisteskranken (Bamberger, Bond), so gelangt Verf. za der Annahme,
dass die Psychose selbst durch einen toxischen Reiz bewirkt wird, durch welchen
auch die Erkrankung der Nieren entstehen kann. Ausserdem hält er es für möglich,
dass die Veränderungen der Nieren und Leber durch Beeinflussung seitens des cen¬
tralen Nervensystems bedingt sein können. P. Rosenbach (St. Petersburg).
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119
Pathologie des Nervensystems.
7) BeitrSge rar Symptomatologie und .Anatomie der Akromegalie, vou
Prof. Fr. Schnitze. Hit anatomischen Beiträgen von Dr. Jores, Privatdocenc
in Bonn. (Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. XI. 1897.)
Verf. konnte den 1889 zuerst beschriebenen typischen Fall von Akromegalie
Jikre hindurch klinisch beobachten und kurz vor dem Exitus die eine Hand einer
Duchleucbtung mit Röntgen «Strahlen unterwerfen lassen. Es fand sich dabei nicht
ur eine Auftreibung der Hautcontonren in der Gegend der Mittelphalangeu, sondern
udi eine Verdickung der Knocbensubstanz der Grund- und Endphalangen. Die von
Dr. Jores vo^enommene anatomische Untersuchung ergab eine ausgebreitete Ver-
ttdenmg des Enochensystems, besonders des Schädels, in Form einer partiellen
Weehernng und einer theilweisen Verminderung des Gewebes; ferner Veränderungen
sii^r Gelenke nach Art der Arthritis deformans, erhebliche Hypertrophie der
Bjpopbysis und Thyroidea nebst persistirender, grosser Thymus, Vergrösserung vielM*
merar Organe. Neigung zu multipler Geschwulstbildung der Haut (Eeloide), Ver-
dkkiQ^ und Entartung der Huskulatnr des linken Herzens, mässige Ärteriosclerose
ad STCundire Optienaah^phie. Am BQckenmark fand sich ausser einer ganz geringen
Difmention der Goll’sehen Stränge Verdickung der Pia und deren Gefässe, mässige
Twdiekong der centralen Böckenmarksgefässe und Obliteration des Centralcanals im
Bai»- and Doiaaltheil.
In klinischer Beziehung war bemerkenswerth, dass die einzelnen Erankheits-
mekwiangen im Laufe der Jahre zu- und später wieder abnabmen, nur die Störung
dtt Sehvermögens blieb stationär. Eine vorübergehende Anwendung der Marchi-
whn Hypophysiatabletten brachte keine Besserung.
Zorn Schluss theilt Verf. einen weiteren, klinisch beobachteten Fall von Akro-
aefzlie mit, bei welchem eine mässig starke, multiple Exostosenbildung am Hinter-
iasi^bein, an dem Ober- und Unterkiefer, an der linken Clavicula und linken Tibia
Rffllig ist, während Hypophysisersebeinungen fehlen. Hierbei war eine mehr-
v^chmtliebe Oarrelchung der genannten Hypophysistabletten ohne den geringsten
üitzeiL E. Asch (Frankfurt a./M.).
S) Bin Beitrag rar Pathologie und pathologischen Anatomie der Akro¬
megalie, von Prof. Dr. Adolf Strümpell in Erlangen. (Deutsche Zeitschr.
f. Nervenheilk. XI. 1897.)
Bei einer 23jähr^en Dienstmagd wnrden schon vor 12 Jahren Anschwellungen
in Geächt nnd an den Händen bemerkt, vor 4 Jahren stellten sieh starke Meu-
^nahousbesehwerden and bald darauf Amennorrhoe ein, wegen deren die Castration
^e^ommen wnrde. 1 Jabr darauf starker Zuckergehalt des Harns und erste Fest-
*tiliug der Akromegalie durch den Verf. Die eingehend mitgetheilte Kranken-
raehichte schildert die einzelnen Symptome des typischen Falles auf das Genaueste.
Bnmders ins Auge springend waren die allgemeinen Verändemngen der Körper-
die charakteristische Vergrösserung des Unterkiefers, die tatzenförmig ver-
wtaheten Hände und Füsse and die Entwickelung eines Hypophysistumors. Die
fitsumtdauer der Krankheit betrag 8—9 Jahre, während derselben war der Harn
voribergebend zuckerfrei. Im Anschluss an den Diabetes oder an eine bestehende
iKoatuwotia urinae stellte sich eine eitrige Pyelonephritis ein, deren Folgen die
Kruke erlag. Bei der Section konnte aus äusseren Gründen nicht das ganze Scelett
a Bebaeht gezogen werden. Die anatomische Untersnehung des Unterkiefers liess
^kmoen, dass die Veigrössemng der einzelnen Tbeile nur durch ein abnormes
Wiebsthom bedingt war, während sieb am Knochengewebe nirgends entzündliche
oyGOOgIC
120
YeränderungeD feststellen Hessen. An der Schädelbasis fiel eine abnorme Breite der
Sella tnrcica auf. Der Hypophysistumor batte den Charakter eines weichen, bös¬
artigen Sarcoms, das den Keilbeinkörper und den oberen Theil der Nasenhöhle ganz
dnrcbwuchert und auch auf die linke Augenhöhle flbergegriffen batte. Während der
nach dem Gehirn zu gelegene Theil der Geschwulst von mehr gutartigem, strumösem
Charakter war, zeigte die untere, dem Knochen aufliegende Partie derselben sarco*
matöses Verhalten, woraus bervorgeht, dass der ursprünglich gutartige Tumor nach
und nach malignen Charakter annahm. Die Haut war fast au der ganzen Oberfläche
des Körpers nicht nur verdickt, sondern auch erweitert und in Falten abhebbar. Bei
der mikroskopischen Untersuchung derselben fand sich eine unter normal dünne £pi-
dermis, während die Cutis und das subcntane Zellgewebe um das Doppelte und die
Sübcutis um das Dreifache verdickt war, io ihrem Bau indessen normale Verhältnisse
bot. Hierdurch werden die Untersuchungen Murray’s bestätigt, welcher nachwies,
dass bei der Akromegalie die Vergrösserungen und Verdickungen der Zehen mehr
durch eine Hyperplasie der Weichtheile, als durch eine Verdickung der Knochen
bedingt sind. Im Bflckenmark fand sich, abgesehen von einer kleinen, absteigenden
Degeneration in der Gegend des Gowers’schen Bündels im Halsmarke keine Ver¬
änderung; dieselbe ist offenbar nur als Folgeerscheinung des vorhandenen grossen
Gehirntumors aufzufassen. In den Hintersträngen waren keine Veränderungen nach-
zuweisen. Bemerkenswerth ist, dass Akromegalie und Sclerodermie, welche in Bezng
auf ihre Erscheinungen in einem gewissen Gegensätze stehen, doch mancherlei
Aehnlichkeiten darbieten. Bei beiden Krankheiten sind der untere Theil des Gesichts
und die Hände betroffen. Während aber bei der Akromegalie die Haut hyperplastiach
wird und die danmterliegenden Knochen mehr oder weniger mässig erscheinen,
handelt es sich bei der Sclerodermie mehr om einen Schrumpfungsprocess, woran
die Haut und die darunter liegenden Knochen tbeilnehmen.
Was die Aetiologie dieses Leidens angeht, so nimmt Verf. als wahrscheinlich
an, dass die Akromegalie zu den endogenen Krankheiten gehört, weiche durch eine
von Anfang an bestehende abnorme Veranlagung des Körpers bedingt ist. Doch iat
hierdurch nicht ausgeschlossen, dass in Folge einer Anzahl von „Gelegeuheitsursachen“
der B^^n der Krankheitserscheinungen hervoigerufen werden kann und sind hierzu
vor Allem Traumen, psychische Einflüsse, acute Infectionskrankheiten und Erkältungen
zu zählen. Die Hyperplasie und Tomorbildung bildet zwar eine fast regelmässige
und durchaus specifische Erscheinung in dem Krankheitsbilde, ist indessen den übrigen
hauptsächlichen Symptomen nur coordinirt und wahrscheinlich auch nur durch die
bis jetzt unbekannte, endogene Ursache veranlasst. E. Asch (Frankfurt a./H.).
9) Ett fall af akromegall, af Jarl Hageistam. (Finska läkaresälesk. handl.
XXXVIII. 1896. S. 623.)
Eine 40 Jahre alte Fran ohne erbliche Anlage hatte vier normale Entbindungen
flberstanden. Im dritten Wochenbett hatten sich Schmerz und Schwellung an beiden
Händen und Armen eingestellt, nahmen aber wieder ab, als die vierte Schwanger¬
schaft begann. Nach der vierten Entbindung hatte die Pat. einige Tage lang heftige
cardialgische Schmerzen, und danach traten von neuem Schmerz and Schwellni^ in
Bänden und Armen ein und blieben nun bestehen; auch Füsse, Lippen, Zunge und
Nase nahmen allmählich au Dicke zu. Schon seit Jahren batte Pat. bemerkt, dass
der untere Zahnrand vor den oberen rückte; die Zange begann unbeholfen und steif
zu werden, die Sprache bekam ein tiefes, klangloses Timbre. Nach dem letzten
Wochenbette hatten sich bei der damals 32 Jahre alten Pai die Menses nicht wieder
eingestellt. Fat. litt seitdem beständig an Schmerzen in den Armen, im Hinterkopf
und im Nacken, die in Kopf und Bücken und nicht selten über den ganzen Körper
ausstrahlten. Das Sehvermögen war zeitweise herabgesetzt, das Gedächtniss wurde
Google
121
MU«ebt, die Stimmung dephmirt. Seit 1 Jahre hatte Fai ein Oefühl von Schw&che
b dra HflAfelenkra« wodurch das Gehen, namentlich das Treppensteigen, erschwert
vode. Acch die Hände waren schwach, die Finger dick und plump.
Bei der Anfnahme fand man die Haut an Händen und Füssen teigig verdickt,
a den Übrigen Theilen des KOrpers in dicken Falten liegend, das Unterhautfett-
bedeutend rednclrt, die Huskolatnr schlaff, etwas atrophisch, an den Händen
wa nasentikh die Danmenballen saHällig redncirt, besonders links. Die Kraft
<k Bände war bedeotend herabgesetzt. Der Kopf war verbältnissmässig gross, be-
andcrs das Geeicht, Unterkiefer, Nase nnd Lippen waren bedeutend hypertrophisch,
fiklit blfMs die Weiehtheile, sondern auch die Knochen; die Zunge war um das
kippelte vergrössert. Die Schilddrüse war atrophisch. Die Bippenknorpel waren
rwtsücbert und verdickt, die Wirbelsäule war im Brusttheile kyphotisch mit leichter
Seeiioee nach rechts und bedeutender Lordose im Lendentheile. Die Hände waren
Q bohea Grade hypertrophisch, kurz, breit und dick, die Finger wurstfbrmig auf-
Rtritb» mit platten, der Lauge nach gerieften Nägeln. Ebenso verhielten sich auch
d» Fasse, die kurz, dick und plump waren, an den UDterscheukelu bestanden Yarices.
Ehe IntelUgenz war gut, die Hautsensibilität erhalten, die Patellarreflexe fehlten.
D» Ai^en standen etwas hervor, auf dem linken bestand vollständige temporale
Hoüfiopsie. Die Bespiration war oberflächlich, vorwiegend abdominal.
Unter den Symptomen hebt Verf. als selten besonders dos Fehlen der Patellar*
ndexe berror, sowie die Atrophie der Handmnskeln und die schmerzhafte Schwellung
dcf Hüde und Arme, die nach ihrem ersteren Auftreten wieder zurückging. Die
Rieaüre temperale Hemianopsie weist nach Yerf. auf eine partielle Yergrüsserung
^ Bjpopbysis cerebri hin, die nicht constaot gewesen sein kann, da das Seh-
sich zeitweiae besserte. — Thyreoidin, das wiederholt in diesem Falle an*
fimdet wurde, hatte keine andere Wirkung, als dass die Pat. ihren vorher {piten
-Ippebt verlor. Walter Berger (Leipzig).
10) A eaae of aoromegalis with autopsy, by Brooks. (New York Medical
Journal. Yol. LXY. 1897. Nr. 13.)
Die sehr kurze Hittheiloug soll nur der Yorläufer einer grösseren Arbeit sein,
*iltbe demnächst in The State Hospitals Bulletin erscheinen soll. Der 30jährige
Mat bemerkte im Laufe der letzten 3 Jahre eine Yeränderung seiner Körperform:
trHutnummer stieg von 7 auf 8^/^, die Schubgrösse von 7^/^ auf 11, Handschuhe
7' ,) mussten besonders angefertigt werden; das Gewicht nahm um 7.5 Pfund
1*0—250 Pfund) zu. 6 Monate vor dem Eintritt in das Hospital soll Pat. an*
^hilis acquirirt haben und entsprechend behandelt sein. Später eintreteode
an dem rechten Äuge wurden als luetische Iritis gedeutet, die Therapie
*w erfolglos. In der letzten Zeit zunehmende Yeränderung der Psyche, anfallsweise
tilket^e Dyspnoe und constanter, intensiver Durst. — Plötzlicher Stupor mit
und mangelnder Beaction der rechten Pupille; Ausscheidung von Eiweiss
10*^ und Zucker (7,6 7o) Exitus unter Steigerung der Temperatur
‘(2.40% dee Pulses (128) und der Bespiration (88). Die Autopsie (3 Stunden
y ■wten) eigab u. a. charakteristische Yeränderungen des Sceletts, Vergrösserung
^Knochen, namentlich an den distalen Epiphysen der Unterarm* und Unterschenkel*
Qocbn, und einen Hypophysistumor. B. Pfeiffer (Cassel).
11) Heber die Benehnngen der Akromegalie 2 um Diabetes mellitus, von
Dr. Friedrich Pineies. (Ällg. Wiener med. Zeitnng. 1897. Nr. 23—25.)
24 Jahre alte Patientin. Seit 4—5 Jahren Stirnkopfschmerz in mehrwöchent*
Intervallen; aeit 2 Jahren Amenorrhoe; seit IV 2 Jahren Zunahme der seit
ig I ,:od oy CjOO^Ic
122
Emdheit bestehenden Struma und Auftreten einer Reibe von Beschwerden: Durst»
Hunger, Mattigheit, Hautjucken, Furunculose; seit einem Jahre Abnahme des Seh¬
vermögens, seit einigen Monaten Volumszunahme des Qesicbts und der Nase. Fat.
kam zur Aufnahme mit den deutlichen Zeichen des beginnenden Coma diabeticum
(Benommenheit, tiefes geräuschvolles Äthmen, Acetongeruch der Exspirationsluft). Im
Ham reichlich Zucker, Aceton, Acetessigsänre, (^-Oxybuttersäure, etwas Albumin.
Furunculose. Gleichzeitig bestand Obstipation, Brechreiz und Uebelkeit, welche
sowie das Coma nach auf AbfQbrmittel hin erfolgter Entleerung grosser Eothmengen
schwanden, so dass hier möglicherweise jene Form von diabetischem Coma vorlag, welche
als Folge von Autointoxication vom Darm her in Folge von abnormen Zersetzungs¬
vorgängen aufzufassen ist (Schmitz). Ton den fibrigen Symptomen seien erwähnt:
Hände, FOsse und Gesicht im Vergleich zum Qbrigen Körper stark vergrössert,
Knochen und Vfeichtbeile gleichmässig betroffen, im Gesicht besonders Jochbeine,
Nase und Kinn befallen; Haut geschwellt, succulent, teigig; Oedem der unteren
Extremitäten; Strama, Amenorrhoe in Fo^e vorzeitiger Involution des Genitale.
Nach 11 monatlichem Spitalaufenthalte, während welcher Zeit die Akromegalie
zugenommen hatte, Tod im diabetischen Coma. Sectionsdiagnose: Acetonämie. Pan-
creatitis suppurativa acuta et necrosis telae adiposae circa pancreatem. Tumor Hypo-
physeos (Mikroskopisch Sarcom). Akromegalia, Struma.
Die mangels eingepr^er Symptome in vivo nicht diagnosticirte Pancreatitis
lässt sich nach Verf. mit dem Diabetes durch die Annahme einer primären einfachen
Atrophie des Oigans mit consecntiver eitriger und nekrotisirender Entzündung
(Uansemann), die der diabetischen Gangrän und Furunculose gleichzustellen wäre,
in Zusammenhang bringen, unter welcher Annahme die lucongruenz in der Dauei
der Diabetes (2^j^ Jahr) mit dem pathologischen Befunde der eitrigen Pancreatitu
nicht mehr stören würde und zugleich Uebereinstimmung mit der Erfahrung ge¬
schaffen wäre, dass Diabetes bei Entzündungen des Pancreas mit Vereiterung unc
Nekrose meist vermisst wird, wogegen die einfache Atrophie des Pancreas in dei
Aetiologie der Diabetes eine grosse Bolle spielt.
Die Beziehungen zwischen Akromegalie und Diabetes werden nach Verf. ver
ständlich durch den Umstand, dass beiden Erkrankungen eine Functionsstörung j«
einer Blntdrüse, Hypophysis und Pancreas zu Grunde liegen, wobei noch unentschiedei
ist, ob diese Functionsstörungen coordinirt sind oder ob die Störung des einen Organi
auch das andere schädigen könne. J. Sorgo (Wien).
12) Un oaso dl aoromegalia con emlanopsia bitenaporale e inferiore, pe:
J. Monteverdi e C. Torracchi.
Ein typischer Fall von Akromegalie bei einer 40jährigen Bäuerin, der sich nacl
einer fieberhaften Puerperalerkrankung entwickelt hatte. Es bestand Vergrösseruu]
der Extremitäten und des Kopfes, das Gesicht bot das typische Bild dar, Kypho
scolioso im dorso-lumbalen Theil der Wirbelsäule, Makroglossie, Hyperhidrosis, übel
riechende Schweisse, Polidipsie und Poliurie, leichte Peptonurie, vorübeigehend Albu
minurie, melancholischer Gemütbsznstand, aofallsweise auftretender Kopfschmerz
Die Glandula thyreoidea fehlte. Von Seiten der Augen beiderseits Hemianopsii
temporalis et inferior und Nenritis optica.
Die Kranke wurde in coroatösem Znatande mit zeitweise anttretenden Deliriei
ins Krankeuhaus aufgenommen. Sie hot fast das Bild einer Meniugitiskranken dar
Valentin.
Dig :i^cd cy Google
123
13) Soll’ Aorom^alia» per S. Paosinl (Oiom. int. delie ecienz. med. XIX.)
?erf. theilt zonachat zwei eigene Beobachtungen mit:
1 . Eine oOj&hrige Frau erkrankte im 28. Lebensjahre während der Lactation
sh allgeseiner ^hwäche and Schläfrigkeit, dabei bestand onersättlicber Beisshanger,
des At^estorbenseins in Fingern and Händen. In 6 Jahren war das voll*
ioune Erznkheitsbild der Akromegalie entwickelt Vergrösserung der Hände, der
hsw and des Gesichte, cervico-dorsale Kyphose, Sensibilität an Händen und Füssen
wibsesetzt, eine Zone partieller Anästhesie für Berflhmng and Schmerz am Rücken,
Ftkln der Patellarrefiexe, kein Stroma. Ein gesandes Rind gebar die Patientin za
Beäm der Erkrankung, ein zweites, als diese schon in ihrer vollen Entwickelung
nr; beide waren geistig and körperlich normal herangewachsen. — Auf Thyreoidin«
nU^tten sobjective Besserong.
3. Bei einem 33jähr. Schohmacher hatte das Leiden im 19. Lebensjahre begonnen
lad mr mit Kopfschmerzen und Polyphagie, später Vergrössemng des Gesichts,
iff Hüde and Posse, Aasbildung einer dorsalen Kyphose, Fehlen der Kniereflexe,
Tabycardie, Dämpfung über dem Manubriom stemi (Erb’scbes Zeichen).
W. geht dann an der Hand der Litteratur auf Wesen und Symptomatologie
iw Atromegalie ein.
Ihe Kyphose hält er für den Ausdruck des krankhaften Wachsthums der Wirbel.
l*vcb dynamische Ursache wie Schwäche der Hnskeln, und zwar ausgesprochener
2 da Bztensoren als in den Flexoren, Schwere des vergrösserten Kopfes kommt
a der Osteoporose der Knochen die Verkrümmung zu Stande.
Dw Verf. neigt nnehr der Theorie zu, die die Vergrösserong der Hypophysis
^ eil ^ptom und nicht für die Ursache der Akromegalie hält.
Valentin.
K) Sopra an oaso di aoromegalia paraiale, per Antomivi. (Archivio di
PäehUtria. XVin. 2—3.)
Pwf. berichtet über einen Fall von partieller Akromegalie bei einem im übrigen
'•Üg gesanden und gut entwickelten Idjäbrigen Mädchen. Die Veränderung betraf
• Foger der rechten Hand und 2 Zehen des linken Fnsses, 3 des rechten Fasses
'.sl I dw linken Hand.
Die Maasse waren folgende:
Hand, Länge der Finger:
Daumen . .
. . rechts
56 mm
links
56 mm
2. Finger . .
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82 „
9P
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3. Finger .
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4. Finger . .
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5. Finger . .
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Fass, Länge der
1. Zehe . .
Zehen:
. . rechts
68 mm
links
35 mm
2. Zehe . .
• • »f
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3. Zehe . .
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43 ..
66
4. Zehe . .
• 1*
16 .,
tf
21 „
Motilität und Sensibilität am ganzen Körper ohne krankhafte Veränderung.
Ferf. glaubt, namentlich des symmetrischen Sitzes der Erkrankung wegen, dass
4 baden eine centrale Ursache zn Grunde liege: eine pathologisch gesteigerte
der Hypophysis oder eine krankhafte Reizung der frophischen Centren,
^wgerafen durch toxische oder andere Schädlichkeiten, die vom mütterlichen
'^no^os auf den des Fötus übergehen. Valentin.
Google
124
16) Die Akromegalie, von li. Sternberg. (Specielle Fatholog. n. Tberap. Hereua
gegeben von. H. Nothnagel. Bd. Vll. 2. Theil. Wien 1897. A. Hblder.)
Die Torzbgliche Monographie bietet viel wesentlich Nenes dar; das vorhanden
Material ist mit umfassender Litteratorkenntniss kritisch verarbeitet.
Im Capital „Geschichte“ bringt Autor den interessanten Nachweis, dass di
Affection schon in früheren Jahrhunderteu beobachtet und von Magendie im Jahr
1839 ziemlich genau beschrieben wurde.
Bis jetzt liegen 47 Sectionsbefnnde unzweifelhafter Fälle vor. Am genauest«
sind die Befunde am Enochensjstem erhoben worden. Typisch sind Vertiefnog de
Geßssfurchen, Verstärkung der Muskel* und Bänderfortsätze, Auftreten kleine
Exostosen ausserhalb der normalen Rauhigkeiten der Enochenoberdäche. Der Schade'
umfang ist oft bedeutend vei^ssert, der Processus styloideus am Schläfenbeine aul
fallend stark, die pneumatiseben Bäume sind erweitert; die Nähte verstreichen mii
unter irfthzeit^. Die Hypertrophie der Enoeben an der Schädelbasis verengt in d(
Regel die Nervenlßcher; der äussere knöcherne GehOrgang ist verlängert Genau
Beschreibung der Veränderungen am Keilbeine! Die Eyphose ist in manchen Fälle
in der Form der Wirbelkörper begründet Die Domfortsätze der Wirbel sind o
stark verdickt, die Foramina transversaria der Halswirbel erweitert, die Intervertebra
löcher hingegen verengt. Der untere Rand der Rippen erscheint sehr stark dnre
Vergrösserung der Gefässfurche verbreitert Von den langen Röhrenknochen ist di
Schlüsselbein am meisten charakteristisch (durch Verstärkung der normalen Banbi^
keiten) verändert. Am Handskelett zeigt vorwiegend die volare Fläche verstärk!
Rauhigkeiten; an den Phalangen sind die Veränderongen nicht sehr ausgesprochei
Eine Reibe gelungener Abbildungen neuer Fälle illustriren sehr gut die R
Schreibung.
Die Veränderungen des Skelettes stehen zum Theil unter einander in eine
gewissen genetischen Zusammenhangs. So wird sich die starke Ausbildung d<
Kauapparates, die Entwickelung der hypertrophischen Jochbögen, der erweitert
pneumatischen Räume, die Zunahme des Himschädels erklären lassen. Die akr
megalische Veränderung des Schädels ruft durch Verlagerung des Schwerpunktes u.s.
die akromegalische Thoraxform, die akromegalische Eyphose hervor.
Von Enochenveränderungen sind constant: Verdickung des Periostes, oft v(
bunden mit Anflagemog neuer Schichten auf den Knochen; Veränderungen
Knochenmarke mit Zunahme der Markränme und Hypertrophie der Enochenbälkch
Auch im Bereiche der Knorpel findet Knochenneobildung statt. An den Gelenk
entwickele sich öfters Arthritis deformans.
Das Herz ist in der Regel vergrössert, Geföss(Arterien)veränderungen sind 8(
häufig. Milztumor ist ein gewöhnlicher Befund.
Die Dickezunahme der peripheren Nerven und Nervenwurzeln, sowie die V
grösserung der Spinalganglien ist auf Zunahme des Bindegewebes zurückzufühf
Die Veränderungen der Hypophysis köunen verschiedener anatomischer Natur ^
[einfache Hypertrophie, Hypertrophie mit colloider Degeneration (hierher sind viella
auch die „cystiseben Tumoren“ zu rechuen), Adenom, Sarcom, Gliom], jedoch ^
die vorliegenden Befunde nur mit Reserve zu verwertben. .
In einem besonderen Capitel ist alles Bekannte über Morphologie und Fh|
logie der Hypopfaysis kurz und äusserst klar zusammengestellt. '
Symptome: Im Gesichte tritt manchmal mehr die Enochenveränderung, manckj
mehr die Hauthypertrophie hervor; beides lässt sich durch die Aufnahme i
Röntgen*Strablen unterscheiden. Die Volumszunahme der Hände hängt hd
sächlich von den Weichtheilen ab. Verf. unterscheidet mit Marie die „verbrein
massive akromegalische Hand“ und die „ganz vergrösserte, riesige Hand“. Von 1
sorischen Erscheinungen kommen Schmerzen der verschiedensten Art und in i
möglichen Körpertheilen vor. I
D g ii/od oy GOO^ IC
125
DieKnnkbeit begann unter 20 Jahren: Bei 8 Männern (14,6 und 10 Frauen
zwiechra21 und 30 Jahren bei 30Männern (54,5*^/o) und 85 Frauen (60'^/Q)t
zfisckea 31 und 40 Jahren bei 14 Männern (25,47o) 18 Frauen (25,7 ^/o),
Mch dem 40. Lebensjahre bei 3 Männern (5,5“^) und bei 7 Frauen (lO.O^o). Es
skrukt also nahezu die Hälfte der Fälle zwischen dem 20. und SO. Lebensjahre.
Kickt selten kommt ein apoplectiformee Einsetzen von Symptomen vor, aber
ad sehr ausgiebige Kemissionen stellen keine Baritäten dar.
Id Bezug auf Dauer und Form kann man drei Formen unterscheiden: Die be*
aae Form mit einer bis 50jährigen Dauer und geringen Beschwerden; die gewObn*
üde duDuische Akromegalie, Dauer von 8—30 Jahren; die acute maligne Form mit
fiStf Dauer von 3—4 Jahren, ln allen Fällen der letzten Form — und nnr bei
ima — fand sich ein echtes Sarcom der Hypophysis.
Ein wichtiges Capitel handelt von den Beziehungen der Akromegalie zu anderen
InkkeitsD und Zoständen (Cranium progeneum, MyxOdem und Cretinismus, Morbus
Bisedovii und Biesenwochs, diffuse Hyperostose, Diabetes). Wahrscheinlich setzt der
beaeBfucha eine Di^osition fhr das Auftreten allgemeiner Dystrophieen, und zwar
3st«9Qodere der Akromegalie.
Bezüglich der Pathogenese äussert sieh Yerf. mit aller Beserve dahin, dass in
■s Aufbebimg der normalen Fnnction der Hypophyse die Ursache der Akromegalie
aeebn sei.
?o& besonderem Werthe ist die aasffihrliche Besprechung der Differentialdiagnose
w Akromegalie gegenüber anderen, namentlich den seltneren Zuständen (Cretinismus,
kjxideo, Osteitis defonnans, Pachydermie, allgemeine Hyperostose, Cranium pro-
isna, lymphatischer Habitus, partieller Biesenwuchs, Hypertrophie einzelner Körper*
Erythromelalgie, Osteo-Arthropathie, Adiposis dolorosa, Progressive Er-
i’yonnt of bends il s. w.). Becht ausführlich sind die Darlegungen über den
JubtUen SiesenwDchs.
Verf. betrachtet die Berichte über die therapeutische Beeinflussung der Akro*
atplieeu skeptisch, da spontane Bemissionen bei dieser Erkrankung Vorkommen.
Ein ausserordentlich umfangreiches Litteraturverzeichniss beschliesst die Arbeit
H. Schlesinger (Wien).
14) Iotas on a oase of bypertrophio pulmonary • osteo • arthropathy, by
John Edgar. (Glasgow Medical Journal 1897. Nr. 11.)
Ib dem mitgetbeilten Falle handelt es sich um eine 72jährige Patientin aus
^Boder Familie. Lues und Alkoholismus waren nicht nachweisbar. Die Pat. litt
a ckroaischer Bronchitis. Im Sputum wurden keine Tuberkclbacillen gefunden.
^ Ost&harthropathie entwickelte sich acut und unter Schmerzen innerhalb
öliger Monate; die Anschwellnng der Hände ging theilweise im weiteren Ver¬
gab des Leidens zurück. Ausser diesen Momenten hält Verf. in seinem Falle eine
’Wtutige Beschaffenheit der Palmarfläche der Hände und dunkle Pigmentirung
^ letzteren, sowie der Füsse für bemerkenswertb. Auffallend waren ferner die
l^wgTtiesemng der Carpo-metacarpalregion, die am meisten hervortreteiide Hypertrophie
br proximalen Phalangen and die Kyphose an den oberen Abschnitten der Wirbel*
dUe. Tberapeotbiscb erwies sich anscheinend Jodkalium als günstig.
Bayerthal (Worms).
17) Dell’ osteo-artropatis ipertrofica pneumlca, per B. Hassalongo. (Poli*
clinieo. 1897. Nr. 20.)
Zu ontersuchen, ob eine Krankheitseinheit, wie die von Marie beschriebene, in
ctf Tkat besteht, das heisst, ob ein Zusammenhang zwischen chronischen Erkrankungen
./Google
126
des Bespirationsapparates und der Oateo*artliropathie nachzuweisen ist, oder ob diese
TOD anderen Ursachen ahfaäi^ ist der Zweck der Arbeit Der Verf. hat einen Fall
von Osteo-artbropathia hypertrophica bei einem Bauer beobachtet der an hochgradiger
Bronchitis und Bronchiectasie mit CavemenbilduDg der eineu und Emphysem der
anderen Lunge litt. Hände und FOsse waren enorm Tei^Össert ebenso Vorderarme,
Unterschenkel, Schulter* und Kniegelenk; letztere auch schmerzhaft bei actireu und
passiven Bewegungen und crepitirend; Atrophie der Vorderarm* und Unterschenkel«
muskeln, Oedeme der Hände und Fflsse. Die Erkrankung der Gelenke hatte viele
Jahre vor dem Luugenleiden begonnen. Der Fall endete letal. Ausser den Ver¬
änderungen an Lungen und Extremitäten fand sich nur noch eine Neuritis des
Nervus ulnaris, radialis, medianus und des Tibialis und Peroneus.
Verf. hat 67 Fälle aus der Litteratur zusammengestellt. Von diesen bestanden
in 17 keine Lungenveränderungen und in 10 gingen die Erkrankungen der Bxtre«
mitäten dem Lungenleiden voran. In 13 Fällen war von Seiten der Extremitäten
nur Trommelschl^erfinger constatirt. Nach Abzug dieser Beobachtungen bleiben
also 27 übrig, in denen das Leiden voll entwickelt und das Lungenleiden das
Primäre war.
Von diesen handelt es sich
12 Mal um eitrige Pleuritis,
5 „ ,. Lungentuberculose,
5 „ „ Bronchit. chron. und Bronchiectasie,
1 „ „ acnte Pneumonie,
1 ,. ., chronische, nicht eitrige Pleuritis,
1 „ „ Lungengangrän,
1 „ „ Lungensarcom.
1 „ Lungencarcinom.
Am häufigsten ist also eitrige Plenritis mit Osteo-arthropathia hypertrophica
vergesellschaftet gefunden. Verf. glaubt aber nicht, dass zwischen beiden dirocte
Beziehungen bestehen, weil die Pleuritis eine so ausserordentlich häufige Erkrankung
ist und die Osteo-arthropathie so selten beobachtet wird. Wenn ferner die Besorptioc
der bei der Eiterung erzeugten toxischen Stoffe das Euochengelenkleiden hervorruft
wie dies von Marie angenommen, so ist nicht einzusehen, weshalb dies nur be
Ehterungen der Pleura der Fall sein soll und warum andere Eiterherde nicht das
selbe vermögen. Auch gegen den ursächlichen Zusammenhang anderer Lungeu'
erkrankungen mit dem in Frage stehenden Leiden macht Verf. dieselben Bedenkei
geltend.
Auch die Frage, ob die Osteo-arthropathia pueumica eine Folge des durch da
Luugenleiden geschädigten peripheren Blutkreislaufs sei, verneint Verf. Man könnt
der Enochengelenks* und der Lungenerkrankung höchstens insofern einen ätiologische!
Connex zugestehen, dass man annimmt, beide seien verschiedene Localisationeu des
selben Erankheitsprocesses, z. B. Ansiedelungsstellen derselben Bakterien.
Viele und verschiedenartige Ursachen sind es, die dem Verf. zu Folge da
Leiden veranlassen können, und er schl^ deshalb vor, den Namen in Osteo-arthro
pathia hypertrophica secundaria umzuändem. (Der Zusatz secundaria ist, da nac'
des Verf.’s eigenen Angaben die Erkrankung der Extremitäten oft das Primäre isl
nicht zutreffend. Bef.) Solche ätiologische Momente sind zunächst vorausgegangene
Gelenkrheumatismus. — Auch die anatomischen Veränderungen unterscheiden sic
nicht von den bei chronischem Gelenkrheumatismus gefundenen. — Ferner ein nei
vöser Einfiuss, wie ein solcher durch Störungen der Sensibilität in einzelnen Fälle
und durch die periphere Neuritis in dem des Verf.’s sich ausspricht, weiter Syphili
und vielleicht noch andere infectiöse oder dyskrasische Erkrankungen.
Valentin.
127
16) Degmeratiott of the nerves in slooholiam» by H. H. Tootb. (Transactions
of the Patbological Society of London. 1894.)
34jibr. Patientin, deren Eltern beide Alkobolisten waren, Fotatrix, sonst früher
mund, klagt seit 14 Tagen über Prlkeln and Brennen in den Beinen, sowie Schwäche
is deoealhen. Die Untersnchong ei^iebt Anämie, Leber* and HilzTergrösserong,
Tmocr lingoae et mannom, Parese and Ataxie der Hände; Beine mager, Muskulatnr
Khlal^ Drockanpfindlicbkeit, Fehlen der PatellarreSexe, faradische Erregbarkeit er*
luelwn, Stdningen der Berfihrangsempfindlichkeit. Im weiteren Verlaufe nehmen die
inztffeii zu. die Parese wird starker an allen Extremitäten. Plötzlicher Tod an
HeilibmnDg.
Die UDterauchnng des Rückenmarks ergab normale Verhältnisse. Dagegen
bsioi sieb hochgradige Degenerationen der peripherischen Nerven, wenngleich überall
xd ftomale Fasern zu finden waren. Die gefundenen Veränderungen entsprechen
da tisberigeu Beobachtangen; Verf. betont noch, dass vordere und hintere Wurzeln
Bun varen. Entzündliche Erscheinungen fehlen im ganzen, der Process hatte
nriir dis Ansehen einfacher Degeneration. Bei der Untersuchung kamen folgende
Xchoden zur Anwendung: Weigert*Fal, Harchi, Alauncarmin und Ehrlich's
Btaitoxylin. Martin Bloch (Berlin).
19) Aloooliame, höznipldgie gauohe ot epilepsle oonseoutive, soldrose
atrophique, paohymdningite et meningo-enodphalite, par Bonrneville
» Bellay. (BoU. de la Soc. anat de Paris. 1897. Nr. 8.)
Id diesem interessanten Fall handelt es sich um ein lljähr., erblich belastetes
Kod, welche im 4. Lebensjahr dem chronischen Alkoholismus verfiel: es trank näm-
Id in Wirthsbans seines Grossvaters stets die in den Gläsern zurückgebliebenen
aas. In demselben Jahr stellten sich Convulsionen ein, welche 17 Tage
haRteo, auf der linken EOrperhälfte stärker waren und eine lin^eitige Hemiplegie
ad snen Intelligenzdefect zorückliessen. Die Verff. betrachten diese Convulsionen
>h das Aequivalent eines Delirium tremens. Weiterhin traten noch öfter epileptische
ein, der InteUigenzdefect nahm zu. Die Sectiou eigab: Himgewicht 1010 g
indttc Hemisphäre 810 g, linke 572 g), Seitenventhkel auch rechts nicht erweitert,
allgemeine Atrophie, namentlich der Rinde der Centralwindungen, Insel frei*
beiderseits sclerotische Herde und diffuse Heningoencephalitis (links aus*
t^:nneter, rechts tiefer dringend), Dura mit dem Schädel allenthalben verwachsen,
ttvobse Auflagerungen, Pia beiderseits stark verdickt. Tb. Ziehen.
Psychiatrie.
kl) Ueber alkoliolisolie Paralyse und infeotiöse Neuritis multiplex, von
liÜDg. (Sammlung zwangloser Abhaudlnngen aus dem Gebiete der Nerven*
ni Geisteskrankheiten, berausgegeben von Alt. Bd. II. 1897.)
Wu man ftfiher als alkoholische Paralyse beschrieb, deckt sich fast völlig mit
de ilkoboUschen und infectiösen Neuritis. Parcakow aber war es erst, der die
Psychose bei derselben nachwies und zeigte, dass sie durch Alkohol, oder
^ metallische Gifte, endlich durch Autointoxication entsteht. Verf. fand dann,
die Neuritis und Amnesie die Krankheit ausmache und meist Pota*
Vnom die Ursache darstelle. Ob metallische Gifte es wirklich erzeugen können,
D(x;h dahin; auch die Identität der puerperalen, typhösen, gangränösen u. s. w.
D g ii.:od oy GOO^ Ic
128
Neuritiden mit jenem Sjmptomencoroplez erscheint noch nicht ganz sicher. Schon
bei den gewöhnlichen Potatoren sehen wir angedeotet die Symptome des Leidens,
besonders aber die Ged&chtnissstörung bis zur Amnesie hinauf. Die Lähmung tritt
ziemlich plötzlich ein. Dann schildert Verf. eingehend einen solchen Fall. Es zeigen
sich sensible und motorische Störungen, Schmerzen in den Waden, aber auch Schultern
u. s. w., mit Parästbesieen, Druckpunkte der peripheren Nerven sind schmenhaft,
aber auch die Muskeln selbst; besonders die K^nsoren der Beine werden paretisch
atrophisch, dann auch die Arme. Es zeigen sich schwankende Anästhesieen, event.
Verlangsamung der Schmerzempfindung u. s. w. Herabsetzung der elektrischen Er¬
regbarkeit, sogar Entartungsreaction, mit Schwankungen. Puls ist constant be¬
schleunigt. Früher aber noch tritt die Gedächtnissstörung ein, mit secundärem Blr-
greifen der Intelligenz. Um diese aaszugleichen, geschehen Erinnemngsfalschnngen
und phantastische Ausschmückungen; zeitweise treten grössere Unruhe, Beängstigung
mit Illusionen, auch Hallucinationen auf. Während alles Somatische allmählich ver¬
schwinden kann, scheint bei alkoholischer Neuritis die Gedächtnissstörung nur relativ
reparabel zu sein. Die unterscheidenden Punkte von Dem. paralyi werden dann
aufgezählt. Elektricität nützt wenig. Völlige Abstinenz nöthig.
(Bef. möchte bemerken, dass man unter Alkoholparalyse aber auch Bilder bei
Potatoren beschreibt, die der Dem. paralyt. oft sehr gleichen, bei denen keine oder
nur sehr geringe neuritiscbe oder muskuläre Symptome da sind.)
Näcke (Hnbertusburg).
21) Sur l’absenoe d’altdration des oellules nerveuses de la moelle epinidre
dans un oas de paralysie aloooiique eu voie d'amelloration, par Deje-
rine. (Comptes rendns des söances de la sociöte de biologie. 1897. MaL)
44jährige, dem Abusus spirituosorum sehr ergebene Patientin erkrankte im
41. Lebensjahre an schwerer multipler Neuritis alcoholica aller Extremitäten; hoch¬
gradige Atrophieen und Contraeturen mit allgemeiner Hyperästhesie. Im Laufe der
nächsten 3 Jahre langsame Besserung, so dass die oberen Extremitäten wieder zur
Norm zurOckkehren; an den unteren nach wie vor complette Lähmung. Im folgenden
Jahre Tod an Lebercirrhose.
Bei der mikroskopiscben Untersuchung werden hochgradige Veränderungen der
Haut- und Huskelnerven gefunden. Die Untersuchung des Rückenmarks geschah zum
Tbeil nach Nissl, zum Theil nach Harchi und Weigert-Pal. Hit keiner Me¬
thode waren Veränderungen nachznweisen, Zellen, vordere and hintere Wurzeln, sowie
die übrigen Theile der Medulla waren intact.
Der Fall beweist, dass trotz sehr schwerer Veränderungen des peripherischen
Nervensystems die Vorderhornzellen nicht verändert zu sein brauchen; die Verfif. be¬
nutzen ihn, um ihre Ansichten Über die Bedeutung der Chromatolyse, die ihrer
üeberzeugung nach vorläufig nur histologisches, aber noch kein pathologisches bezw.
physio-pathologisches Interesse beanspruchen dürfe, auseinander zu setzen.
Martin Bloch (Berlin).
22) Drankzucht en hare genezing, door Dr. Buysch. (Feestb. d. Nederl. Vereen.
Yoor Psychiatrie. 1896. blz. 251.)
Verf. geht von dem Grundsätze aus, dass die Trunksucht in genauer Beziehung
zur Geistesstörung steht, weil sie oft eine psychische Krankheit zur Grundlage bat
oder oft eine Vorstufe der Geistesstörung ist; durch zeitige, zweckmässige Behandlong
von Trunksüchtigen kann in vielen Fällen der Ausbruch von Geistesstörung verhütet
werden. In Irrenanstalten sind aber Trunksüchtige nicht am rechten Platze, für die
in Irrenanstalten Verpflegten ist die Anwesenheit nicht von Vortheil, sondern sie
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129
im Tieüaehr schädlich wirken. Terf. berichtet Aber Methoden und Anstalten zur
BehudJang der Tmnksflchtigen nnd beschreibt das niederländische Sanatorium Hoog-
tdkD an der Strasse von Groningen nach Assen, das in einem 1890 angekanften
Ludgste errichtet ist. Es ist in hygienischer nnd administrativer Hinsicht vor*
Biffikh eingerichtet nnd kann 22 Terpfegte aufnehmen. Das OffenthOrsystem wird
Töiliti&dig daräigeführt nnd Niemand wird gegen seinen Willen gehalten, wer sich
itf Beosordnong nicht fügen will, kann weggeben nnd, wenn er dies nicht freiwillig
üBt, wird seine Familie genCthigt, dafür sn sorgen. Heber die An&ahme entscheidet
ii de Segel der ärstliche Director, der auch die Behandlung, soweit möglich,
ftatelich leitet, bei der die verschiedenen HQlfsmittel vertreten sind, auch Gym*
aftik ood Sport, sowie verschiedene Arbeit nicht fehlt. Enthaltung von ÄlcohoUcis
fird TOB An&og an dnrchgef&brt, dabei wirken psychische Rohe, kräftige Nahrung
ad Bevegnng in freier Luft, sowie der Umgang mit den Angestellten. Veraltete
Itlk, in denen es zu ernstlicher Degeneration gekommen ist, schwer psychopathische
ad dipsomanische Patienten, sowie auch TrunksQchtige, bei denen sich deutliche
GtstheiDoogen von Geistesstörung oder Epilepsie finden, werden nicht aufgenommen
ad, TdQD sich eine derartige Complication erst nach der Aufnahme zeigt, entlassen.
Die in Hooghnllen erlangten Besnltate sind im Ällgemeinen günstig, besonders,
*00 der Änfenthalt der Patienten Jahr oder darüber dauert. In den Jahren
1(91 — 1894 sind 69 Patienten aofgenommen worden (bis znr Zeit der Bericht*
sSattong 120). Nach Abzug von 19, die die Anstalt bald wieder verliessen, ehe
'Zi geheilt waren, oder entlassen werden mossten, oder starben, bleiben 50 übrig,
^ deeefi 21 total abstinent blieben, 10 gebessert waren, 14 rück^ig worden,
riiuad Ton 5 fernere Berichte fehlen; von den im Jahre 1895 Behandelten wurden
M* , geheilt, 17 gebessert Dass die Resultate nicht günstiger waren, liegt vor
lüea daran, dass viele Patienten zn kurze Zeit bleiben. Ein fernerer Gmnd zur
ikkfilligkeit ist der Mangel an Leitung and Hülfe, wenn die Entlassenen in die
itn Verhältnisse znrfickkehren, noch ein dritter Grund liegt darin, dass von Zeit
n Zeit doch noch Patienten anfgenommeo werden, die in die Anstalt nicht passen.
Walter Berger (Leipzig).
8) Un CM dlvr oo s e patholc^que, par Repond. (Revue mddicale de la Suisse
romande. 1896. Nr. 2.)
32jähr., erblich unerheblich belasteter Pat, nicht epileptisch, der kein eigeut*
TVinker ist, nnr hin und wieder in baccho exidirt, zeigt keine Intoleranz
!%n Alcoholica, ist aber nach reichlichem Alkoholgenuss streitsüchtig und äussert
^dbrtmordgedanken. Eines Nachte, 3 Stunden nachdem Pat. das Wirthshans verlassen
wo er etwa 2 Liter Wein und etwas Schnaps getrunken hatte, steht er auf,
*^ifi eine Büchse, schl^ mit dem Kolben auf den Fassboden, schreit zum ge*
Fenster binaos „Feuer, Feuer“ und stürzt, nur bekleidet mit Hemd und
^surbeinkleiderD, auf die Strasse und schiesst auf verschiedene Häuser. Verfolgt,
'Teift er die Flacht nnd wird schliesslich 7 Standen nach Beginn der Attacke
Icfnos 9 Uhr in der Nachbarschaft seines Wohnortes entwa&et and gefangen,
der Polizei nach der Irrenanstalt gebracht, verfällt er in tiefen Schlaf, aus dem
geordnet, aber mit völliger Amnesie für alles, was nach dem Verlassen des Wirths*
U'uieg Torgegangen war, erwacht Bemerkenswerth ist, dass seine Zechgenossen an
■ka oichte von Bansch batten wahmebmen können, sein Gang fest und sicher ge*
war nnd anch in dem maoiakalischen Zustand blieb. Der psychische Zustand
auch die nächsten Tage normal. Martin Bloch (Berlin).
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24) Patronage des aliönös et alooolisme, par Dr. de Boeck. (Bevue de
Vuniversitä de Bruxelles. 2^ Aimde: 1896/97. Nr. 4.)
Verf. beschäftigt sich mit der Fr^e der Fürsorge der entlassenen und nicht
in Anstalten untergebrachten Geisteskranken, sowie der Alkoholiker; er bespricht die
für diese getroffenen Vorrichtungen in den verschiedenen Staaten, und kommt zu
folgenden Schlüssen. Mit demselben Anspruch wie die entlassenen Strafgefangenen,
bedürfen die Geisteskranken der Errichtung eines Schutzes (patronage). Die Er*
fOUung des letzteren fällt in erster Linie localen Comit4s zu. Diese können jedoch
erst in wirksame Thätigkeit treten, wenn ihnen gesetzlich das Becht verlleheu wird,
nicht nur nachzuforschen, ob sich die Geisteskranken in hygienisch ausreichenden
Lebens* und Emährungsbedh^nu^^ii befinden, sondern auch, dass sie berechtigt sind,
ihr Hab und Gut zu verwalten und ihre gesetzlichen Vormünder zu werden. Das
Ueberwachungscomitä bat sich auch mit der Familie, dem Erwerbszweig und dem
Schatz des geistig Erkrankten bei seinem Eintritt in eine Irrenanstalt zu beschäftigen.
Ein zweiter Punkt ist der Schutz der psychisch erkrankten Trinker. Diese
finden in den Irreuanstalten nicht die für sie passenden Bedingungen zur Heilung;
sie müssen rechtzeitig in Specialanstalten untergebracht und dort so lange zurück-
gehalten werden, bis sie gesund sind. Die erschreckende Zunahme des Alkoholismus
in Belgien rechtfertigt diese Haassregeln.
Der Alkoholiker ist ein social geßbrliches Individuum. Man würde den B^ff
der Freiheit profaniren, wollte man ihm die Möglichkeit lassen, d^enerirte und
schwächliche Kinder, aus deuen Verbrecher und Epileptiker hervoi^ehen, in die Welt
zu setzen, die für sie eine Last sind, wollte man ihnen gestatten, den Ihrigen
ein verderbliches Beispiel zu geben und ihre Umgebung zu entehren. (Praktisch
dürfte diese Lösung der Alkoholiker*Frage wohl noch auf erhebliche Schwierigkeiten
stossen. Bef.) Samuel (Stettin).
25) Du somnambulisme alooolique oonsiderd surtout au point de vue
mödioo-ldgal, par Prof. Xavier Francotte (Li^e). (Journal de Neurologie
et d’Hypnologie. Bruxelles. 20. Jan. 1897.)
Das mit dem Nameu Somnambulismus bezeichnete Phänomen der geordneten
Handlungen bei Verlust des Bewusstseins und nachfolgendem Erinnerungsdefect kommt
ausser bei Hysterie, Epilepsie und der Hypnose, auch bei Alkoholwirkung vor. Diese
Thatsache ist besonders in foro von Wichtigkeit. Bewusstseinsstörungen im Verlauf
des acuten und chronischen Alkoholismus sind nicht selten, weniger bekannt ist, dass
auch ein Somnambulismus sich auf gleicher Basis entwickeln kann. Verf. theilt
folgenden Fall mit. Ein 32jähriger Mann wird wegen Unfug auf einem öffenüicben
Platze festgenommen. Er ist nicht zum Sprechen zu bewegen, antwortet nicht,
erscheint vollständig geistesabwesend, er macht den Eindruck eines Idioten. Dabei
kein Zeichen von Trunkenheit. Am nächsten Morgen bei der ärztlichen Visite ist
er klar, giebt an, vor ca. 48 Stunden an einem weit entfernten Platze, wo er
aufgegriffen war, viel Alkohol zu sich genommen zu haben; für die folgenden Vor¬
gänge von 48 Standen Dauer fehlt ihm das Gedächtniss vollständig. Er giebt
Excesse in alcoholicis zu, hat Zittern der Hände und der Zunge, bietet Degenerations¬
zeichen, eine Schwester starb geisteskrank.
Das Bild, welches Pat. bot, war nicht eigentlich ein sonmambulisches, sondern
glich mehr dem Stupor. Von Beobachtungen ersterer Art citirt Verf. mehrere und
kommt zu folgenden Schlüssen.
1. Es giebt einen alkoholischen Somnambulismus, das heisst einen durch Alkohol
hervorgerufenen Zustand, in welchem die Person dem Anschein nach sich normal
bewegt, aber ohne Bewusstsein davon zu haben, oder wenigstens, ohne sich dessen
zu erinnern.
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131
2. Id Wirklichkeit zeigen während dieses somnambnUscben Zustandes das Be*
aeha«D, die Art sich zu geben, gewisse Abweichungen, letztere entgehen leicht bei
^ oberdächUchen Untersochnng.
3. Dieser Zustand scheint sich nur bei Degenerirten Torzufinden, oder wenigstens
bä IndiTidnen mit hereditär psychopathischen Antecedentien.
4. Die im alkoholischen Somnambulismus begangenen Thaten bedingen Unver*
otTwtlichkeit, falls es sich nicht um eine beabsichtigte Trunkenheit handelt.
Samuel (Stettin).
W) Zur Katatonieflrage. von Sehfile. (Allgem. Zeitsehrift f. Psych. Bd. LIV.
S. 516.)
Ytrf. untersucht zuerst, welche Symptome der begleitenden Motilitätspsychose
eoe pethogenetiscbe Function ffir gewisse psychische Krankheitszustände besitzen:
1. Der als „Attonität** bezeichnete Starreznstand in der Muskulatur.
1 Die leichteren Attonitätsgrade ans halb neurotischer, halb dunkel
pejckMier Innerration (Verdrehungen des Körpers, Posen u. s. w.) mit oft krumpf*
nüfir Lösung der Bewegnngsstereotypen, beeinflussbar durch Su^estion.
3. Zwangsgeberden, Zwangshandlungen, automatische Acte, psychisch höher
»tawkt als die Torige Groppe.
4. Oemischt toni8Ch*cloniBche Bewegungskrämpfe, wandernd und
^npDd, denen Yerf. einen eigenartig gemischt psychisch*neurotdschen Formcharakter
tsKtnibt.
5. Wechsel zwischen Starre und Erschlaffung in demselben moto*
ntcbm Acte.
6. Die gewollt scheinenden und paradoxen Zwangsbewegungen; hierhin gehören
i» stundenlang fortgesetzten Bewegungsstereotypen und die Maniren in den Bewe*
beim Essen und dergleichen. Auch diese sind psychomotorische Krämpfe,
sbff Ton hoher geistiger Bewerthnng.
Einen grossen Theil dieser motorischen Symptome erklärt Verf. als Reflexe aus
Saiibilititsstdningen und als Wirkung Ton Uallucinationen auf im Beizzustand be*
Mbcbe motorische Centren; ein anderer Theil ist direct als eine genuine motorische
iMTotiscbe) Affeeüon zu betrachten.
Alle motorischen katatonischen Bewegungen stehen in thatsächlichem klinischem
hanmenhange, gehen in einander fiber und wechseln unter sich ab.
Dar Bewnsstseinszustand zeigt alle Grade Ton traumartigem Dämmern bis zu
fotlbtrgehender Klarheit. Der Debergang Ton einem Zustand io den andern erfolgt
Miä ruckweise. Die Erinnerung ist oft nur eine summarische. Auf somatischem
fi«Me findet iMn circulatorische, speciell vasomotorische Störungen, profuse Speichel*
dmderm^, starke Schweisssecretion, Cessation der Menstruation.
Ffir Verf. steht fest, dass die katatonen Symptome ihrer äusseren Artung, wie
^ Genese nach der Vereinigung zu einem stets das Gleiche bedeutenden Begriff
'MknZreben. Auch die klinische Erfahrung zeigt ihm, dass diese Erscheinungen
in Vereinigung in einem eindeutigen Zustandsbilde nicht gestatten.
Er vertritt den Standpunkt, dass katatonische Zustandsbilder Vorkommen:
1. als Episode bei acuten und subacuten ParanoiaßUen, so dass man von „kata*
^ Phasen*' sprechen kann;
2. bei gewissen chronischen Paranoiaformen, namentlich bei den auf sogenannter
■Nal« (spinal'sensibler) Grundlage stehenden Formen, auch hier als Episode;
3. bei Stuporzoständen;
4. bei gewissen Hanieen auf tieferer organischer Grundlage und Formstufe,
^uMuUieb bei periodischen Manieen, mit Vorliebe bei juvenilen Periodikem;
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132
5. beim circalären Stupor;
6. gel^entlich bei echten Melancbolieen auf invalider, neurastbenischer Grundlage.
Bei diesen Erkranknngsformen bilden die katatonischen Erscheinungen nur eine
Phase, eine Abart; daneben aber giebt es Erankheitsbilder, in denen die katatonischen
Symptome das Bild beherrschen. In der schwm^ren Form dieser Erkrankungen
erkennt Verf. im Grunde nur eine primäre (sehr oft hebephrene) Demenz oder
eine durch katatone Erscheinungen modificirte periodisch-circuläre
Degenerationspsychose, in der leichteren dag^en ein hysterisches Irresein.
Es würde den Rahmen eines Referats weit überschreiten, wenn Ref. versuchen
wollte, die Einwände alle aufzuzählen, die sich der Schüle’schen „Auflösung des
Eatatoniebegriffee*‘ entgegenstellen lassen. Nur das sei erwähnt, dass es ihm ganz
unmöglich erscheint, die in Einzelheiten der Schilderung vorzügliche Zerlegung der
katatonischen Symptome praktisch durchzuführen, und dass ihm nicht verständlich
geworden ist, wie der Yerf. die Anhaltspunkte für die mehr oder weniger hohe
„psychische Bewerthung*' der Erscheinungen gefunden hat.
Aschaffenburg (Heidelberg).
27) Osseaaioni sesauali oon Impulaloni al suloidio p«ar Impiooamento (ao*
oessi dl Autoaadlamo), per A. Tamburini. (Riv. sperimeni di Freniatr.
XXlIl.) — Asaasinio per voluttä (alluoinasioi^ sessuali osseaaive), per
G.Guicciardi. (Ebenda.) — Autosadismo e Automaaoohismo, per A.Tam-
burini. (Ebenda.)
Als Autosadismus bezeichnet T. eine Yerbindung von Zwangsideeen geschlecht¬
licher und selbstmörderischer Natur, die er bei einem öOjähr. Manne mit leichten
Degenerationszeichen und Atheromatose beobachtete. Diesem war eines Tags von
einem Suicidium durch Erhängen erzählt worden. In der Nacht darauf erwachte er
mit der Zwangsidee, sich zu erdrosseln und zugleich mit starken Erectionen des
Penis. Zugleich bestand starker Blutandrang zum Kopfe und Yerwirrtheit Nach
Befriedigung der geschlechtlichen Erregung an seiner Frau verschwanden auch die
Selbstmordgedanken. Die Anfälle wiederholten sich alle 3—4 Tage. Sie verliefen
alle in der gleichen Weise: zuerst rechtsseitige Schmerzen im Ausbreitungsgebiet des
N. supraorbitalis, Hitze im Kopfe, Röthung des Gesichts, Klopfen in den Schläfen,
einige Male auch Schwindel und Tremor; dann zunächst Eintreten der geschlecht¬
lichen Erregung, darauf des Dranges, sich die Kehle zuzuschnüren. Unter dem Ge¬
brauch von Bromkali hörten die Anfälle auf.
Dass das Leiden epileptoider Natur war, glaubt Yerf. nicht. Auch um eine
blosse Ideeenassociation habe es sich nicht gehandelt^ da der Kranke nicht wusste,
dass der Tod durch Erhängen manchmal von Erectionen begleitet ist. Yielmehr
glaubt Verf., dass bei dem ersten Anfall die Yorstellung des Zusammeuscbnürens der
Gurgel eine Irritation des Rückenmarks bei dem Pat. hervorgerufen habe, die sich
auch auf das Erectionscentrum ausbreitete. Später trat das Umgekehrte ein, zuerst
die geschlechtliche Erregung und alsdann die impulsive Idee der Strangulation. Die
Irritation verbreitet sich also vom Erectionscentrum im Rückenmark zu den höheren
Tbeilen und brachte dann im Gehirn die Zwangsidee der Selbstbescbädigung hervor.
Es handelt sich hier mithin um eine Combination von geschlechtlichen und
selbstmörderischen Zwangsideen. Es ist dies eine neue Form von Sadismus, ein
Autosadismus. Der Drang, mit der Befriedigung des Geschlechtetriebes zu töten oder
zu verletzen, richtet sich nicht gegen andere, sondern gegen die eigene Person.
G. berichtet von einem Degenerirten, bei dem der Gescblechtstrieb sehr früh¬
zeitig sich regte und allmählich nacheinander alle Formen der Perversion annahm:
Onanie, die er so ausfübrte, dass er gleichzeitig dabei sich einen körperlichen
Schmerz zufügt, Coitus mit brutalen und gewaltthätigen Handlungen, später benöthigte
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V der iDsfftkniiig Ton Qrausamkeiten, om die WoUlost anzastacbeln, Anwachseo
der ervtisebeD Bilder, so daes sie die Träome beherrschten nnd im Wachen zq
EzliociDatioDen f&hrten, Homosexnalität and schliesslich Lastmord. Dieser bestand
dzrü, dass er im Winter anf der Landstrasse einen Hann, mit dem er zosammen
nnderte, und mit welchem er vorher in Streit gerathen war, anflel und za Boden
Khleg. Er brachte ihm sodann eine tödtliche Yerletznng am Halse bei, welche die
Cvotis doTchsebnitt, kam aber nicht dazu, wie es seine Absicht war, in der Wunde
wise WolUust zu befriedigen, weil schon der Anblick des Blutes die Ejacnlation
tavwrief.
T, der an beide Fälle noch einige Bemerkungen anknfipft, fährt aas, dass es
äch in beiden nm Antosadisrnns gehandelt hat, der im zweiten Falle aber nur das
T^&ofentmliam zum eigentlichen Sadismus bildet. Es lag kein Antomasochismns
rw, tr^ der Kranke beim Aasfähreo der betreffenden Handlang sich vorstellte, da««
& £• Misshandlung am anderen Geschlecht aasfOhrte, nicht, dass er selbst von
iwem misshandelt würde.
Terf. glanbt, dass bei jedem Sadisten und Masochisten ein solches Vorstadiam
iiB iotosadismns und Antomasochismas vorhergehe, zu der Zeit, wo in dem Be*
tnfiBBden zwar der krankhafte Trieb schon entwickelt ist, er aber noch nicht die
Odegeoheit oder die Möglichkeit des Verkehrs mit dem anderen Geschlecht hat,
d«Dso wie die Masturbation oft das Vorläoferstadium des Coitus bilde.
Valentin.
Therapie.
S8) La thdrapeutique de raloooUsme par rintemement prolongd des
buveais, par Dr. Marandon de Montyel. (Revue de M^decine. Janrier
1897. S. 23.)
Lesenswerthe Abhandlung über den Schatz der Gesellschaft gegen die Ge*
vA&beiutrinker und über die Behaiidlang der letzteren in eigenen Anstalten. Verf.
pkidirt fär ein staatliches Trinker-Gesetz, welches aach die zwangweise Unter-
Iräguog der notorischen Trinker in die Anstalt ermöglicht. Unter den delirirenden
Tnak»n sind diejenigen, deren Delirium mehr auf einer abnormen Gehimorganisation
Iwzlit and dareb einen vielleicht an sich geringen Alkohol-Ezcess hervorgerofen
wird, Ton den delirirenden Gewohnheitstrinkern zn nnterscheiden. Erstere sind nach
Abisof des Deliriums unter strengen Ermahnnngen ans der Anstalt zu entlassen,
rihrend die Gewohnheitstrinker möglichst frühzeitig and möglichst lange zn Intel'-
tina sind. Von den nicht delirirenden Trinkern sind vor Allem die Verbrecher,
die Delinquenten und die Öffentlich trunksüchtigen Scandalmacher in die Anstalt zu
Hrte iage n. Auch der Trinker, welcher nur in seiner Familie Unheil stiftet, kann
lach kztlicher und jorisüscher Constatining seines Alkoholismns zwangsweise in die
Aaaalt gebraebt werden, welche ausserdem selbstverstäudlich dem sich freiwillig
lUHoden offen steht Letzterer muss sich verpflichten die nOthige Zeit in der
Amtah zu bleiben und kann dann hierzu gezwungen werden.
Strümpell (Erlangen).
tt) Die ohiroi^leohe TbAtlgkeit des Irrenantes in der Anstalt, von Käcke.
(Irrenfreniid. 1897. Hr. 3 u. 4.)
Verf. bespricht eingehend an der Hand einer sehr grossen Erfahrung dies wich¬
tige Capitel der praktischen Psychiatrie, wobei er fortwährend noch allerhand Neben-
iiiMrkangen, die das Ganze beleben, macht. Er erwähnt, dass grosse Operationen
'ig'ii^od Dy
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134
in der Irrenanstalt sehr selten sind, dass aber offenbar die Menge der äusseren Leiden
bei Irren ausser Zufall gewiss sehr Sache der Rasse, des Orts, der früheren Be*
schäftigung u. s. w. sei, dass es viel zu weit gegangen sei, jede geisteskranke Fraa
gynäkologisch zu untersuchen u. s. w. Seine Schlusssätze sind folgende: Vom Psy¬
chiater, wie von jedem praktischen Ärzte, kann man vernünftigerweise nur die Aus¬
übung der sog. „kleinen“ übiroi^e verlangen. Für grössere Operationen, wenn sie
nicht, wie die Tracheo* oder Hemiotomie, aus vitalen Gründen sofort zu geschelien
haben, soll man einen Specialisten berbeirufen oder bei grossen Anstalten eventuell
einen Psychiater chirurgisch, in einer grossen Weiberanstalt speciell einen gynäko¬
logisch ausbilden lassen. Erwünscht ist es ferner, wenn der Psychiater etwas Privat-
Praxis treibt, um immer Neues zu sehen und zu lernen, nicht aber am wenigsten,
um in die Volksseele immer tiefer einzudringen, was ihm nachher bei seinen Irren
grossen Vortheil verschafft. (Autorreferat.)
30) Sur la valeur dlagnostlque de la ponotion lombaire, par 0. Denigia
et J. Sabrazös (Bordeaux). (Revue de Mödecine. 1896. Octobre. S. 8S3.)
Die Verff. konnten bei 7 Fällen von acuter tnberculöser Meningitis 6 Mal
durch Lumbalpunction Flüssigkeit erhalten, welche 3 Mal reichliche Tuberkelbacillen
enthielt. Bei chronischer Tuberculose des Gehirns und der Meningen war die
Punction negativ. — In einem Falle von Lyssa wurden durch Lumbalpunction
32 ccm Flüssigkeit entleert. Zwei Hunde, damit snbdural geimpft, erkrankten beide
an ausgesprochener Rabies. Die chemische Untersuchung des Liquor cerebrospinalis
ergab bei der tuberculösen Meningitis im Liter 2,33 g organische Substanz (Sernm-
albnmin, Peptone, Harnstoff). Reducirende Substanzen wurden ganz vermisst oder
nur Spuren gefunden. Die bei der Lyssa entleerte Flüssigkeit enthielt weniger
organische Substanz im Ganzen, aber deutliche Mengen von reducirender Substanz.
Verff. glauben, dass den verschiedenen Infectionen eine verschiedenartige Zusammen¬
setzung der Cerebrospinalfifissigkeit entspricht. Strümpell (Erlangen).
ni. Aus den Gesellsohaften.
Berliner Oesellsohaft f&r Fsyohlatrie und Nervenkrankheiten.
Sitzung vom 10. Januar 1898.
Eassirer stellt einen 8 Jahre alten Enaben vor, der aus gesunder Familie
stammt. Im Älter von 1^/, Jahren soll Pat. eines Nachts mit einer Lähmung des
linken Beins erwacht sein; er wurde darauf orthopädisch behandelt und lernte wieder
gehen. Der Gang hat sich aber in der letzten Zeit wieder verschlechtert; er kann
sieh aus der liegenden Lage nicht erbeben und sich nicht aufsetzen. Pat. zeigt
gegenwärtig folgenden Befund: Das linke Bein ist stark auswärts rotirt und im
Eniegelenk gebeugt; es besteht eine deutliche Atrophie des linken Ober- und Unter¬
schenkels; das Bein ist auch für gewöhnlich etwas cyanotisch und fühlt sich kühler
an als das rechte; die Atrophie erstreckt sich auch auf die Enochen; der linke
Unterschenkel ist deutlich verkürzt. Die Dorsalöection des Fasses gelingt unvoll¬
kommen; nur der äussere Fussrand wird etwas gehoben; die Planfarflection des
Fasses wird gut ausgefübrt. Wenn Pat. den linken Oberschenkel erhebt, so fällt
der Unterschenkel schlaff herunter. Der Lähmung entsprechend ist auch links das
Kniephänomen nicht auszulösen. Die Sensibilität des Beins ist ohne Störung; die
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(lekthsche UotersDcboiig ei^ab in einzelnen Mnskeln eine Yerlangsamang der Zncknng;
die Moskeln reagiren aber sowohl anf den faradischen, wie galvanischen Strom.
Die Erecbeinimgen am linken Beine sprechen fflr eine acute Poliomyelitis anterior.
Bei dem Pat. besteht ferner eine sehr starke Lordose der Lendenwirbel; die
Slnteealgegend springt stark heracs, theils durch Verschiebung des Beckens, theils
ibw aoeh durch eine Pseudobypertrophie der Muskeln. Der Gang des Pat. zeigt
eu CombinatioB von Hinken und Watscheln. Ans der liegeDden Lage kommt Pat.
ii die sitzend^ indem er sich zuerst auf den Bauch w&lzt und sich dann mit den
inan langsam auMchtet. Der rechte Oberschenkel bietet in der Bewegung keine
S&angui dar, aber auch der rechte Unterschenkel kann nicht gestreckt werden, der
ndie H. qoadrieeps functionirt gamicbt. Die Schulterblätter stehen von der
VirMasole ab, es besteht das Phänomen der „losen Schultern". Das Erheben der
Arme bis zor Horizontalen ist sehr schwach; die Unterarme erscheinen etwas hyper«
tn^biseb. An den Händen besteht keine Atrophie, der Händedruck ist ziemlich
KmaL Diese eben geschilderten Erscheinungen am KCrper sprechen für eine
Dystrophia. Es liege hier also eine Combination einer abgelanfenen Poliomyelitis
intcrior mit emer Dystrophie vor. Ein solcher Fall sei noch nicht beschrieben
•orda, wenn es auch ähnliche Fälle gäbe, z. B. solche, bei denen in der Jugend
HM Poliomyelitis aufgetreten, zu der dann im späteren Alter eine spinale Myopathie
kinnlas. Der vom Vortr. vorgestellte Fall zeichnet sich besonders dadurch aus,
iasB die spätere Mnskelerkranknng deutlich den Charakter der primären Myopathie
tilgt, Bod dass dieee ziemlich rasch nach der Poliorayeliiie anterior aufgetreten ist.
Hitzig schUesst sich bezftglich der Dit^ose Poliomyelitis anterior den Ans*
fährrngsn des Vortr. an, die ausserordentliche Schlaffheit im Hflftgelenk spreche
besoBders dafär. Er hält es indessen nicht fOr ausgeschlossen, dass Pai zuerst
sOM Dystrophie gehabt hat, und dass zu dieser die Poliomyelitis binzugetreten ist.
H. bilt die primären Myopathieen für keine eigentlich primären, sondern es sind
nbiscbeinlich auch Räckenmarkserkrankongeu. Fasse man die Sache von dieser
^ aof, so erscheint die Genese der Erkrankung nicht so unverständlich.
Goldseheider: Wenn man die histologische Veränderung des RQckenmarks
RB Aosgangsponkt der Betrachtung nimmt, so mnss man doch eingestehen, dass sie
td der Moskeldystrophie eine andere ist, wie bei der Poliomyelitis, bei welcher die
Tomderangen von den Gefässen ansgehen.
Hitzig erwidert, dass es ihm femgelegen, beide Erankbeitsprocesse zu iden*
er habe nur die Ansicht, dass auch die Myopathie vom RQckenmarke ausgehe.
Bemak: Bei der Äussergewöhnlichkeit des Falles lasse sich gamichts dagegen
cneodsD, wenn man hier, wie E. es gethan hat, eine Combination von zwei Pro-
'OKD annehme.
Jolly: Die Entstebui^f der Dystrophie aus spinaler Ursache ist zwar möglich,
ibtr vorläufig nur eine Hypothese; denn es gäbe nur ganz vereinzelte Fälle, wo
kiwbei Verändemngen im Bflckenmark gefunden wurden.
Kassirer meint, dass ans der klinischen Beobachtung wohl bervorgebe, dass
b« dm Pat die Poliomyelitis zuerst aufgetreten ist. Ein solcher Fall mache eine
Hebung zwischen Poliomyelitis und Myopathie möglich, man könne aber Uber diese
Braebung nichts genaueres aussagen.
Bicbter (DalldorQ: Ueber Porenoephalie (mit Demonstrationen).
unterscheidet eine voUständ^e und unvollständige Porencephalie je nachdem
^ Porus bis in den Ventrikel vordrmgt oder vor demselben stehen bleibt. Unter
^ Ursachen hebt er besonders das intra partum eintretende Tranma hervor. Die
bä Porencephalie bestehende Atrophie des hinteren Balkenabschnittes erklärt Vortr.
mechanische Weise. In der Horm bilden nämlich die Felsenbeine zusammen
"MQ Winkel von 126Bei Idioten — nnd porencephalische Gehirne rühren von
Google
136
Idioten her — ist dieser Winkel erheblich grösser. Die Auswärtsdrehnng der
Felsenbeine bewirkt einen Zug am Tentorium cerebelU; dadurch wiederum wird die
Falx cerebri etwas nach abwärts gezogen und drückt auf den hinteren Abschnitt
des Balkens, wodurch dieser in seiner Ausbildung gehemmt wird. Vortr. demonstrirt
Tiele Präparate, welche von zwei Fällen von Porencepbalie herrflhren. ln dem einen
Falle sass symmetrisch im Schläfenlappen und an der Aussenwand des Seitenvenlrikels
ein porencephalitischer Herd; im zweiten Falle waren viele Höhlen im Gehirn vor*
banden. Man sieht an den demonstrirten Schnitten, dass vom Balken aus nach
beiden Hemisphären starke Bindegewebszüge gehen, welche die Windungen auseinander
zerren und häufig bis zur oberflächlichen Pia reichen; stets kann man die Membran
der porencephalischen Herde bis zum Balken verfolgen. Die Poti brechen auch leicht
in die Seitenventrikel durch, weil der Balken die Decke des Ventrikel ausmacht. Im
Stimbirn trifft man selten porencephalische Defecte, weil das Genu corporis callosi
nicht mit der Sichel in Confiict geräth. Die Balkenatrophie muss nach dem Vortr.
central entstanden sein, weil sie auch das nicht nervöse Gewebe betrifft. Nicht nur
der Forceps ist atrophisch, sondern auch die Tapete.
Oppenheim: Ueber einen Fall von Tomor oereb^
Das Gehirn, welches Vortr. demonstrirt, stammt von einem iöjährigen Manne,
der bis Ende 1896 gesund war. Er war ^philitisch inficirt und litt an eitrigem
Ausfluss aus dem linken Ohre; seit einem halben Jahre bestehen Kopfschmerzen und
Erbrechen. Nachdem Pat. zwei Mal kurze Zeit im Erankenhause gewesen, kam er
in eine Ohrenklinik. Hier wurde Kopfschmerz am Hinterkopf, Erbrechen und
Schwindelgefühl constatirt; es bestanden keinerlei Ausfallserscheinungen, hingegen
war doppelseitige Neuritis optica vorhanden. Der Unke Warzenfortsatz war druck*
empfindlich. Nach Aufmeisselung des Warzenfortsatzes wurde die Dura mater intact
gefunden, weshalb von einer weiteren Operation Abstand genommen wurde; eine
wiederholte Lumbalpunction hatte auch keinen Erfolg. Vortr. constatirte bei der im
Juni vorigen Jahres vorgenommenen Untersuchung eine Sprachstörung. Pat. spricht
zwar geläufig, aber er muss manche Worte umgehen, indem er den zutreffenden
Ausdruck für manchen Gegenstand nicht findet. Das Nachsprechen und Wort*
verständniss ist gut, ebenso Lesen und Schreiben. Das Merkwürdige war, dass sich
während der Untersuchung der Charakter der Sprachstörung änderte. Er kann sich
dann nicht recht verständUch machen, er glaubt nicht mehr gut hören zu können,
er percipirt nicht die einfachsten Sachen. Diese letztere Störung tritt auf, wenn
sich Pat. aus der liegenden Stellung aufricbtet und geht wieder zurück, wenn er
sich hinl^; es trat also bei dem Pat. jedes Mal, wenn er sich anfrichtete, eine
sensorische Aphasie hinzu. Vortr. stellte die Diagnose auf Tomor im Bereiche des
Schläfenlappens ohne speciellere Localisation. Das Erankheitsbild blieb bis zum Tode
unverändert. Bei der Obduction wurde ein Tumor im Bereiche des hinteren Tbeils
der Fossa Sylvii gefunden; er nimmt seinen Ausgang vom linken unteren Scheitel*
lappen, Gjrus snpramarginalis, welcher den Haoptsitz der Geschwulst bildet; von
hier drin^ der Tomor in die erste Schläfenwindung ein und zersprengt sie gleichsam.
Die Geschwulst erwies sich als ein Sarcom. Die Sprachstörnng bei dem Patienten
war eine amnestische Aphasie und Paraphasie; die auffallendste Erscheinung war
die, dass beim Anfrechtsetzen eine Worttaubheit hinzutrat; da sich bei Veränderung
der Körperhaltung nur eine Aenderung allein in der Sprachstörung zeigte, so konnten
circnlatoriscbe Störungen nicht deren Ursache sein; es hat vielmehr der Tumor beim
Aufrichten des Körpers die erste Schläfenwindung mehr belastet und dadurch die
Veränderung hervorgerufen. Aehnliche Erscheinungen einer Symptomveränderung findet
man besonders bei Tumoren der hinteren Schädelgrube. Jacobsohn (Berlin).
./Google
137
Wlamichtftliche venammlnng der Aente der 8t. Petersburger TCifaifc
fSr Nerven* und Qelsteskranke.
SitzcQg vom 27. Fobniar 1897.
Dr. Holzicger: Ueber Nervenkrankheiten in Abessinien.
^ortr. hat in Abessinien 107 Fälle von nervOsen Erkrankungen beobachtet,
tee vetaos grösste Zahl der Kranken litt an Epilepsie. Eie Epileptischen werden
Tst da AbeoBiniem als von einem bösen Geist behaftet angesehen. An zweiter
Stille aod die peripherischen Paralysen, grösstentheils traninatischen Orsprnngs, zn
Moo. Die Paraparesis spastica wird häufig in Abessinien beobachtet, als Folge*
endenoDg nach Genoss einer besonderen Erbsenart (Gnoja); diese Erknnknug ist
aOw Wakrseheinliehkeit nach mit dem Latyrismns identisch. Von Tabeskranken
hsa bloss sechs znr Beobachtung; ungeachtet dessen, dass in Abessinien die Lues
pu usserordentUeh verbreitet ist, wird Tabes daselbst sehr selten angetroffen.
Mi TOD Neniasthenie wurden unter der Localbevölkerung gar nicht beobachtet; die
noMftigen und leicht err^baren Europäer wurden von den Einheimischen für
swTaknnk gehalten und mit Menschen verglichen, „die morgen sterben wollen“,
b« von Erkältung, sogar in den Fällen, wo dieselbe eine augenscheinliche
Solle gespielt hat, ist den Abessiniern ganz fremd. Die Behandlung der Kranken
e imserst primitiv; besonders oft werden von den einheimischen Zauberern An*
keBBiogen und Aderlässen ai^ewandi Die Anbrennungen sind sehr populär und
Tiria mit giähendem Eisen oder mit thönemen Krügen ausgeführt. Se^ verbreitet
^ socb Haassregeln, die auf Abei^lauben fussen: so soll die Mutter, die mehrere
Eiidtf verloren hat, ihrem Neugeborenen, damit er am Leben bleibt, einen Theil
linken Ohrlappens abschneiden’ und aufessen.
Dr. W. Larionow: Ueber oortloale Gtehorsoentra bei Hunden.
Tortr. hat bei Hunden partielle Läsionen der Binde der Schläfenlappen aus-
ffäbrt and das Gehör vor und nach der Operation untersucht und kam zu {folgenden
Sdiusfo^emngen:
1. Vnnk’s Ansicht Über ein einseitiges gekreuztes Centrum für jedes Ohr ist
gau richtig, da jedes Ohr, wie es scheint, mit den corticalen Centra beider
HenigpUren in Verbindung steht.
2. Bei geringen partiellen Läsionen der Hirnrinde fallen einzelne Töne aus.
3. In den corticalen Centra giebt es wahrscheinlich auch eine Tonleiter, wie
Kkiie für die Schnecke bekannt ist
4. Bei den operirten Hunden wurden Gehörstäuschungen beobachtet; sie wandten
^wäl«) die Augen nicht in der Richtung zum Ursprung des Tones hin, sondern
udi der entgegengesetzten Seite.
h. Bei Verlost des Gehörs auf Töne reagiren die Tbiere noch deutlich auf
ileiaacha
6. Bei Beizung mit faradischem Strome der Binde der Schläfonlappen, sowohl
o Odiiete des Gyrus angularis, als der 1. und 2. Schläfenwindung, werden
^^^ngoDgen sowohl im gekreuzten Ohre, als auch in dem Ohre derselben Seite aus*
|(U«t
Stod. Akopenko (als Gast): Ueber den Hinfluss der Entfernung der
Iddlddruse auf die Entwickelung des Organismus, banptsäoMioh auf die
btwu^eluzig dee Knocbensystems.
Vortr. entfernte die Schilddrüse bei jungen Thieren verschiedener Gattungen.
aeoten Erscheinungen nach der Operation deuteten auf eine allgemeine Intoxi*
dee Organismos hin. Die chronischen Folgeznstände worden bei allen Thieren
^*^btet, die längere Zeit gelebt hatten und bestanden in einer Wachsthumshemmung
^ Gewebe, besonders der Knochen. Es worden ausserdem trophische Störungen
,g , Google
138
beobacbtet, in den Äugen Conjunctivitis und Trübung der Linse. Das allgemeine
Aaseeben und der Charakter der Tbiere erinnerten sehr an Cretine. Nach Anücbt
des Yortr. verdienen die oben angeführten Erscheinungen eine besondere Beachtung
vom Standpunkte der Theorie des Cretinismus aus.
Sitzung vom 27. März 1897.
Sind. Wichrew (als Qast) demonstrirte den Anwesenden einen besonderen tos
ihm erfundenen Apparat für stereoskopische Betrachtung der Böntgen’sohen
Aufhahmen.
Der Apparat ist nach dem Princip des gewöhnlichen Stereoskops construirt und
ermöglicht nicht nur die nach Röntgen photographirten Theile des Organismus in
plastischer Form zu betrachten, sondern auch (nach Umdrehung der beiden Spiegel
auf 170^ sowohl die vordere, als auch die hintere Oberfläche (sammt Gefässen,
eingodmngeneu Fremdkörpern u. s. w.) des photographirten O^ans in Augenschein
zu nehmen.
Dr. W. Ossipow: Geber centrale Endigungen des ZI. Kerrenpaares.
Yortr. hat seine Experimente an jungen Kaninchen und Hunden aiigestellt.
Der H. KI wurde im Rückenmarkscanal entfernt, zu dem man durch die Membrana
occipito'atlantica gelangte; dabei wurde entweder der ganze Nerv, d. h. der
Accessorius vagi und spinalis, oder bloss der letztere entfernt. Ausserdem
wurde in einigen Fällen bloss der Huskelast des N. XI. entfernt. Die Tbiere lebten
nach der Operation bis zu 33 Tagen. Untersucht wurde nach Marchi, Pal mit
Nachfärbung mit oxalsaurem Carmin nach Wyrubon (mit neutralem Carmin), van
Gieson und Nissl.
Bei der mikroskopischen Untersuchung wurde gefunden:
1. Atrophie der Wurzelbündel des N. XT, sowohl in der unteren Abtheiiung des
verlängerten Markes, als auch im Rückenmark.
2. Atrophie der Zellen im Dorsalkeme des N. X, besonders in dessen unteren
Abtheilungen.
3. Atrophie des solitären Bündels auf der Seite der Operation.
4. Atrophie der vorderen Zellengruppe des Yorderhoms auf dem Niveau des
unteren Abschnittes der Pyramidenkreuzung auf Seite der Operation.
5. Atrophie einzelner Zellen des seitlichen Theiles des Yorderhoms auf Seite
der Operation.
6. Atrophie der Zellen des Seitenstrangkerns auf Seite der Operation.
Auf Grund der gewonnenen Resultate kommt Yortr. unter anderem zu dem
Schlüsse, dass die oberen WurzelbOndel des N. XI, d. h. diejenigen, die aus dem
unteren Theile des verlängerten Markes berausgehen, als untere Wurzelbündel des
N. X zu betrachten sind, da mit ihnen einen gemeinsamen Centralorsprung aufweisend.
Als N. XI ist bloss dessen spinaler Theil (Accessorius spinalis) anzunehmen.
Prof. W. V. Bechterew bemerkt in der Discnssion, dass auf Grund der Unter¬
suchungen des Yortr. der N. accessorius Willisii, d. h. eigentlich der Acces¬
sorius spinalis als eine der motorischen Wurzeln des gemeinsamen N. vagi-
glossopharyogei-accessorii aufzufassen ist, dass ferner die sensiblen Kerne des
N. vagi-glossopharyngei-accessorii allen diesen 3 Nerven gemeinsam sind and
dass auch deren motorische Wurzelbündel einen gemeinsamen Ursprung besitzen, da
der N. ambiguus, der als motorischer Kern des N. vagi-glossopharyngei gilt,
im Grunde genommen im anatomischen Sinne eine Fortsetzung des Accessorinskems
bildet.
Nach v. B.'s Ansicht ist es wünschenswerth, die Untersuchungen fortzusetzen
und die Frage zu entscheiden, ob der Muskelast des N. accessorii auch Fasern
für den N. vagus enthält, wie es von einigen Autoren angegeben ist.
Google
139
Dr. E. Giese: TTeber die Entwickelung der Neuroglia im Rückenmark
d« Menacdieii.
Diesbezügliche Untersucbnogen sind nach der Golgi’schen Methode an mensch*
bdien Embijonen aiigestellt worden. Äoaaer See^tignng des bisher schon bekannten
«nben sie noch einige neoe Details. Es wnrde gefonden, dass die zuerst von
T. Leohossdk in der Sahst, gelatinosa Bolandi gefondenen Astroblasten mit atisser-
cideetlieh stark sich Terästelnden Anslänfem bisweilen auch nnmittelbar vor derselben,
sm in dem üoeseren Winkel des Yorderhoms anzntreffen sind. Ausserdem konnte
Bestimmtheit constatirt werden, dass die Astroblasten in einer viel früheren
Periode der embryonalen Entwickelung in die sogen. Astrocyten flbeigehen, als dies
T-ie T. Lenhossdk angegeben worden ist und zwar wnrde dieser Uebergang bei
eüma Embryo Ton nar 14 cm Länge gefnnden.
In der Disenssion bemerkte Friv.’Doc. Erlitzki, dass ihm die Ansicht des
Tortr. von dem ansschliesslicb epithelialen Ursprünge der Nenrogliazellen des Bücken*
Bxrb nicht genügend begründet erscheint. Nach seiner Meinnng ist die Neuroglia
reaiaebten Ursprungs: einerseits entwickelt sie sich ans Epithelzellen, andererseits
ts9 Bindegewebsaellen; davon konnte er sich an seinen eigenen Präparaten über*
uogen, die ebenfalls nach der Golgi’schen Methode angefertigt worden sind, nnd
iB solchen mit Carminfärbnng: an denselben sieht man mit Deutlichkeit die cnmittel*
bart Twbindong der Nenrogliazellen mit der Adventitia der Ge^e, ans der sie sich
ugenscbeinlich entwickeln.
Prof. W. T. Bechterew wies anf die Nothwendigkeit hin, das Yerhältniss der
Xatrtigliazellen zn der Pia mater, sowie zn den Gemsen näher zn studiren. Ob
he Zellen, die mit den Gefässen in Verbindung stehen, als eigentliche Neuroglia*
zeQen anfznfassen sind, bedarf noch weiterer Erörterung; es ist anznnehmen, dass
iü Xenroglia gemischten Ursprungs ist; zur endgültigen LOsnng dieser Frage sind
meh andere Färbungen, ausser der Qolgi’schen, anzuwenden.
Prof. W. V. Bechterew: Ueber oorticale Contra beim Aifen.
Dieebezttgliche Experimente sind bereits im Jahre 1887 in Kasan begonnen
vordm. Das letzte Experiment an einem Macacos wnrde vor kurzem vom Yortr. im
Beiwin vieler Aerzte der hiesigen Klinik ansgeffihrt. Anf Grund seiner Unter*
scebongen kommt Yortr. zn dem Schluss, dass der erregbare Theil der äusseren
Oberfläche der Himrinde beim Affen sehr umfangreich ist. Ausser dem Schläfen*
Uppen und dem präfrontalen Abschnitte des Gehirns giebl die ganze Oberfläche der
Binrmde bei Seizni^ mit elektrischen Strome einen motorischen Effect ab, der in
bestimmten Vuskelcontractionen sinh kundgiebt Am leichtesten erregbar sind die
Cntra, die in beiden Centralwindnngen nnd in den hinteren frontalen Windungen
r^egeu sind. Die verschiedenen motorischen Centra sind beim Affen anf der Hirn*
nade fol^endermaassen vertheilt: in den obersten Theilen beider Centralwindnngen
üegni von vom nach hinten die Centra für den Oberschenkel, Unterschenkel und
ä« Hnger der hinteren Extremität Unterhalb liegen in derselben Folge die Centra
Ar den Schwanz, den Bompf nnd den Hals, nnmittelbar unter ihnen die Centra für
da Ober* und Vorderarm, nnd noch tiefer unten die Centra für das Handgelenk
ad die Hnger der vorderen Extremität. Unterhalb dieser Centra befinden sich die
Cotra für die Gesichtsmnskeln. Noch tiefer unten, am Ende der Centralwindnngen,
&ber der Kssar. Sylvii, liegt das Centmm für die Bewegungen der Kiefer und das
Sehlnckeeutram. Bei Beizung der Binde unmittelbar hinter diesen Centren, in der
Xike des hinteren Abschnittes der Sylvi’scben Furche, wurde eine Bewegung im
TUgegeugssetzten Ohre nnd oberen Angenlide erzielt. Nach vom von der vorderen
>2e«tiralwindQng, in der Nähe der oberen Hälfte des Sulcus praecentralis, befindet sich
iis Ceotmm für die Bewegung der Ohren; etwas niedriger, in der Nähe des mittleren
Akeehnittee des Sulcus praecentralis, li^en die Athmungscentra. Die übrigen Theile
D g :vod c, GoO^iC
140
des bioterea Abschnittes der Frontalwindongen sind von Centren ftir die Bewegungen
der Augen und des Kopfes besetzt, ln den hinteren Abtheilnngen der Parietal* and
Occipitallappen liegen die Centra für Pupillenerweiterung und fOr coordinirte Aagen*
bewegnngen nach der entgegengesetzten Bicbtung, sowohl nach oben, als nach unten.
Alle diese Bewegungen erinnern sehr an diejenigen, die bei Heizung des vorderen
ZweihQgels ausgelöst werden. Diese Centra ftlr Bew^ungen der Augäpfel stehen,
nach Ansicht des Vortr., in einem innigen Verhältniss zn den Centra, die in dem
vorderen Zweihflgel gelegen sind und sind aller 'Wahrscheinlichkeit nach, wie es
auch Mnnk annimmt, mit verschiedenen Theileu der Sehcentra coordmirt, die eben¬
falls in dem Occipitallappen gelegen sind.
Bei Zerstörungen der Hirnrinde bei Äffen konnte Vortr. sich davon öberzeugen,
dass den motorischen Störnngen sich stets eine Herabsetznng der Haut- und Muskel-
Sensibilität hinzngesellt. Auf Grund dieses Factums nimmt Vortr. an, dass die sogen,
motorische Region als senso-motorische aufzufassen ist, in der die Muskel- und Haut*
emphndungen mit bestimmten Bewegungen coordinirt werden. Zum Schluss wies
Vortr. darauf hin, dass die Vertheilung der motorischen Centra beim Menschen un-
ge^hr dieselbe ist, wie beim Affen, wovon er sich bei ÄusfQhrung von Trepanationen
überzeugen konnte. Dank diesem Umstande gewinnen die Experimente an Äffen sehr
an Bedeutung.
Sitzung vom 24. April 1897.
Dr. Tekutiew: Zur Behandlung der Epilepsie mit Adonis vernalis.
Vortr. demonstrirte einen 10 Jahre alten Kranken, der am 23. Februar 1897
in die Klinik aufgenommen worden war und seit 2 Jahren an schwerer Epilepsie litt.
Die epileptischen Anfälle, die 15—20 Mal am Tage auftraten, hatten bedeutend die
Geistesfahigkeiten des Knaben geschwächt; ausserdem waren Paresen einiger Muskeln
aufgetreten. In der Klinik wurde ihm folgende Mixtnr verordnet: Inf. adonis ver-
nalis 1,25—360 Äq. destill, 0,12 Codeini und 4,0 Natrii bromati, 5—7 Esslöffel
täglich; nach etlichen Wochen wurde die Dosis des Adonis vemalis auf 2,5 gebracht.
Die Anfälle wurden allmählig seltener und schwächer, Ende März hörten sie toU-
ständig auf und bis zum 23. April, an dem der Kranke die Klinik verliess, war
kein einziger Anfall zu verzeichnen. Er sieht jetzt ganz munter und gesund aus.
Die Möglichkeit des Wiederauftretens der Anfälle durchaus nicht in Abrede stellend,
weisst Vortr. bloss hin auf die unzweifelhaft sehr günstige Wirkung des von Prof.
W. V. Bechterew vorgeschlagenen Gemisches auf die Frequenz und Stärke der
epileptischen Anfälle.
Prof. W. V. Bechterew bemerkte, dass die Verordnung der Adonis vemalis
mit Brompräparaten fast in allen von ihm behandelten Fällen von Epilepsie von
grossem Nutzen gewesen sei. Bei einigen Kranken ist sogar von dauernder Heilung
zu sprechen, da die Anfälle nach Verlauf von über 3 Jahren nicht wieder aufgetreten
sind. In einigen Fällen war Digitalis von besserer Wirkung als Adonis vemalis.
Dr. Ostankow: Ueber Hautveflexe im Anfengsatadlum der Tabes
dorsalis.
Vortr. bat 26 Tabeskranke auf Haut- und Sebnenreflexe untersucht und dabei
Folgendes gefunden: Die Patellar-und Achlllessehnenrefleze fehlen bei allen 26 Kranken;
von 11 Kranken in der präatactiscben Periode waren bei 10 die Bauchdeckenreflexe
beiderseits stark gesteigert, bei 1 Kranken gut an^prägt. Von 10 Fällen in der
atactiscben Periode waren die Baucbdeckenreflexe bei 3 Kranken stark gesteigert,
bei 5 Kranken got aasgeprägt, in 1 Falle sehr tr^e und bei 1 Kranken waren sie
gar nicht anszulösen. In 5 Fällen der paralytischen Periode fehlten in 4 die Baach-
deckenreflexe vollständig, bei 1 Kranken waren sie verstärkt. Ans diesen Daten ist
ersichtlich, dass in der präatactiscben Periode der Tabes dorsalis eine Erhöhnng der
Baucbdeckenreflexe ausserordentlich häuflg beobachtet wird (10 Mal in 11 Fällen).
Diy
Google
141
HffVMTobebeo ist aoch das beständige Fehlen ausser der Patellar- auch der Aclüllos«
««banreflexe. Das Yorhandensein dieser beiden Symptome — der Yerstärkung der
BaiKhdMkenreflexe ond das Fehlen der Patellar- und AchillessebnenreSexe — kann
als frflbfls diagnostischee Merkmal der Tabes dorsalis incipiens verwerthet werden.
Prof. W. ▼. Bechterew bemerkte, dass ausser dem vom Yortr. beacbriebenen
ftfbilteD der Bancbdeckenrefleze er schon längst noch ein anderes Fräh^mptom
iw Tabes dorsalis gefunden bat; in vielen Fällen von Tabes incipiens konnte er sich
aialicb von einer Schmerzlosigkeit der Kn. poplitei bei Druck ond Beklopfen aber-
»ga; dieses Symptom ist nach seinen Erfahmngen viel häufiger zu beobachten, als
ü Sfioptom von BiernatzkL
PriT.-Doc. Erlitzki demonstrirte in Ei^änznng seiner Entgegnung, die er in
«er rergangenen Sitzung dem Yorredner voi^ebracht batte, dass nämlich die NenrogUa-
läa nicht bloss epithelialen, sondern gemischten Ursprungs sind, Präparate, an
iiM die Verblnduiig der Nearogliasellen mit der Adventitla der Gefitsse
m sehen war.
Prof. W. V. Bechterew erklärt sich nochmals f&r den gemischten Ursprung
ier SeDToglitzellen. An Präparaten, die nach der Golgi’schen Methode aus dem
fdinferten Marke angefertigt worden waren, konnte er an dessen Peripherie eine
Koge Neorogliazellen beobachten, die ihre Ausläufer zor Peripherie schielen. Diese
Bildw seien Qberzeugend ffir die Yerbindnng der Neorogliazellen mit der Peripherie
iw Twliagerteo Markes ohne irgend welche Beziehung zum Centralcanal; auf Grund
baa yerhaltens hat man einen gemischten Ursprung ffir die Neorogliazellen an-
mxkairo: einen epithelialen und bindegewebigen.
Dr. Korolkow: Heber Nervenendigtuigen in den Speioheldr&sen und
a der Leber.
Vortr. demonstrirte diesbezQgliche, vortrefTlich gelungene Präparate, die nach
i? Golgi'scben Methode angefertigt worden waren.
Dr. Boriscbpolski: üeber den Einfluss der Vibration auf die Erregbar-
tait der Hirnrinde und auf die Blutoiroulation im Oebirn.
Zor Erzeognsg der Vibration wurde der Charcot’sche Yibrationsappparat an-
rrnadt Ezperimentirt wurde an Menschen und Thieren. Auf Grund seiner Unter-
^vBimgen ist Yortr. zo dem Schluss gekommen, dass die Vibration keinen wesent-
-'in Einflass anf die Blotcirculation im Gehirn und die Erregbarkeit der Hirnrinde
Die Anwendung der Vibration als therapeutisches Mittel wird gerechtfertigt
.erd die gfinsüge Beeinflnssong verschiedener snbjectiver Empfindungen bei Neurasthe-
-ibm ond Hysterischen, besonders gute Dienste leistet dieselbe bei Schlaflosigkeit,
'•‘t ados nach wenigen Sdancen beseitigt wird. Der Yortr. erklärt diese Wirkung
« Vibration als anf psychischem Wege bedingt.
Prof. W. V. Beehterew ist mit letzterer Erklärung des Yortr. nicht ganz ein-
'«manden; die Frage bedarf noch weiterer Erörterung.
Dr. Jnschenko (als Gast): Ueber das Verhältniss des Ganglion mesen-
'wieom Inferina zur Innervation der Harnblase und über die automatischen
Bnregungen desselben.
Die Experimente waren an Katzen im physiologischen Laboratorium von Prof.
' Pavlow angestelli Schlossfolgernngen:
1. Der Harnblase sind automatische Contraetionen eigen.
3. Id dem Ganglion mesenterienm inferins befindet sieb das reflectorische Cen-
nicht nur ffir die Contraction, sondern auch für die Erschlaffung der Harnblase,
h dieeem Ganglion ist auch das Hemmungscentrnm ffir die automatischen Bewegungen
^ Bimblase gelegen.
In beiden Kn. hypogastrici giebt es sensitive ond motorische Fasern.
Google
142
Sitzung Tom 11. Mai 1897.
Dr, Holzinger: Ueber den Latyrismos in Abessinien.
Vortr. hat 15 Fälle von Latyrismus in Abessinien zn beobachten Gelegenheit
gehabt. Die charakteristischen Symptome dieser Krankheit bestehen in einer sehr
scharf ausgeprägten spastischen Gangart und Bigidität der Oberschenkel- und Gastro-
cnemialffluskelu, in einer Erhöhung der Fatellarreflexe und Clonus der Patella und
im Fussgelenk. Das Alter der Kranken schwankt zwischen 18—35 Jahren. Die
Dauer der Krankheit beträgt 2—10 Jahre. Die Krankheit entwickelt sich nach
Genuss von Gnoja, einer besonderen Bohnenart (Latbyrus sativus coeruleus). Der
Latyrismus ist nach den Erfahrungen des Vortr. in Abessinien sehr verbreitet und
wird daselbst Guoja baschetiÖ genannt.
Dr. A. Trapesnikow: Ueber den Einfluss der Bettbehandlung anf die
Geisteskranken der Uänner-Abtbeilung der hiesigen Klinik.
Die Beobachtungen des Vortr. beziehen sich auf 29 Kranke, die nach Art der
Erkrankung sich folgendermaassen vertheilen: Paralysis progress. 8, Amentia 6,
Melancholia 5, Paranoia 4, zu je 1 Falle von Katatonia, Psychosis hysterica, De¬
mentia senilis und Lues cerebri.
Anf Grund seiner Beobachtungen kommt Vortr. zu folgenden Schlössen: die
Kranken gewöhnen sich Oberhaupt bald an die Bettbehandlung. Während des
Aufenthalts im Bett wird die Zahl der Scblafstundeo (am Tage und in der Nacht)
absolut vermehrt, oft zum Nachtheil des Nachtschlafs. Das Gewicht der Kranken
fällt anfangs gewöhnlich, um nach einigen Wochen sich zuweilen wieder auszugleichen.
Auf den Pols und die Atbmnng war kein anerkennbarer Einfluss zu constatiren.
Das Bettregime giebt den Kranken gute Gelegenheit zum Onaniren, dessen Ueber-
wachuug zudem sehr erschwert wird. Auf die Krankheitsdauer und den Ausgang
der Krankheit Qbt die Bettbehandlung, wie es scheint, keinen Einfluss aus.
Dr. W. Ossipow: Die Bettbehandlung in der Krauen• Abtheilung der
Irrenklinik.
Die Fälle, die zur Beobachtung gelangten, waren folgende: Dementia secundaria 3,
Paranoia chronica 1, Psychosis hallucinatoria 2, Amentia 2, Exaltatio maniacalis 1,
Melancholia 1, Psychosis circnlaris 1, Psychosis periodica 1, Dementia cerebri or-
ganica 1.
Vortr. stellt folgende Schlusssätze auf:
1. Die Mehrzahl der Kranken gewöhnen sich leicht an die Bettbehandlung.
2. Die Pflege der unsauberen Kranken, sowie Oberhaupt die Anfeicht über die
Kranken, wird bedeutend erleichtert.
3. Auf den psychischen Zustand der Kranken wirkt die langandanemde Bett-
behandlong in einigen Fällen ungünstig, in anderen günstig.
4. Das Sinken des Gewichts der Kranken während der Bettbehandlung ist nichi
immer durch die Krankheit selbst bedingt, in einigen Fällen ist es dem Aufenthalte
im Bette znzuschreiben.
5. Der Schlaf, der Appetit und die Darmthätigkeit wird während der Bett¬
behandlung meist schlechter.
6. Die Hypnotica müssen ebenso oft angewandt werden.
7. Die Bettbehandlung ist streng zu individualisiren.
ln der Discussion, die nach diesen beiden Vorträgen folgte, bemerkte Priv.-Doc.
Bosenbach, dass er in den von den Vortr. gewonnenen Besultaten eine Bestä^ping
seines skeptischen Verhaltens zur Bettbehandlung ersieht Wenn man alle dies¬
bezüglichen Beobaehtnngen znsammenfasst, so eigiebt sich daraas, dass man zui
Bettbehandlung sich negativ verhalten soll. Der einzige Vortheil, den das Bettregimc
bietet, besteht in der Erleichterung der Krankenpflege.
D g I ,:od oy GOO^ Ic
143
Prof. W. ▼. Bechterew hob in seinem Schlussworte herror:
1. dass die Bettbehandlnng nicht schablonenhaft anzuweudeu sei;
2. dass in grossen Anstalten sie eine Baumerspamiss bewirke;
3. dass sie zwar die Isolimng nicht aufhebe, doch dieselbe nicht mehr an den
ktberen Gefangniss^ns erinnern lasse und
4 . dass die nnrähigen Kranken von den rnhigen zu trennen seien.
Es erscheint wftnschenswerth die Beobachtungen fortzusetzen und zu bestimmen,
vklta Einfluss die Bettbehandlnng auf den Stoffwechsel der Kranken ausflbt.
Dr. Schnkowski: Ueber den Binflnss der Hirnrinde und der sub-
entlegen Qnnglia auf die Atbmnng.
Der Vortr. hat seine Untersnehungen hauptsächlich an Hunden ausgefQhrt. Die
itfiffiong wurde wom Brustkörbe, der Diaphragma und der Trachea aus auf graphi*
ttkem Wege Terxelchnei Zur ^izung der Hirnrinde und der subcorticalen Qanglia
der faradische Strom. Schlussfolgerungen:
1. Die AÜ^mongsbewegungen sind nicht von der ganzen Hirnrinde abhängig; sie
verden bloes Yon bestimmten Punkten derselben ausgelöst, die in dem vorderen Ab*
Khsitte des Orosshims, in dem Frontallappen und der motorischen Region gelegen sind.
2. Die Ansicht von Fran 9 ois Frank und Bouchefontaine ist nicht stich*
khig, da der Athmnngseffect bei Reizung bloss einiger bestimmter Punkte des vor¬
deren TheQee des Grosshims erzielt wird.
3. ln der Hirnrinde giebt es ein Centrum fQr Athmungsbeschleunigung (Bech*
tere« und Ostankow), in dem vorderen äosseren Theile des 6;ri praecruciati
rekgen, sowie ein Centrum für Verlangsamung und Anbalten der Äthmungsbewegungen
in d«' Exspiration (unweit vom Centrum ffir den Orbicularis oculi). Ein ebensolches
CeDsmm bedeutet auch, wie es scheint, ein dritter Punkt, der vom Vortr. auf der
«teren Oberfläche des Froutallappens gefunden ist und von dem ans anch ein An*
kita der Athmangsbewegungen ansgelöst wird.
4 . Nach Entfernung dieser drei Punkte bleibt der frQhere Rythmus und Charakter
der Athmnngsbewegungen erhalten, sowie die Reflexe auf die Atbmung von der Haut,
dea Sdileimhäuten und den Empfindungsoi^anen ans; auf Grund dieses Factums
fkubt Vortr. Yoraossetzen zu dürfen, dass diese Centra keine reflectorischen seien,
sndem aller Wahrscheinlichkeit nach unserem Willen untergeordnet sind und ausserdem
a den Affecten theilnebmen, die von einer Veränderung der Atbmung begleitet werden.
5. Das Abtragen der grossen Hemisphären bis zu den Ganglien bedingt eine
Teränderung im Rhythmns und Charakter der Äthmungsbewegungen.
6. Nach Einstich in die subcorticalen Ganglia und elektrischer Reizung derselben
Yird ein motorischer Effect erzielt, der einerseits durch Reizung der Leituugsbahnen,
adererseits durch Erregung von besonderen Centren, die in ihrer Tiefe gelegen sind,
krrorgebracht wird. Bei Reizung der granen Substanz im vorderen Abschnitte des
Tbalami optici und der Caoda corporis caudati beobachtete Vortr. ein Anhalten der
AükanngslMwegUDgen. Beim Einstich in den mittleren Theil des Thalamus bis zur
Wand des 3. Ventrikels trat ein Cheyne-Stoke’sches Atbmen auf, das nach
Heauniehang der Nadel wieder aufhOrte. Beim Einstich in den hinteren Abschnitt
d« Tbalamos traten seltene und tiefe Athmnngsbewegungen auf, bei Reizung wurde
da Atbmen öfter ond tiefer. Bei oberflächlicher Reizung der Seitentheile des vor*
^reo ZweibAgels trat eine Pause in den Äthmungsbewegungen in der Inspiration auf.
Dr. W. Reimers: Ueber Degenerationen im Büokenmark naoh Duroh-
•Aaaidnng der hinteren und vorderen Bfiokeninarkewuraeln.
Die Experimente waren hauptsächlich an Hunden angestellt. Die Wurzeln
vnrdes entweder im Wirbelcanal oder ausserhalb desselben durchschnitten. Behänd*
lasg nach Marchi Hach DurchschneidUI^^ der hinteren Wurzeln waren folgende
Vvtndenmgen im Rückenmark zu constatiren:
Dig t'i’od
Google
144
1. Eine aufsteigende Degeneration in den Goirschen and Bnrdach'acben
Strängen bis zn den Kernen dieser Stränge;
2. eine absteigende Degeneration im ScWltze’scben Comma und in dem ovalen
Felde von Flechsig;
3. eine Degeneration in der Lissaner’schen Randzone, in dem VOTderhom and
in der vorderen Commissur. Nach Darchschneidnng der vorderen Wnrzeln war so*
wohl im centralen, als peripherischen Abschnitte derselben mne Degeneration za
finden, wie auch eine in der vorderen Commissar and im Yorderhom.
Prof. W. V. Bechterew demonstrirt zwei Gehirne von Kranken, die an einer
Quetschung des verlängerten Markes durch EleinhlmgesohwIUBte za Grande
gegangen waren. E. Giese (St. Petersbarg).
IV. Vermisohtes.
Einladung.
Nach dem Beschlüsse der vom 17.—20. September 1895 zu Heidelberg abgebaltenen
VIII. Conferenz, soll die IX. Conferenz Mr Idioten* und Epileptischen-Pfiege in Verbinduog
mit Vorstehern und Lehrern an Schulen fQr schwacbbeföbigfte Kinder, in der ersten HilfU
des Septembers 1898 zn Breslau stattfinden.
Alle, welche sich fUr die genannten Zweige der FBrsorge interessiren, insbesondere
Psychiater, Aerzte, Geistliche und Pädagogen, werden zur Theilnabme an dieser Conferwiz
freundlichst eingeladen.
Sie werden gebeten, Vortr^e nnd DcmoDstrationen spätestens bis 1. Juni 1898 bei dem
Unterzeichneten Vorsitzenden, Director Bartbold, Hephata bei M.-Gladbach, Rheinland,
anmelden zn wollen.
Der Vorstand der VIII. Conferenz für Idioten-Pflege:
C. Barthold, Director der Idiotenanstalt Hephata bei M.*Gladbach, Vorsitzender
W. Geiger, Pfarrer, Inspector der Idiotenanstalt in Mosbach in Baden.
Karl Richter, Schnldirector in Leipzig.
H. Piper, Erziehnngsinspector in Dalldorf-Berlin.
San.-Rath Dr. 0. Berkban, prakt. Arzt in Brannschweig.
Die Bedaction des Archives für Physiologie (P^s. Abtheilu^ des Archives für Ana¬
tomie and Physiologie), welche nach dem Tode von £. da Bois-Reymond während des
Jahres 1897 interimistisch in den Händen der Berliner Physiologischen Gesellschaft
lag, hat vom Jahre 1898 ab Herr Prof. Dr. Tb. W. Engelmann in Berlin fibemommen.
V. Berichtigung.
Zn meinem Aufsätze „Ueber Zwangsvorstelinngen“ in Nr. 1 dieses Jahrgangs hat Herr
Prof. V. Krafft-Ebing die Güte gehabt, mir mitzntbeilen, dass nicht Westphal, sondern
er den Namen „Zwangsvorstellungen“ in die dentsobe Psychiatrie eingeführt hat, zuerst in
seinen im Jahre 1867 erobieneneu „Beiträgen zur Erkennung und richtigen forensiseben
Beurtbeilnng krankhafter Oemüthsznstände“. Ferner bat derselbe in seinem Au&stzs „Ueber
formale Störungen des Vorstellens“ (Vierteijabrsschr. f. ger. u. öffentl. Medicin. 1870. Jan.)
ansführlich die Zwangsvorstellungen besprocbeu. M.
In Nr. 1 d. J., S. 34, Zeile 2 von oben, lies: „caudal“ statt „frontal“; S. 87, Zeile 7
von unten, lies: „Körnebenaggregate“ statt Körnchenapparate“.
In Nr. 2 d. J., S. 94, Zeile 8 von nuten, liess: „klinische“ statt „kritische“.
üm Einsendung von Separatabdrücken an den Herausgeber wird gebeten.
Eineendangen für die Redaction sind zu richten an Prof. Dr. E.Mendel,
Berlin, NW. Schiffbanerdamm 20.
Verlag von Vbit & Comp, in Leipzig. — Druck von Mbtzobr A Wiitio in Leipzig.
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Haus Bockenau bei Eberbach am Neckar.
Heilanstalt für
Aicoliolkranke n. Morfiumkranke.
Das ganze Jahr hindurch geöffnet — Prospecte sowie okbere Änsknnft
dsrch den Besitzer und dirigirenden Arzt
I>r. O. FQrer, vorm. Assistent von Herrn Prof. KrBpelln in Heidelberg.
Hasserbeilanstalt Sophienbad zn Reinbek (nahe Hamburg).
fScetn-fl. Pneamatotherapie, Gymnastik, Massage, Dütkuren. Faul Hennings.
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Dir. Arst: Dr. Emmerieh. 11. Arzt; Dr. Leibold.
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ist das ganse Jahr hindurch geöffnet.
1 Sui^tsrath Dr. Bindseil. Dr. W'arda,
früher enter Assistenzarzt von Herrn Hofratb
2 Professor Dr. Binswanger in Jena.
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Sanitätsrath Dr. Rltscher’s
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Dr. Carl Flügge,
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und fterapie des Nervensystems einschliesslich der Geisteskrankheiten.
HeraoBgegeben von
Professor Dr. £. Mendel ^
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erscheinen zwei Nnnuneni. Preis des Jahrganges 24 Mark. Za beziehen dart^b
Sdhasdlnogen des In> and Auslandes, die Postanstalten des Dentseben Reichs
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Nr. 4.
15. Februar.
Leipzig,
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:7189a
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I^llriiersicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie
und Therapie des Nerven^tems einschliesslich der Geisteskrankheiten.
Heransg^beo von
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Professor Dr. E. Mendel
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lieh aiaeheinen cwei Nammern. Preis des Jahrganges 24 Hark. Zn besiehen durch
»Bnehhandlnngen des ln* nnd Anslandee, die Postanstalten des Dentsohen Reiche, sowie
direct von der Yerlagsbnchhandlang.
15. Februar.
Nr. 4.
Oi^inalmiftbeiliiiisen. 1. Historische Notix zor Lehre vom Kopftetanns (Tetanns
phobiens. Tetanns facialis, Edm. Bose), von Prof. M. Bernhardt in Berlin. 2. Heber
Err^barkeit der Orossbimrinde nen^eborener Thiere, von W. v. Bechterew in 8i Peters*
3. Beitrag xnr Pathologie der SpTnalgangUenzelle. von Dr. Otto Jullusborger nnd Dr.
■eytr, Acmstenzärzten. 4. Notiz betoeSs des Bindenfeldee der Hinterstrangbahnen,
Dr. med. Armin Toohermtk in Leipzig. S. Von der Bedentnog der Associationscentren
iFbehsig xnr Erforsohong der Entwickeinng des Geistes, der Sprache, der Psychologie
Sprache, arie anch der Lehre von der Sprachlosigkeit, von Dr. W. OtnszswsU.
a. Rsfsrate. Anatomie. 1. On tbe endo^nons fibres in the Inmbo-saoral region
^tb« eard, bj BniOs.— Experimentelle Physiologie. 2. Nene Versnobe über
, I gslraniscben Beiz, von Diibols. 8. Snrvival movemente of bamaa infancy, by Nomford.
;.ltt vaso*motenn des membree abdominanx. Bechercbee expdrimentalee, par Spallitta et
— Pathologische Anatomie. 5. Beitrige xnr' pathologiecben Anatomie der
kamarkecompresaioD, von Heysiann. 6 . AnatoroiBcbe ünteranohnngen Aber die comblnirte,
'lehe Sebweiflähnmng nnd Sphincterenparalyae des Pferdes, von Dexler. 7. Deber
in^sverändeniDgeD bei CareinomatOeen, von Lubarxch. 8. Sali’ exiologia delle dege-
oi sistem^ebe primaiio del midoUo spinale, per Ceni. 9. Ueber den anatomischen
im An&ogsatamnm der multiplen Sclerose, von Qoldschelder. 10. Pathogenese nnd
*]e Anatomie der Srangomyelie, von Bckiosinger. — Pathologie des Nerven*
IBS. 11. Beitrag xnr Kenntniss der bei der disseminirten Herdsclerose anftretenden
lodemngeD, von IBbbert. 12. De la sclöroae en plaqnes a d^bnt apoplectiforme,
' B y t maa. IS. Znr Frage Aber die mnltiple Sclerose nnd Gliose. Nebst einer Bemerknng
r dk ViiMalarisatioDsve^ltniBse der Hednlla oblongata, von Rstiollmo. 14. A case of
sclerosis, hj Hackney. 15. Znr Aetiologie der mnltiplen Sclerose, von Blum*
und Jakoby. 16. Znr Bedeutung der Angennntersnchnng, speciell des opbthalmo*
piMhen Befnndes, fAr die FrAbdiagnose der mnltiplen Herdsclerose, von Nagel. 17. Ueber
anskelstSrnngen bei der mnltiplen Sclerose, von Kunn. 18. Ueber einen Fall von
nmarketnberkel beim Kinde, nebst Bemerknngen Aber die mnltiple Degeneration, von
19. Tumor of Üie spine, by Cladsk. 20. A case of Syringomyelie limited to one
ior bom in Öie oervicu region, with arthropathy of the shoolder-joiDt and ascendiog
aation in the pyramidal tracts, by Dercum and Spillsr. 21. Ueber eine seltene Locali-
ttnsr Arthrops^e -bei Syringomvelie, von Hahtt. 22. Tronbles da thorax dans la
Bvelie, par Maria. 23. Mydite cbronique consdcntive a nn tronble dana le ddveloppe*
: la mobile dpinkre, par Hambargar. 24. Ueber Degenerationsberde in der weiesen
I des Rückenmarks bei Lenkämie, von Nenne. 25. Historieche Notix Aber Degeneratione*
in der weiesen Snbetanx bei Leukämie and Aber Degenerationen im Bfickenmark bei
nakbeiten, von Scbaltza. 26. Znr Lehre vom RAckenmarkeabBcees, von Bchlcsinger.
t Znr Kanntniaa der eentralen Hämatomyelie, von Bregmann. 28. A case of haematorrbaohis,
t>nüa 29. üeber xwei Fälle von primärer, combinirter Strangerkranknng des Bücken*
von Wagner. 30. Le mecanisme des monvementa rdfiexes. Un cas de compression
tia Doelle dorsale aveo abolition des rdQexea, par van Oehuchten, 81. A case of pnrnlent
spinal leptomeningitis, by Fry. 82. Pareso^analg^sie des exti^mitds infdrienres aveo
aoalg^iqnes on maladie de Morvan. H^mipl^e droite et parapl4gie infdrienre, par
lille. 33. Ein Fall von Sclerodermie erfolgreich behandelt mit Extraetnm thyreoideae,
Vsbsr. — Therapie. 84. Ein Beitrag znr Chirurgie des Rfiokenmarks. Heilung einer
intradnralen kalten Abscese bedin^n Compressionsläbmnng durch ErAffnnng des
tes nach Lamineetomie, von Trapp.
10
de
Googli
146
III. Aus den fieseilschnften. ÄerztUcher Verein in Hambarg. — Geselleohaft der Nenro-
patbologen and Irrenärzte za Moskau.
IV. VermlscMes. Zum Bchweizerischen Irrengesetz. V. Berlohtlgunf.
I. Originalmittheilongen.
1. Historische Notiz zur Lehre vom Kopftetanus
(Tetanus hydrophobicus, Tetanus facialis, Edm. Rose).
Von Prof. K. Bernhardt (Berlin).
Seitdem ich im Jahre 1883 zum ersten Male Gelegenheit gehabt hatte,
einen Fall von Eopftetanns (Tetanus hydrophobicus, Bose) zu beobachten^, ist
mein Interesse für diese eigenthümliche Erkrankung dauernd r^ geblieben.
Nun fand ich neulich in dem Bache des berühmten engliohen Physiologen und
Pathologen Ch. Bell: The nerrous System of the human body. Embraoing
tbe papers delirered tp the Boyal Society on the subjeot of the nerves, by
Charles Bell, London 1830’, eine Beobachtung, welche, wie es scheint,
dem ersten Beschreiber des Eopftetanus oder des Tetanus hydrophobicus, Edm.
Rose, entgangen ist, und welche von Bell in seinem Werke als 42. Fall unter
der Ueberschrift: Ein Fall von Trismus complioirt mit Geaichtslahmnng auS’
fuhrlich mitgetbeilt worden ist.
Auch der spätere Bearbeiter dieses Gegenstandes, Conrad Brunner (Ex¬
perimentelle und klinische Stadien über Tetanus. Tübingen 1894) scheint von
dieser Beobachtung keine Eenntniss zu haben, und auch in dem neuen Werke
Bose’s in der 8. Lieferung der Deutschen Chirurgie, Stuttgart 1897, wo der
Autor die Krankheit nunmehr als Kopftetanus, Tetanus facialis bezeichnet, ist
die BsLL’sche Beobachtung nicht angeführt So möge man es denn Terzeihen,
wenn ich die hochinteressante Mittheilung des englischen Autors hiermit der
Vergessenheit entreisse.
Beobachtung 42.’
Ein Fall von Trismus complicirt mit Oesichtslähmnng.
Thomas Jones, 29 JahVe alt, ein Stallknecht, wnrde am 10. October in das
Middlesex Hospital unter Herrn Bsll's Behandlung aufgenommen. Er klagte über
eine schmerzhafte Steifheit der Kiefer; die Muskeln der einen Seite
des Gesichts waren gelähmt Am letzten September versetzte ihm nach seiner
Aussage ein Pferd während des Striegelns mit dem Yorderfuss einen Schlag auf die
rechte Seite des Kopfes, so dass er zu Boden fiel und einige Zeit betäubt dalag.
Als er wieder zu sich kam, fohlte er sich schwach und empfand etwas Uebelkeit
Die Wunde befand sich oberhalb des Proc. angular, extern, des Stirnbeins. Es ge¬
schah nichts fOr ihn, und er behielt seine Lebensweise bei. Sein Dienstherr sagte
' vergl. Zeitschrift f. klin. Medioin. 1684. Bd. Vll. S. 410.
' Uebersetzt von M. H. Rojcbebo. 1882. Berlin.
' 1. 0. S. 888.
Dig ti/cn'i
Google
147
Ml, d«8 «r dmn Tranke sehr ei^beo sei, qnd dass in Folge dessen zuweilen Kopf
Bod Uiade wie bei alten Leuten zitterten. Am 4. Tage nach der yerwundung be>
a^te «g sneret die Verzerrung des Gesichts, auch wurde ihm das Sprechen und
Schlu^oi schwer. Erst am 6. October wandte er sich an einen Arzt, welcher ihm
die Aotnahme in das Hospital rieth.
Das Gesicht ist nach der linken Seite gezogen, wie in den F&llen
(rtlieher Libmnng, durch Verletzung der Portio dura; die Entstellung der
äiächtszöge ist beim Sprechen am meisten sichtbar. Die Lider des linken Auges
ktuDcn ginzlidi geeeblossen werden; auf der rechten Seite geschieht es unvoUstAndig,
sad wihroid dessen sieht man die Cornea in die Höhe rollen. Das Gefflhl ist auf
bödm Seiten gleich gut. Von der Beweglichkeit der Zunge kann man sich nicht
ncht fibeneugen, weil der Kranke den Mund nicht frei öfoen kann; während des
Smu beisst er sich leicht auf die Zunge und in die Backe. Die beinah geheilte
Wade hat jetat das Ansehen eines Bitzes. Nach der Verwundung erfolgte keine
Bltfaog ans dem Ohre, auch hört der Kranke auf beiden Obren gui
IHe Gegend um den H. masseter der rechten Seite ffthlt sich aufgetrieben und
!täf an; Herr Bkli. glaubt, dass auch vor dem rechten Ohre eine abnorme An*
KbweUung bemerklieh seL (Es wurde das Anlegen von 12 Blutegeln vor dem Ohr
nnr^wt, 10 g von den pilul. Colocynth. cum Oalomel., fftr den anderen Morgen ein
Pngirtrank and za Fomentationen der schmerzhaften Stelle eine Solution von Piumb.
*uL mit Opiam.)
11. October. Der Stationschirurg wurde am Morgen zu dem Kranken gerufen,
vikbv wie in einem Erstickungsanfalle dalag. Er schien an einer Hemmung
E^eetoration zu leiden; die Kiefer waren fest geschlossen; das Gesiebt hatte
«• hnde Farbe; die Mnskeln der rechten Seite waren erschlafft und
aacb der linken Seite gezogen; die Halsmuskeln steif und in heftiger Action.
Zvä Wärter waren erforderlich, um ihn im Bette festzubalten. Zwei Drachmen
OpBBtiBctar wurden in kleinen Quantitäten zwischen den Zähnen eingeflösst, wo*
Wb die ZnßUe anfhörten. Das Bewosstsein war während des Anfalls angetr&bi
Die Kiefer sind fester aneinander geschlossen. Der Kranke klagt Ober einen
baifaden Schmerz im Nacken. Stuh^ng ist erfolgt Der Puls ist hart und von
UO Schlägen. (Blutige Schröpfköpfe auf dem Hinterkopf, 10 g Calomel, Drachme
Opaatmebir, alle 3 Stunden.
12. October. Heute sahen die Doctoren Latham, Watson und Hawkiks den
knaken. Die Zähne sind noch fester aneinander geschlossen. Der Versuch zu
^cklaeken Terursacht heftige Convulsionen im Halse und in der Brust; er
ferweigert ans diesem Grunde das Getränk und Einnahmen von Arzneien,
fr beklagt sich am meisten über den Schleim in der Kehle, welcher ihn zum Hasten
nüt; er wirft den Speichel wie in der Hydrophobie aus. Während der
iiftOe fihrt er im Bett in die Höhe; wir finden ihn auf der Seite sitzend, aus
Fvebt vor der Bflckkebr des Paroxysmus beim Liegen. (Calomel 10 g, Clystir mit
blotige SchrOpfköpfe an den Nacken, warmes Bad, Cataplasma mit' einer
Bisuflösong and Opium auf die Wunde, Eztract. Tabaci., Ung. bydran^. zu gleichen
Tbdbn, in Hals und Kiefer einzareiben.)
13. October. Nach dem gestern genommenen Bade erfolgte eine starke Transpi*
ratka und Erleichtarung. Heute ftberfielen ihn die Paro^smeu 4—5 Mal und dauerten
i ÜfflutMi. Während derselben war er ausser Stande zu sprechen, Sein Kopf war
köten ttbergeworfen, das Kinn stand in die Höhe, doch nicht in dem Grade, um die
Kmkbnt Opistbotonos nennen zn können. Er hat nie Aber Krämpfe im Epigastrium
StUagt, au^ besitzt er seine volle Gewalt fiber die Arme, die Beine and den Kopf.
Ib Bette wird er von Zuckungen befallen. Gegen 7 Uhr Abends worden die Kiefer
■sdlafB, anter den Symptomen des herannahenden Todes. Die Kräfte sanken all*
10 *
Googl
C
148
mählich, nachdem noch mehrere Anfälle eingetreten waren, und der Tod erfolgte
diesen Morgen 10 Uhr.
Leichenbefund (24 Stunden nach dem Tode): Die OesichtszQge waren
verzerrt wie im Leben. Das rechte Auge stand weit offen, während
das linke geschlossen war. . Bei Untersuchung der Narbe fand man keinen
krankhaften Zustand der verwundeten Theile: nur die Haut schien getrennt worden
zu sein. Die Fasern des Orbicularis palpebrarum, welche unter der Narbe lagen,
waren unverletzt, desgleichen der Knochen. Die Ohrspeicbeldräse, die Zweige des
N. supraorbitalis und der Portio dura, welche bis in die Wunde verfolgt worden,
verhielten sich normal. Eine kleine Drüse, von der Dicke einer Feldbohne, war in
der Substanz der Parotis eingesackt und stand mit der Portio dura in Berftbmog;
sie enthielt etwas eiterartige Materie, doch war der Nerv nicht mit ihr verwachsen
und schien überhaupt von gesunder Structur zu sein. Nachdem der Schädel ge-
öffiiet, fand man die Arachnoidea etwas trübe, und die Venen mit mehr Blut an-
gefllllt, als gewöhnlich. Die Ventrikel enthielten eine kleine Quantität seröser
Flüssigkeit Uebrigens zeigte sich weder im Gehirn, noch in den Nerven irgend eine
Abnormität. Die Wurzeln des Quintus und die Portio dura in ihrem Verlauf
durch das Schlafbein wurden auf der rechten Seite genau nntersncht und ge¬
sund befunden. Auch das Rückenmark hatte ein gesundes Ansehen. Die Nerven
des sympathischen Systems in der Bauch- und Brusthöhle waren nonnaL Die Longen
mit nicht mehr Blot überladen als gewöhnlich. Die Glandulae troncatae aof der
Zungenworzel waren vergrössert, doch zeigte sich weder im Schlunde, noch im Kehl¬
kopfe eine Entzündongsröthe.
Herr Bell machte in seinen klinischen Bemerkungen Über diesen
Fall auf die Aehnlichkeit mit einigen anderen Fällen Örtlicher Gesichts¬
lähmung aufmerksam, in Bezug aof die Unfähigkeit das Auge zu
scbliessen und Lippen und Backe zu bewegen. Doch fand insofern eine
Anomalie statt, dass während auf der verwundeten Seite des Gesichts alle Hnskeln,
die ihren Einfluss von der Portio dura erhalten, gelähmt waren, die Kiefermnakeln,
welche vom Quintus versorgt werden, sich in einem tetanischen Zustande befanden.
Er erwähnte zwar eines Falles von halbseitiger Gesichtslähmung, die ebenfalls durch
einen Schlag aof den Kopf entstanden war; doch liess sich hier kein genügender
Grund för die Annahme einer Hirnverletzung, noch weniger für eine Verletzung des
Nerven in seinem Durchgänge durch den Knochen auffinden, und er vermuthete,
dass es ein Trismus war, in Folge einer leichten Verletzung der Haot-
decken der Schläfe, welche ihren Einfluss in einem krankhaft dtspo-
nirten Körper geltend machte. Auffallend blieb die Erscheinung ört¬
licher Lähmung, und er konnte sich keines anderen Beispiels erinnern,
wo dieser Zufall mit einem Trismus verbunden war.
2. lieber die Erregbarkeit der Grosshimrinde neugeborener
Thiere.
Von Professor W. v. Beohterew in St. Petersburg.
Die Frage nach der Erregbarkeit der motorischen Gentra neogeborraez
Geschöpfe hat durch die Untersuchungen von Soltmakn^ wiseenscbafUicfae
* Jahrb. t Kinderheilk. Bd. IX. 1876. -
üa cj./GoogIc
149
Bedoitaog erlangt Ei zeigte, dass jene Centraltbeile bei neugeborenen Welpen
infingbeh ganzlidi nnerregbar erscheinen. Erst vom 10. Tage gelingt es
doreh Beizaiig der Binde Bewegungen in der Yorderextremitat auszulösen; am
13. beginnen solche in den distalen Gliedmaassen aufzutreten, und am
16. Tage treten die Centra der (refflcbts- und Eztiemitätenmuskulatur bereits
B ToUe Action. An Neugeborenen anderer Thierspecies (Kaniochen und
Elte) sind späterhin von Tabohanoff^ und mir^ bestätigende Befunde ge-
* 0 Bn^ worden. Der Erstgenannte erweiterte die SoLXMANM’schen Darstellungen
in dem Sinne, dass jenen Thieren, die mit unentwickelten Bewegungscentren
or Welt kommen, andere gegenüberstehen (z. B. Meerschweinchen), deren
nrtonsche Rindenzone schon zur Zeit der Geburt gut ausgebildet erscheint
Die fnglidie motorische Reizlosigkeit Neugeborener hange ferner nicht, wie
ScOiTiiAnr glaabte, mit Unreifezuständen der Sinnesorgane, insbesondere der
Geächtsfhnction, zusammen, sondern finde ihre Erklärung in mangelhafter Eut-
ekkeiong der Pyramidenbahn und der Pyramidenzellen der Rinde. Meinen
bnittenngen zu Folge bestehen bezüglich des Auftretens der Bewegungscentra
bam Hunde recht erhebliche YariaÜouen. In manchen Fällen ist schon am
10. Thge motorische Erregbarkeit nachweisbar, in anderen wird solche am
12.—14., ja am 15. Tage nach der Geburt noch vermisst Die mangelhafte
Iizitabüität kann hierbei unmöglich direct auf das Conto des Gesichtssions ge-
lEtxt werden, denn es findet sich keinerlei Correlation zwischen dem ersten
Aogenan&chlage und der Entwickelungsstufe der psychomotorischen Centra.
Wikrsid ferner das ausgewachsene Thierhim zahlreiche, für die Thätigkeit be¬
samter Muskeigmppen streng difierenzirte motorische Centra aufweist, finde
iek bä neugeborenen Hunden anfiinglich eine beschränkte Anzahl solcher er-
ragb e e r Centra, deren Beiznng zudem nicht von Contractionen einer einzigen
Itaskelgrappe, sondern von Zuckungen der ganzen hinzngebörigen Gliedmasse
tentwortet wird. Sehr allmählich stellt sich im Laufe der Zeit eine strengere
l^ierenzimng in Anpassong an bestimmte Einzelbewegungen ein. Clonische
ZoftVnTigftTij dieses sp charakteristische Beizungsphänomen der erwachsenen Rinde,
kaoen bei Neugeborenen bis zn einem bestimmten Alter nicht erzielt werden;
dessen sieht man langsame einmalige Gliedmaassencontractionen. Beaohtens-
wth erschien mir ferner das snccessive Anwachsen der Erregbarkeit der Be-
ngoi^soentza vom Augenblicke ihres ersten Auftretens; in auHallender Weise
Bsebte siäi eine starke Abmagerung (bezw. Ermüdung) der Centra, besonders
ier jüngeren Yersnehsthiere, geltend. EpUeptiforme Anfalle waren bis zu einer
gevinen Zeit nicht hervorrufbar.
Die oben erwähnten Yersuebe Soltmanb's sind von Panbth^, Maboaggi^
aad LsKonfB^ nachgeprüft worden. Die Beobachtungen dieser Autoren deuten
’ Die peyehoiDotoiiBcheD Centra neogeboreoer Tbiere and ihre Entwiokeinug. 1879.
i*eteibiirg. VergL Arcb. Slaves de Biologie. 1886.
* Wnlaeh. 1886. Nr. 84 (nusieoh).
* Areb. f. A gea. Physiol. Bd. XXXVII. S. 203.
* Qioma R. Aead. di Torino. 1882. ^ Th^ee de Paris. 1880.
Dyi-c,Google
150
auf eine iu der Mehrzahl der Fälle relativ frühzeitige Entfaltung der motorischen
Rindenerr^barkeit beim Hunde. Ja Lbhoime fand bei zwei neugeborenen
Hunden und ebenso vielen Kätzchen die Rinde wie bei erwachsenen Geschöpfen
erregbar.
Im Hinblicke auf diese Differenzen hat Herr Dr. Babt auf meinen Vor¬
schlag es unternommen, die Entwickelung der motorischen Rindencentra bei
neugeborenen Thieren einer systematischen Untersuchung zu unterziehen.
Zahlreiche Experimente, insbesondere an Hunden und Katzen, sind von dem
Genannten zu diesem Zweck angestellt worden. Bei jungen Hunden bis zum
20. Tage ergab Reizung der Rinde ein positives Resultat in 25 von 38 Fällen.
13 Mal, also etwa in Vs Fälle, war das E^bniss ein negatives, doch han¬
delte es sich hier ausnalimslos um junge Thiere unter 9 Tagen. Für das Aus¬
bleiben des Reizungserfolges waren nach Ansicht des Autors der Yersudie in
gewissen Fällen Himbruch, Blutungen und Abkühlung der Eümoberfläche ver¬
antwortlich zu machen, immerhin aber bleiben 4 Fälle übrig, wo mit Rücksicht
anf den Verlauf der mit aller Vorsicht angeführten Experimente eine derartige
Erklärung nicht anwendbar erschien. Was die Fälle mit positivem Ergebnisse
betrifft, so sind deutliche Gliedmaassencontractionen einige Mal bei Hunden
schon am ersten Lebenst^e erzielt worden. Eine Reihe dieser Versuche, das
mochte ich noch bemerken, geschah unter meiner unmittelbaren Leitung. Ver¬
gleiche ich die so gewonnenen Ergebnisse mit meinen friühereu bezüglichen
Ermittelungen, so erweist sich die corticale Reizbarkeit neugeborener Geschöpfe
in Abhängigkeit von sehr manigfacben, zum Theil sogar zußlligen Factoren,
unter welchen neben verschiedenen Reifegraden der Versuchsthiere höchstwahr¬
scheinlich auch individuelle Schwankungen im Spiele sind.
So erklären sich denn die differirenden Angaben der Autoren bezüglich der
Zeit des Auftretens der corticalen Err^barkeit neugeborener Thiere in be¬
friedigender Weise durch die Inconstanz dieser Verhältnisse innerhalb einer und
der nämlichen Thierspecies.
Der langsame, schleppende Charakter der Contractionen trat auch in den
Versuchen Babt’s hervor. Es erwies sich aber gleichzeitig die Latenzperiode
der corticalen Muskelreizung bei neugeborenen Versuchsthieren von wesentlich
längerer Dauer, als bei erwachsenen Thieren. Die Differenz zwischen jener
Latenzperiode und der Muskelzuckung bei subcorticaler Reizung ist beim Neu¬
geborenen verschwindend klein.
Die unentwickelte marklose Pyramidenbahn erscheint also, wie die dar¬
gelegten Befunde erkennen lassen, nicht völlig unerregbar. Wohl aber geht ihr
die Fähigkeit ab, isolirte Reize bestimmten Muskeln und Mnskelgruppen zu-
zufuhren. Diese Fähigkeit wird ihr im Verlaufe der späteren Entwickelung
seit der Aufnahme der Markscheiden zu Theil
Google
151
[Aus dem Laboratorium der Irrenanstalt Herzbe^ der Stadt Berlin zu Lichten-
berg (Geheimrath Moeli).]
3. Beitrag zur Pathologie der SpinalgaDglienzelle.
Von Dr. Otto Jnliiubarger und Dr. Emst Meyer,
Assütenzärzteo.
Die intereffiante und sehr bemerkenswertbe Arbeit Sohaffeb’s': „Das Ver-
bah» der Spinalganglienzellen bei Tabes auf Grund Nibsl’s Färbung^^ giebt
uns Teraolassong zur folgenden vorläufigen Mittheilung.
Aoch wir wollen, wie Schafpeb, von v. LBNHOSsaK’s* vorzüglioher und
wxM für alle zukünftigen Untersuchungen Richtung gebender Beschreibung der
mrmslmi Structur der Spinalganglienzelle aasgehen; hierbei werden wir uns
danof besdiTänken, die bedeutsamen Thatsachen in möglichster Kürze zu
r^odncireD.
Voran schicken wir die Methoden, die von uns angewendet wurden. Zur
Härtong benutzten wir zum Theil 95 Alkohol und nachherige Celloidin-
aabettung; Schnitte von derartigen Blöcken wurden mit Methylenblau- (Nissl^)
oder Jodgrün + bas. Fuchsin^ gefärbt Sehr schöne Bilder erhielten wir mittelst
ffirtong in MüLLEB-Formol und nachheriger Färbung mit Thionin, Neutralrotb
oder Hamalaun.*
Wir gehen in unserer Besprechung zunächst von den Befunden aus, die
wir an den Spinalganglienzellen der Lendenregion eines 18jähr. Idioten fanden,
da während eines seit mehreren Tt^en bestehenden fieberlosen Erregungs-
tastandeB plötzlich starb.
Die 4 Stunden post mortem rorgenommene Section ergab ausser einem
stiriEen Oedem der Lungen keine bemerkenswertbe Veränderung der Organe.
Die Spinalganglienzellen sind von einer bindegewebigen Kapsel umgeben,
vd dermi Innenfläche wir ein einschichtiges Endothel sitzen sahen. Diese
KxpaA steht mit dem fibrillären Bindegewebe des Ganglions in unmittelbarem
Zonnunenhange; auch wir müssen betonen, dass wir das Letztere an den Prä-
{■zMem von unserem jugendlichen Idioten sehr reichlich entwickelt und durch
einen deutlich bervortretenden Kernreichtbum au^ezeichnet fanden. Hervor-
gehbben sei das Vorhandensein zahlreicher Zellen, die wir als Mastzellen^ an-
qredien; wir glauben in der Lage zu sein, zwei Gruppen derartiger Zellen
* Nenrolo^ehe» Centrzlbl. 1898. Nr. 1.
* AxelÜT f. Piyohiatrie. Bd. XXIX. S. 345.
* Nizzl: MztbjIeDblaa B. pat. 0,875 + Venot. Seife 0,175 + Äq. deat. 100.
* Poduiii bat. 0,6 + JodgrBa 0,2 + Aq. dest. 100. Färbung b-^-lO Minaten, Entfärbnug
ia oder abeolutem Alkohol
* Neoroli^. Ceutralbl 1897. S. 259.
* Toyl Rocbvubim, Archiv f. Psychiatrie. Bd. XVII. S. 820.
D g : 7cd / G OOglC
152
nnterscbeideD zu können, die sich den von uns angewendeten Farben gegenüber
tinctoriell zweifellos Terschieden verhalten und auch wohl Differenzen in ran
morphologischer Hinsicht zeigen, wenngleich wir geneigt sind, in der Fuben-
reaction dos charakteristische Merkmal einer jeden Gruppe zu erblicken.
Die einen Zellen (Ä), deren Protoplasma wie auseinandergesprengt erscheint,
zeigen sehr grobkörnige, durchaus unregelmässig angeordnete Einlagerungen, die
auf Präparaten gehärtet in 95 Alkohol und gdärbt mit Jodgrün + bas.
Fuchsin leuchtend roth erscheinen; ihr mehr oder weniger rundlicher Eem zeigt
feine blangrün tingirte Körnchen.
Die andere Gruppe von Zellen (B), deren Protoplasma sich schärfer ab¬
grenzt und mehr zusammenhängend darstellt, enthält ungleich feinere und
sehr dicht gedrängt gelagerte Körnchen, die sich mit dem erwähnten Farb-
gemische deutlich violett färben. Ihr Kern liess uns keinen nennenswerthen
Unterschied gegenüber demjenigen in den ersterwähnten Zellen auffinden. —
Auf Präparaten gehärtet in MüLLEB-Formol, ge^bt mit Thionin erschienen die
Granulationen in den Zellen der Gruppe A, die übrigens an Zahl Überwegen,
roth mit einem Stich in’s Violett, die Körnchen in den Zellen der Gruppe B
blau geßxbt; nach Färbung mit Neutralroth waren jene mehr ockerfarbig, diese
leuchtend roth tingirt.
Das Protoplasma der Zellen war stets in beiden Gruppen ungefärbt, die
Grösse der Zellen wechselte. Wir möchten hierbei bemerken, dass wir im
Bindegewebe der peripheren Nerven, in den extramedullären vorderen und
hinteren Wurzelbündeln, in der Gehirnrinde, hier in unmittelbarer Nähe der
Gefässe und im Gegensatz zu den erstgenannten Orten in sehr spärlicher
Zahl, vorwiegend Zellen der Gruppe A bisher finden konnten. — Was die
Spinalganglienzellen selbst anlangt, so möchten wir mit v. Lenhoss^k ihre
Gestalt als rundlich bezeichnen, wenngleich auch wir gelegentlich mehr läng¬
liche und auch etwas eckige Formen sahen. Zwischen dem Leibe der Ganglien-
zelle und der Endothelschicbt ihrer bindegewebigen Kapsel li^t kein präformirter
Spaltraum, die Zelle liegt in der That normalerweise dem Endothel unmittel¬
bar an. Die schwache YergrÖsserung zeigt uns ein sehr buntes Bild, insofern
der Unterschied in der Grösse und dem Färbungsgrad der Zellen sofort in die
Augen springt. Der von y. Lenho8s£e gegebenen Aufstellung der wenigstens in
ihren Extremen besonders scharf ausgesprochenen Zelltypen schliessen wir uns im
Wesentlichen an; auch acceptiren wir die Znrückführung der verschiedensten
Nüaucirungen der inneren Beschaffenheit der Zellen bei wesentlich gleichem
Bauprincipe auf die Verschiedenheiten in der Menge, Grösse und Anordnung
der „Tigroidkömer und Schollen'*, sowie auf die verschiedene Beschaffenheit der
Grundsubstanz.^ MüLLBB-Formolpräparate mit Thionin gefärbt, Hessen die
Zellengrundsubstanz bald so gut wie ungeförbt, bald ganz matt wssserblau,
gelegentlich hellgrünlicb, hier zartviolett, dort stärker violett erscheinen. Die
grossen hellen, in der That selten grobscholligen Zellen mit ihrer charakteri-
' cf. V. Lbnhom6k, Archiv Hlr Psychiatrie. Bd. XXIX. S. 362.
[ju .vGoogIc
153 —
stuelien „körnerfreien Snbstanslage“ an der Peripherie sahen wir vorzugsweise
tm Bande des Ganglions reihenweise li^n. Unter den kleinen Zellen fanden
vir jene Individuen, die bei schwacher Vergrössening durch besonders dunkle
nibang hervortraten; die Betrachtung mit starker Vergrössening lehrte, dass
hia das Grundplasma stark gef&rbt war und einen besonderen Reichthum dicht
geiigerter, mehr oder weniger grober Scholien aufwies. Besonders deutlich traten
lUe diese Unterschiede an Präparaten hervor, die in MüLLSB-Formol gehärtet
rad mit Uämalaon gefärbt waren. Die kömerCreie Bandscbicht, wie das Pol-
Md, das an BlüiiLSB-Formolpräparaten uns dur(di seine Helligkeit auffiel und
niwnai» gefifht odcr vou Schollen durchsetzt war, schien uns, mit Immersion
betn^t^ eine änsserst feinscbaaxnige Strnctur zu besitzen.
Die perinocleäre Zone, die allerdings nicht immer deutlich hervortrat, zeigte
in Wesentlichen eine gleiche Färbung wie das übrige Grundplasma; hin und
vieder sahen wir in ihr feine Körnchen. Nicht selten fanden sich unmittelbar
um den Kern eine Schicht dicht gelagerter mehr oder weniger grober „Schollen“.
Die Kfirnelnngen im Eem traten sehr schön und deutlich au Präparaten hervor,
die in MüLUER-Formol gehärtet und mit Hämalann geerbt waren. Wenden
vir ans endlich der Besprechung jener Gebilde zu, die Nissl als „Bruchstücke
Aihbaren, d. h. sichtbar geformten Theiles des Nervenzellenkörpers^' be-
rinieb» und für die v. Lenboss^k die Bezeichnnng „Tigroid“ vorgescblagen
da na^ ihm diese Schollen nnd Körner dem Zellkörper oft ein scheckiges
tigetfdl&hnlicbes Aussehen verleihen.
Die Bezeichnung Granula verwirft v. Lenhoss^e, weil diese wieder aus kleinen
Gnnnlis zusammengesetzt erscheinen. Nun giebt y. LsKHOSSfiK aber selbst an,
das nur in einer Anzahl von Fällen hier der Zellkörper recht eigentlich scheckig
enchemt, in der Bi^l ein mehr oder wen^r granulirtes Aussehen darbietet.
Dieser Bemerkung können wir nur hinznfügen, dass nach unserer Auffassung
die ^änalganglienzellen beim Menschen nie scheckig, sondern stets granulirt er-
sebeinen; wir geben gern zu, dass das Aussehen der Vorderhornzellen, der Zellen
m den motorischen Kernen, in den grossen Pyramidenzellen in den Central-
vindungen hin und wieder an die Zeichnung eines Tigerfells erinnert. So bereiit-
vd&g wir ancb einränmen, dass eine wirklich gute, knapp und präcis gefasste
Beadebnung für die fraglichen Gebilde bislang fehlt, können wir doch nicht
OBkhm, auch die Bezeichnung „Tigroid“ nicht als wirklich einwandsfrei zu be¬
zähmen, da eben, wenigstens nach unserer Auffassung, die grosse Gruppe der
^fnalgaDglienzellen kdn scheckiges, tigerfellähnliches Aussehen darbietet
Wir haben nns an anderer Stelle bei der Schilderung der fraglichen Ge¬
bilde in den Yorderhomzellen und den grossen Pyramidenzellen der Central-
vindungen dahin ausgesprochen, dass sie nur Kömehenaggregate darstellen, die
vir in Ermangelung eines besseren Namen kurzweg „Granula“ nennen wollen;
vir können keinen sonderlich logischen Widerspruch darin sehen, dass wir von
Grannla sprechen, die erst bei sehr starken Veigrösserungen als Aggregate mehr
«der weniger feiner Körnchen erscheinen. Was nun die Spinalgaoglienzellen
aalaxkgt, so können wir hier nur von Körnchen und Kömehen^^egaten sprechen,
Google
154
die — ganz wie das v. Lenbo8b£k für seine Tigroidschollen angiebt — mne
„Tollkommene Ungezwungenheit der Ijagerung'^ erkennen lassen. £ine wirkliob
concentrische Anordnung oder eine Zusammenfägung zu einem Netzwerk sahen
wir nicht. Wie v. LenhossAk, so konnten auch wir jene sternförmigen Schollen,
wie sie Nissl ^ abbildet, nicht auffinden. Nach v. Lenhobs&e sind „die Schollen
und namentlich die grösseren unverkennbar zusammengesetzte Bildungen; mit
starken Immersionen betrachtet, erkennt man an ihnen einen Aufbau einerseits
aus kleinen GranuUs, andererseits ans einer difiusen, sich mit Toluidinblau etwas
schwächer färbenden Zwischensubstanz.“ An den mit unseren oben angegebenen
Methoden dargestellten Präparaten waren wir nicht in der Lage, in den
Körnchenaggregaten die Substanz zwischen den feinen Körnchen tinotohell
oder morphologisch von der übrigen Grundsubstanz der Zelle zu trennen.* Der
Bandschollenkranz t. LenhossAk’s setzt sich aus verschieden grossen Körnchen*
aggregaten zusammen, die untereinander nicht Zusammenhängen und bei schwacher
Veigrösserung ein wedbselndes Aussehen zeigen. Die von t. Lbnhoss&e grob-
schollig genannten Zellen lassen in ihrem ganzen Leibe solche Kömehenaggregate
in regelloser Anordnung erkennen. Wir betonen in Uebereinstimmung mit
ScHAPFEB namentlich unter dem Hinweis auf die Beurtheilung etwaiger patho¬
logischer Verhältnisse, dass in der Spinalganglienzelle Mensdien, wie dies
der Schilderung y. LsnhosbAk’s schon zu entnehmen ist, die einzelnen, diffus
angeordneten Körnchen ein normaler Befund sind, im Gegensatz zu dem
Verhalten der Vorderhomzellen, der Zellen der motorischen Himnervenkeme,
der grossen Fyramidenzellen in den Centralwindungen, wo ein derartiger Be¬
fund, falls er in sehr ausgesprochenem Grade vorhanden ist, schon als
pathol<^i8ch angesehen werden muss; freilich bleibt es dann auch in der B^el
nicht bloss bei einer diffusen Anordnung der Körnchen statt ihrer normalen
Gmppirung zu Körnchen^gregaten, sondern es kommt dann auch zu einem
mehr oder weniger deutlichen Schwunde der Körnchen. — Wenn wir uns
nun zur Besprechung des Verhaltens der Spinalganglienzellen bei Tabes wenden,
so beziehen wir uns hierbei auf die Untersuchungsresultate der Spinalganglieu-
zellen ans der Lendenregion zweier klinisch und anatomisch ausgesprochenei’
und vorgeschrittener Fälle.
Wir können uns hier ganz kurz fassen, insofern wir, was die anatomischen
Befunde anlangt, im Wesentlichen zu den gleichen Resultaten wie Sohaffbic
gelangt sind. Die chromatische Substanz, wie sie Sohapfeb nennt, oder um
niitv.LENHOssfiK zu sprechen, die Tigroidsubstanz, nach unserer obigen Darleguii('
jene Körnchen und Kömehena^regate, zeigten in den Präparaten von unseren
beiden Tabesföllen keinerlei Abweichungen vom Verhalten in normalen
Spinalganglienzellen, wie wir dies der Schilderung y. LENHOsaks’s entnehmen;
auch konnten wir keinen Unterschied sehen g^nüber den Präparaten von denk
jugendlichen Idioten, der klinisch keine Spinalsymptome dargeboten batte and
^ Nenrolog. Ceotralbl. 1894. S. 661.
* Diflaelbe Ansicht haben wir auch von der ZasammenBetznog der Granola (Kömchei -
aggregate) der Vorderhomzellen.
■ Oy
Googl
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155
doKO Hioterstniige anatomisch normal waren. Auch hinsichtUoh des Kerns
imd KemkoTperchens konnten wir keine pathologische Veränderung constatiren.
Digegen glaaben wir, den Eindrack gewonnen zu haben, dass die Zahl der Zellen
äae finbnase erfahren hatte, dass namentlich die mehr kleinen und dunkleren
Zden gegenüber den grossen nnd hellen Zellen in den Vordergrund traten;
ndi wir eine grössere Zahl eckige Zellen, als dies wohl der Norm ent-
^ridit £ine nennenswertbe Vermehrung des interstitiellen Gewebes konnten
vir nicht featetellen, ebensowenig eine Vermehrung der Mastzellen.^ Aber selbst
v«BB weitere Untersochnngen eine derartige, sich immerhin in engen Grenzen
haHimdA Zahlverrmgernng nnd Formverändernng der Zellen als ganz gesicherte
Tkatacbe hiiistellten, müsste man zngeben, dass wir es mit einem geringfögigen
Befunds gegenüber der anatomisoh so stark ausgesprochenen
Sntostiangserkrankung zu thun haben. Soweit beiden wir uns jedenfalls
kWoent^dben in Uebereinstimmung mit Sobatfeb's anatomischen Befunden;
BÜt den Schlüssen jedoch, die dieser Autor hieraus gezogen, können wir uns
ucht b^OTuden. Sohavfbb sagt: „Die Auflösung der chromatischen Substanz
at än an^omisdier Index der gestörten Zellvitalitat. Von diesem Standpunkte
n müssen wir den Mangel von Veränderungen der ohromatisohen Substanz
m da ^inalganglienzellen als einen Beweis dafür betrachten, dass die initiale
Uaon der Tabes ausserhalb der Spinalganglien äch befindet
Hierfür spricht auch schon der Umstand, dass der periphere Nenritast des
Axeo^hiiders unverändert ist; würde die Spinalganglienzelle der Sitz der
Idsion sein, so müsste nicht nor ihr centraler Neuritast, d. h. die
hätme Wurzel, sondern auch ihr peripherer Ast, d. h. der periphere sensible
Nerv, d^eneriren, da doch die trophisobe Bolle des Bpinalgai^lions wohl zweifel-
hi ist Q. 8. w. — Mit der Localisation der primären tabischen Läsion in den
ünteren Wurzeln, wobei der periphere Ast der Spinalganglienzellen intact bleibt,
ifiiimt aufs Beste die Experimentaluntersnohung von Luuabo, laut welcher die
SpinalgaDglienzdlen bei Durchtrennung des peripheren Astes eine tiefgehende
Tcrändemig erfahren, hingegen normal bleiben, falls das Messer den centralen
Aat tnV* So weit Sghai-fbb.
Die Bdiauptung Lügabo’s, dass die Spinalganglienzellen normal erschienen,
«am ihr centraler Nervenast durchschnitten war, widerspricht den Befunden
am penpberen motorischen Neuron. Nach den experimentellen Untersuchungen
htm Hum und den patholc^;isch-anatomischen beim Menschen kann es wohl
»wmAt als eine völlig geaioherte Thatsaohe gelten, dass nach einer primären
SAadiguttg eines peripheren Nerven secundär Veränderungen an den ent-
^ceäieiiden Ursprangazellen wah^enommen werden, gleichgültig, welche Theorie
■iB Ar ihr Zustandekommen annehmen will, gleichgültig auch hinsichtlich einer
etwaagsn Bestitatio ad integrum der Zellen. Wir glauben gegen Luoabo nicht
onbeadieiden za sein, wenn wir weitere Experimentaluntersuchungen für wünschens-
vertli erachten nnd abwaiten wollen, ob die Behauptung dieses Autors, dass die
* et OmKRMSM o. SixiaaLiKe, WoLLmtBa, GtotiDSOHiiDu, Stbobbb.
■' . Google
156
SpiDalganglieuzellen nach einer acuten, experimentellen Yerletzang ihres centralen
Nerrenastes normal bleiben, wirklich vor jedem Zweifel gesichert dastehe; MSt
dann kann es an der Zeit sein, diese Ei^ebnisse in die DisonssioD einzuföhren
and weitere Schlüsse an sie zu knüpfen. Was den peripheren sensiblen Nerr
anlangt, so glauben wir doch, dass schon bemerkenswerthe Untersuchungen vor*
banden sind, welche über Verändorungen in den grosseren peripheren Nerren-
stammen und in den feineren sensiblen Nervenveizweigungen berichten.*
Wenden wir uns nun zu dem — wie uns scheiuen will — Haupteänwand
Sohafvbb’s gegen die Theorie, dass die Erkrankung des Hinterstranges bei der
Tabes von einer Läsion der Spinalganglienzellen abhängig sei. Nach ScHAFns
ist diese Theorie unvereinbar mit dem Mangel von Veränderungen der chroma*
tischen Substanz in den Spinalganglienzellen, denn „die Auflösung der chroma*
tischen Substanz ist ein anatomischer Index der gestörten Zellvitalität“ Wir
können nur betonen, dass wir den anatomischen Befund Sobaffeb’s in unseren
zwei Fällen von Tabes bestätigen können; zwingt aber derselbe zu den Schluss¬
folgerungen dieses Autors? Wir glauben diese Frage verneinen zu mfissen. ln
der Alteration der Granula — Schaffeb’s chromatischer Substanz — glauben
wir, wie wir an anderer Stelle auseinander gesetzt haben, eine bereits anatomisch
sichtbar gewordene Beaction der Zelle auf die durch die Kruikbeit, d. h. be^
sondere Beizvorgäoge, abgeänderten Lebensbedingnngen sehen zu können, inso¬
fern hierdurch in mehr oder weniger acuter Weise der ganze innere Betrieb und
das Gleichgewicht der Zelle gestört wird.‘ Die Restitution der Granula ist für
uns ein anatomisches Kriterium, dass die Anpassung der Lebensvorgänge in der
Zelle an die äusseren Einflüsse stattgefunden hat Dies wird dann eintreten,
wenn die abnormen Beizvorgänge abgeklungen sind und die Zdle jenen Beiz¬
einflüssen, auf die sie vordem eingestellt war, wieder unterworfen ist, oder falls
in der Zelle Elemente hervortreten, die bei dauernder Einwirkung abnormer
Reize diesen adäquat sind. Die Alteration der Granula ist uns ein anatomistflier
Ausdruck einer mehr oder weniger acut entstandenen intracellulären Gleich¬
gewichtsstörung, die an sich uns noch nicht ohne Weiteres zu Schlüssen be¬
rechtigt auf die Art oder den Grad einer Störung der, sagen wir der KQrze
halber, specifischen Function der Zelle; so glauben wir z. B. eine Verändening
der Granula in den Vorderbomzellen nicht in einfache, directe Beziehung zu
der Art oder dem Grade einer etwa vorhandenen Motilitätsstörung bringen an
können. Kehren wir zu unseren Spinalganglienzellen zurück und machen wir
die vielleicht nicht unberechtigte Annahme, dass auch fernere Untersuohnngen
keine Veränderung der Körnchen und Kömohenaggregate in d^ Zellen darthnn
werden. Man könnte vielleicht geneigt sein, besondere Hofihungen auf die
Untersuchungen von Fällen zu setzen, die im allerersten B^finn der Hinter-
strangserkrankung starben; jedoch ist zu bedenken, dass es sich hier sehe« nicht
mehr um Frühfalle sensu strictiori handelt
< StbOxpbll. Krankheiten des Nervensystems. 1892. Leipzig. S. 220.
* ef. 0. Rosenbaoh. Qrandlageo, Anfgabeo and Grenzen der Therapie. 8.1S2. 1891.
und: Die Krankheiten des Herzens und ihre Behandlung. 1897. 8. 648. Wien u. Leipzig.
,Googlc
157
Ist es Olt zu aoatomisch siohtbuen Yerftodernngen in den Strängen ge-
knimen, dann können wir wohl sicher annehmen, dass sdion abnorme Vor¬
züge Toraasg^angeD sind, deren erst anatomisch sichtbar gewordener Ausdruck
^ jam Veränderungen sind. Schaffsb selbst berichtet über einen derartigen
FtU und sagt, es fiel ihm auf, dass die chromatische Substanz sich hier inten<
gesättigter förbte, während die Spinalgai^lienzellen Ton absoluter Tabes
^äasei tingirt erschienen. Wir glauben aber, dass auch Sohafvbb hierin keine
temtlicibe Differenz sieht
Versuchen wir nunmehr in Efirze eine Erklärung für den Mangel an Ver>
iadwnngen der Körnchen und Eömehen^gregate in den Spinalganglienzellen
m g^)en, zunächst unter der erbetenen Voraussetzung, dass eine primäre Läsion
a den Zellen secimdäT die Erkrankung der Hinterstränge anslöst Gleichgültig,
■ckfae Vorstellung man auch über die eigentliche Ursache des tabischen Pro-
asm hegen mag, so wird man das Eine wohl zugestehen können, dass die
Zeilen bei ihm nicht mit einem Schlage abnormen Beizrorgängen unterworfen
veideo, dass die gewohnten Lebensreize, auf die die Zellen bislang abgestimmt
wen, erst allmählich ihre Herrschaft abtreten, so dass den Zellen Zeit gelassen
oä wild, den sbgeänderten Lebensbedingungen sich etwa änzupassen. Wir
kdkn uns nun vor, dass die Function der Spina^anglienzellen darin besteht,
den von ds Peripherie zu ihr gelangmden Beiz in einer für die Hinterstränge
Qöftigen Weise za metamorphosiren^; diese Thätigkeit der Zelle ist den normalen
Beäfotgäng^ adäquat Wir yermuthen nun, dass, sobald letztere von abnormen
Benemflräsen al^elöst werden, unter der Herrschaft dieser jene Transformations-
fihigkeit der Zelle dahin abgeändert wird, dass statt der normalen Metamorphose
des T<»i der Peripherie zur Zelle gelangenden Beizes eine abnorme zu Stande
kommt, welche auf die Hinterstränge schädigend ein wirkt Da dieser Umwande-
Ingsprocess der cellolären Thätigkeit sich nicht mit einem Schlage vollziebt,
■udsn sidi als Product einer allmählichen Anpassung an die abgeäuderten
Lehensbedii^angen darstellt, finden wir keine Alteration der Körnchen und
Köracfaaiaggregate, in der wir nur einen anatomischen Ausdnick einer mehr
oder wBiägeT acuten Beaction der Zelle bezw. den Mangel einer Anpassung
abüekcai. Eine wesentliche Veränderung der specifisch functionirendeu Grund-
—**^**» kräinen wir mit den hier angewendeten Methoden nicht nachweisen.
SiOte die Fonnveränderung und Verkleinerung der Spinalganglienzelle als eine
eswtante und sehr wesentliche Veränderung anerkannt werden, so könnte diese
Tfasknebe unserer Auffassung nicht widerstreiten. Die Anpassung der Zelle an
abgeänderten Lebensbedingungen können wir auffassen als einen Kampf
der Tbefie, in welchem gewisse Elemente der Zelle zu Grunde gehen, während
aadere überleben und weiter gedeihen.* — Mit dieser in Kürze dargebotenen
Theorie w(filten wir nur den Versuch machen, den Mangel an Veränderungen
* et. W. Bo0X, Der Kampf der Theile im OrganismoB. 1881. Leipzig. S. 175. —
I. sMä HteBL, Aaaoeiatioa and Loealisatioa. Allg. Zeiteohr. f. Psychiatrie. 1897. Bd. LIV.
3.9S«.
• W. Booz, L c.
D g ii/od oy GOO^ IC
158
der Eömchen and Eömchena^^te zn erklären, und daranf hinweisen, dass
wir durch diesen negativen Befand nicht gezwungen sind, sofort die Yoistellang
aufzugeben, dass die Erkrankung der Hinterstränge von einer primären Störnog
der Spinalganglienzelle abhäi^ Natflrlich haben wir auch nicht den Beweis
erbracht, dass eine solche primäre Zellläsion vorli^en muss, wir glaubten eben
nur die M^liohkeit ihres Vorhandenseins im Hinbliok auf den nativen anato*
mischen Betiind nicht bestreiten zu können.
Es sei uns gestattet, im Anschluss hieran in Kürze über einen Fall za
berichten, den wir in der Anstalt klinisch beobachten und hernach anatomisch
untersuchen konnten. Ein 49jähriger Paralytiker zeigte etwa 7 Wochen vor
seinem Tode im Anschluss an vorwiegend linksseitige paralytische Anfälle eine
bleibende Hemiparesis sinistra. Für die anatomische Unterlage derselben sprachen
wir einen Befund an, den wir den von BönsKsa und Juijusbubgbb^ be¬
schriebenen Veränderungen in ähnlichen Fällen von Dementia paralytica an die
Seite setzten. In dem vorli^nden Fälle fanden wir eine Hinterstrangserkrankung,
die den Charakter der Tabes trug. Sie zeigte zwei anatomische Ausdruoks-
formen, einmal einen Steren Process, gekennzeichnet durch Atrophie bezw.
Schwund von Fasern und Zwischengewebsvermehrung, zweitens durch einen
jüngeren Process, der mittelst der MAnom-Methode in deutlichster Weise hervor¬
trat. Wir halten uns nun für vollständig berechtigt, die Hemiparese anzusehen
als bedingt von einer primären Störung der Pyramidenzellen in den Central¬
windungen. Diese Thatsache könnte dem Gedanken Baum geben, auch die
Hinterstrangserkrankung auf eine primäre Störung der Spinalganglienzellen
Zurückzufuhren. Lehnt man diesen Gedanken ab, so ist man gezwungen, den
Angriffsort der Erkrankung des Seitenstranges und der Hinterstränge nicht an
einer gewissermaassen correspondirenden Stelle, nämlich den jeweiligen Urspmngs-
zellen der Fasern, zu suchen, sondern beide Processe prindpiell zu trennen;
acceptiren wir aber jenen Gedanken, .so haben wir wenigstens den einen Yor-
theil, beide Processe, wenngleich wir ihren eigoitlichen Ausl^ungsvorgang nicht
kennen, gleichsam auf eine gemeinsame Grösse, zurückfahren zu können, insc^em
wir sie von einer primären Zellstörung abhängig machen, mag deren
Charakter auch ein verschiedener sein.
Weitere Beobachtungen und anatomische Befunde werden zu entscheiden
haben, ob eine derartige Auffassung zu Recht besteht; wir wollten durch unsen
Ausführung nur auf ihre Möglichkeit hinweisen.
Zum Schlüsse erfüllen wir eine angenehme Pflicht, wenn wir unseren
hochverehrten Chef, Hm. Geheimrath Mobli, für die üeberlassung des Materialei
unseren ergebensten Dank auch an dieser Stelle aassprechen.
,Google
* Neurolog. Ceatralbl. 1897. S. 774.
159
4. Notiz betreffs des Kindenfeldes der Hinterstrangbahnen.
Von Dr. med. Armin TBOhennak in Leipzig^.
Kteh experimenteUer Zerstönmg der medullären Hinterstrangkeme bei
Kstzen &nd icb^ den sog. Markscheidenzer&U nach Mabohi — abgesehen von
ahlrädiea smtlichen Beziehungen, speciell zur Oliva inferior, zur Formatio
reheolanB, zom Gran der Brücke und des hinteren Paares der Yierhügel —
sicht bloss bis in die ventrolaterale Abtheilung des Sehhügels (und zwar in das
?aitiile Kemlager des „Thalamnsmaffliys“, in die „Thalamnsschale“ oder Gitter-
«üdit, zum Theil auch in das Centre mddian) sich erstrecken, wie dies die
üdtengoi Untersncher, welche denselben eingeschlt^en haben (Sinoeb
ond Mühzes, Febbieb und Tübneb, W. Mott), beobachteten. Ich konnte
ridmshr eine nicht unbeträchtliche Anzahl degenerirter Fasern durch den Seh-
Ugel hindoreh verfolgen, welche sehr bald nach dem Eintritte zwischen Schale
Massiv des Thalamns (in den „Hilns thalami“) wieder austreten, aUerdings
sieht za einem Bdndel geschlossen, sondern ziemlich verstreut. Die am mdsten
veolnl getanen Fasern ziehen im Bogen durch den Himschenkelfnss nnd
leben Collateralen an den Nnclens hypothalamicus (Corpus Lujsii) ab. Ein
rohältniasmassig kleiner Theil der Fasern wendet sich medialwärts und läuft
m Veatealrande des Pes pedoncnli, unmittelbar dem Tiactus opticus aufgelagert,
meh der (jl^end des Tuber cinereum: diese Fasern bilden einen Bestandtheil
der Cmnmasnra hypotbalamica media Metnbbt’s und gelangen nach dem
Cebersäueiten der Mittellinie anf dem analogen Wege zwischen Peduncnlus
nd Trachis in den Globos pallidus der anderen Seite, ein Verhalten, welches
mast von Flecesio erkannt wurde.
Dct grössere Theil jener Fasern, welche ventral and ventrolateral ans dem
Diilamas wieder anstreten und den Himschenkelfnss durchziehen, gelangt in
Lmsenkem derselben Seite, und zwar einerseits durch anfängliches Entlang-
Beten längs der Basis tmd späteres Emporbiegen, andererseits durch direotes
QMröbezziebeiL nach dem Globus pallidus. Die Faserveizweigung dortselbst
aeteint nicht sehr erheblich zu sein, vielmehr verlässt wohl die Mehrzahl der
Fasern, vorwiegend die Lamina medollaris medialis und lateralis, jedoch auch
te Msrklamelle zwischen Putamen und Inselrinde benützend, den Linsenkern
I vieder mul verstrent sich dorsalwärts in den Stabkranz.
fine weitere Zahl von s(^. directen Fasern bricht lateral aus dem Seb-
%el durch die Schale hervor in die innere Kapsel und steigt verstrent durch •
* Die hier veröfibotliehten Ergebniwe habe ich bereits vor Jahreefrist in einem Vor*
0^ is der Leipziger Biologischen Gesellschaft mitgetheilt. — Eine ansrührliehe Arbeit:
tFebfT aentrsleo Verlauf der aofsteigenden Hinterstrangbahnen and deren Beziehungen
n dm Behnen im VorderseiteDstrang" werde ich n&cbstens im Arcb. f. Anai von W. His
fobfidriB.
n, vGoogIc
160
deren Fasermasse, besonders längs der Dorsalfläohe des Linsenkems Terlaafend,
in den Stabkranz empor.
Es besteht also bei der Katze eine nicht unbeträchtliche Zahl sog. directer
Fasern, welche ans den Zellen der contralateralen Hinterstrangkerne entspringeD
nnd zur Grosshimrinde ziehen: es ist also, soweit die Voraussetzung zutrifft,
dass der sog. Markscheidenzerfall anf das lädirte System innerhalb einer Leitnngs-
bahn (wenigstens innerhalb 2—3 Wochen) beschränkt bleibt, bei der Katze
ein kreuzendes Hinterstrangkern-Grosshirnrindensjstem zu er-
schliessen, welches die Masse des Thalamus und theilweise auch
des Linsenkems passirt und wohl mit ihr durch Seitenzweige in
Beziehung tritt. Es ist aber wohl die erheblich äberwiegende
Mehrzahl der langen Hinterstrangkernfasern, welche im rentralen
Kernlager' des Thalamus definitiv endigt, also ein kreuzendes
Hinterstrangkern-Thalamussystem darstellt. Meine Aussage hat natür¬
lich zunächst nur für die Katze Berechtigung. Jedoch machen mehrere Um¬
stände ein ähnliches Verhalten beim Menschen ziemlich wahrscheinliclL Ich
glaube demnach die Anschauung, welche Fleohbio immer wieder bezüglich des
menschlichen Gehirns vertreten hat, für die Katze erweisen zu können.
Gyr. siymaides
ßyr. Gyr.
cruc. cruc.
ont. 'post.
Loh.olfact.
Gyr. supraspJaüus g. ttjxtrguutHs-
I {‘kSoyennnndung) ßyr. sapmsytviMS
'"(SBoyemvmduny)
'e»pwtt<ftgy
- -Gyr lytviacus
(Uoyaavmduny]
Gyr eoronxüis
V
Anaxlomose Gyr.detosyU/iuB (ZMoyenmiubaty.
Besonderes Interesse beansprucht jener Rindenbezirk, innerhall
dessen die den Thalamus durchdringenden Fasern endigen. Es m
dies, wie auf der obenstehenden Figur durch Scbrafürung angedeuteb, in erste:
Linie der Gyrus coronalis (Pars anterior gyri supra^lvii), besonders dessei
mittleres Höhendrittel und dessen bei der Katze häufige Uebezgangswindunj
zur Pars anterior gyri ektosylvii; der letztere Bezirk entspricht gerade der First
höhe des Putamen. In zweiter Linie kommt die angrenzende Pars an
terior gyri ektosylvii und das vordere Drittel des Gyrus supra
splenius in Betracht Dieses Gebiet lässt sich auch kurz als B^on hinte
der Fissura coronalis bezeichnen, welch letztere bei der Katze häufig von de
sonst anschliessenden Fissura lateralis (dritten Bogenfurobe) abgetrennt ist.
Google
161
Welchen ^ndengebiete des menschlioben Gehirns entspricht jener Bezirk
des Kstsenhirns? Mbtvebt^ hat wohl als erster die Fissura coronalis, nicht
die Fissura cruciata, der Katzen als Homologon der Fissura centralis des
Mfltsrhen erklärt nnd den Gjms coronalis, d. h. das vordere Drittel der dritten
Bogenwindong (Pars anterior gyri suprasylvü) der hinteren Centralwindung
giochgesetst Für das Hnndehim, welches im wesentlichen denselben Windungs-
npQS anfweist, hat EijIiEnbeboeb’ allerdings die Fissura cruoiata in herkömm-
lieber Weise als der menschlichen Centralfarche gleichwerthig bezeichnet, doch
dcDtet er gleichfalls die M^Uchkeit der Homologie der Fissura coronalis mit
ds CentralfoTche am’
Kadi Abtr^ang des Gyros sigmoides bei der Katze fand Monakow* die
vatrale Kemzone des Thalamus und die Hauptschleife ziemlich intact, hingegen
nach Rntfemong fast des ganzen Gyros coronalis (einschliesslich der Lateral-
pntie des vorderen Drittels vom Gyrus suprasplenius und der Medialhälfte des
Gjtqs snpia^lvias, zugleich Durchtrennung des ganzen Frontalmarks) Atrophie
dff vorderen nnd medialen B^on des Yentralkernl^ers im Thalamus, sowie
dff Hanptschleife und der contralateralen Hinterstrangkeme. Hält man diesen
Befond mit meiner Feststellung über das Einstrahlungsgebiet des kreuzenden
ffintostrangkem • Grosshimrindensystems zusammen und berüoksiohtigt man
^eeieU den pathologischen Fall Flechsig-Hösel’s^ von completem Schwund
ist Hanptschleife nach alter Zerstörung der hinteren Centralwindung, so erscheint
wohl die zuerst von Meynebt geäusserte Ansicht sehr wahrscheinlich. Dem-
tAch kann man sagen, dass das von mir bei der Katze nach-
lewiesene directe System in dem Homologon der hinteren Central-
vindnng des Menschen endigt, dass jenes Thier ein kreuzendes
Hinterstrangkern-Centralrindensystem besitzt
Eb entsteht nun die Frage, wo das thalamocorticale System einstrahlt,
vridtes sich an die Stammfasem des Hinterstrangkem-Thalamussystems und
whl auch an Collateralen des Hinterstrangkem-Centralrindensystems anschliesst
Monakow schliesst aus seinen Versuchen an Katzen, bei welchen er ziemlich
amgedehnte Verletzungen der Binde und des Hemisphärenmarks erzeugt hatte,
im haapteächlicb die Zerstörung des Gyros coronalis (und der angrenzenden
Thole des Ojms cruciatus posterior und des Gyrus ectosylvius anterior) zur
Atroplüe des ventralen Kemhtgers des Thalamus führt’ Demnach hätten die
* Oie Windnsgen der oonvezen Oberfliobe des VorderhlroB bei Menecheo, Äffeo and
tiatehierea. Arch. i. Pejch. Bd. VIL 1876. S. 257.
* Arefa. f. wies. n. prakU Thierheilk. Bd. XV. 1889.
* flne*^”*** des Bundes. Berlin 1891. Parey. S. 494 n. 496.
* Correspcmdenzbl. f. Schweizer Aerzte. 1884. Nr. 6 a. 7. S. anch Neorol. Ceotralbl.
l ass g. NeS and Hanbenregion. 1895. S. 67 n. 70.
* Nenrolog. Centralbl. 1890. S. 417 nbd Arcb. f. Psyclu Bd. XXIV. 1891. S. 452.
* pnUiolog.-anatom. and experiment. ünterrachongen über die Haabenregion n. s. w.
t.yi> ^ PByeh. Bd. XXVn. 1895. 8.1 n. 886. Anoh separat: Berlin. 1895. Birsohwald.
AM. — Gioe genaaeie Anfklämng dieser Beziehnag, sowie eine Bestätigung
11
D g ii/od oy GOO^ IC
162
den Sehhügel einfoch dnrchsetzende und die wohl bedeutend faserreichere, im
Thalamus „unterbrochene“ (umgeschaltete) Hinterstrang^Grosshimbahn bei der
Katze denselben corticalen Endigungsbezirk, wie dies wohl von vornherein wahr¬
scheinlich ist
Als gemeinsame Hanptendigungsstätte der kreuzenden Hinter-
strang'Grosshirnbahnen bildet daher der Gyrus coronalis (das vor¬
dere Drittel der dritten Bogenwindung) der Katze das Homologon
der hinteren Gentralwindung des Menschen. Ich vertrete damit
die zuerst von Mbtnebt ausgesprochene, der herrschenden Ansicht
aber widersprechende Gleichstellung der Fissura coronalis (Pars
anterior fissnrae lateralis) des Katzenhirns (und wohl der Gehirne
mit Yierwindungstypus überhaupt) mit der RoLANDo’schen Gentral-
furche des menschlichen Gehirns.
Aus eben jenem Bindenbezirk entspringen hinwiederum Fasern des Pyramiden-
seitenstrangsystems, geht also zum Theil wenigstens die betreffende cortico-
musculüre Bahn hervor. Dies ergiebt sich aus den Degenerationsbefunden,
welche Mabcbi und Alohebi^ nach Bindenläsioneu am Hnndehim erhielten,
welches dem der Katze durchaus analog gegliedert ist Die genannten Forscher
fanden nämlich wohl schon nach Exstirpation des Gyrus sigmoides reichliche
Schollen im Pyramidenseitenstrangfelde der G^enseite; das gleiche Resultat
hatte aber auch die Exstirpation der oberen Hälfte des Gyrus coronalis und
des vorderen Antheils des Gyrus suprasplenius und suprasylvius. Durch meine
Befunde im Verein mit den angeführten Versnchsergebnissen an¬
derer erfährt die von Ghabcot auf Grund der klinischen Erfahrung
am Menschen aufgestelite, von Flecbsiq anatomisch begründete,
weiterhin vielfach verificirte These eine neuerliche Bestätigung,
dass der um die wesentlich oberflächenvergrössernde* Gentralfurche
gelegene Antheil der Grosshirnrinde die gemeinsame oberste Stätte
motorischer wie sensibler Bahnen, speciell der Hinterstrangbahnen,
darstellt
meiner AnfateUongen ist eioerseita von dar Yerfelgong der Mvkseheidenenfcwiokelnng am
Gehirn der Katze oder des Bandes, andererseits vom Stadium des Verhaltens der ^lleo
(NusL'sche Methode) im rentralen Eerolager des SehhUgels, sowie in den contralateralen
HinteratraDgkemen nach möglichst isolirter Läsion des Gyros coronalis, etwa mit dem
Thermo* oder Galranokaater, za erhoffen.
* Birista speriment di heniatria. Vol. XU. 1886. S. 208. — Allerdings ist beim
Bande jede tiefergreifende Verletzang des Gyros coronalis mit Läsion des Stabkranzantheils
des Gyros sigmoides verknOpft.
* Die schon von Mbtnsbt heryorgebobene „Neigung zur Anastomosenbildnng" am
Katzenhim bedeutet eine relative Verkleinerung der Oberfläche gegenOber dem sonst analogen
Buodehim.
.Google
163
[Abs der Anstalt far Sprachanomalien und Krankheiten der Nase und des
Rachens in Warschau.]
5. Von der Bedeutung der Associationscentren
von Flechsig zur Erforschung der Entwickelung des Geistes,
der Sprache, der Psychologie der Sprache,
wie auch der Lehre von der Sprachlosigkeit.
Von Dr. W. Otussewski.
Die überaus interessanten anatomischen Forschungen Flechsio’s über die
EBtwkkelung der Ijeitungswege, der Sinnes* und Associationscentren im Qehim
’ict Embryo nnd Neugeborenen wecken, indem sie die immer mit Geheimnissen
eifönte psychische Sphäre des Menschen betreffen, die Wissbegierde sowohl unter
des Rülosophen, Psychologen, Forschem der Intelligenz und der Sprache, wie
tadi unter den Logopathologen and Fsychiatren. Ohne die Bedeutung zu unter-
xhitzen, welche diese Arbeit in allen benannten Richtungen haben wird, be-
sektinken wir uns allein mit dem Hinweis auf die Wichtigkeit derselben für
he Forschungen über die geistige, sprachliche und psychophysiologische Entwickelung
^ Sprache, wie auch über die I^hre von der Sprachlosigkeit Obgleich sie für
die Psychophysiologie der Sprache und die Lehre von der Sprachlosigkeit nicht
diese Bedeutung besitzt, wie für die psychische Function des Gehirns, da sie
her hist nichts Neues einführt, so giebt sie uns doch immer mehr die Mög¬
lichkeit zum erwünschten Ideale der Begründung einer rationellen Psycholc^ie
der Spradie und der Classification der Aphasieen näher zu kommen, indem sie
dmh anatomische Beweise viele früheren Deductionen bestätigt, die sich nur
uf Beobachtungen über die Entwickelung der Sprache und der Intelligenz des
Kindes, oder auf klinischen Beobachtungen der Sprachlosigkeit stützten.
Ehe wir zum eigentlichen Gegenstände übergehen, erlauben wir ons die
UatT mit dem Inhalt von Flbchsio’s Arbeiten^ bekannt zu machen, nicht in
der ganzen Ausdehnung derselben, aber in der Richtung, die uns gegenwärtig
ateressirt.
Bei der Erforschung der Gehirne vor und nach der Geburt ist der Autor
za der üeberzeugung gekommen, dass die Leitungen von verschiedener functio-
BcHer Bedeutung zu verschiedener Zeit eine Markhülle erhalten. Zuerst reifen
'fie Gefühlsnerven des Körpers, welche die Tastleitungen und allgemeinen Ge-
ffihle, wie Hanger, Durst u. s. w., wie auch das Muskelgefühl enthalten. Fast
reifen die Gerucbsleitnngen, die zur Rinde führen, etwas später die
des Gesichts, am spätesten die des Gehörs.
* Vom 4. intcrDStioDaleD Congreme für Psychologie in Mfiocben 1896: üeber' die Asso*'
rwtt—uMbuM des mensehlidieQ Gebiras. — Die Localisatioo der geistigen Vorgänge. 189C.
* ~ii|iiit: — Gehirn ud Seele. 1696. Leipzig.
n*
Dig v7cö
Google
164
Anf Grund der ontologischen Difierencimng stellte Flechsig folgende
Schlüsse anf, welche die Gruppirong verschiedener Sinnescentren in der
Rinde betreffen: 1. sie nehmen beim Menschen nur Vs Hirnrinde
ein, 2. sie sind kein verbundenes Ganzes, sondern von einander dotch Tbeile
der Rinde abgegrenzt, zu welchen weder sensorische noch motorische Nerven
gelangen, 3. sie machen vier verschiedene Gegenden aus, von denen die grösste
die Tastg^end ist, die der allgemeinen Gefühle des Muskelsinnes (Körperfühl-
gegend), die kleinste d^egen ist die Gegend des Geruchs (die unerforschte
G^end des Geschmacks verbindet sich wahrscheiulich mit der G^end des
Geruchs oder des körperlichen Gefühls).
Rit^vgphort
Die Localisiruug der Sinnescentren ist folgende:
Die Verlängerungen der hinteren Wurzeln looalisiren sich, indem sie zu;
Rinde gelangen, um die Centralfurche (Fissura centralis) in den mittleren Hiru
ig'li/cd oy Google
165
windmigeDy dem Fass der StirDwindnngeD and theilweise im Gyros paraoentralis
and im Gynm fomicatas.
Keee ganze G^nd nennen wir die Sphäre des körperlichen Gefühls oder
die T^stspbäre (Körperfühlsphäre).
Ihe Riechleitangen localisiren sich im Bezirk der Himbasis, im Gyrus un-
dsatos, theilweise im Stimlappen (Stimsphäre des Geruchs bis zom Anfang
des (}yra8 fomicatas) nnd im Gyrus hippocampl
Üe Ldtangen des (^sichte endigen in der G^end der Fissnra caloarina,
timlweiae im Onneas, Ijobnlos lingualis und im hinteren Pol des Hinterhaupts-
I^vpens.
Die Wege des Gehörs localisiren sich hauptsächlich in der ersten Schläfen-
vindong and in beiden Wurzeln derselben in der Tiefe der Fossa Sylrii.
Aus den Snnescentren oder in der Nähe derselben gehen alle motorischen
Xerrmi aas, und die Zellen, welche ihren Anfang bilden, unterscheiden sich
doieh ihre Grösse und pyramidalische Gestalt Der grösste Theil der motorischen
Kerren geht aas der Eörperfühlsphäre aus, und kaum Vs Gehörg^end.
Die motorischen Fasern bilden den sog. Grosshimschenkelfuss (Pyramidenbahnen).
So sind alle Sinnescentren im Gehirn gefühlsmotorische, die Hauptrolle in ihnen
aber spielen die Gefühlsleitungen, welche auf dein Wege der psychischen Reflexe
die motorischen Leitungen innerriren (Metkebt’s Projectionsfelder).
Was die Thätigkeit der Sinnescentren anbelangt, so unterbot es
kamem Zweifel, dass das Bewusstsein der Eindrücke, das ist Sinneswahr-
oehmuiigeD, ohne Mitwirkung dieser Himgegenden unm^lich ist (so verursacht
2 . B. die beiderseitige Zerstörung der Sehgegend Blindheit bei gänzlich gesunden
Augen o. & w.). Wenn wir also unter dem Ausdruck Sinneswahmehmungen
bewusste Bilder von im Augenblick erhaltenen Eindrücken ohne Beimisdiung
irgend welcher Erinnerung verstehen, so unterliegt es keinem Zweifel, dass eben
die Sinneaxntren diese Function vollbringen, nnd zu solchen Wahrnehmungen ist
adam der Neugeborene fähig. Anders verhält es sich, wenn wir unter Wahr-
DduDuogen eine gewisse Sammlung von Eindrücken und Erinnerungen ver-
atdaoL Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die Sinnescentren Wahrnehmungen
in dieser weiteren Bedeutung bilden könnten, denn es handelt sich hier schon
um p^chische assocürte Processe, die entweder aus Sinneswahrnehmungen ver-
Khkdener Art oder aus der Verbindung von Eindrücken und Erinnerungen,
die ach aof dasselbe Centrum beziehen, hervorgehen.
Bei der näheren Forschung des Hirns von Neugeborenen überzeugen wir
uns, daaa darin die Verbindungen zwischen den einzelnen Sinnescentren fast
feUeo. Nor zwischen der Geruchsgegend und der Gegend des körperlichen Ge¬
fühls befinden sich wenige Associationsbündel, wie auch wenige aus der Gegend
des Gehörs und des Gesichts zum Gentrum des körperlichen Gefühls ausgehende
Faacru, welche den Reiz einer Gegend in die andere übertragen. Verhältniss-
mäfifflg zeitig finden auch die Associationen mittels der Balkenfasern beider
Gegenden des körperlichen Gefühls statt, denn schon bei reifen Neugeborenen
geben Fasern von einer dieser Gegenden zur anderen über.
IJig i'Fcö Cv" Google
166
Was f&r eine Bedeatung haben also jene Rindcnfelder, die dnrch keine
Sinnescentren eingenommen sind und in keiner Verbindung mit der Zusammen-
seteung der Projectionsfasem (gefuhlsmotoriscbe Leitungen) stehen ? Die
Forschungen über die Himrindenentwickelung des Kindes, die rei^leicbende
Anatomie (in dem Maasse, wie wir in der thierischen Hierarchie höher steigen,
sehen wir die immer grössere Entwickelung der Associationscentren), wie auch
die Pathologie (die Aphasieen, manche pathologische Frocesse im Qehim) werfen
darauf für uns ein entsprechendes Licht. Schon im zweiten Monat bilden sich
markhaltige Nervenfasern, welche von den Sinnescentren zu den erwähnten Feldern
fuhren und dort verschwinden (Associationsfasem im Sinne Metkebt’s). Ihre
Aufgabe ist verschiedene Theile der Hirnrinde unter einander zu verbinden nnd
eben dadurch verschiedene Functionen derselben zu associiren. Beim weiteren
Wachsthum des Säuglings durchlaufen Millionen dieser Associationsfasem die be¬
sprochenen Felder, wo sich die Zusammensetzungen der Associationen treffen,
die aus dem Centrum des Gesichts, des Gehörs u. s. w. ausgehen. Nachträglich
kommen die Fasern schon nicht aus den Centren, sondern aus jenen Feldern
und gehen in die andere Halbkugel über (Balkenfasem).
Im Einverständniss mit den dargestellten anatomischen Thatsachen giebt
Fleobsiu den Rindenregiouen, die zwischen den Sinnesgegenden liegen, den
Namen Associationscentren. Sie theilen die Sinnescentren nicht, sondern
verbinden sie unter einander, aber dies findet erst einige Monate nach der Ge¬
burt statt. Diese Thatsache hat ein um so grösseres Gewicht, weil, wie oben
gese^, sehr wenige unmittelbare Verbindungen zwischen den Centren existiren.
Auf Grund der onthogenetischen Forschungen unterscheidet Flechsio drei
Associationscentren, die aber unter sich eine innere Verbindung haben. Das
grösste hintere liegt zwischen der Gegend des körperlichen Gefühls, des Ge¬
hörs und des Gesichts, theilweise zwischen der Gegend des Gesichts, des Gehörs
und Gyros hippocampi. Weit weniger Raum nimmt das vordere oder Stirn-
associationscentrum ein, das sich an der Spitze des Stimlappens und vor¬
nehmlich bei seiner Basis befindet. Das kleinste, insulare, liegt in der Mitte
und nimmt Reil’s Insel ein.
Bei Läsionen im hinteren Associatiouscentrum finden keine Störungen in
den eigentlichen Sinneswahrnehmungen statt, und die Kranken sind allein nicht
im Stande, die im gegebenen Augenblick erhaltenen Sinneseindrücke mit im Ge*
dächtniss erhaltenen diesbezüglichen Bildern zu verbinden; zweifellos finden hier
Störungen in den Associationen statt. Das sinnliche Gebörcentrum z. B. ist
allein zur sinnlichen Wahrnehmung von Geräuschen und Lauten bestimmt, aber
dient durchaus nicht zum Verstehen der Wörter, denn dazu ist die Mitwirkung
weiterer Rindengegenden, die sich im hinteren - Associationscentrum befinden,
nötbig, und die hinsichtlioh desselben einzeln oder zusammengenommen nach
oben (Verbindung der Tastvorstellongen mit Wörteml, nach unten (Verbindung
der sachlichen Gebörvorstellungen mit Wörtern), oder nach hinten (Verbindung
der Gesicbtsvorstellungen mit Wörtern) gelegen sind. Dem hinteren Associations¬
centrum legt Fleohsiu eine wichtige Rolle in der innerlichen Sprache bei, denn er
■' Google
167
schreibt ihm di« Erinnerong der Wörter zu, and in den Gedäcbtniss- und Associations-
sttfoBgeu, die hier stattfindea, äeht er den Ursprung der sensorischen transcorticalen
Aphade, transooiücalen Alexie, der optischen Aphasie, und bei Erkrankung der
erwiboten Centren in beiden Halbkugeln der Agnosie von Fbbud (Apraxie). In
folgen Fällen localer Veränderungen des vorderen Associationsceutnims, welches
mVobindang mit der Körperföhlg^end steht, erscheint eine Geistesabschwächung,
die mehr ixn Verlust des Interesses, der Auhnerksamkeit, des Nachdenkens, also
der praktischen Anwendung von B^riffen und selbständigen Handlungsmotiven
bouht, als im Vergessen der Wörter und Vorstellungen. Was endlich das
ButUoe Associationscentrum betritt, so hat schon Metkebt die Meinung au8<
goprodtm, dass ach hier die Gegend befinden moss, welche mit dem Sprach-
■eehuiisinas in Verbindung steht, dass hier ^so die Associationen der Gehör-,
Bevegnngs- und Tastffihlcentren stattfinden, welche bei der Spradie betheiligt
and. Im Einverständniss mit dieser Ansicht hält Fleohsio die Insel Beil’s
% das Centmm, welches in sich alle Sinnesfelder, sowohl sensorische wie auch
notmsche, die bei der Sprache betheiligt sind, vereinigt
ln den Ässooiationscentren findet, wie wir gesi^t haben, die Association
vsadtiedener Beize der Sinne^egenden, wie auch deren Gedächtnissbilder statt
Uese Yerbindung ist wahisobeinlich die Thätigkeit vieler Zellen, deren einzige
Angabe es ist, zu associiren, und diese Meinung eben bildet den Grundnnter-
aAied in den Ansichten über den Mechanismus der Association zwischen dem
Standpunkt Fi^hsio’s und den früheren TheorieenWEBNiOEs’s, Meteebt’s u. A.,
«ekhe behaupteten, dass verschiedene Sinnescentren mit einander unmittelbar
dmeh Associationsfasem verbunden sind. Da es nicht den geringsten Beweis
giebt, dass die Beschädigung der Associationscentren die sinnlichen Wahr¬
nehmungen beeinträchtigen könnte, so dürfen die Associationscentren nur bei
Wahrnehmungen in der weitesten Bedeutung dieses Wortes thätig sein, wobei
a den smnlichen Eindrücken die Gedächtnissbilder hinznkommen.
Die centralen Felder der Associationscentren (Gentralnenrone) stehen in
kdner Verbindnng mit den sinnlichen Feldern. Sie befinden sich nur beim
Umsehen und menschenähnlichen Affen und haben gewiss eine besondere Be¬
deutung im psychischen Leben. Alle diese Centralneurone verbinden sieb mittels
Inger Associationssysteme mit der Gegend des körperlichen Gefühls, welche der
IGUelponkt der ganzen Rinde wird. Dadurch bildet sich die Einheit des psy-
chisdm Functionsmeohanismusses.
Die Sinnesoentaren imd Associationscentren nehmen zwar besondere Gegenden
des Hirns ein, aber durch ihre Elemente sind sie in anatomischer und fonctio-
ndkr Hin5i<dit so genau von einander abhängig, dass die Theilung derselben in
mtm gut entwickelten Organe ganz unmöglich ist Das Yerhältniss derselben
at dem Verhältniss der Sinnlichkeit znm Verstände im geistigen Leben ähnlich,
zw e i er Beiche, die sich theoretisch theilen lassen, aber in Wirklichkeit wie am
mgaten mit einander verbunden sind. Jedes Sinnescentrum ist der Ansgangs-
punkt für unzählige Associationsfasem, welche, obwohl sie sich von demselben
entfonoD, doch durch ihren Anfang als seine Bestandtheile bleiben. Die ein-
GoogK-
168
zelnen Sinnesoeutren sind zugleich mit ihren AssoclationsznsammensetzangeD
wirkliche Werkzeuge der Seele. Die Associattonscentren erleichtern die gemein¬
schaftliche Thätigkeit dieser einzelnen Werkzeuge und bilden die sog. Merk¬
systeme. Zur selbständigen Function, ohne Antheil der Sinnescentren, sind sie
nicht fähig, der Inhalt ihrer Function ist durch die Sinne^egenden g^eben,
aber das System, welches dieser Inhalt erhält, ist allein vom Associations-
mecbanismus abhängig. Ohne die Associationscentren hätten wir nicht die
Mc^lichkeit, die Beobachtungen, welche uns verschiedene Sinne verleihen, in ein
einziges Ganzes zu verbinden, indem wir ans ihnen Vorstellungen von Gegen¬
ständen bilden.*
Wir werden uns bemühen, die aufgezeichneten Resultate der anatomischen
Forschungen Fleobsio’s bei den Problemen anzuwenden, die im Titel g^en-
wärtiger Arbeit angegeben sind.*
Sie finden vornehmlich die völligste Bestätigung in den Beobachtungen
über die Entwickelung des menschlichen Geistes. Das geistige Leben des
Neugeborenen beginnt von den Sinneswahmehmungen, den elementarsten Ge¬
fühlen, die sich unmittelbar mit den Sinnesempfindungen verbinden, wie auch
von gewissen angeborenen Bewegungen (Reflex, Impuls, Instinct). Die eigent¬
lichen Wahrnehmungen, die von Sinneseindrücken, welche von verschiedenen
Sinnen empfangen werden, abhängig sind, höhere Gefühle, wie Freude,
Furcht u. 8. w., auch der impulsive Wille, als solche, die sich mit Vor¬
stellungen und Erinnerungen vereinigen, entwickeln sich und sind für
unsere Beobachtung erst im 4. Monat zugänglich. Dasselbe betrifft das Be¬
wusstsein. Der Neugeborene hat anfangs kein einzelnes vollkommenes Bewusst-
^ Ich wage nicht, die Arbeit FLtoBSiQ's, insbesondere in Betreff der anatomischen
Seite derselben, kritisirend za beartheilen, denn ich besitze darin nicht die entsprechende
Fähigkeit, and mit Hinaicht darauf ist es rathsamer, obgleich diese Arbeit, wie ich oben
bemerkte, viele anserer frflheren Dedaotionen sowohl in Betreff der Psychologie, wie anch
Pathologie des Hirns bestätigt, die Schlfisse derselben als hCchstwahrscheioliche Hypothesen
anznnehmen, wenigstens so lange, bis andere Forscher die Ansichten dieses ansgezeiobneten
und gewissenhaften Forschers nicht tbeilen werden. Ueberfaaapt haben sieb bis jetzt nnr
sehr wenige Antoren ans dem Kreise der Aerzte mit der Kritik von Flecbbiq's Arbeiten
befasst. Hierher gehört eine Notiz Schdi.tzb’s (Dentsohe med. Woohenschr. 1897. Nr. 6).
welche die philosophischen Ansiebten FLsOBSie’s in Betreff des geistigen and körperliebeo
Verhältnisses kritisirt, wie auch einige Bemerknngen Wbbkioke’s im Leitartikel der l. Nammer
der Monatsschrift fiir Psychiatrie und Neurologie, deren weitere Entwickelung wir in der*
selben Monatsschrift in der Arbeit von Saobb finden (Ueber FLBCBStu's VerstandseeotreD).
Obwohl dieser Schriftsteller auf Grund seiner Forschnngen fiber die patbologiacbcn Hime
Erwachsener mit Flbobsio einverstanden ist, was die Existenz and Function der Siuoea*
centren anbelangt, so theilt er doch nicht dessen Ansicht hinsichtlich der Associations*
centren und bebanptet, dass die Projectionsfasem bei Erwachsenen sich Ober die ganze
Rinde verbreiten, womit er einigermaassen die Existenz der Associationscentren in Abrede
stellt. Weitere Arbeiten in dieser Richtung werden von allen, die dieser Gegenstand inter*
essirt, mit Ungeduld erwartet.
* Die Einzelheiten, welche die Entwickelnng der Intelligenz und der Sprache des
Kindes betreffen, kann man in meinem diesem Gegenstände speciell gewidmeten Werke finden:
Die geistige and sprachliche Entwickelnng des Kindes. 1897. Berlin.
D g:/ofi . /Google
169
säüy and jede Sinnesgegend stellt ein besonderes unabhängiges Werkzeug dar,
Viehes die Eindröcke jeder Gattung mehr oder weniger rerarbeitet, d. i. ver-
biodet und nach dem entsprechenden motorischen Werkzeug überträgt Der
iofsDg des ännlichen oder sachlichen Bewusstseins, das allein die äussere Welt
viedersjnegelt, Ton welcher das Kind sich noch nicht unterscheidet, ist für unsere
Beohaefatimgen auch erst im 4. Monat zugänglich. Erst nach der Bildung der
Posönlichkedt, welche mit dem Augenblick der Absonderung des körperlichen
Ich TOD der äusseren Welt entsteht, was ungefähr zwischen dem 2. und 3. Jahre
beginnt das Selbstbewusstsein sich allmählich zu bilden, welches der
Erkennung seines Ich, als dem Subject, entspricht
IHe Ansicht Flechsio’s in Betreff der Thätigkeit der Sinnes- und Asso-
dationscentren können wir auch mit den Beobachtungen über die Entwicke-
Isng der Sprache des Kindes einigen, wie auch mit unserer g^nwärtigen.
Anaeht auf die Psychologie der Sprache, also auch der Lehre tou der
Sprachlosigkeit, wir müssen aber hier gewisse Erklärungen und Ergänzungen
biozafagen, wie auch einige in dieser Hinsicht eigene Ansichten aussprechen.
Wir wissen aus der Entwickelung der Sprache des Kindes, dass das Laut*
gfdäefatziias sich zwar im sensorischen Sinnescentrum (Webnioeb’s Gegend)
nhischeinlicb ziemlich zeitig anhäuft, die Terbindung aber der Wörter mit den
T(7stellongen, deren Sitz wir in dem hinteren Associationscentrum finden und
die zur Bildung der Wortvorstellung unumgänglich ist, erscheint rerhältniss-
Bässig spät ond zwar führen wir den Anfang derselben erst in den 8. Monat
Es ist dies die leichteste und bei Kindern mit normaler Intelligenz die am
lächteaten sich entwickelnde Periode der Sprache — das Verständniss. Mit
ier WÜlenaentwickelang und hauptsächlich mit der Entwickelung der Nach-
thmnng (uugeföhr gegen den 11. Monat) beginnt das Kind die gehörten Laute
mit entsprechenden, von den Bewegungen in den Articulationswerkzeugen ab-
Mi^igen Gefühlen, welche beim Aussprechen der Laute stattfinden, zu ver-
bödes, und die Anssprache derselben bildet, indem sie im motorischen Sinnes-
eeetmm der Rinde Spuren hinterlässt (Gegend von Bboga), das motorische
Gedäebtniss (Articulationsgedäohtniss). Mit dem Maasse, me dieses mechanische
Oedäebtniss sich immer mehr vergiössert, wie auch mit der Zunahme des sinn-
Ikben Gehöigedächtnisses, beginnt das Kind Wörter zu wiederholen, und diese
Wiederholung, welche sich, auf Tielfachen Associationen der sensorischen und
notorischen Himgegend stützt, hinterlässt, wie ich muthmaasse, im mittleren
AsBoeiaUoQsceDtmm Spuren, indem sie dadurch die am spätesten, weil erst zu
Ende des 2. Jahres, sich entwickelnde Periode der selbständigen Sprache
iwberatet. Ausser der Ausbildung des sinnlichen sensorischen und motorischen
Gedächtnisses bis zu einem gewissen Grade, wie auch ausser der Anhäufung
änes entsprechenden Vorraths von Wortspuren, welche als Ergebniss früher
•tattgefundener zahlreicher Associationen von Lautreiben und Geräuschen (Wörtern)
entsprechenden Bewegungen im Articulationswerkzeug entstanden sind, muss
das Kind bei der selbständigen Sprache noch die Fähigkeit besitzen, diese schon
ferbundenen sensorisch-motorischen Bilder an die Schwelle des Bewusstseins zu
Dig i'/od c/ Google
170
fahren, oder mit anderen Worten, die Fähigkeit der Worterinnemng haben.
Alles dies geschieht anfongs mit dem Bewusstsein, geht dann in eine anto-
matische Thätigkeit über, die den Yorstellnngs- und B^i¢ren unteigeordnet
ist Dasselbe betrifft mutatis mutandis den Lese* and Sohreibaot, wo die Ver*
bindung der Gesichts- oder motorischen Gedächtnissbilder zum Schreiben mit
den Lautbildem, wie auch die Fahlheit, sich dieser Bildern zu erinnern, eben¬
falls in diesem Gentrum stattfindet, anfangs mit Bewusstsein, nachher aber
automatisch. Aus dem, was wir von der Entwickelung der Sprache gesagt haben,
zeigt sich, dass die selbständige Sprache 8(^ar in ihren Anfängen wie die Wieder¬
holung oder die bei vielen Kindern in den frühen Perioden ihrer Entwickelung
erscheinende — Sprache ohne Verständniss — kein Beflex ist, wie dies
Kusskaul, Wbbkicke und Lichtbbim behaupten, sondern ein psychischer
Frocess, welcher auf der bewussten Ausarbeitung der Sinnesgedächtnisse be¬
ruht, wie auch auf der bewussten Verbindung der sensorisch-motorisdien Laut¬
bilder im mittleren Associationscentrum. Zwar bleibt diese ganze intellectuelle
Arbeit des Kindes, die zur Erzeugung des Sprachautomatismus unumgänglich
ist, für den ungeübten Forscher verboten, besonders bei Kindern mit r^:el-
mässiger Entwickelung, bei irgend welchen Störungen der Intelligenz jedoch
entwickelt sich dieser Automatismus gar nicht und bei der Ausbildung der
Sprache bei Kindern dieser Art sind wir erst Zeugen der mühevollen An¬
strengungen des Kindes, die zur Entstehung derselben nothwendig sind.
(ScbloBa folgt)
II. Referate.
Anatomie.
1) On the endogenoiu flbres ln the lumbo-aacral r^on of the oord, by
Alexander Bruce. (Brain. Autumn. 1897.)
Oenaue Beschreibung der Lage nnd des Verlanfs des comn • comissuralen und
des septomarginalen BQndels der Hinterstränge in einem Falle von voigeschrittener
Tabes. Die Beschreibung stimmt genau mit der jQngst von Hoche gegebenen
Oberein. Das septomarginale BQndel liegt im Sacralmark entlang dem hinteren
Septnm und an der mediansten Partie der Hinterseite der Hinterstränge; im unteren
Lumbalmarke nimmt es das Gebiet des ovalen Feldes von Flechsig ein; weiter oben
liegt es nur am hinteren Bande der Hinterstränge. Es enthält lange absteigende
Bahnen. Ton welchen Zellen die betreffenden Fasern ausgehen ist noch anbekannt.
Bruns.
Experimentelie Physiologie.
2) Neue Versuohe über den galvanischen Betz, von Dr. Dubois (Bern).
(Correspondenzblatt fOr Schweizer Aerzte. 1698. Bd. XXYIII. Kr. 1 u. 2.)
Wälirend bis jetzt als allgemein gOltig angenommen wird, dass die Intensität
DiQ'iii’od
Google
171
ea«8 gilnniselim Strones der Maaasstab f&r seine physiologische Wirkung sei, ergiebt
äd US den DntM^ochangen des Terf., dass es nicht die Stromstärke ist, die hier
ii Betncbt kommt, sondern allein die Voltspannnng. Bei Beizung motorischer
XerreB hitt die minimale Zucknng bei wechselnden Widerständen immer bei an-
übtfnd gleicher Yoltspannong auf und nicht bei gleicher Intensität des Stromes.
Der K^rwiderstand, von dem die Stromstärke abhängt, hat somit keinen Einäuss
ttf die physiologische Wirkung des Stromschlnsses.
Ein zweites interessantes und flberraschendes Ei^ebniss der Dubois'schen Ver*
ist folgendes: Werden im Stromkreise des Körpers onbedentende Bheostat*
nlentiode eingeschaltet, so bleibt die physiologische Wirkung ans, trotzdem der
^nmtwiderstand nicht in Betracht kommender Weise rermehrt, der Hautwiderstand
pdodi etwas Termindert and die Intensität des Stromes nur um weniges grösser wird,
bst dntb Erfaöhnng der Voltspannung kann die verschwundene Zockung wieder
wxislt werden. Verf. erklärt dies damit, dass die Bheostate eine erhebliche Seif-
adKäon haben, dass also ihr scheinbarer Widerstand grösser sei, als ihr Ohm-
vidwBtaod; für den Körper gelte gerade das Qegeutbeil; er habe einen grossen Ohm-
vidntiad, aber einen minimalen Self-inductionswiderstand.
Au diesen Yersneben eigiebt sich för die Praxis, dass bei physiologischen
Sänenuehen das Galvanometer durch das Voltmeter ersetzt werden muss. Die
Dcsinisg der Volts soll nicht mit dem Elementenzähler geschehen, sondern mittelst
im Bheostat im Nebenschluss; im Hauptkreis darf kein fremder Widerstand ein-
fssdtiltet sein.
Die Anordnang der einzelnen Versuche kann nicht gut in abgekürzter Form
ftgtheni werden, weshalb Interessirende anf das Studium der Originalarbeit verwiesen
T«rdn fflössen. H. Wille (Basel).
3) Survival mowetaents of human inlhiioy, by Alfred A. Numford. (Brain.
Aotonui. 1892.)
Verf. sucht die eigenthflmlichen Bewingen und Stellungen spedell der oberen
ExtraDHäten bei Nengeborenen, die er „snrvival movements*', Bewegungen die ans
^ Kiadheitsepoebe des Uensehengeschlechts übrig geblieben sind, nennt, auf bio-
Weise zu erklären. Er führt zunächst au, dass die Hand des Menschen am
Aehnlichkeit mit der der Amphibien habe. Die eigenthümlich hyperpronirte
^dhmg der Unterarme and Hände, die viele Kinder besonders im Schlafe haben,
IR uf SehwimmsteUangen zorückzuffihren; auch die Langsamkeit vieler Bewegungen
^ Sügligga erinnere an Amphibien. Im Beginne des Lebens werden Daumen und
Rnger gleichmässig nebeneinandergestellt zu Greifbewegungen gebraucht, wie
^ uf Bäumen lebende ^iere anwenden; bei dieser Bewegung hätten die Kinder
'’ti Nbr grosse Kraft. Die Opposition des Daumens zum Greifen zu benutzen lernten
w licht vor dem 6. Monate. Früh zeigten sich auch Zeigebewegungen und Unter-
«iriiimgen von Gegenständen mit der Spitze der Finger, die Verf. so erklärt, dass
Ce^rbleibsel von Bewegungen waren, die die Affen ausführten, um in Spalten
ad Löchern nach Nahrung zu suchen. Der Aufsatz ist jedenfalls interessant, ob
i» &klärungen des Verf.’s sich halten lassen, vermag Bef. nicht zu sagen.
Bruns.
i) Im vaso-motenrs des membres abdominauz. Becherches expörimentales
pir les Drs. Spallitta et Consiglio. (Arch. Ital. de Biologie. XXVIII.)
Die Verff. haben bei grösseren Hunden Durchschneidung des Ischiadicus, des
(^nlis, der vorderen Wurzeln des Ischiadicus bezw. des Cruralis, Durcbschneidung
Btochstranges des Sympathicus, Exstirpation der lumbo-sacralen Kette desselben
■' Google
172
io - inannigfacben CombinaUonen voi^enommen und den ▼aaoniotoriacben mit
Hülfe von Temperaturmessungen atudirt, wobei eine locale Temperatarsteigerang im
Allgemeinen als Ansdrack einer Läbmnng der betreffenden Vasoconstrictoren angeaeben
wurde. (Die bei angioparalytiscber Hyperämie der einen Seite auf der gekreuzten
Seite auftretende Oligämie [Herabsetzung der Temperatur] betrachten die Verff. nur
als einen passiven, hydraulisch bedingten Yoi^ang.)
Es ergab sich im wesentlichen, dass die Durchschneidung der vorderen Wurzeln
des Ischiadicus die Temperatur der correspondirenden Pfote erhöht; dies geschieht
ebenfalls, und zwar in noch höherem Haasse, nach Exstirpation der betreffenden
Lumbosacralkette des Sympathicus; die Durchscbneidung des Ischiadicus bewirkt nach
blosser Dnrchschneidung des Banchsympathicus dauernd eine neue Temperatur-
Steigerung der betreffenden Pfote, während diese ausbleibt, wenn vorher die Lumbo-
sacralkette des Sympathicus exstirpirt ist. Die Yerff. scbliessen daraus, dass alle
vasomotorischen Fasern des Ischiadicus durch den Banchsympathicus gehen, und zwar
nach ihrem Austritt ans dem Rückenmark durch die vorderen Wurzeln und die Rami
communicantes zunächst zu den sympathischen Ganglien und von da zu dem Kerven-
stamm. Ganz entsprechende Resultate ergaben sich für den N. cmralis.
_ Kaplan (Herzberge).
Pathologische Anatomie.
5) Beiträge zur pathologisohen Anatomie der Rüofcenmarkaoompreseion,
von Dr. Bruno Heymann. (Yirch. Arch. Bd. CIL.)
Yerf. berichtet über drei Fälle von Rückenmarkscompression bei Carcinomatose
der Wirbel und liefert mit denselben einen bemerkenswerthen Beitrag zu der noch
nicht geklärten Fr^e der ätiologischen bezw. pathologisch - anatomischen Entstehnng
der sogen. Compressionsmyelitis. Er fand bei der postmortalen Untersuchung der
Fälle, welche in ihrem klinischen Yerlauf das gewöhnliche Bild der Leitungsunter«
brechung im Rückenmark dargeboten hatten, sowohl in den durch auf« und ab«
steigende Degeneration secundär betroffenen Theilen, als auch in den direct dem
Druck der Geschwulst ausgesetzten Partieen des Rückenmarks lediglich Yeränderungen
degenerativer Natur, Yerminderung bezw. Schwund der Ganglienzellen, Untergang der
Markscheiden, Zerfall der Axencylinder, Wucherung der Glia u. s. w., bei völligem
Fehlen aller entzündlichen Erscheinungen.
Besonders bemerkenswerth erschien das Verhalten der Blutbahnen an der Com«
pressionsstello und in deren Umgebung. Es zeigten sich die abführenden Gefässe,
Venen, Capillaren und Lymphbabnen, stark überfüllt und namentlich die letzteren
ausserordentlich erweitert, während die Arterien auffallend blutleer waren und alle
Kriterien eines entzündlichen Vorgangs, arterielle Hyperämie, Gefässnenbildnng und
Rundzelleninfiltration der Umgebung, vermissen Hessen.
Yerf. zieht hieraus den Schluss, dass die sogen. Compressionsmyelitis kein ent¬
zündlicher, sondern lediglich ein degenerativer Process ist, hervorgerofen durch die
dnrch den Druck der Geschwulst bedingte ödematöse Durchtränkung und arterielle
Anämie der betreffenden Rückenmarksabschnitte. Ob diese ödematöse Dnrchtränkung
nur durch mechanischen Druck der Geschwulst zu Stande kommt, oder ob, wie
Enderlen meint, die zum Zerfall neigenden Tumormassen ausserdem noch einen
lähmenden Einfluss auf die Vasomotoren ausüben and dadurch ebenfalls eine Ver¬
mehrung der GewebsQOssigkoit herbeiführen, lässt Yerf. dahingestellt Jedenfalls
widerlegen seine Befunde die von Leyden und Anderen festgehaltene Auffassung
der Compressionsmyelitis als eines entzündlichen Proces&es und bilden eine Stütze
für die Anschauung Kahler’s, welcher dieselbe im Gegensatz hierzu schon lange
aus rein mechanischen Momenten erklärt und für einen lediglich degenerativen Vor¬
gang hält. Lilienfeld (Gr. Lichterfelde).
- K,Google
173
S) Anatomische Unternuohnogen über die oombinirte, ohronlaohe Sohweif-
tthiming und Sphinoterenparalyse des Pferdes, von Dr. Herrn. Dexler.
(Wiener klio. Wochenrchr. 1S97. Nr. 33—35.)
Yerf. berichtet über drei F&Ue einer in der Litteratur unter dem Kamen
Hanuaelechwanz bekannten Krankheit des Pferdes, welche sich cbarakterisirt dnrch
öae äch langsam entwickelnde, nnbeübare totale motorische Lähmung des Schweifes,
der NastdanU' und Blasenmusknlatnr, sensible Lähmung der Haut des Schweifes
md der Umgebung desselben und umschriebene Atrophieen der ßeckenmuskeln. Das
aatomische Substrat der Krankheit war bisher nicht bekannt. Die Untersnchungen
des Yecf.’s lehrten, dass es sich um eine chronische Entzündung in der Höhe der
Cuda equina handelt mit massenhafter Neubildong von Bindegewebe und dadurch
bewirtter Zerstörung der von diesem eingeschlossenen nervösen Elemente, der Kerven«
haere und der Spinalganglienzellen. Letztere zeigten bei Kissl’scher Färbung
tebwere Degeneration. Als besonders merkwürdiger Befund verdient das vollständige
FdUn jeder aseendirenden secnndären Hinterstrangsdegeneration hervoigehoben zu
«Bdmi, VI Marchi*, Weigert- and Carminpräparaten. Die Aetiologie der Krank-
tät ist dunkel. J. Sorgo (Wien).
7) UetaerBftofcenmarkSTerfindenmgen bei CaroinomatÖsen, von 0. Lubarsch.
(Zeiteehr. f. klinische Hedicin. Bd. XXXI. S. 389.)
In 10 Fällen von Magenkrebs, 3 von Darmkrebs, 6 von Krebs des weiblichen
Genitaltractaa, der Gallenwege, des Pankreas und des Oesophagus wnrde bei der
boft^ichen Üntersochung des Centralnerveosystems 9 Mal eine Veränderung des
Sftrkenmarka voigefunden, nnd zwar 7 Mal bei Magenkrebs, 9 Mal bei Darmkrebs
■Ml 2 Mal beim Krebs der Übrigen Organe.
Diese Yeränderongen zeigten in den einzelnen Fällen verschiedene Ausdehnung,
am Tbeil waren sie nur ganz gering und ohne begleitende Symptome während des
Lebens, zum Tbeil waren sie bedentender nnd hatten während des Lebens klinische
Eneheinnngen gemacht, znm Theil endlich waren sie sehr bedeutend und die Ur-
meke einer wUxrend des Lebens bestehenden Bückenmarkserkrankung gewesen.
Ihrer Katar nach waren die Verändemugen degenerativer Art und von Glia-
vaditfnng bereitet Ihren Hauptsitz hatten sie in den Hintersträngen; häuSg waren
die hinteren Wurzeln mitbetheiligt. Der Process zeigte eine äusserst diffuse Verbreitung.
Vert hält es für zweifellos, dass das Carcinom wenigstens in einer Reibe von
FilleB die Ursache der Verändernngen im Rückenmark abgebe, und zwar würde
dwwlbe nach ihm auf dreifache Weise deletär auf die Kervenzellen einwirken können:
1. dadurch, dass die bei Carcinomkachexie auftretende Oligämie und Uydrämie
fie KtfvmzeUen schädige, oder
2. dadurch, dass von dem Caronom ansgehende Gifte die Veränderungen er-
leogten, oder endlich
3. dass 68 sich am eine Antotoxie handele, welche durch die im Verdauungs-
traetos durch das Carcinom hervorgemfenen Stoffwechselanomalieen bedingt sei
Möglicherweise spielen in manchen Fällen alle drei Momente eine Rolle.
K. Grube (Kenenahr).
t) BoU* eriologla dolle degenorazionl slstematlohe primario del midollo
spinale, per C. Ceni. (Bivista speriment di Freniatr. XXXUI.)
Bs war die Absicht des Verf.’s zu untersncbeo, ob bei den toxisch nnd infectiös
aMandeneo primären systematischen Degenerationen die Schädigung der weissen
Sftckamarkasnbetanz wirklich primär entsteht, oder ob diese erst durch Alteration
dar nspeetiven trophischen Zellen zn Stande kommt Zn diesem Zweck brachte der
Varl BundMi anagedehntere Verletzungen der Haut bei nnd applicirte in diese pyo-
,Google
174
gene Stoffe oder frischen Abecesseiter, anderen Händen brachte er das sch&dliche
Agens nach Trepanation unter die Meningen oder in die Seitenrentrikel. Fast alle
Thiere zeigten nach dem Tode Degenerationen der Hinterstränge and der gekrenzten
Pyramidenbfindel. Hauptsitz der Erkrankung war das Cervicalmark, weniger häufig
auch das Dorsalmark, am seltensten die lumbalen Abschnitte.
Bei den Thieren, die von der Haut aus iuficirt waren, waren an Nissl-Pra-
paraten fast keine Verändernngen nachweisbar, nur vereinzelt Zellen mit Vacuoleo,
bei den anderen war der grösste Theil der Zellen in RQckenmark und öehim mehr
oder weniger afficirt Sie waren gequollen, glasig, die Chromatinschollen blass, zer¬
sprengt, der Kern meist wenig verändert, nur etwas geschrumpft.
Der Umstand, dass Zellveränderungen in allen Theüen des Böckenmarks an¬
getroffen wurden, dass sie auch in einem Falle, wo Degenerationen der weissen
Stränge fehlten, vorhanden waren und ihr verschiedener Qrad und ihre verschiedene
Art je nach dem Infectionsmodns bei gleichen Alterationen der weissen Substanz
spricht dafOr, dass letztere primärer Natur und gleichzeitig mit den cellularen
Läsionen durch die toxischen Stoffe veranlasst waren. Yalentin.
9) Ueber den anatomlsohen Frooess Im Anfangsstadium der multiplen
Solerose, von A. Goldscheider. (Zeitschr. f. klin. Medicin. Bd. XX9.)
22jähriges Mädchen erkrankte mit Erbrechen, Gliederschwere, Schwindel, Seh¬
störung in Folge von starkem Augenzittern und Gehörsstörung.
Befand: Starker Nystagmus meist mit Bewegung der Bolbi von unten nach
oben, linke Pupille weiter als rechte. Bewingen der Arme unsicher und ver¬
langsamt, Kraft rechts herabgesetzt. Ataxie des rechten Beins; Patellarreflex ge¬
steigert; Zitterbewegungen des Kopfes. Gefühl von Taubheit.
Der Exitus trat unter den Erscheinungen des Typhus abdominalis ein.
Die Section ergab eine Encephalitis interst chronica diffusa. Das Gehirn und
Bückenmark waren derb. Im Halsmark, im Pons auf der rechten Seite in der Höhe
des Abducenskems, in der Schleife, im Dorsaltheil des Böckenmarks tenden sich
Herde von diffuser, sehr intensiver Sclerose. Die Bln^efässe an der hinteren Peri¬
pherie des Böckenmarks, welche in die Hinterstränge eintreten und in den Septis
verlaufen, waren stark mit Blut angefüllt und von grossen Hassen von Körnchenzelleii
und fettigem Detritus umgeben. Auch im Inneren der Herde sah man kleine Gefftss-
durchschnitte mit einem einfachen oder mehrfachen Kranz von Randzellen. Lagerung
und Abgrenzung der Herde entsprachen vollkommen der Combination mehrerer
Gebiete von hinteren peripherischen Geßissen.
Bei den Herden im Pons und Halsmark handelte es sich um einen von den
Gefässen ausgegangenen Process. der die Nervenfasern zur Aufquellung gebracht and
dadurch bei einem Tbeile derselben eine Auflösung und Abbröckelung des erweichten
Myelins hervorgerofen batte.
Die Terändernngen batten sehr grosse Aebnlichkeit mit demjenigen der acuten
Myelitis, sie stellten nur einen geringeren, d. i. nicht zur Erweichung führenden Qrad
derselben dar.
Verf. hält die disseminirte Sclerose für eine gewisse Form der dissemintrien
Myelitis. K. Grube (Neuenahr).
10} Pathogenese und pathologisohe Anatomie der Syringomyelie, von Dr.
H. Schlesinger. Correferat erstattet auf dem internationalen Congresse zu
Moskau am 7. August 1897. (Wiener med. Wochenschr. 1897. Nr. 38 u. 39.)
In Bezug auf obige Arbeit wird auf die Congressberiebte verwiesen.
J. Sorgo (Wien).
Google
176
Pathologie des Nervensystems.
U) BdMg rar Kenntnlas der bei der dlssemlnirten Herdaolerose auf-
tretanden Angenver&nderangen, von Dr. Adolf Lflbbers, I. Assistenzarzt
dflr Lothringiseheo Bezirks-Irrenanstalt in SaaigemOnd. (Arch. f. Psycbiatr. n.
Nerfenkrankh. Bd. XIIX. S. 768.)
Der Verf. hat tnnächst den klinischen Aogensymptomen bei 11 Fällen von
fi—inirttf Herdsclerose seine Anfmerksamkeit zngewendet Ophthalmoskopisch
ksd äeh in vielen dieser Fälle einfache trophiscbe Abblassung. Die Atrophie war
BiroOstiBdig. Die temporalen Papillentbeile waren öfter und stärker ergriffen.
Eilige Xile wordai abgelanfene bezw. acote nenritische Erschelnnngen an der Papille
MpBtelli HehimalB war der AngenspiegelbefOnd normal Fnnctionsstörungen
hl Selanants konnten fast bei allen Patienten gefunden werden. Dieselben waren
lad Fons and Intensität sehr mannigfaltig und bestanden meist sowohl in Beein-
tiidt^oBg der Sehschärfe als in Qesicbtsfeldanomalieen, Centrale Scotome mit
fraw Geeiebtsfeldperipherie herrschten vor. Im Bereich der Scotome war. die
Fin rt i QB s rt önnig vorwiegend relativ, oft nnr partiell Die Intensität der Sehstörnngen
idivak^ entsprechend dem jeweiligen Ailgemeinznstand. Dauernde Erblindung war
üMnt selten. lün außallendes Hissverhältniss bestand zwiacben dem Verhalten
hr Sehfihigkeit and dem Angenspiegelbefnnd. Einige Kranke hatten geringfügige,
iBT T(^beigebeDd vorhandene Paresen isolirter Augenmuskeln. Einige Wenige
^atta Paresen assocürter Augenbew^ungen, welche sich ausschliesslich auf die Be-
v^UBgea der Bolbi in seitlicher Bichtnng erstreckten. In allen Fällen bestanden
''Uillatorische Augenbewegnngen, und zwar entweder Nystagmus oder
ajikgiiiDSutige Zncknngen oder beide Formen zusammen. Eigentlicher Nystagmus
ha io des Verf.’8 11 Fällen 6 Mal vor und war stets bilateral Die Bewegungen
hr Bolbi erfolgten vorwiegend in seitlicher Bichtnng. Nyst^mns rotatorins wnrde
a kwMB Falle beobachtet Die Pupillen boten, abgesehen von leichter und
vedittlader Differens, nichts auffälliges. Einige Kranke batten geringe, andere erheb-
BeeisträcbtigoDg der Lichtreaction.
Tel hat sodann die N. optici eines Falles von disseminirter Herdsclerose genau
ohnocht Klinisch handelte es sich ansser nm Angenmnskelparesen and nystagmus-
vbgea ZoekongOD um wesentliche Sehstörnngen (centrales Scotom), mangelhafte
Ueteeaetioa dtf Papillen and Abblassnng der Papillen. Die N. optici zeigten weit-
näiode SehnuDpfung der Nervenstämme nnd ausgedehnte, herdförmige, atrophische
^vfaderoi^eii, welche stellenweise die ganze Dicke des Nerven einnahmen and
aihmkc^iseh die Zflge • der einfachen Atrophie darboten. Die Markscheiden waren
^ Herden theils atrophirt, theils bereits in körnige Detritusmasse zerfallen,
heitta der verkleinerten, atrophischen Markscheiden waren die Axencylinder stellen-
"die noch nnversebrt vorhanden und auch in den Detritosmassen befanden sich
nhtiv zahlreiche, gut erhaltene, nackte Axencylinder. Die Bindegewebsfasern waren
'läutert, hatten fibrillär-faserige Structnr, enthielten partielle KemproliferatiODeu,
■Umehe, meist sehr kleine Oefasse und Entzflndnngserscheinungen in der Umgebung
^ OeSaee. An der inneren Opticnsscheide waren deutliche, perineuritische Er-
«kcUaagen za bemerken. Erscheinongen secundärer absteigender Degendration fehlten.
Ib« Old die damit in Znaammenbang stehende Qeringffigigkeit der ophthalmoskopischen
Enchnaangen fährt der Verf. auf das Intactbleiben zahlreicher Axencylinder zurück.
Heorg llberg (Sonnenstein).
y t-j.vGooglc
176
12) De la solörose en plaques & döbut apopleotlfonne, par P. Boologne
(de Lille). (Eevne de Medecine. Mai 1896. S. 404.)
Bei einem 43jährigen Arbeiter trat ohne alle Vorboten plötzlich unter Be<
wnfistseinsverlust eine totale Paraplegie der Beine mit fast vollständiger AnSstheeie
und mit Sphincterenlähmung auf. Nach kurzer Zeit besserten sich die Erscheinungea,
so dass Pat. wieder ziemlich gut gehen kounte, doch entwickelten sich im Laufe des
folgenden Jahres die charakteristischen Erscheinungen einer multiplen Sclerose
(Intentionszittem der Arme, schwankender Gang, Spinalepilepsie, leichte Sprach*
Störung und Nystagmus). Auch diese Erscheinungen wurden langsam besser.
Verf. glaubt eine multiple Sclerose diagnosticiren zu können, obgleich der
Sectionsbefund fehlt. Er citirt vier ähnliche Beobachtungen aus der Litteratur,
welche dartbun sollen, dass die multiple Sclerose zuweilen ganz plötzlich mit einer
apoplectiform eintretenden Paraplegie beginnen kann. Auch in allen diesen
Fällen fehlt aber eine Bestätigung der Diagnose durch die Section, so da^ man
gewisse diagnostische Zweifel doch nicht unterdrücken kann.
_ Strümpell (Erlangen).
13) Zur Trage über die multiple Solerose und Qliose. Nebst einer Be*
merkung über die VasoularisatlonsverhältniBae der Medulla oblongata,
von G. Bossolimo, Privatdocent in Moskau. (Deutsche Zeitschrift f. Nerven-
heilk. Bd. XI. 1897.)
Ein jetzt l6jähriger, aus gesunder Familie stammender, aber in einer Malaria¬
gegend am östlichen Ufer des schwarzen Meeres lebender junger Mann hatte im
3. Lebensjahre eine Verletzung erlitten. Januar 1895 Fieber, Erbrechen, Schwäche
der rechten Hand und Undeutlichkeit der Sprache. Nach vorübergehender Besserung
Zunahme der Beschwerden, besonders Schwäche im rechten Bein, Zuckuugen im
rechten Facialis und in den rechten Extremitäten, Doppelsehen, Hamverhaltoug.
Status: Der ganze parieto-occipitale Tbeil der linken Schädelhälfte voigewölbt,
auf der linken Seite des Occipitalknochens eine Narbe, vor derselben eine Knochen-
Vertiefung, Scoliose der Brustwirbelsäule, Parese der oberen Facialiszweige rechts
und des rechten Hypoglossns, Diplopie und leichter Nystagmus, Pafese beider Abdn-
centes, vorwiegend des linken, schleppende Sprache, rechter Arm nur schwach be¬
weglich, Contractnr der Beuger, Bewegungen im rechten Fussgelenk cnmOglich,
Muskeln der Extremitäten rechts sehr rigide, elektrische Erregbarkeit normal. Gang
erschwert, Sehnenreflexe erhöht, besonders rechts, auf der rechten Körperhafte, ausser
am Kopf und Hals, geringe Herabsetzung der Sensibilität io allen Qualitäten, Pa¬
pillen — weit, von träger Beaction auf Licht, Gedächtniss abgeschwächt, kein Elr-
brechen. Später auch Schwäche im linken Arm und linken Bein, Incontinentia
nrinae, Zunahme des Schwachsinns.
Bei einer kurz vor dem Exitus voigenommenen Trepanation in der Gegend der
Enocfaenvertiefung fand sich beim Einstechen des Scalpells eine derbe Masse und
wurde von weiterem Voigehen abgesehen. Die anatomische Uotersuchnng des Gtohlms
ergab ein Ergriffensein des ganzen Corpus callosum, des linken Centrum semiovale
in seiner ganzen Breite, hauptsächlich aber in seinem mittleren Drittel, sowie des
inneren Theils. des Contr. semiovale der linken Hemisphäre. Ferner fand sicli am
verlängerten Mark ein Herd, welcher sich vom äussersten, candalwärts gelegenen
Ende der Fyramidenkrenzung bis zum hinteren Viertel der Brflcke erstreckt and
beide Hälften des Organs einnimmt An dem peripheren Tbeil der Hedolla oblongata
hat der Herd bis zum Calam. script die Form eines Dreiecks, dessen spitzes Bnde
am Ceutralcaual liegt. Im Bückenmark konnte Degeneration beider Pyramidenseiten-
und Pyramidenvorderstränge nachgewiesen werden, wobei der linke Türk’sche Strang
and die Pyramidenseitenbahn in ausgedehnterem Maasse ergriffen war. Der Central-
ig i'/od c/ Google
177
(aMl nai tibenll mit hyperplasirten Zeilen angefüUt und in seiner Form verändert»
«M ftbiüe wmr mrgends nachznweisen. Es handelte sich also im Wesentlichen um
Its tp^die Bild einer doppelseitigen secnndären Degeneration mit vorwiegenden
Twtademngen in der Unken nngekreozten und rechten gekreuzten Bahn nnd einer
Bjp^laaie da- Wandungen des Oentiralcanals.
T^. erblickt in dem beechriebenen Frocess eine Uebeigangsform von der disse*
Binirten Sclerose zur Qliose nnd bezeichnet dieselbe als ScIero'Qliose. Die Hyper-
flasM der Qlia bevorzugt das Gewebe, welches den GefösSen oder dem Ependjm
tngrensL Die Herde der disseminirten Sclerose können das Gebiet irgend eines
fiefisoen einnehmen. Zur progressiven Wucherung der Neuroglia bei der multiplen
Sdtfoee, der Sclero-GUose, der Gliose nnd dem Gliom können sowohl Traumen mit
Bsebfolgenden Verletzungen der Glia, als auch im Blute bezw. in der Lymphe
kreieoide Schädlichkeiten endogenen Ursprungs bei gleichzeitiger hereditärer Belastung
TMznlassung geben. Es können dabei secundäre Degenerationen auftreten und zwar
skht nur in Folge von Zerstörung von Äzencylindern, sondern auch unter dem Ein-
äosse summirender Wirkung auf die gleichen Faserbfindel zweier oder mehrerer
Tenadenmgen» welche einzeln dies nicht bewirken könnten. Die candale Hälfte des
TsrÜi^erten Marks vom Calamus scriptorius an wird von der ventralen Seite durch
die Art^olae spino-bulbares der Art spinalis ant. versorgt, während der fibrige
Thail der MeduUa durch die von den Art. vertebrales angehenden Arteriolae vertebro-
bulbares ernährt werden. E. Asch (Frankfurt a./M.).
14) A oame ot disseminated solerosls, by Hackney. (Brit med. Jonm. 1897.
March 6. S. 586.)
fin 55 jähriger Zimmermann wird plötzlich bewusstlos, wie bei Apoplexie. Das
Wentf war sehr heiss, man diagnosticirt „Hitzscblag". Der Kranke, zwar sehr an¬
gegriffen» erholt sich ohne irgend welche Lähmni^serscheinoogen.
Bald darauf leichtes Zittern der Hände bei Bewegung; doch ist Pat arbeits-
ftkig. — Nach etwa einem Monat ein zweiter „apoplectiformer" Anfall mit dem oben
kmrhrirhftnnn. ähnlichen Verlaufe. Dann fo^n in ähnlichen Zeitintervallen 3—8
Attaquen. Nach der letzten verringerte sich das Gedächtniss auffallend;
Ihng^ die vor einigen Minuten passirten, sind nicht mehr in Erinnerung. Patellar-
nfieze geeteigert, und beiderseitige Anästhesie» rechts am meisten.
Also Intentionszittem neben gesteigerten Reflexen mit den apoplectiformen An-
äOen begrfindeten die Annahme disseminirter Sclerose; zwar Zittern der Zunge und
Lippoi, jedoch das Sprechen nicht abnorm. L. Lehmann I (Oeynhausen).
15) Zur Aetiologie der multiplen Solerose, von Blumreich und Jak'oby.
Ans der ü. medicinischen Dniversitätsklinik in Berlin (Geh. Prof. Gerhardt).
(Deutsche med. Wochenscbr. 1897. Nr. 28.)
Die Verft verfügen über 29 Fälle von multipler Sclerose (23 Männer nnd
6 Frauen). Eine einheitlicbe und durchgreifende Aetiologie für die multiple Sclerose
wt nidit vorhanden; die. Ursache bleibt in einer Reihe von Fällen verborgen, in
anderen heben sich drei Groppen heraus: acute Infectionskrankheiten, Intoxicationen
od Tranmen. Diese Scbädlichkeiteu können einmal direct die der Sclerose zu Grande
iegCBden asatomisehen Veränderungen hervormfen: als einleuchtende Beispiele führen
tyt Aut^MWO 5 traumatiscbe Fälle, sowie eine multiple Sclerose nach QuecksUber-
veegiftuDgen. (Der Zasammenhaag ist in diesem Falle keinesw^ klar. Ref.)
Sodann können die ai^effibrten Noxen lediglich die Krankheit aaslösen, so dass die
bis fehlenden Symptome, nun erst auftreten; die ursprüngliche Veranlassong
kma »ehr oder minder lange zurückli^en» congenital sein. Umgekehrt kum durch
12
D g : 7cd / G OOglC
178
die besprochenen Einwirkungen der Keim zu. der Krankheit gelegt werden, w&Jirend
es anderen Zn^en Vorbehalten bleibt, aaslösend zu wirken. Jene Schädlichkeiten
können sich schon iu utero geltend machen, eine Tbatsache, welche ffir diejenigen Fälle
wichtig ist, in denen das Leiden offenbar schon congenital entstand. Unter Umständen
ist ein Trauma nicht Ursache, sondern Folge der multiplen Sclerose, insofern
dieselbe durch Schwindel und Unsicherheit des Ganges leicht zu einem Unfälle
fahren kann.
Die hier gewonnenen Erfahrungen müssen bei der Aufnahme der Anamnese und
der Beurtheilung der Krankheit znm Zwecke gutachtlicher Äeusserung berücksichtigt
werden. B. Pfeiffer (Cassel).
16) Zur Bedeutung der Augenuntersuchung, speoiell des ophthalmo«
skopisohen Befundes, für die Frühdiagnose der mulüplen Herd-
Bolerose, von Dr. Günther Nagel, Tolontairarzt. Aus der Universitäts-
Augenklinik in Breslau. (Münchener med. Wochenschr. 1897. Nr. 32.)
Der ophthalmoskopische Befund, um welchen es sich handelt, stellt sich dar
als eine absolut weisse Abblassung der temporalen Papillenhälfte. Diese Yerändemng,
welche in dem einen von zwei angeführten Fällen nur einseitig vorhanden war, Hess
an multiple Sclerose denken, und die in dieser Bichtang weitergefübrte Untersuchung
bestätigte den Verdacht. Speciell der sonstige Augenbefund (Nystagmus und asso-
ciirte Blicklähmung) bei relativ geringer Sebstörung ist für die Diagnose von Be-
dentung. E. Asch (Frankfurt a./H.).
17) Heber Augenmuakelstönmgen bei der multiplen Sclerose, von Dr.
C. Kuno (Wien). (L. Voss, Hamburg-Leipzig.)
Auf Grund genauer Beobachtungen einer Reihe von 20 Fällen von multipler
Sclerose gelangte Verf. znr C.onstatirnng dreier in ihrem Auftreten bei der genannten
Erkrankung für diese als charakteristisch anzusehender Symptome von Seiten der
Augenmuskulatnr. Erstens ein in seinen klinischen Erscheinungen dem Intentions¬
tremor durchaus ähnliches „Einstellungszittem“ bei dem Versuche, die Augen aus
dem Zustande des einfachen Geradeaossehens zur Fixation eines bestimmten Objectes
zu veranlassen. Dies Pbäuomen charakterisirt sich durch ein entweder einmaliges
oder wiederholtes Uebennaass in der angestrebten Conve^euz, gefolgt von einem zu
geringen Convergenzacte, bis schliesslich der richtige Convergenzgrad erreicht ist
Das zweite Symptom besteht im Auftreten eines echten concomittirenden — in Verf.’s
Fällen stets convergenten — Strabismus, für dessen Zustandekömiben Verf. nach
Ausschluss aller anderen etwa in Frage kommenden Ursachen, ganz besonders der
leicht irrthümlicb anzunehmenden Paresen, folgerichtig eine dissociative Störung der
vorderen associirt gewesenen Angenbewegungen supponirt, wobei er die Hypothese
eines besonderen circumscripten Centrums für die Coordiuation der Augenbewegnngen
verlässt, und statt dessen von der Annahme ausgeht, dass diese Coordiuation das
Resultat einer durch Erfahrung und Uebung der associativen Bahnen erworbenen
Fähigkeit in der Benutzung functionell sich unterstützender Muskeln sei. Auf
gleicher Ueberlegung basirt Verf.’s Erklärung des dritten Symptoms, der plötzlich
auftretenden Anisokorie nnd des bei Fixation eines bestimmten Objectes in Erschei¬
nung tretenden Hippns, welches ihm die Wahrscheinlichkeit nahelegt, dies Zittern
als ein „Begleitsymptom zitternder Bewegungen des Ciliarmuskels*' aufTassen zu
müssen. Ein durch Atropiueinträofelung und Anwendnug von Convexgläsern prompt
gelingendes Experimentnm crucls scheint die Richtigkeit dieser Annahme zur Evidenz
zn erweisen.
Unter der vom Verf. mi^etheüten Casuistik verdient besondere Beachtung ein
Google
179
als Analogon za den Fällen von echter Sclerose zn betrachtender Fall von Pons-
hlmonhagie, bei welcher recidivirende Blntangen gerade jene dissociativen Störoi^en
der Angenbewegangen hervorriefen ehe schliesslich Lährnnng eintrat; diese Analogie
ist am so flberzengender, als man nach Wernicke’s Vorgang in die Pons gerade
die Ar aaeociirte Seitenbewegnng bestimmmten Fasern verlegt.
Bichter (Hamm).
18) Heber einen Fall von Büokenmarkatuberkel beim Kinde, nebst Be¬
merkungen über die multiple Degeneration, von Holz. (Festschrift des
Stnttgarter ärztlichen Vereins 1897.)
Ein Sjähriges Mädchen bekam nach mehrwdchentlichem Fieber eine schlaffe
lAhmong beider unteren Extremitäten. Die Haut- an<l Sebnenreflexe an denselben
varra völlig erloschen. Auch die BeckenmAskalatur war gelähmt, die Arme völlig
frei. Nach einigen Monaten entwickelte sich eine Basalmeningitis; es trat zeitweise
roinge active Beweglichkeit im Hfiftgelenk, sowie tonische Contractorstellung der
Beme in Knie und Fassgelenk ein. Pat. ging in tiefem Coma za Gründe. Die
S«cti(« ergab einen Bfickenmarkstnberkel in der Lendenanschwellung mit starker
Erieichong der benachbarten Bfickenmarkspartieen. An der Hirnbasis bestand eine
nibenmlöse Meningitis. Die Untersuchung des BQckenmarks ergab die bekannten
Hcondären D^eneraiionen. Verf. gebt näher auf die wiederholt bei Compressioo
dm Muskels beobachtete fleckweise Degeneration des Rückenmarks ein. Er unter-
sdteidet Wucherungen der Adventitia der Gefässe, welche eigentliche Degenerations-
bsde nnr vortänseben, nnd wirkliche Oegenerationsherde, die auch auf Gefäss-
'«nndonngen zurflekzufühpen sind. H. Bothmann (Berlin).
18 ) Tumor of the apine, bj Cladek. Bead before the Society of the Alumni
of the City (Charity) Hospital. Mai 12. 1897. (New York med. Jonmal.
1897. Vol, LXVI. Nr. 7.)
Im Mai 1896 stellten sich bei dem 51 jährigen, luetisch nicht inficirten Hanne
aecixlgische Schmerzen in der rechten Seite ein zwischen Rippenbogen und Darmbein,
leitveiae in die Glans penis und den rechten Hoden ausstrablend. Gleichzeitig be-
naad vermehrte .Ausscheidung von Harosäurekrystallen in dem häufig entleerten
rrin. Trotz geeigneter Behandlung nahn^en die Beschwerden zu, das Allgemein-
befinden wurde schlechter, Pat. machte den Eindruck eines Sebwerkranken.
Anfang November wurde auch das linke Bein, später die linke Brustseite nnd
Schalter schmerzhaft und nach ca. 14 Tagen erfolgte Lähmung der Unterextremitäten,
ier Blase und des Mastdarms. Druckempfindlichkeit der unteren Region der Wirbel¬
säule ohne Deformitäten. — Die Sensibilität an den gelähmten Gliedern, zunächst
cor abgeetampft, schwand völlig, es entwickelte sich Decubitus und am 9. December
(rat der Exitas ein. Die Autopsie ergab eine anscheinend von der *Dura ausgehende
G ee ch wnlgt (SpindelzeUensarcom), welche vom 2. Lendenwirbel bis znm 9. Brustwirbel
nkkte^ den Spinalcanal vollständig aosfüllte, und durch die IntervertebralöShungen
«ach aussen drang. Die Wirbelkörper und -bögen waren im Bereiche der Geschwulst
wwekht, das Bflckenmark comprimirt, im Übrigen nicht verändert, an der Pia nicht
idhärent. R. Pfeiffer (Cassel).
90) A esse of Syringomyelie limited to one posterior hom ln the oervloal
rsgion, vrith arthropathy of the sKoulder-joint and asoendlng dege-
nerstion in the pyramidal traots, by F. H. Dercnm and W. G. Spüler.
(AiDOTicaD joomal of the medical Sciences. 1896. December.)
fin 45jähriger, hereditär nicht belasteter, bisher gesunder Hann erkrankt mit
12 *
Dig ti/cn-i
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180
Sdimeraen in den Beinen und der Brost Ällm&hlich entwickelt sieb eine Fareee
beider Beine. Bei der Aofnabme in das Krankenhaus bestand spastische Paraplegie
der Beine, zn der weiterhin beträchtliche Bengecontraeinren traten. Die Patellar-
reflexe waren stark erhöbt Foesclonos Torhanden. Nach anfänglicher Betention von
Stuhl and Urin trat Lähmung der Blase nnd des Hastdarms anf. Die Sensibilität
war in beiden Beinen und am Bauch bis zum Nabel völlig erloschen; am rechten
Arm nnd der rechten oberen Bmstbälfte bestand Aufhebung des Temperatarsions
nnd Analgesie. Im Gebiet des 4.—6. linken Intercostalnerven bestand eise Neuralgie.
Im 6. Jahre der Krankheit trat eine Schwellung der rechten Schulter ein, die all*
mählich zn einer beträchtlichen Zerstörung der Gelenkenden führte. Nach 12 Jahren
starb Pat an Erschöpfung.
Bei der Section zeigte das rechte Schaltergelenk eine Luxatio subglenoidea des
Humerus. Der Humeruskopf war völlig verschwunden; an der Gelenkböhle der
Scapula hatten beträchtliche Knochenaaflagerangen Platz gegriffen. Die Untersuchung
des in HQller’scher Flüssigkeit gehärteten BQckenmarks zeigte im Conus terminalis
eine tumorartige Gliosis in der Mitte mit einer kleinen Höhlenbildung. Im oberen
Sacralmark nahm die Höhle den vorderen Theil der Fissura post und beide Vorder*
hömer ein, während der Centralcanal vor derselben lag. Die hinteren Wurzeln waren
hier wie im ganzen Bückenmark normal, die vorderen nnr in einem Theil des Brust*
marks d^enerirt. Im Lendenmark erstreckte sich die Höhle die Fissura post bis
zur Pia entlang; beide Pyramidenseitenstränge waren degenerirt Vom 2. Lumbar*
Segment bis zn den 3. domlen Wurzeln bestand Pachymeningitis.
Im Brustmark ging fast das ganze Hark in Gliosis und Höhlenbildung anf; am
obersten Ende desselben wurde die Höhle auf das rechte Hinterhom begrenzt nnd
blieb hier auch im Halsmark. In beiden Seitensträngen, besonders dem rechten, und
dem rechten Vorderstrang bestand Degeneration, ebenso in beiden GoU’schen Strängen.
Im Halsmark waren letztere völlig degenerirt; die Degeneration an der Peripherie
des linken Seitenstrangs war nur schwach, rechts war dieselbe stärker bis zum
2. Halssegment zn verfolgen, am stärksten im Gebiet der Pyramidenbahn. Auch der
rechte Vorderstrang bis hinauf zur Pyramidenkreuznng war degenerirt Zwischen
der Höhlenbildung im verschmälerten rechten Hinterhom und dem Centralcanal lag
eine Zone normalen Gewebes. Die Ganglienzellen der Vorderhöraer schienen normal;
es bestand eine beträchtliche Faserverarmung der grauen Substanz.
Bemerkenswerth war die aufsteigende Degeneration im Gebiet der Pyramiden-
bahnen, 'die sich im rechten Vorder- nnd Seitenstrang vom oberen Brustinark bis
beinahe zur Fyramidenkreuzung erstreckte. Das geringere Befallensein der Unken
Seite kann man durch das küraere Bestehen der Affection auf dieser Seite erklären.
Die Degeneration der Go wer s’sehen nnd Kleinhimseitenbahnstränge von einander zu
trennen, war nnmöglich; sie liess sich bis zu den unteren Pedunculi cerebelll ver*
folgen.
Die Pachymeningitis halten die Verft nicht für eine Folge der Syringomyelie,
sondern für gleichzeitig entstanden. Es gelingt nicht, bestimmte Veränderungen des
Rückenmarks oder der Spinalganglien in der Höhe der unteren Cervicalwurzeln für
die Erkrankung der rechten Schulter verantwortlich zu machen.
Die Stömngen der Sensibilität werden durch den anatomischen Befand vollständig
erklärt. Während im Halsmark die für Schmerz nnd Temperatursinn bestimmten
Fasern durch die Höhle im rechten Hinterhom vernichtet sind, verlaufen die für die
tactile Sensibilität bestimmten Fasern unbeschädigt durch den Burdach'schen Strang.
M. Bothmann (Berlin).
Dig'tvod oy Google
181
U) Haber etne seltene IjooalisatioD einer Arthropstfaie bei Syringomyelie,
Dt. Priedr. Hahn. (Wiener Win. Wochensdir. 1897. Nr. 29.)
IHe Galenkserkranknng beobachtete Yerf. bei einer 38 Jahre alten, an STringo-
Bjclia Indenden Fran (hochgradige Skoliose, Moskelatrophieen im Bereiche des
Seholtergtkrtals nnd beider H&nde nach dem Typoa Aran-Duchenne, trophische
Sti^ongen der Hant nnd Nägel, yerbrennangsnarben, SensibilitätastOrongen, Spasmos
dar rateren Extremitäten). Die Arthropathie war nach einem Tranma entstanden
wi aahm das rechte EUenbogengelenk ein: Anftreibung nnd Yerdicknng der Um«
geirang des Gelenkes, besonders an der radialen Seite der Cnbita bei intacter Hant;
Oieennon deutlich tastbar; Ulna, so weit palpabel, normal; Hnmeronlna^elenk frei
beweglich. An der Bengeseite des Gelenkes, medial Tom Capitnlum radii nnd scheinbar
«tot Zosammenhang mit diesem ein baselnnssgrosser, knochenharter, Terschiebbarer,
achmoWMer Tumor zn fQhlen; Capitnlnm radii dentUch zu fühlen, liegt aber nicht
in der Hauptachse des Badius nnd lässt mch dnrch Druck anf den peripheren
Badinsautheil verdrängen. Deutliches Reiben bei Bewegungen im Radioulnargelenk;
SufänatioD und Pronation unbehindert.
Das 'Böutgenbild zeigt geringe Verdickung des nnteren Hamerns- nnd oberen
ühttrendes, erhaltenen Gelenkscontact beider, stumpfwinklige, gegen die Beugeseite
gtfichtete Abknicknng des proximalen RadinsantheUes, sowie eine klaffende Lücke
xwisdien Capitnlnm radii nnd Eminentia capitata humeri. Der khocbenharte, bew^-
liehe Körper warf keinen .Schatten, und in der Tricepssehne oberhalb. ihres Ansatzes
mh man einra dunklen bohnengrossen Fleck, wahrscheinlich als Ansdmck einer Ver-
fcBöchemng der Sehne. Der erwähnte harte Tumor dürfte als ein freier oder ge«
ftieltsr, aus Knorpel bestehender Qelenkskörper oder als Neobildung in der Kapsel
n^fsaaen sein. Die Abknicknng des proximalen RadinsantheUes ist wahrscheinlich
Folge einer dnrch das Trauma (Sturz von der Treppe) bewirkten Infraction des
Eiccheas.
Aafrallend ist die freie Beweglichkeit des Gelenkes trotz der bedeutenden Dif«
formität. Den Einfluss des Trahmas anf die Entstehung der Arthropathie lässt auch
dieser Fall dnnkel. J. Sorgo (Wien).
23) Troubles du tborax dans la ayringomyelie, par P. Marie. Ans der
Socidtd mddicale des höpitanx. (Progrös mddical. 1697. Nr. 9. S. 136.)
Ymf. nnd Astie beobachteten bei der Syringomyelie eine neue trophische —
theiax ea bäteao — benannte Thoraxbildung, die für diese Erkranknngsform charaktS'
nttiecb sein soll.
Sie besteht in einer vorderen nnd medianen Aushöhlung des Brustkorbes, der
dadoicb einem Schiffe ähnlich meht. Sein vorderes Ende befindet sich an der Basis
des Haisee — am Jogulum stemi, sein hinteres am unteren knöchern-knorpeligen
bde des Brustbeines. Die Missbildung ist nicht die Folge einer Deviation der
VirMaiule. Adolf Passow (Strassburg i./B.).
S3) Myelite ohronique oonsdoutlve ä uu trouble dans le ddveloppement
da Is modUe dplniäre, par Dr. Hamburger, Utrecht. (Revue de Mödecine.
1696. Janvier. S. 45.)
Anatomischer Befund einer chronischen Myelitis bei einem Pferde. Das Rücken¬
mark des Thierse zeigte ausserdem Formanomalien, welche congenitalen Ursprungs
warte. Strümpell.
Google
— 182
24) Ueber Degeneratlonaherde in der weissen Substans des itüokenmarkes
bei Xieukämie. von Dr. M. Nonoe. Ans dem Neuen Allgemeinen Krankeo-
haus in Hamburg (Eppendorf). (Denteche Zeitschr. f. Nervenbeilk. X. 1897.)
In zwei typischen F&Uen tod Leuk^ie, deren Krankengeschichten auszugsweise
mitgetheilt werden, fand Yerf. kleine und kleinste herdfOrm^e, Uber den Bfickenmark*
querschnitt irregulär vertheilte Degenerationen von acut parenchymatösem Charakter.
Dieselben waren in den Pyramiden^Vordersträngen am zahlreichsten und traten voll*
kommen unsymmetrisch auf. In der grauen Substanz konnten keine Yeränderongen
festgestellt werden, auch waren nirgends Qeßssaffectionen oder Bundzelleninfiltration
zu erkennen, In dem einen Pall bestand ausserdem in den Hintersträngen eine
geringe Sclerosirung. Klinische Symptome von Seiten des Nervensystems waren nicht
nachzuweisen. Offenbar handelt es sich hierbei um die gleichen, acuten, parenchy*
matösen Degenerationen, wie sie von Käst in einem Falle von lienaMymphatischer
Leukämie beschrieben wurden. E. Asch (Frankfurt a./lL).
26) Hiatoriaobe Kotia über Degenerstionaherde in der weiaaen Subatanz
bei Leukämie und über Degenerationen im Büokenmark bei Zehr-
krankbelten, von Prof. Fr. Schultze io Bonn. (Deutsche Zeitschrift fär
NervenheUk. Bd. XI. 1897.)
Yerf. erinnert daran, dass er die gleichen Herde, wie sie neuerdings Nonne
bei Leukämie geschildert (Deutsche Zeitschrift fär Nervenheilk. Bd. X), schon im
Jahre 1884 nicht nur bei dieser Krankheit, sondern auch bei chronischer Nephritis
gefunden und im Neurolog. Centralbl. beschrieben hat. Ferner macht er darauf auf*
merksam, dass die jetzt häufiger erwähnten Degenerationen in den Hmterstr&ngen
bei anämischen Zuständen schon vor langer Zeit von Tb. Simon bei Phtisis gesehen
und als „Kömchenzellenmyelitis'' beschrieben wurde (Arch. f. Psychiatrie. Bd. 1 und
II, besonders Bd. II. S. 351). E. Asch (Frankfurt a./M.).
26) Zur Lehre vom Rüokenmnrkaabsoeea, von Dr< Hermann Schlesinger,
Assistenten an der III. medic. Klinik in Wien. Aus Prof. Obersteiner's
Laboratorium. (Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. X. 1897.)
Bei einem 28jähr. Mädchen, welches klinisch nicht beobachtet wurde, stellte
sich plötzlich complette motorische und sensible Lähmui^ der unteren Körperhalfte
mit Gfirtelgeflihl und heftigen Schmerzen in den Beinen ein. Ausserdem bestand
Steifigkeit und grosse Druckempfindlichkeit der Wirbelsäule, sowie Blasenlähmung.
Sensorium dauernd frei. Etwa 9 Wochen nach dem Beginne des Leidens Exitus.
Bei der Autopsie fand sich in der ganzen unteren Partie des Bfickenmarks (Lenden-
mark und Conus medullaris)' eine Abscesshöhle, deren Abgrenzung stellenweise eine
scharfe war, während sich an einzelnen Stellen eine beginnende Abkapselung nach-
weisen liess. Ferner in der nächsten Umgebung des Abscesses, und unmittelbar an
ihn anschliessend acute, myelitische Yeränderungen mit beginnender Gewebsneurose,
in den Seitensträngen eigenartige Herde, welche Yerf. als anämische Nearoseu auf¬
fasst, sowie aufsteigende Degenerationen in den Hintersträngen, in den Gowers'schen
Bflndeln und in den Kleinhimseitenstrangbahnen. E. Asch (Frankfurt a./M.).
27) Zur Eenntniss der centralen Bämatomyelie, von Dr. E. Bregmann in
Warschau. (Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. X. 1897.)
Ein SOjähr., früher gesunder, niemals luetisch inficirter Hann, der durch seinen
Beruf stets schwere Lasten auf dem Bücken zu tragen hatte, empfand plCtzUcb
Google
183
kiftige Sehmemn im Bdcken und Abdomen, aosserdem trat Betentio urinae und bald
dtnnf Blasenlähmang nebst cystitiscben Erscheinungen binxn. Die 2 V 2 Monate nach
in Beginn des Leidens vorgenommene Untersnehung ergab spastische Parese der
lUa onterra, partielle Empfindangslähmnng der rechten unteren Extremität und
der rechten onteren Bampfhälfte, ferner die gleiche Empfindungsstdrung am Bnmpf
linke nsd an der Vorderfläche des linken Schenkels. Wirbelsäule gerade, Dornfortsatz
d« 1. Lendenwirbels etwas druckempflndlich, Patellarreflex links stark erhöht, rechts
ittähemd normal, ausserdem linksseitiger Fussclonos, Fasssohlenreflex links schwach,
R^ts fehlend. Sämmtliche B^heinnngen mit Ansnahme der Sensibilitätsstörungen
and einer gewissen Schwierigkeit beim Harnlassen gingen im Laufe der nächsten
2Jahre wieder zurück. Verf. nimmt eine centrale Hämatomyelie an, wie sie Minor
beechrieben hat und wobei neben Moskelatrophieen und Paresen eine partielle Empfin*
dDgeiihmnng aufzntreten pflegt, welch letztere durch eine Affection der hinteren Tbeile
dw gnoen Sobstanz bedingt ist Den Sitz der Blutung localisirt Verf. zwischen
dca 8.-9. Brust* und etwa dem 3.—4. Lendensegmen^ doch spricht die entgegen-
fwdzte Analgesie und Thermanästhesie, sowie die spastische Parese der linken
utcren Extremität auch für eine partielle Zerstörung des linken Seitenstranges.
E. Asch (Frankfurt a./M.).
^ A case of haematorrhaohis, by William Braio. (Brit. med. Joum. 1897.
Aug. 21. S. 453.)
Ein 18jähr. Dienstmädchen, anämisch, am Morgen ihres Sterbetages noch wohl,
flhlt nach Stahlentleemng (2 Pillen, unbekannt, was für welche) plötzlich „Ein-
radkfensdn'* des ganzen Körpers and kann nur mühsam sich fortschleppen. Im
B«tt( kann sie nnr mühsam athmen und fühlt Schmerz im Nacken. Intelligenz un*
nstört; Sprechen mühsam nnd langsam. Pupillen normal; linker Arm und rechtes
B«a gelähmt; Patellarreflex fehlt; Sensibilität verringert. — Plötzlich Stubldrang;
vüiwige Denteation; CoUapsos nnd Tod.
Antopsie: Unter dem 3. Cervicalwirbel, zwischen Dura und Spinalcanal ein
Kütgerinnsel, dessen grösserer Theil rechterseits; Dura blulgeiärbt. Das Gerinnsel
wibeckt sich vom 2. zom 3. Cervicalwirbei. L. Lehmann I (Oeynhausen).
Ueber zwei Fälle von primärer, oombinlrter Strangerkrankong des
Bfiokenmarks, von Arthur Wagner, Assistenzarzt am Landkrankenhanse
n Cassel. (Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. Bd. XI. 1897.)
1. SSjähr., hereditär nicht belasteter und Inetisch nicht inficirter Bäcker klagt
m Weiboacbien 1891 über Abnahme des Gefühls in Händen und Füssen, Kraft-
Twamdenmg in den Armen, Parästhesieen in den Beinen und zeitweilig auftretenfler
lecmtiDentia nrinae. Status: Sensorium klar, Himnerven ohne Störung, linkes
SchnUageleuk schmerzhaft, grobe Kraft der Arme nnd Hände etwas herabgesetzt,
Spumongsgefühl in den Armen und Beinen, tactile Sensibilität und Temperatursinn
u to Endpbalangen beider Bände besonders an deren volaren Flächen herabgesetzt,
t*ctüe Seimbilität und Sdnoerzempfindang an der Planta pedis, besonders an den
und den vorderen Fossrändem vermindert, anch werden an diesen Stellen
crob« Temperatorunterschiede nicht erkannt, Triceps* und Patellarreflexe nicht vor-
sndoi, Bömberg’sches Symptom nachweisbar, Gang unsicher, leichte Ataxie der
Bkran Extrraütäten. Im Urin anfangs etwas Eiweiss, später nicht mehr. Nach
twfibsrgehender Beesemng Zunahme der Beschwerden: Kopfschmerzen, Schwindel-
Erbrechen, Schmerzen in Armen und Beinen, Ataxie nnd Verminderung der
SnboB Kraft der. Arme, Anästhesie, Analgesie und Aufhebni^ des Temperatursinns
c,-.,Google
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am linken Arm nnd beiden Beinen, später auch Sensibilitätsstömngen an dem rechten
Arm nnd Hand, Drockempfindlichkeit der Brustwirbelsäule, spastische Lähmnng .der
Beine, Incontinentia alvi et orinae. Während der letzten Zeit der Krankheit wurde
das früher erloschene Kniepbänomen wiederholt beobachtet, Plantarreflex beido-seits
lebhaft. Kurz vor dem Tode Qescbmacksstürung auf beiden Zungenhälften, Trige*
minus im übrigen frei, Fupillenreaction stets vorhanden.
Die anatomische Untersuchung des Bückenmarks eigab symmetrische D^eneration
der Pyramidenvorder- und •Seitenstrangbahnen, der Kleinhimseiten- und der Hinter*
stränge. Die hinteren und vorderen Wurzeln, sowie die graue Substanz waren
normal.
2. 48jähr., früher gesunder nnd angeblich niemals syphilitisch inficirter Arbeiter
klagt seit 3 Monaten über Schmerzen in den Armen, Beinen und im Leib, seit
6 Wochen besteht ausserdem rasch zunehmende Schwäche der Beine. Status:
Anämisches Aussehen, Himnerven normal, keine Muskelatropbieen, keine groben
Sensibilitätsstörungen, Kraft der Arme gering, Hautreflexe schwach, Knieph^omen
lebhaft,. Fussclonns, untere Extremitäten spastisch gelähmt, Urin frei von Eiweiss
und Zucker. Zuletzt Sphincterenbetheiligung und Cystitis. Exitus.
Bei der Untersuchung des Bückenmarks fand sich ebenfalls Degeneration der
Pyramidenvorder* und Seitenstrangbahnen, der Kleinhimseiten* und der Hinterstränge.
Auch in diesem Falle waren die vorderen nnd hinteren Wnheln, sowie die graue
Substanz uormal.
Die Degeneration der Hinterstränge beginnt im ersten Falle schon im Sacral*
mark, im zweiten im untersten Lendenmark und ist beide Mal bis in das Keragebiet
in der Medulla oblongata zu verfolgen. Die Pyramidenseitenstrangbahnen sind das
eine Mal vom Samalmark, das andere Mal vom untersten Lendenmark bis in die
Pyramidenkreuzung betroffen, und die Pyramidenvorderstraugbahnen sind in Fall 1 in
ihrer ganzen Ausdehnung, in Fall II hingegen nur in der Höhe des Brust* und
unteren Halsmarks verändert, während die Kleinhimseitenstrangbahnen in beiden
Fällen von ihrem Beginn bis in die Corpora restiformia degenerirt sind.
Die grosse Ausdehnung der Erkrankung, die scharfe Abgrenznug von der Um¬
gebung und die Symmetrie der Affection lassen diraelbe als eine systematische er¬
scheinen, und zwar handelt es sich um eine primäre Degeneration des Nerven- und
secnndäre Wucherung des Stützgewebes. Eine secnndäre Degeneration der langen
Bückenmarksbahnen, abhängig von einer primären Sclerose irgend eines Bückenmarks¬
abschnittes erscheint ausgeschlossen und ist die Vertheilung sowohl auf dem Quer¬
schnitt, wie in der .Längsausdehnung nicht mit dem Bilde einer Myelitis mit secnn-
dären Strangerkrankungen in Einklang zu bringen.
Gegen die Annahme einer Tabes sprach das Intactsein der hinteren Wurzeln
und der Lissauer’scben Randzoue. E. Asch (Frankfurt a./M.).
30) Le mdoaniame des mouTements röflexea. Un oas de oompreseion de
Is moöUe dorsale aweo abolition des rdflexes, par A. van Gebuchten.
(Journal de neurologie et d’bypnologie. 1897. 26. Juni.)
Ein 68jähriger, hereditär nicht belasteter Mann leidet seit 2 Jahren au Urin-
beschwerden, die in dem letzten Jahre sich wesentlich verstärkt und schliesslich znr
völligen Urinretention geführt haben. Dazu trat starke Verstopfhng und Yerlust der
geschlechtlichen Kraft. Es entwickelten sich Schmerzen im Bücken, Steifigkeit und
Ermüdung der unteren Extremitäten mit spastischem Gang, zuletzt eine schlaffe
liUmung der Beine. Die Sehnen* und Hantreflexe an denselben sind aufgehoben.
Die tactile Sensibilität ist intact, ebenso der Muskelsinn. Schmerzempfiudung und
Temperatursiun sind in der unteren KOrperhälfte hinauf .bis zum Domfortsatz dee
10. Brustwirbels herabgesetzt Die elektrische Erregbarkeit der Nerven nnd Muskeln
■ig :uoö Dy
Google
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u den Dstereo Sxtremit&ten ist normal. Die Diagnose wird auf Compression
dei DBtereo Tbeils des Brnstmarks gestellt. Im weiteren Verlauf l&sst sich
ein Wiederaoftreten der Patellar- und Plantarrefleze constatiren, am deutlichsten am
ncbtm Bein, während Cremaster*, Bauch-, Blasen- und Bectalreflex dauernd fehlen.
Ist die Diagnose richtig, so ist das Fehlen der vom Lumbosaciulmark abhängigen
Hut- and Sehnenreflexe beim Intactsein dieses Marktheils und der peripheren Nerven
b<uiffkeoawerth, sumal bei Zerstdmffg des Brustmarks eine beträchtliche Steigerung
disir Beflexe xn erwarten gewesen wäre.
Entgegen den Ergebnissen der experimentellen Arbeiten geht aus der Qesammt-
tat der klimschen Beobachtungen hervor, dass die vollständige Qoerschnittsläsion
dn carrieodorealen Bflckenmarks eine schlaffe Lähmung der unterhalb der Compressions-
^ ihre Innovation empfangenden Moskelo zur Folge hat, ohne dass die secnn-
fin Degeneration der Fjramidenbahn Muskelrigidität oder Contracturen bewirkt.
I Es k’>mDt ferner zur vbUigen dauernden Aufhebung der Patellarreflexe und der
ricnlen Befleze, sowie der oberflächlichen Bantreflexe, bisweilen mit Ausnahme
in Plutarreflexes. Dabei ist der Beflexbogen im Lnmbosacralmark intact. Es
exuürt in der Litterator kein Fall von völliger Querscbnittsläsion des Cervicodorsal-
Birks mit Erfaaltensein dieser Reflexe; die drei von Egger als solche angeführten
Fidle weist Verf. als nicht beweisend zorflck.
Aber auch eine einfache Compression des Cervicodorsalmarka ohne Degeneration
ier veiasen Stränge und ohne deutliche Seusibilitätsstörung kann die gleichen
tlaiecbsD Symptome darbieten, wie zwei von Kadner und Babinsky anatomisch
utgsDchte FäUe und eine Reibe klinischer Beobachtungen, wie die obige des Verf.,
ivthan. In anderen derartigen Fällen kommt es allerdings zur spastischen
Die bisher znr Erklärung der Aofhehung der Reflexe bei der cervicodbrsalen
C«;rtt8ioo d^ Bflckenmarks aufgestellten Tbeorieen sind nicht geeignet, alle Fälle
a trkliren. Der normale Hnskeltonus ist nur der Ausdruck des dauernden Er-
v<8ifBznstaade6 der motorischeu Vorderhomzellen, der wiederum von den benach-
knn mit den Zellen in Contact stehenden Nenronen beeinflnsst wird. Diese
SfwoM sind:
1- die Fasern der hinteren Wurzeln,
2. die eorticospinalen Pyramidenfasem,
3. die alnteigenden cerebelliMipiDalen Fasern,
A die vorwiegend ans dem Mittelhim stammenden Fasern des hinteren Längs-
Die hinteren Wnrzelfasem bringen den motorischen Zellen einen gewissen Grad
^ Envgni^, die Pyramidenfasem haben einen hemmenden Einfluss, die cerebello-
Fasern nnd das hintere Längsbflndel wirken offenbar eneigisch htimolirend.
^ dnreh alle diese Einflüsse bedingte nervöse Tonus stellt in seiner Uebertraguug
^ usaai den Hnskeltonns dar. Zum Anftreten des letzteren ist es nothwendig,
^ dar oenöse Tonns nicht unter ein bestimmtes Minimum herabsinke. Eine
dee nervösen Tonus kann sich wiederum nur zeigen, wenn der Mnskel-
^ imtff einer bestimmten Grenze bleibt Zum Zustandekommen einer Reflex-
oater normalen Bedingungen gehört ansser der anatomischen nnd functio-
^ Intsetheit des nervösen Reflexbogeos ein bestimmter Grad von nervösem Tonus
^ wotorischen Ganglienzellen. Eine Abschwächung des letzteren kann durch eine
paripfaerische Reizung paralysirt werdeu.
Dia Aufhebung einer Beflexbew^ng kann unter drei Bedingungen stattflinden:
1- Bai anatomischer oder fnnctioneller Unterbrechung an irgend einer Stelle des
Beflezbogens.
2. Bei d)norm starker Hemmnngswirknng auf die Vorderhomzellen, z. B. beim
D g : 7cd / G OOglC
186
3. Beim Herabsinken des nerrbsen Tonns der Vorderbornzelle unter ein be>
stimmtes Minimnm, so bei der Querschnittsl&sion des Cerricodorsalmarks und oft bei
einfacher Compression in diesem Abschnitt.
Ist die Hemmungswirkung der Hirnrinde allein aufgehoben, so kommt es m
Uuskelrigidität und Steigerung der Beflexe. Kommt es zugleich zur Unterbrecbaog
der cerebeliospinalen Fasern, so entwickelt sich eine schlaffe Lähmung der Muskeln
mit Abschwächung oder sogar Aufhebung aller‘entsprechenden Beflexe.
U. Bothmann (Berlin).
31) A Oase of purulent primary spinal leptomeningitis, b; Frank B. Fry,
H. D. (Journal of nervous and mental disease. VoL XXI7. 1897. S. 458.)
Nachdem der sonst gesunde 27jähr. Pat. angeblich einige Zeit an Forunkelo
der Bdckengegend gelitten hatte, entwickelte sich unter lebhaftem Fieber und sehr
heftigen Schmerzen eine von unten nach oben aufsteigende totale motorische und
sensible Lähmung des Körpers und der Extremitäten, während das Bewusstsein und
die HimnerTen völlig intact blieben. Der Tod erfolgte am 11. Tage durch Lähmung
der Bespirationsmuskeln.
Die Section ergab eine acute Leptomeningitis des Rückenmarks, ln dem eitrigen
Exsudat fanden sich bei bakteriologischer Untersuchung Staphylococcus pyogenes
albus und aureus, sowie Streptococcus pyogenes.
Die vorausgegangeqe Furunkulose blieb die einzige Erklärung der Infection.
Sommer (Allenberg).
32) Paröso • analgdsie des extrAmitAs infArieures aveo panaris analgöaiquea
ou maladie de Morvan. HAmlplAgie droite et paraplAgie infArieure,
par Bourneville. (Arch. de Neurol. Vol. I. 1896. Nr. 6.)
Die Hittheilung betrifft einen 21jähr. Pat. mit schwerer hereditärer Belastung.
Bei demselben waren im Alter von 2 Jahren Krämpfe aufgetreten, nach welchen
eine Lähmung der rechten oberen Extremität und der beiden unteren Extrenaitäten
zurückblieb. Später entwickelten sich die nach einer cerebralen Kinderlähmung ge*
wöhnlichen Erscheinungen als Atrophie, Contracturen u. s. w. an den gelähmten Seiten;
ausserdem blieb die intellectuelle Entwickelung sehr zurück. Dieser Pat. zeigte nun
noch die Erscheinungen der Morvan’schen Krankheit: typische sensible und tro*
phiscfae Störungen und Huskelatrophieen an den oberen i^tremitäten.
Der Yerf. nimmt als Grundlage der cerebralen Lähmung eine Meningomyelitis
an, welche in Sclerose ausging. Zu dieser cerebralen Lähmung hat sich dann später
die Morvan’sche Krankheit zngesellt. H. Weil (Stuttgart).
33) £in Fall von Solerodenuie erfolgreioh behandelt mit Extraotun
thyreoideae, von Leonhard Weber. (New Yorker med. Monatsschr. Bd. IX
1897. Nr. 10.)
33jähr. Frau, die mehrfach geboren hat, früher nie erblich krank war und ii
früheren Jahren nie an Bheumatismus gelitten hat, klagt seit 6 Monaten Über leichb
Schmerzen in den Knieen. Dieselben sind etwas geschwollen und zeigen die Er
Bcbeioungen einer leichten snbpatellaren Flüssigkeitsansammlnng. Vor etwa 3 Jahre
bemerkte sie, dass einzelne Stellen der Haut der rechten Seite des Halses, Nacken
nnd Armes hart und steif wurden, dass diese Partieen an Umfang Zunahmen, d
und dort confluirten nnd bretthart wurden. Seit iVg Jahren traten bandartige, aul
fallend weisse Streifen an der Beugeseite des Vorderarms dazu, welche narbenartl
her-vorr^end sich gegen das Hanc^elenk verlieren. Gebrauch der ExtremitI
seitdem behindert.
Google
187
Bei d» UDtorsochuQg erweist sich, dass es sich um Scierodermie haudelt, die
d«o rechten Arm, die rechte Schalter and die rechte Seite des Nackens and der
obwen Bmsthälfle ergriffen hat. Einzelne Finger etwas steif, debrauch^ des rechten
Arme im ganzen etwas gehindert. Anf Stirn, Kinn, Wangen und Unterlippe kleine,
TCHse, fflteig harte Plaques, in Folge deren das Gesicht etwas verbreitert cnd der
Assdroek etwas starr erscheint. Im Qbrigen normaler Befund. Zur Besserung von
glachieitig vorhandenen Halariasjmptomen wurde zunächst Chinin, gegen die rheu*
toiäschen Beschwerden Salol verabreicht. Beides blieb ebenso wie Arsen ohne Ein*
Sui auf die Hautaffection. Dagegen brachte etwa 7 Monate lang hindurch fort*
psetzter Gebrauch von Thjreoideatabletten völlige Heilung, die erst 6 Monate nach
AasBetzen des Mittels einem leichten Becidiv Platz machte, das auf Th;n^eoidea
verschwand. Ein auch später prophylaktisch angeordneter Gebrauch von
Sctilddrüsentabletten liess emente Efankheitserscbeinungen nicht auftreten.
Martin Bloch (Berlin).
Therapie.
U) Ein Beitrag sor Chirurgie des Büokenmsrka. Heilung einer durch
intradarslen halten Absoess bedingten Oompreesionslfthmung durch
Eröfinnng des Duralsackes nach Ijamineotomie, von Dr. Trapp. Aus
der ehirurg. Klinik in Greifswald. (Münchener medicin. Wochenschrift 1897.
Nr. 27.)
ln der intereesanten Krankengeschichte handelt es sich zunächst nm die Folge-
«ndtrinongeD einer Wirbelsäolenfractur in der Höhe des 6.— 8. Brustwirbels, welche
»b der 20jähr. Kranke durch einen Sturz auf das Gesäss zugezogen batte. Sofort
w^Gibbos nachweisbar, doch erst mit der allmählichen Yergrösserung desselben
bddne sich nach und nach eine zunehmende Schwäche der Beine in Form einer
iputiMhes Parese ohne Sensibilitätsstömng aus. Hierauf gründete sich die Diagnose
sns’ Eftckenmarkscompression, und zwar wurde eine im Anschluss an die Fractur
u^kretene, tnberculöse Caries angenommen. Nachdem die eingeleitete Extensions*
bAndlmg erhebliche Besserung im Gefolge hatte, trat ein plötzlicher Rückfall ein,
u dtt rieb allmählich eine progressive Yerschlimmerung des Zustandes anscbloss,
» dts mit fernerer Berücksichtigung abendlicher Temperatnrsteigernngen und von
Nadilstliweissen ein extraduraler, vom Knochen ausgehender kalter Äbscess angenommen
nrde. Die auch im Hinblick auf die noch erbaltenen Reflexe und die intacte
^(Kibilität indicirte und ausgeführte Operation bestand in der Eröfbung des Wirbel*
amh oad — da eich extradoral kein Herd fand — anch des Duralsackes. Auf
Eingriff hin entleerte sich dicker mit käsigen Bröckeln untermischter Eiter,
geeigneter Wundbehandlung, wobei unter anderen ohne Schaden für das Rücken*
Mri and die Leptomeningen Jodoformglycerin in Anwendung kam, besserte sich der
häioi allmählich, um schliesslich unter Extensiou in völlige Heilung überzugehen,
^ bri dem intradnralen Sitz des Eiterherdes mit Recht als bedeutsam hervor*
wird. Ein dauernd zu tragendes Gypscorsett dient zur nothwendigen Stütze
^ ScboDui^ der geschwächten Wirbelsäule. Der Yerf. hebt dann noch die dia*
CKriBche .Bedentong des plötzlichen Rückfalles mit daran anschliessender weiterer
Twsehlimmenu^ des Znstands als charakteristisch für den Durchbruch eines Eiter*
sei es mit intra* oder extradnralem Sitz, hervor. Dass in dem vorliegenden
FtU« keine allgemeine Meningitis spinalis eintrat, hierfür ist die Annahme einer
RtttfiBdliehen Abkapselung des Herdes gewiss ein Postulat
E.'Asch (Frankfurt a./M.).
■' Google
188
m. Aus den Gtosellsohaften.
Aerztlioher Verein in Hamburg.
Sitzung Tom 15. Juni 1897.
(Deutsche med. Wochenschr. 1897. Nr. 46.)
1. Krause spricht Ober tuberoulöse Spondylitis.
Diese beginnt fast stets an den WirbelkOrpem und zwar an den Stellen dee
Hauptknochenwacbsthums, d. h. am Uebergang des Lig. longitudinale anterius in die
vordere Fläche der Wirbelkörper und an der Grenze der Zwischenwirbelscbeiben und
der Körper. Ausgeprägt ist bei der tuberculösen Spondylitis sodann die Neigung,
in vielfachen Herden aufzutreten. Selten ist der Beginn in der Mitte eines Wirbel*
körpers ohne Zusammenhang mit dem Lig. longitudinale anterius oder einer Zwischen¬
wirbelscheibe. Die tuberculösen Granulationen zerfallen bei weiterem Fortschreiten
des Leidens eitrig, es entstehen prävertebrale Äbscesse, die Zwischenwirbelscheiben
werden zerstört, die nur hinten gestOtzte Wirbelsäule bricht nach vorne zusammen,
es resultirt ein Gibbns. — Selten entsteht dieser ohne Eiterung, wenn ein Zwischen¬
wirbelknorpel oder ein Wirbelkörper nur durch Qrannlationsmassen ersetzt wird. In
diesem Krankbeitsstadium wirken als neue schädliche Factoren die gegenseitige In-
fection der blossliegenden Knochen dnrch den tuberculösen Eiter und der Druck der
Wirbelkörper auf einauder. Das Calot’sche Bedressement wird in der Mehrzahl der
Fälle zur Correctur des Buckels genOgen, nur bei starkem, knöchernem Gallus soU
nach Calot eine keilförmige Besection der Wirbelsäule vorgenommeu werden, eine
Operation, der gegenüber sich Vortr. ablehnend verhält,-da das Leiden in diesen
Fällen meist ausgeheilt, ein so schwerer Eingriff daher nicht gerechtfertigt ist.
2. Hess: Demonstration eines Falles von rechtsseitiger Hemipl^e.
Bei dem jetzt 672 jährigen Knaben trat mit Jahre plötzlich rechtsseitige
Lähmung anf; Qesichtsbetbeiligung fraglich. — Das Bein besserte sich rasch, Pat
lernte mit 1 Jahr laufen. Zeitig besteht Verkfirznng und Abmagemng des rechten
Armes mit Beweglichkeilsbeschränkung und geringen Mnskelspasmen, an der rechter
Untereztremität Verkürzung (besonders am Unterschenkel), Atrophie nnd Steigermig
des Patellarreflezes. Sensibilität und elektrische Beaction intact. Undeutliche Sprache
geringe Idiotie. — Keine Aphasie-, keine epileptischen Krämpfe, keine choreatiechei
oder athetotischen Bew^nngen. — Normale Kopfmaasse.
Vortr. nimmt als wahrscheinlich eine mehr allgemeine Erkrankung des Cortea
etwa nach Art der Mikrogyrie an und neigt dazu, gröbere Narben, Cysten n. s. w
and Hydrocephalns anszuscbliessen. Die Prognose des Falles ist relativ günstig
doch können Complicationen (Epilepsie, Chorea, Äthetose) noch hinzntreten. -
R. Pfeiffer (Cassel).
Gesellschaft der Neurcpathclcgen und Irrenärzte su Heakau.
Sitzung vom 19. December 1897.
1. Dr. W. Semidaloff und Dr. W. Weydenhammer: Zur Frage über dai
Delirium acutum.
Nach vorangehender Uebersicht der letzten Arbeiten über das Delirium acotun
gehen die Antoren zur Beschreibung ihrer Fälle Über:
Erster Fall: Frau von 34 Jahren; in der Anamnese weder Lues'noch Abuaoi
spirit. Mitte October 1896 grosse motorische Unruhe, Bewusstseinstrübung, Hallu
ciuationeo. Von Mitte November aggraviren alle diese Erscheinungen, es könnei
Popillendifferenz und Fehlen der Patellarreflexe constatirt werden, reichliches Grimas
siren, Zockangen in verschiedenen Gebieten der Musknlatnr, hochgradiger KräfteverfaU
Vom December Erhöhung der Temperatur bis anf 38,5*^, halb willkürliche Qrimassei
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189
ia Oiaeht, Nahrangsyerweigerang; tod Mitte December adynamiscbe Phase der
I[iukb«it ah stark aasgesprochenen tropbiscben Stdrangen. Tod den 31. December.
Zveitsr Fall: Fran Ton 31 Jahren. Psychopathische Heredität Die letzte
Gebot dm 25. März 1896, stillte selbst Die fast jedes Jahr sich wiederholenden
Gebot« reiiiefen ohne Temperatnrerhdhnng, nach der letzten Geburt geringfügige
das sobjectiven Befindens. Den 3. Jnli Erhdhung der Temperator bis anf
3G,5*, Tom 6. Juli BewnsstseinstaHbang, Hallucinationen, starke motorische Unruhe.
Pspillndiffereni ond Abschwächni^ der Patellarrefiexe. Bis zum 11. Juli, wo der
Entos erfo^^te, bestand ausserdem noch hochgradiges Sinken in der Ernährung,
SikfD^vMweigenmg, halb willkfirliches Grimassiren ond unregelmässige hohe Tem-
^tcreo.
Nach eingehender Betrachtung dieser Fälle vom Standpunkte der klinischen
ErsebeiaiiBgan, scheiden die Autoren bestimmte Combinationen physischer und psy*
{ittcW %mptome bei Delirium acutum aus und ziehen damit die Grenzen von den
idvra Formen der Amnesie. Zur Unterscheidung des acuten Deliriums von den
^•>ppirnden Formen prc^ressiver Demenz bleiben sie bei der Betrachtung eines
THD SiD« genau untersuchten Falles galloppirender progressiver Paralyse stehen, bei
nicboi der Symptonoencomplex des acuten Delirinms die Symptome der Paralyse
tkkt Terviscbt batte, ln Bezug airf den Verlauf des acuten Deliriums werden von
iliND aoGh Fälle mit protrahirtem Verlauf zi^elassen, wie das auch im ersten der
Mkrisbenra föUe constaürt wäre.
Die Obduction des ersten Falles ei^b folgenden Befund: Dura mater normal,
h cer^inklis stark hyperämiscb, leicht ödematös; diffuse kleine Blutungen. Binde
M Qroesfaiins stark hyperämiscb, unterscheidet sich scharf von der darunter liegenden
viis« Substanz; dil^e punktförmige Hämorrh^ieen in der Binde, ln der Binde
in Stimvindungen (namentlich der 3.), in der Insul. Bheilii, in der 1. Schläfen-
^ in des Ceptralwindongen zerstreut liegende kleine encephalitische Inseln, welche
ad ein wenig in die darunter liegende weisse Substanz fortsetzen. Die mikrosko-
Untersuchung ergab das Bild einer subacuten hämorrhagischen Encephalitis,
nlde in den makroskopisch sichtbaren, oben angeffihrten Herden stärker aus-
fs^ben war.
ln nreiten Falle ist die mikroskopische Untersuchung nicht ausgefdhrt worden.
^ der aakroskopischen Betrachtung liess sich Folgendes coustatiren: starke Hyper-
öie der Binde ond der Pia cerebralis. Punktförmige Hämorrhagie im centralen
H^Uograa des 4. Ventrikels. Ungeachtet des Fehlens der mikroskopischen Unter-
:'9dBg, nehmen die Antoren auch in diesem- Falle an, dass es sich hier wahrsehein-
u eine acute hämorrhagische Encephalitis handelt, welche in Folge des raschen
der Erkrankong nicht Zeit gefunden hatte, sich durch deutliche anatomische
^atadernngen zn documentiren.
htdem die Antoren die • Besnltate ihrer Untersuchungen mit den Ergebnissen
^'tbetef Arbeiten vergleichen, kommen sie zur Ueberzengung, dass in der letzten
^ dank den sorgffiJtigen Untersuchungen das anatomische Substrat des acuten
sieh immer häufiger als eine acute hämorrhagische (Meningo-)Encephalitis
*^«*(die Fälle von Biauco und Picciniui, Popoff, Chmelewsky, Suchanoff);
B älteren Arbeiten ist ebenfalls in den meisten Fällen Encephalitis oder Meningo-
und häufiger die hämorrhagische Form gefunden worden. Fälle, wo bloss
Hjperämie der Binde oder sogar gar keine Veränderungen des Grosshims ge-
worden, ^d mikroskopisch nicht untersucht worden, haben folglich keine
Auf diese Weise halten es die Autoren ffir möglich, festznstellen, dass
^ vollständig klinisch bestimmten Symptomencomplex des Delirium acutum in
^ Alisa ms bestimmtes anatomisches Substrat und zwar die acute hämorrhagische
^^^balitis entspricht In Anbetracht dessen halten es die Autoren für möglich,
Ddiriom acutum als eine besondere selbständige Form mit bestimmtem anato-
•Kbm Substist auszuBcbsiden und betrachten das Delirium acutum als eine voll-
Dyt.. ./Google
190
kommen isolirte Unterart aus der umfangreicben Omppe der hämorrhagischen Snce-
pbalitiden, als eine ebenso isolirte Unterart, wie die Formen von Strümpell.
Wernicke, Poliencepbalitis inferior. In Anbetracht dessen, dass der Frocess banpt*
sächlich sich in der grauen Substanz des Gehirns — in der Binde — localisirt,
sind die Äntoren geneigt, das Delirium acntnm zur Gmppe der acnten Poliencepbali-
tiden zuzuzäblen. Eine vollkommen strenge Abgrenzung von den anderen Formen
der hämorrliBgiscben Encephalitis hat das Delirium acutum ebenso wie auch diese
letzteren nach der Meinung der Autoren nicht; es ist eine Beihe von Combinationen
und Debergängen zu den Formen Strümpell^ Wernicke und vice versa mi^Uch.
Der Yerlauf der Krankheit bei Delirium acutum kann ein acuter oder subacuter sein.
Im Allgemeinen lässt sich eine grosse Aehnlicbkeit des Verlaufs mit den übrigen
Formen der acuten hämorrhagischen Encephalitis constatiren. Der Unterschied hängt
von der Verschiedenheit der Localisation des Processes ab. — Die Äetiologie des
Delirium acutum kann nach Meinung der Autoren eine verschiedene sein; die Grund*
läge kaun, ebenso wie bei den anderen Formen der acnten Encephalitis, die Infection
und Intoxication (im allgemeinen Sinne) abgeben.
Discussion:
Dr. W. Muratoff: Die von den Autoren gefundenen Veränderungen sind so
wenig charakteristisch, dass bis jetzt noch kein Grund vorliegt, dieselben als eine
besondere Gruppe der Encephalitiden aofzufassen.
Dr. G. Bossolimo erwähnt, indem er sich mit den Schlüssen der Autoren ein¬
verstanden erklärt, eines Falles von Delirium acutum, bei dem die Section einen
acut hämorrhagischen encephalitischen Herd im Gebiete einer Centralwindung ergab;
die Ausdehnung des Herdes und der Blutnngen müssen von den Besonderheiten des
ergriffenen Abschnittes des Blutgefösssystems abbängen.
Dr. W. Serbskj hält die strenge Durchführung einer Grenze zwischen Ämentia
nnd Delirium acutnm für nicht mügUch.
2. Dr. N. Solowzeff: Ueber Uissgestaltungeii des GroashimB im Zu¬
sammenhang mit spinalen Veränderungen.
Tortr. hatte Gelegenheit, im anatomischen Theater des Moskauer Findelhauses
drei Kinder mit nnentwickeltem Grosshirn zn seciren; von denselben lebte eines
60 Tage, die beiden anderen bis zu 6 Tagen. In allen diesen drei Fällen eigab
die Section in der Schädelböhle nur das Kleinhirn and den Himstamm mit disfor-
mirten Corpora qnadrigemina und Thalamus opticus, welche mit der Hirnhaut bedeckt
waren, vom Grosshim jedoch war bloss ein formloser kleiner Auswuchs zu sehen.
Die mikroskopische Untersuchung zeigte vollkommenes Fehlen der Pyramidenbabnen
in ihrer ganzen Ausdehnung. Die Untersuchung der BQckenmarkszellen nach Niasl
(nach vorbergegangener Formolhärtuug) zeigte interessante Resultate. Während die
Zellen der Hinterhümer nnd der Intervertebralganglien, keine Abweichung von der
Norm anfwiesen, bestanden die Zellen der Vorderhömer baoptsäcblich aus einem
grossen Kern, welcher von einem bald schmäleren, bald breiteren achromatinen Netz
von grobem Maschenwerk umgeben war, in dem nicht selten sich Vacuolen vorfanden.
Chromatophile Körner fehlen gänzlich, obgleich die ebromatopfaUe Snbstanz angen-
scheinlich in der Zelle enthalten ist, aber in diffusem 'Zustande. Parallele Unter¬
suchungen von nnaosgetragenen Kindern eigaben grosse Aehnlicbkeit der Vorderhorn-
zellen in beiden Fällen: die chromatophilen Körner erscheinen erst im 7. Monat des
intrauterinen Lebens. Ans diesem Umstande hält der Yortr. die Zellen in den drei
beschriebenen Fällen als steheugeblieben in ihrer Entwickelung nnd siebt den Grund
in der Abwesenheit der Pyramidenbahnen, welche die Vorderhomiellen tonisiren. Bei
normalen Embryonen wachsen die Fasern der Pyramidenzellen der Hirnrinde bis an
die motorischen Zellen der Torderhömer des Bückenmarks ungefähr im 7. Monat
heran, nnd von dieser Zeit an beginnt die endliche Formimng dieser Zellen.
Google
101
Der Yortng wurde begleitet von Demonstration makro« and mikroskopiscber
Pn{)tRte.
io der durch den Vortrag hervoi^ernfenen Debatte nahmen die Herren Drr. Kor«
aiUff, Moratoff, Kosbewnikoff und Pribytkoff Theil.
3. Dr. K. M. Wersiloff: Myelitis oentralis acuta ascendens (mit Demon*
nnuoo von Präparaten).
Der 29 Jahre alte Kranke trat in die Klinik fQr Nervenkrankheiten (24. Nov.
1895) mit den Erecbeinnngen einer vollständigen Paralyse der linken und Parese der
rKkUn Hand, von Schwäche der Halsmuskeln, geringgradiger Sprach« und Schluck«
^tsnokra ein; degenerative Atrophie der paralysirten Muskeln nnd dissociirte Än-
uitsu des linken Arms und der linken KCrperhälfte. Diese Erscheinungen ent«
rtckelMi sieb acut ohne Temperatursteigerung in wenigen Stunden im Juli 1895.
li der Klinik langsame Besserung, aber Ende Januar 1896 allgemeine Schwäche,
dtruf Parese des linken Beins, bald darauf Erschwerung des Athmens und Schluckens,
lahif März vollkommene Unbeweglichkeit der Augäpfel; 14. März 1896 Exitus
Die Temperatur erhielt sich während dieser ganzen Zeit normal.
Die anatomische Untersuchung ergab einen entzündlichen Process im oberen
Abacbsitt des Rückenmarks bis zum 3. Dorsalsegmeni Ergriffen erscheint haupt«
^lilkb die vordere Hälfte des Bückenmarks: die Vorder« und Seitenhömer und die
Snikibtedel der Vorder- und Seitenstränge; zur Peripherie des Rückenmarks ver-
’nm sieb die Veränderungen. Die Zellen der Vorder- und Seitenhömer stark
Hyperämie und Infiltration der Gefässe der grauen Substanz. Im Hirn«
!=’iaB ist der Process um die Ventrikel herum loc-alisirt und hat die Kerne der
Snaerren (UI, IV, VI, X u. s. w.) ergriffen. Degenerirt sind (an Marchi-Prä-
die Corpora restiformia bis zum Wurm, die Fortsetzung der Orundbündel
^ Vorder« und Seitenstränge bis zu dem Thalam. optic., die Gowers’schen Bündel
-■i niffl Pons Varoli.
Der i^ze Process muss als ein entzündlicher aufgefasst werden; das ist eine
Hjtüds, welche im gegebenen Falle einen ascendirenden Verlauf genommen hat und
ipiier das Bild einer Encephalitis zeigt. Der Bückenmarksprocess, der älteren Ur«
ist, bat degenerative Veränderungen im Hirastamm hervorgerufen.
Dm anatomische und klinische Bild gegen einander haltend, kann man annehmen,
^ « äch hier um denselben Process handelt, wie bei der Poliencephalitis, nur
i‘i a^r Vertheilung der entzündlichen Herde, um einen Process, welcher dennoch
^ rvwissee ^stem und gewisse Begularität zeigt.
Discussion:
Prof. Roth ist der Meinung, dass im gegebenen Falle die Bezeichnung acut
^ Gorrect sei, vielmehr ist das ein subacuter Process. Was die Anästhesie
so könnte sie auch peripheren Ursprangs sein.
Dr.Rossolimo und Dr. Orlowsky nehmen au, dass die Localisation der Er«
biihQqr im gegebeuen Falle abhängig gemacht werden könnte von der Verbreitung
<s PrricsgaM längs bestimmten arteriellen Systemen.
An der Discussion nahmen ausserdem Theil: Kosbewnikoff, Mnrawjeff,
•''bjtkoff und Moratoff.
IV. Vermisohtes.
Zorn sohwelzerlselieii Irrengesetz.
la Bd. XXVIII des Archivs för Paychiatrie und der Monatseebrift für Psyohiatrie und
Bd. II. H. 2 findet sich der Abdruck „der Grundsätze für ein Bundesgesetz zum
der QcUteskraoken“, die vom Verein Schweizerischer Irrenärzte aufgestellt wurden.
iet Verein sich jedoch überzeugte, dass einstweilen ein Bondesgesetz zum Schatze der
*>nSeikiiakeQ nicht zn erlangen sei, beschloss er, eine interkantonale Vereinbamng anzo*
Google
192
Btreb«D. Die Änregang ward« güDstig aüfgeDommen und an der Conferenz, die auf den
5. März 1897 einbemfen wnrde, nahmen Vertreter fast aller dentsch-BchwelzerUchen Kantone
Tbeil. Die Gmndzüge fanden Zoatimmang nnd eine aoB den Theilnehmem der Conferenx
erwählte, ans Abgeordneten der Regiemn^n nnd des Vereins der Sohweizerischen Irrenärzte
bestehende Commission nahm folgende Vereinbarung an, die jenen EantonMi nnn znr Be-
rathnng Überwiesen wnrde:
Vereinbarung sum Sohutae der Oeisteskranlcen.
Art 1. Die vertragschliessenden Kantone bestellen znm Schutze nnd zur Beauf¬
sichtigung der Oeisteskranken ein fachmännisch gebildetes und erfahrenes Inspeotorat, welehem
ein Seeretär znr Verfügung beig^eben wird.
Art. 2. Diese Beanfsichtignng durch ein Inspectorat erstreckt sich auf sämmükdto
Geisteskranke, die
a) in öffentiichen oder privaten Anstalten verflegt werden.
b) ans solchen Anstalten als nicht geheilt entlassen und desshalb der privaten Pflege
überlassen werden,
c) bevogtet sind oder öffentlich unterstützt werden,
d) sie von sich aus begehren.
Art. 3. Die kantonalen Behörden sorgen dafür, dass dem InspMtor die Namen und
der Aufenthalt aller im Kanton befindlichen, in Art 2 litt, a—d angerahrten Geisteskranken
mitgetheilt werden.
Art. 4. Der Inspector wird von den vertragschliessenden Kantonen ernannt und hat
sich ansschliesslich der ihm übertragenen Aufgabe zu widmen,
Art 6. Seine Wahl, die Festsetzung seiner Besoldung und der des Seoretärs. sowie
der Erlass eines Reglements erfolgen durch eine Delegation der vertragschliessenden Kantone,
wozu jeder derselben zwei Mitglieder abordnet.
Art. 6. Die Besoldungen und die übrigen Kosten des Inspectorats werden im Ver«
hältnisB ihrer Bevölkerungszahl auf die einzelnen Kantone- vertheilt.
Art 7. Für die Be^tachtung der in Betracht kommenden rechtlichen Verhältnisse
bezeichnet jeder Kanton eine bestehende Amtsstelle, an die sich der Inspector im gegebenen
Falle zu wenden hat.
Art. 8. Dem Inspector liegt ob:
1. Die in den vertragschliessenden Kantonen befindlichen Irrenanstalten, sowie die in
Art. 2 litt b —d genannte Kranken mindestens in den vom Reglement festzasetzenden
Zeiträumen zu besuchen und Ober seinen jeweiligen Befund an me betreffende Kantons¬
regierung Bericht zu erstatten. *
2. Alle von Geisteskranken oder von dritter Seite an ihn gelangenden Beschwerden,
namentlich auch solche über Verpflegung und Behandlung, zu prüfen und zu Händen dei
betreffenden ^ntonsregierung seine Anträge zu stellen. — Der endgültige Entscheid bldbl
in allen Fällen den kantonalen Behörden Vorbehalten, deren Competenzen durch die gegen
wärtige Vereinbarung in keiner Weise berührt werden.
8. Der Inspector erstattet jährlich über seine Thätigkeit den vertiagschBeasendei
Regierungen einen einlässlichen Bericht
Art. 9. Die bisherige unmittelbare An&ioht Ober die Geisteskranken dnroh dl<
Regiemngsorgane und die Aufsichtscommissionen, sowie ^e kantonalen gesetzlichen Bestim
mnngen über Organisation und Verwaltung der Irrenanstalten werden durch diese Verein
bamng in keiner Weise berührt.
Diese Vereinbarung wird in Kraft treten, nachdem sie von den betheiligten Kantonei
angenommen worden ist.
Die Commission hat den kantonalen Regiprungen den Beitritt zn der Vereinbarunj
unter ausführlicher Begründung empfohlen. H. Wille (Basel).
' V, Beriohtlguiig.
S. 119, Zeile 22 von oben, lies: Merck’sche statt Marchi’scbe.
Um Einsendung von Separatabdrücken an. den Herausgeber wird gebeten.
Einsendungen für die Bedoction sind zn richten an Prof. Dr.E. Mendel,
Berlin, NW. Sohiffbanerdamm 20.
Verlag von Vbt & Comp, in Leipzig. — Druck von HaTzena & Wirme in Leipzig.
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1. März.
Nr. 5.
* t OrifiMliiHtheltmien. 1. Ueber IjOcaUsation innerhalb des äusseren Knieg^nglions,
iS L HtmdtM. 2. Die partielle Kreuzung der Sehnerven in dem Chiasma höherer
kiere, von Prof. W. v. Bechterew in St. Petersburg. 3. Ein Fall von Hirngeschwolst
Enken motorischen Sphäre, linkseitiger Lähmung, Abwesenheit der Pjramidenkreazang.
Dr. PUlip Zenner. 4. Von der Bedeutung der Associationsoentren von Flechsig zur
sdmng der Entwickelung des Geistes, der Sprache, der Psychologie der Sprache, wie
der Lehre von der Sprachlosigkeit, von Dr. W. Otuszewtkl. (Schluss.)
I * 1. Rclerala. Anatomie. 1. Quergestreifte und längsgestreifte Muskeln, von Scbullz.—
' UBeriaentelle Physiologie. 2. Di nn riflesso papilläre di origine anrioolare, per
IwA. — Pathologische Anatomie. 8. Contributo sperimentale alla conosceuza delF
Mifed del rammoTlimento cerebrale iscbemico, per Bnizzettl. 4. Rhckeoroarksbefonde bei
I AfaitimoreD, von Urtln. 5. Ulteriori ricerche istologicbe solle alteruzloni luetiche delle
' Mae eerebrali, per Btanziaie. 6. Zur Eenutuiss der Meningocele spuria (Billroth’scheu
lahUwit) in nenropatbischer Hinsicht, von Baysrthal. — Pathologie des Nerven-
>JBtm& 7. Sensory aphasia with sector-shaped bomonymous defect of the field of Vision:
* n localisatioD, by Thomson. 8. Un cas de surdite verbale pnre terminöe par apbasie
■■■mUs sdvi d'antopsie, par Ddjorino et Sdrienx. 9. Ueber gewisse, den aphasisehen
yjmi Stänrngen des mnsikaliscben Ansdmcksvermögens, von Knsusr. 10. Beitrag zur
Mm dw amnestischeD Sprachstörungen, nebst Bemerkungen fiber SprachstSrnogen bei
von BIsehoB. 11. Fall af afosi samt emboli af arteria mesenterioa soperior, af
yM i 12. A hangköprö körpontok körtana (Pathologie der Laut bildenden Centren, von
MdL n Du mntisme chez Tenfant qui entend, par Boysr. 14. Observation d’apbasie
MjttMin pendant trente*hait ans, par Brunst. 15. Tronbles motears pröcddant l’articn-
Ma de la parole eben uo dägdndrd, par Planat. 16. Hysterical mutism and other fonctional
!^^defeets, by Bastian. 17. Hemianopsia, with especial reference to its transcent varieties,
IvlMi. 18. Ueber doppelseitige homonyme Hemianopsie and ihre begleitenden Symptome,
' Mft iHirmaBn. 19. Om Hemianopd, af Melsilng. 20. Et TieflUde af bitemporale hemi*
. gpwk s Skotomer, af Pontoppldan. 21. Contribnto clinico ed anatomico allo stndio del
dMMo del cervello umano, per Blannl. 22. Snlla fisiopatologia dei lobi prefrontali del
R iiaai. 23. Beitrag zur Eenntniss der Stirnhimerkrankaiuen, von Voeyelo.
leo im Gebiete der Yarolsbrücke, von Borowikow. 25. Fonr cases of cere-
I autopsy) with reference to cerebellar hereditary atazia, by Spiller, 26. Un
tminenz da cervelet (symptomes de compression et phönomenes ballucina*
I et Antheaume. 27. Contribnto allo studio della ependimite acuta, per
isuistische Mittheilungen aus dem Gebiet der Neuropathologie, von Dinklar,
en der Gehirnblutung, von Pascheios. SO. Plötzlich tödtlicbe Gehimblntung
m Knaben, von Jelllnik. 31. Hemiplegie in a yonng ebitd, by Abrahams.
des Whrgreflexes, der Sprache und der Deglntition bei Hemiplegie, von
eher das Yerbalton der Sehnenreflexe and der passiven Beweglichkeit bei
Kritisches ^mmelreferat von Mann. 84. I movimenti aoxiliari degli emi'
ta alla patogeneai ed alla prognosi delle contrattore, per Glutardlecl.
lonleuTB prdbemiplögiqnes, par fM. — Psychiatrie. 36. Ein Fall von
Irresein mit r&ckschreitender Amnesie, von Sander. 87. Note sur uo cas
riable, par Fird. 38. Relazione su dne casi di obimrgia cerebrale per
mtali, per Crospi. —* Therapie. 39. Zar Behandlung der Hemiplegie, von
. Ue^r das Brisement des snckels nach Calot, von Lorenz.
Gosotlschaftsn. Finska Läkaresällskap.
tsa. Yerein der dentschen Irrenärzte.
oyGOOgIC
194
I. Originalmittheilangen.
1. TJeber Localisation
4 _
innerhalb des äusseren Knieganglions/
Von S. E. Hensohen.
Unsere Kenntnisse über die physiologischen Vorgänge and specieU über die
Localisation in den Hirnganglien sind überhanpt recht dürftig. Indes ist
ihre feinere Structar durch die Forschungen des letzten Decenniums bedeutend
erweitert und der Zusammenhang der Nerrenfasern mit den GangUenzellen in
ein klareres licht gestellt So z. B. wissen wir. dass ein^ Ganglien, welche
in den yerwhiedenen Sinnesbahnen eingescboben sind, die Sinneseindrücke
nur in eine gewisse Richtung hin leiten, obschon die Nervenfasern,
welche den Sinneseindruck vermitteln, in diesen Ganglien unterbrochen sind;
dass andere Ganglien Reflexe vermitteln, ist auch unzweifelhaft Aber ob in
diesen Ganglien eine genauere Localisation hinsichtlich der Verbreitung der
peripheren Sinnesnerveu stattfindet, so dass auch in den Ganglien eine
Frojection vorhanden sei, darüber sind unsere Kenntnisse noch sehr mangel¬
haft Und überhaupt scheinen die Aussichten, hierhergehörende Fragen zu lösen,
sehr gering zu sein. Betreffs der Ganglien der Geruchs- und Geschmaoksbahnen
und der Gehöiganglien, sowie auch hinsichtlich der in die EmpfindungsbahQ
eingeschobenen Himganglien, sind die Aussichten besonders trübe.
Etwas lichter gestaltet sich die Sache betreC& der Ganglien der Sehbahn.
Die anatomische L{^e dieser Bahn ist besser bekannt, die Bahn ist kürzer und
der Schlusspunkt sowohl zur L^e wie Ausdehnung wenigstens meiner Meinung
nach mit grösster Sicherheit erkannt, und endlich können Störungen in dieser
Bahn bei dem Lebenden mit grösster Schärfe diagnosticirt werden.
In Folge dieser Momente kann man auch hoffen, dass wir bei eventuellen
Störungen der in dieser Bahn'eingeschobenen Ganglien zu einer tieferen Kennt-
niss der in denselben abspielenden physiologischen Vorgänge eindringen werden.
Aber nur durch die eombinirte, bei Lebzeiten vorgenommene klinische und die
spätere pathologische Untersuchung werden wir dieses Ziel erreichen.
Ein Beitrag in diese Richtung hin, betreffs der Sehbahn, erlaube ich mir
hiermit mitzutheilen. Indessen wird es dabei nothwendig, zuerst eine Uebersicbt
unserer g^nwärtigen Kenntnisse einiger Punkte betreffs dieser Bahn voraus-
zuscbicken.
Die optische Bahn (die Sehbahn), welche in der Retina anfängt und in
der Rinde des Occipitallappens, bezw. Fissura calcarina endet, besteht wesentlich
^ Vortrag, gehalten anf dem XII. mediciniBcben Congress za Hoskaa 1897.
. Google
195
ins zvei NeoroDen^ von denen das frontale sich von den Betinaganglienzellen
US bis in das Corpus genicolatum, wo sich dieses Neuron verästelt, erstreckt;
das occifätale geht von den Eni^nglienzellen aus und endet mit seinen Arbores-
eeiizeo in der Kinde der Fissura calcarina. Das Enieganglion unterbricht also
die CoDtüiuität der Bahn; hier wird der Seheindruck durch den Contact der
Moalnerven mit den Ganglienzellen in den occipitalen Abschnitt übergeführt
Wie diese Vermittelung stattfindet darfiber eiistiren nur Hypothesen, von
deoeii die von v. Monaxow aofgestellte die am allgemeinsten anerkannte ist
Was nun den frontalen Abschnitt der Sehbabn betriflt so kann man
die Lagerung der Bändel vom Auge aus recht gut verfolgen. Wie ich in
KDOD Werke: „Klinische und anatomische Beiträge zur Pathologie des Gehirns'*
<tn.iLlILTh.), näher nachgewiesen habe, li^en hier die Bündel im allgemeinen
Rg. 1. Frontalaclmitt durch das Cbiasma. l s links, r = rechts, kr ^ gekreaites
Bändel, KAib' = aogekrenxtes BBndel (beide degenerirt).
b'joiolog mit den Elementen in der Retina. Die Beweise für diesen Satz sind
BKfarlactL Man war im Stande, die Lage des macnlaren Bändels genau ana-
iM&iKh zu verfolgen; so konnte man auch in geeigneten Fällen die Lage der
?^h^Qzten und ungekrenzten Bündel bestimmen. Auch klinisch-anatomische
Beobachtungen, wie in einem Falle von Mabohand, einem von Nabbib, einem
^ mir, eiistiren, welche alle miteinander darin übereinstimmen, dass der
^.2. Frootalscbiutt durch das Corpus genicul. extemum {Cge) dextram.
W s WaBRious Feld, D ^ Denuerirtes Feld, Og = ^ste, T « Temporale
Blöde, H>= Gyros bippocai^i, SS Sehstrabluog, ES^ Hauhenstranlang,
■Ve M Nueleos caudatue, Fl = Fascicul. loogitod., t' » Solcus temp. prim.
•icaile Quadrant der Retina durch das dorsale Buudel des Sehnerven und des
Tiaetus innervirt wird, nnd der ventrale durch das ventrale.
Endlich ist Prof. Fick durch seine interessanten physiologischen Versuche
m demselben Resultat gelangt.
18*
n.GoogK;
196
Die L^e der Bändel im frontalen Abschnitt der Sehbahn ist also genügend
festgestellt.
Was dann den occipitalen Abschnitt betrifft, so haben wir die corticale
Fläche und die parieto-occipitale Bahn jede für sich zu betrachten.
Die corticale Sehfläche beschränkt sich auf die Lippen der Fissnra
calcarina. Hier entspricht die dorsale Lippe den dorsalen Retinalquadranten
beider Äugen, wie der interessante Fall Hux zeigt. Das stimmt auch mit
meinen eigenen Beobachtungen (s. mein Werk. I. Tbeil). Hinsichtlich der
unteren Lippe existirten bisher nur wenig beweiskräftige Beobachtungen, aber
unser werther College aus Mexico, Dr. Lavista, hat im Congresse zu Rom einen
Fall Ton Abscess im Kleinhirn mitgetheilt, wo eine Quadranten-Hemianopsie
nach oben beobachtet wurde.
Zwar deutet Herr Lavista den Fall als einen Beweis für die Existenz
eines Sehcentrums im Kleinhirn, aber es dürfte richtiger sein, anzunehmen.
dass der Abscess auf das Sehcentrum im Occipitallappen eingewirkt hat, und
zwar vorzugsweise auf den ventralen Abschnitt des Sehcentnims. So gedeutet
wird der Fall ein werthvoller Beitrag zur Eenntniss der Anordnung der Fläche
im Sehcentrum.
Dntersucbt man den von Herrn Sachs neulich veröffentlichten, aus ana¬
tomischem Gesichtspunkte sehr complicirten FoEssTEB’schen Fall von bilateraler
Hemianopsie, so bestätigt auch dieser Fall, sowie ich sehen kann, meine Ansicht
über die Projection des Gesichtsfeldes im Sehcentrum.
Endlich werde ich in der zusammengesetzten neurologisch-chirurgischen
Section einen interessanten Fall mittheilen, wo eine Kugel aus dem dorsalen
Abschnitte des occipitalen Lappens herausgenommen wurde, und wo die Aus
messui^en des Gesichtsfeldes eine ventrale Quadranten-Hemianopsie zeigten,
d. h., dass der dorsale Abschnitt des occipitalen Lappens dem oberen Ketinal-
quadranten entspricht.
Betreffend die parieto-occipitale Bahn sind die Beweise hinsichtlich der
Google
197
Lagerang der Bändel sehr spärlich und schwach, aber zwei nicht zur Seotion
gänaunene fMe, nämlich eine von Bbuns mitgetheilte Beobachtung, wo nach
dnem Trauma von oben auf dem einen parietalen Lappen eine Quadranten*
Hemianopsia nach unten entstand, und ein neulich im Neorologiscben Central*
blatte mitgetheüter Fall, wo eine analoge, aber bilaterale Läsion mit Hemi*
aoopsia borizontalis nach unten entstand, scheinen, wie auch ein ron mir mit*
gethdlter Fall, zu beweisen, dass das dorsale Bändel der occipitalen Bahn dorsal
liegt, und das ventrale ventral.
FKsen wir diese Beobachtungen zusammen, so liegen also Beweise vor,
dass das Bändel des dorsalen Quadranten der Retina sowohl in der frontalen,
lie in der parietoK»ccipitalen Bahn dorsal li^ft, und dasjenige des ventralen
Qoalniiten ventraL . Die Lagerung der Elemente sind also hinsichtlich der
^erticalen Lage in der Retina und im corticalen Sehcentrum übereinstimmend.
Xan könnte unter solchen Umständen vermnthen, dass eine analoge An¬
ordnung auch im äusseren Kniehöcker existire, aber bisher fehlte jeder
Berns dafür. Ich bin jetzt in der L^e einen solchen klinisch - anatomischen
Bereis zu bringen, wo eine im Eniekörper begrenzte Läsion eine Quadranten-
HoniaDöpsie hervorrief, und zwar während längerer Zeit Der Fall dürfte um
» flbmeagender wirken, da er erst von dem bekannten Specialisten Dr. Wui-
saixn in Hambui^ beim Lebenden beobachtet und das Gehirn dann von mir
tBatomisch untersucht wurde.
Der Fall ist folgender:
Eine oljähr. Fran fühlte sich, nachdem sie vorher ganz gesund gewesen,
pi'liUlicb schwindelig and bekam eine Apoplexie mit Hemiplegie und Anästhesie
m der linken Seite. Am 9./VI. 1889 wurde von Dr. Wilbrand eine links-
seihge rollständige Hemianopsie nacbgewiesen, und zwar mit concentriscber
Tätigung der rechten Hälfte des Gesichtsfeldes. Am 20./X. 1889 fand sich
oar noch eine Hemianopsie des unteren Unken Quadranten vor. Am 8./IIL 1890
rorde im Ganzen dieselbe Quadranten-Hemianopsie bestätigt, und endlich wurde
noch 6 Wochen vor dem Tode der Patientin im März 1893 derselbe Sehdefect
ec^iststirt, aber der Zustand der Patientin erlaubte nicht mehr eine Aufnahme
flaer Perimeterkarte. Sie starb Ende April 1893. Bei der Section wurde eine
MoKMThagische Cyste im occipitalen Abschnitt des Thalamus und des Fulvinars
iDgetroffen, welche bis zur oberen Grenze des Eniekörpers herrordrang und so-
^ den Tractus, wie die occipitale Sehhahn intact gelassen, aber die dorsale
Hälfte des Eniekörpers zerstört hatte. '
leb schliesse ans diesem Falle:
1. Dass der dorsale Abschnitt des Eniekörpers dem dqrsalen Quadranten
ier Retina entspricht Hierdurch wird also eine Lücke in der von mir schon
ausgesprochenen Ansicht über die Lagerung der Bündel in der Sehbahn
vttl die Anordnung des Sehcentnims in erfreuUcher Weise gefüUt Die vielen
soander ergänzenden Beobachtungen geben eine genügende Festigkeit der 'Hieorie
^ die Anordnung der intracerebralen Sebbahn.
: .Google
198
2. Weiter ist man berechtigt, anzunebmen, dass das afficirte Gebiet des
Eniehöckers die beiden Retinahälften innervirt, denn die Quadrant-
Hemianopsie war immer lateral — eine Ansicht, welche ich schon früher mit
Stütze anatomischer Untersuchungen vertbeidigt habe (Pathologie des Gehirns.
Theil 1). Also mischen sich im oberen Abschnitte des Eniehöckers die Fasern
der beiden oberen Retinahälften, und wahrscheinlich gilt dies auch för jedes
kleinere Gebiet des Kniehöckers; aber bis zum Eniehöcker verlaufen die Bündel
der beiden Augen, wie ich nachgewiesen habe, völlig getrennt.
3. Diese Quadrant-Hemianopsie war während mehrerer Jahre im Ganzen
unverändert, nachdem erst die indirecte Wirkung der Blutung verschwunden
war. Es können also die dorsalen und ventralen Hälften des Kniekörpers einander
nicht vertreten. Es giebt also eine constante Localisation im Kniehöcker.
Dieser Schluss steht mit anderen klinischen Thatsacben, welche ich in
meiner Klinik beobachtet habe, in vollständiger Uebereinstimmung. Ich habe
nämlich drei mit dem eben beschriebenen Fall ganz analoge Fälle von Quadrant-
Hemianopsie beobachtet, in welchen aller Wahrscheinlichkeit nach die Läsion
den dorsalen Abschnitt des äusseren Kniekörpers getroffen hat, und in welchen
eine ganz constante Quadrant-Hemianopsie (in einem Falle selbst während
mehrerer Jahre) vorhanden war.
4. Wie man durch die anatomische Untersuchung weiss, enden die aus den
Retinaganglienzellen herstammenden Nervenfasern in dem Eniehöcker böndel-
fonnig; es liegt dann nahe, anzunehmen, dass auch jede solche Nervenfaser
mit mehreren Ganglienzellen in physiologischer Verbindung stehe, und dass also
beim Ausfall der Function einiger von den Retinalfasem ihre Function durch
andere vertreten werden könne, und dass also auch beim Functionsausfall der
dorsalen Hälfte des Ganglions die ventrale die Function übernehmen könne.
Eine solche Annahme scheint in der That der v. MoNAKow’schen Theorie
über. den Bau des Knieganglions und der occipitalen Sehbahn zu Grunde zu
liegen. Er nimmt auch mit Vialet an, dass ein solches Suppliren der ver-
scÜedenen Gebiete des Sehcentrums stattfinde.
Schon früher habe ich im Congresse zu Rom dagegen mit Stütze
anderer Thatsacben opponirt. Hier b^egnen wir neuen klinisch-anatomischen
Thatsacben, welche mit einer solchen Ansicht in schroffem Gegensatz stehen.
Wie schön auch die Lehre von dem Austausch und der Supplimng der ver>
schiedenen Gebiete im Enieganglion sein möchte, so wird diese Lehre doch von
den Thatsacben widerlegt. Auch sprechen die Degenerationen in dem angeführten
Falle gegen eine solche Deutung der Thatsacben. Es' waren die ventralen
Bündel der occipitalen Bahn verbältnissmässig erhalten, die dorsalen degenerirt.
Alle diese Thätsachen deuten auf eine Frojeotion der Retina in dem Seh¬
centrum — eine auch früher von mir vertheidigte Theorie.
5. Durch die neueren Untersuchungen ist es festgestellt, dass in den Ganglien
jede Nervenfaser durch ihre Endbäumchen mit mehreren Ganglienzellen in
OontMt tritt Es scheint also auch, als ob der Nervenstrom nach allen Seiten
bin gleichförmig ausstrahlen könnte und, wie sich auch y. Monakow betreff
Google
199
des Knieböckers vorstellt> eine GesicbtsempfinduDg sich auch in vielen Bahnen
fis^tflanaen könDte, aber der oben beschriebene Fall beweist, dass die Ver>
Imdiuig der Endhäomchen mit den Ganglienzellen eine sehr begrenzte ist In
der That spricht die Constanz selbst der kleinen Scotome intracerebralen
UispniDgs dafür, dass die Nervenleitung nur in eine gewisse Richtung nach
dem Sebcentrum hin fortgeleitet wird.
Welche pbjsiole^schen Bedingungen dabei vorhanden sind, wird weiteren
Forschangen Vorbehalten sein.
2. Die partielle Kreuzung der Sehnerven in dem Chiasma
höherer Säugethiere.
Von Prof. W. v. Bechterew in St. Petersburg.
Ob die Kreuzung der Sehnerven im Chiasma eine vollständige oder nur
dse theilweise sei, ist eine Frage, die noch bis in die allerletzte Zeit hinein
auf der Tagesordnung der neurolc^chen Discussion angetroffen wird. Während
oie Mehrzahl der Forscher, gestützt auf anatomische und klinische Thatsachen,
die Annahm e einer incompletten Kreuzung für die höheren Säugethiere und den
Menschen mit Entschiedenheit aufrecht erhält, bat sich noch ganz unlängst eine
eiste Autorität aof anatomischem Gebiete, Eöllikeb, gelegentlich des Anatomen-
congre^es in Berlin und in der neuesten Ausgabe seines Handbuches der
Gewebelehre mit aller Bestimmtheit für eine totale Sehnervenkreuzupg im
Chiasma ao^esprochen. Es sind ferner neuerdings klinische Beobachtungen in
dem letztgenannten Sinne mitgetheilt worden. Ist nun auch der Behauptung
jedes Mal eine entsprechende Widerlegung fast sofort auf dem Fusse gefolgt,
so gebt doch ans der ganzen Sachlage hervor, dass die Frage gegenwärtig noch
aicht als endgültig erledigt erscheinen darf. Ihre Entscheidung ist auf ana-
tomiscbem und klinischem Wege allein offenbar nicht zu erreichen. Andere
Zweige des Wissens, so vor allem das Gebiet der experimentellen Nervenphjsio-
kgie, können hier nicht umgangen werden.
ln letzterer Hinsicht müssen wir auf die Arbeiten von Knoli. und Bbowk-
StQUABD znröckgeben. Enoll constatirte nach Durchschneidung des Nervus
optkns Erblindung des gleicbseit^en Auges mit Erweiterung der Pupille; Durch-
biBiinmg des Tractus opticus batte den nämlichen Erfolg, aber an dem ent-
eegengesetzten Ange. leider ist mir die Arbeit des Genannten^ im Originale
nicht erreichbar gewesen und vermochte ich nicht zu eruiren, an welchen Thier*
species seine Experimente ausgeführt worden, was für die hier vorliegenden
Verfaälbiisse nicht belanglos ist.
' Kiioll, Eckbard'B Beiträge zar Anatomie and Physiologie. Bd. IV. 1869. Giessen.
.Google
200
Bbown-S£:qitabd’s Versuche' betreffen Meerschweinchen und Kaninchen.
Es handelte sich um Durchscbneidung eines Tractus, Trennung des Chiasma
in antero'posteriorer Richtung, Zerstörung des lateralen Kniehöckers und des
Vierhdgels. Hierbei gelangten Sehstörungen der mann^achsten Art zur Beobach¬
tung; so nach Durchscbneidung eines Tractus Erblindung des gekreuzten Auges,
nach, der angegebenen Beschädigung des Chiasma totale beiderseitige Blindheit
Als wesentlichste E^ebnisse sind zu nennen:
1. Zum binocularen Sehen genügt das Vorhandensein Einer Himbemisphäre;
jeder Tractus opticus steht mit der gleichseitigen Hemisphäre, daher mit beiden
Netzhauthälften in Verbindung.
2. Die nach Beschädigung des Tractus opticus, des lateralen Kniehöckers,
des Vierhügels und anderer Theile der gleichseitigen Hemisphäre auftretende
Amaurose ist nicht Folge der Functionsstörung in den optischen Centren oder
in der Leitung, sondern Folge des von der Läsionsstelle auf die Ernährung des
Auges, bezw. des Nervus opticus ausgeübten Reizes.
Wie natürlich konnte'diese Darstellung die Kliniker und Physiologen nicht
befriedigen. Bei der Beurtbeilung der BBowN-SfiQUABD’schen Opticus- und
Chiasmadurchscbneidungen macht sich ferner der Umstand geltend, dass hier
Tbiere zur Verwendung kamen, bei welchen für das Bestehen einer.partiellen
Kreuzung keine unzweifelhaften anatomischen Befunde beigebracht sind. Gubuen’s
E xperimente versuchen allerdings für das Kaninchen diesen Nachweis zu fuhren,
allein es liegt bisher keinerlei Bestätigung derselben vor. Auf jeden Fall ist
auch beim Kaninchen die Anzahl der ungekrenzten Fasern im Verhältniss zu
den kreuzenden verschwindend klein.
Spatere Untersuchungen von Nicati^ führten zu abweichenden Ergebnissen.
Bei der Katze hatte antero-posteriore Durchscbneidung des Chiasma weder auf
dem einen, noch auf dem anderen Auge völl^e Blindheit im Gefolge, woraus ge¬
schlossen werden muss, dass bei diesem Thiere eine unvollständige Durchkreuzung
der Sehnerven statthat
Von mir^ liegen solche Versuche mit antero-posteriorer Chiasma- und mit
Tractusdurchschneiduug am Hunde vor. Beide Versuchsreihen stimmen darin
überein, dass sie mit Entschiedenheit auf eine partiale Kreuzui^ im Chiasma
hinweisen. Nach der angegebenen antero-posterioren Durchscbneidung des
Chiasma erweisen sich nämlich die operirten Hunde nicht gänzlich erblindet,
denn es werden Gegenstände, die man ihnen vorhält, unzweifelhaft gesehen und
vorsichtig umgangen. Nur eine gewisse Divergenz der Augenazen, wie beim
Sehen in die Ferne, tritt bei den Tbieren auf. Die Pupillen aber zeigen deut¬
liche Licbtreaction.
Durchtrennnng eines Tractus opticus beim Hunde ergab beiderseitige Hemi¬
anopsie mit gleichfalls beiderseitigem Ausfall der contralateralen Gesichtsfeldhälfte.
- . - •
* Arch. de PhysioL norm, et pathol. Bd. IV. 1872. S. 261.
* Centralbl. f. med. WisseoBch. 1878. S. 449.
‘ W. V. Bbchtebsw, EzperimentaltintersacbaDgeD über die EreoEnng der SebnerveD
im Cbiasma nn. opticomm. Nearolog. Centralbl. 1881.
201
In meiner vorhin angezogenen Arbeit war ich nicht in der Ijage, die Ans-
ddmong des Gesichtsfelddefectes an beiden Augen mit voller Genauigkeit zu
eiautteln, konnte mich daher auch nicht in bestimmterer Weise hier äussem. ln
der Folge aber habe ich mehrfach Gelegenheit gehabt, den Tractus opticus beim
Hunde zu durchschneiden und vermochte da die Ueberzeugung zu gewinnen,
<hss die Einengung des Gesichtsfeldes in dem contralateralen Auge stets eine
iehr viel bedeutendere sei, als auf der Seite der Verletzung. Der Ausfall im
<j«adit5felde wird bei den Thieren, wie genauere Pröfongen daithun, in beiden
Augen durch eine verticale Linie b^reuzt. Allein das deutliche Sehen erscheint
iü dem contralateralen Auge stets herabgesetzt, in dem homolateralen unversehrt.
Zerstörung des Corpus geniculatum externum oder der weiteren Opticus-
bahnen hat ganz densdben Erfolg, nämlich Hemianopsie mit Ausfall der ge-
hiHsten Gesichtsfeldhälfte in beiden Augen. Der Defect ist auch hier in dem
'k Lä^n entgegengesetzten Auge erheblicher.
Die Wmte der Pupille erleidet durch die erwähnten Eingriffe im ganzen
täifö infEallenderen Yerändernngen. Immerhin aber erscheint, wenigstens bei
e?vohiilicher Beleuchtung, die Papille des entgegengesetzten Auges etwas er¬
weitert, mitsprechend dem stärkeren Gesichtsfelddefcct auf dieser' Seitc.^
Im wesentlichen erhalten bleibt auch die Pupilleoreaction. Wird die
Profimg bei direct von vorn her einfallendem Lichte vorgenommeu, so sind in
'iieser Beziehnng bei den Thieren keine nennenswerthen Abweichungen wahr-
uhmbar. Meine ursprünglichen dahinzielenden Versuche ergaben mir daher
i>efatiTe Resultate. In der Folge aber eruirte ich beim Hunde nach Durch-
«bneidang des Tractus opticus sog. hemiupische Pupillenreaction, wie. sie Wil-;
raisx» zuerst beim Menschen und andere Forscher^ auch an Versucbshunden
m beobachten Gel^enbeit hatten. In einigen dieser Versuche erschien die
I^püie des contralateralen Auges schon bei gewöhnlicher Beleuchtoug um ein
»anges erweitert. •
Es tritt hinzu, dass auch beim Affen Durchschneidung des Tractus opticus
bwkMijme Hemianopsie beider Aogeu, auf der gekreuzten Seite mit hemiopischer
Popüfenreaction zur Folge bat (Fsbbebb). In phjsiolc^cher Beziehung ist
bisrlardi jeder Zweifel an dem Bestehen einer partiellen Kreuzung im Chiasma
der höheren Säugethiere beseitigt Dieser Tbatsache werden jene Anatomen und
Kliniker, die der Vorstellung einer vollständigen Sehuervenkreuzung im Chiasma
Haom geben, wie mich bedünken will, sich nicht leicht verscbliessen können.
Anatomische und klinische Befunde sind hier nicht die allein ausschlaggebenden
FaetDren. Die vorhandenen experimentellen Ermitteluogen müssen widerlegt
kn, ehe dazu geschritten vrird, jener Vorstellung die Form einer stricten Be¬
hauptung zn verleihen.
Was aber den Menschen betrifft, so wird von der erdrückenden Mehrzahl
IQiniker an der Tbatsache der unvollständigen Kreuzung der Sehnerven bei
‘ W. T. BaCHTEREw, Neurolog. Centralbl. 1894. Nr. 22.
* z. B. Sihaki, Verb. d. psjeh. Qesellsch. in Peteraburg. 1883.
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202
demselben gegenwärtig nicht der geringste Zweifel gehegt Gegentheilige Mel¬
dungen der Fresse stossen nach wie Tor auf unmittelbaren Widerspruch. Wie
mir scheint ist die Zeit nicht mehr fern, wo die vorliegende Angelegenheit als
för immer erled^t von der wissenschaftlichen Tagesordnung zu strachen
sein wird.
3. Ein Fall von Hirngeschwulst
in der linken motorischen Sphäre, linkseitiger Jjähmung,
Abwesenheit der Pyramidenkreuzung.
Dr. PhUip Zenner,
Docent der Neoropathologie an der CiDcinaati-Unirersität.
Obscfaon Flechsig Abwesenheit der Pyramidenkreuzung als ein nicht sel¬
tenes Yorkommniss betrachtet, so weiss ich doch von keinem Falle in der
Litteratur, wo diese Anomalie im Gehirn des Erwachsenen beschrieben worden
ist und aus diesem Grunde halte ich folgende Veröffentlichung für angebracht
W. D., 33 Jahre alt, Kellner, wurde am .18. Mai 1896 in's Spital auf¬
genommen. Er zeigte linksseitige Hemiparese. Beim Gehen hinkt er und dei
linke Fuss schleift etwas, nach. Der Handdruck ist links schwächer als rechts
Linke Facialislähmung, absolut im Gebiet der oberen, unvollständig in dem dei
unteren Zweige des 7. Nerven; jedoch bestand keine Entartungsreaction.
Beim Hervorstrecken der Zunge zeigte sich eine geringe Ablenkung nad
links, auch wurde eine Neigung des Kopfes zum Vorwärtsfallen beobacbtei
Patient empfand scheinbar mehr Schwierigkeit in der Links-, als in de
Becbtsdrehung der Augen.
Die Hautsensibilität war anscheinend normal, die Percussion des Schädel
links schmerzhafter als rechts, Patient kl^ über Kopfweh über Stirn- un
rechten Schläfengegend und grosser Schwäche. Die Intelligenz war sehr a1
gestumpft, Antworten wurden in sehr langsamer Weise gegeben, überhaupt wi
es unmöglich, eine zuverlässige Krankengeschichte zu erhalten. Von d
Existenz der Facialislähmung hatte der Kranke keine Ahnung.
Gleich hier will ich noch constatiren, dass der Patient, wie mir nach seine
Tode von anderer Seite mitgetbeilt wurde, über den Zeitraum eines Jahres wiede
holt Anßdle von clonischen Krämpfen der linken Seite gehabt haben soll
Die ophthalmoskopische Untersuchung ergab* Congestion der Papille, l
deutend erweiterte Arterien und Venen, jedoch keine an^esprochene Sehnervc
entzundung.
Patient war zwei Monate lang im Spital, ohne dass sein Zustand si
wesentlich geändert hätte. ‘ Appetit und Verdauung blieben gut. Kopfweh v
zuweilen heftig, dann wieder unbedeutend. Sein Ausdruck war stumpfsinii
öfters melancholisch; auch Neigung zur Somnolenz wurde an ihm beobacht
Google
208
£r hatte während seines Yerweilens im Hospital zwei An&lle übergrosser
Sdiwäebe, doch nie E^rämpfe.
Ich batte nach der ersten Untersuchung die Diagnose auf Gehirntumor
l«stelit. jedoch nicht mit vollster Sicherheit
Während Patient sich unter meiner Beobachtung befand, ereignete sich
akhts, das den Fall hätte mehr aufklären können; die Lähmung nahm nicht
m, Kopfweh war meistens nicht allzu heftig, Sehnerveuentzündung hatte sich
nicht entwickelt und auch von jACKSON’schen Anfällen war zur Zeit nichts
beksDDt.
Patient empfand keine Besserung und verliess unbefriedigt das Spital Er
itirb jedoch am 4. August 1896 im Congoirw-Asyl, dem staatlichen Irrenhaus
^ die Autopsie ergabt Gehirntumor. Dr. Hasman, der Anstaltsant, übergab
BIT ^tigst das Gehirn zur Untersuchung. Die Geschwulst befand sich unter-
hfb der Dora über den Centralwindungen und schien dieselben mehr zu ver-
hiogen als zu zerstören. Ihre Ausdehnung war ca. 8 cm von oben nach
SDtEn, 6 cm von vorne nach hinten und reicht 5 cm in die Tiefe. Wegen des
schkdä erhaltenen Zustandes jedoch war eine genaue Untersuchung bezüglich
f^ädser Lage und Eigriffensein der Nachbartheile nicht gemacht worden. Die
suboskopische Untersuchung eigab: Gliosarcom. Die Geschwulst war in der
hokm Seite, die paralytischen Erscheinungen betrafen die linke Seite; eine
üvtersacbang der MeduUa oblongata und des continuirlichen Rückenmarks-
üafes — Dr. S. P. K&amkb führte dieselbe aus und machte zahlreiche Schnitte
TW oben nach unten — ergab: Abwesenheit der Pyramidenkreuzung.
Zum Schluss möchte ich noch hervorheben, dass das einzige Symptom, das
uf eine Läsion der richtigen Seite hindeutete, Schmerzhaftigkeit bei Percussion
äof der Unken Seite des Schädels war.
[Abs der Anstalt für Sprachanomalien und E^ankheiten der Nase und des
Rachens in Warschau.]
4. Von der Bedeutung der Associationscentren
Ton Flechsig zur Erforschung der Eptwickelung des Geistes,
der Sprache, der Psychologie der Sprache,
wie auch der Lehre von der Sprachlosigkeit.
Ton Dr. W. OtussewskL
(ScbloBs.)
Wie ich in Nr, 4 d. Centralbl. bemerkte, schreibe ich die anatomische Fähig-
tei der Darstellung von Wörtern ohne Antbeil der Vorstellungscentren, welche
a der innerlichen Sprache unentbehrlich ist, dem mittleren Centrum zu, welches
DiQ'iii’od
Google
204
in den Anfangsperioden der Sprachentwickelung eine eben solche Bolle beim
Spracliact spielte, wie jetzt das hintere Centrum bei der psychischen Sprache,
d. h. bewusstsinnige Terbindung der Vorstellungen und Begriffe mit Worten
erfüllt. Diese Hypothese findet ihren Grund darin, dass diese automatische Er¬
innerung der Wörter bei Erwachsenen sich zwar imm er mit Vorstellungen und
Begriffen verbindet, denn wir denken vornehmlich mittels der Wörter, jedoch
bei Kindern, sogar mit regelmässiger Intelligenz, haben wir bei der Sprach¬
entwickelung eine entsprechende Periode, in welcher dieselben ohne Verständniss
sinnlos viel sprechen können, was sich besonders bei Kindern mit schwach ent¬
wickelter psychischer Sphäre zeigt, wo die automatische Sprache, ohne Antheil
der Vorstellungs- und Begriffscentren sehr grell hervortritt. Für die Unab¬
hängigkeit unserer Wortbegriffe von der automatischen Erinnerung der Wörter
spricht auch der Umstand, dass bei vielen Sprachlosigkeiten, die ihren Sitz im
hinteren Associationscentrum haben, die automatische Sprache nicht aufhört m
ezihtiren, obgleich die Kranken aufhören, die Vorstellungen und Begriffe mit
Wörtern zu verbinden. Also die Localisation des Automatismusses der Sprache
in dem mittleren Centrum widerspricht keineswegs der Behauptung Flbgbsio’s,
welcher betont, dass die psychische Worterinnerung, d. h. die Verbindung unserer
Vorsteilangen und Begriffe mit entsprechenden Wörtern, von dem hinteren
Centrum abhängig ist.
Die Hypothese hinsichtlich der Bestimmung des mittleren Associaüons-
centrums steht ebenfalls nicht im W'iderspruch mit den bisherigen klinischen
Beobachtungen verschiedener Formen von motorischer Aphasie, aber im Gegen-
theil, mit Hülfe derselben können wir uns sehr viele, bisher nicht ganz ver¬
ständliche und sich hierauf beziehende Fragen erklären. Obgleich wir in der
BaocA’schen motorischen Gegend die Sammlung des motorischen Wortgedächt¬
nisses (Sinnesgedächtniss) finden wollen, so rufen die hier stattfindenden orga¬
nischen Veränderungen höchstwahrscheinlich nur den Verlust der ArticulatioDS-
bewegungen hervor, ohne die innerliche Sprache zu beseitigen, die früher s(^
subcorticale motorische Aphasie, wo der Kranke beim Verlust der selb¬
ständigen Sprache die Schrift versteht und schreiben kann, die functionelle Ab
Schwächung jenes motorischen Gedächtnisses aber verursacht die früher sog
transcorticale motorische Aphasie, wo der Kranke beim Verlust der selb
ständigen Sprache nicht nur die Schrift versteht, sondern auch laut lesen und
wiederholen kann (Ässociationstbätigkeit des peripherischen Reizes). Wenn unsen
Muthmaassung hinsichtlich der Bestimmung des mittleren Centrums richtig ist
so muss man erwarten, dass allein organische Veränderungen in der Insel Reil’i
die gänzliche motorische Aphasie mit der Agraphie und Alexie verarsacben
indem sie die Spuren angehänfter sensorisch-motorischer Associationsbilder, wi>
auch die automatischen Erinnerungen der Wörter vernichten. Zwar fehlt es bi
jetzt auch nicht an anatomisch-pathologischen Forschungen, welche bis zu einea
gewissen Grade die Richtigkeit der oben angeführten Ansicht über verschieden
Formen der motorischen Aphasie bestätigen, da man aber nicht in allen F^e
die Aufmerksamkeit auf den Ort der Veränderungen, wie auch auf den Stan
üig'V^od oy Google
205
des Lesens und Schreibens beim Verlust der selbständigen Sprache lenkte, so
«ird sdiliesslich also die Aofklaning dieser Sache von genauen klinischen
Beobaehtangen in dieser Richtung abhängen, wie auch von anatomisch>patbo>
kgittben Forschungen, die genau die Veränderungen bei verschiedenen Arten
der motorischen Aphasie bestimmen.
Auf den Antheil der Insel Reel’s bei den motorischen Aphasieen hat zuerst
Dfenaur die Aufmerksamkeit gelenkt Pascal hat in seinem Werke: „Du röle
ie Finsola de Reil dans Taphasie“, Bordeaux 1890, diesen Gegenstand in allen
Hözdoheiten bearbeitet und 12 Beobachtungen beschrieben, die hierher gehören
ofid durch anatomisch-patholc^^he Forschungen bestätigt sind, ln allen diesen
FiUen motorischer Aphasie war die dritte Stirnwindung ganz unbeschädigt und
BSB hnd eine anatomische Läsion allein in der Insel Reil’s. Diese Beobach-
nuga, ol^leich sie den, wie es scheint, heute schon keinen Zweifeln unter-
üignideQ poeitiTen Pact bestätigen, dass Veränderungen der Insel von der moto-
racba Aphasie begleitet werden, geben uns aber nicht das Recht, den wichtigsten
Schfais m ziehen, und zwar in welchem Grade diese Kranken die innerliche
^ndie verloren hatten, also in welchem Grade die Aphasie mit der Alezie und
ignpbie verbunden war, denn der grösste Theil der Beobachtungen war nicht
genug, entweder deshalb, dass man diese Symptome nicht berücksichtigte,
ier dies die Kranken nicht zu lesen und zu schreiben verstandeu, oder auch
die Fälle selbst waren durch anatomische Veränderungen in anderen Theilen
ds Bims verwickelt. Aus der ganzen Reihe dieser Beobachtungen haben nur
iwn för uns eine Bedeutung, und zwar der Fall von DEjerin, wo der Kranke,
a^eseben von der motorischen Aphasie, schreiben und lesen konnte und der
Fall Sjlbüeim’s, wo das Lesen und Schreiben in Verbindung mit der motorischen
i;^taäe erschwert war. Ohne auch nur den Fact zu überschätzen, denke ich,
mtrkfem die anatomischen Forschungen in der Zukunft ein genügendes Licht
*af die uns hier Interessirende Sache werfen werden, dass wenn auch in dieser
fiaäeht sich irgend welche Widersprüche zeigen würden, ebenfalls wie auch bei
aaderen Aphasieen wir dieselben anf diese Weise einigen können, dass umfang-
nebere (panische Veiändernngen der Insel die gänzliche motorische Aphasie
wird, also mit der Alexie und Agraphie, unbedeutende Veränderungen
'der fonctioneUe Störungen die motorische Aphasie ohne den Verlust der Schreib-
ud Lese&higkeit (klangel der selbständigen Action des Centrums, die gemein-
^doftiiehe Wirkung desselben mit den Gesichtsbildem der Laute oder mit dem
'jdiehtaiss der Handbewegungen beim Schreiben). Der Unterschied zwischen
ktzten Art der Aphasie und der motorischen organischer Entstehung, die
•Im Ursprung in der dritten Stimwindung hat, würde allein im Verlust der
idhstiiHligen Sprache beruhen, welcher im ersten Fall von der Stömng des
mhefaen motorischen Gedächtnisses abhängig ist, im zweiten aber — von der
beaikträchtigaiig der Fähigkeit, sich der Wörter automatisch zu erinnern.
Zur Kategorie der sc^. subcorticalen and transcorticalen Aphasieen, die ihren
^ im BBOCA'schen Centmm haben, und die bei anatomisch-pathol(^ischeu
Foaehuagen bestätigt sind, zählen wir zwei Fälle subcorticaler motorischer Aphasie
Dig t'/od c/
Google
206
TOD D£j£bin, wo Dian in einem Falle eine Läsion nntor dem Centnim von Bboca
fand, im anderen aber war eine Veränderung unter der Binde der dritten Stun*
Windung, wie auch die Fälle transcorticaler motorischer Aphasie, und zwar önet
von Maqnan, wo aus der harten Hirnhaut eine Neubildung herrorkam, die auf
die linke Halbkugel überging und mit ihrem Gipfel bis zur dritten Stimwindung
und bis zum vorderen dritten Theil des Bandes von Bbil's Insel reichte, und
zwei Fälle von Hammond, wo man in einem Falle eine Sugillation im linken
vorderen Stimlappen fand, welche sich bis zum hinteren Band desselben hinzog,
und im anderen den Bruch der innerlichen Lamelle diplöes und ein Stückchen
Knochen, welches auf die Windung von Bbooa drückte.
Was unsere Ansicht über die Psychologie der Sprache betrifft, so muss
man vor Allem bemerken, dass der Process der Sprache, wie auch alle geistigen
Processe allein in der Rinde stattfinden, und ferner, dass wir jene Sinnesgedäoht-
nisse jetzt nicht für irgend welche für die Sprache besondere Centren halten, aber
für sinnliche und motorische Nervenden, welche gleichzeitig zur Aufnahme anderer
Reize, ausser derjenigen, die sich zur Sprache beziehen, dienen.^ Die Bedingungen
der Entstehung der Sprache sind dieselben, wie die der Erkenntniss, d. L das
Gedächtniss, die Fähigkeit zu Associationen und die Aufmerksamkeit. Wie zur
elementarsten Erscheinung der psychischen Seite des Menschen — der Wahr¬
nehmung, ausser den Sinnescentren höhere Associationscentren nöthig sind, ebenso
spielen dieselben Factoren zu demselben Zweck eine analoge Rolle beim psy¬
chischen Sprachact, sowohl beim activen (Articnlation, Schrift), wie auch beim
passiven (Verständniss der Sprache, der Schrift). Der Unterschied besteht alleio
* Die Frage der LocaUairang des motoriacben und aensoriacheo SinDeagedachtniasea ii
der dritten Stirnwindang nnd in der eraten Scbläfenwindang ist schon längst erledigt. Hin
aicbtticb des GeaichtagedäcbtDiases der Bachataben nehmen einige ein besonderes Ccntmi
an, andere dagegen, wie z. B. Wbbkicke. schreiben diese Rolle, was weit rationeller iai
den Verzweigungen des Sehnerven bei. So oder anders nimmt der gesehene Laut ent dan
die Bedeatung eines Bestandtheiles der Sprache an, wenn die AasoeiatioD deaselbeo mit dei
acoatiacben Centrnm erfolgt, und das gelesene Wort verstehen wir dann, wenn wir da
Gesicbtsbild desselben mit seinem Tonbild nnd dem Begriff oder der Vorstellnng, die dei
gegebenen Worte eigen sind, verbinden. Was das Sinnescentrum des Schreibens aobelang
welches sich in der zweiten Stirnwindang befinden soll (Ezhsr, Cbabcot, PiraEs), so ve
sagen viele Autoren, einigermaassen ganz richtig, ibm das Recht der Bärgerscbaft and sehe
es als ein gewöhnliches motoriachea Centrum an, welches eine Mnakelgrappe regiert, d
beim Schreiben tbärig ist, und welches das Qedächtnias der Bewegungen einnimmt, die beii
Schreiben nöthig sind. Dieses Gedächtniss kann bei Personen, die im Schreiben sehr geöl
sind, oft selbst ansreicben, ohne das Gesicbtsbild des gegebenen Wortes im Geiste hervo
znmfen. Dies bat bei den subcorticalen Alexieen eine wichtige Bedentnng, wovon weit
unten.
Das sinnliche Wortgedächtniss concentrirt sieb nur hauptsächlich in der linken Halbkagt
Diese I.A>cali8ation erklären wir nns durch die mehr verbreiteten and sabtilen Bewegangi
der linken Körperbälfte, denn es unterliegt keinem Zweifel, dass eine Verbindnog zwisch«
diesen Bewegungen and der Entstehung der Spracbcentren existirt Daf&r spricht eine g
wisse Parallele ihrer Entwickelung mit der Entwickelung des Gehens, die Entstehung dies
letzteren in der rechten Halbkugel bei Personen, die sich der linken Hand bedienen n. s. ^
;Googlc
207
m der mehr oomplicirteii Action der Sprache aod zwar, dass sinnliche Wortgedäcbt-
nae äeh znTor mit dem mittieren AssociatioDscentrum Terbioden müsseD, um
he antomatische Sprache zu bilden, hingegen wir aber die Beobachtungen toIU
indem wir nur rerschiedene Sinnesgegenden der Rinde im hinteren
Aaociationscentram Tereinigen. Beim psychischen Sprachact sind also zwei
Medunianen tbätig: der niedrigere bis zu einem gewissen Grade automatische,
19 der Insel Rkh^’s befindliche, und der höhere für WortlM^iffe im hinteren
iaocBtioiiscentnim (die G^nd Gyri supramarginalis und Gyri angularis). Der
iadere dient zur Yerbindung unserer Vorstellungen mit Wörtern, die den ganzen
InhsiK derselben in sich aufiiebmen.
Sotsprechend den Ton uns dargestellten Grundsätzen der Psychophysiologie
dff Sprache, die in ihren Anhaltspunkten in keinem Widerspruch mit Flbcbsio’s
Irb^ stehen, nnd im völligen Einverständniss mit den eigenen Forschungen
ober die Entwickelung der Sprache bleiben, wie auch auf Grund des reichlichen
Xatehals von Störungen derselben, sehen wir die Sprachlosigkeit als eine
Störung des Sinnesgedächtnisses (des motorischen, sensorischen und Ge-
äcktsgedächtnisses der Buchstaben) oder des Associationsgedächtnisses
HD mittleren oder hinterem Associationscentrum an, was sowohl die
Itttigkät des sinnlichen motorischen Gedächtnisses, wie auch die Aufnahme
fixerer Reize von den Sinn^centren der Sprache unmöglich macht, oder die
Sporen der gesammelten automatischen Worterinnerung im mittleren Asso-
iJttoiacentmm vernichtet, oder auch die Associationen, welche im hinteren
isaciatioDscentrum beim Verständniss der Sprache, eventuell der Schrift, oder
14 der Sprache (bezw. bei der Schrift) mit Verständniss, aufhebt, ln der
ietmkgie der Sprachlosigkeit müssen wir uns ausser den organischen Ver-
kbdeningen die fnnctionelle Abschwächung des Sinnesgedächtnisses oder der
Aaoäationscentren als ein sehr wichtiges Moment ansehen, welche entweder
xlbsUndig auftritt oder durch unbedeutende Veränderungen begründet als
haietioiieUe Erscheinung ihrer verminderten Reizbarkeit. Im Eiuverständniss
dsst unterscheiden wir ausser Sinnes* und Associationsaphasieen (sowohl
ia mittleren wie anch im hinteren (^ntrum) noch organische und functio*
aelle Apbasieen.
Zu den organischen Sinnesapbasieen zählen wir: 1. die isolirte
Botorisehe Aphasie bei Veränderungen in der dritten Stirnwindung (die
•''.ctm sog. subcorticale motorische Aphasie), wo die Kranken bei dem Mangel
in selbständigen Sprache die innere Sprache beibehalten, d. i. sie verstehen die
Schrift und können schreiben; 2. die sinnliche Aphasie (Worttaubheit), die
»dl damit charakterisirt, dass der Kranke die Worte und folglich auch die
Sjsaebe nicht versteht, paraphatisch spricht, denn das mittlere Associationscentrum
rirfct ohne Controle des sinnlichen Gehörgedächtnisses. In diesen Fällen haben
vir auch die Alezie in Folge vom Mangel im Geiste der Tonbilder der Laute,
iud also auch die Agraphie (mit Ausnahme solcher Personen, die sehr geübt
im Schreiben sind, aber auch dann versteht der Kranke das Geschriebene nicht);
S. die isolirte Alexie (die perceptive Wortblindheit), die darauf beruht, dass
■' Google
208
solche Kranken die Buchstaben sehen, aber sie nicht erkennen und nicht za
benennen verstehen, also auch die Schrift nicht verstehen können.'
Zu den organischen Associationsaphasieen des mittleren Asso-
ciationscentrnms gehört die motorische Aphasie, die sich immer mit der
Alexie verbindet (eventuell auch mit der Agraphie), weil wir in diesem Falle
den Verlust der sensorisch-motorischen Associationsbilder haben, der Kranke kann
sich die Wörter im Geiste nicht vorstellen und besitzt keine innerliche Sprache,
abgesehen von der Existenz des sensorischen Sinne^edächtnisses zum Veisteheo
der Sprache.
Zu den organischen Associationsaphasieen des hinteren Gentrums
zählen wir:
1. die sensorische Associationsaphasie (vorhin sog. transcorticalische
sensorische) bei Veränderungen in der Gegend Gyri supramarginalis, wo die
Wörter, abgesehen von der Möglichkeit des verständnisslosen Wiederholens,
Schreibens und Lesens (automatische Thätigkeit des mittleren Associationscentrums),
nicht verstanden werden und der Kranke paraphatisch spricht;
2. die Associationsalexie oder die Associations-Wortblindheit
(früher sog. transcorticale Alexie von Webniokb) bei Veränderungen in der
Gegend Gyri angularis, wo die Worte, abgesehen von der Möglichkeit des Lesens
der Buchstaben und Wörter (automatische Thätigkeit des mittleren Associations¬
centrums), mit entsprechenden Vorstellungen nicht verbunden werden;
3. die optische Aphasie, die darauf beruht, dass der Kranke dieO^en-
stande sieht und erkennt, aber nicht im Stande ist, sie zu benennen, und erst
dann im Stande ist, den Namen zu bezeichnen, wenn eine andere Sinnesg^nd
der Rinde gereizt wird, und zwar die der Tastsinnsphäre, des Geruchs oder
des Gehörs. Mit Hinsicht hierauf, dass das Sptachwerkzeng' solcher Kranken
ganz unbeschädigt ist, können wir allein eine theilweise Störung der Associationea
* In den FäHen, wo die Kranken, abgesehen von der erhaltenen inneren Sprache, wie
auch der Möglichkeit des Wiederholene der selbständigen Sprache verlustig sind, haben wir
die vorhin sogenannte transcorticalische motorische Aphasie. Was die vorhin sogenannten
snbcorticalischen sensorischen Aphasieen anbelangt, so gehören deren Symptome zur extra¬
cerebralen Aphasie im eigentlichen Sinne des Wortes (extracerebralen Woittaubheit) und
haben ihren Ursprung im Gehörorgane. Hierher zählen wir die Fälle beiderseitiger theilweiser
Erkrankung des Labyrinths bei der angeborenen Taubstummheit und die Fälle erworbener
beiderseitiger theilweiser Veränderungen im mittleren Obre. Die extracerebrale Worttaub-
beit, welche der Taubstummheit mit erhaltenen Gebörresten ganz ähnlich ist, antersobeidet
sich von der gewöhniicben Worttaubheit dadurch, dass die Kranken manche Wörter, be¬
sonders gewisse Beiben ihnen bekannter Benennungen, verstehen und sogar oft wiedeiholeD
können, von der gänzlichen Tanbheit aber noterscheidet sie sich durch die Möglichkeit G«'
rausche und Laute zu unterscheiden. Die sogenannte snbcorticale Alexie, die sich von dei
gewöhnlichen dadnrch onteracheidet, daas beim Mangel des Verständnisses der Schrift di(
Fähigkeit znm Schreiben erhalten ist (wobei der Kranke das Geschriebene nicht versteht
mit dem Vertust der Fähigkeit zum Abscbreiben (Copiren), erklären wir uns ebenfalls dorcl
die Möglichkeit des Schreibens ohne Gesichtsbilder, allein mit Hülfe des cheirolrinetiscbei
Qe^hls der Hand, was meistens bei solchen Leuten stattfindet, die sehr geflbt io
Schreiben sind.
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ifia^ dem Wort* und Yorstelluiigscentrum annebmen und zwar zwischen
ma OeschtsMmiponeDten;
4. die Seelenblindheit,, die sich dadarch cbarakterisirt, dass der Kranke
ia gröstai Theil seiner froheren Gedäcbtnissyorstellnngen rerliert und zugleich
(halt aoeb die f^higkeit der Erhaltung neuer im Gedächtnisse. Solche Kranke
Gegenstände, aber erkennen sie nicht und sind nicht im Stande, sie zu
iiRKOBeD, dabei orientiien sie sich im Baume schlecht, denn sie haben keine
Vergldchang der erhaltenen Sinneseindrücke mit den Gedächtnissbildem. Bei
der SeetenUindheit leichteren Grades bleibt ein gewisser Theil der Gedächtniss-
iiiidff erhalten, die Kranken haben einen Begriff vom Gegenstände, aber sind
mir onfiLhig zur Identificirung neuer Eindrücke mit im Oedächtniss existirenden.^
Bä der Seeloiblindheit haben wir also Störungen der Associationen, welche von
diei Snnen zum Yorstellungscentrum gehen, wobei die Gesichtscomponenten
lek SQ meisten herrorheben, als solche die wichtigste Rolle bei der YoUführung
oaerer Yoistellnngmi und Begriffe spielen. Den anatomischen Grund der Seelen-
yiodbeit finden wir auf der äusseren Oberfläche des hinteren Hirnlappens und
da ia seiner Nachbarschaft sich befindlichen Scheitellappens in beiden Halb*
taildn.
Iheselbe Eintheilung nehmen wir in Bezug auf die amnestischen
ipbisieen (functioneile) an. Wir unterscheiden unter anderen folgende
«BUKsfische.sinnliche Aphameen;
1. die motorische, von welcher oben die Bede war;
2. die sensorische, zu welcher die Aphasieen Gbashby’s gehören, ferner
'fie FiOe, wo die Absohwächung des sinnlichen Gehöi^edächtnisses das Yer*
^daia der au^esprochenen Wörter und Satze erschwert, und riele andere
Fimn, welche GoiiDSOHsmEB ausführlich beschrieben bat;
3. die Alexie; hierher gehören die Fälle der Unmc^lichkeit Wörter zu
^ bei erhaltener Möglichkeit des Lesens der Buchstaben (was vom mehr
^^Bpticirtem Mechanismus des Lesens der Wörter als der Buchstaben abhängt),
Ik Fälle der Unmöglichkeit d^ lauten Lesens, obgleich das Gelesene verstanden
*ini, die Fälle, wo der Kranke l^n, aber nicht schreiben kann, d. i, er kann
Wmtbild im (jledäcbtniss so lange nicht behalten, bis er es aufgeschrieben
^ »dlich die Dyalezieen (eine Art der intermittirenden Alexie), die sich damit
^tuüteiiairt, dass der Kranke anfangs gut liest, nach einem Augenblick aber
^bänt die Unmöglichkeit weiter zu lesen.
Zu den functionellen Associationsaphasieen des mittleren Asso*
{iatiooscentrums gehört die motorische Aphasie ohne Alexie uud Agraphie,
wo wricher oben die Bede war. Endlich zählen wir zu den amnestischen
l^soeistionsaphasieen im hinteren Gentrum die Fälle, wo der Kranke
' Dm Siebter« Form der Seelenbliodheit dient als der beste Beweis der Unabhängig-
4(1 VorsteUangseentnuns Tom Spraehaet, denn abgesehen von den Stönmgen der Asso-
welche von allen Sinnen znm Voratellangsoentrani f&hren, bleibt die Tbatigkeit
4« ^nebe i sowohl die Articolation, wie anch die Schrift) angestört.
14
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Google
210
nicht im Stande ist dem G^enstande, den er sich im Geist rorstellt, den
entsprechenden Namen zu geben.
Ausser der Bücksicht auf die oben ang^bene Eintbeiluiig der Aphasieen
müssen wir in jedem concreten Falle noch die Aufmerksamkeit auf die ge¬
mischten Fälle richten, wo wir bei einer gewissen organischen Veränderoi^
functionelle Erscheinungen haben können, welche nur bis zu einem gewissen
Grade das reine Bild der organischen Aphasie maskiren. Dennoch glauben wir
nicht, dass wir irgend welche Schwierigkeiten antreffen könnten, wenn wir die
Analyse der Erscheinungen, die jeder Form eigen sind, in allen Einzelnheiten
durchfuhren.
Wir glauben durchaus nicht, dass man die Acten der Psycbolc^e der
Sprache, wie auch die Lehre von den Aphasieen schon jetzt schliessen könnte,
von der Zeit aber des einst fast allgemein angenommenen Schemas von Wer-
nioee-Lichtbeim haben wir gewiss einen bedeutenden Schritt vorwärts gemacht,
indem wir eine weit rationellere Psychologie der Sprache geschaffen haben, wie
auch, dass wir die ungemein verwickelten, und bis jetzt in vielen Fällen ganz
unverständlichen Aphasieenbilder vereinfachten. Es unterliegt keinem Zweifel,
dass uns dazu Fleohsio’s Arbeit von den Associationscentren geholfen hat, die
wir bis jetzt mit irgend einer Unbekannten vertreten mussten.
Weitere klinische Beobachtungen von Sprachlosigkeiten in Verbindung mit
den anatomisch-pathologischen Forschungen werden uns vielleicht binnen Kurzem
erlauben auch die Löcken auszufüllen, welche auch heute noch zweifellos uns
auf den Gedanken bringen.^
11. Referate.
Anatomie.
1) Quergestreifte und längsgestreifte Muskeln, von P. Schultz. (Arch. f.
Anat. u. Fhys. 1897. Fhys. Abth.)
Verf. unterscheidet nicht glatte und quergestreifte Ifaskeln, sondern längsgestreifte
und längs* und quergestreifte Muskeln. Die letzteren bezeichnet er auch abgekftrzt
einfach als queigestreifte Muskeln. Physiologisch nnterscheiden sich beide Formen,
insofern als die Contraction des längsgestreiften (d. h. glatten) Muskels trage erfolgt,
die des quergestreiften hingegen als Zuckung, chemisch, insofern der längsgestreifte
Muskel myosinfrei und wasserarmer ist und bei der Thätigkeit neutral reagirt,
während der queigestreifte myosinhaltig und wasserreich ist und bei der Thätigkeit
sauer reagirt. — Aus den experimentellen Arbeiten desselben Autors (ibid. S. 1 u.
S. 307) kann hier nur hervorgeboben werden, dass Verf. gegen Engelmann die
reflectorische Natur der peristaltischen Bew^nugen des Darms, Ureters n. s. w. dar-
tbut. Er stützt sich dabei namentlich auch darauf, dass ihm der Nachweis sensibler
* Diese Arbeit war auf der Sitzung des Warschauer ärztiioben Vereins am 15. Mai 1897
vorgelesen worden.
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211
mfiur Appante in den bez. Hcukeln, welchen Engelmann vermisst hatte, ge-
lufn ist Aoeh die Beobachtungen Ober den Einflnsa verschiedener Medicamente
iif die gUtta) Hnskeln verdienen BerBckaichtignng. Th. Ziehen.
Experimentelle Physiologie.
I) Di an rifleeeo pupUlare dl origine enrioolare, per G. Piaenti. (AtU e
mdie. della accad. med.-chirnr. di Ferogia. IX.)
fis Patient mit einer nicht eitrigen Otitis media, den Yerf. unter anderem mit
IiUiterisiren der Tnba Enstachü behandelte, zeigte, wenn die Sonde über den
&>da der Choanen glitt, Blasswerden des Gesichts, Kleiner- and Tisngsamerwerden
iti Polsea, Stillstand der Atbmang, Tbränen der Augen. Zugleich gerieth die Pu¬
pille, die sich anfangs verkleinert hatte, in lebhafte oscillatorische Bew^ungen,
vdcbe Bach einigen Secunden aufhörten und dann mit geringerer Heftigkeit wieder
sMetttn. Bin zweiter Sondirongsversuch, nach einer Pause unternommen, rief
*nder die gleichen Erscheinungen hervor. Ebenso stellten sie sich nach einigen
hgm m, als dorch den Katheter Luft in das Mittelohr eingeblasen wurde.
8i haodelt sich hier zweifellos um einen Beflexvorgang. 3 Wege sind möglich,
uf dott diesw Reflex zu Stande kommen kann:
I. Durch die mechanische Beizung des Trigeminus wurde, da diese mit dem
öaglkin ciliare durch dessen lange Wurzeln anastomosirt, auch dieses Ganglion
rwttiL
t Es worden die Nn. nasales inf. et post, die den unteren Nasengang und die
Vien Hnsehel versorgen, irritirt Diese Nerven sind Zweige des N. palatin. vom
spbeno-palatmum. Von dort aus verbreitet sich die Erregung weiter auf
in Staom des Trigeminus und auf das Ganglion riliare.
3. Der Reflex ist centralen Ursprungs. Durch die in das Hittelobr geblasene
Uft giägt der Druck dort und mithin auch die Spannung im Tiabyrinth und den
ulborkriförmigeD Canälen. In Folge dessen Beizung der Nervenendigungen in den
AapalliD, Fortleitong der Beizung durch den N. vestibnlar. auf seine Kerne, auch
üfdaDeiters’scben Kern. Dieser hat Yerbindni^ mit dem Abducens, der seiner-
■itt wieder mit dem Oculomotorios in nah«: Beziehung steht Valentin.
Pathologische Anatomie.
3) Ooatribnto apezimentale alle oonosoensa deir iatogeneel del rammolll-
nuBtü cerebrale ieohemloo, per F. Gnizzetti. (Archivio per ie scienze med.
IW. Nr. 1.)
Tirf. bat seine Versuche an Hunden angestellt. Kaninchen erwiesen sich un-
Dem Versuchsthier wurde mittelst einer Fravaz'schen Spritze eine
i^7>o)ogieche Kochsalzlösung, in welcher Korbsägemehl snspendirt war, in die linke
eingespritzt (1—2 ccm). Nachher wurde die Arterie unterbunden. Die
der UimstOcke, in welchen sich Erweichungsberde fanden, geschah theils
s ^hnat, theils im Flemming’schen Säuregemiscb, theils ln einem Gemisch von
und Essigsäure (1 %)> theils in Hflller’scher Flüssigkeit
^ Iblicben Fär^methoden wurden angewandt namentlich auch die Färbung mit
SifruiB (gesättigte Aniliuwasserlösung) und die Färbung nach Bizzozero-Vassale.
^ Thisre starben, bezw. worden getödtet 14 Stunden bis 17 Tage nach der In-
Der Befand wird für 7 Tbiere genau mi^tbeilt. Die Hauptergebnisse
‘M Mgende:
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212
1. Die Fetti 6 riicheii 2 elien stammen Uieils ans ausgewanderten LenVoeyten,
tbeils ans den vermehrten, transformirten endothelialen Elementen, welche die peri*
vascniären Lymphscheiden begrenzen. Durch Karyokinese vermehren sich die Fett*
kömchenzellen weiter.
2. Die Ganglienzellen und Äxencylinder gehen sowohl in der Mitte des
Erweichungsberdes, wie an seiner Peripherie zu Grunde, ohne sich je in Körnchen*
zellen zu verwandeln.
3. Die Neurogliazellen geben gleichfalls zu Grunde, ohne sich in Kömehen¬
zellen zu verwandeln; nur in der Umgebung des Herdes vermehren sie sich in
mässigem Grade und hypertropbiren.
4. Das Sttltzgewebe des ansgebildeten Herdes ist nur durch Vermehrang der
Zellelemente der Geßsswandungen entstanden; unter bestimmten Umständen betheiligt
sich an der Bildung des Stroma auch ein feines zusammenhängendes Baticnlum,
welches ebenfalls vom Hesenchym abstammt.
Zum Veigleich hat 7erf. bei 4 Hunden direct in die Hirosubstanz 2 Tropfen
einer 2^/o Chromsäurelösung injicirt. Diese chronische Encephalitis zeigt ein cen¬
trales nekrotisches Gebiet und zahlreiche Hämorrhagieen. Yielkeraige Kömchenzellen
scheinen etwas häufiger als bei der Erweichung. Einen Unterschied bexflglich der
activen und degenerstiven Kömchenzellen (Virchow-Friedmann) lässt Verf. nicht
gelten. Der Ursprung der Kömchenzellen scheint bei der chronischen Encephalitis
derselbe wie bei der Erweichung. Einen Uebergang der Neurogliazellen, welche
viel zahlreichere Karyokinesen zeigen, in Kömchenzellen scheint Verf. nicht ans-
schliessen zu wollen. Die von Friedmann beschriebenen Spindelzellen leitet er
nicht wie dieser von Neurogliazellen, sondern von Elementen der Gefisswand ab.
Scheinbare Karyokinesen in Ganglienzellen finden sich bei der chronischen Encepha¬
litis nicht seiten, hingegen sehr selten bei der Erweichung. Th. Ziehen.
4) BüokenmarkBbefande bei Oehirntomoren, von Dr. Josef Ursin. Ans der
Klinik für Geistes- und Nervenkrankheiten des Prof. Dr. G. Anton in Ch».
(Deutsche Zeltschr. f. Nervenheilk. Bd. XI. 1897.)
An der Hand dreier einschlägiger, eigener Fälle, sowie der betreffonden Litteratar,
weist Verf. nach, dass der Ansicht C. Hayer’s gewichtige Erscheinungen entg^en-
stehen, wonach Bflckenmarksveränderungen bei Hirntumoren auf Drucksteigernng des
Liquor cerebrospinalis, also auf hydrostatische Wirkung zurfickzuffibren seien. Dem
gegenüber erklärt Verf. das wirksame Agens in Intoxicationsvoigängen und Er¬
nährungsstörungen und befindet sich im Grossen und Ganzen in Uebereinstimmung
mit Dinkler, welcher ebenfalls zu einer von C. Mayer abweichenden ErklKrang
gekommen ist. Es sollen hier nur die aus den eigenen Beobacbtnngen des Verf.
sich ergebenden, seinen Standpunkt rechtfertigenden Momente bervorgehoben werden.
So fand sich ein Hai überhaupt keine besonders nachweisbare Drucksteigernng and
trotzdem Degeneration in den Hintersträngen (1. Fall). Umgekehrt standen sich ini
3. Falle Zeichen bedeutend vermehrter Cerebrospinalflüssigkeit und relativ geringe
Degenerationen io den Hintersträngen gegenüber. Ferner fand sich in den betreffender
Fällen die Degeneration im Halsmark, also in einem höher gelegenen und dem Dmcl
einer geringeren Flüssigkeitssäule ausgesetzten Abschnitt, viel stärker au^ebilde^
als im Lenden- und Sacralmark. Von Bedeutung ist auch, dass sich der eine, z. B
der rechte Hinterstrang stärker lädirt erweisen kann, als der andere. Hierfür is'
die event. Mitbetbeiligung der extramedullären Wurzelabschnitte ansschl^gebend
welche dann zu der primären, intramedullären Hinterstrangerkrankni^ noch eim
secundäre, aufsteigende Degeneration hinzntreten lässt. Dieser ganze „eleckive'
Charakter des Processes erinnert eben sehr an die Wirkung toxischer Stoffe.
E. Asch (Frankfurt a.^lC.^.
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213
S) Uttwiori rioerohe istologiohe suUe altanudoni luetiohe delle arterie
esrebrali, per B. Stanziale. (ßiomal. ital. deile malatte venere et della pelle.
IT. 1897.)
Ab Rlleo von Himsyphilis mit hauptsäclilicber Betheiligrung der Geßsse studirte
Tfli die Terindemogen an den Arterien. Io 3 Fällen waren die Meningen mitergriffen,
ad nar Toniehmlich die Dura. Sie befand sich im Zustand der chronischen Ent*
oder war gnmmös erkrankt
Di» Affeetion der QeAsse ging stets von der Tunica externa ans: die Adventitia
w UänwUig infiltrirt, ee bildeten sich neue Oeßsse, auch fanden sich oft Biesen*
oßa. Weiter entwickelte sich in der Adventitia ein fibröser Zustand oder Coa*
fdatkateekroee. Mach der Adventitia wird auch die Media kleinzell^ infiltrirt,
dm itrophiseb und schwindet schliesslich gänzlich. Die Lamina elastica verdickt
ad anfi^ zeigt später Unterbrechungen ihrer Continuität und kommt zum Schluss
«Mills suffl Schwinden.
Die lotiiDa, in den kleinen Arterien oft nur durch junges Bindegewebe mit
mb nmd* und kleinzelligen Elementen verdickt neigt dazu in das fibröse Stadium
brufML Die nengebildeten Geßsse obliteriren wieder. Da der Process an der
baMtbe beginnt und das Epithel betheiligt kommt es leicht zur Gerinnung des
Blib ood zur Thrombenbildnng. Arteriitis obliterans entsteht, wenn die Intima
ii ärv ginzoi Circnmferenz an der Veränderung Theil nimmt die Betraction des
Gewebes bewirkt Trennung der Intima von der Lamina elastica, und wenn
w ningdBusig vor sieb geht die Bildung von Canälen und Lakunen, die, sich
Bt Südothel anskleidend, dem Blotstrom wieder einen Weg bieten können. Die
^dm^ihmg des fibrösen Gewebes löst ferner bei der Arteriitis obliterans die Intima
den fib^en Gefässhäuten, lässt sie frei im Lumen flottiren und eventuell vom
SnMn» foitffihren und Ursache einer Embolie werden. Eine neue Elastica kann
Kt TOB der freien Seite der Intima her entwickeln.
la allen Fällen mit Ausnahme eines einz^n fand Verf. miliare Aneurysmen.
Alf Gnmd des histologischen Bildes kann man mit genflgender Sicherheit luetische
iräcTertDdemngen von atheromatösen unterscheiden.
Die Sehlflase, zn denen Verf. kommt decken sich mit den in einer seiner
klMa Arbeiten aufgestellten. Valentin.
I) Sir Kenntniss der Menisgooele spurls iBÜlroth'iohen Krankheit) ln
aeaiopaäiisoher Hinnioht, von J. Bayerthal in Worms. (Deutsche med.
Vocäsasehr. 1898. Mr. 3 u. 4.)
Dw 31jährige Arbeiter G. S. stammt aus gesunder Familie. Im Alter von
' I Jibm fiel dem bis dahin normal entwickelten Kinde ein Ziegelstein anf den
M bQdete sich an der Stelle des Traumas eine pnlsirende Geschwulst welche
int dem Schädel wuchs. Pat lernte erst im 4. Jahre gehen, entwickelte
Ki aber im ftbrigen normal und hielt sich, von ärztlicher Seite auf die Lebens*
aeiaee Zustandes bei eventueller Verletzung des Schädeldefects aufmerksam
Mdt, nrgsam von allen Gelegenheiten zu derartigen Eventnalitäten fern. Vom
ii Ubetwialire ab zeitweise Nenralgie des linken Supraorbitalis, seit 3 Jahren im
laKUan an körperliche Anstrengungen epileptische Änßlle unter starkem Vordrängen
^fimdiwulst eingeleitet durch Zucken in den Gliedern ohne bestimmten Ausgangs*
iHe Unterenchnng ergiebt anf der rechten Hälfte des Stirnbeins eine
sporia mit den Irischen Merkmalen, sowie eine geringe Schädel*
'TMtrifl, indem 4ie rechte vordere Schädelpartie stärker entwickelt ist als die
^ — Sonstiger Befund normal.
Saeb konor, zusammenfrmsender Darstellung der Entstehungs* and Wachsthums*
te äusseren Form und der pathologischen Anatomie der Meningocele sporia —
- Google
214
die Details sind im OrigiDale nachzulesen — kommt Verf. zar Besprechung der
CerebralerschelDungen. Eis handelt sich um initiale und temporäre oder erst später
anftretende und bleibende allgemeine Cerebral* oder Herdsymptome. Den initialen
Brscheinnngen, welche im wesentlichen dem Symptombilde der Commotio cerebri
entsprechen, folgen unmittelbar oder meist nach mehr oder weniger langer Latenz*
Periode die daoerden Cerebralsymptome. Entsprechend dem Lieblingssits der
Meningocele — das Scheitelbein deckt die Bolando’sche Furche — treten besonders
halbseitige Bewegungsstörungen hervor, in geringerem Qrade an der Gesichtsmusku*
latur, in höherem, aber wechselndem Haasse an den Extremitäten. Die Wachtsthoms*
differenz der gelähmten Rörperseite beruht auf trophischen Einflüssen der Groashini'
rinde. Die topische Diagnose ist bei dem falschen Gehimbrucb bisher zu wenig
beobachtet worden.
Weitere Symptome sind Erkrankungen des Sehnerven, Beizerscheinuogen
iocalisirter Natur und solche, welche wie Athetose und Epilepsie auf allgemeinen
Functionsstörungen der Hirnrinde beruhen. Die Meningocele spuria ist keine eigent*
lieh chiroi^ische Erkrankung, sondern bezüglich des weiteren Verlaufs in erster
Linie eine Erkrankung des Gehirns, deren Symptomencomplex nahezu völlig dem der
cerebralen Kinderlähmung entspricht und der nur sehr selten durch operative Eis*
griffe günstig beeinflusst werden kann.
Die Prognose ist ungünstig, da auch in den leichtesten Fällen mit dem Ent¬
stehen der Meningocele eine intracranielle Verletzung verbunden ist, Epilepsie
wahrscheinlich in keinem Falle bei genügend langer Beobachtungs*
dauer vermisst wird. In allen Fällen von Meningocele spuria kommt nur eise
Behandlungsweise in Betracht: das Tragen einer Schatzkappe gegen äussere Schädlich¬
keiten, die unabsehbare Folgen nach sich ziehen können. — Bei ihrer gotacbtlicben
Beurtheilung müsste man sagen, dass chronisch entzündliche Vorgänge im Gehirn,
die bisher schleichend verliefen, durch ein Trauma Epilepsie herbeiznführen vermögen.
K. Pfeiffer (Cassel).
Pathologie des Nervensystems.
7) Sensory aphasla with aeotor-shaped homonymoua defeot of the field
of Vision: a study in looalisation, by W. Ernest Thomson. (Edinburgh
medical Journal. 1897. Mai.)
Öljähr. Pat. leidet seit 8 Monaten an ÄnAllen von sehr heftigem Kopfschmen
mit Erbrechen, die von allgemeiner Atgeschlagenheit gefo^ sind. Nach einen
solchen Anfalle treten deutliche Symptome von amnestischer Aphasie und Faraphasi«
auf, ferner partielle Bachstabenblindheit; Copiren und Dictatsebreiben ohne SÜmng
keine Worttaubheit. Der auffallendste Befund wurde bei der Prüfung der Gesichts
felder erhoben. Es fand sich nämlich ein homonymer sectorenförmiger Defect in dei
rechten oberen Hälften beider Gesichtsfelder, deren stumpfer Endabschnitt rechts bi
zum 5.^ links bis zum 10.° vom Fixirponkt reicht. Bemerkt sei, dass Pat. Übe
Sehstömng nicht kh^^; es ist daraus der Schluss zu ziehen, dass es eich hie
nicht etwa um den Uebeirest einer ursprfinglichen homonymen Hemiopie handelt, d
eine solche auch snbjective Störungen voraussetzen lässt, sondern dass die jedenfall
central bedingte Affection von vornherein grösseren Umfang nicht gehabt hat.
Verf. ist geneigt, zwei Herde anzunebmen, einen älteren, der die Seh*, un
einen jüngeren, der die Sprachstörung verursacht hat Ueber seine weiteren dit
gnostischen Bemerkungen sei auf das Original verwiesen.
Martin Bloch (Berlin).
..-vGooglc
215
8) ÜB OM de Burdite verbele pure teminöe psr aphaaie BenBorielle Buivi
d’aatoprie, per J. D^jerine et P. Serieux. (Comptes reod. de la socidtd de
bedo;. 1897. 18. ddcembre.)
Der von des Verff. beschriebene Fall von „reiner Wortstummheit“ schliesst eich
wwiger bisher beschriebenen Fällen dieser Erhranknng' an (Licbtbeim, Pick,
S^rieox, Ztebl), unterscheidet sich jedoch von ihnen dadurch, dass hier zum
cntoi Male eine genaue makro- und mikroskopische Untersuchung des Central-
MfrensystemB statt finden konnte. — Die betr. Patientin wies 5 Jahre hindurch
(1887—1892) die Symptome „der reinen Wortstummbeit“ auf: Integrität des spon-
taMs SpreehTenn^^gens, Unfilhigkeit Gehörtes za wiederholen, Fähigkeit spontan zu
idreiben und zu eopiren, Unfähigkeit nach Dictat zu schreiben, Fähigkeit laut zu
Ittca. — Im Jahre 1892 begannen non einige Symptome sensorischer Aphasie sich
Rttiod XB machen, Paraphasie und Par^rapbie, nnd diese Erscheinungen steigerten
Bcb sdihesdich xnm TöUigen Verlust des Schiiftverständnisses, zugleich nahm die
Ixtelligeiiz and das Hörvermögen ab. — Die Kranke starb 1895 im Alter von
05 Jahr«L
Bei der Seetion fand sich eine beiderseitige hochgradige Atrophie der Schläfen-
tipp» and zwar waren die obersten Windungen am meisten betroffen. — Das
nize ftbrige Gentralnervensystem, insbesondere die Stimwindungen und die Insel
*im abeolnt intact
Bei der mikroskopischen Untersuchung der Binde der Schläfenlappen erwies sich
die Atrophie vorwiegend als eine celluläre, und zwar betraf sie hauptsächlich die
im BMisten peripherisch gelegenen Schichten. Die Zellen sind theils verkleinert,
tkäls völlig geschwunden, Nenroglia und Kerne vermehrt Insbesondere sind die
UnscD PTramidenzellen au^lend spärlich. Die Gefösse and die Pia mater sind
vwdickt, die Badialfasem an Zahl vermindert
Dieee Krankengeschichte ist nach verschiedenen Richtnngen hin interessant und
lekrTeidi. Zunächst wird hierdurch definitiv bewiesen, dass die „reine Wortstumm*
bet“ eine Bmdenerkranknng ist und zwar eine Poliencepbalitis chronica des Schläfen-
lappeea. Ferner zeigt der Sectionsbefund, dass die surditd verbale pure auf eine
Erkrankung der Hörsphäre znröckznfflhren ist, und nicht wie Lichtheim u. A.
agokommen hatten, auf eine LeitungsnuterbrechuDg zwischen dem Hörceutrum und
dem Worterinnenmgscentrum.
fine genauere Beschreibung des eigenthOmlichen Falles, besonders im Hinblick
asf die interessanten Beziehungen, welche sich hier zwischen der surditö verbale, der
«eBBiriscfaai Aphasie nnd der Taubheit entwickelten, wird in Aussicht gestellt
W. Cohnstein (Berlin).
9) üebar gevrinee, den aphMlBohen analoge Störungen des musikollBOhen
AoedmckBvermj^enB, von Enaner. (Deotsche med. Wocbenschr. 1897.
Hr. 46.)
fine SOjäbr., mit Horbas Basedowii behaftete, hysterische Patientin, welche für
■aeik gr oo B o s Interesse und hohe Beßbignng besass und darin eine sehr gnte Aus-
MMog genossen batte, verlor plötzlich in einer Hacht das Gehör für Töne und
■rmkalieche Klangbilder, nachdem sie am Tage vorher noch normal musicirt batte.
Aa OhreusaoBen schlossen sich Schwindel, Wftigkrämpfe, Kopfschmerzen, AnflUe von
Bcwesstlosigkeit ohne voranfgegangene Aura, ziemlich etarke Schwerhörigkeit (L > B)
snd Seblafloeigkeit Häufiges Ohrenklingen, das meist in Hören von Melodien Ober-
ging. — Sprach eine Person allein zu ihr, so konnte Pat. sie zeitweilig verstehen;
spndteo mehrere, so hörte sie ein unbestimmtes Geränscb. Wie die Untersuchung
«rgab, wam verloren: das Tonklangverständniss, das Hoteuschriftverständniss, das
Utariningea, das Hotenschreiben nach Gehör und Absingen von Noten, erhalten:
Dg ii/od oy GoO^ Ic
216
das ScbreibSD von Kotenschriftzeichen u. s. w., das Notenabschreiben, das willkQrUcne
Singen.
Es handelt sich nach dem Verf. am einen reinen Fall von sensorischer Amuaie,
von Musik oder Tontanbheit; die Beobachtung weist hin auf die grossen Änalogieen
zwischen Sprachvorgängen (Articulation, sprachliche Aeusserung, graphische Dar*
Stellung) und den musikalischen Functionen (Darstellung und Aufnahme musikalischer
Töne und Klänge, schriftliche Wiedergabe derselben).
„Es werden vom Individuum im Gehirn die antüogen Centra und Leitui^bahuen
ebenso eingeübt für die Sprachvo^änge u. s. w. wie für die musikalischen Functionen.“
Der Eintritt der Gehörstörungen erinnert an den Heniöre’schen Symptomen-
complex. Verf. ne^ dazu, das ganze Krankheitsbild einheitlich aufzufassen als
Intoxicationsneuropsychose in Folge Parafunction der Schilddrüse.
Die Details der Krankengeschichte mnd im Originale nachzulesen.
B. Pfeiffer (Cassel).
10) Beitrag zur Delire der amneetisohen SpraohstÖrungen, nebst Barner*
kungen über Spraohstörongen bei Epilepsie, von Dr. E. Bischoff.
(Jahrbücher für Psychiatrie u. Neurologie. Bd. XVI.)
Verf. geht bei seinen Ausführungen von folgendem Falle aus:
Ein indirect nenropathisch belastetes Kind hatte mit Jahren Fraisen, erlitt
mit 2 Jahren eine Himerscbütterung und machte im 5. Lebensjahre die Blattern
durch, es erkrankte im 6. Lebensjahre an anfallsweise auftretenden Zuckungen im
Gesiebte, vorwiegend rechts, und im 10. Jahre an Schwindelanfallen, welche allmäh¬
lich in epileptische Krampfanfälle übergingen; diese waren wieder vorwiegend in der
rechten Gesichtshälfte und im rechten Arm localisirt; später kam es zu allgemeinen
epileptischen Convulsionen, die zeitweise Üblich auftraten und dann zu Dämmer¬
zuständen führten. Im 15. Lebensjahre stellte sich im Anschlüsse an einen Status
epilepticus eine seither durch 2 Jahre bestehende Sprachstörung ein; dieselbe besteht
iu bedeutender Einschränkung des Wortschatzes und dem Unvermögen, Gegenstände
zu benennen, sowie in einer Störung des Dictatschreibens und des Lautlesens, während
das Verständniss der Sprache und der Schrift, die Fähigkeit zu agiren und nacb-
znsprechen intact sind. Ausser dieser als amnestische Aphasie bezeichneten Störung
findet sich keine Abnormität im Gebiete der Hirn- und Extremitätennerren, das
Gedächtniss, die Intelligenz sind nicht grob gestört, Gesichtsfeld und Sehschärfe
sind normal
Verf. stellt nun die Frage, ob diese Aphasie functioneU oder organisch be¬
gründet sei und wohin dieselbe zu localisiren wäre. Auf Grund einer Durchsicht
der Litteratur kommt er zur Aufstellung folgender Sätze: Amnestische Aphasie kommt
sowohl bei Läsion des motorischen, als des acustiseben Spracheentrums, als auch
der optischen Centren vor. Dass amnestische Aphasie bet Läsion des Klangbilde-
centrums oft vorkommt, beruht darauf, dass mit dem Klangbildecentrum zugleich oft
auch das optische Centrum oder seine Verbindungsbahnen znm Spracheentmm zerstört
werden. Zwei Fälle der Litteratur mit totaler Zerstöroi^f, im ersten Falle der
linken 1. und 2. Schläfenwindung (Girodean), im zweiten Falle der rechten 1. und
2. Schläfenwindung und der linken 1. Schläfenwindnng (Pick), in welchen voll¬
ständige Worttaubheit ohne amnestische Sprachstörung bestand, beweisen, dass am¬
nestische Aphasie bei Läsion des acustischen Spracheentrums nicht vorzukommen
braucht, wenn die optischen Centren und Bahnen, sowie das motorische Spracheentmm
intact sind. Bezüglich der amnestischen Aphasie bei Läsion des motorischen Spracb-
centrums weist Verf. nach, dass dieselbe einen leichten Grad der motorischen Kern-
aphasie darstellt Dies geht daraus hervor, dass sie sowohl bei partieller Läsion
des Üentrums als auch während der Ausheilung anfänglich totaler motorischer Kem-
D. . vGoogIc
217
beobachtet wurde. [>ie amnestiscbe Aphasie bei Läsioo der optischen Centren
ni ihrer Bahnen deckt sich rollständig mit der optischen Aphasie.
IHeee Befonde sind geeignet, die bisher von mehreren Seiten noch aufrecht er-
Uteaen Ansichten betreffs der Aphasie etwas za modificiren, und zwar weisen sie
duzaf hin, dass erstens nicht immer das Klangbildecentrum unerlässlich zn allen
S]ffichfattction«i ist, sondern dass auch ohne Elangbildecentmm das Sprechen in
Baaehen Fällen normal von statten gehen kann, and dass zweitens die Art einer
Spachstörong nicht allein von der Lage der Läsion, sondern auch von dem Grad
Bsd der Intensität derselben abhängig ist Man kann im Anschluss an Bastian
3 FenctionsarteQ der Spracbceptren schematisch unterscheiden:
1 . eine reflectorische, z. B. das einfache Nachsprechen gehörter Worte,
2. eine innerhalb des Sprachcentmms selbst associativ ansgelöste, z. B. das
Hersag« geläufiger Wortfolgen.
3. mne spontane, welche durch associative Voigänge mit dem flbrigen Vorstellungs-
cmplex aasgelöst wird.
Die ers^enannte ist die einfachste, die letzte die schwierigste Function. Durch
cifie gminge Läsion wird nur diese schwierigste Function gestört, and daraas entsteht,
«CBO die Läsion das motorische Sprachcentrnm betrifft, die amnestische Aphasie,
vekhe Yerf. mit der transcorticalen motorischen Aphasie fflr identisch halt.
Diese Theorie ist geeignet, die verschiedenen Formen der suh* and transcorti-
ciUa Aphasie za erklären, ohne anatomisch nnmöglicbe Localisationen anzonebmen.
Auf die fnnctionellen Sprachstöningen Qbergehend, weist Yerf. aus der Litteratur
aaclii, dasB diese daoemd nur in Form vollständiger Sprachanföbigkeit, z. B. Hysterie
«wfcoBiiien, transitorisch aber r^elmässig in Begleitung motorischer and sensorischer
Lähmaogseracheinangen anftreten, was zeigt, dass über grosse Himabscbnitte aus-
S^reitste fosetioneile Störungen Ursache dieser Apbasieen sind. Das E^ebniss der
Üiv nnr flöchtig skizzirten Uotemehmangen zwingt ffir den Fall des Aators znr
tnihme einer organiacben Erkrankung, aller Wahrscheinlichkeit nach innerhalb oder
ia Biester Bachbarsebaft des motorischen Sprachcentmms. Dafür spricht auch der
BsgiBD der Erkrankung mit Krämpfen in der rechten Gesichtshälfte und im rechten
Am. — Znm Schlosse stellt Yerf. die bei Epilepsie bisher beschriebenen Sprach*
stäimgeo zosammen und führt in einem Litteraturverzeichniss die wicbt^ten Arbeiten
ühm aainestiacbe Aphasie, über functionelle Aphasieen nnd über Epilepsie mit
Aphasie an. Redlich (Wien).
11) Fall af aflaai samt emboli af arteria meeenterloa auperlor, af Dr.
Köster. (Hygiea. LII. 1897. S. 219.)
Btt einer 53 Jahre alten. Frau war nach einem apoplectischen Anfall vor
5 Jahieo imseh vorübergehende Parese der rechten Glieder beobachtet worden, und
Spnehstönmg, die fortdanerte, mit Abnahme des Gedächtnisses. 8 T^e vor der
hatte sie plötzlich heftigen Schmerz im Unterleib bekommen. Wenn sie
redea wollte, quoll ein Strom von Worten mit vielen Wiederholungen hervor, oft
«hat directen Zusammenhang mit dem, was Fat. sagen wollte. Es schien sich um
öe Art von amnestischer Aphasie zu handeln (obwohl Pat. zu wissen schien, was
■e agao W4^te, konnte sie nicht die rechten Worte finden), sowie um nicht an-
tiedeutande Paraphasie; Worttaubheit schien nicht vorhanden zu sein. Pat. coUabirte
oi starb an Embolie der Art mesenterica superior.
B« der Section fand sich ln der Gegend der Fossa Sylvii keine Einsenkung in
die Hiramasae, wo der Baum zwischen Pia und Gehirn von klarer Flüssigkeit erfüllt
war. Dieae Höhle, die sidi von der Grenze zwischen dem vorderen and dem mitt-
Drittel des“ Temporallappens nach hinten bis gegen den hinteren Band des
OcdpitallappaDS erstreckte nnd ung^br 1 cm tief und 1^/^ cm breit war, war durch
DiQ'iii’od
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218
eine totale Atrophie der hintereD zwei Drittel des Gyrus temporalis primas nod die
mittleren Theile der an der äasseren Seite des Gentrallappens gehenden Gyri gebildet;
auch die unteren Theile der Insula waren atrophich, dagegen waren gesund und
uDverändert der Gyrus temporalis secundos, der Gyrus angularis und supramarginalis,
die Centralgyri und der Gyrus frontalis tertins. Das Centrum f&r die Klangbilder,
dessen Zerstörung Worttanbbeit hervomift, war also zerstört, w&brend die 3. Stirn-
Windung vollständig intact war. Nur die Paraphasie findet genügende Erklärung
durch die Läsion der Insnla und der 1. Temporalwindnng. Ausserdem ergiebt sich
aus diesem Falle, dass die Sebcentra in der inneren Fläche dm* Occipitallappen zu
suchen sind, denn ein grosser Theil der äasseren Fläche war zerstör^ ohne dass
irgend welche Sehstörungen vorhanden gewesen waren.
Walter Berger (Leipüg).
12) A hangkdprd körpontok körtana (Pathologie der Laut bildenden
Oentren), von A. Önodi. (Hittheilung der ung. Akademie der Wissenschaften.
1897.)
Die vielfachen Untersnchungen des Yerf. an Tbioren führten zu der Brkenntniss,
dass bei Thieren ausser des Rindencentrums noch ein „subcerebrales" Centrum auch
vorhanden ist. Dieses Verhalten erklärt, dass die Lautbildung auch nach der Zer¬
störung der Binde möglich bleibt, ferner erklärt dieser Umstand wi^o die Destmc-
tion des oberhalb des Vagusaustritts bis znr Vierhügelgegend reichenden Theiles die
Lanthildong aufhebi So bestimmt auch diese Verhältnisse im Thierexperimente sich
nachweisen lassen, decken sie sich nicht vollkommen mit den bisherigen Beobachtnngen
an Menschen. Doch ist das Material der pathologischen Erfahrungen an Menschen
noch sehr nngenügend und viel zu wenig zahlreich, als dass man die Gesetze der
cerebralen Lähmungen der Stimmbänder schon jetzt definiren könnte.
Jendrässik (Bndapeet).
13) Dn mutisme ohez renftmt qoi entend, par Boyer. (Arcb. de Neurol.
Vol. IV. 1897.)
Bei einem Kinde mit normalem Gehör kann ans verschiedenen Ursachen die
Entwickelung der articnlirten Sprache eine Verzögerung erfahren, es kann sogar die
Ausbildung derselben ganz unterbleiben 1. Ln Folge einer physischen Schwäche,
2. durch Schwäche der Intelligenz, 8. durch vorübergehende oder danemde nerröee
Störungen, 4. durch Heredität, 5. durch locale Erkrankungen des Articolations-
apparats.
Der Verf. berichtet über einen Fall dieser Art Es handelt sich um einen
10 jährigen, geistig nnd körperlich sehr zurückgebliebenen Knaben, der bei intactem
Gehör anscheinend vollständig stnmm war, bei dem es aber gelang, durch geeigneten
Unterricht die articnlirte Sprache zu entwickeln. Der Knabe wurde als taubstnmm
zngeführt. Die Taubstummheit war nach Aussage der Eltern im Alter von 2 Jahren
im Anschluss an Convnlsionen anfgetreten. Vor dieser Krankheit hatte das Kind
kaum einige Worte sprechen können.
Gleich bei der ersten Untersnchnng stellte eich nnn hersns, dass das Kind
hörte, ja sogar einige einfache Worte verstand, es gab aber nur durch Gesten oder
dnrch unverständliche Töne Zeichen, dass es hörte nnd verstand. Der Knabe war
also stnmm, aber nicht taub.
Die initiale Ursache des Mutismns und des Zurückbleibens der geistigen Ent¬
wickelung war zweifellos eine cerebrale Läsion; insbesondere dürften es wohl die
Functionen der Aufmerksamkeit und des Gedächtnisses gewesen sein, die gelitten
batten, welcher Umstand ohne Zweifel ein Hindemiss für die Entirickelnng der
DiQ'iii’od
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219
5KhikaiiDg8nUu(^keit war. Da nun die imitatorische Fähigkeit zur Krlemong der
^neke aabedingt DÖthig ist, so ist es klar, dass der Knabe, obgleich er normales
0^ hatte, die articolirto Sprache nicht erwerben konnte. Die Intelligenz des
Sosbot war non, wenn auch verringert, so doch derart, dass man hoffen konnte, dem
Ftt. donh geeigneten Unterricht die Fähigkeit, sein Qehör zu gebrauchen, wieder-
pbtt 10 können und ihm damit die Erlemnng der articulirten Sprache zu ermög-
bckoi. yielleieht war es auch möglich, zugleich hierdurch die Intelligenz des
Kubtt 20 fördern, da die Entwickelung der geistigen Fähigkeiten zweifellos durch
iu Mingel der Sprache gehemmt war.
Der Verf. beschreibt nun eingehend die Methode seines Unterrichts. Der Knabe
mrde, wie die Tanbstummen, znnächst präparatorischen Uebungen unterworfen, die
da Zveek hatten, ihm den Oebranch der visuellen Aufmerksamkeit beizu-
hogfo ood die Fähigkeit der Nachahmung ttben; dann wurde die Entwickelung der
iiditiven Aufmerksamkeit versucht Diese Uebungen ergaben alle ein günstiges
faultat; do' Knabe lernte anfmerken, bekam Oedächtniss und Verständniss. Nun
urde die Eriiehnng der zur Sprachbildnng dienenden Organe vorgenommen. Das
fdttg TRiaÖge der bei dem Unterricht der Taubstummen angewandten sog. „oralen**
IttMe; zuvor war es aber nöthig gewesen, die Zungen- und Lippenmnskulatnr,
de b« den Knaben sehr schwach entwickelt war, durch Oymnastik zu stärken.
Ab/ diese Weise wurde, nach 2jähriger Unterrichtsdauer, erreicht, dass der Knabe
iB nrtiältnissinässig recht zufriedenstellender Weise articulirt sprechen konnte. Wie
utnouen war, trat zugleich mit der Beseitigung des Mntismus eine erhebliche
ot^seto^e BasMrong ein; der Knabe fing an zu lesen und zu schreiben.
Der Verf. betont, dass der Unterricht bei dem Knaben noch keineswegs beendet
iariwsoodere ans dem Omnde, weil die auditive Fähigkeit bei ihm noch nicht
ii aomaler Weise zur Ausübung kam; der Knabe hörte wohl ganz gut, wenn man
eit ihs direct sprach, er war aber noch nicht im Stande zu hören, wenn nicht
direct Bit ihm gesprochen wurde; die „andition indirecte", die für die Ausbildung
dff Sisaehe sehr wesentlich ist, ging ihm noch ab. H. Weil (Stuttgart).
Id) Observation d’aphaale atattonnaire pendant trente-holt ans, par D.
Broset (Archives de Neurologie. 1897. Angnst.)
iBteressanter Fall von motorischer Aphasie, Atrophie und Wortblindheit, der
vi^d« Krankheitsverlaafs besonderer Würdigung werth erscheint Zn Tronsseau
faa 1863 der damals 25jäbr. Patient. Die Hutter gab an, dass Pat mit 21 Jahren
pUSttlkk mehrere Tage Kopfweb und Kopfschmerzen bekommen hätte. Dann sagte
a n« Tags: „mir wird so eigenthümlich'*, worauf die rechten Extremitäten starr
nrdta Die dann eingetretene Hemiplegie ging sehr langsam und nur gering zu-
rtek; als Tr. den Pat sab, konnte dieser mit Mühe allein gehen und seine Hand
iiv n den gröbsten Uantirnngen brauchen. Die Aphasie war jedoch seit dem Be-
fiuM dieselbe. Seine Intelligenz war sehr gering; er konnte nor Non, maman und
Namen mit der linken Hand schreiben. Er hatte wohl Lost am Kartenspiel
Qd ergriff auch hie und da ein Bach mit scheinbarem Interesse; dieses schwand
^ Mkr bald ond Pat starrte nur anf die Buchstaben.
Aof die aasführlichea Notizen von Tr. gestützt, beobachtete Terf. den Pat
nhw und konnte bis zum Tode im Älter von 59 Jahren (an Pleuropnenmonie) —
^ während 34 Jahren — keine Bessemng der Aphasie constatiren. Sie war sich
gleich geblieben.
In den letzten 16 Jahren hatte Fat. mit der linken Hand noch zwei Worte
jsdocb verkehrt geschrieben, statt FraD 9 oi 8 — Fraieu oder Frands ond statt
^^^*wtte — Brontive. Die Intelligenz war geschwächt, er hatte kindliche Ideeen
^ Inehte oft ohne Qrond.
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220
Bei der Seetion fand sicli ein alter Herd in der linken Hemisphäre, welcher
sich von der dritten Occipitalwindong bis zur dritten Frontalwindung erstreckte und
die letztere nebst den Centralwindungen und die untere Parietalwindung in sich be«
griff. Der Unterschied des Uewichts der Hemisphären betrug 250 g (rechts 575,
links 325). Das ganze Oehim wog nur 1063 g.
Der interessante Aufsatz schliesst mit einer Besprechung der Broca’schen An¬
sicht, des vicariirenden Eintretens der anderen Hemisphäre, was in diesem Palle
während 38 Jahren nicht eii^etreten war. Adolf Passow (Strassbnif i./E.).
16) Troubles moteurs prdoddant rartloulatloii de la parole ohes an de-
gdndrd, par Planst (Arch. de Nenrol. Vol. II. 1896. Nr. 10.)
Bei dem 19jäbr. Patienten, der mannigfache Zeichen der geistigen Entartung
darbot, war im Anschloss an eine heftige Qemflthsbewegnng Stottern an{getreten.
Kurz nachdem sich diese Affection eingestellt batte, trat eine andere anf, die eng
mit der ersteren verknäpft war. Es zeigten sich stets kurz beror Pat. zu sprechen
ao6ng, eigenthümliche Krampfe, die zunächst die Gesichtsmoskulatar betrafen, dann
auf die des Halses, der Brnst und der Extremitäten Übergriffen. Im Gesicht Mieben
die Krämpfe tonisch, während sie am Übrigen Körper zuerst tonisch, dann clonisch
waren. Der Verf. weist darauf hin, dass diese Krämpfe in Bezug auf ihre Aus¬
breitung mit der Jackson’schen Epilepsie Aebnlichkeit haben, er betont aber zu¬
gleich, dass es sich in diesem Falle nicht um letztere Erkrankung handelt. Er ist
vielmehr der Ansicht, dass eine Art von „Tic** vorliegt, der mit Stottern complicirt
ist, zwei Affectionen, die bei Degeneration nicht eben selten sind.
H. Weil (Stuttgart).
16) Hysterloal mutiam and other ftmotional speeoh d^eots, bj Charlton
Bastian. (Lancet 1697. 25. Sepi)
Verf. giebt einen Ueberblick über die häufigsten fnnctionellen Formeu der
Aphasie. Er fasst dabei den Begriff „functionell** erheblich weiter, als es sonst ge¬
schieht Er unterscheidet folgende Fälle:
1. „Irritative Congestion oder Thrombose“ nach geistiger Ueber-
anstrengung oder rheumatischen Einwirkungen (Fälle von Trousseau und Scoresby
Jackson).
2. Kleine Embolien (Nothnagel, Hammond).
3. Gefässkrämpfe (Fall von Daly in Brain, 1887).
4. Exogene Intoxicationen (Ogle, Heymann u. A.).
5. Infectionen und constitutioneile Intoxicationen, wieTyphns, Malaria,
Puerperalinfectionen, Diabetes, Gicht Verf. nimmt an, dass in diesen Fällen bald
leichte oder vorübergehende Thrombose von Bindengeßssen, bald spastische, durch
das Gift bedingte Gefässcontractionen, bald directe Schädigungen der Bindenelemente
vorliegen.
6 . Vor oder nach epileptiformen Anfällen vom Typus derJackson*-
schen Epilepsie. Hierzu theilt Verf. einen eigenen Fall mit, der unzweifelhaft
als Dementia paralytica aufzufassen ist.
7. In Verbindung mit „Geistesstörung, Katalepsie und Ekstase.“
8 . In Folge starker Affecte (Schrecken u. s. w.). Hierher gehört z. B. je
ein Fall von Kussmaul, Popham und Todd.
9. Beflectorisch bei Neuralgieen, Helminthiasis u. s. w. Die Fälle won
Aphasie bei Kothstauung im Dickdarm (Jones, Mattei) führt Verf. auf Auto-
intoxication zurück.
10. In Folge hypnotischer Suggestion.
11. Bei Hysterie.
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221
Die Schilderang, welche Yerf. von der hyeteriscben Stammheit giebt, bietet
aicbts Neoes. Br tbeilt auch kurz eiuen eigenen Fall mit, welcher wegen der
Coid>ination dooischer ConTulsionen nnd p^chischer Erregangszaatände mit transi-
toriadMT Aphasie bemerkenswerth ist Während Yerf. früher die hysterische Stumm«
bdt als eine fonetionelle Leitnngsanterbrecbung der centrifugalen Sprachbahn, also
als sobcerticale Aphasie anffosste, ist er jetzt anf Ömnd des von Banti mitgetbeilteu
Falles geneigt, doch eine fonetionelle Läsion des Broca’schen Rindencentrums selbst
assBBehmeD. Er glaubt, dass zwischen hysteiischer Aphonie und hysterischer Aphasie
air dn gradneller Unterschied besteht. Das Broca'sche Centrum soll aus einem
CwktrnB fOr FlflBterq>rache nnd einem Gentrum für Sprache mit Phonation bestehen;
b«ide denkt er sich natürlich eng verbanden. (Hegen Charcot und mit Wyllie
üBBt er an, dass auch bei der Flflstersprache Kehlkopfinnervationen betheiligt sind.
Esdlkh ist nach Yerf. entsprechend seinen früher geänsserten Anschauungen die
l^sterisehe Aphasie und Aphonie anf eine doppelseitige fonetionelle Erkrankung
das Spraehcendiiins zorOckzuführen. Br bemft sich dabei auf die bekannten Locali«
ashoBSverBnebe von Semon nnd Horsley und Bisien Rossel.
Th. Ziehen.
17) Hemianopaia, wlth espeoial refierenoe to ita transoent varieties, by
Harris. (Brsin. 1898. Antunm.)
Die Arbeit bietet eine gute Uebersicht über alle bisher bekannten Formen und
Farlanfsweisen der Hemianopsie, wenn sie auch im allgemeinen nur die englische
Istterator berücksichtigt Während die bitemporale Hemianopsie sehr hänfig und in
ihrer Entwickelnng klar ist ist die binasale sehr selten. Hamilton will sie einmal
ia einoD Falle von Aortenaneurysma gesehen haben nnd führt sie auf Ueröss«
erkraaknngeD zurück — Bef. sah einmal bei einem Aneurysma des Arcus aortae
bwnontale Hemianopsie nach unten mit entsprechender Atrophie der Papillen. Dass
hä Hysttfie auch homonyme Hemianopsie Vorkommen kann, ist bekannt Yerf.
he weiBt es durch einen sehr klaren Fall. Quadraotenhemianopsie fallt schwer für
die Annahme einer Rindenaffection in die Wagschale, doch kann sie auch bei Läsion
im iuieren Kapsel (ein Fall des Yerf.’s) oder des (Corpus geniculatnm (Henschen)
•xUr der Sebstrahlungen im Hinterbaoptslappen (Bef.) Vorkommen. Dass, wie an-
gegäien, bei BindenaSectionen der Ausfall des Gesichtsfeldes nicht gemerkt wird
(Jmoa nnlle), bei Markaffectionen dagegen Scotome bestehen, stimmt auch nach des
Esf. Erfahrnngen nicht Verf. glaubt dass bei Läsionen des Cuneus zwar subjective
lieht- nnd Farbenersebeinungen entstehen kennten, dass aber beim Zustandekommen
cMqdkirterOT Hallncinationen eine Beizung eines höheren optischen Centmms — des
Öyns aagnlaris — stattfinden müsse; seine Reizung könne von allen Theilen der
3ri>hahw aosgeheu; beweisen kann er natürlich diese Ansicht nicht Beim Eintreten
äner Hemianopsie besteht zunächst häufig Blindheit der anderen Hälfte, oder wenig«
stne Oesiehtsfeldeinengung (Bef.); hellt sich die Hemianopsie wieder auf, so thut
äe das fiut immer vom Centrum zur Peripherie, so dass excentrische blinde Streifen
oder (^nadrantenbemianopsie Zurückbleiben; sehr selten ist es umgekehrt so dass cen¬
trale Scotome fiberbleiben. Bei doppelseitiger Hemianopsie bleibt meist ein centrales
(Seäehtsfdd frei, die Maculagegend des Cuneus muss besonders gnt vascularisirt
aäa (Förster), dementsprechend lässt ancb jede oi^nische Hemianopsie das Macula-
gebiet frei, wägend bei Hemianopsieen durch Erschöpfung, die meist rasch vorüber-
g^mde siDd, die Trennnngsllnie nach Yerf. meist durch das Centrum des Gesichts-
liUm gebt.
Yorübergebende Hemianopsieen bat Yerf. bei Migräne — die er wie Jackson
(b fine sensible Epilepsie hält —, bei Epilepsie, bei Paralyse gesehen, er glaubt
aoi, dass sie bei Urämie Vorkommen wird, ln einem Falle, der zur Autopsie kam,
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222
waren die Krumpfanfäne umschrieben; hier fand sich eine C^ste im rechten Lobnios
quadratus, dicht beim rechten Onnous. Sonst ist bei Jackson’schen Krämpfen
Hemianopsie sehr selten. Dass sie bei Paralyse nach den Anfällen vorkommt, ist
eine längstbekannte Sache. Der citirte anatomische Befund —. Cyste im Lobnlns
quadratus — beweist, dass auch kleine Affectionen entfernt von der motorischen
Zone umschriebene Krämpfe auslbsen können. Brnos.
18 ) lieber doppelseitige homonyme Hemianopsie und ihre b^lettenden
Symptome, von Dr. Karl Kaestermann in Hamburg. (Monatsschrift fQr
Psychiatrie u. Neurologie. Bd. II. 1897.)
Verf. bringt die Krankengeschichten von 2 Fällen von doppelseitiger homonymer
Hemianopsie, von denen er den einen einer genauen mikroskopischen Untersuchung
unterzogen hat. Aus der Litteratur hat er 27 einschlägige Fälle gesammelt, die er
mit den selbstbeobachteten verglich. Es stellte sich heraus, dass sich die Papillen
durchgängig normal verhielten, dass die Sehschärfe bei einer grossen Anzahl von
Fällen völlig ungestört war, dass die Pupillen meisten normal reagirten, und daas
die Function der änsseren Augenmnskeln fast ungestört war. Farbensinn war oft
erhalten, zuweilen nicht zu prüfen, einige Male aufgehoben. Mehrfach fanden sidi
Störnngen des Ortsgedächtnisses und der Orientirung, Seelenblindheit und hemi-
plegische Motilitätsstörungen. Einige Kranke waren dnrcb den Oesichtsfeldauafall
dauernd völlig erblindet; vielfach war der Fixationspunkt mit einem mehr oder minder
grossen Stück vom peripheren Gesichtsfeld erhalten. Das besondere eines vom Verf.
beobachteten Falles ist ein Ausfall des ganzen Gesichtsfeldes mit Ausnahme
einer peripheren, homonymen Gesichtsfeldzone auf der linken Gesichte*
hälfte. Bei diesem Falle handelte es sich zuerst um rechtsseitige homonyme Hemi*
anopsie; in einem späteren Anfalle kam es durch Hinzutreten von linksseitiger
homonymer Hemianopsie zur Erblindung. Mit diesem zweiten Anfall traten Störungen
von Seiten des Ortsgedächtnisses (Ortssinn, topographische Vorstellung, Orientinings*
vermögen) hervor, zeigten sich Symptome von Seelenblindheit nnd kam es zu einem
Verlust des Empfindungs* und Vorstellungsvermögens für Farben. Bei der Section
fanden sich Erweichungsherde in beiden Occipitallappen. Vom Gebiet der
Fissura calcarina waren nur zwei symmetrisch gelegene Stücke am Boden einer jeden
Fissur nahe der Spitze der Uinterhauptslappeu erhalten geblieben.
Verf. kommt durch seine Untersuchangen zu der Ueberzeugui^, dass sich der
Sitz des Sehfeldes in der Rinde der Fissnra calcarina oder ihrer nächsten Umgebung
befindet, dass die homonymen Gesichtsfelddefecte von Erkrankungen der Fissnra
calcarina abhängig sind, und dass Störungen des Ortsgedächtsnisses auf Erkrankung
der Hinterhauptslappen hinweisen. In allen Fällen, in denen dauernd Störungen
des Ortsgedächtnisses vorhanden waren, wurden Herde in beiden Occipitallappen
gefunden. G. llberg (Sonneiistein).
19) Om Hemianopai, af Aage A. Meisling. (Hosp.*Tid. 1697. 4. R. V. 33.)
Unter den 10 Fällen von Hemianopsie, die Verf. mittheilt, betrafen 3 station&’e
laterale Hemianopsie, in 2 von ihnen fehlte Hemiparese, im 3. war sie gleichzeitig
mit der rechtsseitigen Hemianopsie auf der gleichen Seite aufgetreten, schwand aber
wieder, während die Hemianopsie fortdaoerte, ausserdem war vorübei^ehende am*
nestische Aphasie vorhanden gewesen. Im 4. Falle bandelte es sich nm Hemianopsia
fugax altemans ohne Nervenerscheinungen. Im 6. Falle hatte der Fat. mehrere
Jahre früher an Augenmuskelparesen (Rectus, Trochlearls) gelitten, später an
Trigeminusneuralgie mit Neuritis uervi optici und bekam eine vorübergehende Hemi*
parese der linken Glieder mit vorübergehender Hemianopsia dextra. Der 6. Pat.,
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323
«a 64 Jihre alter Hann, batte schon 2 Mal Anftlle von rechtsseitiger L&hmnng
gehabt, ff litt an wiederkebrender Hemianopsie der rechten Seite auf beiden Angen,
G«»ABaek88t6rQDg nnd Herabsetzung der Sensibilität an der rechten Körperhälfte.
Tolbtüdige bemianopiscbe faomonjme Farbenblindheit fQr Roth, Grfln, Blan und
(Mb in liaken Sehfeld bestand im 7. Falle; die Störung ging zurück, nnd als die
Fodion der linken Sehfelder fast vollständig wieder hergestellt war, trat plötzlich,
l^nehtaiäg mit SensibUitätsstörungen an der rechten Körperhätfte und Schwäche in
ln nditen Gliedern, Farbenblindheit auf einem begrenzten Theile der rechten Seh*
fildhüfte auf beiden Angen auf. Im 8. Falle bestand ein fast vollständiger Defect
ia ontffeD linken Quadranten der Sehfelder beider Augen, mit scharfer Abgrenzung
B <kr Tffticalen, weniger schärfer in der schrägen Richtung; der Befund war noch
md 13 Monaten derselbe. Im 9. und 10. Falle handelte es sich um temporale
Hffiianopaie mit genauer Begrenzung des Defectes in der Mittellinie, im 10. Falle
skh dieser Befnnd 10 Jahre lang unverändert. In beiden Fällen war erst das
m, dasB das andere Auge ei^rüfen worden, in dem 9. Falle fand sich ausserdem
laAelpareee am linken, im 10. Atropbia nervi optici am rechten Auge.
Bei den homonymen Hemianopsieen waren Blutungen, eventuell Embolien als
CoKhe angenommen worden, im 5. und 7. Falle konnte Himgeschwulst nicht ganz
uaer ieht gelassen werden, nur im 4. Falle handelte es sich jedenfalls nur um
•b faBctümeUes Leiden. Walter Berger (Leipzig).
U) Bt TteflUde af bitemporale hemianopiake Skotomer, af Prof. Knud
Pontoppidan. (Hosp.-Tid. 1897. 4. R. V. 48.)
Bin 34 Jahre alter Gigarrenmacher, der an wesentlich im rechten Trigeminus
nd in bffden Occipitales m^. localisirten Neuralgieen litt, hatte seit 4 Jahren
•OMr häufiger werdende Anfölle von Schwindel, Kopfschmerz and Erbrechen. Tor
iVj Jahren batte eine Angenuntersuchung Neuritis nervi optici retrobulbaris mit
ScvtcBMu ergeben. Der Kopfschmerz wurde sehr heftig; neben den neuralgischen
noch Mn diffnser, tief sitzender vorhanden. Die Schwindelantälle waren manchmal
kunam Terlost des Bewusstseins und Contraction in den Extremitäten begleitet.
Die äi^pfel prominirten etwas, zeigten aber weder Schmerz bei Druck, noch ver>
Mhrte Spannung. Die Angennntersucbung erwies die Scotome als heteronyme laterale
teaii ao|äsche Sehfelddefeete, später ei^b sie bannende Atrophie des temporalen
Tbais 4er rechten Papille, Röthni^ und verwischte Begrenzung der linken. Nach
5 Monaten (im Api^ 1894) bestand Abducenslähmung anf der linken Seite,
lisch Tritereo 2 Monaten war die rechte Pupille grösser als die linke, das Seh-
^vwbgra war zu Zeiten bis auf Lichtempfindung erloschen, die rechte Papille war
weiss, die linke begann bei noch bestehenden Stauungserscheinungen an
^ tiffponlen Mte weiss zu werden. Im September bekam Pat. einen Anfall mit
fraehUftng des linken Arms, Zockungen in der linken Gesichtshälfte, Unfähigkeit
n ^^ich«i und anfreiwilligem Harnabgang. Solche Anfälle wiederholten sich häufiger,
Za^ngeo in den Gliedern bald links, bald rechts anftraten. Die Sehnerven-
wurden vollständig weiss. Pai versank immer tiefer in Demenz und starb
m l.Jzaiiar 1896.
Bm der Seetion fand sich eine etwa wallnussgrosse Geschwulst (Sarcom) an der
^ cerebri, sich vom vorderen Ende des Pons bis zum Chiasma nervosum opt.
*^kend, in der die Corpora candieantia ganz, und die Tractus optici, namentlich
te hake, theilweise aufgegangen waren, beide Nervi optici, namenüioh der rechte,
in der Nähe des Foramen opticum stark abgeflaoht und ateophisch. Die
*^wulst eretreckte sich bis zum Boden des 3. Ventrikels, dessen vorderen Theil
Meamahm, inflltrirte die Commissura anterior und media und drängte die Colamnae
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224
fornicis zur Seite; bis zo den grossen Ganglien reicht sie nicht, obtorirte aber das
Foramen Monroi. Ausserdem bestand chronischer Hjdrocephalns intemns.
Walter Berger (Leipzig).
21) Contribato oUnioo ed anatomioo allo Studio del oistioeroo del cer-
vello umano, per G. Gianni. (Riv. speriment. di Freniatria. 1897.)
Krankheitsgeschichte eines hereditär nenropathisch belasteten Mannes, der von
Kindheit an an Krämpfen litt Diese verschwanden im 20. fiObensjabr für ungefähr
10 Jahre und traten in langen Intervallen wieder anf. Zwischendurch Anfälle von
Geistesstörung charakterisirt durch zahlreiche schreckhafte Gesichts* und Gehörs«
hallucinationen und durch Tobsucht. 5 Tage vor dem Tode trat ein Krampfanrall
von ungefähr 1 Minute Dauer anf, der Kranke verlor das Bewusstsein und erlangte
es nicht wieder. Die Anfälle wiederholten sich -in fast nnunterbrochener Aufeinander¬
folge bis 24 Standen vor dem Exitus.
Sectionsbefund: Anf der Oberfläche der Hemisphären zahlreiche, mit trQber,
gelatinöser FlQssigkeit gefällte Cysten von der Grösse einer kleinen Nuss and die
graue Binde der ganzen Tiefe nach dnrchsetzend. Einige Cysten hatten im Centrum
einen kleinen schwarzen Körper. Eine ungeheuere Anzahl gleicher Cysten in den
Muskeln der oberen und unteren Extremitäten, Bauch* und Brustorgane fi«i. Es
handelte sich, wie auch der mikroskopische Befand bestätigte, um Cysticercus
cellnlosae.
Das Krankbeitsbild war vollkommen das der genuinen Epilepsie, später mit
psychischen Degenerationen. Dass eine solche Vorgelegen, bestreitet Verf. Die Ur¬
sache des beobachteten Symptomencomplexes waren die Cysticerken, die Epilei^ie
also der gewöhnlichen Eintheilung folgend eine symptomatische. Der Fall zeigt nach
des Verf.’s Meinung wiederum die Unhaltbarkeit der Scheidungen der epileptiscben
Erkrankungen in genuine, symptomatische n. s..w. Valentin.
22) Sulla flaiopatologia dei lobi prefrontali del oervello, per Dr. A.
Christian!. (Manicomio. XIII. Nr. 1—2.)
24jähr. Mann, stets gesnnd, niemals syphilitisch gewesen, nicht belastet, kein
Alkoholiker, erlitt durch einen am Ende zngespitzten Balken eine Schädelverletzuug,
durch welche, ganz wie bei einer Craniectomie, im Bereich der linken Frontoparietal-
g^end von vom nach hinten ziehend, ein Stück Knochen nebst der damnter befind¬
lichen Hirnhant und Hirnrinde, ohne die weisse Substanz at^etragen wurde. Die
Wunde war. 8 cm lang und 3 cm breit und die Rindenverletzung entsprach dem
hinteren und mittleren Tbeile der ersten und zweiten linken Stimwindnng; im un¬
mittelbaren Anschluss an den Unfall leichte vorübergehende Commotio cerebri. Der
Verletzte erlangte alsbald das Bewusstsein wieder und erschien bis auf die Wunde
selbst ein völlig gesunder Mensch. Erst eine Stunde nachher ein Anfall von „psy¬
chischer Epilepsie“: Pat. glaubt, bei der Vorbereitung zur Operation, beim Anblick
der Instrumente u. s. w., man wolle ihn umbringen, und gerieth unter dieser Vor¬
stellung in völlige Tobsucht; gewissermaassen ein Verstandsdelirinm mit hoebgradigfw
emotiver und motorischer Beaction, ohne Sinnestäuschungen und Illusion; als der
chirutgische Eingriff beendet und die bei demselben nothwend^f gewesenen mechaniachen
Zwangsmittel abgenommen waren, wurde der Pat. wieder ruhig, bot aber noch lan^e
Zeit eine auffallende Urtheilsschwäche bezf^lich der Gefährlichkeit seiner Verletzung,
so dass er z. B. mit einem Heftpflaster puf der Wunde wieder nach Hanse gehen
wollte; ferner eine merkwürdige furchtsame, ängstliche Anpassung seiner Umgebung,
nicht nur während seines anfänglichen Aufenthalts im Einzelzimmer (unter beet&n-
diger Aufsicht eines Wärters), sondern auch noch später als er in einen Krankensaal
- ,Google
225
Tdegi worden, xmgeaclitet dessen, dass er schon Mher einmal als Patient in diesem
durargiscben Spital gewesen nnd dasselbe geheilt und zufrieden verlassen hatte.
geedlte sich daza und trat ganz in den Vordergrund eine allmählich zu-
iMbaende geistige and gemüthliche Stumpfheit, Gedächtnissschwäcbe und verminderte
EBteehluseßhigheit. 3 Monate dauerte dieser Zustand an, dann erfolgte eine ziemlich
»dmeU vor ach gehende Rflckkehr der einzelnen Seelenvermögen und schliesslich
völlige geistige 'Wiederherstellung auf den Status quo ante mit Krank-
bötBänsieht. Stdmngen von Seiten der Sprache, Motilität, Sensibilität und Sinnes-
«gue, sowie der Reflexe waren während der ganzen Beobachtungszeit nicht auf-
noch nicht solche von Seiten der Blasen- nnd Hastdarminnervation, des
Pols« nnd der Athmnng. Die linke Pupille war andauernd etwas weiter als die
redte. Keine Krämpfe.
Die Yerletznng war durch keinerlei Hämorrhagie, Entzündung u. s. w. compiicirt.
Die Behandlang beschränkte sich auf antiseptische Verbände, unter welchen die
Funbemie si^ znrfickbildete und mit einem festen pnlsirenden Narbengewebe be-
4eekte.
Da Fall hat die Bedeutung eines Experiments. Wahrscheinlich haben die
«tsprechenden Partieen der rechten Hemisphäre den Ersatz der verloren gegangenen
hiksBätigen flbemommen. Bresler (Freibarg i./ScbL).
V) Betons snr Kenntnia« der Btlmhimerkranknngen, von H. Voegele
(Freibaig i./Br.). (Allgem. Zeitschr. f. P^ch. Bd. LIV. S. 588.)
Eme ledige Krankenwärterin erkrankte mit 32 Jahren unter den Erscheinungen
rel^öeer Schwärmerei mit depressiven Vorstellungen, meist Selbstanklagen, Nahrungs-
virweigeniDg, Umherknieen, Visionen. Während ihres Sjährigen Aufenthaltes in der
Freiburger psychiatrischen Klinik war sie in der Regel theilnahmlos, äusserte Ver-
ggsdigangsideeen, abstinirte zeitweise, so dass sie mehrfach mit der Sonde ernährt
werden mnsste. Etwa Jahr, und dann wieder einen Monat vor ihrem an Pneu¬
monie erfolgten Tode traten mehrere typische epileptische Anfälle auf. Bei der
Aatopeie fand sich eine von der Hypophyse ausgehende Geschwulst, über deren Natur
Tsl nichts an^ebt. „Sie hat local durch Druck zerstörend auf die zunächst be-
kofEaen Theile eingewirkt, sie hat offenbar auch einen Beizzustand gesetzt, der in
iar entzftndlichen Hyperämie und Zellenanhäufung im Nervengewebe, ebenso wie in
kr Vermehrung der Cerebrospinalflflssigkeit zum Ausdruck kam, und der letztere
Ztstand wiederam hat die Compression der entfernter liegenden Himtheile im Gefolge
fihabt“
Verf. findet, dass in der ersten Zeit der Erkrankung die Beizungserscheinangen
(die epileptoiden nnd epileptischen Anfälle, die nebenbei erst ganz zum Schlüsse
s&ftraten, ferner die Ueber- und Unterschätzungsideeen) vorwiegen, während die
völlige Interesselosigkeit den terminalen Blödsinn als Ausfallserscheinungen auffaset.
Er ^aubt, dass der Tumor erst durch Beizung des Stirnhirns eine Veränderung der
Peradnlichkeit, insbesondere in ihrer Beziehung zur Äussenwelt nach Flechsig,
h e rv oi g eru fen habe, dann durch Fortschreiten des Beizes auf die motorische Zone
«pilqrtiscbe AnßUe; dann verhinderten die Ansfallserscheinungen die weitere
Beobaehtang von Beizsymptomen. Dem Versuche die Flechsig’schen Sinnescentren,
denn Beetahen doch einstweilen noch als mindestens unbewiesen betrachtet werden
USB, mit klinischen Erfahrungen in Zusanunenhang zu bringen, dürften wohl be¬
rechtigte Bedenken entg^enstehen. Aschaffenburg (Heidelberg).
16
Dig i'/od c/ Google
24) Ueber Afibotionen im Gebiete der VaroUbrüoke. von Dr. Borowikov.
(Wjestnik psichiatri i nevropatologii. 1897. XII. [B4iasisch.])
Eine klinische Beobachtung aus dem DQnaboi^er Milit&rhospital mit Sections*
befund:
Pat., ein 22jähr. Soldat, wurde am 12./iy. 1894 aufgenommen, mit folgendem
Status: Hemiparese der linken Körperseite mit Einschluss des Gesichts (ausser dem
Frontalast), geringfO^ge Ptosis linkerseits, Motilitätsstörung der Zunge und der
Kaumuskeln rechterseits, Sprache etwas undeutlich, Parese des rechten N. abducens
mit Diplopie, Hautsensibilität an der linken Körperhälfte und am ganzen Gesicht
herabgesetzt. Die Anamnese ergab, dass die Erkrankung vor einem halben Jahre
mit heftigen Kopfschmerzen begonnen batte, und dass Doppelseben, Störnngen beim
Kauen und Schwäche der linken Extremitäten seit ungefähr zwei Monaten binzu-
getreten waren.
Im Laufe der ersten drei Wochen der Beobachtung nahmen die Parese der
Extremitäten und des N. abducens, sowohl als auch die Sprachstörung allmählich
zu, und ausserdem stellten sich Schmerzen im Hinterkopfe, Schluckstörungen, Schwindel,
Gehörsschwäche am rechten Ohr nnd Sensibilitätsverlust an der Schleimbant der
Mundhöhle und Zunge ein. Am 18./V. wurde ausserdem Gesichtsabnahme am rechten
Auge nnd zeitweilige Erweiterung der linken Pupille constatlrt, ferner Geschmacks*
Verlust Am l./VI. Beginn von Stauungspapille an beiden Augen, Parästhesieen an
der linken Körperseite, Neigung zum ZurQckfallen und intellectuelle Störungen in
Gestalt von Delirien und Aufr^ngsznständen. Am lO./Vl. entwickelte sich Parese
des linken N. facialis und ausgeprägte Stauungspapille am rechten Auge. Am 20./VI.
Muskelatrophie an der linken Oberextremität Parese des linken M. rectus internus.
Seit Mitte Juli wurde der Allgemeinzustand bedeutend schlechter, die Kopfschmerzen
nahmen zu, es kam häufig Erbrechen vor. Seit dem 23./VII. soporöser Zustand mit
beschleunigtem Puls und Temperatursteigerung; zu den früheren Himsymptomen kam
noch Parese des rechten Facialis hinzu. Am 7./VIII. Exitus letalis im comatöseu
Zustande.
Die Untersuchung des Gehirns ergab das Vorhandensein einer Neubildung in
der Varolsbrficke. In beiden Hälften derselben waren grao*gelbe sclerotische, harte
Knötchen eingesprengt von Weizenkom- bis Haselnussgrösse. Hauptsächlich war die
rechte Fonshälfte afficirt, wo der ganze mittlere Theil von zwei sclerotischen Herden
eingenommen war. Kleine Herde waren auch in der rechten Hälfte des verlängerten
Marks zerstreut.
Genauere Angaben über die feinere Structur der Herde und die Topographie
der Ponsaffection fehlen. Im Anschluss an seine Beobachtung stellt Verf. nenn Fälle
aus der Litteratur zusammen, in welchen Erkrankungen der Varolsbrficke ähnliche
Erscheinungen bewirkt hatten. P. Bosenbach (St Petersburg).
26) Four oasea of oerebellsr disease (one autopsy) with referenoe to
cerebellar bereditary ataxia, by William A. Spiller. (Brain. 1896.
Winter.)
Verf. bringt 4 Beobachtungen angeblicher Kleinhirnerkranknngen, eise
davon mit Autopsie. Von dem FaU 2 und 3 — der Fall 2 ennnert in seinen
Symptomen ausserordentlich an multiple Sclerose — giebt er Übrigens selbst die
Zweifelhaftigkeit seiner anatomischen Diagnose zu, nnd meint, dass es sich auch um
cerebrale Diplegieen handeln könne; jedenfalls sei auch das Grosshim betheiligt.—
wegen der Intelligenzstörui^. In Fall 1 ist die Intensität der Coordinationsstöning
bemerkenswerth, der Pat bewegt sich meist auf allen Vieren; er kann aber nach
einigermaassen stehen; eine Lähmung besteht nicht. Es besteht ausserdem Tremor,
vGoogIc
227
bcsMidera der Arme, Njetagmns, erhöhte Sehneiirefle:ce, die Sprache ist behiodert,
<lie Inteliigeoz geschwächt Uit 3 Jahren hat der Pat. an epileptischen Anfällen
gelittML Anch hier ist also eine reine Kleinhimerkrankang wohl nicht vorhanden.
0eber den 4. Fall ist klinisch wenig bekannt gegeben; der Gang war unsicher, aber
er konnte doch Mitglied einer Schulcompagnie sein und an Bxercir&bungen theil«
oehmen. Es fand sich anatomisch sehr erhebliche Atrophie beider Kleinhimhemi*
^^fairen nnd ein Balkendefect; die Atrophie der Eleinhirnhemispbäre ging von
^erotischen Stellen in beiden Hälften des Cerebellum aus. Der Fall ist vom Verf.
^fBsa anf Serienschnitten untersncht, die Befunde namentlich der secundären Dege*
Kntboen entsprechen im allgemeinen den bisher bekannten. Klinisch will der
Verf. diesen Fall xnr H^rddoataxie cdrdbelleuse von Marie rechnen. Bruns.
20) Un cas de gliome voluminenx du oervelet (symptömes de oompression
et phenonaenee halluoinatolres), par Trdnel et Antheauuie. (Arch. de
Nenrol. Vol. IV. 1897. Nr. 19.)
Anamnese: 64jähr. Frao. Beginn der Erkrankung vor 6 Jahreu mit Kopf-
sckfltfReo, Erbrechen and Schwindelanfälle; letztere waren stets mit Schwäche im
liakee Facialis und mit hochgradiger Blässe des Gesichts, gleichfalls suf der linken
Seite, verbunden. Die Facialisparesen und die Gesichtsanämie schwanden stets
wieder, wenn die Scbwindelanfälle vorüber waren. GehstOnmg seit 2 Jahren; pro-
greasive Amaurose mit Gesicbtsballucinationen, progressive Taubheit, die linkerseits
total wurde; Abnahme der Intelligenz, Depression and melancholische Wahnideeen,
mehreren Jahren.
Status: Gang paretisch und taumelnd. Im weiteren Verlauf Parese im rechten
Bein und schliesslich Flexionscontractur der unteren Extremitäten mit Erhöhung der
Seheenreflexe. Die oberen Extremitäten blieben intact. Pupillen weit, starr; oph-
thalwMMkoplBch: Stauungspapille beiderseits mit Uebetgaug in Atrophie. Totale
Amaurose mit eigentbümUchen Gesichtshallucinationen; die Pat. sah ganze Stuben
TOD Personen and Gegenständen, die stets von links nach rechts sich bewegten,
liess man die Pat nach links und oben blicken, so gab sie regelmässig an, eine
t^eDsende Petroleumlampe zu sehen. Totale Taubheit links, rechts starke Herab-
setzong des Gehörs. Auf psychischem Gebiet war Abnahme der Intelligenz pro-
znaaver Art zu constatiren, ferner war die Pat. hochgradig deprimirt und producirte
■«laDeholische Wahnideeen.
Die Autopsie ergab ein gefässreiches Gliom, das vom vorderen Band der linken
IQ^nhirahemiaphäre ausgehend die benachbarten Begicmen des Gehirns, des Klein¬
kims, der Brücke und des Bulbus comprimirte. Der linke N. trigemiDus zeigte
Degenerationserscbeinnngen, der linke N. facialis eine geringe Verminderung
za Nmenfasem, der linke Acosticus zeigte nur noch wenige Fasern und hochgradige
Ds g rosia Üonserscheinnngen an denselben.
Interessant an diesem Falle sind einmal die Erscheinungen von Blässe der
liatoi Gesicbtshälfte, die mit den Schwindelanfällen zugleich aoftraten, und die
■jenehtshallacinationen, zwei Symptome, die bei Kleinbimerkrankongen sehr selten
bis jetzt beobachtet wurden. Das erstere Symptom führt der Verf. auf Beizung der
Tasc>eoBstrictoren, die im N. trigeminus verlanfen, zurück. Was das Auftreten der
Geäehtahallaeinationen anlangt, so ist dasselbe, nach der Ansicht des Verf.’s, nur
erklärlich nüt der Annahme, dass die Pat. eine Disponirte ist, bei der aber in Folge
dm Disposition ein „hallucinogener** Geisteszustand bestand, auf Grund dessen die
darch die Stauungspapille im Opticus auftretenden Beize zu Hallucinationen führten.
M. Weil (Stuttgart).
15*
■' Google
228
27) Contributo allo Studio della epondimito aouta, per D. Cervesato. (FoU-
clinico. 1897. Kr. 20 u. 22.)
Es sind namentlich bei Kindern acat unter Fiebererscheinangen einsetzeude
Flüssigheitsansammlnngen in den Ventrikeln beobachtet, die durch entzQndliche Ver*
hnderungen des Ependyms und des Plesus chorioideus und Erweichungen der nächst-
gelegenen Uimtheile charakterisirt sind, ohne irgend welche Betheiligung der Hirn-
häute und ohne andere Krankheitsherde, die mechanisch oder durch Infection die
Ependymerkranknng verursacht hätten. Diese Ependjmitis ist sehr verschieden be*
urtheilt worden. Während einige ihr Vorkommen ganz leugnen oder wenigstens für
äusserst selten erklären, sehen sie andere fdr eine Abortivtnberculose an, bei der der
schnelle Verlauf es nicht zur Entwickelung von Tuberkelknoteu hat kommen lassen,
andere bestreiten die Theilnahme des Bpendyms an der Erkrankung, wieder andere
halten sie für secundär im Gefolge von Bronchitis, Keuchhusten u. s. w. auftretend.
Verf. hat 3 Fälle von Epeodymitis in seiner Klinik gesehen:
1. djähriges Kind, das an Keuchhusten mit Bronchitis und Bronchopneumonie
erkrankt war und dann von tonischen und clonischen Krämpfen befallen wurde, in
denen es zu Grunde ging. Bei der Section fand sich das Ventrikelependym injicirt,
mit punktförmigen Blutungen durchsetzt, bedeckt von zartem Exsudat. Die einzelnen
Zellen nicht erkennbar. Die Glia proliferirt, mehr von der Oberfläche entfernt
Lücken aufweisend, die mit homogenen, hyalinen Hassen ausgefflilt waren.
2. Im zweiten Falle — 1^/g jähriges Kind — Bronchitis, später Convulsionen,
Tod. Im Gehirn Ei^ss in den Ventrikeln, Hämorrhagieen nnd gelatinöses Ex¬
sudat auf dem Epeudym.
3. Derselbe Befund im dritten Fall bei einem zweijährigen Kinde.
Yerf. bestreitet nach seinen Beobachtungen, dass der acute, nicht tuberculöse
Hydrocephalus so selten sei, wie es die meisten Autoren annehmen und dass er our
ganz junge Kinder befällt. Die anatomische Grundlage ist eine EntzDndung des
Ependyms, in einigen Fällen auch nur eine solche des Plexus chorioideus, oft beider
zusammen.
Intra vitam die Diagnose zn stellen, ist unmöglich, wenigstens wenn die Er-
kranknng so schnell zum Tode führt, wie bei den drei vom Verf. beobachteten
Kindern. Das klinische Bild zeigt neben Symptomen, die der einfachen Meningitis,
solche die der tuberculösen Meningitis eigen sind. Ein sicheres ätiologisches Moment
für die Bpendymitis ist nicht bekannt. Valentin.
28) Caeuistisohe MitUieilongen aus dem Gebiet der Neuropathologie, von
Prof. Dr. M. Dinkler, Oberarzt der inneren Abtheilong des LouisenhospitaU in
Aachen. (Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde. 1897. XI.)
I. Eucephalitis acuta haemorrhagica(?) recidiva.
Bei einem neuropathisch nur schwach belasteten 4 jährigen Knaben traten im
Gefolge von Kopftraumen, welche dem Kinde bei seinem ausgesprochenen Gang zum
Klettern besonders häufig widerfuhreu, mehrmals eigenthümliche Außlle auf, deren
Symptomeubild vor Allem durch seine flüchtige Däner anffallen musste. Bevor der
kleine Patient eine derartige Äffection unter genauer Beobachtung im Hospital fiber¬
stand, war er schon 3 Mal iu ähnlicher Weise erkrankt und zwar mit zurückbleibender
Herabsetzung der geistigen Fähigkeiten. Nach einem erneuten, übrigens unbedeuten¬
den Fall, stellten sich unter Fieber in der linken Körperbälfte Krämpfe, danach
Bewusstlosigkeit und linksseitige Hemiplegie ein. In früheren Jahren war 2 Mal die
rechte Körperbälfte der ergriffene Tbeil gewesen. Zu den genannten Erscheinungen
gesellten sich ferner Incontinenz, Schlnckbeschwerden, Nackenstarre, Zähneknirschen,
Dmckempfindlichkeit des Kopfes hinzu. Hit Besserung dieser Symptome stellte sich
D g Ii^od oy GOO^ IC
229
•iae Tollst&odige AioaDrose beider Augen ein, die nacli 6—8 Wochen gleichfalls
augeglichen war, so dass das Kind anscheinend geheilt entlassen werden konnte.
ÜDter Betonung der Schwierigkeit der Diagnose motivirt Verf. seine gewonnene An>
Khaoong des Falles. Während die Allgemeinerscheinungen einer Meningitis zuzu¬
schreiben sind, stellen die Herdsjmptome (Hemiplegie, doppelseitige Amaurose) unter
glechxeitiger Berflcksichtigung des gfinstigen Ausgangs Momente fQr die Annahme
einer niehteiterigen acuten Encephalitis dar. Bei Berücksichtigung der bezüglichen
SectioDsbefunde ans der Litteratur ist an eine hämorrhagische Form der Entzündung
u denken. Den Sitz des Herdes, oder vielmehr zahlreicher, kleiner Entzündungs-
hwde verlegt Terf. in’s rechte Corpus striatum und giebt die Gründe an, die ihn von
der Annalime eines corticalen Sitzes abhalten. Der doppelseitigen Amaurose ohne
Papülarstönrngen soU eine Läsion des Marklagers in beiden Occipitallappen zu Grunde
liegNL Hierzu kommt eine Meningitis, die sich in charakteristischen Symptomen
Baaifestirte. ln ätiologischer Hinsicht ist der Verf. geneigt, den Traumen nur die
BoQe von „agents provocateurs“ zuzuerkennen. Durch Schaffung eines Locus minoris
neisteDtiae wurde die Ansiedelung von im Blute kreisenden Krankheitserregern ein-
frieitet.
n. Luetische Erkrankung des rechten Stiruhirnes mit Neuritis
optica duplex praecipue dextra.
Eine verdächtige Anamnese, der Befund von Pläques muqueuses der Mund-
Khleimfaaut, heftige Nachts exacerbireude Kopfschmerzen, besonders in der rechten
Stirn- nnd Scbläfengegend, wie schliesslich der Heilerfolg nach Anwendung von Jod-
kaii, begründen die Annahme eines luetischen Processos. Herdsymptome, wie eine
doppelseitige, rechts erheblich schwerere Neuritis optica mit geringer Mydriasis
rechts and eine Gleichgewicbtsstürung, die sich in einer Zwangsbewogung nach links
beiii Sitzen und Gehen änssert, weisen auf eine intrscranielle Erkrankung bin.
Deren Ijocalisation ist mit grosser Wahrscheinlichkeit an den Verlauf der Sehnerven
Chiasma zom Forsmen opticum zu knüpfen und zwar so, dass der Process seinen
Ausgang im Bereich des rechten Nerven genommen und hier auch den stärkoren
Gnd erreiebt hat. Die Gleichgewichtsstörung, ein allerdings cerebellares Symptom,
wäre auf das benachbarte Gebiet des rechten Frontallappens zu beziehen, da neuere
Sr^hmngen berechtigen, eine diesbezügliche Function für die Stirulappen in An-
Tiwch IQ nehmen.
fll. Syphilitische Gefässerkrsnkung im Bereiche der linken Art.
fessae Sylvii.
Ein Fall von prämaturer Lues cerebralis mit dem charakteristischen Kommen
ssd Geben der Symptome und der Zngänglichkeit der specifischen Therapie, liegt
dieser Mittbeilong zu Grunde. Das vielseitige Bild der Erscheinungen sneht der
Verf. xn entwirren, indem er den anatomischen Process, seine Localisation und die
Böke seiner Entwickelung einer kritischen Besprechung unterzieht Im grossen und
aasen wird eine Erkrankung der linken Arteria fossae Sylvii und ihrer Aeste, also
eine auf eirculatorischer Basis beruhende Ernährungsstörung dem klinischen Bilde
a Grunde gelegt, wobei der Grad der Geßasverengerung bezw. des Elasticitätsver*
Isstee die Intensität nnd vor Allem die Möglichkeit der Bespiration bestimmt. Für
d» Localisation in dem Gebiet eines einheitlichen Gefässbezirkes wird mit besonders
prwKim Gewicht hingewiesen, dass die nervösen Symptome an ein umschriebenes
öehimtMTitorinm gebunden erscheinen. Eine transitorische Hypoglossuslähmung er-
arheint corticalen Urspmngs. Hemiplegische Erscheinungen werden auf eine Alteration
ia Bezirk des hinteren Kapselschenkels zurückgefOhri Symptome motorischer Reizung
siad nicht ohne Weiteres auf corticale Störung zu beziehen, da subcorticaler Sitz
enes Herdes ähnlichen Effect bervorhringen kann. Homonyme, rechtsseitige Hemi-
Google
280
aoopsie mit hemiopischer Fapillenreaction und Opticosatropbie vorwiegend des rechten
Auges, — dieser Sehbefund nimmt in mehrfacher Beziehung das Hauptinteresse in
Anspruch. Einmal liegt hier eine das ganze KrankheitsbUd soweit abschliessende,
theilweise irreparable Affection vor. Andererseits bietet dieser Sjmptomencomplex
die Möglichkeit einer besonders exakten Diagnose. Das erste optische Neuron auf
der Stelle vom Cbiasma nervorum opticorum (excl.) bis zum Thalamus opticus (incL)
hat den Sitz der Erkrankung abgegeben. E. Asch (Frankfurt a./M.).
28) Ueber Varietäten der Qehimblutung, von W. Pascheies. (Wiener klin'.
Wochenschr. 1897. Nr. 14.)
Verf. konnte in 6 Fällen von Gehimhämorrhagieen die Diagnose des secundären
Blutergusses in alle Gehimkammem intra vitam stellen. Die wichtigsten Phänomene
waren: Typische Hemiplegie, Yertiefung des Comas und zeitweiliger Umschlag der
motorischen Herderscheinungen in diffuse Reizsymptome, Polyurie und Glycosurie,
bulbäre Lähmungserscheinungen, ln den prodromalen Erampferscheinungen ist nach
dem Autor die Reaction der anfänglich betroffenen Hemisphäre auf ihre plötzliche
Entlastung bei einem mächtigen Einbrüche des Extravasates in die Ventrikel zu
suchen. Die sehr seltene primäre Ventrikelblutung ist klinisch wohl kaum zu
diagnosticiren. Die secundären Ventrikelhämorrh^ieen bieten in den meisten Fällen
die gleichen anatomischen Veränderungen dar.
Differentialdiagnostisch kommen besonders in Betracht: Meningeale Blutungen,
deren Convulsionen aber öfters den Charakter der Bindenepilepsie zeigen und Pons*
blutungen, bei welchen aber das wichtige und beständige Symptom der ursprQng*
liehen Halbseitigkeit der Lähmung, die Schlaffheit der Extremitäten ond die Parese
des Facialis derselben Seite im Allgemeinen in Wegfall kommen. Frische doppel-*
seitige Hirnblutungen werden nicht mit Beizerscheinungen der anfangs hemiplegischen
Körperhälfte verlaufen. Einzelheiten sind in der Originalarbeit einzusehen.
H. Schlesinger (Wien).
30) Plötalioh tödtllcbe Gobirnblutung bei einem 8 jährigen Knaben, von
Dr. A. Jellinek. (Allgem. Wiener med. Ztg. 1897. Nr. 45.)
Ein 9jähr., vorher gesunder Knabe erwachte 4 Uhr Frflh mit starken Kopf¬
schmerzen. Hierauf Erbrechen, Stuhldrang, aber Unßhigkeit, einen Stuhl abzusetzen,
dann MattigkeitsgefOhl, Bewusstlosigkeit. Bei der Untersuchung zeigten sich tonische
Krämpfe der oberen and unteren Extremitäten, Hyosis, Pulsverlangsamung; Drnck
anf den Nacken erzeugt Stöhnen. Später änderte sich das Bild: Die Krämpfe der
Extremitäten wurden immer seltener, schwanden endlich; allmähliche Hydriasis ad max.
erst der rechten, dann der linken Pupille, Cheyne-Stockes’sches Athmen, Exitoa
V 46 Uhr Morgens. Die Section ergab eine reine Cerebralapoplexie in das rechte
weisse Marklager zwischen die Ganglien bis an die Binde des ^heitel* und Schläfen-
lappens. Himarterien zart ohne auffallende Verändernng. Ebenso Herzklappen.
Wenn aoeh eine Veränderung an den Gefässen nicht nachzuweisen war, so müsse
man doch bei dem sonstigen negativen Obductionsbefunde eine Structarveränderung
der Gefässwände im Sinne Baginsky’s annebmen, in welchem Sinne sich auch
Obdneent Prof. Haberda geaussert habe. J. Sorgo (Wien).
31) Hemiplegie in s young child, by Bertram Abrahams. (Brit. med. Joum.
1897. Oct 30. 8 . 1263.)
Verf. stellt der klinischen Gesellschaft in London ein 2jäbr. Kind mit rechts¬
seitiger Hemiplegie vor. Eine Woche vor der Lähmung war Stickhusten eingetreten.
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dnaefa OonTnlsioneo ohne ^zUchen yorlnst des Bewasfitseios, bei 68 Respirationen
and 103^F. Temperatur. Keine Aphasie. Albuminurie geringen Grades. — Wahr-
sehMBÜch Hämorrhsgie. Das Bein besserte sich ansehnlich.
L. Lehmann I (Oeynhausen).
32) Ueber Störungen des Würgreflexes, der Sprache und der Deglutitlon
bm Hemiplegie, von W. Eattwinkel. (Deutsches Archiv fdr klin. Medicin.
Bd. LIX. 1897.)
Das Verhalten der genannten Reflexe wurde bei zahlreichen Fällen von Hemi*
pkgie geprftft. Einige Haie konnte die Section gemacht werden, und da fand sich,
dass bei linksseitiger Hemiplegie mit SprachstCrungen die rechte dritte Stirowindung
der Sita des Herdes war, während bei gleichzeitig bestehender Störung des Racben*
Esd Kehlkopfreflexes und der Deglutition der rechte Linsenkern getroffen war.
Bei 60 Fällen von linksseitiger Hemiplegie war der Wflrgreflex 40 Ma
giitört, und zwar 25 Mal ganz erloschen und 15 Hai herabgesetzt; der Kehlkopf*
refiex 29 Mal gestört: 11 Mal erloschen und 18 Mal herabgesetzt
Bei 50 Fällen von rechtsseitiger Hemiplegie war der Bachenreflex
7 Mal gestört: 2 Mal erloschen und 5 Mal vermindert; der Eehlkopfreflex 3 Mal
gttidrt: 1 Mal erloschen und 2 Mal heral^esetzt
Btt 38 f^en von Hemiplegie der infantilen Paralyse fand sich der Würg*
refiex 10 Mal erloschen, bezw. vermindert unter 14 Fällen von linksseitiger Läh*
aiD^ and 7 Mal unter 24 Fällen von rechtsseitiger Lähmung.
Das Centmm fOr den WOrgreflex befindet sich wahrscheinlich im Corpus
ätriatom. Es sprechen nämlich folgende Gründe dafür:
1 . Die meisten Hirnblutungen entstehen durch Läsion der Arteria lenticulo*
striata, and dabei ist das Corpus Striatum fast immer mit lädirt.
2. Das Verhalten des Reflexes bei der Pseudobulbärparalyse; bei derselben ist
Bämiicb das Corpus striatum stets lädirt, der WOrgreflex aber ist nach Untersuchungen
TM P. Ha rie fast immer erloschen oder herabgesetzt, während er umgekehrt bei
im wahren Bnlbärparalyse fast immer normal bleibt.
Bei 50 Fällen von linksseitiger Hemiplegie fanden sich 41 Mal Sprach*
•täroBgen, davon 25 Mal dauernde, 16 Mal vorübei^ehende.
Bö 50 Fällen von rechtsseitiger Hemiplegie fanden sich 40 Mal Sprach*
itörungen, dabei 11 Mal vorübergehende.
Die Spraehsiörangen bestanden bei der linksseitigen Hemiplegie in reinen
Dyfarthrieea, and zwar alle Stufen von der reinen Anästhesie bis znr leichten Kr*
schwemm der Sprache. Znr Erklämng dieser Sprachstörung liessen sich nicht, wie
es bänSg geschehen ist, Facialis* oder Hypoglossusparesen verantwortlich machen,
Tieiaehr muss man annehmen, dass das Centrum für die Articulation sich nicht allein
ia der linken dritten Stimwindung, sondern auch in der rechten befindet, und
daas beide coordinirt wirken. Zwischen den beiden Centren verlaufen Associations*
hahaea durch die beiden Corpora striata. Von dem linken Centrum, in welchem die
Wortbilder liegen, werden die Impulse zum Sprechen dem eigentlichen Articulations*
ccBtnua in der rechten Himhemisphäre mitgetheilt.
%tzt der Herd in dem Assoeiationsbündel selbst, oder wird dasselbe sonstwie
Mdirt, BO iat die Verbindung mit dem Broca'schen Lappen abgeschnitten, und es
treten die Erscheinungen der sogen, subcorticalen motorischen Aphasie auf; die will*
kärlidie Sprache, das Hachsprechen und Lautlesen sind aufgehoben, Lesen, Schreiben
Verstehen der Sprache sind dagegen angestört.
Stömngen der Deglutition fanden sich häufig bei linksseitigeu Hemiplegieeu.
Dfli CsDtnuo derselben liegt im Corpus striatum, besonders in dem der rechten
Hemigpbäre.
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282
Zam Schlnss fasst der Yerf. die Ej^ebotsse seiner Arbeit in folgenden 8&txen
znsammen:
1. Der Broca’scbe Lappen ist das Centmm ftlr die Wortbilder.
2. Die dritte rechte Stirnwindnng ist das Centrum fQr die Articulation.
3. Beide Centren sind durch eine Associaüonsbahn verbunden, welche durch
das Corpus striatum geht.
4. Das Beflexcentrum für den Bachen und den Eehlhopf befindet sieb im
Corpus striatum, besonders demjenigen der rechten Seite.
5. Daselbst liegt auch das Centrum für die Deglntition.
K. Grube (Nenenahr).
33) tTeber das Verhalten der Sehnenreflexe und der passiven Bew^Uoh*
keit bei der Hemiplegie. Kritisches Sammelreferat von Dr. Ludwig Mann.
(Monatsschr. f. Fsych. u. Neurol. S. 410.)
Ueber den Entstebungsmechanismns der Reflexsteigemng und der Muskel*
contractur bei den alten Hemiplegieen sind eine Beihe von Hypothesen von den
verschiedenen Autoren anfgestellt worden. Yerf. erörtert zunächst einige physio*
logische Yorfragen über das Wesen beider Erscheinungen und hält für sicher, dass
die hemiplegischen Contracturen Steigerungen eines normaliter vorhandenen physio*
logischen Muskeltonus (Hypertonieen) sind, dass die Sehnenphänomene wirkliche
Beflexe sind, und dass die beiden genannten Symptome in keinem Abbängigkeits-
verhältniss zu einander stehen, wenn sie auch in sehr vielen Fällen im gleichen
Sinne beeinflusst werden.
Yerf. bespricht alsdann eingehend und kritisch die zahlreichen zur Erklärung
beider Symptome aufgestellten Theorieon, von denen keine zum Yerständniss sämmt*
lieber Fälle ansreicht. Für den Grundfehler aber hält er es, dass man es bisher
unterlassen hat, „vor der Aufstellung von Theorieen die thatsächlich vorliegenden
klinischen Erscheinungen mit genügender Genauigkeit zu beobachten“, besonders auch
die näheren Beziehungen der Localisation der Contractur zur Localisatien der hemi*
plegischen Lähmung. Verf. und Wernicke haben gezeigt, dass bei alten, „resL
duären“, Hemiplegieen nur ganz bestimmte Muskelgruppen gelähmt bleiben, und Yerf.
kann nun nach seinen Beobachtungen behaupten, dass sich ein Contracturzustand nur
in den relativ fnnctionsfähig gebliebenen Muskeln findet, niemals in völlig gelähmten;
auch die Steigerung der Sebnenreflexe findet man vorwiegend in den ersteren. Ge*
nauere Untersuchungen, die Yerf. in Aussicht stellt, sollen erst klarlegen, wie das
zu erklären ist (vielleicht durch die Annahme, dass die excitomotorischen Fasern
einer Muskelgruppe mit den hemmenden Fasern ihrer Antagonisten zusammenfallen?).
Toby Cohn (Berlin).
34) I movimexiti suxiUarl degli emiplegioi ln rapporta alle pstogenesi ed
alls prognosi delle oontratture, per F. Glubardicci. (Policlinico. 1897.
Nr. 22.)
Früher bereits bat Yerf. Beobachtungen mitgetheilt, wonach es einigen Hemi*
pl^kem möglich ist, die Contractur der Fingerbeuger durch Hülfe anderer Muskel¬
gruppen zu überwinden, ln 6 weiteren Fällen konnte Verf. dies bestätigen. Er
definirt danach die von ihm auxiliäre (Hfllfs)Bewegungen genannten, als solche will¬
kürlichen Bewegungen bestimmter, für jeden Kranken feststebender Muskelgruppen,
durch die es sich der halbseitig Gelähmte ermöglicht, die Beugecontractur zu Itlaeo
und die Finger zu strecken.
Diese Bewegungen betreffen eine oder mehrere Muskelgruppen; ihre Zahl und
Yertheilung ist verschieden je nach der Schwere der zu Grunde liegenden Läsion
Google
283
Bei to gvwShnlichen Hemiplegie genügt zur Lösung der Beugecontractor die blosse
Sspintion das Vorderarms; in schwereren Fällen ist diese verbanden mit Answärts*
roUa das Hnmems, and in den allerschwersten wird zogleich die Schalter der
kruho Seite gesenkt and der Bumpf znr Seite geneigt. In 2 Fällen von Rinden*
x)awa des Gehirns wnrde znr Lösung der Contractnren der Vorderarm von den
Eßoho pronirt and erhoben. Die Extensoren setzen in keinem Falle passiven
Beicgvi^en iigend welchen Widerstand entgegen.
Dia einzige Theorie, das Zastandekommen der Contracturen zu erklären, die
nd das Terf.’a Heinnng sich mit den von ihm gefundenen Thatsachen in lieber*
BBBhnuBQng bringen lässt, ist folgende: Die Contractor ist eine Steigerung des
Muktitonns. Dieser ist eine Befiexfanction des BQckenmarks, die unterhalten wird
tarcb die in den Ganglien und im Kleinhirn aufgespeicherten Kräfte und ausgelöst
vird dareh Beize, die die centripetalen Nerven an der Peripherie treffen. Je nach
dtr Stärke des Reizes richtet eich die Stärke der reflectorischen Contractur. Vom
Ceotnffl ans wird nun von der motorischen Bindenregion auf dem Wege der Fjramiden*
eis ständiger und langsamer Hemmungseinfluss auf diese Beflexthätigkeit der
Cahactor lasgeäbi Die Hemmung ist stark genug, um bei Gesunden der von der
Peipbarie kommenden Erregung das Gleichgewicht zu halten; nicht so beim Hemi-
pitpker, weil hier die Wege für den hemmenden Nervenstrom verlegt oder die
StthBidlen salbst geschädigt sind. Nor wenn sich die Thätigkeit der motorischen
SaduoaUeD znr äussersten Leistung erhebt, das heisst bei willkÜrUchen Bewegungen,
auch der Hemmangsstrom stark genug, um die Contracturen zu heben. Je
^vmr also die Schädigung, je grösser die Widerstände in der Hemmungsbahn
^ om so mehr Energie muss zur Ueberwindung dieser Widerstände und somit
nr Usong der Contracturen entfaltet werden, eine um so grössere Anzahl von
HodcBulleo muss in Thätigkeit gesetzt und mithin um so mehr Muskeln zur auxi*
Bira Bewegung gebracht werden. Eine Besserung oder Verschwinden der Contractur
Bkiäit tkb, wenn der Herd in der Binde selbst sitzt, durch ZurQckgehen des
Enakbeitaprocesses und Wiederinkrafttreten von motorischen Bindenzellen, bei anderem
Shz der Läsion dadurch, dass der von der Rinde kommende Hemmangsstrom sich
Wege bahnt oder die alten wieder gangbar werden.
Pn^ostiscb spricht die Möglichkeit, durch Auxiliärbewegungen die Contractur
a Sberwmdeo, dafür, dass diese ganz zurOckgehen wird. Der Grad, bis zu welchem
^ Qabraochsfähigkeit der Hand sich wiederherstellt, steht im umgekehrten Ver*
Utn« zur Zahl der Muskelgruppen, die der Kranke in Thätigkeit setzen muss, um
^ CoDtraetor zu lösen. Valentin.
3S) Rote snr les douleun pröh^mipldgiqnes, par FdrA (La Normandie
oidicale. 1897. Nr. 23.)
Dm cerebralen Hemiplegieen gehen oft motorische und sensible Symptome vorauf.
^ btsonders bei Erweicbungen, Geschwülsten, Porencephalitis und oft bei Hysterie.
^(Ir Mitchell hat auch neuerdings auf die Schmerzen, die vor der Hemiplegie
^iitrsteo, oft bis zu 2 Jahren vorher, aufmerksam gemacht, die in Anfällen oder
'^wtiiiiirUeb die Gelenke oder deren Ränder oder Muskeln befallen (bisweilen mit
^IskichweUnng), und zwar stets auf der gelähmten Seite. Verf. fand nun bei
^plegikem 7 Mal in Nerven (6 Mal im Ischiadicus und 1 Mal im Badialis) ocker*
Hrrde von alten Hämorrhagieen stammend, und zwar bandelte es sich 6 Mal
^ die gelähmte Seite nach Apoplexia cerebri. Er musterte nun seine lebenden
H«iiip]«gi)(er und fand, dass unter 126 Kranken 14 bloss über einseitige Schmerzen
der lAhmnng geklagt batten. Meist waren sie an beiden Extremitäten, meist
äie Gelenke, ihre Bänder oder Muskeln, bisweilen die Haut darüber betroffen,
ujt handelte es sich um mehrere Gelenke, die selten etwas geschwollen und nie
DiQ'ii^od
Google
234
geröthet waren. Die Schmerzen — bis auf 3 Jahre zurflckdatirend — zeigten sich
continnirlich, oder in unregelmässigen Krisen (vermehrt durch Druck oder Bew^ung),
nnd härten nach der Lähmung gewäbnlich ganz auf. Sehr selten sind blosse
Schmerzen im Nervenverlaufe (5 Fälle hierfQr werden angeführt). Die Genese ist
dunkel. Jedenfalls kännen also einseitige arthralgiscbe, mjo* und neuralgische,
sich wiederholende Schmerzen als Vorläufer einer cerebralen Hemiplegie auftreteu.
Näcke (Hubertosburg).
Psychiatrie.
36) Ein Fall von posteolamptiaohem Irreeein mit rüokachreitondor Am¬
nesie, von M. Sander (Frankfurt a./M.). (Allg. Zeitschr. f. Fsych. Bd. LIV.
8 . 600.)
Bei einer 29jährigen Primipara traten am Tage nach der Geburt eclamptische
Änfölle auf, die nach 24stfindiger Dauer in ein ebenso lange dauerndes Coma über¬
gingen. Beim Erwachen aus der Bewusstlosigkeit zeigte die bis dahin geistig normale
Frau einen deüriäsen Zustand, der nach etwa einer Woche allmählich abkiang. Die
Erinnerung für den deliriäsen Zustand ist lückenhaft; ausserdem ist aber die Geburt
selbst und ihre begleitenden Nebenumstände fast vüllig aus dem Gedäcbtniss ent¬
schwunden, und diese rückschreitende Amnesie erstreckt sich sogar auf einen Zeit¬
raum von etwa 4 Wochen vor der Geburt, obgleich die Kranke in dieser Zeit
zweifellos nicht die geringsten Spuren von geistiger Stämng oder Benommenheit
gezeigt hatte. Verf. glaubt, dass für den vorliegenden Fall nicht ein Verlast der
Erinnerungsbilder, sondern eine Störung der associativen Elemente, welche die einzelnen
Erinnerungsbilder verknüpfen, zur Erklärung der Amnesie herangezogen werden müsse,
wofür besonders die Möglichkeit spreche, durch AnknOpfen an einzelne erhaltene
Ereignisse nach und nach auch das Gedäcbtniss für die meisten anderen Geschehnisse
der amnestischen Periode zurfickzurufen. Aschaffenburg (Heidelbei^).
37 } Note Bur un oas de ,toxioomanie variable, par Förö. (Journal mddical
de Bruxelles. 1897. Nr. 48.)
Es sind meist nur mehr oder minder abnorme Personen (angeboren oder sp&ter
so geworden), die den Trieb haben nach allerlei Excitantien, besonders nach Alkohol
und Narcotica. Vergnügen bietet uns nicht nur die Reizung der Sinne, sondern auch
die unserer Activität. Ziel der Erziehung und socialen Haassnabmen ist es, jene zu
bekämpfen, diese auszubilden. Aber Gesetze können die Sinnesreize nicht unter¬
drücken; nur durch Ablenkung auf die Betbätigung der speciellen Individualität kann
es geschehen. Nur durch Aufklärung des Volkes kann z. B. der Alkoholismuf
schwinden; vor allem darf der Alkohol nicht durch andere Excitantien ersetzt werden
Die erworbenen Toxicomanieen können auch das Symptom einer habituellen Ver
giftung sein. Morphiomanie z. B. kann nach Horphinismns auftreteu, der in änderet
Umständen dagegen wieder Folge von jener isi So bleibt gewöhnlich nach Be
hebung des Morphinismus die Morphiomanie latent zurück, nnd dies gilt von allei
übrigen Excitantien oder Narcotica. Je schneller nach scheinbarer Heilung da
Becidiv eintritt, um so grösser war die constitutioneile Disposition, die sich besonder
im Wechsel von Excitantien zeigt, wie ein ausfObrlicber Fall des Verf.’s beweis
indem nach Sucht zu Alkohol, die nach Aether, wieder dann nach Alkohol, spät«
nach Morphium, endlich nach Cocain anftrat. Man sieht also, dass je nach Gelegen
heit dies Mittel gegen ein anderes umgetauscht werden kann. Specialasyle kdnn«
nur erworbene Fälle heilen und oft auch diese nicht, wenn sie zu chronisch wurde
Noch nicht stricte ward nacbgewiesen, dass durch Beglementirung des ALkohc
ig ü^od Dy CjOO^Ic
285
ffftnocb Irrsioo oder Verbrecher sbnahmeD. Dies erklärt sich daraus, dass bei
Tfftot fOB Alkohol SU anderen Mitteln gegriffen wird. Auch die bessere Recti-
äcinog des Alkohols nfitst wenig. Es ist noch unbewiesen, dass die heutigen
KS(^liairt«D Alkohole wirklich rein seien. Die Bestenerung ist schon besser. Der
AlbW d^eoerirt bekanntlich und ist so eines der besten Selectionsmittel, das auf-
iBfikaa rielleieht nicht gänzlich erwänscht ist. Wohl kann die Person der Vergiftung
ndastriim, aber die Nachkommenschaft wird vergiftet. Die Abstinenz aber von
Alkobol kann nur dann von Nntzen sein, wenn kein anderes gefährlicheres Mittel
hfr datritt. Letzteres aber, meint Bef., ist vielleicht mit die schwierigste Frage
kguieD Alkohol-Angelegenheit, die ganz verschwiegen wirdl
Näoke (Hubertusburg).
38) Belasione sn dne casi di chirnrgia cerebrale per lesione dei lobi
frontall, per Crespi. (Atti e rendiconi della acad. med.-chir. di Perugia.
ToLH.)
Zwei Fälle von Bruch des Stirnbeins mit Verletzung des vorderen Stimlappens,
Ü» beide dgenthfimlicbes psychische Verhalten zeigten.
1. Hofrchlag gegen den rechten Stimhöcker, Splitterfractnr, Ver^ de Gehirns.
^ vidieelten comatbse mit maniakalischen Zoständen ab. In letzteren macht der
Dnke die Oeste de Pferdeantreibens, schnalzt mit der Zange und stöet dann einen
Fluh atu^ eine Situation, in der er sich befunden, als ihn die Verletzung traf.
Butfemung der Knochensplitter und Stillnng der Blutung eh Verf., dass der
ivdere StimUppen fast zertrfimmert war und KnochenstQcke, Strohhalme und Schmutz
0 andere Theils de Gehirns eingedrungen waren. Nach dem Eingriff Aufbören des
laükalisehe Zetandes. 2 Stunden darauf kam der Kranke wieder zu sich, blieb
*b(r in geinen Bewegungen ui^etftm, instiuctiv. Der Fat starb am 7. Tage unter
<pileptiecben Krämpfen an einer acuten, diffusen Meningoenephalitis.
Sturz von einer Treppe, Splitterfractur in der Gegend des rechten Stirn-
V<beTs, Erbrechen, Coma, Blutung ans dem rechten Ohr und aus der Nase. Bei
ketfiniQD^ der KnochenbmchstOcke sah Verf., dass zahlreiche Bisse die Schädel-
dorchsetzten. Aach bei diesem Patienten propulsive Bewegungen: G^en«
die er ergreifen wollte, riss er mit grosser Heftigkeit an sich, Getränke
siRte er hinunter, und das Eteen verschlang er gierig. Valentin.
Therapie.
3>) Zar Behandlung der Hemiplegie, von Fr. Huchzermeyer. (Deutsche
Bsi Wochensebr. 1898. Nr. 1.)
Die fiblicbe Behandlungsmethode der Hemipl^e bedarf einer Modification.
''^ktwtstisch für alle Fälle ist das Zoräckbleihen der Besserung in der Extremitaten-
»dnlatar gegenfiber der stets vorhandenen erheblichen Besserung in der Gesichts-
ad Sehloadmuskulatur, sowie die bedeutende Schmerzhaftigkeit bei Versuchen, ge-
passive Bewegungen vorzunehmen. Diese Uebelstände heroben darauf, dass
'hl licht regelmässige und geeignete passive Bewegungen in Verbindung mit activen
sobald solche möglich sind.
Dil Diät ist mehr zu individualislren, bei der oft vorhandenen Plethora einzu-
«WiikiD, Alkohol, wenn möglich ganz zu verbieten.
Wird das Sensorium frei, so beginne man mit passiven Bew^ungen der ge*
and activen der gesunden Seite und achte bei ersteren besonders auf die
‘^^^‘hioiuD der Gliedmaaasen nach der Seite der gewohnheitsgemäss am meisten
D g : 7cd / G OOglC
236
gelähmten Maskelgruppen. Dieee Uebangen sind von gewissenhaften Masseuren unter
häufiger Controlle des Arztes 2 Mal täglich V 2 Stunde lang vorzunehmen. Wöchent¬
lich sind 4—5 kräftige Eochsalzbäder (10, 20 und mehr kg) io der Wanne za
geben, 26—27 warm, sobald als möglich aber die Gelähmten io ein kochsalz¬
haltiges und an COg reiches Soolbad zu senden. Das Bad gewährt die Möglichkeit,
ca. 2—3 Monate früher Spuren von Eigenbewegungen sichtbar zu machen (Aufhebang
des Gewichtes der Gliedmaassen im Bade mit specifisch schweren Flüssigkeiten,
Fortfall des Beibungswiderstandes der Bett- und Leibwäsche, psychische Beein¬
flussung u. 8. w.). Aehnlicb wirkt die senkrechte Körperstellung, am besten in einem
Laufstuhl, „so fest gebaut, dass er das Körpergewicht trägt, und so leicht, dass der
Pat. den Stuhl, in ihm stehend, mit dem gesunden Arm vorwärts bewegen kann“.
Diese 3 Anwendungsformen (passive Gymnastik, Bäder, Laufstuhl) müssen möglichst
frühzeitig angewandt werden. Dem Ueilwertbe der Elektricität gegenüber nimmt
Verf. den Moebius’schen Standpunkt ein, auch die Massage beurtheilt er abfällig,
da sie neben anderen Nacbtheilen die Entwickelung der Contracturen gänzlich an-
beeinflusst lässt. B. Pfeiffer (Cassel).
40) Ueber das Brisement des Buckels nach Calot, von Lorenz. (Deutsche
med. Wochenschr. 1897. Nr. 36.)
Die bisherige, allerdings kurze Erfahrung hat festgestellt, dass die Gefahren,
welchen das Rückenmark beim Redressement etwa ansgesetzt ist, weit überschätzt
wurden, wenngleich gelegentlich prävertebrale Äbscesse bei diesem Verhalten platzen
können und der frei gewordene Eiter in die umgebenden Gewobsräume eingepresst
werden kann. Liegt demnach im ganzen kein Grund vor, sieb gegen das Redresse¬
ment auszosprechen, so warnt Verf. doch vor allzu übertriebenen Hoffnungen
und hält bei dem destruirenden Charakter der Tuberculose eine grosse Skepsis be¬
züglich der Dauererfolge des Brisements für erforderlich. In schweren Fällen mit
grossem Knochendefect und starkem Gibbus muss die nach dem Redressement
klaffende Lücke in der Wirbelkörperreihe entsprechend gross sein und es ist äusserst
unwahrscheinlich, dass derartig grosse Lücken durch neugebildetes Euocheninaterial
zur Ausfüllung kommen sollten. Ohne genügende Enochenneubildung wäre aber eine
statische Fizirung der Wirbelsäule nur denkbar, wenn an Stelle des Gibbim eine
künstliche circumscripte Lordose träte, eine an der von vornherein lordotiseben
Lendenwirbelsänle gewiss mögliche Einstellung. Verf. betont, dass Becidive bei den
Calot’scben Verfahren mit grösster Wahrscheinlichkeit früher oder später zu er¬
warten sind, und warnt davor, alle befriedigenden Resnlte, die in Zukunft etwa nach
den Calot’schen Vorschriften erzielt werden mögen, ohne weiteres der Methode zn-
zuaebreiben, da auch die bisherige Spondylitistherapie grosse Erfolge aufweisen kann.
Nach dem Verf. ist die Grösse des künftigen Gibbus von vornherein und lediglich
durch die Grösse des Eraukheitsherdes bestimmt, durch unser Zuthun kann nnr
erreicht werden, dass der Gibbus nicht grösser wird, als er unbedingt werden mnss.
In der Einleitung und Weiterentwickelnng des Gibbus fällt die grösste uud wich¬
tigste Rolle den reflectorischen Muskelspasmen zu; durch die muskuläre Fixirnng
des Rumpfes wird derselbe zweifellos auch in der Richtung der Längsaze comprimirt
und zunächst unter dem Einfluss dieser Muskelpressung erfolgt die Bildung dea
Gibbus. Auch der Calot'sehe Gypspanzer dürfte die Entstehung des Buckels bis
zu dem unbedingt nöthigen Grade nicht absolut hindern können. Die durch para-
gibbäres Redressement (Lange) gewonnenen orthopädischen Resultate sind weniger
schön, aber dauerhafter als bei dem centralen Brisement. Calot’s Behauptung, dass
seine Methode viel früher als alle anderen znm Erlöschen des Krankheitsherdes
führe, bedarf erst der Begründung. Die Technik des Calot’scben Redressement
ist sehr mangelhaft und verbesserungsbedürftig. „Das Calot’scbe Brisemen
Google
0! V
237
steht und fällt mit der Frage, ob die Beproductionskraft der Nator
der durch das Brisement an sie gestellten Fordernng gerecht in werden
Termag.“
Yerf. sah bei einem Falle yon Spondylitis dorsalis saperior eine leichte Parese
der Beine nach dem Redressement in complete Paralyse flbei^hen, eine Lähmung
lon Blase ond Mastdarm dazutreten. Letztere ging allmählich zarfick, dag^en be¬
steht die Paraplegie 2 Monate nach der Operation noch nnverändert fort^ auch hat
sich der Qibbns reprodncirt Ea ist somit das Brisement, zum mindesten eines
oberen dorsalen Oibbns, keineswegs ein absolut harmloses Verfahren.
B. Pfeiffer (Cassel).
m. Aus den Gesellsohaften.
Finaks Lftkaresällskap.
Prof. Hom^n stellte in der Sitzung vom 22. Febmar 1896 (Finska läkare-
Ällsk. bandl. 1896. JXXVIII. 3. S. 473) einen schon frQher (vgl. dies. Centralbl.
1896. IV. S. 766) Torgefflfarten Pat. mit gekreuzter Anästhesie (aller Sensibilitäts*
qualitäten) yor, die wahrscheinlich auf einer Läsion im Pons beruhte. Kach einer
ecergischen Schmierkur mit gleichzeitiger innerlicher Anwendung yon Jodkalium trat
bedeutende Besserung des Allgemeinzustandes wie der Himsymptome ein, und zur
Zeit bestand nur noch für die Kälteempfindung eine ziemlich vollständig gekreuzte
Ani^esie, stellenweise verbunden mit einem gewissen Grade von Dysästhesie, während
die SU>ning der übrigen Oefühlsqualitäten bedeutend gebessert war.
In der Sitzung vom 21. März berichtete Prof. Hom^n (a. a. 0. 6. S. 577) über
seioe unter Mitwirkung von Cand. ned. Laitinen aasgeführten experimentellen Unter-
scchongen über die Wirkung der Bakterien und Toxine auf das Nerven-
lyitem. Diese Untersuchungen sind später von Prof. Homän (a. a. 0. 9. S. 626)
n^ruhrlicber mitgetbeilt worden. Es wurde direct in den Ischiadicns, auch manch'
aal in das Böckenmark von Kaninchen Bonilloncultnr eines durch Weiterimpfung zu
hoher Virulenz gebrachten Streptococcus eingespritzt. Die Untersuchung der Nerven
ergib bei den der Injection erlegenen oder getüdteten Thieren, dass sich die Bakterien
xbon nach 24 Stunden auf dem Wege der Gewebsinterstitien und Lymphräume im
guzen Verlaufe des Nerven, von der Injectionsstelle an bis zom Bückenmarke, wie
Kcb in dem von der Injectionsstelle peripher gelegenen Theile ausgebreitet batten.
J« veiter central, je näher den Centralganglien, desto mehr nahmen die Bakterien
eine grössere Localisation an, sie fanden sich hauptsächlich im Perineurium und
«Irugen in das Innere der Nervenfasern eiu, von der Peripherie nach dem Centmm
n; wenn längere Zeit seit der Injection verstrichen war, drangen sie immer mehr
in das Innere. Hit dieser Ausbreitong der Bakterien gingen histologische Ver-
üdeningen Hand in Hand (kleine Hämorrhagieen, Entartung und Zerstörung der
Nwyenfasem und Zellen), die 10 Tage nach der Injection den ganzen Querschnitt
dorchsetzten, während dann Bakterien nicht mehr gefunden wurden. Im Rückenmark
Bihnen die Yeränderongen den gleichen Verlauf; bei directer Einspritzung in das
ÜideniDark geschah die Ausbreitung der Bakterien hauptsächlich zwischen den
keningen und dnrch den Centralcanal. Nach Injection von aus denselben Bakterien
iwriteten Toxinen traten ähnliche Veränderungen ein, die sich ziemlich in derselben
Vriee verbreiteten, aber weniger scharf ausgesprochen waren. Diese Untersuchungen
durften der immer mehr sich verbreitenden Ansicht als Stütze dienen, dass ver-
äcUedene Bflckenmarksinfectionen infectiöser oder toxischer Natur sind, ausserdem
dkftoi sie eine anatomische Grundlage für die Theorie der aufsteigenden Neuritis
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2S8
Dr. Lind4a berichtete in der Sitzung vom 11. April (a. a. 0. 7. S. 649) Aber
einen Fall von Meningitis, die von einem Cholesteatom im innem Ohre aas¬
gegangen war. Der 38 Jahre alte Kranke hatte im Alter von 10 Jahren einige Tag«
lang Ausfluss aus dem linken Ohre gehabt, im Alter von 13 Jahren vrar, wie Pai
meinte, aus demselben Ohre Blut ao^flossen. Mehrere Jahre lang hatte Pai an
unbestünmten, fOr rhenmatisch gehaltenen Erscheinui^en gelittw. Anfang Jauoar
1896 war nach plötzlich aufgetretenem heftigen Kopfschmerz eine Lähmung des
linken Facialis erschienen, die sich wieder besserte. Ende März hatte sich Schmerz
im linken Ohr eingestellt, der den Charakter einer Trigeminusnenralgie annahm, die
auf die rechte Seite ftberging. Daran schlossen sich meningitische Erscheinungen an,
aber das Sensorium blieb frei und motorische Erscheinungen fehlten. Anfang April
traten Schmerzen im Kreuz und in beiden Ischiadicis auf. Am 8. April wurde der
sclerotische Processus mastoideus eröfhet, die hintere Wand des knöchernen Oehör-
gangs abgemeisselt und ein zerfallendes Cholesteatom entfernt Der Zustand bessert«
sich nicht und der Kranke starb am 9. Aiu-il. Bei der Section fand sich allgemeine
Meningitis, am stärksten auf der linken Seite, sich bis in das Rflckenmark erstreckend.
Der Acosticus und Facialis der linken Seite waren im Porus acusiicus erweicht und
eitrig infiltrirt
In der Sitzung vom 9. Hai stellte Prof. Buneberg (a. a. 0. 10. S. 837. 842)
eine Pat. mit einer eigeoth&mlicheu Form vou motorischer Aphasie und Hemi¬
plegie der linken Seite in Folge von Thrombose der Art fossae Sylvii vor; die
Pat war linkshändig und bietet ein Beispiel dafür, dass bei Linkshändigkeit das
Sprachcentrum in der rechten Hiruhemisphäre liegt.
In der Sitzung vom 7. November stellte Prof. Raneberg (a. a. 0. 12. S. 1060)
einen Pat mit nach Trauma entstandener Paohymeningitis oervioalis hyper-
trophioa vor.
Dr. Sievers theilte in der Sitzung vom 6. December (a. a. 0. 1897. KXXIl. 1.
S. 185) einen Fall von Brown-Sequard’soher lAhmuag bei einem 29 Jahre alten
Seemann mit, der 2 Jahre nach einer ungent^end behandelten secundär syphilitischeD
Halsaffection eine Lähmung des rechten Beines bekam, mit Erschwerung der Harn¬
entleerung, die nur tropfenweise vor sich ging. Die Darmtbätigkeit war sehr träg.
An dem fast paralytischen rechten Beine bestand starke Hyperästhesie, der Patellar*
reflex war gesteigert. Am linken Beine, dessen Bewegungen nicht gestört waren,
bestand fast vollständige Analgesie und Lähmung des Temperatorsinnes, der Patellar-
reflex war kanm bemerkbar. Auch Aber den unteren Tbeil des Bauches bis drei
Fingerbreiten unterhalb des Nabels erstreckte sich eine Zone starker Hyperästhesie,
weiter nach oben war das Gefühl normal. Nach einer Schmierknr nahm die Ij&hmung
des rechten Beines ab, der Patellarreflex blieb aber erhöbt. Sensibilität» Ham- und
Darmentleerung wurden normal. — Prof. Runeberg erwähnte bei dieser G^egenhei'
einen gleichen Fall, in dem trotz der Behandlung die Krankheit fortschritt. Prof
M. W. af Schnltöo erwähnte zwei Fälle, in denen die Krankheit tranmaUschei
Ursprungs war. In einem von Dr. Holmberg beobachteten Falle besserte mch di<
Blasenlähmung nach Pilocarpininjection.
Dr. Krogius (S. 186) theilte einen Fall von schwerer liingualisneuralgii
mit, in dem die Bwection des dritten Astes des Trigeminos nach KrQnie in aus
geführt wurde. Der 60 Jahre alte Kranke hatte vor 2 Jahren plötzlich beim Elsse
einen äosserst heftigen schneidenden Schmerz in der rechten Znngenhälfto bekommet
2 Monate später kehrten gleiche ScbmerzanßUe in Zwischenzeiten von einigen Tage
wieder, wurden häufiger und heftiger und traten schliesslich fast täglich auf, wiedei
holten sich mehrere Male an einem Tage, bisweilen sogar mehrere Male in ein«
Stande. Der Schmerz strahlte bis zur Schläfe und bis zom Ohre ans. EsBen ui
Sprechen wurden immer schwieriger, weil Pat. sich bemühte, die Zunge so wen
Dig.v/od Oy ioOOQlC
iU Böglkh zu berflhreQ. Nach der Operation [kaom 3 Wochen vor der Hittheiluog]
nr PzL vollständig befireit von den Schmerzan^en, konnte anbehindert essen und
^neboi, doeb bestand Anästhesie in der rechten Zungenhälfte und in der rechten
ÜGidDeferhälfte. Von zwei weiteren Fällen von Besection des 2. nnd 3. Trigeminus-
nttf, die Krogius erwähnte, war in einem keine Heilung erzielt worden. Nach
^Mitüieilung von Prof, af Schnltdn (S. 188) verschwanden in diesem Falle
äcluaeneD, nach einer vorfibei^ehenden Exacerbation in Folge der Extraction
BBS Weisbeitssahnes, nach einer Gussenbauer’schen Laxirmitte.lkur. Doch
nr locb diese Besserung, wie Erogius io der Sitzung vom 6. Februar 1897
tLiO. 1897. IXXIX. 3. S.Ö12. 513) mittbeilte, nicht von Dauer; Pat war 10 Tage
% fro TOS Schmerz, batte dann 3 Tage lang wieder mehrere AnföUe; diese setzten
iui aenlich 4 Wochen lang aus, begannen aber dann, trotz Fortsetzung der Kur,
nte. Nuh Besection des Ganglion Gasser! war Pat. frei von Schmerz bis
nr Zeit der Mittheilnng [25 Tage], af Schulten hat nach den von ihm aus-
nßhles Nervenr^ectionen fast immer Becidive eintreten sehen, die Besection ist
keUb Bub ihm nur als Ultimum refuginm zu betrachten.
io einem von Wahlfors (S. 188) erwähnten Falle verschwand eine schwere
^«eiditsBeunlgie nach der Extraction eines schmerzenden Zahnes, an dessen Wurzel
OB» kieine ^ostose entdeckt worde. Hj. von Bonsdorff, der ebenfalls einen
Beeeetion nach Krönlein behandelten Fall erwähnt, hat an dieser Operation
dass das kosmetische Besultat nicht vollständig gut sei und die Function
M Unterkioreis gewöhnlich eingeschränkt werde.
Prof. Bornen (S. 188) stellte ln derselben Sitzung einen 19 Jahre alten Pat.
r«, der an «ner Bolbäraffeotion mit gekreuater Lähmung litt. Pat. war am
^ Angoät 1896 vom Pferde auf harten Grund gefallen, so dass der Hinterkopf
^ auöchlog, und bewusstlos li^en geblieben. Als er nach einigen Standen
nedar n sieh kam, hatte er Empfindlichkeit am Hinterkopfe, wo sich keine Wunde,
Gmebwulat vorfand. Die Empfindlichkeit im Hinterkopfe liess nach einigen
nach, aber es stellten sich oft spastische Zuckungen in den Haskeln der
Gescbtsbälfte ein, bei Bewegungen des Kopfes hatte Pat. das Gefilhl von
^aibed im Nacken. Ansserdem bestanden Bulbärsymptome (schwerfällige Sprache,
^viengkeit beim Scblucken. Flössigkeiten kamen oft durch die Nase wieder heraus,
l^rbeifebfiQd bestand Beschleunigung der Athmung und des Pulses). Bald trat
^bvkie im linken Arme (die Nackenmuskeln der linken Seite, der linke Supra-
Bad lafrupioatus und der hintere Tbeil des Deltoideus zeigten verminderte elektrische
nnd üq rechten Beine auf, später auch eine gewisse Schwäche im rechten
^ Bai der Aufiiahme, am 22. October, worde die Zunge gerade herausgestreckt,
hl Gwfflsosegel hing links tiefer herab und war weniger beweglich als rechts, die
war nicht anfällig gestört, aber das Schlacken. Der Patellarreflex war links
^ KbwiclL Die active Beweglichkeit in einem Achselgelenk war bedeutend ein-
namentlich konnte Pat. den Arm nicht hoch heben, im Uebrigen war
w Am schwach, in geringerem Grade der rechte. Es war geringe Dermographie
'wbadn. Der Znstand besserte sich allmählich.
Ala Erankheitaursache war mit grösster Wahrscheinlichkeit eine Affection der
kidtlla oblongata anznnehmen, and zwar an einer Stelle, wo die Kreuzung der
MonKbes Bahnen für die ot^ren Extremitäten schon stattgefunden hat, die für
^ nrtven noch nicht, worauf die Kreuzung der Lähmung hindeutet. Ausserdem
wohl die oberen Cervicalnerven und ihre Verzweigungen bei dem Palle direct
worden sein, wofür die relativ stärkere Affection der Nacken- und Schulter-
spricht.
der Sitzung vom 12. December 1896 stellte Prof. Runeberg (a. a. 0. 1897.
2. S. 852) einen Pat. mit auf Blutung im Occipitallappen beruhender typischer
^’l^her Apharie vor, sonwible nnd motorische Störungen fehlten ganz. Pat, der
Hig i'/od c/ Google
240
als Kind die schwedisclie and erst als Erwachsener die finnische Sprache gelernt
hatte, konnte oft vorgezeigte Gegenstände unr finnisch, nicht schwedisch benennen,
weil er, wie Vortr. meint, die schwedischen Benennangen mit Seheindrficken, die
finnischen dt^egen mit GehOrseindrOcken verband. Walter Berger (Leipzig).
IV. Vermisohtes.
Verein der deutschen Irrenftrste.
PreissoBBchreibnng ffir einen Leitfaden beim Unterricht des PflegeperBonsle.
Bedingungen.
Der Leitfaden soll dem Pfle^perBoual in die Hand gegeben werden. Er boU in ee-
drängter Efirze und in ein&oher, leicht verBtandlicher and von Fremdwörtern freien Sprache,
entsprechend der geistigen Ansbildung des DnrcbschnittspfiegerB, ihm den Grundriss eines
UnterrichtscarBUB darbieten.
Er soll jedenfalls folgende Gegenstände enthalten, deren Beihenfolge dem Yerfrsser
hberlaasen bleibt:
1. Einen ganz kurzen geechichtlichen Ueberblick Aber Krankenpflege, Irrenpflege,
Irrenanstalten und Pflegepersonal.
2. Einen Abriss der Krankenpflege im Allgemeinen. Hierbei ist Aber Bau and Ver-
ricbtangen des menschlichen Körpers nnr so viel zn sagen, wie etwa in der oberstMi Stufe
der Volkschnle gelehrt wird.
Bei dieser Besprechang sind Aberall gleich Hindentnngen anf wichtdge krankhafte
Zustände (oder Verletzungen) der besprochenen Theile zu machen, insofern sie Be¬
ziehungen zur Krankenpflege und Irrenpflege haben.
3. Eine kurze Besprechung der Aufgaben und der Hygiene des Krankenhauses und
der Irrenanstalt, mit Röcksioht anf die besonderen Einrichtnngen der Letzteren.
4. ^ne besondere Anleitung zur Pflege der Geisteskranken. Hierbei ist unter Ver¬
meidung wissenscbaftUcfaer Abhandlungen Aber Psychiatrie, nur in soweit eine Beschreibung
zu geben von der Aeusserungsweise des Imseins, als diese fAr die Anfgaben der dem
Wartpersonal zufallenden Pflege in körperlicher und geistiger Hinsicht von Wichtig¬
keit ist.
Der Leitfaden soll für alle dentschen Anstalten passen. Besonderes, was in der Haus-
Ordnung und in der Dienstanweisnng fttr das Wartpersonal in jeder Anstalt gesagt ist,
braucht der Leitfaden nicht zu enthalten.
Sodann wird gefordert:
Leserliche, druckfertig geschriebene Arbeit oder gedrücktes Heft. — Nachweialich vor
dem Preisausschreiben im Dmck and Verlag bereits erschienene Arbeiten sind so wie sie
sind, oder mit entsprechenden Nachträgen and Ergänzungen zngelassen.
Die Arbeit (sofern sie noch nicht im Drucke erschienen ist) ist mit einem Keonworl
(Motto) zn versehen ond in einem verschlossenen Briefumschlag, welcher das Kennwort aU
Aufschrift trägt, der Name des Verfassers anzugeben.
Die Arbeiten sind bis znm 1. Januar 1899 an einen der Unterzeichneten einzoreichea
Der Preis beträgt 500 Mark.
Das Antorreobt verbleibt dem Verfasser. Der mit dem Preis ausgezeichnete Leitfadoi
muss sofort gedruckt werden.
Der vom Verein gewählte Preisausebuss:
Pelman (Bonn). Paetz (Altscherbitz). Siemens (fjiuenbuig i./Pom.
Ganser (Dresden). Alt (Uchtspringe).
Um Einsendung von SeparatabdrAcken an den Herausgeber wird gebeten.
Einsendungen fAr die Redaction sind zn richten an Prof. Dr. E.Uendel,
Berlin, NW. Schiffbanerdamm 20.
Verlag von Vbit & Comp, in Leipzig. — Dmck von Mutzuu A Wime in Leipzig.
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15. März.
Nr. 6.
L OrifiBalnlttheilungeti. 1. Geber den Harkfasergehalt der Centralwindnogen eines nor*
I ■iBBlicfaen Indiridnams, von Dr. Adolf Pattow. 2. Zar Casnistik der Kleinhimtnmoren,
l>r. A. Boottiger, Nerrenaizt in Hamborg. 8. Zar Aetiologie der faDctionellen Neorosen
and Nearastbenie). Ton Dr. e. Biernaeki, ord. Arzt am Wola-Erankenhans za Warschan.
K. lWorate. Anatomie. 1. Beitrue zur Kenntniss der Hautnerven des Kopfes,
Issdir. 2. Experimentelle Untersachangen &ber die Wurzelgebiete des N. glosso-
ne and Accessorins beim Affen, von Kreidl. — Experimentelle Physio*
el eerreaa in: Dictionnaire de Physiologie par Charles Bichet. § 1. Histo*
§ 2. Böle de Pdeorce c4r4brale en g^n^ral. § 5. Des centres de l'^corce cdrdbrale.
j. 4. Zar Frage der Ursachen der Linkshän^gkeit, von RothicMid. 5. Ueber den
der Sebilddröse aaf den Stoffwechsel, von SchSndorff. 6. Experimentelle Beiträge
drhaeofraee, ron Wormser. 7. Zar Lehre der SchilddrQse, von Munk. 8. Ueber den
TOB SchiladiHsen in Steiermark, von v. Rositzky. 9. KehlkopfnerTennnd die Fanctionen
•idea, von Exnor. — Pathologische Anatomie. 10. Till kännedomen om de
Mpotationer nppkommande förändringama i nervsystemet med speciel hänsyn tili de
dna neoronema, af Sibelius. 11. Les alt^rations de la moSile öpiniöre cbez les ohiens
d’euUrpation dM glandes parathyr^oldiennes, par Vassale et Donnaggfo. 12. Beiträge
Kaoatoiss Harkfaserge^tes der Grosshimrinde bei Idioten mit vergleicbenden
eo, von Kaes. — Pathologie des Nervensystems. 13. Ett fall af per*
V anemi med fCrändringar i ryggmärgens hakre strängar, af Johnson. 14. Notes
goitre in northeast Bengiu, by Waters. 15. Da goitre exophtalmiqae, symptömes,
traitement (seotion da grand sympathiqne cerncal), par Valenpon. 16. Natore
it da goitre exophtalmiqae, par Abadie. 17. Ueber das Auftreten von Oedemen
Basedowii, von L8w. 18. A case of acate Graves disease witb a description of
anatomy and of a seri^ of mikroscopical sections, by Forwell. 19. M^lancolie et
ooi^talmiqae, par Dovay. 20. Hyzoedema, by Davidsohn. 21. Hyzödem anf seltener
von BarWurt. 22. Om myzbdem, af Pfannenstill. — Tvä fall af myzödem, behandlade
jAgreoHBatabletter, af Pfannstill. 23. To Tilfölde af Myxödem, at MCIIor. 24. De la
fm Tordoas. 25. Zwei weitere Fälle von jnvenilem Totalster bei Tetanie, von
fllr. ^ Ein Fall von Pbosphorvergiftong mit Tetanie, von Stransky. 27. Jja tötanie
PafMik, pv Oddo. 28. Ueber Tetanie im Kindesalter, von Kaüsehsr. — Psychiatrie.
Tmiftsalisme myxoedömateni. par Brissaud. 30. Idiotie myzoedömatense (myzoed^me
) tü rhifineDce par Tingestion de glande tbyroide da mooton, par Bourneville.
6 eretinismo. per Cristiani. 32. Ueber das Bewusstsein der Hallacinirenden,
S8. Die paerperalen Psychosen, vom ätiologischen, klinischen und forensischen
von Shdarow. 34. Drei casois^ohe Beiträge zor Lehre von den Psychosen mit
VM Kaator. 35. Zusammenstellnng der sich in dem bfirgerlicben Qesetzbneh fQr
ergebenden, z. Tb. nenen Gesichtspunkte fhr die Erstattung von Gntacbten,
36. Zwei Fälle sogen. Folie par transformation (Folie en common), von Pinkel*
t1. CoBtribotion ä la pathologie des rapports sexnels. Paralysies postparoxystiqaes.
S8. Betrmehtusgen Qber die Umkehrang des Geschlecbtstriebes. von Laupts. 89. La
■tadiata nell’nomo e nella donna etc., per Murro. 40. Weiche besonderen An*
|SB — abgeseben von den f&r den J^n von Krankenbänsem göltigen — sind bei
JtariehtaDg einer grossen einklassigen Anstalt für Geisteskranke zn berficksiebtigenp
L — Therapie. 41. Les distractions dans le traitement des aliänöe, par Nicke,
whoataue Cbinim'njectionen, von K9bner. 48. Ueber Thyreoidinbebandlnng der
16
i.GoogIc
242
Stramen, von HmszoI. 44. Ein Beitrag znr Thyreoidintberapio, von Hiebei. 45. Troii cat
d'idiotie m^ioed^mateoee traitde par l’ingcstion thyrdoidienno, par Boumevllte. 46. De la
rösection bilaterale dn grand ayinpatbiqQe cervical dana le goitre exopbtalmiqae, par Gertr4-
Marehant. 47. Rdsection bilaterale du grand ajmpathiqae cervical, dana lo goitre exopbtal-
miqoe, par Rectus et Faure. 48. Le traitement da goitre exopht^rniqae par la aectioD on
la rdaection du aympathiqae cervical, par Jabaulav. 49. Ein operirter Baaedow-F^dl. von
Saenger. 50. Regrowtb of bair in mjxoedeina nnaer treatment witb thyroid tabloida, by
Raven. 51. Le traitement des m^lancoliquea par le repoa an lit, par Sdrieux.
Hl. Aus den Gesellschaften. Aerztlicber Verein zn Hamborg. (Scbloas folgt.)
L Originalmittheilongen.
[Aus der psychiatrischen Klinik (Prof. Dr. Fübstnee) in Strassburg L/E.]
1. lieber den Markfasergehalt der Centralwindungen eines
normalen männlichen Individuums.
Von Dr. Adolf Fassow, II. Assistenten der Klinik.
Die Arbeiten von Eabs über den Faserreichthum der Rinde erstrecken sich
bis jetzt auf Gehirne von normalen, männlichen Culturmenschen von bis
50 Jahren(l—3), auf zwei Gehirne von Angehörigen der niederen Basse(4) und
auf je ein mikio- und makrocephales Gehirn (5).
Da er aber bei seinen TJotersuchungen des ganzen Gehirns nur eine rer-
bältnissmässig kleine Anzahl Schnitte berücksichtigen konnte, stellte ich mir die
Aufgabe, den Faserreichthum der ’Centralwindungen genauer in einer fortlaufenden
Reibe von Schnitten zu studiren und zahlengemäss festzulegen.
Ich wählte dazu das Gehirn eines 33 Jahre alten Schreineis, welches icb
der Güte des Prosectors am Hamburg-Eppeudorfer Erankenhause, Herrn Dr.
Edoen Fbäneel, verdanke. Der Patient war geistig normal gewesen und an
Phthise sehr schnell gestorben.
Nach mehrwöchentlicher Härtung in MOLLSB’scher Lösung tbeilte ich die
rechten Centralwindungen in sechs ungefähr gleich grosse Blöcke, numerirte sie
so, dass der am grossen Längsspalt gelegene der erste, das Opercnlum dei
sechste war, bezeichnete durch eine eingestochene Nadel die vordere Central-
Windung, härtete in Alkohol fertig, bettete in Celloidin ein und fertigte dam
Serienschnitte an, die die Zahl von 1741 einzelnen Schnitten ergaben.
Geerbt wurden sie dann alle hinter einander nach der von Kaes modi
ficirten WoLTEEs’schen Methode (6), deren Vorzüge auch ich nach jetzt fas
4jähriger Benutzung für Markscheidenfarbungen des ganzen Nervensystems nicb
warm genug empfehlen kanu.
Die Benennung der einzelnen Schichten kurz berührend, schliesse icb micl
den von Edinoeb vorgeschlageueu provisorischen Namen (7) an.
Wenn ich auch an dieser Stelle von einer Mittbeilung der genauere
Messungen absehe, ergeben sich doch bei einfacher makroskopischer, und noc
mehr bei mikroskopischer Untersuchung interessante Facta, deren wichtigste ii
folgenden kurz mitgetheilt seien.
ig li^cd cy Google
243
Bebn Vergleich der Schnitte der vorderen rechten Gentralwindong finden
äch unter dem Bchmalen glioeen Saum die Tangentialfasern von Block zu Block
JOfläunend stärker geschichtet; ihre Breite ist im ersten am geringsten, im
Tinten am grössten; dann wird sie im fünften und sechsten wieder geringer.
Das Haaptinteresse wmidet sich aber der Betrachtung des darunter gelegenen
iopenadiären Faserwerks zu, auf dessen Wachsthumsverbältnisse bereits Kaks
in lanen VeröffentUchungen des öfteren hingewiesen hat
Während im eisten Blocke basalwärts gerechnet nur einzelne Fasern auf*
treten, finden wir im zweiten und dritten eine gleichmässige, stetig zunehmende
Sehiehtnng, so dass im vierten diese bis an die Tangentialfasem heranreicbt
fileiehzeitig geht mit wachsendem Faserreicbthnm ein Schmälerwerden der ganzen
Sclbdit einher. Bei den beiden letzten Blöcken finden wir jedoch eine wieder
biQter^ fast völlig faserlose Schicht
Das intenadiäre Flechtwerk nebst äusserem (BaQlarger, auch Gennari ge¬
mimtem} Streifen bedingt das oben erwähnte Schmälerwerden des superradiären
raseiwerkes, indem es gleichsam peripher gerechnet hinaufirückt Gleichzeitig
vir sodann eine tiefer gelegene Schichtung des zweiten Baillaiger-Streifens,
da sohmäler und wen^er dicht als der äussere ist Beide sind nicht scharf
^tgegrenzt, sondern heben sich mit verschwommenen Bändern durch stärkere
Sthichtnng hervor.
Wir finden also in diesen
beden Schichten ein regelmäs-
^ sduittweises Auftreten von
Tom ersten bis zum vierten
Bkd, so dass wir in letzterem
dia hserreicbsten Partieen vor
um laben.
Die flg. 1 entstammt dieser
'rtgend und ist, mittelst Ocular-
oifaoiDeter genau gem^sen, ab-
foachnet Die Fig. 2 ist der
wespondirende Schnitt der
hinteren Centralwindung.
Die deutlichen Unterschiede
fiten Schichten springen uns
siirt in die Angen; im allge-
nMffien sind sie alle faserärmer,
dicht und seltener mit
di^n Fasern durchsetzt, wie
die Tordeie Centralwindnng.
Da interessantesten Befund bil-
da viedenim das superradiäre
FMenrerb^ond das interradiäre Flecbtwerk. Auch die verschiedenen Yerbältnisse in
<te& Markstiahlen beider Windungen treten deutlich in den Zeichnungen hervor.
18 *
Google
244
Ohne mich auf voreilige Schlüsse einzulassen, weise ich darauf hin, dass
diese faserreichsten Partieen des vierten Blockes der Hand- und Fingerr^oii(8),
die faserarmsten des fünften und sechsten der B^on des Kopfes, der Facialis-
und Hypoglossu^^end entsprechen.
Ich behalte mir vor, die genaueren Befunde meiner Hessungen in einer
grösseren Veröffentlichung niederzulegen, zumal Ei>iiigeb(9) noch kürzlich den
Werth solcher genauen Messungen anerkannte. Auch beabsichtige ich sodann,
meine Besultate durch Zeichnungen aus den verschiedenen Blöcken zu illustriren.
Xiitteratur.
1 Kabs, Thbodob: Ueber den Markfasergehalt der GroBshimiinde eioee */ 4 j^rigeD
mänolicbeo Kindes. Irrenanstalt Friedricheberg. Jahreebericbte der Hamburger Staat8>
krankenanstalten. 1898—1894.
2 Derselbe: Beitrüge zur Kenntniss des Beicbthoms der Grossbimrinde des Menscben
an markbaltigen Nenrenfasem. Arch. f. Psyob. u. Nervenkrankb. XXV. 1893. S.
8 Derselbe: Ueber die markbaltigen Nerrenfasem in der GroBshimrinde des Hensdien.
Neurolog. Centralbl. 1694. Nr. 11.
4 Derselbe: Ueber Groasbimrindenmaasse und Ober Anordnung der Markfasenysteme in
der Binde des Menscben, ein Beitrag zur Frage: Untersobeidet sieb die Rinde des Cnltor-
menscben von der der niederen Kasse. Vortrag, gebalten auf der Naturforsoberrersammlung
zu Lübeck 1895.
5 Derselbe: Beiträge zur Kenntniss des Harkfase^ebaltes der Grossbimrinde bei
Idioten mit verglricbenden Rindenmessungen. Monatssebr. f. Psyob. n. Neurol:^e. 1897.
S. 807 u. 879.
S Derselbe: Die Anwendung der WoLTBBs’soben Methode auf die feineren Fasern der
Hirnrinde. Nenrolog. Centralbl. 1891. Nr. 15.
7 EnraaKK, Lnowio: Nervöse Centralorgane. 5. Aufl. Leipzig 1896. S. 228.
8 TOK Monakow: Gebimpatbologie. Wien 1897. 8. 881.
9 Edixqu, Ludwio u. Wallknbbbq, A.: Beriobt über die Leistungen auf dem Gebiete
der Himanatomie. 1695—1696. S. 85.
2. Zur Casuistik der Kleinhimtumoren.*
Von Dr. A. Boettiger, Nervenarzt ln Hamboi^.
Werner St, 11 Jahre alt, ana Altona, Eisenbahnbeamtensohn, kam am 14. De-
cember 1897 in meine Sprechstunde. Er ist heredit&r nicht belastet, der zweite
von sieben lebenden Geschwistern, die ausser ihm alle gesund sind; das erste Kind
wurde tot geboren.
Patient selbst wurde leicht geboren, litt dann an Bhachitis und lernte erst mit
3 Jahren lanfen und noch etwas später sprechen. Er war immer stiller nnd mehr
für sich als seine Geschwister und seine Altersgenossen, biess nnr immer der
Träumer. Mit ca. 3 Jahren stürzte er von einem Wagen und musste 1—2 Tage zu
Bett li^en, hatte eine grosse Beule am Kopfe.
* Demonstration im inUioben Verein an Hambu^ am 18. Januar 1898.
■' Google
245
Yor einem Jihre fing er an, unsicher zn gehen; er schwankte zeitweilig, hatte
nach rftckwärts zu fallen, ging breitbeinig and klagte Ober Schwindelgefbhl;
(k^eebeint er onter Schwindel hanptsächlich nnr seinen nnsicheren Gang zn verstehen.
Drdischwindel nach einer bestimmten Seite will er nicht gehabt haben, hingegen zuweilen
SchviDdelan&Ue mit Hinstftrzen. Seit nngeßhr Jahre verschlechterte sich allmäh-
lidi Kine Schrift in ganz aaffäll^er Weise and schliesslich in solchem Grade, dass
k hehrer, nachdem er die sebriftUchen Arbeiten anfangs mit Censor 4 und 5 bedacht
htt«, dieselbe endlich als krankhaft erkannte und den Patienten nach Hanse schickte,
öläehseitig waren Kopfschmerzen, namentlich in der Stirn, und hin und wieder
HuksBSteifigkeit anfgetreten, ferner Erbrechen, und zwar vorwiegend Nachts oder
ttfui Morgen. Vor ca. 8 Monaten begannen Sehstörnngen sich bemerkbar zu
nctra, er hatte Nebel vor den Augen und ab und zu Doppeltsehen, aber nur beim
Bbck gnade ans and in die Feme. Änfallsweise soll auch Saasen in den Ohren
batioden haben, ln letzter Zeit will er beobachtet haben, dass er beim Torkeln
Mut nach der rechten Seite zn fallen droht Und den Eltern ist anfgefallen, dass
ff a allen Hantimngen, beim An« und Anskleiden immer ungeschickter und lang*
uw geworden ist
Status: Patient ist ein mittelgut genährter Junge mit leicht benommenem
Gokhtaausdmck; er hält den Kopf in steifer gerader Haltung fixirt steht breit-
böng da und zeigt dabei deutliches Wackeln und Balanciren des Bumpfes. Lässt
am Dm die Fftsse schliessen, so nimmt das Schwanken noch erheblich zu, nicht
tbcr, wenn ausserdem noch die Augen geschlossen werden. Sein Gang ist gleichfalls
^«tbtinig, schwankend, bei Wendungen noch besonders stark torkelnd, bei ge*
Augen nicht unsicherer als bei offenen. Er scheint stets mehr nach
ndtta als nach links zu schwanken.
Die weitmw Untersuchong eigiebt keine Schmerzhaftigkeit des Kopfes bei Be*
tiepfeo, namentlich auch nicht ttber der Stirn, wo die spontanen Kopfschmerzen
^tien.
Die Popillen sind normal, die Bulbi nach allen Seiten ausgiebig und gleich-
sing beweglich: kein Nystagmus. Doppeltsehen vrird nicht ang^eben.
^hachärfe etwas herabgesetzt, Zeitungsdruck wird mit jedem Auge erst in
ca, 12—15 cm Entfernung gelesen. Keine Hemianopsie. Im Angenhinteigrund be*
atikt beiderseits Stauungspapille mit frischen Blutungen, links stärker als rechts.
Mimische Bewegungen sind anf beiden Seiten gleich gut Der linke Gaumen*
togmi steht tiefer als der rechte und ist viel weniger gut beweglich. Die Zunge
wird in ganz choreatischer Art und Weise im Munde spontan hin* und hergeworfen,
nrode und ohne Zittern anf Geheiss heraasgestreckt. Sensibilitätsstörungen fehlen
m Gesidit wie fibarhaopt am ganzen Körper.
Gehör beiderseits gleich gut, Geruch und Geschmack ohne Abnormitäten.
Hffz und Lungen normal. Puls 120—130, Athmung 14—16 in der Minute.
Die Wirbelsäule ist auf Druck nicht schmerzhaft
Ao den Armen ist die grobe Kraft beiderseits gleich, nur mässig; die activen
Dewegoageo sind sämmtlicb au^iebig vorhanden, nur fällt bei den feineren Finger*
Wwegiugeu rechts eine sehr deutliche Schwer^ligkeit und Verlangsamung im Ver*
IST linken Seite auf. Die passiven Bewegungen sind frei. Bei Greifen nach
GflgeastäadeD, namentlich bei raschem Tempo, sieht man rechts leichte Zick*Zack*
bffveguugwi und etwas Ausfahren, links nichts derartiges. Die ausgestreckten Hände
nicht; lässt man den Patienten hingegen schreiben, so beobachtet man an
dam «Btblfiasten rechten Unterarm einen ganz langsamschlägigen rhythmischen
Tims Ul, welcher den Bleistift in eine direct undulirende Bewegung versetzt Schreib*
« mit der linken Hand, so fehlt dieses Symptom.
Ich bringe einige Schriftproben aus der Zeit der Entwickelung der Krankheit,
wa d ele e ich aus seinen Schulheften entnommen habe und die das allmähliche Fort-
nyGOOgIC
246
scbmten* dieser StOnmg in ezqaifflter Weise veranschanliclieD. Abbildung 1 zeigt
die,ersten An^ge, welche fast nur bei längeren Strichen hervortreten; die Schrift
stammt vom 6./V. 1897. Schon un 26./yi. 1897 theilt sich der Tremor auch den
Nr. 1.
Nr. 4.
Nr. 6.
kleineren Strichen mit (Abbildung 2). Weitere Verschlimmerungen sehen wir au
Abbildnng 3 und 4 vom 27./Vm. und 9./XI. 1897, Schriften, welche beide au
häuslichen Arbeiten stammen, während bei Dictaten schon frflher noch hochg^radi^er
StOmngen eraicbtlioh wnrden, wie Abbildung 5 vom 13./IX. 1897 zmgt. Kin
Dig v7cö
Google
247
B&odiche Arlmt endUcli vom 2./XII. 1897 ist nur noch mit Höhe za entziffern
(Abbildang 6) and wurde endlich als krankhaft in der Schrift erkannt. Der
Ckankter der Stdrong ei^iebt sich ohne weitere Beschreibang aus den gegebenen
Soehproben.
Die Schrift mit der linken Hand zeigte hie nnd da Anklange an die rechts*
seitigMi Stdmngen, aber nur in sehr geringem Grade.
Im CTebrigen b^tand an den Armen noch beiderseits herabgesetzte mechanische
Moskeierregbarkeit nnd Fehlen der Sebnenreflexe.
An den Beinen ist gleichfalls kein Unterschied in der groben Kraft zwischen
baden Seiten, actire and passive Bewegungen ohne Besonderheiten, uar werden die
Zebenbewegimgen rechts etwas langsamer ausgefOhrt als gleichzeitig links. Bewegungen
der Beine m Bflckenlage zeigen keine Ataxie, acch nicht bei geschlossenen Augen.
Dw Kniereflex ist nur rechts und auch da nur mit JsNimAssiK’schem Kunstgriff
IQ bekommen. Der Achillessehnenreflex ist rechts normal, fehlt links. Die Haut-
refleze sind normal auf beiden Seiten.
Blasen* and Hastdarmstörungen fehlen. Urin normal.
Patient erhielt Jod und Eisen in grossen Dosen mit dem bisherigen Erfolg,
dass das Erbrechen bedeotend seltener, die Schrift etwas deutlicher und die Stauungs¬
papille beiderseits etwas geringer geworden Isi Die Qbrigen Sjmptome sind ziemlich
(mrerandert geblieben, die Unsicherheit im Geben und Stehen hat noch zugeDommen.
Die Diagnose lautet im vorliegenden Falle auf einen Tumor des Kleinhirns,
das steht wohl ausser allem Zweifel. Der Beginn mit Gleichgewichtsstörungen,
das firöhzeit^e Auftreten von Erbrechen und Stauungspapille, sprechen fflr die
hintere Sd^elgrube. Die Ataxie beim Gehen und Stehen zeigt zudem einen
ganz cerebellaren Charakter. Und ausserdem haben wir noch constatirt: Fehlen
des RoiTBEBu’scheD Symptoms und Ueberwiegen des Schwankens nach reohts,
sowie Schwindelanfalle. Ferner Parese des linken Gaumeubogens, choreiforme
Bewegungen der Zunge, Beschleunigung des Pulses; Behinderung der feineren
Finger- und Zebenbewegungen rechts, deutliche, wenn auch nur geringe Ataxie
im rechten Arm, Intentionstremor in der rechten Hand besonders bei com-
plicirteren Bewegungen wie dem Schreiben, herabgesetzte mechanische Muskel¬
erregbarkeit (die elektrische war normal), Fehlen der Sebnenreflexe mit Aus¬
nahme des in normaler Stärke Torhandenen rechten Achillesreflexes und des
itark abgeschwächten rechten Patellarreflexes.
Um zu einer genauen Diagnose der Seite zu kommen, auf welcher der
Tumor sich entwickelt bat, ist es nothwendig genau zu analysiren, welche von
den Kiankheits^mptomen als directe Kleinhimsymptome und welche als sogen.
Nadibarschaftssymptome zu betrachten sind. Wir werden dabei, wie alle
neueren zn diesem Thema sich äussemden Autoren, zugleich die vorzüglichen
physiologischen Forschungen Lüciaki’s zu berücksichtigen haben, welche ge¬
ebnet sind, wesentlich zur Klärung der uns beschäftigenden Fr^en beizutragen.
Wir wollen zunächst absehen von den allgemeinen Hirndruckerscheinungen,
Kqi&chmerz, leichte Benommenheit, Erbrechen und Stauungspapille; von letzterer
ist nur speciell bervorzuheben, dass sie links stärker als rechts ist. Am frühesten
trat bei unserem Patienten auf und beherrscht überhaupt das ganze Krankbeits-
Idd die cerebellare Ataxie, die als directes Kleinhimsymptom zu deuten ist
Das Schwanken findet mehr nach rechts statt nnd, wie mehrfach von anderer
Google
284
Seite herrorgehoben worden ist, soll dies für linksseitigen Sitz Tumors
sprechen. Doch sind auch Beobachtungen im entgegengesetzten Sinne gemacht
worden, so dass vorläufig mit dieser Erscheinung noch nichts Sicheres anzu¬
fangen ist.
Schwindelgefühl und Schwindelanfälle sind mit Läsionen des Labj'
rinths oder des N. vestibularis in seinen peripheren oder centralen Bahnen in
Zusammenhang zu bringen. Da Gehörstorungen bei dem Patienten fehlen, so
ist eine Läsion des peripheren Vestibularis ausznschliessen, da sonst wohl eine
gleichzeitige Schädigung des N. cochleae kaum ausbleibeu würde. Vielmehr
haben wir an die Gegend des Corpus restiforme und der centralen Kerne des
Kleinhirns, als die centralen Bahnen und Endausbreitungen, bezw. Ursprünge
des Vestibularis zu denken. Doch kann bisher keine weitgehende Schädigung
derselben stattgefunden haben, da der Schwindel doch nur vereinzelt zur Be¬
obachtung gelai^ ist
Nach Lüciani ist der functionelle Einfluss des Kleinhirns auf die Körper¬
muskulatur ein dreifacher, nämlich sthenischer, tonischer und statischer, und
Läsionen des Kleinhirns bedingen demnach Asthenie, d. h. Schwäche der Musku¬
latur, Atonie, d. h. Verminderung des Tonus derselben, und Astasie, d. h. co-
ordinatorische Unregelmässigkeiten in der Aufeinanderfolge der Muskelcontractionen.
Sind die Kleinhimläsionen auf eine Seite beschränkt, so zeigen sich diese
Störungen auf der gleichen Körperseite. Von asthenischen Erscheinungen haben
wir, wenn wir nicht nach dem Vorgänge Luoiani’s und beistimmenden Be¬
merkungen Anderer, z. B. Risien Bussbl’s, Bnims* und A. Steffen’s, die
cerebellare Ataxie auf Schwäche der gesammten Muskulatur, und besonders der
Rumpfinuskulatur zurüokführen wollen, bei unserem Patienten keine zu er¬
wähnen. Hingegen fiel bei ihm eine deutliche Herabsetzung der mecha¬
nischen Mnskelerregbarkeit auf und ich möchte hierin den Ausdruck eines
herabgesetzten Muskeltonus erblicken. Auf ein Symptom möchte ich gleich hier
noch eingehen, das ist das Verhalten der Sehnenreflexe. Sie fehlen links
ganz und sind rechts zum Theil sehr herabgesetzt. Speciell das Fehlen der
Patellarreflexe ist bei Eleinhimtumoren öfter beobachtet worden, ohne bisher
eine sichere Erklärung zu finden, ln einzelnen Fällen, so von WoLiiBNBnBG,
wurden ja Buckenmarksveränderungen gefunden, von Nonne auch gleichzeitige
Sarcomatose der Buckenmarkshäute, aber es giebt eine grosse Beihe sicherer
Beobachtungen, in denen das Fehlen der Beflexe bei uncomplicirter Kl einhir n,
erkrankung bestand. Nonne hat noch kürzlich die verschiedenen in Betracht
kommenden Theorieen zur Erklärung dieses Verhaltens zusammengestellt ^ Die
erste derselben, Annahme der Aufhebung einer supponirten antagonistischen
Wirkung des Kleinhirns gegenüber dem Befiel hemmenden Einfluss des Gross-
hims, ist eine durch nichts bewiesene Vermuthang. Die zweite, welche das
Fehlen der Beflexe auf einen complicirenden Hydrocephalus zurückführt, kommt
in unserem Falle nicht in Betracht, da sich dann nicht erklären Hesse, warum
^ Nenrolog. Centralbl. 1897. S. 266.
D a l'/orl ny GOO^ IC
249
dk Beflexe linlm aufgehoben, rechts (wenigstens an den Beinen) jedoch tbeils
Torhanden, theiis abgeschwächt sind. (Dasselbe Moment spricht Obrigens in
tneerem Falle auch g^n die schon ausgesprochene Theorie von einem toxiscfaeu
Emflos der Tomorsäfte auf die Hinterstrai^ des Rückenmarks und dadurch
bedii^ Aosfallserscheinangen auf dem Gebiete der Beflexe.) Eine 3. Theorie
nimmt Dnickreizung in der MeduUa oblongata an, wobei aber wunderbar bleibt,
dam eine Beizung motorischer und Reflexbahnen die Reflexe aufheben soll,
tag mit sonstigen pathologisch - anatomisch gestützten klinischen Beobachtungen
im Widerspruch steht Endlich führt eine 4. Theorie das Schwinden der Reflexe
uf Atonie der Muskulatur zurück, eine Theorie, die mir in unserem Falle am
meeten anwendbar zu sein scheint, da wir ja auch schon die herabgesetzte
mechanische Muskelerr^barkeit zu registriren hatten. Ausserdem lässt sich die
Halbseitigkeit der Erscheinung sehr gnt mit den Eigebnissen Lüciani’s Te>
doigen, nach denen halbseitige KleinhimläBioneD Atonie derselben Eörperseite
benorrofen. Wir hätten demnach den Rückschloss zu machen, dass der Tumor
bd oDserem Patienten linksseitig sässe.
Ob die cboreatischeu Bew^ungen der Zunge als Zeichen von Astasie anf-
niassen sind, lasse ich dahingestellt Ein directes Herdsymptom kann es sein
BMh anderen Beobachtungen, z. B. denen von Pbtebsen, welcher bei einem
Gliom des Mittellappens choreatische Bew^ungen in den Muskeln des Gesichts,
Halses und aller 4 Extremitäten sah.^
Die nächste Gruppe Ton Erankheitserscbeinungen wollen wir zusammen-
hetnehten, naxulich ^e TJnbeholfenheit in den feineren Finger- und
Zehenbewegungen rechts ohne Herabsetzung der groben Kraft, die
leichte Ataxie in der rechten Hand und dem Intentionstremor
Bamentlich ebenda. Von der Ataxie ist gewiss, dass sie nicht als directes
Hodsymptom des Kleinhirns anzusehen ist, dass sie vielmehr auf Druckwirkung
uf den danmterli^enden Himstamm zurückzuführen ist, wie eine grosse Anzahl
^ Knzelbeobachtungen beweist, cf. Oppenheim und Bbuns. Die cerebellare
Ataxie cbarakterisirt sich durch gleichmässiges Betroffensein der ganzen Körper-
ooskniatur, aber nicht einzelner beschränkter Körperabschoitte.
Der in unserem Falle so schön ausgeprs^ Intentionstiemor des rechten
Armes ist gleichfalls mit grceser Wahrscheinlichkeit auf Druck der Bahnen des
Himstamnies zu beziehen, wie andere Fälle mit Obductionsbefund, z. B. von
Oppesujum, Bbuns, Wollenbebo, Donath u. A. beweisen. Da durch den
Druck des Tumors die Linksseitig verlaufenden, noch ungekreuzten motorischen
ßahnmi betroffen sein müssen, weil ja die Storungen die rechte Seite befallen
hat»i, IO hätten wir darin ein weiteres Aigument für die Annahme eines links-
setig sitzenden Kleinhimtumoi^ gewonnen. Auch die Ungeschicklichkeit in den
reehtai fingern nnd Zehen ist ein Symptom der Läsion der centralen moto-
OBchen Bahnen zwischen Grossbirnrinde und Rückenmarksvorderbörnem, wie
BBQ bei entsprechend sitzenden Tumoren des Grosshims oder Fons öfter
Google
I Joarnal of oarvoiu and mental disease«. Vol. XXI. S. 898.
250
beobachten kann. Auch sie spricht demnach für Druck auf die linke H&lfte
des Hirnstammes. Man darf diese Ungeschicklichkeit übrigens nicht mit der
halbseitigen Asthenie Luciani’s verwechseln. Zweifelhaft könnte schon eher sein,
ob der Tremor ein Symptom der Asthenie ist, was aber für unseren Fall zu
verneinen ist, da ja sonst der Tremor links auftreten musste.
Erscheinungen seitens der Himnerven haben wir nur in sehr spärlichem
Grade, solche der Augenmuskelnerven und des Trigeminus fehlen ganz. Da¬
gegen deutet wohl die Pulsbeschleunigung auf eine Beeinträchtigung des Yagos-
centrums oder -Nerven. Für die Diagnose der Eörperseite ist damit nichts
anzufangen. Ausserdem bat die Untersuchung nur noch eine Parese des
linken Gaumenbogens ergeben und schliesslich hat Patient einmal geäossert,
dass ihm das zuweilen auftretende Ohrensausen das linke Ohr zu be¬
treffen scheine. Diese beiden Symptome sind, wenn überhaupt, dann auf Be-
tbeiligung des linken Facialis und Acusticus zu beziehen und würden also
gleichfalls für linksseitigen Sitz des Tumors sprechen. Ferner deutet das
Verschontbleiben der Augenmuskelnerven darauf hin, dass der Tumor so weit
nach hinten im Kleinhirn sitzen muss, dass vorwiegend die distalen hümnerven-
paare seinem Druck ausgesetzt sind.
Alles in allem ergiebt die Analyse der Erankheitserscheinnngen, dass mit
grosser Wahrscheinlichkeit ein Tumor des Kleinhirns, und zwar im hinteren
Theil der linken Hemisphäre diagnosticirt werden darf. Welcher Art dieser
Tumor ist, lässt sich schwer sagen. G^en einen Tuberkel spricht, wenn auch
nicht absolut, dass Tuberculose in der Familie des Patienten nicht heimisch
ist und Patient selbst auch keinerlei Erscheinungen sonstiger Tuberculose dar¬
bietet. Bleibt nur die Annahme eines Glioms oder Sarcoms. Das verhältniss-
mässig langsame Fortschreiten der Symptome und demnach wohl auch nur
langsame Wachsthum der Geschwulst lässt die Annahme eines Glioms berech¬
tigter erscheinen. Damit werden auch die Aussichten einer etwaigen Operation
auf ein äusserst niedriges Niveau herabgedrückt Sollte eine Obductio iutra
vitam oder post mortem voigenommen werden, werde ich nicht verfehlen, den
Befund kurz mitzutheilen.
3. Zur Aetiologie der functionellen Neurosen (Hysterie und
Neurasthenie).
Von Dr. E. Biernaoki,
ordinir. Arzt am Wola-Krankenhaas za Warscbaa.
Was im Nachfolgenden Über die Aetiologie und das Wesen der Hysterie
und Neurasthenie mitgetheilt wird, kann vorläufig nur als Hypothese gelten.
Es ist dies aber eine Fr^e, welche in so bequemer Weise und so beweiskräftig,
wie z. B. die Aetiologie der Infectionskrankbeiten, kaum je beantwortet werden
kann. Zweitens darf ich meine Auffassung ganz neu vielleicht nicht nennen:
K.Googlc
251
dMS und jenes lässt sich wahrscheinlich hier und da aufßnden, die Idee exi-
stirt, SQXQsagen, im schlammemden Zustande. Es scheint nur, dass die mitzn-
täakmd^ Ansichten in der gewählten Form und Abrundnng noch nicht aus-
g^rochen wurden. Und wenn anch in unserer Wissenschaft die geringsten
Tbatsachen mit Recht mehr bedenten, als die geistreichsten Hypothesen, so wage
kh doch meine Theorie zu pnbliciren in der Ueberzengang, dass sie besser als
die bisherigen viele Erscheinungen der Hysterie und Neurasthenie klärt.
Gegenwärtig werden Hysterie und Neurasthenie als primäre Erkrankungen
des Nmensystems angesehen, welche sich mit ihrem Charakter und Symptomen
foo einuider unterscheiden, doch sehr häufig zusammen Vorkommen („Hystero-
BomsUienie^. „Die Symptome der Neurasthenie sind die der Ermüdung; die
Neurasthenie ist eine durch Tbätigkeit herbeigeführte gesteigerte Ermüdbarkeit;
grösser die angeborene Anlage, um so geringer braucht die krankmachende
Thät^eit zu sein“ (Moebutb).^ Dt^gen ist die Hysterie gemäss den Arbeiten
der französischen Schule (Ghabcot, Janbt) und in Deutschland vor Allem
Moebiüs eigentlich eine Geisteskrankheit, deren Symptome meistens auf psy-
cfasebem Wege entstehen. „Alle hysterischen Erscheinungen sind Suggestionen
der Form nach, ein Theil von ihnen ist dem Inhalte nach nicht suggerirt,
sondern räie krankhafte Reaction auf Gemüthsbewegungen“ (Moebiub).^ Was
% ein Zustand der Nervenzellen den unmittelbaren Ausgangspunkt für die
Jonetionellen“ Nervensymptome bildet, bleibt bisher vollkommen dunkel. Man
kollt die Lösung der Frage auf anatomischem Wege zu finden. Allerdings liegt
die Ursache dieses Zustandes (als Ursache der Hysterie) in der Heredität: bei
angeborener Anlage haben anderweitige Momente — Gemüthserschütterongen,
Trauma, dironische ConstitutionserkraDkungeu, chronische Intoxicationen u. dgl. —,
velebe auch als „Ursachen“ der Hysterie angegeben werden, nur die Bedeutung
roll ,^gents provocateurs“.
Der Gedanke, dass der pathogenetische Schwerpunkt bei functionellen Neu-
nsen nicht im Nervensystem liegen kann, ist bei mir anlässlich der Blut-
untersuehuDg in zwei Fällen schwerer Neurasthenie vor einigen Jahren ent-
Manden. Trotzdem das Blut bezüglich des Wasser- und Hämcglobingehaltes,
«rita des Gehaltes an anorganischen Bestandtheilen, seitens der Blutkörperchen-
aU D. 8. w. normal oder fast normal war, zeigte es einige Eigenthümlichkeiten,
und namentlich einige Zeichen des defibrinirten Blutes: es sedimentirte so
langsam, wie das defibrinirte Blut, und bildete dabei ein grosseres Sediment,
als in der Norm. Es wurde sogar dieser Zustand unter dem Namen von
sCHigoidasmie“ von mir beschrieben, indem deren Ursache Armuth an Fibrinogen
n min schien. In der That liess sich das frisch aus der Ader gelassene
Bhit dieser Neurastheniker sehr schwer defibriniren und war die Fibrinaus-
Hketdung makroskopisch sehr gering. Ja, auch bei qualitativer Fibrinbestim-
mung in zwei späteren Fällen von Neurasthenie mit „oligoplasmiscben“ Blute
nn^ untemormale Werthe bestimmt (LT'^/oq statt der normalen 2°Iqq).
* Hoebios, Neurobg. Beiträge. 11. S. 69.
* L €. L 8. 3t.
Google
252 —
Noch mehr machte auf sich aufmerksam ein Fall von hysterischer Stumm¬
heit bei einer 30jähr. kräftig gehanten Frau. Das Blut enthielt bei normaleo
sonstigen Yerhältnissen ca. 4^/oo Fibrin, d. b. zweimal mehr als in der Norm,
obgleich keine der üblichen Ursachen der Fibrinsteigerung (vor Allem Fieber)
vorhanden war. Die Beobachtung blieb nicht vereinzelt: bald darauf habe ich
in einem Falle von männlicher Hysterie Fibrin gefunden.
Seitdem die spontane Blutsedimenürung, als eine wissenschaftliche und
praktische Untersuchungsmethode angewendet worden war, konnten die obigen
Beobachtungen systematisch fortgesetzt werden. Das Wesen der Methode^
besteht darin, dass mem die Geschwindigkeit der spontanen Blutsedimen-
tirung, d. h. der Theilung des Blutes in zwei scharf abgegrenzte Schichten, die
des Plasmas und die des rotben Bodensatzes im Oialatpulverblnte (ungeronnenen
Blute), auch im defibrinirten Blute verfolgt Man bedient sich nur. kleiner,
durch Function der Yena mediana gewonnenen Blutmengen (1 ccm), welche
gleich nach der Entnahme in speciellen in Vio gotbeilten Gylinderchen zur
Sedimentirung gelassen werden. Die Ausscheidung des Plasmas erfolgt sehr
rasch, so dass der grösste Theil desselben häufig schon nach 1 Stunde abge¬
schieden wird. Man liest die angesammelte Plasmaquantitat nach Ys> 1
und dann nach 24 Stunden ab, d. h. zur Zeit, als der Sedimentirungsprocess
zu Ende gekommen ist In der Norm werden nach der ersten hiUben Stunde
etwa 25—35%, nach der ersten Stunde 45—70% der gesammten (nach
24 Stunden sichtbaren) Plasmamenge ausgeschieden. Für die normale Sedi-
mentimngscurve erscheint es dabei charakteristisch, dass in der ersten halben
Stunde annähernd ebensoviel, mitunter etwas mehr Plasma als in der zweiten,
zum Yorschein kommt Endlich ist im normalen Blute das Yolumen des constanten
rothen Sedimentes, merkwürdigerweise, der Zahl von Hunderttausenden Blutkörper¬
chen gleich, oder steht es ihr sehr nahe. So z. B. werden aus 5,35 Millionen
Blutkörperchen im ganz normalen Menschenblnte etwa 51—54 Yol. Procent,
aus 5,6 Mül. 55—58 Yol. Procent Sediment u. s. w. gebUdet
Thatsache ist, dass die spontane Blutsedünentirong kein rein mechanis(dier
Yorgang ist; Thatsache kann auch angesehen werden, dass die Geschwindig¬
keit der Blutsedimenürung mit dem Fibrinogengehalte im Zusammenhänge
steht: mit der Zunahme des Fibrinc^ns n imm t die Sedimentirungsgeschwindig-
keit zu, mit dessen Abnahme nimmt sie auch ab. * Eben dank diesem Umstande
ist die Sedimentirungsgeschwindigkeit im defibrinirten Blute in der Kegel ge¬
ringer als im diesbezüglichen Ozalatblute. Die Fibrinogene erleiden aber im
stehenden Ozalatblute eine Umwandlung und ihre Menge nimmt langsam, doch
constant ab. Andererseits findet im stehenden defibrinirten Blute häufig eine
Regeneration der Fibrincgene statt. Durch diese Frocesse und ihre verschiedene
* Die Bescbreibnog der Methode a. in der Deatacheo med. WocbeDsohrift. 1897. Nr. 48,
aooh Gazeta lekarska. 1897. Nr. 86 n. 87.
* Die nähere Beapreohung dieser Thesen s. in meiner Arbeit: Weitere Beobaobtnngen
fiber die spontane Blntsedimentirnng. Zeitschrift f. physiolog. Chemie. 1897. Bd. XXIII.
H. 4 n. 5.
Dig'H^cd Dy Google
258
Intoistät in veischiedenen Blutarten wird natürlich auch die Sedimentirungs-
cone Uders, das g^nseitige quantitative Yerhältniss der zeitlich abgeschiedenen
Flisma. and Semmportionen verschieden beeinflusst und modifioiTt.
Be ünteisnchung von 18 Fällen von Hysterie und Neurasthenie, bezw.
H/tiaooeaiastiienie habe ich nun ausgesprochene Yeranderungen der Blutsedi-
nentinmg oonstant feststellen können, der Art, dass bei Subjecten mit vorwie-
^atdeo Deuiasthenischen Symptomen sehr häu^ (doch nicht immer) eine abnorm
latgBune Sedimentation, und bei den Kranken mit hysterischem Erankheits-
Ude sehr häufig eine abnorm rasche Senkung zum Yorschein kam. Bei der
tiiiK«iD langsamen Sedimentation war das Sedimentvolum trotz normaler Blut-
loipachenzahl grösser und bei der abnorm raschen unter denselben Bedingungen
tieiaer als in der Norm. Die Yeränderungen waren desto frappanter, als bei
daer Beflte von diesen functionellen Nervenkranken, bei welcher auch das
spedfiscbe Gewicht des Blutes u. dgl. bestimmt wurden, das letzte sich als
oamal erwies. Unter 7 quantitativen Fibrinbestimmungen wurden dabei 2 Mal
ihooim hohe (oben erwähnt) und 2 Mal abnorm niedrige Werthe getroffen.
iuf meine Anregung unternahm Herr Dr. Luxenbubo, früherer Assistent
ier hies^n medidnischen Facultätsklinik, die weitere Bearbeitung des Themas,
ödem er ausser den Sedimentirungsverhältnissen zugleich den Wassergehalt des
Geosimtblates und des Plasmas, die Blutkörperchenzahl und in vielen Fällen
loeh den Hbringehalt in sorgfältigster Weise bestimmte. Die Untersuchung
had in über 30 F^en Hysterie und Neurasthenie (meistens länger bekannte
mie, darunter viele von „grosser“ Hysterie) statt Indem nun LiimTBUBG
die Bhittörp^chenzahl und den Wasseigehalt des Blutes in der Fälle als
abodat normal (auch bei anscheinend stark anämischem Aussehen der Kranken)
fad, vermisste er Sedimentirungsanomalieen fast nie. ln den meisten
lIQeo (etwa *|^) waren sie so stark ausgesprochen, dass ihre Existenz auch bei
da treitesten Grenzen der Norm keinem Zweifel unterli^n konnte, in den
tilgen zeigte die Sedimentirui^ allerdings diese oder jene Zeichen, durch
vddte sie von dem normalen Yerhalten charakteristisch abwich. Besonders
infes in letzteren Fällen häufig Anomalieen der Sedimentirungscorve stark
so dass in der zweiten halben Stunde g^en die Norm 3—6 Mal mehr
at^eschieden wurde, als in der ersten. Auch bei den quantitativen
Rhonhestimmungen b^egnete Lijxenbubo abnorm hoben und abnorm niedrigen
Ilbonwerttien nicht selten.
Es sind also bisher ca. 50 Fälle von Hysterie und Neurasthenie auf die
^^^dmentirongsverhältnisse untersucht; nach den Ergebnissen darf man behaupten,
Im Abnormitäten der spontanen Blutsedimentirung bei diesen Krankheiten
konstant ezistiren. Indem, wie gesagt, die spontane Blutsedimentirung mit
^ Rbringehalte des Blutes im engen Zusammenhänge steht, darf man es als
• ^*Bt e hen d annehmen, dass bei Hysterie und Neurasthenie der Gehalt
laFibrinogenen, derenUmwandlung undRegeneration im absterben-
*1^® Blute und die Fibrinmenge im Yerhältniss znr Fibrinogenmenge
cftistant abnorm sind.
- ,Google
254
Diese Thatsache gewinnt an Sinn und Bedeutung, nachdem die physio¬
logische Bolle der Fibrinogene einigermaassen geklärt worden ist Es gmd
Körper, weiche dem Blute Eligenschaften des lebenden Gewebes yerleiheo; äe
reguliren die Sauerstoficapacität und den Sauerstoffbestand des Blutes imd
geht die Fibrinbildung mit der Bindung von lockerem Sauerstoff einher. Die
FibrÜK^ene dürfen als in Oxydation begriffene Eiweisskörper angesehen werden.'
Wenn nun einmal mittelst der q>ontanen Blutsedimentirung Anomalieen des
Fibrinogenbestandes nachgewiesen werden, so gewinnt man dadurch mittelbar
Hinweise auf einen abnormen Ablauf derjenigen Processe, welche mit der
Regulation und dem Bestände an Sauerstoff zu tbun haben, d. h. der Oxy-
dationsprocesse. Gewiss sind dies keine so genauen und bestimmten Hin¬
weise, wie sie mitunter durch die Harnuntersuchung (Nachweis von Zucker,
. Aceton, Oxybuttersäure u. dgl.) geliefert werden. Dadurch kann aber der Werth
der Blutsedimentirung nicht herabgesetzt werden in denjenigen Fällen, in welchen
bisher keine Zeichen der abnormen Oxydation bekannt waren, Oberhaupt keine
Methoden zur Ermittelung der letzteren existirten.
Dass das oben gesagte speciell in Bezug auf die Hysterie und Neurasthenie
keine zu kühne Schlussfolgerung, keine leere Hypothese ist, dafür spricht fol¬
gende merkwürdige Erscheinni^. Bei einigen Neurasthenikern ist mir schon
vor längerer Zeit eine helle Färbung des venösen Blutes aufgefallen —
um zu betonen — neben ganz normaler Blutkörperchenzahl und ganz nor¬
malem Wasser- und (natürlich) Hämoglobingehalte. Luzemboeq
beobachtete dasselbe über 10 Mal unter seinen 30 Fällen, auch in dem Falle
von klassischer traumatischer Neurose. Diese Helligkeit ist häufig so stark
ausgesprochen, dass das venöse Oxalatblut im Gegensatz zu normalen Ver¬
hältnissen sich nur wenig mit seiner Farbe von dem arterialiarten defibrinirten
Blute unterscheidet. Angesichts des Mangels von Hydrämie lässt dieses Ver¬
halten des venösen Blutes den Schluss machen, dass es zuviel Oxyhämoglobiii
enthält, ln einem Falle von langsamer Sedimentirung bei einer Hysterischen
habe ich in der That bei directer Gasbestimmung so viel lockeren Sanerstof
im venösen Blute gefunden (ca. 13°/^), wie in keinem anderen, ln einen]
anderen Falle von Neurasthenie mit nervöser Dyspepsie trat das abnorme Ver'
halten des Sauerstoffbestandes im arterialisirten Flnoratblute hervor. In dei
Regel findet man in solchem Blute desto weniger lockeren Sauerstoff je späte;
es nach dem Aderlässe arterialisirt und entgast wird, während das defibriniit
Blut am häufigsten das entgegengesetzte Verhalten zeigt (mehr 0 bei spätere
Entgasung). Im Falle von Neurasthenie wurden 1 Stunde nach dem Aderlass
im arterialisirten Fluoratblute 16,02 Vol. Procent, und 24 Stunden späte
20,68 Vol. Procent Sauerstoff gefunden: es ähnelte also das Fluoratblut in dies«
Hinsicht dem sonstigen defibrinirten Blute.
Ich bin leider nicht im Besitze von Gasanalysen in den Fällen mit rasch«
* Näheres darüber s. in meiner Abfaandlang: Beiträge zor PnemiDatologie d
pathologischen MenBcbenblates a. s. w. Zeitachr. f. klin. Medicin. 1896—1697.
Dig'ii7cd Cv" Google
255
SedimeoUtion bei functionelleD Neurosen: um nach sonstigen Krankheitsformen
m benrüieilen, dürfte hierbei zu wenig Sauerstoff im venösen Blute zu erwarten
seiiL Bs Mt ansserdem an solchen rasch sedimentirenden Blutarten bei Hysterie
eise erhöhte Gerinnbarkeit häufig auf. Trotz Ueberschusses an Natriumoxalat
(0^/,) bildete das Blut im Sedimentirungscylinderchen in einigen FäUen eine
Gallerte, welche merkwürdigerweise manchmal sich wieder auflöste, um nachher
isseh zu sedimentiren. Ehe Ich diese Eigenschaft kennen gelernt hatte, warf
ich die Gallerte ans dem Sedimentirungsgefasschen fort und verlor somit die
fieobaebtong.
Beobachtet man einm^ zwei congruente Erscheinungen, so wird sofort der
V^adit auf ihren gegenseitigen ursächlichen Zusammenhang erweckt Es
s^tzt sich dabei natürlich die Frage dahin zu, was primär und was secundär
isL Gemäss den modernen Ansichten über die Hysterie und Neurasthenie als
Nervenkrankheiten würde die Auffassung der festgesteUten Sedimen-
tinu^sanomalieen, als secundärer Erscheinungen Manchem ganz einfach
cisdteineD. Dieser Annahme steht aber im Wege — die Constanz der
Bhttreränderungen. Was secundär bei einer Erkrankung ist, pflegt vielleicht
nm selten constant zu sein. Primäre Erscheinungen als Ursachen sind
eoQstant und ansserdem specifisch.
Nun sind diejenigen Sedimentirungsanomalieen, welche bei Hysterie und
XeuiasUienie Vorkommen, zwar constant, doch durchaus nicht diesen Erkran-
bogen allein eigen. Ganz dieselbe rasche Sedimentirung, wie bei Hysterie,
bannt in der R^el bei febrilen Erkankungen, bei Tuberculose, bei
iniinieen u. dgL vor; die langsame tritt bei Nierenkrankheiten, Herzfehlern
acht selten ein. Es ist aber zu bemerken, dass die rasche und langsame Sedi*
meatation bei anderweitigen Erkrankungen am häufigsten gleichzeitig mit Hy-
dräfflie verschiedenen Grades existiren, während bei functionellen Neurosen, wie
nmaJ erwähnt, das Blut nur ausnahmsweise erhöhten Wassergehalt zeigt.
Han muss die Thatsache ins Auge fassen, dass die Sedimentirungsano-
oalieen, indem sie auf gestörte Oxydation hinweisen sollen, an sich nur ein
Symbol sind, in anal(^er Weise, wie das bronchiale Athemgeräusch Symbol
V'a verschiedenartiger Lungenverdichtung ist. Somit kann eine und dieselbe
Sedimentirungsverändemng Symbol von verschiedenartigen Oxydationsstörungen
srio. Dem ist auch so: die rasche Sedimentirung bei Icterus und Infections-
haakheiteD darf in der That auf identische Oxydationsstörung nicht hinweisen.
Mag auch die rasche und die langsame Sedimentation bei functionellen Neurosen
^eselboi Anomalieen des tbierischen Chemismus, wie z. B. bei Infectionskrank-
beiten und Nephritis bedeuten, so haben wir in letzteren Erkrankungen mit
^r Oi^nerkrankung und Infection zu thun, was beides in der Hysterie und
Xmrasthenie fehlt
Eine beweiskräftige Lösung der Frage nach der Specifität und dem Primär-
^ der besprochenen Sedimentirungsbefunde lässt sich übrigens auf bisherigem
nicht auffinden. Ich würde auch die Analyse dieser Befunde nicht so
vät führen, wenn es eine Reihe von anderweitigen Thatsachen nicht gäbe.
,Google
256
Diese Thatsachen stehen im besten Einklang mit unserer Deutung der
Sedimentationsanomalieen bei Nervenkranken, als Zeichen der gestörten Oxr-
dation; dadurch gewinnt auch diese Deutung immer mehr an Wahrscheinlichkeit,
zugleich auch die Yermuthung, dass Störungen der thierischen Oxydation bei
Hysterie und Neurasthenie primär sind.
Thatsache ist es vor allen Dingen, dass der hystero-nenrasthenische
Symptomcomplez im Anschluss, besser gesagt als Folge verschiedenartiger
Constitutionserkrankungen (deren Au^ngspunkt gemäss der modernen Ansichten
durchaus nicht im Nervensystem liegt) also seoundär sich einstellen kann. Den
schlagendsten Bewete bietet die Chlorose.^ Die sc^nannten Ghlorosesymptome,
abgesehen von unmittelbaren Symptomen der Hydrämie, anders die subjectiven
Ghlorosesymptome bieten eigentlich Symptome einer allgemeinen Neurose, einer
Hysterie, bezw. Hysteroneurasthenie, welche sich mit der Bluterkrankung ein*
stellt und beim Zurücktreten derselben auch meistens verschwindet Das war
schon Tboubbeäu bekannt; die meisten modernen Autoren wissen davon, wie es
scheint, nur wenig, indem sie die subjectiven Symptome als echte Ghlorose^mptome
beschreiben und ausserdem von der Gombination der Chlorose mit Hysterie
sprechen. Von einer solchen Gombination dürfte vielleicht nur dann die Bede
sein, wenn bei einer Hysterischen ohne Blutkrankheit sich erst nachher die
Chlorose entwickelt. Wer aber den hystero-neurasthenischen Symptomencomplex
einigermaassen kennt, für den unterscheidet sich die Ghlorotische Neurose von
der „idiopathischen** durch Nichts. Sie ist gewiss nicht in allen Fällen gleich
stark entwickelt, mitunter fehlt sie sogar bei der grössten Hydrämie fast voll¬
ständig, ein anderes Mal ist sie mehr monosymptomatisch, indem Globus, Kopf¬
schmerzen, Neuralgie, Intercostalneuralgie u. dgl. an eine andere Stelle treten.
Diese „kleine“ Hysterie kann sich auch zu einer „grossen**, zu hysterischer Psychose
steigern; nicht selten hat man eine typische „Irritatio spinalis** vor sich. Ich
brauche das Alles mit Krankheitsgeschichten nicht zu illnstriren, denn jeder
Arzt kann dasselbe in seinem Material wiederfinden. Practisch wichtig ist es,
dass in manchen Fällen trotz des Zurücktretens der Blntkrankheit die Neurose
fortbesteht: somit wird die Ghlorose zu „Agent provocateur*' der Hysterie.
Diese enge Mitexistenz der allgemeinen Neurose und der BMchsncht tritt
besonders beweiskräftig in den Fällen hervor, welche „Formes frustes“ der
Ghlorose genannt werden können, d. h. Fälle, wo trotz an^esprochener Hydrämie
äussere Zeichen der Ghlorose fehlen. Es werden solche Fälle von den einen
Aerzten — ich sage das ans persönlicher Erfahrung —, als idiopathische
Hysteroneurasthenie diagnosticiri^ während sie für die anderen — besonders, fidls
man die Blntuntersucbung ausgefuhrt hat — nnr „chlorotische** Neurose mit
sich bilden.
Bekannt und anerkannt — um nach dem neuesten Referate von Eulen-
BUBO zu beurtheilen — ist weiter das secundäre Auftreten der fonctionellen
^ Vgl. meine AbhandlaDg: Heber den Krankheitebegriff der Cbloroee. Wiener medicin.
Wocheneehr. 1897. Nr. 8—11.
Dig'H^cd Dy Google
257
Neurose bei Morbos Basedowii. Es bandelt sich dabei nm Goexistenz einer
Babe TOD specieilen Symptomen (Exophtalmus, Struma u.s.w.) mit einer Hystero*
oamsthenie, welche bei Bessenmg der Erkrankung abnimmt oder vollkommen
TfTscbwnidet. Indem der An^ngspunkt und das Wesen des Morbus Base-
lofii in einer Erkrankung der Gl. thyreoidea und nachfolgender Intoxication
btstdieo soll, die Entstehung der Hysteronenrastbenie bei dieser Krankheit
^ Folge der Intoxication des Gentralnerrensystems auf der Hand.
Drittens scheint das secundare Auftreten der Hysterie im Anschluss an
tftbritBche Oxjdationsstömng auch höchst wahrscheinlich, vielleicht ganz
aber sein. Es giebt eine Reihe von Personen im Alter von 36—45 Jahren,
^ veicbeo neben allgemeinen Zeichen der harnsauren Diathese, wie Neigung
Hans ZQ Sedimentnm lateritium, hartnäckiges Befallensein eines Nerven
cderMoskels in der Nähe der Gelenke, hartnäckige Lumbago und Ischias o. dgl.
sn klues Bild von Hysterie oder Neurasthenie sich allmählich einstellt In
•fflieen eigenen Fällen, welche ich seit längerer Zeit beobachte, bessern sich die
^ccifisthen Zeichen der Neurose (Globus, Parästhesieen neben objectiv constatir-
baren Anastbesieen, Herzbeschwerden) im Sommer, um im Winter oder Frühling
u lotenaität zuznnehmen: es ist dies also das analoge Vorhalten, welches von
bövEHFELD in den Fällen von „Witterungsneurose“ beobachtet wurde.
Dieses Auftreten der fnnctionellen Neurose auf Basis der harnsauren
IHathese üel manchen Aerzten so stark auf, dass sie die Ansicht aussprachen
- die batte nur wenig, wenn nicht keinen Anklang gefunden —, die Hysterie,
^ die Psychosen seien nur Folge der Intoxication des Centralnervensystems
mit Hajusänre.
Es scheint, dass ancb anderweitige Erkrankungen eine functionelle Neurose
seenodir herbeiführen können. Ich kenne einen Söjähr. Patienten, der bei
Aussehen (in der letzten Zeit eine Neigung zur Corpulenz) seit 11 Jahren
Ul schwerer Neurasthenie leidet, auch als Neurastheniker viele Jahre hindurch
ambulatorischer Behmidlung) verschiedene antinervöse Curen mit verschie-
icoem Erfolg dorchmachte, bis er erst vor 1 ^2 Jahren als Nephritiker entpuppt
ist Der intell^ente Patient (ein Journalist) kennt seine Krankheits-
?5^-bte recht gnt.
Beasd erzählt in seinem Buche von der Albuminurie, als einer Folge der
Nearastheme. Dafür kann ich aus eigener Beobachtung keinen Beweis liefern,
leb käme aber einen anderen Fall von Nephritis nach Scharlach mit 14jähr.
^n&kbeitedaoer, wo die „nepbritischen“ Symptome (leichte Oedeme, urämisches
Erbreeben) erst sub finem eingetreten waren. Sonst bot der Fat. nur einen
vaeesprodienen Habitus hysteriens.
Die zweite Beihe von Tbatsachen bezieht sich auf die nahe hereditäre
Verwandtschaft der Neurosen, speciell der Hysterie mit den Erkrankungen,
Wesen auf abnormen Oxydationsprocessen beruht In den Werken von
'•HiicoT ist häufig die Bede davon, dass in denselben ‘Familien, in welchen
Nmalaankbeiten hereditär Vorkommen, auch Gicht, Diabetes, Adiposität, ohro-
oaeäer Bbeumatismus zu treffen sind. Ich glaube, dies kann von jedem prak-
17
D g ii^od oy GOO^ IC
258
tischen Arzte aus eigener Erfahrung bestätigt werden. Ich möchte ein folgendes
Beispiel anführen: Vater und Mutter Blutsverwandte, Vater gesund, Mutter seit
vielen Jahren schwer hysteroneurasthenisch, die älteste Tochter (19 Jahre) seit
mehreren Jahren „kleine“ doch hartnäckige Hysterie, ein Sohn (17 Jahr) Idio¬
tismus, die zweite Tochter (14 Jahre) monstruöse Adiposität, seit 2 Jahren hart¬
näckig und stetig sich entwickelnd. Aus derartigen Beobachtungen trägt man
den Eindruck aus, dass es sich im Grunde um eine und dieselbe pathologische
Störung handelt, welche je nach dem Subjecte specielle Richtung einnimmt.
Endlich ist das Auftreten der Hysterie unter dem Einflüsse Ton
rein materiellen Agentien höchst bemerkenswerth. Man hat sich gewöhnt,
in der Anamnese dieser Krankheit vor Allem nach Gemüthsbewegungen zu
suchen: ja, die Entstehung der Neurose nach Trauma führt man auch auf die
psychische Erschütterung (Schreck) am liebsten zurück. Es hat aber die Ghab-
coi’sche Schule genug Beweise dafür geliefert, dass ebenso häufig wenn nicht
häufiger, die Hysterie unter dem Einflüsse der chronischen Intoxication mit
Morphin, Schwefelkohlenstoff, Infectionskrankheiten u. s. w. als „Agents provo-
cateuTs“ sich entwickeln kann. Seitens meiner Hysteriker und Neurastheniker
wird die „Erkältung“ als Ursache der Krankheit nicht selten angegeben. Ich
möchte — und das kann, glaube ich, jeder Arzt, — Beispiele anfuhren, wie
sich hartnäckige Hysteroneurasthenie im Anschluss an Abortus (trotz Aus-
gleichens der Uterusverändemngen) eingestellt hat, ein anderes — Becidiv von
hysterischen „Attaques“ unter dem Einflüsse einer Angina Simplex u. s. w. In
manchen solcher Fälle lässt sich die hereditäre Belastung nicht nachweisen und
imponirt dann die chronische Metritis als echte Ursache der Erkrankung.
Die aufgezählten Thatsachen passen für einander aufiallend. Nimmt man
einmal die Existenz von secundärer Neurose für gesichert an, so entsteht die
Frage,.ob nicht jede Hysterie, jede Neurasthenie nur ein secundärer Symptom-
complex seitens des Centralnervensystems ist. Indem weiter die secondäre
Neurose im Anschluss an auf Oxydationsstörungen beruhende Erkrankungen auf-
treten kann und ausserdem als hereditäres Aequivalent solcher Krankheiten
ganz deutlich sich vorstellt, taucht die Vermuthung auf, ob sie nicht auch eine
Art von Oxydationsstorung mit secundären Nervensymptomen ist. Diese Yer-
muthung erscheint desto mehr gerechtfertigt, als die Hysterie nach rein mate¬
riellen Agentien, unter denen viele in erster Linie die Oxydationsprooeese im
lebenden Organismus (Intoxicationen, febrile Erkrankungen u. dgl.) beeinflussen,
zweifellos sich einstellen kann. Dazu kommen endlich unsere Blutbefunde,
welche auf die constante Existenz von Oxydationsstörungen bei Hysterie and
Neurasthenie hinweisen.
Die Verallgemeinerung aller dieser Erscheinungen in ihrem g^enseitigeu
Verhältnisse gelingt non sehr leicht unter Zugrundelegung einer folgenden Auf¬
fassung.
Es erscheint wahrscheinlich, dass die sogenannten functioneilen
Neurosen (Hysterie und Neurasthenie) keine primären Erkrankungen
des Gentralnervensystems, sondern nur secundäre Symptomen-
Dig VCCI 3y CjOO^Ic
259
CDinpIexe in Folge der Einwirkang der Prodakte einer primären
OxjrdatioDsstörang auf das Nervensystem sind. Somit sollen die
HjsterieandNearasthenie Erkrankungen ganz von demselben Wesen
»io, wie Znckerkrankheit, Gicht, krankhafte Adiposität, fiberhaupt
pitbologische Znstände, welche anf abnormen Oxydationsprooessen
iBOrgoniomas beruhen.
Eb soll sich dabei natärlioh um eine speoifisohe Oxydationsstörung
badeio, wie specifisch die hamsaure, diabetische und dgl Oxydationen sind:
daomtsprecheDd entstände die allgemeine Nenrose bei Chlorose oder Gicht da-
iutb, wol gleichzeitig „hysterische“ Oxydationsstörung herbeigefdhrt wird.
Weniger wahischeinliob erscheint die Annahme, dass die Symptome der Nenrose
M die Hydiämie oder hamsaure Diathese an sich allein ausgelöst werden,
üebrigens giebt es kein Material zur weiteren Discussion über diese Frage, auch
ar Ao^jse der gegensdt^en Verhältnisse der Hysterie und Neurasthenie. Ich
riQ todi die Frage unberührt lassen, wo der Ausgangspunkt dieser hypothe-
tsefats nDerröseo“ Oxydationsstörungen li^: ob sie auf einer allgemeinen fehler-
bfteo oxydativen Function der Zellen beruht oder fehlerhaften Funotion eines
mehnrer Organe, welche von specieller Bedeutung für die thierischen Oxy-
smi In Uebereinstimmung mit der CHABOOT’schen Hereditätslehre
allerdings eine angeborene Fehlerhaftigkeit des Oxydationsapparates
^HMbehrlich zu sein, welcher unter gewöhnlichen Bedingungen im Gleichgewicht
Kb befindet, doch aus demselben sehr leicht — im G^ensatz zu normaler Indi-
^^'balitit — austreten kann.^
Gegen die au^esprochenen Ansichten können gewiss viele Einwände ge-
Baebt werden: es wäre zwecklos dieselben bei g^nwärtigem Stande des Mate-
iBles m aoalysiren. Dass die functionellen Neurosen nach Glemütbsbewegungen
si<h entwickeln, beweist für die primäre Natur dieser Erkrankungen
BD Xhe GicbtanMe oder Verschlimmerung der Zuckerkrankheit hat
au aoeh unter denselben Einflüssen zur Genüge beobachtet Es werden aber
bei unserer Aofibssung manche Erscheinungen leichter verständlich,
biher. Es ist und bleibt Thatsache, dass sehr viele Symptome der Hysterie
nf p^ehischem entstehen (Autosuggestionen): dies deute ich mir in der
WasBidaaB dieProdnkte der hystero-neurasthenischen Oxydation die Sug^tibilität
B oiloger Weise modificiren, wie der Weingeist den Gang der Associationen
Gb kommen aber bei functionellen Neurosen rein materielle Symptome
‘ Cm etwai^D MiasveratändDÜMeD vorzabongen, mosa ea anadrücklich betont werden,
kb dabd «ine Steigerong der Oxydationen als wesentlich bei Hysterie and eine Ab-
4ineU)en bei Neoraatbenie (waa Manchem angeeichta der oben angegebenen Blnt*
ndMiiien mOchte) dnrohana niobt annebme. Die Blatbeüinde bilden fQr mich nnr
diTon, daaa die Oxydationen bei Uysteriacben and Nenraatheniachen anders vor
‘‘b Kdtti, als in der Konn. Ob ea sich a^r dabei am mangelhafte Oxydation, z. B. der
^venkirper handelt, oder ob die wicbtigate Abnormität die der Oxydation voraaagegangenen
betrifit, eventoell die wichtigste Rolle dem gegenwärtig so viel besprochenen
'^'nätwislerment*' xokommt n. de^l., darüber lassen sich gegenwärtig keine entferntesten
^«»«hagen aoBspreehen.
17 »
,Google
260
vor, welche von den Nenrologen vom Fach meistens nur wenig beachtet werdeo
und deren Entstehung auf „psychischem“ Wege unmöglich erscheint Ich meine
hier die so häufigen Anomalieen der M^ensaftsecretion (Hyperaciditat und Ana-
ciditat), die so häufige Prostatorrhoe hei Neurasthenikern, Neigung zu Sohweissen,
hysterisches Fieber u. dgl. Das Alles ist doch leichter verständlich bei Annahme
von Toxinen, als Froducten der abnormen Oxydation, welche neben der Ein¬
wirkung auf das Centralnervensystem gleichzeitig mehr locale Einflüsse ausfiben.
Eine Hyperhydrosis oder Hyperacidität bei Hysteroneurasthenikem erinnert z. B. an
die Wirkung des Pilocarpins stark.
Bemerkenswerth sind einige Eigenthümlichkeiten des Kranbeitsverlaufes der
Hysterie. Eine gut entwickelte Hysterie oder Neurasthenie ist eigentlich un¬
heilbar, bezw. so selten heilbar, wie der Diabetes oder die Gicht. Diese Er¬
krankungen sind aber besserungsfähig. Seltener kommt es vor, dass die Hysterie
von Anfang an in gleicher Intensität fortbesteht: im Gegensatz, treten am
häufigsten Perioden der Besserung ein, welche für die Angehörigen als völlige
Heilung imponiren. Nun zeigt der Verlauf mancher Fälle letzterer Art eine
auffallende Aebnlichkeit mit dem der „regulären“ Gi(fiit Wie bei Gicht, ent¬
wickelt sich nach einem materiellen oder moralischen „Agent provocateur“ bei
einer beanlagten Person ein Anfall von Hysterie mit vielen Symptomen, oder
mehr von monosymptomatisohem Charakter, indem Hemianästhesie, Gontrac-
turen, Aphasie, hysterisches Fieber u. dgl. einander Platz machen. Diese Periode
dauert verschieden lange, wenige Wochen oder mehrere Sfonate, um unter der
Behandlung, vor Allem Isolation und Suggestion, einer „Heilung“ Platz zu machen.
Die Heilung dauert wieder verschieden lange Zeit, Wochen, Monate, seltener
mehrere Jahre. Freilich kann auch in dieser Periode ein auffnerksamer Arzt
Dieses oder Jenes auffinden, etwaige Eigentfaflmlichkeiten der Psyche, von Zelt
zu Zeit einen Globus, oder eine Intercostalneuralgie, Magenbeschwerden (meistens als
„Magencatarrh“ behandelt), was auf den latenten Zustand der Hysterie hinweist
So kommt es auch zu gegebener Zeit zum zweiten Anfall, wieder Besserungs¬
periode, wieder Recidiv u. s. w. — endlich constantes Vorhandensein von leich¬
teren oder schwereren Symptomen. Obiges zeichne ich auf Grund einiger eigenen
erlebten Fälle.
üeber die Behandlung des Gichtanfalles gilt als das Beste „Geduld und
Watte.“ Der Gichtanfall geht eigentlich von selbst vorüber um nach einiger
Zeit wiederzukehren. Aehnliches darf man über die Behandlung der Hysterie
aussprechen. Es unterliegt keinem Zweifel, dase die Si^estion und Isolation
die Hysterie günstig beeinflussen können. Die Ueberfuhrung einer Hysterischen
mit grossen Symptomen aus dem Elternhause in eine Nervenanstalt übt mitunter
einen zauberhaften Einfluss aus: es verschwinden auf einmal viele unangenehme
Symptome, vor Allem diejenigen, die durch Autosuggestion entstehen und für
die Angehörigen sehr beschwerlich sind. In anderen Fällen entwickeln sich
aber die Symptome trotz Isolation und Siggestion ununterbrochen, um auf
einmal ohne nachweisbare Drsache zu verschwinden. Das macht den Eindruck
aus, dass hierbei die Besserung von selbst eingetreten ist, wie sie von selbst,
■ Google
261
doreh Au^leichang der oxydativen Processe bei Gicht sich einstellt. Gemäss
onserer Aoflassang Aber das Wesen der functionellen Neurosen wSrde ich die
Beasenrngsperioden bei Hysterie vor Allem auf j^lbstheilung'' in Folge der
(«nporärea Ao^leichung der speciellen Oxydationsstörung zurückführen.
IL Referate.
Anatomie.
1) Beitrtge sar Kenntnias der Hautnerven des Kopfes, von Richard Zander
in Königsbei^ L/Pr. (Anatom. Hefte, herau^eg. von Fr. Merkel in Göttingen
nni R. Bonnet in Greifswald. 1897. Bd. Yll. H. 3.)
Die vorUegende Arbeit enthält die Resultate zahlreicher Untersuchungen, welche
uf den Wege der anatomisehen Präparation der Kopfhaut gewonnen wurden und
^ircb SenaibÜitätsprllfnngen an Patienten ergänzt worden sind, denen ein oder mehrere
«sUe Nerven durch Operation entfernt waren. Ausser ebenen PrQfungen dieser
Art hat der Terf. eine Reibe in der Litteratur mitgetbeilter Befunde verwendet,
hie anatomische Präparatiun geschah in der Weise, dass die Haut mit allen darunter
•iagradeo Weiefatbeilen vom Knochen abgelöst und von den Nervenstämmen her die
leiMtm Zweige bis in die innere Fläche der Haut verfo^ wurden. Zur Präparation
iff famsren Nervenverzweigungen in der Cutis musste das derbe Bindegewebe der*
Miba durch Essigsäure zum Aufquellen gebracht werden. Mit Hülfe von Lupen*
fwgrtewwBgen gelang es, auf diesem Wege Nervenfädchen zur Darstellung zu
hiagm, welche nur noch eine geringe Anzahl von Fasern enthielten. Dass zu dieser
Xfltheds niefat nur viel Zeit und Geduld, sondern auch eine virtuose Geschicklickkeit
ia dw Bandhabong des Messers gehört, ist leicht verständlich.
Das Resultat der Untersuchungen Ober das „Ausbreitungsgebiet der Hantnerven
dw Ki^ee und seine Tariabilität*' im allgemeinen wird in folgenden Sätzen zusammen-
fdiart:
1. Das Ansbreitnng^ebiet der einzelnen sensiblen Kopfnerven sowohl der
Oenoloervenzweige, als der Verästelungen des N. trigeminns ist erheblich grösser
utd ist in allgemeinen weiter peripberwärts ausgedehnt, als io den Handböchem
ntgegeben wird.
2. Es variirt an Grösse in erheblichem Maasse bei verschiedenen Individuen.
3. Es variirt auf der linken und rechten Seite des Kopfes bei demselben Indi-
n^DA.
Der erste der mitgetheilten Sätze wird verständlich durch die anatomische
fwtMeQnng folgender wichtigen Thatsache: entg^en den bisherigen Darstellungen
äckneidsD die Ansbreitungsgeblete benachbarter Nerven nicht scharf gegen einander
sondern in gewissen Zonen beeitzt die Kopfhaut eine doppelte und mehrfache
faaervatioii. Wie diese Verhältnisse sich im speciellen verhalten, darüber muss auf
^ Onginal verwiesen werden; hervorgeboben werde nur, dass eine doppelte Inner-
vitioti besonders auch den der Mittellinie des Kopfes benachbarten Gebieten eigen
st Von allen in Betracht kommenden Nervenzweigen können hier eine Anzahl
fwiw Aestcben auf die entgegengesetzte Seite verfolgt werden.
Am Schloss der Arbeit entwickelt der Verf. auf Grund dieser Befunde seine
Am^aoong über das Zustandekommen partieller Empfindui^alähmangmi bei Läsion
,Google
262
eines sensiblen Nerven, welche f&r den Neuropatbologen von besonderem Interesse
sind. Durch 60 Figuren sind die erhobenen Befunde in vortrefflicher Weise illustriit
Max Bielschowsky (Berlin).
2) Experimentelle Untersuchungen über die Wurzelgebiete des N. gloeso*
pharyngeus, Vagus und Aooessorius beim Affen, von Dr. A. Kreidl.
(Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der Wiss. Bd. CVI. 1897. Wien.)
Verf. giebt zunächst eine historische Uebersicht der Frage, wobei er insbeson¬
dere den Arbeiten von Grossmann gerecht wird. Seine eigenen, am Affen an-
gestellten Versuche ffibren Verf. zu folgenden Schlussfolgerungen:
1. Der N. laryngeus superior verläuft im oberen Bündel, und zwar in dem als
„voroberstes** Bündel bezeichneten Aotheil (dabei betrachtet Verf. die drei genannten
Nerven gemeinsam und spricht mit Grossmann von einem oberen, mittleren und
unteren Bündel).
2. Der N. laryngeus inf. bezieht seine Wnrzelfasem aus dem mittleren Bündel.
3. Die Wurzelfasem für die Constrictoren und für die Hm. palaü^Iossos und
palatopharyngens verlaufen im „vorobersten“ Bändel, und zwar die für die letz¬
genannten Muskeln im unteren Abschnitte desselben.
4. Die Ursprungsfasem für die Muskulatur des Oesophagus lassen sich ebenfalls
im „vorobersten** Bündel nachweisen.
5. Die zum Levator veli verlaufenden Nervenwurzeln liegen im mittleren Bündel.
6. Die herzbemmenden Fasern befinden sich ebenfalls im mittleren Wurzelbündel.
7. Die Hering-Breuer’schen Fasern, und zwar jene« welche den Athemrythmus
reguliren, verlaufen im „vorobersten'* Bündel.
Verf. fand also im wesentlichen dieselben Resultate, wie sie Grossmann und
Bdtha für das Kaninchen angegeben hatten. Für die Keblkopfmuskulatar, beaflgUeh
deren bisher die grössten Meinungsverschiedenheiten herrschten, giebt Verf. an, dass
alle Autoren die Innervation der einzelnen Keblkopfmuskeln den gleichen Warsei-
fasern zumessen, dass der Streit vielmehr nur darum geht, ob die betreffenden Fasern
zum N. accessorius oder zum Vagus gehören. Redlich (Wien).
ExperimeDtelle Physiologie.
3) Artikel oervesu in: Diotionnaire de Physiologie par Charles Bichet.
I 1. Bistorique. | 2. Böle de rdooroe odrdbrale en gdndral. | 6. Pes
oentres de rdooroe oerdbrale, par Jules Sonry. (Paris 1898.)
Seit einigen Jahren erscheint in Frankreich der Dictiounaire de Physiologie
von Charles Eichet Zahlreiche Mitarbeiter haben sich vereint, um, etwa in der Art
des Wagner'schen Handwörterbuches, ausführliche Monographieen zu liefern. Wohl
der besten eine ist sicher die Monographie, welche neuerdings Jules Soury dem
Gehirne gewidmet hat, und auf sie möchte Bef. hier die Aufmerksamkeit der Fach-
genossen lenken. Soury bekleidet an der Sorbonne eine Lehrkanzel, welche aus¬
schliesslich der Lehre vom Bau und den Verrichtungen des Gehirns gewidmet ist
Mit welch’ peinlicher Sorgfalt er alle Forschungen auf diesem Gebiete verfolgt mit
welch’ eingehender Kritik und vortrefflicher Darstellungskonst er sie zu verwmrihen
weiss, davon haben mehrere Arbeiten in den letzten Jahrzehnten Kunde gegeben. So
war es gewiss ein guter Griff, wenn Bichet gerade ihm die Bearbeitung einzelner
Kapitel übertragen hat. Zunächst haben wir hier eine Geschichte der Himanatomie
und Physiologie erhalten, wie sie wohl seit dem Erscheinen der grossen Burdach'-
schen Monographie nicht mehr geschaffen worden ist 123 Seiten Grossoctav sind
yt.-c,Google
263
der fiotiriekelang unserer Kenntnisse von den ältesten Zeiten bis zu unseren Tagen
berunter gewidmet. Für die Zeit von Willis bis Flourens haben wir gerade
eben doreb Max .Kenburger auch ein deutsches Buch erhalten, das den gleichen
Gegenstand trefflich behandelt Bef. weiss aus persönlicher HQhe und Erfahrung
wohl 20 Bchätaen, was durch das Erscheinen dieser beiden Werke an Erleichterung
ftr die Forschung an interessanter LectOre fflr den geboten ist, der sich einmal nur
'xientiren will. Auch die specielle Anatomie und Physiologie der Qrosshimrinde ist
Soary äbertraf^en. Ich glaube nicht, dass wir bisher eine Darstellung besitzen,
Teiche anf eine so umfassende Kenntnis des vorhandenen Materiales gestfltzt mit
Twtra Blicke eine so vortreffliche Uebersicht ermöglicht, wie die Sonry’sche. Von
den Anfängen einer auf anatomische Beobachtung gestützten vergleichenden Psycho-
kgu bis zu der so ansgearbeiteten Iiehre vom Bau und den Verrichtungen des Seh-
t^antee, von dem ganzen Streit und über die Art wie man die Localisation in
der Kinde anfznfassen bat bis zn Lehren von Flechsig, welche hier eine Art Ab-
Mhloss geben möchten, findet man alles ausführlich und klar vorgetragen. Es ist
OB liemlieh dicker Abschnitt jenes Handwörterbuches der Physiologie aus dem him*
aostomischen Theile geworden. Wahrscheinlich würde es dankbar begrflsst, wenn
4er Verleger ihn aoch separat atgeben wollte. Als genussreiche Lectüre und als
reichhaltiges Nachschlagewerk ist er gleich werthvoll. Edinger.
4) Zur Yrsge der TTraaohen der liinkshändigkeit, von Dr. A. Rothschild.
(Jahrbücher f. Psychiatrie. 1897. Bd. XVI.)
Ein Ueberblick der ln der Litteratnr vorhandenen Ansichten über die Links-
bäa^keit führt den Verf. zn der Ansicht dass in einer kleinen Minderzahl eine
Hröchende Erklärung für die Linkshändigkeit sich findet, nämlich dann, wenn
pathologisch-anatomische Veränderungen des Gehirns in der linken Hemisphäre be-
Mhee. — Unsicher ist die Erklärnng auf Grund der Vererbungstheorie, zweifelhaft
st der Zusammenhang zwischen Linkshändigkeit und Transposition der Eingeweide
Bd Anomalieen der Gefässe, am unsichersten ist die Theorie, welche die Linkshändig¬
keit tda Rückschlag im anthropologischen Sinne bezeichnet, wenn sie auch an nnd
fllr lieb sehr plausibel erscheint.
Schliesslich erwähnt Verf. eine eigene Beobachtong, Linkshändigkeit bei einem
djährigen Mädchen betreffend, wo es ihm gelang, durch Hypnotismus Rechtshändig¬
keit hervorzomfen, die danemd anhielt Er schliesst mit Rücksicht auf diesen Erfolg,
das in diesem Falle eine Präponderanz der rechten Hemisphäre die Ursache der
lÄkil^digkeit nicht gewesen sein kann, sondern dass eine gleichwerthige Anlage
hRdw Hemisphären bestanden habe. Redlich (Wien).
5) Ueber den Einfluss der Sohilddrüse auf den Stoffwechsel, von B. Schön¬
dorff. (Pflüger’s Arch. 1897. Bd. LXVII.)
Im Hinblick anf die zonehmende Verwerthnng der Schilddrüse selbst und ihrer
Ectraete in der nenropatbologischen Therapie sind folgende Ei^ebnisse der erperi-
Metallen Untersncbnng des Verf.’s hervorzoheben: Fütterung mit Schilddrüse (theils
TaUatten von Borrougbs Wellcome, theils in vacno getrocknete Hammelschilddrfise)
bewirkt bei einem im Stoffwechsel- und Stickstoffgleichgewicht befindlichen Hunde
be gleichbleibender Nahrung eine bedentende Steigemng des Stoffwechsels. Der
BweisBstoffwecheel wird dabei zunächst nicht beeinflusst, indem die anfönglicb auf-
tretaude Steigerung der Stickstoffaosscheidnng wohl nur durch eine vermehrte Ans-
Khaidung von Harnstoff nnd anderen stickstoffhaltigen Extractivstoffen bedingt ist.
Daa gesteigerte Bedürfniss wird anfangs durch Verbrauch des vorhandenen Eörper-
fattas gedeckt, was sich durch Gewichtsabnahme und Steigemng des Sauerstoff-
.,Googlc
264
TerbrancliB bemerkUcb macht Erst «eno der Fettbestaad auf ein gewisses Hinimum
gesunken ist, wird auch das Eiweiss angegriffen. Nach dem Aussetzen der Schild'
drüsenfhiterung sinkt der Stoffwechsel wieder, und das Körpergewicht nimmt darch
Ansatz von Fett und Eiweiss wieder zn. Eine Nachwirkung der Schilddr&se findet
nicht statt Eine erneute Darreichung der Schilddrüse bewirkt daun keine Steigerung
der Stickstoffausscheidung. Th. Ziehen.
0) Experimentelle Beitrftge zur Sohilddrfieenfkage, von Edm. Wormser.
(Pflüger’a Arch. 1897. Bd. LXVII.)
Bei dem grossen Interesse, welches die Neuropathologie an der SchilddrOse
nimmt, seien wenigstens die Hauptergebnisse der Wormser’schen Arbeit mitgetheilt.
Verf. findet, dass das aus der-Schilddrüse von Schwein und Hammel nach ver¬
schiedenen Verfahren dargestellte Jodothjrin nicht im Stande ist, bei thyreoidec-
tomirten Hunden die acute Tetanie und den Tod zu verhüten. Die mit dem Jodo-
thyrin durch Essigsäure geföllten Eiweissstoffe erhöhen die Wirksamkeit des
Jodotbjrins nicht. Die neben dem Jodothyrin in der Schilddrüse enthaltenen, durch
Essigsäure nicht gefällten basischen Körper ergaben ebenfalls ein negatives
Resultat. Einfache, wie organische, synthetisch dargestellte Jodverbindangen
verhinderten die Anfälle und den Tod nicht. Getrocknete Thymus und NebeDuiere
zeigten keinen Einfluss auf den Ablauf der Tetania thyreopriva. Eis bleibt nach
Verf. also nur übrig mit Gottlieb zu sagen, dass keine der bis jetzt aus der
Schilddrüse isolirten Substanzen (Fraenkel’sche Base, Jodothyrin, Kocber'sche
Base) allein die ganze Function der Schilddrüse zu ersetzen vermag, sondern dass
sie gemeinsam in den Organismus eingefübrt werden müssen, um den Ausfall der
Schilddrüse zu decken. Verf. selbst nimmt an, dass das Jod der Schilddrüse zur
Bereitung eines Antitoxins dient; findet sich zu wen^ Jod in der Nahrung, so kann
das betreffende Gift nicht ganz neutralisirt werden, es sammelt sich in der Schild¬
drüse anr und führt zu einer Stroma parenchymatosa. Andererseits bedingt totale
Aasschaltung der S<^ilddrüse Kachexie durch Anbänfung toxischer Substanzen im
Blute. Th. Ziehen.
7) Zur liebre der Schilddrüse, vou H. Munk. (Virchow’s Archiv f. patbol.
Anatomie. Bd. CL. 1897.)
Gerade in diese Zeit des „Schilddrüseo-Fanatisrnns und der Organotherapie^*
fällt obige Arbeit des berühmten Berliner Physiologen wie eine Bombe. An der
Hand sehr zahlreicher, an verschiedenen Thieren unternommenen Versnche weist
Verf. überzeugend nach, dass die Schilddrüse nicht ein lebenswichtiges
Organ ist, dass ihr Ausfall weder eine Vergiftung durch normale Stoff*
wechselprodocte, noch myxödematöse Kachexie zor Folge bat, und
dass der Glaube an ihren functionellen Ersatz durch eine trans-
plantirte Schilddrüse unbegründet ist Wenn ihie Entfernung auch das
Leben gefährden kann, so ist das noch kein Beweis dafür, dass sie ein lebens¬
wichtiges Organ ist.
Künstliche Zufuhr von Scbilddrüsensubstanz in irgend einer Form verhütet oder
beseitigt dorchaus nicht die durch Schilddrüsen • Exstirpation eventuell herbeigeführte
Krankheit Von seinen operirteo Thieren erkrankten gar nicht oder nur leicht und
vorübergehend über 50der Affen und Kaninchen, und etwa 25 "/g der Hunde
und Katzen. Die Schilddrüse kann also kein lebenswichtiges Organ sein, wie Verf.
dies schon vor 10 Jahren nachwies. „Die Hauptsache ist aber, dass viele der Qb^--
lebenden gar kein Schilddrüsengewebe mehr enthalten. Nie fand sich ein
Ersatzorgan, weder die Hypophyse, noch die accessorische Schild-
- , Google
265
drfts«. Nie sah Verf. etwas von HyxOdem o. s. w., wie es Horsley beschrieb,
BOT dass der Kxstirpatiou „'Premor mit Paroxysmeo folgt oder richtiger folgen kann.“
Aosier an ACFen sab überhaupt noch nie Jemand an Thieren nach Schilddrüsen*
^emosg Myxödem auftreten. Klassisch ist der Versuch Thuneberg’s, wonach
Toa „12 Hondea die 11 mit Schilddrüsenextract behandelten Hunde alle erkrankten
«lad starben, während der znr ControUe nicht behandelte Hund gesund blieb.“ Nie
sah YerL nach der Operation Myxödem oder Cretinismus sich ausbilden, auch nur
spsrweise, nie ward ein Äffe geistig immer schwächer oder apathischer.
Man sieht also, meint Bef., wie vorsichtig und skeptisch man der ganzen
Oigaootherapie gegenüber stehen muss, da es an grundlegenden Experimenten, wie
4ie vom Verf., fast ganz fehlt, und selbst die anscheinend so überzeugenden von
Horsley and von Eiseisberg, wie Verf. zeigt, durchaus nicht beweisend sind,
bis ganze E^hre der für ein normales Fnncttoniren des Körpers angeblich so nöthigen
Drfisensehrete der Schilddrüse, Hypophyse n. s. w. schwebt noch sehr in der Luft,
Qtd es steht za befürchten, dass die ganze Organotherapie dereinst als reine Illnsioo
ach wweist. Näcke (Hubertusburg).
^ lieber den Jodgehalt von Schilddrüsen in Steiermark, von Dr. Alex.
V. Bositzky. (Wiener klin. Wochenschr. 1897. Nr. 37.)
Die an normalen und pathologischen Schilddrüsen von Erwachsenen und Kindern
ach Raboardin’s calorimetrischem Verfahren gewonnenen Werthe sind folgende:
Normale Drüsen Erwachsener; Dnrchschnittliches Trockengewicht 8 g (Hin.
Mg, Max. 11,5g); Jodgehalt in 1 g Trockensubstanz 0,37mg (Min. 0,14mg,
Mix. 0,62 mg), in der ganzen Drüse 3,21 mg (0,73 bezw. 6,21 mg). Das dorch-
Khaittliche Trockengewicht ist etwas niedriger als jenes von Freibnrg (8,2 g), höher
ils das von Hamborg (4,6 g), Breslau (7,2 g) und Berlin (7,4 g). Der mittlere
Jedgvhalt ist geringer als jener der Drüsen von Hamburg (3,83 mg), Breslau (4,04 mg)
od Berlin (6,6 mg), aber grösser als der vou Freiburg (2,5 mg). Dies spricht zu
öesstea der Baumann’schen Ansicht, dass in endemischen Kropfgegenden der
dorcbschnittliehe Jodgebalt der Drüsen geringer ist, als in den kropffreien Ölenden.
Für ausgesprochene Kröpfe: Durchschnittsgewicht der frischen Drüse 150 g (8
bezw. 231 g), der Trockensubstanz 38,85 g (11,5 bezw. 67 g), des Jodes in 1 g
treekener Drüse 0,32 mg (0,06 bezw. 0,7 mg), in der ganzen Drüse 11,5 mg (3,38
bezw. 27,5 mg).
Eine zweite Tabelle zeigt, wie sehr eine dem Tode vorhergegangene Jodbehand*
die Werthe zo beeinflussen vermag. Der Jodgehalt 1 g Trockensubstanz beträgt
zvieehen 0,57 und 2,08 mg, in der ganzen Drüse zwischen 7,49 uud 22,05 mg
(hei DAtmslen Drüsen).
Bei Kindern fand Verf. ein durchschnittliches Trockengewicht vou 1,06 g mit
eaea mittleren Jodgebalt von 0,28 mg.
In 20 c«m des Inhaltes einer Eropfcyste liessen sich 0,193 mg Jod nachweisen.
30 Stück Hypophysen (=3 2,5 g Trockengewicht) ergaben in Bezug auf Jod ein
aegatives Besultat; wohl wegen der geringen Menge des verwertheten Materials.
J. Sorgo (Wien).
9) Kbh l k opflierven und die Functionen der Thyreoidea, von A. Exner.
(Pflügeris Arch. Bd. LXVIll.)
Verf. weist nach, dass einseitige Exstirpation der Schilddrüse und gegenseitige
OorckschneiduDg der Nn. laryngei sup. und inf. bei der Katze eine leichte Tetanie
hervomift. Tetanische Symptome traten auch dann noch ein, wenn zwischen der
Sutiipation dm* Drüse und der Nervendurchschneidung geraume Zeit verflossen ist.
./Google
266 -
Wird aoBser der DrOsenexstirpatioD nnr ein gegenseitiger Iferv (N. lar. inf. oder
sap.) darchschnitten, so zeigen sich bald keine, bald schwächere tetanische Symptome.
Doppelseitige Darchschueidung sämmtlicher Kehlkopfoerven (ohne DrOsenexstirpation)
Qberlebte nnr eine Katze eine Woche lang. Dieselbe zeigte — trotz Heilnng per
piimam — ansser leichten tetanischen Symptomen einen eigenartigen Nystagmns.
Die Schilddröse zeigte bei keinem der operirten Tbiere Atrophie oder Hyper*
trophie. Der. Jodgebalt der ScbilddrQse zeigte keine constaute Termehrnng oder
Yerroinderang. ' Th. Ziehen.
Pathologische Anatomie.
10) TUl kännedomen om de efter amputationer uppkommande fSrändrin«
gama 1 nervsyatemet med apeoiel hftns 3 m tUl de aplnokutana netiro-
nerna, af Chr. Sibetius. (Finska läkaresällsk. handl. 1897. XXXIX 10.
S. 1379.)
Ans den genauen Untersnchnngen and Hessungen, die Verf. an der Leiche eioea
an Pneumonie gestorbenen 70 Jahre alten Mannes ansgeführt hat, dem 5 Jahre vor
dem Tode das linke Bein dicht oberhalb des Kniegelenks amputirt worden war, eigab
sich, dass die Ganglienzellen im-vorderen Home im Lumbaltheile des Rückenmarks
auf der der Amputation entsprechenden Seite geringer an Zahl waren, als auf der
gesunden Seite. Die Yerminderung betraf hauptsächlich die postero-laterale Gruppe,
aber auch, obwohl in geringerem Grade, die übrigen Ganglienzellengroppen in dem*
selben Yorderhom (die commissoralen Groppen worden nicht untersucht). Die Yer>
änderungen in den vorderen Wurzeln in der der Amputationsstelle entsprechenden
Region waren ziemlich gering, bedeutend weniger hervortretend, als in den hinteren.
Die grossen Ganglienzellen waren, obwohl verschiedener, afficirt in den sacralen und
lumbalen Spinalganglien, theils waren sie zu Grunde gegangen, theils atrophirt; ganz
besonders gilt dies von den unteren Spinalganglien auf der der Amputation ent¬
sprechenden Seite. Im linken Hinterstrang fanden sich, ausser einer allgemeinen
Atrophie des vorderen Theiles derselben, Stellen mit deutlich rareficirtem Nerven-
fasergehali Bei Verfolgung dieser Stellen Segment für Segment, sah man, dass
ihre Lage einem Degenerationsfelde entsprach, das durch Läsionen der den hinteren
Wurzeln entsprechenden Spinalganglien bedingt war. Die Beflexcollateralen waren
in der der Ampotationss'telle entsprechenden Region bedeutend geringer an Zahl, als
anf der gesunden Seite. Die Ganglienzellen in den Clarke'schen Säolen waren
ebenfalls in der der Ampotationsstelle entsprechenden Region in der Dorsolumbal-
gegend an Zahl vermindert.
Nach Verf. beweisen die Yeränderongen in den Hintersträngen, den Wurzeln
nnd den Spinalganglien, dass die spinocutanen Neurone in Folge von Beschädigung^
ihrer Fasern in den peripherischen Nerven degenerirt waren, und zwar nicht nur die
centralen Ramificationen ihrer Nervenfasern, sondern auch ihre trophischen Centra,
dass sie also demselben Gesetze unterliegen, wie die anderen Neurone.
Walter Berger (I^eipzig).
11) lies altAratlona de la mo611e epinlöre okez les obiena opAree d’exstlr-
pation des glandes parathyrAoldiennes, par G. Yassale et A. Donnaggio.
(Arch. Ital. de Biologie. Tom. XXYII.)
Die Yerff. untersuchten das Rückenmark der Hunde, welchen Yassale nnd
Generali die vier Qland. parathyreoldeae exstirpirt hatten, nnd welche von Seiten
des Centralnervensystems im wesentlichen Depression, Trismus, Rigidität der Hinter-
D,..,Google
267
b«üie, aneicheren, scbwankendeo Qang, allgemeine Huskelschw&che und leichte
Kaekaiigmi gweigt hatten (of. Bef.: Nenrolog. Centralbl 1897. S. 316). Es fand
fiel) fine nach Härtong in Hüller bereits makroskopisch deutlich erkennbare syste*
mtäche Degen « ation der gekrenzten Pyramidenbahnen und der Hinterstränge (bald
ia Gebiete dee Qoirschen, bald des Bnrdach’schen Stranges). Mikroskopisch
aieh die Axenzylinder der Fasern aufgebläht, granulirt und nicht scharf von
te- atrophischen Myelinscheide abgesetzt; auch wurden varieüse Auftreibungen der
atrz^hisehen Axencylinder beobachtet. Kaplan (Herzbeige).
11) Beitrtse anr Kenntnise dee Markfteergehaltee der Oroeehimrinde bei
Idlotem mit oeigleiohenden Bindenmessnngen, von- Dr. Th. Kaes in
Hamborg. (Monatsschr. f. Psych. u. Neurolog. Bd. I.)
Der durch seine ausserordentlich sorgfältigen Untersuchungen hinreichend be-
knute Yerf. hat das Gehirn einer 21jäbrigen makrocephalen Zwergin, welches nach
der Härtong 1590 g wog, und das Gebiru eines etwa 2 jährigen mikrocepbalen
rndea, das nach der Härtung 233 g wog, in Bezug auf den Harkfasergehalt der
änsslünirinde stodirt. So verschieden auch die Volumina beider Gehirne waren,
hoskhtlich der Breite ihrer Hirnrinde waren sie einander sehr ähnlich, und zwar
•tapre^en die Bindenmasse bei beiden Idioten denen eines 1—2jäbrigen normalen
CDdes. Die mikrzMkopiscbe Untersuchung von Präparaten, die nach der Weigert-
Woltere'sehen Methode angefertigt worden waren, ergab, dass die Badiärfaserzüge
nd deren Aussbahlung mit fortschreitendem Alter noch weiter in die Binde hinein-
gewaeheen waren, als bei einem normalen Kinde von 1—2 Jahren. Die Associations«
bseaehiebten der Kinde zeigten bei der makrocephalen Zwergin eine etwas reichere
cad TZHgeadirittene primäre Anlage als bei einem IV 4 jährigen Kinde. Das super-
ndüre Faserwerk Edingers erschien aber bei der Zwergin fast faserfrei. Bei der
Xikroecphalin waren in den wenigen, relativ entwickelten Windungen noch lange
lidit soviel Markfasem vorhanden, wie bei einem 1jährigen Kinde. Aber selbst an
in unentwickelten Stellen zeigte sich ein schwacher Versuch zur Bildung einer
ndiären Aosstrahlnng Ueynert’scber Bogenzfige. Am wenigsten gehemmt war bei
icT Mikrocepbalin die Entwickelung der Bindenfaserung deijenigen Gegenden, welche
■it dem Biech-- und Geschmacksapparate in Beziehung gebracht werden. Die zonale
Fmeiadiieht war, bei der Hakrocepbalin nur in Spuren vertreten, bei der Mikro-
cepkalin dagegen war sie mächtig ausgebildet; hier war die Projectionsausstrahluug
küatiaeiiieb, doch entsprach sie deijenigen eines normalen Individuums von IV 4 Jahren.
G. Ilberg (Sonnenstein).
Pathologie des Nervensystems.
13) Ett fall af pernioiös progressiv aneml med fSrändringar 1 ryggZD&rgens
bakre strüngar, af Dr. E. G. Johnson. (Nord. med. ark. 1897. VIII. 2.
Nr. 33.)
ln einem Falle von progressiver pemieiöser Anämie bei einem 33 Jahre alten
Hanne, in dem binnen nicht ganz 2 Jahren der Tod eintrat, wurde der Pat. gegen
du Ende dee Lebens nie reizbar und die Patellarreflexe verschwanden. Bei der Sec-
tiea fand man eioe acute Pachymeningitis im Gehirn, im BOckenmark, Scierose in den
Geirschen Strängen im Hals- und Brustmark, in geringerer Ausdehnung auch in
im Bnrdach’seben Strängen, diese Scierose setzte sich in die mittlere Wurzelzone
dw Hinterstränge im oberen Theil des Lendenmarks fort Petrdu (Nord. med. ark.
1. F. VL 1896. 2. — Neurolog. Centralbl. 1896. S. 749) hält es für wahr-
- ,Google
268
scheiolich, dass ein toxischer Znstand sowohl der progressiven pemicidsen Anämie,
als auch der bei derselben in manchen Fällen vorkommenden Erkranknog des B&cken*
marhs za Grunde liegt. Verf. meint, dass die Sclerose und die Entartung der
nervösen Elemente von den rigiden, mit einer proliferirten Adventitia versehenen
Gefassen aasgehe. Dass diese Veränderung der Gefässe durch einen toxischen Ein*
fluss zu Stande kommen könne, sei wohl denkbar und wahrscheinlich, ebenso ist es
auch denkbar, dass dieser toxische Einfluss auf dem Wege der Blutcircolaüon nach
ohne Vermittelung einer Sclerose direct schädlich einwirken und Degeneration der
Neurone bervorrufen kann. Walter Berger (Leipzig).
14) Notes on endemio goitre in norUieast Bongal, b; E. E. Waters. (Brit
med. Joum. 1897. Sepi 11. S. 650.)
Im Baksadistrict (Bengalen), 2000 Fuss Seehöhe, in Nachbarschaft des hoch«
gradig malariaverseuchten Terai nach Söden, und des Himalaya nach Norden, wurden
vom Verf. folgende, die endemische Eropfbiidung betreffende Beobachtungen gesammelt
Der Boden besteht aus vegetabilischem Dammerdegneis, Thon, Schiefer, Kiesel,
weichem Sandstein ond etwas Jignit; in der Nachbarschaft reichlich Kalkstein. Der
Bodeu ist sehr porös, so dass im Winter die Ströme streckenweis versinken.
Es giebt zwei scharf von einander getrennte Bevölkerungstjpen: die dauernd
dort Äns&gsigen (Bhutias), mongolischer Basse, handfeste, untersetzte fjeute, Arbeiter;
die vorflbeigehend Ansässigen, d. b. Hilitärpersonen und deren Zugehörige. — Die
ersteren sind arm, Omnivoren, leiden vor allem bedeutend an Malaria, Syphilis, Intesti-
nalwörmem, Kropf. Die zweiten leben in guten Verhältnissen, sind fast alle V^e*
tarier und meist frei von Syphilis.
169 Personen (Bhutia), 12—70 Jahre alt, wurden auf ihre Gl. thyreoidea
untersucht:
Kein Kropf . . . 42 = 24,8 7^,.
Sehr geringer ... 37 = 21,9 „
Geringer .... 36 = 21,3 „
Ziemlich bedeutend . 30 = 17,8 „
Sehr bedeutend . . 24 s 14,2 „
Also von 169 Bhutias hatten 127 = 73,2 7o Kropf.
Kinder unter 12 Jahren wurden von der Beobachtung ausgeschlossen. Von
diesem Alter an gezählt, hatten 87,5 7o ^20) Kropf. — Von Kindern nntar
12 Jahren hatten nur 44,8 7o Kropf.
Die Militärpersonen (Sepoys), 20 Monate in Baksa, gesund, hergekommen ans
einem Landstrich ohne endemische Struma, zeigten unter 380 205 — 547o Struma
(118 oder 30 7o hochgradig).
Cretinismus kam dabei nicht vor, auch nicht Myxödem; desgleichen ist die
Intelligenz der Befallenen intact. — Es gilt die Annahme als richtig, dass die Kröpfe
in der Begenzeit zunehmen. Die Beobachtung ergab entsprechende FeststellungeD.
Wasseranalysen, im Original zablenmässig mitgetbeilt (Eisen, Kalk, Härte),
geben keinen ätiologischen Anhalt für die Entstehung der Struma. Kalk im Trink«
Wasser kann nicht angescbuldigt werden; denn viele Bhutias, welche Kalkesser sind,
haben keine Kröpfe, dagegen die Sepoys, welche keinen Kalk essen.
Ist es nicht anzunehmen, dass Struma durch eine animalische oder vegetabilische
Noxe entsteht? Verf. glaubt an ein animalisches Gift, etwa demjenigen in Malaria
ähnlich. Die ßebandlungsresultate (Jod, Thyreoidea) sprechen daffir; ferner das Vor¬
kommen von Strumaepidemieen im Pungas und den nordwestlichen Provinzen.
L. Lehmann I (Oeynhausen).
Google
269
If) Da gottre ezophtalmique, Bymptdmes, pathog^e, trsitement (Beotdon
da grmnd sympaUiiqae oerrioal), par ValeQ 9 on. (Qazefcte des höpitanx.
1897. 69.)
Nach kurzen geschichtlichen, klinischen, ätiologischen Erörterungen bespricht
Vsf. die Theorieen des Horb. BasedowU ond entscheidet sich für die Hypothese von
kbsdie, wonach es sich ura eine permanente Erregnng der vasodilatatorischen Fasern
des Halssympathicos handle. Für schwere Fälle, bei denen die auch vom Verf. he*
sprocbeoen üblichen mediciniscben Behandlungsmethoden nicht ausreichen, empfiehlt
Teff. von den verschiedenen Operationsverfahren am meisten die Resection des Hals*
srnpatiiieas. Bei Durchschneidung oberhalb des mittleren Ganglion, oder Exstir«
piti^ desselben soll der Exophthalmus verschwinden. Bei Durchschneidung unter-
halb desselben soll die Thyreoidea zur Norm zurOckkehren. Bei extremer Tachy-
canhe moss man noch tiefer berabgehen und die vom unteren Ganglion entspringenden
Fasern durchtrennen.
Terf. citirt einige in dieser Weise mit günstigem Erfolge operirte Fälle.
B. Hatschek (Wien).
IS) Vatare et traitement du goltre exophtalmique, par Abadie. (Gazette
dee bOpitaax. 1897. 77.)
Nach Yerf. beruhen die Brscbeinnngen des Morb. Basedowii auf permanenter
Sxdtation der vasodilatatorischen Fasern des Halssympathicns, demgemäss hält er
Derehsehneidang oder Resection eines kleinen Stückes des Halssympathicns unterhalb
4«a oberen Ganglion für das rationelle operative Verfahren. Vollständige Exstirpation
dee Sympathieusstranges und der Ganglien erscheint ihm überflüssig, da es sich
nicht UD eine wirkliche Läsion des Sympathicns, sondern um einen abnormen Er-
RgTmgBZUBtaDd handelt, der von den Centren des obersten Halsmarkes und des
Btlbus aasgeht und vermittelst vasodilatatorischer Fasern auf die Kopf- und Hals-
^flaae rawirkt. R. Hatschek (Wien).
17) Ueber das Aaftx«ten von Oedemen bei Morbus Basedowii, von Br.
Job. LÖw. (Wiener med. Fresse. 1897. Nr. 23.)
Es kommen bei Horbas Basedowii 3 Grnppen von Oedemen vor, dyskrasische,
cardiale und nervöse (Hillard). Die nervösen Oedeme charakterisiren sich gegen-
iber den beiden anderen Arten zunächst dnrch die EigenthOmlichkeit der Localisation,
bsBonders die Unabhängigkeit von dem Gesetze der Schwere und das Beschränktsein
asf einen einzelnen Körpertheil. Ferner sind sie oft von sehr kurzer, nur stunden*
la^er Dauer, können plötzlich auftreten und sehr rasch an Ausbreitung gewinnen.
OMdositig finden sich noch andere vasomotorische Störungen, wie Erweiterung und
Ekplbn der kleinen Arterien, abnormes Hitzegefühl, Congestionen, Erytheme, Urti-
«Bia, Täehes c^räbralea n. a w.
Anaser zweifellos ödematösen Anschwellungen kommen noch solche vor, welche
Eowalewski als der erste dem Myxödem znrecbnete. Dieses kann voll entwickelt
nfbeten oder auf einzelne Züge beschränkt bleiben. Verf. theilt zwei Fälle mit, in
deren Verlanfe es zu prallen Anschwellangen an den unteren Extremitäten ohne
Uffitsrlsssung von Fingereindrflcken kam. Das Dorsnm pedis blieb frei.
Fall L 23jäbrig68 Mädchen. Entwickelung der Krankheit seit zwei Jahren
ebne bekannte Ursache. B^nn mit Herzklopfen und Schwellung der Beioe. Bald
dviof dunkle Pigmentimng der Hände mit helleren Flecken. Pigmentirung und
SchveUimg wediselten an Intensität und Extensität im Laufe der nächsten 2 Jahre.
Die Untersuchang ergiebt: keinen Exophthalmus, deutliches Stellwag’sclies,
Gr&efe’sehes and Möbins'sches Symptom, dentlich schwirrende Struma, Verbreiterung
,Google
270
der Herzdämpfong. PDlsbeschlennigung (120). Haut dea Gesichts, des Stammes,
der oberen Extremitäten bis za den Fingern, der unteren bis znm Dorsam pedis
dunhel pigmentirt mit Vitiligoflechen. Tom mittleren des Oberscbenhels an
mächtige Volamszunahme der Beine in Form einer derben, prallen, keinen Finger*
eindrnck hinterlassenden Anschwellnng. Dorsam pedis and Knöchelgegend frei
Fall II. 24jäbrige8 Mädchen. Nach einem Traama stellt sich schon in den
nächsten Tagen Herzklopfen, Exophthalmus, Stroma und Tremor manuum ein. Einige
Monate später au den Enächeln beginnende Anschwellung der Beine und Ausfall
der Haare. Status praesens: Ausser den Cardinalsymptomen des Morb. Based. Ver¬
breiterung der Herzdämpfung, Albuminurie, derbe, elastische, den Fingereindruck nicht
zurQcklassende Schwellung der Beine von der Mitte der Oberschenkel an bis zu den
Knöcheln. Dorsnm pedis nur in geringem Grade betheiligt
Terf. wendet sich gegen die Schilddrüsentheorie des Horbas Basedowii nnd die
von Möbius gegebene Erklärung der Coincidenz dieser Krankheit und des Myxödems,
wonach die Basedow'sche Krankheit die Folge einer vermehrten Function der Schild¬
drüse, einer Hyperthyreoidisation des Organismus, das Myxödem aber die Folge einer
schliessllchen Erlahmung der Schilddrüse, einer Athyreoidisation seL Eine Functions*
änderung der Schilddrüse beim Morb. Based. sei noch nicht erwiesen, und da der
Name „Myxödem“ eiue Lähmung der Schilddrüsenfunction zur Voraussetzung habe,
so sei er für klinisch wenig ausgeprägte Fälle, wie die obigen, nicht am Platze.
Die beschriebenen Anschwellungen liesaen sich, wie Sclerodermie, Pigmentanomalieen
u. 8. w., als trophische Veränderungen deuten, ohne dass man eine gestörte Schild*
drüsenfunction anzunehmen brauche. Die Möbias’sche Erklärung für das Zusammen¬
treffen von Morb. Based. und Myxödem habe zur Voraussetzung, dass das Myxödem
der Basedow'schen Krankheit immer vorausgehe, die letztere substitnire. Ein
solches Verhalten finde aber nur in der Minderzahl der Fälle statt In der Mehr¬
zahl blieben die Symptome des Morb. Based. bestehen auch nach voller Ausbildung
des Myxödems, ja in einem Falle Sollier’s gingen die Erscheinungen des Myx¬
ödems denen des Horb. Based. voraus. Daher, dass man nicht gleichzeitig eine Hyper-
und eine Athyreoidisation des Organismus annehmen könne, haben die Anhänger der
Schilddrüsentheorie diesen Fällen gegenüber zur Annahme einer qualitativen Aenderung
neben einer abnormen Vermehrung der Schilddrüsenfunction gegriffen.
J. Sorgo (Wien).
18) A oase of soute Oraves dlnease wlth a deaorlptioii of ita morbed
anatomy and of a series of mikrosoopioal aeotiona, by Forweli. (Brain.
Antumn. 1898.)
In einem acnt verlaufenden Falle von Basedow — combinirt mit Tuberculoae —
fand Verf. Veränderungen der Pia des Wurmes und des Ependyros des 3. Ventrikels,
Erweichung der Oberfläche beider Thalami; sehr erhebliche Hyperämie nnd kleine
Blutungen in der Rinde, der inneren Kapsel, in Kleinhirn und MeduUa. Auch die
Kerne des 10. Nerven, des Funicolus gracilis und der Pyramiden waren sclerosirt
Verf. hütet sich selbst, diese Veränderungen als Ursachen des Basedow aafznfaaaen.
Brana.
19) Mälanoolie et goltre exophtalmique, par F. Devay. (Arch. de neurolog.
1897. December. S. 491.)
Auf Grund der Complication eines Basedow-Falles mit Melancholie, wie unter
Berücksichtigung und Würdigung der Litteratur kommt Verf. zu folgenden Schlüssen:
1. Im Verlaufe der Basedow-Erkrankung kann es zu Melancholie wie eben
so häufig zu Manie kommen.
■ , Google
271
2. Di« Behandlung dieser Psychosen unterscheidet sich in nichts von der
bei Dcgenerirten oder Hereditariero vorkommenden Geistesstörungen. Es muss aber
gleiehxeitig das Basedow-Leiden behandelt werden.
Adolf Passow (Strassbui^ i./R).
30) Myxoedema, bj A. Davidsohn. (Brit med. Joum. 1898. Febr. 12.
8. 437.)
ln der mediein. Geeellschaft zu Liverpool berichtet der Verf. Über einen Fall
Toa Myxödem, der vor 24 Jahren Struma exophtbalmica zeigte, gegenwärtig aber keine
Tbyieoidea mehr fühlen lässt.
Caater bebt dabei hervor, dass Myxödem auch ohne Atrophie der Thyreoidea
aMehmi könne, und dass keineswegs Hypertrophie der Drüse und Myxödem sich
Mfhiöesen. — Er rühmt gegen die Krankheit Fluorwasserstoffisäure, bei welcher
4er Umfazig des Halses in einem seiner Fälle von 16 auf 12 Zoll hinäbgegangen
äiL Daneben Thyreoideatabletten (5 g). Völlige Heilung.
L. Lehmann I (Oeynhausen).
31) Kyxodem auf seltener Basis, von Stabsarzt Dr. Burghart. (Charitö-
Annalan. Bd. XXII. 1897.)
Die Mittheilung ist die Fortsetzung der Krankengeschichte eines bereits von
kubier mitgetheilten Falles von Actinomykose der Schilddrüse (Berliner klin. Wochen-
.-cbrift 1894. Nr. 41), bei dem nach operativer Entfernung der erkrankten Partieen
relative Heilung eingetreten war, die man vor späteren Becidiven der myxödematösen
Erkianknsg gesichert glaubte. Bald nach ihrer Entlassung traten indessen Krank-
bätsHBcheinimgen progredienten Charakters auf, wegen deren sie 2 Jahre später in
im Kliailc Aofoabme fand. Es wurde alsbald das typische Bild des Myxödems con-
fltatiit, Pat. erhielt Jodotbyrin mit ausgezeichnetem Erfolge; nach Aussetzen des
MittMs Wiederanftreten der Symptome. Der Wechsel im Befinden der Pat. und das
Herv«r- bezw. Zurüektreten der objectiven Krankheitssymptome konnte dann noch
zwei Mal wie im Experiment je nach Gebrauch oder Aussetzen des Mittels constatirt
«erden. An der specifischen Wirkung des Jodothyrins kann demnach nicht gezweifelt
«erdoL Martin Bloch (Berlin).
32) Om myxodezn, af S. A. Pfannenstill. (Uygiea. 1897. Bd. LIX. 12. 8 . 637.)
— TtA Dali af myxödem, behandlade med tbyreoidlntabletter, af
PfannstilL (Ibid. S. 682.)
Aasser einer eingehenden Darstellung der Pathologie des Myxödems theilt Terf.
tw« Fälle mit, in denen durch Anwendui^ von Thyreoidintabletten Heilung erzielt
Wirde. Der erste Fall betraf ein 61 Jahre altes unverheirathetes Frauenzimmer, das
ae^ mmdeetens 10 Jahren an Myxödem litt, das aber seit einer Beihe von Jahren
keine weiteren Fortschritte gemacht hatte. Ueber Ursacbeu und Auftreten waren
ksiae soverlässigen Nachrichten zu erlangen. Neben den gewöhnlichen Symptomen
4es Hyxödents bestand stark ausgeprägtes Zittern des Kopfes, das durch die Behand¬
le^ ebenso beeinflusst wurde, wie die Übrigen Symptome und mit diesen schliesslich
vecsAwand. Aach Uämorrhoidalscbmerzen, die zugleich mit dem Myxödem aufgetreten
wiren, verschwanden durch die Behandlung. Die Schweisssecretion hatte nie auf-
g^ört, obwohl sich die Krankheit in einem vorgeschrittenem Stadium befand. Als
Pil 2 Monate lang mit Thyreoidintabletten behandelt worden war, traten In-
taxicatioDseympiome auf, die sich in Kopfschmerz, Schwindel, Pulsbeschleunigung,
Ifitiifuffthi zeigten und nach Verminderung der Dosis rasch verschwanden. Nach
ftuwintiim der Behandlung kehrten die myxödematösen Symptome ziemlich rasch
Google
272
wieder, woraus folgtj dass das Mittel nur auf die Symptome specifisch wirkt. Unter
BeibehultuQg der Tabletten in geringer Dosis befand sich Pat. später wohl. — Im
zweiten Palle war bei einer Witwe im Alter von 50 Jahren das MjxOdem anfgetreten
mit Gebärmutterblutungen und Blutungen aus dem Munde. Die Krankheit bestand
bei Beginn der Behandlung seit fast 20 Jahren und war weit vorgeschritten. Die
royxbdematösen Symptome verschwanden unter Anwendung von Thyreoidiotabletten
ziemlich rasch, und Fortnehmen der Tabletten in sehr geringer Dosis genflgte zur
Erhaltung fortdauernder Besserung. In noch zwei anderen Fällen, die Verf. beobachtet
hat, hatte diese Behandlung ebenfalls gfinstige Wirkung.
Walter Berger (Leipzig).
23) ToTilfAlde sf Myxödem, af J. S. Möller. (Hosp.-Tid. 1897. 4 B. V. .SO.)
Verf. theilt zwei Fälle von Myxödem mit, von denen der erste eine 54 Jahre
alte verheiratbete Frau aus gesunder Familie and mit Ausnahme einer in Folge von
Arthritis deformans verkrüppelten Tochter, gesunden Kindern. Die ersten Anßnge
des Myxödems waren vor 2 Jahren bemerkt worden. Die Schilddrüse war klein und
sehr fest. Unter Anwendung von Schilddrüse wurde in etwa 2 Monaten der fiübere
Zustand wieder hergestellt, doch blieb Neigung zu Recidiv vorhanden. Der zweite
Fall betraf eine 47 Jahre alte Frau mit drei gesunden Kindern, bei der die Krank*
heit kurz nach der Geburt des dritten Kindes (vor SVg Jahren) begonnen hatte.
Durch Thyreoidintabletten wurde baldige Besserung erzielt, aber, wenn die Pai die
Dosis der Tabletten verminderte, begannen die Krankheitserscheinungen sich wieder
einzustellen. Walter Berger (Leipzig).
24) De la tötanie, par E. Tordeus. (Journal de clin. et de thörap. infani 1897.
Nr. 40.)
Ausser einer kurzen Besprechung der Tetanie theilt Verf. eine Beobachtung einer
seltenen Krampfform mit. Ein junges anämisches Mädchen, das schon ein Mal
2 Monate früher gleiche Symptome dargeboten, merkte Morgens beim Erwachen, dass
Kinn und Lippen nach links abgewichen and die Kiefer einander genähert waren.
Die linken unteren Backenzähne standen vor den oberen, umgekehrt auf der rechten
Seita Die Sprache war behindert, das Kauen unmöglich. Die Pat konnte nnr
flüssige Nahrung zu sich nehmen, ln der Nacht verschwand der Krampf und trat
am Morgen wieder auf. Auf Galvanisation Verschwinden der Symptome nach un-
geßhr 3 Wochen.
Es handelte sich nm einen Krampf der Pterygoidei. Ein gleicher Fall ist erst
ein Mal in der Litteratur beschrieben, und zwar von Lenbe (Deutsches Archiv fOr
klin. Med. 1869. Bd. VI.) Valentin.
26) Zwei weitere Fälle von juvenilem Totalstar bei Tetanie, von Dr. Felix
Wettendorfer. (Wiener med. Wochenschr. 1897. Nr. 36.)
Verf., welcher bereits einen Fall von Cataract bei Tetanie mitgetheilt hat
(Wiener med. Wochenschr. 1897. Nr. 11 n. 12), bringt zwei weitere einschlägige
Beobachtungen. Im ersten Falle, bei einer 37 Jahre alten Strobflechterin, war die
Tetanie combinirt mit epileptiformen Anfällen, die zum ersten Male während einer
Gravidität anftraten. Äccommodationskrämpfe. die sich mit jedem Anfälle einstellten,
waren anamnestisch nachweisbar. Im zweiten Falle, bei einem 29jähr. Mädchen,
waren sie in der Anamnese nicht nachzuweisen, doch meint Verf., sie können in
Folge der Schmerzhaftigkeit der Muskelkrämpfe der Wahrnehmung entgangen sein.
Die Erklärung der Cataracte durch Äccommodationskrämpfe (Magnus) scheint Verf.
Google
273
wihndieiolieher als die durch tropbische StöruDgen, und spricht fQr erstere Auf»
basQz^ ausser der Analogie mit den zahlreichen Fällen von Eigotinstar, welchen
Aeeommodationskrünpfe yorangingen, auch das Aussehen der Cataracte, die dichten
di&sen Corticaltrflbungen in der Höhe der Linsenpole, besonders der hinteren, da
^ die Linsenpole die Hauptpforten fOr den Lymphatrom der Linse bilden. Wenn nun
Buh der Kagnus'achen Theorie die Cataracte eine Folge der durch Accommodations-
bispfe gestörten localen Lymphcircolation sind, so erscheint die stärkere Betheiligung
to Corticalis an der AUgemeintrflbang in der Nähe der Pole erklärlich. Im zweiten
Falle var^ zwar trophische Störungen der Kägel vorhanden, doch ist es fraglich,
ob die Cataracta damit in Analogie zu setzen ist.
Veif. rätfa, in allen Fällen von juvenilem Totalstar nach den Cardinalsymptomen
der Tetanie zu fahnden. J. Sorgo (Wien).
26) Riri Fall von PhospliorvergUtung mit Tetanie, von Dr. v. Stransky.
(Prager med. Wochenschr. 1897. Nr. 32.)
Verf. belichtet über einen Fall von Phosphorvergiftung, in deren Verlauf sich
das Symptomenbild der Tetanie entwickelte. Ein ISjähr. Mädchen nahm in selbst-
jadrdaiseher Absicht eine Auflösung von Zflndbölzchenköpfchen, entsprechend etwa
ciiier Phoephormenge von 0,45 g. Die Erscheinungen der Phosphorvergiftung besserten
ää bald wieder. 4 Tage später stellten sich, nachdem subfebrile Temperatur vor*
UBgsgangen war, tonische Krämpfe in den oberen Extremitäten und im Gesiebte,
sowie Parästbesieen ein. Die Krampfanfälle, die mit typischer Stellung der Hände
äahsrgiDgen, dauerten 15Hinuten. Den folgenden Tf^ liess sich das Trousseau’sche
P hiimiMwi nachweisen, den zweitfolgenden Tag war das Symptomenbild der Tetanie
owplet geworden, was durch 4 Tage anbielt. Einige Tage später cessirten die
soga. Krämpfe, später verschwand auch die mechanische Uebererregbarkeit der Nerven.
Trotz des Zusammentreffens der Phosphorvei^iftung mit Tetanie hält der Antor
iMztere ffir eine idiopathische, wenn auch vielleicht die vorhergehende Intoxicatiou
ein prädisponirendes Moment fflr das Auftreten der Tetanie gelten kann.
Eedlich (Wien).
27) La tetanie ohea l’enfänt, par Dr. C. Oddo (Marseille). (Revue de Medecine.
1896. Juin. JoUlei AoQt. Septembre.)
Sehr ausführliche, umständliche, auf umfassende Litteraturstudien beruhende
bcstcllong der Pathologie, Aetiologie und Therapie der Tetanie, mit besonderer
Bertdskhtigung der Tetanie im Kindesalter. Da die Arbeit keine eigenen neuen
Beobachtungen enthält, sondern rein referirender Natnr ist, eignet sie sich nicht zu
eionn Aaszuge. Als litterarbistorische Quelle ist sie nicht ohne Werth.
Strümpell (Erlangen).
28) Xlebex Tetanie im Kindesalter, von Dr. S. Kalischer, Arzt für Nerven-
knnkbeiten in Berlin. Ans der Nervenabtbeilung der Kinderpoliklinik des
Privatdoc. Dr. H. Neomann. (Jahrbneb f. Kinderheilkunde. Bd. XLII.)
Die Angaben der Aotoren Ober die Häufigkeit der Tetanie im Kindesalter
aehwnkai, selbst wenn sie ans denselben Gegenden stammen; dies liegt znm grössten
Thd io der so wenig flbereinstimmenden Änffassnng des B^riffes der Tetanie. Verf.
päfisirt das Krankheitsbild genau und bezeichnet mit Tetanie nur die Fälle, wo
typische Manische Krampfanfälle Vorkommen. Die Krankheit kommt in der Tbat
bä Säof^gen nnd Kindern in den ersten Lebensjahren vor, wenn auch in Berlin
aäta, ein gewisser, allerdings nur indirecter Zusammenhang mit der Rachitis ist
18
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274
nicht völlig von der Hand zu weisen. Die Untersuchong der Kinder erfolgte nach
einem, alle für die Tetanie bezüglichen Fragen enthaltenden Schema. Die Unter¬
suchung auf das Vorhandensein des Chrostek’schen Zeichens nnd des Tronsseau'-
sehen Phänomens erfordert gewisse Vorsichtsmaassregeln.
Von 9481 Kindern (1893—1896) litten 7 an Tetanie. Verf. untersuchte selbst
5 Kinder bei im Glanzen 2191 zur Beobachtung gekommenen; von letzteren waren
1116 rachitisch, davon hatten Tetanie 3, während von 1077 nicht rachitischen 2 Tetanie
hatten. Alle Kinder waren in den beiden ersten Lebensjahren.
Von den 5 Kindern litten S zugleich an fieberhaften Magendarmaffectionen, in
allen Fällen bestand Spasmus glottidis, welcher als zum Symptomenbilde der Tetanie
gehörig betrachtet werden muss, ebenso auch allgemeine Convulsionen, die mch bei
3 Kindern fanden. Das Trousseau’sche Phänomen fand sich bei 3 Kindern, ea
kann also bei Tetanie fehlen. Das Gleiche gilt vom Facialisphänomen. ln allen
Fällen bestand eine erhöhte mechanische Erregbarbeit der motorischen und sensiblen
Nervenstämme. Erhöhte galvanische Erregbarkeit am N. nlnaris und peroneus liess
sich einmal nachweisen.
Verf. untersuchte ferner 82 rachitische Kinder auf nervöse Erkrankungen, speciell
auf einzelne tetanische Symptome (latente Tetanie, tetanoide Zustände). Von diesen
82 litten 51 am Spasmus glottidis, 2 an Anßilleo von Apnoe, 14 zeigten das
Troussean’sche Phänomen, 28 das Facialisphänomen. 3 Spasmns nutans mit
Nystagmus, 1 Nystagmus allein, 2 Strabismus, 1 Hydrocephalus und 30 allgemeine
Convulsionen. Von den 51 Kindern mit Spasmus glottidis batten 21 weder Facialis-
Phänomen, noch das Trousseau’scbe Zeichen, 14 das Facialisphänomen allein, 2
Trousseau'sches Phänomen allein, 12 beides. Bei 31 rachitischen Kindern ohne
Spasmus glottidis fand sich nur 2 Mal das Facialisphänomen. Nie das Trousseau'sche
Zeichen.
Die Häufigkeit nervöser Affectionen bei Rachitis entspricht der von Kassowitz
angegebenen. Weder der Grad der Rachitis, noch der Ernährungszustand der Kinder
war von Bedeutung für die Intensität und Häufigkeit der nervösen Störungen. Auf¬
fällig ist der Umstand, dass mechanische Uebererregbarkeit der motorischen Nerven
häufig vorkommt bei Rachitis, wahre Tetanie dagegen selten, Uebergang der sc^n.
latenten Tetanie in manifeste wurde nie beobachtet.
Das Facialis« und das Trousseau’sche Phänomen kommt auch in Gegenden
vor, wo Tetanie unbekannt ist, während es andererseits bei der Tetanie der Er¬
wachsenen und Kinder fehlt, beide Zeichen reichen also zur Diagnose der echten nnd
latenten Tetanie nicht ans. Der Laryngospasmus ist bei Erwachsenen sehr selten,
bei Kindern sehr häufig; bei letzteren scheint die Tetanie häufiger alle vier Ex¬
tremitäten zu befallen, der Therapie zugänglicher zu sein und einen mehr aenten
Verlauf zu nehmen, als bei Erwachsenen; hei diesen ist Tetanie in Berlin jedenfalls
sehr selten.
Symptome, der Tetanie ähnlich, finden sich bei Hysterie, Hydrocepbalie und
Tetanus, Verf. erörtert die Differenzpunkte. Die Tetanie sei als selbstständige Krank¬
heitsform aufzufassen, etwa wie Epilepsie, trotzdem beide eine mannigfaltige Aetiologie
haben. Allen Ursachen gemeinsam ist, dass sie zu einer chronischen Ernährungs¬
störung des Gesammtorganismus, speciell des Nervensystems, führen.
ln einem Nachtrag theilt Verf. mit, dass er innerhalb 3‘/s Monaten 5 weitere
Fälle von echter Tetanie beobachtet hat. Diesem gehäuften Vorkommen legt Verf.
vorlänfig keinen Werth bei. Alle Kinder genasen; sie waren alle rachitisch, 3 hatten
Spasmus glottidis und allgemeine Convulsionen, in 4 Fällen war das Tronsseau’sche
Phänomen voriianden, in 3 das Facialphänomen. Alle 5 hatten erhöhte elektrische
Erregbarkeit. Ein Kind hatte im ersten Jahre latente Tetanie mit Spasmus glottidis,
im zweiten nur letzteren. Dieser verschwand, um einem echten Petit mal Platz zu
machen, das bestehen blieb. Samnel (Stettin).
'ig.n^cd Dy Google
275
Psychiatrie.
19) De l’intentüiame myxoedömatouz» par E. Brissaad. (Koqt. Iconograpbie
de la Salpetridre. 1897.)
TerC. yersteht n üebereinatimmQDg mit H. Neige onter Infantilismus Zustände,
y^che dadurch gekennzeichnet sind, dass die körperlichen und geistigen Eigen*
Khaften der Kindbeit in höherem Alter bestehen bleiben: körperlich danemd kind*
hebe Proportionen, also verhältnissmässig grosser, runder Kopf, länglicher Rumpf,
Tdret^ender Bauch, runde, volle Extremitäten; Fehlen der secundären Geschlechts*
äanktere, also rudimentäre Geschlechtsorgane, Mangel der Behaarung an den Ge*
«Ueehtsiheilen ond in der Achselhöhle, geringe Entwickelung der Brustdrflse u. s. w.;
güög geringe Ausbildung der Intelligenz, rasches und abnorm leichtes Eintreten,
aevie spttrloaes Verschwinden starker Affecte, tlbertriebene Neigungen n. s. w. — Unter
Jn&ntüiame mjrxoeddmatenx“ versteht Verf. non die Zustände von Infantilismue,
wüA» dadurch entstanden sind, dass die gesammte Entwickelung durch eine in der
Jagend eingeiretene Störung der Scbilddrflsenfunctionen zum Stillstand gekommen ist.
Di&isch zeigen solche Individnen natOrlich ausser den oben angedenteten infantilen
figCBtbfLBlichkeiten auch mehr oder weniger deutlich die gewöhnlichen tbyreopriren
Syp toae (Myxödem); jedoch betont Verf. besonders das Vorkommen von „formee
fristss** sowohl des Myxödems, wie des Infantilismus, wobei eben nur einige, aber
aidit BäBmtlide typische Erscheinungen nachweisbar seien. In Anbetracht der
flisssaaden Uebergänge und der zahllosen Abstufungen bestehe auch zwischen dem
Jsf. mjx.** des Yerf.’s und der „Idiotie myxoeddmatense'* von Bourneville kein
gaahtativer, sondern nur ein quantitativer Unterschied, insofern als eben einerseits
die Idiotie myx.*' den höchsten Grad des „Inf. myx.", den Infantilismus par ex-
ireflsace darnteUte, während es sich andererseits bei den leichtesten Fällen von
..Ul BDjx.“ im Principe such om Idioten bandele, wenn auch um „idiots trös
sopdrioirs.“
Die Unterschiede der einzelnen Fälle führt Verf. 1. auf die Intensität der
Sckdddrteenläsion zurück und 2. auf den Zeitpunkt, in welchem diese zur Entwieke-
tosgahemDong geführt hat Andere als Infantilismus beschriebene Formen („type
Leraia“, geringe Körpergrösee, aber Proportionen des Erwachsenen, geringe AusbUdong
dar GaoitaliaD, Fehlen der sexoellen Functionen u. s. w.) trennt Verf. scharf von
im etgentlicben Inf. (myx.); jene Formen seien nur Manifestationen allgemeiner
Säwäeberastände, für welche besonders hereditäre Lnes, Alkoholismus, Störungen in
itt Eatwickelni^ des Herzens und der grossen Gefässe („infantilisme anangioplasique“)
van ätiol<^i8cher Bedeutung seien. Verf. beschreibt ond reprodocirt hierbei ein
I8jähr. Individuum, welches die Grösse eines 4jähr. Kindes hat und eine Combination
das „m&nUlisme anangioplasique“ und des „infantilisme myxoeddmateux“ zeigt; es
w CBsafseits schwer hereditär belastet und trank selbst enorm, andererseits hatte
es dar dl Lymphdrüsentubercolose die Schilddrüse eingebüsst. Zum Schluss betont
Tatf., dass weder das complete, noch das abortive angeborene Myxödem unbedingt
■it paychiachen Störungen einbergehen müsse; es sei daher mit Rücksicht auf die
Siperijiieatalergebnisse über die Function der bei vielen Thieren noch getrennt von
dar Thjreoidsa liegenden Gl. parathyreoideae (cf. Kef.: Vassale et Generali, Sur
las aCata de l’exstirpation des glandes parathyrdoidiennes. Arcb. It de Biol.
Tm. XXVL 1. — Vassale et Donaggio, Les altdrations de la moölle dpiniöre
dai lea chiens opdrds d’exstirpation des glandes parathyrdoidiennes) anzunehmen,
üMi das Aofhöreo der Function des tbyreoiden Gewebes die Dystrophieen der Haut
aad des Skeletts Terorsachs, während die nervösen, speciell die psychischen Störungen
«•( d«B Fonctionsansfall des parathyreoiden Gewebes zu beziehen seien.
Kaplan (Herzberge).
18 *
0 Google
— 276
30) Idiotie myxoed^matease (myzoedöme infantile) et rinfluenoe per
ringeation de glsnde thyroide du mouton, par Bourneville. (Progr^
medical. 1897. Nr. 10—11.)
Yerf. schildert den wohltMtigeo Einfluss der Verabreichung frischer Hammel*
Schilddrüse bei zwei 4* bezw. 5 Jahre alten idiotischen Kindern, die ausserdem an
MyxOdem litten. Eine Reihe Tabellen, Photographieen und Zahlen zeigen die Unter¬
schiede vor, während und nach der Behandlung. Da sämmtliche Hittheilungen sehr
ausführlich und genau sind, eignet sich der Aufsatz leider nicht fOr eine kurze
Besprechung. Es sei aber hiermit auf ihn aufmerksam gemacht.
Adolf Passow (Strassburg i.'E.).
31) Tiroide e oretlniamo, per Cristiani. (Annali di freniatha. 1897. S. 349.)
Sehr eingehende, gründliche Arbeit mit grosser Litteraturkenntniss und wohl*
thuender Objectivität geschrieben. Pathologisch und klinisch vergleicht Terf. den
Cretinismus mit den Zuständen nach Exstirpation der Schilddrüse, dem Myxüdem,
auch mit dem M. Baseduwii und kommt zu dem Schlüsse, dass der Cretinismus das
Primäre einer Veränderung des Schilddrfisenparenchyms sei, die eine „Hypofunction“
derselben erzeuge und in Folge dessen durch Vergiftung direct das gesammte Central*
nervensystem angegriffen werde und davon wieder abhängig die übrigen somatischen
Zeichen, während die Stoffwechselveränderungen weniger in Betracht kämen. Freilich
giebt es noch manche Punkte aufzuklären und bei dem endemischen Cretinismus sind
die Resultate der Tbyreotherapie nicht so brillant, wie beim HyxÜdem. Verf. meint,
dass das Ganze sehr bestechend wäre, wenn nicht ganz neuerdings die experimentelle
Arbeit Mnnck's erschienen wäre, die alle bisherigen experimentellen Ergebnisse und
Inductionen Anderer in Frage stellten. Er leugnet darin die Wichtigkeit der Schild¬
drüse für den ganzen Organismus, ebenso auch den Zusammenhang von Hjxüdem,
Cretinismus u. s. w. mit der Thyreoidea, ebenso den Erfolg der Tbyreotherapie.
Solchen gewichtigen und, wie Ref. glaubt, ausschlaggebenden üntersuchnngen gegen¬
über harrt unruhig die definitive Frage des Zusammenhangs von Schilddrüse und
Cretinismus u. s. w. der Lösung. Verf. erwähnt einige interessante Daten. So ist
vieler Orten erst Kropf beobachtet worden, später Cretinismus. Kropf hält Lombruso
für abgeschwächten Cretinismus (l Ref.). Kropfkranke erkranken leicht psychisch, mehr
als Andere, und zwar an den degenerativen Formen der Psychose, der Paranoia,
Epilepsie und besonders der Idiotie. (Auch hierüber sind die Beobachtungeu noch
zu spärlich. Ref.) Harzocchi und Antunini wollen ferner gefunden haben, dass
bei den Irren mit Kropf weniger Hämoglobin, Harnstoff, P^Og und giftigerer Ham
gefunden wurde, als bei den übrigen Geisteskranken. (Auch das wäre noch weiter
zu erhärten. Ref.) Während aber hier die depressiven Formen vorherrschen, sollen
bei M. Basedowii, wo es sich um „Hyperfunctiou“ handele, mehr erregte Psychosen
und Zustände auftreten (? Ref.) Als eifriger Jünger Lombroso’s endlich hält Verf.
die Degenerationszustände am Körper bei Cretins u. s. w. durch dystrophische Processe
im embryonalen Leben für „ethnische Rückschritte, atavistische Charaktere" (! Bef.).
Näcke (Hubertnsburg).
32) TTeber das Bewusstsein der Hallnoinirenden, von Dr. Josef Berze.
(Jahrbücher für Psychiatrie u. Neurologie. Bd. XVl.)
Der Unterschied zwischen Perceptions* und Äpperceptionsballucination zeigt sich
in genetischer Beziehung namentlich in der Verschiedenheit des Verhältnisses znx
Bewusstseinsstörung. Die Perceptionsballucination an sich setzt keinerlei Bewusstseins¬
störung voraus; sie entsteht aus Roizvorgängen in dem betreffenden Sümeacentruti
und stellt einen vom Zustande des Associationsorganes xar’ ganz unabbängi^et
Einbrnch in das letztere vor, als dessen Ursache — zum Unterschiede von der physio
D g !i.:od oy GOO^ Ic
277
logiKto} ^neewahrnehiDanK, bei der dieser Effect oor darcb die Einwirkaog aof
dü eDtq>reehende p^phere Sinnesorgan bewirkt wird — eine spontane Entladung
iis Simescentmms anxnseben ist Eine etwa doch vorhandene Störung des Bewosst*
stias spielt demnach nur eine accidentelle Bolle und findet ihren Ausdruck iu der
pathologischen Verwerthnng des Hallncinirten. Die Apperceptionshallucination weist
iQf die eigentlichen Associationscentren als Drsprungsstätte und l&sst a priori eine
Stufig des Bewofötaeins erwarten; diese ist nicht nur thatsächlich klinisch nach-
vBsbir, sondern dürfte sogar, wie der Verf. ausznführen bestrebt ist, ohne Hinzu*
tntn etnss weiteren pathologischen Factors die Oenese der Apperceptionshallucination
Mgrt&den. Das Bewnsstsein erscheint nämlich bei den in Betracht kommenden
Imtm gestört im Sinne einer Einengung aof einen Best von VorsteUungen, die in
des ^e, als me wahnbaft entstellt sind, eben den Wahn vorstellen. Die Enge
(stst^t in vowchiedener Weise, beispielsweise dadurch, dass der übrige Bewusstseins-
ahzh in Folge Bindenerschöpfung ausser Function gesetzt ist, oder dadurch, dass
er skh in Folge der erschwerten Auslösbarkeit in einem Zustande functioneller
Uuu befindet. Zur Erläuterung der Genese der Apperceptionshallucination aus
ieaim Zietande zieht der Verf. den Vergleich dieses Zustandes, den er kurz als den
dir bzilarinatorisehen Disposition bezeichnen möchte, mit dem bjpno^chen Zustande
ina. In diesem erßhrt der „fonctiooirende Best“ des durch die Hypnose ausser
Fm^on gesetzten Associationsmecbimismas in Folge einer Weigerung der ideo*
^anriillen Beflexerregbarkeit eine pathologische Verwerthnng in. der Bichtung, dass
AM Unsetzong der Vorstellung in Empfindung erfolgt (Bernheim). Ganz dieselben
Vwfailtaisse gelten für die ballucinatorische Disposition, welche demnach gelegentlich
ar hallscinatorischen Wahmebmung der im eingeengten Bewnsstsein mit um so
ntewer Potenz auitauchenden Vorstellung führen muss. Der Verf. stellt sich also
för «fiese Form der Hallucinationen auf den Boden der centrifugalen Theorie, von
der er aber anaftthrt, dass sie im Lichte der neuesten Forschungen (namentlich
FUehaig’s) einen anderen Charakter gewonnen hat, dem gegenüber manche Ein*
riade, welche gegen die centrifugale Theorie früher mit grösserer oder geringerer
Bcecbfigoig ixi’s Treffen geführt werden konnten, an «Bedeutung wesentlich verloren
tibcB. Von Seiten der Sinnescentren möchte der Verf. für die Entstehung der
Ippwc^onshalludnationen eine erhöhte Ansprechbarkeit keineswegs postnliren, ob*
*oU V die Erleichterung ihrer Entstehung im Falle des Bestandes der letzteren
nagaben nicht versäumt. Erhöhte Ansprechbarkeit ist aber nicht etwa identisch
Kt «aa zor spontanen Entladung tendirenden Beizzostande der Sinnescentren, der
nr die Grundlage für die Entstehung von Perceptionshallacinationen bilden kann.
Nebenher wird in der Studie die Frage nach dem Zusammenhänge von Beiz*
aetäadsB in den peripheren Sinnesorganen — z. B. von entotischen Geräoschen —
>n d« fotstehong von Sinnestäoscbnngen berührt. Unabweisbar ist zunächst die
AnahB^ dass sie ebenso wie der durch äussere Objecte angeregte Beiz im Sinnes*
wgue, die Grundlage für lUnsionen abgeben können; als naheliegend muss ferner
he Aaaahme bezeichnet werden, dass sie bei dem Umstande, als sie einen Beiz*
tvted ia Sinneeeentmm bewirken können, gelegentlich zu Perceptionshallncinationen
könwii. Den Ueberl^ngen dagegen, welche den peripherischen Beizen auch
tm fiedentimg bei der Entstebong psychischer Hallucinationen einränmen möchten,
un dir Vmf. keine Berechtigung zosprechen. Hier sei znm Scblasse noch des in
'« Studie nicht berührten Umstandes Erwähnong gethan, dass die von den Autoren,
sieb mit dieser Frage beschäftigt haben, angeführten Gebörsstörungen zumeist
der Natur sind, dass sie neben Beizerscbeinungen eine verschiedengradige Ver*
üdwukg des Gehörvermögens bedingen; für die Entstebong von psychischen Halln-
Qttfiooen scheint non dieser letztere Factor eher von Bedeutung zn sein, indem er
den Ansf&ll der GehOrseindrOcke zor Entstehung einer Bewosstseinsenge bei*
kann. • (Autorreferat.)
./Google
278
33) Sie puerpeimlen FsyohosMi, vom itiologiaohea, klinisohen und foren*
eieoben Btandpimot, von Dr. Shdarow. (Moskau. 1896 [rosnseli].)
Eine 436 Seiten umfassende Monographie. Als Binleitang dient ein aosgeseicli-
neter historischer Ueberblick über die Lehre von den Puerperalp^chosen. Terf. theilt
die Geschichte derselben in drei Perioden: die älteste beginnt mit Hippokrates ond
reicht bis zum Anfang unseres Jahrhnnderts, als Pnzo's Theorie von den „Mildi*
ablagemngen^ durch Cbossier (1801) gestOnt wurde; diezweite, mittlere, umfasst
eine grosse Menge wissenschaftlicher Untersuchungen Ober dieses Thema und end^
1887, als durch Campbell Clark mit Bestimmtheit Intoxication als ätiolAgisches
Moment der Puerperalpsjcboseu angesprochen wurde; seitdem ist eine Reihe Tun
Arbeiten erschienen, die zur weiteren lüämng dieses, die neueste Periode kennzeich¬
nenden Standpunktes beitragen. Verf. scheidet aus seinem Untersuchnng^ebiet die
Schwangerschaftspsjchosen und auch diqenigen aus, die zur eigentlichen Lactations-
Periode gehören, und zählt zu den Puerperaipsjchosen nur solche Geistesstörungen,
die im Laufe der ersten sechs Wochen post partum entstehen. Indem er die Häufig¬
keit derselben in diesem streng begrenzten Sinn berechnet, findet er, dass nach den
Augaben verschiedener Autoren und Berichten verschiedener Anstalten die Puerperal-
psychosen gegenwärtig ungeföbr 4—4,8°/o der Geistesstörungen ausmachen, die
fiberhaupt bei Weibern beobachtet werden, und dass dieser Prucentsatz in frflheren
Zoiten grösser war (bis zu 6,3*^/(,), dass also in neuerer Zeit eine Abnahme der
Frequenz der Puerperalpqrchosen zu constatiren ist. Speciell in Russland ergpebt
eine ZusammensteUung aus fünf grösseren Irrenanstalten, dass auf 2841 Aufnahmen
geisteskranker Weiber 117 Poerperalpsychosen (also 4,1^/^) kommen.
Das eigene klinische Material des Verf.’s beträgt 87 Fälle von Poerperal¬
psychosen, davon 45 persönliche Beobachtungen und 42 Krankengeschichten aus
verschiedenen Moskauer Irrenanstalten. Die Analyse der ätiologischen Verhältnisse
dieser Fälle zeigt, dass zur Entstehung puerperaler Psychosen ein Zusammenwirken
mehrerer Momente erforderlich ist, unter welchen die Hauptrolle drei spielen, und
zwu* hereditäre Belastung (^ie war in 79^/^ vorhanden), puerperale Infection
(64,5 ^/q) und Gemfitbsbewegungeu (56,37o)* Ausserdem bat auch Eclampsie wesent¬
liche Bedeutung, aber dieselbe tritt wegen ihres verhältnissmässig. seltenen Vorkom¬
mens in practischer Hinsicht zurück.
Was den klinischen Verlauf der Puerperalpsychosen bestrifft, so handelt es sich
unter den 87 Fällen 70 Mal, also 80,ö®/o um Amentia. Andere Irreseinsformen
kamen nur vereinzelt vor, imd zwar Melancholie und Cerebropathia toxaeinica je
4 Mal, Paranoia acuta 3 Mal, Manla 2 Mal, und andere Formen 4 Hai. In dieser
Weise gehört die Puerperalpsychose in den allermeisten Fällen in das Gebiet der
Amentia, und Verf. vermisste irgendwelche klinische Unterscheidungsmerkmale zwischen
der puerperalen Amentia und detjenigmi, die bei Weibern unter anderen Verhält¬
nissen zur Beobachtung gelangt. Ungefähr in drei Vierteln der Fälle kam es zur
Genesung.
Das forensische Capitel enthält hauptsächlich allgemeine Betrachtungen über
Bewusstseinsstörungen im Puerperium in Bezug auf Kindesmord bei ansserefaeUchen
Geburten. Im Bchlusscapitel hebt Verf. die prophylactiscbe Bedeutung hervor, die
die Vermeidung von Gemfithsbewegungen (Schreck, Aerger, Aufregung) für die
Puerperalpsychosen — neben dem Vorbeugen puerperaler Infection — besitzt
Am Schluss der werthvollen Arbeit sind die 87 eigenen Fälle des Verf. in
Tabellenform zusammengestellt und 529 Schriften über das ihn beschäftigende Thema
angegeben. P. Rosenbach (St Petersburg).
■' Google
279
34) Drei otuisttoohe Britrftg« lur Lehre von den Psyohoeen mit Chorea»
TOD Dt. K Dauer in GKürUtx. (MoDataechrift fOr Psyebiatrie und Neurologie.
Bi I. 1897.)
Di« chofeatiaehen Bewegungsetörungen wurden bei einem erblich schwer be*
ksU/M tBj&hrigen Knaben, der an Zwangsvorstellungen und Sinneetäuschnngen litt,
kn «oer ll^/^ Jahre alten Patientin, die hallucinirte und verworren war, ond bei
etHa erwachsraen M&dchen mit Cyclotbjmie beobachtet. Im ersten und im dritten
FiU entwickelte sich die Chorea vor Ausbruch der psychischen Störungen, im zweiton
Fall entstanden beide Krankheiten gleichzeitig. ö. ilberg (Sonnenstein).
33) Eonammenstellang der sich ln dem bürgerlichen Gesetabuoh für den
Psyohiater ergebenden, a. Th. neuen Oesiohtapunkte für die Eretattung
von Ontechten, von Landgerichtsrath C. Schnitze in Berlin. (Honatsschrift
fftr Psychiatrie ond Nenrologie. Bd. 11. S. 204.)
Es ist für den Frieden zwischen Juristen und Psychiatern wohl wesentlich, dass
t«i4« Parteien in ihren Schranken bleiben. Ein medicinischer Sachverständiger
kau seinem Gntaebten* nnr schaden, wenn er sich allzusehr auf juristische Deduc-
ÜMt eiolässt, deren Tragweite er in der Begel nicht ermisst. Mit Dank ist daher
ei« vorBegende Arbeit zu begrOssen, deren Autor die ans dem Titel ersichtliche Aut-
Ufifig ertheilt. Er bespricht, iowiefern Geisteskrankheit nach dem b&rgerlicheu
öeeetibnch Grund ffir Entmflndigung, Einsetzung einer Pflegschaft, Bevormundung
V-Iljihriger, Geschäfts* und Testiruniabigkeit und für Ehescheidung ist.
Dorch die Entmflndigung wird die rechtliche Persönlichkeit eines Menschen
T-jlfig aufgehoben. Mit Rfleksiebt auf die schwere Beeinträchtigung der persönlichen
Fraknt haben alle Oesetzgebm^en diese Fälle möglichst einzuschränkeu versucht.
Gcfiovärtig sind die Bestimmungen Aber die Entmflndigung Geisteskranker in den
«auteen deutschen Staaten verschieden. Von medicinischer Seite ist namentlich
gvgm dm in einzelnen Staaten gebränchliehen Ausdruck „des Vernunftsgebrauchs
wubt'' lebhafter Widerspruch geäussert worden. \'om Jahre 1900 an tritt im
faaae deotseben Reiche die einfache und klare Bestimmung des bfligerlicben Ge-
»«tibochee in Kraft, dass, wer in Folge von Geisteskrankheit oder Geistesschwäche
MIM Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag, eotmöndigt werden kann. Geistes*
Inakbeit oder Geistesschwäche mflssen einen solchen Grad erreichen, dass der Kranke
^ Schwache seine Angelegenheiten nicht zu besorgen vermag. Unter Angelegen*
keitCD ist die Geaammtheit aller Beziehaogen des Einzelnen zu seiner Familie,
»MB Yermögen und zur Gesellschaft zu begreifeu. Seine Äogel^enheiteu besorgen
tna aar Jemand, der mit freier Willensbestimmung bandelt, der eine klare Vor*
caUsng der von ihm gewollten Handlung hat ond die Folgen seines Handelns, soweit
tie Mnaler Weise voransznsehen sind, zn überlegen im Stande ist. Der begut*
zcktende Psychiater musste bisher das von ihm Ermittelte in einer von dem mate*
nsUsD Rechte vorgeschriebenen Formel zum Ausdruck bringen, die den Gegriffen
Miaar Wissraschaft oft nicht entsprach. In Znkunft braucht er lediglich festzustellen,
*k der EotffiAndigende geisteskrank bezw. geistesschwach ist oder nicht; ausserdem
ist er das Material zu liefern, ob der Explorirte seine Angelegenheiten zn besorgen
wnaag, d. b. ob er mit freier Willensbestimmung oder unter dem Einfluss abuormer
^«•leathätigkeit handelt In jedem concreteu Falle soll die Eigenart des einzelnen
iadividiioBis berücksicht^t werden. Es bleibt aber selbstverständlich Sache des
I kickten zu entscheiden, ob die Yoraussetznngen fflr die EDtmflDdigaog thatsäcblich .
I ahid. Der w^n Geisteskrankheit Entmündigte ist unfähig, Bechtsgesebätte
'dB rachtswirksame Willensakte vorzunehmeo. Ist die Entmflndigung nur wegen
G wn a aa chwäche ausgesprochen worden, so handelt es sich um geringere Rechtsver*
Google
280
kürzui^. Auch io dem auf Wiederaufbebuog einer EntmOndigung gerichteten pro*
ceseuaien Verfahren nach erfolgter Heilung oder derart^er Bessernng, dass Besorgong
der Angelegenheiten möglich ist, hat der psychiatrische Sachverständige mltznwirken.
Nach erfolgter Entmflndigong erhalten geschäftsunfähige Volljährige einen Vormund.
In bestimmten Fällen kann das Vonnnndscbaftsgericht schon nach beantragter Ent-
möndigong eine vorläufige Vormnndschaft eintreten lassen; dann kann ein
Gutachten darüber nothwendig werden, ob der Kranke sich oder Andere zu gefährden
geneigt ist
Personen, die in Folge von geistigen Gebrechen einen Theil ihrer Angelegen¬
heiten nicht besorgen können, erhalten mit ihrer BewiUignng für die Besorgung dieser
Angelegenheiten einen Pfleger, ohne den sie hierbei nicht rechtsverbindlich handeln
können. Auch hier kann der Psychiater nach verschiedenen Riohtnngen mitzu-
wirken haben.
Oer wegen Geisteskrankheit Entmündigte ist geschäftsunfähig. Seine
Willenserklärungen sind rechtlich unwirksam; z. B. ist eine während der Zeit der
Entmündigung geschlossene Ehe bezw. ein während dieser Zeit errichtetes Testament
nichtig. Aber auch die Willenserklärung des nicht Entmündigten ist nichtig, wenn
sie im Znstand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistesthätig-
keit abgegeben worden ist Und auch derjenige ist geschäftsunfähig, der sich in
einem die freie Willensbestimmung ausscbliessenden Zustande krankhafter Störung der
Geistesthätigkeit befindet, sofern dieser Zustand nicht seiner Natur nach vorüber¬
gehend ist Der Psychiater hat in solchen Fällen die Tbatsacbe der vorübergehenden
oder nicht vorübergehenden krankhaften Störung der Geistesthätigkeit festzustellen,
oder er hat die Umstände aufzuklären, die auf den Grad der Krankheit schliessen
lassen. Den Schluss aber, ob die betreffende Person ohne freie Willensbestimmung
gehandelt hat, hat der Richter zu ziehen.
Das bürgerliche Gesetzbuch bat Geisteskrankheit eines Gatten als Bheschei-
dungsgrund acceptirt, wenn die Krankheit andauernd, hochgradig und unheilbar
ist. In einem derartigen Ehescheidongsprozess soll untersucht werden, ob der be¬
treffende Gatte ein Leiden mit den vorgedachten Eigenschaften hat and ob dadurch
die geistige Gemeiuschaft zwischen den Gatten snsgeschlossen wird. Der Psychiater
hat sich in seinem Gutachten darüber zu äussem, ob Geisteskrankheit vorliegt, ob
sie 3 Jahre gedauert hat und unheilbar ist, ob der Zustand des Kranken einen
dauernden Aufenthalt in einer Anstalt bedingt und ob Hoffimng auf Wiederherstel¬
lung der geistigen Gemeinschaft zwischen den Gatten ausgeschlossen ist. Dem Richter
fällt die Aufgabe zu aus den gelieferten Materialien zu folgern, ob durch die Seelen-
störung tbatsächUch die geistige Gemeinschaft zwischen den Ehegatten anfgehoben
worden ist.
Wir Aerzte würden ja sehr znfrieden damit sein, wenn wir ans in unserem
Gutachten nur mit dem medicinischen Theil za beschäftigen hätten. Oft genog^
aber begnügen sich die Juristen in ihrer Fragestellnng hiermit nicht and verlutgen
ein jnristische Begriffe enthaltendes Schlussurtheil. Auch aus dem obigen Referat
der Scbnltze’schen Aasfübrungen dürfte hervorgehen, dass ein vollständiger Ver¬
zicht anf jnristische Dinge unmöglich nnd unthunlich ist Aber das muss anerkannt
werden, dass die nach dem bürgerlichen Gesetzbach erforderten psychiatrischen Gut¬
achten — den Wünschen der Irrenärzte entsprechend — viel weniger jnristiscbe
Dinge zu verarbeiten haben werden als die jetzigen.
Znm Schluss möchte Ref. g^en die Bemerkung Schultze’s Verwahrung ein-
legen, dass bei dem gegenwärtigen Stand der Seelenheilkuude die einzelnen Forman
oder. Stadien der Geisteskrankheiten nicht genau untereinander abgegrenzt werden
können. Das entspricht nicht mehr der Wirklichkeit. Im Gegentheil muss für jedes
brancbbare Gutachten als erforderlich bezeichnet werden, dass die Beechreibung der
Symptome nnd die Schilderung des Verlaufs mit einer bestimmten klinischen Diagnoee
Google
281
adigt Sur dann kaon Tom psyckiatrischowiffienschaftlichen Standpunkt der Beweis
der Owstaskrankkeit als erbraclit angesehen werden. Dass es oft schwierig ist, eine
n stellen, ist doch kein stichhaltiger Einwand; dann kann wenigstens ge¬
legt Terdra, welche Krankheitsformen in Frage kommen. Wer keine psychische
DogBose etellen bezw. die fOr die Differentialdiagnose in Betracht kommende Ge-
Khtipflfikte beortheilen kann, sollte sich eben der Abgabe psychiatrischer Gutachten
atkalten. Georg llberg (Sonnenstein).
36) Zwei Fälle sogen. Folie psr transformation (Folie en oommun), von
Dt. Leo Pinkelstein. (Jahrb. f. Psych. Bd. XVI. 1897.)
Ala Folie par transformation bezeichnet man jene Abart des inducirten Irreseins,
f»bei von zwei Geisteskranken der eine seine Wabnideeen anf den anderen flberti%t,
iba gerissermaassen inficirt Verf. giebt zunächst eine litterarische (Jebersicht dieser
m Allgemeinen seltenen Vorkommnisse, dann bringt er zwei eigene hierher gehörige
Bcobaebtongen.
1. ln der ersten Beobachtung handelt es sich um zwei Paranoiker; nach Swöchent-
Ikkca engen Beisammensein zeigte sich beim zweitangekommenen Kranken eine Nach-
ibumg des ersten zunächst auf motorischem Gebiete, so dass er in seinen Bew^nngen
SM g^rene Copie des ersten Kranken wurde. Später änsserte dieser zweite Kranke
urh die Reichen Wahnideeen wie der erste, schliesslich eignete er sich dessen
UaHocinztioBen und Wahnsysteme ToUständig an. Dabei äusserte der Kranke keine
MBW früheren e^nen Wahnideeen und Hallucinationen. Der inducirende Theil
«ir hier deotlich das acÜTe Element, der zweite Kranke durchaus passiv, wozu er
jercb Mine schon früher bestandene Charakterschwäche und Trägheit geeignet war.
2. Auch in der zweiten Beobachtung handelt es sich um zwei Paranoiker, die
ihabehe Ideeen hatten, jedoch in ihrem sonstigen Verhalten sich verschieden zeigten,
t Tige nachdem sie ein gemeinsames Zimmer bewohnt hatten, äusserte der zweite
Inike eine von dem ersten entlehnte Wahnidee (hypnotisirt zu sein), und zwar
ncht«t« sich dieselbe gegen den ersten Kranken selbst Nachdem die Kranken von
RBoto getrennt waren, verschwand diese inducirte Wahnidee bald. Als nach
ai^ Zeit wiederum eine Annäherung der Kranken erfolgt war, entlehnte der zweite
Duke eine zweite Wahnidee von dem ersten, die er gleich wie beim ersten Vor-
hveaisse guz gegen seine sonstige Gewohnheit mit grossem Affect vorbrachte. Die
Mertkhe Entfernung des Kranken ans der Nähe des anderen liess diese Wahnidee
^na bald verblassen. Aach dieser zweite Kranke war auffallend schlaff und
ipathkch, ausserdem physisch abgeschwächt.
lat legt für das Zustandekommeu der Folie transformde ausser auf die be-
Momente, die zum grossen Theil auch für die Folie ä deux Geltung haben,
Pwes Gewicht anf das Verhalten der emotiven Sphäre. Die activen inducirenden
Snnte waren hartnäckige energische Natnren mit sehr ansgesprochener, mit ihren
^tinädeeen zusammenhängender emotiver Veranlagnng, während die passiven Elemente
apathische Natnren 'raren. Redlich (Wien).
37) ContribntioB ä la pathologie des rapports aexuels. Paralysies post-
paroxystSques, par Fdrd. (Revue de Mödecine. 1897.)
Terf. macht zunächst auf die physiologischen Begleiterscheinungen beim Coitus
^■tMrksam. Der (Toitns reservatus spielt besonders bei der Neurasthenie und hier
bei der sexuellen eine grosse Bolle. Die Excitation beim Coitus kann
*>nigbebe Störungen bei Disponirten bewirken, so z. B. epileptische Anfälle, Migräne,
Dikaa, Hysterie, Irrsinn (besonders bei Frauen als „po6t>connubial insanity“)» eher
^ Mhr tocalisirt als Hnskelkrampf, Zähneknirschen, Husten, Borborygmen n. s. w.,
,Google
282
auf seosiblem Gebiete: PhotöpsieeD, Brjtbropiaen, Obreosommen, Pruritus, Beflez*
schmerz im Bachen u. 8. w., auf arteriellem: Gehimblutang (bei Greisen und Ärterio*
sclerose; oft bei den Uausvögelo), Nasenbluten, Schveisse u. s. w., auf motoriscbem;
kurz andauernde Paresen und Paralysen (Hemiparaplegieen). Die nach normaleai
Coitus eintretende leichte Depression kann bis zur Erschöpfung geben, HerzstilUtsDd
und Tod erzeugen, oder Circulationsstörungen zu Wege bringen: Polyurie, Durchfall,
Hämotysen, oder Schmerzen, oder Amblyopie, Taubheit, Gefflhllosigkeit (bei Hysterie
besonders) u. s. w. Bei Hysterie und Neurasthenie wird auch stupuröser ^hlaf nach
Coitus beobachtet Der Tod der männlichen Biene nach dem Coitus erfolgt nur durch
Erschöpfung in Folge der Erethismen. Aber nach Coitus kann auch leichte Bewusst*
seinsstörung, Amnesie n. s. w. auftreten oder motorische Störungen, besonders gern
bei Hysterikern, bei denen also der Coitus genau so wie Ermfldung, GemQtbs*
affect u. s. w. einwirkt und die schwache Stelle trifft Bei gewissen Neurasthenikem
tritt nach Coitus Aendernng der Sprache ein. Zum Schlüsse theilt Verf. noch zwei
interessante, hierher gehörige Beobachtungen mit Im ersten Falle handelte es sich
um einen Epileptiker, der wiederholt nach Krämpfen voröbergehende Hemiplegieen
zeigte und später auch solche nach dem Coitns. Im zweiten Falle war es ein
durchaus gesunder Hann, nicht hereditär belastet der nur spät hatte laufen lernen,
immer in den Beinen einen gewissen Grad von ^hwäche behalten hatte und durch
Sorgen neorasthenisch geworden war; danach stellte sich bei ihm transitorische
Parapiegie nach dem Beischlafe ein, was nur nach Behebung der Neurastbouie ver¬
schwand. Näcke (Habertasbnrg).
38) Betrsohtungen über die TTmkehrung des Gesohleohtstriebee, von Lanpts.
(Zeitschr. f. Criminalanthrop. 1897.)
Verf. stellt Uber obiges Thema interessante, originelle, aber nicht einwandfreie
Betrachtnngen an. Für ihn sind Invertirte stets Kranke, die Inversion stets eine
anormale Art der Liebe. Derselben liegen verschiedenartige Gründe vor. Bei durch
das Uilien, die Mode u. s. w. erzeugten gelegentlichen Invertirten können ererbte
Momente oder Stomata abgehen; sie öbemehmen die active Bolle, während der an¬
geboren conträr Sexuelle sieb passiv verhält und physische Stigmata anfweist (immer?
Bof.) in den weiblichen Formen, doch kann es letztere auch bei normal sexuellen
Hännem geben und einmal bei Jenen fehlen. Verschiedene Eintheilungen werden
gegeben, auch Verf. giebt eine solche, die er in folgende Sätze schliesslich zusammen-
fasst: 1. Physische Merkmale: wenn Mann, weibische conträr sexuelle Natur¬
anlage, wenn Weib, männliche conträr sexuelle Naturanlage. 2. Keine physischen
Merkmale: Angeborene Inversion oder starke Prädisponirtheit; Mann: cerebrale
Feminiphilie und Pädophilie; cerebrale Mascnliphilie; Weib: cerebrale Mascalipbilie,
cerebrale Feminiphilie. 3. Zeitweise Homosexualität: Mann: zeitweise Femiui-
pbilie und Pädophilie, zeitweise Mascnliphilie; Weib: zeitweise Mascnliphilie, zsitweise
Feminiphilie. 4. Indifferentismus: Bloss zeitweise oder Prädisponirtheit, vielleicht
anch angeborene conträre Sexualempfindung bei vorhandenen körperlichen oder cere¬
bralen Mängeln. 5. Verkommenheit: Entartnng. — Nur die angeborene Homo¬
sexualität ist Symptom der Degeneration. Verf. glanbt, dass die Inversion g^n
früher nicht zugenommen hat; er sieht sie als eine mehr oder minder allgemeine
körperliche Missbildung an, bald als bloss rein nervöse, bald als heil- oder unheil¬
bares Leiden und theilt die Homosexuellen also in difforme Kranke und bloss ge¬
legentliche. Er giebt endlich einige geschichtliche Daten und einen Fragebogen, um
weiteres Material zur Lösung vieler schwebenden Fragen zn erlangen.
Näcke (Hubertusburg).
D,..,Google
2d3
30) Upaberta studiftte nell’uomo e nella doima eto., per Murro. (Torino
1897.)
Das ToUkommenst« Werk, das je Aber die ^chtige Pubert&tszeit in anthropo*
lo^W, psjehiatriacher, pädagogischer and soeiologischer Beziehang geschrieben
▼irde, dflrft« wobi das Torltegende sein, ans dem verschiedene Partieen, z. B. die
Pabfftitspsycbosen betreffend, in diesen Blättern schon referirt wurden, da die Hälfte
d«s Boches, der theoretische Tbeil, bereits io den Annali di freniatria etc. verOffent«
ikht ist Man staunt biUigerweise über die Fülle von Thatsachen, die hier aaf-
nspaiehert liegen, and der Psychiater, Criminolog and Sociolog werden des Inter-
«sastoi fiberall viel antreffen. Aber auch der praktische Theil, die Hygiene des
Jto^ngsalters ist sehr breit ond tief behandelt und erst nach der Lection des
Gaoia wird Einem klar, wie unendlich wichtig der Gegenstand für das 6e>
dtiha der Oesellschaft L>t. Es sollte daher jeder denkende Henscheufreand das
Bock lesen, dessen baldige Uebersetzang in's Deutsche nur zu wünschen wäre. Ref.
grkkt eodlicb noch den Wunsch aus, dass Verf. in der gleichen Art, wie jenes
Aott, ueh das Greisenalter und Climacterom behandeln möchte.
Näcke (Habertusburg).
40) Welebe besonderen Anforderungen — abgesehen von den fffr den
Bau von Krankenhftuaem gültigen — sind bei Bau und Einriobtung
einer groeaen einklaasigen Aziatalt für Qelateakranke au berüoksioh-
tigenf von Dr. A. Passow. (Vierteljahrsscbr. f. ger. Med. u. öffeni Samariter«
tonu)
Torf, resamirt die Resultate seiner umsichtigen Arbeit ungefähr wie folgt: Die
Antilt, welebe beide Geschlechter gemeinsam verpflegen soll, muss in der Nähe
öir fisenbahnlinie und einer mittelgrossen Stadt, in gesunder Gegend gelegen,
‘,4 k« pro Kopf gross, und nach dem Pavillonsystem und dem colonialen Princip
wW im. Die — aussen und innen einfachen — Pavillons sind von grossen
Giitca Dukgeben and in Abtbeilungen und Gruppen zu zerlegen; ihre Einrichtung hat
aeb nefa dem Grade der Zuverlässigkeit der Kranken zu richten. Für eine Gruppe
nw KriDken sind Abtheilungen mit ummauerten Gärten und vergitterten Fenstern
«foritrlidi; die anderen Abtheilungen bilden üebergänge von Krankeuhäusem zu
Woknkioaera ähnlich eingerichteten Gebäuden. Die Zahl der Einzelräume ist mög*
^ht eumuchränken und soll zusammen mit den in grosser Menge vorhandenen
nfoEthgeu Zimm ern gewöhnlicher Einrichtung ca. 10 % Belegungsziffer be-
Es sollen nicht mehr als 8, oder ausnähmsweise 10 Kranke zusammengelegt
’wdiu Gärten, Arbeitsstuben für alle Berufsarten, Ackerland mit vollem land«
*^^^lxc}isfUicben Betriebe, müssen in möglicher Ausdehnung vorhanden sein. Auf
KKI Kranke ist ein Arzt zu verlangen. Leiter der Anstalt muss der ärztliche
l^Jfwtor sein. Paul Cohn (Berlin).
Therapie.
41} Lea dlstraotions dans le traitement des alidnds, par Näcke. (Revue de
piychiatrie. 1807. Nr. 10.)
7erf. bespricht ein nicht unwichtiges Kapitel der praktischen Psychiatrie, nämlich
^ *encbiedenen Zerstreuungen für Geisteskranke and geht ziemlich eii^ehend
«in, indem er dabei sehr wohl Unterschiede für frisch erkrankte, chronische,
l^ets, ungebildete, Anstalts« und Privatkranke macht. Er verlangt namentlich
^ 4ie chronischen Patienten der Anstalt ein möglichstes no-restraint auch nach der
,Google
284
Bichtun? der VergnOgungen bin, da die Kranken, besonders chronische, yielmehr
daran Theil nehmen können, als Manche wollen. Man muss so viel als möglich die¬
selben als erwachsene Personen und nicht als Kinder behandeln, ihnen möglichstes
Vertrauen schenken, und kann in der LectQre, im Briefscbreiben u. s. w. ihnen
möglichste Freiheit gewähren. Der Arzt muss natfirlich den Tact haben — der
leider nicht angelernt werden kann — die richtige Grenze zu bestimmen und das
Vergnügen wie Medicin richtig dosiren, wobei mao auf locale Gewohnheiten, Basse,
Bildungsgrad der Kranken zu achten hat. Der Arzt muss nicht bloss guter Psycho¬
loge im allgemeinen, sondern anch Psycholog des Volks und der einzelnen Stände
sein. Das innere Leben der Anstalt muss sich möglichst au das der betreffenden
Volksschichten anlehnen, sollen sich die Kranken heimisch fühlen und Vertrauen
gewinnen. Auch ist eine möglichste Berührung der Kranken mit der gesunden
Aussenwelt im Interesse beider Theile und der Anstalt mit allen Mitteln anzustreben.
(Aotorreferat)
42) ITeber suboutane Chinininjeotionen, von Prof. Heinr. KÖbner, Berlin.
Offener Brief an den Bedacteur der Wiener klin. Bundschan. (S. diese. 1898.
Nr. 3.)
Verf. erinnert im Anschluss an einen Artikel von v. Stoffella an die von ihm
schon seit 1870 erprobte Anwendung subcutaner Chinininjectionen, durch welche es
ihm u. A. gelai^ — schon bei Chinindosen, die viel geringer waren (0,12—0,15)
als die vorher intern eingeführten — intermittirende Neuralgieen zu rascher Heilung^
zu bringen. Auch bei Intermittens erwies sich die subcutane Behandlung als zweck¬
mässig. Insbesondere aber gelang auf ähnliche Weise „die schnelle Coupirnng
acuter Exaltationsepisoden bei chronischen Geisteskranken.*' (Dr. Bich.
Kohn-breslau).
Das zur Injection benutzte Chinin ist Chinin, hydrochloricum, dessen besondere
Löslichkeit noch durch Zusatz von Glycerin and durch Erwärmen gesteigert werden
kann. —
Verf. warnt trotz der relativ geringen Schädlichkeit dieser Chioinlösungen vor
Anwendung zu hoher Dosen — insbesondere bei der von Baccelli angewandten
intravenösen Injection — und namentlich bei Personen mit Idiosyncrasieen gegen
das Mittel, weil hier leicht unangenehme Nebenerscheinungen möglich sind.
Paul Cohn (Berlin).
43) Ueber Thyreoldinbehandlung der Strumen, von Dr. Fr. HanszeL
(Wiener klin. Wocbenschr. 1897. Nr. 46.)
Verf. erwähnt in der Arbeit auch eine mit Basedow behaftete Patientin
(nähere Symptome sind nicht angegeben), bei welcher durch Thyreoidin, welches
Uebelkeiten hervorrief, keine, durch Thymustabletten insofern eine Besserung des
Leidens erzielt wurde, als sich Herzklopfen und Tachycardie verminderten. ObjectiT
war keine Aenderung nachweisbar, und die Fat. entzog sich nach 6 wöchentlicher
Behandlung der Beobachtung. J. Sorgo (Wien).
44) Ein Beitrag zur Tbyreoidintherspie, von Th. Hiebei. (Wiener med.
Presse. 1897. Nr. 37.)
In Verwendung kamen die Präparate der Firma Wellcome u. Bourrougha, in
steigender Dosis bis 5 Tabletten pro die. Beobachtet wurden während der Behand¬
lung ausstrahlende Schmerzen in den Extremitäten in 3—4 Anfällen täglich von je
—Vi Uinnte Dauer; einmal Angs^efübl, Herzklopfen, Pnlsacceleration, Kopf* und
■ *1 Google
285
Baüreofichmerz. Verf. berichtet Aber 4 Fälle von Obesitas und 1 Fall von Struma
bd einer H^terischen. Nach jeder Bebandlungswoche war eine Abnahme des Körper¬
gewichts um 1—1^/, hg, ein Mal sogar von 2—6 kg zu verzeichnen, ln den ersten
Wochen trat verhaltnissmässig die grösste Abnahme am Halse und Thorax ein, Ab-
doiDM) and obere Extremitäten kamen erst in zweiter Linie, während ein grösserer
Schwund des Panniculns an den unteren Extremitäten erst in den letzten Wochen
erfolgte. In dieser letzten Zeit blieben die Verhältnisse am Halse stationär, oder
erfoluen sogar eine geringe Zunahme. In dem Falle von Struma war die Verringerung
des HaLsum&nges ebenfalls auf Fettverlust zn beziehen. Die Beeindussung des
Eropftö scheint fraglich zn sein. J. Sorgo (Wien).
45) Trois OS8 d’idiotie myxoedematense traitea par ringestlon thyreoldlenne,
par Bourneville. (Arch. de Neurol. Vol. T. 2. sdrie. 1896. Nr. 1.)
Der Verf. berichtet Aber 3 Fälle von Idiotie bei Myxödem, welche durch die
Behandlung mit Schilddrüse günstig beeinflusst worden. Im ersten Fall handelt es
äch um einen 30 Jahre alten Idioten, die beiden anderen Pat waren Mädchen im
Alto^ von 20 bezw. 18 Jahren. In allen Fällen bestanden die myxödematösen Ver-
indemsgen und die Idiotie seit der frühesten Kindheit. Die Besserung wurde durch
Dvreiehung von Ho mm eis Schilddrüse in Substanz erzielt; Thyreoideaextract war
&folg. Die Dosimng bestand im Beginn der Behandlung in einem halben
lappen, später wurde ein ganzer Lappon gegeben. Besserung war bei den 3 Fat.
sowohl in körperlicher Hinsicht, als anch in Bezog auf die intellectuellen Fähigkeiten
n eonstatiren. Die Hautanschwellnngen gingen zurück, das Körpergewicht nahm
ib, die vorker subnormale Temperatur ging in die Höbe, die Trockenheit der Haut
Baebte einer profusen Scbweissabsonderung Platz, die Bewegungen wurden flinker
atagefükrt. In intellectueller Hinsicht war zn bemerken, dass die vor Einleitung
der Behandlung geist^ stampfen Pat. regsamer wurden, der Gesichtsausdruck wurde
lebhafter und verrieth Affecte, die sich vordem nie gezeigt batten. Die Auffassungs-
Shigkeit beim Unterricht nahm beträchtlich zu. Bei sämmtlichen Pat traten während
der Behandlung Zeichen von Thyreoidismus auf, bestehend in Tachycardie, Zittern,
Schwäche in den Beinen und Erregungszuständen, die ein zeitweiliges Aussetzen der
BflhaBdlnng erforderten. _______ ^ Weil (Stuttgart).
46) De la reeeotioii bilaterale du grand sympathique oervioal dans le
goitre exophtalmique, par Qerard-Harchant (Gazette des böpitaux.
1897. Nr. 74.)
Die Patientin, bei der Verf. sich zur Operation entschloss, litt seit einem Jahr
an hochgradigem Exophthalmus, dagegen waren die anderen Symptome des Morbus
BuedowÜ, besonders die des Herzens weniger auffallend. Es wnrde beiderseits die
untere Partie des oberen Cervicalganglion und ein ca. 4 cm langes Stück des Sym-
yaÜDcns abwärts davon resecirt. Ein mittleres Cervicalganglion Hess sich beiderseits
Bkht differenztren. An den Pupillen ging im Momente der Dnrchschneidung keine
ändemng vor; am äusseren Segment des rechten Bulbus traten während der
Operation kleine subconjnnctivale Blutergüsse auf. Verf. erklärt sich dieselben damit,
im nach Durchschneidnug des Sympathicus bei Beizung des oberen Endes auf dem
Umwea: über die Medulla die vasodilatatorischen Fasern des entgegengesetzten Sym-
pethicos erregt werden. Unmittelbar nach der Operation erschien der Exophthalmns
u de linken erst operirten Seite geringer, am folgenden Tage hatte er beiderseits
adiktlicb abgenommen, die früher sehr weiten Pupillen waren enger geworden. Als
die Patientin am 9. Tage das Spital verliess, war der Exophthalmus ganz ge-
erikwunden, doch erschien er noch später bei Erregungen and bei Ermüdung in ge-
nnfem Grade, ging aber stets wieder zurück. B. Hatschek (Wien).
-ir,Google
286
47) Böseotion bilaterale du grand eympatbique oerrioal, dane le goltre
exophtalmlque, par Reelaa et Fanre. (Gazette des höpitaux. 1897. Nr. 71.)
Bei einer 81jährigen Patientin, bei der seit 10 Jahren die typischen EJrschei-
nus^en eines Morb. Basedow in steter Progression bestanden, nahmen die Verff.,
durch die Schwere des Krankbeitsbildes veranlasst, endlich die SympathicusresecUon
vor. Es wurde das rechte obere Cervicalganglion abgelöst, sammt dem Strange des
Sympathicus voigexogen, letztere ca. 6 cm weit frei gemacht und — unterhalb eines
anscheinend das mittlere Ganglion bildenden Plexus — durchschnitten. In derselben
Weise erfolgte die Resection links, hier ein wenig erschwert durch vorliegende tober-
culöse DrOsen. Während der Durchschneidnog des Sympathicus wurde* weder am
Pulse, noch sonst irgend etwas besonderes wahrgenommen. Abends hatte der Puls
zwar noch seine gewöhnliche Frequenz von 160, war aber viel regelmässiger; zum
ersten Mal seit 10 Jahren war Lidschluss möglich. Am nächsten Hoigen betrug
die Pulsfrequenz nur 100—120. Am 7. Tage complette Heilung der Wunde per
primam. Im Beginn der dritten Woche ist der Exophthalmus bedeutend geringer,
der Halsnmfang von 39 auf 36 cm zurflckgegangen, der Tremor, die Schweisse,
Diarrhöen n. s. w. verschwanden: der Puls erhebt sich nicht Aber 60. Die Frau'e,
ob es eich vielleicht nur um vor&bergehende Besserung bandelt, vermögen die Verff.
nicht zu entscheiden. R. Hatschek (Wien).
48) Le traltement du goltre exophtalmique par la aeotioii ou la rdaeotion
du eympatbique oervioal, par Jabaulay. (Gazette des höpitaux. 1897.
Nr. 85.)
In 9 Fällen hat Verf. stets nach der Operation wesentliche Besserung oder
Heilung eintreten sehen, ohne dass sonst nachtheilige Wirkungen derselben zur
Beobachtung kamen, Die — auf die Rosenthal'Abadie’sche Theorie basirende —
Operation wäre für die schweren, hartnäckigen Fälle, besonders fQr die bei Frauen
mit starkem Exophthalmus zu reserviren. Die Resultate sind bei älteren Personen
besser, was Verf. durch die mit dem Alter progrediente Functionsvermindemng des
sympathischen Systems erklärlich findet. Häufig scheinen anatomische Abnormitäten
zu bestehen, z. B. zwei Stränge zwischen oberem und mittlerem Ganglion, so dass
Verf. räth, bei nngenOgendem therapeutischem Effect die Operation zu wiederholen,
um die Anomalie aufzusuchen oder um nochmals höher oben zu durcbscbneiden.
B. Hatschek (Wien).
49) Ein opezirter Basedow-Fall, von Dr. Alfred Saenger in Hamburg.
(MQnchener med. Wochenscbr. 1897. Nr. 14.)
28jährige, früher gesunde Näherin flberstand im März 1896 eine schwere In¬
fluenza, nach welcher heftige Kopf- and KOckeoschmerzen zorflckblieben und allmählich
noch Zunahmen. Ausserdem stellten sich Oemfithsverstimmung, Herzklopfen, Ne^ung
zu Schweissen, Hervortreten der Bulbi und Anschwellung des rechten Lappens der
Thyreoidea ein. Es wurde Morbus Basedowü fes^estellt und Anfang SeptemW 1895
der vergrösserte Schilddrflsenlappen exstirpirt Abgesehen von einer vorQbergehenden
Vennindemiig der Herzbeschwerden steigerten eich allmählich sämmtliche Symptome
und ffihlt sich Patientin elender, als vor der Operation. Verf. hält die Stnimectontie
für ein vorläufig noch recht gefährliches Unternehmen und möchte gern an der Hand
operirter Fälle von Horb. Basedowü die schon oft geschilderten Dauererfolge kennen
lernen. E. Asch (.Frankfurt a./ll.).
,Google
287
Wi Bagrowth of hair in myxoedema ander teeatment wiih thyroid tabloidSt
by Thos. P. Baven. (Brit. med. Joorn. 1897. July 81. S. 214.)
Ttrf. TerCffentlicbt 2 Pbotc^raphieen einer SGj&hrigen HyxödemkranlieD, vor
nd aaeh 15 monatlicher Behandlung (täglich 2 Thyreoidtabletten). Die schlagend
viitauie Terändemng der Physi(^omie der Patientin, neben der Wahmehmong, dass
du Kopfhaar vorb^fflich wiederwncbs, sind gewiss der VerOffentlichnng wertb. Es
(ä hier anf diese lUnstration anfmerksam gemacht
L. Lehmann I (Oeynhausen).
Sl) Ln traitement des melanoollques par le repos au lit, par S^rienx.
(Bavne de peychiatrie. 1897. Nr. 8.)
7efrf. vertritt mit aller Macht die Bettbehandlung bei aenten Psychosen, speciell
b« der Melancholie, und erwähnt eingehend die Vortheile dieser Behandlung. Weniger
bebnnt dürfte sein, dass nach Bayern in der Rahe weniger rothe BlutkCrperchen
ucrtOrt werden, daher von ihm bei Chlorose empfohlen, ebenso auch, dass iodirect
bei Frauen durch Ablegen des Corsetts die Dyspepsie nachlässt Schon Qurdain
hit die Bettbehandlung bei Psychosen, speciell aber bei Melancholie 1862 empfohlen,
Bsch ihm Fahret sen. Trotzdem hatte diese Methode nicht in Frankreich Wurzel
{«griffm, und erst 1888 wiesen Belle und Lernoine von Nenem auf die vortreff¬
lich« Besnltats der Bettbehandlung bei der Melancholia anxiosa hiu, später Cullere,
B«ges, Dagouet und DecbameL Yerf. ist mit Recht überzeugt, dass diese Be-
baadnog nebst dem Non-restreint-, Open-door-System und die Colonisation zu den
verthvoUston Brrnngenschaften der modernen Psychiatrie gehört. (Solchen Ansichten
T«dfD sich denn immer mehr die französischen Irrenärzte zn, und es ist sehr zu
bedanen, dass ganz kürzlich erst ein Mann wie Christian in der Socidtö m4dico-
p^chologiqoe bezüglich der Irren und des Open^door-Systems u. s. w. vorsündfluth-
ii^ Ansichten entwickelte. Bef.) Näcke (Hubertusburg).
111. Aus den Gesellschaften.
Aerstlloher Verein zu Hamburg.
Sitzung vom 4. Januar 1898.
Saenger stellt einen Fall von astbenisober Bulbärpsralyse vor.
Bne 22jährige, seit iVs Jahren verheirathete, kinderlose Fran erkrankte vor
4 Wochen angeblich nach einer Angina mit Kopfschmerzen. Es stellten sich hie
«d da Schlaekstönngen ond Doppeltsehen ein. Früher war Pat. gesnnd. Als Kind
Baehitia. Nie Lnes. Kein Alkoholismus.
Die Anamnese ergab, dass schon vor der Angina Ängenstörungen bestanden.
Die blasse Patienten hat einen schlaffen, müden Qesichtsansdrnck. Sie blinzelt
fartwährend mit den Lidern, weil die Oberlider vor Müdigkeit zofalleu, und Fat.
Hübe bat, dieselben zu heben. Des Abends fallen nach ihrer Angabe die Lider
rgaaz herunter“. Die Augäpfel können weder nach aussen, noch nach innen bewegt
Verden. Es besteht Doppeltsehen.
Iris- und Accommodationsmuskeln functioniren normal. Pupillen sind beider-
•oto gleich.
Es bestehen hie und da Schluckstörungen. Das Gaumensegel wird schwach
«hob».
Beim Sprechen wird der Mondfacialis schwach und ungleich innervirt.
Die Stimme ist schwach. Pat. bat einen trockenen Husten (keine Bronchial-,
knie Longeoaffeebon).
, Google
Pols etwas bescbleuoi^; gleichmässig.
Leichter Tremor mamnom. Hochgradige Herabsetzung der grobeo Kraft der
oberen und unteren Extremitäten. Gang ist normal. Pat. ermfidet sehr beim Gehen.
Hie und da Schwäche der Nackenmushulatur.
Des Morgens sind sämmtliche Erscheinungen weniger intensiv als des Abends,
wo es oft zu completter Ptosis kommt.
Die Sensibilität, die Befleze, das Sensorium sind intact. Es besteht weder
myasthenische, noch Entartungsreaction.
Vortr. bespricht die etwa in Frage kommenden Krankheiten, und berichtet dann
ftber einen zweiten Fall von asthenischer Bulbärparalyse, den er beobachtet bat
Es handelt sich um ein 20jähr. Mädchen, das am 26. April 1896 mit doppel¬
seitiger Ptosis erkrankte, nachdem sie im Anfang April plötzlich einmal auf der
Strasse bingefallen war. Die Untersuchung ergab: doppelseitige Ptosis und Oph-
thalmoplegia ext. totalis. Binnenmnskeln frei. Stimme leise. Häufig Schluck-
Störungen. Pulsfrequenz wechseln. Schwäche der Nackenmuskulatur und der Extre¬
mitäten. Ungleichheit des Mundfacialis, der sehr schwach innervirt wurde. Schlaffer
Gesiebtsausdruck. Albernes, kindisches Wesen.
Im weiteren Verlaufe Verschwinden und Wiederkehr der einzelnen Symptome.
Schneller Wechsel in dom Grade der ErmfldbarkeiL
Ende December 1896 Exitus letalis. Seetton nicht gestattet.
Ferner demonstrirt Sänger einen Fall von geheilter hysterischer rechts¬
seitiger Hemiplegie mit Mutismus.
Ein 26jähr. Mann war Ende November 1896 eine Treppe hinnntergestOrzt und
hatte eine rechtsseitige Lähmung mit Verlust der Sprache davon getragen. Eine
Privatunfallversicheniogsgesellscbaft, bei der der Fat. versichert war, meinte, es l^e
ein Gehirnleiden vor, in Folge dessen der Mann die Treppe berontergefallen vräre,
forderte daher den Vortr. zur Begutachtung auf. Der Hausarzt nahm eine trau¬
matische, organische Gehiroläsion an.
Der Vortr. untersuchte den seit 3 Wochen im Bette liegenden rechtsseitig ge¬
lähmten, apbasischen Patienten und constatirte eine Parese der rechten oberen und
unteren Extremität.
Die Sehnenreflexe waren beiderseits gleich lebhaft. Der rechte Abdominalreflex
war bei der ersten Untersuchung schwächer als der linke; bei Nachuntersuchungen
jedoch gleich dem linken, ebenso Cremaster- und Plantarreflex.
Rechter Mundfacialis nicht paretiseh.
Zunge wurde mühsam gerade herausgestreckt. Die Aphasie stellte sich als
Mutismus heraus. Bachen- und Conjunctivalreflex fehlten.
Der Vortr. stellte die Diagnose auf traumatische, hysterische Hemiplegie und
ordnete im Beisein des Hausarztes an, dass Fat. elektrisirt würde, wodurch rasch
die Heilung eiuträte.
Nach zwei Tagen stand Fat. auf, ging und sprach wieder.
Die nunmehrige Untersuchung ergab noch das Vorhandensein einer linksseitigen
hysterischen Amaurose. (Antorreferat).
(Schluss folgt)
Um Einsendung von Separatabdrficken an den Herausgeber wird gebeten.
Einsendungen für die Bedaction sind zu richten an Prot Dr. E. Hendel,
Berlin, NW. Schiffbanerdamm 20.
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Professor Dr. E. Mendel
n BirilD.
Jahrgang.
Xoaaäi«h enehoneB zwei Nommern. Praia des Jahrganges 24 Mark. Zn beiiehen dnreb
•De Bnebbaadlangen des In* and Aoslandee, die Foetanstalten des Deatechen Beicbe, sowie
direct TOD der Yerlagsbaohhandlang.
Nr.7.
1898.
1. April.
I. OrifiaaliiltUieiiangen. 1. Heber die Bedeotong der Cardiaea bei der Bebandlang der
Eptlepeie, von Prof. W. v. Bechlertw in St Petersburg. 2. Der Blnteobutz des verlängerten
Xarkes, von Prof. Albert Adtnhiewicz in Wien. 3. ^ne Verbindang caudaler Hirntbeile der
Tube mit dem Striatum (Tractus istbmo • striatns oder bolbo - striatnsP), von Dr. Adolf
WaUenberf in Dusig. 4. Zwei Fälle von Friedreicb’soher Ataxie, von Dr. Paul Cohn.
U. Roforate. Anatomie. 1. Les termiDaisons centrales de la racine labjrrinthiqne,
par Themas. 2. The oortical motor centree of the opossnm, didelpbya Yirginiana. by Cun>
— Experimentelle Physiologie. 3. Lea centree moteurs corticanx da cervean
bnneü , par Laiuett. 4. Deoerebrate ri^^tj and reflex ocordination of movements, by
StarrtaftM. 5. üeba Hemmung der ContractioD willkürlicher Muskeln bei elektrischer
Beixung der Grosshinirinde, von Herlnf und Sherrington. 6. De la destructiou des cellules
Berveuses par les lenoocytes ehes lee amioanx äg^, par Pugnat — Pathologiscbe Ana-
toniie. 7. Heber die feineren NerTensellenverändeningen bei magendannkranken Sänglingen,
veriioflger Bericht von SIHIer und Maaicatide* — Pathologie des Nervensystems.
A Snila velodta della corrente nervosa negli epilettici, per Rotsl. 9. A stndy upon the
disordered oonscioosness of epilepsy, by Clark. 10. A plea for a more accorate investigatioD
of epQepsy, by Clark. 11. Kote snr rinfluence de Idsions c4rdbrales snr la forme des acc^s
^emlepm prdüistante, par F4r4. 12. Alooolisme; bdmipUgie gauebe et dpilepsie consöontives.
Sdereae atrophiqae, pacbym^ningite et m4ningo • enc^balite, par Bourneville et Rellay.
IS. He ber die Beziehongen zwischen Alkoholismns and Efpilepsie, von Neumann. 14. Alkobo-
Bawa und Epilepsie in ihren wechselseitigen Beziehungen, von Wartmann. 15. Notes npon
the qubptie aura with report of some rare forms, by Clark. 16. Eqnivalenti mnsicab di
fttamn — at^chi di canto, per Sante de ^nctls. 17. Befiex epilepsy, by Harris. 18. Pre-
irtial reflex epileptifonu convalsions, witb report of a caae, by Hodgdon. 19. Zur Kenntniaa
VnHersepilepsie" hn Allgemeinen und der „senilen artenoscIerotiBcben Epilepsie" von
MmorL 20. Beitrag zum Verhalten des Respirationsapparates bei epileptischen Krämpfen,
TU Brasler. 21. Note sur nn cas de m^lanoaermie rdenrrente chez an dpileptique, par Fdrd.
& Heber das NebeDeioanderrorkommen von Epilepsie (bezw. cpileptiformen Änföllen) nnd
Hsbetee mellitus (^w. Olyeosurie), von Ebstein. 23. Haut mal witb Jacksonian epilepsy,
Ä Seitoe. _ M. Beiträge zur Pathogenese and Aetiologie des Pavor nooturnns, von Rey.
La fcosdeitä del sudore negli epilettici, per Cabitto. 26. Les rüves chez les epileptiqnes,
Nrd. —^ Therapie. 27. 11 bagno d’aria calda come mezzo terapeutico d’alcuni paros-
^ B epilettici, per Cabitto. 28. Itoneflcial eifects of the withdrawal of bromides m the
fcmMfa yu t of epilepsy, by Peterson. 29. Fyra operativt bebandlade fall af tranmatisk epi*
MSB jämte statistiBk sammanställniDg af Operationresultaten vid 97 fall af samma affection,
JS wuy- 30. Epilepevs its surgical treatment with the report of a case, by McGrew.
SA. M odern metbods oi treating epilepsy, by Sudduth. 32. Zur Opiambebandlung der Epl-
^ *' n*«b Flechsig, von Bratz. 38. Heber die Erfolge der PlecWg’schen Opinm - Brom-
iiung, von Kdlner. 34. Erfabmngen über die Behandlung der Epilepsie mit Opium-
voD Wardi.
ID. Aus din GeselUchaften. Biolcwischo Abtbeilung des ärztlichen Vereins zn Ham*
— Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. — Verein für innere
ia in Berlin.
^ VsTWischtes. III. Versammlnng mitteldeutscher Psychiater und Neurologen. —
wamderTerBammlang der südwestdeutscEen Neurologen und Irrenärzte.
V. Psrsoetliett. — VI. Bsrichtigung.
19
Google
290
I. Originalmittbeilungen.
1. TJeber die Bedentnng der Cardiaca bei der Behandlung
der Epilepsie.
Von Prof. W. v. Baohterew in Si Petersbnr^.
Nach der Yeroffenülcbung meiner ersten Beobachtungen über die An¬
wendung von Adonis vemalis und anderen Cardiaca in Combination mit Bromiden,
mit oder ohne Codeln habe ich meine Beobachtungen über die Wirkung dieser
Combination fortgesetzt und bin g^enwärtig im Stande, und zwar schon an der
Hand von bedeutendem Beobachtungsmaterial, meine in dem ersten Artikel aus¬
gesprochene Ansicht über die günstige Wirkung dieser Combination in einigen
EpilepsieanMen vollkommen zu bestätigen.^ Meine Beobachtungen fanden ge¬
wöhnlich an Personen, bei welchen die Bromsalze allein gar keine, oder nur
eine geringe Wirkung geäussert hatten, statt; wurde aber mein Bath von solchen
hSpileptikem eingebolt, welche vorher keiner Brombehandlung unterworfen g^
wesen, so verordnete ich meist versuchsweise und des Vergleiches halber erst
grosse Bromdosen und, nur nachdem ich mich über die Behandlungsresultste
mit diesen Mitteln orientirt batte, verschrieb ich die in Bede stehende Com¬
bination. Der Vergleich der Behandlungsresultate zeigte, dass in vielen Fällen
von Epilepsie dem Glemenge der Bromide mit den Cardiaca vor der gewöhn¬
lichen Therapie mit Bromiden unbedingt der Vorzug gebührt, was übrigens
auch schon von anderen, meine Empfehlung berücksichtigenden Autoren be¬
stätigt worden ist Es ist mir in einigen, sc^ sehr 8(diweren Epilepsiefallen,
wo die Therapie mit Bromiden gänzlich versagt oder nur von geringem Erfolg
gewesen, gelungen, die epileptischen Anfalle vollständig zu beseitigen und eine
dauernde Wiederherstellung zu erzielen; in anderen FäUen wurde die Zahl und
die Intensität der epileptischen Anfalle durch den Gebrauch der Mixtur wirk¬
samer als mit den Bromiden herabgesetzt; und nur in verhältnissmässig wenigen
Fällen, in welchen die Bromide keine Besserung bewirkt batten, ist es auch
mit der Combination der Bromide mit den Herzmitteln nicht gelungen, einen
merklichen Einfluss auf den Verlauf der epileptischen Anfölle auszuüben. Fälle
aber, in welchen sich die Bromide bei der Epilepsie nüizlicher erwiesen hätten
als die Mixtur, sind mir gar nicht vorgekommen.
Ich verfuge schon jetzt über einige Fälle, in welchen mit Gewissheit eine
dauernde Heilung der Epilepsie durch die in Bede stehende Combination be-
* Codeln gehOrt nicht unbedingt mit snr Mixtur; es wird mit verordnet, wenn e« gilt
deprimirte GemQtheetiinniang und allgemeiDe Beizbarkeit, welche bei Epileptikern nicht
selten sur Beobachtung gelangen, zu beseitigen.
' Keurolog. Bote 1893 und Neurolog. Centralbl. 1894.
- i., Google
291
bupt^ frerden kann, denn es sind schon mehr als 3 Jahre verfloesen, und bei
den mit der Mixtur Behandelten hat siob in dieser Zeit keine Andeutung von
«pd^ttsGben AnMen gezeigt, während doch Torher dieselben Anfälle keiner
Ikerapie gewichen waren. Zur Dlnstration des Gesagten sei folgender Fall
togeßhrt:
Pihent Q. ist 24 Jahre alt; sein Vater leidet an periodischer Psychose, und es
bei ihm Nierensteine ab. Als Kind ist G. immer gesund gewesen. Beachtens*
iwtb ist Bor, dass im Alter von 2 Jahren er eine Contosion erlitt; ausserdem ist
in 8. Lebenqahre bei gymnastischen Uebungen mit dem Kopf auf die Diele ge>
klln, ohne jedoch dabei das Bewusstsein zu verlieren. Es ist weder hereditäre
Dodi erworbene Syphilis vorhanden. Die ersten epileptischen Anfälle stellten sich
obnt äehtikheu Grund im 16. Lebensjahre ein: Sie tmgen den Charakter der ge*
vflaliebeD, kramp&rtigen, epileptischen Anfälle, begannen mit einem Schrei und
ni«a ?on vollständiger Be^nungalosigkeit ond Krämpfen begleitet. Sie traten
aast in der Nacht, mehr gegen den Morgen, zuweilen aber auch am Tage auf.
bä Freqoeaz der Anfölle war verschieden zu verschiedenen Zeiten; doch, mit Aus*
der ersten Anßlle, wiederholten sie sich im Ganzen nach 2—4 Wochen,
nwiln waren sie nur etwas häufiger oder auch seltener. Ausser solchen Krampf*
uSdra hatte der Patient noch schwache Anfälle von epileptischer Bewusstseins*
‘i’titng, wdebe der Kranke als „Nebel im Kopfe“ bezeichnete.
Oie in November 1892 vorgenommene Untersuchung des Patienten eigab eine
kcbe, dem Krankeu wie seinen Angehörigen schon lange bekannte Erhebung in der
SdietelgegeDd, Aber deren Bntwickelungszeit er aber ansser Stande war iigend welche
Ankehlflsse lu ertheiien. Gegen starke Perkussion ist. diese Stelle empfindlich,
PpB änfaeho) Druck aber nicht Ausserdem bestand bei dem Patienten eine ge*
^ Differenz in der Papillenweite. Im Uebhgen waren weiter keine objectiven
^ptooe irgend eines krankhaften Zustandes vorhanden. Die Krampfanfälle fielen
fol^de Zeiten:
1892: 28. März, 19. October, 30. October, 4. December.
1893: 10. Januar, 28. Januar, 6. April, 29. April, 15. Juni, 19. Juni, 7. Juli,
• Siptemba-, 22. September, 2. October, 19. October und 1. November.
UntOT dem Einfluss der Anfölle hatte sich schon bei dem Kranken Gedächtniss*
Kbviebe aosgebildet und da die Anfölle selber durch geistige Anstrengung frequenter
so musste der Patient den Besuch des Gymnasiums anfgeben.
Üa i^er eine anhaltende Behandlung mit Bromiden, noch mit grossen
TOD Jodkaliom und ebenso mit anderen Mitteln einen Einfluss auf die
tpilephseben Anfälle ausgeübt hatte, so wandte sich die Mutter des Fat an
tun sich über etwaige Trepanation, welche sie als ultimum refugium
'Pachtete, zu beraten. Auf meinen Vorschl^, vor der Operation es doch
»chfflals mit einer internen Behandlung zu versuchen, wollte sie in Anbetracht
Kfolglosigkeit der bisber^n Behandlung gar nicht hören, und nur mit
PMo* Mühe war sie zu überreden, es noch auf einen Versuch ankommen zu
Wb. Zuerst verordnete ich Anfang November Bromide in grossen Gaben,
W bald darauf, noch im November, stellte sich wieder ein Anfall mit der
Intensität ein. Hierauf wurde eine Mixtur aus Inf. Adon. vemal.
•A>180,0 und Kal. bromat 12,0 tägl. 6 Löffel verschrieben. Fast einen Monat
Wof, den 4. December, trat wieder ein Anfall auf, war aber schon schwächer.
^ Anbetiaeht dessen wurde das Inf. Adon. vemal. verstärkt, bis 2,6— 180,0, wobei
19*
-,Googlc
292
das Bromkalium in der früheren Dosis und ebenso die Anzahl der Gaben der
Mixtur blieben. Hiernach hatte der Pat den 23. December nur einen sehr
schwachen Anfall, darauf aber schon gar keinen mehr und auch die Anfälle
der Bewnstseinstrübung waren ganz verschwunden.
Drei Jahre Iwg, bis zum November 1896, hat der Pat die Mixtur im>
unterbrochen in derselben Zusammensetzung und Quantität eii^nommen.
Während dieser ganzen Zeit hatte der Pat keinen einzigen epileptischen Anfall
und sogar keine vorübergehende Bewusstseinstrübung und konnte wieder seine
Beschäftigungen aufnehmen und hat auch das Abiturientenexamen bestanden.
Zu erwähnen ist, dass Fat. in dieser Zeitperiode, an Scharlach erkrankt, 2 bis
3 Wochen die Mixtur nicht gebrauchte und trotzdem während dieser, übrigens
ganz günstig verlaufenden und keine üble Folge hinterlassenden Krankheit keine
Zeichen der Epilepsie wahrgenommen hat Vom November an wurde der Ge¬
brauch von Adon. vemal. ganz eingestellt und nur Brom allein weiterg^eben,
um bei dem Pat eine ruhigere Gemüthsstünmung zu unterhalten. Da bis dato
schon mehr als 3Va Jahre vollkommen anfallsfrei verflossen sind, so muss wohl
in diesem Falle eine dauernde, durch die Gombination von Adon. vemal. mit
den Bromiden erzielte Wiederherstellung zugelassen werden.
Der vorgefuhrte Fall beweist unter Anderem, dass Adon. veraaL mit Bromiden
ununterbrochen im Verlaufe vieler Jahre ausgezeichnet vertragen wird. Auf
meine Erfahrung gestützt, kuin ich bezeugen, dass trotz der äusserst lang-
dauernden Behandlung mit Adonis vemalis nebst Bromiden mir gar keine un¬
angenehmen Folgen zu Gesicht gekommen sind. Verhältnissmässig selten sah
ich nach der Verordnung von Adon. vemal. Neigung zum Durchfall auftreten,
da ich aber gewöhnlich zu der Mixtur noch Godeln als beruhigendes Mittel
gegen überflüssige Aufgeregtheit hinzufüge, so tritt die soeben erwähnte Wirkung
von Adon. vemal. gewöhnlich nicht oder nur in äusserst seltenen Ansnahme-
föllen auf. Der Codelnzusatz ruft im Gegentheil in einigen Fällen sogar Neigung
zur Obstipation hervor, welche aber gewöhnlich durch gleichzeitige Verordnung
von Tinct Bhei Dorelli oder RheumpUlen, wenn nöthig mit Aloäzusatz, leicht
hinten anzuhalten ist. Den Zusatz von Godeln zu der Mixtur ans Adon. vemaL
und den Bromiden halte ich aber durchaus nicht für gleichgfilt^, besonders in
den Fällen, wo die epileptischen Anfälle von äusserster Beizbarkeit und ge¬
drückter Stimmung b^leitet sind, welche sich nidit selten vor dem Anfalle
noch verstärken. In allen übrigen Fällen kann man zweifellos auch ohne Codeln
auskommen. Nur in Ausnahmefällen wird Inf. Adon. vem^. sogar bei gleich¬
zeitiger Verordnung des Godelns vom Magen nicht vertn^en. In solchen Fällen
gebrauche ich bei der Behandlung der Epilepsie eine Gombination von Inf.
Digitalis mit Bromiden (Inf. digit 0,5—0,75—180,0 Natr. bromat et Kal. bro-
mat ää 6,0—8,0, Codeln 0,15—0,2, täglich 4—8 Löffel voll). Ferner verschrieb
ich diese Gombination, um den Pat. einige Erholung von der sidi durch einen
bitteren Geschmack auszeichnenden Mixtur aus Adon. vemal zu gönnen. Auch
dieser Gombination muss ich auf Gmnd persönlicher Erfahrung au^ezeichncte
Eigenschaften bei der Behandlung der Epilepsie zuschreiben, ln einigen Fällen
'ig v7C(i
Google
293
war kb sogar gezwungen, ihr den Vorzug vor der ersten Combination ein>
TBnoIEKQ.
Zq bemerken ist, dass ich anfangs Besorgniss hegte in Bezug auf die
ramalitjre TVirknng von Inf. Digitalis, welche ja dem Adon. vem. al^ht In
Fcdge überzeugte ich mich aber, dass Inf. Digitalis in der oben angegebenen
Dsai Tiele Monate lang ohne j^liche Cumulation, welche wohl bei grossen
Dosea zur Beobachtung gelangt, ausgezeichnet vertragen wird. In Anbetracht
dasm jSng ich in der letzten Zeit an, auch zu der Combination von Inf. Digit
DÜ Bromiden viel häufiger als in früherer Zeit meine Zuflucht zu nehmen und
bin im Stande, aus meiner Praxis einige Fälle zu vermerken, in welchen die
MimdhiTig mit der Combination ans Adon. vemal mit Bromiden obgleich
Hiebt ganz nntzloe war, aber doch nicht die epileptischen Anfälle beseitigen
boBste, während die Anwendung von Inf. Digitalis mit Bromiden zur voll*
bflomeDen Rinstellnng der epileptischen Anfälle führte. Hieraus muss übrigens
Bidit geschlossen werden, dass der Combination aus Inf. Digitalis mit Bromiden
bd der Behandlung der Epilepsie überhaupt ein Vorzug vor der Mixtur aus
Hol vemaL mit Bromiden einzuränmen wäre. Meine Beobachtungen sprechen
in Gcgentbeil mehr zu Gunsten des Adonis vemalis, obgleich, wie ich erwähnt,
in der Praxis einzelne Fälle angetroffen werden, in welcbeo Inf. Digit in Com-
binatioQ mit Bromiden bessere Erfolge giebt, als Adonis vemalis in derselben
Ccalmhon.
MH gntem Grand ist anzunehmen, dass auch andere Herzmittel bei der
Bebodlnng der Epilepsie nicht nutzlos sein müssen, über grosse Erfahrung
}«docb verfOge ich in ^eser Hinsicht nicht Doch weiss ich, dass Tinot. convall.
ihres schwachen Einflusses wegen in hes^H^ Hinsicht keine besondere
Bachomg verdient
Was die Frage über das Wesen der Wirkung der Cardiaoa bei der Epi-
K]isie ubelangt, so ist es wohl kaum möglich, schon jetzt hierüber ein end¬
gültiges Votum abzngeben. Zweifellos ist hier der rc^^rende Einfluss der
Cknhaea anf das Herz als Hauptfactor im Auge zu behalten. Dieser Umstand
H'logt eine wesentliche Bedeutung, weil die Herztbätigkeit, wie ich beobachten
benote, bei den epileptischen Anföllen gewöhnlich äusserst beschleunigt erscheint,
^ das 8(^ dann, wenn der Anfall sich nicht durch allgemeine oder mehr
«kr weniger ausgebreitete Krämpfe äussert, sondern nur von schwachen krampf-
Infta Encheinungen begleitet ist oder sogar ganz ohne solche verläuft In
ndeien Fällen beobachtet man schon vor dem Anfall eine vom Angstgefühl
^«tete Beechleunigung der Herzschläge: und einige von den Patienten erinnern
«h der Entwickelung der HerzjÄlpitationen vor dem epileptischen Anfall.
1 b adeben F^en handelt es sich gleichsam um eiue cardiale Aura. Jedenfalls
mtiner Meinung nach die Beschleunigung der Herzschläge zu den con-
Symptomen der Epilepsie und ist aller Wahrscheinlichkeit nach nicht
^ bedeutungsli» bei der Pathogenese der Anfölle selber. Von diesem Gesichts-
Fokte ans fällt es nicht schwer, sich der Bedeutung der Oardiaca bei der
^^barnjlnng der Epilepsie klar zu werden. Hinzuzufügen ist, dass einige von
Google
294
den Epilepsiefallen, in welchen duich die besagte Combination die Anfalle toU-
ständig beseitigt wurden, letztere zweifellos mit stark ausgeprägter Beschleunigung
der Herzcontraction b^leitet waren. Selbstrerständlich ist aber durch den soeben
erörterten Einfluss auf die Herzthätigkeit die Wirkungsweise der Cardiaca bei der
Epilepsie nicht erschöpft.
Die Herzmittel, somit auch Adonis Temalis und Digitalis, wirken bekannt¬
lich gewissermaasssen harntreibend. Da wir nun Toraussetzen können, dass
einige Epilepsiefalle durch im Blute circulirende Toxine bedingt sind, so ist
wohl die Annahme zulässig, dass der günstige Einfluss der Cardiaca auf die
Epilepsie theilweise auf ihrer gleichzeitigen Wirkung auf die Hamabsonderung,
folglich auf der verstärkten Elimination unnöthiger Stofifwechselpmducte durch
die Nieren beruht.
Ferner ist bei der Erörterung der Frage über die Wirkungsweise der Gar-
diaca bei den epileptischen Anfällen ein wichtiger Umstand, nämlich ihr Einfloss
auf die vasomotorische Sphäre, auch nicht zu vergessen. Wenigstens für einige
von ihnen, wie z. B. für Adonis vemalis, ist die gefässverengemde Wirkung mit
in Betracht zu ziehen. Anderemeits ist durch die in meinem Laboratorium (von
Dr. Todobski und Dr. Bobiohpolski) ausgeführten Versuche unzweifelhaft dar-
gethan worden, dass die epileptischen Anfälle mit einem activen Zufluffi des
Blutes zum Oehim nebst Erweiterung der Gebimgefasse einhergehen. In An¬
betracht dessen wäre es möglich, die Wirkung solcher Mittel, wie Adonis ver-
nalis, durch die Verengerung der Gehimgefösse zu erklären. G^en diese
Erklärung könnte aber der Einwand erhoben werden, dass ein elektiver Einfluss
auf die Himgefösse allein für dieses Mittel noch nicht bewiesen ist, sondern
eher eine gleiche Wirkung auf alle Gefässgebiete im Körper angenommen werden
muss. Es kann deshalb wohl vorausgesetzt werden, dass die gefässverengemde
Wirkung von Adonis vemalis auf irgend eine Weise die Function bedeutender
innerer Organe (z. B. der Leber) beeinflusst und hierdurch einen günstigen Ein¬
fluss auf den Verlauf der Epilepsie ausübt, falls letztere in irgend welcher Be¬
ziehung zu der Functionsstörung dieser Organe stand.
Welche von diesen Wirkungen bei der Entscheidung der Frage über die
Bedeutung der Cardiaca bei der Epilepsie besonders in Betracht kommt, bleibt
zukünftigen Untersuchungen nachzuweisen. Zur Zeit können wir aber wohl
annehmen, dass diese Mittel bei der Epilepsie sowohl durch ihren Einflnsa auf
das Herz und den Gefässapparat, wie auch auf die Nierenabsonderung wirk¬
sam sind.
Schliesslich muss ich noch erwähnen, dass ich die oben angeführte Com¬
bination von Adonis vemalis mit Bromiden und zuweilen auch die von Digitalis
mit Bromiden, oft mit gutem Erfolg auch bei Neurasthenie und ebenso bei
anderen functionellen Störangen allgemeinen Charakters, besonders wenn letztere
von nervösen Herzpalpitationen b^leitet sind, angewendet habe.
Einzelne Fälle haben in mir die Ueberzeugung wach gerufen, daa« die
Bromide in Combination mit den Cardiaca etwas leichter als allein vertre^n zu
werden scheinen, was ich jedoch noch nicht als positiv entschieden betrachte.
...Google
295
2. Der Blntschntz des verlängerten Markes.
VoD Prof. Albert Adamklewioz in Wien.
Unter den mannigfachen Krankheitseischeinnngen, welche die syphilitiscbe
Iflfettion des R&ckenmarkes herrorbringt, giebt es eine, welche durch die Schärfe
ihRs I^des, die Constanz ihres Verlaufs und die Häufigkeit ihres Vorkommens
afiOi — In rdativ kurzer Zeit habe ich sie in ffinf congruent verlaufenden
Ulia gesehen und als eine „syphilitische Tabes“ beschrieben.^
Ihr in die Augen springendes Symptom ist die Ataxie. — Aber eine
Atixie, die mit Muskelschwäche einhergeht Daneben bestehen: Mai^l der
Sehnaphänomene, tabische Parästhesieen, Störungen in der Function der
Bed^xirgane, Int^iitat der elektrischen Erregbarkeit von Nerv und Muskel,
Intigntat des Empfindungsvermögens für objective Reize.
Sehr charakteristisch für die „syphilitische Tabes“ sind die beiden Au^;änge
<iei Ladens.
Ks giebt eine subacute Form der syphilitischen Tabes, die in eine gewöhn-
bdie, chronische, stabile Form der Tabes ausläuft mit allen dieser Tabes eigen-
thömliehen Zeichen. — Die schon erwähnte, auch hier die Ataxie begleitende
XoAdschwäche nähert diese stabile syphilitische Tabes der FmxDBmOB’scben
leeditären oder der W^TPBAL'schen combinirten Tabes.
Und es giebt eine acut verlaufende „syphilitische Tabes“, die in schwere
lihmoDgon übergeht und entweder mit dem Tode endigt, wenn sie sich selbst
öb^iaen bleibt^ oder geheilt wird, wenn man sie rechtzeitig einer antiluetischen
IHiMlimg unterwirft
leb habe in den oben erwähnten Arbeiten die genauen und ausführlichen
Bel^ fär diese Thatsachen groben.
An dieser Stelle möchte ich kurz auf ein einzelnes Phänomen im Verlauf
^ aenten Tabes aufmerksam machen, das zwar unter der Wucht der schweren
^ptome der Krankheit verschwindet, durch seine eminente allgemeine
Bedeutung aber weit über sie alle hervorragt.
Wenn die acute Form der syphilitischen Tabes aus dem Stadium der atac-
iBcko Buese in das der schweren Lähmungen öbeigeht, vollziehen sich diese
0 einer ganz bestimmten, gesetzmässig verlaufenden Weise.
Die Lähmungen b^innen an den ünterextremitäten, greifen auf die
^^In des Beckens, des Bauches, der Oberextremitäten, des Nackens und des
Baba nba und bleiben hier stehen, entweder bis der Kranke geheilt wird
dB m den Folgen der über Rumpf und Extremitäten, also fast über den
Körper verbeiteten Lähmungen, stirbt — Oder die Lähmungen springen,
‘vfadem sie alle Muskeln bis an den Kopf brach gelegt haben, auf gewisse
des Kopfes über, speciell auf die Nn. ooulomotorii, faciales, hypoglossi.
’ Die degraentiven Krankheiten des Rückenmarkes. Stuttgart 1886. — Wiener med.
18%. Nr. 4 u. 6. — Wiener med. Wochenachr. 1886.
- ,Google
296
Das Kaueu und Schlucken, die Athmung und die Herzthätig-
keit aber wird nicht gestört
Das ist eine sehr bedeutsame Thatsache.
Indem der Kranke trotz der Lähmung seines ganzen Körpers athmen
d. b. leben, und schlacken d. h. sich nähren kann, kann sich das Wrack längere
Zeit über Bord halten, und so die Natur oder die Kunst die Mittel gewinnen,
dasselbe flott zu machen und zu retten.
Unter solchen Umstanden muss es uns um so mehr interessiren, wissen*
schaftlich au&uklaren, weshalb die syphilitische Lähmung an den Muskeln des
Körpers in die Höhe kriecht, selbst auf Nerren des Gehirns öbei^ift und
dennoch den Nervenapparat des Schluckmechanismus und der Yer*
dauungsorgane, der Athembewegungen und der Blutströmung —
mit anderen Worten das verlängerte Mark — verschont, als bei
allen Formen der aufsteigenden Lähmungen analoge Wahrnehmungen
gemuht werden können.
Ich habe in einer der oben erwähnten Arbeiten dargelegt, wie die Syphilis
des Rückenmarkes, indem sie in den Rückeumarksgefässen die Endarteriitis
hervorbringt und durch dieselbe arterielle Stämmchen des Rückenmarkes verengt
oder verscÜiesst, den Blutzufluss zu den von den eigriflenen Gefasschen ver¬
sorgten Röckenmarksabschnitten stört oder imterbricht und dadurch auch die
Function der so betroffenen Rückenmarkstheile schädigt oder aufhebt.
Nun entspringt im Gegensatz zu den Lehren der Anatomie der Hauptstrum
des zum Rückenmark fliessenden Blutes nicht aus den Yertebralarterien, um in
der Richtung nach abwärts zum Conus zu fliessen, sondern, wie ich^ gefunden
habe, aus den Lumbalarterien, um umgekehrt in der Richtung nach
oben zum Halsmark zu verlaufen. Das geschieht, indem aus den Lumbal-
arterien eine mächtige Arterie, meine Art. magna spinalis, mit den vorderen
Wurzeln des Plexus ischiadicus auf die vordere Fläche des Lendentheils gelangt
und nach Abgabe eines abwärts gebenden Astes längs der Mittellinie des
Rückenmarkes nach oben fliesst.
Der mächtige Impuls der Art magna spinalis giebt dem gesammten in
dem reichen Geiassnetz der Rückenmarksobei^äche kreisenden und von seit¬
lichen Zuflüssen, meinen Artt. spinales, unterstützten Blutstrom die Directive von
unten nach oben.
Da nun, wie ich an anderer Stelle gezeigt habe, die Art magna spinalis
ihrer Grösse w^en unter allen Bückenmarksgefössen audi am leichtesten im
Blut kreisende Infectionsstoffe aufnimmt und daher unter anderem auch für die
Syphilis ein Haupteingangsthor bildet, so geht hieraus klar hervor, wie die
Endarteriitis syphilitica gerade die Art. magna spinalis zu allererst befallen und
* Adamkibwicz, Die BlotgefäsBe des meoBchUcheD Bflekenmarkes. Sitzongsber. der
k. Akad. d. Wissenseb. za Wien. 1884. Bd. IV. 1882. Bd. LXXXV. — Ich sehe mich
genöthigt, diesen meinen wissenscbaftlicbon Besitz besonders za sebfitzen, da der Yennch
gemacht worden ist. ihn mir in doloser Weise za entreissea.
- i.,Google
297
nach Qud nach in der Stromesrichtang dieses Gefässes, d. h. in auf-
steigender Bichtang am Rückenmark sich aasbreiten and in Folge dessen
dieses Organ auch in derselben Richtung angreifen and krank machen
mass.
Die Art magna spinalis and weiter oben die an diesen Hauptstamm sich
utsehliesaoide, ?on mir so genannte „Vordere Anastomosenkette", giebt, indem
sie gerade über dem Salcos des Rückenmarkes Terläoft, die von mir so genannten
riitt. solei“ ab, die in die Tiefe des Salons wie die Sprossen einer Leiter dringen,
in die yordere Commissor sich einsenken, in die beiden Aitt. solco-commissurales
äch spalten and dorch deren Vermittelung die Vorderhörner der grauen
Substanz mit Blut verso^en.
Ihraos ergiebt sich, wie die TOn einer Endarteriitis syphilitica der Art m^a
qsnalis aas gdeitete Circulationsstörang in der vorderen Anastomosenkette ausser
dem aohdeigenden Charakter noch eine zweite Eigenschaft besitzen muss, —
die, die Fnnction der grauen Vorderhörner, d. h. die der multi’
polaren Ganglienzellen und also die Muskulatur des Körpers zu
lahmen.
Weäialb die Syphilis einzelne Gehimnerren angreift, ist leicht verständlich.
Diejenigen Gehimnerren sind der syphilitischen Parese am meisten aus-
ewtzt, welche in der nächsten Nachbarschaft ^hilitisoh erkrankter Arterien
^ortaofen and daher ron den durch diese Erkrankung hervoigemfenen Gircu-
lahcoffitörongen zu leiden haben. Aber noch ein zweites Moment tritt hinzu,
welches neben der CirculationKtörung der angrenzenden Gefässe auf die Function
oaudner Gehimnerren störend wirkt, das ist der Einfluss der syphilitischen,
gunQceen Exsudationen aus den kranken Arterien.
Bekanntlich finden letztere besonders dort statt, wo die Gefässe durch
iookere Gewebe odergar Lymphräume rerlaufen. Im Gehirn bilden die sub-
onrimoidealen Höhlen solche Räume, ln ihnen findet daher auch mit Vorliebe
die kxsudation der ^hilitischen Gallertmassen statt. Daher werden auch die-
Gehimnerren ron der Syphilis rorzngsweise ergriffen, welche am Circulus
adeiioeas (N. oculomotorios), an der Art. basilaris (N. abducens, N. facialis) oder
den Vertebralarterien (N. hypoglossus) rerlaufen.
Wenn der Gang der ^hilitischen Lähmui^ des Rückenmarkes ron den
Geseteo des spinalen Kreislaufs beherrscht wird, wenn der Antheil, den das
^^ohim an der Syphilis nimmt, gleichfalls mit der Vertheilung und dem Ver-
^ der Qefisse des Gehirns in Zusammenhang steht, dann lässt sich rermuthen,
d» der relative Schutz, den das verlängerte Mark gegen die Syphilis findet,
ebeofiiUs in speciellen Einrichtungen ihren Grund haben wird, welche im rer-
lägerteQ Mark die Gefässe besitzen. Und es sich, ob diese Veimuthung
mtriffL
Darauf m^en folgende Thatsachen antworten:
Injicue ich das Rückenmark ron der Art m^na spinalis aus, so schiesst
dio Injectionsmasse züngelnd am ganzen Rückenmark in die Höhe,
‘■balich wie die Flamme an der Zündschour eines Feuerwerkskörpers.
Dig g/od c/ Google
298
An der vorderen Bäckenmarksflädie gelangt sie hoch hinauf bis zum
Halsmark und zwar bis an diejenige Stelle desselben, wo die beiden Vertebrat
arterien die Dura mater durchbrechen, wo also die Pyramiden ihren Anfang
nehmen und das erste Gerricalnervenpaar entspringt ffier endet die vordere
Anastomoeenkette mit der ersten Art sulci, die den grauen Vorder-
hörnern des ersten Gervicalnervenpaares ihr Blut zuführt
Wie die vordere, so kann auch die hintere Bückenmarksoberfläche
von der Art mi^a spinalis aus ipjicirt werden. An dieser Flache gelangt die
Injectionsmasse bis scharf an die Grenze des vierten Ventrikels. Ueber
diese Grenze hinaus dringt, falls man zur Injection eine aus Glaserkitt bereitete
oonsistentere Masse verwendet, dieselbe auch nicht um Ein Millimeter in das
verlängerte Mark ein.
Injicire ich umgekehrt von der Art basilaris in der Bichtung nach unten,
so dringt die Injectionsmasse durch die Artt. vertebro-cerebellaree in das Klein-
him, aber ebenfalls nicht in das verlängerte Mark.
Es ist damit bewiesen, dass sich die groben Wellen des sichtbaren
cerebralen, wie spinalen Blutstromes an den Grenzen des ver¬
längerten Markes brechen, dass also das verlängerte Mark that-
sächlich gegen den directen Anprall der Wellen dieser beiden
Hauptströme geschützt ist
Wie wird nun das verlängerte Mark mit Blut verso^ und wie hält diese
Blutversorgung die Isolirung des verlängerten Markes von den Strömen der
beiden Hauptblutbahnen — des der Art basilaris und des der Art magna
^inalis — aufrecht?
Darüber habe ich folgendes feststellen können:
Es giebt für das verlängerte Mark keine anderen gröberen Zuflüsse, als die
beiden Gegeben, weldie direct unter dem Delta der beiden Vertebralarterien
ai^ deren inneren Seiten entspringen und über dem unteren Abschnitt der
beiden Pyramiden zusammenfliessen.
Das sind die Artt vertebro-spinales anteriores, wie ich sie
nenne. Die Anatomie nannte sie früher in der irrigen Meinung, dass diese
Gefasschen längs des ganzen Rückenmarkes bis zum Conus verliefen und das
ganze Rückenmark mit Blut versoigten, die „Artt spinales*^.
Thatsächlich enden diese Arterien schon an der unteren Grenze
der Pyramiden, dort, wo die vordere Anastomosenkette nach oben zu — in
der Höhe des ersten Gervicalnervenpaares — anfhört
Wenn nun die Injection der Art basilaris nach abwärts ansreicht, diese
Stämmchen zu füllen, aber nicht genügt, die Medulla oblongata selbst zu inji*
oiren; so musste, sagte ich mir, die Injectionsmasse beim Debertritt aus den
Vertebro-spinales in das verlängerte Mark sehr grossen Widerständen be¬
gegnen.
Diese zu überwinden, würde eine gesteigerte Injecüonskraft erforderiL. Da
aber die Starke, mit welcher injioirt werden kann, an der Brüchigkeit cada
veröser Ge&sse ihre ganz bestimmte Grenze findet, so steigerte ich den ge-
Googl
C
299
gebeneD Drock für das Injectionsgebiet dadurch, dass ich nur die Artt.
mtehnH^BDales liess, alle anderen Gefasse aber, die yod der Artt. rerte-
iinks aoagiiigen, unterband, und so von der Art. basilaria den zwar b^renzten,
aber rollen Druck der Injection auf die Artt vertebro-spinales wirken Hess.
Auf diese Weise steigerte ich den gegebenen und nicht veränderlichen
injectionedmek nur relativ und zwar nur fär das zu injioirende Stromgebiet
Nun drang Canninledm thatsachlich in das Innere des verlängerten Markes
90 ond lehrte die wunderbare Einrichtung der Gefässversorgung in diesem so
>ichtigeD Organ keimen, wie ich sie in meiner Arbeit über diesen Gegenstand
goaoer dargelegt und in den Denkschriften d^ kaiserl Akademie der Wissen*
idaften zu Wien veröffentlicht habe.^
Ililt schon der ausserordentlich grosse Unterschied in der Weite der
litt, rertebro^pinales gegen ihre nächsten Stämme, die Artt vertebrales, schwer
in’iGewidit, um for den Eintritt des Blutes aus den weiten Yertebralarterien
du Stromgebiet der MeduUa s(^. „Uebergangswiderstände“ zu schaffen, so
iß die Art und die Vertbeilung der Gefasse innerhalb der Medolla noch ganz
geeignet, den Anprall der vertebro - spinalen Welle noch einmal zu
breeben, bevor sie in das Gebiet des Point vital eintritt.
Wäbteud es eine B^l ist, wie ich gefunden habe, dass dar arterielle
ZofloBs zum Rückenmark mit der Mächtigkeit des zu versorgenden
Singlienlsgers wächst und daher von um so grösseren Arterien besorgt
je mehr das Bflokenmark an Volumen zunimmt, emandpirt sich die
kdalla von diesem Gesetz, dem sie sich im Princip doch nicht entziehen
hfiB, durch einen, wenn ich so sagen darf, sinnreichen mechanischen
Kaustgriff.
Nich der Zahl und der Bedeutung ihrer Ganglien sollte das verlängerte
Hak Zuflüsse besitzeD, die die grössten spinalen Arterien, also selbst die Art
lafos, an Umfang übertreffen müssten. Und doch ist das nicht der
^alL Bb wird vielmehr das Bedürhiiss des verlängerten Markes an Blut nicht
einzelne Gewisse von grossem Caliber, sondern durch eine grosse
Zibl TOD Gefässchen kleinsten Calibers be&iedigt Was die Natur am
käekenmark durch die Stärke derGefässe, erzielt sie am verlängerten
Hirk doicb die Zahl der Gefässchen.
Ws das im Speciellen geschieht zn schildern, mustf ich mir für meine
^aiftlirlicbe Arbeit aufsparen.
Hier beschränke ich mich darauf festznstellen, dass die doppelte Wellen-
breebuQg, welche der Blutstrom erfährt, indem er aus den starken Artt ver*
in die feinen Artt vertebro*spinales nnd ans den letzteren sofort in
'ipillareu Antritt, nicht nur wie eine Doppelsobleuse, senden gleichzeitig
^ wie cdn Doppelsieb wirkt Während letzteres das geweihte und heikle
da* wi^tigsten Nervenoentren vor den zahllosen Feinden möglichst b^
' Die Arterien des TeriAngerten Markes vom Uebergang bis zur Brttoke. Denkschriften
^ l Akad. d. Wiaseosch. zn Wien. Bd. LVII. 1888.
,Google
300
hütet, welche auf der allgememen Strumbahn frei verkehren, schützt jene das¬
selbe Gebiet vor den heftigen Wellenbew^ungen und Dniokschwankungen des
allgememen Blutstromes, die an allen C^n des Körpers leichter vertragen
werden, als gerade dort, wo — wie im verlängerten Mark — für die Erhaltung
eines Gleichmaasses der wichtigsten nervösen Functionen des
Körpers eine möglichst grosse Gleichförmigkeit und Buhe des
physiologischen Zustandes, und also vor Allem des Blutstromes
eine unabweisbare Bedingung darstellt
3, Eine Verbindung caudaler Himtheile der Taube mit dem
Striatum (Tractus isthmo^striatus oder bulbo-striatus?).
Von Dr. Adolf WsUenberg in Danzig.
Bei meinen Versuchen, das Ganglion isthmi der Taube zu zerstören, bin
ich mehrfach mit der Nadel in centrale Tbeile des Isthmus gerathen und habe
daselbst in verschiedenen Höhen von der caudalen Mittelhimgrenze bis in die
Quintusr^on hinein Läsionen verursacht, deren Folgen ich mit Maacbi näher
studiren konnte. Bei dieser Gelegenheit habe ich constant eine Gruppe von
Fasern aus dem Isthmus in das Vorderhim verfolgt. In der Höhe des Trochlearis-
kemes (Fig. 1) li^ der rundliche Querschnitt (a) dieses Bündels ziemlich gidch
weit entfernt von der Baphe, vom lateralen und ventralen Isthmusrande sowie
von der ventralen Grenze des centralen Höhlengraues. Am proximalen Pule
des Trochleariskernes und des Ganglion isthmi (Fig. 2) beginnt &ne partielle
Kreuzung seiner Fasern zum gegenüberliegenden identischen Tractns (Figg. 2
und da'). Während seines Verlaufes durch das Mittelhim nähert sich Hag
Bändel in ventromedialer Bicbtung der dorsolateralen Grenze der Infundibolar-
wand, li^t in der Höhe des Ganglion ectomammillare (EniKOEn) diesem dorsal
auf, nur durch eine schmale Schicht von ihm getrennt (Fig. 4) und bildet von
■' 'Google
301
^ ab den Tentromedialen Abschnitt des Traetns strio^tbalamicos ventralis
(Fig. 5). Mit diesem zieht es frontalwärts, bleibt aber proximal von der vorderen
Commasor, irähTend die anderen Fasern dorsolateralwärts zum Putamen ßcher-
förmig anstrahlen, bis in frontale Theile des Yorderhims als Längsbündel im
des Fächers sichtbar (Fig. 6). Erst hinter der caudalen Grenze des
Belbos ol&ctorios tritt in lateraler und dorsaler Richtung eine Auflösung des
ßondds ein (Fig. 7). Seine Fasern verzweigen sich am ventralen Striatumrande
!^tra mittleres Drittel), sowie in den anstossenden ventralen Tbeilen des proxi-
ffiahten Lmsenkernabscbnittes (Fig. 8).
Dig'|i7cd oy Google
302
Im Hinblick anf die von Tbobbbhak^ bei der Katze gehmdenen Hinter-
strangkem-Linsenkem&sem dürfte die Thatsache interessiren, das bei der Taube
eine Bahn vom Isthmus zu frontalen Theilen des Striatum existirt, die sich
caudal vom Mittelhim theilweise kreuzt Da ich bisher nicht enteobeiden kann,
ob die Fasern in caudalen Isthmusr^onen entspringen oder ihren Ursprung
in der Meduila oblongata besitzen, muss ich mir die Benennung des Bündels
(Tractus isthmo-striatus oder bulbo-striatus) noch Vorbehalten.
[Aus der Prof. MsNDEL’schen Klinik.]
4, Zwei Fälle von Friedreich’scher Ataxie.®
Von Dt. Faul Oohn, Assistenten der Poliklinik.
Die Fälle, zwei Brüder, sind am 22. Januar 1898 in die Prof. MENDKc'sche
Klinik anfgenommen worden. Der ältere ist der jüngere fast 11 Jahre alt.
Bezüglich der Familie liess sich emiren, dass die Grossmntter väterlicherseits
an „Beissen" leidet und dass ihr das „Wasser ablänft“(?); die Grossmntter mfltter-
licberseits leidet an Beissen in einer Schulter, zeigt objectiv — ausser einer geringen
Pupillendifferenz — nichts besonderes. Die filtern sind nicht’ blntverwandt, auch
besteht zwischen ihnen keine erhebliche Altersdifferenz. Die Matter der Pat. ist
völlig gesund.
Der Vater trinkt ziemlich stark; er klagt über Beissen im linken Arm,
hat objectiv keine nennenswerthen Besonderheften. Eine ältere Schwester der Knaben,
14 Jahre alt, ist noch nicht menstmirt, will häufig Kopf* und KreuzBchmeraen
haben, fiin jüngeres Kind, Bruder, 4 Jahre alt, soll, wie die Hutter seit etwa drei
Monaten bemerkt hat, zuweilen im Schlafe mit den Armen zucken.
Nervöse oder geistige Erkrankungen sind in der Familie sonst, soweit bekannt,
weder in anfeteigender*, noch in Seitenlinien vorgekommen. —
Die gemeinschaftliche Anamnese der Knaben ist kurz folgende:
* Aufm Tbohxbiuk, Notiz betreffs des Bindenfeldes der Hinterstrangbahnen. Nenrolog.
Centralbl. 1898. S. 159.
* Nach einem in der Berliner Qesellsohaft für Pejchiatrie nnd Nervenkrankheiten am
14. Harz 1898 gehaltenen Vortrage.
‘ Es wird dies deshalb besonders bemerkt, weil von mancher Seite dieser Factor bei
der „ererbten“ Dispoeition zo der in Frage stehenden Krankheit mit in Bechnung gebracht
worden ist.
. Google
303
Sie sind nonnsl mr Welt gekommen and beide bis zn 1^/, Jahren von der
Mutter — die nach 9 Monaten wieder zu menstmiren begann nnd auch w&hrend
der jeweiligen Menstmation stillte — em&hrt worden. Sie haben sich beide normal
entwickelt» zur rechten Zeit lanfmi nnd sprechen gelernt nnd niemals Erftmpfe gehabt.
IWaeaä der ältere schon mit 1 Jahr sauber war» soll der jflngere noch bis zum
ö. L^nsjahre ins Bett nrinirt haben. Beide haben in den ersten Lebmiqabren viel
an (serophnlösen) BrflsensehwellaDgen gelitten» dem jüngeren wurde noch im ver¬
gangenen Jahre eine „vereiterte Drüse" am linken Ohre geüfhet; auch soU letzterer
bis zum 6. Lebensjahre starke Hand- nnd Enüchelgelenke, sowie „0-Beine" gehabt
haben.
Beide haben, der ältere mit S^j^, der jüi^re mit 3 Jahren, Scharlach
dnrebgemaeht; der ernte hatte 1 Jahr vorher auch Masern.
Die Eraeheinnngen non, welche die Mutter bei dem älteren Knaben schon im
5. Lebensjahre, bei dem jüngeren im 6. zu bemerken begann, waren im Wesentlidhen
die gleichen. Das erste, was anffiel, war eine Yerschlechternng des Gehens.
Der Gang wurde zuerst unsicher, dann wankend, schwankend, taumelnd; die Knaben
fielen öfter hin.
Dazu geeellte sich eine Unsicherheit der Hände. Die Bew^nngen derselben
wordor ungeschickt, zitternd; beim an den Mund führen von Speisen bemerkte man
hin und herfahrende Bewegungen, der Inhalt von Gläsern nnd Tellern wurde ge-
kgentlich verschüttet
Das Leiden hat in allmählichem Fortschritt bis zum heutigen Tage langsam
ngenommen.
Erbrechen nnd Kopfechmerz ist nicht dagewesen; indessen gaben die Knaben
(auf Befragen) an, dass sie zuweilen früher Schwindel empfanden hätten.
Schmerzen traten niemals auf; ebenso wenig eine Störung der Stuhl- oder Harnent¬
leerung. Doppeltsehen wurde nie bemerkt Auch Verschlucken beim Essen kam nicht
vor. Der Appetit war gut, der Schlaf de^leichen.
In der Schule sind die Knaben nur schwer for^ekommen, besonders machte
ihnen das Bechnen Schwierigkeiten. Eine Abnahme oder mangelnde Entwickelung
der Verstandeskräfte ist von nahestehender Seite aber nicht beobachtet worden. —
In letzter Zeit wurde bemerkt, dass die Fat, besonders der ältere, häufig — auch
ohne eraiehtliehe Ursache — lachen. —
Es folge zunächst die Beschreibung des älteren Knaben, Willy 8., jetzt
13V] J&hre alt (Ans seiner persönlichen Anamnese ist noch hervorznheben, dass
er sieh in seinem 6. Lebensjahre in Folge eines Falles eine Verletzung des linken
Beines znzog, welche zu einer zunehmenden Schwellung in der G^end des linken
Kniegeloiks führte. Dieselbe wurde Jahre lang verschiedentlich erfolglos behandelt.
Das Gelenk nahm langsam Beugestellnng an nnd konnte nur noch in mäss^er Ex-
corsion im Sinne der Beugung bewegt werden. Vor 1*/, Jahren wurde chirutgischer-
snts eine gewaltsame Streckni^ des Beins vorgenommen, und das Bein ca. 8 Wochen
lang im Gypsverband gehalten. Das Bein ist seitdem in Strecklage unbew^lich,
Pat hat seit Jahren das Zimmer nicht mehr verlassen nnd sich fast stets in
idtaender oder liegender Stellung — besonders auch viel im Bett — gehalten. Es
handelte sich bei der Erkrankung, wie der Augenschein auch jetzt lehrt, um einen
Fungus genn).
In Folge des dauernden Zimmeraufenthaltes hat sich bei dem Pat. eine etwas
dqnriffiirte, weinerliche Gemütbsstimmnng ansgebildet. —
Fall I. Pai, der in sitzender Stellung verharrt, ist ein für sein Alter etwas
kleiner, blasser, schwächlicher, unserer Knabe. Der Gesichtsausdruck hat etwas Tristes.
Der Kopf ist im Verhältniss zum Gesicht ziemlich gross, rund; auUallend ist
die Kleinheit des Unterkiefers.
ig i'/od c/ Google
B04
Die Ohrläppchen sind angewachsen, der innere Helix sehr tief. Beklopfen des
Kopfes ist nirgends schmerzhaft.
Han bemerkt bald eigenthfimliche, leichte, zuckende Bewegungen am Kopfe,
meist kurze, altemirende Drehbewegungen in vorwiegend horizontaler Richtung. Der
Sitz derselben sind, wie Augenschein und directes Befohlen ze^n, zum Theil sicher
die Mm. stemocleidomastoidei.
Die Zähne sind rhachitisch gekerbt, Gaumen*, Bachenbew^ngen, Bachenreflex
in Ordnung. Die Zange wird gerade berausgeetreckt, zeigt aber bei im wesentlichen
erhaltener Längsachse fast stet^ ziemlich grobe, nnruh^^e, zuckende Bew^^gen;
zugleich mit diesen treten deutliche (lÜt)Bewegungen im Facialis um den Mund
hemm auf (von denen sich in der Ruhe nur schwache Andeutungen zeigen).
Die PrOfung der Himnerven ei^ebt sonst bis auf den eben zu erwähnenden
Njstagmus nichts Abnormes; die etwas Ober mittelweiten Pupillen reagiren gut, der
Angei^mnd ist normal.
In der Buhe ist an den Augäpfeln nichts von abnormer Bewegung wahrzunehmen:
dag^en treten bei stark seitlicher Blickrichtung, beim Fixiren eines seitlich gehal*
tenen G^enstandes, bei schnellem VorbeifObren eines solchen, deutliche — wenngleich
nicht sehr grosse — oscillirende Bewegungen der Augäpfel auf.'
Am Rumpfe und den Annen ist die DOrftigkeit der Muskulatur au^allend. Die
grobe Kraft der Muskeln ist ihrem Aussehen entsprechend gering. Beim Vorstrecken
der Arme tritt starkes Schwanken derselben ein; die gespreizten Finger zeigen eigen*
artige an Athetose erinnernde Bewegungen.
Beim Greifen nach einem vorgehaltenen Gegenstände werden die atactischen
Bewegungen der Arme sehr deutlich (links anscheinend etwas stärker als rechts);
Augenschloss verstärkt sie in nur geringem Grade.
Ausserordentlich erschwert sind complicirtere Bewegungen, wie z. B. KnOpfen.
Anch das Schreiben geschieht nur sehr mOhsam, unter Anstrengung; die Schrift
ist ungleichmässig und zittrig.
Nimmt man mit den Endgliedern der Finger passive Bewegungen — auch solche
von nicht ganz geringer Excursion — vor, so zeigt sich, dass die Richtung derselben
(anscheinend links häufiger als rechts) oft falsch angegeben wird.
Der Tricepsrefiex — es sei aus^flcklich darauf hingewiesen — ist vorhanden.
Der Brustkorb des Pat ist asymmetrisch; die linke Brusthälfte tritt — wie
bei Betrachtung von oben her besonders deutlich wird — merklich mehr hervor, als
die fiacbere rechte. Die Wirbelsäule, an der eine Skoliose nicht sichtbar ist, ist
nii^ends druckempfindlich.
Die Betrachtnng des Unterkörpers in der Bettlage ei^iebt ein Tieferstehen der
linken Beckenhälfte mit dadurch bedingter scheinbarer Yerlängerang des linken Beins.
Die Beine werden mässig innen rotirt gehalten, die Fflsse stehen im Ganzen in
SpitzfoBsstellung. Am linken Kni^elenke* ftllt eine onfOrmige Schwellung anf; die
Haut Ober dem Gelenke ist etwas wärmer als anf der andern Seite. Das Qelenl
zeigt sich völlig steif. Geringste Bewegungsversuche an demselben werden sehi
sebmerzbaft empfunden.
Die Haskulatur der Beine, namentlich der Unterschenkel, Ist sehr dürftig; be^
sonders der linke Unterschenkel ist sehr mager. Die grobe Kraft ist nach dem eher
Gesagten nur rechts zu prüfen und hier, entsprechend dem Aussehen der Mnskelt
gering.
Prüft man das rechte Bein auf Ataxie, so ei^eben sich schon beim Yersnehe
es gestreckt zn erheben, stark aosfabrende Bewegui^en desselben; es besteht dabei eini
' Stadsohe und looomotoriMheCoordinatioDsstörong der Augenmuskeln.
’ cf. oben Vorbemerkung. — BezflgUch dee ganzen Zustandes der Muskulatur an dei
UutereztremitatcQ ist wohl die lange Inactivität derselben in BQebicht zu ziehen.
:yGOOglC
805
Nai;8iig de« Beins, nteh links Mnfiber zu sinken. Der Knie-Hackenversach macht
die Ataxie gl^Mslls sehr an^n^ig, namentlich bei Ai^nschlass.
Das Bern zeigt aosserdem eine ausserordentliche Flexibilität; Fat kann dasselbe
w lockt BBt Hftlfe der Hand soweit nach hinten bringen, dass der rechte Fnss
Qif ia Kecken li^t. Stehen ond Oeben (ohne Sthtzapparat und gleichzeitiges An>
talten) «t SOS den erwähnten Qrflndeo unmöglich.
Die (d oben) im wesentlichen in Spitzfussstellong gehaltenen F fiese ze^en
«taa aAz tiefe Excaratio plantaris ndt entsprechender verstärkter Krfimmung des
FtatrfideBB. Die Zehen sind deutlich hyperextendirt, besondere die grosse; die
Hilhmehae springt stark vor.
B« PrfifuBg des Lag^ffihls an den Zehen ergeben sieh ähnliche unrichtige
Angibea, wie bei den Fingern erwähnt
Der Patellarreflex (links ist er nicht zu prflfen) fehlt; die Achillessehnen'
rtaau desgleichen. Die Hautreflexe sind lebhaft
Du TertttHai) der Sensibilität ist (bis auf die genannten StOmngen des
latagMhls) am ganzen EOrper normal Die elektrische Erregbarkeit zeigt keine
TnisAerengen.
Wu endlich die inneren Organe anlangt, eo ergiebt sich als wesentlich eine
SekaUferkfiramg und Schallabschwäehnng Aber der rechten Lungenspitze mit ver*
k^iitni Exspirinm und inconstantem Qiemen.
BHO fiberall abgeschwäcbtes Athmen.
Am Herzen bOrt man Aber der Pulmonalis — Aber der Aorta weniger — ein
ifddiich« hanebendes Geräusch; keine Verstärkung der zweiten TOne.
Pols wMch, mittelToU, 100 p. Minute.
Oerioge, al^m^e DrAsenschwellongen. — Urin &ei. — Gewicht 45,100 Pfund.
Die Intelligenz lässt keine Störung erkennen.^ Die Sprache ist etwas langsam
ita nyieifhmimrig. —
BesfigUch des zweiten Bruders, Rudolf S., kOnnen wir uns kfirzer fassen, da
ff ia Weeotlicben nur die Symptome des älteren in abgeschwächter Form wiederholt
Pall IL Pat ist 11 Jahre alt und ganz gnt entwickelt; munterer Gesichts*
iMtawi, gerandm Gesichtsfute. Stetige, ungleiche, abwechselnde Bewegungen des
Kopte — der immer wenig vomfiber gehalten wird — in vorwiegend horizontaler
kffbtaag; fortwährende leichte Verziehungen and Zockungen der mimischen Mosku-
btar, kild hier, bald da, besonders auch im Gebiete des Frontalis.
Ooiuger Njstagmus beim seitlichen Pixiren.
PipflliD normal wmt, rechte ein wenig grosser als linke; Beaction o. B. —
rechts */,, links ophthalmoskopisch erhebliche Abblassung bei*
^«r Sehnerven. Geeichtsfeld links ffir alle Farben leicht eingeengt
Zockende Bewegungen der herausgeetreckten Zunge. — Unskulatur am EOrper
ftai gut entwickelt, nirgends Atropfaieen. Grobe Eraft genfigend.
Ckomähalidie znekends Bewegoagen an Scfanltem, Armen ^ (Fingern), Beinen.
DeoÜiche statische ond locomotorische Ataxie an Armen und Beinen,
^teken unruhig; meist mit etwas gespreizten Beinen, vomAbergehaltenem Eopfe, oft
IA mut Tendenz zur Schiefhaltung des ganzen EOrpers nach links* (keine
* Am Unken Arm besteht in der Gegend des linken Condjlos ext hnineri eine
terkcM TorwAlbung, die Folge Mnes daselbst vor 4 Jahren dnreb Fall von einer Schaukel
B^taessn Bructaea.
* Is ist dieM jetzt vtHhandeue Tendenz so einer einseitigen EOrperhaltung mit ihren
^ B^eie 0«w<^aheU entstehenden Consequeusen viellmidit f&r die Entstehung einer
^ «päter atvra entwickelnden Scoliose (wie sie bei der Erankbeit häufig ist) nicht ohne
tadagiMtes ua4 mOgUeherweise auch therapeutisches Interesse.
SO
Google
306
Scolioee); dabei anaser den schon in der Bnhelage Torbandenen — jetzt etwas wer-
stärkten — verschiedenen Zncknngen noch grössere eqoUibrirende Bewegangen
wechselnder Richtung am Rumpfe, an den Armen, an den Beinen. Unstetes Spielen
der Fussstrecker. Zunahme der balancirenden Bewegui^en im Yerhältnias, in dem
die Ffisse einander genähert werden (die Bäsis sich verkleinert). Bei Aneinander¬
stellen der F&sse Stehen mit offenen Augen kaum Secuuden lang möglich, bei
Augenscbluss unmöglich. Gang unsicher, wankend, taumelnd, von der geraden Linie
bald rechts, bald links (zuweilen auch länger plump nach ein und derselben Seite)
abweichend, dem eines Trunkenen ähnlich. Dabei zuweilen Ueberkrenzen der Beine.
Der linke Fnss wird auffallend einwärts aufgesetzt
Langsames Gehen anscheinend schwerer als schnelles (hier mehr eine Art Yom-
ftberfallen des Körpers).
Ad den Füssen Ezcavatio plantaris sehr ausgesprochen, Neigung zu daaemder
Hypereztension der grossen Zehen; an den Zehen leichte Störungen des Lagegefühls.
Patellar- und Achillessehnenrefleze fehlen. (Tricepsreflez vorhanden.)
Hautrefleze vorhanden. Sensibilität (cf. Zehen) normal. Elektrische Erregbarkeit
normal. Systolisches Hauchen an der Herzspitze; verstärkter II. Ton. Puls 104,
mittelvoll. — Geringe (Cervical- und Inguinal-) Drüsenschwellungea. — Urin frei.
— Gewicht 51,100 Pfund. — Intell^nz gut Sprache langsam, zeigt angedeotet
skandirenden Charakter. —
Ueberblicken wir kurz die beiden Fälle, so haben wir es also mit einer in
der Kindheit entstandenen Krankheit zu thnn, welche bei zwei Geschwistern
auftritt, deutlich progreesive Tendenz hat und folgende Haupteymptome zedgt:
1. (Statische und looomotorische) Ataxie.
2. Fehlen der Patellar- (und Achillessehnen-) Reflexe.
3. Intacte (Haut-) Sensibilität, doch Störungen des Lagegefühls.
4. Intacten Blasen- und Mastdarmreflex.
5. Nystagmus. — Geringe Sprachstörungen.
6. Fbibdbbiob’ sehen Fuss (im einen Falle sehr ausgesprochen, im andere
angedeutet).
Dazu kommt im zweiten Falle 7. Opticusatrophie (im ersten ComplioatioD
mit einem chronischen destructiven Process in der Lui^).
Im Vordergründe des Erankheitsbildes steht die Ataxie. — Bei emem so
ausgesprochenen Befunde wie dem unsrigen dürfte die Diagnose kaum Schwierig¬
keiten bereiten; doch mögen die wenigen Erkrankungen, welche überhaupt
differentialdiagnostisch in I^age kommen, hier nachstehend einzeln ausgesohaltet
werden. G^^en einen Theü derselben könnte man schon von vornherein das
Auftreten bei zwei Geschwistern als sehr mitentscheidend in’s Feld führen;
indessen möchte der — immerhin gezwungene — Einwand hingehen, dass es
sich ja um ein zuföUiges Zusammentreffen handeln könnte, oder zweitens — was
sich eher hören liesse — dass die hereditäre Disposition, welche dem Symptom-
complex der FniEnBBicE’schen Krankheit zur Grundig dient, auch die Basis
für jene anderen nervösen Erkrankungen (z. B. infantile Tabes) abgeben könnte.
Es bleiben auch dann ausreichend differentialdiagnostisohe Kriterien, um
die Auffassung unserer Fälle als solcher von FniEDBEiOH'scher Ataxie zu 8i<dienL
Krankheiten wie Chorea infantilis — die zuckenden Bew^fungen wären
Dig :vod
Google
307
dis aozige Symptom, welches daran erinnert — können nicht wohl in Frage
knmiiwm.
Es bleiben etwa übrig:
1. Multiple Sclerose; — leitet sich nicht mit Ataxie ein, der Tremor
st mit der Ataxie unserer Fälle nicht zn Terwechselu, die Reflexe sind meist
gotegert.
2. Tabes; — (abgesehen vom Alter) entscheidet die Ansdehnimg der Ataxie
(hierBompf), die Art des Ganges (der hier tabetisch nnd cerebeliar), der
Maogel an Sensibilitätsstörungen, an Pupillensjmptomen, die Intactheit der
Bliseo- und Mastdarmfnnction.
3. Hereditäre Lues; — auch wenn die Anamnese nidit das Fehlen der
Lote be den Eltern ergeben würde, würde der Verlauf unserer Fälle (langsam
hdiclimteDd, kein Remittiren), das Kicht-Auftreten von Anfällen, der Mangel
u degenerativen Lähmungserscheinungen genügen.
4. Ataktische Faraplegie (Gowebs); — das jugendliche Alter der Fat,
da Mlen der Fatellarreflexe sind zur Widerlegung hinreichend.
5. Eieinhirntumor; — der Mangel an Eopfejmptomen, das Mitbetheiligt-
w der Arme hier spricht d^^n.
6. nHdrddoataxie cöröbelleuse“ (durch F. Marie als selbständige Form
'VS der FBiSDSEiCH’schen Ataxie al^eschieden); es genügt die Angabe, dass
dieR bkrankung viel später auftritt, dass die Sehnenreflexe normal oder ge-
dsgert sind, daas der Muskelsinn ungestört ist. Niemals wurde auch der
FoDaEica’sche Fuss beobachtet
Ke Frage, ob und inwieweit Entwickelungshemmungen des Kleinhirns
BQdff von FmBDBEiCB’soher Krankheit erzeugen können, scheint uns noch
okbt genügend geklärt, um „füri^ oder „gegen“ mit herangezogen zu werden,
iach Vermuthungen darüber anzustellen, wie etwa genau in unserem Falle
P^tb(dogiach.anatomisch der Erankheitssitz im Rückenmark sich begrenzen
wäre nach den numerisch zu geringen und in sich oft noch gar nicht
onbetoehtlich Terschiedenen E^ebnissen, welche bisher vorliegen, verf^t und
eine präcise Localisation der Ausbreitung des Frocesses wenigstens
^ lä jrtzt nicht möglich. —
Bä der rigorosen Schärfe, mit welcher in jüngerer Zeit von mancher Seite
u dem genau umschriebenen und eng umgrenzten Symptomenbild, wie es
^^odkiioh selbst gezeichnet hat, festgehalten wird, scheint es nicht so ganz
itetÜQaig, einem Einwande zn b^gnen, der etwa gegen den zweiten Fall
^boba werden könnte.^ Die Opticusatrophie nämlich ist in der urspröng-
Beschreibung Fbiedbeicb’s nicht mit vorhanden nnd fehlt thatsächlich
>Qeb in der wdt überwiegenden Mehrzahl der bisher sonst beschriebenen Fälle.
‘ Dw EiiiwaDd, dass im ersten Fall daa kliniache Bild — wegen der oben begrün*
^ ümSgliehkeit, linkeraeita den Fatellarreflex zn prüfen and daaelbst eine exacte Ataxie*
■Bornttong Tomnebmen — nicht „eomplet** sei» dürfe wohl von keiner Seite gemacht
20 *
Dig t'/od
Google
Nun, — erstens hat der Schöpfer des in Rede stehenden Krankheits¬
begriffes bei der allgemeinen Seltenheit der Erkrankung nur relativ wenige Fälle
sehen können; zudem stammten die von ihm selbst geschilderten Fälle ans nur
zwei Familien. Es ist nicht anzunehmen, dass bei einer so beschränkten Zahl
gleich alle vorkommenden Formen des Erankheitsbildes zu sehen waren, —
abgesehen davon, dass die aus gleicher Familie stammenden Fälle nach einigen
Angaben überhaupt einen in sich ähnlichen Typus zeigen sollen.^
Zweitens sind Fälle von hereditärer Ataxie mit Opticnsatrophie seiüier
von anderer Seite mit Sicherheit mehrfach beobachtet worden.
Drittens schliesslich wäre aber auch theoretisch nicht recht einzusehen,
warum ein ausgeprägter Fall von FniEDBEiCB’scher Krankheit w^n einer zn
dem übrigen degenerativen Process im Gentrainervensystem noch hinzukommen¬
den Opticusatrophie nicht mehr als FBiEDBSiCH’sche Krankheit bezeichnet werden
sollte. Dass das anatomische Substrat in beiden Fällen bezüglich sein« topo¬
graphischen Begrenzung nicht ganz genau das gleiche ist, kann doch
nicht wohl als cardinaler Unterschied angesehen werden. So lange wir wenig¬
stens mit dem Begriff eines bestimmten Krankheitebildes einen bestinuuten, sich
im Wesentlichen stets gleich bleibenden Symptomencomplex meinen and
nicht ex post nach der räumlich genau beschränkten (wennm^lich mikroeko-
pischenl) Gleidiheit des eventuell später festgestellten patholc^isch-anatomischen
Befundes schematisch die Krankheiten rangiren wollen, — so lange wird eine
solche Anschauung hinsichtlich der Betrachtung unserer Krankheit nicht maass¬
gebend sein dürfen.
Es heisst also nicht: Kein Friedreicb, weil Opticusatrophie, sondern: ein
Friedreich mit Opticusatrophie; statt durch die Opticusatrophie umgestossen za
werden, gewinnt der Fall durch sie nur ein um so grösseres Interesse. —
Was die Disposition zu der „hereditären Ataxie“ in unsem Fällen anlangt
(vielleicht wäre die Krankheit als „familiäre“ Ataxie zu bezeichnen, weil sie
wohl meist mehrere Glieder aus einer Familie betrifft, aber nur ausserordent¬
lich selten direct „vererbt“ wird), so möchte daran erinnert sein, dass der
Vater Potator ist, und dass beide Knaben in frühen Jahren Scharlach durch¬
gemacht haben.
Der erste Factor ist ja auch sonst bei nervösen Erkrankungen in der
Descendenz mit in Rechnung zu ziehen, und für unsere Krankheit von LAPAirg
besonders betont worden. Der andere, die Scarlatina, könnte in zweierlei
Richtung gewirkt haben:
a) sie hat die vorhandene Disposition zur Erkrankung nur gesteigert (wie
auch andere Infectionskrankheiten das im Stande sind), oder
b) sie hat die latente Disposition zum Ausdruck gebracht, als „agent pro¬
vocateur“ gewirkt. Dass eine noch so starke Scharlachinfection für sich allein
(„Toxine“) bei sonst intactem Nervensystem die in Bede stehende Krankheit
erzeugen könnte, dürfte wenigstens unwahrscheinlich sein.
* Von dieaem Verhalten würden unsere Fälle also eine Ausnahme machen.
■ .Google
309
(Ob die Tabereolose, mit welcher sich im einen Fall das Krankheitsbild ver*
knöpft, die Di^osition zur Erkrankung etwa mit gesteigert hätte, möchte aller¬
dings dahingestellt bleiben.)
Sollte nnn auch Ton den erwähnten Factoren jeder für sich Tielleicht
nidit einfloasreich genug gewesen sein, so könnte doch ihr Zusammenkommen
geognet sein, das Entstehen der Krankheit zu begünstigen. —
Aosser der Opticnsatrophie — über deren mögliche Ursachen an dieser
Stdle nicht discutirt werden soll — erscheinen dem Yerf. die oben beschriebenen
^«lartigen, tbeils tic-ähnlichen (Kopf), theils auch an Athetose und Chorea
(fh^) gemahnenden unregelmässigen Bewingen der geringen Beachtung
akht ganz würdig, die ihnen allgemein bisher zn Theil geworden ist. Ein Theil
doselben tritt bloss beim Stehen oder bei aufgerichtetem Oberkörper ein und
i?1 Ti^l«<dit TOTwi^nd als auf equilibrirender Tendenz basirend aufeufassen.
Eis anderer Theil aber geht — wie sich jeder Zeit beobachten lässt — auch
schon in der Ruhelage ror sich. Wir erinnern besonders an dem zweiten
Pitienten.
Es ist wohl nicht unberechtigt, diese Bew^ungen in Anal(^ie zu den bei
Taläkem häufig im Geleit der Ataxie auftretenden „Spontanbew^ungen“ zu
wtzeo. Mit diesen haben sie auch gemeinsam, dass sie den Kranken selbst
nicht zn Bewusstsein kommen (ein Factum, das vielleicht in den Störungen
des Mnskelsinns seine Erklärung findet).^
Bezüglich der Therapie möchte Yerf. das Hauptgewicht (ausser der robo-
nraalen Emährong) auf Massage und besonders auf nach FBENi:sL’schen Prin-
opien voizunehmende, compensatorisohe Hebungen gelegt wissen.
Der oomplidrenden Spitzfassstellung im speciellen Hesse sich vielleicht im
rwöten Falle noch durch möglichst dünn gewählte Bettbedeckung, durch rechtzeitig
ai^elmtete Massage, event. auch durch einen frühzeitig ai^elegten, im en^egen-
gesetzten Sinne wirkenden elastischen Zngverband mit einiger Wahrscheinlichkeit
rorbeogoi. Ebenso wäre eine frühzeitig eingeleitete, zweckgemässe Hasste bei
da ersten Anzeidien einer Neigung des Körpers zu seitlicher Yerbiegung
'cf. Kranhengesdiichte R) vielleicht geeignet, der Entwickelung einer Scoliose
in za einem gewissen Grade vorzubeugen. —
Herrn Prof. Mehdsl, meinem hochverehrten Chef, sage ich auch an dieser
>%rile für die mir liebenswürdig überlassene Bearbeitung der Fälle meinen
<:fgebenen Dank; desgleichen danke ich Herrn Collegen P. Schustbb bestens
fir die mir freondlichst gestattete Einsiobt in die klinischen Krankengeschichten
und seine stets bereite thätige und forderliche Theilnahme an den Unter-
w e hnD gep. —
^ Wenn auch in der Buhetage eine Coordination noch statt hat, so ist vielleicht theo-
rstisefa die Annahme nicht gänzlich von der Hand zu weisen, dass auch jene Bewegungen
sur der Anzdrack dieser geatOrten „Coordination in der Ruhe*' sind, and somit statische
C«ardioationBStdrungen geringsten Grades darstellen.
Dk
nyGOOgIC
310
Litteratnr.
StbOkpbll, Lehrbocb der gpedellen Pathologie and Therapie der inneren Krankheiten.
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Nr. 28.
ScHtTLTZB, Deutsche Zeitschrift fllr Nervenheilkunde, 1894. V. — BerliDer klln.
Wochenschrift. 1894. Nr. 38 (Erwiderung u. s. w.).
II. Beferate.
Anatomie.
1) Lob tenDinsiBons oentraloB de la raoine labyrinthique, par Andr
Thomas. (Comptes rendns de la Soci^td de biolog. 1898. 12. Fdvr.)
Um die noch schwebenden Streitfragen Ober die centrale findignngsweise de
N. acusticus definitiv zn erledigen, hat Yerf. bei einem Hände die intracraniell
Dorchschneidung desselben vorgenommen, das Versnchstbier nach 14 Tagen getödte
und das Gehirn sodann, nach Harchi behandelt, untersucht
1. Ramus cochlearis. ESr endet im Nucleus lateralis and im Tuberculum acusti
cum. Diejenigen Fasern, welche im Nucleus lateralis enden, treten von unten nac!
oben senkrecht in denselben ein nnd vertheilen sich durch seine ganze Ansdehnims
Bin kleiner Theil der Fasern zweigt rechtwinklig ab und dringt in die obere;
Olivenkeme and die Nebenolive der gleichen Seite. — Einige vereinzelte Faser
kreuzen bei ihrem Austritt aus dem Nucleus lateralis die absteigende Wurzel de
Trigeminus und scheinen im Facialiskem zu enden.
2. Ramus vestibularis. Die Fasern desselben dringen oberhalb der CooMearü
fasern in die Hedulla ein, kreuzen das Corpus restifonne und erreichen die wordersl
Spitze des Deiters’schen Kerns. Hier tbeilen sie sich in zwei Zweige, einen at
,Google
811
Dd liiNB toCrteigeDdeiL Der letxtere, kürzere, endet grOeetentbeils im Deiters’-
lete Bzd Beehterew'echen Kern, nnr wenige Fasern traten in das Kleinhirn ein,
u hkr tn anden. — Der absteigende Zweig l&sst sich weit herunter bis in den
Xafitkow'ecben Kern rerfolgen. EÜn Ueberscbreiten der Mittellinie lässt sieb bei
köar Faser des ganzen Bamns Testibnlaris eonstatiren.
W. Cohnstein (Berlin).
S) The ooTtloal motor oentrea of the opoasnm, didelphya Virglniaoft, bj
B. H. Canningbam. (Joomal of Pb^ology. XXII. 4. S. 264.)
Ter£ ontersnehte anatomisch nnd physiologisch das Gehirn des Opossnm nnd
hii daas^ in Bezog auf die Configoration seiner Solei nnd Gyri sehr ähnlich
kä m Hann nntersochten Gehirn des Igels. — Physiologisch gelang es ihm,
a diB tief narcotiairtett Tbiere dnreh sehr starke Ströme Rindencentren für die
des Vorderbeins, des Gesichts, des Mondes, der Ohren, der Zange, der
Sckliagnukeln n. s. w. nachznweisen, während Centann für die Bewegoi^f der Ängen
nd der ffinterbmne nicht mit Sicherheit localisirt werden konnten.
W. Cohnstein (Berlin).
Experimentelle Physiologie.
3) hesoentree motenrs oorttoaux du oerveau humnln, par Luden Lamacq.
(ArehiTee cliniqnes de Bordeaux. 1897. Nr. 11 n. 12.)
Anf Grund aller bisher bekannt gewordenen Fälle, in welchen eine elektrische
Bcöcg der blossgelegten Groeshimrinde beim Menschen stattgefunden hat, giebt
^sf. (ine töUige Localtopographie der motorischen Centren beim Menschen. Trotz*
ka « betont, dass hier gewisse indiriduelle Schwankungen nicht in Abrede zu
MOm aind, so glaubt er doch im grossen und ganzen für die wicht^ten Muskel-
snffm die dasi^ehörigen ^dencentren anatomisch festigen zu können. Die
KiaikeHen d^ nmfuigreichen Arbeit entziehen sich der Wiedei^be im Beferai
W. Cohnstein (Berlin).
t) Deoorebrate rigldity and reflez ooordinatlon of movements, by C. S.
Skerrington. (Jonmal of Physiology. XXII. 4. S. 319.)
Warn man einem AfEen, Hnnd, Katze, Kaninchen oder Meerschweinchen unter
NgietflB CantelsD die Groecdiimhemisphären ezstirpirt, so entwickelt sich nach dem
Bneebm des Thioes ans der Narkose bald ganz plötzlich, bald mehr allmählich
«M ligsithümliehe Steifigkdt in rerschiedenen Mnske^mppen, welche der Yerf. als
•^mrÄnte rigidi^* bezeichnet. Dieses eigenthümliche PÜnomen beobachtet man
* hiAtisten, wenn man das operirte Thier frei am Bnmpf in der Luft hält und
ka Kopf nnd die Extremitäten herunter hängen lässt. Während die letzteren bei
«« Iki« z. B. mit dorchschnitteoem Halsmark völlig frei herabhängen und nur
d« Gesetxen der Gravitation gehorchen, bemerkt man bei dem Thier mit ent-
Oroeshimhemisphären eine besondere Zwangslage der Glieder und einen er-
Widerstand in den Gelenken gegenüber passiven Bewegungen. — Diese
weldie besonders die Hals- and Nackenmosknlatur, sowie die Extensoren
^ Vwderex tr emität betrifft, rührt her von einem tonischen Krampf gewisser
welche unter Umständen viele Ständen, ja mehrere Tage, anhalten kann. —
^veetka beben das Phänomen anf, passive Bewegungen steigern es, halbseitige
^■Kkaehoeidnng des Bflekenmarkes in der Hals- und Lendenanschwellung heben das
FMsomo in der gleichseitigen vorderen bezw. hinteren Extremität auf, desgleichen
üig'‘. /cd ov Google
verhindert eine halbseitige Dnrobschneidiing der HedoUa oblongata oberhalb dir
Kreuzung das Zostandekominen des Phänomens auf der gleichnamigen Körperhälfie.
Die Abtragung einer Grosahimhemisphäre bewirkt eine einseitige Muskelsteifigkeit,
und zwar auf der gleiohnamigen Seite, doch ist das Phänomen weder so constant,
noch so charakteristisch, wie nach Entfernung beider Grosshimhemisphären.
Hat sich nach Yomahme dieser Operation das Phänomen in voller Deutlichkeit
entwickelt und man durchschneidet nun die — vorher freigelegten — hinteren
Wurzeln, so fällt die dazu gehärige Extremität sofort völlig erschlafft herunter. —
Auch die Beizung bestimmter Stellen der Kleinhirn und Grosshimrinde kann einen
hemmenden Einflnss ausfiben. Einen constanteren hemmenden Effect auf das Phä*
nomen ftbt die Beizong gewisser periphaer Nerven aus: so hört z. B. die Steifigkeit
und Bigidität dm: Nackenmuskulatur sofort auf, wenn dm* 2. Cervicalnerv oder einer
seiner Aeste elektrisch gereizt wird. AehnUch, aber allgemeiner, wirkt die Beizui^
des Trigeminus oder seiner Äeste. Ja, auch die locale Beizung mner beetnmten
Hautpartie vermag die Bigidität gewisser Muskelgruppen aufzuheben und diü)ei oft
gleichzeitig die Contraction uiderer Muskelgruppen anzuregen („reciprocal inuervatioD^')»
wodurch sehr complicirte geordnete Beflexbewegungen resnltiren.
W. Cohnstein (Berlin).
6) Ueber Hemmung der Ctontraotlon willkürlioher HusKeln bei elek-
ferifloher Beisung dw Qroartiimrinde, von E. H. Hering und G. S. Sher-
riugton. (Pflfiger’s Arch. Bd. LXVIII.)
Die Verff. haben an Affen operirt. Die Thiere wurden zum Zweck der Beob*
achtung horizontal aufgehängt. Es wurde ein Stadium der Aethemarkose ab>
gewartet in welchem das Thier irgend welche Muskeln anhaltend contrahiri Bei
nicht za tiefer Narkose tritt ein solches Stadium fhst stets ein. Beizt man nun die
Hirnrinde, so erschlaffen die Musitein, um nach Sistarung des Beizes alsbald fast
stets wieder in den Contraotionszustand znrflckznkehren. Am beeten stellt man die
Erschlaffnog durch directe Palpation des Muskels fest; zn diesem Zwecke erhält
man durch G^endruek die Extremität dauernd in der durch die Contanctibn herbei*
geffihrtoD Stellung. Bei einer bestimmten Stromstärke erhtit man nicht von der¬
selben Bindenstelle aus Erschlaffung und Contraction eines ond desselben Muskels,
sondern die beiden Stellen liegen oft ziemlich weit auseinander (z. B. bei einem
Cjnocepbalns über 1 cm). Mit der Erschlaffnog des contrabirten Muskels tritt oft
zugleich eine Contraction seiner wahren Antagonisten und einiger anderer Muskeln
ein. Die Erschlaffung scheint dieser Contraction zeitlich ein wenig vorausiugehen.
Eine gleichzeitige Contraction eines Muskels und seines wahren Antagonisten wurde
bei localisirter faradischer Bindenreizung niemals beobachtet. Die tonische Anziehung
der Extremitäten in der Halbnarkose erfolgt auch nach Dorcbscbneidang der hinteren
Wurzeln und ebenso auch nach Exstirpation der Bxtremitätenceutreo; sie ist also
subcortical. Aoch die Erschlaffung der tonisch angezogenen ExtremitAt durch Binden-
reizung wird durch die Durchsohneidnug der hinteren Wurzeln nicht aufigeboben.
Dagegen fiel auf, dass eine durch Bindenreizung hervorgerufene Contraction einer
durch Hinterworzeldarchscfaneidung centripetal gelähmten Extremität nach Sistimng
des Beiles rascher erschlafft als diejenige einer centripetal nicht gelähmten Extre¬
mität. Th. Ziehen.
6) De la ddstraotion des oellules nerveusea par les leuoooytes ohes lea
aminaux ägds, par Cb. A. Pugnai (Comptes rendus de la Socidtd de biolog.
XXVI. 2. 1998.)
Bei der Untersuchung der Spinalguiglien älterer Thiere machte Y^f. die Wahr^
nehmung, dass zahlreiche Gaoglienzellen in ganz au^lender Weise von einem Haufen
■' Google
318
m LMkBCjtn omgeben waren, Ja, in dnigen Fällen konnte er sogar im Inneren
dr KamosellaD Lrakoejten nachweisen nnd gleichzeitig eine abnorme Herabsetzung
dr nrbbsrkait, ja einen molecnlaren Zerfall des Hanglienzellenprotoplasmas fest-
— Yerf. mmmt mit Hodge an, dass die Nervenzellen im höheren Älter zu
Önrade gehen and glaubt nun in seinen histologischen üntersuchungsergebnissen den
Tfhltinnnl di^Qr gefunden zu haben, in welcher Weise die Elimination der abgestorbenen
HsveneUen jor säcb geht Wie Oberall, so sollen es auch hier die Leukocyten
fäk, w^hen die Aufgabe erwächst, flberflOssige und abgestorbene Elemente aus dem
fli gitam na sn entfernen. W. Cohnstein (Berlin).
Pathologische Anatomie.
7) tfet>er die feineren Nervenzellenverftndemngen bei magendarmkranken
Bknglingen, vorläufiger Bericht von Br. Erich Holler und Dr. Manicatide.
Aus der Kinderklinik der königlichen Cbaritd in Berlin. (Deutsche med.
Woehenschr. 1898. Nr. 9.)
In 7 zur Untersuchung gelangten Fällen fanden sich Veränderungen in den
TtSitsk des Gehirns und BOckenmarkes, Läsionen verschiedener Intensität, auch im
finml&Ile, neben geringen Abweichungen hochgradiger Zerstörung. — Die Nissl-
sdioi Körperchen erscheinen im Anfangsstadium der Veränderungen unregelmässig
u^eordnet, dann folgt allmähliche Auflösung in difhiser VerUieilung, mehr partiell
oder mit bestimmter Localisation (Zellkern, Zellperipfaerie). Hit dieser Auflösung
ist must verbunden eine Verkleinerung, ein blasses verschwommenes Aussehen der
Körpereben, seltener erscheinen diese grösser, dunkler und abgerundet. Weiterhin
seht «««n an Stelle der verschwundenen Körperchen ein Netz feiner Fibrillen und
ia den Haschen nngeförbte Substanz. Schliesslich verlieren die Zellen ihre Gestalt,
tkre scharfen Grenzen, die Fortsätze verschwinden oder werden nnr auf kurze Strecken
aaehweiabar. Die Kerne sind in den Zellen, die Nucleoli in den Kernen oft ver-
lagert; in stark veränderten Zellen erscheinen die uniformge^bten Kerne dnnkler,
<fie Karnk^kpveben vergrösseri
Dl 4 Fällen waren die Verändemngen stark ausgepr^^ in den 3 Übrigen ge¬
ringfügig: Fieber, Intensität und Dauer der Erkrankung spielten dabei keine Bolle.
Die ZellvetäudemDgen gleichen denjenigen, welche schon frftber bei experimentell
enaogten Intoxicationen und Infectionen besobrieben sind.
B. Pfeiffer (Cassel).
Pathologie des Nervensystems.
9^ raloGitä della oorrmite nervosa negli epilettioi, per 0. Bossi.
(Bit. speriment di Freniatria. XXIII. 2.)
Um die Geschwindigkeit der Nervenleitung bei Epileptikern zu prüfen, bediente
adi Verl dee D’Assonval’scben Elektrochronoskopes nnd der von Oehl modi-
ficBten Helmholtz’schen Methode. Er nimmt als Hittelwerth der Totalzeit von
der Snwirkang des Reizes bis zor erfolgten Beaction auf Grund eigener Unter-
■■th—igwn und der Oebl’s bei Reizung der Haut des linken Mittelfingers 0,16",
bm Beizimg der Stimbaut 0,13" an, mithin fflr die Geschwindigkeit der Leitung im
peripbaren Nerven 30,66 m in der Seennde.
Das Besnltat der an 12 Kranken angestellten zahlreichen und äusserst sorg-
ftitigwo Untergacbui^en dee Verf.'s ist folgendes:
ig |i.:od oy CjOO^Ic
314
In den aofallsfreien InterTallen Ut das Mittel der Totalzeii bei den Epileptitorn
gegenüber der Norm erbeblich erhobt: dnrchschnitÜioh 0,183" für den Finger und
0,162" für die Stirn. Die Differenz zwischen der Beactionsseit von Finger nnd Stirn
ist kleiner als gewöhnlich, mithin die Leitung in den peripheren Nerren beschleimigt
(anf dnrchschnitüich 47,06 m in der Secnnde), Termehrt die Däner der centralen
Uebertragung.
Noch beträchtlicher ist die Verlangsamnng der Beaetionazeit kora nach dem
AnfoU: dnrohschnittlicb 0,221" für Finger and 0,194" für die Stirn. Hier ist die
Differenz zwischen beiden Zeiten grosser als in der Norm, mithin sowohl die Zeit
für die periphere Leitung wie die für die centrale Uebertragung verlängert
Unter der fortgesetzten Einwirk ong von Bromkali betragen die betreffenden
Durchschnittszeiten 0,199" und 0,173". Es vermindert sich im Yeigleicb zom post>
convnlsiviscben Stadium die Dauer der Totalzeii nnd der centralen Periode fkst
gleich bleibt die Geschwindigkeit der peripheren Leitung. Valentin.
9) A study upon the disordered oonsoiousness of epilepsy, b; Pierce
Clark. (New York med. JoumaL 1897. Vol. LXVI. Nr. 11.)
Nach einleitenden Bemerkungen über den Begriff des Bewusstseins betont Verf.
mit Nachdruck die psychisch-sensorische Seite des epileptischen Anfalls. Die peri¬
odischen Bewnsstseinstrübungen bilden das Wesen der Epilepsie, die Grundlage der
epileptischen Geistesveränderung; die motorischen Phänomene besitzen erheblich ge¬
ringere Bedentung, kOnnm bekanntlich vollkommen fehlen. — Einzelheiten sind im
Original nachzulesen. B. Pfeiffer (Cskssel).
10) A plea for s more aoourate Investigation of epilepsy, by Pierce
Clark. (New York med. Journal. 1897. Vol. LXVI. Nr. 12.)
Um in das Wesen der Epilepsie nnd verwandter Erankheitszustände tieferen
Einblick zn gewinnen, sind weitere exact nnd systematisch dnrobgefübrte Dnter-
snchnngen erforderlich, die im Einzelfalle n. a. besonders die Anra, den G^rad der
BewnsstseinsstOmng, den Einflnss der einzelnen Attaquen auf den Geisteszustand an
berücksichtigen haben. B. Pfeiffer (Caaeel).
11) Note aur l’inflnenoe de Idsions odrdbrales sur la forme des aood«
d’dpUepsie prdezistante, par Cb. Fdrd. (Socidtd de Biologie. 1897. 1. IffaL)
Verf, berichtet über einen (hereditär belasteten) Mann, der seit seinem 39. Jedire
an epileptischen Anßllen und Absencea litt. Im 64. Lebenqahre erfuhr derselbe
eineu apoplectischen Insult, welcher eine erhebliche Schwäche der linken Oberextre-
mität und eine sehr geringe Beeinträchtigung des Ganges zurücklieas. Die epilep¬
tischen Anfälle nach dem Insult unterscheiden sich nnn insofern wesentlich von den
früheren, als Pat. beim Hinsinken anf die linke Seite fiel, als das Gesicht nach
links gewendet war, und als besonders die linksseitigen Extremitäten an den fol¬
genden — früher symmetrischen — cloniacben nnd tonischen Zocknngen nicht mehr
Theil nahmen. Auch dauerten die Bewusstlosigkeit nnd der Stnpor weniger lange
als früher; beim letzten Anfall verlor der Kranke das Bewosstsein überhaupt nicht
mehr.
Verf. schlieast, dass die Generalisation der Convnlaionen sich dnrch die ^nde
vollzieht. Er erwähnt noch einen Fall von Meessen, in welchem bm einer Para¬
lysis agitans nach einer Hemipl^ie das Zittern anf der befallenen Seite w^bUeb.
Paul Cohn (Berlin).
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315
Alooolisme; häzniplögie gaoohe et öpUepeie ooneöoatlTee. Solörose
g^phique, paobyinönii^te et m^nüigo-eno^phalite, per Bourneville
et Bellay. (Pn^te medical. 1897. 8. 177.)
AoeftUirUche Krankesgesdiichte und Sectionsbefund eines Falles von Älkoholismus
in Alter von 4 Jahren. Ohne besondere Heredit&t, von gesunden Eltern stammend,
das j&Dgste von drei gesunden Oescbwistem, entwickelte sich Pat. gut und war bis
iQB 4. Lebenqahre völlig gesund; erkrankte dann an Krämpfen, die 3 T^e ohne
ufnböfen andanerten, von völlig aufgehobenem Bewusstsein begleitet waren und
räe Paralyae der linken Körperseite, wie auch eine totale Verminderung der Intelligenz
zur Folge hatten.
Nachforschungen ergaben, dass Pai unbeobachtet die Beste in den Oläsem bei
RbMm Groesvater, einem Oastwirthe, getrunken hatte; am Tage seiner Erkrankung
bitte ön Volksfest stattgefunden, während dem besonders viel Gäste anwesend ge>
v«HD waren.
In der Folge nahm die Demenz rapide zn, die Anfälle traten sehr häufig ein,
» dass Anstaltsanfenthalt sich nothwendig erwies. Während diesem, der l^s Jahre
dasefte, haben Brom und Jodsalze keinen Einfluss auf die Anfälle gehabt; letztere
tratai sowohl als leichte Schwindel-, wie auch als schwere Anfölle auf. Aus der
paam Beobachtungszeit stammen genaue Aufzeichnungen der Temperatur vor und
Bseh den Attaquen und der Häufigkeit letzterer.
Exitus trat in Folge fOtider Pleuritis auf; die Obduction ergab chronische
Pachymeningitis, Encephalitis, die die ganze rechte Hemisphäre in ihrer Entwickelung
biaten angehalten batte, und Atrophie des linken Kleinhirns. In den Schlusssätzen ist
auf das Fehlen anderweitiger Veränderungen an den inneren Organen, welche auf
Alfatholismus bezogen werden körmten und des öfteren beschrieben sind, hingewiesen
nad bei dieser Gelegenheit auf einige kftrzlich erst publicirte Fälle von Älkoholismus
das kindlicbmi Alters aufmerksam gemacht. /c. . .
Adolf Passow (Strassburg i./E.).
IS) Xfaber die Beziehungen awisohen Alkoholiamus und Epilepsie, von
Max Neumann. (Inaug.-Dissert Strassburg i./E. 1897.)
Yarf. war von Prof. Fflrstner die Aufgabe gestellt worden, die Beziehungen
zviaelMO Alkoholismus und Epilepsie zu untersuchen. Demgemäss zer&Ut die Arbeit
ia zwei Hauptabschnitte, in deren ersten die durch Älkoholismus erzeugte Epilepsie
abgehandelt wird. In Folge des Studiums der zahlreich vorhandenen und vom Verf.
«Dgehend berflcksichtigten Litteratur lehnt er sich dem von Böhn aufgestellten
Scbena der verschiedenen Formen der Alkoholvergiftung an und stellt als erste
Tksae Folgendes auf:
Die Alkoholepilepsie sensu stricto ist die durch habituellen
Älkoholismus erzeugte Epilepsie.
Glekhzeitig begründet Verf. dieses näher, zumal er sich dadurch mit der Auf-
fsMBBg von Hagnau in Widerspruch setzt.
Im zweiten Theile wird die Statistik besprochen; nach Alter, Geschlecht, Erblich¬
keit, Traumen u. a. m. sucht Verf. ein genaues Ei^ebniss zu finden, beschränkt sich
lattrtiehenreise auf wenig resflmirte Punkte, da das Missliche aller Statistiken —
ihr allgemein anerkannter, theilweise recht mittelmässiger Werth — auch hier sich
ctitend macht
Genaneete Beschäftigung mit der Materie verräth der dritte Theil, der sich mit
der GifkArage beschäftigt Leider ist es in dieser kurzen Bespreebong nicht möglich
■ef&hriieher darauf einzugehen, so dass die fünfte These aufgeffthrt sein mag:
Der Aethylalkohol ist kein Krampfgift im toxikologischen Sinne,
wohl aber die Absinthessenz.
Google
316
Trotzdem könne die Annahme Ma^nan’s, daes die Absinthessenz die eigent*
liebe epileptogene Toxe sei, nicht anfreebt erhalten werden. Vielmehr glanbt der
Verf., dass Epilepsie durch den Äethjlalkohol und ihre normalen Substanzen erxeogt
werden könne. Gebührend berücksichtigt ist anch Legraod da Sanlles Stellnng-
nähme zur Absinthfrage.
Oie pathologisch-anatomische Seite der Beziehungen zwischen den zwei Erkran¬
kungen ist mit Becht nur kurz gestreift, da wir zur Zeit keine bestimmten Befunde
im Centralnervensjstem haben, die für Alkoholismos oder Epilepsie sprechen. Sammt«
liche, jemals letzterer als solcher angehörend und sie bedingend hingestellten histo>
logischen Veränderungen des Gehirns sind der Art, dass sie sehr wohl anch durch
Alkoholismns erzengt werden konnten.
In dem klinischen Theile werden die verschiedenen Formen besprochen, in denen
die Epilepsie und epileptoide Zustände als Folge der übermässigen Einführung von
Alkoholicis in den Organismus zu stände kommen; auch die verechiedenen Be¬
dingungen, unter denen dies geschieht.
Es folgt als Schluss des ersten Hauptabschnittes die Besprechung des deletären
Einflusses, den der Alkoholmissbrauch in der Ascendenz durch Prädisposition für
Epilepsie in der Descendenz ausübt.
Der zweite Abschnitt der Dissertation beschäftigt sich mit dem Alkoholismos als
Folge der Epilepsie und Parallelismen zwischen beiden. Verf. weist auf den Einfluss
der erblichen nenropathischen Belastung bin, welche Alkoholismos oder Epilepsie
bedingen können.
Ferner wird die Dipsomanie besprochen, die in mancher Beziehung der Epilepsie
recht uache stehi Sodann wird das vom Normalen abweichende moralische und
intellectuelle Verhalten der Patienten beider Erankheitsformen berücksichtigt
Im Schlussworte kommt Verf. in Folge seiner Beschäftigui^ mit dem Gegen¬
stand zu folgender (10.) These:
Das Wesen der epileptogenen Wirkung des Alkohols stellen wir
uns so vor, dass der Alkohol schwächend, bezw. lähmend auf gewisse
snpponirte Hemmungsvorrichtnngen im Centralnervensjstem wirkt,
durch deren Ausschaltung der epileptische Anfall zu stände kommt
So interessant und verlockend diese Ansicht ist und mit so ttberzengender
Wahrscheinlichkeit der Verf. sie zu begründen sucht, so bedarf sie doch noch späterer
Nachprüfung.
Ein reichhaltiges Litteraturverzeichniss ist der fleissigen Arbeit beigefügt
Adolf Passow (Strassbuig i./E.).
14) AlkoholismuB und Epilepsie in ihren weohselaeit^en BesiehoBgen,
von Assistenzarzt Dr. E. Wartmann. Aus der Berliner städtischen Anstalt
für Epileptische (Director Hebold). (Archiv für Paych. Bd. EIX. 8.933.)
Verf. coDstatirt zunächst an der Hand der Litteratur, dass die Ueinongen ver-
schiedener Forscher über die Abhängigkeit der Epilepsie von Alkobolmissbrancb weit
anseinandergehen. Er berichtet sodann, dass er unter 452 männlichen Epileptikern
206 Trinker gefunden hat lieber die Hälfte von diesen 206 Trinkern war von
Jugend auf epileptisch und wurde erst später trunksüchtig. Bei 92 war vor dem
Trunk kein epileptischer Anfall beobachtet worden. Bel diesen 92 Kranken, die der
Trank selbstverständlich schwer geschädigt hat, war derselbe aber nnr sehr selten
das einzige in Frage kommende ätiologische Moment zur Epilepsie. 33 von ihnen
standen nnter dem Einfluss schwerer psychopathischer Familiendisposition. Mindestens
18 andere waren von Jagend anf psychopathisch veranlagt Mehrere hatten Rbaehitis,
Scrophnlose, Lues, bezw. schwere Infectionskrankheiten vor dem ersten epileptischen
Anf^l gehabt. 12 Fälle waren auf traumatischer Grundlage erwachsen. Nicht selten
■' Google
317
iudm sich ansssr dem Tnmk Combinationeo von verschiedenen Schädlichkeiten.
Nor bei 4 Epileptikern war ein besonderes ätiologisches Moment ausser dem chronischen
Alkobolmissbraiich nicht zn emiren; hier war aber die Anamnese nngenaa. Verf.
betont die bekannte Schädlichkeit des Alkohols fär die Epileptiker; er sah die
Hiofigkeit nnd die Heftigkeit der Anfälle zunehmen, er constati^ namentlich aach
eine wesentliche Veischlimmerung der psychopathischen Symptome. Ein besonderes
knnkheitsbild: Alkobolepilepsie anfzosteUen, hält er jedoch für unnöthig und nicht
gerechtfertigt.
Es sei fibrigens nicht unerwähnt, dass bei 452 der untersuchten Epileptiker
Tnmksucht der Eltern 130 Mal erwiesen wurde, dass ein nicht unerheblicher Procent*
atz unter den Nacbtheilen anehelicher Qebnrt gelitten batte, und dass die Krankheit
aalend oft ledige Individuen traf. Georg Ilberg (Sonnenstein).
15) ZTotea upon the epileptic aura with report of some rare forms, by
Pierce Clark. (American Journal of insanity. 1897. Jnly.)
Yarf. beschreibt eine Reihe von Fällen mit ungewöhnlicher Anra: In dem einen
Fallt ist es ein Wort, das unmittelbar vor dem Anfall der Kranke beständig wieder*
Mt, in einem anderen eine 15 Miooten vor dem Anfall unmotivirt einsetzende
Tnarigkeit mit lautem Weinen; ein Kranker klagt vor einem Drittel seiner Anlalle
iha ein Schmerzgefäbl im linken Hypoebondrium (nach Oowers sehr selten), ein
aadaer ist als Aura ly« Standen ^nommen; noch andere zeigen als Aora eine
ICgäne, Maseeterenkrampf, eine eigentbflmliche Geruchsempfindong (Holzgemch),
ScaaibilititsetOning in der Zunge n. s. w. Lewald.
16) Equiwalenti moaloali di attaoohi — attaoohi di canto, per Sante de
Sanctis. (Bivista quindicinale di psicologia, psichiatria. 1897.)
Auf die Gesänge der Epileptiker während oder statt des Anfalls ist bisher nicht
geachtet w<MrdeB. Früher veröffentlichte Verf. schon einen Fall von musikalischer
Aera. Jetzt besdireibt er zunächst einen Epileptiker mit sehr verschiedenartigen
AafiUlen. Anschliessend an eine Gruppe solcher zeigten sich parozysmenartige Ge*
säDge, die aber wahrscheinlich keine eigentlichen Äequivalente darstellten, sondern
AittOBatiameD, wie solche am Ende eines Anfalls so häufig auftreten, nm so mehr,
als glaidiseitig mit dem Gesänge auch kurze krampfhafte Bewegungen und Elrregt*
heit eintraten. Ein andermal traten Gesang and gewisse rhythmische Bewegungen
^eichzeitig und ohne vorangehenden Krampf anf. Man kann also hier von Gesangs*
atiaqoeo, nicht aber von Aequivalenten reden. Dagegen fehlte jedes krampfliafte
Symptom bei einem Anfall einer Epileptikerin, wo allein Gesang auftrat, mit völliger
Aa u t cwi e. Hier handelt es sich also um eine wahre Aequlvalenz.
Näcke (Hubertosbnrg).
17) Beflex epilepsy, by Wilfred J. Harris. (Lauest. 1897. 28. Aug.)
Verf. tiieilt einen jener seltenen Fälle mit, in welchen eine epileptogene Zone
im Sbxne Brown*Sdquard’8 nnd Hughllngs Jackson’s nachweisbar war. Es
handelt sieh am ein schon im 7. Monat geborenes, jetzt 5 Yjjähriges Mädchen. Der
Vater ist syphilitisch inficirt gewesen. Mit 3 Jahren hatte sie eine Reihe von
KnaDpfanfUlen. Jetzt stellten sich letztere nach langer Panse im Anschlnss an
«aes Fall wieder ein. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass der Fall bereits einem
KzaapfanfaU zuznschreiben war. Die Anßlle traten nunmehr täglich bis zu 12 Mal
ad. Bach 2 oder 3 Monaten fiel der Mutter auf, dass jede unerwartete Berührung
im Kopfes einen Anfall aoalöste. Die Anfälle waren typisch epileptisch. Halb*
,Google
318 —
8 eitig 0 Symptome fehlten ganz. Leider ist nicht genauer angegeben, welcher
Hautbezirk des Kopfes als epileptc^ene Zone wirkt. Th. Ziehen.
18) Frepntial reflex epileptiform oonvulaions, wlth report of a oase, by
A. L. Hodgdon. (The Alienist and Kenrolc^t. Yol. XVIII.)
Ein ungeföhr 4 Monate altes Kind, das an hochgradiger Phimose litt, so dass
der Urin nur tropfenweise abging, litt seit 3 Monaten an fast täglich wiederkehrenden
Convnlsionen. Yerf. führte die Circnmcision ans. Nach der Operation traten nur
noch ein Mal, am zweiten Tage, die Krämpfe anf imd blieben dann dauernd fort
Yalentin.
18) Zar Keimtnlss der „HersepUepsie“ im Allgemeinen und der „senilen
arterlosolerotisolien Epilepsie*', ?on Dr. Frans Mahnert (Wiener med.
Wochenschr. 1897. Nr. 33—35.)
Nach kurzer Uebersicht über die in der Litteratur verzeichneten Fälle tod
durch Herzkrankheiten bedingter Epilepsie theilt Yerf. drei eigene Beobachtungen mit.
1. Fall. Ein 66 Jahre alter Pat., welcher schon seit Jahren an Äthem-
beschwerden und Herzklopfen gelitten hatte, bekam den ersten epileptischen Än^
Hochgradige Arteriosclerose; Puls klein, unregelmässig, verlangsamt; systolisches
hauchendes und schwaches diastolisches Blasengeräusch Aber dem Ostinm aortae.
Anßlle wiederholten sich in Zwischenräumen von einigen Wochen. Nach 2 Jahren
Exitus. Potatorium zugegeben. Keine hereditäre Belastung.
2. Fall. Erster Anfall bei einem 55jährigen, hereditär nicht belasteten Stabe-
offleier, der in mittleren Lebencgahren eine Lues acquirirt batte, die zu allgemeiner
Arteriosclerose führte. Anßlle wiederholten sich. Diastolisches schlürfendes Geräusch
über dem Ostium aortae und der Basis des Sternums.
3. Fall. Hereditär nicht belasteter Beamter. Seit dem 40. Lebensjahre gich¬
tische Erscheinungen, die zu sclerotiscben Veränderungen an Hers und Geflissen
führten. Im 60. Lebensjahre erster epileptischer Anfall. Hypertrophie dee rechten
Yentrikels, präsystolisches Geräusch an der Spitze, Arythmie.
Yerf. möchte diese auf Grundlage arteriosclerotiscber Veränderungen entstandenen
epileptischen Anfälle sondern von der bei jüngeren Individuen mit Klappenfehlern
auftretenden Herzepilepsie und sie letzterer g^enüberstellen unter dem Titel „senile
arteriosclerotische Epilepsie“.
Neben der gangbaren Erklärung dieser Epilepsiefälle als Folgeerecheinung der
durch die arteriosclerotischeu Veränderungen des Herzens und der Gefässe bedingten
Circulationsstörnng im Gehirn (anämische Epilepsie) glaubt Yerf. auch der directen
Schädigung und Reizung der Ganglienzellen durch die rigiden Gefässe eine Bedentnog
zusprecheu zu dürfen.
Therapeutisch empfiehlt Yerf. neben der causalen und allgemeinen hygienisch-
diätetisch auf die Kräftigung des Herzmuskels abzielenden Behandlung, wozu auch
die bekannten medicamentOsen Herzmittel zählen, Arsen in Verbindung mit Eisen
und Brompräparate. __ J. Sorgo (Wien).
20) Beitrag z\im Verhalten des Bespirationsapparates bei epUeptiaohen
Krämpfen, von Dr. Bresler. Aus der Frovinzial-Heil- und Fflegeanstalt in
Freiburg l./Schl. (Deutsche med. Wochenschr. 1897. Nr. 43.)
Epileptiker haben nach den Anföllen häufig Schmerzen in der Seite, auf der
Brust, im Bücken, oder die Beschwerden werden jedesmal und genau längs des An¬
satzes des Zwerchfells bis an die Wirbelsäule localisirt. Eine physikalisch nach-
Googlc
319
nislwra Unterli^d war nicht aofsofinden, mnss aber theoretisch construirt werden,
and swar Tttmiaachen wahrscheinlich snbplenrale Petechien zasammen mit einer
Zerrung der Pleoranerven die oben erw&hnten Beschwerden (vielleicht in Form einer
locdimrten und schnell verschwindenden Pleuritis sicca). Terf. fand an den Leichen
^nleptiacher Plenraverändemngen fast constant, seitdem er sein Aogenmerk darauf
ri^tete, h< aber eine Nachprüfang für wflnschenswerth. In 2 Fällen konnte Verf.
Sccbjmoeen nnter der Kierenkapsel, ja in einem derselben auch in der Schleimhant
des NiflimibeckeiiB constatiren, obwohl hier Krämpfe nicht anfgetreten waren, „ein
Beweia dafür, dass das Entstehen von Erstickongsecchymosen nicht auf den mit
SnapfeD einhergebenden Erstickungstod beschränkt ist" (Hoffmann, Gerichtliche
Medkin).
Stannagshyperämie der Niere, im epileptischen Anfall momentan vorhanden, er¬
klärt wohl die besonders nach gehäuften Attaquen anftretende Albuminurie. Die
Mfi^kbkeit, dass durch energische Zwerchfellcontraction, wie sie ja zweifelsohne im
•pleptischen Anfall statthat, die Aorta zum Theil comprimirt werden kann, ist nicht
pat von der Hand zu weisen, und es wäre dieser Umstand ffir den eventuell tddt-
Ikba Ausgang sehr wichtig. B. Pfeiffer (Cassel).
21 ) Note anr un oas de mdla&odermie rdouxrente ohei un dpileptique,
per Fdrd. (Nouvelle Iconographie de la Salpätridre. 1897.)
Ee handelt sich am einen 31 jährigen, belasteten Epileptiker mit verschiedenen
Forma der Epilepsie, der seit 1892 drei Hai auf nur sehr kurze Zeit in tiefste
D ep r ee oi on mit starker Körperabnahme verfiel, wobei mit Ausnahme des Gesichts,
dir Hände und der FtLsse der ganze Körper mehr oder minder tief bronzirt, mit
kMan rundlichen Flecken marmorirt erschien, bei Abwesenheit irgend einer localen
IrritatMm, wie Ausschlag, Ungeziefer oder Kratzen. Hier ist also offenbar die Ur¬
sa^ in dem niedergedrflckten Geistes* und Körperzustande zu suchen, denn sobald
£aee verschwanden, verschwand zugleich auch die dunkle Hautförbung. Unter
solcha Umständen sind trophische Störungen, z. B. an den Nägeln und Haaren
beeWehtet worden, nicht aber diese Hautverfärbung, wie überhaupt in der Aetioiogie
der Malanodermid die Nerven* und Geisteskrankheiten bisher nicht erwähnt wurden.
Leichter Grad der dunklen Haut findet sich in allen Krankheiten mit starker Ab*
magenu^, local nach Ausschlägen, Ungeziefer („Yagsbundenkrankheit“) u. s. w. Der
Mediantsmns ist durchaus unklar. Näcke (Hnbertusburg).
22) UebCT das Nebeneinandervorkommen von Epilepsie (besw. epilepti-
finmen AnftUen) and Diabetes mellitus (bezw. Olyoosurie), von Wilh.
Ebstein. Aus der medicin. Universitätsklinik zu Göttingeu. (Deutsche med.
Wodienschr. 1898. Nr. 1 u. 2.)
Nach einleitenden Bemerkungen Ober die verschiedenen denkbaren Beziehungen
dm Epilepsie zum Diabetes bezw. zur Glycosnrie folgt die Mittbeilung von drei ein*
wAlä^gen Fällen.
L Die 21jährige, früher im wesentlichen gesunde Patientin erkrankte vor
ea. 3 Jahren an einem Schlaganfall mit Lähmung der rechten Körperhälfte, Sprach*
Störung und gleichseitigem Urindrang. Die klinische Beobachtung ergab epileptisdie
AaSUe nach dem Typus der Jackson’schen Epilepsie, intermittirenden Diabetes
mallitus dedpiens, gel^entlich sehr geringe Albuminurie, häufige Cylindrurie, ferner
Fhthiris und mit Wahrscheinlichkeit einen Bicuspidalfebler. — Die Urinverändemngen
gxagoi zurflck, der Ernährungszustand besserte sich, die epileptischen Anfälle blieben
uaverindeil
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320
II. 50jä)uiger Htno mit coog^niUler Missbildoog des lieken Aimta (Sehirand
des M. pectoralis m^or, fehlende Ornndpfaalanx der Finger, deren beide PhaUmgen
durch membranöse Verwachsung mit Ausnahme des Daumens miteinander mehr oder
minder fest verbunden sind). Früher Lungenentzündung und Masern. Sät 20 Jaton
magenleidend, behauptet Pai sät 2V| Jahren an plötzlich anftretenden, an HfcuÜg*
keit zunehmenden Ohnmacht- und KrampfanliUen zu leiden. Bs besteht Parese d«
rechten Hundfacialis und des rechten Hypoglossns, ferner intermittirender Diabetes
mellitus decipiena. — Der weitere Verlauf macht das Vorhandmisän einer rasch
fortschreitenden cerebralen Erkrankung zweifellos.
III. Der 20jährige Schlosser H. leidet seit 3 Jahren an SchwindelanAUen, die
bald den Charakter von epileptischen annahmen. — Die klinische Beobachtung e^b
neben epileptischen Anfällen eine Insufficienz der Bicuspidalklappe, intermittirenden
Diabetes mellitus decipiens und gelegentliches Tieferstehen des Unken Mundwinkels
in den anfallsfreien Zeiten.
Es eigiebt sich die Notbwendigkeit, bei Epilepsie, namentlidi dem Jackson’-
sehen Typus, den Urin genauer zu untersuchen, als es bisher wohl in der Begel
der Fall gewesen sein mag. B. Pfeiffer (Cassä).
23) Haut mal wlth Jaoksonian epUepsy, by J. H. Benton. (Edinburg med.
Joum. 1897. Juli.)
Ein 12jäbrige8 idiotisches Mädchen litt seit den ersten Lebensmonaten an
häufigen epileptischen Anföllen. Einige Zeit vor dem Tode traten ErampfanßUe auf,
die ToUkommen Jackson’scheo Charakter zeigten.
Sectionsbefund: 12 Tumoren ziemlich gleichmässig Über Frontal-, Parietal’ und
Ocäpitallappen vertheilt; jeder von ungefähr Taubeneigrösse, mikroskopiaeh aus
gliosarcomatösem Gewebe bestehend. Bundzellensarcome in Lelmr und Niere.
Valentin.
24) Beiträge nur Pathogenese und Aetiologie des Fa vor nootumun, von
Dr. J. G. Bey in Aachen. (Jahrbücher für Kinderheilkunde. Bd. VL.)
Verf. kann sich nicht der Anächt derer ansebUessen, weldie, wie vor Keriem
erst Braun im Jahrbuch für Kinderhälknnde Bd. KLIIl ausführtä Pavor nootumos
als eine infantile Neurasthenie auffassen. Auf Grund von 32 innerhäb zwäer Jahre
beobachteten Fällen fand er bei allen adenoide Vegetationen, mit deren ßiUenraiig
auch der Pavor noctumus versebwand. Der Znsammenhang beider Affectionen kann
daher kein zufälliger sein und der Pavor noctumus ist demnach nichts anderes als
das Besultat einer durch Behinderung des Athmens im Schlafe allmählich entstandenen
Kohlensänreintoxication. Samuel (Stettin).
26) La toeeioltä del sudore negli epUetUoi, per C. Cabitto. (Biv. sperim. di
Freniatr. XXIU. 1.)
lieber die Giftigkeit des Urins, des Blutes und des Magensaftes der Epileptiker
liegen bereits Untersnebnngen vor. Verf. prüfte nun auch den Schweiss, indem er
denselben Kaninchen in die Ohrvene injidrte.
Der kurz vor dem Anfall abgesonderte Schweiss erwies äeh als stark giftig.
Durchschnittlich waren 18,5 ccm hinreichend, um ein Kaninchen zu tödten. Die
Thiere zeigten starke Prostration, Sinken der Körpertemperatur, Exophthalmus, Ver¬
engerung und darauf folgende Erweiterung der Pupillen, Cyanose, Lahmungserschei-
nungen und schliesslich tonisch-clonische Zuckungen. Der Tod erfolgte im Opistho¬
tonus.
Der nach dem Anfall und in der anfallsflreien Zeit abgesonderte Sohwäss wirkte
nicht toxisch und verhielt sich nicht anders als der von Gesunden. Valentin.
Google
321
86 ) Les rd^es ohes les äpUeptlqnest par Y6r6. (La m^decine moderne. 1897.
& Dec.)
Es ist bei Epileptikern der Schlaf durch meist böse Träume gestört, die beim
ErmeheD merkwürdige oder gefährliche Handlangen ausiösen können oder aber ein
Dwbr oder minder langes Delirium entstehen lassen. Bisweilen scheinen sie die
Anfälle anznzeigeo, selten scheinen sie dieselben zu ersetzen, was besonders bei
Knr, speciell nach Bromkali eintritt. Ziemlich häufig gehen Träume
nächtlichen Anßllen voranf, oft in derselben Art ond Weise. Terf. bringt nun drei
höchst isteressante Krankengeschichten bei, die zeigen sollen, dass Träume Vorläufer
Too Anfällen sein können, die noch nicht da waren oder die wieder sich einstellen
«erden; im Verlaufe einer Kur können sie das Seltnerwerden oder Aufhören der
Krämpfe Toransaagen lassen. Sie haben also eine gewisse prognostische Bedeutung.
Die nähere Betrachtung der Träume zeigt ferner, dass es sich um einen echten
Aborüranfall handelt, der im Bewnsstsein seine Spor hinterlässt. Merkwürdig ist,
itäs Manche, die von dem Verlaufe ihrer Krämpfe nicht die geringste Erinnerung
haben, im Traume alle die einzelnen Phasen derselben sehen nnd nachher beschreiben.
Bef. müehte hierbei auf das noch so sehr Temachlässigte Studium der Träume bei
Oasteskzmnken, Epileptikern n. s. w. binweisen; denn was wir hierüber bisher wissen,
ift bintwenig und wenig vertrauenswürdig. Er hat sich schon lange bemüht bei
Geisteekranken hierüber sichere Daten zu gewinnen, bisher aber leider vei^ebens, da
4eT Fehlerquellen zu viele sind. Näcke (Hnbertusburg).
Therapie.
87) n bagno d’arta oalda oome mezao terapeutioo d’alouni paroeelami
epUettiai, per C. Cabitto. (Biv. sperim. di Freniatria. XXIU. 1.)
Auf Omnd experimenteller Untersnohungen Ober die Giftigkeit des Schweisses
Bpileptiacher wandte Verf. das heisse Lnftbad als tfaerapentisches Mittel an, am mit
iem Sehwöas einen Theil der toxischen Substanzen zo entfernen. Er fand, dass
das Mittel im Stande sei, Zahl, Dauer und Schwere der Anßlle herabzusetzen und
«pfahh ee im Verein mit Abführmitteln nnd Antiseptik des Magendarmcanals znr
dehaadloDg der Epilepsie. Valentin.
2S) Beneflcial effeota of the withdrawal of bromides in the treatment of
epüepay, b; Frederih Peterson. (New York med. Journal. Vol. LXVI.
1897. Nr. 13.)
Terf. zeigt an einer Reihe von Beispielen, dass entgegen der gewöhnlichen
mehr oder minder schnelle Entziehung der Bromide bei seit langer Zeit
BÖS Breasalzen gesättigten Epileptikern keine nachtheiligen Folgen bat, ja oft von
«rhrt»Ucher Bessenmg gefolgt wird. Diese Thatsache macht zur Pflicht, in solchen
FäRen nach plötzlicher Bromentziehnng mit der Benriheilung des Heilwertbea eines
tmnea Medkamentes vorächtig zu sein. R. Pfeiffer (Cassel).
29) Vyn operstivt behandlade fall af traumatiak epilepsi jämte statietisk
■mmmans^^MiTiing af operationresiütaten vid 97 fall af samma affection,
af 0. V. Siven. (Finska läkaresällskap-bandl. XXXIX. 3. 1897. S. 427.)
Terf. tiwUt 4 Fälle von tranmatischer Epilepsie mit, in denen in der chirur>
^m^ ärn. Klinik in Helsingfors die Operation ansgeführt wnrie. Im 1. Falle begannen
die AsK&Ua mit Drehung des Kopfes, über dem linken Schläfenbeine fand sich eine
81
-ri., Google
322
Karbe (nach einem Schlage). Nach Gntfenmng der deprimirten Knochen erfolgte
nur ▼orflbergehende Bessemng. Nach einer 2. Operation, bei der bankhaft Ter«
änderte Himsubstanz, dem Centrum für die Drehungen des Kopfes entsprechend,
excidirt wurde, wurden die AnHille allmählich seltener, so dass manchmal Vs
ohne Anfall vergehen konnte, während früher das längste Intervall 4 Wochen be¬
tragen hatte. Ob aber diese Besserung wirklich als Folge der Operation zu betrachten
ist, ist nicht sicher zu entscheiden, da Pat. Jahre lang nach der Operation Brom-
kalinm einnahm.
Im 2. Falle, in dem Pat. einen Schlag auf die Scheitelgegend bekommen hatte,
wurde zunächst sclerotisirter, deprimirter Knochen mit dem Meissei entfern^ wonach
die Anfälle wiederkehrten, nach einer neuen Trepanation, bei der eine kleine subdnrale
Cyste incidirt wurde, blieben die Anßlle einige Zeit lang aus, kehrten aber wieder.
In diesem Falle hat die Operation nichts genützt, man müchte sogar das Entg^en*
gesetzte annehmen, denn die freien Intervalle, die vor der Operation ungeßhr zwei
Monate betragen hatten, waren dV^ Jahre nach der Operation auf ungenthr eine
Woche reducirt.
Im 3. Falle, in dem die Verletzung in einem Hufschlag an der rechten Seite
der Stirn bestanden hatte, waren die Krampfanfalle nicht typisch. Uer Pat hatte
sich 13 Jahre nach der Verletzung im allgemeinen gut befunden, und war nach
einem neuen Stoss an den Kopf in einen Status epilepticus verfallen, der ungeAhr
drei Wochen dauerte. Die nicht typischen KrampfanÄlle vor der Anfoahme waren
wohl Folge einer vorhandenen Meningitis. Der Pat starb ungefähr 14 Tage nach
der Operation, bei der eine Cyste im linken Frontallappen erüffiiet wurde, an deren
Boden, wie die Section ergab, eine Fistel mit dem rechten Seitenven^kel com-
municirte.
Im 4. Falle, in dem der Pat. eine Verletzung über dem rechten Auge erlitten
hatte, begannen die Anßlle in der linken Gesichtshälfte, von der die Krämpfe anf
die linken Extremitäten fibeigingen, die paretisch waren. Bei der Operation, die an
der Narbe über dem rechten Auge ausgefflhrt wurde, wurde ein durch die Dora in
die Himsubstanz eingedrungener Knochensplitter entfernt und zwei Cysten ia der
Hirnrinde wurden erüfifnet; danach hörte der vorhandene Kopfschmerz auf, aber die
KrampfannUle dauerten fori Bei einer 2. Trepanation über der Mitte des Sulcus
Bolando wurde nichts Abnormes im Gehirn gefunden. Die Parese blieb danach nn-
verändert, die Rrampfanntlle schienen etwas seltener zu werden, bestanden aber fori
Aus 97 Fällen mittels Operation behandelter Epilepsie, die Verf. ana der
Litteratur gesammelt hat, scheint sich zu ergeben, dass der Pai nicht zu alt sein
und die Epilepsie nicht zu lauge bestanden haben darf und die Krämpfe nicht
allgemein sein dürfen (höchstens halbseitig), wenn eine Operation Aussicht auf Erfolg
gewähren solL Die zwischen dem Tranma und dem ersten Anfall verflossene Zeit
scheint keine nennenswerthe Bedeutung zu haben.
Walter Berger (Leip^).
30) EpUepsy: ita aurgioal treatznent witb the report of a oaae, by F. A.
McGrew. (Medicine. 1897. May.)
36jähr., erblich nicht belasteter Mann, früher stets gesund, springt im Jafare
1882 anlässlich eines Brandes ans dem 4. Stock eines Hanses anf die Strasse ond
erleidet schwere Verletzungen an den rechten Extremitäten ond am Kopf. Heilung
nach 3 Monaten. Eine halbe Stunde nach dem Unfall erster epileptischer Insult»
und von da an 13 Jahre lang t^lich mindestens ein Anfall mit Ausnahme einer
Pause von 6 Tagen nach Anlegen eines Haarseiles und einer von wenigen Wochem
nach einer im Jahre 1894 voigenommenen Operation am Schädel Vorf. beobechtetei
den Pat. vom Jnni 1894 an. Im Jahre 1888 nach einem schweren Anfkll Monate
■' Google
323
latg aBh«haode Stommlieit and Taabheit Bei der Uniersaehang fanden sich an der
üsken Sebddelh&lfto swei Narben« eine lineare and eine bafeisenfOrmige, letztere, die
des Tranmas« an der hinteren Partie des Os parietale nahe der Lambdanaht
pbgee.
Im IQrz 1895 tritt nach einem schweren Anfall abermals völlige Aphasie and
Tiabhmt ein. Schrdben and Ijesen, sowie die Intelligenz im fibrigen ungestört
Kuhdem dieser Zoetand volle 9 Monate bestanden, entschloss sich Yerf. auf das
Dtingen dee Fat zor Operation.
Besil^ich der technischen Einzelheiten sei auf das Ordinal verwiesen; bemerkt
m Bor, daas Yerf. den Knochen an der Stelle des Traumas resecirte, die Dura indess
ädt erSffoete. Der Knochendefect wurde durch eine silberne Platte, Ober der die
Bart Toni&ht warde, gedeckt Unmittelbar nach der Operation Schwinden der
äffsdi- and GehOrstömng. Der weitere Effect war, dass Pat bis zum Zeitpunkt
4« PublkatHm — 16 Monate nach der Operation — frei von Änföüen geblieben ist.
Die An&lle von Aphasie and Taabheit sind als functionelle Störungen auf*
nifitwnn: beeondeia eiatere ist nach epileptischen Anfällen öfters, wenn auch noch
üdt in solcher Extensität, beobachtet worden. Martin Bloch (Berlin).
91) Kodern m^hods of treating epllepay, by W. Xavier Sudduth, A. M.,
M. D. (Medidne, monthly Joom. of Med. and Sargery, Detroi^ Mich. 1897.)
Aiugshend von der Erfahrong, dass die die Err^barkeit herabsetzenden Medi*
mamts bei Epilepsie aaf die Dauer das Centralnervensystem schädigen können, und
petfttzt auf die (flbrigens keinesw^ bewiesene, Bef.) Hypothese, dass psychische
Satfiaae das Wesentlichste beim Zustandekommen und Andauern der epileptischen
Zoetände nnd« und dass die Epilepsie eine „Krankheit des Bewusstseins*' (disease of
;ke eoaadoaaness) ist, empfiehlt Yert gegen derartige Zustände suggestive, eventuell
hypaotiaehe Behandlang, besonders moralische Beeinfluseang und „Bewachung der
änttthabowegangen*', verbanden mit allgemein hygienischen und diätetischen Yor-
tthnfkao« sowie Anhalten za r^elmässiger Beschäftigung, am besten in einer dem
Pst MBon Umgebong.
Wann schon die Einzelheiten dieser AusfObrangen durchwegs einen ausserordent*
Mai^l an kritischer Sichtung erkennen lassen, so wird es vollends wohl
aihsi den wohlwollendsten Leser unverständUch bleiben, was Yerf. mit seiner zum
ScUasa eapfohleneo, offenbar „modernsten“ Behandlungsmethode der Epilepsie meint,
fia daria besteht, die Epileptiker „AthmungsAbungen auf einem bestimmten Ton au*
iteflen sa lassen, welche die KOrperschwingungen auf einen normalen Tonus bringen
seflaa, and eveotaell mit Clavierbegleitung vo^enommen werden können.“!!
Toby Cohn (Berlin).
99) Sor Opinmbehondliuig der EpUspsie naoh Tleohalg, von Bratz (Wühl*
garten). (AUgem. Zeitsehr. f. Psycb. Bd. LIY. S. 208.)
Abermals nne Yermehrang der YerOffentlichongen, die neben einzeluen guten,
a e hiT eo fra^chen and meist negativen Resultaten der Opiumbrombehandlnng von
•sesei die groese QefäbrUchkeit dieser Therapie illostriren. Von 43 in Wuhlgarten
mdl Fleebsig’s Methode behandelten sind 3 während der Behandlong im Status
SO ^ande gegangen; einer der Kranken hatte früher nie einen Status
tmtßkaUn. 28 regelmässig wöchentlich gewogene Kranke nahmen durchschnittlich
^nod dar Opiumdarreichong om 3360 g ab! 6 Mal traten in der ersten Brom*
liinü Tage bis Woeben lang andauernde epileptische Psychosen anf, bei einer Reibe
vm Ktaiffc*« während der Opiombehaadlong Ddirien. Bei zwei weiteren Patientinnen
21 *
vGoogIc
324
entwiokfllta sieb ir&hrdnd der OpinmmedicatioD ein bedrohlicher coonüsiTisdter Zb*
stand, der nach einer soforti^n Verabreichni^ Rösser Bromdosen wich.
Asobaffenbnrg (Heidelberg).
33) Ueber die Erfolge der Fleohsig'sohen Opium-Brombehaadlang, von
Kellner. Aus den Alsterdorfer Anstalten bei Hamburg. (Deutsche nwi
Wocbenschr. 1898. Nr. 5.)
Verf. wandte die Flechsig’scbe Kur in 12 geeigneten Fällen an, bei welchen
noch keine Demenz bestand, der Kräfteznstand gat war; die gewShnlicbe Brom*
behandlnng hatte keinen Erfolg. — Die grossen Opiumdosen wurden gnt Tertmgoi.
Heilung erfolgte in keinem Falle, 5 Kranke blieben nnbeeinSusst, 6 wurden aDTw*
kennbar gebessert, ein Pat. verliess die Anstalt gleich nach der Kur und entzog sich
weiterer Beobachtung. B. Pfeiffer (Cassel).
34) Brlkhnmgen über die Behandlung der Epilepsie mH Opinm^Brrnn,
Ton Dr. Warda in Blankenbnig-Schwarzatbal. (Honatsschr. f. Psycb. n. Neo*
rologie. Bd. II. 8. 257.)
Verf. hat 43 Patienten mit der Flecbsig’schen Opium-Bromkur behandelt und
hat die Ueberzengnng gewonnen, dass 55 ‘'/q dadurch entweder wesentlich oder leicht
gebessert worden sind. Die Kur besteht bekanntlich darin, dass in allmählkh an¬
steigenden Dosen Opium purum gegeben wird — Erwachsene erhalten zuletzt 1,0
und mehr —, dass dann das Opium plötzlich entzogen und sofort Brom in grossen
Dosen mindestens 2 Monate lang gereicht wird. Verf. giebt Erwacbsmien das Brom
in der Dosis 6—9 g, Kindern etwa 3 g pro die, und behäUt dieses Quantum, falb
keine Störangen eintreten, ^ 4 — Vs ^ in jedem ]^e zu deut¬
lichem Bromismus kommen. Er geht dann ganz allmählich von Halbjahr zn Halb¬
jahr zurück; noch nach 2 Jahren erhält der Kranke täglich 1—2 g Brom. Monate
lang führt der Verf. Bettruhe durch und sorgt für gute Krankenpflege.
Ein guter Erfolg der Kur wurde namentlich bei jugendlichen Epileptikern
erüelt. Das Ueberwiegen von petit mal-Anfällen, das Vorkommen von länger dauernden
Aequivalenteu und anderen psychischen Störungen, und das Vorherrschen stärkerer
psychisch-epileptischer Degeneration gaben eine ungünstige Prognose. Kranke mit
intacter Psyche oder geringerer Degeneration reagirten auf die Behandlnng gut
Verf. widerräth die Kur bei körperlich hemntei^kommenen Patienten. Obwohl aber
der Emährungszcstand vor Beginn der Kor gehoben worden war, geriethen 2 Patienten
durch Opinmintozication in einen Status epUepticus, in dem bei dem einen Kranken
der To'd erfolgte. In einem anderen Falle, in dem nach der Opinmlrar 3 Wochen
lang täglich 7,5 und dann iVj Monate lang 6,0—7,5 Brom pro die verabreicht
worden waren, kam es zn schwerem Bromismos mit Temperatursteigening, nnregel-
mäasiger Athmnng und Pericolum vitae! G. Ilberg (Sonnensteio).
m. Aus den Gesellsohaften.
Blologisohe Abtheilung des Sratllohen Vereins su Hamborg.
(Sohloas.)
Sitzung vom ll.Jannar 1898.
Goebel hält seinen angekündigten Vortrag: Zur patholegisohen AnatMile
der Landry’sohen Paralyse.
Vortr. bespricht die Litterator; er glaubt, dass seit der Eicbhorst’scbei
PubUcation über Neuritis acutissima progressiva eine grosse Aniafal von Fällen dei
'ig g/od
Google
325
UBdrj’acb«D Ptrmlyse lagBreehnet w&reo, welche anderswo gut unterzubrmgen
HMB, imd desB mui deshalb die engen Grenzen, welebe Landry, und nach ihm
Westpkal dem nach ihm benannten Symptomenbilde gesteckt habe, im Grossen und
flww mdit ZQ flbonchreiten brauche.
]n dem Torli^enden Falle handelt es sieb um einem vor 4 Jahren luetisch
{leaBajien, im übrigen soliden, dem Trünke nicht eigebenen Tapezirer, welcher
4 Wochen vor dem Aufbeten der spinalen Erscheinongen sich stark erkältet hatte
Dd darnach ein Gefühl yon Druck in beiden Oberschenkeln bekam. Einen Monat
iptter stellte sich plötzlich eine schlaffe Faraparese der unteren Extremitäten ein
Aufhebung der Sehnenreflexe, ohne Teränderungen der elektrischen Erregbarkeit
nd ohne SenSibilitttsstömngen. Der Tod erfolgte 17 Tage später bei freiem Sen-
imoB in einem Anfall von Athemnoth, nachdem unter ascendirendem Verlaufe der
Uhmungeii, und besonders unter dem Auftreten yon Augenmuskel', Rau- und Schluck-
'ihsuBgen Ton sehr starker Ausdehnung, schliesslich noch eine zweifelhafte Ab-
stnpfoig des Gefühls an den Füssen und geringe Urinbeschwerden sich bemerkbar
rMMht hatten.
Eb fanden sich die peripheren Nerven, frisch gezupft in Osmiumsäure nnd ge-
firbt nach Weigert and mit Carmin, normal, in einigen Muskeln Vermehrung des
ateistitiellen Gewebes nebst frischen Degenerationen der Fasern, in den meisten nur
ktztere; in einzelnen Bündeln der Cauda equina herdweiser Untergang von Nerven-
fusm in der Umgebung eines stark gefällten Geßsses, mit Wucherung der Stütz-
cohstanz ohne EemvermehniDg, ebenda nach Harchi frische D^eneration einiger
Axacylinder nnd Markscheiden, bei Intactheit des Rückenmarks — Weigert, C^min,
larchi —, and besonders der vorderen Wurzeln — Weigert. Carmin, Osmiumsäure.
Oie Gegend oberhalb der I^ramideokreiizong bis zu den Oculomotorinskemen zegte
a dar Manhimethode zugängliche Veränderungen, und zwar eine Querschnittsmark-
d^ SDurat ion geringen Grades ohne myelitische Processe, sowohl der langen Bahnen,
aia aoeb der extra- und intramednllären Wurzeln incl. des intranocleären Fasemetzes,
abae daae Carminpräparate eine wesentliche Alteration der Ganglienzellen erkennen
itmm. Das aobcortioale Marklager war sehr gering affleirt. Die sehr vergrösserte
sad wusch# MUs wurde bakteriologisch nicht, das Rückenmark mit negativem Resul¬
tate cultsreU untersucht. Auch tinctorielle Versuche am gehärteten Rückenmark
sad in der Cauda equina fielen negativ aus.
Oer Vortr. weist noch hin auf einige analoge Krankheitsbilder, in denen die
waihle ^häre klinisch im allgemeinen intact bleibt, anf die Bleilähmungen, die
Tate&ia^ den Tetanos, die paroxysmale familiäre Lähmung, die Myasthenia gravis
pauudopanlytica, io umgekehrter Richtung anf die Tabaksamblyopie und die Amaurose
arb Donrnng von Extractum filicis, und betont, dass er die gefundenen Veränderungen
aof^mst als das anatomische Substrat der stattgehabten schweren Lähmungen,
mmIsa als den mikroskopisch nachweisbaren Ansdmek einer durch eine nns noch
cBhekaimte — Infectionsbankheit? — Noxe eiogetretenen Intoxication.
(Autorreferat.)
Könne schlieast sich dem Vortr. darin vollkommen an, das in der Litteratnr
hAer eine ziemliche Verwirrung herrschte in den als „Landry’sche Paralyse** mit-
zithefltea Arbeiten; er bezeichnet den Fall von 6., der von seiner eigenen Abtbeilung
m Erankenhause stammt, als einen absolut reinen; auch dieser Fall beweise, eine
13# Eeiau finactiou die Marehimethode sei: erst mit der Marchimethode habe G. Dege-
amsUaneo naebgewieeen da, wo die sonstigen Methoden nichts Pathologisches gezeigt
kMten. And) N. ist der Meinnng, dass die nachgewiesenen Degenerationen nicht
4» uMtomiflcbe Ursache der klinischen ErscheinangeD, sondern nur der Ausdruck
ter atettg^nhten Infsetion bezw. Intoxication des CentralDervensysiems seien: ebenso
UMU die aeoteu parenchymatösen Veränderungen, die in vielen Moakeln oaebgewiesen
Google
326
werdeo konnten, nnr ein symptomatischer Ausdruck dieser Intoxication. N. weist Ar
diesen Fall speciell auf die vielfache Incongmena xwischen dem Befund in eQud&M
Nerven — nach Marehi — und Muskeln und den klinischen L&hmungserscheinuiigen
bin. Schliesslich berichtet N. Aber einen Fall, den er vor 2 Jahren beobachtet hat
und der ganz der „bnlbären Form der Landry’sehen Paralyse** entsprach: Bise
37 jährige Frau erkrankte mit febrilen AUgemeinstÖrnngen, ohne dass eine somatische
Ursache uachgewiesen werden konnte; sie hatte in den letzten Monaten viele Er*
reguugen in der Familie durchgemacbt; Fat. fing an zu halluciniren, und wurde
leicht err^t; dann wurde die Zunge schwer bew^lich, dadurch, ebenso wie durch
eine Parese der Lippenmuskeln, die Sprache undeutlich, von Mbnlb&rem** Charakter;
Fat. begann sich zu verschlucken; dies spielte sich im Laufe von ca. -10 Tagoi ab;
die Paresen der Schluckmuskulatur nahmen zu, meningitisehe Erscheinungen fehlten,
die Temperatur war subfebril. Im Laufe der nächsten 4 Tage trat eine abnorme
Erhöhung der Pulsfrequenz, dann Irregularität und In&qualit&t des Pulses auf, die
Bespirationsmuskeln wurden ebenfalls paretisch, während die — interioren und ex*
terioren — Augenmuskelbewegungen intact blieben. Unter Hera* und Athemlähmnng
erfolgte, nachdem in den letzten 3 Tagen wegen completer Schluckläbmung die
Magensondenernährung hatte durcbgefflbrt werden mflssen, der Ehritus. An den
oberen und unteren Extremitäten waren keine Lähmungen aufgetreten, das Verhalten
der Refiexe und der elektrischen Err^barkeit blieb bis zum tödtlichen Ausgang
normal.
Bei der anatomiscben Untersuchung erwiesen sich die basalen Himnerven —
geprüft in 1 Osmiumsäure —, ebenso wie die ganze Mednlla oblongata — goArbt
mit BoraX'Carmin und nach FaNWolters — ganz normal. Eine bakteriologische
Untersuchung wurde nicht voigenommen.
Saenger fragt an, da bei Landry’scher Paralyse nur äusserst selten Augen*
muskellähmungen Vorkommen (er selbst habe sie nie beobachtet), ob Yerändonngen
luetischer Natur gefunden seien, zumal der Patient Lues gehabt habe. Die auffiUlig
starke Betheiligung der Augenmuskeln rechtfertigte sehr den Verdacht auf genannte
Affection.
Auch sei vielleicht eine Polioencephalitis sup. et inf. nicht luetischer Natur in
Pri^e zu ziehen, wenngleich der klinische Verlauf gegen diese Annahme spräche.
Ebenso die jetzt häufiger beobachtete asthenische Bulbärparalyse.
S. hatte die bakteriologische Untersuchung des vom Vorti*. irrthAmlich als nicht
zutreffend erwähnten Eisenlohr’schen Falles vorgenommen. Das Eigebniss sei da¬
mals positiv gewesen, und er bäte um Anskonft darüber, welches culturelle Verfizbren
in vorliegendem FaUe eingeechlagen worden sei.
Bötticher fragt, wie das Verhalten der Ganglienzellen im Bückenmark und in
der MeduUa oblongata gewesen sei, und ob diese nach Nissl untersucht worden
wären.
B. erwidern Herr Nonne und Ooebel, dass die Nisslmethode eingehend an¬
gewandt worden sei und hier durchaus keine sicheren Anomalieen angezeigt habe,
im Uebrigen erinnert N. an die Befunde von Goldscheider-Flatau, die uns von
jetzt an grosse Vorsicht in der Verwertbung von Nisslverändemngen der Ganglien¬
zellen auferlegen müssen.
Vortr. antwortet Herrn Saenger, dass für die Annahme einer Polioencephalitis
Superior et inferior weder das klinische Bild, noch der mikroskopische Befund ge¬
sprochen habe; Vortr. betont noch einmal, dass das Verhalten der Gefäaee, auf
deren elastische Fasern er sein besonderes Augenmerk gerichtet habe, ein ganz
normales war; die Untersuchung auf Bakterien in Schnitten, sowie das Cultnrreifahren
(Bückenmark, periphere Nerven, Milz) habe kein sicheres Resultat ergeben.
Google
327
Sitzung vom 1. Febrnar 1898.
Nodd« stallte vor: 1. einen 28jiUuigen Matrosen, der das Bild der pseudo-
iputiiohen Puwe mit Tremor bietet; die Bewegungsstörung, die im Uebrigen
^ d(B Cbarscter Mgt, wie ihn Tortr. seiner Zeit beschrieben hat, ist in diesem
PiU laf die rechte untere Kxtremit&t allein beschränkt Die ganze Extremität ist
laalgetiKh und hypästheilscb für die anderen Qualitäten der Sensibilität; ausserdem
bstAt doppelseitige, sehr hochgradige Einengung des Oesicbtsfeldes. Die Psyche
ui^ hjstarisdie Zflge. ln diesem Fall stellt also, wie auch in einzelnen der frOher
TOB Tortr. beschriebenen Fälle, der pseudospastische Schütteltremor eines
TOD DDbreren hysterischen Stigmata dar. Das auslOsende Moment in
dtamfUl war eine schwere Malaria gewesen, die Pat yor drei Monaten durch-
paedit hatte.
2. zwei Fälle, die Tortr. in das Gebiet der maladie des tics verweisen will:
ij dOjihriger Mann hatte vor zwei Jahren im Anschluss an ein Kopf-
TriDBi ~ Fall von einem Eisenbahnwagen auf die Schiene — eine rhythmische
Geb^Stdrung bekommen. Der Gang war nur noch als Springschritt möglich,
nach Art des Echternacher’schen Processionsschritts. Beim Stehen und
Süta besteht ein fortwährendes streng-rhytmisches Wiegen des Kopfes und Rumpfs,
iea «oer Pagode nicht unähnlich; mit geringen Remissionen besteht diese Störung
](Bt söt ca. zwei Jahren; objective hysterische Stigmata bestehen in diesem Falle
lidit; lof psychischem Gebiete besteht eine mittlere Depression und Neigung zu
ijpochoodrischen Zwangsvorstellungen.
b) Ein ISjäbriges Mädchen war vor drei Monaten im Anschluss an einen
Sekreek ~ als Eindei^ärtnerin liess sie ein ihr anvertraotes Kind auf der Treppe
fdlea — mit einer rhythmischen Bewegungsstörung der oberen Extre-
■itiiiD ond des Kopfes erkrankt Pat macht fortwährend sägende und mähende
Btviftmgeo, mit dem Kopfe, dabei rhythmische Kreisbewegungen beschreibend. Auch
Bjstaie ist eine monosymptomatiscbe, insofern als objective sonstige Stigmata
lidt nachzuweisen sind. Der Name „Chorea rhythmica" ist für diese Fälle kein
fileklieber, da im Gegensatz zur eigentlichen Chorea hier die rhythmischen Bewe*
fnga bei intendirten Bewingen sistirt werden, und da ferner die Bewegungen
hmnn Fälle streng coordinirt sind.
Saeoger: Ueber ftinotionell>ixeryöBe Erkrankungen im xindesalter.
Ebenso wie Bruns weist Tortr. den von dem Neurologen Sachs io seinem
itnlieh erschienenen Lehrbuch aufgestellten Satz zurück: „wenn Hysterie beim Er«
y*ckineD eine seltene Krankheit ist so ist sie noch seltener beim Kinde*'. Tuczek,
Sciligmaller, Smidt, Jolly, Charcot, Briquet haben schon längst die Häuüg-
der Hysterie im Kindesalter betont Neurasthenie in diesem Alter leugnen
bervomgende Neurologen (Charcot, Krafft-Ebing). Andere, wie Emming-
Oppenheim und besonders Arndt sind en^egengesetzter Äosicbt Tortr.
^ diesen Autoren bei und stützt seine Ansicht durch eigene, während einer
'Jibrigea Beobachtungszeit an der Polikliuik des Alt. allgem. Krankenhauses zu
ihnbrng gewonnene Erfahrungen.
Dis Mehrzahl der nervösen Kinder kam wegen Sehstörongen in die Äugen*
P^Hkimik des Hm. Dr. Wilbrand, auf dessen Anregung Tortr. jedes dieser Kinder
"BfDkad neurologisch uutersucbte. Unter 30 759 Angenpatienten befanden sich
rmder, die an nervöser Asthenopie litten. Letztere kommt am meisten zwischen
^ 10. and 14. Jahre vor.
Google
828
Yortr. tbeilt die kleinen Patienten in vier Gruppen ein:
1. Neurasthenie.
2. Hysterie.
3. Gemisch von Neurasthenie und Hysterie.
4. Hereditäre Neuropathie.
Symptome der 1. Gruppe: Heist Anämie. Leichte ErmQdbarkeit, AengsÜicbkeit^
Neigung zum Weinen; sehr erregbar; Herzklopfen, Schwindel, erhöhte vasomotorische
Erregbarkeit. Oft Depression; UnlustgefQhle, Schlaflosigkeit, Yerstopfung. Znweilen
echte Fhobieen (Agoraphobie). Beinahe stets Zittern der Lider bei leichtem Augen*
schloss.
Symptome der 2. Gruppe: Analgesieen, Gesichtsfeldeinschränkongen, Fehlen des
Conjunctival- und Bachenreflexes. Häufig mono-symptomatisches Auftreten, Haltungs*
anomalieen (hysterische Scoliose; Torticollis, eigene Beobachtungen mit rascher Heilnng),
Chorea; Blepharospasmus, Ptosis byst; hysterische Amaurose. Krampfanfälle, bypnolde
Zustände und bei einer Reibe von hysterischen Kindern Enuresis nocturna, die durch
Wachsuggestion geheilt wurde.
Symptome der 3. Gruppe: Hysterische und nenrastbenische Erscheinungeo neben
einander, rasche Ermüdbarkeit beim Lesen; nervöse Asthenopie, Gesichisfeldein*
Schränkung; Fehlen des Bachen* und Conjunctivalreflexes. Hallucinationen des Ge¬
sichts, Gehörs; Nachtwandeln.
Symptome der 4. Gruppe: Heist erbliche Belastung, ln den ersten Lebens¬
jahren Convulsionen. Später ticartige Zustände. Grimassenschneiden. Choreaartige
Bewegungen. Diese Kinder sind sehr empfindlich, eigensinnig, jähzornig und sehr
furchtsam. Frühe hypochondrische und egoistische Züge. Frühauftretende sexuelle
Triebe. Onanie. Psychopathische Minderwerthigkeit (Koch).
Yortr. giebt Beispiele für die einzelnen Groppen, deren Prognose bis auf die
vierte günst^ ist.
Die Therapie bestand in Hebung der constitutioneilen Ursachen: (Eisen) Kalt-
wassercnr; frische Luft und in Anwendung der Elektricität, welche namentlich bei
der zweiten Groppe das beste und unschädlichste Wachsuggestionsmittel ist. Yortr.
braucht die Hypnose nicht.
Für schwerere Fälle, namentlich bei hereditär Belasteten, ist AnstaltsbehandloDg
zu empfehlen.
Zum Schloss geht Yortr. auf die theoretischen Schlussfolgerungen ein, die sich
aus seinen Erfahrungen im Kindesalter eigeben.
Er wendet sich gegen die namentlich von Höbius vertretene Auffassung der
Hysterie, dass alle Aeusserungen derselben auf Yorstellungen beruhen, da die Stig¬
mata, Befiexanomalieen, Aenderungen der elektrischen Erregbarkeit den Hysterischen
gar nicht zum Bewusstsein kommen. Yortr. hält die Hysterie für eine Neurop^cbose,
bei der abnorme functionelle Veränderungen im Centralnervensystem Vorkommen, di«
uns bis jetzt unbekannt sind. Schon die klinisch so vielfältig beobachtete Thatsache
der Combinirung organischer Nervenaffection mit Hysterie, der eigenthümlidien Hal¬
tung der Gifte (Alkohol, Blei) zur Auslösung der Hysterie weisen darauf hin.
Ferner hebt Yortr. hervor, dass er den Beginn der Hysterie im Kindesaltsr
studirt habe. Dieselbe kündigt sich durch die bekannten Stigmata, nicht durch Vor-
stellungsanomalieon an.
Schliesslich bespricht Yerf. noch die Neurasthenie und meint, dass einzelne
Formen derselben analog der nervösen A.sthenopie auf einer Unterwerthigkeit der
nervöseu Endorgane in einzelnen Organbezirken beruhe.
Als Ursache der functionell nervösen Erkrankungen im Eindesalter hebt Yortr.
die mangelhaften Lebensbedingungen, die Schulüberbürdung, die Heranziehung der
Kinder zum Erwerb bei maugelhafter Erholung hervor.
Google
329
Di* soMbmMide Kerfositat zeige eich am craesesten in der Zunuhme der Kinder«
i^lbstotonie; daher'sollen Aente ihr Augenmerk mehr auf die nerrdseen Krkrankungen
in Kiadeadter richten und die Behörden sollten Schulärzte anetellen.
(Autorreferat).
Sitzung vom 15. Februar 1898.
Bdtiiger demonstrirt zuerst einen 47jähr. Patienten, bei dem sich im An-
Khlos IO eine schmutzige Sehnenverletzung und Phlegmone am linken Unterarm
m Neoritis des N. medianus entwickelt batte, die eich in typischer Weise durch dege-
sntiie Atrophie der DaumenbaUenmnsknlatur und der - twei ersten Lumbricales,
toch mteprechende Sensibilitätsstdrungen, und ausserdem durch tropbische Störungen,
Bhan imd Geschwüre, in der Haut der drei ersten Finger und der Radialseite des
4. Ffai^en maoifestirte. Zugleich fand sich bei weiterer Untersuchung des Pat be-
pimde Dementia paralytica mit tabischen Erscheinungen. Lues war vorhergegangen.
Vortr. bespricht kurz den fast dnrcbgehends zu beobachtenden Unterschied in der
VtrhrntQog von Sensibilitätsstörungen bei Tabes dorsalls und Taboparalyse, nament-
M die grosse Regelmässigkeit derselben am Rumpf bei ersterer, und das fast stete
Wn dmzelben bei letzterer ebenda. Ausserdem giebt er zu bedenkeu, ob nicht
«otnie Leiden mit das Auftreten trophischer Störungen im Gebiete der Neuritis
Miigt haben mag.
Sodann demonstiirt Tortr. einen Patienten mit Tumor des Kleinhirns, welcher
uBg» intSFMsante Symptome darbot.
DiKQssion fiber den Vortrag des Herrn Saenger: Ueber functionell - nervöse
Erkrankungen im Kindesalter.
Hess: Mao kann über die Eintheilung Saenger’s discutiren, je nachdem man
dm heste von ihm als in die IV. Gruppe der hereditären Psychopathie gehörigen
^it«i Fall wegen des Fehlens der Sprache schon als geringen Grad der Idiotie
ufiuBt Bestimmend sind vielleicht die Kopfmaasse.
^>6080 wie bei Erwachsenen kommt bei Kindern im Anschluss an schwere
uatoaiech« Erkrankungen des Nervensystems Neorastbenie und Hysterie vor (Fall
närtaseitiger spinaler Kinderlähmung — Atrophie, Tenotomie, Schiene — mit
l‘j JihreD, der jetzt Symptome der Hysterie — Globus, Änfölle — zeigt); oder
e Ma ZQ anderen fonctionellen Neurosen hysterisch-neurastbeniscbe Symptome
hua (lOjihrigee Ittdcben mit Chorea minor bat jetzt Cephalalgieen und Herz-
Pdpittiinien).
fhr die Aetiologie kommt, abgesehen von der Heredität, besonders Ueber-
in der Schule in Frage, jedoch glaubt Vortr. nicht, dass die vielen
^^Betaordfl unter den Schülern, die nach Saenger in Deutschland am zahlreichsten
ganz allein auf die Neurasthenie znrfickznführen sind, da in anderen Ländern
letztere grösser ist (Autorreferat.)
Nonne stimmt, gegenüber früher an diesem Orte von Böttiger geäusserten
1‘fatbeiligeD Ansichten, mit Sänger überein, dass die objectiven hysterischen
-tifaita eine sehr wesentliche diagnostische Dignität haben, als dieselben
^ bei Kindern in charakteristischer Weise Vorkommen und dass die Ansicht, die-
Men stets vom Untersucher ansuggerirt, verkehrt sei. Vortr. will nicht die
Cbireot’sche Lehre von den objectiven Symptomen der hysterischen Amaurose ent¬
kalket sehen; besonders häutig siebt man motorische Beiz- und Lähmungszastände
'CoBtnetoren und Paralysen) mit tiefen Alterationen der Sensihiltät — im Sinne
^ Hyparistheeie sowohl wie der Anästhesie — bei Kindern vergesellschaftet. —
den Beobachtungen bei erwachsenen Unfall-Nervenkranken sieht man aoch
bd — nervöeen und anscheinend nicht nervösen — Kindern die Symptombilder der
Google
830
— localen and allgemeinen — traamatiBcben Hyeterie, der „{fran^^ hystdrie, der
cerebralen und spinalen Nearasthenie auftreten. Vortr. brii^ einzelne diesbezOgliche
Beobachtungen, schildert speciell auch F&lle von traumatisch entstandener hysterischer
Astasie «Abasie bei Kindern. Als besonders hartn&ckig und nicht selten — wie so
oft bei Kindern — monosymptomatisch auftretend, erwähnt Yort die excesrnve
Onanie oüt pathologischer Beactionsform. — Ton einer „Nearasthenie“ der Säuglinge
and ganz kleinen Kinder will Vortr. g^nflber Saenger nichts wissen; zu der £nt«
stehung der Neurasthenie gehöre neben der Disposition auch das Milieu, und dieses
wirke erst bei dem Kinde, wenn es beobachte und verstehe; die Binswanger'sche
Definition der für den Neurastheniker charakteristischen „einseitigen, ^ocentrischen
Verarbeitung des gesammten YorstellangS'lnhalts, welcher aus der pathologisch ge«
steigerten Beschäftigung mit den Zuständen des eigenen Körpers herrorgeht,“ zeige
auch, dass erst von der Zeit der Möglichkeit eines Yorstellungslebens an von einer
eigentlichen „Neurasthenie“ gesprochen werden könne; dazu sei aber die bereits er«
folgte AnsbilduT^ der Associationssysteme im Qehim nöthig. Die grosse Häufigkeit
der Neurasthenie bei jai^en Kindern hat Yortr. in seinem Erfohrungskreise nicht
bestätigen können; auch Binswanger sah unter 131 Neurasthenikern nur 4 Fälle,
die sich im ersten Decennium des Lebens befanden.
Yort. rühmt den Nutzen, den die Behandlung mit hypnotischer Su^estion bei
Kindern häufig bringt; gerade die Thatsache, dass schwere Symptome hier besonders
häufig monosymptomatisch auftreten, berechtigt zur Anwendung derselben. Yortr.
hat unter vielen Fällen niemals den geringsten Schaden beobachtet und hält die
gegentheiligen Behauptungen für übertrieben und nicht durch die praktischen Er«
fahrungen in vorsichtigen Händen erhärtet. Yortr. wendet die Elektricität nur noch
in denjenigen, für den Praktiker weit häufigeren Fällen an, in denen ein suggestiver
Nutzen von ihr zu erwarten ist; die auf dem Frankfurter Klektrotherapeutencongress
geforderten experimentellen Beweise für die Heilkraft der Elektricität bei
organischen Affectionen des Nervensystems seien bisher ausgeblieben.
Dr. Liebrecht: Die Symptome an den Augen bei der Hysterie sind objective,
beruhen nicht aof snbjectiver Yorstelluog oder Einbildung der Kranken oder auf
Suggestion. Es kommen dabei in Betracht:
1. Die Sehstörungen. Abgesehen von der bekannten ausgesprochenen hyste¬
rischen Amblyopie und Amaurose treten auf geringgradige Sehstörungen, die meinee
Erachtens nur auf Accommodationsstömngen zurückznführen sind. Han findet in
kurzem Wechsel geringen hyperopischen Ast^matismos, geringe manifeste Hyperopie,
dann wieder Myopie, bis eines Tags wieder Emmetropie vorhanden ist und alle
Gläser verworfen werden. Dass diese AccommodationsstOrnngen nicht simnlirt sind,
sieht man daraus, dass nur mit dem betreffenden corrigirenden Glase volle Sehschärfe
erreicht wird.
2. Das Doppelsehen. Unter etwa einem Datzend von Fällen konnte ich
mich nicht von der Lähmung eines einzelnen Muskels Überzeugen, sondern es war
das Zasammenwirken der Muskeln gestört, wie es für die associirten Bewegungen,
für das physiologische Einfachsehen beim gesunden Menschen vorhanden. Die in
den ersten Lebenswochen erlernte Association der Angenbew^ungen ist eine Zeit
lang verloren gegangen, daher der häufigo Wechsel in der Stellung der Doppelbilder.
3. Die Pupillenerscheinungen. Ich habe keine reflectorische oder absolut
starre Pupille auf Hysterie zorückführen können. Wohl aber kommt zeitweil^ ein¬
seitige Pnpillenerweiterang vor, die nach einem gewissen Zeiträume wieder schwindet
Dabei ist die Beaction der Papille auf Licht und Conveigenz nicht beeinträchtigt
4. Die Sensibilitätsstörungen der Bindehaut und Hornhaut Bei
Berührungen der Bindehaat oder Hornhaut in der Lidspalte erfolgt kein Blinzelreflez.
(Dabei ist za beachten, dass schon physiologisch die Berührung der unter dem
Unter- und Oberlide befindlichen Bindehaat meist keinen Befiex hervorruft)
./Google
331
fi. Di« Gesiehtsfeldeinscbr&Dkungen, sowi« die mangelnde Adap*
Utioisfihigkeit der Netihaat im Dunkeln hei einer Anzahl Hjsterisoher kann
kh ToUkonmen best&tigen. (Antorreferat)
Lenhartz bezweifelt nach «einen Erfahrungen die grosse U&nfigkeit der Keu*
nsthoüe bei Kindern; er weist darauf hin, dass auch bei Kindern F&lle Ton Simu-
Torkomoen; man mflsse sich vor einer Schreck • Therapie — körperliche
Zielitigaag — hüten, da unter Umst&nden durch intensiven Schreck eine wahre
^lilepsie eintreten könne.
fiöttiger verficht die Möglichkeit des Vorkommens der Menrasthenie bei
Sktglingen; er tritt fOr den physikalischen Heilwerth der Elektrotherapie ein und
Tmrirft die hypnotische Behandlung, die gefährliche Folgezust&nde zeitigen könne.
Die AofsteUang der Gruppe „HysterO'Nenrasthenie“ von Sa enger will er nicht
uekeonen, da Hysterie und Neurasthenie hinznkommende Erankheitsbilder seien.
Kaufmann: leb möchte mich vom allgemein ärztlichen Standpunkt gegen das
dbtore Bild auflehnen, das Saenger uns von den nervösen Erkrankungen im
Cudtodter entworfen bat Mir ist wiederholt der Gedanke gekommen, wie auf-
kllead es ist, dass trotz der bedeutenden Zunahme der nervösen Erkrankungen der
frvaehseDen, und trotzdem, dass diese Menschen ihre Nachkommenschaft in hohem
Kaaase belasten, die nervösen Erkrankungen im eigentlichen Kindesalter nicht zu-
SnoniBeii haben. Erst vom Eintritt der Pubertät an habe ich eine Zunahme
ksobsditei Und da war es vorzugsweise das männliche Geschlecht, das an dieser
ZsBihiDe betheiligt war. Tabak, Alkohol und vorzeii^er Umgang mit dem anderen
GoUeeht werden als Ursache hierfür anznsehen sein. In manchen Fällen wird
neb wohl die viel berufene Ueberbürdung in den Schulen eine Bolle spielen. In
ka bsotaenden Klassen soll das Einjährig-freiwilligen Zengniss unter allen Umständen
cHiOft werden. Kommt hier nun zu mangelhafter Veranlagung ein zart besaitetes
HffTBBijstem, dann ist der Neurasthenie Thür und Thor geöffnet. Non wird Herr
Sseiger vielleicht entgegnen: Ja, Ihre Beobachtungen sind nicht beweisend. Das
Ktitrial des einzelnen Antee ist zu klein und einseitig. Es reemtirt sich immer
damlben Kreisen. Hier kann nur klinisches oder poliklinisches Material be-
*Mnid sein. Das will ich bis zu einem gewissen Grade zngeben, obwohl zu bedenken
ht, din ffir die nervösen Zustände nicht nur die Kranken in Betracht kommen, die
BO direct behandelt, sondern dass sich hier die Beobachtung auf den grossen Kreis
Heaaehen erstreckt, mit dem man im täglichen Leben zusammenkommt. Aber
ud die Kliniker und FoUkliniker lassen Herrn Saenger im Stich, ln der ersten
bbftnloog seines Vortn^ hat Herr Saenger sich beklagt, dass in keiuem Lehr-
^ der Kinderkrankheiten etwas Nennenswerthes über die nervösen Erkrankungen
in Kisdesalter sn finden ist Ja selbet das snsgezeichnete Buch von Henoch
sich über dies Thema vollständig ans. Nun, woran das? Es ist
uimtluneB, dass allen diesen Herren so wenig neorasthenisebe Kinder und hyste-
riitkB Sänglinge auf ihren Wegen begegnet sind, dass es ihnen nicht möglich oder
Bidig erschien, sich Ober diese Zustände weitläufig zu verbreiten. Auch über die
Aibologie hat Herr Saenger nach meinem Empfinden viel zu düstere Farben anf-
fikageB. Es sieht in unserer Kinderwelt durchaos nicht so trübe aus, selbst nicht
a d«D nnteren Klassen. Abgeeehen davon, dass unsere Mortalitätsziffem beständig
werden, möchte ich Herrn Saenger bitten, sich einmal in die Nähe der
T(dhBehnlen zu begeben, und sich die Kinder anzusehen, wenn sie beim Schluss
te Klsssen herausstrOmen. Da gewinnt man nicht den Eindruck der Nervo-
Btit. Und wenn ein Theil von den Kindern dazu angehalten wird, in einigen
Abndstunden die Eltern beim Austragen von Victualien oder Zeitungen zu unter-
mn, 80 ist dies auch krine übertriebene Zumnthung für ihren Körper. Allerdings
inoer noch ein ^wieser Procentsatz ärmster Bevölkerung Zurückbleiben, wo
:,Googlc
332
es durch Krankheit, Arbeitslosigkeit, Tninksacht u. s. w. der Eltern den Kindern
traurig geht. Wenn wir hier den Hebel ansetzen, und solchen Kindern zu einer
besseren Ernährung, Behandlung und Erziehung rerhelfen, so werden iiir ein sehr
gutes Werk thun, ein besseres jedenfalls, als wenn wir sie polypragmatisch behandeln.
(Antonreferai)
Beselin schildert die Bedeutung der Suggestion bei Kindern mit oerTbsen
Augenleiden. Sie begfinstige das Auftreten z. B. bei Angenerkrankung anderer
Familiemnitgliedor durch Selbsttäuschung eigener Augenkrankheit, sie sei bei der
Diagnose werthroll, indem man bei fnnctioneller Sehscbwäche durch Yorsetzen indiffe*
renter Brillengläser und entsprechenden Zuspruch höhere Sehschärfe erziele. Thera¬
peutisch sei sie besonders wichtig; man mOsse, nach Aufklärung der Eltern in Ab¬
wesenheit des Kindes, diesem das Augenleiden als harmlose vorübergehende Schwäche
bezeichnen. — Ueberanstrengung der Augen, znmal bei Astigmatismus und Hyper-
metropie, begünstigt die Eatstebnng. — Die Möglichkeit functioneller Lähmungen
werde durch die Fälle von Convergenz- und von Accommodationslähmung bewieeen.
(Antorreferai)
Franke hebt hervor, dass der Gesichtsfeldbefnnd bei nervöser Asthenopie erst
im Verein mit den anderen nenrasthenischen Symptomen seine Bedeutung gewinnt.
Man findet gelegentlich bei gesunden Kindern concentrische Gesicbtsfeldeinengung
oder Ermüdungserscheinungen, ohne dass nervöse Asthenopie besteht. Auch bei
Kindern mit accommodativer oder muskulärer Asthenopie kann man ähnliche Befunde
erhalten. In diesen letzten Fällen ist zunächst eine Correction der ßefractions- oder
Muskelanomalieen nöthig.
Eine richtige Therapie ist von Wichtigkeit in Rücksicht auf die sdiädlichen
Folgen längerer Unthätigkeit eines Kindes, sowie auf den Nachahmnngstrieb bei
Kindern derselben Klasse. (Autorreferat)
Engelmann: Die Symptome, welche Herr Saenger für Gruppe 1 und UI
schildert, würde ein Unbefangener auch für die der sog. Aprosexia nasalis nehmen
können. Auch das Lidzittem könne er nicht für ein neurasthenischee Symptom
halten — trotzdem es ihm erst kürzlich von neurologischer Seite als solches bo-
zeichnet sei —, das käme sehr oft bei ganz Gesunden vor.
Herr Saenger habe gesagt, Kinder mit adenoiden Vegetationen hätte er in
Herrn Ludwig’s Poliklinik geschickt, da bäte E. nun um Angabe, wie diese Dia¬
gnose gestellt wäre. Viele Kinder haben Mandelschwellnngen mittleren Grades —
die Füllung des adenoiden Gewebes wechsele leicht —, noch mehr die der Nasen-
schwellkörper. Im Liegen werden sie blutreicher — und die Kinder sind im Schlafe
an der Nasenathmnng behindert —, während man am T^e der Athmong nichts
besonderes anmerkt
Bei diesem Zustand kommen sie natürlich herunter. Die von Herrn Saenger
eingeachlageue Therapie spricht nicht g^en E.’s Anschauung — denn diese Fälle
behandelt E. auch mit roborirenden Mitteln mit gutem Erfolg, ohne zu operiren.
(Autorreferat)
Saenger (Schlusswort) betont gegenüber Herrn Lenhartz und Kaufmann
nochmals die Häufigkeit der Neurasthenie im jugendlichen Alter und weist daranf
hin, dass schon recht oft in der Medicin Krankheiten erst erkannt worden smen,
nachdem auf sie speciell geachtet und untersucbt wurde, so vor allem die männliebe
Hysterie, die Hemianopsie, Basedow, Akromegalie u. s. w.
Den Standpunkt des Herrn Böttiger, der die 3. Gruppe der Hysteronenrasthenie
nicht gelten lassen will, theilt S. gamicht, indem er sich auf Charcot bezieht, und
betont, dass es vor allen Dingen nöthig sei, die klinischen Bilder so zu schildan,
wie sie sich in der Natur darbieten. So geklärt, wie B. sich die Ansichten über
Hysterie und Neurasthenie denkt, sind dieselben noch lange nicht Für b«de Br-
Google
338
knatang« steheo wir bis jetzt noch anf dem Boden der Hypothese. Was speciell
Aasiebt ron B. betrifft, dass die 8<^. hysterischen Stigmata s&mmtlich snggerirt
mm, m iut schon Nonne anf die Ünhaltbarkeit dieser Behauptung hingewiesen,
^•deil fllr die Gesichtsfelder hebt S. her?or, dass dieselben durch die neue Wil>
briad'icbe Untennchnngsmethode mittelst Dunkelperimeters an Gzactheit sehr ge-
voeaeo haben. Bs sei zu bedauern, dass bis jetzt auf deutschen Hochschulen diese
Methode nicht die Beachtung gefunden bat, die sie verdient
S. erwidert Herrn Nonne, dass er die Hypnose deshalb im Kindesalter nicht
wwHide, weil er dieselbe als eine kflnstliche Hysterie ansähe, die das Kind noch
hjiteriKber machen könne als es ist, und da es viel weniger schäd^ende, ebenso
rauh nm Ziel führende Heilfactoren gäbe. Ferner berOhrt 8. die Frage nach der
Tirbuikeit dn Blektrotherapie, die Nonne überhaupt nur als Suggestivmittel be-
taiebte. Bei der Hysterie trifft das zu, nicht jedoch bei einer ganzen Beihe von
Srfaukongen der Nervensystems, da es sehr wohl auf die Art und den Ort der
Bthtfidlnog ankäme.
Zzm Schloss weist S. nochmals auf die zunehmende Nervosität im Kindesalter
bin, vwbalb die Anstellung von Schulärzten ein unbedingtes Erfordemiss der Zeit
•i- (Autorreferat.)
Nonne (Hamburg).
Berliner oeeellsohaft f&r Fsyohiatrie und Nervenkrankheiten.
Sitzong vom 14. März 1898.
Faul Cohn (als Gast): Vorstellung sweler Fälle von Friedreioh’aoher
Atazle (cf. Originalmittheilung in dieser Nummer).
Geelvink: TJeber alimentäre Olyoosurle bei Nervenkrankheiten.
V<Htr. führt aus, dass die Ässimilationsfähj^keit für eine und dieselbe Zuckerart
bei Gesunden schwankt und zeitlichen Differenzen unterlegen ist; auch die
zwischen physiolc^^ber und pathologischer Glycosurie ist eine schwankende.
Tn Tersoehen, welche man in dieser Richtung anstellte, müssen Patienten mit irgend
vdehn Terdauangstömngen (auch Alkoholiker und Fettleibige) ausgeschlosseu werden,
die Assimilationsfähigkeit in diesen Fällen in der einen oder anderen Weise
foUrt sei
Jieksch hat znerst die Ansicht ausgesprochen, dass die Herabsetzung des
Aüüahonsvennt^ens zn den Symptomen der Neurosen gehöre. In ähnlichem Sinne
hmevte sich Strümpell. Die neuesten Untersnchongen über diesen Punkt sind
TU Straoss, F. Mendel n. a. angestellt, an welche sich die Yersnche des Tortr.
annihsiL
Tortr. nntersnchte 82 Patienten; von diesen litten 46 an organischen Erkran-
kogen des Centralnervensystems nnd 36 an Neorosen. Bei der ersten Kat^rie fand
Tortr. io 6,5 ein positives Besoltai Unter den 36 Fällen von Nenrosen waren
3} Kilo von Neurasthenie. Ton diesen 32 waren 24 Patienten, welche ihre Krank-
k«t nf einen Unfall znrflckffihrten. F. Hendel fand unter 25 Fällen von sogen,
^naahecher Neurose 5 Mal alimentäre Glycosarie, während Strauss bei seinen
Tcnehan einm höheren Procentsatz hatte; letzterer legt deshalb dem Trauma eine
l*riise Bedeutung bei für die Entstehung der Glycosurie. Yortar. fand in dieser
Bassbang swisohen tranmatiscber nnd nicht tranmatisober Neorose nur einen an-
vMallkhen Untwechied. Bei den organischen Erkrankungen, deren Entstehong auf
m Trsoma lurflckgefübrt wurde, fand sich kein Fall, der positiv aasfiel. Auch
Usseen eich IMne besonderen Symptome bei Nenrasthenikem, welche alimentäre
%coearie zagten, nachweisen, durch welche sie sich vor den anderen irgend me
Dig'H^cd Dy Google
3S4
aüszeichoeten. Yortr. meint, dass aoch ans seinen Yereuchen herroi^be, dass der
diagnostische Werth der aliment&ren Olycosnrie ein sehr geringer sei
Hirschfeld kann dem Yortr. bez&glich seiner Ansicht Aber den diagnostischen
Werth der aliment&ren Gljcosorie nur beistimmen. H. fand bei wohlgen&hrten Per¬
sonen nach einer Periode reichlicher Em&brong und Rahe Zncker im Urin anftreten;
dieses Pb&nomen sab er wieder schwinden, wenn diese Personen anf schmälere Kost
gesetzt waren and reichliche Moskelth&tigkeit ansUbten.
Arndt hat anch diesbezftgliche Yerenche bei Hysterischen and bei Psychosen
angestellt nnd kam dabei zn ähnlichen Besaltaten wie Stranss. Er kann deshalb
dem positlT aosfallenden Yersncbe, wenn er beständig ist, and Complieationen nicht
vorliegen, einen gewissen diagnostischen Werth nicht abspreohen.
E. Mendel schliesst sieh den Anschaaongen des Yortr. an; die sehr kleinen
Kahlen, mit denen Arndt operirt hat, sind nicht beweisend, ebenso wenig die kleinen
Procentdifferenzen; H. hat sich mit der Frage vielfach beschäftigt, ein bestimmtes
Resultat aber ist nicht erzielt worden.
Falkenberg ftagt an, ob die Patienten, die Arndt untersacht hätte, besonders
unruhig waren and ob sie dabei vielleicht eine starke Haskelth&tigkeit aa^Abt
hätten.
Arndt bestätigt letzteres.
Schlapp: Ueber die ortUohen Versohledenhelten der Oroeshlmrinde.
Angesichts der verschiedenen Anschaaongen Aber die Schichtung der Hirnrinde,
in dem einzelne Autoren (Bevan Lewis) annehmen, dass die Hirnrinde Artlieb ver¬
schiedene Schichtungen zeigt, andere dag^en (Bamdn y Cajal) der Ansicht sind,
dass die Hirnrinde überall einen gemeinsamen Typus, nämlich einen vierschichtigen
Bau aufweise, hat Yortr. noch einmal diese Frage einer genaueren FrAfung unter¬
worfen. Zur Losung derselben hat er bei verschiedenen Thieren, Pteropns, Katze,
Affe, und auch beim Menschen Frontal- und Horizontalschnitte durch die Grosehim-
hemisph&ren gelegt und letztere nach der Nissrscben Methode geerbt Yortr.
demonstrirt an diesen Präparaten den Bao der Hirnrinde in den verschiedenen
Gegenden. Während bei Pteropus die Zellen der Hirnrinde einen ziemlich gleichen
Bao zeigen und sich bei diesem Thiere ziemlich durchweg ein fünfschichtiger Typus
aufBnden lasse, ist die Hirnrinde bei höheren Thieren und beim Menschen je nach
der Oertlichkeit verschieden. So sind z. B. die Schichten der grossen Pyramiden-
zellen bei ihnen mehr an die motorischen Regionen geknüpft; ausserdem schwankt
die Zahl der Schichten vielfach und man kOnne Rindenbezirke von nur vierschichtigrai
Bau und solche bis zu achtschichtigem Baue unterscheiden. Yortr. demonstrirt ferner
an seinen Schnitten, wie gewisse Zellschichten an einzelnen Stellen mitunter sich
allmählich verlieren, zuweilen sogar plötzlich aufhOren. Er kommt dann speciell anf
die Schichtung der Rinde der Sehregion zu sprechen, die von einzelnen Autoren in
den Gyros angularis, von anderen (Munk) um die Fissura calcarina verlegt wird.
Auf Grund seiner Untersuchungen kann er sich bezüglich dieses Punktes oor
den Anschauungen Munk’s anschliessen.
Jacobsohn fri^ ob Yortr. ausser den schonen grossen Schnitten, die er an-
gefertigt hat, vielleicht aoch noch aus den einzelnen Regionen der Hemi^b&re
kleinere Stücke genommen und alle in gleicher Art, nämlich senkrecht zur Ober¬
fläche geschnitten habe. Anf solchen grossen Schnitten werde die Hirnrinde in den
einzelnen Partieen zn verschiedenartig getroffen, die einen Theile mehr senkrecht, die
anderen mehr horizontal Je senkrechter nun der Schnitt falle, um so sicherer sei
man, dass man alle Schichten der Rinde vor sich habe, und umgekehrt, je boriaon-
taler die Rinde durchschnitten werde, um so weniger Schichten werden getectfen
sein. Dass diese verschiedene Schnittrichiung hier vorliege, gehe aus der ausser-
ordentlich verschiedenen Dicke der Hirnrinde hervor, welche man an den Präparaten
Dig i/oö
Google
335
sibe. Je schriger die RiniriDde dorchsctmitten sei, um so weoiger pr&ge sich aach
di« Sebichtimg derselben aas.
Schlapp erwidert, dass er die Hemisphären nach allen Sichtangen hin durch*
sdiaittaD habe, and dass die Vergleiche der einselnen Theile immer za denselben
ff» ihm demonsbrirten Besoltaten geführt haben. Jacobsohn (Berlin).
Verein für innere Medioin in Berlin.
Sitzung Tom 17. Januar 1898.
(Deatsche med. Wochenschr. 1898. Nr. 7.)
Qoldscheider; Veränderungen der Nerrenaellen bei fiebernden
Xeoaoheo.
Qoldscheider and Flatan fanden behanntUch bei erwärmten Kaninchen Yer*
iadenuigRi der Nervenzellen mit Nissrs Methode. Ganz analoge Anomalien fanden
sieh an den motorischen Ganglienzellen zweier fieberhafter Fälle: einmal handelte es
sieb um einen Tetanaskranken, welcher den letzten Tag 39,9 batte, im zweiten Falle
sa ein seharlachkrankes Kind mit Temperataren von 40,5—40,9 in den letzten
ewei Lebensstonden. Ein Functionsaosfall der veränderten ^Uen trat nicht za Tage.
Bei welcher Temperator die Zellenveränderungen aoftreten, ist nicht sicher za sagen.
In der Discassion demonstrirt zanächst Brasch, Assistent Goldscheider’s,
die Pliparate der besprochenen Fälle.
Klemperer fra^ an, ob die GanglienzellenTeränderai^n wirklich nnr von der
Fieberhitze herr&hren and ob nicht eventaell Wirkung des Scharlachgiftes vorliegen
ttaae.
Brasch konnte die gleichen Veränderungen in einem Falle von Myelitis und
Maingitis mit terminaler Temperatnrsteigercng erheben, und glaubt daher, dass die
Veriodemngen der Ganglienzellen auf der Hyperpyrese allein beruhen, zamal ähn*
Ikhe Teränderungen bei Infectionskrankheiten, welche ohne so hohes Fieber eiuher-
giagoi, anscheinend nicht beobachtet sind.
von Leyden mdchte wissen, ob die Veränderungen, welche das Tetanu^ft in
den OangUen^len erzengt, von den durch hohe Temperatur bedingten verschieden sind.
Jakob bittet um Auskunft, ob die durch das Tetanustoxin bedingten Ver*
iad«a^;en bereits abgeklongen waren oder diese Veränderungen durch diejenigen,
wdebe »hdhte Temperaturen herbeifOhren, nnr verdeckt worden sind.
Litten erinnert an seine Arbeiten Ober parenchymatöse Degeneration durch
Uebohitzong, und frägt, ob die Ganglienzellenveränderungen an stark erhitzten Thieren
•bofiüls rfickbildungsfähig sind.
Goldscheider bejaht die letzte Frage unter Hinweis auf seine früheren Mit*
ibmlwngen. Bei tetanisch gemachten Thieren findet sich eine Schwellung des
Eerakürperchens und der Nisel’sehen Körperchen, weiterhin tritt Zerfall ein, endlich
Ssititiition. Bei Ueberhitzung lösen sich die NissTschen Körperchen bis auf
Beste auf, die Zelle wird gleichmässig hellblau, das Kemkörperchen oft eckig und
verUesnert, die Plasmafortsätze schwellen an, werden homogen, die Nissl’schen
K^perehen lösen sich in ihnen auf. Der Tetanuskranke starb am 6. Tage, die Frage
dir Beziehung der gefundenen Zellveränderungen zu den tetanischen Veränderungen
vftrde complidrtere Besprechung erheischen.
Jastrowitz: Znr Kexmtniss and Behandlung der Nearalgia oooipltalis.
(TsröfleBÜicbung erfolgt später in der Deutschen med. Wochenschr.)
B. Pfeiffer (Cassel).
■' Google
336
IV. Vermischtes.
Zn der' am SO. April and 1. Mai d. J. in Jena stattfindenden TTT Venammlung
mitteldeutsoher Fsyoliiater und Neurologen beehren sich die nnterzeichneten Ge¬
schäftsführer ganz ergebenst einznladen.
Sonnabend, den 30. April, von 8 Uhr Abends an: OeselUge Vereinigung im Hötel znm
schwarzen Bären.
Sonntag, den 1. Mai: I. Sitznng: 9 Uhr Vormittags; II. Sitzung: 1 Uhr Nachmittags,
beide in der psychiatrischen Klinik, Oberer Pbilosophenweg 3.
Festmahl: 4'/« Uhr Nachmittags im Hotel znm schwarzen Bären.
Tagesordnung:
1. Hitzig (Halle): Ein Beitrag znr Himchimrgie. — 2. Oppenheim (Berlin): Uber
Brachialgie und Brachial-Nenralme. — 3. Mavser (Hildburghansen): Beitrag zur Lehre von
der Manie. — 4. Sänger (Hamburg): Ueber hysterische Angenmnskelstbrnngen. — 5. AU
(Uchtspringe): Ueber Gbeel und die dortige familiäre Irrenpfiege. — 6. Sohäfer (Boda);
Ueber angeborene isolirte Facialislähmnng. — 7. Warda (Blankenburg i./Tb.): Ueber d%e-
nerative Ohrformen. — 8. Teuscher (Dresden): Einige Hittheilungen über sn^estiTe Be¬
handlung. — 9. Laudenheimer (Leipzig): Ueber nervöse und psychische Störungen der
Qnmmiarbeiter. — 10. Möbius (Leipzig): Psychiatrische Qöthestudien. — 11. Stintzing
(Jena): Beitrag zur Lehre vom Tetanus. — 12. Ilberg (Sonnenstein): Die Bedeutung der
Katatonie. — 13. Ziehen (Jena): Beitrag znr Pathologie des circularen Irresmns. —
14. Mattbes (Jena): Ueber Bückenmarksveränderungen bei Polion^elitb acuta. —
15. Eöppen (Berlin): Ueber Porencephalie. — 16. Hösel (Zschadrass); Ueber einige seltene
secund^e Degenerationen nach Herden in der Insel und im Thalamus opticus. — 17. Bins-
wanger (Jena): Patbolo^ch-histologische Demonstrationen, a) Zur Lymphcircnlation der
GrosAimrinde. b) Artenosclerotische Hirndegeneration.
Wenn auch eine Zeitdauer für die einzelnen Vorträge nicht bestimmt ist. so wird doch
gebeten, dieselben thunlicbst nicht über 20 Minuten und diejenige der Bemerkungen in der
Discussion nicht Über 5 Minuten auszudehnen.
Anmeldungen zu weiteren Vorträgen werden baldigst, Anmeldn^en zn dw Theilnahme
am Festmahl (Gedeck 4 Mk.) werden bis zum 20. April an den I. Geschäftsführer (Bins-
wanger-Jena) erbeten. Die Herren Theilnehmer werden in der Lage sein, die Abwd-
Schnellzüge in der Bichtang Weimar, Gera, Grossheringen und Saalfeld zu benntzen.
Das Hötol znm schwarzen Bären and das Hötel zur Sonne werden als Absteigeqnartire
empfohlen.
Um Weiterverbreitung dieser Einladnng wird gebeten.
6“te ri-J willkommen. OeschäfUfShror,
Biuswanger (Jena). Hitzig (Halle).
Die diesjährige Wanderversammlnng der südwestdeutsohen Ifetirologen
Irrenärzte nndet am 21. und 22. Mai in Baden-Baden statt, (jeaohäftsfübrer sind
Director Fr. Fischer (Pforzheim) and Prof. J. Hoffmann (Heidelberg).
V. Personalien.
Unser verehrter Mitarbeiter Herr Dr. Sarbö wurde znm PriTatdooeoten an der
Universität zu Budapest emanut
VI. Berlohtlgung.
Neurolog. Centralbl. 1898, Seite 169, Zeile 16 von oben statt: von sobweren Formen
der Amnesie — schweren Formen der „Amentia**; Seite 232, Zeile 11 von unteu, statt:
Glnbarducci — „Ghilarducci“.
Um Einsendung von Separatabdrficken an den Heraasgeher wird gebeten.
Einsenduagen für die Redaction sind zu richten an Prof. Dr.B. Mendel,
Berlin, NW. Schiffbanerdamm 20.
Verlag von Vkt & Comp, in Leipzig. — Dmck von & Wime in Leip^.
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Das mediciD. Aotiquariat von Franz Deuticke in >Vien I kauft stets
ganze Bibliotheken und einzelne Werke bei streng gewisseuhalter Sehätzung.
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it der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, P.^thoiog’e
und Therapie des Nervensystems einschliesslich der Geisteskrankheiten.
Honu3gegeb«D tod
Professor Dr. E. Mendel
la Btriln. Jahl^ÄDg.
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ebhkndlon^en des In- and Aoslandes. die FosUnstsiteu des DentucheD Reichs,
sowie direct Ton der Yerl&gsbuchhsndlnng.
| 3 ,y^y' 15 . April. Nr. 8 .
Leipzig.
Verlag von Veit & Comp.
1898.
ANKÜNDIGUNGEN,
Bekanntmachung.
Die Stelle des Oberwärters so der Königlichen Ujüversitatä-i>sycbm'
tiod ^erreii'Klinik zu Halle a. S. ist zum 1. Juni 1898 mit einem
litaar«thdienst, insbesondere der Pfl^e von Geisteskranken, erfabreneu
neu zu l>esetzen. Anfangsgehalt 800 Mk. neben Familieowobnung und
ataiioD im Werthe von 600 Mk. Meldungen sind die Direction
ds vagenannten Klinik zu richten.
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Hoitttlieh erscheinen zwei Nnmmem. Preis des Jahrguiges 84 Mark. Zn beziehen durch
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\m 15. April. “ Nr. 8.
I. OrigiuümHtheiliiNgen. 1. Zar Aetiologie der fanotioDellen Nenrosen (Ujsterie and
NeorsstheDie}, von Dr. R. Vigeuroux. 2. Oeber die allgemeine progressive PsrMjse der Irren
bei Frsnen, von Dr. med. B. BreideRberg. 8. Untersacbangeo Aber das Röckenniark und
das Eleinh^ der V5gel, von Dr. k. Friedllnder. (Fortsetznng folgt)
U. Referate. Anatomie. 1. Die I^eitungsbabnen des Rückenmarks und des Gehirns,
TOD V. Bechterew. — Experimentelle Phvsiologie. 2. Ueber colorirten Geschmack, von
Oersen. 3. Note snr no nouveau cas d’auiUtion colorde, par firafd. 4. Further remarks on
coloar bearing, by Colman. 5. Interferenz zwischen verschiedenen Impulsen im Central*
KmnsTstem, von Hofbauer. 6. Zu J. Rosentbal's (Erlangen) nnd M. Mendelsohn’s (St. Peters*
borg) Mittheiluog: lieber die Leitungsbabnen der Reflexe nnd den Ort der Reflexfibertragung,
TOB Erben. — Pathologische Anatomie. 7. Contributo all’ anatomia patologica del
tnnma nervoso, per de Luzenberger. 6. Sn d’una speciale alterazione delle cetlule gangliari
pmdotta da tranma sperimentale, per de Luzenberger. — Pathologie des Nervensystems.
9. üeber Unfalierkrankangen, von Schutz. 10. Ein Fall von schwerer Schädelläsion mit
gtBstigem Aasgange, von Kunze. 11. Ueber einen weiteren Fall von nervösen Folffeznständen
nseh Gehimenchütterung mit Sectionsbefnod, von Friedmann. 12. Sabarachnoideale seröse
E i sad at ion nach Kopfverletzungen and dadurch hcrvoigerufene Drocksymptome, von Walton.
13. Ueber das AuRreten vou Himgeschwülsteu nach Kopfverletzungen, von Adler. 14. Von
der Terwachsung oder Steifigkeit der Wirbelsäule, von v. Bechterew. 15. Bemerkung über
die ehronische ankylosirende Entzündung der Wirbelsänle und der Hüftgelenke, von Strümpell.
14. Snr an cas de cyphose heredo*traamatique, par Marie et Aatid. 17. Experimentelle Unter*
swangen über RüCKeniharkserschätteruDg, von Kirchgisser. 18. Zar Beurtbeilnnff der nach
fiNnbahnnnfallen auftretenden Erkrankungen, von Stadelmann. 19. ConcassioD of the ^inal
eocd (railway spine), bv Wlllard and Splller. 20. Beitrag zur Beurtheilung der nach Eisen*
bahnunfäUen auftretendeu Srkraukungen, von Stepp. 21. Ueber traumatische BlutuDgeu um
nad in das Rückenmark, von Stolper. 22. Zur Lehre von den UnfallserkrankoDgeQ des
Bflekenroarks: Ueber Poliomyelitis anterior chronica nach Trauma, von Erb. 23. Poliomyelitis
saterior acuta nach ünfalL von Franke. 24. Ueber Nervenkrankheiten nach Kücken*
verietzungen, voo Laebr. 25. Zur Beurtheilung der Rückenschmerzen bei Unfallpatienten,
von tcbisler. 26. Ueber oiganiscbe Nervenkrankheiten nach Unfall, von Singer. 27. Notes
OB a case of traumatic injury of the pnenmogastric, bypoglossal and sympathetlc nerves,
bj Hirsch. 28. Traumatic neurastbenia and byateria, by Knapp. 29. Ett fall af trauroatisk
hyiteri, orsakad af en nal, som intrangt i veostra Daten, af Dahlborg. 30. Een geval trau*
natiache bysterie, door Muakeus. 81. Hysterische Tachypnoe nach Trauma, von Goldschmidt.
32. Hystenscbe Hemiplegieen, von Auerbach. 83. Ueber hysterisches Stottern, von Cramar.
' 34. üeber Lufldruckläbmungen, von Dräsche. 35. Minenkrankbeit, von Lazarus. 36. Die
^ Muskelthätigkeit in der pnenmatiachen Kammer, von v. Liebig. — Psychiatrie. 87. Eine
I neae Form der periodischen Psychosen, von Ziehen. 88. An analysis of three thousand
eaeee of melaneholia, by Mitchell. 39. Headache with visnal hallacinations, by Mitchefl.
, 40. Contribnto allo studio della demenza consecutiva, per Mondio. 41. Ein Fall von acuter
Pr(eh>^e als Tbeilerscheinong einer SalicylsäureintoxicatioD. von Saloschln. 42. Ueber In*
le^tionspeycbosen, von WestpfaaL 48. Ueber einen Fall von QuerulanteDwabDsInn mit
ieUem Ansn^ in „Delirium acutum“ bei einem SyphilitiBchen, von Henneberg. 44. Simu¬
lation von ueistesstörung, Typus: Copie des Kindes, 1'/,jährige „L^mung“, von Dietz.
45. Om Simulation af Siudssygdom, af Kirstein.
Ul. Persanalien. _ .
22
ovGooglc
l
338
1. OriginalxDittheilongen.
1. Zur Aetiologie der functioneilen Neurosen
(Hysterie und Neurasthenie).
Von Dr. R. Vigourouz,
U^decin de PIoBtitat Monioiptl d’^lectroth^rapie (ä )a Salpdtri^re) Paris.
Unter dem oben genannten Titel hat soeben (Neurolog. Centralbl. 1898.
Nr. 6) E. Biebmacki eine interessante Arbeit veröffentlicht, über die einige Be¬
merkungen zu machen ich für nothig eiachte. Der Verfasser fasst folgender-
maassen seine Schlusssätze zusammen:
„Es erscheint wahrscheinlich, dass die sogenannten fnnctionellen
Neurosen (Hysterie und Neurasthenie) keine primären Erkrankungen
des CentralnerTensystems, sondern nur secundäre Symptomen-
complexe in Folge der Einwirkung der Producte einer primären
Oxydationsstörung auf das Nervensystem sind. Somit sollen die
Hysterie und Neurasthenie Erkrankungen ganz von demselben
Wesen sein, wie Zuckerkrankheit, Oicht, krankhafte Adiposität,
überhaupt pathologische Zustände, welche auf abnormen Oiydations-
processen im Organismus beruhen.“
Im Anfänge seiner Mittheilung kündigt Biebkacki diesen Schluss an und
fügt hinzu:
„Darf ich meine Auffassung ganz neu vielleicht nicht nennen: dieses und
jenes lässt sich wahrscheinlich hier und da antfinden, die Idee existirt, scnu-
sagen, im schlummernden Zustande. Es scheint nur, dass die mitzutheilenden
Ansichten in der gewählten Form und Abrundung noch nicht ausgespitK^n
wurden.“
Diese Annahme scheint mir nicht den Thatsachen zu entsprechen. Ich
glaube im O^ntheil, dass diese Erklärung der Neurosen schon ganz klar ge¬
geben worden ist und selbst, wie wir es später sehen werden, in ganz gleichen
Ausdrücken, wie diejenigen, deren sich Biebnacki bedient hat. Einige Gitate
sollen den thatsächlichen Stand der Frage zeigen.
Betrachten wir zuerst Auszüge aus einem Kapitel über die Elektrotherapie,
die ich im Traitö ]^lömentaire de Thörapeutique de Manqnat (3. Au^be) ver¬
öffentlicht habe (Paris bei Bailliöre). Ol^leich das Werk die Jahreszahl 1898
zeigt, ist es thatsächlich Mitte 1897 erschienen. Im II. Bande, Seite 914
heisst es:
„Neurasthenie. La forme de la maladie oü röussit le mienx le traitement
ölectrique et hygiönique est celle oü une influence arthritiqne est dömontröe,
soit par les antöcedents, soit par Texamen urologique. C’est d’aiUeurs la
c,-.,Google
339
forme la plus commune et de beaucoup. L’aualyse de Turine constate
rinsiiffisaiice de la d^sassimilation et snrtout un abaissement notable du
coefficient azoturique.“
Seite 915:
„Hysterie. Le choix des mojens de traitement d6pend de l’id^e que Ton
äe de la nature de la maladie. Dans ces demiers temps a prevalu l’opinion
qni consid^re Thyst^rie comme une psychose. Noos ne la discuterons pas ici;
Hais eu admettant qa’on ne se soit pas exagere l’importance des troubles psy-
eiuqaes, lesqaels ne sont pas oonstants d’aUleurs et qu’oo n’ait pas systd*
mabqnement ecartd les symptomes d’ordre commun, il n’en reste pas moins
^tre et certaines diatb^ses, des relations qui ne sauraient §tre iudififi^-
renta. En d’autres termes, nous ne pouTons pas n^liger le terrain oü drolue
«eäe psychose. Or, on connait ddjb cliniquement les rapports de
• hyst^rie arec le groupe dit arthritique. Dans les nombreuses ana*
ijses que nous arons fait faire d'urines proreuant de malades at>
teints d’bysterie convulsiTe ou non, nous avons toujours constatd
etiondegrd trds marqud, les caraotdres qui indiquent un ralen-
tissement des combustions et de la ddsassimilation. ... 11 y a donc
ckezies bystdriques une maladie diathdsique qui a prdcddd la psy-
cbose et Taccompagne. Et nous avons ainsi k enrisager le traite-
Qest i deux points de Tue: 1^ la diatbdse ou l’dtat de la nutrition;
2^ les accidents nerveux pioprement dits. De ces deux points de
le Premier est sans contredit le plus important.“
Seite 91Ü:
„Maladie de Basedow. Cette maladie forme avec les deux precddentes
Nenrastbdnie et bysterie) une triade indissoluble pour plusieurs raisons. D’abord
^ les rencontre frdquemment assocides ou combindes; ensuite eiles ont les
aiemes traits caracteristiques en ce qui concerne la nutrition et les
fflemes affinitds cliniques. Elles se relient toutes trois b un groupe de
aialadies, telles que le diabdte, le rhumatisme, la lithiase hdpa-
tiqae et renale, l’obdsitd, la goutte, la choree, la migraine, qui les
eofflpiiqaent frdquemment ... L’examen de l’urine suffit alors k montrer
raitemance k intervalles irreguliers de deux dtats opposes de la nutrition. L’un
'^canetdrise par la diminution de tous les excrets normaux et la faiblesse du
-oeffieieDt azotuhque; c’est la persistance de la diathese. L’autre diamdtralement
et dü b Tintoxication thyroldienne, prdsente tous les caractdres de la
^otiition rapide etc.“
DiCBe Auszüge wiederholen nur die Ansichten, welche ich seit langer Zeit
ö einigen Zeitschriften und zwei Büchern (at^enblicklich Tei^iffen) vertreten habe.
Idi werde nur von den beiden letzteren sprechen. Das erste betitel sich:
Die Neurasthenie von Leyilläin, mit einem Vorwort vou Prof.
Cbabcot und einer therapeutischen Mittheilung von Dr. R. Vioou*
üorx, Paris 1891, bei Maloine.
22 *
Google
340
In dieser Mittheilung, welche von der vollständigen Behandlung der Neur¬
asthenie handelt, empfehle ich als hauptsächlichstes elektrisches Mittel die
Franklinisation, und ich begründete meine schon langjährige Ansicht durch die
Wirkung, welche die statische Elektricität auf den organischen Stoffwechsel
und hauptsächlich auf die Oxydationen ausübt. Mnner Ansicht nach muss auch
die Behandlung der Hysterie im Wesentlichen derjenigen der Neurasthenie
gleichen.
In dem zweiten Werke ist die Frage enger begrenzt, wie es schon der
Titel anzeigt: Neurasthenie und Arthritisme von R. Vigouroux, Paris
1893, bei Maloine. Ich will davon nur einige Zeilen hervorbeben, um das so¬
eben Mitgetbeilte zu vervollständigen.
Seite 2:
„U est pourtant naturel de reconnaltre que Peiäment nerveux n’est pas
isole dans l’oiganisme et qu’il est soumis aux mämes infiuences communes que
les autres. Ainsi il se nourrit, il est en contact avec le plasma; sa maniäre
d’etre, ses fonctions doivent se ressentir des variations eventuelles de la com-
position du sang. G’est donc par une dMuction logique que dans la thära-
peutique des n4vrose8, apr^s avoir accordd Tattention voulue ä la
forme des troubles fonctionnels, nous cheroherons une influence
possible dans l’ätat de la nutrition.“
Seite 23:
„La maladie (diath^se) acide, öcrivait Bence Jones en 1867, est
caractdrisee par la dimlnution des oxydations et rinsuffisance de
reiimination des dächets.
C’est exactement Vetat morbide si bien etudiä plus tard par Boucbard sous
le nom de ralentissement de la nutrition et qui correspond, comme on sait, ä
l’arthritisme de Bazin et ä rherp4tisme de Lancereaux.
Les neurasth^niques sont donc des arthritiques. La proposition
n’est pas nouvelle; mais jusqu’ä präsent eile ne s’appuyait que sur des consi-
därationscliniques, c’est-ä-dire discutables. L’urologie lui donne l’objectivite
et la nettete d’un fait chimique.“
Seite 39:
„L’hypothermie est le räsultat Evident de la moindre oxydation. Chez les
neurastb4niques ce räsultat peut avoir une influence patbogänique. Ainsi rin¬
suffisance du caloriqne produit dätermine des prooessus de compeusation tendant
ä diminuer la perte de chaleur par rayonnement Tels sont les spasmo vas-
culaires qui ischämient les t4guments et donnent lieu ä des andsthdsies cntandes
ou ä des sensations de froid.
Donc l’unique conclusion ä tirer de ces donndes est que l’ar-
thritisme est une condition ndcessaire au ddveloppement de la
neurasthdnie. Aller plus loin serait se jeter dans les hypothdses.
Parmi celles-ci, une des plus acceptables est Pauto-intoxication.
- r i.,GOOglC
341
Je ferai remarquer qu’ou pect Tadmettre sans Ini suppoeer, comme foyer d’ori*
^e, one dilatation de restomac.
Les conditions de la notritioD, Tinsuffisance de r^limination chez les artbri-
tiqees rendent vraisemblable la formation et la r^tention des mati^res toxiques..
Seite 100:
„Le ^ndrome de Basedow qoi, aiosi qu’on le sait, complique parfois la
oeorastb^nie.“
Seite 109:
„Reflexions generales sur le traitement de la neurasthenie. Le
caract^re prinoipal de ce traitement est d’dtre antidiathesiqne et
aoD symptomatique. II est fondd sur T^tat de la nutrition apprdoie
ao moyeu de l’urologie.“
Seite 111:
„La L^klinisation agit ^videmment sur l’^lement nerveux, mais I’obser
Taüon cbnique et rexpdrimentation pby8iol<^que prouvent qu’en outre eile active
les processus de la nutrition.“
Im Vorgehenden habe ich zur Genüge gezeigt, dass ich ganz klar die
Theorie der Neurosen seit einer Reihe von Jahren auseinandergesetzt habe. Ich
fäge noch hinzu, dass ich mich bei meinen Auseinandersetzungen einerseits auf
Hunderte von Analysen, andererseits auf therapeutische Resultate stütze.
Es ist sehr beachtenswerth und sehr erfreulich, dass Biebnacki auf ganz
anderen W^en zu denselben Schlüssen gekommen ist. Diese Thatsache wird
genügen, auf eine gleich wichtige, sowohl theoretische, als auch praktische Frage
aufmerksam zu machen.
In einer demnächst erscheinenden Arbeit über die Neurasthenie werde ich
Gel^enheit haben, die wichtige Rolle, welche die Dyscrasie spielt, zu betonen
und die beschränktere Rolle der psychischen Einflüsse und der TJeberarbeitung
zu zeigen. Dabei werde ich zugleich einige urolc^ische Thatsachen meiner
Arbeit von 1893 berichtigen.
2. Ueber die allgemeine progressive Paralyse der Irren
bei Frauen.^
Von Dr. med. B. Oreldenberg,
dirigirendeiD Arzt der LandesirrenaDstalt zu Symferopol (Erini>BiiBElaDd).
Hochgeehrte Versammlung! Wenn ich mir die Freiheit nehme Beute vor
mem solchen competenten Auditorium mit einem Vortrage über die allgemeine
Paralyse voizntreten, so thne ich es gewiss nicht desw^en, weil ich Ihnen
* Vortrag, gehalten io der Section fQr Nerven* und Qeuteskrankheitea des XII. inter-
utionalen Congresees in Hoekan im Angnst 1897.
Google
342
etwas Neues über diese Allen hinlänglich bekannte Krankheit mittheilen könote,
sondern weil — wie ich schon einmal Gelegenheit hatte in einem anderen Vor¬
trage über dasselbe Thema mich aasznsprechen ^ — die progressive Paralyse
eine par excellence individuelle Krankheit darstellt, sie trägt an sich nm so
mehr als irgend eine andere psychische Form locale, nationale, intellectuelle,
professionelle, sociale und noch andere Merkmale der Kranken, dass jeder
Psychiater, welcher ein ziemlich genügendes klinisches Material besitzt, immer
noch über diese E^nkheit sein Wort änssem kann. In der letzten Sitzung
des Vereins russischer Aerzte zum Andenken PmoooFp’s in Kiew theilte ich
meine Beobachtungen über die progressive Paralyse im Allgemeinen mit, heute
will ich über diese Krankheit speciell bei Frauen sprechen.
Die Geschichte der Lehre über die progressive Paralyse bei Frauen stellt
etwas Merkwürdiges dar. Noch Mitte unseres Jahrhunderts wurde die Krank¬
heit bei Frauen gänzlich verleugnet, und sogar im Jahre 1859 behauptete eiu
solch’ erfahrener Psychiater wie Neumann, dass die progressive Paralyse eine
ausschliesslich männliche Krankheit sei, dass er keine Ausbildung einer echten
progressiven Paralyse bei der Frau ebensowenig wie z. B. eine Nymphomanie
bei dem Manne zulassen könne. Aber schon im Jahre 1870 stellte Sakdeb
die Ansicht auf, dass die progressive Paralyse nicht zu den seltenen Formen
der Psychosen bei Frauen gehöre, dass die Häufigkeit derselben bei den letzteren
nicht minder sei als bei den ersteren. Seitdem nnd im Laufe des verflossenen
Vierteljahrhunderts interesärte die progressive Paralyse bei Frauen die Irren¬
ärzte immer mehr und mehr, und in Folge dessen besitzt sie jetzt eine ziemlich
umfangreiche Litteratur. Heber die weibliche Paralyse schrieben in Deutsch¬
land nach Sander: Keappt-Ebing, Sioli, Kornfeld, Juno, Fritsch,
SCBÜLB, SlEMERLING, WOLLENBERG, KelLNER, FrAENEBL, GrEPPIN, BeBO,
Näckb, Hulisoh; in Frankreich: Adam, Ret, Gilbert, Petit, K£ois.
CoLoviTCH, Nicolau, Ratmond, Cullerre, Garnier; in England: Clevengeb;
in Dänemark: Jacobson; in Italien: Sepilli und endlich bei uns in Russland:
Tichomirow und Jdanow.
Ausser den allgemeinen Fragen der Lehre über die prcgressive Paralyse
interessirten sich die Autoren, welche speciell diese Form bei Frauen erforschten,
hauptsächlich für zwei Fragen:
1. die Häufigkeit der Paralyse bei Frauen im Vergleich mit Männern und
2. die Besonderheiten ihres klinischen Bildes.
Diese beiden Fragen werden bis zur letzten Zeit von verschiedenen Autoren
verschiedenartig gelost, was gewiss ganz natürlich ist, wenn man alle die viel-
nnd verschiedenartigen Bedingungen beachtet, welche zusammengefasst die
Aetiologie der progressiven Paralyse bilden.
Meine eigenen Beobachtungen beziehen sich auf den Zeitraum von 12 Jahren,
vom Jahre 1885 bis zum Jahre 1896. Während dieses Zeitraums wurden in
' Zar Statistik oad Aetiologie der allgemeiDeo progressiven Paralyse der Irren. Neurolog.
Centralbl. 1897. Nr. 10.
- Google
343
die Ton mir geleitete psyobiattische Abtheilung des LandeskraDkenhauses in
Symferopol — die znrückläufigen und recurrirenden Einkommenden ao^nom-
men — eingeliefert:
Männer
Frauen
1 Total
Gdsteskraake öberbaapt.
1795 1
776
2571
Ton dknea an Paralyse erkrankt ....
272
68 1
340
ln Proeenteo. 1
15,15
8,76
13,26
Wie man sieht, kommen in der genannten Periode auf je 100 Einlieferungen
etwas mehr als 15 Fälle von Paralyse bei den Männern und fast 9 bei den
Fnuen; anders gesagt: bei den Männern kam 1 Fall Ton Paralyse auf je 6 Ein¬
beferungen und bei den Frauen auf je 11.
Das Zahlenverhältniss der beiden Geschlechter war: nicht relativ 272:68
oder 4:1, d. b. auf je 100 eingelieferte Paralytiker-Männer kamen 25 Frauen,
und relativ 15,21:8,76 oder 1,13:1, d. h. auf je 100 Erkrankungen an Para¬
lyse bei Männern kamen 58 bei Frauen. Diese Zahlen sind höher als diejenigen,
welche bisher von den anderen Autoren, die sich mit der Statistik der pro-
gressiTen Paralyse bei Frauen beschäftigten, erlangt wurden. Unbeachtet der
früheren Statistiken, in welchen die Zahlen der Paralytiker-Männer bedeutend
die der Paralytiker-Frauen übersteigen (bis 50:1, wie bei EaLEyMETEB) und
DüT die späteren beachtend, sehen wir, dass bei den meisten Autoren das Ver-
bihniss der beiden Geschlechter für die progressive Paralyse zwischen 3—4—5:1
schwankt. Bei Juiro z. B. gleicht dieses Verhältniss 4,5:1, bei Siembblino
3,5:1, bei Kabs und Mbtnbbt 3,4:1, bei Kbafft-Ebino steigt es bis 6:1
und bei ScHüiiE sc^ar bis 7:1. Nach den Forschungen von Jdabow schwankt
dieseg Verhältniss für Dänemark, Oesterreich, Spanien, Deutschland und Russ¬
land cm. 3,5:1 und für England, Belgien und Frankreich ist es etwas grösser,
stdgt aber nicht über 2,4:1. Durchschnittlich gleicht das Zahlenverhältniss der
beiden Geschlechter für die progressive Paralyse in diesen Ländern 3,08: 1,
<L h. auf je 100 Paralytiker-Männer kommen 30 Frauen und nur in Frankreich
und Belgien 40. Aus den Journalen der Poliklinik für Nervenkranke von Prof.
llzwnKL in Berlin fand HüiiiscH unter 23 500 Ambulanten 290 Fälle von pro¬
gressiver Paralyse, 231 Männer nnd 59 Frauen, d. h. ein Zahlenverhältniss von
3,9:1 oder fast 100:25. Gabnieb auf die Zahlen der Pariser Polizei-Präfectur
ftr die Jahre 1886, 1887 und 1888 bezugnehmend, fand ein absolutes Zahleu-
verfaittniss 2,5:1 und ein relatives 1,7:1, d. h. dieselbe Zahl, welche auch ich
gefunden habe. Speciell für Russland fand JnAifOw, nachdem er mehr als
10000 Geisteskranke analysiit hatte, dass die pn^ressive Paralyse bei Männern
13,8 EHnliMenmgen giebt, bei Frauen 4,38"/o im Vergleich mit anderen
pey^iieehen Krankheiten, so dass das Verhältniss der Erkrankungen an Paralyse
rmhoi beiden Geschlechtern gleicht 3,5:1. Meine Zahlen sind also 2 Mal höher.
Die Zunahme der Erkrankungen an pn^restiver Paralyse bei Frauen, schon
von JoHO angedeutet, unterliegt jetzt, wie es scheint, keinem Zweifel mehr, da
Google
344
es ?on einer ganzen Reihe Autoren durch zahlreiche Statistiken bestätigt wird
PLAKks und Qabnier, welche beide das Material der Pariser Polizei'Präfector
benutzten, bekamen in dieser Hinsicht sehr beweisende Resultate, nämlich:
ij
ij Jahre
Zahl der paralytischen Kranken in Procent
H&nner
Pranen
VerbiltnisB
Planes.
! 1878—1886
i 12.0
5.0
2,4:1
GA&MIEa.
' 1886—1888
; 14.7
8,7 j
1.7;!
In der Zwischenzeit von 10 Jahren nahm die Zahl der Erkrankungen bei
Frauen relativ bedeutend mehr zu als bei Männern. Nachdem Gabmieb die
Zahlen über die progressive Paralyse im Zeitraum von 15 Jahren (1872—1888)
zusammengestellt hatte, gelangte er zu dem Resultate, dass die alljährliche Zahl
der Erkrankungen während dieser Zeitperiode sich verdoppelt hatte, wobei bei
Männern weniger als doppelt (von 137 bis 251) und bei Frauen 2^2 Mal mehr
(von 37 bis 103). Ebenfalls solche instructive Resultate bekam auch Kbafft-
£bino nach der Zusammenstellung der Einlieferungen der paralytischen Kranken
in den deutschen Irrenanstalten während der letzten 20 Jahre. Und zwar
war in der Berliner Charitä das Procent der Einlieferungen der paralytischen
Frauen in den Jahren 1873—1877 = 6,65 ®/o> aber in den Jahren 1888—1892
= 14,1 ®/(,. In der Wiener psychiatr. Klinik war der Procentsatz der aufgenom*
menen paralytischen Frauen in der ersten Periode 4,4 und in der zweiten 10®/o.
Nur Stbwabt kam in seiner letzten Arbeit, auf die statistischen Angaben der
englischen Irrenanstalten gestützt, zu dem Resultate, dass die Zunahme der
Erkrankungen an progressiver Paralyse wenigstens in England den Männern
ausschliesslich zugeschrieben werden muss.
Diese Zunahme der Einlieferungen der paralytischen Kranken fand auch
bei uns statt, indem sie relativ auch bei Frauen schroffer war als bei Männern,
wie man aus folgender Tabelle sieht:
AafgeDommen
Jahr
Qesammtzahl der Kranken
Damnter mit Paralyse
Männer
Franen
ToU)
Männer
Procent Franen
Procent
Total
Procent
1885—1890
858
368
1221
91
10,7 18
4,9
109
8,9
1891—1896
942
408
1350
181
19,2 j 50
12,3
103
17,1
In der zweiten Hälfte dieser Periode war die allgemeine Zahl der anf-
genommenen Kranken mit progressiver Paralyse doppelt so gross, als in der
ersten, wobei die Männer relativ weniger und die Frauen fast 2^1^ Mal mehr
Einliefemngen gaben.
Die g^enwärtige Zahl der paralytischen Kranken in der Abtheilung ver¬
änderte sich g^n ihre allgemeine Zahl in dem Zwischenräume von 12 Jahren
sehr bedeutend, nämlich:
Du vGoogIc
345
Geeammtzabl
der Kraoken io der
Äbtheilnog
Daronter mit
progressiver Paralyse
VerhältnisB in Procent
Männer
' Frauen i
1 1
Total
Männer
Franen
1 Total 1
Männer
1 Franen
: Total
l.Juuar 1896
150
84
234 I
1 ^
1 2
' 10 1
5,S
2.4 !
4,2
I Juaarl897 '
263
16t
1 424 '
30
1 1
12
42 1
11,4
7.5
9,9
Mit anderen Worten, die Zahl der Paralytiker vergrösserte sich relativ
kfpi^lt and die der paralytischen Frauen dreifach.
Xach den gewöhnlich gebräuchlichen Kat^orien gaben die paralytischen
Frauen folgende Zahlen:
1. Alter. Das finheste Alter unserer Kranken war 22 und das späteste
M Jahre; in diese beiden Grenzalter kam je eine Patientin. Bei den Männern
Viren beide Grenzalter 21 und 66 Jahre. Im Alter vor 30 Jahren wurden
öKranke auigenommen (d. h. 8,87o)> vor 35 Jahren 12 (17,C®/©)- Di® höchste
Zahl der Einlieferungen war in dem Alter von 35—50 Jahren 20 (29,5 7o)*
Wie man sieht, gleichen diese Zahlen denjenigen, welche ich früher bei Männern
^langte, so dass es hinsichtlich des Alters der Erkrankung an prc^essiver
Paralyse zwischen beiden Geschlechtern keinen bedeutenden Unterschied giebt.
2. Stand. Fast alle unsere Kranken waren ans dem einfachen Stande
iBüerinnen, Kleinbürgerinnen, Landfranen); nur vier gehörten dem mittleren
Stande an: eine Beamtenfrau, eine Adelige, eine Kanfmannsfran und eine aus
dem geistlichen Stande. Hinsichtlich des Standes verhielten sich beide Ge-
%hleehter ausserst verschieden. Die mehr oder minder privilegirten Stände
vtiten 52 Einlieferungen bei den Männern und nur 4 bei den Frauen, die ein-
häteren aber 221 Einlieferungen bei Männern und 64 bei Frauen, was den
Procentsato bei den ersteren 19,17o Männer und 5,97o Frauen und bei den
rweiten 80,97© Männer und 94,17© Tranen bildet. Mit anderen Worten: in
den privilegirten Ständen gaben die Franen über 3 Mal weniger Einlieferungen
als die Männer, in den einfacheren umgekehrt — fast 157© als die
Mianer. Auf die ausschliessliche Verbreitung der prc^essiven Paralyse unter
den Frauen der niederen Klassen und im Vergleich auf ihr selteneres Vor-
hmmeD bei den Franen höherer Klassen wiesen die Autoren schon längst hin.
eiebt SmoK an, dass Erlsnueybb und Mabtini in den Privat- und
PensioDsanstalten für Gemütbskranke wohlhabender und höherer Klassen unter
100 Männern 34 mit progressiver Paralyse, unter 117 Frauen aber nur eine
^Bdeo. T.AgHR behauptete, in seiner Anstalt unter 800 geisteskranken Frauen
m 3 paralytische zu haben. Nach den Zahlen von CoiiOvitch konnte man
B den französischen und deutschen Privatanstalten auf 310 Paralytiker-Männer
16 Frauen vorfinden, d. h. 5 auf 100 oder 1 auf 20.
3. Beruf. Fast die Hälfte aller unserer Kranken (32 von 68 oder 477©)
*ann du Haosfraoen, die andere Hälfte bildeten Dienstboten (9 oder 13,2*^/©),
S^BOdenimen (7 oder 10,3*^/©) und verschiedene zufällige Arbeiterinnen, meisten-
dois Tagelöhnerinnen; rine Kranke war Prostituirte.
D:y
Google
346
4. Wohlstand. Mit einzelnen Ausnahmen gehörten unsere Kranken den
ärmsten Klassen an.
5. Ehestand. In dieser Hinsicht waren die Kranken folgendermaassen
vertheilt: verheirathete 40 (60,37o)i ißdige 11 (16,2“/^), Wittwen 9 (13,3®/o)
und nicht Ermittelte 7 (10,3 “/o)*
6. Wohnort Die grösste Zahl der Kranken — 53 oder 78% — ge¬
hörte den städtischen Einwohnern, die mindere — 15 oder 227o — länd¬
lichen an.
Aetiologie. Vollständig sichere anamnestische Angaben konnte ich nur
bei 39 Kranken feststellen und zog vor, zweifelhafte oder wenig wahrscheinliche
Angaben gänzlich wegzulassen, um zu ganz sicheren Resultaten durch unum-
stössliche Zahlen zu gelangen. Nachdem ich, wie in meiner ersten Mit¬
theilung, fünf hauptsächliche Ursachen der progressiven Paralyse — Lues,
Alkoholismus, Heredität, moralische Erschütterungen und Trauma — festgestellt
hatte, erhielt ich folgende Zahlen:
1 Einzeln
' genommen in
Procent
Conibinirt
miteinander
in Procent
Laes.
25,6
41.0
Alkoboliamus.
17.9
43,6
Heredität.
12,8
23,0
Moralische ErschütteroDgeo . .
12,8
12,8
Trauma.
5.1
10,2
Zum Vergleiche der Zahlenverhältnisse der combinirten Ursachen der Para¬
lyse bei Männern und Frauen kann folgende Tabelle dienen:
In Pr
Männer
ocent
Frauen
Lues.
67,0
41,0
AlkohoUsmas . .
36,4
43,6
Heredität.
20,0
28,6
Moralische Erschatterangen . .
9,1
12,8
Trauma.
4,1
10,2
Wenn wir also die fast bei beiden Geschlechtern identische Heredität aus-
scfaliessen, so finden wir, dass nur die Procentzahl der Lues bei den Männern
viel stärker ist, nämlich P/a Mal mehr; die übrigen drei Ursachen um¬
gekehrt, bei den Frauen bedeutend stärker als bei den Männern, nämlich: Älkoho-
lismus und moralische Erschütterungen P/^ Mal mehr und Trauma sogar 2Va
mehr. Da aber die Zahl der durch Trauma bedingten Fälle relativ sehr gering ist
und das grössere Uebergewicht der moralisohen Erschütterungen bei Frauen in der
höheren Err^barkeit ihres Nervensystems im Vergleiche mit dem der Männer
die Erklärung findet, so bekommt eine besondere Bedeutung der Alkoholismus,
...Google
347
auf dessen ätiologische Rolle bei der pn^ressiven Paralyse bei Fraaen iob schon
in meinem ersten Tortrage hinwies. Diese Bedeutung des Alkobolismus zeigt
sich noch deutlicher, wenn man die Vertheilung der Ursachen der prc^essiven
Paralyse bei den Patienten mit und ohne früherer Lues nebeneinander stellen
will. Es zeigt sich dann:
Männer Fraaen
Mit Syphilis lohne Syphilis,, Mit Syphilis j Ohne Syphilis
Prucent
Alkoholümas.
1 18.6
17,8 i
1 15.4
' 23,0
Heredität.
11.8
7,7 ;
2,6
20,5
UoTsliscbe ErschntteroDgen
j 0.4
8.6 !
12,8
Tnoma.
: 0.4
4.1 1
0.4
10,2
Man sieht, dass der Antheil des Alkobolismus in der Aetiologie der Para¬
lyse bei Männern bei den Syphilitikern ebenso stark wie bei den Nicht-Syphi-
litikem au^edrückt ist, bei Frauen dagegen gaben die Nicht-Syphilitischen eine
bedeutend höhere Procentzahl des Alkoholismus, fast Mal mehr als die
Syphilitischen. Ebenso erwies sich die Heredität bei den Männern in geringerer
Abhängigkeit von der früheren Lues als bei den Frauen: bei den ersteren gaben
die Syphilitischen ein nur geringeres Uebergewicbt der Heredität im Yeigleiche
mit den Nicht-Syphilitischen, bei den letzteren war die Heredität 8 Mal grösser
(in Procent) als bei den Syphilitischen.
üeber die Bolle des Ehmakteriuzns, welchem einige Autoren früher eine
zu grosse Bedeutung in der Aetiologie der progressiven Paralyse bei Frauen
zuschrieben, kann ich nichts Positives sagen; die Mehrzahl unserer Patienten
kam in die Anstalt vor der Klimakteriumsperiode und menstruirte während ihres
Aufenthaltes in derselben bis zum Beginne des paralytischen Mainsmus ziemlich
regelmässig.
Was die sexueUen Excesse betrifit, so kann ich denselben auch keinen be¬
sonderen Ort in der Reihe der Ursachen der Paralyse bei Frauen anweisen.
In den jedenfalls wenigen Fällen, in welchen diese Ursache in der Anamnese
der Kranken besonders verzeichnet war, existirte beständig auch eine andere
active Ursache — der Alkoholismus.
Ich sagte absichtlich bisher nichts über die von Allen als die häufigste und
wirksamste anerkannte Ursache der Paralyse — den Kampf ums Dasein — und
nicht desw^n, weil ich derselben eine zu geringe Bedeutung in der Aetiol(^e der
genannten Krankheit zugeschrieben hätte, im (j^nteil, weil ich diese Ursache
mit einzelnen Ausnahmen für eine allgemeine in den meisten Fällen der Para¬
lyse bei beiden Geschlechtern rechne. Aber die Sache ist die, dass der Kampf
ums Dasein eigentlich kein bestimmtes ätiologisches Moment ist, sondern ein
coilectiver B^iff zur Benennung des ganzen Complexes der ungünstigen Lebens-
verfaältaiisse, in welchen unsere heutige (^lesellschaft lebt und wirkt fast ohne
Ausnahme der Classen und Stände. Der Kampf ums Dasein bereitet den
Diy
Google
348
Boden Tor, auf welchem die verschieden ungünstigen Momente wie Lues, Alkoho¬
lismus, moralische Erschütterungen u. s. w. sich leicht und schnell äussem.
Klinisches Bild. Wenn die ersten Autoren, welche über die progressive
Paralyse bei Frauen schrieben, mehr oder weniger das klinische Bild bei der¬
selben von dem bei Männern abgrenzten, so sind in der letzten Zeit mehrere
Aerzte der entgegengesetzten Meinung, indem sie behaupten, dass das klinische
Bild der Paralyse bei beiden Geschlechtern keinen bedeutenden Unterschied dar-
stelle. Es scheint mir, dass die Wahrheit auch hier wie in vielen anderen
Fällen in der Mitte zu suchen sei. Vielleicht giebt es jetzt keine rationellen
Gründe, eine speoielle weibliche Form der Paralyse, wie es Ball und Uegis
vorlegten, aufzustelleu, es unterliegt aber keinem Zweifel, dass die so zu sagen
klinische Physiognomie der Krankheit bei Frauen im ganzen in den meisten
Fällen eine besondere Eigenthümliohkeit vorstellt.
Schon im Jahre 1870 wies Samdeb auf folgende Gruudbesonderheiten der
Paralyse bei Frauen hin: 1. den Auftritt in einer etwas höheren Altersstufe,
2. den langsameren Verlauf, 3. das üebergewicht der dementen Form der
Krankheit, 4. das lange Prodromalstadium und den langsameren Uebergang zur
vollkommenen Ausbildung der Krankheit, 5. den milden und ruhigen Charakter
des Wahnes, 6. die Seltenheit der paralytischen Anfalle und 7. die wen^er aus¬
gesprochenen anatomischen Veränderungen des Centralnervensystems. Die
späteren Beobachtungen bes^tigten im Allgemeinen diese Thesen von Sander,
die erste (Alter) und sechste (Seltenheit der paralytischen Anfalle] vielleicht
ausgenommen. Aber dank den bedeutenden Fortschritten der letzten Jahre in
der Lehre über die progressive Paralyse im Allgemeinen verbreitete sich die
Kenntniss ihrer speoiellen Symptomatologie bei Frauen.
Ohne viel ins Einzelne überzugehen, kann man im Allgemeinen annehmen,
dass in dem klinischen Bilde der Paralyse bei Frauen im Gebiete der soma¬
tischen Erscheinungen die Ausfallsymptome diejenigen der Err^ung und in
dem Gebiete der psychischen Erscheinungen die ruhige Demenz die manische
Exaltation übersteigen.
Im Folgenden gebe ich eine vergleichende Tabelle der relativen Häufigkeit
der klinischen Hauptsymptome der Paralyse bei beiden Geschlechtern an:
In Procent
Männer
Frauen
BewegangsetöroDgen ....
59,6
47,1
StöroogeD der Sprache. . . . .
64,7
52,9
Paralytische An&llc.|
86,7
26,5
Grössenwahn.i
34,2
33,8
Hallacinationeo.
15,8
14,7
Verfolgungswahn.'
8,3
18,3
Die Störungen der Motilität und der Sprache waren bei den Männern
häufiger als bei den Frauen, ebenso wie die paralytischen Anfälle; der Grröseeu-
Google
349
iralm aber und die Hallucmationeri gaben fast dieselben Zahlen bei beiden
Geschlechtern, der Verfolgungswahn sogar bedeutend grössere bei Frauen;
könnte es nicht in Folge des grossen Antheils bei ihnen am Älkoholismus in
der Anamnese sein?
Der Verlauf der progressiven Paralyse bei den Frauen ist ein langsamer,
nibiger nnd milder, ohne stürmische AnfiUle maniakaler Aufregung, die so
cfaaraktehstiscb bei den Männern sind. Deswegen dauert die Krankheit bei
den Frauen auch länger als bei den Männern. Wenn man die späten Ein-
b^eningen und die zufälligen Entlassungen ausschliesst und nur die Mittel¬
tahlen der Dauer der Paralyse bei beiden Geschlechtern in Acht nimmt, so
»gt es aich, dass bis zum Exitus letalis in der Abtheilung blieben:
Die achiielle Zunahme der Erkrankungen an progressiver Paralyse bei
Frauen stellt ohne Zweifel eine der merkwürdigsten Erscheinungen der Neige
onseres Jahrhunderts dar. Sie beweist, da^ die Frauen ihren früheren Vorzug,
das Eeberwiegen functioneller Erkrankungen des Nervensystems, der Neurusen,
schnell verlieren, im G^ensatz zu den Männern, bei welchen die organischen
Erkrankungen uberwiegen oder wenigstens bis jetzt überwogen, und dass die
Frauen auch hinsichtlich der Erkrankungen des Nervensystems zur Gleichheit
mit den 31ännem streben. Speoiell für die Paralyse bestätigen sich mehr und
mehr die Worte Ritti’s: „La femme, pour avoir laissö longtemps le triste pri-
de la paralysie gönörale ä Thomme, cherche ä le lui disputer; m§me pour
eette afiirense maladie eile veut devenir l’ögale ä l’homme.“
Wo soll man die Ursache dieser Tbatsaohe suchen?
Die hauptsächlichste, wenn auch nicht die einzige Ursache besteht darin,
dass die Frau in der letzten Zeit mehr und mehr in den allgemeinen Kreislauf
dea Kampfes um’s Dasein hineingezc^en wird. Im Laute vieler Jahre dazu er¬
zogen und gewöhnt, an diesem Kampfe keinen Theil zu nehmen oder wenigstens
darin unter dem Schutze des Mannes, ihres natürlichen Vertbeidigers und Be¬
schützers zu sein, stellt sie sich jetzt — bald aus eigenem Willen, bald aus
Xothwendigkeit — ihm gleich und manchmal sogar wetteifernd mit ihm. Aber
weder durch die Bedingungen ihrer psycho-physischen Constitution noch durch
ihre Ve^angenheit zn diesem Kampfe vorbereitet, verliert die Frau schnell den
Vorrath ihrer Nervenkräfte, unterhält sie noch einige Zeit durch verschiedene
Mittel (Eidtantia, Alcoholica), aber am Ende fallt sie im ungleichen Kampfe.
D» diese neue active Richtung in der Thätigkeit der Frau zu allererst unter
den niedereu und theilweise mittleren Classeu vorkam — die höheren mit
waiigeii Ausnahmen besitzen bis jetzt noch die frühere passive Lage der Frau —
- Google
350
so versteht sich von selbst, weswegen die ersten Opfer der progressiven Para¬
lyse unter den Frauen eben in dieser Classe Vertreter fand und weswegen bis
jetzt die Paralyse in den höheren Classen so selten vorkommt. In dieser Hin¬
sicht ist das Verbreiten der progressiven Paralyse bei beiden Greschlechtern voll¬
ständig entgegengesetzt: bei den Männern begann sie von oben nach unten, von
den höheren Classen zu den mittleren und niederen, bei den Frauen umgekehrt
— gebt sie von unten nach oben, von den niederen und mittleren Classen zu
den höheren. Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir in nächster Zukunft die
Möglichkeit haben werden, die Vereinigung dieser beiden Richtnngen zu constatiren.
Da man durch zahlreiche klinische und statistische Beobachtungen fest¬
gestellt bat, dass die einzelnen Ursachen, welche zusammengefasst die Aetio](^e
der Paralyse bilden, von einer ganzen Reihe Bedingungen allgemeiner, und
specieller, localer und individueller Natur abhängen, so ist es vollkommen natürlich,
dass die Zahlenangaben hinsichtlich der Häufigkeit der Erkrankungen an der
Paralyse im Allgemeinen und bei den Frauen hauptsächlich so verschiedenartig
bei verschiedenen Autoren sind. Ich wies schon auf diese Thatsache in meiner
ersten Mittheilung hin und möchte jetzt noch hinzufögen, dass eben hinsichtlich
der Frauen, deren sociale und sogar persönliche Position so verschieden nicht
nur in verschiedenen Ländern, sondern auch in verschiedenen Theilen desselben
Landes ist, die Häufigkeit der Erkrankungen an prt^essiver Paralyse in den
weitesten Grenzen schwanken muss. Deswegen scheint es mir — und darin
finde ich Rechtfertigung meines Vortrages — dass nur die allerweiteste Be¬
arbeitung der faktischen Angaben der prcgressiven Paralyse in verschiedenen
Ländern und im Falle der Nothwendigkeit in verschiedenen Theilen eines jeden
Ijandes uns der Lösung der Fr^e über die wirklichen Ursachen, das Wesen,
die Prophylaxe und vielleicht auch die Therapie dieser schrecklichen Krankheit
näher bringen kann.
Speciell für die Erklärung der Ursachen solch häufiger Erkrankungen au
progressiver Paralyse im Allgemeinen und besonders bei Frauen des Taurischen
Gouvernements kann ich auf folgende locale Bedingungen hinweisen: 1. Der
rapide Aufschwung des städtischen Lebens mit allen seinen ungünstig auf das
Nervensystem wirkenden Momenten, 2. mehrere Hafenstädte, welche eine ganze
Reihe von Momenten zur Erkrankung des Nervensystems darbieten: einerseits
der immer zunehmende Kampf um das t^liche Brod, andererseits ein relativ
leichter und hastiger Verdienst, dann die unvermeidlichen Begleiter des Lebens
in Hafenstädten — der Alkoholismus, die Lüderlichkeit, Prostitution, Lues;
3. beständige Anwesenheit grösserer Mengen fremden Volkes, meistentheils Hand¬
werker und T^elöbner, eines zufalhgen Elementes, welches keinen organischen
Zusammenhang mit der Landesbevölkerung des Gouvernements hat, meistentheils
mit bescholtenen Sitten, Alkoholismus, Müssi^fang und ihren unvermeidlichen
Folgen.
Alle oben angeführten Tbatsachen führen uns zu folgenden Schlössen:
1. Die Erkrankungen an prcgressiver Paralyse bei Frauen nehmen in der
letzten Zeit viel zu und zwar relativ mehr als 1^ den Männern.
Google
351
2. Das Zablenverhältniss der ErkraDkungen an progressiver Paralyse bei
Fnoeo and Männern hängt von einer ganzen ^ihe allgemeiner und individaeller
Bedingungen ab und kann desshalb natürlich nicht überall dasselbe sein.
3. Für das Taorische Qonvemement ist dieses Verhältniss nach unseren
Zihloi im Zeitraome von 12 Jahren gleich fast 2:1.
4. Das Verbreiten der prcgressiven Paralyse in den verschiedenen Klassen
ut bei den Männern und den Frauen vollkommen entgegengesetzt: bei den
Kännem b^iinnt die Paralyse in den höheren Classen und ging erst allmählich
zu den mittleren und niederen über, bei den Frauen umgekehrt kommt sie bis
zur letzten Zeit fast ausschliesslich nur in den niederen Classen vor und dringt
ent jetzt in die mittleren und höheren; bei den Männern wird die prc^essive
Pmiyse aus einer ^^aristokratischen“ Krankheit eine mehr oder minder „demo¬
kratische“, bei den Frauen umgekehil
5. Die einzelnen Ursachen der progressiren Paralyse sind bei den Männern
ud Frauen dieselben, ihre Combinationen aber sind bei den letzteren etwas
bäufigv, als bei den ersteren.
6. Das klinische Bild der prc^fressiven Paralyse bei den Frauen enthält
änige Eigenthflmlichkeiten, welche ihm ein besonderes Gepräge geben.
7. Der Verlauf der prcgressiven Paralyse bei den Frauen ist ein langsamerer
^k bä den Männern, desshalb ist die mittlere Dauer der Krankheit k«i ihnen
öe etwas längere als bei den Männern.
[Ans dem Dr. SKNCKBnBBBO’schen Institute für patholcgische Anatomie
zu Frankfurt a./M.]
3. üntersachnngen über das Rückenmark und das Klein¬
hirn der Vögel.
Ton Dr. A. Friedländer,
zur Zeit ao der pBjchiatriBcben Klinik io Jena.
Die spärlichen Thatsachen, welche über das Centralnervensystem der niederen
Tertänaten bisher bekannt wurden, sind fast alle auf dem Wege des Studiums
va g^ärbten Scbnittserien normaler ausgewachsener Thiere gewonnen worden.
Wo die Schwächen eines derartigen Verfahrens liegen, ist bekannt
Da die letzten Jahre uns mit Methoden beschenkt haben, welche die Ver-
kilfung degenerirter Faserstränge in so scharfer und deutlicher Weise gestatten,
das aimh einzelne Fasern in dem kleinen Bückenmarke der niederen Thiere
geraden werden können, so war es verlockend, an leicht zugänglichem Materiale
«Dsehlägige T7ntezsnchungen ansznfübien.
Google
352
loh habe auf Rath von Prof. Edinoeb unter den mannigfachen vorliegenden
Problemen ein, wie mir scheint, besonders wichtiges hersnsgehoben und versuchte,
die Verbindungen zu ermitteln, welche zwischen dem relativ hochstehenden
Rückenmark der Y^l und dem wesentlich nur aus einem Wurm bestehenden
Kleinhirn dieser Thiere vorhanden sind.
Benutzt wurde ausschliesslich Columba domestica, die Versuchsreihe er¬
streckte sich über 70 Operationen, am lebenden Thiere in der Aethemarkose
ausgefuhrt
lieber das Centralnervensystem der Vögel ist im G-anzen nicht sehr viel
gearbeitet worden. Am besten sind noch die Hinmervenkeme durch Stibda\
Kbeis^, S. R. t Cayal^ und van Gshuohtek* beschrieben, denen sich in
letzter Zeit Bbandis’ mit mehreren ausführlichen Studien anreihte. Zu den
ältesten descriptiv-anatomischen Arbeiten dürften wohl die von Coiteb 1573*.
von Thomas Willis* aus dem Jahre 1664 und die von A. von Halles*
aus dem Jahre 1768 gehören; eine genaue Anatomie des Vogelgehims lieferte
Meckel', einige anatomische Mittheilungen finden wir beiSoHüLOiN*, zusammen-
fassende Untersuchungen sind von Hans Gadow* in Bbonn’s Klassen und Ord¬
nungen niedergelegt Ueber Gross- und Kleinhirn finden wir einige Angaben
bei Jblgebsma^*, über die Hirnrinde bei Sala t Poms^^
Der feinere Bau des Vorderhims ist von Bumm*^ und von dem oben¬
genannten SoHULQiN, .in neuerer Zeit namentlich von Edinoeb^* bearbeitet
worden. Ueber den Thalamus sind wir im Wesentlichen durch Edinoeb orientirt,
ebenso über die Faserung und die Ganglien des Mittelhims. Das Mittelhim-
dach und die Opticusendigungen sind am besten von BELLONa^*, spater mittels
’ Ludwig Stibda , Studien fiber das centrale Nerveoaystem der Vögel und Säugetbiere.
1868. Leipzig.
* Kbbis, Zur KenntnisB der Medolta oblongata des VogeUiims. Dissertation. 1882.
Zürich.
* S. R. Y Cajal, Estractora de los Centros nenriosos de las aves. Revistrega triniestral
de histolog^a normal y patologica. 1888. Madrid.
* V. Qbbdohtbk, Bull, de l’Acadam. r. d. Sciences de Belgique. 1892. Nr. 11 (Ente).
* F. Bbandis, Untersuchungen Ober das Gehirn der Vögel, Arch. f. mikrosk. Anat.
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* CoiTBB, De anatomia avium. Ext. et int. principal. corporie huiuani tabul. Norim¬
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* M. A. SoHULQjR, Phylogenesis des Vogelgehims. DissertatioD. 1885. Jena.
* Bbokms Classen und Ordnungen des Thierreichs. Vögel von Hans Gadow.
G. Jellqbbsma, De groote en de kleine herseoen by soogdiereo en vogela in verband
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en Oeneeskundig-Congres. 1889. Leiden.
“ Cl. Sala y Poks, La Corteza cerebral de las aves. 1893. Madrid.
A. Buhm, Das Grosshim der Vögel.
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J. Bbllokoi, Ueber die centrale Endigung des Nerv, opticus bei den Vertebraten.
Zeitschr. f. wissensch. Zoologie. XLVII. 1.
Google
der GoiQi-Metiiode von yäs Gebugbtbk S. B. t Gayal ^ nnd von y. KdL*
UKSB^ beedurieben worden.
Fftr die Toriiegende Stndie intereesirt zunächst nicht, was durch diese
i^orai gewonnen wurde, sondern wesentlich das, was über das Kleinhirn und
di8 Bdekenmark bekannt geworden ist
Die einzige Arbeit, welche die Kerne des Eleinbims der Vögel genuier
•diüdert, ist die yon Bbahdib.
Die änssere Form derselben ist früher Tielfach beschrieben worden. Im
vesentlicben stdlt das Yogelkleinhim eine flache Platte dar, um welche gleich
^^odien eines Bades die einzelnen Markblätter angeordnet sind. Die Zahl nnd
Aatsdnong der Blätter wechselt för die einzelnen Vogelarten ganz ansserordent-
lick, wie dies namentlich Bbaitdis^ gezeigt hat, dem wir eine aosführliohe
Aibeit, die sich anf 209 Arten erstreckt, verdanken. Im Allgemeinen mödite
idi ans dieeer Untersoohong schUessen, dass die Speichen mit der grösseren
flogtechnik der verschiedenen Spedes im geraden Verhältnisse zonehmen. Den
Fnrdien, die durch das Aaseinandertreten der weissen Markmasse zu den oben
«wähnten Speichen entstanden sind, entsprechen die au der Oberfläche des
Kkmhrms ächtbaren GyrL Auf einem sagittalen Längsschnitt finden wir die
d«D Lebensbaome der ^uger analoge Bildung; der Stamm desselben wird durch
die Schenkel des Kleinhirns gebildet Die untere (ventrale) Wurmfläche über-
daäit den 4. Ventrikä and liegt je einem Pfeiler auf, der durch die Kleinhirn-
aheokä gebildet wird. Cerebralwärts finden wir, dicht vor dem Ursprung des
troehleaiis, die Valvnla cerebelli. Der 4. Ventrikel setzt sich als Ventrikel des
Kkohims in da^lbe fort, auf seinem Verlaufe än verschiedenes Lumen zeigend.
Dcf Ventriculns cerebelli bewirkt eine deutliche Scheidung der Kleinhimmasse
m onen rechten und linken Theil und trennt die Ganglien des Kleinhimkörpers
ron einander.
Das ganze Kleinhirn der Vögel entspricht, wie bekannt, nur dem Wurme;
öl dorsaler Theil (Oberwurm) ragt hoch hina uf in den Schädel, der der Bauten-
grabe zngewendete Unterwarm betragt kaum Vs ganzen Masse: mitten im
Kkinhimkörper U^en die zuerst von BnAimis näher beschriebenen Kerne des-
Bribat; es änd dies jederseits zwei grosse Ganglien, die er als inneren und
haiNen Kern beschreibt Der innere (bedeutend grössere) wird von EnmaER
den Noclens globosos des Saugerklänhims gleichgestellt Ob der laterale dem
Noriais frstigü oder dem Nucleus dentatus entspricht, bleibt noch festzustellen.
Mcglidierweise aber haben wir auch in zerstreuten kleinen Zellmassen,
wäche noch weiter lateral liegen, ganz kleine Corpora dentata zu erblicken.
Qva lateral li^en dann noch von Brandib und von S. Bamön y Gayal
* ▼. Gbboohtbn, La stractare des lobes optiqaes. La oellule. VUI. 1692. 1.
* 8. B. T Cajal, Estractora del löbnlo öptieo de las aTsa jorigen de los nervios öpticos.
Mfea trinestral de Histoloäa normal y Patologia. Madrid 1889.
* T. ICllub, Handbaeh der Gewebelehre. Bd. Q.
* F. Brawdu , Das Kleinhirn der Vögel in seiner Beäehnng sor ^stematik. Jonmal
fa Omithologin. XLIY. 1896. Jnli.
29
Google
354
näher beschriebene Zellgruppen, welche zum Acusticus und vielleicht aadi zum
Trigeminus in Beziehung stehen.
Die Angaben von BnAnnis und von Edinobb Qber die Bahnen bezw.
Fasern, welche zum Kleinhirn ziehen, stimmen gut überein. Beide kennen einen
vorderen Schenkel (Tractus tegmento cerebellaris B.) (Pedunculus cere-
belli ad cerebrum) und einen hinteren Schenkel — Corpus restiforme
(Pedunculns cerebelli inf. Brachium oerebelli ad med. obL). Eine
Brücke fehlt den V^eln; daher finden wir auch nicht den mittleren Kleinhim-
Schenkel der Sauger, das Brachium cerebelli ad pontem.
In das Corpus restiforme will Bbandib hineinverfolgen: eine Eleinbim*
seitenstrangbahn und zahlreiche Fasern aus den Hintersträngen, welche
ungekreuzt längs der dorsalen Peripherie zum Kleinhim hinau%ez<^n sind.
Ausserdem Züge aus der Formatio reticularis. Schliesslich hat BBAimis durch
die MABOBi’sche Methode noch Fasern nachgewiesen, die er für einen Oliven-
antheil hält
Aus 'meinen Untersuchungen will ich im 'Wesentlichen das mittbeilen, was
sich über Verbindungen zum Bückenmarke aassagen lässt.
Das Rückenmark der Vögel ist durch die bisher genannten Autoren, ausser¬
dem aber auch von v. Köllikeb^ beschrieben worden.
Die älteste ausführliche Arbeit ist die 1855 erschienene Dorpater Dissertation
von MsTznEB.* Gerade in den letzten Jahren ist uns das Vogelrückenmark
nadi Zellen und Faserverlauf durch van Gbhuohten^ und Rbtziüs^ besser
bekannt geworden; mit der GoLOi-Methode arbeitend, haben diese Autoren das
nun vielfach für das Rückenmark festgestellte Typische (Wurzelzellen, Commis-
suren-Strangzellen, Aufsplitterung der hinteren Wurzel) feststellen können.
Das Rückenmark der Vögel bildet einen weissen, an der dorsalen Seite von
einem Blotleitei bedeckten Strang, der eine Hals- und eine Lendenauschwellong
ze^ entsprechend dem Abgänge des Plexus brachialis und ischiadicus. Erstere
ist die bedeutendere und gehört der Höhe des 11.—14. Spinalnerven an. Das
Brustmark hat einen geringeren Durchmesser, als das Halsmark. Während die
hintere Längsfiirohe im oberen Halstheile des Rückenmarkes in geringe 'Defe
geht, erreicht sie in der Intumescentia cervicalis und im Brusttheile die hintere
graue Commissur; gleichzeitig wird sie auch auf der Oberfläche sichtbar. In
der Lendenanschwellung treten die beiden Hinterstränge auf eine Strecke von
ca. 1 cm auseinander, um sich caudalwärts wie aneinander zu l^n. Auf diese
Weise entsteht ein rautenförmiger Schlitz, der sc^enannte Sinns rhomboidalis
sacralis. Dieser Sinus ist von einer durchscheinenden röthlich-braunen bis
-gelben Substanz von weicher Gonsistenz ansgefüllt Trotz zahlreicher Unter¬
suchungen konnte bis heute eine Einigung über Wesen und Entstehung dieser
‘ V. Köixixn, B. 0.
* MnzLBB, De medalla spioalis avium textura. Inang.-DiBBert. Dorpat 1855.
* V. OsHiJOHiTir, La «eUala. VIL 1891.
* RBTznre, Biologiache Untersachnngen. Bd. VII.
i.,Google
355
Sabsteuz nicht eizielt werden. E. A. machte dieselbe zom Gegenstände
emer IHseertation, Lbxdio* hält sie fdr gallertiges Bind^ewebe, ebenso Mbtz<
leb’, SruiLiHa^ lasst sie ans nindlioh-polyedrischen Zellen zusammengesetzt
sein und spricht ihr nerrösen Charakter zu, Stibda^ aber bestätigt Leydio’b
und Heizlkb’s Angaben. Dütal* weist in ihr blasige Zellen nach und findet
die Mdong des Sinus rhomboidalis in der Obliteration der Primitivrinne erklärt,
indem nur der feine Gentralcanal übrig bleibt Die gallertige Substanz, scheinbar
retiealär, bestönde aus Zellen, die sich dnrch Umwandlung von Elementen des
embryonalen Medullarrohres bildeten. Einige Gefasse und Nerven&sem sind
in die Substanz eingeschlosseu. Letztere Ai^abe kann ich auf Grund meiner
Pi^Arate insofern bestätigen, als ich in der Substantia gelatinosa zuweilen
d^nerirte Nervenfosem und immer blasige, durchsichtige Zellen, zwischen
deim 8i(^ Blutgeßsse und Lymphräume erstreckten, fond.
Gadow ' meint, die Substimz entstamme dem Ependym und hält den Sinus
rbombrndalis nicht für embryonale, sondern nachträglich erworbene Bildung
innerhalb der Classe der V^el; bei Yogelembryonen fand er keine Spur eines
Sims; er Tersncht eine phylogenetische Erklämng, der zufolge die dinosauzier-
aitigen Vorfahren entsprechend den mächtigen hinteren Extremitäten ein viel
ää^eres Mark —. besonders in der grauen Substanz — besassen, und dass nun
ds nicht länger nöthige Ranm durch das wuchernde nicht nervöse, auf indifib*
miter Stufe stehen bleibende Gentralgewebe ansgefüllt wird. Eine Cauda equina
fehlt, denn die Nerven treten sofort ans dem Wirbelcanal ans, ohne wie bei
den lagern eine Strecke neben einander zu ziehen. Ein Filum terminale im
ägentlichen Sinne ist nicht da. Der Gentralcanal ist geschlossen, kreisrund,
durdischniUlich 0,03 bis 0,04 mm breit An Spinalnerven unterscheiden wir
12 Nervi cervicales, 7 Nervi pectorales, 13 Nervi Inmbales, 7 Nervi caudales.
Untersuchungen, welche wesentlich mit der von TObe bei Säugern inaugu*
lirten, von Westphal, Sinueb, Löwenthal u. v. A. ausgebildeten D^enerations«
methode Vorgehen, liegen für das Rückenmark der Vögel, soweit ich sehe, bis
jetzt nicht vor; deshalb wissen wir auch noch nicht — wenn wir absehen von
den Mittheilimgen bei Bbandis —, wie weit einzelne Bückenmarksbabnen him«
värts ziehen.
ScH&ADKB^ SiNUEB^ MüNZEB, EoiNaEB, die bei Vögoln eine Hemisphäre
exstir{Mrten, fanden niemals eine vom Grosshim absteigende lange Bahn d^ene-
rirt, die als Homologen der Pyramidenbahn der Säuger gelten könnte, und
* E. A. Hat, De sma rhomboidali in medoUa spinali avium. Inaug.'Diee. Halis 1844.
* LsTDid, Histologie der MeDscheo ODd der Tbiexe. MOllib’s Archiv. 1864. S. 884.
* s. o.
^ Stiu;,iko, Monographie Über dae Rhckenmark der Vögel.
* s 0.
* Dwai. Matbu 8, Beehercbee enr le Sin. rbomb. des Oiseaox, snr son däveloppement
nr la D^vrolgie p4ri4peiidymoire. Joum. de TAnat. et de ta Pbjsiol. Paria 1877.
’ s. o.
* Sachs P. Bbahdu, UDtersoehoogeD bber das Gehirn der Vögel 1. Tbeil.
28*
DiQ'iii’od
Google
356
leognen daher mit voller Bestimmtheit die Existenz ^es Tractns oortico-
spinalis.
Anch Bbandxs* erhielt bei zwei Tanben, die er nntersaohte, ein natives
Besnltat
Saioiicetbb^ dag^eUf der seine Thiere längm* als einer der anderen Antoren
leben liess, fand eine deutliche secnndäre Degeneration hn Rückenmark an d»
Stelle der Pjramidenbahn, weshalb Bbawds meint, die Frage müsse dmeit
noch offen bleiben. Eigene Untersnchnngen, die ich anstellte, sind derzeit noch
nicht abges(^ 088 en.
Ueber directe Bahnen zwischen Bückemnark and Thalamus, ebenso über
solche zwischen Bückenmark und Mittelhim ist, wenigstens mit der Degenerations¬
methode, die doch hier den Aasschlag giebt, noch nichts ermittelt Ihre Existenz
wird behanptet.
Bei diesem Stande der Frage schien es wünschenswerth, die eigenen Unter¬
suchungen in zwei Abschnitte zu gliedern.
A. Durchschneidungsversnche am Bückenmarke, welche ent¬
scheiden sollen, ob und welche Fasern aufwärts degeneriren.
B. Verletzung verschiedener Theile des Kleinhirns.
Ad A. Um mich über Bahnen, die vom Bückenmarke in’s Kleinhirn anf-
steigen, zu orientiren, durohschnitt ich das Bückenmark in verschiedenen Höhen.
Bei 6 Tauben durchsohnitt ich es ganz, bei 30 l^te ich eine Halbseitendorch-
scbneidung in verschiedenen Höhen des Hals*, Brust* und Lendenmarkes an.
Die Schwierigkeit der Operation ist naheliegend. Das kleine Bückenmark liegt
tief eingebettet in dem knöchernen Ganale; tritt nach der Darchschneidong des
Rückenmarks eine Blutung anf, so ist ein Uebersehen des Operationsfeldes, eine
Gorrectur des Schnittes unmöglich. Endlich machte das Thier in vielen F&llen,
selbst io tiefer Narcose, in dem Momente, da die Spitze des Scalpells die Dara
spinalis berührte, Beflex(Abwehr)bewegungen, die häufig ein Abgleiten oder Ueber-
schneiden zur Folge batten.
Diesen Schwierigkeiten konnte ich bei Operationen im Sinus rhomboidalis ent¬
gehen. Ans der oben gegebenen Beschreibung erhellt, dass an dieser Stelle eine
Theilnng des Bflckenmarks gewissermaassen . schon phjsiolo^ch angedeutet ist; ein
Ueberschreiten der Mittellinie konnte nur die oben geschilderte „Substantia gelatinosa**
verletzen, kaum aber nervöse Gebilde.
Ad II. Da ich bei der Untersuchung der Gehirne von am Bückenmark ope-
rirteu Tauben d^nerirte Bahnen bis ins Kleinhirn verfolgen konnte, machte i<^
eine Beihe von GontroUversuchen, am Kleinhirn, indem ich bei 25 Tauben an ver¬
schiedenen Stellen desselben Zerstörungen vomahm.
Was die Auswahl der Thiere für diese Operationen anbelangt, so zeigten sich
ältere der Äethemarcose gegenüber ansserordentUch widerstandsßhig, während jüngere
grosse Vorsicht nothwendig machten.
Die operativen Eingriffe, selbst solche schwerster Natur, überstanden die Tanben
ausnahmslos. Zum Festhalten des Tbieres diente der EwAxm'sche Tanbenhalter, der
den Kopf und den Bumpf in beliebiger Stellung festhalten kann, ohne das die Ath-
mung iigendwie beeinträeht^ würde.
War das Thier „eiogeepannt“ und durch einen in der Medianlinie geführten
Schnitt die Hant nnd die Bflckenmusknlatnr durchtrennt, so nahm ich die weitere
l’räparation stnmpf vor, da insbesondere am Halse eintretende Blutungen schwer au
Google
357
itiila «inn. Termocbte ich allerdiogi aooh Mhr bedentender, sogar Sinus*
klitugiD Herr ni werden durch die Anwendosg eines, so weit ich weise, neuen,
■ir TOS Prof. Edinqbb empfohlenen Mittels. Ich drfiekte ein Sttkekchen Tanben*
■whlibir auf die blntende Stelle^ was ein fast sofortiges Qerionen des Blutes be*
tirh Bei den leisten Operationen (15) entnahm ich stets ein Stflokchen Bnist-
■rtilatar von dem an operirenden Tbiere, um solches frisches Blntstillongsmaterial
nr Hand so haben; flbrigens gelingt die Blutstillong auch mit Mnshulatnr, die
bsKwe Zeit io Formel gel^^ hatte.
Hidi der Eröffiinng des RQckenmarkcanals sieht man in der Tiefe das Bficken*
avk ah einen gl&niend wdasen Strang lieg»), an seiner dorsalen Seite von einem
filatleiter bedeckt, dessen Verletznng schwere Blntong herbeifflhrte, so dass ich ihn
w dw Lision stets stumpf zur Seite .drfiekte.
Bach aosgelfihrteT Operation wurde das znifickgeklappte- Knoebenstflek auf die
loa^ gelegt, die Haut mit Catgut genäht and mit Sublimatcollodium flbergossen.
Die Operationen am Kleinhirn zerfielen auch in mehrere Gruppen. Erstens
aKbie ich etwas oberhalb der Protoberantia occipitalis mit einem feinen Trepan eine
tMobeai)SDang, durch die ich, dem WALLBWBXBo’schen Verfahren folgend, einen
hf~l BUB langen Tiaminariastift einschob, der dann bei seiner Quellung eine Zer-
dirag der dorsalen Binde Terursaebte. (Derselbe wurde bei der nachfolgenden
UDtnachong stets mitgeschnitten.) ln anderen Fällen schob icb einen längeren
Stift weiter hinan (ventralwärts) und setzte auf diese Weise eine Verletzung des
Bnbinkbrpeis. Bin anderes Mal durchstach der Stift den Pednnculns cerebelli,
anal drang er zni&IIig durch die dorsale Binde in den Ventrikel des Kleinhirns
u; KQBt werde ein Sealpell durch den Knochen in das Cerebellum eingestossen,
id piiparirte, den Sinus der Schädeldecke ausweichend, die knbeheme Be-
ti^mg weg und Idffelte einen Tbeil der Kleinhimsabstsnz aus, welch letztere
Kethode ich ihrer Sicherheit wegen zum Schlosse fast ausnahmslos anwandte.
Die Brsebeinungen an den Thieren nach der Operation waren zumeist so con-
*tat gsd, idi möchte sagen, patbognomiseh, dass ich mit wenigen Worten einen
^tag ans den FrotocoUen ge^.
Alls Tauben, bei denen eine wollständige Dorchtrennni^ des Bfickeomarks statt-
hatte, lagen nach der Operation mit an den Leib angezogenen Beinen und
ugelegten Flfigeln passiv im Käfige. Vollständiges Unvermögen, den Ort zu
tadcB. Am nächsten Tage versuchten die Tbiere, aus ihrer Lage aufgeschreckt,
Tffwirtsbewegnngen dadurch auszufOhren, dass sie die Flfigel spreizten und mit
heftigen Schlägen, mehr kriechend als fli^end, der verfolgenden Hand ent-
ticiiflB. Dieee Thiere mussten gefüttert werden.
iBtereasantw war das Verhalten jener Tanben, bei denen das Bflckenmark nur
zm Tkeil dorehsehoitten war. Stets zeigte sieh die gleichnamige hintere Extremität
nach der Operation (Halbseitenläsion rechts angenommen) das Thier
<hr rechten Säte. Das rechte Bein wird im Hfift- and Kni^elenk gebengt. im
l^iteneheokelfnsegelenke mit gespreizten Zeben gestreckt gehalten, meist mit nach
gwichtetem Dorsnm der Klaue. Der Schwanz ist nach links abgebogen und
Mteb abwärts gehalten, sodass ein dorsalwärts convexer Bogen entsteht. (Ueber-
der beeeer innervirtmi linken Musknlator des Schwanzes.) Scheucht man das
^ ans seiner Bube auf, so werden wir zunächst auf den unsicheren Gang anf*
Die Taube schleppt das rechte Bein nach, das in schlaffer Lähmung
Oftinals stolpert sie Aber dasselbe oder tritt mit dem Dorsnm der
Auf. Erregt man ein Geräusch, das sie zur Flacht mahnt, so entfaltet sie
^ hebt sieb in die Höbe, stellt das gesunde Bein auf, stfltzt die Schwänz¬
le auf den Boden und vermiß dann, ein wenig Aber die Elrde erhoben, halb
halb laufend, stets das rechte Bein nachschleppend und öfters binfallend,
^ (tik<KDmsn. ^greift man sie, eo kann sie niebt in die Höbe fliegen. Lässt
■' Google
358
man sie aber von oben hinabfallen, so entfaltet sie die Fl&gel, and den nach links
abgebogenen, non aasgebreiteten ^hwanz gewissermaassen als FaUschirm benfitaend,
gelangt sie fast wie eine gesande Taube auf den Boden.
Was die Sensibilität und die Reflexe anbelangt, so konnte ich bei deren Prüfung
nicht zu eindeutigen, übereinstimmenden Resultaten gelangen, doch schien mir in dra
meisten Fällen auf der der Operation entgesetzten Seite eine Herabminderung dM-
Schmerzempflndung vorhanden zu sein, auch glaubte ich häuflg, den Oreifreflex auf der
gelähmten Seite leichter und intensiver aaslösen zu können, als in normaler Weise.
In wie weit die sehr merkwürdige Erscheinung, dass die Thiere das gelähmte
Bein oft mehrere Centimeter hoch mit Dejecten, Sand u. s. w. bedeckt batten, während
die ungelähmte Seite stets mit der den Tögeln eigenen Sorgfalt geputzt erschien,
etwa mit nervösen Binflüssen (Änästhesiel) zusammenhängt oder mechanischen Ur¬
sachen zuzuschreiben ist, vermag ich nicht zu entscheiden.
Das oben geschilderte Verhalten in motorischer Beziehung gilt für die ersten
Tage nach der Operation. Ende der ersten Woche zeigt sich schon eine Besserung
des Zustandes; das Thier steht meist auf beiden Beinen, noch ist die Schwanzhaltung
pathologisch, bei dem Wunsche, zu entfliehen, stolpert die Taube leicht über das
gelähmte Bein und fällt hin. Immer mehr aber erstarkt die kranke Extremität, and
oft unterscheidet sich gegen Ende der zweiten Anfang der dritten Woche das operirte
Thier von dem gesunden nur durch eine geringe Schwäche im paretisehen Beine,
durch ein leichtes Abbiegen des Schwanzes nach der gesunden Seite hin, was eine
meiner Kranken jedoch nicht hinderte, sich meiner Hand zu entwinden und in kurzer
Zeit über das Dach fainwogfliegend, für immer zu entschwinden.
Was nun die Erscheinungen an den Tauben anbelangt, denen das Kleinhirn
verletzt wurde, so eigab die Beobachtung detjenigen, denen die dorsale Binde des
Eleinbims durch einen Stich oder durch einen Laminariastift in grösserer oder
kleinerer Ausdehnang zerstört worden war. keinerlei Alteration des Allgemeinbefindens.
Anders dagegen verhielten sich die Thiere, denen der Kleinhirnkörper durch einen
Laminariastift verletzt worden, oder bei denen durch eineu kleinen scharfen Löffel
eine grössere oder geringere Menge von Kleinhimsnbstanz entfernt worden war.
Oleich nach der Operation traten die Erscheinungen des gestörten Oleichgewichts
auf, die durch ihre Art, ihre Intensität und ihre Dauer von den rauschartigen Be¬
wegungsstörungen, die häufig auch bei den Tbieren, die am Bückenmarke operirt
worden waren, in Folge der Aethemarkose auftraten, leicht zu unterscheiden waren.
Stürmische Drehbewegungen des Körpers, Ueberschlagen desselben über den auf
den Boden aufgestützten Kopf, Schiefbalten des Kopfes, Taumeln, Umfallen beim
Versuche, sich aufrecht zu erhalten, Rückwärtsbeweguageu im Kreise. Auch hier
Hess das Stürmische der Erscheinungen in den nächsten Tagen nach. Die Thiere
standen ruhig im Käfige, doch verloren sie, beim Suchen der Kahmng n. s. w,, noch
häufig das Gleichgewicht, taumelten, fielen hin und zeigten eine Schiefhaltung des
Kopfes. Bei einigen Tauben gelang es mir, die dorsale Binde des Kleinhiros und
einen grossen Tbeil des Körpers zu zerstören. Diese Thiere zeigten die oben be¬
schriebenen Erscheinungen gestörten Gleichgewichtes und aufgehobener Coordination
am deutlichsten. In den ersten Tagen taumelten sie im Käfige hemm, schlugen mit
dem Kopfe auf den Boden auf oder gegen die Wände und hielten den Kopf schief
um 180*^ gedreht, dass der Schnabel dorsal gerichtet war. Das Taumeln liess nach,
die Drehung des Halses dagegen blieb bestehen; Nahrung zn finden war diesen
Tauben unmöglich, da sie keine coordinirte Bewegung auszufOhren im Stande waren.
Bis zu ihrer Tödtung mussten sie gefüttert und getränkt werden. Bei mehreren
dieser Tauben schien die eine Seite des Körpers deutlich schwächer zu sein als die
andere, doch handelt es sich hier kaum um Lähmung — etwa durch unabsichtliche
Verletznng der ventral vom Cerebellum gelegenen MeduUa oblongata bewirkt —
vielmehr um eine Schädigung des Orientirungsvermögens im Baume und der zom
■'ig: ^cd
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359
AfaUxif üner Bewegung nbgestoften Kraft der der motoiiacfaen Centren,
ihnlkh den Ergebnissen, die Bibdi.* fand, der auch die motorische Schwäche und
die CooTdinationsstörnng in den Kopfmuskeln, aosgedräckt durch die Schiefhaltung
das Kopfs, bei jenen Thieren, denen er den hinteren Kieiohimstiel dnrchtrennt hatte,
als Ataxie nach W^all einer hemmenden Bahn, die er vom Cerebellum aus in die
Seitansträi^e des Büchenmarks verlaufend ansprechen möchte, erklärt.
In meinen Fällen war die motorische Schwäche auch meist einseitig, oder doch
«kseit^ viel stärker, was das üeberwiegen der Coordinationsstörnng anf einer Seite
erklären wOrde.
Als besten Zeitpunkt fär die Tödtung der Thiere möchte ich bei BQckenmarks*
lääonen den 13.—14. Tag, bei Eleinhirpoperationen den 16. —18. Tag angeben, nach
wdeherZeit ich stets die Degenerationen am schönsten und deutlichsten entwickelt fand.
Die Wirbelsäule schnitt ich im Zusammenhangs mit dem Kopfe ans dem Thier»
Imbe ans, legte sie in (ö^/^) Müller- (10 7o) FormoUösnng (10:1) durch 6—8 Tage,
«ntw^hm dann unter thunlichster Vermeidung aller Zerrungen das Gehirn and Rücken-
Bark, das in dieser Zeit bereits so hart geworden war, dass man es viel leichter
ohne Verletaangen herauspräpariren konnte, als wenn man dies gleich nach der
Tödtnng des Thieres versucht nnd legte es in kleinen Stückchen io die bekannte
Marchi-Mischung auf 2—6 Tage.
Bei dieser Gel^enheit möchte ich auf einen kleinen Kuns^riff aufmerksam machen,
der mir in vielen Fällen gute Dienste leistete nnd znmindest viel Zeit ersparen lässt.
Bevor ich an die Härtung ging, entnahm ich dem Bflckenmarke ober- und
unterhalb der Operationsstelle, die durch den Enochendefect oder durch die Naht
Mtlich markirt ist, ein kleines Stückchen seiner Sobstanz. Diese brachte ich auf
dem OeMermikrotome zum Gefrieren, machte ein^e Schnitte, legte sie auf 1—2 Stunden
ia das Marchi-Gemisch und konnte ich mich auf diese Weise nach kürzerer Zeit
davon Aberzeugen, ob das Material zur Weiterbehandlung geeignet sei oder nicht.
Daas der bei der Qefriennetbode verdunstende Aetber anf die Degenerationsproducte
m keiner Weise einwirkte, dass die Behandlnng von 20—40 /i dicken Schnitten mit
Marelü durch die oben angegebene Zeit zur deutlichsten Sichtbarmachung der Degu-
aeratioomi genüge, davon Überzeugte ich mich dnrch entsprechende ControUversuche.
Was die Ergebnisse der Sectionen anbelangt, so fand ich sowohl die Bflcken-
•Is die Kopfwunden stets reactionslos verheilt, mit Ansnabme eines einzigen Falles,
in weichem ich an der Operationsstelle (Operation in der Höbe der HalsanschweUung)
grünliche Verßrbnng der Haut, Gangrän der Weichtbeile und den Bückenmarkscanal
ob«- und unterhalb der Operationsstelle mit missHirbiger Flüssigkeit erfüllt fand,
so dass ich wohl an eine von aussen statigehabte Infection denken musste, weshalb
diese Taobe von der Dntersnchong ansschloss.
Am halbseitig dorchtrennten Rückenmark fand ich bänfig eine Art Vernarbung
vor, so Aitna die Continuität oberflächlich bergestellt erschien, doch denke ich hier
nicht an eine wirkliche Regeneration von Nervengewebe, erkläre vielmehr die deutlich
anftiwtende Beaserong in dem Beflnden der in den ersten Tagen halbseitig gelähmten
Tki«e ans der bekannten Erscheinung vom Vicariiren (anderer) gesunder Bahnen
Ar die zu Grunde gegangenen. Im G^ensatze hierzn berichtet Bboww-Sequabd,
er habe bei einer Taube, der das Rückenmark völlig durchschnitten war, bei ihrer
Tödtung nach 3 Monaten dasselbe vollständig verwachsen gefunden; die Yerwachsungs-
•tolle zeigte sich ärmer an Ganglienzellen nnd Nervenfasern, Empfindong nnd will-
kftiikbe Bewegung hatten sich nicht bergestellt, die Reflexaction an den gelähmten
Mnakelo war prompt.
' Er konnte eine solche Bahn mikroskopisch nacbweisen; ich glaube auob Fasern der-
idhea bei meinen Tauben, die am Cerebellum operirt wurden, gefunden zu baben.
(Fortsetzung folgt)
DiQ'ii^od
c.GoogIc
360
XL Referate.
Anatomie.
1) Die Leitungsbahnen des Bflokenmarks und des Oehinxs, yon Prof. Dr.
y. Bechterew. (2. Äufl. 11. Theil. 1898. Kicker. St. Peterabui^.)
Die in russischer Sprache nunmehr erschienene 2. Auflage des 11. Theils der
„Leitungsbahnen" enthält so viel neues, dass sie als völlig umgearbeitet bezeichnet
werden darf. Das ganze Werk ist in vier grosse Kapitel zertheilt, in welchen die ge¬
summte Architektonik des Centralnervensystems und die physiologische Bedeutung
der einzelnen Fasersysteme, in einer erschöpfenden Weise besprochen wird. Das
erste Kapitel bandelt Ober das Kleinhirn. Verf. bespricht zunächst die bisher sicher
gestellte physiologische Bedeutung dieses Organs und speciell die Bolle, welche das¬
selbe fflr die Erhaltung des Gleichgewichts spielt. Dabei werden nicht nur die
Experimente, sondern auch die Besultate aus der menschlichen Pathol(gie kritisch
erläutert Es folgt dann eine genaue Besprechung des feinen histologischen Aufbaues
der Kleinhimrinde und der grossen grauen Ansammlungen im Markkem, wobei die
mit der Golgi'scben und anderen Methoden dargestellten Präparate als Grundlage
der zahlreichen, sehr gut ausgefOhrten Abbildungen dienten. Was die Fasersysteme
betrifft, welche das Kleinhirn einerseits mit dem Grosshim, andererseits mit dem
Bäckenmark verbinden, so berichtet Terf. in dieser Auflage Ober die wichtigen Er¬
gebnisse, zu denen er und seine ScbOler auf Grund der Anwendung der Harcbi'-
sehen Methode gekommen sind. In eingehender Weise bespricht Verf. die Bahnen,
welche in den vorderen, mittleren und hinteren Kleinhimschenkeln verlaufen, Uber
die Verbindungen der Olive mit Cerebellum, Aber die Beziehung des N. acusticus
zu dem letzteren u. s. w.
Im zweiten Kapitel findet man alles, was bis jetzt Ober die Projections- und
Associationsfasem im Grosshim bekannt geworden ist. Verf. berichtet hier Ober
seine eigenen zahlreichen Ergebnisse und berficksiefatigt ebenfalls stets die Arbeiten
anderer Forscher. Auch hier giebt Verf. zunächst ein Bild der physiologischen Be¬
ziehungen verschiedener Abschnitte des Gehirns zu einander und geht dann zur
Schilderung des feineren histologischen Aufbaues der Hirnrinde und der Grosshim-
ganglien Aber. Besonders eingehend ist die sehr wichtige Frage der Localisation der
Sensibilität in der Hirnrinde besprochen. Der morphologischen Beschreibung sind
auch hier zahlreiche Abbildungen der verschiedenen ZeÜen (Zupfpräparate, Golgi’sche
Bilder, Carminschnitte) beigegeben. Es folgt eine Schilderung der weissen Substanz
der Gehirne, wobei zunächst die Projections- uud dann die Associationsfasem ge¬
schildert werden. Bei den Projectionsfasem werden zunächst die Faaersysteme be¬
schrieben, die aus dem Himstamm nach den Grosshirnbemispbären verlaufen, dum
die Projectionsfasem, welche die letzteren mit dem Grosshimganglien verbinden.
Dabei werden die entwickelnngsgeschichtliche und die Gudden’scbe Methode in
vollem Maasse berAcksichtigt. Bei den Associationsfasem bespricht Verf. zunächst
die Commissuralfasem und dann die kurzen und die langen Associationsfasem und
•faaersysteme. Stets wird dabei die physiologische Bedeutung einzelner dieser Babuen,
so weit sie bekannt, angegeben.
Das dritte Kapitel behandelt die Leitungen innerhalb des Centralnerven^tems
(Keuronentheorie, Leitung in demÄxencylinderundindenFrotoplasmafortsätzenu.s.w.).
Im vierten Kapitel findet man ein Abersichtliehes Besumö und Aufzählung der
auf- und absteigenden Bahnen im gesammten Centralnervensystem.
Dig ti/cn-i
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361
Diene gisse eehwierige Miteriil ist sehr klar and flbersichtlkb angeordnet
nd geschildnt. Die 266 Textflgaren and eine firbige lithographische Doppeltafhl
■leiehtem weeentlieh die Otientinmg in diesem schwierigen Gebiete. Das Literator*
mseichniaB enthält 867 Arbeiten.
Wir wfinschen diesem ansgeseiobneten Werke, welches demnächst in deutscher
Sprache erscheinen soll, eine grosse Verbreitnng.
Edward Flatau (Berlin).
Experimentelle Physiologie.
S) Ueb«r ooloiirtwn Gwnohmiok, von Dr. U. Eberson. (Wiener med. Presse.
1897. Nr. 49.)
thmlt mit, dass schon seit einer Beihe von Jahren bei seiner Person die
SrnpfindoBg einer blauen Farbe beim Kosten einer Säure und der rothen oder gelben
Farbe beim Schlnckm) einer bitteren Substanz auftrete; umgekehrt sei der Anblick
ein«’ blanen Farbe mit der Empfindong einer Säure verbunden. Oft genfige schon
der Gedanke an etwas Saures, um die Sensation einer intensiv blauen Farbe zu er*
halten. Beim Schmecken von etwas Sflssem werde keine Sensation aufgelöst.
Untersuchungen anderer lioute daraufhin fielen negativ aus.
J. Sorgo (Wien).
S) Hote sor rm nouveau oaa d’audition oolorde, par A. Grafd (Liöge).
(Bevue de Mddecin. 1897. Mars. S. 192.)
Die Erscheinung des Auftretens bestimmter Farbenbilder („Images et non iddes‘0
beim Hören laut gesprochener Vocale beobachtete Yerf. bei einer jungen Dame.
De- Yoeal a rief die Empfindung schwarz, der Yocal i die Empfindung roth hervor.
Alle übrigen Yocale waren mit keiner Farbenempfindung associirt, ebenso wenig die
ConSonanten. Bei der blossen Yorstellung der Yocale und beim leisen Lesen der*
sdbso tnt die Erscheinung nicht hervor. Strümpell (Erlangen).
4) Fuxther remarka on oolour hearlng, bj W. S. Colman. (Lancet. 1898.
Jan. 1.)
Yerf. stellt anf einer farbigen Tafel die Farben zusammen, welche 21 Individnen
bei ton Hören der 6 Yocale empfinden, nnd welche 7 Individuen bei dem Hören
aller Buchstaben des Alphabets empfinden. Es ergiebt sieb daraus wiederum, dass
£sae seeundären Siunesempfindnngen, wie auch Bef. betont hat, bei verschiedenen
PersoBen ausserordentlich verschieden sind. Th. Ziehen.
ä) iBterfsrens awisohen versohledeneu Impulsen im Centralnervensystem,
TOB L. Hofbaner. (Fflflger’s Archiv. Bd. LXYUI.)
Tmf. bat den Einfluss starker Sinnesreize auf die ergographisebe Curve unter-
sueht Bekanntlich ist die ergographisebe Technik noch keineswegs einwandfrei.
Um so werthvoUer sind die Bemühungen des Yerf.’s einige wesentliche Fehlerquellen,
m Bameiitlicb die Unzulänglichkeit der Fixation, aoszuscbalten. Als Sinnesreiz dienten
blinde Bevolverschlüsse. Es ergab sieb zunächst, dass dieselben Gewichtshebongen
hsTTomfen, welche diejenigen der maximalen Willensanstrengung erheblich übertreffen.
Y«rt sehlissst daraus, dass „der quergestreifte Muskel eine grössere Arbeitsleistung
aBfnhtngen vsnnag, als in dem Falle, wo er ausschliesslich vor einem maximalen
WQlemrapuIs getroffen wird.“ Im Allgemeinen ist dies Plus um so grösser, je
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362
weiter die Ermadasg des Haskels durch TorausgegangeBe Willkürarbeit voi^^hritteD
ist So glaubt Yerf. auch die pathologische Erfahrung erkl&ren zu küDoen, dass bei
herabgesetzter Leistungsßibigkeit oft die Befiexthätigkeit gesteigert ist
Wird die Versuchsperson sofort nach dem Schuss durch ein Signal zur Hebung
des Gewichts aufgefordert, so föllt die willkürliche Hebung zu schwach aus und
Terspätet sich merklich. Beträgt das Intervall zwischen Schuss und Signal mehr
als Vi Secunde, so ist die Verringerung der Hebhühe kaum noch merklich, während
die Verspätung noch deutlich ist Letztere fällt erst dann weg, wenn das Intervall
mehr als eine Secunde betr^. Seltsamerweise erwähnt Verf. die analogen Ver¬
suche über die Beactionszeit (z. B. von Wundt) nicht
Versuche mit faradischen Hautreizen und optischen Beizen eigaben zum Theil
ähnliche Besultate. Verf. schliesst daher ganz allgemein: Fällt der Tusch (d. h. der
starke momentane Beiz) nur wenige Zehntel Secunden vor die Willkürreaction, so
pflegt er diese zu hemmen; fallt die Willkürreaction einige Zehntel Secunden vor
den Tusch, so pflegt sie den Effect des letzteren zu hemmen.
Sehr bemerkenswerth ist auch, dass ein zweiter Tuschreiz einen motonscben
Effect auslüst welcher nicht nur die Grösse des durch den ersteu Tnscfareiz erzielten
erreicht, sondern in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle übertrUTt Es wirkt also
der Ablauf der ersten Tuschwirkung bahnend (im Sinne Exner’s) auf den Ablauf
der zweiten. Diese Bahnung ist am erheblichsten, wenn inzwischen eine Intentions-
znckung r^elrecht abläuft Eine dritte Tuschzuckung erscheint in der Curve noch
höher als die zweite. Die bahnende Wirkung ist auch dann noch bedeutend, wenn
das Intervall zwischen den Tuschreizen bis auf 2 Secunden steigt
Das Qesammtergebniss seiner interessanten Versuche formnlirt Verf. dahin, dass
„eine dem Ceotralnervensystem zugeführte starke Err^ung einerseits die motorische
Leistungsfähigkeit desselben Über das Normale hinaus steigert und andererseits den
Einfluss der WillkOrintention herabsetzt“ Tb. Ziehen.
6 ) Zu J. Roaenthal’s (Erlangen) und M. Uendelsohn’s (St Petersburg)
Mlttheilung: Ueber die Leitungsbahnen der Reflexe und den Ort der
Beflexübertragung (Neurolog. Ceotralbl. 1897. Nr. 21), von Dr. S. Erben
in Wien. (Wiener Win. Wochenschr. 1897. Nr. 49.)
Verf. sieht in der Arbeit Rosenthal’s und Hendelsohn’s eine Stütze für
seine früher ausgesprochene Ansicht „dass die grossen Nervenzellen des Vorderhoms
nicht jene Centra sind, wo die aus der Peripherie kommende Erregung in centrifngale
nmgesetzt wird“ (Neue Beiträge zur Eenntniss der Reflexe. Wiener med. Wochen¬
schrift. 1890. Nr. 21). Die beiden Autoren verlegen die Stellen für den Ablauf
der Reflexe bei geringsten Beizen auch für die unteren Extremitäten in den obermi
Theil des Halsmarks unterhalb der Spitze des Calamus scriptorins auf Grund von
Tbierversuchen und klinischen Beobachtungen. J. Sorgo (Wien).
Pathologische Anatomie.
7) Coutributo all' anatomia patologloa del trauma nervoso, per A. de Luzen -
berger. (Annali di Nevrologia. XV. 3.)
Die feinere Anatomie der Veränderungen des Nervensystems, die durch indirectes
Trauma bervoigebracht werden, ist schon von vielen stndirt und beschrieben worden.
Der strittige Punkt dabei ist immer der, ob es sich um rein regressive oder um
entzündliche Vorgänge handelt.
Von 7 Meerschweinchen, die nach Hammerschlägen auf den Schädel oder nach
anderen Insnlten, wie Stoss mit dem Kopf gegen eine Hauer epileptisch geworden
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363
wen, nntersachte Verf. das CwtralnerTeiisystem Tornebmliob an Nissl'Pr&parsten.
Ywf. beeebreibt die bei den einxelnen Thieren erhaltenen Resnltate nnd kommt
n folgenden Scblfiseen:
1. Die allgemeinen EmähnmgsstOnuigen nach einem Traoma, das das Nerren*
■^stOD getroffen, xe^ sich loerst in der Vermebrong der regreasiv ver&nderten
Qaaglienzellen.
2. Die dem Tranma folgenden circamscripten Läsionen verdanken ihren Ur*
^nng dem Contrecoup und der durch den Liquor cerebro-spinalü fortgeleiteten
bsdiQUerung.
3. Auch wenn gröbere Veränderungen fehlen, finden sich mikroskopisch oft an
den dem Contrecoop an^esetsten Stellen Zellalterationen und Zerreissungen der
Harknebeiden auch in weiter Entfernung vom AngriSepunkt des Traumas.
4. Die Yeränderongen der Ganglienzellen bestehen in einer eigenthfimlichen
ptdaren Anordnung des Cbromatins.
5. Hammerschläge, selbst wenn sie auf den Kopf eingewirkt haben, können
Tarinderungen im Bfickenmark setzen, die eine Heterotopie Vortäuschen.
6 . Im Bfickenmark finden sieb in Folge des Traumas oft sclerotiscbe Inseln,
vornehmlich dort, wo die Zerreissung am stärksten.
7. Das Oefösssystem reagirt auf Traumen durch Erweiterung der Capillaren
■nd Voien.
8 . Folgt Kachexie auf die Verletzung, so ähneln die Zellveränderungen oft den
bei der progressiven Paralyse beobachteten. Valentin.
8 ) 8a d’ona speoiale alteraslone delle oellule ganglisrl prodotta da
tranma aperimentale, per A. de Luzenberger. (Giomale delV Ass. dei Hed.
e Naturelisi VII. 4.)
lieber die anatomischen Qmndlagen der traumatischen Neurose gehen die An*
ächten sehr weit auseinander. Verf. untersuchte nun die Gehirne von Meer«
scbweittchen, die nach Hammerseblägen auf das Schädeldach mit epileptischen Con«
TDlsioaeD erkrankt waren, ohne dass Hämorrhagieen oder gröbere Zerreissungen dem
Trauma gefolgt werden.
Von einem solchen Thier, das 56 Tage nach dem Trauma getötet wurde, und
usaer der Lähmung einer Pfote keine krankhaften Erscheinungen mehr darbot, be«
öckreibt Verf. einen eigenthflmlichen Befand. Die Ganglienzellen der Scheitel« und
SchÜfenlappeo beiderseits zeigten an NissUPräparaten eine Anhäufung der stärker
färbbaren Sobstanz an einem Fol der Zelle, während an dem anderen das Froto«
plasaa rareficirt erschien. Der Kern bildete die Grenze zwischen beiden Abschnitten.
Dieee Verändemngen fanden sich an den dem Einwirkungsort des Traumas näebst-
geiegenen Bimtheilen.
Die wiederholten Hammerschläge hatten hier zwei Snbstanzen von verschiedenen
qweifiseheD Gewicht getrennt, die in der Begel innig vereinigt sind. Man kann das
axpminentell nachahmen, wenn man in einer Böbre ein leichtes und schweres Pulver
■iseht. Fährt man ScÜäge gegen die Hfindung der Böhre aus, so trennen sich
beide Pulverarten. Valentin.
Pathologie des Nervensystems.
-•) Ueber (Jn&llerkrankazigeii, von Prof. Dr. Bichard Schnlz. (Festschrift
zur 69. Versammlnng deutscher Naturforscher und Äerzte. Braunschweig. 1897.)
Vof. skizzirt znerst den augenblicklichen Stand der wissenschaftlicheu Ansichten
hes&glich der Nervenerkrankni^en nach Unfall, bringt dann einen ausgeprägten Fall
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364
von Bailwayspine, welchen er seit 1879 onter Beobaohtang hatte. Der Zoatud
desselben war im grossen Gänsen in dieser langen Zeit immer derselbe geblieben.
Gewechselt batte nnr die Art und Weise der Anffassnng des Erankheitsbildes, ein
Wechsel, den Verf. an sich selbst dnrchgemacht hatte. Seine AnadmonngeB über
die traumatischen Nenrosen sind im wesentlichen knrz folgende. Be ist awar anin-
streben, jedesmal den Krankheitsfall unter die bestehenden ErankbeitsbildCT dw
Nenrastbenie, Hysterie, Hypochondrie, Melancholie u. s. w. einxoreihen, jedoch ist «
nicht nnpraktiscb, wenn Jenes nicht mOgUch ist, es bei der Bezeichnnng „temna*
tische'* Heorose an belassen. Dies hat anch den Tortheil, dass die Aosdrtcke
Hypochondrie und Hysterie, welche für den Bichter „anrüchig** sind, TermiedM wtfdeo.
Was die Pathogenese betrifft, so wirkt in erster Linie die p^chische Erschütterung,
Begebrangsrorstellui^en (Strümpell) haben allenfalls eine krankbeitsunterhalteude
Bedeutung, aber keine krankheitmachende. In dieser Beziehung will Terf. die schweren
Unfallneurosen von den leichten geschieden wissen. Bei den letzteren schliesst Verf.
sich der Strümpell’schen Auflassung vollstftndig an.
Von grosser Bedeutung ist anch der chronische Alkoholismus. Was die Simu*
lation angeht, so glaubt Terf., dass dieselbe sehr selten ist, jedoch aber unbewusste
Uebertreibung sehr h&nfig anftritt Die Symptome von Seiten des Hantgefühls und
die Graichtsfeldeinengungen sind, wenn genau untersucht, von grossem Werth, weniger
Bedeutung hat die Steigerung der Herzthätigkeit und der Sehnenrefiexe. Das fibril-
l&re Huskelzucken ist ein werthvolles Symptom, sobald man das ESltezittem ans*
schliesst Die Prognose ist bei ülteren Unfallsnenrosen schlecht Grosser Werth ist
auf die baldige Unterbringung der Patienten in solche Erankenh&user zu legen, in
welchen in Unfallkrankheiten erfahrene Aerzte sind.
Im zweiten Theil seiner Arbeit bringt Terf. zwei interessante organische Unfall*
erkraukungen. 1. Kopfcoutusion mit Bruch des Oberkiefers im Jahre 1886. Kopf¬
schmerzen bis 1895. In diesem Jahre Steigerung der Kopfschmerzen, GedäcbtaiiBs-
schw&che, Anssetzen der Arbeit Befund 1895: freies Sensorium, weinerlicbo
Stimmung; Andeutung von amnestischer Aphasie; rechte Pupille weiter als links;
normale Beaction; doppelseitige Stauungspapille; geringe Schwäche des rechten Facialis.
Schwanken nach rechts beim Gehen und Stehen. Steigerungen der Beflexe am linken
Bein. Die Beaction zeigte ein Gliosarcom des linken Schläfenlappens. Terf. kam
zum Schluss, dass die Geschwulst sich in Folge des Unfalls entwickelt hatte.
2. 22jähriger Hann, welchem 1892 ein 6 Centner schwerer Stein auf den
Bücken fiel. Lähmung der Beweglichkeit und des Gefühls beider Beine, Urinver¬
haltung, onwillkfirlicher Abgang des Stnhls. Die Untersuchung ergab ein Torspringen
nach hinten nnd links des 2. Brustwirbels und 1. Lendenwirbels. Gang watsefaebd
mit sehr starkem Pendeln des Beckens. Geringes Kachziehen des rechten Beines.
Bücken und Aufrichten schwerfällig. Beide Beine aetiv nnd passiv frei bew^lich.
Gesässmuskeln schlaff und welk, besonders rechts. Anßi^Uche Lähmungen des
rechten und linken Beines und aiifönglicbe Peroneuslähmung mit EntartungsreactioD
waren zurückgegangen. Desgleichen die anfönglichen Schmerzen im Erenz und in
den Beinen. Bestehen blieb Empfindungsstürung im Bereich des N. cut. ferner,
poster. des Bam. cut cmr. later., des K. peroneus, des N. peron. superficialis, der
N. clunium inferiores und des Plexus pudendalis bei Freibleiben des Gebiets des
K. cmralis und Obturatorius. Atrophieen und Schwäche der betreffenden Mnsknlatni
fanden sich im Ischiadicusgebiet und dem des H. gluteus super, und Inferior. Terf
stellt keine sichere Localdiagnose, vermuthet nur den Sitz der Läsion der Cauds
equina in der Hübe zwischen 1. und 2. Lendenwirbel. Paul Schuster (Berlin).
D g I ,:od oy GOO^ Ic
365
10) Bn IWI von Bohwwm SohädolUsioA mit gäimtlgem Aiugange, toq
SflgioMBtatrst Dr. Ericb Knote in Badapeak (Wiaier med. Wocbensobr.
1898. Nr. 6.)
fin 38jfthriger Btttooeister etflnte Tom Pferde. Aus der Nase sickerte Blnt,
&M tat Ohren nicbi Tiefer Sopor, anwUlkflrlicher Urin- nnd Kothabtping, B. 16,
P. 62, T. 37,9; beide Papillen reaetionslos, beide Corneae nnempfindlicb; Ubmniq;
te rechten Oenlomotorins nnd Facialis, rechtsseitige Hemiplegie; Sfacher Knochen-
bnd des Unterkiefers.
Dis Diagnose wnrde gestellt auf Commotio cerebr. Blntaostritt in die Sch&del-
UUs an der Qehimbasis entsprechend der rechten Scala media, wahrscheiulioh in
P»lge foo Kssnra baseos.
Der Sopor dauerte 10 Tage. In den ersten S Tagen Cheyne-Stockes’sches
A th msa. Urin and Koth gingen durch 3 Wochen nnwillkftiiich ab. Ton der tweiten
Wo^ an Besserung aller fymptome. Am l&ngsten danerte die Oenlomotorins-
Uhnnng. Nach 4 Wochen ka^ er langsam geben, es besteht noch etwas Oed&cht-
nenehwfiche. Ophttialmoskopischer Befand: Papille abgeblasst, an der temporalen
Me lahesn pergamentfarbig, die kleinen Gefftsse temporalw&rts atrophirt, die grossen
GmtralgeSsse abgeflacht. Concentrische Qesiohtsfeldeinschrftnkaag, Hwabeetzong des
ftrbeiishuiee, besonders für Qrfln. J. Sorgo (Wien).
11) Ueber einen weiteren Fall von nervösen Folgesoatänden nach Oehim-
mohöttanmg mit Seotionsbefand, von Dr. M. Friedmann io Uannheim.
(Deotsche Zeitschrift für Nervenheilknode. IX. 1897.)
fin 48jähriger, früher lebensfroher und energischer Mann von hünenhaftem
Wochs, bis snm Krieg 1870/71 stets gesund, erlitt in diesem Feldzug durch die
^kütter einer in seiner unmittelbaren Nähe platzenden Bombe eine Gehirnerschütterung.
In Ansehlnas daran langes Krankenlager mit mebrw&chentUchem Bewasstseinsverlost
aad Amnesie vom Angenblick der erlittenen Terletznog an. Nach Jahresfrist ist
PitisBt zwar wieder arbeitsfähig, aber in Wesen and Charakter vollständig verändert
■nd zwar jetzt forchtsam, energieschwach nnd hypochondrisch, ansserdem gegen
hiiparikbe Anstrengungen nnd Alkohol sehr intolerant Es gesellte sich eine mit
da Jahren progressive, essentielle Gedäcbtnissechwäche, nervöse Reizbarkeit nnd
9tiäigkrit dee Ganges hinzu. Etwa 23 Jahre nach dem Unfall kamen zeitweilig
uftnfceDde Schwindelanfalle mit lallender Sprache, erhöhte Pnlsfrequenz mit Parese
da reehtai Arms hinzo, doch verschwand letztere nach kurzer Zeit wieder. Nach
öBw stärkeren körperlichen Anstrengnng stellte sich 2 Jahre später die Armparese
vwda ön, am nicM mehr zu schwinden. Aoaserdem beetand bei dem Kranken sehr
datBche Intoleranz gegen den galvanischen Strom. September 1896 apoplectischer
Isalt, Lähmong der ganzen rechten Eörperhälfte, lallende Sprache, Fnlsverlang-
aiwo fc Dmckempflndlichkeit der linken Schläfenschuppe (Gehimabscess?), Somnolenz,
KxRbs. Bei der anatomischen Untersuchnng des Gehirns fand sich dessen Substanz,
aaar einem frischen hämorrhagischen Herd im linken Schläfenlappen, normal. An
dar Art vertebralis, besondere aber an der Art. basilarie Hessen eich indessen dent-
viM Tsrändaungen nachweisen, welche als Endarteriitis obliterans mit frühzeitiger
Artsnosderoee aofiafasaen waren. Für die erst vorübergehend vorhandene und später
daasnd znräclq^kehrte Parese des rechten Armes liess sich keine anatomische Grand-
Itfs findMi, nnd ist es wahrscheinlich, dass dieselbe mit den Gefässveränderungen in
dm liakeo Centralwindungen in Zusammenhang zn bringen ist. Die lüttheilnng
^ewi Pdles beweiset recht dentlich, dass functionelle Lähmungen bei Commotio
wnbri anch auf anderem Wege, als durch Hysterie zn deuten sind. Ferner ei^iebt
äcä danMis, in der allsn einseitigen Verwendung des „psyohogenerischen'* oder gar
da aocialp^ebologischen Ei^läningsmottTB bei hartnäckigen nnd dennoch scheinbar
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366
einfach functionell bleibenden Folgexost&nden des Gehirnsboeks in Zaknnft etwa«
zorückbaltender zn sein. Nach der Ansicht des Yerf. bildet das Auftreten eaeen-
tieller Gedäcbtnissschwäche jedenfalls ein wichtiges Moment f&r die Annahme molo'
cnlarer Ver&ndeningen innerhalb der Nervenzellen. E. As oh (Frankfart a./H.).
12) Sabaraohnoideale seröse Bxsudation nach Kopfrerletsungen und da*
durch hervorgemfene Druoksymptome, von Walton. (American Neoro*
logical Association. 1897.)
Schlusssätze: 1. Eine Scbädelverletznng kann zu localer Qnetschnng und
Congestion mit snbarachnoidealer seröser Ezsndation führen. 2. Die Flflssigküt kann
abgekapselt sein und focale Lähmung bedingen. 3. Der Process ist nicht compen-
satorischer Natur, er ist verwandt mit Quinke’s seröser Meningitis. 4. Die Läsion
ist circumskript (selMimiting). 6. Die Differentialdiagnose gegenüber einer Blutung
ist schwer; atypischer Verlauf ohne Steigerung der Symptome und Erhaltenbleiben
des Bewusstseins sprechen mehr für seröse Ezsndation. 6. Eine sofortige Operation
bei focaler Lähmung ist nicht unbedingt nöthig, vielleicht jedoch stets gerechtfertigt.
7. Diese Affection ist besonders zu berücksichtigen vor Operationen an Kindern und
jungen Leuten.
An der Discusslon beth^igen sich Putnam, Collins, Patrick, Angell,
Herter, Bullard, Prince, Sachs und Allen Starr: sie theilen kurz ähnlidie
Fälle mit und treten im Wesentlichen den Ausführungen des Yerf.’s bei.
B. Pfeiffer (Cassel).
13) Ueber das Auftreten von Hlmgesohwülsten nach Kopfverletzungen,
von Dr. Adler in Breslau. (Archiv für Unfallheilkunde. Bd. II.)
Yerf. hat aus der Litteratur mit sehr grossem Fleiss diejenigen Fälle von Hirn¬
tumor zusammengestellt, in welchen in der Anamnese eine Kopfverletzung verzeichnet
ist und will an der Hand dieses Materials nach Kriterien suchen, auf Grund deren
der Gutachter im speciellen Fall seine Entscheidong treffen kann. Dabei zeigt sich,
dass weder in Bezug auf Geschlecht und Lebensalter, weder in der Natur des Tumors,
noch in seinem Sitz zwischen „traumatischen“ und „nicbttraumatiscben“ Hirn-
geschwülsten ein erheblicher, für den Gutachter in Betracht kommender Unterschied
besteht. Es macht aber demgegenüber in einer Anzahl von Fällen schon die Anam¬
nese einen Zusammenhang zwischen Verletzung und Geschwnlstbildungen wahrschein¬
lich, wenn sich nämlicb au die traumatischen Beschwerden allmählich typische
Tumorsymptome anschliessen. ln zweifelhaften Fällen wird eine ungefähre Alters¬
bestimmung des Tumors ans dem anatomischen Befunde zu versuchen sein. Andere
Male wird die Uebereinstimmung des Angriffsortes der Gewalt mit dem Sitz des
Tumors eventuell Residuen der Verletzung an den weichen Schädeldeckeu, dem
Schädelknochen oder den Hirnhäuten an correspondirender Stelle die ätiologische
Bedeutung des Schädeltraumas ausser Zweifel stellen. Doch ist damit nicht gesagt,
dass nicht auch an von dem Angrifbort weit entfernten Bimstelleu auftretende Ge¬
schwülste die Folge der Verletzung sein können. In solchen Fällen wird wledemm
die Anamnese zu Bathe zu ziehen sein. Bezüglich der Details ist auf die 118 Fälle
enthaltende Tabelle zu verweisen. Paul Schuster (Berlin).
14) Von der Verwaohniing oder Steifigkeit der Wirbelsäule, von Prof. W.
V. Bechterew in St. Petersburg. (Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde.
XI. 1897.)
Die Casuistik der vom Verf. schon früher als eine besoodere Erkranknngsfonn
beschriebenen Stei&gkeit der Wirbelsäule wird in der vorliegenden Abhandlung um
Google
367
«HD neacD Fall boaicbert Dt derselbe in den Bahmen der früher gegebenen
SpQtoBttologie passt, sollen an dieser Stelle nur die wichtigsten Momente beeproehen
«erd«. Die eigeothümliche Brkranknng betraf einen 52j&brigen Hann. ^ fand
sich eme Kjpboee im oberen Bmst- and unteren Halsabschnitt der im Bereich der
finutwirbel «ollkomm« nnd in den übrigen Theiten beträchtlich versteiften Wirbel*
Male. Wnrxelsymptome sind stark nnd mannigfaltig, besonders in der Brostg^nd,
ngesproehen, nnd stellen sich für den Patient« änsserst qualvoll dar. Da die
Maakeln des Thorax paretisch nnd theilweise atrophisch sind, nimmt die Athmung
im abdominalen Typus an. Als ätiolc^isches Hom«t ergiebt sich ans der Anamnese
Une HseditAt, wohl aber Trauma, ferner sei noch eine vor 15 Jahren erworbene,
sehr Tsraarhläasigte, luetische Infeetion daraas hervorgehoben. Die Prognose der
laagsam pr ogre ooi ven Krankheit lautet quoad valetadinem ungünstig nnd wird hierin
aach nichts durch die Therapie geändert, deren Qrnndxüge vom Verf. «gegeben
«erden. E. Asch (Frankfurt a./M.).
15) Bemericong über die ohrozdeohe ankyloslrende Entaündung der
Wirbelaftule und der Hüftgelenke, von Prof. Dr. Adolf Strümpell in
Erlangen. (Dentsche Zeitschrift für Nerv«heilkande. XI. 1897.)
Im Anschluss « die Bechterew’sche Arbeit theilt Verf. die Krankengeschichte
•iaes SSjUuigen, früher vollkommen gesunden Bauersmranes mit Ohne besondere
Sehmenen hatte sich hier allmählich eine Versteifung der Wirbelsäule auBgebildet,
wovon die Hals- und ober« Brustwirbel frei geblieben waren. Ferner best«d
WM mäauge Bei^econtractur im rechten und eine unbedeutende Contrsctur im
liak« Hüftgel«k. Sowohl die Beinmuskulatur, als auch die hingen Bückenmuskeln
fühlt« sich gespannt «d fest «, letztere erschienen zugleich atrophisch. Doch
war die Steifigkeit nicht durch die Muskelspannung bedingt, da sie aoch in der
Chloroformnarkose unverändert besteh« blieb. Es handelt sich wahrscheinlich um
^ Aukylosirang auf „chronisch-entzündlicber“ Basis, doch ist der Process ausge*
zeiehMt durch das Fehl« von stärkeren Schmerzen, von auffallenden Deformitäten
ond eotzfindlidien Ergüssen in die Gelenke, sowie endlich durch die alleinige Loca-
liatkm an der Wirbelsäule und den Hfif^elenkeo. In Ernmngelung pathologisch-
aatomischer Befände ist nach Terf. die Clsssificirung dieses Falles, sowie zweier
ihnlieher, früher beobachteter Fälle nicht sichergestellt.
E. Asch (Frankfurt
16) Bur an oaa de oyphose heredo-traumatique, parPierreHarie et Charles
AstiA (Presse medicale. 1697. Octobre.)
Ein 1897 fiOjäbriger Tischler wurde im Jahre 1886 von heftig« allgemeinen,
Mr^gieehen Schmerzen in Armen nnd Beinen befallen. Der Al^emeinzustand blieb
gut. Trotzdem musste der Kranke beim Gehen einen Stock benutz«. Um diese
Zeit fing er « etwas krnmm zu gehen mit einer leichten Krümmung im dorso^cervi-
cal« Theü. Diese Haltung war Übrig«6, wie die Nachforschung ergab, in seiner
Emilie erbUdi. Im April 1890 fiel er auf der Strasse so unglücklich, dass ein
Topf nnd eine Kanne unter seinen Bücken zu liegen kamen. Dabei empfand er
aokb« Schmerz, dass er bewusstlos wurde. Nach einigen Minuten kam er zu sich,
m wurde von Passanten aufgehoben und ging weiter. Er that dann seine
Arbeit weiter bis znm Abend. Beim zu Bette gehen trat« wieder heftige
SehaMrz« auf. Zwei Tage blieb er zu Bett, konnte aber d«n nicht mehr arbeiten.
Setdem hatte er das Gefühl eines furchtbaren Gewichtes auf dem Bücken und konnte
kaum mehr geb«. Seit dem dritten Tag nach dem Unfall war sein Rücken nun
stark g^Tümmt und zwar trat diese starke Verkrümmung in 24 Stuuden ein. Seit
r..,Googlc
368
den xwei letxten Monaten soll die Verkrflmmnng stetig sogenoBmen haben. Objeeti?
bestand eine enorme Kyphose der ontem Hals* und der ganien Brnstwirbeleftiüe.
Anaserdem bestand eine nnbedentende ScoUose. Absolute Immobilit&t der Wirbel*
sftnle. K^e Difformit&t im Lendentheil, keine Atrophie der Bomi^aekeln, keue
Besonderheit an den Beinen, keine Zeichen von Bhachitis. Gang mit KrOoksn,
aim anch ohne solche xnr Noth möglich. Kmne Dmekempfindlichkeit der
Wirbels&nle, keine Sensibilitätsstömngen, normale Patellarreflexe.
Die Yerff. bringen ihren Fall in Beziebnng sn den von Eflmmel, Henle n. A.
beschriebenen F&ilen ron traomatisoher Kyphose and lassen es offen, ob bei einig«!
dieser letsteren F&lle nicht Hysterie mit im Spiele sei. Fftr ihren Fall, der analoga
in denjenigen findet, die Bechterew 1893 beschrieben hat, schlagen sie nnter
besonderer Betonung der hereditären Pr&dispoeition den Kamen Kyphose heredo-
tranmatiqne vor. Pani Schuster (Berlin).
17) Experimentelle Untersaohongen über Büokenmarksersohütterung,
von Dr. Gisbert Kirchgässer, Assistenzarzt an der medtcin. Klinik in Bonn.
(Dentscbe Zeitschr. f. Kervenbeilk. XI. 1897.)
Verf. folgt bei seinen üntersuchnngen im Grossen und Ganzen der zuerst durch
Schmans beechriebeneu Tersnchsanordnnng, Die sechs Yersnchsthiere wurden nach
8—14 Tagen getödtet, das BQckenmark sofort heransgenommen und dreimal nach
Harchi gefärbt, während die Präparate der drei ftbrigen und der Controlthiere
nach Harchi und Weigert behandelt wurden. Die anatomische Untersuchung ergab
eine sich stets am Orte der Einwirkung der Sohlte, also hier in der unteren Hälfte
des Dorsalmarks, durch Zerfall der Markscheiden und Ausfall ganzer Fasern cbarak*
terisireade Querschnittserkrankung nebst secundärer ab* und aufsteigender Degeneration.
Dieselbe war jedoch offenbar von der Starke der ausgef&hrten Hammerschläge ab¬
hängig und war in einem Falle, in welchem die Versuche unterbrochen werden
mussten, nur angedeutei Verletzungen der Wirbelsäule oder Blutungen in den Wirbel¬
canal oder in das Rückenmark selbst wurden nicht bemerkt
E. Asch (Frankfurt a./M.).
18) Zur Beurtheilung der noch Eisenbahnunföllen auftretenden Er¬
krankungen, von Dr. Stadelmann in Wfirzburg. (Münchener med. Wochen¬
schrift 1897. Nr. 46.)
Verf. vertritt auf Grund seiner Erfahrung die Ansicht, dass die im Gefolge
eines Eisenbahnnnfalls auftretende Neurose nicht auf den mec^niscfaen Shok, sondern
auf den psychischen Affect zurückzuführen sei, derart, dass die fortwirkende Vor¬
stellung des erlittenen Schrecks in Verbindung mit A^ociationen ähnlichen Inhalts
das Krankheitsbild functioneller Störungen hervorroft. Demgemäss wirkt die anf
BU^estivem Wege erzielte „Vetgessenheit des grossen Schreckens" als Heilung. Verf.
zeigt dies besonders an der Hand eines Falles, in welchem nach secbswöcbeutUcher
Krankheit der nach einem Eisenbahuunfall anfgetretene Symptomencomplex geistiger
und körperlicher Alteration verschwand, nachdem es gelang, die Erinnerung an die
B^ebenheit aus dem Ideeenkreis des Betroffenen aaszuschalten.
E. Asch (Frankfurt a./M.).
18) Oonoussion of the spinal oord (railway spine), by Forest Willard
and William G. Spüler. (New Tork medical Journal. 1897. March 6.)
Nach einer durch’ heftigen Stoss entstandenen Fractur des 11. Brustwirbels trat
völlige Lähmui^ beider Beine mit Verlast der Sensibilität an denselben mit Ans-
I3ig V/ocI oy Google
369
otha« d«B Bttarks des N. cateneiu exi ein. Die Bflokennarksläeion war im ersten
bis dritta Lombalsegment localisiri Eb bestand Betentip orinae et alvi. Der Tod
trat am 6. Tage nach dem Unfall ein. Die Section ergab Blatnngen im Muskel*
oad Bindegewebe an der Fractnietelle; im Vertebralcanal extradnral ein Blut*
kzagalnm. Innerhalb der intacten Dnra war keine Blutung. Das Bflckenmark war
libwaU feet» von normaler Gestalt. Die nach Härtung in Müller’soher Flflssigkeit
■ikroskopiecb gtfundenen Terändenmgen im ersten bis dritten Lumbalsegment be*
a taad en in Verlagerung von Fasern auf der einen BQckenmarksh&lfte, in zahlreichen
ffistui^eai, Ter&ndeitem Blutpigment» zahlreichen Eörchenzellen, nekrotischem Gewebe,
gsaehwoll^iai Axen^lindem nnd Ganglienzellen und einer Bundzelleninfiltration.
Die Nerrenwuneln zeigten Schwellung der Axencjlinder und matte Färbung der
Markscheiden. Die BlutgeBlsse waren stark erweitert
Der Fall entspricht' dem von A. Westphal, dessen Patient den Unfall 7 Tage
äbwiebte; hier waren die grössten Veränderungen im Sacralmark. Kacb den sich
immer mehr häufenden positiven Befunden im Bückenmark nach Bflckenmarks*
«seh&tterung ist es gewiss nicht mehr angebracht, auch nur einen beträchtlichen
TImU der nach solcher Erschütterung auftretenden Symptome als rein functionelle,
auf nne Neorasthenie zu beziehende, aufzufassen. M. Bothmann (Berlin).
90) fimitrmg nx Beartheilang dar naoh Btaenbahmmflülan aoftretenden
Ericrmnkiuigen, von Dr. Stepp, Bahnarzt in Kflmberg. (Münchener med.
Woebesischr. 1897. Kr. 41 n. 42.)
Der Terf. kämpft g^en die Bezeichnung „Neurose" des nach Eisenbahnnnßllen
aaftreteodm, nervösen Krankheitsbildes nnd ersetzt sie mit dem Ausdruck „tarauma*
tiscbe Kervenerkrankung". Hierdurch wird der Charakter rein functioneller Störung
Ar viele Fälle in Abrede gestellt und die somatische, wenn auch nur moleculare
LiäoD des Gesammtnervensystems io den Vordergrund gerückt. Eine grössere Beihe
von eigenen Beobachtungen dient zur Stütze dieser Ansicht In dem vielgestaltigen
Symptomencomplexe sind in dieser Hinsicht von besonderer Bedeutung die objectiven,
körpetiicben, auch jede Simulation ansschliessenden Erscheinungen, wie z. B. multiple,
periphere Nenrome, Atrophie der cntanen Gebilde des Kopfes mit Ej^rauan und Ans-
&ll«i der Haare n. A. AU Ursache der Nervenläsion erkennt Verf. die Erschütte*
ni^ und legt auf das „Mehrfache" des Traumas, vrie es gerade für EisenbabnunnUle
mit ihrem Hin* und Herschütteln charakteristisch ist, besonderen Werth. Hierzu
paast auch die Beobachtung, dass einmalige, wenn auch schwere mit Verlust von
Extremitäten einhergehende Verletzungen den nervösen Symptomencomplex nicht im
Gefolge babra. E. Asch (Frankfurt a./M.).
91) Ueber trsomatiaohe Blutungen um und in das Rückenmark, von
Dr. P. Stolper. (Monatsschr. f. Unfallheilkunde. 1898. Nr. 2.)
Vsrf. berichtet Über 59 Fälle von tödtlichen Bückgratverletzungen. Er kommt
gemäss den Autopsieen zu folgenden Schlüssen: 1. Blutungen um und in das Bücken*
mark kommen bei allen schweren Bflckgratsverletzongen vor, selten ohne solche.
2. Me extramednlläreQ Blutungen waren nie so gross, dass durch sie eine tödtliche
Markgoetaehong oder eine Verblutung hätte hervorgemfen werden können. Sie waren
iteta mit einer Markquetschung verbanden, hatten aUo keine selbständige Bedeutung.
3. Die «xtradurale Blutung reichte über den Quetschungsherd hinauf. 4. Intra*
■tadnlläre Kutangen fanden sich nur im Halsmark (wohl deshalb, weil Lendenmark*
verietzungMi selten früh zur Section kommen). 6. Die centralen Blutungen bestanden
■■acr neben Quetsctanngsarscbeinnngen. 6. Die Verbreitung der Blutung erfolgte
alats in der Längsaxe. 7. Ausser der Anamnese sprachen auch die anatomischen
24
■igitvoci oy Google
— 370 —
Befunde dafftr, dass die Bflckenmarksieerrang fflr die Blutung zu beschuldigen ist
Frische, extramedulläre Blutungen sind nur daun geßhrlich, wenn sie so gross sind,
dass sie das BQckenmark comprimiren. Dies ist aber aus mehreren drttnden von
vornherein unwahrscheinlich. Die intramednlläre Blutung tritt dort am ehesten auf,
wo die Wirbelsäule am leichtesten überbogen wird. Für die „Bübrenblntung" kommt
auch die Zerrung des Rückenmarks sehr in Betracht. Eine centrale Blutung ledig*
lieh durch directen Stoss gegen die Wirbelsäule ist anatomisch nicht erwiesen. Yerf.
glaubt daher nicht an eine Commotio*medol]ae. Einen Fall von intramednUärer,
centraler Blutung im Halsmark, welcher die Besonderheit hatte, dass er mit sehr
geringer Markquetschung combinirt war, beschreibt der Terf. Es handelte sich um
einen Fall auf Hinterkopf und Nacken, bei welchem ein Bruch in der Halswirbel-
Säule vorlag. Die 4 Extremitäten, die Äthmung und die Papillen waren gelähmt
Der Patient starb nach 32 Stunden. Die, wie gesagt, kaum mit Quetschung ver¬
bundene Blutung reichte vom 4. bis 2. Halssegment. In einem wetteren Pall bandelte
es sich um eine Böhrenblutung mit massiger Quetschung im 7. Cervicals^meot. Bin
dritter Fall zeigte ähnliche Verhältnisse ohne eine greifbare Knochenverletzung. Im
Allgemeinen besteht der Satz zu Recht, dass die graue Substanz bevorzugt wird.
Klinisch sind zu unterscheiden reine Zerrongsblutungen (d. h. solche ohne Quetschung
und Quetschungsblutungen). Die ersteren kommen häufiger vor, als sie erkannt
werden. Charakteristisch für dieselben ist, dass sie frisch eine stetige Zunahme der
Lähmungen zeigen, welche in Yenigen Stunden ihren Höhepunkt erreichen. Sie be*
dingen 1. Kemsymptome (durch Zerstörungen der Kerne) und 2. Femsymptome. Die
letzteren werden dadurch erzeugt, dass das auatretende Blut einen von innen heraus
gesteigerten Druck in dem betreffenden Querschnitt sohaffL Zum Schlnn wird noch
Über einen Fall von centraler Blntong in das 6. und 9. Halssegment zur Erläuterung
des Gesagten berichtet und dabei der Ansicht gedacht, dass in manchen traumatischen
Blutungen der Ausgangspunkt von Oliose und Syringomyelie zu suchen sei.
Paul Schuster (Berlin).
22) Zur XioKre von den Unfallserkrankongen des Büokenmarks: Ueber
Poliomyelitis anterior olironioa nach Trauma, von W. Erb. (Deutsche
Zeitschr. f. Nervenbeilkunde. Bd. XI. 1897.)
Auf der letzten Versammlung südwestdeutseber Neurologen und Irren&tte (Baden-
Baden, Juni 1897) hat Yerf. über die beiden einschlägigen Fälle eingehend berichtet
und sind die Krankeogesebiebten und der Befand in dem Referat über die genannten
Verhandlungen ausführlich mitgetbeilt (siehe Neurolog. Centralblatt. 1897. Nr. 13).
An diese reibt Verf. nun noch mehrere eigene Beobachtungen, sowie eine kleine Zahl
von Fällen aus der Litteratur an, in welchen nach Trauma Erkrankungsformen anf-
traten, die in das Gebiet der Poliomyelitis auterior chrou., bezüglich der prograss.
Huskelatrophie im weiteren Sinne zu rechnen sind. Es dürfte darum angebracht
sein, dieser Frage demnächst ein erhöhtes Interesse znzuweuden.
E. Asch (Frankfort a./lC).
23) Poliomyelitis anterior aouta naoh Unfiall, von Oberarzt Dr. Franke.
(Honatsschr. f. Unfallheilkunde. 1898. Nr. 3.)
Ein 45jähriger Maurer fiel am 28. Dec. 1896 von einem Gerüst 4 m tief
herab mit dem Kreuz auf einen Baum. Er war einen Augenblick bewosstlos und
ging dann allein nach Hause. Er klagte über Schmerzen im Krenz und im Rücken.
Im Krankenhaus wurde damals Druckschmerzhaftigkeit der Lendenwirbelsäule und
der Gegend beiderseits von ihr, Druckschmerz einiger rechtsseitigen lurtercostalneiren
und Druckempfindlicbkeit im oberen Drittel des rechten N. ischiadicos vermerkt.
Dig: /cd c/ Google
8T1
Sout fteg&ti?er Befasd, besoiid«8 von Seiten der Beieze. Im weitM^n Verlauf keine
vötera Verändenuig, aoaser einer SeneibUit&testörang im rechten Bein. Snde M&rz
var der Befand im Wesentlichen der gleü^. Sa wnrde gntachtlich angttommen,
da» ,4te nnteren Bflckenmarkstheile in irgMd welcher Weise geschädigt sind“. Der
Vsrletste erhielt 45 Froc. Bente, arbeitete aber nicht. — Im Juli waren die Klagen
& nimlkhep wie fMiher. Der Befund hatte sich in zwei Punkten geändert: die
Hjpäs t heme am rechten Bein war verschwunden und die Knieeehnenrefleze ebenso
vie die fianob- nnd Uodenrefleze fehlten. Ende Juli 1897 trat nun taubes Oeftthl
ia den Beinea und Heftigerwerden der Kreusachmeraeo auf. Die Untersuehnng ergab:
fast väUige Lähmung des linksseitigen N. facialis, Druckschmerzhaftigkeit einzelner
latereoetalnervai, Schmerzhaftigkeit auf Druck der mittleren Lmidenwirbel, fast völlige
Uhnng beider Beine bis auf schwache Fussbewegungen, Schwäche der oberen Bz'
trsmitätm and im Wesentlichen normale elektrische Verhältnisse. Die Sensibilität war
mtaety die Sehnen« und Hautrefleze fehlen an den Beinen. Keine Blasen* und Mast«
darmstörangeB. Fieber hatte ebenfalls nicht bestanden. Der weitere Verlauf der
Saalümi bestand darin, dass unter Hg-Behuidlung die Lähmung der Beine abnahm
nd ebenso die oberen Eiztremitäten stärker wurden. Die Peronealmnsculatur blieb
SB schwächsten. Es trat des Weiteren ein starker Muskelschwund ein (welcher
sieht gmaantf vom Verf. prädsirt wird), sowie starke elektrische Herabsetzung fär
blade Stro m e oa rten auf. Verf. stellt die sichere Diagnose der Poliomyditis anterior
aeata oder sabacuta. Da nichts für Lues oder AlkohoUsmus sprach, so wurde gut«
aehtliefa ein Zasammenhang mit dem Unfall angencumnen. Die beobachtete Facialis-
tthmnag fasst Verf. als Kemlähmung and Parallelersoheinnng der Vorderhoment«
zindang aof. Paul Schuster (Berlin).
24) Ueber Hervenkrankheiten nftoh Büokenverletsuxigen, von Dr. M. Laehr.
(Charitd-Annalen. 1897. Jahi^. XXII.)
Von 800 in den Jahren 1893—97 in der Hervenklinik der Charitd behandelten,
u den verschiedensten fnnctionellen und organischen Erkrankungen des Nervensystems
lädttden Patienten habmi 127 ein schweres direotes oder indirectes Trauma des
Säekaae erlitten. Von diesen 127 Patienten litten 56 an einer organischen, 72 an
«MT fonctionellen Nervenkrankheit. Werden von diesen letzteren 17 Fälle al^e«
zogen, bm denen es sich vorwiegend um Kopfverletzungen handelt, so verbleiben 55
Bit BBT fonctionellen Störungen flbrig, von denen aber 46 lediglich znm Zweck der
Untellbegntaehtong anfgenommen worden waren, während nur 9 keine BentenanspilLche
m marhen hatten; von diesen besserte sich der Zustand bei 5 Frauen relativ schnell,
bei den 4 Männern war nur in 2 Fällen ein Zasammenhang der Krankheit mit dem
UbIüI aazunehmen. — An der Grenze der organischen und fonctionellen Erkrankungen
ein Fall von Paralysis ^itans und einer von Bsynand’seher Krankheit, in
«ekheo beiden der directe ätiologische Einfluss des Traumas nicht als sicher ange«
■emmen werden kann.
V(m doi Kranken mit organischen Nerven^ectionen bandelt es sich fflnfmal
am bei dem Unfall eingetretene peripherische Verletzungen, einmal um eine Stich«
verietcnng des Bäckenmarks. Von Interesse ist der von Jolly anch an anderer
SteOe mitgetheüte Fall von Dystrophia mnscnl. progr. (vergl. Neorolog. Centralblatt.
1897. Nr. 13). In sechs weiteren Fällen Hess das Nervenleiden eioMi Zusammen«
kttK mit dmn Trauma nicht erkennen.
Verf. tbeilt nun in der sehr umfangreichen Arbeit die sämmtlichen anderen
in denen es sich um organische Bückenmarkserkrankongen handelt, ansföhrlioh
^ zaaächst Fälle, in denen der Zasammenhang mit dem Trauma klv ersichtlich
iek (3 Fälle von Wirbelverletznng, re^. dem Unfall folgender «erkrankung mit Böcken«
BvksaffectioneD, 4 Fälle von traumatischer Hämatomyelie), ferner 8 Fälle von Syringo-
24*
Google
372
mydUe, ron deneo in einem Fall die Krankheit aber wahrscheinlich schon ?or dem
Unfall bestanden hat; in den flbrigen schwankt die Zeit zwischen Unfall and er¬
kennbaren Zeichen der Krankheit nngemein; sie beträgt 1, 2, 3, 4 (zweimal), 13
and 19 Jahre. Rs folgen: ein Fall T(m Erkrankung der granen YorderhOmer des
Cervicalmarks, ein Fall von amyotrophischer Lateralsclerose und ein Fall von spastischer
Spinalparalyse und ein Fall von progressiver Muskelatropbie (Typus Dache nne-
Aran) mit tabischen Symptomen. Ton 5 Fällen von multipler Sderose sind drei
sicher schon vor der Verletzung krank gewesen, wenn auch das Trauma erheblich
verschlimmernd gewirkt zu haben scheint. Im 4. Fall liegt der Unfall 28 Jahre
zurbck, während im fflnften dem Unfall wohl ätiologische Bedeutung beizumessen ist.
Schliesslich werden 4 Fälle von Tabes mitgetheilt; nur bei einem derselben ist kein
Anhaltspunkt für Lues vorhanden; in allen Fällen kommen ausserdem noch andere
ätiologische Ifomente in Fr^.
Es sind demnach die verschiedenartigsten Krankheitsprocesse, bei denen ein
voraufg^ngmies Trauma von Einfluss gewesen sein kann. So leicht meist die
Fälle directer traumatischer Erweichoi^ zu deuten sind, so schwer kann die
Beurtheilung eines Unfalls fflr die Entwicklung der verschiedenen chronischen Er¬
krankungen des Nervensystems werden, der functionellen, wie der organischen, ln
der B^el ist hier die mechanische Verletzung nor eine unter mehreren Krankheits¬
ursachen. Dies gilt nicht nur fflr die organischen, sondern auch in der Mehrzahl
fflr die functionellen Erkrankungen nach Unfällen. Ein nicht kleines Moment haben
wir hier auch in „dem Bewusstsein eines Rechts auf Rente*' zu suchen. Verf. stellt
sich damit auf den jetzt wohl von den meisten Neuropathologen eingenommenen
Standpunkt von Strflmpell und theilt zum Schluss noch einige den Lauenstein'-
schen Beobachtungen (vergl. Neurolog. Centralblatt. 1896. S. 846) analoge Fälle mit.
Martin Bloch (Berlin).
26) Zur Beurtiiellung der Büokensohmerzen bei UnflaUpstienten, von
Dr. Paul Schuster. (Berliner klin. Wocheuschr. 1898. Nr. 10.)
Da ca. 20aller Unfallnervenkranker Aber Rflckenschmerzen klagen, so ist
die besondere Betrachtung jenes Symptoms gerechtfertigt. Alle organischen Rflcken-
markskrankbeiten, innere Krankheiten und Wirbelerkrankungen, soweit letztere nicht
traumatisch sind, sollen unberücksichtigt bleiben.
Die erste Gruppe solcher Aber Rflckenschmerzen Klagenden bilden die gewöhn¬
lichen Neurastheniker, Hypochonder und Hysteriker. Bei ihnen tritt aber der Rflcken-
schmerz nicht in den Vordergrund des subjectiven Interesses, er wird vielmehr nor
nebenbei oder höchstens als gleichwerthig mit den vielen anderen Klagen geänssert.
Die Wirbel sind oft druckempfindlich, ohne dass eine Bewegangsbehinderung beim
BQcken besteht. Die Erwerbsföhigkeit wird durch diese Rflckenschmerzen an und
fflr sich nicht wesentlich gestört
Die zweite Gruppe bilden die Kranken mit Kflmmerscher Krankheit Hierbei
handelt es sich um Kranke, welche ein directes oder indirectes Trauma der Wirbel¬
säule erlitten haben. Ohne sichtbare äussere Verletzung tritt ein Schmerz in der
Wirbelsäule auf, der 2—8 Tage besteht und dann wieder scheinbar normaler Arbeits¬
fähigkeit weicht. Erst nach Wochen oder Monaten treten Rflckenschmerzen, Inter-
costalneuralgieen, Motilitätsstörungen der Beine, Gibbus und Druckschmerzbaftigkeit
auf. Die Chirurgen nehmen eine schleichende Spondylitis an. Der wichtigste Punkt
fflr die Differentialdiagnose ist der Nachweis eines Gibbns. Das Steifhalten des
Rflckens oder die Druckschmerzhaftigkeit genflgt nicht zur Stellui^ der Di^ose.
Oft wird eine rein nervöse Erkrankungsform als KAmmeTsche Krankheit angesehen
(vergl die Arbeit von Marie und Astid [Presse mddical. 1897. October; ref. Neurol.
Centralbl. 1898. S. 367], welche sieh in gleichem Sinne äussem).
Google
373
Die dritte Groppe betrifft eine Klasse von Unfallkranken, deren Terf. ca. 12 in
dir Menderscben EUnik beobachtet hat Es handelte sich oin Kranke, die ent>
tedtf abgestfint waren, in den B&cken einen heftigen Stoss bekommen hatten, su*
omMogedrfickt worden waren oder dergl. Gewöhnlich bestehen keine insseren Yer*
ItbBDgm. Die sofort anfbetende ond von da ab das Krankheitsbild beherrschende
Bap bildet der Bflckenschmerz. Nebenher nur werden andere Beschwerden geklagt
Bä ia Untersachnng fallt die abnorme Steifheit des Büekens auf: Lendenlordose
Di Brostkjphose sind al^flacht; nur in seltenen F&llen besteht abnorm starke
Iltiiosa Bficken gosehieht nur durch Benotsnng der Hüft- und Kniegelenke. Beim
werden kleine* Schritte gemacht und die steife Blickenhaltung bewahrt Viele
dar ErukeD tragen ein Corset Niemals ist ein Gibbus vorhanden. Die Druck*
wbnanliaftigkeit ist gewöhnlich nicht auf einen Punkt beschränkt, sondern betrifft
da poxra Lendentheil und das Kreusbeiu. Das Aoffallendste bildet jedoch eine
Cootnctnr des H. longissimns dorsi und des M. erector trunci. Manchmal sind die
Donfwtsätse w^en der Contractur kaum fOhlbar. Bei weitem in den meisten dieser
ftU» fudsn sich noch Schwächezustände der Arme und Beine, gesteigerte Beflexe,
SaaibilitätsstöraDgen, Arteriosclerose ond Pulsbeschleunigong. Das Krankheitsbild
BQU bü jetzt als funcüonelles anfgefasst werden.
Die Contractur der BQckenmuskeln bildet das Coustante in der zuletzt be*
>{Ddieiiai Gruppe; sie ist wahrscheinlich eine reflectorische, durch abnorme sensible
Bäu bedingte. Die Erwerbsfähigkeit wird in bedeutender Weise — bis zu 60 7o
— geeehädigt
Du zuletzt beschriebene Krankheitsbild ist kein neues; es ist jedoch in seiner
^BUMüdigkeit mit dem starken Zorflcktreten der sonstigen Attribute der Hysterie
m u wenig gekanntes. (Autorreferai)
^ Ueber orgazUsohe Nervenkrankheiten nach Unteil, von A. Sänger.
(Monatsschr. f. Unfallheilkunde. 1897. Nr. 10.)
Di« Forderung Erbs, dass möglichst viel Casuistik betreffs des Zusammenhangs
Nervenleiden mit dem Trauma gebracht werde, erf&Ut Verf. durch Be*
Hebt üta eine Beihe derartiger eigener Fälle. Bei zwei Fällen von unzweifelhafter
TäM wv die Krankheit angeblich vor dem Unfall nicht bemerkt worden. Verf.
^ «8 unentschieden, ob bei diesen Fällen das Trauma ätiologisches Moment war.
h mrihnt jedoch, dass fQr Lues kein Anhaltspunkt , vorhanden war. Wir sind noch
nkkt in der Lage, das Vorkommen der traumatischen Tabes rundw^ zu leugnen,
« auch wahrscheinlich ist, dass in vielen Fällen schon vor dem Trauma die
bestand. In zwei Fällen von Syringomyelie war ein Trauma in der Anamnese,
*ädtM mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ätiologisch wirksam war. Das Trauma
bg allerdings in einem der Fälle 12 Jahre zuräck. G^en die Annahme einer
lleuritB ascendens verhält sich Verf. in höchstem Grade skeptisch. Des Weiteren
Aber eine junge Fran berichtet, die nach einem Sturz in der Schwangerschaft
■Bkiple Scleroee bekam, sowie äber eine Erweichung mit Blutung im unteren Ab*
des Bflekeumarks bei einer Potatrix. Schliesslich bringt Verf. in der sehr
bMBivertben Arbeit zwei Fälle von Tabes, welche ein in der Unfallpraxis sehr
*i^hgu Moment erläutern. Es bestand nämlich in beiden Fällen die Tabes schon
fv dem UnfalL Sie war dem Kranken aber nicht aufffUlig zum Bewusstsein ge*
und hatte jedenfalls die Arbeitsflthigkeit nicht beschränkt Auch in solchen
ist eine Bente am Platze. Zur Erkläjmng der Pathogenese der traumatischen
^^*v*nkrankheiten verweist Verf. auf die Arbeiten von Nölaton, Bokitanski,
Giiiiobaner, Schmaus, Bossolimo und Bickeles.
Faul Schuster (Bwlin).
:: Google
374
27) Notei on a osie of trsomatlo iajary of the pnennogutrlo, hypo-
gloisal, and aympathetlo nerves, by Will. Hirscli. (New York Medical
Journal. Vol. LXVI. 1897. Nr. 24.)
Der 49jäbrige Arbeiter F. B. machte folgende Angaben: Im October 1896 war
er beschäftigt, einen BevoWer zn reinigen; dieser entlad sich, das Geschoss drang
angeblich durch die Mitte des harten Gaumens ein, an der linken Seite der Nasen¬
wurzel in der Nähe des Auges heraus — es soll von der Schwester des Pat. später
in dem Zimmer gefunden worden sein. Der Kranke wurde bewusstlos nnd musste
ca. 7 Wochen in einem Hospital bleiben. Seither Behinderung, der Sprache, Gefßbl
von Schwere in der Zange, unter deren linke Hälfte Anfangs leicht Nahmngspartikel
geriethen; auf der linken Seite werden alle Gegenstände dunkler gesehen. Anfäng¬
lich bestehendes hartnäckiges Erbrechen und Salivation schwanden vor einigen Wochen,
die völlige Stimmlosigkeit ging ebenfalls zurück; die Stimme blieb aber heiser und
rauh. Statns (8. März 1897). Eine kleine Narbe an der linken Seite der Nasen¬
wurzel m der Nähe des Auges, eine zweite in der Mitte des harten Gaumens (siehe
oben). Verkleinerung der linken Papille bei etwas träger Lichtreaction, Verengerung
der linken Lidspalte, Zurflckgesunkenseio des linken Bulbus. Atrophie der linken
Zangenhälfte, welche an der Basis im Vergleich zn rechts prominirt, keine fibrillären
Zuckungen. Die Zungenspitze weicht in der Mundhöhle nach rechts, ausserhalb
derselben nach links ab: die Zunge wird in der Mundhöhle gut bewegt, die aus-
gestreckte Zunge dagegen kann nicht von links nach rechts über die Mittellinie ge¬
bracht werden. Directe und indirecte faradische und galvanische Erregbarkeit au
der linken Znngenhälfte erloschen. Parese der linken Pharynzmuskeln, complete
Lähmung des linken Stimmbandes bei erhaltener Larynzsensibilitäi Constante ^Is-
beschlennigung (108). Sonst normaler Befund. — Die Symptome erklärten sich am
besten durch die Annahme, dass das Geschoss die Nerven (Vagus, Hypoglossos, Hals-
sympathicos) direct lädirt hat und nicht aus der Wunde am Nasenrücken aus¬
getreten ist Eine Böntgenphotographie bestätigte diese Diagnose, wie die bei-
g^ebene Abbildung zeigt: das Geschoss lag in der Höhe des Proc. spinosns des
4. Halswirbels, und zwar wie die Extraction zeigte, im Muse, stemo-cleido-roastoideus.
— Verf. localisirt die Läsion in den Bereich des Ganglion cervicale nervi vagi,
welches mit dem Halsganglion dos Sympathicos in naher Beziehnng steht und vom
N. hypoglossos gestreift wird, und nimmt an, dass der Vagus unterhalb der Abgangs¬
stelle des N. laryngens superior verletzt wurde, die Oaumensegelaffection auf einer
Betheilnng des Plexns pharyngeus beruht.
Unter sorgfältiger Berücksichtigung der Litteratur erörtert Verf. in der Epikiise
die Einzelheiten des interessanten Falles. B. Pfeiffer (Cassel).
26) Trsumatio neuraatheniw and hyateria, by Coombs Knapp. (Brain.
1897. Äntumo.)
Die Arbeit des Verf.’s enthält einen eingehenden Bericht dieses Neurologen
über seine Ansichten in Bezog auf die heute am meisten strittigen Fragen anf dem
Gebiete der Unfallsneorosen, speciell der Hysterie und Neurasthenie nach Trauma.
Es werden namentlich die Fragen berührt, die durch die Discussion swischen
Strümpell, Oppenheim und Mendel in den Vordergrund des Interesses i^eechoben
sind. Verf. vm'fügt über grosse eigene Erfabrnngen und stellt 70 Fälle von Hysterie,
60 von Neurathenie zusammen. Es handelt sich sowohl um Fälle mit Entechädi-
gnngsprocessen wie ohne solche. Von den 70 hysterischen waren 50 Proceesfme,
Dor 20 keine solchen; von den 60 neurasthenischen nur 29 ProceesfiUle. Die Pro-
cessfälle zeigten deshalb ein grosses Ueberwisgen der Hysterie. Verf. erkennt die
Beg^ungsvoTSteUangen Strümpell’s namentlich für die Dauer und Hartnäckigkeit
der Krankheit wohl an, kann in ihnen aber nicht die wichtigste Ursache sehen.
gi/ori:, Google
d75
Dm Sjmptome können in F&Uen ohne Entsehädigungsanspr&che und Proceee ganz
äanlben wie mit deoeelben. Er b< psychische Fsetoren, speciell den Schreck,
fBr dm 'nebtigsten bei der Entstehnng der Unfallsnenrosen; aber er will die Wir*
ksDg des physischen Shok nicht ansscbliessen luid sacht ans seinem Materiale zu
beweisen, dass die schwersten Fälle, speciell der Hysterie, mit und ohne Processe
aoeh nach schweren Unfällen entstanden seien. Ob ein physischer Shok allein ge*
lässt sich allerdings schwer beweisen. Von den Symptomen, die der Unfalls'
Bsonstheme und Hysterie gemeinsam sind, hebt Verf. als wichtig die Erhöhung der
S^enreflexe, die Beschleunigung der Herzthätigkeit und speciell das Hannkopf’sche
^Bptom herror; auf letsteres vertraut er sehr, mehr als nach des Bef. und Anderer
bfahraogen znlässig ist In den hysterischen Fällen findet er fast immer Anästhe*
aeen oder Analgesieen and noch r^lmässiger Gesichtsfeldeinengangeoi er hebt die
Wichtigkeit dieser Befnnde fftr die Diagnose hervor und wendet sich gegen Strfimpell
and Mendel, die meinen, beides würde wohl durch die Untersnchnngen darauf nur
iBggerirt. & glaobt aber nicht, dass die Anästhesieen, auch nicht einmal die
Hsmianästbemeen und die Geeichtsfeldeinengongett nur bei Hysterie verkämen, und
iaa m nöthig sei, immer an eine Combination mit Hysterie zu ^nken, wenn man diese
Sympttmie mit organisch bedingten zosammenfasst Dass die Anästhesiegebiete bei
Hystsfie and Syringomyelie die gleichen seien, wie Verf. noch glaubt, ist durch
Lihr viderlegt; damit fällt auch die Behauptung, die Aasbreitungsgebiete der ein*
ssüico Bflckeninarkss^pmente in der Baut seien andere wie die der spinalen Wurzeln.
Die Prognose ist nach Verf. bei Hysterie eine schlechtere als bei Neurasthenie;
Verf. ist eine schnelle Heilni^, wie es so erwähnt vrird, nach Festsetzung der
fatHchftdignng nicht b^egnet, wohl abör öfters eine langsam eintretende, was ja
aiteb ganz natürlich ist nnd was auch Bef. gesehen hat. Im Allgemeinen bieten
die niclit klagenden Fälle eine bessere Prognose; aber in Verf.’s Zusammenstellung
wirsB sie ron Anfang an leichter, auch wenn die Unfälle bei ihnen weniger gewaltig
gewesen. Die Schwere der Symptome steht speciell bei Hysterie nicht im Verbältniss
»r Schwere der PrognMe.
Aoeh Verf. hält die Arbeit für ein wichtiges Heilmittel der Unfallneurosen;
m muichen Fällen sei aber noch unbedingte Buhe nöthig; also Bube ohne Sollen
>ad Querelen durch Angehörige nnd gute Frennde. Die Processe müssten so schnell
wie möglich entschieden werden. Es sei ein grosses Unrecht, Allen, die nach Un*
fUlen um Entschädigung klagten, den Makel des Schwindlers anzuhängen, was in
Ankerika Ton Seiten des Pnblicnms meist geschähe. Bruns.
S9) Btt fall af traomatisk hysteri, oraakod af en n&l, som Inträngt i renstra
b&lem, af Carl Dahlborg. (Hygiea. LIX. 1697. S. 356.)
Die Torher ganz gesunde, erblich nicht belastete 27 Jahre alte Kr. hatte sieh
«M Näbaadel in die linke Ferse gestochen, deren Spitze nach ihrer Meinung zurück*
gsUiebai war, aber bei mner in unvollständiger Narkose ausgefübrteo Operation
nieht geAinden wurde. Nach der Operation stellten' sich heftige Krampfanfälle ein,
die 13 Stnadmi anhielten nnd erst nach einer kräft^en Morphinminjection anffaörten.
Bmb OMien hatte Pat. nach der Operation keine Störung mehr, nur hier und da
Steakea, aber es stellten sich Krankheitserscheinungen ein, die immer schlimmer
wardma. Pat. schlief schlecht, verlor Esslnst und Arbeitslust, brsch fast alles Ge*
■ se s eps wieder ans, magerte ab, fühlte sich matt, wenn sie etwas vomahm, es stellte
meh Lähmangsgetthl in den Gliedern ein, ungewohnte Empfindungen verursachten
Kzanpteiftlle, sie war beständig unruhig nnd äuss^st reizbar. Dabei batte sie bei
tesiem Anftreten wieder Stechen in der Ferse. Die Bewegungen waren hastig, nicht
vollständig beherrscht, hier und da, auch im Gesicht, traten Zuckungen auf. Pat.
konata einen G^fenstand nicht direct ergreifen, es zeigten sich Spuren von Inten-
. Google
376
tioDSzittern. Die Sprache war stoseweiae, and es bestanden Sparen von geringm*
amnestischer Aphasie. Der Fremdkörper worde mittels Böntgensüablen nachgewiesen
und eztrahiri Danach war das Gehen ganz angebindert, der Zustand besserte sich
und nach einer Mastkur und Anwendung ron Massage erschien die Kr. ganz geheilt
Walter Berger (Lmpzig).
80) Een geval yan tramnatiaohe hysterle, door Dr. L. J. J. Huskeus. (Med.
Tijdscbr. t. Geneesk. 1897.)
Ein gesunder Soldat wird von einem Hufschlag auf seinem Occiput (redite)
betroffen. Es stellten sich Verworrenheit, Hallucinationen und motorischer Drang
ein: die getroffene Kopfstelle ist sehr überempfindlich; ausser einer Bluteztravasation
wird keine tastbare organische Veränderung gefunden. Dieser Zustand geht nach
einigen Tagen zurück, lässt jedoch eine Teränderte, minderwerthige PersönUchkeit
hinter sich. Mach zwei Monaten deutlich hysterische, rechtsseitige Hemiplegie nnd
Hemianästhesie. Der zum Militärdienst ungeeignete Pai wird zur Entlassung Tor*
getragen.
Der Verf. bespricht die Geschichte des von Oppenheim eingeführten Krsnkheits-
bildes der traumatischen Neurose, und meint, dass jenes Bild als solches nicht mehr
aufrecht zu halten ist. Alle in den letzten Jahren publicirten Fälle können unter
Hysterie und Neurasthenie untei^ebracht werden. Die Unfall^eset^ebnngen haben
ihren Theil in der Schaffung dieser eigenthflmlichen Form jener zwei Krankheiten. —
Erwähnenswerth scheint dem Verf. der Fall, weil man hier vor seinen Augen einen
schweren Fall viriler Hysterie entstehen sah, mit einer Incubationszeit von zwei
Monaten, welche Zeit Pat. im Familienkreis zubrachte.
Kurze Krankenhausbehandlung mit Isolation, möglichst wenig medicinische Unter¬
suchung, baldige Wiederaufnahme der Arbeit scheint das zweckmässigste.
(Autorreferat)
31) Hysteriaohe Tachypnoe nach Trauzna, von Hugo Goldschmidt (Inaug.-
Dissert 1898. Würzburg.)
Verf. bringt nach einleitenden Bemerkungen über Physiologie der Athmung,
über ihre Beeinfiussbarkeit durch Grossbim und periphere sensible Beize zwei Fälle
von hysterischen Tachypnoe ans der Prof. MendeTschen Klinik.
Fall I. 34jähriger, nicht belasteter Arbeiter, kein AlcohoUsmus. Das Trauma
bestand darin, dass Pat, der Steine tragend, ein mit einem Brett bedecktes Keller¬
fenster passirte und dabei in Folge Durchbrechens des Brettes einbracb. Br blieb
mit der Brust in dem durchgebrochenen Brett zwischen Himmel und Erde hängen,
erlitt eine Quetschung des Brustkastens und eine Bimerscbüttening. Er wurde be¬
wusstlos und spie Blut Ein Arzt diagnosticirte eine Pleuritis. Die Athmung betrug
48. Nach einem Jahr klagte er noch über Brustschmerzen; der Arzt diagnosticirte
nun eine Neurasthenia celebralis. 4 Jahre nach dem Unfall kam der Verletzte in
die Mendel'sche Klinik. Man fand leichte Schwäche des linken 7. und 12. Nerven,
Schwäche der Arme, Tremor manuum und Tachypnoe. Es erfolgten 34 Inspirationen
per Minute unter Oeffoung des Hundes und Erweiterung der Nasenfiügel. Die inneroi
Organe, auch das Zwerchfellphaenomen waren in voller Ordnung; die Athmange-
frequenz blieb während der wochenlangen Beobachtung stets be6chleuniS:t, oft bis ‘sn
50 L M. Manchmal Wüigbew^ngen und globns. Nie objective Zeichen von Athem-
notb, Cyanose und deigl. Puls zwischen 70 nnd 80 i. M., leichte chronische Laryn¬
gitis. Psychisch bestand ausgesprochener Depressionszustand.
Fall II. 53jähriger .Zimmermann ohne Belastung. Mittlerer Alcoholismos, ein
6 Centner sdiwerer Balken schlug gegen seine rechte Halsseite, währmd er selbst
.Google
877
aaf die Unke Seite fiel. Keine Bewusstlosigkeit Scbmenen an den linksseitigen
behinderte Athmung, abgebrochene tonlose Sprache waren die unmittelbaren
Pol^. Bippenbruch links (7. Bippe). Athmung und Sprache waren von da ab
behiodo'. ln der Menderschen Klinik ein Jahr nach dem Unfall wurde konstatirt:
Stton im orbie. oculi beim Augenschluss, Zittern der Zunge und Hände, Laryngitis
chronica, pharyngitia chronica. Ausserdem Heiserkeit und Störung der Sprache in
F(dge der Athemnoth. Die Athemnotb bestand auch wenn Pat nicht sprach. 20—30
lasinrationen L M., hörbare Inspiration mit geölfoetem Mond und erweiterten Hasen*
Mgeln. Tiefe Inspiration war unmöglich. Normaler Befund der inneren Organe,
Deberreet dee Bippenbrochs nicht mehr fOhlbar. Keine Cyanose, Puls 84 L M.
Sone Aenderung während der Beobachtung.
Im Fall 1 wurde die Tachypnoe, „die zuerst eine affective war, dann aber durch
das organisdie Leiden auf der Höhe gehalten wurde, zuletzt funktionell.“ Im
Fall 11 bandelt es sich um einen AlcoboUsten, bei dem die somatische Unfallfolge
sich am Orte der Binwirknng des Traumas documentirte. Die chronischen Entzön*
daagen ia den Luftwegen wirkten b^flnsügend.
Die Pathogenese kann man sich so denken: das cerebrale Athmungscentrum
wird durch das peyehisebe Trauma getroffen; das Oblongatacentrum wird gereizt
dorch die direct getroffenen sensiblen Fasern der Brust- und Baucborgane, beide
Baiae, won denen jeder allein schon bei einem gesunden, vorttbergehend Tachypnoe
«neagen kann, vereinigen sich und bringen bei einem „nervösen“ Menschen dauernd
Tachypnoe hervor. Mit einer Litteraturflbersicht schliesst die Arbeit.
Paul Schuster (Berlin).
Hyaterisohe Hemiplegieen, von H. Auerbach. (Inaug.-Dissert 1898.
Wörzborg.)
Die in Prof. Hendel’s Klinik angefertigte Arbeit beschäftigt sich mit zwei
Kllen hysterischer Hemipl^ie mit Beziehung zum Trauma. Nach einigen ein-
Intendeo Seiten über die hysterischen Zustände nach Verletzungen im Allgemeinen
Rferirt Verl die klassische Beschreibung der hysterischen Hemiplegie von Todd:
acute Entstehung, kern Bewusstseinsverlust, keine Facialisbeteiligung, eigenthfim-
Ikhee Nachschleppen des kranken Beines, welches den Boden „fegt“.
Oer erste Fall, den Verf. vorbringt, betrifft einen 32 jährigen Tischler. 6e-
liiger Fotos, keine Belastung. Vor zwei Jahren allmähliches Schwäcberwerden des
leckten Beines mit Faraesthesieen. Gelegentlich eines Falles in Folge Stolpems auf
der Strasse trat non plötzlich totale Lähmung des Beines ein. Pai konnte sich
aicbt allein anftichten. Kein Bewnsstseinsverlust. Die Untersncbung ei^b keine
Stärungen im Facialis und den anderen Himnerven, keine Gesichtsfeidverenguog.
Der rechte Arm zeigt bei freier passiver Beweglichkeit eine bedeutende Kraft-
TtramdeniDg io allen Gelenken und Zurückbleiben beim Erheben. Das rechte Bein
Wirde beim Gehen wie ein toter Körper nacbgeschleppi Seine passive Beweglichkeit
wir frei, bedeutende Verminderung der activen Kra^ Patellarreflexe lebhaft. Sonst
Mgativer Befund. Erhebliche fast acute Besserung in den ersten Tagen des klinischen
Aifeothaltes, dann vorübej^ehende Verschlechterung and Entlassung mit beinahe nor*
aal« Status.
Fall n. 21jährige Schneiderin. März 1894. Kribbeln in den Beinen, nachher
ia ganzoD Körper, Schwindelanfälle und angebliche allgemeine Gefühllosigkeit Um
däM Zmt bestand vorübergehend der Verdacht einer organischen Krankheit. Von
Oetober 1894 bis Oktober 1896 völlige Gesundheit. Dann bekam Pat nach einer
Aafregnng über Nacht eine rasch zunehmende Lähmung dee rechten Armes. Keine
S(iwmdaiaD&Ue und dergl. Bei der Aufnahme zeigte sich eine Parese der rechten
tbanan Extremität mit geringen Spasmen und starker Hypästhesie. Geringe Schwäche
Google
878
dds recbt6D BeineB. Lebhafte Patellarreflexe. Sensibilit&t aoeh am Rompf and dem
linken Bein geetdri Änsserdem hochgradige Stbnmg des stereognoatischen Sinn«
der rechten Hand nnd Ataxie der rechtsseitigen Glieder. Während der Behandlui^
sprang die Parese des rechten Beines unter Bessemng desselben auf das linke Bein
Aber. Entlassung mit bedeutender Besserung, so dass Fai wieder arbeiten konnte.
Neuausbruch der Krankheit mit hochgradiger Schwäche im rechten Bein, nachdem
Pat. im Dunkeln gestolpert war. Sie musste sich beim Gehen jetzt an Gegenständen
im Zimmer anhalteo. In Bettl^e passiv freie Beweglichkeit des rechten Beines,
motorische Kraft gleich = 0. Zoatand des rechten Armes wie zu Beginn der Er«
kranknng. Später trat eine linksseitige Zungencontractur hinzn, während der Am
sich besserte.
Bewusste Simulation wird in beiden Fällen ausgeschlossen. Bentenansprficbe
bestanden nicht Paul Schuster (Berlin).
88) Ueber hysterisches Stottern, von Max Gramer. (Inaug.'Dissert. 1898.
WQrzburg.)
Yerf. giebt zuerst einen Abriss Aber Symptomatologie, Verlauf und Aetiologie
dos Stotterns. Er bespricht ferner den Ssik-orski’schen Versoch einer Localisation
des Stotterns im motorischen Sprachcentrum und wendet sich dann zu seinem spe«
ciellen Thema, dem hysterischen StotteiD.
Das Symptom des hysterischen Stotterns ist von Charcot in die Wissenschaft
eingefAhrt und von Ballet und Tissier, sowie von Pitres nnd von Cartai in
der Symptomatologie der Hysterie gesichert worden. Aoch in Deutschland ist un«
gefthr nm die gleiche Zeit von Singer hysterisches Stottern und zwar ebenso wie
Pitres — nach einem psychischen Shok beschrieben worden, ln der Folgezeit
veröffentlichten eine grosse Reihe von Autoren ähnliche Krankheitsfälle. Zum
Schluss seiner bis auf die neueste Zeit berichteten Casuistik bringt Yerf. einen
Fall, den er in der Klinik von Prof. Mendel zu beobachten Gelegenheit batte.
Es bandelte sich um einen 44 jährigen Kutscher, der einen Fotos mittleren Grades
concedirt hatte. Derselbe wurde im Januar 1893 derart von seinem Kutschersitz
herabgeschleudert, dass sein Kopf mit der linken Seite auf das Pflaster und seine
linke Schalter auf das Rad fiel. Bewusstlosigkeit, keine äussere Verletzung. Nach
Wiedererlaognog des Bewusstseins bestand sofort Fistelstimme und Stottern. Bei
seinem Aufenthalt in der Klinik, Sommer 1897, klagte der Verletzte Aber abnorme
Sensation in der Kopfhaut, Schwindel, Aber Krampf in den Händen beim Anfassen,
Aber Zittern u. s. w. Mittelgrosser, mässig genährter Mann. Hypästhesie auf der
linken KOrperseite, Schwäche der Extremitäten besonders links. Kein tremor manuum.
Starker Bömberg. Absolute Fistelstimme, Stottern. Nur der Wortbeginn macht ihm
Schwierigkeiten, gleichgiltig ob derselbe mit einem Consonanten oder Vocal besteht.
Anfangssilben werden wiederholt: Nie Wiederholung von Silben oder Buchstaben in
der Mitte oder am Ende des Wortes, Wiederholung des gesprochenen bessert den
Zustand nicht Keine Zuckungen im Gesicht. Bei der Phonation krankhaft starkes
Znsammenpressen der Stimmbänder. Bei ruhiger Athmung atactische Bewegungen
der Stimmbänder. In der Klinik wurden hysterische Krampfanfälle beobachtet welche
besonders bei körperlichen Anstreogungen anftraten.
Die Arbeit schliesst mit einem Versuch der Erklärung des Stotterns mit Fistel¬
stimme. Paul Behoster (Berlin).
34) Ueber liuftdruoklähmungen, von Prof. Dr. Dräsche in Wien. (Wiener
med. Wocbenschr. 1898. Nr. 1.)
Der erste in Wien beobachtete Fall von Laftdmcklähmung bei einem Caisson¬
arbeiter (1890).
D g : 70d 3y G OOg Ic
S70
Bin 44 jähriger Arbeiter arbeitete 6 Stonden in Caisson Qber 20 m nater dem
Waaserspiegel (2 Atmoepbarra Ueberdrock). Bei Aossehleussen Parästhesieeo in
Huden and Yorderarmen, stechende and reissende Schmerzen in beiden Beinen.
Haeh 12 Tagen ans dem Krankenhanse entlassen arbeitete er nieder 6 Standen bei
2—3 Atmtmph&ren Ueberdnick. Danach die froheren ZaftUe, aosserdem Ohren*
sausen. Flimmern, Tanbheit beider Beine, OppressionsgefOhl and stechende Schmerzen
ia der rechten Bmstseite, Spsnnang and Aofgebl&htseio des Unterleibes, and ein
nvisser Grad von Benommenheit Nach mehreren Standen Schlaf kam er wieder
ni Bewusstsein, konnte aber weder stehen noch gehen and batte bis Ober das Knie
pT kräie Empfindung. Einzelbewegnngen der Füsse aber konnte er ausfOhren.
loBserdeiD litt er an Betentio arinae und Obstipation. Die Untersuchang ergab:
UbmoBg des rechten Facialis in Bezug aaf unbeHbsichtigte mimische Bewegungen;
die willlcfirlichen blieben frei; Empfindlichkeit des unteren Tborazsegroents auf Be*
klopfen; Schwächung namentlich der Ab* und Adductoren der unteren Extremitäten
«ad der Extensoren der Unterschenkel. Druckempfindlicbkeit der Nervenstämme an
Anen und Beinen, Steigerung der Patellar* und Achillessehnenreflexe, Fehlen des
Crmnuter* and Baachreflexes, paretischen, breitspurigen, schleifenden, nicht atac*
dachen Gang, keinen Bombeig, keine objectire Sensibilitätsstdrung. Besserung des
Ziistandes trat nicht ein.
Die einleitenden Erörterungen über das Entstehen der krankhaften Erscheinnngen
Bich dem Ausscfalenssen durch das plötzliche Freiwerden der unter dem hohem
Ufidruck in das Blut eingepressten Gase, bringen nichts Neues.
J. Sorgo (Wien).
36) lOBeiikraokhelt, von Dr. J. Lazarus. (Real*Encykl. der ges. Heilkunde.
Bd. vn.)
Aof Grund genauer Litteraturzusammenstelluog giebt Verf. zunächst eine kurze
Üabomdit Aber die Technik der Kriegführung in Minen und setzt dun die ver*
Khiedenen Formen der sog. Mlnenkrankheit auseinander, welche durch Einathmeo der
bei oatehrdiscben Sprengungen sich entwickelnden Gase entsteht Es stellt sich
zuest Kopfschmerz, Schwindel und manchmal süsslicher Geschmack ein; in leichteren
^eo kommt Benommenheit bezw. eine mehrere Stunden anhaltende Energielosigkeit
4azB; bei den schwereren Formen stürzt der Betreffende nach der Rückkehr in die
stao^häriscbe Luft plötzlich bewusstlos zusammen, macht nach ca. 10 Minuten
WtagtiMwegnngen, kehrt allmählich ins Bewusstsein zurück und klagt über heftige
K^fisdunerzen; in noch schwereren Fällen treten clonische und tonische Zuckungen,
Ujinuia and Pnpillenstarre auf; endlich sind auch Zustände von lebhafter, heiterer
Eiragan^ welche u Trunkenheit erinnern, beobachtet worden. Ans den Symptomen
dw Minenkrukhelt, sowie aus der Thatsacbo, dass es gelungen ist, in dem Blute
der an Mmenkrankheit Verstorbenen spectroskopisch Kohlenoxyd nachzuweisen, folgert
Verf., dass als ätiologischee Moment die Kohleooxydveigiftong anzosehen sei, zumal
<ia aacbgewiesen sei, dass bei Anwendung dos sog. Sprengpulvers sich in erster Linie
Kokleooxyd entwickle. Kaplan (Herzberge).
36) Die Koakelthätigkeit in der pneumatischen Kammer, von G. v. Liebig
(Beieheoball u. München). (Deutsche med. Wochenschr. 1898. Nr. 9.)
Die grössere Sanerstoffaafnahme unter erhöhtem Luftdruck und die erzielte
KriAigong giebt sich o. a. kund in der längeren Ausdauer bei einer Kraftäussemng,
man nnto demselben anstelli Verf. machte einen derartigen Versuch in der
PBeamaiisehmi Kammer zn Beichenhall und eonstatirt, dass in der Kammer nnter
i.AtBospbärsD eine grössere Kraftänasening möglich war, als aoseerhalb derselben.
Dig 'v7C(i
Google
880
Kacb Folej können die Arbeiter in den eisernen Schachten bei bis za 2 Ätrno*
Sphären erhöhtem Luftdruck leichter arbeiten, als ausserhalb, sie ermQden weniger
leicht, ihre Stimmung ist gehoben. Es scheint, dass der mehr aufgenommene Sauer*
Stoff nicht nur Kraft erzeugt, sondern auch auf das Gehirn wirkt, so dass Muskel*
tbätigkeit schwerer zur ErmQdung fflhrt (Mosso). B. Pfeiffer (Cassel).
Psychiatrie.
37) Eine neue Form der periodisohen Psyohosen, von Prof. Dr. Th. Ziehen
in Jena. (Monatsschr. f. Psychiatrie u. Neurologie. 1898. 6d. III.)
Verf. unterscheidet zwei Arten von periodischer Psychose: erstens die Art, bei
der die Anfangspunkte der einzelnen Krankheitsanfalle um ungefähr gleiche Intervalle
von einander entfernt sind, und zweitens die Art, bei der das sympbomft'eie Intervall
zwischen je zwei aufeinanderfolgenden Krankheitmnfällen stets ungefähr gleich gross
ist, während die Dauer der An^le schwankt Die erste Art ist ausser an eine be¬
stimmte Disposition zuweilen an periodische körperliche Processe oder periodisch
wiederkehrende Aenderungen der Lebensweise bezw. des Berufs gebunden. Die zweite
Art die eine ungünstigere Prognose hat ist von Gel^enheitsursachen unabhängig.
Verf. erwähnt von den verschiedenen Formen periodischer Seelenstömngen: die
periodische Manie, die periodische Melancholie, die periodische und acute ballucina*
torische Paranoia, und als novum die periodische acute einfache Paranoia.
Ich will auf die leidige Verwirrung nicht eingehen, die dadurch zu Stande ge¬
kommen ist und vom Verf. noch jetzt genährt wird, dass man den vorbeffliehen
Namen Paranoia auf die von der chronischen Verrücktheit so himmelweit verscbie*
denen acuten Formen des Wahnsinns übertragen bat Ich vrill nur von Neuem da¬
gegen protestiren, im Namen aller der Fachgenossen protestiren, die den bedeutenden,
scharfen Differenzen in Symptomen, Verlauf, Ausgang und Aetiologie der betreffenden,
einander doch sehr fremden Psychosen gerechte Würdigung zu Theil lassen wollen.
Die periodische acute hallucinatorische „Paranoia** kommt u. a. als
periodische Menstruationspsychose und bei einfacher und compUcirter Migräne vor.
Im Anfalle sind bei dieser Form manchmal körperliche hysterische Symptome nach¬
weisbar, die im Intervall fehlen.
Die periodische neurasthenische Verstimmung kann Beziehnngen zur
Menstruation haben, kommt aber auch ohne solche Beziehungen vor.
Beider periodischen acuten einfachen „Paranoia** bilden primäre, nicht
aus Hallucinationen hervorgegangenen Wahnvorstellungen das einzige Haupteymptom.
Verf. bringt von dieser letztgenannten Form einen, freilich noch nicht bis zn Ende
beobachteten Fall und theilt mit, dass er periodische einfache „Paranoia** ebenfalls
im Zusammenhang mit der Menstruation, und zwar meist prämenstrual beobachtet
habe. Wie wenig diese letz^enannte Kategorie mit der echten Paranoia zu thun
hat, beweist seine eigene Angabe, dass hier die Formulirung einer bestimmten Ver-
foigungsvorstellung häufig ganz unterbleibt. G. Ilberg (Sonnenstein).
38) An analysis of three thousand oases of melanoholia, byS. Weir Michell,
M. D. (Journal of nervous and mental disease. 1697. Dez. S. 738.)
Statistische Untersuchungen über den (unwesentlichen) Einfluss der Jahresaeit
auf den Ausbrnch der Melancholie, über das durchschnittliche Alter der Melancholiker
bei der Erkrankung und über die Becidive u. s. w.
Hervorzuheben dürfte sein, dass das Climacteriam — im G^nsats zu der
üig" /od 3y Google
381
InAtafigen Anschaam^ — die Wabrscbeiolichkeit an Melancbolie zu erkranken,
Bidit erhöht, and dass es andererseits auch nicht bereits bestehende Psychosen
stetig ni l^inflossen scheint. Sommer (Allenberg).
39) Headaohe vlth Tlsoal hallnoinations, by John K. Mitchell, M. D.
(Joomal of nervous and mental disease. XXIV. 1897. Oci S. 620.)
Sonst völlig geennde Terheirathete Fran, die seit etwa 3 Jahren an folgenden
Äfi&Ueo leidet: unter allm&hlich zunehmenden Kopfschmerzen wird ihr dnnkel vor
te Aogen, dann erscheint ihr die Gestalt eines kleinen Zwerges, die sich aus
gnm Entfernung nähert und dabei immer grösser wird. In der Nähe wird sie
n dnem gigantischen Gladiator, der eine Keule schwingt, und während die immer
keftigw gewordenen Kopfschmerzen sich auf besonders schmerzhafte Punkte auf dem
Steftel oder anf den Parietalseiten des Schädels concentriren, schlägt die Erschei-
mit der Keule auf das gewaltsamste auf die Patientin los. Diese verliert dann
te Bewusstsein und vernült in Convulsionen mit Opisthotonus. Die Dauer des
pascB Anfalls dauert bis zu 8 —24 Stunden, die der heftigsten Schmerzen und der
CosTulsionen 15—40 Minuten.
Tof. ist geneigt, diese AnföUe auf Hemicranie zurOckzufOhren.
Sommer (Allenberg).
40) Contribnto allo Studio della demenza oouseoutiva, per G. Mondio.
(Annali di Nevrolog. Bd. XV. Nr. 5.)
Krankheitsgeschicbte einer 50jährigen Fran, die vor 14 Jahren während der
lactationsperiode schon einmal maniakalisch, emotiv religiös und erotisch erregt mit
GesiehtB* nnd Gehörshallncinationen eingeliefert wurde. Solche Anfälle kehrten im
LsofB der Jahre einige Male wieder, aber schwächer, ln den freien Intervallen
vurde die Intelligenz immer schlechter. Becken osteomalaktisch, zahlreiche Fracturen
te Luxationen der Extremitäten. Im 33. Lebensjahre war die linksseitige Ptosis,
ätnbifiBus extemns, Doppeltsehen, Erweiterung nnd Starre der Papille, Verlust der
teahoosbewegungen des Auges aufgetreten. Ausserdem bestand Endocarditis chronica
itteuBatosa.
Qehimbefnnd: Pachymeningiüs und Arachnoiditis chronica. Weisse Substanz
aäaiseh, graue verblichen, braune Erweichung im rechten Thalamns opticus. Mikro-
iko^h: vordere Wurzeln normal, in den hinteren Wurzeln, hauptsächlich rechts
te im Donolombaltheil, eine grosse Anzahl leerer Myelinscheiden, viele Axencylinder
i> Tmekisdenem Grade alterirt. Im ganzen B&ckenmark doppelseitige Sclerose der
Katmtringe, besonders ergriffen die am meisten dorsal gelegenen Abschnitte, am
äärksten und am weitesten lateral ausgedehnt im Lendenmark, weniger und vor-
vNfnd dorso-ventral im Cervical- und Dorsalmark. Die rechten Hinter- und Selten-
b&räer weniger nmfangreich als die linken. Commissura anterior degenerirt, Central-
3Bal mit Zellen angeflUlt
In der Uimrinde Vermindemng der Ganglienzellen, in der weissen Substanz das
FuRnetz weniger dicht als normal. An Golgi-Präparaten die Form der Zellen an-
ngtimäasig rund oder spindelförmig. Die Protoplasmafortsätze mit Knoten und
Höckern besetzt; selten waren die Axencylinderfortsätze ergriffen. Aehnliche Ver-
ietenogen an den Nervenfasern and den Gliazellen. Gleiche, nur weniger aus-
teproebeoe Bilder boten die Zellen des Kleinhirns. An den Gefässen miliare An-
(oryoMB ond V^ickung der Wandungen. Valentin.
DiQ'iii’od
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882
41) Bin Fall von aontar Psyohoaa als Theileraoheinang einer Salioylslure-
Intozloation, von Dr. Stloschin. (Wiener klinische Bandst^ao. 1898.
Nr. 6 0 . 6.)
Eine 21jäbrige W&scherin, welche von Seiten des Taters (potator strenuos) be>
lastet schien und von jeher ein scheoee, verschlossenes ond leicht erregbares Wesen
hatte, wurde mit Poljarthritis rheomatica ond Bndocarditis recens an der Notb*
nagel’schen Klinik anfgenommen. Sie erhielt 18,0 Natr. salicjrlic. auf 36 Standen
vertheilt. Es entwickelte sich ein acutes, sich rasch steigerndes Krankheitsbild, das
mit allgraieiner Erregung einsetzte und im Laufe von einigen Stunden zu einem
Anfälle von schreckhaften Wahnideeen, Qesicbts« und GehOrshallucinationen und da*
durch bedingten Fluchtversuch sich entwickelte. Nach 18 Stunden verschwand es
vollständig. Nebenerscheinungen waren: Kopfschmerz, theilweise vorhandene Be¬
nommenheit, Ohrensausen und Schwerhörigkeit.
Da die Psychose am 10. Krankheitstage auftrat, wo der acute Oelenksrheuma-
tismus bereits im Abklingen begriffen war, und zu einer Zelt, wo die Fiebertempe-
ratur (39,0) durch das Salicyl bereits zur Norm gebracht war, so wird die Psychose
mit Becht dem Natr. salicylic. und nicht der rheumatischen Polyarthritis zügeschrieben;
acute Psychosen nach Polyarthritis gehen Hand in Hand mit hohen Temperaturen.
Aus einer Zusammenstellung der Casuistik ergeben sich folgende Schlfisse: Das
weibliche Geschlecht ist numerisch bevorzugt, ebenso alte, schwächliche und marastieehe
Individuen. Bei jungen, kräftigen Personen kann hereditäre Belastm^ oder voraus-
g^angmes Trauma eine Disposition ergeben.
Die Bilder sind wechselnd; bald nur allgemeine Erregung, Unruhe, Angstgefühl,
oder psychisches Wohlbefinden mit Lns^efühlen, al^emoiner Fröhlichkeit, bald aus¬
gesprochene Gkistesstömng mit Delirien, Wahnvorstellungen, Gesichts- und Gehörs-
hallncinationen, maniakalischen Anftllen; endlich Bewusstseinsverlnst, Sprachstömngen,
Hemiparese, Coma, Krämpfe. Begleitersoheinnngen sind: Kopfschmerz, Ohrensausen,
Schwerhörigkeit, Mydriasis, Strabismus, Schluekbescbwerden, Schweisse, Dyspnoe
Nephritis. — Der Ablauf ist rasch (8—10 Stunden); die längste Dauer war 3 Tage.
Die Intozicationserscheinnngen können bei den verschiedenstra Grandkrankheitra
auftreten, naturgemäss am häufigsten bei Polyarthritis. Ein Unterschied in der Wir¬
kung der Salicylsäure nnd ihres Natronsalzes besMit in dieser Hinsicht nicht. Die
Die Erscheinungen können auch bei mittleren Dosen (12,0—20,0 Na salicyl zu 1,0
28tflndl.) nnd bei Kindern, Frauen oder bei vorhandener Idiosyncrasie auch schon
nach kleinen Dosen (4,0 Acid. salicyl. pro dos.) auftreten. J. Sorgo (Wien).
42) Ueber ZntozieationpByohotett, von Dr. A. Westpbal. (Charitö-Annalen.
1897. Jahrg. XXU.)
Fall 1 ist bereits von Ihlow in einer Dissertation (Berlin 1895): „Ueber
Morphiococalnismus und haUucinatorische Cocain-Paranoia“ mitgetheilt worden.
Fall 2. 39jähr. Krankenpflegerin, seit 10 Jahren merpbiumsflchtig, hat bereite
mehrfach Entsiehni^knren dnii^gemacht, nach der ersten im Jahre 1887 ein Monate
lang dauernder, hallucinatorischer Verwirrtheitszustand mit heftigen WutbanfaUen.
Seit 2 Jahren spritzt sie Cocain mit Morphium, und zwar täglich ca. 1,0 Cocain und
0,6 Morphium. Seit dem CocaIngebranch lebhafte Verfolgnngsideeen mit Qebörs-
hallncinationen. Bei der Entziehung treten neben den gewöhnlichen Entziebungs-
erscheinangen intensive lUosionen und Hallocinalionen des Gefühls- und Gesichtssinnes
anf. Parästhesieen an verschiedenen Stellen des Körpers, „es sind kleine Tiere, die
sich in die Haut bohren und wieder heransschlOpfen“. Nach der Entziehung Zorück-
treten der Erscheinungen. Nach einem chiruigischen Eingriff hochgradige Erregungs¬
zustände mit schreckhaften Hallucinutionen aller Sinne. Im nächsten halben Jahre
Google
S88
•Uattlieb« Voncbwinden derselben. Nnr die HallDCiaationen des OefQfalssinnes per*
ösbreii and f&hren zeitweilig zn etärkeren Brregangssnständen. Wenn die Bmpfiu*
do^en besonders stark sind, klagt PaL öfter Ober Absterben, Kalt- and Weiaswerden
der Hftnde; diese Angabe kann auch ftrztlicberseita öfter Tsrifteirt werden. AUm&b-
lieb Tencbwindai indessen auch diese Erseheinangen and mit ihnen die Hallncina-
ttooen.
Die Annahme, dass die rasorootrischen Störangen an der Peripherie Far&sthesieen
enengt haben, die von dem erkrankten Centralorgan dann wabnhaft amgedentet
wesdn sind, ist nicht von der Hand za weisen.
Fall 3 ist in der Dissertation von Hoehstettern: „Ein Pall von Morphinismos
mit Chorea** (Berlin 1894) mitgetheilt Martin Bloch (Berlin).
43) Deber einen Fall von QaerolwtenWahnsinn mit letalem Ausgang im
»4>elirimn aoutom** bei einem Syphilitisohen. von Dr. K. Henneberg.
(Charitd-Annalen. 1897. Jabrg. XXII.)
Ein 39j&hziger, angeblich erblich nicht belasteter Eaofmann, vor längerer Zeit
^Tphilitiseb inficirt, zeigt bereits seit dem Jahre 1896 Anzeichen psydiischer Störung,
indem er Beeioträchtignngsideeen äussert Im Verlaufe eines sich durch 6 .labre
kinziebenden, fOr den Pai ongfinstig verlaufenden Processes Entwickelung eines
^fischen Querolantenwafansinns. Znm Zwecke der Begatachtong seines Geistes-
zwtandae wird Fat in die Charitd anfgenommen. Bald nach seiner Aufnahme ent-
vkkeH mch hochgradige motorische Erregang, tiefgreifende BewosstseinstrObung und
Kbadltt' Kräfteverfall, knrz, das Bild des Delirium acatam, dem Pat. 20 Tage nach
der Aufnabm« erliegt Die anatomische Untersuchung ei^ebt Besidnen einer cirenm*
soriptra Meningoencephalitis, wahrscheinlich syphilitischen Urspmngs, des Ober-
wnras des Kleinhirns, Hyperämie des Hirns, kleine Hämorrhagieen, Erweiterung
der perivasenlären und pericellnlären Bäume, Auswanderung weisser und roter Blut¬
körperchen in die adventiciellen Scheiden, Veränderungen in den Ganglienzellen der
Binde in Form von Schmmpfungen, Kemverändemngen. Wncherungen der Glia und
AaganiUUaserschwnnd waren nicht naebzaweisen. Martin Bloch (Berlin).
4^ Simulation von OeisteMtOrung, Typus: Oopie des Kindes, iV^jährlge
HlAhmnng**, von Dietz (Stnitgart). (Allg. Zeitschr. f. Psych. Bd. Llll. S. 1.)
Terf. beschreibt den Fall eines 32jährigen, des Betrugs und Diebstahls ange-
UagtSB Schreiners, der 6 Monate lang hochgradigen „kindischen Blödsinn“ und
lA iifpiig der unteren Extremitäten mehr als iVs Jshre hindurch simulirte, auch
noch der Vemrtheilung noch. Der Blödsinn war, wie meist in solchen Fällen, in-
mnarqiinnt und voller Uebertreibongen. Der Zweck der Simulation der „Lähmung**
and vor allem dee Festhaltens an der Simnlation im Znchthause ist noch nicht auf-
pklärt Aschaffenburg (Heidelberg).
45) Om Simulation af Sindssygdom, af E. Kirstein. (Hosp.-Tid. 1897.
4 R. V. 49, 50, öl.)
Verf. theilt 4 Fälle aus der unter Leitung Prof. Knud Pontoppidan’s Lei-
tang stehenden 6. Abtheilung des Communehospitals in Kopenhagen mit.
Im 1. Falle bandelte es sich um einen wegen Diebstahls und Landstreicherei
mebrmab bestraften, dem Tnmke ergebenen und dadurch körperlich und psychisch
b et ' nn t^gekoamenen Menschen, der wiederholt znr Beobachtung in das Hospital ge-
bradii wurde und auf der Ba^ p^chischer Verkommenheit anzweifelhafte Merkmale
üigivred oy Google
384
der Simulation von OeistesstOmng zeigte, neben einer wirklichen P8ych(»e und zam
Theil mit dieser abwechselud. Während der letzten Beobachtangszeit bekam er
Krämpfe, die mit denen einer hysterischen Patientin, die sich zur Zeit im Kranken«
hause befand, zu grosse Aebnlichkeit batten, um den Gedanken an Simulation wankend
zu machen. Mangel an Energie und Unfähigkeit, mehr als die augenblirklicbe
Situation zu 1)erfickBichtigen, hinderten ihn, seine Simulation in einem ausgeprägtm
Maasse und längere Zeit dnrchzuffihren.
Der 2. Fall betraf ebenfalls einen, mehrfach mit dem Gesetz in Conflict ge«
kommenen, dem Tranke ergebenen Dieb, der unzweifelhaft wiederholt simuUrt, auch
einmal schon einen fingirten Selbstmordversuch in Scene gesetzt hatte, sich dann in
sein Schicksal zu ergeben schien, sich aber schliesslich erhängte. Auch dieser
Selbstmord wurde als versuchte Simulation angesehen, weil er zu einer Zeit ange¬
führt worden war, wo das Hinznkommen des Aufsehers zu erwarten stand. Terf.
ist nicht geneigt, diese Anschauung zu theilen, weil die Erhängnng zu gnt ange¬
führt war. ln hinterlassenen Schriftstücken batte der Verstorbene Leiden, die er
nicht zu ertragen im Stande sei, als Motiv des Selbstmordes ai^^eben; hypochon¬
drische Klagen und Vergiftungsfnrebt, die sich darin ausdrflckte, hatten an und für
sich das Gepräge der Wahrheit, da Pat. thatsäcblich psychische Abnormitäten dar¬
geboten hatte, aber aof der andern Seite schien der hochtrabende Stil auf Affect
berechnet zu sein.
Der 3. Fall bebifft einen schon häufig wegen verschiedener Vergehen bestraften,
trunksüchtigen Dieb, der schon früher an Delirium tremens gelitten haben sollte
und wiederholt versucht hatte, zu simnliren, um der Strafe zu entgehen. Im Ver¬
hör batte er verwirrtes Zeug gesprochen, so dass Zweifel an seiner Zurechnungs¬
fähigkeit aufstiegen. Im Hospitale simulirte er allerhand Zustände und Handlungen,
wie er sie von andern Kranken gesehen hatte, wurde unreinlich und sog sich beim
Zerschlagen von Fensterscheiben eine Schnittwunde am Arm zu. Er litt an rechte-
seitiger Facialisparalyse und beiderseitiger chronischer Otitis sicca. Unruhige und
ruhige Perioden, je nachdem es die Umstände mit sich brachten.
Auch der 4. Fall betraf einen wiederholt bestraften Dieb, bei dem sieh schon
in der Kindheit häufig Stehlsucht gezeigt haben sollte; ancb während der Beobach¬
tungszeit im Hospitale stahl er wiederholt, vielleicht nur um Kleptomanie zu simu-
liren. Es bestanden bei ihm Imbecillitä^ kindisches Wesen und kindische Neigungen,
namentlich aber Mangel an moralischem Gefühl. Pai kam wiederholt zur Beobach¬
tung; seine erste Aufnahme geschah nach einem Erbängungsversuch, dem lange
Bewusstlosigkeit folgte and nach dem die Strangrinne noch lange sichtbar blieb, an
den er sich Anfangs nicht erinnern wollte, den er aber später als simulirt bezeichnete,
auch dass er epileptische Anfölle nur simulirt hatte, gestand er später.
Walter Berger (Leipzig).
ni. Personalien.
Unser verehrter Mitarbeiter Herr Dr. Passow wurde zum I. Assistenten der psychi¬
atrischen Klinik in Btrassbarg i./E. befördert
Um Einsendung von Separatabdrücken an den Herausgeber wird gebeten.
Einsendungen für die Redaetion sind zu richten an Prof. Dr. E. Hendel.
Berlin, NW. Scbiffbanerdamm 80.
Verlag von Vbit & Cohp. in Leipzig. — Druck von Murobb & Wimo in Leipzig.
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3 Sanitätsrath Dr. Bindseil. Dr. Warda,
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2. Ein Fall von Nenritie optica mit 4w0cheDtUcber d^pelboitiger, in complete
»o^egaogener Blindheit, von H. Higler (Warechan). 8. Untersacbangen über daa
Bark and daa Eleinhini der Vögel, von Dr. A. Friedlinder. (Fortsetzung n. Soblase.)
L iilerate. Anatomie. 1. Ueber das Bieebhim der Sängetbiere, von Ldwenlhal.
dwsale (Sebiet der spinalen Trigeminosworzel and seine Beziehungen zam solitären
beim VeDschen. Ein Beitrag zor Anatomie and Physiologie des Trigeminus, roo
— Experimentelle Physiologie. 8. Bidrag tili känoedomen om hudeus
oät rann — punkter, af Ainitz. 4. Om fömimnelseo „bett“, af Airulz. 5. Om den
. temperatar fonumnelserna, af Alrirtz. — Pathologische Anatomie. 6. BeU
ZV Pstholc^e der Nenrenz^n, von Qoidsehelder, 7. Ueber den Einäuss verschiedener
insB auf die Kervenzellen des Bflckenmarks, von Babes. — Pathologie des
•ssyatems. 8. Familiendisposition bei symmetrischer Atrophie des Schädeldaches,
k 9. Tbree cases of the family type of cerebral diplegia, by Dercum. 10. Maladie
äsymptomes cdrebello-mddullaires, par Pauly et Bonne. 11. Dritte Mittbeilnng über
tyi^le, ^miliare lAbmnng, von Beidflam. 12. Ueber Paralysis spastica und über
.immea Nervenkrankheiten im allgemeinen, von Jendrässifc. 13. Epidemie of infantile
‘ in the aame family, by Pasteur. 14. Sopra an caso di tabe spasmodica famigliare,
si e Rmi. 15. Die amaurotische, familiäre Idiotie, von Sacht. 16. Weitere Hit*
über eiuen Fall von chroniscbem Hvdrocephalns bei hereditärer Syphilis, von
17. A contribution to the study of spinal syphilis, by Spiller. 18. Over syphilitische
’yse, door Miiskeui. 19. Acute Myelitis und Syphilis, von Rosln. 20. Anatomical
a of brain syphilis, with report of tbres cases, by Kraust. 21. Aggiunta alla
£ an caso di malattia di Erb. Nota per Murri. 22. Ein Fall von Myasthenia psendo«
graris oad intermittirender Ophthalmoplegie, von Eulonburg. 28. Ueber Myasthenia
ytica gravis, von Cohn. — Psychiatrie. 24. Typhoid fever among the insaoe,
25. Des psycboses religieuses ä ^volntion progressive et ä systdmatisatiou ditc
par Mario n Vallon. 26. Belehmngen für das Wartepersonal an Irrenanstalten,
ir. 27. Deuz exemples de la forme affeotive du ddlire gdneralisö — Verwirrtheit
SNBfeale), par Franeetfe. 28. L’ohsession de la rougeur (drentbophobie), par PItros
•Ti
31
■vm
1
IB> Am den QaMlitohaften. Verbandlaiigen des 16. Congresses für innere Medicin vom
Ap^ 1898 zu Wiesbaden.
Google
386
L OriginalmittheilTingen.
1. Ueber Phosphorlähmnng.
Von Prof. Dr. 8. £. Hensohmi in Upsala.
Obschou VeigiftQDgen mit Phosphor überhaapt) und besonders in imserem
Lande, sehr allgemein sind, so sind dooh unsere Kenntnisse über die Binwirkang
dieses Giftes auf das Nervensystem des Mensohen besonders dürftig. Unter
einer nicht unbedeutenden Anzahl von Phosphorvergiftungen, welche in meiner
klinischen Abtbeilung in Upsala behandelt worden sind, habe ich nie
Lalimung gesehen. Wahrscheinlich kommt dieses daher, dass die meisten
solchen Patienten binnen wenigen T^n sterben, aber selbst bei denen, welche
genasen, habe ich Lähmungen nicht gesehen.
ln der mir zugänglichen Litteratur finde ich auch in dieser Beziehung
nichts, au^nommen, dass in allen Abhandlungen über Neuritis Phosphor unter
den Giften eingereiht ist, welche Neuritis hervormfen. Diese Auss^ wiederholt
sich fast überall. Sucht man aber einen Beleg für diesen Satz, so kann man
das Begister der ganzen Reihe von Bänden des Neurol<^. Gentralblattes von
1882—1898 durchsuchen, ohne einen einschiffigen Fall aufopüren zu können,
und zwar weder einen Fall von Neuritis, noch einen von Phosphorlähmung in
anderer Form.
Durch experimentelle Untersuchungen bei Thieren über die Einwirkung
des Phosphors ist dag^en nacbgewiesen, dass wirklich Veränderungen im Nerven¬
system nach Phosphorvergiftung Vorkommen. So z. B. fand Danillo beim
Hunde nach letalen Dosen Alterationen, welche er als Myelitis, entweder
centraler oder diffuser Natur, bezeichnet. Grosse Dosen rufen eine Mjelitis
centralis in der ganzen Länge des Eückenmarte hervor mit Bildung von Extz^
vasaten und Pigment; die geringeren und wiederholten Dosen erzeugen eine
Myelitis diffusa, die graue und weisse Substanz ergreifend. Während des Lebens
sah Danillo eine Reihe krankhafter nervöser Symptome, welche als Effecte der
Myelitiden betrachtet werden müssen.^
'Kreyssig d^egen fand ausser capillären Blutungen in der grauen Sub¬
stanz keine pathologischen Veränderungen im Rückenmark der vergifteten Thiere,
welche 4—66 Tage nach der Vergiftung starben.*
Dagegen fand Gurbibbi* im Rückenmark eines mit Phosphor ve^ifteten
Hundes die GoLL’schen und BuBDAOH’sohen Stränge d^nerirt
* Neorolog. CentralbL 1882. S. 11.
* Neurolog. Centralbl. 1886. S. 6.
* Bev. Bper. di Freoiatr. Vol. XIX. — Neorolog. Centralbl. 1895. S. 279.
Dig'ii7cd Cv" Google
387
In Anbetracht dieser mangelhaften Kenntnisse daräber, wie sich das Nerven«
sjitem beim Menschen nach Phosphorve^iftong verhält, verdient folgender Fall,
otecbon nnr klinisch beobachtet, veröffentlicht za werden.
Hansson, Qroesknecht, 70 Jahre alt.
Dem Pat, welcher hUher immer geeond and arbeiteAhig war, wurde von einem
Dmrtm&dchen am 39. Juli 1896 um 12 ühr Mittags Phoephor im Kaffee eingegeben.
Cb Nachmittags stellte sich Erbrechen ein, und zwar unaufhörlich, bis nur
„klares Blut" erbrochen wurde. Pat. musste zu Bett gehen und fohlte sich sehr
Kkvsch. Ein Arzt wurde gerufen, und dieser hat mir brieflich mitgetheilt, dass
Pit Symptome von Phosphorismns acutus hatte. Uebrigens war er nicht benommen;
er kooDte sehen. Das ÖehörvermOgen war auf beiden Ohren herabgesetzt, and
tt hatte Schwierigkeit zu schlocken. Pat. wurde indessen nicht ikterisch. Im
Aagoat bekam er Schmerzen üx den Füssen und in den Knieen, dann wurden die
FQsm gelähmt, so dass er nicht stehen konnte. Die Beine tragen ihn auch
oieht mehr, aber er konnte sie im Bett bewegen; d^^en waren die Finger
Kel&hmt Er mnsste dann fast den ganzen Winter das Bett hüten. Pat. war in
ter Zeit schwach, litt aber nicht au Herzklopfen. Er bat Verdacht, dass er in
Zwisdienzeit mehrmals vergiftet wurde, und anch sein Sohn bekam Qift. Nach
do Tergiftnng litt Pat. auch an allgemeiner Depression, sowie an Parästhesieen.
Erst im April 1897 b^nn er zu gehen, und seit dieser Zeit besserte sich
^ImäUich der Zustand, so dass er im Juni 1897 den „Sätra Brunn'^ wo ich Arzt
Hb, besQcben konnte.
Statns am 11. Juni 1897.
Körperbau gut, Körperfülle gut, wie auch die Kräfte. Er hat einen guten
Appetit und regelmässige Darmentleernng. Der Körper zittert.
Sobjectiv hat er keine Schmerzen, aber er leidet an Parästhesieen. Es
kribbelt und sticht in den Unterschenkeln und in den Händen. Die Muskeln der
Arne ond der Beine sind in hohem Grade empfindlich gegen Dmck.
Die P^che ist normal, wie auch Urthellsvermögen, Gedächtniss und Wille.
Kerne Aphasie.
Krsnialnerven: I. Geruch beiderseits gut. II. Gesicht auch gut, Seb- und
Firbeofelder von normaler Ausdehnung. IlL, IV., VI. Augenbewegungeu normal;
die Pupillen klein. V. Gefühl gut. Vll. Keine Anomalie. VIII. Gehörschärfe
teidersmts bedeutend herabgesetzt. IX.—XII. Nerven zeigen nichts abweichendes.
Sensibilität. Sowohl an den Händen, wie an den Füssen ist der Tastsinn
bedeutend herabgesetzt, vielleicht mehr in den Händen.
Schmerzsinn. Pat. ist etwas byperalgetisch, und sowohl die Hände, wie
die F&sse sind bis über die Ellenbogen und die Knie hinauf sehr empfindlich.
Temperatursinn normal.
Kuskelsinn schlecht, und Pat. hat Schwierigkeit einen Knopf zu knöpfen
ud kann eine Stecknadel nicht vom Boden aufnehmen, vielleicht mehr in Folge des
ttn^vlhaften Tastgefühls, als des Fehlens des Muskelgefübls.
Motilität Er ist schwach in den Händen und Füssen, steht mit gebeugten
Bnaeu.
Ataxie. Er geht mit gespreizten Beinen und mit Schwierigkeit, besonders
bei geecblossenen Angen.
Atrophie. Die Muskeln der Hände sind etwas, aber nicht sehr atrophisch,
ib« die Hände sind angescbwollen, wie durch ein chronisches Oedem.
Reflexe können von den Hoskeln der Vorderarme ausgelöst werden. Patellar*
refleze fehlen.
Die Blase zmgt weder jetzt noch früher irgend welche Störungen; ebenso ver*
bäh lieh der Darm jetzt, wie auch früher, normal.
25*
ig ii^cd cy Google
388
Trophiscbe Störangen. Äasgenomioen das eben erw&hote Angescbwollenseio
der H&nde and FOsse and die nicht hochgradige Atrophie der Moskeln der H&nde,
findet sich keine Atrophie.
Innere Organe. Das Herz ist nicht veigrössert. Die Töne sind rein. Der
Puls normal.
Behandlung. Pat. wurde mit B&dem (Moorbädern u. s. w.), Massage und
Elektricität jeden behandelt und befand sich dabei gut.
7./V11. 1897. Bei der Abreise wird bemerkt: Pat bat sich auffallend ge¬
bessert, er geht recht gut mit offenen Augen, schlechter mit ge8cbl<^nen; geht
jedoch immer mit gespreizten Beinen. Er kann jetzt die Enöpfe knöpfen. Die
Plantarseiten der Füsse sind beim Gehen und bei der Bewegung empfindlich und
schmerzhaft, besonders in der Kälte. Die Empfindlichkeit erstreckt sich bis Ober
die Knie.
Die Hände sind empfindlich und schmerzen etwas in den Endphalangen, nicht
wie fräber in den ganzen Fingern.
ln der Kürze lautet die Erankengescbichte also folgendermaassen:
Ein 70jähr. Mann wird einem, Tielleicbt selbst wiederholten Veigiftimgs-
Tersnchen mit Phosphor ausgesetzt. Die gewöhnlichen Veigiftungssymptome
stellten sich ein, wie Bluterbrecben, Schwäche u. s. w., und er musste Monate
laug das Bett hüten. Binnen einem Monate stellten sich Schmerzen in den
Füssen ein und dann Schwäche und Schwierigkeit zu gehen. Aber er konnte
die Beine im Bett bewegen. Darnach wurden auch die Finger gelähmt F.rst
nach etwa 9 Monaten konnte er anfstehen.
Nach Jahresfrist findet man bei der Untersuchung keine Störung der
Psyche oder der Kranialnerven, aber Pat. leidet an ausgesprochener Schwäche
in den Händen und Füssen, sowie an Herabsetzung des Tastsinns in diesen
Tbeilen. Ausserdem sind die Extremitäten bis über die Knie und Ellenbogen
hinauf, wie überhaupt die Muskulatur schmerzempfindlicb. Die Hände sind
angeschwolleu und die Handmuskulatur ist etwas atrophisch. Die Beflexe von
der Armmuskulatur aus bestehen, aber die Patellarreflexe sind verschwanden.
Keine Blasen- oder Darmstonmg.
Er hat Schwierigkeit zu geben, und eine au^^prochene Ataxie ist vor¬
handen.
Diagnose. Bei einem Versuch die Art und Localisation des Processes zu
bestimmen, ist daran zu erinnern, dass die ersten Symptome der Krankheit
Schmerzen in den Händen und Füssen waren, und dann Sohwierigkdt zu geben,
wahrscheinlich theils als Ausdruck einer Ataxie, theils der Schwäche jener Theile.
Die Symptome, welche seitdem bestehen geblieben sind, deuten theils auf Nen-
ritis, theils auf Veränderungen im Rückenmark. Im Ganzen ähneln die Symptome
in h(^em Grade denen bei derArsenikvei^flung. Auch hier spielen die Schmerzen
eine auffallende Rolle. Hier vrie da ist Ataxie vorhanden. Für Neuritis spricht
besonders die grosse Schmerzempfindlichkeit bei Druck anf die Mnskolatar.
Und da die Patellarreflexe fehlen, und die Localisation sich besonders auf die
Spitzen der Extremitäten beschränkt hat, so ist wohl kein Zweifel, dass hier
eine Neuritis phosphorica vorli^; und dass sowohl sensible wie motoriscdie
Nerven ergriffen sind — ganz wie bei der Arsenikvergiftung.
üigi'.vcci oy Google
389
Da inzwischen aa<^ Ataxie Torhanden ist, so müssen auch Theile im
Böekenmark eigriffen sein, denn die Ataxie kann kaum durch die vorhandene
Anästhesie genügend erklärt werden. Welche Theile aber daselbst zerstört
worden sind, darüber lohnt es nicht die Mühe zu disoutiren. Ich weise in dieser
Himieht auf die von mir, sowie Eblitzki und Btbalkin daigel^^n Befunde
bä der Arsenikrergiftung hin. Wir fanden, dass die grossen motorischen Zellen
atrophisch waren, und in meinem Falle konnte ausser einer hämorrhagischen
0^ auch eine ausgesprochene Degeneration der GoLL^schen Strange nach-
gewiesen wMtien.
Ich bin also geneigt, sowohl eine Neuritis, als auch degenerative Processe
im Bückenmark anzunehmen. Dagegen fehlen alle Anzeichen eines cerebralen
Lädena
In Bezug auf die Symptomatologie hebe ich hier nur die auffallende Aehn>
hehkät mit Arsenikveigiftung hervor. Doch finden sich hier ausserdem eine
anfEillende Anschwellung der Hände, ein höherer Grad von Sohmerzempfindlich«
kät noch nach 1 jährigem Bestehen des Leidens, welche besonders au den Fuss-
sohlen und in den Fingerq)itzen ausgesprochen ist Dagegen war die Atrophie
Terfaältnissmassig geringfügig.
ln wie weit alle diese Symptome für Phosphorvergiftnng charakteristisch
oder constant sind, darüber kann nur weitere Erfahrung belehren, aber die
Asalcgie mit der Arsenikvergiftung spricht doch dafür, dass hier ein typischer
Fili von Phoephorlähmung vorliegt.
Das allmähliche Eintreten der Lähmung erst längere Zeit nach den wieder¬
holten (?) Ve^iftnngsversuchen giebt eine genügende Erklärung, warum so selten
Pboq)borlähmungen beobachtet worden sind.
2. Ein Fall von Neuritis optica mit 4wöchentlicher doppel¬
seitiger, in complete Heilung ausgegangener Blindheit.
Beitrag zur Klinik der genuinen und concomittirenden Sehnerven-
entzündnngen.
Von H. Higier (Warschau).
Unter den gemeinen Sehnervenentzündungen ist bekanntlich die häufigste
die Neuritis optica retrobulbaris. ^e macht etwa die Hälfte der gesammten
Sämervenaffectionen aus und ist deshalb als klinische Erkrankungsform sowohl
in theoretischer als praktischer Hinsicht ausserordentlich wichtig, für den Nerven¬
arzt nicht minder als für den Augenarzt. Sie stellt eben nichts mehr als eine
■äitte, durch das Ophthalmoskop unserem Auge direct zugängliche Entzündung
änes Himnerven dar, die vom pathogenetischen Gesichtspunkte aus mit den
,Google
390
sonstigen peripheren Neuritiden viele Berührangspnnkte besitzt Von beiden
kennen wir eine acute und chronische Form, wobei letztere entweder vom An¬
beginn an als solche auftritt, oder Ausgang der acuten Varietät 4ar8tellt. Die
zahlreichen ätiologischen Momente der Neuritis optica lassen sidi, nach Aus¬
schluss der örtlichen Ursachen (orbitale Cellulitis, Periostitis am Foramen opti-
cum), ebenso wie bei der Neuritis multiplex in vier Hauptgroppen eintheilen:
in Intuxicationen, Infectionen, Traumen und Erkältungsnrsachen.
Unter den anorganischen und organischen toxischen Schädlichkeiten spielen
bei der Sehnervenentzündung die Hauptrolle: Alkohol, Blei, Chinin, Tabak und
Schwefelkohlenstoff. Von den infectiösen Noxen kommen die abnormen Stoff-
wechselprodncte in Betracht, die bei den meisten acuten und chronischen All¬
gemeinkrankheiten producirt werden und toxisch wirken. Hierher gehört somit
die Neuritis optica bei Typhus, Influenza, acutem Rheumatismus, die bei Lues,
Diabetes, Solerose, Gicht, Gravidität, Puerperium u.6.w. Eine weniger ansehn¬
liche Bolle spielen die traumatischen Kopfverletzungen (Adaxtük) und das
refrigeratoriscbe Moment, besonders die Einwirkung plötzlicher Abkühlung der
Kopf- oder Gesichtshaut (Sahelsohn).
Klinisch lässt sich die acute retrobulbäre Sehnervenentzündung, wie die
sonstigen Neuritiden, durch die Schmerzhaftigkeit des Nerven, den Ausfall der
Function und das Schwinden der physiologischen Reaction erkennen. In allen
frischen Fällen sind die Augenbewegungen schmerzhaft, die Empfindlichkeit auf
Druck des Augapfels in der Richtung von vom nach hinten erheblich gesteigert
Das Sehvermögen nimmt im ergriffenen Auge in ziemlich kurzer Zeit — von
wenigen Stunden bis Tagen — stark ab, wobei intensive Reizungserscbeinungen
in Form von feurigem Nebelsehen und Lichtblitzen dem völligen Erlöschen der
Function vorausgehen. Die Pupille ist mittelweit und auf directen Licbteinfall
völlig reactionslos, trotzdem die consensuelle Reaction noch bei völliger Amaurose
erhalten bleibt In den schweren Fällen ist die Erblindung total, in den leich¬
teren nimmt letztere nur das centrale Gesichtsfeld ein. Das Scotom, meist in
Gestalt einer central liegenden Ellipse, ist für die gewöhnliche Neuritis optica
retrobulbaris äusserst charakteristisch, viel seltener sind Ringscotome oder peri¬
phere Einschränkui^. Indem die Abnahme des Lichtsinnes in Abhängigkeit
von der Extensität des Scotoms ist, soll die Sehschärfe nur von der Intensitiit des¬
selben abhängen. Interessant ist es, dass das Farbenobject, sobald es in Bereich
des Scotoms tritt, zunächst seine Nuance, d. h. seine Helligk^t und dann erst,
näher dem Kern des Defectes, seinen Ton verändert Am Bande des Scotoms
erscheint das weisse Prüfungsobject grau, am Gentrum schwarz. Wo die
Amaurose complet zu sein scheint, lässt sich zuweilen uaoh Samblsohe bei
Prüfung im dunklen Zimmer mit sehr schwachen Lichtquellen eine dumpfe
Lichtempfindung in der Peripherie feststellen, wo die Untersuchung mit Reflexen
eines Augenspiegels n^ativ ansfallt.
Der Augenspiegelbefund ist in den ersten Tagen meist ganz n^tiv. Im
weiteren Verlaufe bildet sich allmählich Oedem und capilläre Röthung an der
Papille ans, die hier und da zum Bilde der typischen Stauungspapille führen
Dig't /c : Google
391
kuL SdtMier fehlt dieses Stadinm ganz nnd nur die conseoutive Opticus-
(Abblassung der temporalen Hälfte der Papille) macht auf die Natur
des duci^machten Leidens aufmerksam. Ab und zu soll die mit plötzlicher
Eiblindaiig einteetende Neuritis optica — falls das entzündliche Transsudat
foade die Eintrittsstelle der Sehnerrengefösse oomprimirend trifft — unter dem
KIde der acuten Netehautisohämie mit auffallender Verengerung sowohl der
Aitehm ab Venen-Terlaufen.
Anatomisdies Material für die im Grossen und Ganzeu ziemlich seltene
aeote Nenritis liegt bis jetzt nicht vor, und sind wir gänzlich auf die anatomisch*
psdiokgischen Stunde bei den chronischen retrobulbären Neuritiden angewiesen,
die trotz mancher beachtenswerther klinischer Differenzen (sehr schleichender
Beginn, progressiTer Verlauf, Fehlen der Schmerzhaftigkeit, der Pupillenanoma-
1^ and d^ Schwellungserscheinungen an der Papille, sehr spätes Nachfolgen
einer temporalen Atrophie der Papille ohne Betheiiigung der Centralgetässe) sich
ebohlls durch das centrale Scotom — absolutes, relatiTes oder nur für Farben
— haopteächlioh aaszeichnen. Bei diesen Formen wird mit auffallender Begel-
miss^eit ein ganz bestimmtes Nervenbündel von der interstitiellen Entzündung
e^Sen, und zwar das sog. papillO'maculare Bündel, das den gelben Fleck und
zwischen ihm und dem temporalen Rande der Papille goldenen Abschnitt
der BetiDa vetso^ Dasselbe kann in jeder Stelle seiner Längsausdehnung vom
Entzändungsprocess betroffen werden: von derjenigen Stelle, wo es im Canalis
opüens als Cylinder axial gelagert ist bis zu dem Punkte, wo es den temporalen
Bind des Nerven erreicht und dicht am Eintritt der Centralgetässe die keil*
ßimige Gestalt annimmt Nur ausnahmsweise localisirt sich die chronische
Xraritis im peripheren Theil des Opticus bezw. dehnt sich vom axialen Gebiete
uf den peripheren Abschnitt, was sich klinisch in Sehstörungen an den excen*
UBckeo Theilen des Gesichtsfeldes kundzngeben pflegt
Weehalb mit Vorliebe gerade dieses Bündel betroffen wird, lässt sich nicht
mt fiestimmtbeit anssagen. M^Ucherweise bat die hochgradige functionelie
hnpfindlicbkeit der am meisten in Anspruch genommeneu Fasern des directen
Seheos, oder das Passiren des Hauptlymphstromes durch das Ceutrum des
Kcnen daran Schuld. Dahingestellt muss es immerhin bleiben, ob es that*
ridükh für jeden Fall einer besonderen, etwa angeborenen Prädisposirion in
9«talt einer besonderen Emährungasohwäche der centralen Nervenbündel be¬
dürfe, einer Schwäche, die onter den geringfügigsten begünstigenden Momenten
io eioe Entzündong dieser Bündel umschiägt
Die acute Nenritis retrobulbaris ist eine verhältnissmässig seltene Erkrau*
hng. ln Samkuohr’s^ Statistik figurirt sie unter 119 Fällen kaum 18 Mal,
Qd nor ansnahmsweise doppelseitig. So konnte noch Beissebt * im Jahre
' SAjaOiiOHH, Neuritis retrobolbaria. Biblioth. der geeammten medicin. Wissensch.
Udcr.tSS. 8.504—512.
* B. Russkbt, Eia Fall von Neuritis retrobolbaris. Arcb. f. Angenheilk. Bd. XXVIII.
ä.45«-54.
Dig'V/ocI oy Google
392
1894 keinra unanfechtbaren Fall von acuter Sehnerrfflientsöndni^ mit bdder-
Beitigei vollständiger Erblindung aus der Literatur anföhreo. Angesichts eben
der Seltenheit dieser Fälle erlaube ich mir kurz über einen einschlägigen Pa¬
tienten zu referiren, den ich ein Jahr hindurch zu beobachten Oel^eoheit hatte.
Der Fall ist besonders ausgezeichnet dnrch den foudroyant aufgetretenen Seh-
yerlust, durch die eigenthümliche Aetiol<^ie, durch die vom eisten T^e der
Erkrankung sehr au^esprochenen Entzündungsersoheinungen an den Papillen
(Papillitis), durch den eclatanten Erfolg der subcutanen Pilocarpininjectionen
und durch die Tollkonunene Restitution der Sehschärfe trotz der 4 Wochen an¬
haltenden doppelseitigen Blindheit
Cbiel Lilienstein, 38 Jahre alt, Geschäftscommis, erkrankt am 5. Juni 1896 an
Kopfschmerzen und Flimmern vor dem rechten Äuge. Im Laufe des Tagee stmgem
’ sich die Schmerzen and sinkt die Sehschärfe unter Nebelsehen an beiden Augen sehr
bedeutend. Nach etwa 3 Tagen, als ich den Fat das erste Mal zu sehen bekam,
war er beinahe gänzlich erblindet. Die damals gemeinsam mit Collegen Oepnar,
Kramsztjk und Spielrein vorgenommene Untersucbung e^ab ziemlich wenig
Anhaltspunkte zur Beurtheilung der Natur und Aetiologie des schweren Leidens.
Der in psychischer Hiusicht völlig normale, keine Spur von Bewusstseinstr&bang
anfweiseude Patient klagte fiber diffuse Parästhesieen im Hinterhaupt und der rechten
Schläfe. Bei Bewegung der Augäpfel empfindet er in den Extremstellnngen, beson¬
ders in der Gegend der medialen Orbitaiwand, intensive Schmerzen, weshalb die
maximale Anstrengung der äusseren Bnlbosmuslnilatur absichtlich vermieden wird.
Bulbns auf Druck mit dem Finger empfindlich. Kein Exophthalmus oder Strabismns.
Lider, Conjunctiva, Cornea und Iris normal, optische Medien durchsichtig. Die gleich¬
weiten Pupillen sind stark mydriatiscb, reagiren nicht anf Licht, ziemlich gut auf
Convergenz. Lichtsinn und Sehschärfe sind am rechten Auge gänzlich erloschen, am
linken scheinen sie in geringem Maaase erhalten zu sein. Bei Exploration des
Gesichtsfeldes im etwas abgedonkelten Zimmer mit der Hand eigiebt sich, dass die
Handbewegnngeu in der Bichtong nach oben nnd innen einigermaassen erkannt
werden. Vom Farbensinn ist keine Spar eruirbar. Ophthalmoskopisch lässt sich
feststellen eine, an beiden Ängen gleich ausgesprochene Neuritis optica, die geradezu
an die Stanungspspille bei HimgeschwQlsten erinnert: excessive Schwellung nnd
capilläre Böthung der Papillen und des circumpapiUären Gewebes, Verstriehensein ihrer
Grenzen, Erweiterung und Schlängelung der Venen.
Vom sonstigen Verhalten des Nervensystems ist zu erwähnen: Asymmetrie des
Gesichtes, Abweichung der Uvula nach links, diffuse analgetische Plaques, Steigerung
der Patellarrefiexe, Abwesenheit cerebraler Allgemeinerscbeinungen, wie Benommen¬
heit, Schwindel, Erbrechen.
Innere Organe intact. Zostand fieberlos. Puls von normaler Frequenz and
Falle. Milz nicht vergrössert Ham eiweiss- nnd zuckerfrei Appetit nnd Schlaf
nicht gestört Symptome einer chronischen Intoxication sind nicht vorhanden, eben¬
falls fehlen Ersebeinungen, die anf eine durchgemaebte Lues oder vorhandene Taber-
culose hinweisen.
Vom Pat wird Lues entschieden n^irt, ebenfalls will er keine acute Infection
in der letzten Zeit durchgemacht haben. Der Kranke raucht mässig, trinkt hie and
da übermässig, ist jedoch im Allgemeinen kein Potator. Traumen, Erkältung, grössere
Blutverluste, medicameutöse Vergiftung werden in Abrede gestellt Einen Tag vor
dem Ausbruch des Augenleidens behauptet er, psychisch intensiv afficirt gewesen zu
sein durch die uuerwartete deprimireude Nachricht aber das Ueberfahrensein seines
Sohnes. Pat. stammt aus einer neuropatbisch veranlagten Familie, seine zwei
Schwestern leiden an Hysterie.
"Q'Iii’Od
Google
893
Den Kt»nk«n wurden ez eonsiUo Terordnet: absolute Bube, dunkles Zimmer,
wazme Pimchläge an dmi at^esehlossenen Augen, leichte Abführmittel, flüse^e Diät,
ein Gonisch von salicjlsaurem Natrium mit Jodkali. Das Leiden zeigte jedoch absolut
kone Besserung. Im Oegentbeil, die minimale Sehßhigkeit schwand gänzlich, so
dsn bei der uAcbsten Consultation mit Collegen Qoldflam der Pat. complet blind sich
»viea. Die Pupillen waren ad mazimum erweitert, ganz reactionslos, die Papillen
Didi inteoaiver geechwellt und die Venen an denselben dilatirt Da der Kranke weder
das Salicyl noch das Jod wegen eingetretener unangenehmer Nebenerscheinungen gern
nahm, so wurden Torsuchsweise Quecksilbereinreibuogen (2 g täglich) verordnet; sie
ausaten jedoch nach der 5. Inunction in Folge der sich eingestellten Stomatitis auf*
gegeben werden. Es wurde dann zu Pilocarpiniqjectionen (0,2:10,0) geschritten,
eine Pravaz’sche Spritze subcutan. Die Sialorrhoea und Schweissreaction
sofort nach der Einspritzung einzutreten. Nach etwa der 6. Injection —
am 24. Tage der Krankheit — liessen sich die ersten Zeichen der Besserung con*
itatirmD. Fat. fing an mit dem linken Auge die am Tische brennende Kerze von
dw dunklen Umgebui^ einigermaassen zu uuterscheideu. Die Pupillen reagirten träge,
abar deutlich.
Von jenem Tage an begann die Besserung sehr rasch vor sich zu gehen. Nach
ier 16. und zugleich letzten Injectioq war schon Pat. im Stande ohne Hülfe im
2Mmer hemmzaspaziren, erkannte Handbew^ngen sehr genau in der Entfemong,
otziffeile einzelne grosse Buchstaben, zählte Finger iu m Distanz, unterschied
emgermaassan weisse von grell gefärbten G^nstanden. Die Reaction der Pupillen
w ganz prompt, jedoch mit der Eigenthümlichkeit, dass die Pupille cur momentan
verengt blieb und erst dann wieder die Verengerung deutlich za Tage trat, wenn
das Aoge nochmals nach einer minütlichen Verdunkelncg stark beleuchtet wurde.
Die Hjdrimse blieb mehrere Wochen hindurch erkennbar, sowohl im dunklen als hell*
keieochteten Zimmer. Das ophthalmoskopische Bild änderte sich sehr wesentlich,
indem die Scbwellungserscheinnngen am Papillarkopf und der Umgebung gänzlich
ȟcktonten.
Bei der, 7 Wochen nach Beginn der Erkrankung voi^enommenen Untersuchung
4m Qesiditsfeldes auf Weiss und Farben liess sieh ein cectralee, ziemlich nmfacg-
naehes Seotom an beiden Augen bei ganz normalem peripherem Gesichtsfelde fest-
ftdlen. (Das Perimeter konnte leider wegen des mebrwöcbentlichen Verbleibens des
HL an ^use beim Erankenezamen nicht angewecdet werden. Aus demselben Grunde
liem sich die präcise Untersuchung dos peripheren Gesichtsfeldes mittelst schwacher
Liehtcootnste nicht vornehmen.)
Von Farben konnte zn jeder Zeit nur das Rothe mit dem linken Auge einiger-
■aaMD unterschieden werden.
Deo Kranken sah ich dann über 4 Monate nicht mehr. 6 Monate nach dem
Anriimeh des Leideoa ist vom Collegen Eramsztyk Folgendes constatirt worden:
Ujpermetropie an beiden Angen ^/, D. Links = normale Sehschärfe, rechts » 7s'
Papülni gleich und normal weit, reagiren prompt auf Licht und Accommodation.
Weder periphere Einschränkung des Gesichtsfeldes noch centrale Lücken an demselben.
FarbenblindbeiL Keine Beweglichkeitsdefecte an den Bulbis. Am Angenhintergnmde
kaiM Abweichui^ von der Norm. Lästige subjective Blendungserscbeinungen.
Unter fortwährendem Gebrauch vou Strychninpillen besserte sieb der Zustand
■sofero, dass die vom Augenärzte, Collegen Steinhaus, im Juni d. J. augestellte
CHtenoehiuig eine vollkommen normale Sehschärfe an beiden Augen ergab, keine
Spir von Farbenblindheit, normales, am Perimeter aufgenommenes Gesichtsfeld, intacte
Intea, in ihren temporalen Hälften etwas abgeblasste, in der Umgebung leicht
^meotirte Papillen. Die Blendungsphänomene, die dem Pat. besonders lästig fielen,
iiad durch Verordnung einer dunklen Schutzbrille gänzlich gehoben worden.
■' . Google
894
Die Diagnose des Falles machte im Beginn der Krankheit nicht geringe
Schwierigkeiten. Der Hausarzt dachte nicht mit Unrecht zunächst an Hysterie.
Die ziemlich rasch entstandene Amaurose, die analgetischen Pl&ques an der
Haut, die Abwesenheit nachweisbarer intoxioatorisdi-infectiöser Momente, der
Torausgegangene intensive p^chische Shook, schienen einigermaassen die M^licb-
keit einer acut entstandenen Hysterie zu rechtfertigen. Die jedoch rasch darauf
sich einstellende Mydriase und Beactionslosigkeit der Pupillen bei fortgesetzter
Lichteinwirkung lenkte unsere Aufmerksamkeit nach anderer Richtung ein.
G^en Embolie, Thrombose, Blutung und sonstige locale Processe an der Netz¬
haut sprach sowohl der ophthalmoskopische Befund, als die prodromalen Beiz-
erscheinnngen. Von urämischer Amaurose konnte nach der Anamnese and
angesichts des Hambefundes nicht ernst die Rede sdn. Die Annahme eines
centralen Leidens war trotz der exquisit ausgesprochenen Papillitis kaum zulässig,
bei Abwesenheit j^licher cerebralen Symptome, die auf einen gesteigerten Him-
druck hin weisen könnten. Nachdem die scheinbare Parese des Gesichts und
Zungenzäpfchens als angeborene Asymme^, die Pseudoparese dw äusseren
Augenmuskulatur als vom retro-oculären Schmerz abhängig sich erwiesen und
das Sensohum im weiteren Verlaufe der Krankheit stets intact blieb, war auch
die Möglichkeit einer acuten, mit Neiuitis optica sich oombinirenden PoUo-
enceph^tis ausgeschlossmi und per exclusionem die Annahme einer retrobulbären
Neuritis, oder, wie wir es för unseren Fall vielleicht richtiger sagen können,
einer intraocularen Neuritis (Papillitis acuta) gerechtfertigt
Von den charakteiistisohen Symptomen der acuten Sehnervenentzündung
war an unserem Patienten nur die Schmerzhaftigkeit der Bulbi bei Druck und
seitlichen Bewegungen, Mydriase und Beactionslosigkeit der Pupillen festzustellen.
Der sehr acute Verlauf verhinderte das An&uchen der typischen centralen und
paracentralen Licht- und Farbenscotome. Zu bemerken ist jedenfalls, dass am
3. Tage, wo das eine Auge schon gänzlich erblindet war, am anderen, trotz
centraler Amaurose, an der Peripherie Bewegungen mit der Hand bei gedämpfter
Beleuchtung noch erkannt wurden. Beim Zurückgehen des Krankheitsprocesses
liessen sich, wie wir sahen, ziemlich deutlich centrale Defecte am Gesichtsfelde
beider Augen für Weiss eruiren. Farbenblindheit, beinahe complette, bestand
noch ein halbes Jahr hindurch, um schliesslich ebenfalls, wie die Sehschwache,
zu schwinden. Trotzdem also genauere perimetrische Aufnahmen uns weder
vom acuten Stadium der Entzündung, noch von der beginnenden B^neration»-
periode zur Verfögung stehen, so lässt sich doch der Typus, wie er der Neuritis
retrobulbaris zukommt, im Grossen und Ganzen nicht verkennen. Die, speciell
Chiasmaerkrankungen eigenthümlicbe Doppelseitig^eit der Affection, sowohl ah
die vom Beginn ausgesprochenen Entzündungserscheinungen am Augenhintergrundc
sind zwar wenig charakteristisch für die retrobulbäre Neuritis, sprechen jedocb
nicht gegen dieselbe, da die Erankheitsnoxe gleichzeitig beide Nerven afficiren
karm und nicht allein in ihrem retrobulbären, sondern auch im intraocalarei
Verlaufe. Das gleichzeitige Afficirtwerden beider Nerven dürfte uns nicht wun¬
dem, wenn wir berückaiobiigen, dass in anatomisch-physiologischer Hinsicht
Google
395
giädiweTthige oder analoge KörperÜieile und O^ne bestimmten Krankheits-
anaehen a priori analogen Widerstand leisten. Ist doch die Symmetrie geradezu
tfpiscfa für sonstige acute — nicht tianinatische — Keuritiden.
Die mehrere Wochen anhaltende absolute Blindheit weist jeden&Us darauf
hin, dass das im Gentram des Opticus an^eschiedene entzündliche Exsndat
fornberg^end doioh Druck sammüiche Fasern functionsunfahig machte, wenn*
es am intensiysten das centrale, papillo-maoulare Bündel betraf. Dass
die rigmthömUche Pupillarreaction im Begenerationsstadium auf beral^esetzte
Empfindlichkeit der Betina znrückzuführen ist, braucht bloss erwähnt zu werden:
sor ein grdler Uebergang Tom Dunkeln ins Helle brachte, und zwar bloss
Tiiräbe^heiHl, den Reflex seitens des Oculomotorius zu Stande.
Ein Wort über die Aetiolt^e und Therapie in unserem Falle. Es ist
^«er äne definiÜTe Entscheidung zu treffen, ob der vom Patienten stark be*
tonte ätiolc^iache Factor — grosse Anfr^ng bei der unerwarteten schrecklichen
Nachricht — thatsachlich eine dominirende Bolle beim Zustandekommen der
Keuritis spielte. Unwahrscheinlich ist diese Genese durchaus nicht, wenn man
bedeekt, welch’ uhgebenre Tasomotoriscbe Pertorbationen (Herzstillstand, Taoby*
caidie, Blasse des Gesichts), welche schwere Revolution im Stoffwechsel (Phos-
pbatorie, Glycosurie), welche uachdauemde Anomalieen in der Function des
viefatigsten Centralorgans (Hysterie, Chorea, Dementia paralytica) eine intensive
psjch^die Err^ong bervorzurufen vermag. In therapenthischer Beziehung wäre
idi geneigt den snbcntanen Pilocarpininjectionen einen sehr begünstigenden
Einfluss aof den Verlauf der Krankheit zuzuschreiben. Ich wendete mich
dieeem Mittel, dessen diaphoretische Wirkung änsserst prompt und rasch ein*
zntreten pflegt, desto lieber zu, als der Kranke, wie erwähnt, keines der sonstigen
Mittel (Jod, Salicy], Quecksilber) ohne üble Nebenwirkungen vertrug.
Von der nm&ngreidien Gruppe der acuten Sebnervenentzfindungen mödite
ich noch anhangsweise anf einige kurz eingeben, die entweder durch manche
hflerentiell-diagnosüsche Eigenthfimlichkeiten oder das Abweicfaen vom typischen,
i)bai geschilderten Erankheitsbilde bezw. durch das gleichzeitige Vorkommen
Bit ioiistig«i Nervenleiden eine specdelle Besprechung erforderu. Bei rasch sich
«ttvickdnder Amaurose kommen folgende gelegeotlioh in Fr^e:
i. Neuritis optica retrobnlbaris peripherica. Bei derselben werden
aoBchbesalicb die peripheren Nervenbündel afficirt: das centrale Gesichtsfeld
Naht intact, das periphere mehr oder minder eingeschränkt Vorübergehend
Um das Exsudat bei dieser Form das axiale Büudel drücken uud temporäre
Amaorase bedingen. Bei nnbedentendem Ergriffensein des Nerven ergiebt, trotz
Urtehmder subjectiver Beschwerden, die gewöhnliche Exploration des Gesiohts-
k^ides am Perimeter — schwarzes Quadrat an weisser Unterlage — keine Ano¬
malie des Gesichtsfeldes (Fall Moll^) und nur bei Anwendung schwächerer
Coottiste werden Einengongen entdeckt (Fall Katz‘). Der primäre Sitz der
* Holz., CestralbL f. Aagenbeilk. 1894. S. 266.
* K. Kats, Wiertoik OftalmologiL 1895. Jtüi. 8.1.
■' : Google
396
Entzandang wird Termuthet im Periost des Foramen optdcam, was das Tor>
wiegende ßetroffensein der peripheren Faserbündel Terständlioh macht AdamOk ^
nennt diese Form mit Ileoht „Perineoritis retrobulbaris'* im Gegensatz zur
„Neuritis axialis s. centralis“ mit centralen Scotomen und „Neuritis disseminata“
mit zerstreuten unregelmässigen Scotomen. Von der chronischen Varietät der
retrobulbären Neuritis zeichnet sich durch die peripheren Qesichtsfelddefecte
besonders die Bleineuritis aus.
2. Recidivirende Neuritis optica. Findet ihr Analogon in der wohl
bekannten, wenngleich seltenen recurrirendeu Polyneuritis. Beruht wahrscheinlich
auf chronischer Periostitis am Foramen opticnm, die unter dem Einfluss neuer
Insulte, meist Erkältung, exacerbirt.
3. Hereditäre und familiäre Neuritis optica retrobulbaris
(LEBEB'sche Form). Entwickelt sich meist subacut im Mannesalter, berorzugt
das männliche Geschlecht, zeichnet sich ebenfalls durch centrale und paracentrale
Scotome aus. ln einem von mir beobachteten, a. a. 0. beschriebenen Falle*
befiel das Leiden drei männliche Familienglieder in den 20. Jahren. Eine weite
Analogie ist etwa in der familiären neurotischen Muskelatrophie (Hoffkank,
Chaboot-Mabie) zu ersehen, bei der die peripheren Nerreu chronisch, seltener
subacut afficirt zu werden pflegen.
4. Neuritis optica im Verlaufe der Polyneuritis. Ist als Theil-
erscheiuung des allgemeinen Leidens aufzufassen. Bei einem einschlägigen
Patienten aus meiner Behandlung, wo Arsenve^iftung in Frage kam, ging die
OpticusaffectioD den sonstigen polyneuritischen Erscheinungen voraus.
5. Neuritis optica bei Tabes dorsalis. Kommt sehr selten vor und
ist zu betrachten als eine gewöhnliche, den Rückenmarkssohwund complicirende
Neuritis, wie man es hie und da von acut bei Tabikern entstehenden Entzündungen
peripherer Nerven zu sehen bekommt
6. Neuritis optica bei acuter Encephalitis. Scheint auf dasselbe
infectiöse Virus zuruckzuführen zu sein, wie die Entzündung der Rindensubstanz
bezw. der grauen Nervenkerne.* Die Opticusafiection ist somit nicht als Stauungs«
papille oder Neuritis in Folge Meningitis der Sehnervenscheide aufzufassen.
7. Neuritis optica bei acuter und subacuter Myelitis. Kommt
viel Öfters vor, als man es nach den spärlichen Angaben der Autoren (21 Fälle
nach K. Katz^) glauben könnte. Ihre Abhängigkeit von Lues wird zwar betout,
jedoch nur selten bewiesen, ln 3 Fällen, die ich zu sehen Gelegenheit hatte,
war die Syphilis nur in einem Falle ausser Zweifel. Im 1. dieser Fälle trat
‘ £. AsamOs, Etwas zar Pathologie der Nervi optici. Arch. f. Aogenheilk. Bd. XXIX.
s. in.
* H. Hioibb, Zur Klioik der familiären Opticnsaffeotionen. Deutsche Zeitschrift für
Nervenheilk. Bd. XI. S. 490.
* H. Oppbhhsix, Die Encephalitis. Specielle Pathologie u. Therapie von Nothhaosi..
Bd. IX. S. 1.
* E. Eatz, Deber das Zosammenvorkoinnien von Neuritis optica nnd Myeliris acuta.
Arch. f. Ophtbalm. Bd. XLII. S. 1.
D g ü^od oy Google
397
die Neuritis optica gleichzeitig mit der Myelitis fondrojant auf, im 2. ging sie
um 5—6 Tage voraus, im 3. trat dieselbe etwa 7—8 Wooben nach dem Zurfick-
treten der acuten Myelitis, zunächst an einem, dann am anderen Auge auf.
in der Mehrzahl der Fälle kommt wohl ohne Zweifel eine acute Infeotion oder
iotensiTe Erkältung in Bede. Dass man bei spontan entstandenen bezw. experi¬
mentell hervorgemfenen infectiosen Myelitiden und Myelencephalitiden nicht
selten Entzündungserscheinungen am peripheren Nervengebiete findet, haben
uns wiederholt Obductionen gelehrt (vergl. liAia>Bv’sche Paralyse, polyneuritische
P8y<^o8e, Myelonenritis der fi^nzösischen Autoren). Ebenso genau wissen wir,
dass unter dem Einflnaa von Kälte bei Tbieren experimentell sowohl partielle
Neuritiden (Lassae), als Myelitiden (Hochhaus) hervorgerufen werden können.
Es handelt nch somit bei dieser Gruppe um ein coordinirtes Zusammentreffen
der Opticasaffection und des myelitischen Processes, um gemeinsames Abstammen
Tun derselben krankmachenden Schädlichkeit her.
8. Neuritis optica bei multipler Sclerose. Tritt gelegentlich acut
als erstes Symptom des schweren cerebrospinalen Leidens auf. Ophthalmoskopisch
nicht schwer diagnosticirbar, klinisch oft durch disseminirte Scotome au^^eicbnet.
Ueber den pathogenetischen Zusammenhang dieser klinischen Gruppe mit den
zwei letztgenannten (6 und 7) gehen die Meinungen einzelner Autoren sehr
auseinander.
9. Neuritis optica bei der GEBLiEB’sohen Krankheit (vertige
paralysante) und der mit ihr sehr nahe verwandten japanischen
Knbisagari.^ Beide infectiös-toxischer Natur und in ihrem klinischen Verlaufe
tbeils an die asthenische, theils an die paroxysmal-familiäre Lähmungen (Gold-
vlam) erinnernd. Als funotionelle Poliencephalomyelitiden aufgefosst, reihen sie
sich sehr eng an die oben besprochenen Formen an.
[Aus dem Dr. SBNOKEMBBBo'schen Institute für pathologische Anatomie
zu Frankfurt a./M.]
3. Untersuchungen über das Rückenmark und das Klein¬
hirn der Vögel.
Von Dr. A. Friedländer,
zur Zeit an der psychiatrUcbeo Klinik in Jena.
(FortsetEnng u. SohluM.)
Zar Besprechung des mikroskopischen Befundes übergehend, will ich einer
konen und übersichtlichen Darstellung wegen die Benennungen der einzelnen
Segmente der weissen (Leitungs-)Sub3tanz feststellen.
* Hicra, Ueber Knbüagari. Hittheilongen der mediein. Faeult d. kaiserl.-japanischen
ürnreTs. zn Tokio.
DiQ'ived Oy
Google
398
Ich nenne die Areale, die der nach bei den Sängern der Pyramiden-
vorderstrangbahn + Gnmdbündel der VorderseitenstraDge einerettts nnd der
Pyramidenseitenstrangbalin andererseits entsprechen — Vorderstrangbahn nnd
Seitenstrangbabn ss YB und SB.
Die beiden Zweige der Kleinhimseitenstrangbahn (KSB), den Tractns cere-
bello-spinalis dorsalis nnd den Tractns cerebello-spinalis rentralis bezeichne ich
mit Tr. dors., bezw. Tr. ventr.
Die den GoLL’schen nnd BüBDAon’schen Strängen entsprechenden Partieen
der Hinterstränge werden mit medialem (^m.H.) und lateralem An-
tbeil des Hinterstranges bezeichnet, ohne dass ich deshalb eine solche scharfe
Scheidung für den Hinterstrang der Taube als erwiesen annehme. Unter
„Warzeleintrittszone“ (= W.Z.) — einem kleinen Felde medial TomBcBDAOE-
strange, zwischen diesem und dem Hinterhom — und „ventrales Feld der
Hinterstränge (=v.F.H.) — ein schmales Band dorsal der grauen Commissur
zwischen den Basen der Hinterstränge — verstehe ich dem Säugennckenmarke
analoge Partieen.
VS. Vorderstrang, SS. =* Seitenstrang u. s. w.
Sämmtliches Material, das mir durch die 70 Operationen geliefert wurde,
habe ich nach Serienschnitten mikroskopisch untersucht Im Folgenden werden
nur typische Fälle mit übereinstimmendem Befunde beschrieben.
1. Operationen am Bückenmarke.
1. Dnrchschneidung des ganzen Rückenmarks.
2. Durchneidungen, die mehr oder weniger von der Hälfte des
Querschnittes verletzten.
3. Genaue Halbseitenläsionen.
Ad 1 . Boten die Resultate nur für das Stadium auf- und absteigender
Degenerationen bei völliger Durchtrennung des Rückenmarks, nicht aber für die
Fragen, die uns hier beschäftigen, Interesse. Ich verzichte daher auf ihre
Wiedergabe an dieser Stelle.
Ad. 2. 1. Operation am Brustmarke in der Höhe des vierten
N. peotoralis. (Figg. 1—8.)
An der Operationsetelle (Fig. 5) ist die ganze weisse Substanz von Degenerations-
prodncten durchsetzt; zwischen denselben wenige normale Faserbezirke.
Anfsteigend: In das Bmstmark setzen sich die Degenerationen in etwas ver-
minderterer Dichte fort, nnd zeigt die eine Hälfte des Schnittes ein Deberwiegen der
Degenerationen auf einer Seite. (Fig. 4.)
Im Halsroarke (Intamescentia cervicMis) (Fig. 3) sammelt sich eine Degeneration
zu beiden Seiten der Fissora dorsalis zu einem dreieckigen Areale, dessen Spitze
dem Centralcanale zugewendet ist und den ganzen Bezirk des m. H. einnimmt. In
den SS ist das ganze Oebiet des Tr. dors. auf beiden Seiten (anf einer stärker)
d^enerirt, ebenso die Peripherie der VS. Das gleiche Verhalten, dieselben dent-
lichen Degenerationen sehen wir im Halsmark oberhalb der Ini cervieal. Im obersten
Halsmark nimmt die dreieckige Degeneration im m. H. ab, dagegen hat die Dege¬
neration des Tr. dors. zugenommen und sind auch in den übrigen Antheilen der SS
viele Fasern zu Grunde gegangen. An Schnitten des Halsmarkes, knapp vor dem
Dg ü^od oy Google
Fig. 1. Medalla oblongita.
Fig. 4. Brastmark. Fig. 5. Operationsteile (Brastmark).
Der Schnitt ist senkrecht auf die
Längsaxe des Rflckenmarks za
denken.
m die Medalla oblongata (Fig. 2) sehen wir die US noch schwächer,
im Tr. dors. dentlich degeneriit, die VS und SS nur mit spärlichen schwarzen
Mtdlen imd Pflnktcben bedeckt.
Die Mednlla oblongata erweist sich beiderseits im Corpus restiforme deutlich
(nf dner Seite wieder stärker) degenerirt.
^g. 6. Ob. liOndeDmark.
Fig. 8. Untent«8 Leadeomai^.
Absteigend: Im Brustmark, in der nächsten Nähe der Operationsstelle, sind
die VS bis an die Commissur stark degenerirt, ebenso der ganze SS einer Seite,
während der andere, so wie die beiden HS nur zerstreute Degenerationen anfweist.
Im Lendenmark (Fig. 6) ist der VS jeder Seite peripherwärts und centralwärts
zu beiden Seiten der Fissura ventr., besonders deutlich längs derselben degenerirt,
so dass hier kaum normale Fasern fibrig bleiben. Der Tr. dors. ist beiderseits in
seiner ganzen Ausdehnung degenerirt, die HS dagegen sind fast frei Das gleiche
Verhalten linden wir im Sinus rhomboidalis (Fig. 7), nur bat sich die auf den lyfiberen
Schnitten über den ganzen VS zerstreute Degeneration mehr auf den medialen An-
theil des VS zurückgezogen. Im untersten Lendenmarke (Fig. 8) tritt zu den deut¬
lichen Degenerationen im VS und dem Tr. dors. eine zerstreute im HS auf, die als
Kuppe der hinteren Wurzel aufsitzt.
2. Operation am unteren Halsmark; die Läsion geht quer durch das
Rückenmark, desselben (die weisse Substanz und das Vorderbom bis über
den Oentralcanal) yerletzend.
Die Schnitte in nächster Nähe der Operationsstelle zeigen fast vollständige
D^eneration der VS des SS einer Seite, während der SS der anderen Seite schwächer,
der US kaum degenerirt ist.
Aufs teigend: (Int. cervicalis). Degenerirt sind auf beiden Seiten die YS und
die Tr. dors. Im obersten Halsmarke ist stark d^nerirt auf beiden Seiten die
Kleinhimseitenstrangbahn (KSB), ausserdem zeigen sich zersirente Degenerationen in
- Google
401
ganzen Gebiete der SS nnd VS. Auf den Schnitten in nftchster N&he der Mednlla
obloQgata deatliche Degenentioo der ESB in ihrer ganzen Aosdebnang, zerstreate
Degenerationen in geringstem Grade in den SS und VS.
In der HeduUa oblongata finden wir wieder eine starke Degeneration an der
Stelle des Corpns restiforme anf beiden Seiten eine dentlicbe, wenn ancb schwächere
Degeneration der ventralen Bogenfasem von der Mitte der Peripherie bis in die
Gegend der Oliven und Ober dieselben hinans sich erstreckend, sowie zerstrente,
geringe Entartung der Kervenkeme.
Absteigend: Das Brnstmark erweist sich stark degenerirt in den VS beider
Seiten, im SS der einen Seite, schwächer im SS der anderen Seite; desgleichen im
Tiondenmarke, die ESB tritt durch Zahl und Stärke der degenerirten Fasern be¬
sonders hervor.
Auf- und absteigend zeigte sich anf manchen Schnitten das v. F. H. und die
WZ degenerirt.
Ad 3. Genane Halbseitenläsionen.
a) Im Halsmark, nnd zwar ober> und unterhalb der Int. cervi-
calis, sowie in den Höhen verschiedener Cervicalnerven.
Die gleichartigen Befände werden durch einen Typus erläutert.
An der Operationsstelle ist die eine Hälfte des Rückenmarks (weisse und graue
Substanz) durch den Eingriff zerstürt, die andere zeigt starke Degeneration der KSB,
schwächere im übr^en Tbeile des SS.
An der Operationsstelle sehen wir in diesen, wie in manchen anderen Fällen
in Folge von Vemarbnngsprocessen intra vitam, oder von Zerrungen, Quetschungen
bei der Herausnahme des Räckenmarkes Verzerrungen der Hörner, unregelmässige
Vorsprünge an der Peripherie der Leituugssubstauz, sogen. Heterotopieen. Ich
erwähne sie nur, weil sie bei Säugern vielfach missdeutet, zum Theil sogar als
Missbildungen aufgefasst und beschrieben wurden.
Aufsteigend: Die Degeneration im Halsmark oberhalb der Operationsstelle
betrifft die KSB einer Seite. Auf den Schnitten in der Nähe der Medulla oblongata
Status idem.
In der Medulla oblongata ist das Corpus restiforme einer Seite stark degenerirt.
Absteigend: In der Ini cervical. ist die ESB dentlich, der HS und VS
schwächer degenerirt. Auch hier bleibt die Degeneration auf eine Seite beschränkt.
Im Brust-, sowie im Lendenmarke bis in die untersten Schnitte bleibt die Dege¬
neration, wie oben beschrieben, zu verfolgen, doch wird sie gegen das Ende des
Rückenmarks zu immer undeutlicher.
b) HalbseitenläsioneD in verschiedenep Höhen des Brustmarks.
An der Operationsstelle finden wir fast die Hälfte des Markes durch die Ope¬
ration zerstört. Der übrig gebliebene Theil erweist sich wieder in allen Partieen
degenerirt.
Aufsteigend: Im Brustmarke degenerirt deutlich abgegrenzt der m. H., die
KSB und die Peripherie des VS.
ln der Int. cervical. Status idem, desgleicfaeu im Halsmark oberhalb derselben.
In den Schnitten vom Halsmarke in der Nähe der HedtiUa oblongata ist nur mehr
die KSB deutlich, einzelne wenige Fasern des m. H. degenerirt. In der Medulla
oblongata ist das Corpus restiforme degeuerirt.
Absteigend: Im Brustmark unterhalb der Operationsstelle ist die KSB and
zwar schwächer, ferner die VS degenerirt. Im Lendenmark Status idem, in der
F^tssa rfaomboidalis nnd im unteren Ijendenmark sind nur einzelne Fasern der KSD
degenerirt.
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Googl
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26
402
c) Halbseitenläsion im Lendenmark oberhalb und an verschie¬
denen Stellen der Fossa rhomboidalis.
Das Rückenmark ist halbseitig durch einen linearen Schnitt, der an der Peri¬
pherie der weissen Substanz beginnt und das Vorderhom vom Hinterhorn scheidet,
durcbtrennt.
Die verletzte Seite zeigt in der weissen Substanz allenthalben degenerirte Nerven¬
fasern. (Fig. 9.)
Fig. 9. ■ Halbseitige Operation am Leudenmark in der Gegend des Sinns rlioniboidalis.
Der Schnitt ist senkrecht auf die Läugsaxe des Rückenmarks zu denken.
Äufsteigend: Im Lendenmark oberhalb der Operationsstelle (Figg. 9—11) ist
die ganze Peripherie von schwarzen Schollen bedeckt. Hervortretend durch die
Masse der zu Grunde gegangenen Fasern erscheinen die Bezirke des VS, der ESB
Fig. 10. Intnmescentia cervicalis (Beg.
äufsteigend).
Fig. 11. Lendenmark (Deg.
absteigend).
und des ganzen H. einer Seite. Im Brustmark Status idem, in der Int. cervical.
(Fig. 10) finden wir deutliche Degeneration der ESB, abgegrenzte deutliche Dege¬
neration des*m. H., schwächere Degeneration im VS. Im Halsmark oberhalb der Int.
cervical. Status idem.
Absteigend: Im Lendenmark unterhalb der Operationsstelle Degenerationen
längs der ganzen Peripherie der VS und SS, sowie des ganzen HS. Auf tieferen
Schuitten des Lendenmarks finden wir deutlich nnd auf einer Seite degenerirt die
ESB (Fig. 11). Die Degeoeration der ESB in geringem Maasse, auch die der VS,
ist bis in die untersten Schnitte dos Lendenmarks deutlich zu verfolgen.
-q -ri,, Google
408
Fasseo wir die Ergebnisse der Versuche am BOckenmarke zusammen, so köunen
wir sagen: Bet DurcbscbnelduDgen der Medulla spinalis in verschiedenen Höben finden
vir auf- und absteigend degenerirt drei Arten von Bahnen. In nicht umschriebener
Weise degeneriren Faserbezirke, in welchen Lage, Anordnung nnd Caliber der ent¬
arteten Fasern auf kurze Strecken hin sich gleichbleiben. Diese Bahnen, die wir in
verschiedenen Anhöhen auf geringe Entferoangen hin auf- und absteigend von dem
Schnitte, auf dem wir ihnen zuerst begegneten, entartet finden, möchte ich als kurze
oder Associationsbahnen ansprecben. Von laugen Bahnen zeigten sich, und zwar bei
genauen Halbseitenläsionen auf die eine Hälfte beschränkt, eine Bahn im Vorder-
säang and im medialen Antheil des Hinterstranges auf- und absteigend degenerirt.
Dieses Resultat bot sich mir aber nicht constant, sondern nur bei der Mehrzahl der
UntersoehUDgen. In den Übrigen Fällen fand -ich zwar auch Degenerationen in den
oben genannten Bezirken der Leitungssubstanz, doch verschwand gelegentlich die eine
oder die andere dieser Bahnen nach kürzerem oder längerem auf- und absteigenden
Terlaafe, oder ich konnte sie aufsteigend bis in das Halsmark, nicht aber absteigend
in das Lendenmark, wie anch umgekehrt, verfolgen. Constant in ihrem Verlaufe
aad in ihrer Lage, Unterschiede höchstens aufweisend in der Zahl nnd Stärke der
antergegangenen Fasern, erscheint ein Feld, das von der Hinterwurzel des Bücken-
narks in einem gegen den Centralcaual offenen Bogen längs der Peripherie bis zum
önmdbündel der Vorderseitenstränge einerseits, bis an das Gebiet der ausstrahlenden
■otoriaehen Wurzelfasem andererseits sich erstreckt.
Dieeee Feld geht ins Corpus restiforme über und gehört daher der Eleiubim-
seiteastrangbibn an. Wir können sie durch das ganze Bflckenmark hin verfolgen
und steigt sie, nnähnlicb ihrem Verlaufe bei den Säugern, im Lendenmark bis in
die letzten Schnitte hinunter, aus welchem Umstande sich auch die Frage, ob eine
(^uda equina und ein Filum terminale im Sinne der Säuger vorhanden ist, vemeiuen
Üat Oeflers finden wir Degenerationen im ventralen Feld der Hiuterstränge und
der Wnrzeleintrittszone.
IT. B&ckenmark and Kleinhirn.
Die folgende Beschreibnng bezieht sich auf Frontalserien und werden wieder
wie oben zwei Typen erläutert
1. Bei der Operation wurde mehr als die Hälfte des Bückenmarks verletzt.
Das Eleinhins gehört zu dem oben bescbriebeneu Bückeumarke. (Figg. 1—8.)
Auf deu Schnitten der Medulla oblongata zunächst dem Halsmark sehen wir
n beiden Seiten (auf einer starker) einen grossen Theil der Fasern des Corpus
restiforme degeuerirt. Entsprechend dem Verlaufe des Strickkörpers sehen wir diese
Degeneratiob aof Schnitten, die sich dem Kleinhirn nähern, frontal wandern und mit
äes eaudalen Kleinhimstiel in dasselbe eintreten. Im Kleinhirn nun zieht die
Degeneration frontalwärts in die einzelnen Gyri, deren Markblätter wir in ihrer
^zeo I/änge mit scbwarzeu Schollen in wechselnder Dichte bedeckt sehen. Wenn
die Marksubstanz allmählich zwischen die Gyri eindringt, dieselben, sich verbreiternd
aasÄBanderdrängt, bildet sich so der Körper des Kleinbims (Fig. 12), in dessen
Xitta die grossen Ganglien (Ggl. mediale und laterale) • liegen, vom Kleinhirnventrikel
mg. 12) geschieden, wie wir dies in der anatomischen Einleitung beschrieben haben;
jetzt tammelt sich die Degeoeratiou, die in laugen Zügen von beiden Seiten kommend
die Gan^ien ventral nnd medial in einem gegen die sagittale Medianebene zu cou-
«ezan Bogen umgreift; hierauf Überschreitet sie zum Theil die Mittellinie (partielle
Creazuog), um sich auf frontaleren Schnitten als eine Degeneration zu zeigen, die
deutlich drei Tbeile aut'weist (Fig. 13). Zu beiden Seiten der Medianlinie finden
wir symnietrlseh je eine Degeneration, die das Ganglion mediale an seiner ventralen
Sette begrenzt, von aussen nach innen schmäler werdend. Dort, wo diese beiden
26 *
Googli-
404
Degenerationen aneinanderstoaeen, befindet sich die Spitze einer keilförmigen diei-
theiligen D^eneration mit der Basis des Keils dem Ventrikel anfsitzend. Sein Ende
findet das gekrenzte Bfindel zum Theil in den Gyri der yentralen Binde (s. Fig. 15.)
Fig. 14. FrootaUcbnitt durch
den Körper des Kleinhirns (C. c.)
und die Hed. obl. Zerstörung
des Eleinbirnkörpers in der
Gegend der Ggl. med. lat Diese
selbst sind io ihrer Structur kaum
zu erkennen.
Fig. 13.
2. Genaue Halbseitenläsion am ßrustmark.
Die einseitig vorhandene Degeneration im peripheren Tbeile des Seitenstranges
zeigt das oben beschriebene Verhalten. Was die Degeneration im Kleinhirn anbelangt,
„Google
405 —
ao können wir dort, wo die dorsale Binde in den MarkkOrper des Kleinhirns Aber*
ireht, deutlich sehen, wie die Degeneration ans zwei Tbeilen besteht, ans einem ven-
tralen und einem dorsalen, die auf en^egengeeetiten Seiten liegen. Im eigentlichen
K<'>rper des Kleinhirns finden wir das Ganglion mediale von zerstreuten Degenerationen
bedeckt, während die ventrale Degeneration ausgezeichnet durch Dichte und Caliber
der entarteten Fasern die ganze eine Seite des Ventrikels einnimmt. Ton der Spitze
desBelben zieht eine D^eneration Ober die Mittellinie zn der oben erwähnten, eben*
&ils sehr starken dorsalen D^eneration, welche sich Aber die ganze obere Peripberie
des medialen Kleinhimganglion bogenförmig erstreckt.
Ad B. Die Ergebnisse der Untersuchungen am Rückenmarke führten zu
der Frage: Giebt es absteigende Cerebellnmbahnen? Zur Beantwortung
dieser Frage wurde, wie schon bei der Technik erwähnt, das Kleinhirn an ver*
schiedenen Stellen zerstört. Die Läsionen wurden an der dorsalen Rinde sowohl,
wie an dem Körper des Cerebellum gesetzt
1. Ein grosser Theil der dorsalen Binde wurde durch die EinfOhrung eines
Laadnariastiftes zerstört.
Im Cerebellum diffnse Degenerationen, bewirkt durch die Quellung des um mehr
üi das Dreifache seines ursprAnglichen Volumens vergrösserten Laminariastiftes.
Cerefaralwärte ist die Hednlla oblougata frei. Candalwärts sind einige zerstreut
hegeode d^enerirte Fasern zu sehen, die sich im obersten Halsmnrk in die Gegend
der Aoatrittsstelle der motorischen (Vorder)wnrzeln begeben, um auf tieferen Schnitten
4eo ganzen Vorderstrang auf beiden Seiten einzunehmen. Das gleiche Verhalten
iaden wir bezüglich der Vorderstränge im Brust- und Lendenroarke, doch finden
vir im letzteren auch noch zerstrente Degenerationen im Seitenstrange.
2. Das Cerebellum wurde durch einen Stich durch die Frotuberantia occipitalis
verletzt
Im Klembim(Fig. 14) finden wir dieGyri der Binde degenerirt, im Körper desselben
Etarke Degeneration des Ganglion mediale und laterale beider Seiten (anf der operirten
Google
406
Seite s^ker), eine Degeoeration (d) io der i^ähe des Ventrikels (V), endlich eine
lange Degeneration (a) ventral von den Ganglien unterhalb des Ventrikels anf die
andere Seite hinüberziehend, um in den candalen Kleinhimstiel za gelangen. Auf
frontaler gelegenen Schnitten sehen wir eine gekreazte Bahn zum lateralen Theile
der Oblongata ziehen. Sie gelangt da theils in das Corpus reatiforme, theils in
jenen Bezirk, der dem AHLBOBN’scben Acusticnsfeld entspricht.
In der Medulla spinalis finden wir keine sicheren Degenerationen.
3. Das Cerebellum warde in
seinem Körper verletzt:
a) dadurch, dass Laminaria-
stifte das eine oder andere Ganglion
durchstachen,
b) dadurch, dass Cerebellammasse
bis zu ihrem dritten Theile ausgelöffelt
wurde.
Wieder wird von dou Befnnden
bei den verschiedenen Serien das
Typische hier angeführt.
Den nach der Operation übrig
gebliebenen Theil des Kleinhimkörpers
sehen wir diffus degenerirt Auf
Schnitten, auf denen Kleinhirnkörper,
Binde und Mednlla oblongata ge>
troffen sind, sehen wir den caudalen
Kleinhimstiel mit Degenerationen
Obersäet sich in die Medulla obloii'
gata einsenken; eine zweite Dege¬
neration zieht von dem Kleinhirn*
körper bogenförmig anf die andere
Seite, am sich in die Gjri der ven*
traten Binde anfznsplittem. Auf
caudaler gelegenen Schnitten der
Hed. obl. finden wir 1. eine breite
Degeneration aus dem Kleinhirn längs
des Corpus restiforme an die Feh*
pherie O&teral) gelangen, um sich
ventral unterhalb eines zu beiden
Seiten der Baphe gelegenen grossen
Ganglion (oliva med. obl.) (Fig. 15, o)
und um den Trigeminus herum auf
Pig. 16. Schief sagittaler Schnit durch Cerebellum andere Seite zu begeben. Auf
und Med. oblong. manchen Schnitten hat es den An¬
schein, als ob degenehrte Fasern
in diese Kerne zu verfolgen seien; 2. sehen wir anf dieser Seite eine begrenzte
Degeneration an dem Uebergange der ventralen in die laterale Peripherie. Oberhalb
dieser Degeneration, wieder deutlich abgegrenzt, eine dritte Degeneration, dem Corpus
restiforme angehörend. Endlich erscheint eine vierte Degeneration als Fortsetzung der
oben beschhebenen gekreuzten Kleinbirnbahn, welche in fast parallelen Zügen dor.^al
gegen das Centram der Medulla zu streicht. Was die Degeneration der oben er¬
wähnten ventralen Bogenfasera betrifft, so ist zn bemerken, dass sich dieselbe nicht
durch die ganze Medulla hin findet, sondern um so schwächer wird, je mehr cere-
bralwärts wir nntersnchen, uro zu verschwinden, wenn die Degeneration im Corpus
restiforme am stärksten geworden ist.
: yGOOgIC
407
Bei einer Sehe fand sich der Bindearm d^eneiirt, bei einer anderen konnte
dardi die ganze Medolla obloogata eine einseitige, deutlich umschriebene Degeneration
nachgewieeen werden, die ich der Lage nach als Degeneration der absteigenden
Trigeminuswurzel bezeichne.
Was die D^eneration im Bückcnmark anbelangt, so finden wir: Im Baismark
in der Nähe der Mednlla oblongata zerstreute Degenerationen im VS, eine stärkere,
ordnete Degeneration im SS lateral vom Kopfe des Hinterhoms, diesem anliegend.
In der Intumescentia cervicalis degenehrt starker der VS, die WZ (nicht bei
allen Serien spärliche Degenerationen im SS.).
Im Lendenmark degenerirt im Sinus rhomboidalis der VS in geringem Maasse,
desgleichen der VS im unteren Lendenmark.
Resnm^.
I. Bahnen, die nach Halbseitendurchschneiduug des Rücken¬
markes in demselben auf- und absteigend degeneriren;
1. An sämmtlichen Präparaten fällt zunächst auf, dass sich degenehrte
Fasern in den gleichen Bezirken sowohl über als unter der operirten Stelle
finden. Es müssen also in den mmsten Bahnen des Vogelrückeumarkes doppel-
annig gerichtete Leitungen vorhanden sein.
ln geringem Maasse ist dies bei den Hintersträngen der Fall. Diese
sfoden caudal nur auf kurze Strecke degenerirte Wurzelantbeile, während sie
cerebral bis in die Mednlla oblongata hinauf entarten. Das entartete Feld wird
dabei immer faserärmer, so dass die Annahme gemacht werden muss, es gelange
bet den Yögeln nur ein ganz geringer Theil der Hinterstrangfasem in den
kleinen Hinterstrang der Oblongata, während der grössere Theil schon unterwegs
m der grauen Substanz verschwindet; bei den Säugern erreicht bekanntlich der
grösste Theil der Hinterstrangfasem jene frontalen Kerne.
ln anderer Beziehung gleicht die Zusammensetzung der Hinterstränge jener
der Säuger; das gesammte Hinterstrangareal im Lendenmark liegt — allerdings
bedeutend an Fasern redncirt — in frontaleren Ebenen beiderseits dicht neben
der Fissura dorsalis als medialer Hinterstrang.
Die Fasern aus den frontaleren sensiblen Wurzeln legen sich auch bei den
V^ln lateral an die bereits eingetretenen an. So kommt ein medialer und
ÖD lateraler Hinterstrang zu Staude.
2. Auf' und absteigend entartet ist immer in ihrer ganzen Ausdehnung
die Eleinbirnseitenstrangbahn.
3. ln den Vordersträngen, aber auch in den Seitensträngen finden
auf- und abwärts Fasern entartet, welche nächst der Operationsstelle beide
erwähnten Bezirke einnehmen, in einiger Entfernung von ihr sich aber wesent¬
lich auf die Vorderstränge, und zwar deren mediales Gebiet beschränken. Diese
Faaem sind wohl zum grössten Theile endogenen Ursprungs und zweifellos von
verschiedener Länge. befinden sich aber unter ihnen auch, wie die nachher
am CVrebellum zu schildernden Ergebnisse zeigen werden, eine Anzahl von aus
dem Kleinbiro stammenden Bahnen, die man alsTractus cerebello-spiualis
Teotralis medialis bezeichnen müsste. Au Rückenmarksdurchschuitten lassen
ach diese Fasern nicht von den intraspinalverlaufenden treuneu, da sie ja mit
Google
408
ihnen abwärts entarten. Wahrscheinlich erscheint mir die Annahme, dass za
den endogenen (intraspinalen) Bahnen auch eine lange Bahn gehöre, welche, in
den Vorderstrangen li^end, nicht bis ganz in die Oblongata verfolgt werden kann.
II. Bahnen, die nach Halbseitendurchschneidung des Rücken¬
marks im Kleinhirn entarten.
In das Kleinhirn setzen sich von den Rückenmarksbahnen nur diejenigen
fort, welche in der Peripherie des Seitenstranges verlaufen.
Fertigt man Sagittalschnitte (Fig. 16) von einer Halbseitenläsion an, so er¬
kennt man deutlich, wie sich die ganze Fasermasse in das Corpus restifomie
einsenkt und mit diesem dorsalwärts zieht Der grösste Theil endet ungekreuzt
in den sämmtlichen dorsalen Windungen des Wurms. Die ventralen and fron¬
talen bleiben frei.
An Frontalserien (Fig. 12 u. 13] aber siebt man, dass die Verhältnisse
nicht so einfach liegen. Man erkennt, dass aus dem Corpus restiforme zunächst
zwei Bündel werden. Eines, welches bis fast in die frontiüsten Ebenen desselben
zieht, um sich dann, aufwärts und .rückwärts biegend, in das Eldnhira einzu¬
senken. Das sind aber nnr wenige Fasern und sie entsprechen wahrscheinlich
dem, was man bei Säugern als ventralen Abschnitt der Eleinhirnseitenstraogbahu
(Tractus cerebello-spinalis ventralis) bezeichnet bat Wenigstens ist der
Verlauf der gleiche.
Von dem zweiten Bündel tritt, wie vorhin erwähnt, der grösste Theil der
Fasern zur dorsalen Wurmrinde, ein kleinerer umgreift die grossen medialen
Kerne des Kleinhirns an ihrer ventralen Seite, kreuzt sich in der Mittellinie
und verliert sich vielleicht zum Theil in jenen Kernen, zum Theil auch in der
ventralen Wurmrinde.
Die periphere Schiebt des Vi^lrückenmarks end^ also im Wurme des
Kleinhirns, sie enthält im Wesentlichen Fasern, die, aus dem Rückenmark
stammend, bei Halbseitenläsionen aufsteigend — vom Bereiche der letzten
Lumbalwurzel bis in die Kleinhirnrinde — d^neriren.
III. Bahnen, die nach Verletzung des Kleinhirns absteigend
entarten. (Figg. 14 u. 15.)
Neben kurzen Bahnen, die anf der der Operation entsprechenden Seite
(Associationsbabnen) und auf der ungleichnamigen Seite (Gommissurenbabnen)
degeneriren, und die ich als Eigenbabnen des Kleinhirns bezeichnen will, ent¬
artet eine lange gekreuzte Bahn, deren kleinerer Antheü in die Gegend des
ABLBOBH’schen Äcnsticnsfeldes ansstrahlt, deren grösster als ein breites
Band durch den caudalen Eleinhirnstil in die Medulla oblongata und in den
Seitenstrang der Medulla spinalis zieht. Diese lange Bahn entspricht dem
Tractus cerebello-spinalis, der aus Fasern der dorsalen und ventralen
Kleinhirnseitenstrangbahn zusammengesetzt ist Die dorsale Bahn finden
wir in der Medulla oblongata im cerebraler gelegenen Abschnitte des Corpus
restiforme, während die ventrale Bahn (das GowBu’sche Bündel) durch Faser-
,Google
409
Züge repräsentirt erscheint, die ventral von den Oliven und vom Trigeminus
reriufeiL
Ais nicht constante Befunde erwähne ich eine Degeneration im Brachium
coajunctivtim, in den Hbrae arcuatae externae et internae Medullae oblongatae.
Das Telencephalon, sowie das Mesencephalon blieb bei allen Ver¬
buchen von D^enerationen vollständig frei
II. Referate.
Anatomie.
1) Ueber das Biechiiirn der Säugethiere. von Dr. S. Löwenthsl, Nervenarzt
in Braonscbweig. (Festscbrift zur 69. Versammlung deutscher Natorforscber und
Aerzte. Braunschweig 1897.)
Der Arbeit liegen die Untersuchungen von 12 Thieren zu Grunde, bei denen
■rotweder die Bnlbusanschwellnng dicht vor dem Uebergsng in den Lobua olfactorius,
-ier der Ober die Spitze des Stimlappens bervorragende Theil des Lob. olfact. durcb-
«clmitten worden war. Die Gebime wurden nach der Harcbi’scben Methode be-
Ixnddt Der Verf. legte sich besonders folgende Fragen vor:
1. Welches sind die directeo Verbindungen des Bulbus olfactorius mit anderen
Hiratheilen?
2. Giebt es sichere Kreazongen von Fasern innerhalb der Riecbbahnen?
Ans den Befunden werden folgende Schlüsse gezogen:
1. Als Biechbahn zweiter Ordnung ist ausschliesslich zu betrachten der Tractus
•llKtor. lateralis.
2. Von Riechbabnen dritter und höherer Ordnung entspringen aus Zellen des
UbiK olf. ant. Fasern des Tractus olfact. medialis, die zum Theil im Lob. pjrif.
QTid Ammonshom beider Hemisphären, zum Theil im Buib. olf. der anderen Seite
eoden.
3. Es besteht mithin eine theilweise Kreuzung dieser Riechbabnen höherer
C'rdiuBg.
4. Die vordere Commlssor führt eine Anzahl solcher gekreuzter Fasern.
Hax Bielschowsk; (Berlin).
-) Das dorsale Gebiet der spinalen Trigeminuswurzel und seine Be-
zSahungen sum solitären Bündel beim Menschen. Ein Beitrag zur Ana¬
tomie und Physiologie des Trigeminns, von Adolf Wallenberg io Danzig.
(Dentsche Zeitscbr. f. Nervenheilk. 1897. XI.)
Bei einer 33jähr. Frau, die mehrfach Aborte erlitten, traten an verschiedenen
k<'3per8tellen, und zwar an der linken Mamma, in der rechten Axillargegend, am
Eäeken, Baneh and linken Oberschenkel mnltiple Tumoren auf, die sich nach und
rapide vermehrten. Hierzu gesellten sich anfangs diffus verbreitete, später in
«er Unken Gesichtshälfte localisirte Kopfschmerzen. Später Hindernisse beim Sprechen,
Tzflbheitsgefühl an der Hundschleimbaut und am Zabnfloisch links, sowie im Bereich
linken Auges und dessen Umgebnng; ausserdem Doppelbilder beim Blick nach
Im linken Leberlappen und der Milz apfelgrosse Tumoren, welche starke
St’baierzen im Gefolge hatten.
i.vGoogl
c
410
Die genaue klinische Untersuchung ergab Hjrposnrie der linken Seite, links*
soitige, stark wechselnde Äbducenspareae, Neuralgieen und Anästhesie in den Gebieten
aller drei Aeste des linken Trigeminus. Es blieb dabei verschont die Partie lateral
vom Jochbein bis zum Ohr und zum Unterkieferwinkel, an der Stirn eine breite
^one neben der Mittellinie; geringe Gjpästhesie bestand in der Begio zygomatica
und am äusseren Hand der Orbita. Stärker betroffen war die Supraorbitalgegend
und seitlich vom Mundwinkel, dann folgt NasenrQcken, Nasenschleimhaut, Cornea
und Conjunctiva, während die Schleimhaut der Zunge, der Mundhöhle und der Lippen
sm meisten afficirt war. Ausserdem fand sich geringe Parese der linken Kau¬
muskulatur, Verlust der Geschmacksempfindung auf dem linken Zungenrücken, totale
Atrophie der linken Znngenhälfte mit Paralyse und einer Art faradischer Entartungs-
reaction. Der Masseterreflox war noch erhalten, Stauungspapille war nicht nach¬
weisbar. Unter diffusen Schmerzen aber den ganzen Schädel, Erbrechen und Schlack-
lähmung trat der Exitus ein.
Bei der Section waren Dura und Pia mit feinsten, schwarzen Knötchen Obersät,
während in der Binde des linken Gyrus orbitalis, im ventralen Rand der rechten
Centralfnrche grössere Tumoren sassen. Die dorsale Hälfte der linken Eleinhini-
hemisphäre war in einen wallnossgrossen Tumor verwandelt. Im linken Abducens
eine Anzahl kleiner Knötchen. Eine Compression des linken Zungennerven am
Foramen hypoglossi führte peripher zur atrophischen Paralyse der linken Zungen-
hälfte, centralwärts zu einer Degeneration der Wnrzelfasem und schweren Alteration
der Zellen des linken Hypoglossuskems. Ausserdem ist die Portio major des linken
Quintus durch einen hauptsächlich in ventraler und lateraler Richtung entwickelten
Tumor cm vor dem Eintritt in die Bröcke theils zerstört, theils comprimirt.
Derselbe setzt sich auf das Ganglion Gasseri und den Ursprung des dritten Astes
fort, die Portio minor ist nicht betroffen. Hierdurch lässt sich die geringe Kau-
muskelparese leicht erklären. Die Ausbreitung der'Sensibilitätsstörung einerseits, der
Läsion des Ganglion Gasseri andererseits bietet ganz auffallende Änalogieen, sobald
die Scbleirohautäste des Mundes in die mediale Hälfte des R. inframaxillaris verlegt
werden. Auch wenn man eine doppelte Innervation der Gegend des Kieferwinkels
(Auricnlaris m^uns und Trigeminus) und der Haut an der Medianlinie (beide
Trigemini) berOcksichtigt, so ist das Preibleiben weiter Strecken besonders lateral
von der Orbita mit der Anhäufung normaler Zellen und Fasern am lateralen und
medialen Band des Ganglion in Verbindung zu bringen. Zwischen den Stellen
stärkster Sensibilitätsstörungen und der Vertheilung secundär zur Degeneration ge¬
brachter Fasern der spinalen Quintuswurzel lassen sich in ähnlicher Weise Beziehungen
nachweisen, wie nach experimentellen Läsionen des Wurzelqnerschnitts bei Kaninchen,
aber nur dann, wenn die bereits bekannten anatomischen und. physiologischen Diffe¬
renzen genOgend berOcksichtigt werden.
Da in diesem Falle hinter der Zungenspitze Schleimbanianästliesio und Agensie
festgestellt wurde, und die anatomische Untersuchung des Glossopharyngeus und der
Portio intermedia Wrisbergii normale Verhältnisse ei^ab, so wäre durch diese
Beobachtung der stricte Beweis geliefert, dass ln der Portio major trigeminii Geschmacks-
fasern verlaufen. Als centrales Ende derselben ist, wenn auch nicht mit vollkommener
Sicherheit, so doch sehr wahrscheinlich, die Gegend anzuseben, welche sich nicht
wcseutUch von der Endkemsäule des Glossopharyngeus und vielleicht auch der Portio
media unterscheidet. Es würden als Geschmacksfasem jene Degeneration anzuseRen
sein, welche vom dorsalen Pol der spinalen Trigeminnswurzel zur cerebralen Fort¬
setzung des Tractus solitarins und seiner gelatinösen Substanz zieht.
E. Asch (Frankfurt a./M.).
„Google
411
fixperimentelie Physiologie.
3) Bidns tili kftnnedomen om hudens kall — ooh varm — pankter, af
Sydney Alrutz. (Upsala läkarefören. förhaodl. 1897. N. F. II. 3. S. 246;
Skand. Archiv für Physiologie. VII. S. 321.)
Bei den vom Verf. an 126 intelligenten Personen angestellten exacten Ver*
suchen ergab sich (bei Anwendong von spitzigen Nadeln), dass die Kältepunkte so
klein sind, dass sie nur mit Schwierigkeit exact markirt werden können; die Wärme*
ponkte sind grösser, aber noch schwerer zu markiren. Dass sowohl Kältepunkte als
Wärmeponkte sehr verschiedene Empfindlichkeit besitzen, hat auch Verf. feststellen
k-joneo, er glaubt gefunden zu haben, dass die Temperaturpunkte, die die intensivsten
Sensationen geben, zugleich diejenigen sind, die auf die schwächsten Heizmittel
reagiren. Bei Anwendung von mechanischen Reizmitteln reagiren die Wärroepunkte
viel schwerer als die Kaltepunkte. Die fOr adäquate Reize empfindlichsten Kälte*
punkte hat Verf. so empfindlich fQr mechanische Reizmittel gefunden, dass selbst die
leiseste Berflbrung eine vollkommen deutliche Kälteempfindung hervorruft, bisweilen
entsteht eine Kälteempfindung, wenn der Druck aufgehoben wird. Die Empfindung,
die der faradlsche Strom in der Hant im Allgemeinen bervorruft, macht nach des
Vert's Erfahrung an den Temperaturpunkten einer Temperaturempfindling Platz, wenn
der Strom nicht zn stark ist; auch hier hat Verf. gefunden, dass die Kältepunkte
auf schwächere Ströme und rascher reagiren, als die Wärmeponkte. Mittels des
nivaaiseben Stromes kann man an Kältepunkten, sowohl bei der Schliessung, als
bei der Oeffiiung und auch während des Stromes, Kältesensation erhalten, an den
Wimepankten erhält man Wärmeempfindnng nur während des Stromes und mit
fieserer Schwierigkeit, bei der Schliessung und Oeffnung nicht. Schmerz tritt an
d?B Temperatarpunkten weniger stark auf oder fehlt ganz. Die Möglichkeit einer
pvadoxen Kälteempfindung hat Verf. bestätigen können, paradoxe Wärmeempfindung
benorznrofen, ist ihm aber nicht gelungen. Durch concentrirte Schwefelsäure konnte
Tnperatarempfindung an den Temperaturpunkten hervorgerufen werden, ebenso durch
^jlpetersäure und Natronlauge, doch war dabei Schmerzempfinduog vorhanden; die
Wänseempfindung trat bei chemischen Reizen später ein, die Kälteempfindung manchmal
froher, gleichzeitig oder etwas später als die Schmerzempfindung; dadurch wird Verf.
in der Ansicht bestärkt, dass die Wärmepunkte tiefer unter der Haut liegen, als die
Eiltepimkte. FOr Dmekempfindungen sind die Temperatnrpnnkte nach Verf.’s Beob*
»ebtiiiigen weniger empfindlich, als die eigentlichen Druckpunkte. Bei Erregung
Schmerz durch Stiche nimmt Verf. an, dass man den Tempersturpunkt nicht
man getroffen habe, wenn nicht gleichzeitig eine Temperaturempfindung entsteht;
die meisten Temperaturpnokte sind nach Verf. fQr durch Stechen erregten Schmerz
aoalgetisch, ebenso fär den durch Temperaturen erregten, weniger sicher lässt sich
dies f&r den durch Elektricität erzeugten Schmerz feststellen. Ermüdung der
T«ap9storpankte scheint bei mechanischen Reizen eher einzutreten, als bei ther*
atsden. Die Temperatorponkte, und zwar in erster Reihe die Wärroepunkte sind
«It in kleineren Gruppen oder auch in Reihen angeordnet.
Walter Berger (Leipzig).
4> Om förziimnelsen „hett**, af Sydney Alrutz. (Upsala läkarefören. förhandl.
1897. N. P. II. S. 340.)
Starke Wärmereizmittel (Hitzereizmittel) lösen nicht bloss Wärmeempfindungen
MS, sondern auch Kälteempfindungeo, uro aber auf einer mit normalem Kälte* und
^ärmealDO versehenen Hautoberfläche Kälteempfindung wohl von der Wärmeempfindung
li'din ZQ erlangen, müssen gewisse Kuns^riffe angewendet werden, die entweder darin
*^hen, man solche Reizmittel anwendet, bei denen die Kälteempfindungen
Google
412
merkbar eher eintreten als die Wärmeempfindungen, oder darin, dass man das Wärme*
Organ ermfldet Die psychologische Analyse ei^iebt, dass die Hitzeempfindong eine
einfache (nicht rein psychisch in mehrere Bestandtbeile zu zerl^ende) ond reine
Temperaturempfindung ist, die qualitativ von den Kälte* und Wärmeempfindoogen
verschieden ist. Die experimentelle Analyse bestätigt die psychologische darin, dass
sie die Hitzeempfindung nicht als eine hloss gesteigerte Wärmeempfindung (wie man
leicht vermuthen könnte) erkennen lässt. Dies wird theils dadurch bewiesen, dass
an Stellen, an denen der Wärmesinn sehr schwach ist, bloss Hitzeempfindungen und
schwache Wärmeempfindungen erhalten werden können, dagegen keine starken
Wärmeempfiodungen, theils dadurch, dass an Hautstellen, denen der Kältesinn fehlt,
keine Hitzeempfindungen ausgelöst werden können. SpecifiscLe Hitzenerven oder
Hitzepunkte finden sich nicht. Die experimentelle Analyse lehrt ferner, dass die
Hitzeempfindung in dem Sinne eine zusammengesetzte Empfindung ist, dass sie durch
eine Verschmelzung von Kälte* ond Wärmesensationen entsteht. An Stellen, wo
entweder Kältepunkte oder Wärmepnnkte fehlen, kann nämlich keine Hitzeempfindung
ansgelöst werden. Durch Ermöduogsversuche ist der Beweis fQr diese Annahme ge*
liefert. Die Kälteempfindung scheint von grösserer Bedeutung für die Intensität der
Hitzeempfindung zu sein, als die Wärmeempfindung; bei Anwendung aller stärkeren
Hitzereizmittel dürfen die Kältenerven immer mehr gereizt werden, als die Wärme*
nerven. Taunberg’s Versuche mit gleichzeitiger Anwendung von Kälte- und
Wärmereizung zeigen, dass die Kälteempfindong znm Zustandekommen der Hitze*
empfindung beiträgt Kälte* nnd Wärmesinn müssen ln gewissen Proportionen gereizt
werden, um zu einer Hitzeempfindung zu verschmelzen. Die VorsteUung, dass starke
Kältereizmittel unter physiologischen Verhältnissen eine Hitzeempfindung bervorbringen
können, dürfte unrichtig sein nnd auf einer Verwechslung der Uischempfindung
Schmerz nnd Kälte beruhen, die sehr kalte Gegenstände hervorrufen, und die mit
der durch sehr heisse Gegenstände bervorgemfenen Mischempfindung Schmerz* und
Hitzeempfindung eine gewisse Aehnlichkeit bat Die Hitzeempfindungen geben ein«
erhöhte Fähigkeit hohe Temperaturen richtig zu beurtheilen, aber wie weit dies«
Fähigkeit erhöht wird, kann noch nicht festgestellt werden; sie dürfte fQr ver¬
schiedene Hautstellen verschieden sein, je nach dem wechselnden Werth des Minimums
perceptibel für Hitze* und Schmerzempfindungen. Walter Berger (Leipzig).
5) Om den s. k. perversa temperstur fSmlmnelaema, af Sydney Alrutz
(Upsala läkarefören. förhand). 1897. F. III. S. 106.)
Die sogenannte perverse Kälteempfindung ist nach Verf. ein physiologische:
Phänomen, das in pathologischen Fällen, in denen der Wärmesinn herabgesetzt ist
mit vermehrter Deutlichkeit hervortritt; sie dürfte besser als paradoxe (oder contrüre
Kälteempfindung zu bezeichnen sein. Die sogenannte perverse Wärmeempfindung ha
Verf. unter physiologischen Verhältnissen nicht naebweiaen können, nicht einmal fü
ihr Vorkommen unter pathologischen Verhältnissen sind nach Veif. genügende Beweis'
geliefert; dass sie trotzdem existiren kann, will Verf. keineswegs bestreiten, sie dürft'
aber dann pathologischer Natur sein und müsste deshalb die Bezeichnung als pervers
Wärmeempfindung behalten. Verf. präcisirt die Bezeichnungen „pervers, parados
conträr und pathologisch“ folgendermaassen: Paradoxe Empfindungen sind diejeniget
die unter physiologischen Verhältnissen durch inadäquate Beize ausgelöst werden
perverse sind diejenigen, die nur unter pathologischen Verhältnissen durch inadäquat
Beize ausgelöst werden; conträre sind solche, die dnreh Reizmittel ao^löst werdei
die sonst die gerade entgegengesetzte Empfindung auszulösen pflegen; patholog:isch
Empfindungen, die durch pathologische Veränderungen in den nervösen Organen d«
Sinnes selbst ansgelöst werden oder in Folge dieser Verändernngen.
_ _ Walter Berger (Leipzig).
Google
413
Pathologische Anatomie.
6) BedtrSge sur Pathol<^e der KerveuMllen, von Prof. Dr. Ä. Goldscheider
ODd Dr. B. Flatao. (Fortschritte der Hedicin. 1897. 1. April. Kr. 7.)
YerüL haben buchst interessante Untersuchungen an den Yorderhornzellen des
B&ekenmarhs bei Kaninchen angestellt, denen sie 1^/oige Lösungen von Malonnitril
is verschiedenen Dosen injicirten, und die sie auf der Höhe der Giftwirkung tödteten:
di« Zellen gewährten nicht mehr den Eindruck scharf contnrlrter, durch helle
Zwiseheor&ome von einander getrennter KissTscher Zellkörperchen, sondern zeigten
Terwascbenee Aussehen, bedingt durch die MitHtrbung der Zwiscbensubstanz und
ihfilveise Verlagerung der Zellkörperchen. — Je nach der Dauer der Gifteinwirkung
vNhselien die Intensität der anatomischen Veränderung. — Wurden die Thiere auf
d«r Höhe der Giftwirkung durch Injection einer l”/o Natrium subsulfuricum-Lösung
Od refracta dosi) entgiftet, so fand sich schon 19 Stunden nach der letzten Injection
tbeilweise, 71 Standen nachher eine völlige Bestitution der Zellen. Das normale
Bewegnngävermögen des Thieres trat bereits 10 Minuten nach der
Entgiftnng wieder ein, zu dieser Zeit zeigten sich aber die motorischen
Zöllen noch stark alterirt. — Injection der EntgiftungsfiQssigkeit allein zeigte
keine wesentliche Abweichung von def Norm.
In einer zweiten Versuchsreihe wurde der Einfluss der Erbühung der Körper«
tmperatur bei den Tbieren (durch Erhitzung der Thiere im Thermostaten) auf die
Zeilen geprüft, und es fand sich merkliche Veränderung der Zellen, sobald die Tem-
pentor des Thieres Ober 43gesteigert wurde, erste Anzeichen von Veränderung bei
Uagerem (ca. SstOndigem) Bestehen einer Temperatur von 41,7—42: das Zell-
TolBmen war verwässert, kein einz^ea scharfes Nissl-Körperchen; durch den homo-
feaen, opak-mattblanen Grund des Zellleibes schimmerte feine Körnelnng, bezw. ein
cndeutlfches Fadennetz, hie and da Beste von Nissl’schen Körperchen; der Kern
*ar nkbt wahmebnibar oder homogen blau, feingekömt, nicht scharf abgegrenzt, die
I^riten matt blassblan und geschwollen, enthielten keine normalen Spindeln, sondern
QBd^tllche feine Kömelung, ebensolche enthielt der Axencylinderfortsatz. — Wurden
die fiberhitzte Thiere wieder ans dem Thermostaten entfernt, so konnte an den Zellen
eiee allmähliche Bestitution nacbgewiesen werden, die schon nach 2 Stunden 20 Min.
begann und nach 68 Stunden vollendet war.
Die Verff. glauben, dass die KissTschen Körperchen keine lebenswichtige Be¬
deutung für die Zelle, bezw. deren Function haben, und sie nehmen an, dass Scbädi-
gaagen der Zelle eine Functions-, und bei gepügender Stärke eine Nutritiunsstörung
Mtzeo, erstere kann sich schnell aasgleichen, letztere klingt erst allmählich ab. —
Die nach vielen Richtungen lehrreichen Versuche zeigen besonders auch, dass „sich
a Zellen derselben Species (Vorderhomzellen) differente Alterationen nachweisen
h w c n, welche in ihrer Eigenart durch das Speciflscbe der Schädigung bestimmt
siad.'* Toby Cohn (Berlin).
') Ueber den £influ88 veraohiedener infeotionen auf die Nervensellen
des Rdckenmarks, von V. Babes. (Berliner klin. Wochenschrift. 1898.
Sr. 1—3.)
Dia Fortachritte in der mikroskopischen Technik haben auf dem Gebiete der
pathologiecheD Histologie der Nervenzelle vielfach neue Anschauungen und Thatsachen
a Tage gefördert.
Verf. hat sich in seiner Arbeit die Aufgabe gestellt, Ober die wesentlichen
Teiiadeningen der grauen Substanz bei, oder nach den verschiedenen acuten In-
kdurndnankheiten klare Vorstellnngen zu schaffen.
Bis zom Jahre 1889 kannte man bloss eine einzige Krankheit, deren Virus
Google
414
aosscbliesslich im Nervensystem seinen Sitz bat nnd dort eine entzündliche Beaction
vernrsacht. Es ist dies die Hundswiitb, deren entzündliche Verändemngen von
mehreren Äntoren und vom .Yerf. selbst nachgeviesen worden. In dieser Krankheit
konnte der Yerf. entzündliche Yeränderungen an den Nervenzellen selbst, namentlich
eine Änhäofung von Qranulationszellen, sowie eigenthümliche Modificationen an den
zu der Zelle gehörigen kleinen Blut* und Lymphgefässen nachweisen. Diese Yer-
änderung der Nervenzelle, sowie die umgebende Zellwocherung ist fast charakteristisch
zu nennen und wurde von ihm mit dem Namen Wnthknötchen belegt
Yfas die genauere Beschreibung der Zellveränderungen bei Hundswuth betrifft,
konnte der Yerf. Folgendes constatiren:
1. Eigenthümliche Yeränderungen des Kerns der Nervenzellen.
2. Eine Concentration der chromatophilen Elemente um den Kern.
3. Schwund der chromatischen Elemente in der Mitte der Zelle, deren Kern an
die Peripherie verschoben wird.
4. Beginnende Proliferation der Zelle mit karyokinetiscber Figur des Kerns,
was auch von Qolgi beschrieben worden ist
5. ln späteren Stadien Schwund der chromatischen Elemente des Zellkerns und
der Fortsätze mit Deformimng der Zelle.
6. Sinnöse Erweiterung des zum Tbeil von Bundzellen eingenommenen peri>
cellularen Baumes nnd Einwanderung derselben in die Zelle.
Der Yerf. giebt der Meinung Ausdruck, dass die Wuthknötcbeo wahrscheinlich
die Parasiten der Krankheit enthalten.
Auf Grund dieser seiner eingehenden mikroskopischen Untersuchungen am
Centralnervensystem bei Hundswuth, glaubt sich der Yerf. berechtigt zu bebaopten,
dass die typischen infectiösen Myelitiden durch entzündliche Gefässveränderudgen
ausgezeichnet sind.
Als Beweismaterial für die von ihm vertretene Ansicht bringt der Yerf. auch
eine vortreffliche Abbildung, die in überzeugender Weise das Yorhandensein der
Wuthknötchen wiedergiebt.
Die Behauptung derjenigen Autoren, welche keinen Unterschied in der Wirkung
der verschiedenen Bakterien auf das Rückenmark zugeben, erscheint dem Verf. un>
begründet
Die Nissl’scbe Methode, sowie das Tbionin und das vom Verf. verwendete
anilinisirte Bubin gestatten eben ein viel genaueres Studium der Nervenzellen nnd
ihrer Erkrankung, als die älteren Methoden.
Dank der vollkommenen Beherrschung der Nervenzellendarstellungstechnik und
im Besitze eines geeigneten Materials konnte derselbe einen Anhaltspunkt für die
eigenthümliche Wirksamkeit verschiedener Bakteriell liefern. Ferner konnte er für
einige Infectionen die Woge der infection des Bückenmarks näher bestimmen.
Ergebnisse der diesbezüglichen Untersuchungen tbeilt Yerf. in folgenden Aus¬
führungen mit:
Es giebt Infectionen, io welchen das Yirus selbst in die Nervenzellen eindringt
Und hier verschiedene mehr oder minder charakteristische Yerändernngen hervor-
bringt solche, welche die Prutoplasroafortsätze der Zellen, andere, welche den Azen-
cylinderfortsatz, den Kern oder das Kemkörperchen zunächst alBcireu, andere, welche
nicht in die Zellen oder überhaupt nicht ins Bflckenmark eindringen und welche
dann in eigentbümlicher Weise durch ihre Tozine wirken.
Gewisse Infectionen dringen auf dem Blutwege, andere auf dem Lymphwege,
manche auf dem Wege der Nerven und deren Gefässe, andere nach vorheriger Ver¬
mehrung im Centralcanal in die Bückenmarkssubstanz, in jedem Falle aber besteht
die Tendenz des Eindringens in die graue Substanz und der Scbädignng der
Nervenzellen.
, crinyGOOglC
415
Die Rahmen des Referates lassen nicht zu auf die Einzelheiten und den ganzen
reichen Inhalt der Arbeit eiozogehen.
Der Verf. bespricht eingehend die Veränderungen des centralen Nervensystems
in einem Falle von Proteusinfection and in einem anderen von Infection mit einer
sehr pathologischen Abart des Colibacillns, bei welchen er Bacillen in erheblicher
Menge im Centralcanal und in den Nervenzellen der Vorderhömer fand. Diese
interessanten Befunde sind mit nach Originalpräparaten stattlich ausgeffihrten Ab¬
bildungen illustrirt.
Die Veränderungen der Nervenzelle bei der Pest sind ebenfalls durch eine sehr
interessante Abbildung dargestellt, sie sind sehr deutlich ausgesprochen. Die graue
Substanz ist dabei sehr alterirt. Han sieht da die Pestbacillen eine pericelluläre
Capillare verlassen, um in den Lymphraum und dann hier in die Nervenzelle zu
gelangen. Auffallend ist die Blässe und der Zerfall des peripheren Theils der Zelle,
was den Eindruck hervorruft, als ob die Grenze der Zelle verwischt und die Zelle
in einem grannlirten Baum eingeschlossen wäre.
An der Hand eines sehr reichen Materials bespricht der Verf. sehr eingehend
die Beziehungen der Bacillen zu den Nervenzellen bei Lepra, dieser in Rumänien
ziemlich häufigen Erkrankung.
Von besonderem Werthe ist die ausföhrlicbe Beschreibung der Nervenzellen-
läsionen. Bei der tuberösen Form der Lepra constatirte der Verf. die Anwesenheit
von Bacillen nicht bloss in den Spinalganglienzellen, sondern auch in den grossen
Zellen der Vorderhömer, ohne bedeutende Veränderungen dieser Zellen und ohne
Symptome während des Lebens.
Sodann folgt die detaillirte Besprechoi^ der Verhältnisse der toxischen Läsionen
zu den bakteriellen. Auch dieser Theil der vorzQgHchen Abhandlung bietet viel
wesentlich Neues dar.
Eine besondere Aufmerksamkeit hat der Verf. den Nervenzellenläsionen bei
Lyssa zugewandt und giebt die Resultate seiner diesbezüglichen Untersuchungen in
seiner eingehenden, sorgsamen Arbeit Schritt für Schritt unter Beibringung exacter
Belege bekannt Die in grosser Anzahl beigcgebenen vortrefflichen Abbildungen
sind hier besonders hervorzuhebeu.
Was die Rolle und die Bedeutung der Mikroben bei den Läsionen des Rücken¬
marks angeht, konnte der Verf. nicht eine einheitliche und charakteristische
Zellläsion anoehmen, sondern eine ganze Reihe von celluläreu, pericellulären, vascu-
lären und Neurogliaveräuderungen für die verschiedenartigen Virus, für ihre Fern-
und Spätwirkungeo.
Der Inhalt dieses Theiles dieser Abhandlung lässt sich in folgende Shtze
zusammenfassen:
1. Die Unterscheidung centraler, peripherer und partieller Chromatolyse hat für
die infectiösen Proce.sse des BQckenmarks nur geringe Bedeutung.
2. Es ist von grösster Bedeutung, ob in Folge einer Infection bloss einzelne
Zellen oder aber Zollgruppen, der Centralcanal, Geiässe und namentlich die Umgebung
der Nervenzellen ergriffen sind.
3. Das Ergriffeosein der verschiedenen Antheile des Rückenmarks hängt von
der Art des Virus und seines Eindringens ln das Rückenmark ab.
4. Die in Folge der vom Verf. untersuchten lofectionen verursachten Verände-
roDgen sind sehr verschieden, was deren Grad und deren Ausdehnung betrifft. Bei
veracbiedenen Infectionskrankbeiten findet man Bakterien im Inneren der Nervenzellen,
welche nach der Art der Bakterien mehr oder weniger verändert erscheinen. Die
Bakterien liegen gewöhnlich im Inneren der Vacuolen des Zellprotoplasmas. Deren
Gegenwart in den Nervenzellen ist oft von geringer Bedeutung für die
Function der Zellen als die Wirkung der Toxine auf dieselben, während
.Google
416
io anderen Fällen schwere Erkrankungen und tiefgreifende Zell*
verändernngen an die Gegenwart des Tiros selbst im Niveau der Nerven*
seilen gebunden sind. Schneyer (Bucarest).
Patholog-ie des Nervensystems.
8) Familiendisposition bei symmetrischer Atrophie des Schädeldaches,
von Dr. B. Bloch. (Prager med. Wochenschr. 1897. Nr. 13 u. 14.)
Terf. giebt zunächst eine kurze Uebersicht über die bisher beschriebenen Fälle
von symmetrischer Atrophie des Schädeldaches (Einsenknng der Scheitelbeine) und
weist darauf hin, dass die Ursachen dieser Erscheinungen bisher noch nicht geklärt
sind. So soll nach den einen (LÖbstein, Rokitansky) eino Atrophie der Diph«ü
die Ursache sein, nach den anderen (Tirchow) die Lamina extern, zuerst schwinden,
und erst später die Diploä. Ebenso unklar ist die Aetiulogie.. Verf. giebt dann die
Beschreibung eines eigenen Falles, eine 86jähr. Fran betreffend, bei der beiderseits
im Bereiche der Scheitelbeine eine Einsenknng zu finden war, rechts von rundlicher
Form, links an correspondirender Stelle, d. i. ca. 3 cm von der Pfeilnaht entfernt,
eine Vertiefung von dreieckiger Gestalt, und kleiner als die rechte. Äosserdem fand
sich links eine kleine Delle an der Coronarnaht. Entsprechend der Sagittalnaht
fand sich eine 6 cm lange und 1^3 cm breite Kinne, die sich an der Lambdanaht
in zwei Aeste gabelte. Psychisch bot Pat. das Bild der Angstmelancliolie dar; vorher
hatte sie lange' an Kopfschmerzen gelitten. Aus der Anamnese sei erwähnt, dass
auch die Mutter der Patientin ähnliche Vertiefungen am Kopfe gehabt
haben soll.
Bei der Obduction fanden sich am Schädel ansser den erwähnten Vertiefungen
noch solche an beiden grossen KeilbeioflOgeln. Die genauere Untersuchung ergab,
dass an den vertieften Stellen die Lamina extern, und die Diploe geschwunden waren.
Bezüglich der Ursache dieser Atrophie im vorliegenden Falle Hess eich zunächst
Syphilis .ansschliessen, de^leichen Circulations* and tropbische Störungen oder Usur*
atropbie in Folge von Neubildungen, entzündliche Processe u. s. w.
Bezüglich des Zustandekommens nimmt Verf. an, dass offenbar unter dem Einfiuss
einer Familiendisposition im höheren Alter, und zwar ohne sonstige nachweisbare
äussere Ursache, diese Atrophie sich ansbildete. Die klinische Bedeutung solcher
Fälle ist noch unklar, dagegen kommt ihnen, wie leicht ersichtlich, eine forensische
Bedeutung zu. Redlich (Wien).
9) Three oaaea of tbe fiamily type of cerebral dipl^ia, by F. X. Dercum.
(Journal of nervous and'mental disease. XXIV. 1897. S. 396.)
Drei Brüder von 11, 6 und 2 Jahren leiden an spastischer Parese aller Rxtre*
mitäten mit gleichzeitiger Imbecillitäi Zwei von ihnen leiden auch an epileptischen
Krämpfen.
Bemerkenswerth ist, dass in der Familie der Mutter bereits ein .analoger Er*
krankungsfall vorgekommeo ist und dass von den 4 Kindern nur diejenigen diplegiscb
geworden sind, die während einer Epidemie von Masern ergriffen wurden. Es sclieint
also zu der hereditären Veranlagung noch eine toxische oder infectiöse Schädigung
hinzugekommen zu sein. Sommer (Allenberg).
10) Maladie fazniliale ä symptomes oör4beUo*medullaire8, par Pauly et
Ch. Bonne (Lyon). (Revue de Mödecine. 1897. Mars. S. 200.)
Die Arbeit enthält eine interessante Hittheilung Ober einen bei drei Brüdern
beobachteten eigenthfimlichen norvOsen Symptomencomplex. Heredität war nicht vorr
ig ü^od oy CjOO^Ic
417
hcnda, nMhrere Schvestern waren TfiUig gesund. Die Krankheit b^ann bei den
beiden Utoen Brüdern im Alter von ca. 12—14 Jahren, bei dem jüngsten Bruder
m 6. Lebensjahre. Bai den ersteren war die Gehstörung das erste anffallende
^ptMn, btt dem ieUteren der Kystagmus. In der Buhe sind die Beine bei allen
drei Brüdern leicht gebeugt, künnen nicht vollständig gestreckt werden and aeigen
eüM sehr starke Contractur der Adduoturen. Im Al^emeinen entspricht also diese
Ualtong dem Zustand der Beine bei der Little'schen Krankheit Der Gang ist
theUs spastisch, theils schwankttid. Bei dem jüngsten,'jetzt lljährigen Knaben,
ist das Gehen ebne Uaterstütznng gar nicht mehr möglich. Bomberg’sches
Symptom and Ataxie fehlen vollständig. In den Armen besteht keine Pares^ aber
etwas intentioDszittem. Alle drei Brüder haben Nystagmus, verlangsamte monotone
Sprache, gesteigerte Sehnenreflexe, beginnende-Atrophie der Optici. Vollständig
Bormale Sensibilität and vollständig normale Intelligenz.
Die vorliegenden Beobachtungen ähneln am meisten den von Felizäus (Archiv
Ar Faychiatrie. Bd. XVi) nnd Higier (Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilk. 1896)
■itgetbeilten Fällen. Sie stehen etwa in der Mitte zwischen der „bdrddo*ataxie
ckÄeUense^* nnd der hereditären spastischen Spinalparalyse.
Strümpell (Erlangen).
11} Dzttte Mlttheilong über die perosyamale, familiäre LUunung, von
Dr. 8. Gold fUm in Warschau. (Deutsche Zeitechrift f. Nervenheilk. 1897.
Bd. XL)
Zo dieser interessanten Krankheit werden theils neue Beitr^e geliefert, theils
frühere Daten bestät^ Die Anfälle zeigen .sich an den zahlreichen Mitgliedern
enee «eiteren Zweiges der schon bekannten Familie und erscheint so aufs Neue die
iukQiire Disposition als der ansschlaggebende, ursächliche Factor des Leidens. Der
tjpiaehe Anüu setzt Abends oder in der Macht ein. Alle Patienten räumen der
FiUnng des Magens mit Entschiedenheit eine ursächliche Bedeutung ein, wobei es
Btcht aof die <)nalität der Speisen, sönderä eben nur auf die Menge des Magen-
iataaHee anznhonunsn scheint. Eine freiwillige Hungerkur war in einem Falle die
Folge diesttr Erkenntniss. Im Gegensatz zur Magentetanie ist keine Störung der
Msgeafnetion naehznweisen. Im Sommer steigt - die Frequenz der An^le. Die
fnhe lüaft and das Volumen der Masknlatur erinnert an die bei der Dystrophia
wusmlarie {wogr. ebarakteristis^ea Verhältnisse. Die galvanische, neuromnsknläre
breghark^ ist im wesentlichen durch träge, tonistflw Zucbnngen and Neigung zu
Teten ua ehnrakterisirt, welche mit der von Bemak and Marina beschriebenen,
■eerotoBmelien, ^ktrisdien Beection gewisse Aehnlidikeit hat. Hie and da fand
sieh ausserdem faradiscbe Entattnngsreaotioo. Von Interesse ist femmr der Befhnd
TM) Kwoss, retfaen Blotkörperchen und verfetteten Nierenepithelien in dem zu Ende
des Aniirils gelassenen Uriu. Bei eonstimtem Vorkommtti dürften diese Erscheinungtti
als Stittie der Gifttfaeorie heraDgez(^n werdtti. Es kommen auch foudroyante An-
fiOe parcsyssaaltt Lähmnng vor, so daw gelegentlich Landry’sche Paralyse diffe-
reatialdiagnostiscb in Betracht kommen könnte.
Die mikroskopische Muskelantersuehung ergab bei einem Gliede dieses Familien-
Zweiges denselben Befund, wie er früher bei den Verwandten desselben erhoben
wvde. Die Alteration besteht im wesentlichen in Bareficirung der Muskelsubstanz
ind in Vaenoleobildong. Dass dieser Zustand nicht die Fo^e der häuflgen Lähmungen,
gteiehaaa ^ Wirkung dee mathB)aa8sliche& Giftes anzusehen ist, geht daraus httvor,
4»m sid) bei dMs jüngsten Brudar des Patimiten, einem erst selten und nur von*
laichten Anfällen betroSentti 7^/,jährigen Knaben, die gleidien Verändernngen fest-
ztelltti lieseen. Um einem weiteren Einwande zu begegnen, dass nämlich die Struciur-
TeriadeniBg nnr eise eoordinirte, selbständige und znßllige Familieneigenthümlich-
27
Dig :i/cd
Google
418
keit darstelle, ^eht Verf. zq einer anderen Familie Ober, in welcher von 6 Geschwistern
3 von dem Leiden betroffen waren. An einem dieser Repräsentanten wnrde eine
Muskeluntersucbang vorgenommen, und zwar mit dem gleichen^ positiven Resultat.
Zum Schluss zieht Verf. Untersuchungsbefunde einiger ^Muskelerkranknngen zum
Vet^leich heran. Es ergiebt sich da eine weitgehende Uebereinstimmung mit den
bei der Thomsen’schen Krankheit beobachteten Veränderungen, während sich der
Befund bei der Dystrophia mnscularis progr. und bei der Polymyositis von dem bei
der paroxysmalen Lähmung wesentlich unterscheidet.
fi. Asch (Frankfurt a./H.)..
12) Ueber Paralysia spastioa und über die vererbten Nervenkrankheiten
im allgemeinen, von E. Jendrässik. (Deutsches Archiv lOr klin..Medicin.
Bd. LVin.)
Die spastische Paralyse ist keine selbständige Erankheitsform, sondern eine
Symptomengruppe mit verschiedenen anatomischen Veränderungen, fOr die nur das
sichelgestellt is^ dass die Pyramidenbahnen dabei betheiligt sind.
Verf. selbst zweifelt daran, dass es sich bei dem Leiden um eine primäre
Degeneration der Pyramidenbahnen handele, vielmehr ist nach seinen Beobachtungen
der Ausgangspunkt des Prbcesses entweder in den UrspruqgszeUen der motorischen
Pyramidenbahnen oder iigepdwo im weiteren Verlaufe derselben gelegen. Auch Fälle
von milder, in Heilung flbergegangener Myelitis können unter dem Bilde der spastischen
Paralyse äuftreten, d. h. ohne absolute Lähmung und unter Bestehenbleiben von
Rigidität Die Mehrzahl dieser Fälle sind luetischer Natnr. Leichter ist die Er¬
kennung des Sitzes der Affection, wenn sie sich oberhalb des verlängerten Markes
befindet Hierher gehören*die im Eindesalter häufigen Fälle von Encephalitis, Por-
encephalie und die nach Traumen während des Geburtsactes entstandenen Fälle.
Alle bisher anfgezählten Formen von spastischer Paralyse werden am richtigsten
als „symptomatische spastische Paralyse" bezeichnet
Daneben bestehen noch zwei Formen der Affection, die sog. Little’sche
Krankheit und die hereditäre oder familiäre Form der spastischen Paralyse.
Diese letztere hat Verf. in 3 Familien zu beobachten Gelegenheit gehabt
1. Familie. Sjähriger Knabe, Sohn eines gesunden Feldarbeiters. Grossvater
väterlicherseits gesund, Grossmn^r väterlicherseits ebenfalls; sie hat 'auffallend kurze
und dicke Hände und Ffisse. Mutter des Knaben lebt; sie hat einen auffallend, be¬
sonders beim raschen Gehen watschelnden Gang. Die Grossmntter mfitterlicherseits
soll ebenfalls unbeholfen gehen und kurze Hände und FOsse haben. Die Familie
mfitierlicberseits ist ausgezeichnet durch Fettleibigkeit Eine 6jährige Schwester des
Knaben soll gesteigerte Patellarreflexe haben..
PaÜent war bei der Geburt sehr unentwickelt, er begann erst mit 2 Jahren zu
laufen, der Gang ist spastisch, die Patellarreflexe sind gesteigert Sonst keine
Abnormitäten. Auffallend kurze Hände und Fflsse.
2. Familie, a) 12jähriger Knabe*. Eltern gesund, 7 Kinder, von denen das
fönfto im Alter von wenigen Monaten an nnbekannter Krankheit starb.
Das Leiden wnrde bei dem Knaben zvrischen seinem 7. und 8. Lebensjahre
zuerst bemerkt: seitdem Zunahme, der Erscheinungen.
Der Gesichtsansdruck ist simpel; das Sehvermögen beträgt nur die Augen-
beweg^ingen geschehen nach innen und oben mit geringer Excursion, und werden
von nysti^usartigen Pendelbewegungen b^leitet Beim gewöhnlichen Sehen weicht
das linke Auge nach aussen ab. Beiderseits Stigmatismus. Die Sprache ist näselnd
und stockend. An den unteren Extremitäteu spastische Erscheinungen. Geben und
Stehen unmöglich.
b) Die 8jährige Scbwepter soll in ihrem 6. Lebensjahre erkrankt sein.
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Google
419
SehyennGgen Mheint nur wenig abgenommen zu haben; Augenbewegungen er-
fblgra prompt Beide Papillen aind dentlicb abgeblasat. Die Sprache ist näselnd.
Die spastiscbmi Erseheinnngen an den unteren Extremitäten aind geringer als bei
dem Bruder. Die Patellarreflexe stark gesteigert; es besteht Fussdonus.
3. Familie, a) ISjäfar. Mädchen yon gesunden Eltern stammend. Ausserdem
soch zwei ältere gesunde Geschwister. Die Erkrankung begann im 10. I^ebensjahre.
Zur Zeit der Beobachtung bestanden folgende Erscheinungen: Strabismus divergens,
Aagenbewegungen nach allen Richtungen hin beschränkt; SehrermCgen hochgradig
herabgesetzt Beiderseits centrales Scotom; Sehnerrenatrophie. Spastisch-paretischer
Gang. Kniereflexe gesteigert, Fussdonus auslösbar.
Geistig erscheint Pat normaL
b) Die 10jährige Schwester war bis zum 9. liebensjahr gesund.
Sehyerm^n &= Ve» Bedecken des einen Anges weicht das andere leicht
ab; Gesichtsfeld eingeschränkt Atrophie der Sehnerven; Das Stehen ist noch gut
möglich. Gehen erfolgt mit Schwierigkeit. Kniereflexe stark gesteigert, Fussphänomen
anslOsbar.
Bei beiden Kranken ist aaffallend, dass sie nnr geringes Bewnsstsein von der
Vermhidemng der Sehkraft haben.
Aetiologisch ist zn bemerken, dass die Eltern der Kranken bezw. ihre Aseen-
dnten nabe verwandt waren.
Aus einer Betrachtung der bisher mitgetheilten Fälle von familiärer spastischer
Fteljae ergiebt sich die constante Erscbeinnng, dass die Fälle der einzelnen Familien
*OQ denen anderer Familien gesonderte Krankheitsbilder geben, unter einander jedoch
stets nabezn in gleicher Form entstehen nnd höchstens so viel Unterschied auf«
veieen, als es dem vorgeschritteneren oder dem erst bannenden Stadium entspricht
Han kann daher alle auf hereditärer Basis sich entwickelnden chronischen Dege-
nentionen znsammenfassen. Die Krankheitsformen nehmen nur verschiedene Gestalt
an, je nachdem die Terkflmmemng des Kervensystems verschiedene Gebiete betrifft
ihre gemeinsame Basis ist aber eine einfache Degeneration innerhalb- des Nerven¬
systems. K. Grabe (Neuenahr).
13) Spidamio of infentUe paralysls ln the same ftunily, by Pasteur.
(Brit med. Journ. 1897. Apr. 3. S. 857.)
V^. berichtet ip der Londoner klinischen Gesellschaft Aber eine epidemisch,
allerdings nnr in einer Familie vorgekommene fieberhafte Erkrankung mit darauf¬
folgender Lähmung. 7 Kinder dieser Familie erkrankten sämmtlich unter heftigem
Kopfweh und mässigem Fieber. 7 Tage nach Beginn der Erkrankung trat bei
3 Kindmn (11, 9 und 5 Jahre alt) eine nicht typische Lähmung ein; bei dem einen
linde eine scÜaffe Armläbmnng links; bei dem 2. Kinde rechtsseitige Hemiplegie
Bit Muskelrigor in Arm und Bein, und vorübergehender Lähmung des Gesichts und
des wekhen Ganmens derselben Seite; beim 3. Kinde fiäbmuDg des linken Beins mit
««or. Bei 2 Kindern trat Tremor, auf, der einige Tage dauerte; zwei andere, auch
IMMrhaft afficirie Kinder blieben von Lähmung und Tremor verschont. Acute
Exaotkeme, Diphtherie, Influenza konnten als nicht vorhanden ausgeschlossen werden. —
Diese Fälle ^weisen, dass ein Toxin Lähmungen hervorbringen kann, die nicht
ieimer d«i Charakter der acuten amyotrophischen Kinderlähmong zeigen, sondern
uKb Erkrankung anderer Regionen des Nervensystems erkennen lassen. Schliesslich
sprechen dieselben deutlich zu Gunsten der Annahme, dass Kinderlähmung eine
Infeetionakrankheit ist. L. Lehmung I (Oeynhausen).
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430
14) Sopr* un ouo dl tabe epasmodioa famlgUare, per B. Tembroni e
J. Finzi. (Biv. sperita. di Freniatria. XXIII. 3.)
Unter 8 Geachwistem, von denen die fibrigeo gesund waren, erkranltten 2 Brflder
an spastischer Spinalparalyse. Der Vater körperlich nnd geistig gesnnd, die tfntter
ans nervöser Familie stammend nnd selbst an Neuralg^een nnd Kr&mpfen in' den
Beinen leidend. Beide BrQder von sehr geringer Intelligenz, bei beiden, namentiieh
beim älteren grosse Schwäche der Sphincteren. Die spastische Paralyse entwickelt
sich beim einen im 14., beim anderen im 15. Lebensjahre. Der eine litt an Waden*
krämpfen, besonders links, der andere an Schtnerzen beim Gehen, deren Hanptsitz
die rechte Hflfte war. Bei beiden bestand Parese des unteren linken Facialis. Die
unteren Extremitäten nur in sehr geringer Ausdehnung activ beweglich, Kniereflexe
s^r verstärkt, Fussclonus (beim älteren Bruder nur rechts und ausgesprochener als
' beim jüngeren), spastischer Gang, scandirende Sprache, Kystagmus.
Valentin.
16) Die amaoroäsohe, Hunilläre Idiotie, von B. Sachs, in Kew York. Nach
einem für den Moskauer internationalen medicin. Congress bestimmten Vortrage. .
(Deutsche med. Wochensohr. 1698. Nr. 3.)
Die Hauptsymptome dieser Erkrankung sind:
1. Abnahme des Sehvermögens, die inr totalen Blindheit ßlhrt (Yerindtfungen
in der Macula lutea nnd später Opticnsatrophie).
2. Psychischer Defeot, in den fVfihen Lebensmonaten bemerkbar; später abeolute
Idiotie.
3. Schwäche aller Extremitäten bis enr völ%en Lähmung, spastischer, aalten
schlaffer Natur.
4. Die tiefbn Beflexe können normal, vermindert oder erhöht sein.
5. Marasmus und letaler Ausgang, meist vor Ende des zweiten Lri>eD8jahreL
6. Die Erkrankung betrifft mehrere Mitglieder derselben Familia
Seltenere Symptome sind Nystagmus, Strabismus, Hyperaknsis oder Abnahme des
Gehörsinnes. Verf. fand bei der mikroskopischen Untersuchung die Hauptverände*
rangen an den grossen Pyramidenzellen, welche in allen Bindenregionen fehlten oder
auffallend degenerirt waren (die neueren Färbungsmethoden waren damals unbekannt).
Die weisse Faserung schien wenig ausgeprägt, die Tai^entialfaserung nii^ends nach*
weisbar. — Normale Bln^&sse; keine Zeichen eines Entzflndangsiwocessea. In
einem zweiten Falle waren die grossen Ganglien, Chiasma, Pons und MedoUa normAl,
dagegen fand sich in beiden Seitensträngen des BQckenmarks — das ffalsmark wurde
nicht untersucht — sehr deutliche Degeneration. Die Vorderstränga waren iionnaL
Die Untersuchung der Retina konnte ans äoseeren Gründen nicht stat^den. Verf.
lässt es unentschieden, ob die Degkieration der Pyramidenbahnen im Bückenmark
secnndär und unabhängig ist von der Bindenveiündernng, glaubt aber, die ErktankuDg
„als eine nach vielen Richtungen hin fehlerhafte Anlage des Centnlnerveosyatema
denten zu müssen**. — Die Beüehungeh der amaurotischen familiären Idiotie^ wel<flie
zeitig von den cerebralen Dipl^een besser abgetrennt wird, zu andermi familiärem
Erkrankungen sind naheliegend nnd wichtig. Der Charakter der defecten Anlage
entscheidet wohl über das frühere oder spätere Auftreten der familiären Erkrankungen,
dagegen ist anbekannt, warum sich diese HemmungsbUdnngen mascbmal im Gehirm
am deutlichsten, in anderen Fällen m den Seitmstnng* oder Hiatentrangbahuen den
Rückenmarks sich entwickeln.
Die Aetiologie des Leidens ist völlig dunkel, Lues spielt jedenliUs keine BoUa.
Ob die Krankheit, deren familiärer Charakter deutlich ausgepii^ ist, auch hereditär
ist, kann noch nicht entschieden werden; sie kommt besonders — fast ausschliess*
lieh — bei Kindern jüdischer Familien vor. Den Augenärzten, welche am ehesten
Google
421
4itae-KUe Mhen, gidbt Verf. die HalmaBg, lu denken, daee es sieh nicht nur
am einen merkwürdigen and seltenen Ängeobefand bei einem Kinde
handelt, sondern dass dieser Befand Theilerseheinnng einer wohl
eharakterUirten familiftren Affeetion ist R. Pfeiffer (Cassel).
16) Weiter« MitCheUongeii über einen lUl ron ohronieohem Hydro«
eephelne bei hereditirer Syphilis, toi Dr. JbL Heller. Nach einer
Demonshntion im Verein für innere Medicin am €. Dec. 1897. (Deutsche ined.
Wechenschr. .1896. Nr. 5.)
Die orsprfingliche Hittheilnng des Falles erfolgte 1892, Deuteche med. Wochen«
echhft (Kn Fall von chronischem Hydrocephalns bei hereditärer Syphilis). Wichtig
irt, dass dw jetzt Knabe niemals Zeichen ton Rhachitis griiabt hat
Im Sommer 1897 erkraidte er an doppelseitiger interstitieller Keratitis (Wertheim)
oad zeigte bei einer Untersuchung im August neben den AugenTeränderongen Hot-
chinson'sche Schneidezähne, ein coDdylomähnlicbes Gebilde an der Unterlippe und
parioatale Gommata an der. Unken Tibia und dem linken Humems. — Specifische
Ikoapie brachte rasche Heilung. Ein Skiagramm Ton dem periostalen Gununi am
ünkeD Hamerns znr Zeit seiner höchsten Entwickelung zeigt an der dem Tumor
atq>r8dienden Stelle einen 6 ein langen, kreissegmentförmigen Schatten, welcher der
dmülich erhaltenen Contonr des Hnmerusschattens auf der Innenseite des letzteren
asfli^t, Tersehiedene Intensität und in maximo d’—5 mm Breite besitzt Nach Verf.
iat iie Schattenbildnng der Ausdruck der Kalkablagerung an der Grenze des Knochens
and das pehMtalen Gummi, '„das Rönlgenbild hat somit einen gewissermoassen
pstbologiseh-anatomischeo Vorgang mit ^ausserordentlicher Schärfe zur Anschaaung
gebra^'*. * R. Pfeiffei: (Cossel).
17) A oomtribi^on to tha atudy of apinol ayphiUa, by Will. Spüler.
(New York Uedie. Journal YdL LXVI. 1897. Nr. 13.)
Dia 35jährige Schauspielerin P. 0. war seit dem 19. Lebensjahre dem Tranke
ergeben, batte zu der gleichen Zeit Syphilis acqoirirt and smther an periodischen,
Tbeamatieefaen Schmerzen gelitten, besondws ^tark im Mai 1895. Am Anfang Sep¬
tember deaselben Jahres steUten sich heftige Schmerzen in den Beinen ein, die Kraft
nahm ab trad ent am 12./IX. wurde die Paraplegie ToUständig, nachdem zherst das
redite, bald anefa das linke Bein gelähmt war. Einige Wochen später (October)
bonerkte Pai eine Gef&hlsabnahme an den Unterextremitäten and wenig später Urin-
reteation. Btatns: Starke Anämie, lebhafte Schmerzen in den Beinen und am Rumpfe.
ÜBz^lmäasig angeordnete Anästhesie an den Beinen, besonders rechts, bis zur Knie-
Näw, FehJoi des rechten, Herabsetzung dös linken Kniephänomens, träge Pupillen*
reaetion. Cystitis pnrnleuta. .Exitus am 3. December 1895; Die Section (2 Tage
spiter) e^b o. & die vordere und besonders hiptere Rückenmarksfläche von einem
fbriDfe-enbrigen Bxoidat bedeckt, Adhärenz der Dura an der vorderen Fläche des
obe re n und mittleren Dors^mailra, Erweichung des Rückenmarks ln der unteren
Brest- und Lexkdenr^ion. Die Geftese an der vorderen Pmipheiie schienen stb’ker
pioattii a u t und' dilatirt als normal, hinten waren sie durch das Exsndat verdeckt.
Die Gefasmsabstenz erschien makroekopisek normal, die Basalgefässe nicht sehr
rtbaromatöe. Die mikroskopische Untersnehnng ergab neben einer ansgeeprochenen
Bndartorüfe der A baeilaris and ihrmr Venweigongen ^ stärksten Veränderungen
im Beniehe dea nattlereo nnd unteren Dorsalmarks: sehr beträchtUche zelUge Infil*
tretien der Hänte, Dtrebsetznng denelben mit miliaren Gamszata, Gefässneabildung
b 4 Verdidang, Wurzeldegeoeration, nnregelmäeeige Betbeiligung der BOckeemarke-,
periphRie o. a. w. Verf. kennt keine Veränderungen mikroskopischer Natur, die für
Dig i'/od c/ Google
422
die Syphilis des. Nervensystems pathognostisch wären, und beruft sich u. a. auf
Gowers. ln der Epikrise erörtert der Verf. die Existenzberechtigong der syphi¬
litischen Spinalparalyse Erb’s und streift sodann knrz eine Beihe wichtiger und
strittiger Fragen in der Anatomie und Pathologie des Rflckenmarks, so die Bedeatang
der Degeneration der Pyramidenbahnen ftü* das Zustandekommen der Contractoren
und der ’ Beflexsteigerung, das Erlöschen der Behnenreflexe bei totaler Querschnitts-
läsion des oberen RQckenmarks (Bastian), die syphilitische disseminirte Sclerose
Becbterew’s, die hereditäre Syphilis und ihren eventuellen Einfinss anf die Kut-
stehung von Tabes und allgemeine Paralyse u. s. w. (Details siehe im Original.)
Die neueste Litteratur findet Beracksichtigung. B. Pfeiffer (Cassel).
16) Over syphilitisohe Spinalparalyse, door Dr. L. J. J. Muekeus. Vortrag.
(Psychiatrische en Neurologische Bladen. 1897. Nr. 4.)
Nach Demonstration eines typischen Falles von syphilitischer Spinalparalyae
giebt Verf. eine kurze LiCteratuigeschicbte dieses neuen Erankheitsbildes. Nachher
lenkt er die Aufmerksamkeit auf die Erscheinungen, die’ man beim Pat. wahmimmt
als Folgen des Percussionshammerschlages auf das Lig. pat propr. und sacht die¬
selbe zu analysireu. Es giebt nämlich nicht eine massale Contraction des H. qiuMlri-
ceps, sondern eine ganze Beihe solcher (4—6); des weiteren bleibt eine bei genauerer
Betrachtung sichtbare Unruhe des Muskelbauches nach. Die letzteren maasalen
Contractionen des M. quadriceps lösen sich auf in erst grössere fascicqläre, später
kleinere, bis fibrilläre Contractionen, welche letztere mit einer gewissen RhyUimih
fortdauem können (sie können leider noch nicht r^pstrirt werden). — Ohne damit
einen alles erklärenden Gesichtspunkt geöfhiet haben zu frollen, will der Verf. doch
binweisen auf einen eventuellen Zusammenhang dieser Erscheinung mit der yod
Engelmann (Pfl^er’s Archiv. Bd. LXV) aufgestellten Vermathung, dass Neigung
zur automatischen Rhythmik eine aller Muskelsubstanz inhärente Eigenschaft sein
sollte. — Verf. sah die Eischeinung noch einmal bei einer alten E^u mit einem
myelitischen Herd im Lumbalmark.
- Zum Schlüsse demonstrirt Verf. beim Pat., dass selbst starke elektrische Beizung
des Lig. patell. prop. in allen Bicbtungen keine Contraction des U. quadriceps hervor-
zurufen vermag; nur erfolgt diese, wenn eine der Elektroden auf dem Muskel selbst
aufgesetzt wird. Dieser Versuch, wie der von Gowers angegebene (S(^lageu mit
dem Hammer aof die Seite des Lig., indem man von der anderen Seite das Lig.
stützt) kann nur der Auffassung der nichtreflectorischen Natur des Patellarphänomens
das Wort reden. (Autorreferat).
19) Aoute Myelitis, und Syphilis, von Heinr. Bosiu. (Zeitschrift f. Iclin.
Medicin. XXX. 1. u. 2.)
Fall von acnter Myelitis auf syphilitischer Basis: dljähr^er Tischler bat vor
2 Jahren eine Gonorrhöe und gleichzeitig einen syphilitischen Aasschlag , durcbgemacbt.
2 Jahre später traten plötzlich Beschwerden beim Uriniren und Stuhl Verstopf ung
Diese Beschwerden nach 3 Wochen gebessert. 3 Monate später Rückkehr derselben
Stömngen und gleichzeitig Schwächezustände und Schmerzen in den Beinen, allgemeine
Mattigkeit und Gürtelgefühl.
Befand: Mittelgrosser Mann mit spastischem Gang, spastischen Erscheinungen
in den Extremitäten besonders der rechten Seite. Die motorische Kraft der Unter¬
extremitäten herabgesetzt. Sensibilitätsstörungen fehlen; die Reflexe sind gesieigert-
Fussclonus ist vorhanden. Der Urin kann spontan nicht entleert werden; der Stobl
ist continuirlich aogehalten.
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423
In weiteren Yerlaufe stellten sich Paralyse des rechten Beines, Incontinentia
ohnae, Parese des linken Beines, nahezu vollständiges Erlöschen der Sensibilität für
alle Qualitäten in den Extremitäten und am nnteren Theile des Rumpfes bis zur
Nabelhöhe ein. Die spastischen Lähmungen verwandeln sich in schlaffe Lähmungen,
die Reflexe verschwanden, zu der Incontinentia urinae trat Unmöglichkeit den Stnhl
zu halten und unter Erscheinungen von Cystitis, Decubitus und Pneumonie trat der
Tod ein.
Die Untereuchong des Bflckenmarks ergab eine Querschnittsaffection desselben
in der Höhe des 4,—9. Brustwirbels, von der nach oben und unten secundäre Dege>
oeratioDw ansgingen. Ausserdem liess sich durch das ganze RQckenmark eine
SanddegeneratioD nachweisen. Die Gefässe des RQckenmarks waren in besonderem
erkranlrt Sie waren verengt, thrombosirt und obliterirt. Die Intima der*
sriben war bedeutend verdickt. Die vorderen und hinteren Wurzeln waren bis zom
Halanarh theils atrophlrt, theils degenerirt.
Im weiteren Verlaufe seiner Arbeit bespricht Verf.- an der Hand der ein*
sehligigeD Litteratnr die Merkmale, welche die syphilitische Myelitis als solche von
der onfaehen primären Myelitis unterscheiden lassen. Es sind das zunächst klinisch
f(dg«ade Merkmale: der eigentlichen EntzQndnng geht bei der Myelitis syphilitica
ngelmäffiig ein längeres Prodromalstadium vorher, dessen Symptome sehr mannich*
Mtig und wechselnd sind. Diese Erscheinungen kommen und gehen, haben ihren
anatomischen Sitz an Stellen, an denen später der myelitische Herd sich nicht ent*
wickelt Fmimr tritt Retentio urinae et alri schon von Anfang an auf, und endlich
s^en die Patellarreflexe ein schwankendes Verhalten, indem sie bald erhöht, bald
'bmab gooe tzt sind, bald ganz fehlen. Es lässt sich demnach schon aus dem klinischen
Varianfe auf den wahrscheinlichen Zusammenhang der Erkrankung mit der Syphilis
a^eesega.
Hi8tol<^i8ch entsprach der Befund dem der acuten Myelitis, nur dass zu dem
ftlde^ wie ee fOr diese letztere Erkrankung typisch ist, noch Veränderungen hinzu-
getreten waren, die als fOr die Syphilis chära^eristisch bezeichnet werden mussten.
Meaelben betrafen hauptsächlich die Geßsse. Die Gefässe der Meningen in der
ÜBgebimg des Bflckenmarks, sowie die in Tumoren desselben befindlichen waren
tiieiU stark mit Blut gefällt, theils.waren sie hochgradig verengt und selbst ganz
Tsadiloasen. Die blutflberfflUten Geflüsse hatten bei normaler Intima und Muscularis
tine verdickte und •mit zahlreichen Kernen besetzte Adventitia, während bei den ver*
engten Gefieseu hauptsächlich die Intima bedeutend gewuchert und die Adveutitia
nur zuweilen verdickt war.
Dieee Qefässveränderungen hatten im Bereiche des myelitischen Herdes die
gruaste Intensität, erstreckten sich aber im flbrigen auf das ganze RQckenmark.
Verf* betiacbtei die Erkrankung auf Grund des klinischen, wie pathologischen
Befundee als eine acute Myelitis, welche auf syphilitischer Basis entstanden ist. Die
Syphilis hat die Geßsserkrenkung hervorgerufen, und nachdem durch das Weiter*
•chrmteo des Processes an den Geßsseu die Ernährung hochgradig gestört war, trat
nt der Stelle des Bflckenmarks, welche fflr acute Erkrankungen die empfänglichste
a sein scheint, nämlich im Dorsalmark, die Erkrankung auf, welche als acute
Myelitis za bezeichnen und auf Ernährungsstörungen in diesen Fällen zurflckzufflhren
ist. Dagegen ist der vorliegende Process nicht der sogen. Rflckenmarkssyphilis als
Kote Perm unterzuordnen. K. Grube (Neuenahr).
ao) Anotomioal oonsideration of brain syphilis, witb report of three oases,
by William C. Kranss. (Buffalo Medical Journal. 1897. April.)
Verf. berichtet zunächst einen gerichtlich-medlciuisch interessanten Fall von
HinthAmorrbagie in Folge syphilitischer Gefltssveränderungen.' Ein 35jähriger Mann
Diy jj Google
424
vurde, nachdem er in betrunkenem Zufitande geschlechtliche Annfthernngsversache
auf eine verheiratbete Frau gemacht hatte, auf den Kopf geschlagen und starb sofort.
Die Section zeigte grosse Blntmassen in der hinteren Sch&delfaöhle, die ans einw
breiten Oefonng der Ä. basilaris, dicht vor ihrer Theilong in die Cerebrales poator.,
stammten. Die ’Basilararterie ze^te starke Endarteriitis mit Bethefl^nng dor
anderen Qeßsshäate, die an einzelnen Stellen zur Verdickung, an anderen rar Ver*
d&nnung der Wand geftthrt hatte. An einer der letzteren Stellen war es zur Baptur
gekommen. Obwohl nichts von einer syphilitischen Infection bekannt war, ist die
Arterienerkrankung doch mit Sicherheit anf Syphilis zurnckzufOhren.
Die charakteristische Form der Himsyphilis ist die Gommibildung. Verf. hat
einen derartigen Pall beobachtet, der allerdings nicht zur Section kam. Eine 23 j&far.
Frau wurde gleich nach ihrer vor 4 Jahren erfolgten Terheirathung von ihrem Mann
syphilitisch inficirt. Seit einem Jahre entwickelten sich Cerebralsymptome, heftiger
Occipitalkopfschmerz, Erbrechen, völlige Erblindung. Es entwickelte sich doppelseitig
Ptosis. S&mmliche Extremitäten zeigten leichte Parese mit starker Erhöhnn^ der
Sehnenreflexe. Die Diagnose wurde mit grösster Wahrscheinlichkeit auf einen ^azn-
mOsen Tnmor im Pons oder im Intercmralranm mit Debeigreifen anf beide Crara
cerebri gestellt. Es kam zum Exitus; jedoch wurde die Section verweigert.
Endlich berichtet Verf. einen Fall von syphilitischer Ueningoencephalitis. Sine
25jährlg6 Frau, die vor 4 Jahren Syphilis acquirirt hatte, klagte Aber KopfBehmeraen,
Schwindel und Erbrechen. Trotz Quecksilber und Jodbebandlung kam es zü syphi¬
litischer Roseola. Jedoch brachte weitere energische Qoecksilberbehandlung
Besserung. Nach 6 Wochen Bflckfall mit Neigung zum Fallen nach rechts, Photo¬
phobie nnd Paraphasie. Der Kopfschmerz war jetzt am stärksten in der linken
Frontal- und Parietalgegend mit Dmckscbmerz daselbsi Deutliche beiderseitige
Stauungspapille. Die ganze rechte Körperbälfte, Gesiebt, Zunge, Arm und Bein, war
leicht paretiseb. Es wurde mit Sublimatinjectionen begonnen. Es kam im weiteren
Verlauf zu schuell vorObergehenden Anfallen von stärkerer rechtsseitiger Parese mit
Andeutnug von Aphasie. Alsdann besserte sich der Zustand unter hochgradiger
Salivation. Erst nach 6 Monaten kam es zu einem B&ckfall mit den alten Symptomen;
unter colossalen Dosen von Hydrai^. bichlorat snbentan nnd Einreibungen der Ell¬
bogen- und Kniegelenke, in denen Pat Aber Schmerzen klagte, mit Quecksilbersalben
kam es zwar zu allgemeiner Besserung; aber es entwickelte'sich eine Neuritis mer-
curialis an den Extremitäten. Unter Auslassung der Quecksilbei^räparate ond durch
elektrische Behandlung schwand anch diese, und es löm zur Heilung.
Der Sitz der Krankheit war mit Sicherheit in die linke Himbälfte zu verl^^n
und zwar in die oberflächlichen Partieen der Hirnrinde. Nur dnreh die Anwendung
ganz ungewöhnlich grosser Qnecksilberdosen — 10 Tage hinter einander. IVs K
Snblimat intramuskulär — gelang es, den verzweifelten Zustand zu bessern.
H. Botbmann (Berlin).
31) Agginnts alle Storla dl an oaao di malattia dl Brb. Nota per Prof.
Aagusto Murri. (Policlinico. 1897. Vol. IV—VII.)
Bei der 1896 vom Verf. veröffentlichten Patientin (Polidinico. 1896. Nr. 9 -
cf. Nenrolog. Centralbl. 1897. S. 269), die im Janoar 1896 starb, ergab die genaue
Untersuchung des Centrainervensystems: 1. zahlreiche Blutungen und Hyperftmie fbei
intacten Qefässen) im Himstamme, die Verf. — in Uehereinstimmung mit den Be¬
fanden des Bef. — als agonale auffasst; 2. in einem Pr^arate ans dem Hypo^ossus-
kem (Hämatoxylin) in einzelnen Zellen Kemchromatolyse (verwaschene Zeichnung
und Umgrenzung des Kerns). Er hält diesen letzten Befund zwar nicht für ein
charakteristisches Merkmal der „Erb’schen Krankheit'* (Myasthenia peeudoparalytica
gravis), aber doch fOr wichtig genug, um weiter darauf zu achten.
■g: i’od
Google
425 —
.Mit Becht beatraitet er die Beweiskraft der von Tidal und Harinesco ge*
fbudenen Chroinatolyeen in ihrem nicht reinen Falle (Kenrolog. Centralbl. 1897.
S. 509); aber Bef. mOchte doch anch Yerfs Befanden gegenOber an einem Cadaver,
der errt 6 Tage nach dem Tode obdncirt wnrd^ trotz aller Controllversnche, die
Verf. angestellt hat, scharf die Mdglicbkeit betonen, dass es sich am Ver&nderangeh
handeln möchte, die postmortal * sind oder doch mit der Krankheit nichts zn than
habeiL Tobj Cohn (Berlin).
22) Ein Fall von Myasthenia pseudoparalytioa gravis nnd intermlttirender
Ophthalmoplegie, von Ä. Enlenbnrg. Tortr^^ and Krankendemonstration
im Verein flir innere Hedicin am 6. Dec. 1897. (Deutsche med. Wochensohr.
. 1898. NM.)
Der 28jährige, aas geennder Familie stammende Patient hatte einige Monate
vor B^inn des Leidens eine Ualsentz&ndung „mit diphtherieartigem Belag"; keine
Lass, kein Alkohol* oder Tabakmissbrauch. Ende December 1894 trat ziemlich
plöt^ich Doppelsehen auf, wobei die Bilder, des rechten Auges bedeutend höher
standen, und gleichzeitig rechts vollkommene Ptosis; später gesellte sich links ein
analoger Zostand hinzu. Unter Jod* und Chiningebrauch schwand die „Uhmung“
bis Februar 1895 vollkommen. Ende November 1895 zeigten sich die Lähmungs*
Symptome ganz allmählich zum zweiten Male, und zwar soll der rechte Bectus ini
zuerst afficirt gewesen sein, dann successive die anderen Muskeln des rechten und
linken Anges. Wiederum völlige Genesung, so dass bei mehreren in der zweiten
Hälfte 1896 und der ersten Jahreshälfte 1897 vorgenommenen angenärztliohen Unter*
SQchungen normales Verhalten der Angenbewegnngen constatirt wurde. Seit Juni 1897
Unregelmässigkeit der Herzaction mit aufallsweiser Beklemmung. Anfangs Juli
Dipl^e bei seitlicheo Blickrichtungen und rechter Ptosis, in 2—3 Wochen Er*
griffensein faist aller äusseren Augenmuskeln. Die Ptosis war abwechselnd rechts
und links stärker. — Inunctionskuren und Thermalbäder in Oeynhausen hatten nur
geringen Nutzen, ja es stellte sich gegen Ende der Kur und nachher bedeutende
Schwäche' in Armen und Beinen (zuerst rechts) ein.
Status: Beiderseitige totale Ophthalmoplegiä exterior: die äusseren Augen*
mnskeln sind nicht alle in gleicher Intensität, anch zu verschiedenen Zeiten in leicht
wechselndem Grade befallen; beim Sehen in der Nähe gekreuzter in der Feme gleich*
mäseige Doppelbilder. Rechts Dilatation und trägere Beaction der Papille, weiss*
liebere Färbung der Papille ohne Functionsstörung (später reagirten die erweiterten
Papillen kaum anf Licht, links active Hyperämie des Opticus, die Doppelbilder
standen sich näher und rOckten ffir die Nähe bei einem Fass Entfernung znsammen).
Deutliche Adynamie im Gebiete beider Faciales, besonders an den Angenschliess*
mnskeln; Schwäche der Ksa*ZangenmaskelQ (ohne Atrophie), der Musknlatnr des
weichen Ganmens and der Schlingmnskeln. Links starke Herabsetznng des Gehörs
fhr tiefe Töne (Insnfficienz des Tensor tympani?). Wechselnder Grad von ErmOdbar*
keit und Mnskelschwäche an Bumpf and Gliedmaassen' mit anffallender Steigerung
der Mnskelsensibilität für elektrische, besonders faradiscbe Reiznng, and myasthe¬
nischer Beaction an den Streckmoskeln des linken Vorderarms, am rechten Extensor
ind. proprins, andentnngsweise anch an den rechten Interossei. Erhebliche, vorflber*
gehende Bessernng nach längerer Ruhe. Keine Maskelatrophie, keine Entartnngs*
reactioD, erhaltene Reflexe, intacte (s. o.) Sensibilität. Diagnose: Myasthenia pseudo*
paralytica. Auffallend ist das intermittirende oder periodisch recidi*
virende Auftreten der Ophthalmoplegie mit dazwischen liegenden
längeren, zum Theil mehr als einjährigen, symptomfreien Intervallen.
Verf. glaubt, dass der Erkrankung eine Stoffwechselanomalie zu Grande liegt,
dass die Mnskelschwäche, das Cardinalsymptom, durch Anhänfong von ermfldend
Dig ü^od Dy CjOO^Ic
426
wirkenden Stoffwecbselproducten, besonders muskelermüdenden Stoffen bedingt^ ist.
Therapeutisch steht zeitig kräftigende Diät und Körperruhe im Vordergründe, daneben
wären schwache galvanische Ströme, namentlich in aufsteigender Richtung durch den
Muskel geleitet, zu versuchen (Heidenhain’s recreirende Wirkung).
B. Pfeiffer (Cassel).
23) Ueber Myasthenia pseudoparalytloa gravis, von Toby Cohn. Vortr^
im Verein für innere Medicin am 12. Jnli 1897. (Deutsche med. Wochenschr.
1897. Nr. 49.)
Bei der 16jährigen, -nervös nicht belasteten Patientin trat im Februar 1893
plötzlich Doppeltsehen ein, dann kurzdauerndes Kopfweh. Dazu gellten sich all*
mählich Ptosis des linken, später des rechten Anges, Lähmung und Steifheit des
Gesichts, näselnde undeutliche Sprache, Äthemnoth bei körperlichen Anstrengungen,
Schluck* und Kaubescfawerden, sowie Schwäche in den oberen, zuletzt auch in den
unteren Extremitäten. Wernicke diagnosticirte eine chronische atrophische Spinal*
lähmnng mit Betheilig^ng der Himnerven (ev. amyotrophische Lateralsclerosis + Polio*
encephalitis sqperior) — vetgl. Dentsche med. Wochenschr. 1893. Nr. 46; Sitznngs*
bericht der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur.
Die Untersuchung in der Mendel'schen Klinik eigab folgende Anomalieen:
Nasale Sprache, etwas leichte und belegte Stimme. Fast complette, doppelseitige
Ophtbalmoplegia externa, bedeutende Kanmuskelschwäche, beiderseitige, fast totale
Lähmung der oberen und unteren Facialisäste, Parese des Palatum molle, Schwellung
des hinteren Larynx und leichte Schwäche der M. adductores laryngis — Anaesthesin
pharyngis et laryngis. Die etwas dünn erscheinende Zunge wird nur eine ganz
kurze Strecke herausgebracht. Athmnng: 30 pro Minute; Puls 82. Bedeutende
Schwäche der Nackenmuskeln und sämmtlicher Muskelgrnnppen an den Oberextremi¬
täten mit besonderer Beeinträchtigung der Armhebnng, namentlich in sitzender
Stellung. Aufricbten aus der Bettlage mit gekreuzten Armen unmöglich; mangelhafte
Hebung der Beine im Hüftgelenk. Geringe Spasmen, lebhafte Patellarreflexe. —
Schlaffheit der paretiscbeu Muskeln ohne deutliche Atrophie, ohne wesentliche elek¬
trische Veränderungen. 14 Tf^^e später plötzliches Zusammenstürzen in Asphyxie,
Exitus. — Wahrscheinliohkeitsdiagnose: amyotrophische Lateralsclerose mit hohem
Beginn, bezw. einer coniplicirenden Himstammerkankung.
Die genaue bidtologische Untersuchung — makroskopischer Befund normal —
ergab im gesammten Centralnervensystem Dilatation der Gefösse ohne Wandveränderung
und zahlreiche frische Blotnngen, namentlich im Himstamm, sonst keine Anomalieen.
Ganglienzellen intacti (Niss 1-Färbung).. Verf. fasst die Gefasserweiterungen und
Blutungen als agonal entstanden auf, „vielleicht begünstigt durch eine im Wesen
der Krankheit begründete, anatomisch nicht nachweisbare (toxische-?) Gefössalteration.**
Der Verf. zieht die Bezeichnung „Myasthenia pseudoparalytica gravis** den
anderen, zahlreich voigeschlagenen Namen vor. ' B. Pfeiffer (Cassel).
Psychiatrie.
24) Typhoid fever among tbe insane, by Ralph. A. Goodner. (Medicine.
Vol. III. Nr. 2.)
Verf. theilt, an der Hand einschlägiger Krankengeschichten, «eine Erfahrung
über den Einfluss des Typhus auf Psychosen mit Bei 40 Geisteskranken, die an
Typhus erkrankt waren, konnte er nach Ablauf des Fiebers theils vorübe^ehende
Besserung, theils dauernde Heilung beobachten, letztere 84^ar in Fällen von vorn¬
herein ungünstiger Prognose und hauptsächlich bei der Melancholie. Verf. ist der
,Google
427
Ansicht, da«8 Typhös viel seltener Geisteskrankheit hervorrult, als man gewöhnlich
glanbt. Wo es der Fall, ist es in der Regel die Folge secondärer körperlicher
Erschöpfung, nicht primärer Tozinwirkung. Erklärt wird dieser gbnätige Einfluss
des T;^hos durch seine Wirkung auf die Ei^eweide „by renovating and improving
tfae condition and functions of the intestines“. Bei den Melancholieen ist dieser
gönstige Einfluss am mächtigsten „as they commonly originate in derangement of tfae
gastro>entestinal tract“.
Nach der Ansicht des Bef. hält Verf. noch zu sehr an der Anscfaanung der
älteren Psychiatrie fest, wonach die Hämorrhoiden, die Stauungen im Phortader'
System, die „Verstimmungen“ der Unterleib^eflechte eine sehr grosse Bolle bei der
Entstehung von Geisteskrankheiten spielten. Gegenwärtig sieht wohl die grosse
Mehrzahl der Psychiater wenigstens bei frischen Geisteskrankheiten in den Verdauungs¬
störungen vielfach die Folge der psychisch bedingten Unr^elmässigkeit in der
Nahrungsaufnahme und nicht die Ursache der Psychose. Bayerthal.
26) Des psyohoaea religieoses a Evolution pr^ressive et ä systdmatisation
dite primitive, par Marie et Vallon. (Arch. de. Keurol. Vol. II. 1896.
Nr. 12. VoL m. 1897. Nr. 13 u. 15.)
Nach einigen Bemerkungen Aber den Einfluss des Milien auf den Inhalt der
Wabnideeen bei der chronischen Paranoia — die Wahnideeen im Mittelalter hatten
•in anderes Gepräge, wie die der Neuzeit — geht der Verf. zur Besprechung der
religiösen Form der chronischen Paranoia über. Er entwickelt zunächst die Unter¬
schiede zwischen den religiösen Wahnideeen der „persöcotös religieuz“ und der
„meiancholiques religieux“. Bei beiden Gruppen treten Beeinträcbtigungsideeen mit
religiöser Färbung auf; sie sind beide „Demonomanen“; während aber nnn die „mölan-
cboliques religieox“ vollständig von dem Teufel in Besitz genommen werden (Dömo-
aotnanie interne), wirkliche „possödös*' sind, leisten die „persdcutös religieux“ dem
bösen Geist Widerstand; derselbe gelangt gewöhnlich nicht in den Besitz ihres
Körpers (dömonomanie externe), wenn dies doch geschieht, so entledigen sie sich des¬
selben nach kürzerer oder längerer Zeit; sie gehen stets aus dem Kampf mit dem
bösen Geist ^ Sieger hervor. Dank einer gewissen mysteriösen Hilfe, deren gött¬
licher Ursprung sfch ihnen am Ende enthüllt.' Der Verf. bespricht dann die syste-
maüscbe Entwickelung der Krankheit, deren drittes Stadium die „Thöomanie“ ist,
(das Stadinm der Grössenideeen). Der Charakter der bei dieser Erkrankungsform
aoftretenden Hallncinationen, die verschiedenen Arten derselben, ihre Beziehung zur
Verdoppelung der Persönlichkeit werden an der Hand von zahlreichen Kranken-
beobachtungen eingehend geschildert. M. Weil (Stuttgart).
26) Belehrungm für das Wartepersonal an Irrenanstalten, von Schröter,
(Wiesbaden 1897.)
Das vorli^ende Büchlein ist als Leitfaden für die Unterrichtscurse des Warte¬
personals gedacht und vom Verf. an der seiner Leitung unterstehenden Anstalt
Eiehbeig als solcher gebraucht worden. Der Inhalt entspricht im Allgemeinen dem,
was auch an anderen Anstalten gelehrt wird; ob Abschnitt III mit einem kurzen
Abriss der Symptomatologie der Psychosen dem Intellect des Wartepersonals — wie
ich es kennen gelernt habe — noch adäquat ist, erscheint zweifelhaft Der Hinweis
auf die „socialdemokratischen Anschauungen, welche Freude au Klatschsucht, an
Verdrehnng der Wahrheit und internationaler Verhetzerei haben“, dürfte überflüssig,
die politische Stellung eines Wärters, so lange er in der Anstalt darüber nicht spricht
und seine Pflicht thnt, gleichgültig sein. Unzweckmassig erscheint, in einem für
\y.u : /c ;Google
428
Laien berechneten Buche von „Bisciplinirun^* eines Kranken (S. 21) zn reden. Im
Uebrigen enthält das Bnch, wie es ja bei der Person des Verf.’s als langjähriger
Leiter einer öffentlichen Anstalt selbstverständlich ist^ eine grosse Beibe practischer
Hinweise und Bemerkungen. Lewald (Eowanowko).
27) Detuc ezemples de la forme affeotive da d4Ure gdndralisA — Ver¬
wirrtheit (oonfüsion mentale), par Francotte. (Gand 1897.)
Terf. nennt „d41ire gönöralis^“ Zustände von Bewusstoeinstrflbnng, in welchen
Unorientirtheit Qber 'Zeit und Umgebung, mangelhafter Znsammenbang, ev'ent völlige
Incohärenz der m&ndlichen Aeuaserungen, sowie lUnsionen nnd Hallucinationen be*
stehen, also im wesentlichen Zustände, welche gewöhnlich als „Verwirrtheit“ be>
zeichnet werden. Yerf. unterscheidet im allgemeinen vom klinlsch'symptomatologischm
Standpunkt , ans je nach dem besonderen Hervortreten der betreffenden Erscheinui^en
das „dölire gÖDÖralisd hallucinatolre“ nnd das „d. g. affectif'; letzteres zerfällt wieder
in das „d. g. mölancboliqne ou däpressif“, in welchem der nnorientirte Kranke
„Ideeen . trauriger Natur äussert“, nnd das „d. g. maniaqne on expansif“, wobei
ausser der Unorientirtheit expansive Verstimmung und HyperacÜvität besteht. Zar
Ilinstration der beiden letzten Formen führt Verf. je eine ^obachtong an.
Kaplan (Henbei^e).
28) L’obaession de la rongeur (dreathophobie), par Pitres et Bdgis. (Arcb.
de Neurol. Vol. III. 1897. Nr. 13.)
Unter denjenigen Individuen, die znm Erröthen neigen, unterscheiden die Verffl
solche, die durch das Erröthen für den Moment in Verwirrung kommen, die aber
nicht mehr daran denken, sobald das Erröthen vorüber ist; diesen. Zustand nennen
die VerS. „drentbose simple“. Andere werden von der Idee, dass sie roth geworden
sind, bennruhigt and verfolgt, selbst in der intervallären Zelt, sie müssen daran
denken, und häufig bringt dieser letztere Umstand allein sie wieder zum Eiröthen,
das ist die „drenthose dmotive“. Bei einer dritten Gruppe gesellt sich zu dem un¬
angenehmen Gefühl über ihr Erröthen die beständige Furcht roth zu werden, und
zwar dermaassen, dass sie jeden Augenblick, bei allen ihren Handlangen sich ver¬
legen, beunmhigt und ängstlich zeigen; sie erröthen bei den geringsten Anlässen,
schon aus blosser Angst, dass sie roth werden könnten. Sie bringen die Idee, dass
sie erröthen müssen, gar nicht mehr los und leben beständig in der Furcht za
erröthen; bei ihnen tritt also das Erröthen als Zwangszustand auf, diesen Zustand
nennen die Verff. „Ereuthophobie". Diese „^euthose simple“ hat nichts Patho¬
logisches an sich. Unter der Gruppe der „äreuthose dmotive“ finden sich vorwiegend
junge Leute beiderlei Geschlechts, bei denen die Affectiou zur Zeit der Pubertät
anftritt, ferner Frauen im Elima^erium; bei diesen ist der Zustand nur vorüber¬
gehend vorhanden und verschwindet im Laufe der Jahre. Bei andereu' dauert er
fort, gleichsam einen Bestandtheil des Temperaments bildend; diese finden sich unter
den Individuen mit schwacher Coustitution; es sind Tuberculöse, Arthritiker, Nenro-
patheo. Die „Ereutbophoben“ sind constitntionelle -Nenrasthenikec, einige direct als
hereditär Entartete zu bezeichnen. Von dieser letzteren Gruppe haben die Verff.
8 Fälle beobachtet. An der Hand dieser wird die Entwickelung und Sjmptomato-*
logie des Leidens ausführlich geschildert. Die Verff. heben hmwor, dass die Fälle
erkennen lassen, dass bei der Entwickelung des Leidens das vasomotorische Moment,
die Tendenz znm Erröthen, welche gewöhnlich ererbt ist, die Scene eröfhet, dann
kommt das emotionelle Moment, das Gefühl der Verwirrnng und Verlegenheit, hinza,
dann erst das intellectuelle, die Zwangsvorstellung.
Den Schluss der Arbeit bildet eine psychologische Analyse der Affectkm, wdohe
die Verff. zu der Ansicht ffihr^ dass bei derselben die Emotion das fundamentale
und constante Element ist nnd nicht die Vorstellnng. M. Weil (Stuttgart).
Dig : /cd oy Google
429
HL Aus den Oesellsohaften.
Verhandlusgen dea 16. Ooxkgresaes fdr innere Medioin
vom 13.—16. April 1898 zu Wiesbaden.
Von Vortr^n nenrologisclien [nhaltes beben wir Folgende hervor:
Sdinger (Frankfurt a./M.): Experimentelle Erzeugung tabee&hnliober
Bfiokenmarkskrankheiten.
Wenn die Anforderungen, welche man an die Leistnng einer Nervenfaser stellt,
abDono hohe sind, dann jeicbt der normalerweise der Function gegenflberstehende
Sraats nicht ans, and es kann zn Zerfall der Faser kommen. Die sogen. Arbeits-
paresen sind dafür gnte Beispiele. Es kann auch — falls der Körper geschw&cht
»t — der normalen Function gegenüber der Ersatz angenügend sein. Dann wird
schon diese zu Faseruntergang führen können.. Der Vortr. hat an diese Iieitsätze
ukDüpfend schon vor Jahren eine Hypothese mitgeth^t, welche besagt, dasa viele
Nervenkrankheiten, insbesondere die der Neuritis und der Tabes nahestehenden so
IO Staude kommen, dass im durch Syphilis, Heredität u. s. w. disponirten Organismus.
der Donnalen Function ein ungenügender Ersatz g^enübersteht Ein besonders gutes
Beispiel für seine damals ausführlich erörterten Anmchten boten die BOckenmarkskrank»
bttten der Anämischen, denen er heute die bei Cachektischen, Carcinomatösen, Ad¬
dison 0 . 8. w. vorkommenden Affectionen anschliessi Der bis dahin nur klinisch ge¬
stützten Lehre hat er jetzt im Verein mit Helbing eine experimentelle Basis geben
können. Wenn man gesunde Batten lange schwer arbeiten lässig erkranken neben spur-
weisen Veränderungen in verschiedenen Theilen des Bückenmarks die Hinterstränge und
Hinterwurzeln ganz wie bei Tabes. Sie degeneriren progressiv. Viel schneller aber
kann man die tabesartigen'Veränderungen bekommen, wenn man die Thiere während
der ganzen Versucbszeit anämisch hält Das zu der Anämlsirung nach dem Vorgänge
Ton V. Voss iMnutzte Pyrodin erzeugt an sich so gut wie keine Vekänderungen.
Damit ist jedänfalls der sichere Nachweis erbracht, dass Hyperfunction,
auch relative, im stande ist Hinterwnrzelkrankheiten zu erzeugen. Für
die Anffassang und die Therapie der Tabes ergeben sich hier neue
Qeziehtspnnkte. Vortr. erläutert -an den einzelnen Tabessymptomen wie sie alle
in der Beibenfolge der Inanspruchnahme zu Stande kommen, wie die Function auf
knakhaftem Boden das Symptomenbild schafft Wie die wechselnde Beleuchtung
lonichst den Lichtreflex der Pupillen, die viel in Anspruch genommene Accommo-
dation später den mitsprechendeu Beflex zum Untergang bringt, wie die satischen
Apparate und die Sehnenreflexe früh leiden müseen und wie sich später auch die
rasistmiterM motorischen Neurone (Zangen und andere MuskelatropUeen) als ge-
sätidigt verratben. Oelegmitlicb, aber seltener werden sogar die Magen- und Herz-
Mrv«n geecbädigi Die Blasenlähmung &88t Vortr. ganz spedell als entstanden
dzieh in langes Bambaltmi auf. Sie lässt sieh vermeiden, ja es gelingt überhanpt
dm Fwtschreitmi der Ataxie und anderer Störungen Einhiüt zu gebieten, wenn man
dei Gmndsätz» entsprechend handelt» welche, die Fnnctionshypothese bringt Vortr.
bat, stit er so verfährt, nur noch ganz wenige Fälle. von Tabes schlechter werden
gvs^ea. Vortr. glaubt auch durch entsprechende Bathschläge an Syphilitische und
a solche, welche bereits EVflbsymptome der Tabes zeigten, dem Fortschritt da und
dort Einhalt geboten tu haben. Auf die therapeutischen Grundsätze wurde näher
«ingagangen und spedell davor gewarnt die jetzt viel getriebene Bewegungstherapie
ZBuwendea, wem man nicht durch ein gut gradoirtes Gewicht das Gewicht der
Beils aasgleichen kann. Jede Anstrragung kann bei Tabischen zum Verlust des
aBgeetrengten Neimms führra. Genaue Anamnesen zeigen, dass in ziemlich allen
VMi Vortr. beohac^eten F^n dw Anstrengung eine* verarsacb^de, bezw. ver-
Dig'V/od
Google
430
schlechtemde Wirkung zukam. Einige Beispiele erläutetn, dass isolirte Thsüe, eine
Pupille allein, die Anne, welche Krücken tragen u. s. w., erkranken können.
In der Debatte wies Vortr. darauf hin, dass das motorische Kenron zweifellos
resistenter sei, als das sensible, dass es dabei bekanntlich bei alten Tabesfallen ancli
erkranken könne. Schulze antwortend will er nicht leugnen, dass anch Gliflwirkui:^
da und dort yorhanden sein könne, aber er verlangt jedesmal den Kachweis, wie
viel dem Gifte und wie viel nur der Functionsweise an der Schädigung zukommt.
Einscblagende Versuche, die diphtherischen Lähmungen betreffend, sind im Gange.
Der von Stricker berichtete Fall von rasch eintretender Athemsohwftolie bei
einem Individuum mit angeborenem atrophischen Vagus findet ein Analogon in der
Friedreich’schen Tabes, deren Veränderungen Vortr. auffasst als zu Stande kommend
durch die Function des Gehens und Stehens bei Individuen mit angeborenem kleinen
Rflckenmarke. Das gleiche gilt' für die cerebellare Form der gleichen Krankheit, wo
mehrfach zu kleines Cerebellum gefunden worden ist Immer bandelt es sich, ganz
wie bei den Versuchsratten, um einen Fasemntei^ang, wo der normalen Function
ein ungenügeoder Ersatz gegenübersteht.
Discussion:
P. Jacob (Berlin) knüpft an die Bemerkungen Edinger’s an, dass bei der
üebungstherapie die grösste Vorsicht anzuwenden sei, um keine Ueberanstrengungen
hervorzufen. J. hat gelegentlich seiner Vorträge über dieses Thema nachdrücklichst
gerade auf diesen Punkt hingewiesen, und betont, dass die üebungstherapie nur
unter Aufsicht eines in derselben bewanderten Arztes vorgenommen werden sollte.
Während der ersten Wochen sollen die Glieder der Patienten theils passiv durch
geeignete Schwebevorrichtungen, Galgen u. s. w., theils activ durch die Hand des
Arztes gehalten und an die betreffenden Punkte die getroffen werden sollen, geführt
werden; und erst allmählich wird den Patienten eine gewisse Selbständigkeit ein¬
geräumt. Schliesslich betont J. noch, dass es zwar nicht unbedingt erforderlich,
aber aus den verschiedenen Gründen sehr zweckmässig ist, die Üebungstherapie an
geeigneten Apparaten anszuführen.
J. Gad (Prag): Fhysiologisohes aor Nenronlehre.
Vortr. hebt hervor, dass die neueren Bereicherungen unserer Kenntnisse von dem
feineren Bau des Centralnervensystems das wahre, physiologische Verständniss noch
wenig gefördert haben. Die ZaM der mit den histologischen Befanden vereinbarten
Erklärungsmöglichkeiten und Hand in Hand damit die Zuversicht auf eine schliess-
liehe Erklärung vieler centraler Processe sei zwar gewachsen, die Entscheidung
zwischen den verschiedenen Erklämngsmöglichkeiten zunächst aber erheblich erschwert
Hit den Collateralen namentlich sei der Hypothesenbildung Thür und Thor geöffnet
ünter allen ümständen müsse an .dem Grundsatz festgehalten werden, dass die für
die peripherischen Kervenfasem sicher nachgewiesene Doppelsinnigkeit der liOitungs*
nihigkeit im Centralnerven^stem Ünterbrechungen erfahre. Auf Grund physiologischer
Thatsachen tritt Vortr. dafür ein, dass die Nervenzellen des Centralnervensystems
Durchgangsorte der Erregung seien und doch io oder zwischen' ihnen Hindernisse
für allseitige Ausbreitung der Erregung gegeben wären. Vortr. vertheidigt zwar
gegen Kölliker seine AufTassung der Protoplasmafortsätze (zunächst der motorischen
Ganglienzellen) als erregungsleitende Gebilde, glaubt aber auf Grund physiologischer
Thatsachen (ebenso wie Ramön y Cajal auf Grund histologischer) anuehmen za
müssen, dass sie die Erregung (oder Hemmung) nur ihrer eigenen Zelle und deren
Azencylinderfortsatz übermitteln und nicht von ihr aus weiter tragen zu anderen
Neuronen. Die Spinalganglienzelle werde wahrscheinlich von der durch die sensible
Nervenfaser zugeleiteten Erregung durchsetzt und diese gelange erst durch Ver*
mittelung der Zelle zur hinteren Wurzelfaser, doch erscheine es deshalb nicht geboten,
erstere als Protoplasmafortsatz und nur letztere als Azeni^linderfortsatz zu deuten;
I Google
431
hierfOr fehle die faistologieche Orandlage. Vortr. discotirt ferner die mögliche Be-
deatoDg einiger seltener histologischer Befonde, so von CoUateralen an Axencylinder-
fortsätaen motorischer Nervenzellen; von langen Protoplasmafortsatzen dieser Zellen,
welche sich erst nach Krenznng in der centralen Commissar zu Dendriten auflösen;
sowie von* CoUateralen der Vorderseitenstrangfasem, welche sich in den Hintersäulen
n Endbäumchen anflösen, um sich mit solchen von hinteren Wnrzelfasem zn ver-
seluinken.
. Oscar Wyss (Zürich): tJeber aoute bämorrhogisohe Uyelitis.
Vortr. berichtet über eine klinisch and makroskopisch anatomisch als acute
hämorrhagische Myelitis zn dentende Erkrankong, in welcher durch genaue histo¬
logische Untersnchnng nachgewiesen werden konnte:
1. die dnrch die ganze Länge des Bflckenmarks verbreiteten, in dessen Mitte
niazimslen Blntextravasate sind bedingt durch vielfache Venenthrombosen der Venen
des Rückenmarks, sowie znm Theil auch der Pia;
2. der sichere Nachweis, dass die Thromben intra vitam existiren, ist durch
a) die steUenweise reichlichen hyalinen Thromben in kleineren GefäsSen,
b) durch Blutplättchenthrombeo und geschichtete Thromben io grGsseren,
e) durch Reaotionserscheinnngen seitens der GeHisswaadungen (Leukocyten-
Infiltration der letzteren; Imigration von Leukocyten in den Thrombus von der Veneo-
waod her) geleistet;
3. die Thrombosen und die Blutextravasate sind die Ursache der Rückenmarks-
erweidmng, bezw. sogen. Myelitis (hoc loco im anatomischen und klinischen Sinne);
4. als Ursache der Bückenmarksvenenthrombose ist, da die Arterien an der
Occlnsion sicht participirten, ein vorhandenes Neoplasma, ein Gliosarcom der Rücken-
markssobstanz anfzufassen, das das Rückenmark an einer umschriebenen Stelle com-
primirte und theilweise auch zerstürt hatte;
6. der Tumor selbst war derart* von thrombosirten Gefassen und Blutextravasaten
darchsetzt, dam seine makroskopische Erkennung unmöglich, und sogar seine mikro¬
skopische Diagnose sehr erschwert war. Die Klarlegung des Falles ist nur der
modernen histologischen Färbetechnik und Serienschnitten zn verdanken.
Jacob (Berlin): Ueber DuralinfUsion.
Im Jahre 1891 hatte Quincke auf dem 10. Congress für innere Medicin über
ein neues Verfahren berichtet, nach welchem es ihm gelungen war, dnrch Einstich
in den Rflckenmarkscanal die darin beSndUche Flüssigkeit zu entleeren. Diese von
Qainke als Lnmbalpunction bezeichnete Methode ist während der letzten Jahre von
dm meisten Kliniken anfgenommen worden und hat wichtige diagnostische Äuf-
ächldsse ergeben; dag^n hat dieselbe therapeutisch nur wenig geleistet Um letzteres
zu erreichen bat Vortr. seit 2 Jahren Versuche ausgeführt und berichtet über die¬
selben. Diese Versuche bezwecken zunächst, genaueren Aufschluss über die Druck-
verhältnisse zn erheben, welche in der Himrückenmarkshöhle unter normalen wie
pathologischen Verhältnissen bestehen.
Es ergab sich, das« m gelingt> bei normalen Thieren grosse Mengen von Flüssig¬
keit in die Himrückenmarkshöhle zn infundiren, ohne dass irgend welche erhebliche
Störungen danach eintreten. Ans diesem Gmnde wird die von dem Vortr. als Dural-
mfumon benannte Methode in manchen Fällen von Himhautentzündnng u. s. w.
Ofinatigea leisten können, nm so mehr, als wie aus einer zweiten Reihe von Ver¬
suchen hervorgeht, es auch gelingt, direct medicamentöse Stoffe in den Subarachnoidai-
num zu bringen. Die Versnche wurden bisher grösstentheils an Hunden ausgeführt;
doch glaubt der Vortr. dieselben soweit abgeschlossen zn haben, dass er die An-
venduog der Methode auch in den diesbezüglichen KrankheitsHillen beim Menschen
empfehlen kann.
Dig ü^cd oy Google
482
Sternberg (Wien): lieber dieLfthmungen des äuisereiLAooeesoriiisttstes.
Qraaue EeoDtnifis der Nerven, welche die Halsmuskeln versorgen, ist fOr die
Beortheilong der Lähmungen und die Diagnose vieler Bflckenmarkskrankheiten äusserst
wichtig, lieber die Verhältnisse im Gebiete des sogen, äusseren Astes dos N. acces-
sorius besass man nun bisher keine gesicherten Kenntnisse, weil die massgebendsten
Forscher ihre Schlösse nur aus klinischen Beobachtungen abgeleitet und wider*
sprechende Besultate erhalten hatten. Vortr. hat Experimente an Affen angestellt..
Die seit 2 Jahrhunderten rätbselbaftS „doppelte“ Innervation des Stemocleidomastoideus
durch den Accessorius und die Cervicatnerven klärt sich dahin auf, dass der Acces*
sorius die motorische, die Cerviceläste die sensible Innervation dieses Muskels be¬
sorgen. Der Trapezius wird von beiden Nervenästen piotorisch versoi^ Neue
Beobachtungen des Vortr. bestätigen die Ansicht Bemak’s über die Vertheflung der
Nervenfasern in diesem Moskel, insbesondere ein Fall von Lähmung, die dadurch
entstanden war, dass ein'Kind zum Scherze am Kopfe in die Höhe gehoben wurde.
Kohlrausch (Hannover): Heber Aufisahme photosraphieohet Bilder¬
reihen vom Gange nervenkranker Personen nnd deren Wiedergabe daroh
Projeotion.
Die vorzuföhrenden Bilderreihen sind mit einem vom Vortr. öonstniirten Apparat
in grossem Format auf 26 Platten (9X12 cm) aufgenommen und werden in gleicher
Tactfolge, wie bei der Aufnahme, wieder auf die Leinwand projicirt So werden die
Eigenthömlicfakeiten der Gangstörui^n verschiedener Krankheitsformen, Tabes dors.
in verschiedenen Stadien, Herdsclerose, Schüttellähmung u. a. m. an überlebensgrossen
Figuren sichtbar gemacht. Vortr. verdankt diese Anregung Herrn Prof. Hitzig (Halle).
Der Anfnahmeapparat, ursprünglich für physikalische Untersuchungen nnd zur
Zerlegung turnerischer Bew^ungen hergestellt (auch solche turnerischen Bewegungen
werden vorgeführt), ist zur Untersuchung kurzer periodischer Bewegungsvoigänge,
wie des' Doppelscbrittes eines Kranken, besonders geeignet, weil die Bilder ver*
hältnissmässig gross und detailreich werden, nnd weil die Aufnahme in völligem
Gieichtact erfolgt. Er ist älter als der Kinematograph, der die grössere Zahl von
Bildern vor jenem voraus hat, also für länger dauernde Bewegnngsvoigänge besser
geeignet ist, aber sehr viel kleinere Bilder. liefert nnd keine Gewähr für gleich*
mässige Tactfolge bietet
Die Aufnahmen erfolgen bei dem Apparat vom Vortr. auf rotirenden Platten
hinter rotirenden Objectiven, die Wiedergäbe geschieht vermittels rotirenden Lichtes
durch Diapositive, die im Kreise fes^estellt sind. Der Projectionsapparat ist äusserst
einfach construirt (auch die Auswechselung der Bilderreihen ist leicht und schnell
zu bewerkstelligen) und würde sich besonders zur Demonstration der Gangstörnngen
beim klinischen Unterricht ei^en, da die Bilder sehr gross, klar und detailreich
sind und in Folge der Herstellung der Diapositive ruhig liegen.
Vortr. denmnstrirte seinen Apparat am 16. April im Kurhause etwa 60 Mitgliedern
des Congresses.
6. Laquer (Wiesbaden).
Um EinBendnng von Separatabdrücken an den Herausgeber wird gebeten'.
Einsendungen für die Bedacfion sind zu richten an Prof. Dr.E.Mendel,
Berlin, NW. Schiffbauerdamm 20.
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I. Origlnalmlttheilungen. 1. Beitrag zuin Faserverlaof der Hinterwurzeln im Cervical-
marke des Menschen, von Oocent Dr. Karl Schaffer. 2. Nervenendigung in den Central¬
organen, von Dr. med. Leopold Auerbach, Nervenarzt zu Frankfurt a./M.
il. Referate. Anatomie. 1. De oorsprong der motorische oogzenurven bij de vogets,
door Jelgerstna. 2. Ueber die Ziele der modernen Ncrvenzelleoforsehungen, von Goldscheider
und Fiatau. — Experimentelle Physiologie. 8. La non-eqnivalence des deuz hemi-
spberes cerebranx, par Klippel. 4. The vaso-constrictor fibres of the great auricnlar nerve in
toe rabbit, by Fletcher. 5. Der Einäass des Quecksilbers auf das Nervensystem des Kaninchens,
ton Brauer. 6. Ueber Bogengänge und Raamsinn. von Breuer. 7. Salle funziuni dei canali
bcmicircolari, per Lugarl. — Pathologische Anatomie. 8. Ricerohe solle lesioni delle
fibre nervöse spinal! nelle psiconevrosi acute e contriboto anatomien allo studio della paralisi
spinale spastica, per Donaggio. 9. Solle alterazioni delle cellole nervöse dell’ asse cerebro-
spinale consecutive all’ inanizione, per Ganfini. 10. Cbanges in the central nervous system
after aseptic injury, by Sailer. — Pathologie des Nervensystems. 11. Patogenesi e
semeioiogia della vertigine, per Sllvagni. 12. Einige Bemerkungen zur Lehre vom Obren-
Schwindel, von Ebstein. 18. Ueber einen typischen Fall von .Meniere’scher ASection. —
Heilnng, von Bing. 14. Les hydrocephalies, pur d'Astros. 15. Sarcoma della fossa crauicu
posteriore destra con idrocefalo o scolo di liquido cerebro-spinale del naso, per Campo.
16. Chronic hydrocephalus treated by intercranial drainage, by Sutherland. 17. Ein Beitrag
za den selteneren Fällen der Sehstömngen bei intracraniellen Erkrankungen, von Uhthofi.
18. Die Bedeutung der Äugeustörungen für die Diagnose der Hirn- und Rückenmarks-
krankbeiten, von Schwarz. 19. Ein transparenter Kugelpcrimeter aus Celluloid für den Hand¬
gebrauch, von Ascher. 20. Coutributo allo studio delle paralisi alternanti dei muscoli uculuri,
per Mingazzini. 21. Remarques sur quelques troubles oculaires depeudant de l'etat general,
par Berger. 22. Zur Symptomatologie der Augenmuskellähmungen, von Sachs. 23. Augeu-
maskellähmongcn durch Geschwulstmetastasen. von Elschnig. 24. Doppelseitige congenitale
externe Ophthalmoplegie, von PflDger. 25. La dissocintion de la visioii binoculaire cbez
qoelqnes strabiques et quelques hysteriques, ä propos d’un cas d’amaurosc nionocolaire
bvsterique, pur Antonetli. 26. Ueber Paralysis agitans und ihre Bebandlnng, von Erb.
27. Puralysis agitans und Senilität, von Sander. 28. Paralrsis agitaus at thirty-four years
of age, immediately following typhoid fever, by Fry. 29. Ueber das Zittern bei Paralysis
agitans, von Gerhardt. SO. Tremor ten gevolge van induenza, door de Buck en de Moor.
31. Psychro-aesthesia (cold sensations) and psychru-ulgia (cold pains), by Dana. 32. ^n-
Beitrag zu den primären corobinirten Systemerkrankungen im Kindesalter, von Luce.
33. Ueber amyotrophiscb-paretische Formen der combinirten Erkrankungen von Nervenbahnen
(sog. primäre combinirte Systemerkrankungj, von Pal. — Psychiatrie. 34. La copfnsion
mentale primitive et secondaire, par. de Moniyel. 35. Acute hallucinatore waanzin, genezen
door cataractextractie, door Meljer. 36. Een paar gevallen van periodische Krankzinnigheid,
door van Kip.
III. Aus den Gesellschaften. Unterelsässischer Aerzteverein in Strassburg. — Gesellschaft
der Neoropathologen und Irrenärzte zu Moskau.
IV. Bibliographie: Gehirndurehsebnitte zur Erläuterung des Faserverlaufs, von Nebelthau.
V. Mittheilung an den Herausgeber und Erwiderung darauf.
VI. Vermischtes. XXlli. Waiidetversammlung der südwestdeutschen Neurologen uud
Irrenärzte.
28
DigiVrcd oy Google
434
I. Originalmittheilungen.
[Aus der Nervenabtheüung und dem histolog. Laboratorium des städtisohen
Sichenbauses „ Elisabeth in Budapest]
1. Beitrag zum Faserverlauf der Hinterwurzeln im
Cervicalmarke des Menschen.
Von Docent Dr. Earl Sotaaffer, Ordinarius der Abtheiinng.
Die Fr^e über den Aufbau der Hinterstränge, speciell über die Rolle der
Hinterwurzeln ist, trotz der sich immer häufenden so experimentellen wie
pathologisch-anatomischen Forschungen, in all ihren Einzelheiten noch nicht
gelöst Die fundamentalen Arbeiten von Simqsb und Mürzes, von Kahles
und Pick, welche eine erfreuliche Bestätigung durch die Mittheilungen von
SoTTAS, Pfeiffeb, Souques u. A. gefunden haben, entheben uns allerdings
nicht der Aufgabe, Fälle von reinen Wurzelläsionen beim Menschen zu bearbeiten,
um dadurch die Kenntniss über die Antheilnahme der dorsalen Wurzeln im
Aufbau der Hinterstränge zu vertiefen. Im llachfolgenden wiU ich eben über
zwei Fälle von Wurzelerkrankung berichten, welche sehr geeignet sind, einen
Beitrag zur oben angeföbrten Frage zu liefern; vorangehend sei mir jedoch
eine kurze Bemerkung über die Forscbungsmethoden des fraglichen Themas
gestattet.
Die Erschliessung des Aufbaues der Hinterstränge geschah lediglich mit
Hülfe zweier Methoden. Die ältere, in ihren Resultaten jedoch noch nicht ab¬
geschlossene Methode ist die Markscbeidenentwickelnng Flechsiges, welche in
den Hintersträngen je nach der Reihenfolge der Medullarisation sich abgrenzende
verschiedene Territorien ergab.^ Nachdem die wesentliche Antheilnahme der
dorsalen Rückenmarkswurzeln im Aufbau der Hinterstränge genügsam bekannt
ist, so steht es wohl ausser allem Zweifel, dass die nach gewissen Arealen sich
vollziehende Medullarisation der Hinterstränge gleichbedeutend ist mit der, in
gewissen Portionen der dorsalen Rückenmarkswurzeln ablaufenden Markscheiden¬
bildung. Die Mjelinisation stellt somit einen electiven, weil gesetzmässig
auf bestimmte Wurzelabschnitte i. e. Hinterstrangstellen sich beschränkenden
Vorgang dar, von welchem in manchen Punkten die Resultate der soeben zu
erwähnenden zweiten TJntersuchungsmethode abweichen. Letztere besteht darin,
dass entweder experimentell mit dem Messer am Thiere, oder durch einen
circumscripten pathologischen Process am Menschen (carcinomatöse oder tuber-
* Besonders Flechsig: Ist die Tabes eine SystemerkrankaogP Neorolog. Ceotnl-
blatt. 1890.
Google
485
colöse UmwacbsuDg und schliesslich Krstickung der HinterwuTzeln) die dorsalen
Roekenmarkswaizeln zerstpöit werden und durch die darauffolgende secundäre
Degeneration der intraspinale Verlauf sichtbar gemacht wird (SmosB, Sdyoeb
a Müxzeb, Kaht.fr u. Pick, Schultzb, Tootb, Sottas, Souques, Dejebine,
Pfeiffeb, C. Mayeb u. A.)*
Sollen wir nun in Flechsiu’s Zonen gewisse Systeme erblicken, welche
ins dem gesammten sensiblen System ln Folge des electiven Vorganges der
Hyelinisation sich herausbeben, und welchen eventuell gewissermaassen differente
physioli^che Leistungen zukommen (V), so erscheint die experimentell-patho¬
logische Methode, wie ans Obigem ersichtlich, nur zur Feststellung der Topo-
mpbie der Wurzelantheile der Hinterstränge. Beide Methoden haben ihre Be-
leehtigoDg und Nutzen; insbesondere ist die experimentell-patholc^ische Methode
in Folge ihrer einfachen und präcisen Resultate in erster Linie dazu geeignet,
ans über die Bolle der dorsalen Rückenmarkwurzelu im Aufbau der Hinter-
^tnnge einen klaren Einblick zu verschaffen.
Fall 1. Bei der TOjährigen Frau lautete die Diagnose auf Pacbymenin-
däs cervicalis. Die Section ergab eine, der dorsalen Fläche der spinalen Dura
aitlang der obersten drei Dorsalwurzeln anhaftende tuberculöse Granulation
;s.Rg. 1), sowie eine Verdickung der Dura. Die zweite und dritte Dorsalwurzel
l'eiderseits ist zwischen dem Spinalganglion und dem Duralsack in ein dickes
Giaaulationsgewebe ebenfalls tuberculöser Natur eingebettet Dementsprechend
vTscbeiaen die 2. und 3. hintere Dorsalwurzel bereits makroskopisch abgeplattet,
relblich durchscheinend, total degenerirt (s. Fig. 1), während die Vorderwurzel
deiselben Höhe mikroskopisch eine Entartung viel minderen Charakters zeigt,
näoüich stellenweise hochgradige Varicosität und Myelinscbolleu nebst dilatirter,
prall gefüllter Gefasse, central in der motorischen Wurzel liegend.
Dieses Bild entspricht wohl sicher der von Bbegmamn, Dabksouewitsch,
C. Mateb ü. A. beschriebenen aufsteigenden Degeneration der motorischen Hiru-
Hockenmarksnerven. Mikroskopisch zeigt das Rückeumark in der Höbe zwischen
i- Dorsal- und 8. Cervicalwurzel ganz beginnend-myelitische Veränderungen:
fas Mark ist diffus, auf dem ganzen Querschnitt blasig gedunsen, Gefasse prall
gefüllt, stellenweise erscheint die weisse Substanz siebartig durchlöchert Von
‘fer 8. Cervicalwurzel aufwärts hören aber diese Erscheinungen vollkommen auf,
graue wie weisse Rückenmarkssubstanz erscheint vollkommen intact, ab-
gesehen von jenen secundären Veränderungen in den Hintersträngen, welche
un der totalen Degeneration der 2. und 3. sensiblen Dorsalwurzel sich ergeben
müssen. Wie ein Blick auf die Figg. 1—4 lehrt, so erscheinen in den Hinter-
ftrangen rechts und links symmetrisch gelegene Degenerationsstrejfen, welche,
im oberste Dorsalmarke noch dem Apex des Hinterhorns anli^end, aufwärts
median gelagert sind. Des Näheren gestaltet sich der Verlauf des ent-
iiteten Streifen folgend:
2. Dorsalworzel. (Fig. 1.*) Der Spitze des Hinterhorns liegt beiderseits
' Simmtliehe Figaren lind nach Wbiobbt behandelten Präparaten gezeichnet.
28 *
D,..,Google
436
ein schmaler lichter Streifen an, welcher aus, au markbaltigen Fasern armem
Gewebe besteht. Diese Stelle entspricht der sogen. Wurzelzone.
ö. Cervicalwurzel. (Fig. 2.) Der degenerative Streifen hat eine auf¬
fallende Verschiebung medianwärts erlitten, indem derselbe hart an das Septum
paramedianum gerückt ist, von welchem es an der dorsalen Peripherie des
Hinterstranges nur durch einen kleinen dreieckigen Zwickel markhaltigeu Ge¬
webes (r) getrennt ist. Der Streifen hat die Form eines schwach gekrümmten
Bogens, dessen Convexität einwärts gerichtet ist und dessen zwei Enden schwach
keulenförmige Anschwellungen aufweisen. Der dorsale Keul des entarteteu
Streifens reicht bis au die dorsale Peripherie des Hinterstranges, während der
ventrale Keul den lateralen Theil der hinteren Commissur streift. Aus dem Ix^u-
Fig. 1. Dh — hyperplastische Dura,
A = Arachuoidea, « = degeuerirte sensible
Wurzeln, m = aufsteigend entartete muto-
rische Wurzeln, T= tuberculöse Granu¬
lation.
förmigen Verlauf wird es verständlich, dass der Scheitel des entarteteu Bogens
fast au den mittleren Theil des Septum paramedianum heranrückt, während
die abgekrümmten, keulenförmigen Endstücke bereits im medialen Abschuitte
des sogen BuRDACH’schen Stranges zu liegen kommen.
5. Cervicalwurzel. (Fig. 3.) Der d^enerative Streifen behält seine Po¬
sition, nur seine Form ändert sich, indem der Scheitel des Bogens sich aus¬
wärts krümmt, somit mit seiner Convexität nun auswärts blickt. Die knopf-
förmigen Eudanschwelluugen nehmen beinahe denselben Platz ein wie in der
Höhe der 8. Cervicalwurzel, nur mit dem Bemerken, dass der dorsale Keul das
Septum paramedianum so zu sageu berührt, während der ventrale Keul niil
seiner schwanzähnliehen Verjüngung dem Septum mediauum beinahe auüegt
Somit erscheint, Alles in Allem, der degenerative Streifen in dieser Höbe nocl
mehr mediauwärts gerückt.
2. Cervicalwurzel. (Fig. 4.) Die degenerirte Zone liegt dem flaschen
förmigen GoLL’schen Strang eng an, hat die Form eines auswärts convexei
Bogeus, welcher mit seinem dorsalen Ende die hintere Peripherie des Hintei
Fig. 2. z = markbaltiges Gewebe.
D f; 1/ i ,,y Google
437
Stranges •erreicht, während sein ventrales Knde dem Septum, mediamim post,
geh eoe anschmiegt und die hintere Commissur streift.
.Ausser der soeben geschilderten aufsteigenden Degeneration liess sich
im vorliegenden Falle auch eine absteigende Entartung wahrnehmen, welche
darin besteht, dass in der Höhe der 4. Dorsalwnrzel in beiden Hintersträngen
symmetrisch gelegene, schwache Entartung zeigende Stellen sich vorfinden,
»eiche genau dem ScHULTZB’scheu Komma entsprechen (s. Fig. 5). Tiefer liess
ach diese Degeneration nicht verfolgen.
Das kurze Kesumä des vorliegenden Falles lässt sich im Folgenden geben:
.Auf die Läsion der 2. und 3. Dorsalwurzel durch Unwucherung mittelst
töberculOser Granulation entsteht die totale Entartung der genannten Wurzeln
und zwar nicht nur in deren extraspinalen, jedoch intraduralen, sondern zu¬
gleich in dem intraspinalen Verlauf derselben. Die intramedulläre Wurzel-
d^neration giebt sich in der Hohe der 2. Dorsalwurzel durch ein, die Wurzel-
Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5.
Zone uccupireudes, degeueratives Feld kund, welches in den höheren Etagen in
Fonn eines bugenartigen Streifens entlang der ganzen Dicke des Hinterstrauges
unmer näher dem Septum paramedianum, somit einwärts rückt, und letzteres
iD der Höhe der 5., noch mehr aber in jener der 2. Cervicalwur/el auch er-
rachL Somit erscheint der GoLL’sche Strang vou der 5. Cervicalwurzel ange¬
fangen aufwärts von einem Saum degenerirten Gewebes umrändert, jedoch. sei
hier hervuigehoben, dass der entartete Saum nicht absolut degenerirt erscheint,
da er in sich noch, wenn auch etwas spärlich, gesunde markhaltige Fasern
liirgt. Die geschilderte Wurzelläsion Ist auf die Streke von einer Wurzel auch
abwärts von absteigender Entartung gefolgt, welche dem Typus der Schultze-
!^D kommaformigen Degeneration genau entspricht.
Fall 2. Im Rückenmarke eines dementen, an pnralytiformen Krämpfen
leidenden Individuums fand ich nach Härtung iu MüLLER’scber Flüssigkeit die
grane Degeneration der rechten 7. Cervicalwurzel und zwar iu deren extra-
wie intruduralen Theil, worauf eine typische aufsteigende intraspiuale Wurzel-
degeneratioD im rechten Hinterstrange entstand. Die Einzelheiten des Falles
lassen sich in folgender Weise darstellen:
Der extradurale Theil der 7. rechten Cervicalwurzel (s. Fig. 6) zeigt voll¬
kommen normale vordere Wurzel, während die hintere Wurzel theils gesund.
Dl; : i ^vGooglc
438
theils entartet erscheint Die WEiOEBT’schen Präparate demonstriren dieses
Verhältniss kl^; die kleinere Hälfte der hinteren Wftrzel, welche durch önen
starken Zug fibrösen Gewebes von der grösseren Hälfte getrennt ist, zeigt nur
äusserst spärlich schwsrzgefärbte Ringe, ist so zu sagen leer {Rps)^ während die
grossere Hälfte mit, wenn auch etwas schwächer, geschwärztem Marke wie nor¬
mal besäet ist, ausgenommen ungefähr ein Viertel, welches durch ein etwas
stärkeres Septum getrennt, gleichsam halb sklerosirt erscheint Somit können
wir in der hinteren Wurzel drei Zonen dem Markgehalt entsprechend unter¬
scheiden. Auf eine grosse Zone beinahe gesunden, markhaltigen Gewebes {Rp)
folgt, ein kleiner Abschnitt mit Torgescbrittener Sklerosirung, hierauf erscheint
eine dritte Zone, deren Sklerose als beendet betrachtet werden kann. Die theil-
weise Entartung der hinteren Wurzel ist somit klar, nur fragt ^ sich, da im
vorliegenden Falle keine, die Wurzel grob makroskopisch treffende Ijäsion sich
constatiren liess, welchen Ursprunges die Wurzelsclerose ist Zur Beleuchtung
Pig. 6. Ra = vordere Wnrzel, Rp = hio- Fig. 7. Rp$ = shlerotischc hintere WnrzeL
tere Warzel, deren gesunde Hälfte, Rp» =
sklerotische Hälfte der hinteren Wurzel.
dieser Frage verfertigte ich aus denselben Schnitten mit Hämatoxylin-Eosiu ge¬
färbte Präparate, welche mir klar nachwiesen, dass um die Wurzel herum, be¬
sonders in den Bindegewebsspalten, eine reichliche Ansammlung von Ruudzellen
sich vorfiudet, die Gefasse prall gefüllt sind und mit verdickter Wand erscheinen.
E^entliche Zeichen einer Entzündung fehlten. Somit wiesen die Hämatoxylin-
Eosin-Präparate einen chronisch-hyperplastischen Process in Peri-, Meso- und
Endoneurium nach, vou welchem sich die consecutive Entartung der Wurzel
ohne Zwang ableiten lässt Dieses Bild stimmt nach Obigem vollkommen mit
jenem überein, welches J. Naoeotte^ für die tabische Wurzeldegeneration als
charakteristisch und pathogenetisch beschrieb. Verfolgen wir die soeben ge¬
schilderte extradurale Wurzeldegeneration aufwärts.
Höhe der 7. Cervicalwurzel. (Pig. 7.) Heller Fleck in der Wurzelzone
rechte, welcher sich somit der Spitze des rechten Hinterhorns eng anscbmiegt.
5. Cervicalwurzel. (Fig. 8.) Im rechten BuuDACH’schen Strang findet
sich ein degenerativer Streifen vor, welcher in der Form eines schwach ge-
' La leeiou primitive du tabes. Paris. Steiubeil, Miteur, 1895; sowie; Etode aur an
ras de tabes uniradiculaire cbez un paralytique g^ndra). Revue Neurolog. 1896.
Google
439
krümmten B<^ens von der Gegend der Wurzelzone ventralwärts zieht. In
äonem dorsalen Ende ist er vom Septum paramedianum durch einen breiten
Zwickel normalen f markhaltigen Gewebes getrennt, der Scheitel des Bogens
Terläoft, ohne das Septum paramedianum zu erreichen, im BuBDACa’scheu
Stange, seine Spitze reicht bis an die hintere Commissur heran.
4. Cervicalwurzel (Fig. 9.) Lagerung des degenerativen Streifens wie
obra. Bemerkenswerth ist der gleichfalls breite Zwickel zwischen dem Septum
Fig. 8. Fig. 9.
paramedianum und dorsalem Ende des lichten Streifens, welcher im weiteren
Teriaof auch getrennt bleibt vom paramedianen Septum.
2. Cervicalwurzel. (Fig. 10.) Der degenerative Streif berührt den dor-
äleo Rand des Hinterstranges nicht mehr, da er in dieser Höhe nur mehr das
mittlere und ventrale Drittel des BuBDACH’schen Stranges ocöupirt, wobei er
»:> lateralwärts vom inneren Rande des Hinterhoms, wie auch vom GoLL’schen
Strange getrennt bleibt.
Fig. 10.
Fig. 11.
Gleich wie Fall 1 weist auch dieser Fall eine ScHCLTzs’sche absteigende
kommaförmige D^eneration auf (s. Fig. 11) und zwar auch nur eine Wurzel-
läog« abwärts. Fernerhin möchte ich hierorts ebenfalls constatiren, dass der
degenerative Streifen nicht als absolut markloses Gewebe erscheint, sondern
»>riich zerstreute normale Fasern enthält.
TJeberblicken wir nun die oben kurz angeführten Einzelheiten zweier Fälle
isolirter Wurzelläsion, so müssen wir vor Allem als allgemeinste Thatsache
berrorheben, dass bei Läsionen der obersten Brüste wie untersten Halswurzel so
DIm
.Google
440
iE auf- wie absteigender Richtung eine intraspinale Degeneration erfolgt. In
erster Linie sei die absteigende Degeneration erwähnt.
Wie bekannt, wird der in den Hintersträngen bei Querläsionen des Rücken¬
marks vorkommenden absteigenden Entartung seit den Arbeiten von Westphal,
ScHULTZB, Kahler und Pick gebührendes Interesse zugewendet; die neuesten
OoLGi’schen Forschungen, welche die Y-Spaltung der Hintenvurzelfasern er¬
schlossen, erleichterten das Verständniss dieser Degeneration. Doch sei vorweg
hervorgehoben, dass die absteigende Hinterstrangsentartung in mehreren Formen
erecheint; als sichergestellt sind zu betrachten die ScHüLTZE’sche kommaformige
Degeneration, sowie die Entartung des ovalen Hinterstrangsfeldes. Eine gelungene
Zusammenstellung dieser Arten der Degenerationen findet sich bei Redlich^
vor, weshalb auf diese Quelle hingewiesen sei. In meinen beiden Fällen fand
sich jene Form vor, welche wir die ScHULTZB’sche Degeneration nennen. Es
sei mir daher erlaubt an dieselbe anknüpfend, nur soviel zu erwähnen, als auch
meine Fälle dazu geeignet sind, einen Beitrag zu der erwähnten Entartung zu
liefern.
Die Frage über die kommaformige absteigende Entartung der Hinterstränge
harrt noch einer einheitlichen Auffassung, da ein Theil der Autoren meint, die
genannte Entartung wäre von einer Läsion der grauen Substanz und nie von
einer Wurzelläsion abhängig, während Andere eben aus letzterer die erwähnte
Erscheinung ableiteu. Schültze, der Entdecker, meint, dass die Degeneration
den absteigenden Schenkeln der Hinterwurzeln entspreche, welcher Auffassung
ich mich bereits im Jahre 1894 gelegentlich der Untersuchung eine Falles von
Querläsion des Rückenmarks ‘ anschloss. Damals erschien mir die absteigende
Degeneration, auf Grund von Erwägung der modernen anatomischen Thatsachen,
nur durch die Läsion von Wurzelfasern erklärlich, obschon mein Fall einen
directen Beweis hierzu nicht lieferte. Dieser hätte vielmehr zur Stütze der
ersteren Auflassung dienen können, wonach nur die Affection der grauen Sub¬
stanz von der absteigenden Entartung gefolgt sei. Nicht allein Dejbbine und
SoTTAS*, sowie Gombault und Philipp*, sondern auch Tooth und Marie*
folgen letzterer Ansicht; Tooth bekämpft Schultze’s Auffassung mit dem Ar¬
gument, dass die kommaformige Degeneration bei experimenteller Durchschnei-
dung der hinteren Wurzeln nicht zu beobachten ist und meint, dass es sich
vielmehr um die Zerstörung von Commissuralfasern handle. Nun, soviel steht
fest, dass bei Querläsiouen des Rückenmarks die kommaformige absteigende
Entartung vorkommt; ein in letzterer Zeit von mir unterauchter Fall von Quer¬
läsion (Zerstörung dos Brustmarkes in Folge von Spoudylitis) Hess dies deutlich
‘ Die Pathologie der tabiscbeo HmterstraogserkraDkaog. 1897. Gnstav Fischer. Jena.
’ Beitrag z. Histol. d. sec. Degeneration. Ärch. f. mikr. Anat. 1894.
^ Sar la distribntion des fibres endogenes dans le cordon post4riear de la nioelle et
snr la Constitution du cordon de Goll. Extr. des Compt. rend. des s^anc. de la 8oc. de
Biol. 1895.
* Archives de M^decine eip^riment. 1897 and Sem. M^d. 1895.
* Le^ons snr les tnaladies de la moelie.
Dig: ^od
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441
erkennen. Wohl ist hervorzubeben, dass die so gründlichen Untersuchungen
Ton SiNGEB und Münzbb’, welche am Thiere Wuneldurchschneidungeu be¬
handelten, sowie der klassische Fall von PFEIFFEB^ welcher die von einem
Tomor hervorgemfene Wurzeliasion (1. Dorsalwurzel) beim Menschen betraf,
von einer absteigenden Entartung im Hinterstrange nichts erwähnen; sogar
Pfeiffer hebt besonders hervor „unterhalb der 2. Brustwurzel lassen sich deut¬
liche Abweichungen von der Norm an grauer und weisser Substanz nicht mehr
iiachweisen‘‘ (1. c.). Doch sind meines Erachtens diese negativen Fälle nicht
beweisend gegen meine hier angeführten positiven Fälle, besonders nicht gegen
meinen zweiten Fall, in welchem die denkbar reinste Wurzelläsion ohne eine
Spar von spinaler (etwa myelitischer) Domplication vorlag. Im Falle von
De-terine und Thomas*, welcher die isolirte Läsion der 8. Cervical- und
1. Dorsalwurzel (links) durch eine gummöse Infiltration darstellte, Hess sich
gleichfalls eine absteigende Degeneration, ungeföhr auf eine Wurzellänge
verfolgen; aus diesem Falle, dessen aufsteigende Entartung unten noch erwähnt
werden muss, folgern Dejebihe und Thomas ebenso wie ich, eine Entartung
des absteigenden Schenkels der hinteren Wurzel. Mit dieser Beobachtung recti-
ficirt Dejebine seine mit Sottas gemachte (1. c.) Äeusserung; „La dög^näres-
cence descendante en virgule de Sgbultzb .... rdpoud saus doute ä la d^-
gdndration de ces fibres d’origine spinale, en effet, cette degäneresceuee qui
s’observe ä la suite de läsions transverses de la moelle dans lesquelles la sub-
stance grise est atteinte, fait d^faut, ainsi que Pont monträ Mm. Gombault et
Philippe dans les läsions radiculaires extraspinales.^*
Nagbotte erwähnt in seinem Falle (1. c.) von isolirter Wurzelläsion (2.
und 3. Dorsalwurzel) gleichfalls absteigende, dem Komma entsprechende De¬
generation.
Fasse ich obige Erörterungen zusammen, so lässt sich die Frage der ab¬
steigenden kommaformigen Degeneration in folgender Weise zwanglos aufiassen:
Die absteigende Entartung der Hinterstränge kommt so bei totaler Quer¬
läsion des Buckenmarks, wie auch ganz sicher bei Läsion der hinteren Wurzeln
vor. Da einerseits sicbergestellte anatomische Tbatsachen iur absteigende
Wnrzelfasem im Hinterstrange sprechen, andererseits aber bei reiner Wurzel¬
läsion die ScHULTZE’sche Degeneration zweifellos zu constatireu ist: so halte ich
entschieden dafür, dass 1. die absteigende Entartung der Hinterstränge durch
Läsion absteigender Wurzelfasem zu erklären sei und 2. die Annahme endo¬
gener Nervenfasern in der Bildung des ScHULTZE’schen Bündelchens überflüssig
ist Denn bei einer Querläsion des Rückenmarks am Menschen sind hintere
Wurzeln, wenn auch nur intramedullär, jedoch immer mitergriffen. Hiermit sei
sicherlich nicht jene Ansicht angegriffen, nach welcher aus der grauen Substanz
* Beitr. z. Anat. des CeDtralDerrensystemB. Deskschr. d. kaiserl. Akad. Wien. 1890.
^ Zwei Fälle von Lähmoa^ der unteren Wurzeln des Plex. bracbialis. Deutsche Zeit¬
schrift f. Nervenheilk. 1891.
’ CoutributioDs ä l'^tude du trajet intra-medullaire des racines posterieures dans la
r4gion cervieale et dorsale etc. Soc. de Biol. 1890.
Dig: /Cu
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442
für die HintersträDge Fasern entspringen; beweisen doch die Untersuchungen
über Aortaligatur, wobei hauptsächlich die graue Substanz leidet, ausdrücklidi,
dass die Hinterstränge, insbesondere in deren ventralem Abschnitte, erkranken.
Doch ist die Form der Degeneration in beiden Fällen, d. b. bei der Aortaligatur
und bei Wurzelläsion, ganz verschieden, wie dies ein Vergleich der Figuren von
SiNO£B und Münzer (1. c. Figg. 20 u. 21) und von mir (Figg. 5 u. 11) auf
den ersten Blick lehrt. Somit hebe ich von Neuem hervor, dass meiner Ansicht
gemäss im ScHüLTZR’schen kommaförmigen Felde nur die absteigenden
Schenkeln der hinteren Wurzeln enthalten sind; ob sich ihnen noch
Fasern aus den Strangzellen des Hinterhoms beimischen, wie dies LekhossEe '
und Marie annehmen, könnte möglich sein, ist jedoch keinesfalls erwiesen.
Schreiten wir nun zur Analyse der aufsteigenden Entartung meiner
Fälle. Hier kann ich mich kurz fassen, da meine Resultate mit den Beobach¬
tungen von Peeiffeb^, Sottas^, Dejerinb und Thomas*, gleichwie mit den
experimentellen Ergebnissen von SiNaEB und Münzer* vollkommen überein-
stimmen. Meine Fälle sind gleichfalls dem KAHr.BR-SiNQEB*schen Gesetze con-
form, d. h. die degenerirten intramedullären Wurzelfortsätze rücken von der
Wurzeleintrittzone successive einwärts im Verlaufe von der Hohe der lädirten
Wurzel angefangen gegen die Oblongata hinauf, sowie die den entarteten obersten
Dorsal- und untersten Cervicalwurzeln entsprechenden Zonen liegen vom Septum
paramediauum auswärts.
Bezüglich des ersten Punktes sei hervorgehoben, dass meine Präparate das
Einwärtsrücken der degenerirten Zone derart erkennen lassen, dass in der auf
die degenerirte Wurzel folgenden nächsten Wurzelhöfae die entartete Stelle viel¬
mehr ventralwarts als seitlich einwärts geschoben erscheint, da der helle Fleck
dem Kopf des Hinterhoms anliegend ist, von welchem er nur durch einen
schmalen Streifen von gesunder Markbrücke getrennt ist Nun folgt in der
nächsten Etage das wirkliche Einwärtsrücken, indem die wirkliche ^ne etwa
in die Mitte zwischen Hinterhom und Septum paramedianom post gelagert
erscheint; schliesslich rückt sie hart an dieses Septum heran, welche Stelle nun
definitiv bewahrt wird. Also auch meiue Fälle beweisen den Umstand, dass
vom Septum paramedianum bezw. vom GoLL’scben Strange auswärts, im s(^.
BuRDACH’schen Strange, nur Fasern der Cervicai- und obersten Dorsalwurzeln
liegen.
Vergleiche ich nun in dieser Beziehung meine beiden Fälle, so lässt sich
folgendes charakteristisches Moment constatiren. Im Falle 1 (Läsion der 2. und
3. Dorsalwurzel) Figg. 2 und 3 erscheint die entartete Zone am dorsalen Rande
des Hinterstranges vom Septum paramedianum nur durch einen verschwindend
' Der feinere Ban des Centr&lnervensjstems u. s. w. 2. AaS.
» l. c.
^ Contribation ä Tdtude de degenerescences de la moelle consecatives aux Idsiona des
arcines postdrieares.
* 1. c.
» 1. c.
Dig: /cd c/
Google
443
kiemen Zwi<d(el Ton Markbrücke gesondert zu sein; dieser Zwickel ist im Fall 2
(Uaon der 7. Geiricalwurzel) bereits bedeutend grösser (s. Fig. 8)^ d. h. die
D^enerationszoue befindet sich bei höheren Wurzelläsionen mehr seitwärts. Da
QQZL bei der Läsion der 2. und 3. Brustwurzeln die entartete Zone dem Sept.
paninedianum fast eng anliegt, so dürfte ich gewiss folgern, dass ausserhalb
d«s GoWseben Stranges die obersten vier Oorsalwurzeln und natürlich alle
CoricalwarzelD liegen. Ob nun die unteren acht Dorsalwurzeln (nämlich deren
aaätdgende lange Schenkeln) im OoLL'schen Strange enthalten sind, könnten
nur respe(^Te Fälle Ton Naturexperimenten (Tumoren dieser Wurzeln) endgültig
eatscheden; in Anbetracht der sehr schmächtigen Dorsalwurzeln ist es sehr
nhischeinlich für mich, dass im GoUi’sohen Strange nicht nur die Sacral- und
Lumbalwurzeln, sondern auch das untere der Dorsalwurzeln enthalten ist.
Dass diese meine Vermuthung richtig ist, bewies mir ein Fall von lumbaler
Tabes, ln diesem waren sämmtliche Sacro-Lumbalwurzeln, sowie die unteren
4 Doralwnrzeln d^nerirt; die 8 oberen Dorsalwurzeln erschienen vollkommen
mttrt. Die tabische Hinterstrangsentartung beschränkte sich dieser Ausbreitung
atsprechend, im oberen Dorsalmark, sowie im Cervicalsegmente auf den sogen.
OoLL*schen Strang, während der BunnAOH’sche Strang normal ist. Nun liess
sch aber eben im Cervicalmark deutlich nachweisen, dass die entartete flaschen-
icrmige Zone nicht den ganzen GoLL’schen Strang einnimmt, indem die Scleroee
uebt bis an das Septum paramedianum heranreicht, sondern von letzterem
doTch mnen schmalen markhaltigen Streifen geschieden ist Dieser kann
/veifelsohDe nur den mittleren Dorsalwurzeln entsprechen, da die obersten drei
Dorsalwurzeln, wie dies aus Dkjeeinb's und meinen Beobachtungen erhellt,
auswärts von Septum paramedianum liegen. Tbierexperimente über
diese Frage fehlen uns, da, wie dies Sinoeb und Mükzeb hervorheben, die
stärken Wirbelfortsätze und relativ mächtigen Muskelgefasse der Dorsalwirbel
Messer aussergewöhnliche Hindernisse entgegensetzen.
Die zwei Abschnitte der Hinterstränge, wie GoLL’scher und BuRDACH’scher
Strang, als solche, lassen sich auch meines Erachtens nur im Cervicalmarke
’Jiterscbeiden, woselbst das starke, vasoularisirte Septum paramedianum eine
■Rötliche Grenze bildet. Somit wäre der GoUi’sche Strang dorsal und lateral
’iiiischriebeii: seine ventrale Grenze lässt sich so sicher nicht ziehen, zumindest
l^hlt es an äusseren Merkmalen. Ueber diesen Punkt möchte ich nur so viel
'■emerken, dass in der Cervicalanschwellung der GoLL’sche Strang ventral bis
tur hinteren Commissur sich erstreckt und hier mit zwei seitlichen Ausbuch-
tjngeu den medialen Rand des Hinterhorns erreicht; im obersten Cervicalmark
tritt die bekannte Flaschenform auf, deren Hals jedoch nicht mehr zum eigent-
üeben GoijL’schen Strang gehört, sondern, wie dies Fig. 10 klar zeigt, durch die
untersten Fasern des BüBDAcn’schen Stranges, durch die obersten 3—4 Brust-
rciieln gebildet wird.
Ich greife auf die Topographie. der entarteten Wurzeln nochmals zurück.
&bald die degenerative Zone im BuBDACH’scben Strange ihren Platz eingenommen
hat so bildet sie ein dorso-ventral längliches, die ganze Dicke des Hinterstrauges
Google
444
oinuehmendes Band, wie dies aus den Figg. 2, 3 und 4, sowie 8 und 9 deutlich
zu sehen ist. Im höchsten Abschnitte des Cervicalmarkes jedoch reducirt sich
die entartete Wurzel zu einem Streifen, welcher, von der hinteren Gommissur
ausgehend, mit dem medialen Rande des Hinterhoms parallel verlaufend, am
Uebeigange zwischen Caput und Apex aufhört, somit die dorsale Peripherie des
Hinterstranges nicht erreicht (s. Fig. 10). Die soeben geschilderte Configuration
kommt, von der 1. Dosalwurzel angefangen, den Cervicalwurzeln zu; Pfbiffbb
bildet in seiner Fig. 5 bereits in der Höhe der 5. Cervicalwurzel bei Entartung
der 1. Brnstwurzel dieses Verhalten ab, welches ich selbst in meinem 2. Fall
erst in der Hohe der 2. Halswurzel constatiren konnte. Jedoch schon die 2.
und 3. Brustwurzel weichen in ihrer Topographie ab, da, wie dies mein Fall 1
beweist, der degenerative Streifen während seines ganzen Verlaufes in dorso-
veutraler Richtung fast die ganze Dicke des Hinterstranges einnimmt.
An dieser Stelle sei die aufsteigende Entartung des Falles von Dejebine u.
Thomas erwähnt. Die Topographie entspricht so ziemlich geuau jeuer meines
ersten Falles; in der Höhe des 0. Cervicalnerven sind die beiden Enden des
degenerativeu Streifens gleichfalls knopfartig angeschwollen [in meinem 1. Falle
in der Höhe des 5. Cervicalnerven), im Niveau des 3. Cervicalnerven liegt die
entartete Stelle des Septum paramedianum ebenfalls hart an, und nimmt gleich¬
falls annähernd, wenn auch nicht vollkommen, die ganze Dicke des Hinter¬
stranges ein.
Schliesslich sei noch ein Umstand ausdrücklich hervorgehoben. In beiden
meiner Fälle stellte sich die entartete Zone des Hinterstranges nicht als eine
absolut marklose, allein Gliagewebe enthaltende Stelle dar, sondern nur als bei
Weigebt’s Färbung etwas hellerer Fleck, in welchem unter dem Mikroskope
noch zahlreiche Markfasern, wenn auch spärlicher als in ganz gesundem Gewebe,
sich vorfinden. Die entartete Zone Hess sich bei ganz schwachen Vergrösse-
rungen, besouders aber makroskopisch am, in Mülleb’s Flüssigkeit gehärteten
Object erkennen. Aus diesem Umstande konnte ich folgern, dass die einzeinen
Wurzeln intramedullär nicht exclusiv situirt sind, sondern mit den nächsten
oberen und unteren Wurzeln innigst vermengt sind. Auf diesen Umstand
wiesen bereits Simqeb und Mümzeb ’ sowie C. Mateb * deutlich hin. Die
erstgenanuteu Autoren durchschnitten an zwei jungen Hunden die hinteren
Wurzeln von der 26.-28., hierauf in derselben Sitzung die 20.—22. Nun
fanden sie im Hinterstrange des Brustmarkes zwei mit einander parallel ver¬
laufende, schief gerichtete Degenerationsstreifen, welche nicht nur successive
einwärts, sondern auch zu einander näher rücken, noch im Brustmark zu ver¬
schmelzen beginnen, um schliesslich im Halsmark bereits gar keine Trennung
erkennen zu lassen, denn die degenerirten Markscheiden bilden eiu kleines drei¬
eckiges Areal der hinteren Medianfissur eng anliegend. Auch die Betrachtungen
C. Mateb’s haben ergeben, „dass die anfangs gesondert neben einander ver-
‘ 1. c.
^ Zur patbologiscben Anatomie der Räckenmarkshinterstränge. Jahrbücher f. Psych. o.
Neurol. I89ö.
Dig I /cd c/ Google
445
laufenden aufsteigenden Fasern aus den einzelnen Hinterwurzelgebieten im Auf¬
stiege cerebralwärts allmählich in einanderfliesseu. Die Vermengung der aus
der vierten Lumbalwurzel stammenden Faserautheile mit den aus tieferen Wurzel¬
gebieten aufsteigendeu, sonach näher dem hinterdu Septum gelegenen, scheint
schon im unteren üorsalmark zu beginnen und ist im mittleren Dorsalmark
eine vollkommene.“
Ich resumire meine Beobachtungen über die aufsteigende Wurzeldegeueration
im Hinterstrange in Folgendem:
1. Meine Fälle von Degeneration der 2. und 3. sensiblen Brustwurzel, bezw.
von jener der 7. hinteren Cervicalwurzel bestätigen vollinhaltlich das Kahleb-
SiKGBK’sche Gese'tz über den Verlauf des aufsteigendeu Schenkels der hinteren
Wurzeln.
2. Der GoLL’sche Strang erscheint nur im Cervicalmark seitlich durch das
Septum paramedianum abgegreuzt, während ventral eine sichtbare Grenzlinie
fehlt Hier enthält der GoLL’sche Strang ausser den Sacral- und Lumbalwurzeln
noch die unteren 8 Dorsalwurzeln; dies folgere ich aus dem Umstand, dass bei
Entartung der 2. und 3. Brustwurzel die Degenerationszone (abgesehen von einem
sehr kleinen dorsalen Zwickel gesunder Nervensubstanz) dem Sept. paramedianum
hart anliegt.
3. Die dem Verlauf einzelner Wurzeln entsprechenden Streifen des Hinter-
stranges verfügen nicht über exclusive, allein ihnen reservirte Läugsebenen,
sondern die intramedulläreu Fortsätze der Hinterwurzeln sind mit den benach¬
barten innigst vermengt
4. Läsionen hinterer Wurzeln werden, im Gegensätze zu den Behauptungen
von Tooth, Dejebine und Sottas, sowie Gombault und Philipp, ganz sicher
von absteigender D^ueration im Hiuterstrange gefolgt; es ist dies die Schultze’-
sche kommaformige Entartung, welche die Milte des sogen. BuBDACH’schen
Stranges eiunimmt. Dieselbe erschöpft sich bereits bis zur nächsten unteren
Wunel, ist somit von kurzem Verlauf. Die echte ScHüLTZE’sche Degeneration
visd ausschliesslich durch Läsion von Hinterwurzelfasern bedingt; endogene
Fasern nehmen nachgewiesenermaassen nicht daran Tbeil. Uebrigens bildet die
ScHüLTZE’sche Entartung nur einen Brucbtbeil vom Geeauimtbilde der ab¬
steigenden Hiüterstrangsdegeneration.
2. Nervenendigung in den Centralorganen.
Von Dr. med. Leopold Auerbach,
Nervenarzt zu Frankfurt a./M.
In der so schwerwiegenden Frage, welche Beziehungen zwischen Nerven¬
zellen und letzten Axencylinderverzweiguugeii bestehen, ward in der allerjüugsten
Zeit durch Held, dessen verdienstvolle Studien auf diesem Gebiete keiner Hervor¬
hebung bedürfen, ein neuer — der dritte — Beitrag geliefert. Aus dem Üm-
'ig v7C(i
Google
446
stand, dass die in dieser Abhandlung niedei^l^ten Resultate, welche der ge*
nannte Forscher seiner besonderen Methodik verdankt, zweifelsohne berufen sind,
den Ausgangspunkt fernerer Untersuchungen zu bilden, leitet sich meines
Erachtens die Verpflichtung hb, zu denselben so bald als m^lich Stellung zu
nehmen. Ein Zufall wollte es nun, dass ich selbst von Held’s Publication, die
nicht der gewöhnlichen Serie, sondern einem Supplementband des Archivs für
Anatomie und Physiologie einverleibt ist, erst jetzt Kenntniss erhalte, in einem
Augenblick, da ich gerade eigene, auf durchaus verschiedener Methode basirende
Arbeiten über dasselbe Problem zum Abschluss gebracht habe und beschaffet
bin, meine Befunde,' welche zum Theil mit den seinigen harmoniren, in anderen
wesentlichen Punkten wieder von seinen Angaben abweichen, in einer ausführ¬
lichen Veröffentlichung zu erörtern und mit Abbildungen zu belegen.
Schon auf der Frankfurter Naturforscher- und Aerzteversammluug im
Herbst 1896 konnte ich auf Gtund eines neuen Färbeverfahreus davon berichten,
dass aller Orten im Gentralnervensystem nicht allein die Ganglien¬
zellen, sondern auch deren Dendriten von einem Maschenwerk um¬
sponnen sind, das, einem dichten Gewebe gleich, sie einhüllt und
sich aus Nervenfäserchen, die Knötchen tragen, gebildet erweist
Dieser, wie ich mich bereits an anderer Stelle^ ausdrückte, unendlich dichte,
stellenweise unentwirrbare Faserfilz, welchen die marklosen Endbäumcben bilden,
ward von mir im Sommer des vergangenen Jahres noch eingehender erforscüit,
als ich an Paraffinpräparaten Einzelheiten feststellte, die auf dickeren Schnitten
der Wahrnehmung minder zugänglich waren. Betrefis der quantitativen Ver-
theilung erfuhr ich freilich nichts wesentlich Neues, wenn schon die überwältigende
Fülle der Nervenendigungen in ein um so helleres Licht trat, als ich nun längs
der Zellränder und der Dendriten die einzelnen Endknöpfchen zu zählen und
schätzungsweise ziemlich genau für die Gesammtoberfläche einer Ganglienzelle
nebst den dazugehörigen grosseren protoplasmatischen Fortsätzen den enormen
Heichthum an Endbäumchen abzuleiten im Staude war. Die so erhaltenen viel-
stelUgen Zahlen mussten die Phantasie noch mächtiger anregen, als der ver¬
schwommenere Begrifi' einer unbeschreiblichen Menge, bei der sozusagen kaum
ein Plätzchen an der Zellperipherie unbesetzt bleibt.
Ich finde nämlich diese blauen Knötchen mittels meiner Silberhämatoxjlin-
farbung^ recht oft weit massenhafter noch um die Zellen angebäufl, als dies aus
Held’s Präparaten, soweit die seiner Abhandlung beigefögten Reproductionen
mich zu einem Urtheil berechtigen, ersichtlich scheint. Während so die £nd-
knöpfcheu in gedrängter Reihe die Peripherie von Nervenzellen und Dendriten
einfassen, entzieht sich bei meinem Verfahren, das die Nervenfasern in ihrer
Gesammtheit zur Darstellung bringt und nicht bloss die an Granulis reicheren
Partieen hervorhebt, ebensowenig deren Ursprung der Beobachtung. Hierin
darf ich wohl gerade einen schätzbaren Vorzug im Vei^leich zu der von Held
‘ Xearolog. CcDtralbl. 1897. Nr. 10.
’ Paraffioscbnitte erheischen dabei eine sehr bebatsame DifTereDziniDg. Man Terweode
eine KaliamperrDangaDatlÖBUOg von Vs—iVoo-
- vGoogIc
447
modificirten Eisenhämatoxylinmethode erblickeD. Demgemäss sind die Schwierig«
keiten für die Anffossang nicht sowohl in dem übersichtlichen and in voll«
ständiger Pärbang hervortretenden Bilde der sich netzartig durchquerenden
Axencjlinderendigungen, sondern in dem misslichen Dilemma begründet, dass
dickere Schnitte eine Continnitat vortauschen können, wo eine Kreuzung statthat,
dünnere immer nur einzelne Theile eines etwaigen in sich geschlossenen Netzes
vor Augen zu führen vermögen. Immerhin geben Schnitte von 5 ft die Ueber«
Zeugung von der Existenz jenes aus höchst zarten Fäserchen bestehenden
Maschenwerks in der Umgebung der Ganglienzellen, auf welches ich schon
früher aufmerksam machte, ohne mich damals über seine nähere Beschaffenheit
bestimmt zu äussem.
ln Anbetracht, dass man unter bewandten Umständen bei der Feststellung,
ob es sich in der That um echte Maschen bandelt, kaum mehr einem Irrthum
OQterli^en wird, glaube ich heute das Vorhandensein eines wirk*
lieben Netzes, das stellenweise die Zellen umspinnt und an deren
Versorgung mit Endbäumchen sich betheiligt, mit grosser Wahr¬
scheinlichkeit annehmen zu dürfen.
Die umfangreicheren motorischen Zellen pfl^ so ein Kranz stärkerer Axen¬
zylinder, von denen ein Theil der Endbäumchen seinen Ursprung nimmt, zu
umrahmen. Die Endbäumchen streben demgemäss vielfach in radiärem Zuge
za ihren Insertionspunkten, die sie häufig nach kurzem Verlauf schon erreichen.
Gabelungen derselben sind nicht selten zu beobachten. Ein anderer Theil der
mit Endknöpfchen versehenen Axencjlinder, und darunter solche, welche die
Dendriten versorgen, lässt sich jedoch über weitere Strecken verfolgen, ohne auf
dem langen Wege mit den übrigen Nervenfasern in Verbindung zu treten. Bei
ihnen kann weder von einem Geflecht, noch einem netzartigen Masebenwerk
die Rede sein. Endlich gewahrt man hie und da noch in der Nachbarschaft
der Nervenzellen jenes dem Anscheine nach echte in sich geschlossene Netzwerk,
das ich oben erwähnte. Es bildet sich aus viel feineren Fäserchen, die einander
nicht kreuzen, sondern durch zahlreiche Anastomosen in einander übergeben
dürften, und in sein Maschenwerk sind kleine, den Endknöpfchen im Allgemeinen
an Umfang nachstehende Varieüsitäten eingeschaltet, die insbesondere die Knoten¬
punkte auszeichnen
Wenn ich mich in dieser Beziehung den von Goloi, Sala, Luoaro, Dooiel
und zuletzt von Held vertretenen Ansichten nähere, so betone ich andererseits
^flissentlich, dass ich im grossen und ganzen der Existenz von Nervenend-
uetzen zuneige, während meine Studien nicht so weit vorgerückt sind, um mir
die Abtrennung bestimmter Kategorien von gewissen durch Endnetze versorgten
Nervenzellen g^enüber anderen, welche dieselben entbehren, zu ermöglichen.
Inwieweit dieses Verhalten, das, wie Hbld richtig bemerkt, einem functionellen
Ausgleich in der Vertheilung der zoströmenden Erregung zu dienen berufen
scheint, allgemein sich verbreitet zeigt, bin ich bis heute nicht in der Lage
anzugeben.
Während nun an den von mir daraufhin untersuchten motorischen Zellen
- . vGooglc
448
neben einem wohl als Enduetz zu deutenden, höchst zarten Maschenwerk überall
noch Fasern uachzuweisen waren, die ohne Anastumosen einzugehen, die Stätte
ihrer Endigung erreichen, gilt das Gleiche niclit von einem sensiblen Bezirk.
In den Hinterbörneru und insbesondere auch in der Substantia
gelatinosa Rolaudi constatire ich bloss ein allem Anschein nach
ununterbrochenes Mascheuwerk, ausgestattet mit sehr zahlreichen
dickeren, unregelmässig gestalteten Anschwellungen, wie es Golgi
ähnlich iu seinen Sublimatpräparateu gesehen haben muss und in seinen ,,Unter*
suchungen über den feineren Bau des centralen und peripheren Nervensj'stems“
S. 249 u. 250 schildert.
Noch ein anderer District lehrte mich ein Netz kennen, welches den Ein¬
druck erweckt, als ob es über räumlich sehr weit auseinander liegende Strecken
sich verbreite, ja — sofern sich dies überhaupt ermessen lässt — als ein diffuses
Maschenwerk, eine riesige Provinz des Centralnervensystems occupirte: ich meine
die Körnerschicht des Kleinhirns und deren Moosfasern, die ich als
eine für sich isolirt dastehende Einrichtung ansehe und mit den sonstigen
Nervenfasern weder iu anatomischer noch in functioneller Hinsicht auf eine
Linie stelle.
Bei meinem Färbeverfahren piäsentiren sich nämlich zwischen den
Haufen der Körnerzellen des Kleinhirns sehr zahlreichci blaue, un¬
regelmässig contourirte Körper, deren durch blässere Färbung ge¬
kennzeichnete Aussenzoue in ein aus Nervenfasern gebildetes, auf
das Vielfältigste anastomosirendes Geflecht ausläuft, während das
zackig umrandete oder in buschige Zweige sich aufsplitternde Centrum als ein
viel satter tiugirter Kern sich von ersterer abhebt. Wenn man nun die
charakteristischen Umrisse dieses Centrums mit OoLGi’schen Imprägnationen
vergleicht, so erhellt, dass durch diese nur eben der Kern zur Darstellung ge¬
langt und dass man es mit Moosfaseru zu thuu hat, deren feinerer Bau bei
meiner Färbung klar zu Tage liegt, von deren zwei Zonen aber, die streng zu
unterscheiden sind, die äussere den bisherigen Beobachtern völlig entgangen
sein muss. In der inneren sind bei sehr starker Vergrösseruug mittels
leistungsfähiger Systeme* ziemlich weite, dunkelblaue Maschen zu er¬
kennen, die sich aus relativ groben Faserzügeu aufbauen und deren Knoten¬
punkte als verhältuissmässig voluminöse Verdickungen hervortreten. Innerhalb
der Maschen erblickt man ausserdem eine etwas minder blaue, dichte, nicht
genau definirbare Masse, deren Anhäufung für die centrale Region der in Rede
stehenden Gebilde den auffälligen Contrast gegenüber der hellblauen Ausseuzone
mit hervorrufen dürfte. Letztere ist, wie ich vermuthe, ärmer an dieser den
Farbstoff speichernden Substanz, jedenfalls erscheint sie unvergleichlich viel
durchsichtiger, einem zarten Gewebe ähnlich; in das die Maschen der Mittelzone,
während sie sich gleichzeitig etwas lockern, cuntiuuirlich hioübergreifeu. Der
matten Färbung und dem Gesammtcbarakter entsprechend ist desgleichen die
Google
‘ Seibert. .\pochroiuatimmersiou 2uim, Ap. 1,30 Ocular 18.
449
B^nznng nach aussen eine höchst zarte und bei sanftem Wechsel der Etn>
Stellung gewahrt man recht hübsch, wie hie und da dieses Randgebiet als ein
lichter, membranöser Schleier eine Eömerzelle theilweise einhüllt oder sich
zwischen den Haufen der Körner hinzieht und mehrere Zellindividuen zusammen
um&ngt Dasselbe Grewebe, in welches die Maschen der Aussenzone eingelagert
sind, schiebt sieh aber auch über die tou ihr abzweigenden Nervenfasern, die
ihrerseits aus dem beschriebenen Maschenwerk hervorgehen and, dem zu Folge
zu mehreren ebenfalls in eine äusserst zarte Membran eingebettet, den Ursprünge
liehen Charakter der netzförmigen Durchüechtung völlig wahren. Membranöse
Züge, welche Netze von Nervenfasern tragen, sind demnach durch
die Eörnerschicht ausgespannt, sie bilden ein einheitliches System, stehen
überall in Zusammenhang, und nicht selten ist die Verbindung der moos*
ähnlichen Körper eine solch intime, dass mehrere Bandzonen ohne Vermittelung
längerer Nervenbahnen in einander übergreifen und ihre Maschen austauschen.
Auf diese Weise werden im Kleinhirn Vorrichtungen getroffen sein, die
über weiteste Strecken einen raschen und vollkommenen Ausgleich der nervösen
Errang bezw. Hemmung gestatten, was sowohl mit den Aufgaben des Organs
als öleichgewichtscentrum sehr wohl übereinstimmt, wie auch mit der sonst
kaum verständlichen Thatsache, dass geradezu enorme Defecte des Kleinhirns
durch die restirenden Regionen in ihrer funotionellen Leistung gleichwerthig zu
ersetzen sind.
Ueber die weiteren Beziehungen der moosartigen Anschwellungen ist wegen
der Häufung der Kömerzellen, deren Protoplasma sehr arm an der Färbung
zugänglicher Grundsubstanz, deren Dendriten nur an sehr spärlichen Stellen
doigerznaassen klar zu verfolgen sind, ein abschliessendes ITrtheil schwieriger zu
fallen. Zu berücksichtigen bleibt ferner, dass man es mit Membranen ^ zu thun
welche sich den Wölbungen der Kömerhaufen auf das engste anschmiegen.
Bei der hierdurch bedingten nahen Berührung wäre eine directe Beeinflussung
der Zellen durch die centrale Zone der moosartigen Anschwellungen allenfalls
denkbar und so lässt sich vorerst, streng genommen, die Berechtigung, diese
ds Endoi^ne anznsehen, nicht abeolnt bestreiten. Keinesfalls jedoch darf man
sie den sonstigen Axencylinderendigungen gleichstellen. Dies geht schon daraus
hervor, dass von ihrem Maschenwerk wiederum feine Fäserchen ab>
zweigen, die dadurch als echte Nervenendigungen gekennzeichnet sind,
dass sie an den Leib der Köroerzellen sich mit typischen Endknöpfen an¬
setzen.
Es erübrigt mir noch, an dieser Stelle mich in m^Iichster Kürze einem
Paukte zuzuwenden, der in physiolc^soher Hindoht von hervorragendem Inter-
‘ Aach deckt die oben gegebene Besohreibnng nicht sämmtlicbe Befände. Die looos-
sitigen Anscbwellangen grensen nicht immer mit einer Anesenzone an die in der Nähe be¬
findlichen Kdmerzellen, aondem das tiefblaue Centram kann anf der einen oder anderen
Seite direct mit diesen in BerUhraog treten, indem ee sich mit halhmondfUrmigem Aosschnitt
an sie anlebnt, oder das Eerngebilde kann sich frei, gans ohne Anssenzone präsentiren. Es
bängt dies eben davon ah, welcher Darcbschnitt der Membranen gerade im optischen Bilde
mHegt
29
Dig.'.vod
Googli
450
esse ist. Nachdem Rahön t Gajal, später Köllikes und andere mit der
GoLQi’schen Methode arbeitende Forscher sich der „Gontactlehre" zugewandt,
galt diese in weitesten Kreisen als unbestrittenes Axiom, bis in letzter Zeit
Held daran rüttelte und statt der einfachen Berührung von Zellprotoplasma
und Axencjlindeiendigungen eine wirkliche Verwachsung, die im reifen
Organismus den embryonalen Contact ersetze, statuirte. Eine eigentliche Grenze
zwischen dem letzten Nervenende und der Ganglienzelle würde somit nicht
existiren, weil eine und dieselbe Flasmaschicht beiden angebörte und nach
Willkür der Zelle oder dem Axencylinder zuzuzählen wäre. Dadurch würde
natürlich auch funotionell ein weit engerer Connex zwischen beiden hergestellt
und a priori wäre es mindestens nicht undenkbar, dass selbst eine Massen¬
bewegung, sagen wir z. B. ein Transport der HELD’scben Neurosomen per con-
tinuitatem sich von der Axencylinderendfiäche auf die Grundsubstanz der Zelle
fortpflanze. Indem zugleich die anatomische Diflerenz beider Theile in solchem
Maasse zurückträte, wäre auch eine physiolc^ische Parallelisirung vielleicht eher
erlaubt So könnte allenfalls unter gewissen Umständen die nervöse Erregung
von einer Axencylinderendigung auf eine andere mittels einfacher Qnerleitang
durch die Zelle hindurch sich übertragen, ohne dass der Hauptmasse des Zell¬
leibes bei dem gedachten Vorgänge eine active Bolle zufiele. Es erscheint mir
übrigens müssig, die so eröffneten Perspectiven noch detaillirter darzulegeu, weil
ich der HELD’schen Prämisse beizupfllcbten gar nicht in der bin. Die
reiflichste Prüfung, welche ich an den verschiedensten Punkten des Central¬
nervensystems immer und immer wieder vomahm, hat die Ueberzeugung in.
mir gefestigt, dass nirgends ein solcher ununterbrochener Uebergang
des Protoplasmas von Nervendigungen und Ganglienzellen zu
beobachten ist
Wie ich Eingangs ausführte, pflegen die Endbäumchen nach verschieden
langem Verlauf zuletzt in radiärer Richtung an die Zell- bezw. Dendritenperipherie
heranzutreten, so dass ihre Endknöpfchen im Allgemeinen mit dem grössten
Durchmesser senkrecht zu dieser Oberfläche gerichtet sind. Ein derartiges End¬
knöpfchen stellt ein kegel- oder kelchformiges Gebilde dar, dessen seitliche Be¬
grenzung stärker oder schwächer convex gewölbt ist, dessen mediale Fläche
vollkommen der Oberfläche entspricht, für die dasselbe bestimmt ist, also an
dem Zellleib meist eine Delle b^tzt, an den protoplasmatischen Fortsätzen an¬
nähernd in einer Ebene verläuft Während ich nun schon lange damit vertraut
war, wie ungemein enge sich diese innere Fläche an die betreffenden Ganglien¬
zellen anscbmiegt, und ich hieraus betreff der Zellen der Grosshimrinde
sogar die Möglic^eii einer dauernden functioneilen Verkettung hypothetisch zu
folgern wagte, zeigt mir andererseits die ^naueste Musterung auch meiner
späteren sehr dünnen Paraffinschnitte stets eine haarscharfe Linie als
Grenze zwischen markloser Nervenfaser und Ganglienzelle, und es
kann bei meinen Präparaten kaum jemals ein Zweifel darüber obwalten, wo die
eine aufhört, die andere ihren Anfang nimmt Ich bin gezwungen, diese prin-
cipielle Differenz g^enüber den Feststellungen Hsld’s auf dessen Färbemethodik
: Google
451
zarückzafahren, welche ihm die Nervenendigung im wesentlichen bloss unter
dem Bilde gehäuft stehender Granula zeigt, ohne hierbei das die Axencylinder-
eodigong mit constituirende Plasma in der wönschenswerthen Klarheit zur
Darstellung zu bringen. Bei meiner Färbung verrathen die Nervenendigungen
gleichfalls eine mehr oder minder körnige Structnr^, nur dass die Granula sehr
fän sind, sowie durch eine Zwischenmasse verkittet scheinen, jedenfalls sich
nicht von einander im einzelnen distinct abheben. Während ich das Maschen*
werk der Zellwaben mit grösster Leichtigkeit aufznlösen im Stande bin, gelingt
mir gleiches nicht bei den Endbäumchen, zum Theil, wie ich aunehme, darum,
weil dieselben ein Hyaloplasma besitzen, welches sich meiner Färbung zugänglich
erweist, auf diejenige Held’s nicht reagirt’
Ganglienzelle ans dem FacialUkem .vom KaDiDcbeo. (ParaffiDpräparat. 3 ^ dick.)
Nebenbei bemerkt sind gerade in Bezug auf das Neurohjaloplasma
unsere Kenntnisse bis heute recht beschränkt Dass in der Ganglienzelle ein
^ Nicht an allen Stellen gleichmässig, mitnnter in minimalem Grade.
* Diüier T&brt der gar nicht zn verkennende üntersobied der Vertbeilnng und Menge
ia Endbäumchen in unseren Präparaten, der mich z. 6. für die Körnerschiebt des Klein*
hinis zu entgegengesetzten Resoltaten führt Ünd wie ich daselbst den Zellkörper der
Körner von Eodbänmehen versorgt finde, so ergiebt sich unter anderem aach in der Molecular*
Kbicht des Kleinhirns ein Reichthum an Nervenendigungen, von dem Hbld's Abbildungen
kdne rechte Vorstellung geben.
29*
Dir;
rrl nyGOO^lC
452
solches als ein während des Lebens präexistirendes, die Waben füllendes Element
vorhanden ist, ist nicht zu bezweifeln. Wenn die der Färbung znganglii^e
Grandsubstanz wie etwa in den Kömerzellen des Kleinhirns quantitativ so in
den Hintergrund tritt, dass man nur ab und zu ein zartes Plasmafadchen in
ihnen entdeckt, so müssen die Silber- und Quecksilberimprägnationen, welche
die Totalität der Zelle treffen, darauf beruhen, dass ein anderer, in weit be¬
deutenderer Menge vorhandener Zellbestandtheil die Reduction der in Bede
stehenden Salze verursacht Ich sehe mich veranlasst, demselben eine besondere
physiologische Wichtigkeit beizumessen, weil es mir unerfindlich ist, wie sonst
die zahlreichen Endknöpfchen mancher Nervenzellen, die äusserst arm an dw
Färbung unterli^ender Grundsubstanz sind, die nervöse Endung übermitteln
könnten. Gonstatirt man doch z. B. an den Zellen der Hinterhömer auf das
Vielfältigste, wie die Endknöpfchen sich an eine anscheinend ganz leere, d. b.
der Färbung völlig unzugängliche Partie ansetzen. Mag solches übrigens an
Zufalhgkeiten des jeweiligen Schnittes gelegen sein und sich in der That stets
ein wenig Gerustsubstanz in der Nachbarschaft der Endknöpfchen befinden, so
springt unter allen Umständen hier und anderwärts (z. B. Molecularschicht des
lOeiuhirns, Grosshirnrinde u. s. w) das Missverhältniss zwischen den recht statt¬
lichen Endknöpfchen und der minimalen Menge der structurirten Grundsubstanz
in die Augen.^
Ob jedoch unter dem Polster der Endknöpfchen reines Hyaloplasma lagert
oder spärliche dünne Bälkchen der netzartigen, bezw. wabigen Gerüstsubstanz
ihm naberücken, allüberall tritt die Zellcontour deutlich und klar hervor, es
steht die Zellgmndsubstanz mit den Axencylinderendigungen ni^nds in un¬
unterbrochenem Zusammenhang. Von der soeben geschilderten Art des Nerven-
ansatzes führt des weiteren ein allmählicher üebeigang zu jenen Endbäumcben,
die den Ganghenzellen mit wohlentwickeltem Maschenwerk zugetheilt sind.
Man sollte nun insbesondere da, wo man es mit schön differencirter Qrund-
substanz zu thun hat, im Falle die Verwachsung zu Recht bestände, eine ver¬
waschene Zellcontour oder mindestens unter einem jeglichen Endknöpfchen eine
ausgesprochene Anhäufung von protoplasmatischen Fädchen und Körnchen er¬
warten. Ganz im Gegentheil verläuft der Zellrand in einer glatt und s^iarf
gezeichneten Linie, die Endknöpfchen springen nicht nach innen vor, und was
unter denselben von Protoplasma zum Vorschein kommt, zeigt sich bei exacter
Einstellung als der übrigen Grandsubstanz,völlig gleichartig, ohne dass eine
locale Verdichtung ersichtlich wäre. Dass dieses Verhalten bei der Majorität
der Nervenzellen, deren periphere Zone eine etwas lockerere Structur besitzt,
leichter festzustellen ist als an den in Minderzahl vorhandenen Zellindividuen,
in welchen sich ein höchst dichtes Gefüge bis zum äussersten Rande erstreckt,
‘ £b verdient bervorgehobeD za werden, daes die quactitativa Vertbeilaoa von Hyalo¬
plasma ond Maecheawerk im allgemeinen einen geeetzmaseigen Charakter bewahrt and den
vereehiedenen Begionen bestimmte Zelltypen entsprechen. In wie weit daneben ein variaUtf
Factor als Aosdnick der Thätigkeitsphasen in Bechnang za setzen ist, werden, wie ieh
hoffe, experimentelle Stadien an Netzhaut, Vorderhornzellen u. s. w. ergeben.
D g ü^od oy Google
453
will ich nicht in Abrede stellen, dem ungeachtet lassen selbst die letzteren be-
gr&ndetem Zweifel nur ganz ausnahmsweise Raum.
Im Rinklang mit der älteren, durch die GoLOi’sche Methodik und vitale
Metbjlenblaußrbung gewonnenen Anschauung, die erst jüngst wieder in Semi
Metes ^en überzeugten Vertreter fand, muss ich daher auf Grund meiner
mittels meines eigenen Färbeverfahrens erhobenen Befunde au der
Contactlehre und den ans dieser abzuleitenden Folgerungen fest-
halten. Wie ich diese Lehre auffasse, wirken die Endbäumchen durch das
Polster ihrer sich auf das engste an die Zelloberfläche anlehnenden Endknöpfchen,
otme Tennittelung einer ferneren Zwischensubstanz, jedoch als differente Gebilde,
auf das Protoplasma der Ganglienzelle in uns noch unbekannter Weise ein.
Dass nebenbei während des Lebens in hinctionellem Sinne eine innigere Yer-
bindong bestimmter Zellen oder Zellterritorien sich ansbüdete, ist möglich,
nelleicbt wahrscheinlich. Ich denke aber bei den functionellen Zuständen weder
an eine amöboide Bewegungsföhigkeit, denn die Endbäumchen finden sich, soweit
wir untersuchen, xmansgesetzt innig an die Zellen und deren Dendriten an¬
geschmiegt — noch kann ich auf der anderen Seite eine Vermischung, ein
Inönanderfliessen, eine dauernde Verwachsung der Protoplasmamassen anerkennen,
vd meine Präparate mir davon niemals Kunde geben. Ob aber eine func-
oouelle Verkettung durch irgend welche andere, vielleicht moleculare Verände-
nmgen, die zugleich die Endknöpfchen sowie die Zelle träfen, resultiren, ob
fkr beide trotz fortbestehender anatomischer Discontinuität auf solche Weise eine
oäbere funcüonelle Einheit geschaffen werden könnte, das muss eine offene
Frage bleiben.
Mäne Stellung zu den von ApXtht und Bbthe entwickelten Anschauungen
des Ansfübxlicheren zu begründen, muss ich mir versagen, indem ich mir Vor¬
behalte, demnächst hierauf in meiner grösseren, von erläuternden Abbildungen
begleiteten Arbeit zurückzukommen. Die Tbatsachen, welche ich erhärtet zu
bffiten glaube, stehen, wie dem Leser ohne weiteres klar sein wird, theilweise min¬
destens in Gegensatz zu den Ansichten, welche sich die genannten Forscher in
Beheff eines aus Primitivfibrillen hervorgehenden Elementargitters (Neuropil)
ond dessen physiologischer Dignität gebildet haben. Was den Bau der Grund-
lobstanz der Nervenzelle anbeiangt, so habe ich meine Befunde in einem vor
einiges Monaten der „Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie*^ zugestellten
Aolsatze wiedergegeben und beschränke mich heute auf die Bemerkung, dass
kb mich von dem netzartigen Charakter, den ich auf eine wabige
Strnctur beziehe, mit absoluter Sicherheit überzeugt halte. Ich vermag also
um drawillen die Ganglienzelle der bohren Thiere nicht einfach als eine
Stitte zu betrachten, welche Primitivfibrillen, ohne ihre Individualität einzubüssen,
nf ihrem Wege zum Neuropil passiren sollen. Aber auch abgesehen hiervon
genagt meiner Meinung nach ein Blick auf die zahllosen Endknöpfchen
una beliebigen gr^seren Nervenzelle und ihrer deutlich verfolgbaren Dendriten
(lB. Zellen der motorischen Kerne, Fyramidenzellen der Grosshimrinde), um
Mfbit ttnen B^riff von der organischen Zusammengehörigkeit beider zu gewinnen.
■' Google
454
Unwiderstehlich drängt sich dem Beobachter der Gedanke anf, dass in diesen
die Nerven wie ein dichter Filz umkleidenden Elementen diejenigen
Organe zu suchen sind, welche in den Zellen selbst, theils durch
directe Beeinflussung des Zellleibs, theils durch Einwirkung auf
die ebenfalls der Beizaufnahme dienenden, centripetal leitenden
Dendriten eine Thätigkeit auslösen. ln der mannigfachen Variation ihrer
Erregungszustände bei gleicbzdtiger activer Betbeiligung des Zellprotoplasmas,
in dem untrennbaren Zusammenwirken von Endbäumohen einerseits, Ganglien«
zellen und Dendriten andererseits müssen, bei den höheren Xhieren zum
wenigsten, sicherlich die Functionen des Nervensystems wurzeln.
11. Referate.
Anatomie.
1) De oonprong der motorische oogzenurven bü de vogels, door Dr. Q.
Jelgersma. (Psjchiatr. en neurol. Bladen. 1897. Nr. 1. biz. 23. Haart.)
Der Nervus abducens entspringt wie bet den Sängetbieren an der Seite der
Baphe ond geht in gerader Linie, ein wenig nach der Baphe za verlaufend, nach
seinem Kern, der einfach ist und aus dem alle Fasern des Abducens der entsprechenden
Seite hervorgeben, ans dem Kern der entgegengesetzten Seite stammt keine Faser,
auch Commissuralfasern zwischen den Kernen sind nicht nachzuweisen. Der Kern
besteht aus gewöhnlich grossen mnltipolaren Ganglienzellen, nnd liegt nicht, wie bei
den Sängethieren, ventral von der centralen grauen Substanz des Ventrikels, sondern
er wird von ihr durch sich kreuzende Bündel dicker markhaltiger Nervenfasern ge¬
trennt, die mit dem Acusticuskeme in Verbindung stehen, aber nicht mit dem
Abducenskeme.
Der Nervus trochlearis entspringt, wie bei den Sängethieren total gekreuzt
und der Stamm verläuft an der Hinterseite des Lohns opticus zwischen diesem und
dem Seitenrande des Cerebellum nach oben; die Trochleariskreuzung bildet einen
Tlieil des breiten Bandes von markhaltigen Commissurfasem, die sich zwischen beiden
Lnbi optici ausbreiten. Der Trochlearis überschreitet die Mittellinie nur wenig, biegt
plötzlich centralwärts um nnd tritt, durch das Lumen des 4. Ventrikels verlaufend,
in seinen Kern, der direct dorsal von dem Fasciculus longitudinalis in einer Aus¬
höhlung desselben liegt und einfach ist Manchmal biegen die ans dem Kern ans-
tretenden Fasern nach kurzem Verlauf in lateraler Bicbtung dorsalwärts um in die
Kreuzung, die das Dach des 4. Ventrikels bildet, bisweilen sieht man ein Bündel
etwas weiter verlaufen in die graue Substanz des Bodens des 4. Ventrikels nnd
später in dorsaler Bichtung umbiegen; der Eintritt dieses Theils des Nerven in das
Velnm medulläre kommt deshalb mehr lateral zu Stande, und der Nerv verläuft in
-grösserer Ausdehnung quer durch das Dach des 4. Ventrikels. Diesen etwas com-
plicirten Verlauf sieht man am besten bei sehr jungen Vögeln (Tauben, Krähen),
•die erst wenige Tuge aasgekrochen sind. Da der äusserst zusammengesetzte
Bau der Substantia reticularis, in der Nervenfasern in allen denkbaren Richtungen
durcheinander verlaufen, eine Verfolgung dieser unmöglich macht, kann Verf. über
die Verbindung des Trochleariskems mit dem Gehirn nur angeben, dass ein aus dem
D g li^od Dy GoOg IC
455
Kern eotspringendee Bündel feiner markhaltiger NerTenfasem, das sich dorch die
Feinheit seiner Fasern Ton den Wurzelfasem des Trochlearis selbst unterscheidet»
bei sn^wachsenen Thieren bis znm Nnclens dorsalis nerri optici rerfolgt werden
lann, wo es wahrscheinlich endigt Im Trochleariskem sieht man Fasern entspringen,
die sich direct Tentro-medialw&rts wenden, in den Fascicolns longitadinalis eiotreten,
io dem sie in derselben Bicbtnng verlanfen, man kann sie eine kurze Strecke rer-
folgen, dann hüren sie plötzlich anf ond biegen wahrscheinlich in der Längsrichtnng
des Bündels nm; in den in der Kähe gelegenen Ocnlomotorinskem kann man sie
nicht ansstrahlen sehen.
Beim Nervns ocnlomotorins sind Verlauf and Brsprang bei den Vögeln and
Säogethieren rerschieden. Bei den Sängethieren li^en alle Kerne des Ocnlomotorins
dorsal vor dem Fascicnlns longitndinalis, bei den Vögeln liegt der ventrale Kern
reotral von diesem Bündel. Bei den Sängethieren verlaufen die Fasern des Nerven,
sowohl gekreuzte, als nngekrenzte, durch den Fascicnlus, bei den Vögeln verlanfen
sie all^ auch die gekreuzten, in medialer Bichtnng. Bei den Sängethieren entspringt
das gekreuzte Bündel aus dem am meisten doreal gelegenen Oauglion, das sich
kreuzende Bündel passirt die Kerne an derselben Seite und kreuzt sich erst dann,
bei den Vögeln passirt das sieh kreuzende Bündel die anderen Kerne nicht, sondern
nur das nicht gekreuzte Bündel verläuft aus dem dorso-lateralen Kern durch den
vestraleu Kern derselben Seite. Walter Berger (Leipzig).
2) Feber die Ziele der modernen NerveniellenforBohangeD, von Gold*
Scheider und E. Flatan. Ans dem Krankenhanse Moabit in Berlin. Nach
einem Vortrage mit Demonstration im Verein für innere Hedicin am 21. Febr.
1898. (Deutsche med. Wochenschr. 1898. Nr. 11.)
Znsammenstellnng der Forschungsresnltate Über den normalen Ban der Nerven¬
zellen, die pathologische Anatomie derselben und die weiterhin erstrebenswerthen
Ziele. Der Inhalt mnss im Original nachgelesen werden.
B. Pfeiffer (Cassel).
Experimentelle Physiologie.
3) La non-äqaivalenoe des deax hdinlspliäres odrdbraax, par M. Klippe 1.
(Presse mödicale. 1898. 29. Jannar.)
Die beiden Himhemispbären sind wohl symmetrisch, aber nicht äquivalent.
Der bekannteste Unterschied ist die Localisation des Sprachcentrnms auf der licken
Seite. Die Unterschiede erstrecken sich auf Entwickelung, Configaration, Gewicht»
physiologische Functionen, Häufigkeit der Erkrankung, pathologische Symptome in
Folge der letzteren and auch auf die secnndären Degenerationen nach Zerstörungen
der einen oder anderen Seite. Die in der Pyramidenbaba aoftretende absteigende
Degeneration ist nach Läsion der linken Himhemisphäre ansgesprocfaener. Sie findet
sich anch noch nach linksseitigen Erweichungsherden, die vor dem Gyros frontalis
aseendens localisirt sind; bei allen Läsionen der Bolando’schen Windungen, der
centralen grauen Kerne und der inneren Kapsel ist die Degeneration bei linksseitigem
Site des Herdes eine stärkere. Die Pyramidenvorderstrangbahn ist bei linksseitigen
Herden häufiger mitdegenerirt. Ebenso findet sich bei diesen häufiger Degeneration
der nngekrenzten Pyramidenseitenstrangbahn. Verf. glaubt, dass von der linken
Himhemisphäre aus eine ansgedehntere Verbreitung corticaler Fasern im Bflekenmark
Plate greift, eine Folge des functionellen Ueberwiegens der linken Hemisphäre.
Die linke Hemisphäre ist fast constant schwerer als die rechte; die Behauptnng
ron Loys, dass sieh dieses Verhältniss bei Geisteskranken nmdreht, konnte Verf.
Google
456
nicht bestätigen. Ton 28 Geisteskranken war 15 Mal die linke, 11 Hai die rechte
Hemisphäre schwerer; 2 Mal varen bcdde gleich. Während beim Menschen die
Sprache in der linken Hemisphäre localisiit ist, die rechte Hand kräftiger und ge¬
schickter ist, findet sich kein noch so hoch stehendes Thier, bei dem die Gleichheit
beider Himhemisphären in physiologischer Beziehnng nicht vollkommen erscheint
Was die Pathologie betrifft, so scheint ausser der allbekannten Localisation
der Aphasie auf der linken Seite, eine stärkere Erregung eine Folge der von der
rechten Himhemisphäre ausgehwden Störungen zu sein, ferner eine Aufhebung dee
Pharynx* und Larynxreflexes. Auch die Dysarthrie scheint bei Läsionen der rechtra
Hemisphäre weit häufiger aufzutreten, so dass dieselbe in enger Beziehung zu den
Bewegungen der Zunge und der Lippen zu stehen scheint Auch die funcüonellen,
speciell die hysterischen Hemiplegieen sind häufiger linksseitige; die Hemianästhesie
ist öfter links zu constatiren. Es wäre also die rechte Hemisphäre leichter von
dynamischen Störungen betroffen, die linke mehr von tiefgreifenden, oi^anischen.
Man könnte die linke Hemisphäre als männliche, die rechte als weibliche bezeichnen.
Vielleicht lassen sich auch die bei Geisteskrankheiten zu beobachtenden Verdopp¬
lungen der Gedanken auf eine auseinandergehende Thätigkelt der beiden Hemisphären
beziehen.
Die fehlende Aeqnivalenz der Himhemisphären unterscheidet den Menschen von
allen Thieren. M. Bothmann (Berlin).
4) The vsso-ooBStriotor flbree of the great aurioular nerve in the rabbit,
by W. M. Fletcher. (Journal of Physiology. XXII. 8.259.)
Verf. bestätigte die zuerst von Schiff festgestellte Tbatsache, dass die Beizung
des N. anriculans magnus beim Kaninchen eine Verengerung der Ohrgeftsse hervor-
rnft und ferner, dass die betreffenden vasoconstrictorischen Fasern nicht aus dem
Halssympathicus stammen, da die gefässverengende Wirkung auch nach Exstirpation
des obersten Halsganglions bestehen bleibt
Mach den Angaben des Verf.’s stammen die betr. Fasern aus dem Ggl. stellatum
des Sympathicns, treten durch dessen Bamus vertebralis in den 3. Cervicalnerven
und von diesem in den Auricularis magnus. Diese Ursprungs- und Verlaufsweis»
wird durch Exstirpations- und Beizversuche sicher gestellt
W. Cohnstein (Berlin).
6) Ser Einfluss des Queohsilbers auf das Nervensystem des Kanlnohens,
von Dr. Ludolph Brauer, Privatdocent in Heidelberg. Aus der mediciniscben
Klinik und dem pathologischen Institut zu Heidelberg. (Deutsche Zeitschrift ffir
Mervenheilk. 1897. XII.)
An einer Versuchsreihe von 28 Kaninchen wurden die verschiedensten Quecksilber'
Präparate unter den mannigfachsten Applicationsmethoden erprobt Von den ge-
wminenen Besultaten der toxicologischen Wirkung des Quecksilbers sollen die Alte¬
rationen des Mervensystems eine nähere Besprechung finden. Bei rascher Ueberfhhrung
grosser Giftmengen in den Kreislauf wird das klinische Krankheitsbiid beherrscht
von allgemeinen Lähmungssymptomen mit Beflexsteigerung und Ataxie, Ersi^ieinnngen,
welchen eine Schädigung im Centralnervensystem zu Grunde liegt Ueber das Ver¬
halten der nervösen Elemente im Gefolge von Quecksilbereinfuhr giebt die mikro¬
skopische, auf die feineren Structurverhältnisse gerichtete Untersuchung Aufschlnaa.
Unverändert zeigten sich Gehirn, periphere Merven, Spinalganglien, Mervenwurzeln
und die Fasersysteme des BQckenmarks. Dagegen eigab die MissTsche Methode
der Zelluntersnchung Veränderungen an den motorischen Vorderhomiellen dee B&cken-
marke, Zeichen der D^eneration, welche in leichtester Form auch bei ThierMz
crinyGOOglC
457
beobachtet worden, die, ohne klinische Symptome einer Kervenläsioo, der an Nieren
and Darm entfalteten Giftwirkung erl^en waren. Die Veritnderongen am Zellleibe
beetehen im wesentlichen in einem körnigen 2^rfall der Nissrschen £örper and
der V^trenong der Zerfallsprodocte über den Zellkörper. Als Aosdrock stärkerer
Schädigung im Gefolge von grossen Giftmengen findet man ein Zosammenballen der
&bbaren Substana zo Klumpen, sowie Terkleinerui^ der ganzen Zelle. Kern*
Veränderungen spielen keine besimdere Rolle. Ob man an die erwähnten Abweichm^en
TOD dem normalen Zellbilde Anfangsstadien der nervösen Fnnctionsstörongen zu Grunde
l^eo darf, lässt Terf., und zwar mit Recht, vorerst unentschieden. Dagegen geht
ans den Yersnchen hervor, dass selbst von einer das Nervensystem treffenden Ver«
giftong mit Quecksilber der periphere Nerv nicht in lütleidenscbaft gezogen wird.
Die vom Yerf. angestellten Experimente geben somit keine Grundlage ab für die
Annahirifl einer Polyneuritis mercurialis. E. Asch (Frankfurt a./M.).
6) Geber Bogengänge und Baumainn, von J. Breuer. (Fflüger’s Archiv,
Bd. LXVIII.)
Cyon hat kürzlich unter demselben Titel eine Abhandlung im Arch. f. Änat.
Q..Phy8. 1897. Phys. Abth. veröffentlicht Nach der bekannten, schon 1878 aus¬
gesprochenen Hypothese dieses Autors entsteht ans den Empfindungen der halbbogen¬
förmigen Canäle unsere „ideale Raumanschauung'' und zwar im wesentlichen onto-
genetisch. Yerf. kritisirt diese Hypothese und die Argumente, welche Cyon in seiner
neuesten Arbeit zu ihren Gunsten angeführt hat Während Cyon die bekannte
Eopfwendung von Fröschen, Tauben und Kaninchen auf der Rotationsscheibe als
passives Zurückbleiben des Kopfes deutet, fasst sie Yerf. — offenbar mit Recht —
als active Drehung auf. Während ferner Cyon annimmt, dass es sich bei den
Kopfwendungen um reine Gesichtsphänomene handele, weist Yerf. durch Wieder¬
holung älterer Yersuche nach, dass bei geblendeten Fröschen die Kopfwendung nur
in Folge einer Reflexhemmung für einige Zeit ausbleibt, dann aber vollständig ein-
tritt. Die Eopfwendung wird also nicht nur von der Retina, sondern auch von den
Bogengängen ausgelöst. Th. Ziehen.
7) Sülle fonxioni dei oanali seznioiroolari, per E. Lngari. (Riv. di patolog.
nerv, e ment 11.)
Yerf. hält die halbcirkelförmigen Canäle für Organe, die nur dem Gehör dienen
ihres anatomischen Zusammenhangs mit dem Ohr wegen und, weil sie nach den drei
Dimensionen des Raumes angeordnet, geeignet sind, die Localisationen des Schalles
ZQ percipiren. Die aus den Canälen entspringenden Nerven treten mittels ihres
zweiten Neurons in Contact mit den Kernen der Angenmuskelnerven und mit Nerven-
kemen im Cervical- und vielleicht auch Dorsalmark. Dadurch ist von den Canälen
ans eine Reflexwirknng auf Bewegungen der Augen und des Kopfes ermöglicht
Yalentin.
Pathologische Anatomie.
8) Bioerohe snlle leaioni dolle fibre nervöse spinall nelle psiconevroal
aonte e oontributo anatomioo alle Studio della paralisi spinale spastioa,.
per A. Donaggio. (Riv. speriment di Freniatria. XXIII.)
Anatomische Untersuchnngen des Rückenmarks bei 5 an Manie und 3 an aentem
Ynfolgungswabn erkrankten Patienten. In 5 Fällen fand Yerf. doppelseitige, sym-
netrische Strangdegenerationen und initiale, nur in einem Falle schwerere, Yer-
■' Google
458
änderaog'en der Kerrenzelleo. Die Strangdej^eoerationen erstreckteo sich nicht höher
als bis zur Cerricalgegend. Es waren betroffen: 2 Hai die Hinteretränge, 2 Hai
Hinter- and Fyramidenseitenstränge, 1 Mal nur die letzteren. Die Degenerationen
wiesen die von Vassale för primäre als charakteristisch beschriebenen Eennzeichen
anf, wie negatives Resultat mit der Harchi’schen Methode n. e. w. Die primären
Degenerationen sind nicht nar nnabhängig von Zellverändernngen, sie können die
Faser anch in jedem beliebigen Abschnitt ihres Verlaufs ergreifen, sie gleichen den
bei Vei^iftungen beobachteten und verdanken selbst wahrscheinlich einer Antointoxi-
cation ihr Vorhandensein, ebenso wie die acnten Psychosen, bei denen sie anftraten.
Sie sind der Heilung zugänglich.
Ein Kranker mit Mitrallnsufficienz and Leber- und Nierenaffectionen, bei dem
die Section primäre Degeneration der gekreuzten Pyramidenbflndel ohne Betheilig^ng
anderer Stränge oder der Nervenzellen erkennen liess, bot während des Lebens voll¬
kommen das Bild der spastischen Spinalparalyse. Valentin.
8) Sülle alteraiionl delle oellule nervöse dell* asse oerebro-splnsle oon-
sacutlve all’ Inanlslone, per C. Qanfini. (Honitore zoolog. 1897. VIII.)
Bei Kaninchen, die 5—7 Tage gehungert hatten, fand Verf. nach der Nissl’-
sehen Methode die Zellen der Vorderhömer weniger gefärbt als normal, bald mit
gut umgrenzten Chromatlnscbollen, bald mit diffuser Eömelung. Der Kern ist grösser
als bei nicht hungernden Thieren. Auch die Neurogliazellen sind weniger stark
gefärbt. Hinterbörner- und Himrindenzellen ohne Veränderung. Valentin.
10) Changes in the central nervoos System after aseptio injury, by Jo¬
seph Sailer. (Proceedings of the pathological society of Philadelphia. 1898.
January 15.)
Nach dem Vorgänge von Tedeschi und Marinesco untersnehte Verf. die
Wirkungen einer einfachen aseptischen Zerreissaog des Q-ehims, indem er einer Katze
ein feines Loch durch die Hirnschale bohrte und durch dieses einen sterilisirten
Platindraht in das Gehirn einstach und hin and her bewegte. Die anfangs be¬
stehenden Störungen in der Bewegnng des Hinterbeins verschwanden bald. Nach
72 Ständen wurde das Thier getötet; an der Stelle der Läsion zeigte sich Hervor-
qnellung von Himsnbstanz nnd beträchtliches Bluteztravasat. Die Untersuchung
des in 96Alkohol gehärteten Gehirns zeigte in unmittelbarer Nachbarschaft der
Läsion keine Zunahme der Neurogliazellen; das ganze Gewebe färbte sich nicht
Direct hinter dieser Zone zeigten sich Capillaren mit Wucherung der Endothelzellen,
deren Kerne theilweise Karyokinese erkennen liessen. Die Neurogliazellen waren
leicht vermehrt, die Ganglienzellen stark degeneriri Noch weiter entfernt ze^te
das Nervengewebe normale Beschaffenheit. Die Neurogliafasem waren in der Nähe
des Coagulum dicker und breitmaschiger als normal. Das Neurogliagewebe ersetzt
nach aseptischer Zerreissang der Himsubstanz das zerstörte Gewebe, hauptsächlich
durch Verdickung der Fasern, weniger durch Wucherung der Neurogliazellen. Die
Ganglienzellen dieser Gegend erhoben sich nicht wieder zu fuuctioneller Thätigkeit
In der ganzen afBcirten Hemisphäre waren die pyknomorpheu Zellen zahlreicher als
in der gesunden. M. Bothmann (Berlin).
Pathologie des Nervensystems.
11) Fatogenesl e semeiologia della vertigine, per L. Silvagni. (Roma. 1897.)
Die vorliegende, änsserst sorgföltige und von grosser Belesenheit in der ein¬
schlägigen Litteratur zeugende Monographie enthält zunächst einen mit eiusichtsvoller
Google
469
Kritik gdscbriebenen hiBtoriscben Ueberbliek Ober die verscbiedezien Theorieeo tod
Wesen nnd Patbogenese des Schwindels und der n seiner Erklärong beraDgez(^eneD
Erecheinongen, wie der Function der balbcirkelfbnnigen Can&le, des Ranmsinnes, der
Erbaltnng dee Körpergleiehgewicbts. Ueber den intraeraniellen Blatdrnck unter ver-
schiedenen experimentellen Bedingungen, wie Compression einer oder beider Carotiden,
der Tertebralis n. s. w.. sowie Aber den bei Durebleitong des galraniscbeu Stromes
durch den Kopf entstehenden Schwindel und seinen Einfluss auf Athmung und Blut-
circulation bat Terf. Tbierrersnche angestellt nnd tbeilt die betreffenden Curven mit.
Schwindel kann auf zwei Arten in Erscheinung treten: subjectiv mit schein¬
baren. in Wirklichkeit nicht Torhandenen Bewegungen der Umgebung und objeetiv
mit Bewegungen des betroffenen IndiTidunrns selbst Zur Aufrechterhaltnng des
Eörpergleichgewichts sind antoAatiscbe Bewegungen erforderlich, die geregelt werden
Ton sensitiven Beizen. Aber nicht nur von Beizen einer einzelnen Gruppe von
Sinneeoiganen; die automatischen Bewegungen sind vielmehr das complexe und ein¬
heitliche Besultat aller von der Peripherie zu den Centren gelangenden Sensationen.
Uebereinstimmung muss auch vorhanden sein in der Uebertragnng jener falschen
Sensationen betreffs unserer Beziehungen zum Raum, die den Schwindel veranlassen.
Und ob er vom Auge, vom Ohr oder von den tactilen Nervenendigungen seinen
Ursprung nimmt, Schwindel wird nur entstehen können, wenn alle peripheren Sinnes¬
organe DDS Übereinstimmend die Empfindung einer nicht vorhandenen Lage zur Um-
gebnng übermitteln. Der Ursprung des Schwindels ist also eine Täuschung des
Baumsinnes. Diese Täuschung ist keine Hallucioation, wie Niemeyer und Sau-
vages, keine Illusion, wieLnsaana, Nothnagel, Frank annehmen, sondern nach
Ansicht des Verf.'s eine Verkehrung (pervertimento). Ohne Bewusstsein giebt es
keinen Schwindel; dieser ist „die Wahrnehmung der Verkehrung des Baumsinnes,
die vorübergehende Erregungen der zur Aufnahme, Uebertragnng und Ausgestaltung
der Baumesempfindung dienenden Nervenelemente begleitet, nnd die durch Kreislauf-
stömngen, durch die Wirkung toxischer Substanzen oder durch die plötzliche Er¬
schöpfung der Nervenelemente selbst bervorgerufen werden kann.“
Zum Schluss folgt eine Eintheilnng der verschiedenen Schwindelfonnen in physio¬
logische oder occasionelle, sensorielle, reflectorisch, toxisch, symptomatisch entstandene,
in essentielle und in solche bei Psychosen und aus verschiedenen Veranlassungen
vorkommende, nnd ihre allgemeine nnd specielle Symptomatologie. Valentin.
12) Einige Bemerkungen aur liehre vom Ohrenschwlndel, von W. Ebstein.
(Deutsches Archiv f. klin. Hedicin. 1897. Bd. LVIII.)
Verf. berichtet über Fälle von Obrenscbwindel, bei denen die Natur des Obren-
leidens festgestellt wurde, und welche ätiologisch und symptomatisch interessante
Einzelheiten ergaben.
In einem Falle bandelte es sich um eine bei einem Oichtiker unter dem Bilde
des Ueniöre’schen Schwindels auftretende Vertigo. Bei dem Kranken bestehende
Gehörsstörungen waren die Folge einer Erkrankung des inneren Obres nnd des
Acusticusstammes.
Ferner wurden Schwindel und Erbrechen mit rechtsseitiger Schwerhörigkeit bei
mner an Bheumatismus deformans erkrankten Frau, Gicht, Schwindel und Gehör¬
leiden bei einem dritten Patienten, der gleichzeitig eine Verkalkung des Trommel¬
fells hatte — möglicherweise hamsaure Salze — beobachtet
Zu den bisher bekannten Fällen von Labyrintherkrankung bei Influenza fügt
Verf. einen dritten eigener Beobachtung.
Endlich noch wurde der Ohrenschwindel beobachtet bei einer an Tuberculose
und Diabetes leidenden Kranken, sowie in Verbindung mit Supraorbitalneuralgieen
und hochgradiger Coprostase nnd endlich bei Syphilis. K. Grube (Neuenahr).
Google
460
13) Ueber einen typisohen Fall von Meniöre’soher Affeotion. — Heilung»
von Or. Albert Bing, Frivatdocent in Wien. (Wiener med. Wochensohrift.
1898. Nr. 4.)
Typischer Meni^re’scher Schwindel (Morb. Menidrei apoplectiformis) mit voll*
ständiger nervöser Taubheit rechts. Fat war 42 Jahre alt, frflher immer gesnnd,
litt in letzter Zeit oft an Congestionen zom Kopf. Verordnung: Jodsalz 0,5 pro die,
Empl. vesic. am rechten Warzenfortsatz. Nach 3 Wochen Heilnng. Hörvermögen
wieder ganz normal. Welcher Art die pathologische Veränderung war (Capillar*
apoplezie, seröse Ezsodation), und in welchem Theile des Gehörapparats sie sass,
liess sich nicht bestimmen.
Man soll, meint Verf., wenigstens in der Otologie von Morbus Meniörei nor
sprechen bei apoplectiformem Auftreten der Trias (fo dass es eigentlich nur einen
Morb. Men. apoplectiformis giebt), und wenn die pathologischen Veränderungen im
Endapparate des Acnsticns oder längs seines centralen Verlaufs sitzen. Den Ans*
druck Meniöre’scher Symptomencomplex sollte man fallen lassen und bei Auftreten
der Trias, z. B. nach Einwirkung eines Traumas anf das Ohr, nur von Boptor,
Commotio labyrinthi, Hämorrhagie u. s. w. sprechen, aber nicht von Meniöre, ebenso
nicht, wenn bei Ansammlung von Cerumen, Katarrh, Ausspritzung der Obren, Loft*
einbreibung u. s. w. sich sog. Meni^re’sche Symptome einstellen.
J. Sorgo (Wien).
14) lies hydrooephalies» par Dr. d’Astros, Mödecin des Höpitauz de Marseille.
(Faris. Steinbeil 1898. 341 S.)
Eine monc^raphiscbe Beschreibung Ober Hydrocepbalie entspricht gewiss einem
BedOrfniss und der Verf. wird durch die Art und Weise, in der er seine Aufgabe
erfüllt bat, gewiss des Dankes und der Anerkennui^ seiner Facbgenossen sicher
sein. Nach einer historischen Einleitung und nach Besprechung der anatomischen
und physiologischen Verhältnisse, wie der Symptome der Krankheit kommt er zu der
Fathogenie der Krankheit; er nimmt eine Hydrocepbalie durch venöse und lymphatische
Stase an und eine andere inflammatorischen Drsprungs. Im 6. Kapitel bespricht Verf.
die congenitale Hydrocepbalie, im 7. die Hydrocepbalie der Degenerirten, im 8. ln*
fection und Hydrocepbalie, im 9. das Verhältniss von Ehacbitis zur Hydrocepbalie.
Ein besonderes Kapitel ist sodann der Discussion der Meningitis serosa (Quincke)
gewidmet Wenn Verf. auch eine solche Meningitis serosa besonders in der acnten
Form annimmt, so meint er doch, dass die chronische Form Quincke’s, wenn er
dieselbe auch nicht bestreitet hier besonders mit Bflcksicbt darauf eine Einschränkung
erfahre» müsse, als mehrere der Quincke’scben Fälle wohl latente congenitale
Hydrocephalieen seien, welche durch accidentelle Einflüsse zur Erscheinung gekommen
sind. Es werden sodann die Hydrocephalieen bei Folioencephalitis, bei Hirntumoren,
bei Hirntuberculose, bei hereditärer Syphilis und endlich der Hydrocephalus eztemus
besprochen. Nach einer Erörterung der Diagnose der Hydrocepbalie kommt Verf. zu
der Therapie, in welcher er nach Aufzählung der verschiedenen chirurgischen Ein¬
griffe zu dem Schluss kommt Aass unsere Heilkunst in dieser Krankheit noch sehr
wenig vorgeschritten sei.
Die Litteratur, auch die deutsche, ist eingehend berücksichtigt. Die Ausstattung
des Boches ist eine sehr gute, und wir können das Werk auf das Beste empfehlen.
M.
16) Sarooma della fossa cranioa posteriore destra oon idrooefialo e soolo
di liquido oerebro-epinale del naso, per L. A. Campo. (Biv. sperim. di
Freniatria. XXIII.)
24 jähriger Mann erkrankte im 7. Lebensjahre an einem Ohrenleiden, daranf
entwickelten sich nach und nach die anderen Beschwerden: Kopfschmerzen, schwan*
Dig i'i’od:
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461
kioder Osog, Ezophtbalmos, Schwellung der Kopfvenen, Hjdroeephalns, Ataxie des
Bompfes und der Glieder, L&hmuQg des rechten Facialis, Nystagmus, Zorftchbleiben
des rechten Auges bei Convei^enzbewegungen. Aus dem linken Nasenloch floss fast
ständig Cerebrospinalflflssigkeit ans, die Terf. chemisch untersuchte und mit den
Analysen anderer Beobachter, sowie mit der durch Quincke’sche Lumbalpnnction
bei seinem Kranken entleerten Flüssigkeit vei^lich. Wurde der Ausfluss aus der
Hase geringer oder bürte er zeitweilig auf, so steigerten sich die Beschwerden des
Patienten.
Bei der Section fand sich ein voluminOser grossentheils cystischer Tumor io
der rechten hinteren Schädelgrobe, der Hinterfläche des Felsenbeins anhängeod, der
die nmgebenden Himtbeile stark comprimirt batte. Es war ein cystiscbes Sarcom
endothelialen Urspmngs. An der Arachnoidea sassen Verdickungen, die mikroskopisch
Pacchioni’schen Granulationen glichen und die Dura und stellenweise den Knochen
Dsorirt hatten, so am Sinus ^ontalis. In diesen hinein war denn auch die Flüssig¬
keit vom Vorderhom des linken Seitenventrikels durch die verdünnte Nervensobstanz
gesickert und weiter durch das Infundibulum in die Nase. Valentin.
16) Chronic hydrocephalus treated hy interoranial drainage, by G. A.
Sutherland. (Brit med. Joum. 1898. March 19. S. 758.)
Verf. berichtet in der klinischen Gesellschaft über einen, gemeinschaftlich mit
Watson Cheyne behandelten Fall von congenitalem Hydrocephalus bei einem
6jährigen Kinde mit hereditärer Syphilis. Ein Drainrohr von Catgnt wurde in den
mteren linken Winkel der grossen Fontanelle eingeführt, ein Ende zwischen Dura
ond Gehirn, und ein anderes in den Ventrikel. Aus diesem floss nur wenig Flüssig¬
keit ab. Dann wurde die Oeffnung in der Dura mit Catgntnaht verschlossen, die
äossere Wnnde wie gewöhnlich. 6 Tage nach der Operation war die Wunde völlig
zQgebeili Der Erfolg der Operation war, dass der Schädelnmfang ansehnlich ver¬
ringert, die Fontanellen worden sehr viel kleiner, dichter mit Pulsation. — Das Kind
starb 3 Monate später an BasUarmeningitis. Im snbduralen Kaum fand sich eine
grosse Menge Flüssigkeit. Das Gehirn war klein, cystisch zum Theil; die Ventrikel
nicht erweitert
Watson Cheyne berichtet dazu über einen anderen, analogen Fall mit eben¬
falls vorgenommener Operation. Es sei eine Hoffnung vorhanden, die Entwickelung
eines solchen Gehirns zu erzielen, wenn die Operation vorgenommen werde, bevor
Draekentzündung im Gehirn entstanden sei. L. Lehmann I (Oeyubansen).
17) Ein Beitrag au den selteneren Fällen der Sehstöningen bei intrs-
oraniellen Erkrankungen, von Prof. XJhtboff in Breslau. Unter Zugrunde¬
legung eines in der scblesLschen Gesellschaft für vaterländische Cultur (medic.
Section) gehaltenen Vortrages mit Krankendemonstration. (Deutsche med. Wochen¬
schrift 1898. Nr. 9 n. 11.)
Fall I. Die 7jährige Patientin H. F. erblindete vor 3 Jahren im Anschlnss
an eine epidemische Cerebrospinalmeningitis vollständig nnd blieb auch später im
gewöhnlichen Sinne des Wortes blind, wenngleich sich etwas Lichtempfindnng ein*
stellte. Bei der Untersochnng (Juni 1897) erwiesen sich die inneren Organe Intact,
der Nervenstatns annähernd normal, insbesondere keine Läbmnngserscheinongen nnd
Sensibilitatsstörungen, keine Imbecillität n. s. w. Angenhintergmnd normal, Emme-
tropie. — Prompte PupUlenreaction anf Licht, Accommodation nicht zo prüfen.
Keine Lähmungen, kein Nystagmus; Strabismus diveigeus, namentlich des linken
Auges. Das Kind behauptet nichts sehen zn können, fixirt nicht, macht keine
positiven Angaben und verhält sich bei der Orientirung im Raum wie eine Blinde.
ig: /cd c/ Google
462
Eine genanere Pr&fang ei^ab, dass das Kind thats&cblieh nicht ?ollsUndig blind war,
dass es zeitweise anf keine Prflfang reagirte, an anderen Tagen folgte es grösseren
vor den Aogen bewegten Dingen, griff mit den Händen danach, fixirte dagegen nicht
mhig gehaltene, namentlich kleinere Objecte. Ziemlich sicher umging das Kind
grössere Hindernisse und zwar mit vorgestreckten Händen oft ohne die Gegenstände
zu berühren. — Trotzdem behauptete Pat. dnrchweg gamicht sehen zu können und
benutzte, sich selbst überlassen, d. b. ohne Aufforderung und Erregung ihrer Anf*
merksamkeit, das geringe, offenbar vorhandene Sehen gar nicht Richtige Wahr¬
nehmungen von Farben konnte das Kind anscheinend nicht gewinnen, lieferte auch
keine Anhaltspunkte zur Beoriheilang der Sehschärfe. Das Gesichtsfeld war an¬
scheinend noch ziemlich im normalen Umfang erhalten, jedenfalls keine Hemiopie
nachweisbar. — Durch methodische Uebung wurde das Sehen und die Verwertbung
desselben etwas gefördert
Verf. hält Hysterie fQr sicher ausgeschlossen und nimmt eine doppelseitige
Himrindenläsioo in der Gegend des Sehcentmms an mit sehr hochgradiger, dauernder
Beeinträchtigui^ der Sehfunction. Der Eintritt des Leidens im Alter von 3 Jahren
erklärt, dass das Kind bei seiner weiteren geistigen Entwickelung das restirende,
geringe, wenig nützende Sehvermögen allmählich ganz vernachlässigte und im gewöhn¬
lichen Leben völlig blind erschien, dass ferner Anregung der Aufmerksamkeit und
Belehrung das Sehen anfangs ein wenig besserte, während das Kind, sich selbst
überlassen, sich als ganz erblindet fühlte. — Eine längere Beobachtung in der
psychiatrischen Klinik bestätigte die Annahme und machte wahrscheinlich, dass bei
dem Kinde auch die tactUen Grössen- und Raumvorstellungen mangelhaft entwickelt
waren.
Fall II. Sehr complicirte Krankheitssymptome bei einer 28jährigen PaUenün,
und zwar linksseitige homonyme Hemianopsie mit Uebergreifen auf die rechten
Gesichtsfeldhälften, doppelseitige Ophthalmoplegie interna, leichte Atrophie der Papille
(rechts, später auch linlte) und Morbus Basedowii (Struma, Herzpalpitationen, Tremor,
Hyperhidrosis, psychische Erregungszustände u. s. w., kein Exophthalmus). Besserung
durch antilnetische Kur. — Die Sehstömng weist nach Terf. sicher auf das vordere
Ende des rechten Tractus opticus hin mit Uebei^eifen auf das Chiasma. — Eine
einheitliche Erklärung des ganzen Krankheitsbildes ist unmöglich. Einmal könnte
man die Sehstörung mit einer Hypophyaiserkrankung, diese wiederum mit der Schild-
drflsenerkrankung, der eventuellen Ursache des H. Basedowii, in Zusammenhang
bringen: unerklärt bliebe die Ophthalmoplegia interna. Weiterhin könnten die
Tractusläsion und Ophthalmoplegie luetischer Natur sein und bei der schon länger
bestehenden Entartung und Vei^rOsserung der Schilddrüse der Ausbruch des H. Base¬
dowii durch den Eintritt der intracraniellen Erkrankung begünstigt sein. Die dritte
Möglichkeit der Deutung, die Basedow’sche Erkrankung als das Primäre anznsehen,
die Sehstörungen als secundär und davon abhängig zu betrachten, hat am wenigsten
Wahrscheinlichkeit. Die Anamnese ergab, dass die Struma schon seit dem 14. Lebens¬
jahre besteht, in letzter Zeit aber zugenommen hat, dazu traten vor einigen Monaten
Verschlechterung des Sehvermögens, rechtsseitige Kopf-, Gesichts- und Zahnschmerzen,
gelegentlich Ohnmachtsanfälle. — Lues geleugnet. R. Pfeiffer (Cassel).
18) Die Bedeutung der Augenstdrungen für die Dii^ose der Hirn- und
Rüokenmarkskrankheiten, von Dr. Otto Schwarz, Privatdocent an der
Universität Leipzig. (Berlin. 1898. S. Karger.)
Das Büchlein verdient die Beachtung der Neurologen in vollstem Maasae. Nach
schätzenswerthen ophthalmologischen Vorbemerkungen werden die Augenstörungen
bei den verschiedensten Krankheiten der Hirnhäute, des Hirns, des verlängei^n
Marks, des Rückenmarks, sowie bei einer Anzahl fnnctioneller Neurosen namentlich
''i;.;/Od
Google
_ i
463
u diagooetischer nnd differentialdiagnostiseher Hiosicht besprochen. Interessant sind
BaMDtUeh die Kapitel Über die Geschwülste und über die Syphilis des Central*
stfTeii8[^teiii8, über Paralyse, Tabes and die mnltiple Sklerose. Am eingehendsten
lind die pathologischen Angensymptome bei der Hysterie behandelt, die nicht nur
«ae branchbare Znsammenstellung der Arbeiten anderer Forscher, sondern selb*
stindige, nene and vertraaenswürdige Beobachtongsresoltate enthalten.
Q. llberg (Sonnenstein).
19) Ein transparenter Xngelperizneter aaa Celluloid für den Handgebrauch,
Ton Dr. Jnlins Ascher, Aogenarxt in Frankfort a./H. (Ophthalmol. Klinik.
1898. Nr. 5.)
Verf. hat einen neuen handlichen Perimeter constrairt, der in der Hauptsache
its mem Hoblkagelsegmeni ans transparentem Celluloid besteht Aaf seiner con*
Texen Seite befindet sich ein Qesichtsfeldschema mit Grenzen für Weiss ond Farben,
daran ein Bügel mit Handgriff and Augenstütze.
In Folge des geringen Gewichts des Cellaloids (der ganze Apparat wiegt 460 g)
kiiiD der Patient den Apparat leicht and sicher vor dem zu antersochenden Auge
kalten. Oer transparente Mantel der Hohlkngel gestattet einerseits in allen ihren
Th^o dieselbe Beleuchtung, andererseits die Prüfungsblättchen aof die convexe
Säte der Hohlkngel zu vorigen. Darcb diese Verlegung kann 1. die UnfÜrmigkeit
dar alten Apparate durch einen kleinen, handlichen ond bequem transportirbaren
At^israt ersetzt werden, 2. wird die Dntersuchaog dem Arzte dadurch bequemer, sie
liegt ihm handgerechter und 3. fällt das dem Gesichte des Patienten so nahe Bin*
od Uerbew^en der Sehobjecte fori
Das Resultat wird direct auf der Kogel mit weicher farbiger Kreide aufgezeicbnet
Barch eine im Pole der Kugel sich befindende röhrenförmige Oeffnong, dnrch welche
kiadurch das zu untersuchende Auge einen fernen Gegenstand fiziren soll, wird die
AceMBBodation genügend entspannt Die Transparenz des Mantels gestattet dem
Atzte die Blicklinie eeiner Patienten bequem zu überwachen.
Das Perimeter ist zu beziehen durch F. Benningen, Frankfurt a./M., Bibergasse 2,
oad kostet 48 Mark. Fritz Mendel.
SO) Oontributo allo Studio delle paralisi oltemanti dei musooli ooulari,
per Q, Mingazzini. (Soppl. al Policlinico. 1897. IV.)
2 Fälle altemirender Angenmuekelläbmung:
L Eine 46jährige sehr schlecht genährte Fran, die früher an hysterischen
Krämpfen gelitten ond vor 10 Jahren bereite an Doppeltsehen erkrankt war, wurde
deo rechten Ange von Lähmung des Hebers des oberen Angenlides und von
Deppätsehen befallen. Nach einem Monat Heilung. Vs dahr später rechts Lähmung
im Levator palpebrse snp., Bewegung des Anges nach oben stark eingeschränkt;
Saks Lähmung des Levator, Hebung, Senkung, Aussen* ond Innenrotation des Bulbus
hst 0eicb Noll Schmerzen im Verlauf des linken N. olnaris.
IL 38jähriger, luetischer Mann. Seit 6 Jahren fast jährlich Aogenmuskel-
ähacng und zwar beim ersten Mal dee Obliquus superior rechts, später links. Jetzt
lähmnng des linken Levat. palpebr. sup. and des M. obliques sup. links. Pnpillen
li^tstanr. Zugleich Gefühl von Schweiss in den unteren Extremitäten und lauci-
inode Schmerzen. Wahrscheinlich beginnende Tabes.
Die altemirenden Aogenmnskeilähmuogen nntersebeiden sich dem Verf. zufolge
tiht von der Ophthalmoplegia chronica progressiva. Valentin.
D19 ;vod oy GOO^ IC
464
21) Bemarqaes Bur quelques troublee ooulaires d^pendant de l'4tat g4n^ral,
par Emile Berger. (Arch. d’Ophtalmol<^ie. Paria. 1897. aoöt.)
Terf., welcher zunächst allgemein darauf hinweist, dass eine im Verlauf oder
nach einer anderen Krankheit auftretende AugenstOrung darum noch nicht lediglich
auf diese bezogen werden dürfe, sondern dass es auch wesentlich auf den Allgemera-
zustand ankomme, führt mehrere derartige eigene Beobachtungen an. So trat z. B.
in einem Falle im Anschluss an gelbes Fieber die Unföbigkeit auf, Nadeln einzn-
födeln u. 8. w.; objectiv fand sich bei Untersuchung des Oesichtsfeldes eine rasch
zunehmende Einengung für Weiss (Spiralgeeichtsfeld) und „ Ermüdungstjpus too
Foerster“, sowie allgemeine Symptome von Neurasthenie.
In einem anderen Falle trat im Anschluss an die Taucherluftdruckkrankheit
•(„Haladie des Caissons“) Sehstürnng ein; objectiv Anästhesie der Conjunctiva des
linken Auges, concentrische Einengung und Inversion der Farbenempfindungsgrenzen.
Letzteres fand sich auch in einem Falle, in welchem die subjectiven Sehstümngen
im Verlauf von Broncekrankheit aufgetreten waren.
Verf. betont, dass die Augenstörnngen in diesen und ähnlichen Fällen eben
nicht ohne weiteres direct auf die betreffende Krankheit, sondern auf Nenrasthenie
oder Hysterie zu beziehen seien, welche sich im Laufe oder in Folge derselben ent«
wickelt hätten. Kaplan (Herzbeige).
22) Zar Symptomatologie der Aogenmoakellähmangen, von P. Moritz Sachs
(Wien). (Uräfe’s Archiv für Ophthalmologie. 1897. XLIV.)
Verf. fand bei von ihm untersuchten Fällen von einseitiger Abducensparese, dass
sowohl beim Blick von links nach rechts, als beim Blick von rechts nach links
Scheinbewegungen auftraten, und zwar in der Bichtung der intendirten Blickbewegung.
Äuffallenderweise fand sich, wenn die Prüfung bei Offenbleiben des gesunden
Auges stattfand, eine falsche („spastische“) Localisation auch im Bereich des asso«
ciirten Internus der gesunden Seite; es wurde also z. B. bei rechtsseitiger Abducens-
parese ein rechts gelegener Gegenstand, mit dem linken Auge betrachtet, nicht am
richtigen Orte, sondern nach links verschoben gesehen. Um eine durch irgend
welche Lähmung am linken Auge bedingte Localisationsstörung konnte es sich dabei
nicht handeln, da bei einer solchen der Gegenstand stets nur nach der Bichtung
verlagert erscheint, io welcher der geschädigte Muskel das Auge dreht.
Von den Doppelbildern, in die bei rechtsseitiger Abducenslähmung ein rechts
gel^ener Qegensünd zerfallt, wurde demnach keines m dem wirklichen Lageorte
des betreffenden Gegenstandes, sondern das eine rechts, das andere links daneben
gesehen.
Verf. erklärt diese „spastische“ Localisation mit einem rascheren Ablauf der
Blickbewegung und der dadurch entstandenen Soheinbewegung, und nimmt an, das
der associirte Internus einen erhöhten Tonus besitzt, dem zu Folge die Impulse zur
Bechtswendung rascher die gerade erforderliche Contraction aofbringen.
Die Scheinbewegung führt zu einer Verlagerung der Gegenstände und damit zu
einer falschen Localisation (nicht umgekehrt die falsche Localisation zur Scheio-
bewegung!). Diese Scheinbewegung der G^enstände ist nach Verf. auch die Ursache
des Schwindels, an welchen Individuen mit Augenmuskellähmung leiden.
Paul Cohn (Berliu).
23) AugeamuBkellähmangen durch Oesohwulstmetaatasen, von Docent Dr.
A. Elschnig in Wien. (Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 5.)
1. Fall. Augenmuskellähmnogen durch metastatisches Carcinom der Augen«
mnskeln. 73jährige Frau. Carcinom des Cervix, Metastasen in der Haut Das
Google
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465
linke Auge erfuhr zunehmende Protrusion bis zur ?oUständigeD Unbeweglichkeit.
Ftosis des oberen Lides, Än&sthesie der Augapfeloberfläche, neuroparalytisehe Kera¬
titis. Pupillen gleich weit, reagiren gut, Fundus normal. Bel der Section fanden
sich in allen Augenmuskeln mit Ausnahme des Obliques inf. unmittelbar an ihrem
Ursprünge Geschwnlstmetastasen, in Form je eines härtlichen, die ganze Dicke der
Muskeln einnehmenden Carcinomknoten; im Obliquus sup. deren zwei.
Die Lähmung der Al^fenma8keln kann mnscnlären (durch mechanische Beliin-
demng der Contraction und Leitungsnnterbrechnng der NerTenansstrahlungen im
Muskel selbst) oder neuralen Ursprungs (durch Druck auf die motorischen Nerven
vor ihrem Eintritte in die Muskeln) gewesen sein. Ersteres hält Yerf. fflr wahr¬
scheinlicher, weil die Pupillenfasem des Ocnlomotorius intact waren. Daneben spielte
wohl ancb die Compression der Nerven eine Bolle; die Anästhesie der Augapfel-
Oberfläche dürfte durch Drucklähmung des Bamus ophthalmicus des Trigeminus ent¬
standen sein.
Schon geringfOgige Geschwulstmetastasen an den Ursprongastellen der Augen¬
muskeln müssen Läbmui^ erzeugen, denn die für die einzelnen Muskeln bestimmten
Nerven legen sich unmittelbar nach ihrem Eintritte io die Orbita an die Innenfläche
des entsprechenden Muskels, und strahlen fächerförmig in seine Substanz aus, die in
die Knoten eingebetteten Nervenbündel vriesen auch thatsächlich hochgradige Atrophie
auf. Geschwulstmetastasen in den Augenmuskeln sind enorm selten. Es ist bisher
nur ein Fall beobachtet worden (Horner).
2. Fall. Totale Ophthalmoplegie des linken Auges durch metastatisches Carcinom
im Sinns cavernosus sinister.
Ein 47jähriger Manu erkrankte ö Wochen vor dem Tode an Ptosis des Unken
Auges, Paralyse aller äusseren und inneren Augenmuskeln, Anästhesie der Äugapfel-
oberfläche; Fondue und Sehvermögen normal. Carcinom der Schilddrüse. Bei der
Autopsie zeigte sich in der Gegend des Sinus cavernosus sin. eine denselben erfüllende
Geschwnlstmasse, mit seiner Wand und der Carotis interna innig verbunden. Die
Obturation setzt sich nur eine kurze Strecke in den einmündenden Yenensinus fori
Die Nervenstämme im Sinus sind im Zustande entzündUcher Degeneration. Ein
Hineinwachsen von Geschwulstmassen in dieselben ist nirgends nachzuweisen. Die
Nervenfasern sind fast vollständig zu Grunde gegangen. Die Yena opbthalmica und
deren Zweige sind durch Geschwulstmasse verschlossen; Opticus normal.
Die seltene Localisation erklärt sich aus dem Durchbruche des Schilddrüsen-
carcinoms in die Yena jugularis externa.
Einfache Yerstopfung des Sinus cavernosus durch Neoplasmen oder Thrombose
braucht keine venöse Stauung au der Augapfeloberfläche und der Betina hervorzu-
rufen, da die Yena opbthalmica mit den Gesichtsvenen durch weite und zahlreiche
Auastomosen verbunden ist (Sesemann), so dass bei der Klappenlosigkeit der Yena
ophth. vielleicht schon normalerweise ein Abfluss des Blutes aus dem Sinus caver¬
nosus in die Yena ophth. erfolgen kann. Stauungserscheinungen in den Orbital¬
gebilden sind immer Symptome einer auf die Orbitalvenen übergehenden Thrombo¬
phlebitis. __ J. Sorgo (Wien).
24) Doppelseitige congenitale externe OphUialmoplegie, von Pflüger (Bern).
6. Sitzong des Medicin.-Pbarmac. Bezirks-Yereins Bern. (Corresp.-Blatt für
Schweizer Aerzte. 1S97. Nr. 11.)
Yerf. beobachtete einen Fall von Ophtalmoplegia externa bei einem Manne,
dessen Yater von ganz demselben Leiden befallen war; er erinnert an einen von
Dr. Goarfein (Bev. mäd. de la Suisse XII, 1896) publicirten Fall, wo die Con-
genitalität eclatant war, indem Yater and 4 Sühne an totaler Ophthalmoplegie litten,
währMd die Mutter und Töchter frei davon waren. Die Frage, ob in solchen
30
Dig ü^cd Dy Google
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Fällen Nuclearläbmung vorliegt oder der Charakter der Erkrankung dem der pri¬
mären Mjopathieen gleich zu achten sei, wird noch discutirt Richter (Rannn).
26) La disBOoiation de la vision binoculaire ohee quelques strabiques et
quelques bystdriques, a propos d’un cas d'amaurose monooulaire
byst^rique, par A. Antonelli. (Archires d’ophtalmologie. 1897. XVII.)
Oer Fall, welcher dem Yerf. die Veranlassnng zu obiger Abhandlung gab, war
kurz folgender: „ISjähriger, von väterlicher Seite erblich belasteter Knabe, bis zum
12. Jahre — abgesehen von Kinderkrankheiten — gesund, begann an Schlaflosigkeit
zu leiden, änderte seinen Charakter sehr auflallend in malam partem; während dieser
Zeit erfährt er eines Tages, dass sein Vater in eine Anstalt für Geisteskranke ver¬
bracht worden sei, alterirt sich änsserst heftig darftber, ßllt einige Tage darauf
mässig heftig mit dem Kopf auf eine Treppenstufe, wird nach 5 Tagen von inten¬
sivem Kopfschmerz befallen und bemerkt nach weiteren 2 Tagen beim Aufstehen am
Morgen eine plötzlich auftretende Erblindung des linken Auges.“ Die Untersuchung
ergab eine leichte Hypoasthesie der Banchdecken auf der linken Hälfte, desgleichen
der linken Cornea. Links keine Lichtempfindung — Verf. schloss Simulation sorg-
föltig aus — bei vollkommener Beflezfreiheit der Pupille; rechts nahezu normale
Sehschärfe, charakteristische Gesichtsfeldeinengong; der ophthalmologische Befund ohne
Belang. Versuche mit stereoskopischen Proben (Dahlfeld) zeigten, dass Pai nur
mühsam eine Fusion der Figuren (z. B. Schildwache und Schilderhäuschen u. ähnl.)
bewerkstelligen konnte, dagegen relativ leicht und flott Zeilen lesen konnte.
Während der ans organischer Ursache — so auch Schielen — AmblyopUcbe
oder Amaurotische sich — jedenfalls im Anfang der Erkrankung — entschieden
durch die unvermeidlichen Störungen in seiner Sehfabigkeit, bezw. in dem Bereiche
seines Sehvermögens, geniert fählt, ist dies ganz im Gegensatz dazu bei einem
Hysterisch-Amaurotischen nicht der Fall. Bei letzterem besteht vielmehr ein voll¬
kommenes „Sich - Unbewusstsein“ über seinen Zustand, den er sich erst durch Ver¬
schluss des „sehenden“ Auges in das Bewusstsein rufen kann. Der ganze nervöse
Apparat des binocularen Sehvermögens ist dabei völlig intact, nur ist die Verfügung
Ober denselben in der Weise eingeschränkt (rötröcie), dass es eines ziemlich ener¬
gischen Stimulans bedarf, om wirklich binocnlares Sehen zn erzielen. Es spielt daher
bei Hysterischen die Aofmerksamkeit — das Stimulans also — eine sehr grosse
Bolle; wird diese, wie es beim Lesen von Sätzen unter dem Stereoskop erforderlich
ist, sehr energisch angespannt, so kann der Fat. fliessend lesen, während das blosse
Bestreben, zwei StereoskopÖgoren richtig zu vereinen, die Aufmerksamkeit — dem
Fat. selbst unbewusst — nicht genügend stark wirken lässt. Dies Fehlen des „sich
seines Zustandes Bewusstseins“ (inconscience) stimmt ganz überein mit dem Verhalten
Hysterischer gegenüber allgemeinen hysterischen Parästbesieen. Verf. bezeichnet es
demnach auch als eine hysterische Anästhesie des das binocnlare Sehen vermittelndeo
sensoriellen Apparates. Es entwickelt sich auch bei dem hysterisch Amblyopischen
oder Ämaurotischen weder Simoltansehen, noch echtes Honocularsehen, eben weil der
sensorielle Apparat, wenn auch dem Träger unbewusst, functionirt.
Richter (Hamm).
26) Ueber Faralysls agitans und ihre Behandlung, von W. Erb. (Zeitschr.
f. prakt Aerzte. 1898. Nr. 5.)
Verf. berichtet über 2 Fälle von Paralysis agitans bei einem Sljäbrigen und
einem 44jährigen Manne. Bei dem ersteren entvrickelte sich die Krankheit etwa
Jahr nach einem mit heftigen Schrecken vorhandenen Fall in den mit Eis be¬
deckten Rhein, in dem zweiten sofort nach dem Herabstürzen von einem Baum. In
'ig: 7CÖ :
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btides F&Ueo sind die zwei Haaptsymptome der Paralysis agitans scharf ausgeprägt,
das Zittern und die Muskelsteifigkeit. Ffir das Zittern ist besonders charakteristisch,
dass es bei rölliger Kühe des Körpers besteht, dagegen im Schlafe völlig sistirt.
Durch willkQrlicbe Bewegnngen ist es in den Anfangsstadien noch zu nnterdrOcken.
Die Mnskelsteifigkeit und Spannung, die eine Verspätung der Bewegungen verursacht,
bedingt das charakteristische Bild der Krankheit, vor allem auch das Symptom der
Propnlaion und Retropnlsion in Folge der Schwierigkeit, rasch die Gleichgewichtslage
das Körpers zn ändern. Die beiden Hauptsymptome sind nicht immer in gleichem
Qnde entwickelt, ja das Zittern fehlt bisweilen ganz, so dass die Diagnose sehr
BcbwM^ zn stellen ist
Die Paralysis ^tans ist eine Krankheit des höheren Alters, tritt selten vor
dem 50. Lebensjahre aof; Heredität spielt eine mässige, Syphilis gar keine Rolle.
I^ehiscbe Einflfisse sind dagegen von grösster Bedeutung für die Entstebnng der
Krankheit Der Sitz des Leidens muss im Gehirn sein, vielleicht im Himstamm in
der Käbe der motorischen Leitongsbahnen. Eine sichere und constante anatomische
Grundlage der Paralygis agitans kennen wir bis jetzt nicht. Die Prognose ist schlecht;
dar Tod tritt nach qualvollen Jahren mit Sicherheit ein.
Die vom Verf. geübte Therapie besteht in Regelung der Diät und Lebensweise
des Kranken, dann in der innerlichen Anwendung des Arseniks. Daneben muss
Bektricität, am besten io Form der faradischeo, bipolaren Bäder, angewandt werden,
ferner eine milde Hydrotherapie. Was die symptomatische Behandlung betrifft, so
nad gegen Zittern und Steifheit die Hyoscinsalze, besonders Hyoscin. hydrobromicnm
(Merck) in Dosen von 2'—4 dmgr 1—2 Mal täglich aozuweoden. Äehnliche Wirkung
bat das Dnboisin in Dosen von 6—12 dmgr pro die. Der auf Grund der gönstigen
BfahroDgen mit Eisenbahnfabrten von Charcot vorgeschlagene „Zitterstubl“ ist kaum
zn empfehlen. H. Rothmann (Berlin).
37) FanlysiB agitass und Senilität, von Dr. H. Sander, Assistenzarzt an der
städtischen Irrenanstalt Frankfurt a./H. (Monatsschr. f. Psychiatr. u. Neurolog.
1898. Bd. III.)
Es ist wiederum aus der Frankfurter Irrenanstalt in der vorliegenden Abhand*
loag ein sehr bemerkenswerthes Resultat hervorgegangen, das einen Fortschritt unserer
aaatomiachen Kenntnisse von den Kervenkrankheiten bedeutet Verf. hat das Rucken*
■ark eines Falles von Parkinson'scher Krankheit untersucht, bei dem die Krank*
bötssymptome etwa in den 50 er Jahren begannen, in gleichmässigem, immer stärker
werdendem Zittern, permanenten Spannnngen der Mnsknlatur, die sich bis zu spabtiscfaer
LihBong steigerten, cbarakteristischer Körperhaltnng und später hinzutretender
Deaenz bestanden. Verf. verwandte die Pal’sche and die Harchi’sche Methode
nd die Weigert’sche Oliafarbong. Er constatirte einen diffusen Untergang von
Hervengewebe in verschiedenen Abschnitten der Vorder- und der Seitenstränge, und
zwar einen nach Änsdehnnng and Stärke in den verschiedenen Abschnitten des
Säckenmarks wechselnden Degenerationsprocess. Die Pyramideiibahnen waren vielfach
bstheiligt, doch bestand keine Systemerkrankung der ganzen Pyramidenbahn. Die
Kaadzone war in besonderem Grade afficirt. Am Weigert’schen Gliapräparat wurde
eise czcessive Wocbemng der Stötzsobstanz gefunden. Hier lag erstens ein grober,
diäter Gliafilz am die Gelasse, der eine, die umgebenden Nervenfasern erdrückende
peiivascoläre Sklerose darstellte. Zweitens war die Gila in der Randscbicht vermehrt;
von hier drang ein dichter Gliafilz in die Substanz ein. Ausserdem fanden sich im
Bftekeamark arteriosklerotische Processe an den feinen und feinsten Geßsseo und
Cerpon amjlacea.
Alle diese Veränderungen finden sich nun, wie Verf. in Uebereinstimmuog mit
iDdcrea Forschem angiebt, bei senilen Rückenmarken nicht selten. Bei dem unter*
30*
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468
suchten Falle ?on Faralysis agitans war aber auch die graue Substanz betbeiligt
und zwar in viel höherem Grade als bei anderen senilen Bflckenmarken. ln den
VorderhOmem und in der Gegend der Clarke’schen Säulen war die Glia stark
vermehrt; zahlreiche Spinnenzellen lagen in der grauen Substanz, wo auch die
arteriosklerotischen Veränderungen deutlich ausgeprä^ waren.
Verf. kommt zu dem berechtigten Schluss, dass eine Wucherung der Stfitz-
Substanz in den Vorderhömem zu Leitnngshinderungen in der motorischen Innervations*
bahn fährt, dass sie den innigeu Contact zwischen den Endausbreitongen des moto*
rischen Neurons erster Ordnung und den Dendriten der Vorderhornzelle beeinträchtigt.
Als klinisches Symptom dieses anatomischen Frocesses kann man sich recht g^ut den
Tremor vorstelleo, der ja io einer besttod^en Unterbrechung des motorischen
Inuervationsstroms am leichtesten seine Erklärung findet. Schreitet dieser Frocess
weiter fort, so wird es in der grauen Substanz zu degenerativen Veränderungen an
den feinsten Verzweigungen der Nervenfasern kommen, was sich in einer Abnahme
der Seitenstranginnervation, also in zunehmenden spastischen Symptomen äussem mnhs.
Die Sklerose der grauen Substanz ruft endlich Hinderungen in der reflectoriscben
Huskelinnervatioo hervor; die Körperhaltung, die Fropulsion, die Störungen des
Ganges der Kranken mit Paralysis agitans sind vielleicht so zu deuten.
G. Ilberg (Sonnenstein).
28) Paralysis agitans at thirty-four years of age, immediately following
typhold fever, by Frank B. Fry, M. D. (Journal of nervous and mental
disease. 1897. XXIV. 8.466.)
Verf. berichtet fiber einen Fall von typischer Faralysis {^tans, die sich bei
einem erst 34jäbrigen sonst gesunden Mann im unmittelbaren Anschluss an einen
Äbdominaltyphus entwickelte. Zuerst wurde der rechte, dann der linke Arm ergriffen
und nach wenigen Honuten erkrankten auch die Untereztremitäteu. Der Tremor,
die Haltung, der Gang, der Gesichtsausdruck, die Sprache u. s. w. sind jetzt in jeder
Beziehung charakteristisch. Sommer (Ällenbeig).
29) Heber das Zittern bei Faralysis agitans. von Dr. D. Gerhardt, Privat*
docent und Assistent an der medicin. Klinik in Strassburg. (Deutsche Zeitschr.
f. Nervenheilk. IX. 1897.)
Die Arbeit ist nach einem auf der 20. Wanderversammlung slldwestdeutscher
Neurologen und Irrenärzte im Juni 1896 zu Baden-Baden gehaltenen Vortrag zu*
sammengestellt. In Nr. 14 d. Centralbl. 1896. S. 667 findet sich über denselben
schon eine Mittheilung und sei an dieser Stelle darauf hingewiesen.
E. Asch (Frankfurt a./U.).
SO) Tremor ten gevolge van influensa, door D. de Buck en L. de Moor.
(Med. Weekbl. voor Noord- en Suid-Nederl. 1897. 9. Jan.)
Ein öl Jahre alter nüchterner Mann ohne erbliche Anlage bemerkte bei der
Genesung von einer Influenza mit hauptsächlich nervösen Erscheinungen ein Imchtes
Zittern im rechten Arme, das den Fat. nicht an der Ausübung seiner Zimmermaons*
arbeit hinderte, bei der es etwas geringer zu werden schien. Ein Jahr später wurde
Fat. zum zweiten Male von Influenza befallen, wieder mit derselben Form wie das
erste Mal. Danach fühlte er sich viel matter, das Zittern wurde stärker und trat
anch, aber viel schwächer, im linken Arm und im rechten Bein auf. Im wadien
Zustande dauerte das Zittern unaufhörlich fort, im Schlafe hörte es auf; Anstrengungen
vermehrten es, ruhige Arbeit schien es aber eher zu vermindern. Die Muskelkraft
D g :i.:od oyGoO^lC
469
war iD dem rechten Arme vermindert SeosibilitätsetöruDireii bestanden nicht. Ent-
artongaweaetioii beetand nicht, anch keine bemerkbare Atrophie, auch sonst fand sich
keine Abnormität Nach Anssohluss aller anderen Möglichkeiten halten die Yerff.
das Zittern wahrscheinlich ffir hjsteriscber Natnr nnd nehmen an, dass bei dem Fat
dsreh wiederholte Infeeiiooskrankheiten (Malaria, TTphos), an denen er gelitten hatte,
das Nerrensjstem geschwächt war, so dass ein Locos minoris resistentiae geschaffen
wurde. Unter snbcntaner Injection von Sperminnm hydroebloricom besserte sich der
Zsstand, 80 dass Pat so got als geheilt angesehen werden konnte.
Walter Berger (Leipzig).
31) PayohrcKaeetheeia (oold aenaatioiu) and psyohro-algia (oold pains),
by Charles L. Dana. (New York Medical Journal. 1898. Vol. LXVII.
Kr. 9.)
Kältegefühl — die Bezeichnung Psychroästhesia, von ifnix^og « kalt hergeleltet,
atammt von Pollaisson —, selten zum Schmerz gesteigert, findet sich bald mehr
diftis an einer ganzen oder mehreren Extremitäten and in Verbindung mit anderen
Faiästheeieen, Schmerz, vasomotorischen Störungen oder als isolirte Störung und
uf btttimmtc^ circumscripte Bezirke beschränkt (eigentliche, reine Psychroästhesie).
Als Sitz der Läsion müssen in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle die peripheren
Neran gelten, ausnahmsweise finden sich ausgesprochene Kälteparästhesieen isoHrt
oder in Verbindung mit anderen Sensationen auch bei Bückenmarkserkrankungen,
locMBotorischer Ataxie, besonders bei Syringomyelie. Bei dieser Krankheit handelt
• sieb selten um circumscripte, isolirte Eälteparästbesie; interessant wäre es, den
Anotdnangs^us in derarUgen Fällen zu beachten (Bef.).
Als ätiologisches Moment kommen u. a. in Betracht Alkohol, Lithämie, Traumen,
Heignng in Bhenmatismus, begünstigend wirkt auch neuropathische Constitution.
Die Therapie ist ähnlich oder gleich der Behandlung bei Neuritis. 7 kurze
Krankengeschichten illustriren die Angaben. B. Pfeiffer (Cassel).
33) Sin Beitrag sn den primären oombinirten Systemerkrankungen im
Kindeaalter, von Dr. Hans Lnce, Assistent der medicinischen Universitäts-
Poliklinik zu Strassbnrg i./E. Aus dem pathologisch-anatomischen Institut da¬
selbst. (Deutsche Zeitsebr. f. Nervenheilk. 1897. Xll.)
Bn b^/jjähriges Mädchen bot die Erscheinungen totaler spastischer, spinaler
Panplegie dar. Keine ätiologischen Anhaltspnnkte. Aus dem Symptomencomplex
Tvdie&en noch folgende Besonderheiten hervui^eboben zn werden: Initiale Erschei-
BiBgwn der Gleichgewichtsstörung, sehr frühzeitig completer Spracbverlnst (bnlbärea
Symptom), das klinische Bild bebenschende, excessiv gesteigerte Beflexerregbarkeit.
Äch 9 Monaten Exitns letalis. Die eingehende Cntersnchung des Centralnerven-
^stems förderte sehr interessante Befunde zn Tage, die, trefflich verarbeitet, dem
heebachieton klinischen Bilde die anatomische Grundlage gaben nnd somit den ganzen
FaQ als eine werthvolle Bereicherung der Nervenpathologie erscheinen lassen.
Hach der negativen Seite hin ergab sich als wichtiges Besultat das Fehlen
jeglicher entzündlicher Verändemngen des Gehirns, Bückenmarks and der Häute.
Hiagagen fanden sich combinirt Verändemngen, welche für Tabes und amyotrophisebe
lateralacleroee in Anspraeh genommen werden müssen. Anf einige Details soll hier
«■gegangen werden. So konnten Verändernngen des Harkfasergehalts der Grosshim-
nade coastatirt werden. In den proximalen Brückenabsebnitten fanden sich partielle
De g eaer a tion der Grossbimbrückenbahoen nod Barefication des intertransversalen feinen
f hee ra e tios . Verf. ist geneigt, diese anatomischen Verändemngen in der Brücke als
Onadlage anzosehen einerseits für die beobachtete Gleichgewichtsstörung (Functions -
■' Google
470
Störung des Kleinhirns), andererseits für die in so ausserordentlichem Grad gesteigerte
Reflexerregbarkeit. Das Fasemetz der XII. Kerne konnte als leicht gelichtet be¬
zeichnet werden, woraus die Existenz einer beginnenden, partiellen Pseudobaibär-
paralyse bervorgeht. An den tabischen Veränderungen betheiligten sich die langen
Bahnen, allerdings nur in Form einer sich allein im Halsmark findenden partiellen
Degeneration der GoU’sehen Stränge. Doch sind die sonstigen Befunde im sensiblen
System charakteristisch genug; besonders sei auch auf die bestehende Degeneration
der spinalen V. und IX. Wurzeln hingewiesen. Hit Glück zieht Verf. Erb's und
StrümpeH’s Hypothese Tom Mechanismus des trophiseben Einflusses der Spinal¬
ganglienzellen heran. Zar Kenntnissnahme weiterer Einzelheiten und Besonderheiten *
des so interessanten Falles, sowie einer lichtTollen Darstellung der Theorie com-
binirter Systemerkrankungen sei das Original empfohlen.
E. Asch (Frankfurt a./H.).
33) Ueber amyotrophisoh-paretiaohe Formen der oomblnirten Erkrankungen
von Nervenbahnen (sog. primäre oombinirte Systemerkrankung), von
Dr. J. Pal. (Wiener med. Wochenschr. 1898. Nr. 7, 8 u. 10.)
Eine 45jähr. Frau erkrankt unter heftigen Ischialgieen mit Schwäche im linken
Beine, begleitet von Atrophie und fibrillären Zuckungen der Muskulatur. Die
Ischialgieen schwanden wieder. Darauf amjotrophische Parese der Unken oberen
Extremität, und während des Spitalaufenthalts der rechten unteren, sodann der rechten
oberen. Dabei wurden die proximalen Muskelgruppen immer zuerst ergriffen, and
zwar kam es erst zur Atrophie, dann erst zur Parese. Nach 9 monatlicher Dauer
Tod unter Atbmungslähmung. Vor dem Tode trat noch leichte Incontinentia urinae
auf und waren geringe sensible Störungen an Händen und Füssen nachzoweisen.
Die Diagnose wurde gestellt auf Poliomyelitis subacuta, obwohl die anatomische
Grundlage der sensiblen StÖrangen nicht klar war, und fand in der histologischen
Untersuchung ihre Bestätigung.
Diese ergab: ausgedehnte Zerstörung der Ganglienzellen im Bückenmarke and
der Medulla oblougata (am stärksten in den Torderhömem und den Clarke'schen
Säulen); linkes Yorderhom schmäler als das rechte; Degenerationen der vorderen
Wurzeln und weniger intensiv auch der Wurzeln einiger motorischer Himnerven,
des IV., des motorischen Theils des V. und des IX.—XII. (ohne klinische Er¬
scheinungen); und endlich bedeutende Degeneration in den weissen Strängen des
Bückenmarks und der Medulla oblongata: im Burdach’schen Strang, der Kleinhirn-
seitenstrangbahn und dem Gowers'sehen Bündel, den Pyramidenseitenstrangbahnen,
und mehr zerstreut auch in der Pyramidenvorderstrangbahn und dem Vorderseiten-
stranggrondbündel. Entsprechend der Degeneration der Bimnervenkeme ist aneb das
hintere Längsbündel et^iffen und schliesslich auch die Schleife (sensible Störungen).
Spinalganglien intact, keine polyneuritischen Veränderungen der peripheren Nerven
und keine Geßsserkrankuug im centralen Nervensysteme.
Ein Tbeil der vorhandenen Degenerationen kann als seenndär in Folge der
Zellveränderungen aufgefasst werden (Vorderseiteostrang, hinteres Läugsbüodel), aber
der Hauptantheil muss als primäre, degenerative Erkrankung der directen and in-
directen Neurone hingestellt werden.
Verf. bespricht die in der Litteratur vorhandenen Fälle von combinirten Strang*
erkrankungen und unterscheidet auf Grund dieses Materials zwei Hauptgruppen von
„combinirter Erkrankung von Bückenmarksbahnen";
1. jene Fälle, in welchen im wesentlichen nur Strangerkrankung vorliegt und
daher diese das klinische Symptomenbild bestimmt (die primäre combinirte Strang-
erkrankung der Autoren),
2. jene Fälle, in welchen ausser der Strangaffection eine Erkrankung der
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471
OanglieDzellen, speciell in den yorderhi3rDerT) besteht, welch letztere das Krankheits*
bild beherrscht (schlaffe oder, bei frhhzeitigem Ergriffensein der Pyramidenbahn,
spastische amyotrophische Parese). Die Erkrankung der anderen Bahnen als der
certicomnscalären macht klinisch entweder gar keine Symptome, oder kann, wie in
obigem Falle durch geringe Sensibilitätsstdrungen, eventuell auch Ataxie, an*
gedeutet sein.
Bei dieser 2. Gmppe kann man folgende 3 Typen unterscheiden:
a) Combination der Erkrankung des spino-musculären Endnenrons mit Erkran*
kuDg langer Hinterstrangbahnen.
b) mit Erkrankung der Cerebellarbahn,
c) mit Erkrankung beider.
Voriger Fall wflrde der letzteren Kategorie angehören, da die Schleife, welche
miterkrankt war, znm Theil die centrale Fortsetzung der langen Hinterstrangbahnen
ährt.
Die Poliomyelitis chron. der Erwachsenen und die amyotrophische listeralsklerose
sind beide echte primär*degenerative Erkrankui^en nnd diejenigen Fälle dieser beiden
Erkrankungen, in welchen ansschliessUch der cortico-muscnläre Leitungsapparat in
einem Abschnitte ergriffen ist, bilden gewissermaassen nnvoilkommene Formen der
Erkrankung, da vorgeschrittenere Entwickelung obiger Fall darstellt.
^ J. Sorgo (Wien).
Psychiatrie.
34) La oonfUsion mentale primitive et seoondalre, par Haradon de Uon-
tyeL (Gazette des höpitaux. 1897.)
Verf. kommt in seiner Studie zu folgenden Schlftssen:
1. die Verwirrtheit ist ein Syndrom, das man mehr oder weniger ausgesprochen
snm mindesten als episodische Erschelnnng bei allen Psychosen finden kann. (Verf.
vergleicht sie mit dem Fieber bei anderen Erkranknngen). Sie manifestirt sich in
dem Mangel an zeitlicher nnd Örtlicher Orientirung, in Unklarheit und Dissociatioo
der Vorstellnngen, in psychischer Desorientirnng, Langsamkeit des Denkens, Ab*
Schwächung des Gedächtnisses nnd der Aufmerksamkeit, mangelhafte Perceptions*
ßhigkeit, 'Willensbemmung.
2. Die Verwirrtheit findet sich auch bei ein nnd demselben Kranken zu ver¬
schiedenen Zeiten, in verschiedenen Graden. Han kann 3 Grade unterscheiden.
3. Wenn sie an^esprochen ist, verleiht sie dem Krankheitsbild ihr Gepräge und
kaon die anderen Symptome maskiren.
4. In seltenen Fällen macht sie die ganze Krankheit aus: Confnsion mentale
primitive.
5. Am häufigsten ist sie secundär durch delirante und hallucinatorische Stö¬
rungen.
6. Sie (die secondäre Confnsion) ist stets ein Symptom, sei es einer Intoxi-
catioD, einer Neurose, einer Geistrakrankheit.
7. Sie findet sich bei allen psychischen Intoxicationen, bei progressiver Paralyse,
bei Nenrosen, Epilepsie u. s. w., seltener bei Manie, am seltensten bei systematischen
WahnzQständen, wo sie niemals bis zum Stupor führt.
8. Die hochgradige Verwirrtheit bei Melancholie muss als Complicatioo, nicht
als eigene primitive Erscbeinnng angesehen werden.
9. Die Erscheinung der Verwirrtheit versetzt die Psyche in gewisse Functions-
hedii^uDgen, wodurch der ursprüngliche Geisteszustand beeinflusst wird; diese Rück¬
wirkung giebt jedoch kein Recht, die Verwirrtheit als primordial anfzufassen.
Dig t'/od
Google
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10. Leichte and mittlere Grade der Verwirrtheit können unter dem Bilde der
Demenz erscheinen, der weitere Verlauf sichert erst die Dia^ose; Bessernngen und
Heilungen geistiger Schwäche bei Intoxication; Neurosen, progressive Paralysen hingen
meist von dem Schwinden der Verwirrtheit ab.
11. Die Verwirrtheit mittleren Grades kann Jahrzehnte lang dauern und doch
heilen (Fseudodemenz). B. Hatschek (Wien).
36) Aonte halluoinatore waanain, genezen door cataraotextraotie, door
L. S. Meijer. (Psychiatr. en neuroi. Bladen. 1897. Nr. 1.)
Von Geistesstörung nach Eataraktextraction sind mehrfach Fälle bekannt ge¬
worden, in denen das Krankheitsbild des acuten hallucinatorischen Wahnsinns be¬
stand und die Erscheinungen viel Uebereinstimmendes mit der Dementia senilis hatten,
von der sie aber durch die kurze Dauer sich unterschieden. In dem vom Verf.
mitgetheilten Falle, der eine 68 Jahre alte fVau betraf, die einige Monate vorher an
Ulcus cruris gelitten hatte, entwickelte sich auf beiden Seiten Altersstar, der rasch
zur Beife kam. Pat, die nur Lichtempfindung hatte, begann Abends unruhig zn
werden und hatte Angstanfälle, bekam Geeichtshallucinationen und das Gefähl von
Bewegungen des Bettes. Diese Erscheinungen kehrten immer nur Abends wieder
(am Tage war Pai ruhig), nur mit Hülfe von Sulfonal konnte die Pai zum Schlaf
in der Nacht gebracht werdea Nach Kataraktextraction auf dem linken Auge ver¬
brachte Pat. die beiden ersten Nächte ruhig, dann traten die früheren Störungen
wieder auf, nachdem aber das Sehvermögen sich bedeutend gebessert hatte, hörten
die Störungen auf und Pat fand sich psychisch normal. Verf. nimmt an, dass die
hallucinatorischen Erscheinungen theils durch die schemenartige Licbtwahmehmung
der Pat hervorgerufen worden seien, theils durch damit in Zusammenhang stehende
Schwindelzustände. Dass diese Erscheinungen nur in der Nacht auftraten, bringt
Verf. damit in Zusammenhang, dass Pat bei künstlicher Beleuchtung die Schatten
der an ihr vorbeigehenden Personen sab, was am Tage nicht der Fall war.
Walter Berger (Leipzig).
36) Een paar gevallen van periodlsohe Krankztnnigheld, door D. M. J.
van Erp Taalman Kip. (Psychiatr. en nenrol. Bladen. 1897. Nr. 1.)
Im ersten der drei vom Verf. mitgetheilten Fälle, der einen 29 Jahre alten, in
der Irrenanstalt Dortrecht zuerst im Jahre 1883 aufgenommenen Arbeiter betrifft,
war die Diagnose auf ImbecUliiät gestellt worden, aber die psychischen Erscheinungen
wiederholten sich in Anfällen von verschiedener Dauer und Intensität In den
Zwischenzeiten zwischen den Anfällen war Fat ruhig, und zwar in Bezug auf die
Intelligenz etwas unter dem Mittel, war aber noch lange nicht als imbecill zu be¬
trachten. Alle Anfälle zeigten dieselben Erscheinungen (grossen motorischen Drang,
Geschwätzigkeit und allerhand Klagen), und zwar mit denselben speciellen Eigen¬
heiten, und begannen stets in derselben Erscheinung. Sie schienen an Häufigkeit
znzunehmen, die freien Intervalle betrogen früher etwa 1 Jahr, später nicht mehr
als i—2 Monate.
Ebenso bis in das Einzelne und in manchen unwesentlich erscheinenden Kleinig¬
keiten gleich waren die AnHille in dem zweiten Falle, der einen 50 Jahre alten Mann
betraf. Fat. war schon im Alter von 20 Jahren und seitdem mehrere Male wegen
im Ganzen mehr oder weniger gleicher Anßlle von Err^heii oder Depression in der
Irrenanstalt zu Dortrecht behandelt worden. In den freien Zwischenzeiten war Pat
vollkommen normal, abgesehen von einer besonderen Neigung zum Aberglauben.
Im dritten Falle, der einen 37 Jahre alten Landmann betrifft, waren zwischen
zwei grossen AnflUlen, die zwar keine Uebereinstimmung im ganzen Charakter der
Krankheit zeigten, aber doch einzelne übereinstimmende Züge, mehrere kleinere.
g :zod.;GoOglC
478
nscbw Torlaofende Anf&lle aufgetreten. Der erste grosse Anfall hatte mit Angät*
zostiBdai begonnen, der zweite begann plötzlich nach einer geringfügigen Ver-
nlissnng. Zwischen den Anßllen verhielt sich Fat. normal.
Walter Berger (Leipzig).
m. Aus den Gesellsohaften.
XTnterelsässlsclier AerztevereiD in Strsaaburg.
Sitzung vom 29. Mai 1897.
(Deutsche med. Wochenschr. 1897. Mr. 48.)
Fflrstner bespricht die Erkrankungen des Nervenaystems, die durch
bereditäre Basis und familiäres Auftreten ausgezeichnet sind, und demonstrirt
sodann zwei Brüder, bei denen das motorische System offenbar zu Erkrankungen
ä^oirt war, wo aber zunächst zwei verschiedene Abschnitte desselben erkrankten.
Fall L J. L., 9 Jahre alt Beginn der Krankheit im 7. Lebensjahre, watschelnder
Gaag, mflbaames Aufstehen; Anomalien am Schultergflrtel waren unbemerkt geblieben.
Status: Asymmetrischer, bydrocephaler Schädel, starke Lordose der Lendenwirbelsäule
Wiffl Stehen, Schulterblätter im unteren Winkel abstehend, von der Wirbelsäule ab*
lirtckt Schwankender, watschelnder Gang (Atrophie des Glutaens med.). Kaum
mch aoslöebare Patellarrefleze, symmetrische Ifnskelatrophie, und zwar der Ober*
VBaoskeln, der Pectorales, Latissimus dorsi. Qoadrati lumbomm treten wulstartig
teiTor. Trappensteigen, Aufricbten ohne starke Stütze nicht möglich, Oberschenkel
dtas, Glotaäi nnd Waden fühlen sich hart an, Marmorirung der Unterschenkel.
Istacts Swsibilität — keine fibrillären Zucknngen —, keine Entartungsreaction, Blase
eud Mastdarm normal.
Fall U. E. L., 14 Jahre alt Im 7. Jahre wurde eine Aenderung des Ganges
beawkt Nachschleppen der Beine, Berühren der Kniee. Status (1891): Leichter
Tmor der Zunge, vereinzelte fibrilläre Zuckungen im Facialisgebiet. Die Beine
vwden beim Gauge im Knie fiectirt gehalten, die Kniee berühren sich oftmals, die
FuBEpitae schleift Sehr lebhafte Fatellarreflexe, geringe Spasmen an den Unter*
eztremitäten. 1898 und 1897 Nystagmos bei Endstellnngen, starke Moskelspannungen
■H Contzactoren, enorme Steigerung des Patellaneflexes, Dorsalclonus. Beim Gauge
Bwühren dv Innenfläche der Kniee, häufiges Uebertreten der Beine. Linkes Bein
ii toto abgemagert — Intacte Sensibilität; Blase, Hastdarm intact.
Im Maten Falle der peripherste, im zweiten der cortico-spinale Abschnitt des
■otoriMhMi Systems erkrankt.
V<Mlr. demonstrirt dann noch einen FaU von spastischer Paraparese, dessen
Fstwiekelang erst im 12. Jahre begann. B. Pfeiffer (Cassel).
Ocaellaohaft der Nenropathologen und Irrenänte au Moskau.
Sitzung vom 23. Januar 1898.
W. A. Muratoff: Zur l>ehre von den Zwsngabewegungen.
Tortr. demoostrirt einen Kranken von 67 Jahren, welcher 1888 einen cerebralen
iMlt erlitten hatte. Ee blieben eine rechtsseitige Hemiplegie und hemichoreatische
in den betroffenen Extremitäten zurück, welche einen Monat nach dem In*
mk beginnend sich allmählich entwickelten. Der gegenwärtige Zustand bietet
Mfenden Befhnd: Hemipl^a dextra, Dysartria (ohne Aphasie), Parese des rechten
Fhdalis, Anästhesie des rechten Trigemious, Atrophie der Muskeln. In der Ruhe
Googl
C
474
in der recbteo Hand und rechten Fuss athetoide Krämpfe, welche bei willkOrlichen
Bewegungen sich leicht weiter ausbreiten und an Hemichorea erinnern. Der mntb«
maassliche Herd: im Gebiete des linken Uimschenkels mit wahrscheinlicher Be¬
theiligung des rothen Kerns. Ein analoger Fall bot sich dem Vortr. klinisch za
beobachten und anatomisch zn untersuchen im Jahre 1891. Vor 2 Jahren hatte der
Kranke eine gewöhnliche linksseitige Hemiplegie überstanden. 2 Monate vor seinem
Eintritt ins Krankenhaus ein neuer Insult, dessen Folgen in einer Störnng des
Körpei^leichgewichts (der Kranke kann weder stehen, noch gehen) and in hemi-
choreatischen Krämpfen in den linken Extremitäten, hauptsächlich in dem linken
Arm, nur bei willkürlichen Bewegungen, bestanden. Der Kranke ging an Dysenterie
zu Grunde. Bei der Section ergab sich ein alter Herd in der rechten inneren
Kapsel, ein frischer Bluterguss in die linke Hemisphäre des Kleinhirns. Degeneration
des linken Brach, conjunct., des rothen Kerns, des linken Corpus restif., der rechten
Pyramide und rechten Olive.
Da das System der oberen Crura cerebelli die Grosshimganglien (Thalamos
optic. u. nucl. lenticularis) mit dem Kleinhirn verbindet, erklärt der Vortr. die
Zwangsbewegnngen nach Apoplexie als eine Störung in dem Gleichgewichte der
Functionen zwischen Thalam. opt. und dem Cerebellum. Der Ausfall des Systems
der rothen Kerne gab im Falle Bouhoeffer ebenfalls Symptome von Hemichorea.
Ihrer Genese nach klassificirt der Vortr. die motorischen Störungen der Remi-
plegiker auf folgende Weise:
1. Tremor bei willkürlichen Bewegungen und Krämpfe — Degeneration und
Beizung der Fyramidenbahnen (Kahler, Pick).
2. Complicirte Zwangsbewegungen — Hemichorea, Athetose, Ausfall des Systems
der rothen Kerne, welche die Grosshimganglien mit dem Kleinhirn verbinden (Bon-
hoeffer, der Vortr.).
3. Protrahirte corticale Krämpfe mit clonischem Charakter — Degeneration der
Bogenfasem der motorischen Sphäre. (Autorreferat)
Discussion:
Prof. Koshewnikoff und Dr. Minor erklären sich mit der Bezeichnung der
beschriebenen Krämpfe als choreatische nicht einverstanden.
Dr. Murawjeff hält die Ursache der Krämpfe im zweiten Falle für unklar
und die Folgerung Ober die Localisation des Herdes im ersten Falle nicht für be¬
gründet «
Dr. Serbsky findet im gegebenen Falle den Terminus „Zwangsbewegnngen''
nicht am Platze.
Dr. Bossolimo bemerkt dass die Untersuchung der feineren Zellstructur des
Systems der Kleinhimfasera auf die Genese der consecutiven Krämpfe im Stande
gewesen wäre einiges Licht zu werfen.
Von Dr. Korniloff wurden einige Bemerkungen gemacht
Sitzung vom 20. Februar 1898.
1. Dr. L. S. Minor: Ueber eine motorUobe Störung bei Kreuzsohmenen
(Trauma, Lumbago, Cariea u. a. w.) und bei leohias.
Oer Vortr. lenkt die Anfmerkeamkeit anf die Bedeutung motorischer Störungen,
welche im Gefolge verschiedener Schmerzen auftreten, da in einem solchen Falle
an Stelle eines subjectiven Symptoms (Schmerz) ein objectives Symptom (Dyskioese)
eintritt.
Ein besonderes Interesse bieten solche Dyskinesen, welche einen bestimmten
Schmerz chsrakterisiren. Vortr. zeigt anf Grundlage seiner Beobachtungen, dass bei
Ereozschmerzen, welchen Ursprunges sie auch sein mögen, ihre Doppelseitigkeit vor¬
ausgesetzt diejenige Art und Weise sich vom Boden zu erheben cWakteristisch ist
Dig v7C(i
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475
T«lche bei der Pseudohypertrophia m. progress. beobachtet wird. Solche Kranke,
aof den Boden gesetzt» verlegen zuerst den Schwerpunkt ihres Körpers nach vorne,
stötzen sieb anf die Handteller und die Kniee, stellen sich auf alle 4 Extremitäten,
tm eadlich ihren Körper aufzurichten, indem sie mit den Händen entlang den Beinen
gkifea. — Bei der Ischias ist die vom Vortr. beobachtete Art und Weise sich vom
Boden zu erheben ebenfalls eigenartig und constant. Ein auf den Boden gesetzter
Enoker ist nicht im Stande, ohne Hülfe der Hände sieb 7n erheben; er setzt die
Anse nach hinten, schiebt das Becken in die im Knie gebeugten Beine durch den
Zviichenraum der Arme allmählich nach hinten und erhebt sich erst darauf, indem
die eine Hand and das Knie der Reibe nach zur Stütze auf dem Boden benutzt
vird, während die andere in der Luft balancirt. Diese letztere Art und Weise des
hrkabens vom Boden kann gelegentlich auch bei anderen einseitigen Schmerzen
Beine beobachtet werden. Zu ihrem Zustandekommen ist das Bestehen von
S(hserzen in einer Seite erforderlich und sie wird ebenfalls bei einseitigen Schmerzen
io Krem nnd am Steissbein beobachtet.
Zorn Schluss weist Vortr. auf den Nutzen hin, welchen die Kenntniss der be*
Kiiriebenen Dyskinesen zur Erkennung von Simulation bringen kann.
An der Besprechung des Vortrages nahmen Prof. W. K. Roth, G. J. Rosso*
ÜBo, A- A. Korniloff und Prof. A. J. Koshewnikoff Theil.
2. Dr. W. W. Murawjeff: Experimentelle Untersuohungen über die
tMchzeitige Wirkung des Streptokokken und des diphtheritiaohen Toxins
stf das Iferwexuyatem.
Kaeh der Meinung einiger Forscher spielt bei der Diphtheritis die Infection
Bit Streptokokken fast dieselbe Bolle wie die Infection mit dem Löffler'scben
Barillna. Ans diesem Grunde stellt sich die Nothwenigkeit heraus, die Wirkung
beder Infeetionen anf das Nervensystem sowohl getrennt, als auch combinirt zu
Qstemehen.
L Die Wirkung des diphteritiseben Toxins, welches Meerschweinschen injicirt
wurde, iossert sich zuerst dariu, dass die motorischen Zellen der Torderhömer des
kfekiiuBarks eigriffen werden: die Zellen quellen; die cbromatopbilen Körner werden
barbüg and ^en auseinander; das Protoplasma der Zelle wird homogen; an der
Poipbme der Zelle und ihrer Ausläufer bilden sieb zahlreiche Yacoolen, welche tiefe
tevtörongen in der achromatischen Substanz hervorrufen. Der Kern erwirbt die
Kbigkeit sich mit Methylenblau zu färben und im Laufe der Zeit wird die ganze
Zelle atrophisch. Die Veränderungen in den peripheren Nerven beginnen erst nach
4—6 Wochen post injectionem und bedingen die Entwickelung der Paralysen. Die
AanabBe, dass die Neuritis sieb secundär in Folge von ausdauernder Emährungs*
der Zellen entwickelt, scheint am nächsten zu liegen.
IL Unter dem Einfluss wiederholter Injectionen von Streptokokkeukulturen ent*
WKk^ rieb bei den Meerschweinchen diffuse Veränderungen in der weissen Substanz
dtf CcDtnlDervensystems und systematisirte Veränderungen in den hinteren Wurzeln
Bad Hifitersträngen des Rückenmarks. Die Veränderungen in den Zellen der
Intnartebralganglien sind nnbedeutend, deshalb ist die pathogene Einwirkung des
Str^kokkmgiftes auf Nervenfasern eine directe. Die Veränderungen in den Vorder-
boiaeUaD snd nicht charakteristisch; zuweilen nur eine Schwellung des Nissl’schen
Ikpers and eine Unr^elmässigkeit ihrer Vertheilung, zuweilen dieser und jener
€tid der Cbromotolyse. In den peripheren Nerven lassen sich deutliche Verände*
mgoa nicht naebweisen. Die Veränderungen in der weissen Substanz des Bücken*
■■ks sind bst ausschliesslicb mit der Formalinmetbylenblaumetbode nachgewiesen
die nach Marchi behandelten Präparate gaben keine bestimmten Resultate.
HL Der pathogene Effect gleichzeitiger Einwirkung des dipbtberitischen Toxins
ui der Streptokokken ist gleich der Summe der Einzelwirkung beider dieser Agentien.
■' Google
476
Zum Schluss giebt der Autor der Meinung Baum, dass das Studium des Zu¬
standes der chromatophilen Zellensubstanz nicht sowohl an und ffir sich, als vielmehr
als Hinweis Aber den Zustand der Zelle im Allgemeinen, besonders aber ihrer Er¬
nährung von Wichtigkeit ist.
Der Vortrag wurde mit Demonstrationen von Präparaten begleitet, die nach
der Formalinmethjlenblaumethode und nach der Marchi’schen Methode behandelt
worden waren.
Discussion: Dr. W. A. Huratoff ist der Meinung, dass die von ihm gefun¬
denen Teränderungen in den Zellen des Bflckenmarks bei diphtheritischen Lähmungen
der Kinder als secundäre, von der Erkrankung der peripheren Nerven abhängige
aufzufassen sind.
An der Discussion betheiligte sich ausserdem noch Prof. Ä. J. Eoshewnikoff.
3) Dr. Ch. E. Bosch: Ueber eine Färbungsmetbode seonndärer De¬
generationen des Nervensystems mit Osmiumsäure.
Die Marchi’sche Methode weist speciell in ihrer Technik einige sehr wesentliche
Mängel auf, von denen wohl der wesentlichste die geringe Fähigkeit der Osmium¬
säure in die Tiefe der Nervensnbstanz einzudringen ist. Dieser Mangel kann aber
beseitigt werden, wenn man die Osmiumsäurelösung mit einer Lösung von Natrium
jodicum (NaJOj) zusammenbringt, welch’ letztere die Osiumsäure an einer zu raschen
Zersetzung verhindert und ihr dadurch die Möglichkeit giebt, in die Tiefe der Ge¬
webe einzudringen. Die Färbungsmethode besteht also kurz im Folgenden: Ein in
Formalin gehärtetes Präparat von 1,12 cm Dicke wird in eine Lösung gebracht,
welche besteht aus: 1,0 Äc. osm. aus 3,0 Natrium jodicum und 300,0 Aq. destilL
In dieser Lösung verbleibt das zu übende Stflck 5—7 Tage. Von hier kommt es
in Alkohol von steigender Conceutration und darauf in üelloidin. Die Schnitte zeigen
dieselbe Färbung wie die nach der Harchi’schen Methode behandelten Schnitte, nur
mit dem Unterschied, dass das normale Gewebe heller geHirbt ist, in Folge dessen
das degenerirte Feld sich schärfer differencirt und schon mit unbewaffnetem Auge zu
sehen ist. An diese Mittheilung knflpft sich die Demonstration von Präparaten.
An der Discussion betheiligen sich die Drr. L. S. Minor, T. J. Pribjtkoff,
A. A. Korniloff, G. J. Bossolimo und Prof. A. J. Eoshewnikoff.
G. Bossolimo, A. Bernstein.
IV. Bibliographie.
Gehlmdurobsohnitte nur Erläuterung des Faserverlaulis. 33 Chromolitho-
graphirte Tafeln mit ebenso vielen Erklärungstafeln und einem kurzen Text.
Herausgegeben von Dr. Eberhard Nebelthau, Privatdocent und Oberarzt an
der medicinischen Universitätsklinik zu Marbui^. (Wiesbaden. 1898. Verlag
von J. F. Bergmann.)
Das vorliegende Werk mit seinen Tafeln, welches in Bezug auf Technik der
Schnittf&hrung und Färbung der Schnitte unzweifelhaft unAbertroffen dasteht, zeigt
alles das, was sich mit unseren jetzigen anatomischen Untersnchungsmethoden in
Bezug auf den Verlauf der Fasern und die Lagerung der Kerne im Gehirn des Er¬
wachsenen nachweisen lässt.
Von den 83 Schnitten, welche vorliegen, sind 12 Horizontal-, 11 Frontal- und
10 Sagittalscbnitte.
Jeder Tafel ist eine erläuternde Erklärung beigefAgt, und dem Gan z(i g
eine gedrängte Besprechung der Himanatomie voraus.
Dem Uimanatomen wird das Werk selbstverständlich in seiner Bibliothek nicht
fehlen dArfen, aber auch derjenige, welcher die entwickelnngsgescbichtliehe Methode
der Hirnuntersuchung betreibt oder pathologische Befunde im Gehirn deuten will»
Google
477
wird den Vergleich mit dem, was hier von dem entwickelten und normalen Gehirn
geboten wird, nicht entbehren können.
Die Ansstattnng ist selbetveretändlich eine TorzflgUehe. M.
V. Mittheilung an den Herausgeber.
Das von Herrn Könne erstattete Beferat ttber die Febrnarsitznng des Ham¬
burger ärztlichen Vereins in Kr. 7 d. Centralbl. enthält einige Irrthttmer bezQglich
meiner Stellung zur Hysterie und ihrem Wesen und giebt meine Äeossenmgen in
der Discussion so kurz und falsche Auffassungen begflnstigend wieder, dass ich mir
im Folgenden einige Klarstellungen erlauben möchte. Dem hochverehrten Herrn
Herausgeber fOble ich mich ffir Anfnabme derselben zu ganz besonderem Dank verpflichtet
Was zunächst das Vorkommen von Kenrasthenie bei Säuglingen betrifft, so
habe ich betont, dass es Qeschmackssache sei, ob man einzelne unzweifelhaft in den
ersten Lebensjahren zn beobachtende nervöse Erscheinungen mit dem Kamen der
Kenrasthenie bellen wolle oder nicht Jedenfalls könne ich der Ansicht des Herrn
Könne nicht beipflichten, welcher als ein fOr das Wesen der Kenrasthenie charak¬
teristisches Moment die „einseitige, egocentrische Verarbeitung des gesammten Vor-
stellnngsinhalts, welcher aus der pathologisch gesteigerten Beschäftigung mit den
Zuständen des eigenen Körpers hervorgeht“ (Binswanger), betrachte und aus dem
natuigemässen Fehlen dieses Moments bei ganz kleinen Kindern auch die Unmöglich¬
keit des Vorkommens der Keorasthenie bei ihnen herleite. Ich hob demgegenüber
hervor, dass dieses psychische Moment keineswegs zur Diagnose der Keurastbenie
erforderlich, vielmehr ein Charakteristikum der häufig die Kenrasthenie eomplicirenden
Hypochondrie oder hypochondrischen Vorstellungen sei Auch nach Binswanger
liege das Wesen der Kenrasthenie in einer abnorm leichten Erschöpfbarkeit und
Reizbarkeit des Kervensystems und ich könne nicht einsehen, warum diese Symptome
nicht gelegentlich auch bei ganz kleinen Kindern in Erscheinnng treten sollten.
Bezüglich der Elektrotherapie habe ich gesagt, dass ich dem elektrischen Strom
zwar keine gebeimnissvollen Kräfte znscbreibe, dass jedoch bei den verschiedenen
Arten seiner Verwendung sich Wirkungen beobachten liessen, die der Wirkungsweise
der Massage und der Concussoren, oder der Vesicatoren n. s. w. durchaus analog
seien, und dass es unlogisch sei, den letzteren Maassnahmen einen physikalischen
Heilwerth znzngestehen, ibn der Elektrotherapie aber ganz abzusprecben.
Die hypnotische Behandlung verwarf ich in erster Linie deshalb, weil ich sie
für entbehrlich halte. Ich betonte, dass meiner Meinung nach ein Arzt, der bei
seinen Kranken genügend Vertrauen und Autorität besitze, mit Wacbsnggestionen
stets znm Ziel kommen werde. Bei Kindern und Hysterischen liege ansserdem die
Gefahr vor, dass durch hypnotische Procednren ihre so wie so schon mässige Selbst¬
beherrschung und WillenssÜirke eine weitere Einbnsse erleide, wodurch der erforder¬
lichen psychischen Behandlung ein Schlag ins Gesicht versetzt werde.
Der Aufstellung einer gesonderten 3. Krankheitsgmppe „Hystero-Keurasthenie“
im G^ensatz zn 1. Kenrasthenie und 2. Hysterie stimmte ich deshalb nicht bei,
weil es überhaupt schwer hält, Fälle von Hysterie zn beobachten, die ganz frei von
neorasthenischen Symptomen sind, wie ja überhaupt sich neurastheniscbe Erscheinungen
zn allen möglichen nervösen oder nicht nervösen chronischen Krankheiten, auch zu
chronischen P^chosen hinznzngesellen pflegten, ohne dass man deshalb dem Kamen
dieser Krankheiten gleich noch die Kenrasthenie mit anhängte. Ansserdem seien
Hysterie und Kenrasthenie streng zn trennende (im Beferat ist versehentlich ver-
drackt „hinznkommende“) Krankbeitsbilder, und es empfehle sich, nach dem Vorgänge
Cbarcot’s bei Combination beider Krankheiten die Zugehörigkeit der einzelnen
Symptome zn jeder derselben zu analysiren. Und zwar sei dasselbe nach unseren
j^zigen Kenntnissen durchaus möglich. Auch Charcot habe es bei seinen poU*
D g vocl oy GoOg IC
478
klmiächen Vorträgen ganz besonderes Vergnügen bereitet, diese scharfe Trennung
yorzunehmen. Es sei festzuhalten, dass Hysterie und Neurasthenie sich häufig zur
HysterO'Neurasthenie verknüpften, dass es jedoch ungerechtfertigt sei, diese Com>
bination ihren beiden Componenten als gesonderte Gruppe gegenüber zu stellen.
Schliesslich wandte ich mich in meinen Erörterungen noch gegen die Aensserungen,
welche vorher Herr Nonne über meine Ansichten über das Wesen der Hysterie
gemacht hatte. Ich sollte von den sogenannten objectiven hysterischen Stigmaten
f^rOher behauptet haben, dass sie keine wesentliche diagnostische Dignität besässen
und dass sie stets vom Untersncher ansuggerirt seien. Nun, solchen Unsinn habe
ich nie behauptet. Es sind da Herrn Nonne einige kleine Irrthümer und Ver*
Wechselungen passirt, und ebenso Herrn Sänger in seinem nachherigen Schlusswort.
Von den sogenannten hysterischen Stigmaten habe ich seinerzeit gesagt, dass dieselben
an sich den Namen der Stigmata nicht verdienen; denn charakteristisch für das
Weeen der Hysterie sei vor allem die Entstehungsweise dieser Symptome auf
psychogenem Wege. Damit habe ich doch natürlich die Bedeutung dieser „Stigmata“
nur anf ihr richtiges Maass zurfickschrauben wollen, ohne ihnen jegliche wesentliche
diagnostische Dignität dadurch zu rauben.
Und wie kann man überhaupt das „Ansuggeriren“ mit „psychogener Entstehung“
sich decken lassen. Wenn man nur ein klein wenig psychiatrisch zu denken ge*
wohnt ist, sollte das doch unmöglich sein! Also ich wies in Erwiderung auf diesen
Irrthum noch einmal darauf hin, dass die Hysterie eine Psychose sei mit formalen
und inhaltlichen Störungen auf dem Gebiete der Gefühls- und Empfindni^stbätigkeit
und besonders auf dem der Vorstellungsthätigkeit, dass auf beiden Gebieten nament¬
lich eine gesteigerte Anspnicbsfahigkeit und ferner abnorm leichte Verknüpfung von
VorstellnDgen unter Wegfall wägender und hemmender Vorstellungsthätigkeit und
perverse Bichtung des Vorstellongsinhalts vorliege. Daher auch die erhöhte Suggesti-
bilität und das Unterworfensein onter massenhafte Antosuggestionen, als ein Tbeil
des krankhaften psychischen Zustandes der Hysterischen. Ich forderte zum Schluss
auf, in der Bezeichnung von Krankbeitssymptomen als hysterisch etwas kritischer
und wählerischer zu sein und hob hervor, dass anf den psychogenen Ursprung der
Symptome nach wie vor der grösste Werth zu legen sei.
Hamburg, den 4. April 1898. ^ „
® ^ Dr. Boettiger,
- Nervenarzt in Hamborg.
Erwiderung auf vorstehende Mittheilung.
Auf obige Hittheilung des Herrn Boettiger erlaube ich mir, zu erwidern, dass
ich Herrn Boettiger’s Behauptung, seine Aensserungen in der Discussion über Herrn
Sänger’s Vortrag wären in meinem Referate „kurz“ wiedergegeben, für durchaus
richtig halte, dass ich jedoch seiner Ansicht nicht beipflichten kann, mein Referat
enthielte „einige Irrthümer bezüglich Herrn Boettiger's Stellung znr Hysterie und
ihrem Wesen“, ebenso wenig wie ich mich der Meinung des Herrn Boettiger an-
schliessen kann, dasselbe gäbe seine Aensserungen „falsche Auffassungen begünstigend“
wieder.
Den Inhalt des ersten Absatzes der obigen „Mittheilnng an den Herausgeber“
hatte ich zusammengefasst in dem Satz; „Boettiger verficht die Möglichkeit des
Vorkommens der Nenrastbenie bei Säuglingen“; Herrn Boettiger’s obiger Passus
scheint mir nicht geeignet, die Richtigkeit dieses Satzes nmzustossen.
Bezüglich der Elektrotherapie giebt Herr Boettiger in dem zweiten Absatz
seines Schreibens an den Herrn Herausgeber zu, dass er „für den physikalischen
Hellwerth der Elektrotherapie eintritt“ (mein Referat); ich unterliess zu erwähnen,
dass Herr Boettiger die „Analogie der Massage und der Concussoren, der Vesi-
catoren u. s. w.“ herangezogen batte, und zwar aus dem Grunde, weil ich glaubte.
Dig ü^cd Dy Google
470
Herr Boettiger lege keinen besonderen \^'e^th darauf, vor den Lesern dieses
Blattes die Ansichten noch einmal aasznsprechen, die s. Z. anf dem Congress der
Elektrotherapenten in Frankfurt a./H. ausführlich zur Sprache gekommen waren.
In dem dritten Absatz bestätigt Herr Boettiger ebenfalls die Richtigkeit
meines Referats, wenn ich schrieb: „Herr Boettiger verwirft die hypnotische Be*
bandlung, die gefährliche Folgeznstände zeitigen könne“; ich habe die Gründe, die
Herrn Boettiger zu dieser Ansicht führen, nicht referirt, weil den Lesern dieses
Centralblattes die Ansichten der Gegner der hypnotischen Behandlung — dieselben,
die Herr Boettiger anführte — bekannt sind. Aus demselben Grunde batte ich
das Referat über meine eigenen Bemerkungen hinsichtlich der Elektrotherapie und
der Hypnosebehandlung absichtlich kurz gefasst
Ich kann des weiteren nicht zugeben, dass Herr Boettiger mir betreffs seines
vierten Absatzes obiger Mittheilung einen anderen Vorwurf als den der Kürze mit
Recht machen kann, wenn ich den genannten Passus mit den Worten zusammen*
fasste: „die Aufstellung der Gruppe „Hystero • Neurasthenie“ von Sänger will er
nicht anerkennen, da Hysterie und Neurasthenie zu trennende — Herr Boettiger
bat in freundlicher Weise schon den Druckfehler „hinzukommende“ berichtigt —
Krankheitsbilder seien.“
Bis hierher kann mein Referat also nur als „kurz“ und nicht als „falsche Auf¬
fassungen begünstigend“ bezeichnet werden. Da mein Referat hier jedoch schllesst,
80 kann es auch nicht der weitere Torwurf treffen, es enthielte „einige Irrthümer“
meinerseits „bezüglich der Stellung“ des Herrn Boettiger „zur Hysterie und ihrem
Wesen“. Zur Sache selbst erlaube ich mir noch Folgendes zu bemerken:
Herr Boettiger hat io seinem Vortrag, den er am 27. April 1897 — siehe
Neurolog. Centralbl. 1897. S. 515 — im ärztlichen Verein zu Hamburg gehalten bat,
allerdings scharf betont, und es in der anschliessenden Discussion wiederholt, dass
er an die spontane Entstehung der Sensibilitätsstöniogen und jener bei Hysterischen
häufig objectiv nachzuweisenden Symptome, die wir seit Charcot’s Vorgang als
„Stigmata“ bezeichnen, nicht glaube, und dass nach seiner (Jeberzeuguog und Er¬
fahrung jene objectiven Symptome vom Untersucher ausuggerirt seien. Ich erinnere
mich, von Herrn Boettiger die Aeusseruug gehört zu haben, dass er bei einer vor¬
her noch nicht untersuchten hysterischen Person noch niemals eine Hemiaoästhesie
constatirt habe. Durch persönliche Mittheilung von Herrn Sänger erfuhr ich, dass
Herr Boettiger dieselbe Ansicht auch Herrn Sänger gegenüber mündlich geäussert
hat, worauf Herr Sänger Herrn Boettiger auftorderte, sich in der Poliklinik der
Herren Wilbrand und Sänger vom Vorkommen derartiger Fälle zu überzeugen.
Gegen diese Auffassung des Herrn Boettiger, die ich nicht theilen kann, habe ich
am 15. Februar 1898 im „Aerztlichen Verein“ Verwahrung eingelegt, allerdings
würde ich mir nicht erlaubt haben, diese Ansicht des Herrn Boettiger als „Unsinn“ zu
bezeichnen. Im Uebrigen freue ich mich mit Herrn Sänger, dass nach Obigem auch
Herr Boettiger jetzt diesen „Stigmata“ doch eine Bedeutung zuspricht.
Zu meinem lebhaften Bedauern sehe ich jedoch Herrn Boettiger seinerseits in
einen Irrtbum befangen, wenn er behauptet, „man“ — es ist nicht klar, ob Herr
Sänger oder ich oder wir beide gemeint sind — wolle „ansnggeriren“ mit „psycho¬
gener Entstehung“ sich decken lassen. Niemals haben wir etwas derartiges — ich
sage wieder nicht „Unsinn“ — gedacht oder gesagt. Gerade Herr Boettiger hat
ja früher die Behauptung aufgestellt — ich muss zu meinem Bedauern, im Verein
mit Herrn Sänger, dabei bleiben —, jene sogenannten Stigmata seien vom Unter¬
sucher ansuggeiirt; wir behaupten demgegenüber nur die durch das Wesen der
Hysterie bedingte Existenz dieser „Stigmata“, während wir über ihre Erklärung noch
im Unsichem sind.
Da Herr Boettiger endlich die Einsendung eines Autorreferats dazu benutzt
hat, um eine nachträgliche Kritik zu üben an dem zur Discussion von Herrn Sänger
Google
480
und mir s. Z. Oesa^eo, so kaon auch ich hier nicht nrnbin, meinerseits die kritische
Bemerkung zu machen, dass der Ton, den Herr Boettiger in der zweiten Zeile des
letzten Absatzes anschl^, nach Obigem sachlich mir nicht gerechtfertigt und in der
Form derartig zu sein scheint, dass es meinem Geschmack und meiner Gewohnheit
nicht entspricht, Herrn Boettiger hierin zu folgen. Dr. Nonne.
VI. Vermisohtes.
Die XZHL WanderTerssmmiung der südwestdentsohen Neurologen und
Irrepftrate wird am 21. und 22. Mai in Baden-Baden im Blamensaale des Converaatioiu-
haoaes abgebslten werden.
Die erste Sitzung beginnt Sonnabend, den 21. Mai, Nachmittags 2*/« Ohr, die zweite
am Sonntag, den 22. Mai, Vormittag 9 Uhr.
Anf I lie erste Sitzung folgt ein gemeinsames Essen im Restaurant dea Converaations-
b.toses.
Die Unterzeichneten QeschiftafGbrer laden hiermit zum Besuche der Versammlung er¬
gebenst ein und bitten diejenigen Herren, welche an dem gemeinsamen Essen theilzunehmen
beabsiflbtigen, um eine betreffende baldgefallige Mittheiluog.
Bia jetzt sind folgende Vorträge angemeldet:
1. Prof. Dr. Erb (Heidelberg): Uelwr das intermittirende Hinken und andere nerrSse
Symptome in Folge von Arterienerkrankuog der Beine. — 2. Prof. Dr. Siemerling (Tfl-
hingen): Zur Diagnose der multiplen Sklerose. — 8. Priratdocent Dr. Brauer (Heidelbera):
Ueber Huskelatropbie Sei multipler Sklerose. — 4. Prof. Dr. FBrstner (Strassboig i/E.):
lieber nervöse Symptome bei Urämie. — 5. Privatdocent Dr. Gerhardt (Strasabujm i./E.):
lieber das Verhalten der Reflexe bei Rückenmarkaläsionen. — 6. Dr. Möbius (Leipzig):
Thema Vorbehalten. — 7. Dr. Buohbottz (Marburg): Ueber einen eigenartigen Fall sj^hi-
litischer Erkrankong des CentralnervensystemB. — 8. Prof. Dr. v. Monahow (Zflrich):
a) Ueber die Faserbestandtbeiie der Sebstrablongen und der retrobulbären inneren Kapsel.
b) Ueber einen Fall von Mikrocephalie (mit Demonstrationen). — 9. Dr. Friedmann
(Mannheim): Zur lichre von der nicht-eitrigen Encephalitis and hbtf spastische Spinalparalyse
bei Influenza. — 10. Prof. Dr. v. Ström pell (Erlangen): Zar Äetiologie der acuten Mjetitis. —
11. Prof. Dr. Fr. Schulze (Bonn); Thema Vorbehalten. — 12. Privatdocent Dr. Nissl
(Heidelberg): Rindenbefande bei Vergiftungen. — 13. Dr. Bethe (Strassbarg i./E.): Dis
Verhalten der PrimitivffbriUen in den Ganglienzellen des Menschen and bei Degenerationen
in peripheren Nerven. — 14. Dr. Kobnstamm (Königstein i./T.): Zur Anatomie and Phjno-
logie des Pbrenienskemes. — 15. Dr. Passow (Strassbuiv i./E.): Der Markfasersehatt no^
maler Centralwindnngen beim */ 4 jährigen Kinde and bei einem 83jährigen Erwaäiseoen.—
16. Prof. Dr. Edinger (Frankfurt a./M.): Demonstration von Bflckenmarken, deren Hinter-
stränge durch Ueberarbeit zur Degeneration gebracht sind. — 17. Prof. Dr. Dinkler
(Aachen): Ueber einen lethal verlaomnen, doreb Hemipl^e und psychische Störungen com-
plicirten Fall von Basedow’scber Krankheit. — 18. Privatdocent Dr. Asohaffenburg
(Heidelberg): Die Entmöndigung Geisteskranker nach dem bürgerlichen Gesetzbuch. —
19. Prof. Dr. R. Ewald (Strassburg i./E.): Ueber könstlicb erzeugte Epilepsie. — 20. Prof.
Dr. Emminghaus (Freioui^ i./B.): lieber Cysticerkeoinvasion, Epilepsie und impulsive
Brandstiftung. — 21. Medioinalrath Dr. Baumgärtner (Badeoj: Ueber Lambalpunction.—
22. Dr. Löderitz (Baden): Ueber die Veränderungen in den BmterBträn|TOD bei progressiver
Paralyse. — 28. Dr. van Oord (Heidelbe^): Tabes dorsalis mit Hysterie ^ectionsberand). —
24. Dr. W. Weygandt (Heidelberg): Kritische Bemerkungen zur geistigen Hygiene der
Schale. — 26. Prof. Dr. J. Hoffmann (Heidelberg): a) Zur Kenntniss der Neuritis mul¬
tiplex. b) Demonstrationen. — 26. Prof. Dr. Ernst (Heidelberg): Mehrfache Bilduogsfebler
des CentralnervensystemB bei Encephalocele.
Herr Tallermann (T/rndon) wird auf Veranlassung von Herrn Gebeimratii Bäumler
einen Heissluftapparat zur Bebandlnng hartnäckiger Ichias und chronischer OelenkaffbctioDen
im Landeabad an Kranken demonstriren.
Die Gesohäftsfflbrer:
Dr. Fr. Fischer Prof. Dr. J. Hoffman
(Pforzheim). (Heidelberg).
Um Einsendung von Separatabdröcken an den Herausgeber wird gebeten.
Einsendungen für die Redoction sind zu richten an Prof. Dr. E.Mendel,
Berlin. NW. Schiffbauerdamm 20.
Vertag von Veit & Coup, in Leipzig. — Druck von MarzuBB & Wittio in Lopsig.
Jig.; /od
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Schlachteiisee bei Berlin W.
Kurhaus fiir Nervenkranke und Erholungsbedürftige
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(vormals Dr. R. Gnauck's Kurhaus in Pankow).
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damua, Xerren-, Jfuskelu- und Geleakkrankheiten, Mastkuren, Ent-
;liltiagilaren unter Controlle des Stoffwechsels. — Ditttetlsobe KUehe. — Nur
Massa^. — Alle Arten JBfideir. — Ftmigo-Beliandls^.
rXAtnUrarapie. — Massagennterriebt nur für Aerzte.
Dr. Hans l^her.
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methoden (auch Thermalbäder I. Civile Preise. Prospekte üanko.
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der secundären Degeneratiouen nach Rackenmarkscompreasion, Ton Dr. F. Queosel.
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dCelkohlenstoffrergiftong, von Dr. Qeerg KSstsr.
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by Betton. 2. On tiie origiu, course and ceU'Connections of the viscero-motor ncrves
nmaS intestue, bj Busch. 8. A suboccipital lobe in the braio, by Weod. — Ezperi-
lie Physiologie. 4. ^träge zur Eriorsohuug des Sympathlcuseinflusses auf die
le Pupille, von TOminnzew. 5. üeber die Wahrnehmung der Farben, von Friden*
On Test, sieep and work and the conoomitant changes in the circulation of the
by Hitt. — Fathologische Anatomie. 7. Solle alterasioni degli elementi de!
nervoso centrale nelf insonnia sperimentale, per Daddi. 8. I. Note on mnscle spindles
lobypeTtrophie paralysis, W Orunbtiim. II. Observatious on sensory nerve enmngs in
Bnry museles. by Ruffinl. III. Short note ou seusa organs in mnscle and on the pre-
dkm of mnscle spindles in conditions of extreme moscular atropby, foUowing section of
nerve, by Hersley. 9. Ueber Activitätshypertrophie der willk&rlicben Muskeln,
10. Alterazioni cadaveriche della cellola nervosa stodiate ool metodo di Nissl,
li. üntersuchungen Aber Beri'Beri, von KDstsrmann. — Pathologie des Nerven*
s. 12. Ein FaU von Lepra, von Habsl. 18. Vorläufige Hittbeiluog aber einen mit
■illa’sehem Serum behandelten Fall von Lepra, von Buzzi. 14. Ein Fall von sc^n.
'■dier Paralyse. Böckgang der Lähmung. Tod an Longentubercnlose, von BurgharL
£ nn easo m paralisi del Landry. Bieerche istologiche e batterioscopicbe, per Picci*
IB. Feripheral nenritis from arsenic, by Colman. 17. Ueber die psycbisoben Stbmngen
tyaenritis, von JoHy. 18. Et tilßldo af bemiatrofia facialis progressiva, af le Maire,
by of the tongne, by Hsysr. 20. Zar Kenntniss der DermatomyositiB. von
21. Die Initialsymptome der Osteomalacie, von Rissmann. 22. De beraepsatroplüe
nijders, von Balsmonson. 23. Beitrag zur Casoistik der neuritischen Muskel-
von Einhard. 24. Urticaria and acute curcumBcribed eutaneous oedema, by Oppsn-
2b. Gase of angio-neurotic oedema with history of injury to the bead, by Qibson.
of aogionenroBis of the face, by Haynss. 27. A case sDowing some of the features
and of Raynand’B diaease, by Rollsston. 28. Ueber Erythromelalgie.
nad anatomische Untersnchnng, von Auerbach. 29. Zwei Fälle von acnter
ie, von Helmattn. 80. A remarkable angeionenrosis of the ton^e, due to the
diromie aeid to granniations on the npper and posterior portions of the tym-
A contribntion to the pbysiology of the corda tympani nerve, by Lewis,
ie oombbirt mitFanotionsetörnngen von seiten des Gehiras, von Johannessee.
el asphyzie locale des eztrdmitds, par Mongonr. 38. Cerebral compUcatioDs
’e disease, by Osler. 84. Ett fall af neurotisk gangrän, af KOstor. — Psychiatrie.
Katalepsie und PqrcboBe bei Icterus, von Damsch und Kramer, 86. A case of
wHb remarks upon obsessions, ^ Jenes. 87. Snila patogenesi della sttofobia
lati di mente, per Cbristiani. — Therapie. 88. Die moderne Pathologie und
der Migräne, von Stshel. 89. Zur Behandlung der Bemicranie, von Laquer.
km den Besellscbaftsn. Berliner GeBellschaft für Psychiatrie und Nervenkrank-
"^ULTereammlung mitteldentscher Psychiater und Neurologen in Jena am 1. Mai 1898.
Wft)
BirmMries. Jahreaversammlnng des Vereins der deutschen Irrenärzte in Bonn. —
betreffend.
I Aapbyzi
ne ec s
31
Dig ; /cd oy Google
482
L Originalmittheilungen.
[Aus der psychiatr. und Nervenklinik der Universität Leipzig (Prof. Flechsig).]
1. Ein Fall von Sarcom der Dura spinalis.
Beitrag zur Kenntniss der secundären Degenerationen nach Büekenmarks-
compression.
Von Dr. F. Quensel,
L ÄMuteosarzt der Klinik.
Seit durch den ersten von Hobslet und Gowsbs im Jahre 1887 erfolgreich
operirten Fall von Bückemnarksgeschwulst dies immerhin seltene Leiden als
unter Umstanden heilbar eine erhöhte Bedeutung gewonnen hat, sind einschl^l^e
Beobachtungen mehrfach veröffentlicht. Bbuhs^ zählt in seiner Mon(^raphie 1897
bereits 20 zur Operation gekommene Fälle auf. immerhin glaube ich, dass zur
Zeit noch jeder Beitrag zur Erweiterung und Festigung unserer Kenntnisse von
Werth ist, und gebe im Nachstehenden einen Fall, welcher in der Leipziger
Universitätsnervenklinik zur Beobachtung kam.
Am 26./VII. 1896 wurde der dSjährige Landarbeiter E. in die Klinik anf*
genommen. Die Matter des Pat. ist nervenkrank, gelähmt, sonst ist irgend welche
erbliche Belastung nicht nachznweisen. Er selbst will bis zn seiner jetzigen Er*
kranknng immer gesund und rflsüg gewesen sein. Getrunken hat er nicht. S;phi>
litische Infectiou wird entschieden in Abrede gestellt.
Vor 2 Jahren fiel Pat. von einem Schober etwa 3 m hoch herab anf Rücken
und Hinterkopf. Er war vorfibei^ebend bewusstlos, erholte sich aber rasch and
konnte nach einigen Tagen wieder arbeiten, war auch weiterhin gesund bis Weih¬
nachten 1895. Damals verspürte er, ohne dafür eine Ursache angeben zu können,
Blasenbeschwerden und Schwäche in den Beinen. Die Fflsse worden allmählich kalt,
schwer und taub. Schwäche und Blasenstürong nahmen langsam zu. Seit März 1896
kam Pat nicht mehr ans der Stabe, seit Pfingsten 1896 bat er das Bett nicht
mehr verlassen können. Die Beine sind völlig gelähmt und gefühllos, Kot nnd Urin
gehen unwillkürlich nnd nnbemerkt ab. Seit einiger Zeit bat sieb Deenbitns ein¬
gestellt
Pat ist ein mittelgrosser Mann, von schwacher Mosknlatnr, geringem Fettpolster.
Die Haut ist znmal an den Beinen sehr schlaff. Gesichtsfarbe leicht gelblich,
Schleimbänte sehr blass. Schädel hoch, symmetrisch. Hinterhanptshöcker stark vor¬
stehend. Znnge nicht belegt Zähne sehr defect Auf der rechten Backe znm Kinn
abwärtsziehend eine Karbe (von dem Falle herrübrend).
Herz intact Lnngengrenzen normal, keinerlei Dämpfung, Spitzen beiderseits
gleichstehend. Athemgeränseb überall rein, hinten nuten einzelne Rasselgeränsche.
UntersneboDg des spärlichen schleimig - eitrigen Answurfs ei^b niemals Tuberkel-
bacillen.
* Bbüns, Die OeschwfllBte des Kervensjstems. 1897.
Google
483
Leib weich, leicht eindrüchbar, nicht schmerzhaft Leber nicht vergrbssert
Blasendämpfang reicht bis 2 Qaerfingerbreit über die Symphyse. Urin l&sst sich
nicht aosdrflcken. Seine Zeichen fOr Fsoasabscess.
Urin gelb, wolkig getrfibt, reagirt alkalisch and riecht ammoniakalisch. Im
Sediment reichlich Leakoi^then, einzelne Erythrocytheo, keine Cylinder. Träufelt
ständig anbemerkt ab. Stahlgang erfolgt spontan, selten and ohne dass Pat. etwas
dsTon merkt
Genitalien ohne besonderen Befand, Penis ohne Narben. Ton Zeit zu Zeit er¬
folgen Erectionen, welche dem Pat. sehr lästig sind.
Pols 72 p. Minnte, von geringer FflUnng and Spannung, regelmässig, Athem-
frequenz regelmässig, normal, Temperatur desgleichen.
Popillen mittel- and gleichweit reagiren prompt and ausgiebig, bei Belichtong
vie beim Naheseben. Stimrunzeln, Augenschiass, Mandfacialisinnervation normal,
sjmmetiisch.
Zunge gerade, nicht zitternd vorgestreckt
Kopfbewegungen frei, schmerzlos.
Ärmbewegangen activ and passiv ungestört grobe Kraft leidlich.
Bespiratorische Bippenmuskalator fonctionirt anscheinend ganz ungestört.
Bampfbew^angen: Pat kann sich nur mit Hülfe der Arme im Bett aofrichten,
drehen and beugen, hat dabei heftige Schmerzen in Bücken and Kreuz. Liegt an-
beweglich in passiver Rückenlage.
Baachmoskulatar bei der Athmang passiv gedehnt kann willkürlich zar Baach-
preese nicht verwendet werden.
Beine stark abgemagert rechts mehr als links. Beide li^en gestreckt etwas
abdueirt nach aussen rotiit, Füsse fühlen sich kalt an. Beiderseits in der Mitte
des Schienbeins eine Brandnarbe.
Willkürliche Bewegung der Beine vollständig aufgehoben, passive Beweglichkeit
in allen Gelenken vollkommen erhalten.
Mechanische Mnskelerregbarkeit überall stark gesteigert Die idiomoskuläre
Contraction hält in den Beinmuskeln lange Zeit an.
Plantarreflex: rechts dentlicb leises Zacken in den Wadenmuskeln and aussen
im Quadriceps, links nar einmal merklich zu erzielen.
Cremaster-, Baachdeekenreflexe fehlen.
Gaumen- and Wfligreflex erhalten.
Patellarreflexe: rechts beim Beklopfen der Patellarsehne deatiiche Zockang in
Quadriceps und Addactores auch der linken Seite, der Fass wird dabei andeatangs-
weise nach innen rotirt Links stärker, das ganze Bein wird leicht nach innen
rotirt, clonische Zacknngen in Quadriceps und Addactores beider Seiten.
Achillessehnenreflex nicht zu eräelen. Kein Fass- oder Patellarclonus.
Anconaeassehnenreflex beiderseits deutlich.
Beklopfen, des Periostes im oberen Drittel der Tibia ruft rechts clonische
Zuckungen der Oberschenkelmnskulatur hervor, links erfolgt schwache einmalige
Zuckung.
Die Sensibilität ist für alle Qualitäten erloschen abwärts von einer Linie circulär
m den Leib, hinten in der Höhe des 11. Lendenwirbeldomfortsatzes, seitlich der
IX. Rippe, vom 3 Qnerfingerbreit über dem Nabel. Empfindlich, und zwar für alle
Qualitäten, sind nur noch die Genitalien, ein sattelförm^es Gebiet um den After
und an der Hinterseite der Oberschenkel, sowie ein Fleck auf der lateralen Hälfte
der Plantae pedis jederseits. Ausserdem giebt Pai an, dass er eine Lageveränderung
dw Beine reflectoriscb beim Beklopfen der Patellarsehne, wie auch in Folge der häafig
spontan anftretenden, trägen, ihm sehr lästigen Contractionen der Oberschenkelmnskeln
empfinde, doch scheint dies nur durch Uebertragen der Erschütterung auf die empfln-
dffide Partie des Körpers zu Stande zu kommen.
Google
31 *
484
Endlich ergab sich noch als bemerkenswerther Befand ein ziemlich deotlicher
Gibbus der Brostwirbels&nle mit der Spitze im 8. Domfortsatz and eine locale
Schmerzhaftigkeit bei Druck besonders aof die seitlichen Partieen in diesem Tbeile
der Wirbelsäule.
Es handelt sich also bei unserem Patienten um eine Querschnittsunterbrechung
des Rückenmarks, welche unyollstandig war und ungefähr in der Höhe oder
dicht über der Stelle sass, auf welche auch die Deformität der Wirbelsäole
hinwies. Der weitere Verlauf machte uns dann noch mit einer Reihe Ton Daten
bekannt, welche es gestatteten, die Diagnose schärfer und sicherer zu stellen.
Zunächst ergab die sorgfältige und fast tägliche Controlle des Verhaltens der
Anästhesie fönendes Resultat:
Am lO./VllT. fand sich eine Unsicherheit der Empfindung fär alle Qualitäten
vom von dicht unterhalb des Schwertfortsatzes, seitlich von der VIII. Rippe rechts,
der IX. links und vom X. Dorsalwirbeldomfortsatz hinten abwärts. Von der X. Rippe
abwärts, Übrigens in denselben Grenzen wie oben angegeben, totale Anästhesie und
Analgesie, die empfindenden Hantpartieen an Plantae pedis und Genitalien waren
etwas eii^eengt Rur sehr starker Druck und ganz tiefe Stiche wurden bisweilen
noch bis in die loguinalfalten, hinten bis znr Höhe des Dannbeinkammes und seit*
lieh am Oberschenkel bis handbreit unterhalb des Trochanter maior undeutlich em>
pfänden und ganz ungenau localisirt.
Am 17./VIII. reichte die Unsicherheit der Empfindung beiderseits bis zur
VIII. Rippe, die Anästhesie bis zur X. beiderseits. In dem Gebiete, wo, wie am
lO./VIII. ang^eben, nur vereinzelte tiefe Stiebe noch wabi^nommen wurden, be*
stand für dieselben zugleich starke Verlangsamung der Schmerzleitung (Dissociaüon)
und langdauemde Nachempfindung.
Die zuletzt angegebenen Grenzen blieben bestehen bis zum 24./VI1I. Es Hess
sich in dieser Zeit deutlich coustatiren, wie die Feinheit der Empfindung an den
Plantae pedis und den Genitalien abnahm, zuletzt wurden an beiden Stellen nur
noch gröbere BerObrungen empfunden und nur tiefere Stiche als etwas schmerzhaft,
leichtere einfach als Berührung angegeben.
Am 20. und 23./V1IL kouuten wir eine deutlich ausgesprochene Hyperalgesie
vom von der Vlll. bis ungeßhr zur VI. Rippe, hioteu vom II. lumbalen bis zum
IX. dorsalen Wirbeldorofortsatz reichend, coustatiren. Ausserdem klagte Pat fast
ständig über sehr heftige reissende Schmerzen, welche gürtelförmig etwa in der O^od
des Rippenbogens den Thorax umgaben, über ein Gefühl von Zusammengeschnürtsmn.
Einmal gab er voröbe^ebend Parästhesieen an den Fnsssohlen an.
Auf das Verhalten der Reflexe war besonderes Augenmerk gerichtet. Die
Achillessehnenrefiexe fehlten während der ganzen Beobaebtungsdauer. Die Fatelkr*
reflexe waren im Anfang gesteigert, und zwar, wie angegeben, r. < 1., im August
begannen sie schwächer zu werden und waren am 15./Vlll. beiderseits fast erloschen.
Dieser Befand war indes vorübergehend. Am 24./VIII. bestanden sie beiderseits
wieder etwa in normaler Stärke. Die Plantarrefiexe waren dagegen im Anfang schwach,
und zwar r. > 1., gegen Ende August waren sie beiderseits leichter und uDgefilhr
gleich gut hervorzurufen. Von den übrigen Hautreflexen fand sich nur noch einmal
der hypogastrische Reflex links, also auf der Seite, wo die Anästhesiegrenze tiefer
stand, bei den schlaffen, nur passiv gedehnten Bauchdecken können wir darauf iudes
keinen Werth legen.
Die Motilität zeigte während des Verlaufs keine Veränderung ihres Verhaltens.
Die elektrische Erregbarkeit der Beinmuakulatur war bis zuletzt erhalten. Es waren
zwar für den galvauischen Strom unverbältnissmässig höbe Stromstärken erforderlich,
doch erfolgten alsdann blitzartige Eathodenschliessnugszuckungen. Auch die Sphinkteren«
'ig: /cd c/ Google
485
UbmoDg blidb ganz constant. Bei regelmässiger Entleerong der Blase darch Katheter
stellte sich zeitweise die Schlassßhigkeit wieder her, doch kam es zuletzt doch
nieder za completer Incootinenz.
Die aogeföhiten Symptome gestatteten es non, die Höhendiagnose der
rcvliegeDden ünterbrechnng mit ziemlicher Sicherheit za stellen. Von den
Segmentsymptomen hatte die meiste Bedentang die Sensibüitätsstörnng. Totale
Anästhesie bestand in der Höhe des X., zum Theil auch des IX. Dorsalsegments,
ganz sicher musste also letzteres, wahrscheinlich aber auch das VIII. noch mit
in die stärkste Gompression einbegriffen sein. Aber auch das Projectionsfeld
ks vm. S^ments zeigte noch eine deutliche Abstumpfung der Sensibilität.
Man musste demnach darauf gefasst sein, die Gompression noch höher, d. h. im
Berdch des VII. Segments anzutreffen. Deshalb waren für uns die Wurzel-
wmptome ganz besonders bedeutsam. Die lancinirenden Schmerzen waren zwar
n ihrer Localisation zu unsicher, um mit Erfolg verwerthet zu werden, dag^en
liess die bis ins YI. S^ment hinein sich erstreckende Hyperästhesie erkennen,
dass aller Wahrscheinlichkeit nach die VII. hintere Wurzel noch mit er-
jriffen sei
Schwieriger zu entscheiden war für uns die Natur des comprimirenden
Proeesaes. Aus der Anamnese ging hervor, dass ein Trauma stattgefunden
hatte. Lange nach demselben hatten sich Lähmungserscbeinungen und Em-
ründungsstömngen langsam und anscheinend durchaus symmetrisch eingestellt.
Uncinirende Schmerzen, überhaupt Wurzelerscheinnngen waren vorher nicht
aofgetreten, von einem charakteristisohen Beginn und typischen Verlauf wie bei
Tamoren war keine Bede. Dazu fand sich nun ein Gibbus, welcher an sich
s<?bon auf eine tubercnlöse Erkrankung der Wirbelsäule hiuweisen konnte.
Immerhin war derselbe im Verbältniss zur Gompression auffallend gering, glich
sich auch bei Lageveränderung vollkommen aus, so dass er direct kaum Ursache
<ier Unterbrechung sein konnte. Irgend ein sonstiges Zeichen für eine tuber-
'olöse Erkrankung fehlte. Die Annahme eines comprimirenden Tumors hatte
somit die gleiche Berechtigung und es erschienen dafür die Wurzelsymptome
^rseits, die zeitweilig constatirte geringe Asymmetrie andererseits beachtens-
vortb, wenngleich beide natürlich auch bei einer Caries Vorkommen konnten.
Ueber die Natur eines eveiftuellen Tumors liess sich kaum etwas vermutben,
ebenso wenig über seinen extra- oder intraduralen Sitz zumal nach der
sehr mangelhaften Anamnese. Bei dieser Ungewissheit der Diagnose drängte
ades der Allgemeiozustand des Pat auf ein energisches Handeln. Eine anfangs
«ägeleitete antisyphilitische Behandlung blieb absolut erfolglos. Die Gystitis,
Tekbe Pat mit hereingebracbt batte, war nicht zur Heilung zu bringen, ein
tnregdmässig remittirendes Fieber stellte sich ein, es begann Decubitus am
Kreuzbein. Wenn überhaupt, so war es sicher, dass dem Pat. nur noch durch
an« Operation geholfen werden konnte. Vielleicht war es möglich, die Com-
noch zu beheben, wenn wir uns auch von Anfang an klar waren, dass
Oie Chancen eines operativen Eingriffs keine allzu glänzenden seien. Wir ent-
i^oasen uns, dem eigenen Wunsche des Pat. nachgebend, zu der Operation,
Google
486
welche am 25./VIII. 1896 in der Klinik Yon Herrn PriY.-Doc. Dr. Gabten
aasgeführt wurde.
Der Yerlaof derselben war mit Uebei^ehung der rein chirurgiecben Fragen
folgender:
Der Wirbelcanal wurde nach Urban eröffnet und von unten angefangen der 9.
bis zum 6. Dorsalwirbelbogen resecirt und nach oben zurhckgeschlagen. Bereite ent>
sprechend dem 8. und 7. Dorsalwirbelkörper fand sich eine rauhe, blutreiche, wenig
feste Qeschwulst von etwa Taubeneigrösse, welche der Dura hinten und seitlich auf*
sass, die 8. und 7. Wurzel mit umfasste und mit letzterer beiderseits in das Foramen
intervertebrale bineiuzog. Das Aussehen der Dura war ober» und onterbalb des
Tumors ganz normal, oberhalb bestand dentliche Pulsation, welche abw&rts Ton der
Geschwulst fehlte. Es wurden nnn mit Pincette und Messer, bezw. mit dem scharfen
Löffel die Tnmormassen ausgeräumt, darunter kam die Dura in anscheinend normaler
Beschaffenheit znm Vorschein. Eine deutliche EinschnOrung oder Consistenzveränderung
des Bflckenmarks bestand nicht. Rechts musste die 7. Wurzel durchschnitten werden.
Nach Entfemui^ der Geschwulst stellte sich auch im unteren Segment dentliche^
wenn anch schwache Pulsation wieder ein. Die Wunden wurden durch einige
Situationsn&bte geschlossen and mit Jodoformgazestreifen drainirt
Leider war der Wandverlauf kein aseptischer. Nach 2 Tagen stieg die Tem*
peratur wieder an und beim Verbandwechsel entleerte sich aus der Wunde unter
starkem Druck stehendes, blotig seröses Sekret. Die Pulsfrequenz ging bei gleich'
bleibendem Fieber allmählich in die Höhe. Am SO./VIII. wurde Pai benommen,
stöhnte viel, zeigte lebhafte Hyperästhesie an den Armen, fuhr mit denselben oft in
der Loft herum, es traten clonische Zuckungen in der Gesichtsmnsknlatur, tonische
Contractur im Gebiete des linken unteren Facialisastes ein. W'eitere Erscheinungen
ffir Meningitis fanden sich nicht. Am 31./V1I1. erfolgte der Exitus.
Hinsichtlich der Compressioaserscbeinnogen konnte nur noch eine Besserung der
Sensibilitätsstömngen bis znm Tode constatirt werden. Am Tage nach der Operation
kehrte die Sensibilität ffir Berflhrnng nnd Schmerz an den Oberschenkeln bis etwa
handbreit Aber dem Knie an Vorder« und Innenseite wieder, am 29./Vin. wurden
Nadelstiche an den Unterschenkeln bisweilen empfunden. Motorische Paraplegie,
Blasen- und Hastdarmlähmung bestanden fort, auch das Verhalten der Reflexe blieb
unverändert.
Bei der Section fand sich ausser starker, eitriger Bronchitis und Cystitis ein
starkes Oedem der weichen Häute des Rückenmarks und des Gehirns, beginnende
Meningitis basilaris, stärker ausgeprägte der Convexität auf das Kleinhirn übeigreifend,
beginnende eitrige Meningitis des Dorsalmarks, entsprechend zwei Stellen der Operations¬
wunde. Es bestand eine starke senile Arthritis der Wirbelgelenke, doch blieb un¬
bestimmt, ob diese die Ursache der Wirbelsäulendeformität al^^ben batte. Der
Tumor, mikroskopisch ein Sorcom, war bei der Operation vollständ^ entfernt worden,
auf der Dura fanden sich nur Blutgerinnsel.
Die Configuration des Rückenmarkes erwies sich als unverändert, dag^n
war die Consistenz im Gebiete des IX. and X. Dorsals^mentes an einer ca. 2 cm
langen Stelle weicher als normal. An Querschnitten war deutlich au&teigende
D^eneration der GoUi’schen Stränge, undeutliche der Kleinhimseitenstrai^-
bahnen, absteigend eine D^eneration der Pyramidenseitenstrangbahnen za
erkennen.
Die mikroskopische Verfolgung der Degenerationen geschah mittels der
MABCHi’schen Methode. In der Höhe des IX. and X. Dorsalsegmentes findet
sich eine über den ganzen Querschnitt verbreitete Läsion der grauen und weissen
Dig: /cd:
Google
487
Sabstanz bei erkennbarer Rückenmarkszeichnnng, überall finden sich massenhaft
Uarkscheidentrümmer und Fettkömcbenzellen. An nach Pal gefärbten Prä¬
paraten erkennt man allerdings immer noch einzelne normal aussehende Mark-
äserquerschnitte, am meisten in
den Yorderstrang-Grondbündeln.
An Kemfarbnngspräparaten sind
die Ganglienzellen znm Theil hoch¬
gradig gequollen, zum Theil atro¬
phisch, es finden sich reichlich
grosse Spinnenzellen und erwei¬
terte Gefösse. Ueber die von
dieser fast totalen Querschnitts-
Unterbrechung abhäi^gen Dege¬
nerationen im Rückenmark will
ich mich kurz fassen, Sie stimmen
im Allgemeinen mit den genugsam
bekannten, insbesondere aber mit
den Ton Hocbe ‘ mitgetheilten Be¬
fanden überein. Absteigend sind
d^enerirt die Pyramidenseiten¬
strangbahnen bis insnntersteSacral-
mark, in der gleichen Längen-
aosdehnung eine Bahn im Yorder-
strange. Lage und Ausbreitung
leteterer stimmt mit den Angaben
Löwbrthaij’s * über die Ausdeh-
nong des Faisceau marginal antd-
rieor bei Thieren nicht ganz über¬
ein, wohl aber mit den sonstigen
Befanden beim Menschen, ln den
Torderseitenstrang - Gmndbündeln
schwinden ebenso wie aufwärts die
konen Bahnen sehr bald bis auf
ganz Terein 2 elte Scholien, eine
D^eration am Yorderseiten-
strangrande lässt sich mit einzelnen
Fasern bis ins unterste Sacralmark
verfolgen, ln den Hintersträngen
hnde ich abwärts d^enerirt das SoHULTZE’sohe Comma deutlich bis zum mitt¬
leren Lombalmark, ein zweites Feld ganz so wie es Hoche (1. o.) beschrieben.
Eine stärker ausgesprochene Tentiomediale’ D^nerationszone finde ich an
Fig. 1.
‘ Hoch*. Arch. f. Psych. XXVni.
' Löwrsthal, loternatioDale MoDatsschr. f. Anat. n. Physiol.
* Zaffebt, Neorolc^. Centralbl. 1898. Nr. S.
1898.
Dil;
.Google
488
memen Präparaten nicht. Ansteigend degenerirt sind ansser den knrzen Bahnen
die GoUi’schen Strange, die übrigens noch eine ganze Anzahl normal aus¬
gehender Fasern, ansserdem aber b^nmende Sclerose zeigen und ein kleiner
Streifen im dorsomedialen Theil der BüBDACH’schen Stränge. Bei D; (Fig. 1)
sieht man sehr schön die Einstrahlung der beiderseits total d^nerirten
7. hinteren Wurzel Es sind ferner aufsteigend d^^erirt die Eleinhimseiten-
strangbahnen und die GowEBs’schen Bändel, endlich von letzteren durch eine
kleine relativ d^enerationsfinie Stelle getrennt eine Bahn im Yorderstrang und
ganz vereinzelte Fasern im Bereich der Pyramidenseitenstrangbahnen.
Die Verfolgung der 4 compacten langen auSteigend d^enerirten Bahnen
bis zu ihrem Ende ergiebt nun folgendes Resultat:
Die im Yorderstrang aufsteigende ist deutlich zu erkennen nur bis zur
Fyramidenkrenzung. Ob nicht einzelne Fasern in den Yorderseitenstrangrest der
^ttellinie oder die Formatio reticularis eingehen, lässt sich an den Präparaten
nicht entscheiden. Die Kleinhimseitenstrangbahn gebt ganz in das Corpus restiforme
ein und zieht in demselben rings umgeben von normalen Fasern aufwärts.
Die Verfolgung der Degeneration in den Hinterstrangen ist möglich bis zu
den Kernen derselben und zwar ist der GoLL’sche Kern in seiner ganzen Aus¬
dehnung, der BuBDAcn’sche nur in seinen medioventralen Abschnitten von dei^
selben betroffen. Von der Höhe der beginnenden Schleifenkrenzung an sieht
man nun continniriich einzelne Fasern die Spitze der GoLL’schen Sträi^e mit
der gleichseitigen Kleinhimseitenstrangbahn verbinden. Eine gekreuzte der¬
artige Verbindung ist jedenfalls nicht in nennenswerther Stärke aufzufinden.
Es handelt sich wesentlich um feine Fasern im Gegensatz zu den sehr groben
Schollen im Gebiet der Kleinhiraseitenstrai^bahnen. Weiter aufwärts, kurz vor
der Höhe des sich ofhenden Centralcanals findet sich auch eine periphere
Verbindung zwischen den genannten beiden Gebieten (Fibrae arcuatae ex-
temae dorsales). Sie vereinigen sich mit den hier dorsolateralwärts ziehenden
Fasern der Kleinhimseitenstrangbahn zur Anlage des Corpus restiforme. Diese
Bahn bleibt auch nach dem Verschwinden des GoLL’schen Kernes auf Quer¬
schnitten noch bestehen, zieht also über denselben aufwärts hinaus, ja er¬
scheint an dieser Stelle stärker als unterhalb. Auch hier schickt dieselbe noch
einen breiten Ausläufer nach vom um die innere Seite der absteigenden Qnintos-
Wurzel herum. Einige Fasern schliessen sich auch, zum Theil dicht neben der
Olivenzwischmischicht herabziehend, den Fasern im Gebiet des GovmBs’schen
Bündels an. (Fi^. 2—4.)
Fig. 2. QaembDitt io der Fig. 8. Qaereoboitt in der Fi^. 4. (^nenebnitt in der
Höbe d. Pjramidenkreaznng. Höne d. anftretenden grossen Mitte der grossen OUyeo.
Oliven.
Das GowsBs’sche Bündel b^innt in der Höhe der Schleifenkreuzung sich
entlang dem dorsalen Bande der ^ramiden nach innen auszubreiten. Mit dem
Googl
C
489
Auftreten der grossen OÜTen siebt man seine Fasern scharf nach aussen und
dorsalwärts abbi^en, sie scheinen hier znm Theil sich dem Corpus restiforme
mit znzQwenden, die Hauptmasse liegt danemd dorsal von den grossen Oliven
und Tentrolateial der Kleinhimseitenstrangbahn angeschlossen. Eine gleichseitige
Yerbindung mit den OoLL’schen Strängen ist bereits erwähnt Ob Fasern zu
dem hier dem GowEss’schen ßftndel unmittelbar anliegenden Seitenstrangkem
in Beziehung treten, vemu^ ich nicht zn entscheiden. Der weitere Verlauf der
Bahn gestaltet sich ganz confonn der Beschreibung von Hoohb. Beim Eintritt
in die Brücke b^innt sie sich von der Kleinhimseitenstrangbahn zu trennen.
Sie tritt unter die Brflckenarme zwischen mediale Schleife, obere Olive und
Faeialiskem, lateralwarts die untere Spitze der Badiz descendens trigemini er¬
reichend, eingestreut in die Quer&sem des Corpus trapezoides. (Figg. 5—7.)
Fig.l.* Qaenobnitt durch die
Brtcke. Rechte Anftreten des
Keroes dee Corpus qaadrig.
post., links Höhe des lateralen
Schleifenkemes.
Fig. 5. Qaerschnitt durch die
Brücke rechts oberhalb, links
in der Höbe des Äcusticos.
eintritts.
Fig. 6. Qaersebnitt durch die
Brtcke rechts in der Höbe des
lateralen Schleifenkemes.
links des Trigeminnseintritts.
Bis hinauf zur Höhe des Trigemiuuseintrittes sieht man immer noch eiuzelue
Fasern sich dorsal- und lateralwärts znm Corpus restiforme begeben. Die Haupt¬
masse zieht um und durch den sensiblen Kern des Trigeminus nach aussen,
oben und vorn, verlauft in der Spitze der lateralen Schleife, umgreift die Binde-
arme und zieht in die Himklappe, in welcher man nach vom bis zur Trochlearis-
kreuznng sowohl kreuzende als auch in sagittaler Bichtung zum Kleiuhimwurm
zurückverlaufende Fasern sieht (Figg. 8—10.) Ein kleiner Theil der degenerirtcn
Fig. 8. Querschnitt in der
H^e der Bindeannkrenznng.
Fig. 9. Querschnitt in der
Höhe rechts des Brach, con-
iunct. corp. quadrig. post,
links dee Corp. quadng. post.
Fiff. 10. Querschnitt in der
H^e rechtsdes Corp. quadrig
ant, links des Corp. quadrig.
post.
Fasern läuft in der Spitze der lateralen Schleife weiter. Er tritt mit derselben
unten aussen an den Kern des hinteren Vierhügels heran, ob zum Theil auch
* Umfang nnd Stärke der degenerirten Bahn sind in Figg. 7—11, um deren Lage
deutlich zur Anschauung zu bringen, zum Theil etwas übertrieben.
Dig !i/od c/ Google
490
io denselben, ist nicht zu entscheiden, liegt weiterhin tiefer unter dem Bindearm
des hinteren Yierhügels. Bevor der Best als oberer Knopf des lateralen Schleifen-
theiles in den Thalamus seitlich abbiegt, sieht man noch eine ganze Anzahl
Fasern in der hinteren Commissur zur anderen Seite hinäberkreuzen. (Fi^. 11,12.)
Fig. 11 . Querschnitt ln der Höbe
re^ts der Commissnra posterior,
links des Corp. qnadrig. ant.
Fig. 12. Horizontolschnitt doreb
den reohtan Tbalamns optiens,
etwas nach Tom abfallend.
lieber das endgültige Schicksal der degenerirten Fasern in der lateralen
Schleife geben etwas schräg nach vom abMende Horizontalschnitte durch den
Thalamus gute Auskunft. Man sieht nämlich von der dorsalen Spitze des
lateralen Antheils der Schleife aus lange Körachenketten vor und unter dem
Corpus geniculatum interaum lateralwärts ziehen. Nach seitwärts zu breiten
sich dieselben auch etwas in das vor ihnen gelegene Ansstrahlongsfeld der
medialen Schleife aus. Der Faseizug bildet einen nach vorn convexen Bogen
und steigt in seinem Verlauf lateralwärts etwas empor. Der Breite nach finden
sich seine Fasern jedenfalls über den ganzen vorderen unteren Quadranten des
Corpus geniculatum int ausgebreitet Hinter dem Centre mödian und dem
schalenförmigen Körper vorbeistreichend lassen sich seine letzten Ausläufer bis
zu den hinteren Theilen des Nuoleus ezternus thalami verfolgen. Für dneo
Theil der Fasern ist allerdings in Folge des Wechsels der Yerlanfsebene der
Verbleib lateralwärts über die Sagittalebene des Centre mödian hinaus nicht
festzustellen. Finden sich einige aberrirende Fasern aus dem äusseren Gelnet
der medialen Schleife auch schon in der Höhe des Corpus quadr^m. ant zu
diesem Bündel hinzu, so habe ich doch eine isolirte Bahn in derselben, wie
Y. SöLDBB beschrieben bat, nicht anifinden können.
Die aufsteigenden Degenerationen bieten in unserem Falle etwas wesentlich
Neues nicht, das Hauptinteresse beanspruoht das Verhalten des Gownns’scheu
Bündels. Wie schon Patbiok^ angiebt, war dasselbe auch vor der GowEBs’soben
Veröffentlichui^ keineswegs unbekannt, er führt an Metoebt’, FLBCB 8 I 0 ^
Wbstphal*, welche sämmtlicb die Zweitheilung der EleinhirnseitenstrangbahD
beim Uebergang in die Brücke kennen, ohne indes das Gowsns’sche Bündel
^ Patrick, Arch. f. Psych. XXV.
* Mbykrbt, Arch. f. Psych. IV.
> Flbohsio, Leitaogsbahnen 187U.
* WBBTPaAi., Arcb. f. Psych. X.
a :/od./GoOglc
491
als Ganzes principiell von der Klembimseitenstrangbahn abzosondem. Soweit
ich sehe, hat dies zuerst auf Grund entwickelungsgeschichtlioher Befunde
Bbohtebew^ gethan. Sonderbarer Weise erklärt er als völlig sicher, dass es
sidi keinesfalls über die oberen Oliven hinaus in die laterale Schleife fortsetzt.
Die GowEBs’sche Veröffentlichung* betrifft nur den spinalen Verlauf unserer
Bahn. Eine Arbeit von Tooth*, welcher das secundär degenerirte Bündel bis
in die Höhe des VL und VII. Himnerven verfolgt hat, war mir nicht zugäng¬
lich. 1890 erklärte Flbohsig^ dass er sich nunmehr durch Befunde bei der
Katze aufmerksam gemacht, im G^ensatz zu seiner früheren Annahme von
der Fortsetzung des Bündels in die laterale Schleife überzeugt habe.
Eine wesentliche Eigänzung dieser Daten brachte zunächst das Thier-
ezperiment. Nach Durchsohneidungen beim Hunde beschrieb Löwsnthal* den
gesammten Verlauf des von ihm so benannten ventralen Antheils der Elein-
bimseitenstrangbahn bis in den Oberwurm. In einer ausführlicheren Arbeit^
konnte er seine Angaben insofern vervollständigen, ^s nunmehr die Endigung
der Fasern in der Rinde des ventralen Theiles des Oberwunns fest^stellt war,
und als Gewährsmann für die Richtigkeit sdner Befunde Aüebbaoh ' anführen.
Er bestreitet dagegen, dass das v. Monakow schon früher* beschriebene aberrirende
Seitenstrangbündel, welches auch neuerdings wieder mit dem Gowsbs 'sehen
Bündel für identisch gehalten wird, diesem seiner nach entspreche. Ohne
dies entscheiden zu wollen, möchte ich nur erwähnen, dass ich selbst an Prä¬
paraten von Kaninchen, denen das Rückenmark in verschiedener Höhe durch¬
trennt war, diese Differenz in der Lage der D^enerationön bestätigen konnte.
Während v. Monakow's Bündel lateral von der oberen Olive sich findet, sieht
man das GowESs'sche Bündel ventral und eher nach innen von derselben,
mehr der Peripherie genähert verlaufen. Heber die V. Wurzel hinaus fand ich
bei Kaninchen in der lateralen Schleife, übereinstimmend mit der Angabe
V. Monakow's keine deutliche Degeneration. Immerhin vermutbet derselbe
Uebei^ang in die laterale Schleife. Dass in dieser Gegend übr^ns neben dem
GowEBS'schen Bündel noch andere Bahnen verlaufen, beweist schon y. Monakow’s
eigene Angabe* über eine gleichzeitig auf- und absteigende D^eneration des
aberrirenden Seitenstrangbündels. Auch Hkld^* localisirt ja hier sein Seiten¬
strangbündel aus dem rothen Kern der Haube, das sich von diesem abwärts
in der gleichen Bahn bewegt, die y. Monakow sein aufsteigendes Bündel
nehmen lässt.
‘ Bbchtbbbw, Neorolog. Centralbl. 1885.
* Gowbbs, Nearolog. Centralbl. 1886.
* Tooth, Oolstonian leetnres 1889 (cit. Patrick 1. c.).
* Flbchsio, Nenrolog. Centralbl. 1690.
* I.ÖWBRTHAL, Bevne mM. de la SniBse Komande. 1886.
* Derselbe, Internationale Honatsschr. f. Anat. und Pbye. 1893. Bd. X.
* Adbbbach, TireboVs Arcb. Bd. CXXI. S. 201.
■ T. Monakow, Arcb. f. Psych. XIV.
* Derselbe, Arfh. f. Psych. XXII.
*• Hbld, Neurolog. Centralbl. 1890. S. 481.
I^iQ't'ZCd C'7 Google
492
Nach Mediandnrchscbneidung deS'Lnmbalmarkes bei A£fen rermochte Mott^
Ausläufer des GowEBS’schen Bündels mit der lateralen Schleife hinauf zum
vorderen Yierhägel zu verfolgen. Er leitete sie baaptsächlich aus den im Bucken*
marke central und hinten getanen Partieen dieses Bündels ab. Nicht ganz
weit gelangte Tooth^ nach einer experimentellen Durchschneidung in der
MeduUa oblongata eines Affen, nämlich bis zur Höhe des Trochlearis.
Ein von Bbuns* klinisch beobachteter Fall von Eöokenmarkscompression
in der Höhe des 8. Cervical* und 1. Dorsals^mentes gab Patbice^ Gel^n*
heit, auch beim Menschen diese Bahn bis zur Höhe der Bindearmkrenzung in
der lateralen Schleife zu verfolgen, das ihm vorli^nde Material gestattete aber
nicht, die weiteren Verlaufsverhältnisse zum Gerehrum und Cerebellum zu
eruiren. Hoohb® hat zuerst an einem Falle von Querschnittsunterbrechung in
der Höhe des 9. und 10. Dorsalsegmentes die Angaben Löwbmthal’s bezüglich
des Verlaufs des OowEBs’schen Bündels zum Kleinhirn bestätigen können. Es
folgte V. SöiiDEB^ mit einem Falle von Qnerschnittsunterbreohung im unteren
Cervicalmarke. Während nun aber Hoche eine Degeneration über die Ebene
des hinteren Vierhügels aufwärts nicht constatiren konnte, liess sich von dem
Herde im Cervic^mark aus eine Degeneration bis in den Thalamus verfolgen.
Das Neue an unserem Befunde ist 1. dass das von v. Söldbb beschriebene
Bündel, wie zu erwarten, jedenfalls zum Theil aus einer unter dem Niveau des
9. und 10. Dorsalsegmentes gelegenen Begion stammt; in dem von uns unter¬
suchten Halsmark fand sich keine weitere Erkrankung, ausserdem aber 2. dftös
es gelungen ist, Fasern desselben bis zu den Zellen des Nucleus extemus tha*
lami zu verfolgen. Sie finden also hier gemeinsam mit einem Tbeile jeden¬
falls der übrigen sensiblen Leitungen aus den hinteren Wurzeln ihre Unter¬
brechung. Auffallender Weise findet sich in einem Falle von Hösel^ bei einer
alten apoplectischen Cyste, die den inneren Kniehöcker, den unteren Theil des
Pulvinar und die hinteren Partieen der ventralen Thalamnskeme zerstört hat,
unsere Bahn fast isolirt erhalten bei übrigens completer Degeneration der
Schleife. Die Abbildungen Hösel’s von dieser dorsalsten Spitze des lateralen
Schleifentheües geben durchaus die Darstellung der Lage unseres Bündels.
Epikritisch möchte ich in unserem Falle noch bemerken, dass derselbe eine
Ausnahme bei dem durch Bbüns^ anfgestellten Erfahrungssatze: „dass, wenn
die höchst zu localisirenden Ausfallssymptome in einem bestimmten Falle auf
die Läsion eines bestimmten Wurzelgebietes hinweisen, diese im Allgemeinen
an der Austrittsstelle dieser Wurzel aus dem Marke in der Segmenthöhe und
* Mott, Brain. 1892. XV.
^ Derselbe, Braio. 1895. XVUl. Part. 1.
* Tooth, Brain. 1892. XV.
* Bbüks, Arcb. f. Psych. XXV. 8.759.
* Patrick, 1. c.
0 Hoche, 1. o.
^ V. SCldbb, Nearolog. Centralbl. 1897. S. 308.
* Hösel, Ärch. f. Psych. XXV. S. 1.
^ Bbdrs, I. c. 8.329.
DiLi '.■?uü
Google
493
nicht an der betreffenden Wurzel während ihres intraspinalen Verlaufes statt-
gefonden hat“ Bei dem extradoralen Sitze der Geschwulst fand sich der extra-
dorale Theil der 7. Wurzel bei ihrem Austritt aus dem Wirbelcanal ergriffen,
der Tumor sass demnach um IV 2 Segmente und sicher um eine Wirbelkörper>
höhe tiefer als man ihn nach dieser B^l hätte erwarten müssen.
2. Experimenteller und pathologisch-anatomischer
Beitrag zur Lehre von der chronischen Schwefelkohlenstoff-
vergiffcung/
Von Dr. Georg Köster,
Assistenten an der Nerrenabtheilnn^ der med. UniTersitäts-PoUklinik za I^eipzig.
Meine Herren! Gestatten Sie mir, Ihnen in kurzen Worten die bisher ge-
wonnenen klinischen und anatomischen Resultate meiner an Kaninchen Torge-
Dommenen chronischen Vergiftungen mit Schwefelkohlenstoff zu schildern.
Zwar habe ich meine Untersuchungen noch nicht beendet, bin aber nach
einer Richtung hin zu einem Abschluss gekommen, so dass mir eine vorläufige
Mittheilnng des bisher Gewonnenen gerechtfertigt erscheint
Ich wurde zur Vornahme der Veigiftungen angeregt durch die Beobachtung
eines Falles von chronischer ScbwefelkohlenstoffTergiftung, welcher ausser hoch¬
gradiger hypochondrischer Verstimmung, Verlust der Potenz, schwerer Chorioiditis
und Retinitis, ausgedehnten Sensibilitätsstörungen an allen Extremitäten eine
ganz exquisite Herabsetzung der Muskelerregbarkeit für beide Stromesarten bei
directer und indirector Reizung darbot Ich kann auf diesen Fall hier nicht
näher eingehen und will nur erwähnen, dass die Err^barkeit der Muskeln sich
im Laufe von ca. 9 Monaten gehoben hat, aber immer noch beträchtlich unter
den oberen Grenzwerthen SrmrziNa’s zurückbleibt. Dieser hochinteressante
Fall wird seiner Zeit noch eingehend von mir mitgetheilt werden. Im physio¬
logischen Institut zu Leipzig habe ich nun mit fireundlicber Erlaubniss des Herrn
Geheimrath Hebing Kaninchen chronisch mit CS| vergiftet und zwar von den
bisher anatomisch untersuchten Thieren eins 14 Tage, eins 4 Wochen, zwei
2 Monate, zwei 3 Monate und eins 3^8 Monate lang. Ueber die Methode der
Vergiftung will ich mich hier nicht weiter verbreiten, es mag genügen, dass die
Thiere das Gift auf dem W^e der Athmung ihrer Blutbahn einverleibten. Ich
habe nun Folgendes feststellen können.
Das Körpergewicht nahm bei allen Thieren, sofern sie sich vorher (und das
war meist der Fall) unter günstigen Ernäbrungsverhältnissen befanden, in den
‘ Kach einem in der 111. Versammloiig mitteldeotscher Psychiater and Nenrologen am
1. Uai 1898 za Jena gebalteaen Vortrage.
Google
494
ersten Tagen etwas zu, dann aber, nach Ausgleich des Stoffwechsels, langsam
und stetig ab, trotz guten und überreichlichen Futters. Nur ein einziges
2 Monate veigiftetes Thier nahm bis zu seinem Ende fortgesetzt zu. Mit der
Gewichtsabnahme ungefähr parallel ging eine Zunahme der faradischen Muskel*
err^barkeit Hand in Hand. Die elektrischen Prüfungen wurden physiolcgisch
ezact ausgeführt, stets mit derselben Yersuchsanordnung, so dass jeder Millimeter
Bollenabstand von Werth sein und beobachtet werden konnte, und alle 14 Tage
wiederholt Da zeigte es sich denn, dass die anfänglich z. B. bei 145 mm Rollen*
abstand eintretende Minimalznckung, nach 2 Wochen schon bei 170 und nach
weiteren 2 Wochen schon bei 190 und schliesslich bei 230 mm Bollenabstand
anszulosen war. Ein andres Versuchsthier bot vom Beginn der Yergiftung bis
zur 8. Woche eine Steigerung von 195—270 mm Bollenabstand. Gewiss eine
erhebliche Steigerung der Erregbarkeit!
Mit der Steigerung der electrischen Erregbarkeit stellte sich eine deutliche
Ermüdungsreaction ein, sobald die Zunahme der Erregbarkeit eine Zeit lang
gedauert hatte. Es musste dann der Bollenabstand nach und nach mitunter
um 30 mm verringert werden, um eine neue minimale Zuckung hervorzurufen.
Diese reizbare Schwäche machte meist von der 6. bis 7. Woche an einer all*
mählichen Herabsetzung Platz, welche am intensivsten sich entwickelte bei den
Thieren, die chronisch an den Folgen der CSj-Yeigiftung dahinsiechten. Jedoch
sank der Werth der grössten erzielten Herabsetzung nicht unter den zu Beginn
gewonnenen Bollenabstand herunter. Ebenfalls gleichzeitig mit der Erhöhung
der electrischen Erregbarkeit entwickelte sich eine deutliche Hyperästhesie an
den Extremitäten. Eine leise Berührung mit der Nadelspitze genügte, um eine
unverhältnissmässig grosse Abwehrbewegung hervorzurufen. Anfangs hielt ich
die im Yeigleich mit nicht vergifteten Thieren beobachtete Hyperästhesie, weil
subjectivem Ermessen bei der Beurtheilung zu sehr unterworfen, nicht für ein¬
deutig. Als ich aber bei 2 Thieren der Hyperästhesie eine Anästhesie an den
Pfoten folgen sah, der Art, dass man ohne jedwede Reaction von Seiten des
Thieres ihm eine Nadel durch die ganze Pfote stecken konnte, ward mir die
voranfg^ngene Hyperästhesie zur Gewissheit Die Anästhesieen beschränkten
sich bei meinen 2 Objecten nicht auf bestimmte Nervengebiete, sondern um¬
fassten die Pfoten und die Mittelhand. Weiter hinauf verschwanden sie. Hinter-
und Yorderpfoten waren gleichmässig anästhetisch. Abmagerungen der Muskeln
habe ich nicht constatiren können. Bei jeder einzelnen Yeigiftnng wurden die
Blutgefässe des Kopfes stark erweitert, die Ohren, die Nasenschleimhäute und
Conjunctiven rötheten sich intensiv und der ganze Kopf fühlte sich heiss an.
Mehrfach wurden aus den acuten Reizungszuständen chronische Bindehaut- und
Bronchialcatarrhe. Die Pupillen wurden weit und reactionslos, imd in 4 i^en
gelang es mir, eine dauernde Erweiterung der Pupillen, in einem Falle eine
dauernde Differenz hervorzurufen. Nach jeder Ye^iftung waren die Thiere eine
Zeit lang (etwa 1—2 Stunden) paretiscb xmd atactiscb und schleppten mühsam
die Hinterbeine einzeln nach. In 2 Fällen wurden die Paresen der Extremitäten
schliesslich constant und in den letzten Wochen ihres Siechthums setzten sie
Google
495
statt gleicbmassig sich al^toasend zu springen, die Beine auf wie ein Thier,
welches kriecht, indem sie unsicher die Hinterbeine einzeln an den Baudi heran*
zogen und die Vorderbeine einzeln vorsetztcu. Diese Thiere waren zi^leich
anlsthetisoh an den Pfoten.
Sie benahmen sieh beim Laufen ähnlich wie ein anderes Kaninchen, dem
ich zur Gewinnung von Controlpräparaten zur MAscHi-Methode einige vordere
und hintere Wurzeln durchschnitten hatte. Auch dieses war anästhetisch,
atactisch und zog die Hinterbeine einzeln an den Leib heran, ohne sich gleich*
massig mit ihnen abzustossen. Bezüglich des Allgemeinbefindens der Thiere
kann man, ohne sich in Phantasieen zu ergehen, noch sagen, dass sie anfangs
und etwa so lange, als ihre Hyperästhesie und gesteigerte Muskelerregbarkeit
bestand, aufger^ waren. Sie sprangen beim Anklopfen an ihren Käfig wild
durch einander, während späterhin die zwei im 3. Monat verstorbenen Thiere
stumpfsinnig wurden, trotz directen Anstossens sich nur träge von der Stelle
bew^ten und schliesslich den ganzen Tag auf einer Stelle hockten.
Bei den übrigen Thieren kam es deshalb nicht zum Stupor, weil sie noch
bei relativem Wohlbefinden nach einer kurz vorher vorgenommenen zu starken
Vergiftung verstarben.
Wir haben also, wenn wir das experimentell gewonnene klinische Bild über¬
blicken, im Anfänge der Veigifbung Beizerscheinungen, im weiteren Verlaufe
Ausfallserscheinungen beobachten können.
Bei allen 7 bisher verstorbenen Thieren konnte makroskopisch eine Ver*
äoderung, namentlich eine Verfettung der inneren Organe (Leber, Nieren) nicht
festgestellt werden. Auch mikroskopisch erwiesen sich die Leberzellen durchaus
nicht abnorm fetthaltig. Um eine gewöhnliche Cachexie konnte es sich also
nicht handeln.
Das Gehirn und Rückenmark war stets sehr blutreich und weicher als
normal. Die Muskulatur bot nichts Besonderes weder bei makroskopischer noch
mikroskopischer Besichtigung.
Ferner wurden Stücke der Nn. Ischiadici nach der ExKTEB’scheu Methode
mit dem Osmiumkochsal^emisch behandelt und fein zerzupft. In keinem Falle
war es mir m^lich, eine Neuritis festzustellen. Die Markscheiden waren hornigen
schwarz gefärbt, und nur an einigen Stellen fand ich unregelmässige, jedenfalls
beim Zerzupfen herausgedrüokte Myelintropfen theils in, theils neben dem Nerven
liegend vor. Dasselbe war bei der weissen Substanz des Bückenmarkes der
Fall. Gerade die Unregelmässigkeit dieser vereinzelten Myelintropfen spricht mir
für ihre arteficielle Natur im Gegensatz zu den bohnenförmigen, länglichen
Markscheideelementen, die sich bei der degenerativen Atrophie des Nerven reihen¬
weise angeordnet vorfinden, ln den Ganglienzellen des Gehirnes, des Rücken¬
markes und der Spina^anglien habe ich nach vorausg^;angener Behandlung mit
dem ExNsn’schen Gemisch schwarze, kleine Kügelchen in verschiedener Zahl
(2—8 in einer Zelle) gesehen. Bereits Bosin hat im Jahre 1896 nachgewiesen,
dass mit Osmium sich schwärzende Kügelchen beim Menschen physiolc^isch von
der Pubertät an immer, beim Kaninchen dag^en niemals sich finden. Da ich
Dig ü^cd Dy Google
496
nun ebenso wie Bosin bei normalen Kaninchen diese Kügelchen nicht gefunden
habe, da sie sich durch Zusatz von Alkohol oder Aether nach mehreren Stunden
langsam lösten, so haben wir es unzweifelhaft mit Fett zu thun. Der nahe*
liegende Gedanke, dass es sich etwa um irgend eine die Osmiumsaure redudrende
Eiweisssubstanz handeln könne, wurde durch den Zusatz von Essigsäure wider¬
legt, welche das eventuelle Eiweiss gelöst haben würde. Ich weiss nicht, ob
die von Hahfe in seiner aus der Leipziger Irrenklinik hervorgc^angenen Disser¬
tation flüchtig erwähnte Verfettung der Ganglienzellen im Auftreten dieser
Kügelchen besteht.
Auch kann man am frischen Präparat die Anwesenheit von Vacuolen unter
Umständen sehen und noch öfter aus der blasigen, schwammigen Structur der
Zellen bloss ahnen. Weiter kommt man aber mit der Untersuchung des frischen
Materials nicht. Die Feinheiten der normalen und pathologisch veränderten
Zellstructur kann man in brauchbarer Weise nur mit der Nrssii-HELn’schen
Methode mit vorheriger Fixirung in Formol oder vak GEHUCHTEN’schem Gemisch
erkennen. Ich habe nun von jedem der 7 gestorbenen vergifteten Thiere
3—400 Schnitte von 3—Dicke aus allen Theilen des Bückenmarkes und
Gehirnes, sowie den verschiedensten Spinalganglien nach Nissn-HELi) gefärbt
und ausserordentlich charakteristische Veränderungen an den Zellen gefunden.
Diu'chschuittlich zeigen die am längsten vergifteten Thiere, welche auch klinisch
die erhöhte resp. herabgesetzte Erregbarkeit, Anästhesien und Paresen darbuten,
auch die intensivsten Degenerationszustäude ihrer Ganglienzellen, während die
nur kurze Zeit vergifteten Thiere weniger schwere Veränderungen aufwiesen;
jedoch spielt beim Kaninchen wenigstens das Alter und das Körpergewicht ent¬
schieden eine Bolle. So wies z. B. ein 9 Monate veigiftetes anfangs 7 Pfund,
beim Tode noch 4^2 Pfund schweres Thier, erheblich geringere Veränderungen
seiner Zellen auf als ein gleichfalls 3 Monate ve^tetes Thier, das um ein
Gewicht von annähernd 2 Pfund auf- und abschwankte. Ich will nun in kurzen
Zügen an der Hand der bei jedem Thiere constatirten Veränderungen das patho¬
logisch-anatomische Bild der verschiedenen Stadien der Zelldegeneration bei der
chronischen CSa-Vergiftung schildern.
Die normalen anatomischen Verhältnisse setze ich bei der Kürze der zuge¬
messenen Zeit als bekannt voraus und gebe Ihnen jedesmal eine Abbildung der
jeweiligen normalen Zellen und sodann Zeichnungen der verschiedenen Degene¬
rationszustände herum. Die Zeichnungen sind nach meinen Präparaten mit
Oelimmersion Leitz Ocular IV und unter Benutzung eines Auerbrenners
als Lichtquelle angefertigt worden. Das Auerlicht ist nöthig zur Erkennung
feiner Details, welche einem bei gewöhnlichem Tageslicht oft entgehen können.
Ich b^:inne mit den Spina^anglienzellen.
Die SpinalgangUenzellen zeigen als mildeste Degenerationsform nicht selten
eine Erweiterung des pericellnlären Baumes, Einbuchtungen und Anszadnmgen
des Kernes, Beschränkung der NissL-Granulirung auf eine ringförmige Zone
um den Kern herum und eine solche am Bande der Zelle. Oder es findet sich
nur ein Kreis von nicht mehr scharf getrennten, sondern confluireuden, chro-
Dig I /cd c/ Google
497
matophilen Elementen nm den Kem hemm. Bei weiter fortschreitendem
Zerfall schmmpft der Kern oder die Eemmembran löst sich auf, ja sogar das
Eenikörperohen kann sich aoflösen.
Die Nissl-Granula zerMlen staubförmig, wobei sie die Zelle mit einem
hoDK^nen, feinen Staube ftberziehen und ihr einen lila Farbenton verleihen
oder die chromatophilen Elemente klumpen sich zu einer bei aller Anstrengung
nicbt zu differenzirenden blauen Masse um den aufgelösten Kem zusammen.
Dabei treten Vacnolen auf im Kem und noch häufiger am Eemrande im Proto¬
plasma oder in der Mitte des Zellleibes, so dass ein Ring von Vacuolen schliess¬
lich ooncentrisch um den Kem hemmliegt
Ausser den Vacuolen stellen sich noch grobe, bmite Spalten im rotl^efarbten
protoplasmatischen Grundgewebe ein, offenbar als Erweitemngen der präformirten
TOD Held nacfagewiesenen Gewebslücken. Schliesslich kann die ganze Zelle
zerkrfimeln, so dass nur iu dem erweiterten Zellraume ein blassblauer, vacuolen-
dorchsetzter, homc^ener Protoplasmarest übrig bleibt
In analoger Weise degeneriren auch die Zellen der Sjmpathicusgang^en.
Auf dem Bilde, das ich Ihnen hier hemm reiche, erkennen Sie die Schrumpf-
ang bezw. Auflösung der Kerne, die Vacuolisimng und staubförmige Granuli-
rung des Protoplasmas, sowie am freien Bande der Zelle eine confluirende Masse
m chromatopÜlen, blau nber^bteu Elementen.
Die multipolaren Yorderhomgan^lienzellen zeigen im Frühstadium der Ent¬
artung oft eine starke Erweitemng des pericellulären Baumes, die leichten Aus-
zackungen oder Einbiegungen des Kernes, späterhin Verlust der Eemmembran,
Auflösung des Kernes und oft Verlust des Kernkörperchens. Aebnlich den
Veränderungen bei den Spinalganglien sind auch die Entartungen des Proto*
plasmas, nur dass hier die Cbromatolyse und die völlige Auflösung der Zell¬
substanz an den Protoplasmafortsätzen beginnt. An den Dendriten sieht man
die staubförmige Vertheilung der NissL-Granula zuerst, die Dendriten verschmä-
lem sich, zerbröckeln oder vacuolisiren am Fusse und brechen schliesslich ab.
Dabei kann das Zellprotoplasma und die NissL-Granulimng noch leidlich erhalten
sein. Die NissL-Körper finden sich vielleicht bloss noch um den Kern hemm
deutlich, während die periphere Zellmasse frei von NissL-Körpem oder staub¬
förmig granulirt ist. Oft sieht man in diesem Stadium schon grobe Spalten in
dem Protoplasma, späterhin grosse Vacuolen in oft reichlicher Zahl. Die Nibsl-
Körper zerstieben schliesslich zu Staub, welcher der oft formlos breit gequollenen
Zelle eine Lilafärbnng verleiht oder es tritt Klumpong der chromatophilen
Elemente mit Üeber&rbung der Zelle ein. Bei staubförmig granulirten Zellen
seht man oft rothe, aller blauen Granulimng beraubte, unregelmässige Inseln
im Zellleib bis in die geschrumpften Dendriten hinein sich erstrecken. Wir
haben es dann mit glasiger oder hyaliner Entartung der Zelle zu thun. In den
spatesten Stadien der Entartung haben sieb alle Fortsätze abgelöst und spärliche,
stark entartete Protoplasmareste in dem erweiterten Zellraume deuten die Stelle
an, wo einst eine wohlgebildete Zelle lag. Auch ein Abreissen der den Zellleib
umspinnenden Axencylinderendbäumchen konnte häufig oonstatirt werden.
82
ig : /od CjOO^Ic
498
Bei allen Thieren zeigte sich eine pralle Gtel^follnng, auch der kleinsten
pericellulären Capillarschlingen und in zwei Fällen konnte ich sehr zahlreiche
lüsche capillare Blutungen in den pericellulären Baum und in die graue Masse
naohweisen. Es handelte sich hier bei den an Athmungslähmung verstorbenen
Thieren Termuthlich um agonaie Blutung, wie man sie bei Erstickten findet
Um nicht zu ermüden, will ich nur kun bemerken, dass die Zellen der
Brücke, des verlängerten Markes und des Himstammes, sowie die Zellen der
Hinterhömer ganz analoge Veränderungen zeigen und dass mir im Ganzen be¬
trachtet, die Degenerationen der Hinterhomzellen geringer zu sein scheinen.
Natürlich finden sich, namentlich bei den relativ ürüh verstorbenen Thieren
noch erhebliche Mengen ganz oder annähernd normier Zellen und auch bei
den am schwersten befallenen Thieren sind die Unterschiede der Entartung
innerhalb ein und derselben Zellsorte sehr beträchtlich. Ich lege auf die Con-
statirung dieses Unterschiedes grossen Werth, da durch denselben der Vorwurf,
es könne sich um postmortale Veränderungen handeln, hinfällig wird. Zudem
wurden die Sectionen und Uebertragung in die Fixirflüssigkeit mit Ausnahme
eines Falles direct nach dem Absterben der Thiere vorgenommen.
Aehnlich wie die übrigen Zellen des Centralnervensystemes verhalten äck
die der Hirnrinde. Auch hier finden sich die verschiedensten Degenerations¬
stufen innerhalb ein und derselben Bindenschicht Ich kann nicht mit absoluter
Bestimmtheit sagen, dass ein Hirnabschnitt vor einem anderen, z. B. das Stirn-
him vor den Centralwindungen bezüglich der Degeneration seiner Zellen einen
Vorzug hatte. Vielmehr finden sich in allen Tbeilen des Gehirnes degenerirte
Zellen, bei einem Thiere weniger, bei dem schwerer vei^fteten Thiere mehr.
Doch machen mir bei früh verstorbenen und noch weniger stark chronisch ver¬
gifteten Thieren die äusseren Rindenzellschichten, vielleicht weil sie wegen ihrer
isolirteren Lage besser zu studiren sind, durchschnittlich einen mehr entarteten
Eindruck als die der unteren reihenweise aneinandergeschmiegt liegenden Zellen.
Bei stärker, d. h. längere Zeit vergifteten Thieren, verschwinden diese Unter¬
schiede. Die Veränderungen bestehen in Erweiterung der pericellulären und
perivasculären Räume und der Lympbspalten. Ferner finden sich leichte und
schwere Kemschrumpfungen, Verschwommensein der Kemmembran, staubförmige
Granulirung des Protoplasmas oder klumpige Chromatoljse und Vacuohsirung
des Zellleibes. Die Vacuolisirung beginnt immer an der Peripherie des Kernes
in Gestalt einer länglichen den Kern ablösenden Vacuole. Schliesslich liegt der
geschrumpfte Eem in einem weitmaschigen durchlöcherten, grösstentheils ver¬
loren gegangenen Protoplasma, so dass man Mühe hat, in diesem Rudiment noch
die fixere elegante Zelle zu erkennen.
So wie die Zellen der Grosshimrinde sind auch die PuBKmxE’schen Riesen¬
zellen des Kleinhirns erkrankt.
Die Kerne sind geschrumpft, oft durch randstäudige Vacuolen vom Proto¬
plasma theilweise abgehoben, der Zellleib mit staubförmigen NissL-Kömem be¬
streut und zuweilen ganz aufgelöst, ln anderen Fällen wieder klumpige
Schrumpfung der Zelle unter Ueberfarbbarkeit Frühzeitig schon entarten die
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499
Dendriten. Zuweilen sieht man, wie an den Vorderhornzellen, so auch an den
PuRKXNjs’schen Riesenzellen starker roth geübte unr^elmässige Partieen im
Zellleibe als unzweifelhaften Ausdruck glasiger Entartung. Der pericelluläre
Baum ist oft erweitert. Blutungen habe ich im Gehirn bei keinem Thiere
nachweisen können, wohl aber stets strotzende GefassfüUung.
Können wir nun, ohne den Dingen Gewalt anzuthun, die anatomischen
Befunde mit den beim Kaninchen erzeugten klinischen Bilde in Einklang bringen
and dürfen wir uns einen Rückschluss auf die Verhältnisse bei der chronischen
CSg'Veigiftnng des Menschen gestatten? Es liegt mir zwar noch ob, das Ver<
halten der Neuroglia zu studiren und mit der MABCHi-Methode auf Mark-
scheidenzerfall in der weissen Substanz und im peripheren Nerven zu fahnden,
und ich bezweifle auch nicht die absolute Unmöglichkeit eines Markscheiden¬
zerfalles, aber ich halte nach meinen bisherigen Befunden eine primäre Neu¬
ritis nicht für wahrscheinlich. Die Sensibilitätsstörungen sind bei meinen Thieren
onzweifelhaft ^s centrale anfzufassen, denn die Zelle des ersten Neurons ist er¬
krankt und die Hyperästhesie, sowie später die Anästhesie werden nach dem
Gesetz der excentrischen Ferception an der Peripherie, d. h. den Pfoten empfunden.
So erklärt sich die Sensibilitätsstorung, welche sich bei meinen Thieren nicht
auf bestimmte Nervengebiete beschränkte, meiner Meinung nach zwanglos.
Die Erhöhung der elektrischen Erregbarkeit, sowie ihre Herabsetzung in
Verbindung mit Ermüdungsreaction, sowie die Paresen finden ihre Erklärung
iu dem Jeweiligen Zustand der Vorderhomzelle. Die Functionen der gestörten
Zellen werden von den relativ oder ganz intacten Zellen noch, so gut es gehen
mag, übernommen. Dass es mir bisher nicht gelang, eine complete Paralyse der
Extremitäten und Muskelatrophieen zu erzielen, schiebe ich auf den vorzeitigen
Tod der Thiere, welche ich bisher im längsten Falle nur 8 Vs Monate am Leben
habe erhalten können. Aber auch wenn man degenerative Atrophie im peri¬
pheren Nerven finden sollte, so wird man daraus nicht ohne Weiteres auf eine
primäre Neuritis schliessen dürfen, da der Markscheidenzerfall mit Verödung
der Nerven ja eine einfache Folge der Zerstörung der trophiscben Zelle des
motorischen Neurons sein kann. Ich erinnere nur an die auf Intozication be¬
ruhenden „Neuritiden“, die sich im Anschluss an Diphtheritis und andere Infections-
krankheiten entwickeln können, sowie an die fragliche „Arsenikneuritis“. Bei
allen diesen Krankheitszuständen hat man in neuester Zeit primäre Degenera¬
tionen der Vorderhomzellen nacbgewiesen. Ebenso ist eine gewisse Analogie
zur Poliomyelitis ant. acuta hier unverkennbar, denn auch hier erkranken nach
der Ansicht vieler Autoren die Vorderhomzellen primär und das weit vorge¬
schrittene oder abgelaufene Kr ank heitsbild lässt sich zuweilen nur schwer von
dem einer Neuritis im Endstadium unterscheiden.
Der Entartung der Gehirnzellen entspricht meiner Ansicht nach auch das
p^chische Verhalten der Thiere bei Lebzeiten. Den initialen Zelld^enerationen
entspricht die Erregtheit der Thiere, den späteren der Stupor. Leider klingt es
gewagt, beim Kaninchen von einer Psyche zu reden. Es erscheint mir aber
— ich will mich hier mit aller Vorsicht ausdrücken — nicht zu kühn, wenn
82 *
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500
man anch beim chronisch mit CS^ ye^iffceten Menschen, wo ja aach im Wesent¬
lichen Beiz- oder Ansfallserscheinungen bestehen, primäre ZeUdegenerationen
annimmt als die Ursache der verschiedenen Symptome. Gerade das vielgestal¬
tige Erankheitsbild der CSj-Fsychoseu könnte seine Erklärung finden in den
ausserordentlich variabeln Zelldegenerationen innerhalb der verschiedenen Rinden-
schichten, wobei kein Himabschnitt constant vor dem andern bevorzugt, sondern
bald dieser bald jener mehr betroffen wird. Auch die relativ schwere Heilbar¬
keit der CS 2 'Psycho 8 en dürfte darauf sich zuiückfuhren lassen, dass es die Zellen
des Gehirnes sind, die nachweisbare Yeränderungen erfahren haben, und dass
die schwerer degenerirten Zellen mit vollständiger Chromatolyse, Yacuolen und
Verlust der Fortsätze einer Regeneration nicht mehr ßhig sein dürften. Bei
geringeren CS^-Vei^iftungen, wo Reizerscheinungen vorwiegen, werden die Zellen
d^^en nur leichtere Entartungszeichen an sich tragen und sich wieder herstellen,
wenn der Kranke nicht weiter dem Gift au^esetzt wird.
II. Bef erat 6.
Anatomie.
1) On the ohrome-silver impr^:nation of formalin-hardened brain, by
J. Shaw Bolton. (Lancet. 1898. Jan. 22.)
Yerf. härtet das Gehirn in Formalinlösang je nach der Grösse 5 Wochen
bis 12 Monate. Alsdann werden kleine Stücke ohne vorheriges Auswaschen in eine
Ammoninmbichromatlösang eingelegt (einige Standen bis 5 Tage). Ans dieser
werden die Stücke nach Abspülen in Aq. dest. ln eine 1 Arg. nitr.-Lösnng für
16—24 Stunden gebracht Weiterhin folgt mehrstündige Härtnng in 60% Alkohol.
Paratfinelnbettung u. s. f. Th. Ziehen.
2) On the orlgin, ooorae and oell-ooimeotions of the visoero-motor nervee
of the small intestine, by J. S. Bunch. (Journal of Fhysiology. XXII.
S. 357.)
Verf. untersuchte die automatischen Bewegungen des Dünndarms und deren
Beeinflusaung durch Gifte und Nervenreize. Er fand dabei, dass der Yag^ einen
constanten Einfluss auf den Ablauf der Bewegungen des Dünndarms nicht besitzt, da
die Beizung desselben am Halse und im Thorax nur ein einziges Hai unter 25 Ver¬
suchen eine Veränderung im Ablauf der normalen Darmbewegungen bewirkte.
Ganz constant war dagegen eine Beeinflussung der Darmbewegungen durch
Beizung des peripherischen Endes des durchschnittenen N. splanchnicus hervorzurufen.
In der Mehrzahl der Fälle, besonders beim Hunde, wurde hierdurch eine tonische
Contraction bedingt io anderen Fällen aber, vorwiegend bei der Katze, war der Effect
dieser Beizung eine tonische Erweiterung des Darmrohres. Verf. schliesst hieraus,
dass im N. splanchnicus zwei antagonistisch wirkende Gruppen von Nervenfasern
verlaufen, deren eine die Erweiterung, deren andere die Verengerung des Darmrohres
DiQ't'ZCd C'7 Google
501
iMwirkt, und welche, je nach der Thierspecies in Terechiedenen Hengenverhältnissen
Torkommen. — Die betreffenden NerveDfasem stammen ans dem BQckenmarh nnd
treten durch dMi 6. Brastnerven bis herunter znm 5. Lombalnerren in den N. splan-
chniens ein. Es scheint, dass sie nor eine Zellstation im Plexus solaris zu passiren
haben. W. Cohnstein (Berlin).
3) A snboooipital lobe in the bratn, by Wallace Wood. (Lancet 1898.
Peb. 26.)
Verf. beschreibt bei dem Binde 2 Läppchen auf der dem Kleinhirn zugekehrten
Oberfläche des Occipitallappens, welche der „Ligula oder dem Oyms temporo^occipi*
talis medialis" und dem Lobulns teioporo'occipitalis lateralis des Menschen entsprechen
sollen. Seltsamerweise sollen beide Läppchen bei dem Zugochsen (draught) relatir
Terkilmmert sein. Th. Ziehen.
Experimentelle Physiologie.
4) Beiträge snr Erforeohnng des SympathionaeinfluBses auf die contra*
laterale Pupille, von N, TQmianzew. (Fflflger’s Ärch. Bd. LXIX.)
Kaeh Enucleation eines Auges bei dem Kaninchen fand Verf. Degeneration in
der mittleren, weissen Vierhfigelschicht, im Corp. genic. lai, Pnlvinar, Thalamus
und im Tractus pedunc. transversus der entgegengesetzten Seite. Auf der gleichen
Seite war die Degeneration geringer. Die Gndden’sche Commissur, die Opticus¬
wurzel Bagrow's und der Fascicnlus tuberis cinerei blieben intact. In der Heynert'*
sehen Commissur fanden sich beiderseits degenerirte Harkschollen, was Verf. auf die
besondere Zartheit dieser Fasern und die „nicht gehörig vorsichtige“ Behandlung des
Gehirns zurflekfflhrt. Mit Hfllfe der Methjlenblanmethode stellte er fest, dass bei
der Katze nnd dem Kaninchen ein Theil der Fasern des Tract. pedunc. transv. aus
einem besonderen, auf dem vorderen Bindeanh, dicht am vorderen Bande des vorderen
Vierbfigels gelegenen Ganglion entspringt. Einzelne Angaben Aber den Ban des
vorderen YierhQgels und Gangl. geniculat. lat. sind im Original nachzuleaen. Die
Oberfläche des Conariums (unter der Membr. propria) fand Verf. mit GangltenzeUen
besäet. Anf der Oberfläche einiger Ganglienzellen des Conariums fand er zuweilen
vaiicbse, den ZellkSrper nmfleebtende Fäden, welche mit einer knopfförmigen An*
aehwellung auf der Zelloberfläche endigen.
Zu den physiologischen Versuchen verwendete Verf. meist Katzen. Die Pupillen-
weite wurde an einer Millimetertheilong abgelesen. Verf. glaubt naebgewiesen zu
haben, das die von Dogiel angegebene Pupillenverengerung bei faradischer Beizung
des centralen Sympathicos nicht durch die Veränderungen in dem anf der Seite des
gereizten Sympatbiens befindlichen Ange bedingt ist und auch nicht ganz als eine
Folge der consensnellen Pnpillenreaction aufgefasst werden kann, sondern wahr*
sebeinlich eine neu entdeckte, durch die in der Gegend des Sinus cavernosus den
Himnerven sich hinzugesellenden Sympathiensfasem vermittelte Beflexerscheinnng
darstellt Wahrscheinlich kommen dabei speciell Sjmpatbicusfasern in Frage, welche
im Sinus cavernosus zum Oculomotoriusstamm sich binzugesellen und in seinem Stamm
bis zu seinen Centren verlaufen. Es würde also der neue Beflex unter dem Einfluss
pupilleuverengender Oculomotoriusfasem zu Staude kommen.
Nebenher ei^ab sich, dass die Hauptmasse der Sympathiensfasem bei der Katze
aus dem oberen Halsknoten nicht mit der Art. carot. int, sondern anf einem anderen
W^e, ähnlich dem von Fr. Franck angegebenen, zum Sinus cavernosus gelaugt,
sowie dass „die FnpUienerweiterer . sogleich vor dem Ganglion Gasseri in der Form
einiger Bündel oder Fasern verlaufen“. Th. Ziehen.
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602
6) Ueber die Wahrnehmung der Farben, von P. Fridenberg. (New Torker
med. Honatsschr. 1898. März.)
«
Verf. bespricht zunächst kurz die Farben des Spectmms, deren Combinationen,
Farbenton, Beinbeit und Helligkeit und gebt dann zur Sinneswabmehmung der
Farben über. Ein Zapfen der Netzhaut genügt, um eine gesonderte Gesichts*
empfindung zu Termitteln. Zur Empfindung eines doppelten Reizes ist die Erregung
von mindestens 2 Zapfen nothwendig. Von der Sehzelle der Retina wird der Nerven-
Impuls dann bis zur sensiblen Zelle der Grosshimriude for^eleitet. Nach der Yonng-
Helmholtz’schen Theorie enthält das Endotgau jeder Nervenfaser eine Sehsuhstanz,
photochemischer Natur, welche vom Lichte zersetzt wird. Durch diese Zersetzung
wird die entsprechende Nervenfaser gereizt. Man unterscheidet non rotb, grün und
blau empfindende Endorgane, je nachdem ihre Substanz am meisten von den rothen,
grünen oder blauen Strahlen des Spectmms erregt wird. Diese Theorie erklärt gut
die Erscheinungen der positiven und negativen Nachbilder, sowie diejenige der
Farbenblindheit („Bothblindheiti*, „Grünblindheit“, „Blaoblindheit“). Neben derselben
besteht noch die Hering'sche Ilieorie, nach welcher unsere Farbeneindrflcke auf
6 Grondempfindungen zurückgeführt werden, welche, in 3 Paare angeordnet, den
complementären Empfindungen weisa-achwarz, roth-grün, gelb-blau dienen. Nach
Verf.’s Ansicht liefert jedoch die Toong-Helmholtz’sche Theorie eine bessere Er¬
klärung aller Erscheinungen. Kurt Mendel
6) On rest, sleep and work and the concomitant changes in the oirou-
lation of the blood, bj C. Hill (Lancet. 1898. Jan. 29.)
Der arterielle Blutdruck wurde mit dem Hill-Barnard’schen Sphygmometer
an der rechten Art. brachialis gemessen. Es eigah sich, dass er im Schlafe sehr
erheblich abnimmt (z. B. von 120—125 mm Hg auf 90—95 mm Hg). Mit guten
Gründen bestreitet jedoch Verf., dass dieses Sinken des Blutdrucks die Ursache
des Schlafs sei; es ist vielmehr nur auf die Bettwärme und die horizontale Ruhelage
zurückzoführen. Daher ist der Blutdruck z. B. Morgens, wenn die Veraochsperson
wach, aber ruhig im Bett li^ ebenso niedrig wie Nachts im Schlafe. Mnskel-
bewegnng und Affecte steigern den Blutdruck und die Pulsfrequenz am erheblichsten.
Die Ursache des Schlafs ist durch die seither aufgestellten Theorieen noch nicht
genügend aufgeklärt. Th. Ziehen.
Pathologische Anatomie.
7) Bulle alterasioni degli elementi del slstema nervoso oentrale uell’ in-
Bonnia sperimentale, per L. Daddi. (Biv. di Patolog. nerv, e ment. 1898.
Nr. 1.)
Bei 3 Hunden, die nach einer schlaflosen Periode von 17, 8 und 13 Tagen
gestorben waren, untersuchte Verf. das Nervensystem. Einer von den Hunden hatte
auch die Zeit über gehungert.
In den Intervertebralganglien und dem Kleinhirn Zerfall der Chromatinschollen
zu einem feinen Pulver, im Cytoplasma zuweilen Vacuolen, der Kern gegen die
Peripherie verrückt und oft homogen erscheinend. Im Grosshim namentlich stark
die Läsion der nngefärbten Frotoplasmasubstanz. Es fanden sich häufig neben
Gruppen stark veränderter Zellen solche von ganz normalem Aussehen. Blutgefässe
und Neuroglia ohne krankhafte Veränderungen. Bei dem hungernden Hunde waren
die Läsionen am schwersten. Die Zellen des Rückenmarks und der Med. oblongata
erschienen normal.
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503
Nach der Golgri’scben Methode die Zellen uDregelm&seig begrenzt» ihre Proto¬
plasmafortsätze Terschmälert nnd varicbs entartet, der Nervenfortsatz normal.
Der Schwere der Läsion nach stand in erster Reihe der vordere Lappen des
Qrosshims; es folgten der Occipital- nnd Parietallappen, die psychomotorische Be^on,
das Kleinhirn nnd die Intervertebralganglien.
Die Läsion der einzelnen Zelle gleicht der unter vielen anderen Umständen
beobachteten; das Gesammtbild der Verändernngen aber und ihre Yertheilnng hält
Terf. ßlr die flbermässige Änstrengnng und UebermQdung fQr charahteristisch.
Valentin.
8) 1. Note on musole spindles in pseudohypertrophio paralysis, by S. Grun-
baum. — II. Obserratlons on sensory nerve endinge in voluntary
musoles, by A. Buffini. — III. Short note on sense o^^ana in musole
and on the preservation of musole spindles in oonditions of extreme
musoular atrophy, foUowing seotion of the motor nerve, by J. Horsley.
(Brain. 1898. Autumn.)
I. Bei Psendohypertrophia muscularis soll die Hushelspindel Veränderungen
eingehen. Da nach Sherrington solche Verändernngen nach Durchschneidung der
motorischen Huskelnerven nicht eintreten, so spricht nach dem Verf. sein Befand
dafllr, dass der Process bei der Hnskelpsendohypertrophie ein primär muscnlärer ist.
II. Die Uuskelspindel ist ein sensorisches Oigan. Die Vertheiluug und Endigung
der Nerven in die Huskelspindel ist eine verschiedenartige. Verf. unterscheidet eine
bandartige spiralige oder ringförmige Endigung, eine solche in Form eines Blomen-
stransses und eine endplattenartige. Genaueres muss im Original nachgesehen werden.
Ausser den Mnskelspindeln kommen im Muskel als sensorische Organe die Golgi’-
schen Organe in den Sehnen vor; bei diesen beschreibt Verf. neben dem eigent¬
lichen einen etwas anders sich verzweigenden „begleitenden" Nerv; und schliesslich
Pacini’sche Körper. Die Untersuchung muss sich bei Störungen des Mnskelsinns
anf diese Dinge richten.
III. Verf. hat nach Durchschneidung des Ischiadicus die Endplatten geschrumpft
aber sonst erhalten gefunden; auch er findet Pacini’sche Körper in den Muskeln.
Bruns.
8) üeber Aotivitätsbypertrophle der willkürlichen Muskeln, von Prof.
Morpurgo in Siena. (Virch. Archiv. Bd. CL.)
Verf. stellte seine Untersuchungen in der Weise an, dass er bei Hunden den
H. Sartorius der einen Seite vor dem Versuch sorgföltig entfernte und ihm dann mit
dem gleichnam^en Muskel der anderen Seite, der erst nach einer zweimonatlichen
Arbeitsperiode entfernt wurde, makroskopisch und mikroskopisch hinsichtlich des
Volumens, der Zahl, Länge und Dicke der Muskelfasern und einzelnen Muskel-
elemente, Kerne u. s. w. verglich. Er kam dabei zu dem Ergebniss, dass die Äc-
tivitätehypertrophie der vrillkürlichen Muskeln ein Beispiel von wahrer Hypertrophie
im Sinne Virchow’s ist, d. h. ohne Vermehrung der quergestreiften Muskelfasern
lediglich durch Verdickung der letzteren zu Stande kommt Eine Verlängerung der
Fasern findet hierbei nicht statt, und die Verdickung geschieht nur durch Vermehrung
des Sarcoplasmas, ohne merkliche Vermehrung oder Verdickung der Primitivfibrillen.
Auch die Zahl der Kerne ist nicht vermehrt, im Gegensatz zu der meist mit be¬
trächtlicher Kemwnchemng einhergehenden pathologischen Muskelhypertrophie.
Lilienfeld (Gr. Lichterfelde).
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504
10) Alterasioni oadaveriohe della oellula nerroBa studiate ool metodo dl
Kissl, per Ot. Levi. (Birisi di Fatolog. nerv, e meat 1898. Nr. 1.)
Die ersten Leichenverändemngen 2 eigen eicli an den Zellen von Gross- and
Kleinhirn nnd zwar schon 18—24 Standen nach dem Tode, an den Spinalganglien
erst 36—48 Stunden und in den YorderhOmem des BQclcenmarks 60 Standen post
mortem. Anfangs erscheint die Zelle mehr oder weniger intensiv gefärbt, ans einer
pulTerfdrmigen Masse zusammengesetzt, in der hier und da einzelne anregelmässige,
stärker tingirte Schollen liegen; der Kern undeutlich begrenzt, Nucleolas unverändert
Auf dieses „hyperchromatische“ Stadiam folgt eines, in dem das Protoplasma bloss
violett erscheint, die Zollgrenzen unregelmässig und verschwommen, der Kern nicht
mehr unterscheidbar, das EemkCrperchen deformirt, aber noch förbbar ist.
Diese Ergebnisse stehen mit denen früherer Beobachter, so von Barbacci and
Campacci (s. d. Centralbl. 1897. S. 1042) in sofern im Widersprach, als diese
von dem „hyperchromatischen“ Stadium nichts angeben. Yalentin.
11) Untersuohungen Über Beri-Beri, von Dr. Earl Küstermann. (Hit-
theilungen aas den Hamburgischen Staatskrankenanstalten. 1897. Bd. 1.)
Etwa 25 Jahre alter Chinese, seit 12 Tagen krank, macht bei der Aufnahme
einen schwerkranken Eindruck. Temperatur normal, Puls klein, sehr beschleunigt,
100—125 p. M., über der Herzspitze and der Pulmonalis anämische systolische
Geräusche. Beine, besonders Unterschenkel abgemagert, an den Armen keine Atro-
phieen. Wadenmnsknlatur sehr drockempfindlich. Patellarreflexe erloschen. Sensi-
bilitätsprüfung mangels Verständigung mit dem Pat. unmöglich. Elektrische Unter-
suchnng musste wegen des ernsten Zustandes des Pst. unterbleiben. Zonehmendes
Herzklopfen, schnell fortschreitende Schwäche. Anßlle von Angina pectoris. Doppel¬
seitige bypostatische Pneumonie, der Pat. erliegt. Vom Sectionsbefunde sei hier der
Befund an den Muskeln und dem Nervensystem mitgetheilt; erwähnt sei nur, dass
die bakteriologische Untersuchung negativ ausfiel, und dass am Herzen eich fieck-
weise fettige Degeneration fand. Die Muskulatur der Arme zeigte normalen Befand.
An den Mm. tibiales ant. fanden sich einzelne Muskelfasern blasser geßrbt, etwas
gequollen und an den Ecken abgerundet, einige vacuolisirt, die Kerne verme^; auf
Längsschnitten schien die Querstreifung stellenweise verloren gegangen, das Sarco-
plasma in der Richtung der Querstreifung in einzelne Trabekel zerfallen, die bald
durch grössere Abstände sarcoplasmafreien Gewebes von einander getrennt sind, bald
noch lose zusammenhängend in der Parallelrichtung von einander verschoben den
Sarcolemmscblauch lose aasfüllen. M. tibialis anticus dexter stärker degenerirt als
der linke, ganz gering war der rechte Gastrocnemius atöcirt, die übrigen Bein-
muskeln intact.
Die Nerven der Arme gaben normalen Befund.
Beide Nn. vagi waren in der Höhe der Carotis communis ziemlich
stark degenerirt.
Von den Beinnerven waren am stärksten degenerirt die Nn. peronei und be¬
sonders die intramusculären Aeste derselben. Eigenthfimliche Bildungen zeigte der
Stamm des Nerven anterhalb des Capitulum fibulae. Es fanden sich neben theilweise
oder vollkommen marklosen Fasern Gebilde von kreisrunder oder ovaler Form mü
festergefügtem, von lockerem grosszeiligem Bindegewebe umgebenem Centrum, das
eine genauere Differenzirung mittelst Färbung nicht zuliess; nur liessen sich an ein¬
zelnen derartiger Gebilde elastische Fasern &bea, ohne jedoch den Eindruck gewinnen
zu lassen, dass es sich um sichere Gefässelastica handelte. Aehnliche Gebilde sind
bereits von Pekelharing nnd Winkler bei Beri-Beri, später auch von Bosen-
beim, sowie von Oppenheim-Siemerling ans den Hautnerven eines Tabikers
beschrieben worden.
Google
505
In der MedoUa oblongata fanden sieb in beiden Vagoskemen GeHtsse und
Capillaren strotaend mit Blut gefüllt und zahlreiche capill&re Blutungen in die Sub«
stanz (könnte dieser Befund nicht auch pönalen Ursprungs sein? Bef.); Die QangUen*
zellen waren zum Tbeil stärker gefärbt und kugelig geschrumpft; sonst boten Gehirn
und Bflckenmark normales Anssehen dar.
Klinisch handelte es sich zweifellos um einen Fall von acuter pemieiöser car*
dialer Form von Beri-Beri (Sehenbe). Martin Bloch (Berlin).
Pathologie des Nervensystems.
12) Ein Fall von Lepra, von Ä. Habel. Ans der medic. Universitätsklinik in
Zürich. (Deutsche med. Wochenschr. 1898. Nr. 9.)
Der aus gesunder Familie und völlig leprafreier Gegend stammende Pat erwarb
seine Krankheit in Brasilien, wo er öfters mit Leprakranken in Beziehung kam. Es
entwickelte sich allmählich eine Lepra nervosa, die zu einer dissociirten Anästhesie
des grössten Theiles der Körperoberfläche (Anordnnngstypns? Bef.), zu Verlust von
Nägeln, Haaren, Augenbrauen uud Cilien, zu Hodenatrophie, Kasengeschwüren,
Septumperforation und Iritis führte. Die klinische Beobachtung ergab ferner starke
Hautabschnppung nach Sublimatbädem, plötzliches Entstehen und Verschwinden von
eigentbfimlichen Hautverdichungen im Gesichte, Auftreten von Femphigusblasen an
verschiedenen Körperstellen und von Verdickungen am rechten Ulnaris, Ab 8 t(M 8 ong
einiger Nägel an den Zehen, rechts Peroneusparese und blaues Oedem an Händen
und Füssen. — Leprabacillen wurden in den Hautschuppen, dem Nasensekret, dem
Inhalt der Femphigusblasen, den auf der Nasenschleimhaut vorhandenen Borken and
dem Staub in der Umgebung des Kranken gefunden, im Schweiss und Blut dagegen
vermisst. Die bacillenbaltigen Hautschuppen — die Haut Lepröser tendirt oft zur
Abschuppung — bilden eine Ansteckungsgefahr, eine Thatsache, die n. a. grosse
Bedentui^ erlangen kann. Das Auftreten von blauen Oedemen bei Lepra ist insofern
interessant, als es auch bei Syringomyelie beobachtet wird und beide Krankheiten
bekanntlich eine Beihe gemeinsamer Symptome aofweisen. B. Pfeiffer (Cassel).
13} Vorläufige Uittheilung über einen mit Carrasquilla’eoliem Serum be*
handelten Fall von Lepra, von Bozzi. (Deutsche med. Wochenschr. 1897.
Nr. 42.)
Der betreffende löjähr. Patient bot das typische Bild der Lepra; seine Gross-
mutter litt an der milden Form dieser Krankheit (Mal de San Antonio), die Eltern
sind gesund. Da alle bekannten, innerlichen und äusserlichen Mittel, methodisch an¬
gewandt, keinen dauernden Erfolg hatten, wurde das Carrasquilla’sche Serum be¬
nutzt, und zwar wurden vom 7./1I.—9./VII. d. J. „regelmässig am Vormittag gegen
9 Uhr 26 Einspritzungen in die Nates gemacht“. Anfangsdosis 0,3 ccm, spätere
Oabe 3^/4 ccm, bisheriger Verbrauch 42 ccm Serum. Die Injectionen wurden zunächst
2 Mal, später 1 Mal wöchentlich gemacht, dazwischen 2 Mal 14tägige Pausen ein-
geschoben. An der Injectionsstelle entstand ein lebhaftes, entzündliches, schmerz¬
haftes Oedem, das der angewandten Serummenge annähernd parallel ging, am Abend
des Injectionstages am stärksten war und in einigen Tagen schwand. Die Injection
selbst vnirde bei grösseren Gaben als sehr schmerzhafter Eingriff empfunden; keine
Abecessbildung. Beunruhigende AUgemeinsymptome fehlten meist, nur 2 Mal kam
es zu bedrohlichen CoUapserscheinungen. Nach einem starken Schüttelfrost, 2 bis
3 Stunden post injectionem, stieg die Temperatur und erreichte meist 8 —10 Stunden
nach der Einspritzung das Maximum (39—40*^). In der Nacht erfolgte Abfall
unter mehr oder minder grossem Scbweissausbruch, dann wiederholten sich die Fieber-
üig : zod / GOO^ IC
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anfäUe in den nächsten Tagen, dnrcb geringeren Frost eingeleitet und mit sehr
starken Schweissen endend. — Nnr in einer einzigen Injection trat vom 3. Tage ab
Fieberlosigkeit ein. Das ganze Aussehen des Kranken erfuhr eine durchgreifende
Äenderung zum Besseren; Allgemeinbefinden, Appetit und Gewicht hoben sich. Ver«
einzelte Nachschübe der Krankheit wurden während der Kur und auch später, fast
4 Monate nacli Sistirung der Injectionen, beobachtet^ doch waren dieselten milder
und die neugebildeten Knötchen wurden bald wieder resorbirt
Nach des Verf.’s Ansicht ist das Mittel zu empfehlen und einer weiteren Prüfung
werth. E, Pfeiffer (Cassel).
14) Ein Fall von sogenannter Landry’soher Paralyse. Rückgang der
Iifthmung. Tod an Lungentuberoulose, von Stabsarzt Dr. Bnrghart.
(Charitd-Annalen. 1897. XXII.)
Tuberculös belastete 16jährige Patientin hat in der Kindheit an Keratitis und
Lymphdrüsenschwellungen gelitten, erkrankt plötzlich bei bestem Wohlbefinden, indem
die Beine unter ihr zusammenknicken; sofort völlige Lähmung derselben; am Abend
plötzlich völlige Paralyse der Arme; zwei Tage später häufiges Verschlucken. Am
nächsten Tage Aufnahme in die Charitö.
Die Untersuchung etgiebt: Facialis, Bjpoglossus, Pupillen ohne Störungen, des¬
gleichen Augenmuskeln. Gaumen und Uvula, sowie Stimmbänder ohne Läbmungs-
erscheinungen. Sprache tonlos, fast flüsternd. Erhebliche Parese der Kopfbeber.
Anfsetzen und Umdrehen im Bett unmöglich. Arme und Beine völlig schlaff gelähmt.
Sensibilität überall intact Haut- und Sehnenrefleze Überall erloschen. Athmnng
regelmSasig, nicht deutlich angestrengt, es bewegen sich dabei nnr die oberen Thorax-
hälften. Husten tonlos, unter grosser Anstrengung, Expectoration erschwert, Sputum
kann nicht ausgespieen werden, fliesst über die Lippen.
In den nächsten Tagen Bewegungen des Kopfes noch mehr erschwert, Parese
im Gebiet beider oberen Faciales. Etwa 4 Tage nach Beginn der Krankheit Besserung
der Function der Gesicbtsmusknlatur, nach 10 Tagen zuerst minimale Bewegungen
in den Vorderarm- und Handmuskeln, nach weiteren 10 Tagen die ersten Bewegungen
in den Muskeln der Oberschenkel. Nackenmusknlatur wieder normal functionirend.
Von non an allmählich zunehmende Besserung in der Function sämmtlicher Muskeln.
Die indes schon bei der Aufnahme constatirte Lungenaffection machte rasche Fort¬
schritte und ihr erlag Patientin 2 V 2 Monate nach B^inn der Erkrankung. Zuletzt
waren an den Armen auch die Sehnenrefleze hervorzurufen, während die Patellar-
refiexe bis zuletzt nicht nachweisbar waren. Die Muskeln waren sämmtlich sehr
mager, aber mit Rücksicht auf die hochgradige Cachexie nicht deutlich atrophisch.
Die elektrische Untersuchung ergab am 14. Krankheitstage complete Entartungs-
reaction, 6 Wochen später an den Armen Wiederkehr der indirecten Erregbarkeit
für den galvanischen Strom, bei directer Beizung keine träge Zuckung mehr; nach
weiteren 10 T^en ist die Erregbarkeit an den Armen für beide Ströme nahezu
normal, an den Beinen noch partielle Entartungsreaction.
Die Untersuchung des Blutes ergab einen dem Streptococcus pyogenes aureus
ähnlichen Coccns.
Die Untersuchung des Rückenmarks und der Medulla oblongata ergab in Carmin-
nnd Weigertpräparaten normalen Befund; bei der Untersuchung nach Nissl fanden
sich die Nissl’schen Körperchen in einem Theile der Zellen verschwunden und durch
eine aus feinsten und gröberen Körnchen bestehende, den ganzen Zellkörper gleich-
massig erfüllende Masse ersetzt. Die peripherischen Nerven Hessen Verbreiterung
und Kemwuchening im Endoneurinm erkennen. Mittels Marchi konnten Dege¬
nerationen weder im Rückenmark noch in den peripherischen und intramnsculären
Nerven nachgewiesen werden. Die bakteriologische Untersuchung des Rückenmarks
war ohne Ergebniss. Martin Bloch (Berlin).
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507
16) Sa dl nn oaso di paralisl del Landry. Bioerohe istologlohe e batterio>
Bcopiohe, per F. Piccinino. (Ännali di Nerrologia. 1897. XY.)
Ein 23jähriger Soldat erkrankte während seines Äofenthalts ln Afrika an Fieber
mit Schflttelfmt, Banchschmerzen and Diarrhöe, welche 3—4 Tage andauerten and
dum föUig Terschwanden. Es entwickelte sich aber bald Schwäche in den oberen
Extremitäten ohne deotlicbe Störung weder der sensiblen Sphäre, noch der Reflexe.
Die Parese der oberen Extremitäten wurde dann zur völligen Lähmung, und es ent*
stand aosserdem Parese der unteren Extremitäten, Schluckbeschwerden, Schwand der
Patellarreflexe, Temperatur 36,4 ^ Am nächsten Tage völlige Paraplegia superior et
inftfior, Athem- and Schlockbeschwerden und Tod.
Terf. rechnet diesen rapide verlaufenden Fall zu den sogenannten descendirenden
Formen der Landry’schen Paralyse.
Bei der mikroskopischen Untersuchung des Centralnervensystems wurde auch die
NissUsche Methode angewandt Im Lumbalmark zeigte die Mehrzahl der Zellen
(speciell die \ orderbomzellen) normale Structurverhältnisse; in einten Zellen konnte
nan eine mehr diffuse Färbung constatiren, wobei die Kissrscben Zellkörperchen
(Schollen) einen pulverartigen Zerfall zelten und der Kern excentrisch lag, oder
lieht vorhanden war.
Im Dorsalmark fand man an manchen Zellen eigenthflmliche knotenartige Aus-
Täehse an der Basis der Protoplasmafortsätze oder am Zellkörper selbst Verf. meint,
<lai8 diese vegetationsartigen Gebilde Leukocyten darstellen, welche in die Nerven-
telJec bineindringen wollen. Ausserdem sieht man, dass manche Dendriten theil-
veise oder total abgebrochen sind, was aber kaum etwas Specifisches fflr diese
Enohbeit darselle.
Han findet ferner im gesammten Bftckenmark Zellen mit blasenartiger Degene-
ntioD, wobei die NissTschen Zellkörpercben in eine palverartige Hasse verwandelt
verdeo und der Kern excentrisch liegt event. verschwindet
Die bakteriolc^ische Untersuchung zeigte intracelloläre Mikrokokken. Ferner
tonnte man die«e Mikrokokken in den pericellulären Bäumen und in den Geßssen
lacbweisen. Die Mikrokokken waren oval oder länglich und zi^espitzt Selten
varan sie za kurzen, aus 3—4 Kokken bestehenden Ketten verbanden. Am meisten
winnerten sie an die Fraenkel’schen Diplokokken.
Terf. nimmt als Ursache der Krankheit eine Infecüon an, die bald das peri-
pheriscbe, bald das centrale Nervensystem in vorwiegendem Maasse befällt.
Edward Flatan (Berlin).
16) Peripherol nenrltia firom anenlo, by Colman. (Brit med. Joam. 1898.
Jan. 22. S. 215.)
Terf. stellte der klinischen Gesellschaft in London ein 12jährige8 Mädchen vor,
vslebes g^n Chorea Arsenik bekommen hatte (3 Mal täglich 10 g Liq. arsenic.
36 Tage hindurch). Die Chorea heilte. Aber 14 Tage später entwickelte sich
Uhmimg der Extensoren am Unterschenkel and Fassgelenk, Parese. Degenerations-
niction. Aach die Muskeln am Vorderarm waren paretisch; doch hierbei keine
Degeneration. — Beaction bei herabgesetzter faradiseber Reizbarkeit Beinmnskalatnr
•ebmerzbaft; doch Sensibilität ohne Anomalie. Deutliche Araenpigmentation am Halse
^ an den Lenden. — Nach Behandlung mit Elektricität und Massage Heilung.
Daran anschliessend verweist Beevor auf die Nothwendigkeit, mit Arsentherapie
Toniebtig za sein, unter Mittheilnng eines dem obigen analogen Falles, in welchem
ia Pat nach 6 wöchentlichem Ärsengebranch (16 g 8 Mal täglich) 2 Jahre gelähmt
L. Lehmann I (Oeynhausen).
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508
17) TJeber die psyohisohen Storungen bei Polyneuritis, von F. Jollj.
(Cbarit^'ÄüDalen. 1897. XXII.)
Die zaerst von Korsakow in charakteristischer Weise geschilderte eigeoart^e
psychische Störung, die als besonders häufige Complication der multiplen Neuritis
zur Beobachtung kommt, beruht auch nach Ansicht des Verf.’s zweifellos auf toxä-
miscber Basis. Es entsteht nun die Frage, ob dieses ätiologische Moment geeignet
ist, als solches den erwähnten Störungen eine Sonderstellung zu geben, derart, dass
sie als toxämische Geistesstörung xai* zu bezeichnen wäre. Diese Frage ist
zu Temeinen, da es erstens Fälle geistiger Störung von frappanter Äehniichkeit mit
dem Eorsakow’schen Syndrom ohne nachweisbar toxischen Ursprung giebt, vor*
nehmlich aber, weil toxämische Geistesstörungen in viel grösserer Mannigfaltigkeit
Vorkommen, als dass sie auf dies eine Bild beschränkt werden können. So ist in
erster Linie das Delirium tremens als toxämische Psychose zu betrachten. Die
klinische Forschung wird zu untersuchen haben, ob zwischen letzterer Psychose und
dem Eorsakow’schen Symptomencomplex Uebergänge bestehen, sowie des weiteren
festzustellen haben, dass dieser Symptomencomplex auch unter anderen, als toxämischen
Bedingungen zur Beobachtung kommt. Verf. bat zu diesem Zwecke ans dem Material
seiner Elinik in der Charitd erstens die Fälle zosammengestellt, in denen die Poly*
neuritis ohne Betheiligung der Psyche verlief, zweitens die, in welchen psychische
Störungen von anderer Form als der Eorsakow’schen die Erankheit complicirte,
drittens die Fälle von Polynenritis mit der bezeichneten Störung und viertens
Fälle, in denen ohne neuritische Störungen das Bild des Eorsakow’schen Symptomen*
complexes zn Tage trat.
Aus seinen-Beobachtungen seien einige wesentliche Thatsachen mitgetheilt:
Erstens ergiebt sich, dass wenigstens ein Drittel der Fälle von Folyneuritis ohne
psychische Complicationen verläuft. Ein weiteres interessantes Factum ist, dass in
den Fällen der 3. Gruppe es sich durchweg um mittelschwere oder schwere Formen
der Neuritis handelte, während in der 2. Gruppe die überwiegende Mehrzahl den
ganz leichten Formen der Neuritis angebört. Die psychische Störung dieser Groppe
trat theils als einfaches reguläres Delirium, theils als Abortivform des letzteren auf.
Bemerkenswerth ist weiter, dass die relative Häufigkeit des Hinzutreteus des Eor*
sakow’schen Syndroms zur Neuritis hei Frauen viel grösser zu sein scheint, als bei
den Männern. Was non das Verhalten des Eorsakow’schen Symptomencomplexes
zum Delirium angeht, so geht aus den Untersuchungen des Verf.’s, aus der von ihm
angestellten Analyse der Symptome hervor (näheres darüber ist im Original nach¬
zulesen), dass zwischen beiden viel weniger ein qualitativer, als ein quantitativer
Unterschied, namentlich auch im zeitlichen Verlauf zwischen den beiden Formen
besteht: das Delirium stellt die acutere Störung dar, bei der indessen die beideu
der Eorsakow’schen Geistesstörung eigenthümlichen Symptome der eigenartigen
Gedächtnissstömng und der Pseodoreminiscenzen auch nicht selten, wenn auch
nur andeutungsweise zur Beobachtung kommen; die Eorsakow’sche Störung ist
die protrahirter verlaufende Form und steUt eine tiefere, schwerer ausgleichbare
Störung der Geistesthäligkeit dar, als das Delirium, wie auch der gelegent¬
liche Uebei^ang io das Bild der Dementia paralytica mit, wie Verf. gezeigt
hat, auch anatomisch verwandtem Befunde beweist. Auch Uebergang in Paranoia
hat Verf. beobachtet. Dieser Aoffassung entspricht auch der schon oben erwähnte
Unterschied in der Schwere der die eine und die andere psychische Störung be¬
gleitenden neuritischen Symptome. Jedenfalls thut man aber gut, beide Störungen
auseinander zu halten und die Eorsakow’sche Form aus den oben angeführten
Gründen nicht als die polyneuritische oder die toxämische Geistesstörung zn be¬
zeichnen; vielmehr schlägt Verf. als neutrale Bezeichnung den Namen „Eorsakow’-
sches Syndrom*’ vor. Martin Bloch (Berlin).
, ■.,Googlc
609
18) Et tUAlde af hemiatrofls faoialis progressiva, af M. le Maire. (Hosp.*
Tid. 1897. 4. B. V. 29.)
Die Pai, ein 9 Jahre altes Mädchen ohne erbliche Anlage, hatte im Alter von
2 Jahren ziemlich schwere Masern, aber ohne Complicationen, flberstanden. Ungeföbr
IV 3 Jahre darnach bemerkten die Eltern vor dem Unken Ohre einen kleinen, gelb¬
lich braunen Fleck, der grösser worde und mit einigen anderen, in seiner Nähe ent¬
standenen verschmolz, ungeföhr 1 Jahr später wurde eine Yerminderung des Volumens
der Unken Oesichtshälfte bemerkt, die immer deutUcher wurde und von keinerlei
anderer Störung begleitet war, nur der Fleck, an dem die Äffection begonnen batte,
war etwas empfindlich bei Beröhrung. Am Schädel war keine Atrophie vorhanden,
sondern nur am Gesicht, das ungefähr in den untern zwei Dritteln in den Dimensionen
verkleinert war; die Atrophie betraf das snbcntane Gewebe, die Knochen und zum
TheU die Mnskulatur und setzte sich nicht scharf gegen die gesunde Seite ab; die
Haut über den erkrankten Theilen zeigte keine Veränderung, nur dicht vor dem
Ohre verlief von der behaarten Kopfhaut an, in diese noch etwas hineinreichend,
bis etwa 2 cm oberhalb der Clavicula ein schmaler, ungefähr 13 cm langer Streif,
der das Aussehen einer Karbe nach einer tief gehenden Verbrennung hatte; wo die
Atrophie am geringsten war, zeigte sich die Haut bräunUch pigmentirt, an der Stelle
aber, die zuerst verändert gewesen war, sah sie weissUch aus. Während das sub-
cntane Gewebe vollständig geschwunden war, zeigten die Muskeln nur eine partielle
Atrophie, die sich nicht bloss auf die vom Facialis innervirten Muskeln beschränkte,
sondern auch die Kaumuskeln ergriffen hatte. Das Unke Ohr war entschieden kleiner
als das rechte, das linke Auge erschien nur kleiner, weil es wegen Atrophie der
Gewebe in der Augenhöhle tiefer in dieser lag. Die linke Seite der Zunge war stark
atrophisch, weniger die linke Seite des Gaumensegels; Störungen der Sensibilität
fanden sich weder an der Haut, noch an der Schleimhaut an den erkrankten Stellen.
Verf. meint, dass eine für alle Fälle passende ätiologische Erklärung des Leidens
sich zur Zeit noch nicht geben lasse, dass eine Infection wohl eine Bolle zu spielen
scheine, dass sie aber in manchen Fällen sicher das Nervensystem auf irgend eine
Weise als Mittelglied erfordere, um die Atrophie zu Stande zu bringen (ascendirende
Neuritis?). Walter Berger (Leipzig).
18) Hemiatrophy of the Tongue, b; Hoyer. (New Yorker med. Journal. 1897.
Vol. XXVI. Nr. 6 .)
Ein 25jähriger Mann erhielt am 22. November 1892 einen Bevolverschuss in
die linke Wange: die Kiefer waren unmittelbar danach fest auf einander gepresst
md konnten erst 8 Wochen später soweit von einander entfernt werden, dass kleine
Nahrungsmengen per os eingefQhrt werden konnten. Der Kranke bemerkte dabei,
dass er auf der linken Seite des Mundes schlechter zu essen vermochte, und dass
die Nahrung auf dieser Seite trocken und geschmacklos erschien. Etwa 1 Jahr
nach dem Unfall war eine Abmagerung der linken Zungenhälfte bemerkbar, gleich¬
seitig bestanden Störungen beim Sprechen und geringer Speichelfluss. Die Symptome
gingen zum Theil zurück, die Salivation wurde kaum merklich, die Sprache bei lang¬
samer Articulation klar und deutlich, blieb unverständlich, sobald Patient versnchte
schneller zu reden. Die Untersuchung ergab vollkommenen Verlust des Geschmackes
auf der ganzen linken Zungenbälfte bei intacter Berübrungsempfindlichkeit, normalem
Stand des Velnms und erhaltenem Bachenreflex. Sensibilität im Gesichte, Gerucbs-
ann, Kinnreflex vorhanden. — Eine Photographie zeigt die sehr ausgesprochene
Hemiatrophie der Zunge. B. Pfeiffer (Cassel).
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510
20) Zar Kenntniss der DermatomyoBitis, von Oberarzt H. Köster. Aus der
medicin. AbtheilcDg des allgemeinen Erankenhaoses zu Ootbenbui^. (Deutsche
Zeitschr. f. Nervenbeilk. 1898. XII.)
Im Anschluss an einen, von geringen Abweichungen abgesehen, typischen Fall
von Dermatomyositis werden weitere Beobachtungen mitgetheilt, die sich theils von
dem charakteristischen Bilde beträchtlich entfernen, theils gewissermaassen die Haske
der eigenthömlichen Krankheit angenommen hatten oder in anderer Weise anfgefasst
werden mussten. Bei dem ersten Falle ergab die anatomische Untersnchung d^ene-
rative Veränderungen der Muskeln und ausserdem im interstitiellen Gewebe eine
hochgradige Dilatation der Capillaren und kleineren Blutge^se, während sich nur
geringfögige interstitielle Veränderungen entzfindliclier Natur fanden. Ein zweiter
Fall, der in Heilung ausging, konnte die Diagnose erschweren vor allem durch das
Fehlen jeglicher Oedeme und ausgesprochener Hautveränderungen, die sich auf geringe
Blutungen um einige Gelenke herum beschränkten. Doch lässt sich daraus eben nur
auf die Inconstanz bezw. Variabilität dieser Symptome im Krankheitsbilde schliessen,
weshalb Verf. eine abortive Dermatomyositis annimmt Auch die in diesem Falle
beobachtete, acute Nephritis wird als Stätze der Diagnose hauptsächlich gegenäber
einem in fVage kommenden acuten Rheumatismus angeführt, dabei aber die Angina,
mit welcher die Krankheit begann, und welche doch für die Nephritis von Bedeutung
gewesen sein dürfte, sonderbarerweise ganz übersehen. Noch schwieriger ist eine
rheumatische Affection in einem 3. Falle auszuschliessen, der ein Dienstmädchen be>
traf und mit einer Endocarditis einherging. Klarer liess sich in einem 4. Falle er*
kennen, wie auf rheumatischer Basis viele Züge aus dem Erankheitsbilde der Der«
roatomyositis au^eprägt sein können. Gelenkschwellung und Sallcylsäurewirkung
sprachen hier für die rheumatische Natur des Leidens. Schliesslich zeigt ein 5.
interessanter Fall multiple Neuritis, der ein der Dermatomyositis vielfach ähnelnder
Symptomencomplex zu Grunde liegt. Die myositischen Symptome erscheinen hier
als Folge der Neuriüs (Neuromyositis).
Zum Schloss untersucht Verf. die Frage, ob die Hauptsymptome der Dermato*
myositis, die Haut*, Unterhautödeme und Muskelveränderungen auf eine einheitliche
Grundursache zurückzofOhren seien und weist in dieser Beziehung auf die Dilatation
der kleinsten Huskelgefasse hin, ein Befund, der auch in intacten oder sehr wenig
veränderten Muskelgebieten erhoben wurde und für eine primäre Alteration des
Gefässystems (centralen Ursprungs?) verwerthet werden könnte.
£. Asch (Frankfurt a./M.).
21) Die Initialsymptome der Osteomalacie, von Dr. P. Bissmmann (Hannover).
(Monatsschr. f. Geburtshülfe und Gynäkologie. 1898.)
Verf. berichtet über 2 Fälle. In beiden fanden sich — ausser Druckempfindlich*
keit der Stammesknochen — 1. objective Symptome „neuritischer Processe“ im Plexus
lumbalis (Paresen der Oberschenkelmuskulatur und einiger Beckenmuskeln); 2. eigen*
thümliche subjective Beschwerden (Schwere in den Beinen, nächtliche Schmerzen,
Muskelzittem; charakteristische Schmerzen, Gürtelgefühl, Crampi u. s. w.). Im zweiten
Falle waren die Erscheinungen des osteomalacischen Beckens noch nicht vorhanden,
während die erwähnten Symptome bereits deutlich waren.
Die schnell eingeleitete Phosphorbehandlnng hatte in beiden Fällen guten
Erfolg.
Verf. schliesst, dass die erwähnten Symptome von Seiten der Nerven und Mos*
kein als Initialsymptom der Osteomalacie anzusehen sind, und misst dieser seiner
Annahme besonderen therapeutischen Werth insofern bei, als sich seines Erachtens
dann durch eine rechtzeitig eingeleitete energische Behandlung (Phosphor, phosphor*
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511
saurer S[alk, event Castration) die schwersten EnochenTerändeningen der Osteomalacie
«ft vermeiden lassen dfirften. Paal Cohn (Berlin).
22) De beroepaatrophie der diamantsnijdera, von Dr. J. E. A. Wertheim
Salomonson. (Weekbl. van het Nederl. Tijdschr. vor Geneesk. 1897. I. 21.)
Bei einer Dlamantschneiderin fand Yerf. beträchtliche Atrophie des Interoasens I
der linken Hand, von dem nur wenige Beste noch vorhanden waren, der Inter*
ossens 11 schien auch etwas eingesunken, aber nicht viel, die fibrigen Haodmuskeln
boten bei der InspecÜon and Palpation keine Abweichongen dar. Bei der elektrischen
Untersuchang fand sich im Interoasens primos vollständige Entartongsreaction, später
aeigten aaeh der Interosseos seeandus und der Äddoctor pollicis partielle Entartungs«
reaction. Im 4. Finger bestand eine geringe Tenninderong des TastgefOhls und
Prickeln, das früher auch im Zeigefinger bestanden haben soll. Nach Behandlung
mit Buhe und Elektricität trat allmähliche Besserung ein, die Atrophie ging zurück;
am längsten bestand die Sensibilitätsstürung im 4. Finger. — Noch in 2 anderen
Fällen hat Yerf. die gleiche Affection bei Diamantschneidem beobachtet, das eine
Ual betraf sie, wie im mitgetbeUten Falle, die linke Hand, das andere Mal die
rechte. — Die Ursache dieser Erkrankung liegt in der Art und Weise, wie das
Zoschneiden der rohen Diamanten für das Schleifen geschieht, das namentlich bei
kleinen Steinchen schwierig ist Der in einer Eittmasse am Ende eines Halters be*
festigte, za bearbeitende Stein muss mit der linken Hand feetgehalten werden und
wird mit einem anderen, in gleicher Weise befestigten Diamanten, der von der rechten
Hand geführt wird, bearbeitet. Da die Abßlle bei dieser Arbeit immer noch sehr
werthvoU sind, werden sie in einem Behälter gesammelt, über dem die Bearbeitung
geschehen muss; Daumen and Zeigefinger der linken Hand halten dabei den Halter
und der Zeigefinger wird an den Band des zum Sammeln des Abfalls bestimmten
Gefässes gedrückt Walter Berger (Leipzig).
23) Beitrag zur Casuisük der nenrltisohen Muskelatrophie, von Dr. Bein-
hard. Aus der medicin. Elinik in Leipzig. (Deutsche Zeitschr. f. Nerven-
heilk. 1897. XI.)
Yerf. beschreibt ausführlich die Krankengeschichten zweier Brüder, welche das
typische Bild der neuritischen Muskelatrophie darboten. Ausserdem soll eine Schwester
von dem gleichen Leiden befallen sein, doch war dieselbe nicht zam Eintritt io die
Klinik zu bewegen; 4 weitere Geschwister sind gesund, ferner starben 3 in früher
Kindheit. Hereditäre Belastung ist nicht nachweisbar. Das Leiden befiel ohne be¬
sondere Ursache die vorher anscheinend ganz gesunden Brüder im 10. u. 11. Lebens¬
jahre, and zwar trat dasselbe gleichmässig zuerst an den Füssen und Händen auf.
Es stellte sich Schwäche und leichte Ermüdung ein, die sich besonders in den
Extensoren der Yorderarme bemerkbar machte. Später entwickelte sich schlaffe
Läfamang and Muskelschwund. Das Leiden war an Händen und Füssen am stärksten
entwickelt und nahm von der Peripherie nach dem Centmm zu ab. Die Extensoren
waren stärker betroffen, als die Flexoren, die Rumpfmnskulatar war frei. Gontrac-
toren und spastische Erscheinangen bestanden nicht. Die Befieze waren abgeschwächt
oder ganz aufgehoben. SensibiÜtätsstümngen waren nicht nachweisbar, doch bestand
an den Extremitäten ein deutliches Kältegefühl Beide Brüder erkrankten vollkommen
gleichmässig, nur ist das Leiden bei dem älteren Bruder etwas weiter fortgeschritten,
als bei dem jüngeren. Die elektrische Untersuchung ergab hochgradige Herabsetzung
oder Erloscfaensein der faradischen und galvanischen Erregbarkeit in den gelähmten
Muskeln und dazagehörigen Nerven. In Fall I war an der Muskulatur des Daumen-
ballens auch Entartungsreaction nachzuweisen. E. Asch (Frankfurt a./M.).
I^iQ't'ZCd C'7 Google
512
24) Urtiioarift and aonte oirotunsoribed ontaneoas oedama, bj H. Oppen¬
heimer. (Lancet. 1898. Feb. 26.)
Verf. hat ln 4 Fällen ein Zusammentreffen von Urticaria und acutem eircum-
shriptem Oedem (Quincke) beobachtet Aus den mitgetheilten Krankengeschichten
wgiebt sich, dass wahrscheinlich stets ein tossches Moment (Santeläl, in Fänlniss
flbergegaDgeoes Fleisch, Natrium 8 ali( 7 licom, Muscheln) eingewirkt hat Das Oedem
war namentlich an den Augenlidern, an den Lippen und am Präputium sehr aus¬
geprägt. In 2 Fällen waren auch die Hand- und Fassgelenke sehr stark geschwollen.
Der Verlauf zog sich 1—2 Wochwi hin und führte stets zu Tülliger Heilung. Verf.
glaubt, dass das acute cireumskripte Hautödem mit der Urticaria absolut identisch
ist; die Verschiedenheit des äusswUchen Bildes soll von der Intensität und Locali-
satiou des Prooessee, sowie von der „Tiefe abhängen, bis zu welcher die Haut be¬
fallen ist“ Th. Ziehen.
25) Caee of angio-naurotlo oedema with hiatory of iQjtuy to the head,
b; J. B. Oibson. (Lancet 1898. Feb. 26.)
Ein 32jähriger Mann leidet seit einer Kopfrerletzung im Bereich der linken
Schläfe (mit Bewusstseinsverlust) an periodischen Anfällen Ton Erbrechen, Schmwxen
an der Stelle der Verletzung und Frostgefühl. Die Anfälle dauerteu höchstens
2 Tage. Nach 16 Jahren trat ein neues Symptom im Verlauf der Anfälle auf: ein
oder beide Arme nahmen für 1—2 Standen eine weisse Farbe an (mit Cutis anse-
rina), und hierauf stellte sich ein prickelnder, aber nicht juckender, erhobener,
erytbematöser Ausschlag (namentlich auf der Beugefiäche des Hand- und Ellenbogen-
gelenke und in der Umgebung des Auges) ein, welcher nach l^i—2 Tagen rasch
wieder verschwindet Zuweilen sind auch die Schleimhäute un^ angeblich auch die
Pleura (Schmerzen und Beib^eräusch) befallen. ' Th. Ziehen.
26) A Oase of angionenrosis of the flaoe, by W. Haynes. (New York med.
Joum. 1897. Vol. liXVI. Nr. 26.)
Das nervös stark belastete, 19 Monate alte Kind zeigt neben Bhachitis eine
congenitale Hypertrophie der rechten Gesichtshälfte. Sobald das Kind eine süss-
oder sauerschmeckende Substanz in den Mund nimmt, tritt eine scharlachähnliche
Böthe und deutliche Schwellung der hypertrophischen Gesichtshälfte au^ um nach
Entfernung des auslösenden Beizes rasch zu schwinden. Das gleiche Phänomen ist
auch beim Gähnen nachweisbar, wenngleich von momentaner Dauer.
Verf. erinnert an den in der gleichen Zeitschrift veröffentlichten Fall von Lewis,
zu welchem seine Beobachtung ein Gegenstück bildet. B. Pfeiffer (Cassel).
27) A oaee ehowlzig some of the feataree of erythromelalgia and of
Baynaud’e disease, by H. D. Bolleston. (Lancet. 1898. March 19.)
Bei einem 28jähr. Manne stellten sich Schmerzen in Händen und Füssen ein,
ausserdem beobachtete er, dass sie anschwollen, wenn er sie der Kälte aussetste
(zumal wenn er sie herabhängen Uess). Dabei bestand eine erhebliche Hyperästhesie.
Der Urin war normal. Vor 6 Jahren hatte eine syphilitische Infection stattgefonden.
Die Hände waren so gross, dass sie an Akromegalie erinnerten. Sonstige Symptome
der letzteren fehlten. Die rotbe Farbe der Hände entsprach der Erythromrialgie.
In der Kälte steigerten sich die Beschwerden. Gerade hierin erblich Verf. eine
Annäherung an das Bild der Baynand’schen Krankheit, während die Böthung and
Hyperästhesie der Hsnt nur zu der Eiythromelalgie passt. Interessant ist auch die
Google
513
keuldof&rmige Sehwellong im Bereich der BndphaUmgen, auf welche Griffithe echMi
aufmerksam gemacht hat („clobbing cf the Angers"). Bemerkenswerth ist endlich die
DroekempAndliehkeit der Muskeln and die abnorm mnskal&re Ermüdbarkeit Die
Knieph&nomene waren gesteigert Th. Ziehen.
28) Uebersrythromalalgle. Eine kllnlsohe und anatomisohe Untenoohtuig,
Ton Dr.tSiegmnnd Anerbach in Frankibrt a./M. (Dentsdie Zeitschrift für
Nervenheilkande. 1897. XI.)
L 67j&hr. Schmied, mit 26 Jahren Gonorrhoe and wahrscheinlich Lnes, seit
dem 28. Jahre in beiden Waden, besonders links, krampfhaftes Ziehen, wUirend des
Feldsnges 1870/71 Zimahme der Schmerzen, Herbst 1878 Erftiemng beider Fnss-
ballen, Steigemng der Schmerzen and Anftreten ron röthlich>blanen Flecken an den
Tersohiedensten Tbeilen der Fflsse, hanpts&dilioh links. Diese Verf&rbnng wird be-
soadeiB dentlich bei dem Herabb&ngen der Fflsse. Hant nnter den N&geln auffallend
rosaroth; an dem Kagelglied der linken grossen Zehe eine eitrige Entzflndnng.
Sensibilit&t in allen Qualitäten Überall intact, Hant* und Sehnenreflexe erhalten.
Niigends Muskelatrophieen. Pupillen von guter Beaction, Urin frei von Eiweiss und
Zucker, keine arteriosclerotisehen Erscheinungen. Der Pat. befindet sich noch in
Behaarung des Terf.’s. Wiederholte Badekuren in Nauheim, grosse Dosen von Jod*
kali und zuletzt Ergotin bewirkten Linderung der Beschwerden.
U. 46jähr., hereditär nicht belasteter Mann, 1869 wahrscheinlich luetische
Infeetion, in zwei Ehen sechs gesunde Kinder, kein Missfall Ende 1870 Erfiierang
des rechten Fasses, langsame Heilung, starke Schmerzen auf der Plantarseite der
rechten grossen Zehe. Die beiden nächsten Jahre vollkommen schmerzfrei. Winter
1874/75 im ganzen rechten Fass starkes Zacken und „Flimmern", später heftige
landrende Schmerzen in beiden Beinen, besonders rechts. 1876 und 1878 nnter
grossen Schmerzen militärische Uebnngen, dabei Durcbnässung, Zunahme der Par«
isihesieen im ganzen rechten Beine. Bald darauf Hitzegefflhl und Böthe in dem
rechten Fnase. Wegen der Vermehmng der Schmerzen wurde eine Amputation in
Erwägung gezogen, indessen unterlassen, weil in der Zwischenzeit starkor Verdacht
aaf Tabes bestand, welche Diagnose sich auch bald bestätigte. Unblutige und blutige
Dehnung der N. ischiadicus nützten nur vorübergehend, am meisten linderten kalte
und abwechselnd warme Fassbäder die furchtbaren Schmerzen.
Statns: Papillen sehr eng, gleichweit, Beacüon auf Licht sehr träge, leichter
Tnmor beider Hände, keine Ataxie, Sensibilität an den obmen und unteren Extrem!*
tttm intact, nur an den Beinen deutliche Nachempfindung bei schmerzhaften Ein*
griffen, Triceps* und Patellarreflexe nicht vorhanden (October 1888 Patellarreflex
redits links 0, Gang normal, Bomberg’sches Symptom deutlich, an der
Wurzel des Penis und am Scrotum mehrere Narben, Drüsen der rechten Leisten*
und Schenkelg^nd stark geschwollen, rechter Fass blaorotb verftrbi Haut des
Fasses heiss und gespannt, Haut des Zehen verdickt und theilweise nässend, Nägel
brüchig und rissig. Ham dauernd frei von Eiweiss und Zucker, Blutbefund normal
In den letzten Wochen vor dem Exitus Auftreten von Geschwüren and Abscessen
an verschiedmen Körperstellen, sehr langsame Heiloi^ derselben. Die erst 43 Standen
post mortem vorgenonunene Autopsie mosste aaf das Bückenmark nebst Spinal*
giaglien und eine Anaahi von Nerven der nnteren Extremitäten beschränkt bleiben.
Btt der anatomischen Untersuchnng fand sich eine Degeneration der Wurzeln L,
vielleicht aneh des IL Sareal* und untersten Lumbalnerven nebst einer entsprechenden,
ttiftte^enden Degeneratkm. der Hinterstränge, welche auf den medialen Theil der
Qoirschen Stränge besdiränkt blieb.
In beiden Fällen ging wahrscheinlich Lues voraus; arteriosclerotiscbe Vttände-
rangen waren nicht nachweisbar. Die Formen von Erythromelalgie, welche anf der
88
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514
zuletzt genanuten Basis beruhen, sind jedenfoUs von der nervösen Form dieses Lödois
zu trennen. Der anatomische Befund entspricht dem klinischen Bilde, wenn es auch
noch nicht klar ist, wodurch die EiTthromelalgie zn Stande kommt and welcher Art
die Wnrzeld^eneration sein muss, welche die Affection hervormft.
E. Asch (Frankfurt
29) Zwei Fälle von aonter Erythromelftlgie, von H. Heimann. (Berliner klin.
Wochenscbr. 1896. Nr. 61.)
Der eine Fall betrifft einen 54jähr. Stmnhaner, der zweite ein Hädchen von
13 Jahren. Bei beiden Kranken spielte sieh der Frocess im Verzweignngsbezirke
des HandiUckenastes des Nervus radialis ab, so dass ansschllesslicb der Daomen,
der Zeigefinger und der Mittelfinger von den Krankheitserscheinnngen — Böthnng,
Schwellung, Farästbesieen — befallen waren. In beiden Fällen trat Heilung ein.
Bielschowskj (Breslan).
30) A remarksble angeloneuroels of the tongue, due to the appUcation
of chromio aoid to grannlations on the npper and posterior portlons
of the tympanio membrane. A oontribntion to the phyaiolc^y of the
oorda tympani nerve, by Bobert Lewis. (New York med. Jonm. 1897.
Vol. LXVI. Nr. 15.)
In dem vorliegenden Falle rief die Aetznng von Granulationen an den oberoi
und hinteren Abschnitten der Membrana tympani mit Chromsänre eigentfafimliche
Störungen hervor. Nach der ersten Säureapplication folgte einige Stunden später
nach Angabe des Fat. eine kurzdauernde, sehr starke Schwellung der Zunge; eine
erneute Anwendung der Cbromsäure (ca. 6 Monate später) hatte nach etwa 12 Stunden
starkes Oedem der Zui^ und der Submaxillarregion, sowie kleine ödematöse An-
Schwellungen ftber dem rechten Stimhöcker, beiden Danmenballen, dem inneren Malleo¬
los eines Fnssgelenkes nnd unter dem Ballen des rechten Fasses zur Folge. Die
Athembeschwerden waren so hochgradig, dass an Tracheotomie gedacht wurde;
24 Stunden nach Einwirkung der Chromsäure waren die Oedeme geschwunden. Yerf.
führt das angionenrotische Zungenödem auf Beizung der Chorda tympani durch die
Chromsäure zurück und versucht die Seltenheit der Erscheinungen durch Annahme
einer Idiosynkrasie zu erklären, ohne selbst durch diese Hypothese befriedigt zu sein.
Eine dritte Attaque mit Schwellung der linken Rand und des linken Pussballens
ohne Zungenödem trat übrigens später, anscheinend nach Gemfltbserregnng, auf.
Den Schloss der Arbeit bilden Auszüge aus einigen Handbüchern über die Functionen
der Chorda tympani. B. Ffeiffer (Cassel).
31) liooale Asphyxie oombinlrt mit FonotionsstÖraiigen von seiten des
Oehims, von Johannessen. Vortrag, gehalten in der medicin. Gesellschaft in
Christiania am 28. Oktober 1896. (Deotsche med. Wochenscbr. 1897. Kr. 34.)
Ein normal entwickeltes, 16—17 Monate altes Kind ftngt an, ohne nachweis¬
bare Ursache unruhig und verdriesslidi zn werden; 1—2 Monate später AnschweUung
beider Füsse, dieselben werden kalt, juckend, stark blänlicbroth und mit „Beulen“
bedeckt Gleichzeitig wird das Kind schlaff, kann den Kopf nicht aufrecht halten,
sich nicht auf die Beine stützen und verlernt das Sprechen. Häufig anhaltendes
Schreien. Derselbe Zustand der Haut zeigt sich später an den Händen und es er¬
folgt dann an Handflächen und Fasssohlen starke Häutung in grossen Fetzen mit
Abfallen eines Nagels. Etwa 5 Monate nach B^inn des Leidens, im September 1896,
hören das Jacken und die Häutung an den Füssen auf, das Kind wird ruhiger. Die
Dg vocioy Google
515
B«3s«niDg achreitet allm&hlicli fort, and es kommt za einer ToUst&ndigen Heilnn?
(Joli 1896). — Die charakterisiischen ZQ^e des Krankheitsbildes waren Stömngen
der Haat (stark bl&alichrothe Färbang, bedeatende bdematöse Infiltration, Kfible und
retehüdie Abschälang an Händen and Füssen) nnd Fanctionsstürnngea des Glehims
(Aofhebnog der Fähigkeit zu sprechen, bedeatende Schlaffheit and Apathie mit er*
schwarten Bewegongen, anhaltendes Schreien). Aehnlicbe Fälle hat Prof. Bock in
QiristUnta beot^ehten können. Verf. glanbt, dass es sich am eine besondere, noch
okfat beaehriebeoe Form der Tasomotorischen Störungen handelt, die ihren Urspmng
ia krankhaften cerebralen Terändemngen haben oder mit ihnen im Znsammenhang
Mben. B. Pfeiffer (Cassel).
32) Si^tiame et aephyzie looale des extrdmitds, par Dr. Cb. Mongonr.
(Archives elin. de Bordeanz. 1897. Joillet.)
Terf. berichtet Aber einen Fall localer Asphyxie bei einer 35jähr. Fran, der
dadnrdi ausgezeichnet war, dass ansser den CircnlationsTerändernngen sich trophische
Stömogen seitens des Zellgewebes nnd der Nägel entwickelten. Letztere beschränkten
äch beaehtenswertherweise anf die Innenfläche der Nägel (trockene Abschnppnng,
iUi^ung des Nagels). Ansserdem bestanden analgetische Zonen in der be*
bUetien Bepon.
Die inneren Oigane waren intact; der Urin zeigte eine merkliche Yermindemng
der Hamsto&assefaeidnng.
Yerf. gelangt zn dem Schlosse, dass, einmal die symmetrische Asphyxie der
Extnmitäten nicht in jedem Falle (wie Ehlers behauptet) auf einer Ergotin*
iitTXieation beruht, nnd zweitens, dass bei der vorhandenen Coincidenz der Symptome
nt dn geschilderten trophischen Veränderungen der Haot möglicherweise eine Ab*
käa^keit der Krankheit von irgend welchen Läsionen des peripheren Nervensystems
Torliege. Paul Cohn (Berlin).
93) C e re b ral oompUoations of Baynaud's disease, by Dr. W. Osler. (Journal
of nervons and mental disease. 1896. XXIII. S. 628.)
Terf. macht kurz daraof aufmerksam, dass er im Yerlanf der sogenannten
•Bayaand'schen Krankheit“ im Anschlnss an die einzelnen Anßlle der localen
Aq>hyxie und Oangrän Störungen von Seiten des Centralnervensystems beobachtet
habe, die er anf analoge spastische Vorgänge im QeßLsssytem des Gehirns snrflcksn*
fUuwn geneigt ist. So namentlich Attaqnen von Epilepsie, Aphasie nnd Eztremi*
tätesparalyse. _ Sommer (Allenbeig).
94) Btt fhll af neurotlsk gangrän, af H. Köster. (Irsber. frän allm. och
Sahlgrenska sjnk. i Göteborg for är 1896. Göteborg 1897. Med. afd. a. 23.)
Bin 16 Jahre alter Knabe bekam plötzlich ohne bekannte Yeranlassnng ^en
•{aleptif(Mineo Anfall, der etwa 3 Minuten dauerte; vorher batte er Schmerz and das
GeAU von Anschwellnng in der linken Seite des Halses gehabt Nach dem Anfall
Ahlte OT sich matt nnd klagte ftber Gefühl von Schwere im Kopfe and heftigen
Sch m er» in der linken Hinterbacke, wo sieh binnen einer Stande Böthnng nnd Schwellung
«nsteUte, worauf sich eine Menge kleiner Blasen mit wasserhellem Inhalt bildeten,
fia ta fanstgrossen Blasen conflnirten. Nach Entieerni^ der Blasen bildete sich
iheiflSfhliche Gangrän an dem veränderten Tbeile der Hant, die etwas in die Tiefe
pag, aber das snbcntane Gewebe nicht ergriff. In der Folge traten zeitweilig nn-
metmrte choreatische Bewegungen von geringer Intensität auf und Zittern der Hände
nd Arme. Doch verschwanden diese Symptome bald wieder, die Gangrän heilte
88 *
ig I ,:od oy CjOO^Ic
516
und Fai konnte geheilt entlassen werden. — Ein Tranma hatte nicht stattg^mden»
dagegen sprach schon die yielbeh gebnchtete Form des gerOtheten Hanttheiles, in
deren Ultte sich ein umrandeter Fleck find. Die AfTection bot grosse Aehnliehkeit
mit dem von Chareot als Deonbitns scntns beschriebenen Zustande, nur der Vn*
lauf war gflnstig, wie Verf. annimmt, wahrscheinlich deshalb, weil die dem epileptischen
Anfalle za Grande li^nde StOnmg im Gehirn sich in seinem Falle verh<ninm&ssig
rasch wieder ansg^lichen hat, w&hrend in Chareot's Falle irreparable Veränderongen
Vorlagen. Walter Berger (Leipzig).
Psychiatrie.
36) 0eber Katalepsie und Psychose bei loterns, von Damsch undEramer.
(Berliner klin. Wochenschr. 1898. Nr. 13 n. 14.)
Die Verf. bringen Beobachtungen:
1. Ueber kataleptische Symptome bei gatarrigem Icteros im Eindeealter. Die*
selben worden bei epidemischem Icteros mehrfach constatiil Schon ganz jonge
Kinder waren unter den Erkrankten. Alle FftUe nehmen nach 2—3 Wochen einen
gflnstigen Verlauf.
2. Ueber sogenannte maniakalische Zost&nde, richtiger Verwirrtheit, mit Aof*
regong unter dem Bilde der acoteu gelben Leberatrophie. Es wird ein Fall be*
riditet, der ex jovantibus die Annahme einer Autointoxication rechtfertigt, da nach
einer Kochealzinfosion, die die Ausscheidang der in den Geweben angeh&aften toxischen
Substanzen ermöglicht, Amt momentan Beeserong eintrai
3. Ueber die CompUcation dee Icteros mit ausgesprochener F^cbose.
Ein 64jfthr., geistig gut entwickelter, erblich nicht belasteter Kaofmann, litt
seit langem in jedem Jfabre an Icterus, complicirt mit togstlicher, hypochondrischer
Verstimmung. Zuletzt setzte die Erkrankung im November 1895 ein; der Icterus
war besonders stark. Die psychischen Symptome entsprachen einer gürten Me¬
lancholie. Unter anhaltendem Ictmus trat Coma ein. Dw Exitus erfolgte dnrch eine
Pneumonie. Da die schweren Cerebralerscheinungen durch die mikroskopische Unter¬
suchung dee Centralnervensystems keine Aufklärung fanden, so ist anzunehmen, dass
der Icterus das veranlsasende Moment fOr die Psychose war.
_ Bielschowsky (Breslau).
36) ▲ OM« ot agorapbobia, with ramarks npon obseesioiifl, by Bobert
Jones. (Lancet 1898. Feb. 26.)
Verf. tbeilt einen interessanten Fall von Agoraphobie bei einem 39 jährigen Manu
mit Die Gesiditefelder waren normal (ob auch während eines ^oraphobisdien An¬
falls, bleibt zweifelhaft). Neben den agoraphobischen Vorstellungen scheinen auch
Wahnvorstellungen bestanden zu haben. W^ die agoraphobischen Zustände bei dem
Pli anscheinend periodisch auAreten und g^egentlich Bettnätfeo vorkommt, denkt
Verf. an eine Verwandtschaft mit Epilepsie. Th. Ziehen.
37) Bulla patoganeal della aitofobia alienatl di mente, per A. Cristiani.
(Annali di Nevrologia. XV.)
An einigen magengesnndmi Geisteekrwken, die die Nahrungsanfhahme ver¬
weigerten und bm denen andere Schädlichkeiten, wie Alkoholismus aussnschlieasen
waren, mitersuehte Verf. nach dem Tode den Magen anatomisch. Er ftnd diesen
ein wenig erweitert, die Schleiinhänte geschwollen, verdickt, mit zahlreichen ponkt-
Ibrmigra und grosseren Hämorrhagieen durchsetzt, histologisch das Epithel sttwt6rt.
Dig: ^od
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517
n dar Drflsaosclüdit das Bindegewebe hypertrophisch, die DrOseDepithelien im
k&nigan ZarbU; also Befunde wie sie nicht durch die Inanition allein entstanden
m Utanen. Dies bestätigten Ymeache des Terf.’s an Kaninchen. Liess er ge>
lande Thioe hongem, so seigten sich nur geringe Yerftaderongen im Magen, während
«dche, deooi rorher ^e Hirnrinde diffus verätzt war, sehr schwere Läsionmi anfwiesen.
Ea sind also andi, so sdilieset Yerf., bei den Qeisteskranken mit Nahmngs-
Tffwaigerang Uraache der schweren Magenveränderongeo nicht das Hangern, sondern
die bn Urnen angetroffenen menu^o^encephalisehen Alterationen and so die Oastritis
dtt YennlBSsang zor Sitophobie. Die trophische Wirkong anf den Magen ftbt das
Gebiiii saf dem Wege des Sympathicas aas. Yalentin.
Therapie.
S8) Die moderne Pathologie und Therapie der Migräne» von Dr. Wilhelm
Stekel in Wien. (Wiener med. Wochensohr. 1897. Nr. 46—48.)
Terf. sehliesst sich für die Mehrzahl der Fälle der Intoxicationstbeorie an.
Dieaotsprechend müsse auch die Behandlnng sein; sie müsse eine Steigerang des
Stofveehsels anstreben, am die Ansscheidung der Toxine anzar^en and die nicht
«ijifirten Stoffwechselprodncte za rerbrennen. Die meist angewendeten Medicamente
enUm diese Aufgabe nicht Eine sichere Steigerang des Stoffwechsels kann erzielt
Tvden dnrcb Dampfkastenbäder oder prolongirte Binpackongen mit nachfolgenden
hltm Procednren. Damit verbindet Yerf. ein entsprechendes diätetisches B^ime
(Tefotabilische Kost, Kefir, Yerbot von Thee, Kaffee, Alkohol, süssen and sauren
Sp^). Die näheren Vorschriften mögen im Original nachgelesen werden. 4 mit-
fc^te mie illnstriren die günstige Wirkung dieser Therapie. Bei Erkrankungen
de Hnren und Oeftsse sind Dampfkastenbäder contraindicirt und selbst in leichten
ftU« nur mit Vorsicht anzuwenden. J. Sorgo (Wien).
30) Sur Behandlung der Hemlonmle, von B. Laquer. (New Yorker medic.
Xnatsschrift 1898. März.)
Yerf. empfiehlt zur Behandlung der Migräne alkalische Wässer, sodann Verab-
nichiiBg von Laetophenin. 0,4—0,75, Coffein, oitr. 0,2—0,3, alle 2 Stunden ein
PqWv, im Ganzen höchstens 3, endlich Ansfübmng eines „gedankenlosen" Spazier-
aof ebenem Terrain mit Einstellung der Augen auf die Feme. Esslust
**ide langaam and durch leiriitverdaaliefae Speisen an befriedigen ist nnd Polyorie
MQa sich bald ein, und „eine Tasse starken Kaffees ohne Milch verscheocht die
bta« Ernte der Hemicranie“. Diese empirischen Vorschriften hat Yerf. in vielen
mit sehr gntem Erfolge angewandt Knrt Hendel.
m. Aus den Gesellsohaften.
Bariinar Qoellaohaft fOr Psyohtetrle und Nervenkrankheiten.
Sitzung vom 9. Mai 1898.
Westphal stellt vor der Tagesordnung eine Kranke vor, welche eigenthümliche
XnmpfhnAiie darbietei Sie ist bereits zwei Mal wegen hallacinatorUeber Yer-
^^ntheitesiistände aof hysterischer Basis ia der psychlatrisohea Kliaik der ChariU
a Babaodlaag gewesen. Bei da jetzigeo Aafhahme (SO. April d. J.) kommt eie als
•hapfkiank", bietet kmne Zeichen einer psychischen Erkrankung dar. Sie ist am
3. Xin entbanden worden, hat das Kind bis zuletzt gestillt Während des Stillena
*omte lie angestrengt plätten and setzte sich dabei Erkältungen aas.
D g : 7cd / G OOglC
518 —
Am 29. April traten die ersten Erampfanf&Ue anf, die spontan entstehen, sich
anch leicht dnrch Drnck auf die GefSss* und l^ervenstämme im Sulcns bicipitalis
internus, sovie durch Druck beliebiger Stellen der Mnskulatar der betroffenen Ex*
tremitfiten anslösen lassen. Die Anf&lle treten gewöhnlich halbseitig, mitunter auch
gekreuzt auf.
Vortr. demonstrirt an einem solchen durch Druck auf den linken Snlcns bicipii
int. ausgelösten Anfall, dass es sich um sehr starke tonische Contracturen gewisser
Muskeln der linksseitigen Extremitäten handelt, durch welche dieselben in eigen*
thilmliche Stellungen gerathen. Am meisten betroffen sind der Tibialis anticus,
Gastroenemins an der unteren, der Biceps an der oberen Extremität Hand und
Finger sind mitunter gebeugt nach Art der „Gebortshelferstellnng'*, mitunter gestreckt.
Die bretthart gespannten Mnskelbäuche springen scharf — wie modellirt —
unter der Haut hervor.
Die Crampi sind änsserst schmerzhaft, werden eingeleitet durch Geffthl von
Eingeschlafensein und Formicationen. Die Schmerzen flberdanem die Anfälle, es
bleibt ein Geftihl von Steifheit und Spannung in den betroffenen Muskeln zurfick,
in denen man verhärtete Stellen „wie Knubbel" noch längere Zeit nachweisen kann.
Es handelt sich also bei der Fat um anfallsweise auftretende, sehr schmerzhafte
Crampi, die eine Aehnlichkeit mit den bei Tetanie auftretenden tonischen Krämpfen
nicht verkennen lassen. Jedoch sind die Abweichungen von dem gewöhnlichen Bilde
der Tetanie — das unr^elmässige, nicht symmetrische Auftreten der Anfälle, das
Fehlen der fär Tetanie so charakteristischen Stellung beider Arme und Hände —
in die Augen fallend.
Das Tronsseau'sche Phänomen ist vorhanden, es lassen sich indessen die
Anfälle nicht nur durch Druck auf die Hauptnerven und Gefässstämme, sondern anch
von beliebigen anderen Stellen der Extremitäten auslösen. Eine Steigerung der
mechanischen Erregbarkeit der motorischen Herven, welche im N. ulnaris, medianns
peronens anfangs vorhanden war, lässt sich nicht mehr nachweisen.
Das Facialisphänomen ist nicht deutlich auslösbar gewesen.
Eine Steigerung der Erregbarkeit der sensiblen Nerven besteht nicht.
Die elektrische Untersuchung (Geb. Rath Jolly) ergab keine Steigerung jder
Erregbarkeit der Nn. nin., med. und facialis.
Ob die Erregbarkeit des N. peronens bei 1,0 H.*A als eine leichte Steigerung
bezeichnet werden darf, ist fraglich.
Die körperliche Untersuchung ei^ebt nut Ausnahme einer linksseitigen Herab*
Setzung der Geschmacksempfindung und einer Einei^ng des Gesichtsfeldes fär Farben
nichts Abnormes.
Die eigenthflmliche Art der Anslösbarkeit der Krampfanfälle, bei der offenbar
su^^estive, psychische BinflOsse von Bedeutung und, die Unregelmässigkeit des Auf¬
tretens und der Localisation der Crampi, der Umstand, dass wir den Pat. schon
Jahre lai^ als Hysteriker kennen, lassen es nicht zweifelhaft erscheinen, da«p hyste¬
rische Momente augenblicklich im Vordergrund des Krankheitsbildes stehen.
Nicht gerechtfertigt ist es, mit dem Feststellen der Hysterie Tetanie ganz
ausznschliessen. Die grosse Schmerzhaftigkeit der tonischen Hnskelkrämpfe, das
Trousseau’sche Phänomen, der Umstand, dass die Crampi während der Lactation
aufgetreten sind, weisen darauf hin, dass trotz des Fehlens wichtiger Zeichen der
Tetanie, wahrscheinlich neben der Hysterie anch diese Affection bei der Pai besteht,
zumal wir wissen, dass wohl keins der Symptome der Tetanie ganz constsnt ist,
und dieselben mitunter nur in gewissen Stadien der Krankheit nachweisbar sind.
Die Annahme einer Complication von Hysterie mit Tetanie führt durch die
Vorstellung, dass die Natur der KrampfanflUle durch eine Verschmelzung der Er-
soheinungen beider Krankheiten bedingt ist, am leichtesten zum Verständniss des
nngewöhnlichen Krankheitsbildes.
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519
Zorn Soliliiss weist der Vortr. aof die Beziehimgen dieses Falles za interessanten
TOD Fr. Schnitze, Minow, Schlesinger, Raymond n. A. gemachten Beobach«
tnngen hin.
Mendel fragt an, ob es gelingt, die Än^e zu conpiren; sollte dies möglich
sein, so wQrde dadurch die Katar der Erkrankung deutlicher hervortreten. Der Fall
w&re jedenfalls fftr Tetanie ein ongewOhnlicher.
EOnig hat ein Kind mit cerebraler Kinderl&hmang beobachtet, welches nach
epileptischen Anfällen stets auch einen tetanischen bekam.
Lilienthal hat einen ähnlichen Fall vor zwei Jahren in dieser Gesellschaft
To^estellt, bei welcher ähnliche Contractnren ansgelOst werden konnten. Diese
Fälle sind als Diathäse de contracture tod der Chareot’scben Schule bezeichnet
worden.
Bothmann hat ähnliche Fälle bei Influenza beobachtet, wo es gelang, Ton der«
selben Stelle, Ton welcher der Anfall herTorgerufen wurde, denselben auch zu
coapiren.
Jolly meint, dass die grosse Schmerzhaftigkeit, welche die Patientin in jedem
Anfälle äussere, mehr für die Crampi spreche. Es sei m<^lich, dass im weiteren
Verlaufe die Hysterie auf die Auslösung der Krämpfe einen Einfloss gehabt hat;
das zunächst auslösende Moment scheint aber ein der Tetanie ähnliches.
Westphal meint, dass Yerbindangen von Epilepsie und Tetanie häufig vor¬
kämen.
Brasch stellt ebenfalls vor der Tagesorduui^ ein anatomisches Himpräparat
vor, welches von einem 51jäbrigen Manne stammt. Dieser war am letzten Abend
vor dem Tode noch ganz gesund zu Bett gegangen, am nächsten Morgen fand man
ihn in tiefem Coma, dem wenige Stunden darauf der Exitus folgte. Bei der Heraus-
nähme des Gehirns riss die Brflcke ein und es floss eine tr&be Flüssigkeit aus der¬
selben ans. Die nähere Besichtigung dieser Stelle ergab eine Blutung von sehr
grossem Umfange im Pons, welche Aber die Baphe sich auf beide Seiten ausgedehnt
hatte. Die makroskopische Untersuchai^ ergab keinen Aufschluss über die Ursache,
durch welche die Hämorrh^e zu Stande gekommen war.
Trümmer: Ueber trauznatiaohe Tabes (ErankenTorstellung).
Vortr. referirt über drei einschlägige Fälle, von denen er einen verstellt Es
handelt sich um einen 62jähr. Patienten, bei dem weder Lues, noch irgend welche
hereditären Momente vorliegen. Pat. verunglückte bei einem Versuche, einen Baum
umzDSchlagen; hierbei wurde er mit anderen Arbeitern zusammen umgerissen, doch
so, dass er zu unterst zu liegen kam und die anderen auf ihn darauffielen. Hierbei
erlitt er eine Verletzung am linken Fuss. Ungefähr 8 Tage nach dem Unfall stellten
sich Schwäche im linken Fnss und blitzartige Schmerzen in diesem Beine ein. Im
weiteren Verlauf entwickelte sich bei dem Pat. das typische Bild der Tabes, welches
Vortr. im weiteren demonstrirt und aus welchem besonders die Tbatsache Erwähnung
verdient, dass die Herabsetzung des Schmerzgefühls auf der linken unteren Extremität
stärker ist und sich weiter proximal erstreckt als auf dem rechten Bein, welches
bei dem Unfälle keine Verletzung erlitt. Ferner ist in diesem Falle bezüglich der
Anamnese zu erwähnen, dass die Ehefrau des Pat. zwei Hai in der Irrenanstalt zu
Henbeige gewesen ist und Papillenstarre gehabt hat.
Bei dem zweiten Falle handelt es hieb um einen Patienten, der vom Postwagen
hemnterflel und aof dem Bücken au&chlug. Nach dem Unfall traten zuerst Schmerzen
im Bücken, Unsicherheit beim Gehen auf, worauf sich dann allmählich der tabische
Symptomencomplex entvrickelte. Aetiologisch liegt nichts vor; die Ehefrau soll einen
Abort gehabt haben.
Im dritten Falle handelt es sich um einen Stoss gegen den Arm, darauf Influenza
und im weiteren Verlaufe die Erschemungen der Tabes.
Google
520
Vortr. meiiit, dass diese F&Ua Tom wisseaschafUioheii Btandpnnkte beb^htet,
Bidit als ganz sichere Fälle von tnonatischer Tabes zn betrachten seien, dass aber
in pra^ wo es nch nin Gewährong einer UnMlsrente handele, die Entstehung der
Tabes durch Trauma nicht Temeint werden könne.
Leppmann hat den ersten Torgestellten Fall gleichfalls za begatachten gehabt
und sich ähnlich au^esprochen wie der Vortragende. Besonders bemerkenswerth
seien die Fälle, in welchen das Trauma peripherisch gewirkt, weil die entsprechende
Extremität dann gewöhnlich stärker bei der nachfo^nden Tabes betroffen sei, als
die nicht verletzte. Unter denjenigen Fällen, in denen die Verletzung eine centrale
war, hat L. nur einen gefunden, der allenfells als kaumatisohe Tabes anfzufassen
wäre. Erwähnenswerth sei ferner, dass diejenigen Fälle von Tabes, welche auf
Trauma beruhen, anfangs einen verhältnissmässig raschen Verlauf nehmen. Ehras
ähnliches werde bei Paralyse beobachtet, der ein schwerer Unfall votaufg^ngen ist.
Cron fragt an, ob im voi^tellten Falle noch besondere Complicationen vor¬
handen sind.
Bemak hält es nicht fOr ausgeschlossen, dass im ersten Falle eine Complication
mit Hysterie vorliegt; in wissenschaftlicher Beziehung hat B. noch nicht die Ueber-
Zeugung gewonnen, dass eine traumatische Tabes vorkomme.
Leppmann hält es flir ausgeschlossen, dass jemand auf einer Seite grössere
Ataxie simuliren kann, als auf der anderen.
Lewandowsky meint, dass man zu weit gehe, wenn ein Abort von seiten der
Ehefireu vorliege, gleich Verdacht auf Lues zu haben.
Nach einigen Schlussbemerkungeu des Herrn Trflmmer spricht
Eoenig: lieber die bei den cerebralen Kinderlähmnngen in Betracht
kommenden prädlsponirenden und ätislogischen Uomente. (Erscheint ans-
fährlieh in der Deutschen Zeitschr. f. Nervenheilk.)
Vortr. unterscheidet zirischen eigentlich ätiologischen und prädisponirenden bezw.
eine Prädisposition documentirenden Momenten.
Zu den ersteren rechnet er:
a) die schwere bezw. asphyctische Oeburt,
b) das Trauma capitis,
c) die Infectionskrankheiten.
Zu den letzteren:
a) die psyebo-nenrotische Heredität,
b) Phthise in der Ascendenz,
c) Potus des Vaters,
d) Lues in der Ascendenz,
e) Blutsverwandtschaft der Eltern,
f) somatisches oder psychisches ’^uma matris in graviditate,
g) Frühgeburt,
h) Ers^ebort,
i) uneheliche Gebart (unter Umständen),
k) unter Umständen späteres oder letztw Kind einer längeren Generationsreihe,
l) angeborene Idiotie,
m) epil^tiscfae Anfälle, welche der Lähmung längere Zmt voransgehen,
n) Kind schwächlich von Gebart an,
o) Tod zahlreicher Geschwister früher Ji^end, bezw.
mehr oder weniger verdächtige Aborte, eine Prädisposition do-
p) Nervenkrankheiten, Phthise bezw. Sciefnloae bei cumentirende Momente.
Geschwistern.
- . vGooglc
521
Von den fttiologinchen HomMten können die beiden ersten g^^entlich eine
pridisponirende fioUe spielen.
Bie Untersnehnn^ des Vortr. basiren auf 70 F&Uen eigentlicher cerebraler
Kinderlähmung mit Ansschluss der awischen denselben und einfacher Idiotie stehenden
Zwischenformen.
VerC. weist zunächst nach, dass zwischen den einzelnen Lähmungsformen mit
Bezug auf die prädisponirenden wie ätiologischen Momente ein prindpieller Unter*
schied nicht besteht, und bespricht die Besultate seiner Untersuchungen im Ganzen.
Nur in 17 Fällen von 70 konnte die Aetiologie im Sinne des Vortr. nach¬
gewiesen werden.
Darunter betrafen 8 Fälle die schwere, bezw. asphTCÜsche Geburt, 5 Fälle das
Eopftrauma und 6 Fälle Difectionskrankheiten.
In 13 dieser Fälle waren prädisponirende Momente vorhanden. Vortr. 1^
Oberhaupt grossen Werth auf den Nachweis derselben und zeigt, dass auch in fast
allen FÜlen „ohne Aetiologie*' mindestens eins und meist mehrere derartige Momente
vorhanden waren.
Unter den 70 Fällen war der Gebnrtsverlauf 42 Mal normal, 3 Mal nicht be¬
kannt, und in den Qbrigen Fällen handelte es sich um Frflhgeburt, schwere bezw.
sspbjetische Geburt ln 4 Fällen konnte der Einfluss des letzteren Moments nicht
fes^estellt werden, in 1 Falle wirkte er prädisponirend, insofern er au congenitaler
Idiotie führte, zu welcher sich 2 Jahre später die Lähmung gesellte, und in 2 Fällen
war die asphyctische Geburt sicher ohne jeden Einfluss.
Nur in 19 Fällen bandelte es sich um Ers^burt
Das Maximum der Lähmungen flel in Uebereinstimmung mit anderen Autoren
in die ersten 3 Lebensjahre.
Unter 89 Fällen eigener Beobachtung befisnden sich 49 männliche und 40
weibliche Kinder.
Vortr. resumirt sieh folgendermaassen:
1. Wir kennen nur drei ätiologische Momente für die cerebralen Kinderlähmungen:
1. die schwere bezw. asphjctische Geburt, 2. das Eopftrauma und 3. die Infections-
krankheiten.
2. Alle anderen in Betracht kommenden Momente können bei dem heutigen
Stande unserer Kenntnisse nur als prädisponirende, bezw. als eine Prädisposition
docnmentirende angesehen werden, womit natürlich die H(^lichkeit, dass das eine
oder andere derselben gel^entlich audi ätiologisch wirksam sein könnte, nicht aus*
geschlossen werden soll.
3. Die schwere, bezw. asphjctiscbe Geburt, wie das Eopftrauma können unter
Umständen die Rolle eines prädisponirenden Momentes spielen.
4. Auch in den Fällen „mit Aetiologie*' begegnen mr sehr häufig prädisponirenden
Momenten.
Ö. In der Mehrzahl aller Fälle, in welchen eine genaue Anamnese erhoben
werden kann, lassen ach mehrere prüisponircmde Momente nachweisen und Freud
bat ganz Recht, wenn er das „Concurriren** mehrerer solcher Momente für beachtens-
werth hält
6 . Der traumatischen cerebralen Kinderlähmung kann vorläufig eine Sonder-
stellmig nicht eingeränmt werden.
7. Die psycbo-neurotische Heredität, sowie der Potus des Vaters nehmen eine
ziemlich hervorragende Stellung unter den prädisponirenden Momenten ein.
8 . Von noch grösserer Bedeutung ist das Vorkommen familiärer Eachexieen.
9. Die Phthise in der Ascendenz scheint einen gewissen prädisponirenden Einflnss
zu habm.
10. Dem Rinfln« der Syphilis in der Ascendenz kann, soweit dies nachweisbar,
nur eine untergeordnete Stellung zuerkannt werden.
Google
522
S. Kalischer fragt an, ob ein Zusammenhang zwischen Frühgeburt and cere¬
braler Kinderlähmung existire. Es sei aoffallend, dass nnter den Kranken mit cere¬
braler Kinderlähmung sehr viele 7 Monatskinder sind. In den Fällen, die Kalischer
beobachtet bat, lag keine Lnes vor. Die Procentzahl der cerebralen Einderlähmcngen
ist flberhaopt bei 7 Monatskindem hänfiger,
Bichter weist bezüglich der Aetiologie anf Geburten hin, die sehr schnell er¬
folgen, wobei hänflg Gefässzerreissungen im Gehirn eintreten.
Koenig berichtet, dass unter 70 Fällen 7 Frühgeburten waren. Loea liess sich
in keinem Falle nachweisen. Ihm scheint ein Zusammenhang zachen Frühgeburt
und cerebraler Kinderlähmnng nicht zu existiren.
Dr. Levj-Dorn: Beitrag zur Lehre vom Tremor.
Die grosse Hänfigkeit, mit welcher die Glieder bei einzelnen Zitterarten hin-
und berschwanken, erscheint nur auf dem ersten Blick pathologisch. Das Zittern
hat in dieser Beziehung sein physiologisches Analogon in dem willkürlich tetanisirten
Muskel. Die Erscheinung des Hnskeltons ist der bekannteste Beweis für das Be¬
stehen von Schwankungen während des Tetanns, wenngleich nach der einfachen Be¬
trachtung vollständige Bube des Muskels zu bestehen scheint.
Helmholtz hat die Schwankungen des Muskels während des Tetanns auf 19,5
in der Secnnde festgestellt. Neuere Untersuchungen sprechen dafür, dass die Zahl
zn hoch g^riffen ist. Sie liegt in Wahrheit um 10 hemm, bald höher, bald
niedriger. Die Zahl stimmt also merkwürdig mit derjenigen überein, welche von den
schnellschlägigen Zitterarten erreicht wird.
Abgesehen von der Zahl der Schwankungen hat der willkürliche Tetanus auch
noch den nervösen Ursprung mit den meisten (wahrscheinlich allen) Zitterarten ge¬
meinsam.
Der Ort, an welcher Stelle des CentralnerTmisysteme die Discontinuität der Be¬
wegung — um allgemein zu sprechen — erzeugt wird, ist von verschiedenen Seiten
zu bestimmen gesucht worden. Die Experimente beschränkten sich in dieser Hinsicht,
soweit bekannt, auf die Analyse des Tetanus. Es stellte sich heraus, dass es so¬
wohl bei der Beizung der Hirnrinde, wie bei der des Bückenmarks und der zwischen
ihnen liegenden Begionen gelingt, Tetanus vom Charakter des willkürlichen aoszu-
lösen, d. h. die Schwankungen betragen in allen diesen Fällen ungeföhr dieselbe Zahl,
und es kommt auf diesem W^e nicht zum vollkommenen Tetanns. Es bleibt mithin
durch die Versuche unentschieden, ob die Discontinuität der Bewegung in den höbeiwn
oder niederen Centren geschaffen wird. Denn es wäre ja denkbar, dass von der
Hirnrinde nur continnirliche Reize ausfliessen, welche gleichsam wie der constante
Strom durch den Wagner’schen Hammer erst im Rückenmark unterbrochen werden.
Vortr. sachte daher die Frage, welche hier wesentlich interessirt, das ist, ob
schon normaler Weise höhere Centren eine so grosse Discontinuität der Bewegung
veranlassen können, wie sie beim gewöhnlichen Tetanus und den schnellen Tremor¬
arten vorkommt, anf anderem Wege zn entscheiden.
Er liess dieselbe willkürliche Bewegung möglichst oft wiederholen und die
Häufigkeit der Wiederholung durch Begistrirapparate anfschieiben. Es wurde ins¬
besondere mit dem Zeigefinger ein elektrischer Contact (Morseschlüssel) niedergedrückt
nnd gelöst, das Ein- nnd Anstreten des elektrischen Stromes durch ein Ffeirscbes
Signal augezeigt und anf ein Kymographion in üblicher Weise übertragen.
Bei 6 gesunden Personen, welche so geprüft wurden, konnte in 1 Secnnde 7
bis 11 Mal der Contact geschlossen werden. Da es zum Wesen der Willkfirbewegung
gehört, dass die in der Binde localisirte Beweguugsvorstellnng der Bewegung voraus-
geht, so spricht der oben mitgetbeilte Befund dafür, dass die Hirnrinde ebenso schnell
Impulse aoszusenden vermag, wie die niederen Centren.
- Google
523
Fflr die Lebre vom Tremor folgt daraus, dass die höbe Zahl seiner Scbwankungen
insofern nie pathol<^iscb ist, als schon normaler Weise die Ganglien ebenso schnelle
Wiederholungen von Bewegungen veranlassen können, und dass jene Tbatsacbe nichts
Befremdendes enth<, in welchen Ort des Centralnervensystems man auch den Ursprung
des Zitterns verlegt.
Ausser bei Gesunden hat Vortr. bei 18 Patienten die F&higkeit geprflft, wie oft
sie die Wiilkflrbewegungen hintereinander wiederholen können und die erhaltenen
Zahlen mit denen ihres Zitterrhythmus vei^leichen. Er fand im allgemeinen eine
flberraschende Üebereinstimmung beider Zahlengruppen. Wo das Zittern langsam
war, traf dies auch für die willkQrliehe Wiederholungsßhigkeit einer Bewegung
so; ja die in einer Secunde möglichen Wiilkflrbewegungen betrugen meist genau so
viel, wie die rhythmischen Zwangsbewegungen des Zitterns.
Das geprflfte Material wurde durch 7 Fälle von Paralysis agitans, 4 Fälle von
multipler Slderose, 2 Fälle Morbus Basedowii, 3 Fälle Neurasthenie, 1 Fall trau¬
matischer Neurose und 1 Fall von Anilintremor gebildet
Es verdient besonders hervoigeboben zu werden, dass bei einem Patienten mit
Faralysis a^tans sine agitatione die Zahl der Wiilkflrbewegungen 5, bei einem solchen
mit multipler Sklerose sine agitatione 6 betrug, also soviel, wie der Rhythmus des
Zitterns, welches gewöhnlich bei den genannten Krankheiten vorhanden ist
Die erwähnten Untersuchungen sprechen also dafflr, dass wir in der Bestimmung
der in der Zeiteinheit möglichen Wiederholung wUlkflrlicher Bew^ungen ein Mittel
in der Hand haben, den Rhythmus eines Tremors voranszusagen. Sollte der Tremor
aber bei einer mit ihm eioheigebenden Krankheit fehlen, so ist die Aussicht erÖfiEnet,
seinen Charakter, so weit er sich im Rhythmus offenbaren wflrde, schon vor seinem
Auftreten ans den WillkOrbewegungen zu erkennen — mit anderen Worten: Wir
braocheu nicht mehr immer auf die Zwangshandlung des Zitterns zu warten, um
gewisse Zeichen der Krankheit festznstellen.
Weitere Erfahrungen mflssen natflrlich erst lehren, wie viele Ausnahmen von
der entwickelten Regel bestehen. Jacobsohn (Berlin).
in. Vereemmlnng mitteldentsoher Psychiater tmd Keurologen in Jena
am 1. Mal 1898.
Sonntag, den 1. Mai 3898 tagte in Jena in den Räumen der Grossherzoglichen
LandesirTenanstalt die III. Versammlung mitteldeutscher Psychiater und Neurologen.
Von den angekflndigten Vorträgen entfielen der von Hitzig (Halle): Ein Beitrag
zur Himchirurgie; von Alt (Üecbtspringe): Geber Gheel und die dortige familiäre
Irrenpflege; von Schäfer (Roda): Ueber angeborene isolirte Facialislähmung, von
Köppen (Berlin): Ueber Porencephalie. Da jedoch mehrere Herren noch nach der
Drucklegung der Tagesordnung Vorträge angesagt hatten, erreichten die Mittheilungen
dennoch die smgekflndigte Zahl 17.
Die Vormittagssitzung begann nm 9 Uhr und währte fast 4 Stunden; zum Vor¬
sitzenden wurde Aber Vorschlag des 1. Geschäftsfflhrers (Binswanger) einstimmig
Ganser erwählt. Zum Vorsitzenden der Nachmittagssitznng wurde, nachdem Bins¬
wanger abgelehnt hatte, einstimmig Hayser gewählt Als Schriftsteller fnngirten
Krause und Laudenbeimer. Im Ganzen waren 67 Theilnehmer anwesend.
I. Sitzung am 1. Mai 1898 Vormittags 9 Uhr.
Nach der Begrflssung der Versammlung durch den I. GeschSftsfflhrer Bins¬
wanger folgen die Vortrage.
ig !i/od cy Google
524
Oppenheim (Berlin): Uaber BraohlAlgle und
Vorb*. führt xnn&chst im Allgemeinen ane, dass das Leiden, über das er eprech«
wolle, einen bescheidenen Plate in der Litteratnr einnehme, mid könnte man glaabeo,
dass das Stndinm desselben abgesohloesen eei. Dies ist aber nicht der Fall Schon
der Begriff Brachialnenralgie ist ein recht Terechwommener. Dies b&ngt xnm Tbeil
mit der Sdiwierigkeit der Definition des Begriffes Kenralgie snsammen. Klinisch
ist dieselbe dnreh die Tiigeminn8> nnd Ischiasneoralgie wohl charakterisiil Den der
Bahn eines Kerren folgenden in Parozysmen anftretenden heftigen Sehmers neimN
wir Nenralgie. Abgesehen von den sog. Nervenerkranknngen schliesst Torte, aoeh
die Compressionsnenralgie ans; ebenso will er anch die im Terlaofe der Hystois
anftretenden Nenralgieen nicht in den Kreis der Beepreohong ziehen, obwohl er an
dem Anfteeten echter Nenralgieen bei Hysterie nicht zweifelt Torte, beneht sieh
anf die Werke von Bömberg, Erb, Gowers, Eolenbnrg, Bernhardt n. A.,
and erkürt die Brachialgie als eine zwar nicht so hftofige Erkranknng wie dis
Ischias, doch immerhin nicht seltm anftretende Affection.
Nach den Antoren (mit Ausnahme Enlenburg and Bernhardt) flb«wiegt
das weibliche Qescblechi Erk<ang, Ueberansteengnng, Terleteong, An&mie nnd
Hysterie sollen prädisponirende Momente al^ben. fiänielne bezeichnen die Badialis*
and Ulnarisbahn als Pr&dileetionsstellen.
Torte, findet, dass meist die Grenze znr Nenritis tiberschritten, and dam anf
den Zusammenhang der Brachialnearalgieen mit anderen Brachialgieen, wie sie bei
Psychosen nnd Neorosen Vorkommen, nicht genügend hingewiesen wird.
man dem Begriffe der Brachialgie heftige, in einem Arm loealisiite
Schmerzen zo Grande, so kann Torte. Aber 189 Fälle berichten:
In 15 Fällen lag ein Wirbel* oder Bflckenmarksleiden vor; in 30 Fällen ans*
gesprochene Neuritis (mit Stmetnrerkranknng), darunter 6 Fälle bei Inflnenza; 12 Fäll«
unbestimmten Charakters; in 22 Fällen echte Nenralgieen (bei Diabetes, Gicht, aenteD
Erkrankungen, Titium eordis); in 19 Fällen Beschäftigangsnearalgieen; 96 Fällen in
denen nur Armschmerz vorhanden war.
Hier spottet oft der Schmerz völlig der Bahn des Nerven. Die Dntersnchoi«
auf Druckponkte ergiebt ebenfalls ein unsicherea Besoltat. Wir haben es ebmi mit
keiner echten Nenralgie zu thun, sondern mit einem Leiden, das sich auf dem Boden
einer Hysterie, einm* Neurasthenie n. s. w. flberhanpt bei allgemeiner nenropathisdter
Diathese entwickelt Es sind diese Schmerzen keine Nenralgieen (die andi vo^
kommen können), sondern Psychalgieen. Darum finden sich neben diesen „Neuralgiees“
stets auch noch andere Symptome eines nervösen oder psychischen Leidens, üntw
solchen nimmt den breitesten Baum nicht die Hysterie ein, sondern die Nminstheiii«,
Melancholie and Hypochondrie, nnd zwar meist bei Mtanem. Das Leiden irigt
Bemissionen nnd Exacerbationen, die oft mit der allgemeitteD Stimmnngslage znsanuaen*
hängen. Öfters mit dem Schlaf.
Torte, bezeichnet darum seinerseits als ätiologisches Moment neben aodereo
phobische Erregni^s, die das Auftreten des Leidens erleichtern oder herbeifähreB-
Der einzelne Scbmerzanfall kann durch geringfägigste Momente, wie das AnftaSn
des Kleides, das Tr^en des Schirmes u. A. m. au^löet werden. Auch die Therapie
beweist den psychischen Ursprung der Affection. Alle Mittel, die suggestiv deai
Hanptleiden gegenflbw wirken, erzielen auch bei dem Symptom der Brachialnenralgie
Heilung, die freilich mitnnter nnr vorflbeigebend ist Der Torte, sah Erfolg von
subcutanen Antipyrininjeotionsn, vom elektrischen Bade, von der Hypnoee, vom Pyra¬
midal, von der Dnrchleachtong mit Böntgenatrahlen n. s. w.
Disenssion: Hösel erwähnt einen hierher gehörenden Fall von Brachialneoralgie
mit Anschwellnng der Extremität bei einer öOjähr. Frau mit seenndärem Schwach¬
sinn nach Melancholie.
Dig:/cd
Google
526
Brnos erU&rt seine üebereinstiiDiniiDg mit Oppenheim and weist auf F&Ue
mit nnr n&cbüicben Schmerzen hin.
Hdbins hat eine wirkliche Brachialnenralgie nie gesehen (abgesehen ron Wurzel-
erkranknngen) nnd bespricht den mCglichen Zusammenhalt mit der Akinesia algera.
Stintzlng gedenlrt der Schwierigkeit einer Differentialdi^ose zwischen der
Brachialnenralgie und der Keuritis brachialis.
Ziehen betont, dass Bracbialgieen auch als erstes Spiptom eines Hirntumors
in dem später gelähmten Arm, sowie Complication nüt Angiospasmen Vorkommen.
Sänger mahnt znr Vorsicht bei der Diagnose „functionelles Leiden“ und ge¬
denkt zweier Fälle von Sarcom des Humeroskopfes mit den Erscheinungen einer
Braohialgie.
Majser (Hildbnrghausen): Beitrag nr Letire von der Manie.
Yortr. knflpft an die Anschannng Kräpelin’s an, der zu Folge die Manie eine
constitntionelle Psychose nnd ihrem Wesen nach den periodischen Irrsinnsformen
znziirechnen sei Nachdem Vortr. der Untersnchnngen van Erp Talman Kips in
Dordrecht und Otto Hinrichsen in Zürich gedachte, welch ersterer unter 856 auf-
genommenen Kranken 41 sichere Fälle von Manie, davon 36 mit periodischen Anfällen
und 4 mit nur einmaligem Anfalle, letzterer unter 126 manischen Kranken 74 mit
periodischen AnAllen und von 51 als geheilt Entlassenen 17 fand, von denen wieder
9 Fälle in der Zeit von 11—21 Jahren (Altersgrenzen von 36—95 Jahren) zuver¬
lässig gesund blieben, geht er zu seinen Untersuchungen über, die er, unterstützt
von seinem Assistenten Schulz, an 2400 Krankengeschichten anstellte. Aus den
sehr interessanten AnsfiihruDgen werde hervorgehoben, dass Vortr. 59 Fälle, d. i.
nahezu 27, einfacher, mnthmasslich geheilter Manieen fand. Von diesen erscheinen
nach genauen Erkundigungen 32 (16 Männer, 16 Frauen) znr Zeit gesund. Die
Frist, die seit der Entlassung versMcb, beträgt bei 15 (8 Männer, 7 Frauen) 1 bis
10 Jahre, bei 17 (8 Männer, 9 Frauen) 11—31 Jahre. Der älteste der Männer
ist 64, die ältesten der Frauen sind 60 Jahre (21jährige Oenesnngsdauer), 48 nnd
49 Jahre alt (mit je 31 jähriger Glenesui^sdaoer).
Vortr. zieht als Schluss seiner Erfahrungen den Satz, dass die einfache, solitär
im Leben eines Individuums auftretende Manie allerdings eine grosse Seltenheit, sowie
dass sie gleich der Melancholie eine exquisite constitutionelle P^chose sei mit ausser-
ordenÜicb grosser Neigung zur Periodidtät, dass man aber kein Recht habe, sie
ihrem Wesen nach schlechthin als periodische P^chose zu bezeichnen.
Discussion. Binswanger stimmt den Ausführungen des Vortr. bei und betont
besonders das vereinzelte Auftreten von Manieen in der Entwickelungsperiode. Er
theilt kurz den Fall einer Dame mit, welche im 19. Jahre eine typische Manie durch¬
machte und bis heute, nach 13 Jahren, trotz verschiedener Schädigungen (wie z. B.
Puerperien) völlig frei von einem zweiten Anfälle geblieben ist.
Sänger (Hambui^): Veber hystexlaohe AtigenmoskelstörungeaL
Vortr. wirft die Frage auf, ob wirkliche Augenmnskellähmungen bei der Hysterie
vorkämen. Die Charcot’sohe Schule nahm stets Contractur des Antagonisten an
und nicht Lähmung. Die Fn^e ist in nener Zeit von Vielen gewürdigt worden, in
Deutschland von Hitzig u. A., in Oesterreich von Kenn. Letzterer verhält sich
vereinzelten Augenmnskellähmungen bei Hysterie gegenüber sehr skeptisch.
Vortr. wählt unter den vielen Angenmuskelstörungen die hysterische Ptosis und
^ebt eine kurze Uebersiebt über die Litteratur, aus der er Sondon erwähnt, der
1872 eine hysterische linksseitige Ptosis zur Heilung brachte, ferner Schäfer, der
bei einem Kinde eine hysterische Oculomotoriuslähmung beschreibt.
1891 war es Charcot, der nachdrücklich auf die hysterische Ptosis hinwies
die er als Confractur auffasste.
Dig: ^od
Google
526
Hitzig fand eine doppelseitige Ftosis bei einem Arbeiter. Vortr., der in den
letzten Jahren eine ganze Reihe von mit hysterischer Ftosis behafteten Kranken be¬
handelte, bespricht diese Fälle an der Hand von Photographieen aosffthrlicher and
gedenkt der verschiedenen Ansichten verschiedener Forscher. Cbaroot erklärt die
Ftosis durch einen Spasmus im Orbicularis nicht durch Lähmung des Levators.
Eunn findet das Charakteristische der hystenschen Ftosis darin, dass Äugen
vrie leicht zum Schlafe geschlossen aussehen und ist mit Hitzig und Scbmidt-
Rimpler der Meinung, dass wir bei der Ftosis eine paralytische sowohl wie eine
spastische Form zu unterscheiden haben. Die Richtigkeit dieses Satzes erläutert
Yortr. Derselbe spricht dann in Kürze von der sog. hysterischen reflectorisehen
Fnpillenstarre, die er nicht anerkennt ln zweifelhaften Fällen empfiehlt Vortr., die
Patienten auf 1—2 Standen ins dunkle Zimmer zn legen, wodurch eine Erholung
des Sphincter pupillae eintrete. Was die Therapie der Ftosis anbelangt, so ist sie
die gleiche wie die der Hysterie überhaupt
Discussion: Schwarz betont den Werth genaner Accommodationsprüfung bm
Fällen von anscheinend hysterischen Pupillenstörnngen.
Oppenheim erwähnt eines schon früher von ihm beschriebenen Falles von
schlaffer Ftosis bei hysterischer Amaurose, sowie einer Hysterie mit refiectorischer
PupUlenstarre, bei der die letztere durch eine abgelaofeoe Himlnes bedingt war.
Bruns nimmt an, dass die schlaffe Ftosis der Hysterischen anf unbewusst will¬
kürlicher Aufhebung der Innervation des Augenlides beruht
Möbius hält strenge an dem Satze fest: Es giebt keine hysterischen Augen-
muskellähmungen, es giebt auch keine hysterische Ftosis. Er macht darauf aufmerk¬
sam, dass die einzelnen hysterischen Patienten eine sehr verschiedene Geschicklichkeit
im willkürlichen Schliessen der Lider haben.
Stintzing glanbt mit dem Vortr., dass es eine hysterische Ftosis gebe, und
dass gerade das isolirte Auftreten der Ftosis häu^er bei Hysterie als bei organischen
Erkrankungen und daher für jene charakteristisch sei.
War da: Ueber degenerative Ohrformen.
Vortr. untersuchte in der psychiatrischen Klinik zu Jena mit Zugrundelegung
der 1895 veröffentlichten Zählkarte von Schwalbe 96 Männer und 87 Frauen. Die
Form I der Darwin'schen Spitze fand sich überhaupt nicht. Form II und III bei
den Männern in 16,7'^/o, bei den Frauen in 22,4 Der Durchschnittsformwerth
der Darwin’schen Spina beträgt bei den Männern 4,3 — bei den Nichtbelasteten 4,2
— bei den Belasteten 4,6; bei den Frauen 4,3, bezw. 4,6, 4,1. Der mikroskopische
Ohrindex (Ohrbasis X 100: Ohrlänge) weist im Allgemeinen höhere Zahlen auf als
bei Schwalbe. Die Belasteten incliniren zu etwas kleineren Werthen für den
morphologischen und zu etwas grösseren für den physiognomischen Ohrindex. Auf
die Wange verlängerte Lobuli fanden sich bei den Männern in 7,8 '^/q. bei den
Frauen in 11,1'^Iq. Einfach angewachsene Lobnli bei den Männern in 31,7 ^/q, bei
den Frauen in 40%. Zur Feststellung der Bedeutung gewisser Ohrd^nerationen
empfiehlt Vortr. ausser der Vergleichui^ Kranker mit Gesunden, Belasteter und Un¬
belasteter vergleichende Messungen in den Familien mit psychopathischer Constitution.
Teuscher: Einige Mittheilungen über sus^stive Behandlung.
Vortr. tritt nach seinen Erfahrungen sehr warm für die hypnotische Behandlung
von Kindern, sowohl zu therapeutischen als zu päd^ogischen Zwecken ein; er be¬
richtet über mehrere Fälle von Heilung der Masturbation, des nächtlichen Bettnässens,
störender Unarten beim Sprechen u. A. m. Vielem Interesse begegneten die Aus-
führnngen über eine hypnotisirte Familie, in welcher Vortr. zuerst einen an chorea¬
tischen Zuckungen leidenden Knaben heilte, sodann auf Verlangen des Vaters auch
auf den Charakter des Kindes hypnotisch erziehlichen Einfluss nahm, worauf das
Google
527
Elternpaar von dem bei seinem Sohne erzielten Erfolg so entz&ckt war, dass es sich
seinerseits einer hypnotischen Cor unterzog, die Mntter Henstroations* und Obsti¬
pationsbeschwerden, der Vater Ernfthrnngsstörnngen nach Alhobolmissbraoch wegen.
Vortr. kommt zu dem Schlosse, dass aoch Kinder ohne Bedenken der Hypnose unter¬
zogen werden könnten.
Discnssion: S&nger bleibt bei seiner Ansicht, dass man die Hypnose bei Kin¬
dern nicht anwenden solle, umsomehr als er Hypnose f&r kfinstlich erzeugte Hysterie
halte; er komme stets mit Wachso^estionen aus.
Möbius: Fsyohiatrisohe (jK>ethestadlen.
Bef. mnss es mch leider versagen, die hochinteressanten AnafQhrungen vollständig
wiederzi^eben, ist vielmehr zn einer dtlrftigen Ai^be des Gedankenganges genötbigt
Vortr. ist der Ansicht, dass auch ftlr Goethe das Wort gilt: „Das Genie ist
eine Nenrose“. Er findet, dass bei keinem anderen Dichter das Paihologische eine
so grosse Bolle spiele, wie bei Goethe. Shakespeare hat sich die ärztliche Beobach¬
tung vielfach zogewendet, Goethe dagegen nie. Dass bei diesen beiden Dichtem
krankhafte Personen oft im Mittelpunkte der Dichtung stehen, hängt offenbar mit
ihrem „gegenständlichen Sinne“ zusammen, mit der treuen Beobachtung der sie um¬
gebenden Wirklichkeit Es erhebt sich nun die Frage, in wie weit hatte Goethe
Gel^enbeit, krankhafte Geisteszustände kennen zu lernen ? JedenfoUs bildete er seine
Anschauungen nicht aus p^chiatrischen liOhrbfichem, noch aus dem Besuche von
Irrenanstalten, sondern durch die Beobachtung der Gesellschaft, durch allgemeine
Literatur, durch das gelegentliche Gespräch. Bemerkenswerth ist, dass der alte Goethe
einmal sagte: „Die Welt ist so voller Schwachköpfe und Narren, dass man nicht
nöthig hat, sie im Tollbanse zu suchen.“ Vortr. bespricht kurz die Irrenpfl^e in
Goethe’s Umgebung und Zeit und wendet sieh dann den pathologischen Naturen zu,
mit denen Goethe in Berfihmng kam. Im Eltemhause verkehrte ein durch Dementia
praecox blöde gewordener junger Mann, der Bechtscandidat Claner. Der gleichen
Krankheit verfiel Goethe’s Jugendfreund Lenz, von dem er einmal sagte: „Er hatte
zu viel gewollt, drum hat er zn wenig gekonnt.“ Zimmermann verfiel der Hypo¬
chondrie, Jemrälem, Knebel’s Bruder, der Dichter Kleist, das Fräulein von Gnnderode,
Zeller’s Sohn, Merck endeten durch Selbstmord. Endlos ist die Beihe der Personen,
deren Charaktere einen pathologischen Einschlag darbieten. Die Schwester Cornelia,
die Pietisten in Frankfurt a./M., Jnng-Stilling, Herder, Lavater, Basedow, die Grafen
Stolbeig u. V. A.
Vortr. zählt dann die wichtigsten pathologischen Kguren in Goethe’s Werken
auf; er nennt Weither, Gretcben, Orest, die Hddin des Dramas „Lila“, in Wilhelm
Heister den Harfner, Mignon, den Grafen and die Gräfin, die schöne Seele, Aurelia,
in den Wahlverwandtschaften Ottilie, in Wahrheit und Dichtung Lenz und Zimmer¬
mann, in Benvennto Cellini diesen selbst ond den Kerkermeister, endlich Tasso im
gleichnamigen Drama. Letzterem gelten des Vortr. weitere Aosffihrungen, die darin
gipfeln, dass Tasso ein an Paranoia leidender Geisteskranker war, dass es aber nicht
in Goethe’s poetischer Absicht lag, ihn als einen ausgesprochen psychisch Kranken
hinznstellen; andernfalls hätte sich Goethe dem Vorwürfe, der ihm vielleicht auch so
mit einiger Berechtigung gemacht werden könnte, ansgesetzt, dass ein Schauspiel mit
einem irrsinnigen Helden eine ästhetische Unmöglichkeit sei. Wie Goethe tlber seinen
Helden dachte, gebt aus einem zu Eckermann geänsserten Worte hervor: „Ich hatte
das Leben Tasso’s, ich hatte mein eigenes Leben und indem ich zwei so wunder¬
liche Figuren mit ihren Eigenschaften zusammenwarf, entstand mir das Bild des
Tasso“.
Der Vortr. scheidet in kritischer Weise den historischen und den in der Dich¬
tung gezeichneten Tasso. Und nachdem er den Lebensgai^ des Ersteren beleuchtet
und nachgewiesen hat, in welcher Weise Goethe die verschiedenen Quellen benOtzte,
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kommt er za dem Schlosse, dass der Ästhetische tasso dnroh den historischen ge*
schädigt wurde, dass das Drama den Eindrack wecke, als werde in demselbMi mit
grosser Sachkenntniss und Feinheit ein Kranker geschildert, der an beginnendem
Terfolgungswahn leidet, in seinen Phantasien lebt, die Einsamkeit snoht, zn Zeiten
auch dissimolirt. (Vortr. citirt mehrere Stellen aas der Dichtung zur Begrttndnng
seiner Ansichten.) Fragen wir non, wie konnte es dem grossen Goethe geeehehen,
dass ein Paranoiker im Mittelpunkte eines Dramas steht, and welches ist die Be*
dentang der Schlassscen^ so glaubt Yortr., dass sich Q^he Aber die Bedentong
der von ihm rerwendeten historischen krankhaften Zflge getäuscht habe, nicht aber,
da«« er, wie Schöll annimmt, den ansbrecbenden Wahnsinn Tasso’s als Katastrophe
(im Aristotelischen Sinne) verwenden wollte — eine solche ist vielm^ in dem
tragischen Bruche zwischen Tasso und dem fürstlichen Hause groben —; was Goethe
mit der Schlussscene wollte, das weise Niemand. Seiner Natur mag es widerstrebt
haben, einen Ausblick auf endlosen Jammer zo bieten; glücklich konnte « seinen
Helden aus historischen Gründen nicht werden lassen, so wählte er einen Schluss,
bei dem Jeder denken kann, was ihm zu denken am liebsten ist.
Discussion: Oppenheim spricht sich prindpiell gegen die YerBchwisterung
psychiatrischer und ästhetischer Betrachtungen aus. Ooethe’s Tasso sei der von
höchstem Idealismus erfüllte Mensch, der in die reale Welt nicht hineinpasse. Würde
die Kunst sich darauf beschränken, uns Typen vorznführen, die vor dem strengen
Forum der Psychiatrie als normal gelten, so würde uns Yieles und vielleicht das
Beste verloren gehen. (Schluss folgt)
IV. Vermisohtes.
Einladung zu Jahrewiitrong des Vereios der deutsohiexi Irrenärste in Bonn
am lü. and 17. September 1898.
Vorläufige Tageeordnung:
t. Antrag des Vorstandes: a) Die Jahressitzung weiterhin regelmässig im Frfihjahr ab*
znhalten und zwar in der Woche nach Ostern, b) Als Versammlungsort mehrere Städte za
bestimmen, in welchen in regelmässigem Turnus die Jahressitznngen al^ebalten werden*
Vorgesohlagen werden zunächst Berlin, Fnuikfurt a./M. und MOnohra.
2. Die Anwendung der Hydrotherapie und Balneotherapie bei psychischen Krankheiten.
Bet: Prot Dr. Thomsen (^nn).
8. Die ZareohnnngsfiUiigkeit der Hysterischen. Bet: Prot Dr. Fürstner (Strassbore).
4. Deber Marksobeidenentwickelii]^ des Gehirns nnd ihre Bedeutung für die Lociui*
sation. Bet: Prot Dr. Siemerliog (Tübingen).
Das Localoomitö werden die Herren Pelman und Oebeke bilden.
Die Anmektung von Vorträgen wird bis Hütte Juli erbeten.
Der Vorstand.
Die Aerzte des königl. Bades Oeynbaosen machen darauf aufinerksam, dass die nod»
hätt^ für Oeynbaosen gemuebte Bezeichnung „Behme“ zu vielfachen MissverständniMea
Veraniaaenng giebt, und zu vermeiden ist
Dm Einsendung von SeparatabdrÜcken an den Herausgeber wird gebeten.
Einsendungen für die Bedaotion sind zn richten an Prot Dr.E. Mendel,
Berlin, NW. Schiffbauerdamm SO.
Verlag von Vnrr & Coxp. in Leipzig. — Druck von Mnsoin & Wznie in l^ipsig.
Dig . /cd oj CjOO^Ic
r— Br< 1 XlnxenRu iw miüWiiür^^w.
itrm. Saniliisril Or. Prellers Wasserheilanstalt fllr Nerven-, Frauun- und chroaiwlie
Krsnkheiten. Prospekte durch die Direktion.
Dirigirender Anst: Dr. Ralf Wichmann, Nervenarzt.
März bis November.
Haus Rockenau bei Eberbach am Neckar.
Heilanstalt für
Aleoholkranke ii. Morfiumkranke.
Das ganze Jahr hindurch geöffnet. — Prospecte sowie o&here Aueknnfk
iireh den Besitzer tind dirigirenden Arzt
Wr. C> Ffirer, vorm. Assistent tos Herrn Prof. Kripelin in Heidelberg.
I Sanatorium Elsterberg
i > isilohH. Vog^tlnnd —»
I Specialanstalt für Alkohol- und Morfiumkranke.
f Prospecte koetenfrei. Dr. K» Römer,
Die Curanstalt für Nervenkranke
in Blankenburg am Harz
ketet Nerrenkranken, Erholungsbedürftigen und an leichten Verstimmung«*
ZaMnden leidenden Patienten einen geeigneten Aufenthalt in mittlerer ge*
Kkfltzter 6ebii^;slage in der Nshe der besuchtesten Punkte des Harz-Gebirges.
Slherea durch Prospecte. SanitätBrath Dr. Otto Müller. Dr. Paul Rehm.
1
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Du» ganze Jahr hiiulurch geöffnet. S
Ormtis-pToepekte d. d. äntl. Leiter: Dr. Putzar n. Dr. Winobenbaoh. |
SE EKUE-
Hasserbeilanstalt Sophienbad zu Reinbek (nahe Hamburg).
>»■ 0 . Pneumatotherapie, Gymnastik, Massage, Oi&tkureu. Dr. Faul Hennings.
Entziehungskuren
Pr. Fromme, Stelliogen (Hamburg).
Rro^pecte grati-a.
Dietenmtihle Wiesbaden.
f. VnfDkraake o. krankbeittD i. Stoffwerbk^ls. Geisteskraokf ausgrschlosseo.
^^:'«TtQr. Dampfbäder. Dampfdooche. Wiesbadener Thenntvlbädcr. Kiefurnadelbader.
V.-^rbsdc^. Fan^behandlang; Elektrotherapie; l^^anklinische Douche; elektrische
*- Ma-::.age and Heilgymnastik. Fneomatische Glocken. Diätkuren. Milcbkaranstalt.
K*S-Aafzag. Das ganze Jahr geöifbet and besucht. Näheres im Prospect.
i5an.-B4th I>>*. C. W. Mflllei', dir. Arzt. I>t*. Werberloli.
Erocliiire über J=Sn,dlw Onsteiw
vom königl. Rath Dr. Gager,
Badearzt in Had-Gasteiu (.im Wiuter Curarzt in Arco)
Aa|. Hirschwald in Berlin erochienen. r~-
Du ,1 ) VjOOQIL
I
Sanitätsrath Dr. Ritscher’s
Wasserheilanstalt Lauterberg (Harz).
Das ganze Jahr besucht. Prospecte. -
1
I>r. Otto I
Hn,na.toritam f*. ^er^’en4
und chronische Krankheiten j
Im kllmat nahe Breslau f
Kurort Ü\?X IXlg JX jm sogen. „Katzeugebirge** ^
UTdro.Klectrotherapie, Massage, electr. ZweizellenbUder, finiil irnlilriniltiii iiliTtili>i|
DlUtkuren et«. Zar Aafoahme kommen alle Formen von fuutioncUea und organiadM
Erkrankungen des Nerven^tems, aussehlieealich Oeisteaetörongen. ^
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Centrale, Dampfkuren. Auf eine SpeoialltXt der Anstalt gestattet sieb der Uni
zeiohncto die Herren CoIIegen hinzawoisen:
Die Dampfwellenbttder in Bassin und Wanne, kalt und warm, gegen Verdaai
achwXeben (auch durch Aloohol, Nicotin, Morfium), llautsehwXehen (Biiass, N<
Gerdcfaen, Hyperaesthusien, Nesselsuoht Rückstände von llaotkrankbeiten etc.), ir«
UnterleibssenwilobeB.
Die lauwarmen Grade (22—25*) sind auch nach längeren Warmbäderkurea
lieb Kissingon) und den bbhmischon Bädern, zur KräfHgong der Haut zn empfehl«
binterlassen ein äusserst wohliges Behagen.
Dr. med. Lots’ Nervenheilanstali
FiriedrioHroda i. Tbxir'.
Behandlung mit mechanischen Hautreizen (cf. Zeitschr. für kliu.
B. XXX H. 1 u. 2), besonders für Fälle, bei denen Wasserbehandlung
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Professor Dr. E. Mendel
;|MMkBtcr n Jahrgang.
jeh enchemcD zwei Xammero. Preis des Jahrganges 24 Mark. Zu beziehen durch
ft^bandiongen des In- wnd Auslandes, die Postanstalten des Deutschen Beicbs.
sowie direct tod der Verlagsbuchhandlung.
iZ.Töl
15. Juni.
Leipzig,
Verlag von Veit & Comp.
1898 .
Nr. 12.
AWKÜNDlüUNGEiN.
An der HenogL Irren-Heil- u. Fflegeanstalt nu Hildburghausen ist
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Professor Dr. £. Hendel
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Monatlich erscheinen zwei Nummern. Preis des Jahrganges 24 Mark. Zn beziehen dnrch
alle Bnchhandinngen des In* und Anslandes, die Postanstalten des Deutschen Beichs, sowie
direct von der Verlagsbuchhandlung.
1898. 15. Juni. Nr. 12.
I. Ori^lnalmltthsiluiiflsn. 1. üeber das innere Ohr bei der Anencephalie, von Dr.
0. Veragnth in Zhrich. 2. Das mediale Opticasb&ndel der Taube, von Dr. Adolf Wallenberg in
Danzig. 8. Syringomyelitische Dissociation der Sensibilität bei transversalen Myelitiden,
von PrivabDoeent Dr. L. Minor. 4. üeber Magen-, Darm- und Hamblasencontractionen
während des epileptischen AnfsUs, von Dr. W. Ostlpow. 5. Ein mit den Symptomen des
Malum suboccipitme einhergehender Fall von Gehimgescbwulst and Hemiatropma linguae,
von Dr. JobMn Wonbardt.
II. Roferato. Anatomie. 1. Enerimentelle Untersuchungen äber den Aufbau der
Binterstr&nge beim Affen, von Margulids. 2. Sur le gro^ement des Obres endogenes de
la mobile dans les oordons postdrieurs, par Diriour. — Efzperimentelle Physiologie,
3. Troubles trophiques oon8wQti& ä la section des raoines postbrieures mbdullaires, par
Moral. 4. Coesistono centri sensitivi e centri motori nella zona volandica corticale de cer-
vello umano? per Negro e Oliva. — Pathologische Anatomie. 5. Sul comportamento
delle cellule nervöse dei gao{^i spinali in segnito al taglio della trauca centrale del loro
prolungamento, per Lugaro. 6 . Untersuchung Ober das Verhalten der hinteren Wurzln bei
einem Falle von Tabes dorsalis. von Dambaeher. 7. So alcuni rapporti tra le alterazioni
del nucloo e del protoplasma delle ceUule nervöse corticali (paralisi generali), per Grimaldi.
8. Ricerohe batteriolo^ohe sul liquido cefalo-rachidiano dei dementi paralitici, per Monlesano
et Hontotsorl. 9. Patholopcal changes in nerve cells, by Warrington. 10. Beitrag zur
Pathologie der GanglienzeUe, von Juliuä)urgor und Meyer. 11. Ueber NervenzeUveranderungen
des Voraerhorna.^ bei Tabes. Ein Beitrag zur Pathogenese der trophiscben Störungen -.er
Tabes, von Schaffer. 12. Degenerationen der Torderhomzellen des Röckenmarks bei Dementia
pvaljtiea, von Borger. — Pathologie des Nervensystems. 13. Le tabes dorsalis. par
rbillppo. 14. De la topographie des troubles sensitifs Jans le tabes; ses rapports avoc les
sensationa des tabdtiqnes, par MariPieteo. 15. Le tabes d’api^s les travauz du Dr. Pierret,
par Klippel. 16. A case of tabes dorsalis with delusional iosanity, by Simpion. 17. Mal
perforant du pied nach Embolie der Arteria poplitea, von Stummer. 18. Locomotor ataxia
with sdmost complete analgesia, bj Beevor. 19. De la eure radicale du mal perforant par
l'dloDgatioD des nerfs plantaires, par Chipaiilt. 20. Ueber die Coincidenz von Tabes dorsalis
und Aortenerkrankongen, von Enelln. 21. Contribnto allo studio clinico della tabe, per Parde.
28. Le dennographisme dans le tabes dorsalis, par RaTchtlne. 23. Zur Symptomatologie der
Tabes, Ton Banda. 24. Ein Fall von Tabes dorsalis mit Herpes zoster, von Wostphat.
25. üeber erbliche Tabes, von Kallscher. 26. Ueber infantile Tabes und hereditäre sypbi-
Hüsebe Erkraokuagen des Centralnerrensystems, von Kallscher. 27. Locomotor ataiia in
husband and wife, hjj Trevalyan. 28. Ist die progressive Paralyse aus den mikroskopischen
Befanden an der Grossbimrinde pathologisch • anatomisch diagnosticirbarP von Schmidt
29. La demenza paralitica negli imbecille, per Cappelielll. 30. Ett fall af h^okondrisk
paraijs med tabetis&a Symptom, afMarcut. 81. 1. demenza paralitica nei peUagrosi, per
Ranotta. — II. Della demenza paralitica nei petlagrosi, per Verga. — III. Replica, per Planotla.
88. Die Bolle der Lues bei der Tabes und der Paralysis progressiva, von Sarbd. 38. The
earlj diagnosis of tabes, by Meisewitz. 34. Die Bebandlnne der Gan^törungen bei Tabes
vermittelst der Uebungstherapie, von GrSupner. 35. Oiu den s. k. heredit^ cerebellara
atazien, af Lennmaim. 36. Tne morbid anatomy of a case of bereditary atazie, by Meyer
and Brdwn. 37. Notes on three eases of cerebral tumour occurring in tbe insane, by Good-
tifle. — Psychiatrie. 38. Ueber den AlkoboliBmus. von SIkorski.
34
530
IIL Am dMi SestiltchaflM. OMellsohaft der Nenropatholo^ and Inenärata sn
Moekaa. — ni. VeraammlaDg: mitteldeutscher Psychiater and Neorologen in Jena am
1. Mu 1898. (Schloss.) — Yerein fhr Psychiatrie and Neurologie in Wien. — XXIll. Wander»
TersammluDg der sfidweetdentschen Neorologen and Irrenär^ za Baden*Baden am 21. and
22. Mai 1898. (Schloss folgt)
iV. Bsrlektlgang.
L Onginalmittheilnngen.
[Ans dem hirnanatomisohen Laboratorium des Hm. Prof. y. Monakow in ZüricL]
1. Ueber das innere Ohr bei der Anencephalie.
Von Dr. O. Veragnth in Zflrieh.
Nachdem im Jahre 1891 y. Monakow^ das Vorhandensein von Spinal-
ganglien bei Amyelie nachgewiesen und die generelle Bedeutung dieses Bef^des
heiYo^ehoben hatte, ist es weiteren Untersuchungen über Anencephalie und
Terwandte Missbildungen vielfach gelungen, durch analoge Resultate das Piincip
der „Selbstdifferenzirang^' (Roux) auch bei anderen früh abgeschnürten Theilen
des Nervensystems zu zeigen und dadurch teratologisch die Behauptung der
modernen ^biyol<^e zu erhärten: dass im Entwickelungsplan des Nerven¬
systems ein ^ühes Ausschwärmen von Gai^lienzellengrappen und Auswachsen
von späteren rückwärtigen Verbindungen mit dem MeduÜarrohr vorgesehen ist
Namentlich war es die Retina der Anenoephalen, welche die Forscher intereesirte
imd über die die Ihscussion noch nicht geschlossen zu sein scheint Dass bisher
dem inneren Ohr der Anencephalen von keiner Seite Beachtung geschenkt
worden ist, mag füglich auffallen. Denn es ist a priori festzustellen, dass das
Fehlen oder Vorhandensein des Ganglion spinale ein gewicht^^ Glied in der
Beweiskette g^n oder för den obigen Satz bedeutet; ebenso ist von vomhaein
zu erwarten, dass — analc^ der Retina der Anencephalen — die Gebilde im
Ductus cochlearis bei dieser Missbildung principiell wichtige Befunde bieten
werden. So scheint mir denn der Befund, den das Felsenbein eines Anencephalen
bietet, der am hiesigen Laboratorium untersucht worden ist, einer vorläufigen
MitÜieilung wertin
Dasselbe gehörte einem 7 Monate alten Anencephalen an. Nach Fizirung
■ in MüLLBB’scher Flüssigkeit, Entkalkung, Härtung in Alkohol, Einbetten in
Celloidin wurde das Präparat geschnitten und mit Hämatozylin-Eosin, zum Theil
mit Carmin ge&rbt
Zwischen der Schnecke und den übrigen Theilen des Labyrinths verläuft
im Enorpelgewebe ein parallelstreifiges dünnes Band. Ob die feinen Linien, die
zwischen den kleinkörnigen Zellen verlaufen, zum Theil als Nervenfssem an-
* CoiTe8pond«nzbl. f. Sohweizzr Äerzte. 1892. — YergL zach O. v. Lsoitowa, diwm
Czotralbl. 1898.
Dg I. j : :iy Google
531
zQsprechen sind, oder ob es sich nnr nm ein bindegewebiges Stroma handelt,
ist hei der angewandten Färbung nicht zu entscheiden; jedenftdls aber entspricht
die Lage des Gebildes der des Ramus cochlearis nern aoustid. Innerhalb dieses
Gewebes fallen grossere und kleinere Haufen von unTerkennbaren Ganglienzellen
auf, deren jede einzelne durch einen Hof Yon dem umgebenden Bind^webe
getrennt ist, und ein feinkörniges Protoplasma einen von einer helleren Zone
umgebenen centralen Hem aufweist Als Ganglienzellen documentiren sich
dieselben — trotz des Fehlens Yon Protoplasmafortsatzen und Aiencylindem,
durch das absolut gleiche Aussehen, wie es die Ganglienzellen im wencephalen
Bäckenmark und in den Spinalganglien bieten; Yom umgebenden Gewebe heben
sie sich durch ihre Grösse ab. — Einzelne solcher Zellen sind auch im Knorpel-
gewebe der Schneokenspindel nachweisbar. Das Ganglion spirale ist dem¬
nach Yorhanden.
Die knöcherne Schnecke ist wohl ausgebüdet und makroskopisch schon
sichtbar. Unter dem Mikroskop zeigt es sich, dass auch die häutige Schnecke
auf einer gewissen Entwickelungss^e angetroffen wird. Die RniBsnEB’sche
Membran ist wohlentwickelt, ebenso das Ligamentum spirale, beide sind auf
ihrer dem Ductuslumen zugekehrten Oberfläche Yon Epithel bedeckt, erstere you
einscbicbtigem, letztere Yon einer Menge kleinerer cylindrischer Zellen. Die
tympauale Wand, in den meisten Schnitten im häutigen Theile gerissen, zeigt
auf wenigen die ganze Continuität Yom Limbus spiralis bis zum T.i gftm. spirale.
Der Sulcus spiralis ist scharf umgrenzt — Am lÜmbus spiralis lassen sich die
papillären Erhebungen des Bindegewebes, die HuscHKs’schen Gchörzähne, deut¬
lich sehen, dazwischen li^en hellere Kerne mit sdiarf umschriebenem Kern.
Die Lamina spiralis membranacea lässt ihre drei Bestandtheile: Membrana basi-
laris, tympanale Belegschicht und Epithelbelag zwar erkennen, doch sind die¬
selben zum Theü noch unYoUkommen entwickelt Erstere nämlich zeigt in der
äusseren Hälfte der Zona teota und in der Zona pectinata eine Unterbrechung
derart, dass das tympanale Bel^;gewebe allein eine Continuität Yom CoBTi’sohen
Organ nach der Peripherie heizustellen scheint Die Zellen, die das CosTi’sche
O^an hätten bilden sollen, sind so angeordnet, dass immerhin ein Arcus spiralis
angedeutet und ein „Tunnel“ unverkennbar ist Denn die inneren uud äusseren
Ff^erzellen sind vorhanden. Es fehlen aber die Hensen’schen, die Deiters’-
schen, die äusseren und die inneren Haarzellen; an ihrer Stelle finden sich
unentwickelte, rundliche Epithelzellen von embryonalem Charakter und noch
unbestimmter Anordnxmg. ln Folge dessen kann auch von Nuel’sohen Bäumen
nicht die Bede sein. — Ueberdeckt sind diese Gebilde von der zierlich gestreiften
Membrana tectoria.
Es eigiebt sich hieraus, dass in unserem Präparat vom epithelialen
Antheil der häutigen Schnecke genau das sich entwickelt hat, was
mit dem Nerven selbst später nicht in directe Verbindung gekommen
wäre, dass aber alle Zellen, an denen die Endausbreitung des
N. cochlearis hätte stattfinden sollen, sich nicht differenzirt haben.
S4*
I
Dig; /cd c/ Google
532
2. Das mediale Opticnsbündel der Taube.
Ton Dr. Adolf WaUenborg in Danzig.
Im Tractns opticus der Y^el lässt sich eine mediale Faseigruppe gesondert
Yon den übrigen bis an die candale Grenze des Mittelhims verfolgen. Hier
verschwindet sie in einer grossen wohlbegrenzten Anhäufung von Ganglienzellen,
die lateral vom Trochleariskeme gelten als „Ganglion isthmi“ (finiNOsa),
„Ganglion opticum dorsale“ (Jelgebsha) bezeichnet wird. Das Bändel ist von
Bellonci^ SmoBB und Mükzeb, besonders von Fbblia* genau beschrieben.
Letzterer wies auf degenerativem seine Abhängigkeit vom Ganglion isthmi
nach und folgerte daraus eine centrifugale Natur seiner Fasern. Jelgebsha’
konnte durch NissirFärbung nach Enucleation des Bulbus einen degenerativen
Untergang der Zellen des Ganglion beobachten und auf diese Weise die Resultate
Perlia’b bestätigen. Aber es fehlte bisher noch das letzte Glied in der Beweis¬
kette, dass die Fasern des Bündels im Ganglion isthmi ihrm Ursprung besitaeu.
Zu diesem Zwecke war es nothwend^ das Ganglion selbst zu zerstören, denn
erst dann war es möglich, die von ihm ausgehende Degeneration nicht nur, wie
bisher, in das Ghiasma hinein zu verfolgen, sondern auch die Endausbreitung
der degenerirten Fasern innerhalb des Bulbus oculi näher zu studiren. Es ist
mir in den Jahren 1896 und 1897 bei 3 Tauben gelungen, das Ganglion theils
isolirt, theils mit solchen Nebenverletznngen (Kleinhirn, Trochlearis, dorsale
Isthmns-Theile) zu zerstören, dass die vom Ganglion entspringenden Fasern sich
mühelos von den übrigen Degenerationen trennen Hessen (Fig. 1). Das mediale
Opticusbündel (Pbblia nennt es a. a. 0. das „mediane“, Bellonci zählt es
zur „vorderen oberen Opticnswurzel*^ degenerirte in Folge der Verletzung und
konnte auf diese Weise mit Mabohi’s Ghromosmiumfarbung bis in seine peri¬
pheren Endzweige genau verfolgt werden. Ich verzichte an dieser Stelle auf
eine genaue Beschreibung der Lage des Bündels in den verschiedenen Höhen
des Mittel- und Zvnschenhims, da sie nur Bekanntes (s. Pbblia a. a. 0.) wieder¬
holen würde, und beschränke mich darauf, in kurzen Worten diejenigen Resultate
wiedeizugeben, welche mir als neu erscheinen mussten. Das mediale Opticus¬
bündel bildet den medialsten und am weitesten proximalwärts reichenden An-
theil des Tractus, giebt auf dem Wege vom Ganglion isthmi durdi Mittelhim
und Thalamus Fasern an die Umgebung ab, an die Lobusrinde, insbesondere
aber an den dorsalen Theil des Corpus geniculatum thalamicum und an einen
schmalen Kern mit ziemlich grossen Zellen, welcher sich zwischen den Nucleos
rotundus thalami und den ventralen Pol des dorsalen Corpus geniculatum ein-
* Ueber die centrale Endigong des N. optie. bei den Vertebraten. Zeitsebr. f. wisaenach.
Zoologie. 6d. XXXXVII. 1888. S. U.
* Ueber ein nenes Opticascentrum beim Hohne. G&abfb’s Archiv. 1889.
’ Die sensiblen and sensoriBcfacn Nervenbahnen and Centren. Nearolog. CentralbL
1895. S. 290.
: ..Googic
538
schiebt (Fig. 2).^ Dorsal vom Cbiasma zerfallt es in eine Anzahl schmaler
Fasergnippen von ungleicher Dicke, geht mit der Hauptmasse nabe an der
dorsalen Chiasmagrenze auf die andere Seite, während ein kleinerer Theil lateral-
wärts in scharfem Bogen absobwenkt und auf diese Weise an die gleichseitige
Fig. 1. IsthmoB d«r zweiten «»erirten Taube mit dem Stichcanal (Edinobb'b
Zeiobenapparat, ca. 7faohe vergrosserung, anch die Figg. 2—5, 7 q. 9).
Ecke gelangt (Fig. 3). Trotz dieser lateralen Lage scheint das letztgenannte
Bändel schliesslich auch noch zu kreuzen, wenigstens konnte ich im gleichseitigen
Opticns keine Fasern antreffen, welche mit genügender Sicherheit als degenerirt
batten angesehen werden können. Aus dem Chiasma zieht das mediale Opticus¬
bündel zuerst an die laterale Seite des gekreuzten Opticus, breitet sich dann in
Fig. 2. Caodaler Theil des Tbalamos (dritte operiite Taube).
schräger Richtung von dorsolateral nach ventromedial als ganz schmale Schicht
aus, die vom dorsalen und ventralen Bande ziemlich gleich weit entfernt bleibt,
während sie lateral sich der Peripherie mehr nähert (Fig. 4). Es kommt dabei
natürlich sehr viel auf die Schnittrichtung an, und bei einer anderen Taube,
* Anmerkung bei der Correctur: An gleicher Stelle bat Edikobb schou einen groBs-
B^ligni £em gesehen.
Dg I. j : :iy Google
584
8. PronniAler Thdl d« ThalamoB (dritte operirte Taube).
bei der ich den Opticus senkrecht zur Axe schnitt, war das Bündel deutlich als
mediane rundhohe Gruppe mit ganz geringer Excentridtat zu sehen. Die Ein-
4. Quersohnitt dea
liuen Optieue der dritten
reobte>operirten Taube.
Fig. B. linker Bolbos der dritten Taube, hin¬
terster AbsohnitL ESinetrahlong des Optiens in
die Betina.
'W .V
Strahlung des Opticus in den Bulbus der Taube vollzieht sich bekanntiich in
einer schrägen, eben&Us doisolateral-medioventndwarts gerichteten schmalen
.. Leiste, die nahezu ausschliesslich dem
i inneren, unteren, hinteren Engelsegment
angehört Der Winkel, den die Papille
mit der Senkrechten bildet, beträgt et¬
was mehr als SO*’. Es wird demnach
durch die Papillenleiste und den toq
ihrer ganzen Länge ins Innere dee
Auges Torspringenden „Fächer** der
Bulbus in eine vordere, innere, obere
und eine hintere, äussere, untere Ab-
theüung zerl^ Das mediale Opdcos-
bündel strahlt nun, wie aus Hg. 5 er¬
sichtlich ist, fast voUständ^ nach der
äusseren hinteren Abtheilung aus^ indem
es mit den anderen Opticusfasem in die
Betina eindrii^ xmd hier zwischm den
Zellen der Ganglienschicht endet (Fig. 6,
Vereinzelte Fasern dringen anscheinend noch durch die innere Molecolar-
Fig. 6. Stflek a der Fig. 5 bei oa. 40£acher
yergröBsemog. (Zaus Obj. Aa, Oeolar 2,
AbbS's Zeiobenapparat, aof Vi verkleiDeit.)
7, 8).
Dig l/oö Dy Google
535
schiebt bis in die Nähe der inneren Eömerschioht Die einzelnen Zellen werden
von den Endzweigen wie von den Branchen einer Zange umfasst ^ig. 8). Das
auf diese Weise vom medialen Optioosbündel hanptsäc^oh verso^te Gebiet be¬
ginnt erst weit lateralwarts von der Papille und zieht sich, soweit ich bisher
Rg. 7. Linker Bnlbos der dritten Tanbe weiter Tom
als Fig. 5.
ca. 200 fiush. Yergrösserang.
(Zbub Oln. D, Ocnlar 2,
ÄBn^s 2 eiobenJ 9 parat)
artheilen kann, bis in die Nähe der Fovea lateralis, wo die Nerven&seischicht
aufhörL Nach innen von der Papille lassen sich nur spärliche Degenerationen
naohweisen.
Das mediale Opticasbändel entspringt also im Ganglion isthmi and endigt
in der Betina um die Zellen der Ganglienscbioht Auf seinem dorthin
Fig. 9. Isthmus einer Tanbe mit Bindenätznng des JA>ba8 opttens.
giebt es Zweige an die centralen Endstätten des Opticas (Lohns opticus, Corpus
genicnlat thalamic., grosszelliger Eem s. o.) ab. Bei dieser innigen Yerbindung
des Ganglion isthmi mit peripheren und centralen Abschnitten der Sehbahn
muss die Frage nach seiner Funetton als eine für den ganzen Sehakt wichtige
bezeichnet werden. Einen kleinen Beitr^ zur Lösung dieser Frage glaube ich
D g vocl oy Google
536
durch einen Befund liefern zu können, den ich bei 4 Tauben nach Binden-
zeistörung des Lobus opticus (oberflächliche Aethylchloridnekroee, tiefere Aetzung
mit Salpetersäure) und UAscHi-Färbung wheben konnte. Aus der tiefen
läge der Kinde, dort wo die Fasern des „tiefen Markes*^ entspringen und ein-
münden, lösen sich im Bereiche der zerstörten Rindenzone einzelne Zweige ab,
treten caudal- und medialwärts zu einem geschlossenen Bändel zusammen,
welches ventral vom lateralen Winkel des Höhlengrau, dem lateralen Längs¬
bändel ang^liedert, caudalwärts zieht, in der Höhe des Trochleariskems schräg
dorsomedialwärts zum ventralen Hilus des Ganglion isthmi gelangt und sich nm
die Zellen desselben au&plittert (Fig. 9). Diesen Traotus isthmo-tectalis
hat, wie ich naditräglich durch die Freundlichkeit des Herrn Prof. Dr. Edingeb
in Frankfurt a./M. erfahren habe, Gaüpp' auch beim Frosche an gleicher SteUe
gefunden, vor ihm P. Bamön t Cajal. Die Fasern des tiefen Markes and
nun in erster Reihe mit den Endstätten des Opticus (oberflächliche und mittlere
Schichten der liObusiinde) verknüpft, enthalten jedoch bekanntlich ausserdem
centrale Verbindungen mit den Endkemen anderer sensibler und motodsc^er
Nerven. Wir haben demnach das Ganglion isthmi als Oentrum eines Beflex-
bogens zu betrachten, dessen zuleitender Schenkel (Tractus isthmo-tectalis) Er¬
regungen in erster Reihe optischer, aber daneben auch acusüscher und anderer
sensibler Oentren auf die ^Uen des Ganglion und dadurch auf die Fasern des
medialen Opticusbündels zu übertr^en verm^, welches dem centrifogalen
Schenkel des Bogens entspricht. Letzterer endet hauptsäcMch in der Retina
um Zellen der Ganglienscbicht und um ihre Dentriten, daneben in centraden
Opticu^bieten. Alle diese Zellgruppen können auf dem W^ durch das
Bündel in ihrer specifischen Function (Leitung und Uebertragnng optischer
Eindrücke) beeinflusst werden, und das besonders in der Umgebung der Zone
deutlichsten Sehens. Auf diese Weise resnltirt ein Apparat, der in hohem Grade
dazu geeignet ist, durch sensorische und sensible Err^ungen die Aufnahme¬
fähigkeit des Sehoi^ans an bestimmten Stellen zu verstärken oder abzusehwächen,
d. h. eine Art von Accommodation der Retina zu schaffen. Dieser Apparat
ist bei Säi^em, also auch beim Menschen bisher nicht gesehen worden. Gelange
es ihn aufzufinden, so hätten wir meiner Ansicht nach eine anatomische Basis
für manche bisher unerklärliche Daten der physiologischen Optik. Ich erinnere
nur an die Erscheinungen des Gontrastes, der Nachbilder, an die Verändemng
der Sehschärfe durch gleichzeitige andere Sinn^rregungen, deren Grund
bisher lediglich in functionellen Veränderungen der Grosshirnrinde gesucht hat.
Ob auch die zuweilen beträchtliche Accommodation Aphakischer mit dieser Ein-
richtuug in Zusammenhang zu bringen ist, lasse ich dahingestellt
Wenn ich mir auch der hypothetischen Natur dieser Folgerungen aus
meinen anatomischen Befunden wohl bewusst bin, hoffe ich doch zu
prüfungeu und zur Bearbeitung der Frage angeregt zu haben, ob nicht ähnli ft be
‘ Aoatomie des Frosches. II. Abtb. 1. Hälfte. Lehre vom NerveDsystem. 2. Aafl
S. 47 XX. 50. Fr. Vieweg o. Sohn. Braonsohweig.
DiQ'iii’od
Google
— 537 —
fänrichtiiD^n anch im Bereiche anderer Sinnesorgane nnd Sinnescentren be¬
steh«!.
Herrn Prof. Dr. Edinobb sage ich meinen herzlichen Dank für seine freund-
liebe Unterstützung mit Litteratur.
3. Syringomyelitische
Difisociation der Sensibilität bei transversalen Myelitiden.^
Von PriTBt • Docent Dr. L. Minor in Moskau.
M. H.! ln Nr. 20 der Semaine M6dicale vom 13. April 1898 ist eine
interessante Arbeit von Prof. Mabinesoo unter dem Titel: „Sur les paralysies
flasques par compression de la moelle“ erschienen, in welcher sich eine TJn-
genauigkeit eingeschlichen hat, die ich mich verpflichtet fühle, zu berichtigen.
In diesem eben genannten Aufeatz beschreibt Masinesco einen Fall von trau-
matiseher Myelitis bei einem 19jährigen Kranken, welchen eine Kugel in der
Höhe des Angul. soapulae links getroffen hatte. Gleich nach dem Trauma 6nt>
wickelte sich bei dem Kranken eine schlaffe Parapl^ia inferior mit Verlust der
Patellwefleze und Betheiligung der Sphinkteren. Mit diesen Erscheinungen
trat er am 30. Ai^ost 1897 in die Abteilung des Prof. Mabinesco (Hospital
Pantelimon in Bukarest) ein, wo ausser dem oben erwähnten Befunde die Unter-
suobang eine Zone syringomyelitischer Dissociation der Sensibilität gleich ober¬
halb des Gebietes completer Anästhesie ergab. Eben diesen letzten Umstand
hebt Prtf. Mabimbsco in seiner Arbeit folgendennaassen hervor: „Ces obser-
vations m’ont permis en outre de relever au conrs de la compression deux
symptomes qui n’ont pas encore ötö signalös dans la myölite trans-
verse: je veux parier de l’existence de la dissociation syringo-
myelique et du r^ex omitralateraL^^
Indessen ich habe am 21. Ax^ust 1897 — also 7 Monate vor der
Publication des Falles von Prof. Mabinesoo — in der Sitzung der Neuro¬
logischen Section des XXL Internationalen Ckcngresses einen Yortr^ unter dem
Titel: „Klinische und anatomische Untersuchungen über traumatische Affectionen
des Hückenmarks“ gehalten, in welchem ich über 8 völl^ analoge klinisch und
anatomisch untersuchte Fälle completer Bückenmarkszerquetschung berichtete;
ich demonstrirte damals eine Beihe von Zeichnungen, die ich auch heute mit¬
gebracht habe, um die von mir damals beschriebenen Störungen der Sensibilität
in Ihrem Gedäditnisse aufzuMschen; weiterhin projicirte ich auf dem Ekran
von meinen Fällen mikroskopische Präparate, die ich heute wiederum mitgebra<dit
and habe viele von diesen Präparaten nach der Sitzung unter den anwesenden
Gelehrten vertheilt.
* Vortrag, gehalten am 6. Miü 1898 in der GeeellBohaft der Hoskaner Neurologen und
Irrenärzte.
ig ü^cd Dy Google
588
ln den von mir berichteten Fällen la^ im Fall IV eine complete schlaffe
Paraplegia infer. vor, totales Fehlen der Patellarreflexe, Stömng der Sphink-
teren and eine Zone syringomyelitischer Dissociation der Sensibilität
gleich oberhalb der Zone vollständiger Anästhesie; bei der mikroskopischen
Untersachang constatirte ich eine totale Zerquetschnng des Bücken-
marks mit consecativer Myelitis an der Stelle des stattgehabten Traumas.
Im Fall Y: nach einem Traama complete schlaffe Paraplegia infer.,
Patellaneflexe beiderseits =^0; eine Zone totaler Anästhesie and oberhalb
derselben syringomyelitische Dissociation der Sensibilität; mikro¬
skopisch eine Myelitis and Compression onterhalb der Stelle des Knochen-
traumas.
Im Falle VI nach einem Traama vollständige schlaffe Paraplegia
inferior; Patellarreflexe beiderseits » 0; eine Zone totaler Anästhesie, oberhalb
welcher eine Zone syringomyelitischer Dissociation der Sensibilität
Mikroskopisch eine völlige Zertrömmerong des Bückenmarb an Stelle des
Traamas.
Endlich im Fall vlii: ebenfalls nach einem Tranma, vollkommene Para-
plegia inferior and paitielie obere; Patellarreflexe » 0; von den Mammillm
abwärts vollständige Anästhesie, oberhalb derselben aber eine Zone scharf
ausgesprochener syringomyelitischer Dissociation der Sensibilität
Die Autopsie and nachfolgende mikroskopische Untersuchung zeigten am Orte
des Traumas eine solche Zertrümmerang des Bückenmarks, dass anstatt dasselbe
sich an dieser Stelle Sack der Dura mater mit einer formlosen breiartigen
Masse vorfand.
In der Sitzung vom 21. August befanden sich znr Disposition aller An¬
wesenden^ die ausführlichen Thesen meiner Arbeit in deutsch und französisch,
welche in der Semaine Mödicale. 1897. Nr. 44 und im Nenrolog. CentralbL
1897. S. 868 ohne Verkürzungen wiedergegeben sind. Was ich damals in
meiner Arbeit zum Ausdru^ brachte, geht aus den folgenden I^uragraphen
dieser Thesen hervor, die ich wörtlich wiedergebe;
L In schweren zur Autopsie gelangten Fällen von tranmatisoher Verletzni^
des Büokenmarks in Folge von Bruch, Deviation, Luxation u. dergl. der Wirbel
kann man häuflg zweierlei Arten von Erkrankungsherden constatiren. Die einen
derselben könnte man ,4ocale“ — die anderen „looalisirte“ nennen.
n. Der locale Herd liegt unterhalb der Stelle des Knochen-Traumas und
repräsentirt eine einfache, unordentliche, in keine Begeln einzufügende
mechanische Zerstörung, Zertrümmerung, Zermalmung der Bückenmark¬
substanz. In den selteneren Fällen, wo ein leichter Druck stattgefrmden hatte,
kann man das histologische Bild einer Compressionsmyelitis finden.
VII. Unter den Uinischen Erscheinungen muss, abgesehen von dem be-
' Es wohnteo dieesr Sitzung Ean, Fb. Sobultzb, OppnrHBDf, PnvBs, Schlbsiwcb,
Mabixbbco u. A. bei.
Dig :i/od
Google
539
kannten Fehlen des Kniereflexes bei den Teisohiedensten Localisationen des
TraomaS) ganz besonders hervorgehoben werden eine von Yerf. in
den meisten seiner Fälle beobachtete, zuweilen recht breite Zone
von sjringomyelitischer Dissociation der Sensibilität (Erhalteosein des
Tastgeföhls bei Yerlnst des Schmerz- und Temperatursiimee) in den un¬
mittelbar oberhalb des Gebiets der vollen Anästhesie liegenden
Segmenten.
Aus diesem allen ist zu ersehen, dass lange vor der Publication der Beo¬
bachtung des Prof. Mabinbbco, die syringomyelitische Dissooiation der Sensi¬
bilität bei traumatischen diffusen Afleotionen des Bnckenmarks von mir nicht
nur ansfOhrlich beschrieben worden ist, sondern auch auf diese Erscheinung
besondere Aufmerksamkeit (attention spdciale) gelenkt und der Yersuch ge¬
macht worden ist, dieser Thatsache ^ meine und analoge Fälle eine ent¬
sprechende Erklärung zu geben.
[Aus dem anatomisch-physiologischen Laboratorium der Nerven- und psyohiatr.
Klinik von Prof. W. v. Beobterew.]
4. Ueber Magen-, Dann- und Ham-
blasencontractionen wahrend des epileptischen Anfalls.
[Yorläufige Mittheilung.]
Yon Dr. W. Ossipow.
Tonische und clonisohe Krämpfe ersdieinen als oharakteristisoher äusserer
Ausdruck des epileptischen Anfalls. Die Klinik setzt aber den Grund voraus,
dass sich dabei die glatte Muskulatur auch nicht nnthätig verhält
Trotz der sehr umfangreichen klinischen und experimentellen Litteratur
über Epilepsie erscheint dieser G^enstand nur in Bezug auf das Gefasssystem
au^earbeitet (Todobset, Boeisohpolset). Der übrige Theil der glatten
Muskulatur aber bleibt also, abgesehen von einigen beiläufigen Angaben der
Autoren in dieser Richtung (Bbowk-SEquabd, Yulpian) ganz unberührt Mit
grossem Interesse hatte ich ans diesem Grunde den Yorschlag des hochverehrten
Prof. W. y. Bechtebew angenommen, die Beziehungen der glatten Muskulatur,
wenigstens des grossen Bereichs derselben (nämlich der des Mt^ns, Darms
und der Harnblase), zum epileptischen Anfalle zu untersuchen.
Meine Experimente sind an Hunden angestellt worden. Ihre epileptischen
Anfälle wurden durch den Reiz des Inductionsstromes auf das motorische Gebiet
der Hirnrinde oder durch das Einfuhren von essence d’absinthe cultivde in eine
Yene des Thieree hervorgerufen.
Google
540
Mittelst der LuftwusMtlbeiigiabe wurden die Bewingen des Msgenkörpen,
seines Fyloms und Cardialtbeils, des Zwölffingerdarms, des Dünndarms (leiasom
und Deum), des Dk&darms (Colon und Rectum) und der Harnblase aaf dm
Papierstrttfen des Lunwio’soben Kymogr^hion vor, während und nach dem
epileptischen Anfälle an^gesobiieben.
Da meine Arbeit jetzt beendet ist, so halte ich es für reohtzäüg, die m
mir ermittelten Resultate kurz zu yer^entlichen. Ein ausfohrlii^eT Vortrag
über die vorhuklene Litterator des G^ienstandes, die angestellten Versudie und
ermittelten Resultate wird in einem spemellen Artikel erscheinen.
Meine üntersochnngen ergaben folgende Resultate:
1. Während des eiüleptischen Anfalls kommen die Contractionen des
Magens, der Gedärme und der Harnblase zum Vorschein, welche gewöhnlich
noch eine geraume Zeit nach dem Ablaufe des Anfiilk fortbestehen.
2. Magencontractionen kommen etwa in 50^/o der Anfälle vor und be¬
schränken sich hauptsächlich auf Gardia und Pjlorustheile des Magens.
3. Contractionen des Dünn-Dickdarmes und der Harnblase bilden eine be¬
ständige Erscheinung des epileptisdien Anfalls.
a) Zwölffingerdarmcontiactionen nehmen ihren Anfang in der donischeo
Periode des Anfalls oder kurz nach dem Aufhören der Krämpfe der quer¬
gestreiften Muskeln.
b) Dünndarmcontractionen beginnen ungefähr in der Mitte der doniscbeo
Periode des epileptischen Anfalls.
c) Dickdarmcontiaotionen erscheinen entweder in der tonisch»! oder in der
clonischen Periode des epileptisdien Anfall» ; sie erscheinen öfters im Anfänge
der clonischen Periode.
d) Contractionen der Harnblase kommen gewöhnlich im Anfänge der
tonischen Periode des epileptischen Anfalls zum Vorschein.
4. Die Contractionen der Gedärme und der Harnblase sind sehr stark;
dieselben haben den Chardrter eines lange dauernden spastischen Krampfes.
Das bezieht sich besonders auf Contractionen des Dickdarms und der Harnblase.
5. Zwischen zwei starken Contractionen, auch nach dem Aufhören allei
Contractionen, die durch den epileptischen Anfall heirorgemfen sind, kommt in
der Mehrzahl der Fälle eine mehr oder weniger lange andauernde Lähmung
(Schwäche) der Gedärme und der Harnblase zu Stande.
Auf Grund der Experimente mit Entfernung des motorischen Gebietes dei
Hirnrinde während des epileptischen Anfalls, mit Durchsohneidang des Hirn-
Stammes auf verschiedenen Höhen desselben, und peripheren Nerven (wie N. vagi
splanchnici, phrenici), mit und ohne Cnrare, ziehe ich noch folgende Sdilüs»
aus meiner Arbeit;
6. Die Erscheinungen seitens des Magens, der Gedärme und der Harnblase
die im Laufe des epileptischen Anfalls, hervorgerufen durch foradische Bozung
beobachtet werden, häi^n nicht von der localen Eleizung des oortioalen Magen-
Darm- und Hamblasenoentnuns ab, sondern vran epileptisohen Anfälle seibsl
Google
541
der tls Besaitet einer Gesammtreizung des motorischen Gebiets der Hirnrinde
ofid der in ihr gel^enen Gentren «scheint
7. Die beständig während des epileptischen Anfalls auftretende Asphyxie
ist dne die Magen-, Dann- und Hamblasencontractionen begünstigende Ursache.
8. Der sehr starke Druck des Zwerchfells und der Baucbpresse auf Magen,
Darm, Harnblase und ihren Inhalt erscheint während des Anftüls auch als ur-
äehli^ieB Moment für die Gontractionen der genannten Organe.
9. Ham- und Kothabgang, so häufige Begleiterscheinungen des epileptischen
Anfalls^ resoltiren aus der Gesammtwirkung der Gontractionen des Darmes, der
Harnblase and des anf sie und ihren Inhalt seitens der Bauohpresse au^eübteu
Druckes.
10. Es giebt eine An^c^e zwischen den epileptischen Krämpfen der quer¬
gestreiften Muskulatur und den Gontractionen im Magen, Darm und der Harn¬
blase während des epileptischen Anfidls in dem Sinne der Abhängigkeit beider
Tom motorischen Gebiete der Hirnrinde.
[Aus der II. med. Klinik von Prof. Dr. Eael y. K£tli in Budapest]
5. Ein mit den Symptomen des Malum
snboccipitale einhergehender Fall von Gehirngeschwulst
und Hemiatrophia linguae.
Von Dr. Johann Wenhardt
Den vorliegenden Fall halte ich aus zweierlei Gründen der Publication
verth. Rrst«)8 wegen der Schwierigkeit der Diflerentialdiagnose zwischen
Odiimtamor und dem Malum suboccipitale, zweitens wegen der relativen Selten-
k«t der halbseitigen, hauptsächlich peripheren Atrophie der Zunge.
J. Ca, 30 Jahre alt, Näherin. Ihr Vater starb an einem Herzleiden, Hutter
gMnd. Von 12 Qeechwi^m starben 2 in jungendlichem Alter an einer der Pat.
mbekannten Krankheit, 6 Erwachsene an Lnngensohwindsncbt, die 4 lebenden ge-
tmi. Keine nervöse Belastong.
Abgesebmi vcm einer mit 12 Jahren durcbgemaehten LungenentzOndnng war
PaL bia an ihrer derzeitigen Erkranknng stets gesund. Seit dem Frühjahr 1894
hatte sie dnmpfe Schmerzen in der Nackengegend, welche sich im Hän 1895, nach¬
dem sie ein Gefühl verspürte, als ob etwas in i^er Nackmgegend geborsten wäre,
pMtzlich sn reiasenden Schnwrsen steigerten. Im Liegen nahmen sie ab, bei der
Beweging des Kopfes hingegen sn. Nach 4 tägiger Application von kalten Dm-
aehligsB h&ten die Schmerzen auf. Im Herbst 1895 wurde Pat. abermals von
hafügen Nacken schmerzen befallen, zu weldien sich auch krampfartige Kopfschmerzen
hiaiignnentfin Seit dies« Zeit vermag sie kanm mehr den Kopf zu bew^en. Die
ffrhminiiTi nahawn wohl im Liegen ab, hörten jedoch nicht m^ gänzlich auf.
Gegee November 1896 bemerkte sie, dass die linke Hälfte ihrer Zunge kleiner sei,
■' Google
642
und dass beim Kaaen Speisen zwischen der linken Zahnreibe und der linken Wange
Zurückbleiben. Seit Februar 1896 verschluckte sich Fat h&ufig beim Trinken, wobei
sie von Husten befallen wird, das Schlucken fester Speisen jedoch verursacht nie
irgend welche Unannehmlickheiten. Seit dieser Zeit hat Fat oft auch Snffocations-
anföUe. Erbrechen war nie vorhanden. Die Sprache hat sich angeblich etwas ver¬
ändert Ständiges linksseitiges Ohrensausen. Die Ursache ihres Leidens weiss Fat
nicht anzugeben. Syphilis und Trauma sind ausznschliessen.
Status praesens vom 12. Mai 1896: Fat ist herabgekommen, abgemagert
entkräftet Temperatur 36,6 *^0. (Kachmittag 3 Uhr). Haut und sichtbare Schleim¬
häute sind blass. Auf der linken Seite des Halses kleine Drüsen fühlbar. Das
zarte Knochensystem weist Spuren von Rachitis auf. Die obersten 2 Halswirbel
sind auf Druck sehr schmerzhaft Herz, Lunge, Bauchoi^ane normal. Puls rhythmisch,
mässig gefüllt ziemlich gespannt 72. Appetit gut Stuhl unr^elmässig.
Beide Hälften der Zunge sind gleichmässig feucht die linke ist aber in allen
3 Dimensionen wesentlich kleiner als die rechte, blässer, auf ihrer Oberfläche sind
unregelmässig vertheilte Falten und tiefe Forchen sichtbar. Diese Zungenhälfte ist
mit grauweissem Belag bedeckt, während die rechte Hälfte blass rosafarbig, glatt
und von normaler Moskelconsistenz ist Auf der linken Hälfte der Zunge sind
fibrilläre Zuckungen sichtbar. Beim Hervorstrecken weicht die Zunge nach links ab,
ist im Uebr^en jedoch nach allen Richtungen gut beweglich. Tast- und Qeschmacks-
gefühl sind am Yordertheil der linken Zungenhälfte gut erhalten. Die Geschmacks¬
prüfung auf der hinteren Hälfte der Zunge, sowie die elektrische Untersuchung sind
wegen des hochgrad^en Schwächezustandes der Fat. nicht ausführbar. Die linke
Hälfte des weichen Gaumens und die Uvula stehen etwas tiefer als die rechte und
sind dünner. An der oberen Hälfte der hinteren Bachenwand befindet sich eine
wallnnssgrosse, elastische und etwas fluctuirende Geschwulst Die Schlmmhant ist
über derselben normal.
Die rechte Pupille erscheint etwas erweitert; auf Licht und Accommodation
reagiren beide gut Sehvermögen gut Die sensiblen und motorischen Nerven des
Gesichts sind normal
Die vor Schmerzen fortwährend stöhnende Fat liegt ständig znsammengekrümmt
auf der linken Seite, so dass der von der linken Hand gestützte Kopf von der linken
Schulter abgehoben wird und der rechten Schulter näher liegt In der rechten
Seitenlage, bei Bewegungen und besonders wenn der Kopf gegen die Wirbelsäule
gedrückt wird, tritt momentan eine Steigerung der continuirlichen reissenden Kopf-
und Nackenscbmerzen ein. Beim Aufsitzen oder Niederlegen stützt Fat.
stets mit einer Hand ihren Nacken. Die vorsichtige active und passive Be¬
wegung des Kopfes gestattet nach allen Richtungen nur unbedeutende Excursionen.
Der Kopf wird steif, besonders durch die ständig angespannte Nackenmuskulator
beinahe wie fixirt gehalten. Fat vermag nur gestützt aufrecht zn sitzen, wobei sie
den Kopf nach links und vorne geneigt hält
Sie vermag allein nicht zu gehen, nur wenn sie unter den Armen gestützt wird,
ist sie im Stande einige Schritte zn machen, wobei sie stark taumelt
Soweit der Zustand der sehr herabgekommenen Fat die Untersuchung, soweit
dies überhaupt ausführbar ist, zuliess, weist er keine Sensibilitätsstörungen auf.
Patellarreflexe gesteigert.
Bis 16. Hai trat keine wesentliche Veränderung in diesem Zustande ein. Fat
war wohl nie bewusstlos, lag jedoch stets apathisch da, das Nachdenken ging er¬
schwert und angestrengt vor sich, auch die Antworten erfolgten nur langsam. Der
schläfiige Gesichtsansdmck wechselte fortwährend mit einem schmerzhaften ab. Die
von der Gegend des Nackens und Hinterhauptes nach vom in den ganzen Kopf aus¬
strahlenden Schmerzen quälten die Fat. bei Nacht viel stärker; wahrscheinlich bestand
deshalb auch die fortwährende Schlaflosigkeit Ueber diffusen Kopfeohmerz odo*
:,Googlc
543
Schwindel hat Pat nie gehlagt. St&tige Furcht vor dem Tode. Temperatur und Ath*
muDg waren stets normal. Puls massig geRkUt» weich, üemlioh leicht unterdrackbar,
durchschnittlich 92. Erbrechen bestand nie.
16. Mai. Pai verlor in der Nacht das Bewusstsein, lag, wie bis dahin nie,
auf dem Bücken, ihre Augen traten etwas hervor, sie sprach nichts, ihr ganzer
Kürper war in hohem Grade cyanotisch, der Puls fadenfürmig, arythmisch, 120, bald
zeigte sich Cheyne-Stokes’sche Athmung, Bücheln, aus dem Hunde trat Schaum
hervor. Dieser Zustand veränderte sich nicht mehr, bis am 17. Hai Moigens der
Exitus letalis erfolgte.
Diagnose: Malum suboccipitsle.
Obduction am 18. Hai 1896 (Prof. Gsnxbsioh): Schftdelknocben dünn, dicht.
Dura mater etwas hyper&misch, in den Sinus flüssiges und locker coagulirtes Blut.
Die kleinen Tenen der leicht abziehbaren weichen Himh&ute stark erweitert und
geschlfingeli Das Corpus callosum ein wenig nach oben gewölbt. Die vier Ven¬
trikel und der Aquaeductus Sylvii bedeutend erweitert. Die Plexus von mittlerem
Bln^ehalt. Das Gehirn etwas weich, besonders um die Ventrikel herum; von mitt¬
lerem Blu^efaali Von oben betrachtet ist die Unke Hälfte des Kleinhirns bedeutend
grösser als die rechte (die sagittalen Durchmesser 7,6:6,0 cm, die grössten Quer-
durchmesser in etwas schräger Bichtnng gemessen, gleichfalls 7,5:6,0). AuffaUend
weich ist die linke Hälfte des Kleinhirns, in deren unterer Oberfläche eine von der
Schädelbasis sich erhebende Geschwulst (2,5:4,0:4,5 cm) eindringt, der zufolge der
hintere und äussere Theil des Processus cerebeUi ad pontem, der Flocculus, die Ton¬
sille und der vordere Theil des Lohns cuneatus stark eingedrückt, abgeflacht und
weich ist. Die Geschwulst lässt sich aus dem Kleinhirn leicht herauslösen und nur
an einer kreuzeigrossen SteUe wird die Oberfläche enfblösst Der N. trig. ist normal,
der N. facialis und acusticus ist etwas weich, keiner h&igt aber mit der Geschwulst
zusammen. Die der Oberfläche der Geschwulst adhärenten Nn. vagns, acc. Willisii
und der Hypcgl. werden 1 cm weit von der Gehimbasis abgehoben; während aber
die zwei er^ren in ihrem ganzen Verlauf weiss sind, ist der N. hypogl. noch ehe
er die Geschwulst erreicht, grau und verliert sich auf der Oberfläche derselben. Der
H. abduc. ist normal. Der linke, hintere Theil der Varolsbrücke, die linke Hälfte
des verlängerten Markes und der oberste Theil des Rückenmarkes (bis zur Höhe des
111. Halswirbels) sind zusammengedrüekt und erweicht
Die von der Schädelbasis sich erhebende Geschwulst hat ihren Sitz vorwiegend
auf der linken Seite des For. occ. mag. Der vorderste Theil ihrer Basis befindet
sich 1,5 cm hinter dem Dorsum sellae turcicae, der äusserste Theil reicht 1 cm weit
über den Por. acust int nach links, nach hinten bis zur Mitte des For. occip. mag.
Diese von der Pars basilaris o. occip.« ausgehende Geschwulst ragt nicht nur in die
Schädelhöhle, sondern drängt sich vom vorderen Bande des For. occip. magnum nach
hinten und verengert den sagittalen Durchmesser des letzteren beiläufig um 2,5 cm.
Der vordere und seitliche Band des For. occip. magn. ist stark usarirt Die Ge-
sdiwulst Übergriff hierauf den I. Halswirbel und umfasst sein linkes und vorderes
Drittel, dasselbe zu kleinen Stücken zerstörend. Von hier aus eigriff der Tumor
den n. Halswirbel, verkürzte den Zahnfortsatz um ein Drittel, wobei es die obere
Fläche und linke Hälfte, sowie die vordere Oberfläche des Wirbelkörpers uneben und
rauh machte. Die Gelenksknorpel sind stark zerstört; das Lig. suspens. und die
Lig. alaria sind ganz zu Grunde gegangen, aber das Lg. transvers. befindet sich in
einem ziemlich guten Zustande. Die Geschwulst selbst ist ziemlich consistent, nahezu
gleichmässig grauweiss mit sulzartig durchscheinenden Flecken. Sie wölbt sich von
der Schädelbasis und von den obersten Halswirbeln g^en den Rachen vor und bildet
daselbst eine kleine nussgrosse Geschwulst, welche die Oeffnnng beider Ohrtrompeten
ZQ schmalen Spalten verengt Nach vom berührt sie auch den Vomer ohne an dem¬
selben irgend eine Yerändttrung hervorgernfen zu haben. Die Nasenschleimhaut ist
,Googlc
544
blass, ln beiden Highrnorsböhlen wenig reines Semin; beide Keilbeinböhlen erwwtart
Die OpticuBScheide beiderseits weit; die rechte Papille normal, die Bänder dn^ linkeo
etwas verwaschen.
Das Backenmark erwies sich bei der mikroskopischen Untersncfanng ToUkommen
normal.
Die Bachengeschwulst drängte den weichen Gaumen nach vom, dessen linke
Hälfte sich verdflnote und schlaff wurde. Die linke Hälfte der Zunge ist dann,
schlaff, genuueli Der M. genio- und hypoglossus rechterseits ist braunroth, linker*
seits ganz lichtgelblichgrau und auf ein Dritttbeil zusammengeschnimpft, der M. h^po*
glossus hinwieder von graulich dorcbscheinenden Streifen durchsetzt Der Diventer
max. und der Geniohjoidens beiderseits fahlgelb atrophisch und von Fettgeweben
durchsetzt
Diagnose: Myzocbondrosarcoma basis cranii ex oese basilari ortum com com*
pressione hemisphaerae sin. cerebelli, meduUae oblongatae et pontis YarolL Atrophia
n. hjpoglossi sin. et hemiatrophia lingnae. Bronchopnenmonia lobi inf. utriusque.
Wie aus dieser kurzen auszngsweisen Mittheilung der Erankengeechicbte
und des Obductionq>rotocoll8 hervorgeht, stimmt die klinische und pathologisch-
anatomische Diagnose nidit fiberein. Wie schwer m in diesem Falle gewesen
wäre, die richtige kliniscdie Diagnose zu stellen, das stellt sich bei genauer Be¬
trachtung der Symptome sofort heraus. Mehrere und gewiditigere Symptome
sprachen mehr zur Spondylitis als füi eine Gehin^eschwnlst, unsomehr da diese
Geschwulst ganz ähnliche makroskopische Veränderung der Wirbel und deren
Gelenke verursachte als man dieselben bei tuberculösen Processen beobachtet
üebrigens beobachtete bereits LbtdbnS dass die tnberculfise carcinomatöse oder
sarcomatose Erkrankung des Zahnfortsatzes des Epistropbeus genau dasselbe
Krankheitsbild hervoi^erufen hat, nur dass in den zwei letzteren Fällen die
Schmerzen selbst beim Li^en nicht aufhörten.
Durch die irradiirenden Schmerzen in der Nacken- und Hinter-
hauptgegend, welche sich bei der geringsten Bewegung des Kopfes, oder h&m
Drücken der zwei obersten Halswirbel steigerten, im Lieg^ hingegen, wenn
diese Wirbel vom Druck seitens des Kopfes berieit wurden, abnahmen, durch
die abnorme Haltung des Kopfes nach vom und links, durch die Krüm¬
mung der Halswirbelsäule, ihre Concavität nach links, durch die starre
Haltung des Kopfes, durch das Stützen des Kopfes mit der Hand beim
Aufsitzen und beim Niederlegeu, schliesslich durch die halbseitige
Atrophie der Zunge war die Erkrankung des atlantooccipitalen Gelenkes und
das Hebergreifen des Processes auf den Ganalis hypoglossi erwiesen, ln An¬
betracht dessen, dass nicht nur das Beugen des Kopfes, sondern auch
die Drehung um die senkrechte Axe in höchstem Grade eingeschränkt
war, mussten wir auch eine Erkrankung des Gelenkes zwischen dem 1. und
11. Halswirbel annehmen. Indem der Unke N. hyp<^L krank und die Wirbel¬
säule nach links gekrümmt war, wurde angenommen, dass der Erankheitsprooess
hauptsächlich die linke Hälfte der Wirbel zerstört hat
Bez^Uob der Natur des Leidens schienen drei Umstände Aafklänmg zu
bieten: 1. die hocl^radige tuberculöse Belastung, 2. die Geschwulst an der
‘ Albbet, DiBgooitik der ehirargkchen Kraokbeiteo. 18^.
'ig v7Cö Cy-
Google
545
hinteren Bachenwand, welche elastisch ym und etwas fiuctoirte, weshalb wir
dieselbe tds einen Senknngsabscess ansprachen, schliesslich 3. die Erfahrung,
dass einen derartigen Sjmptumencomplex Garies des basalen Theils des Hinter¬
hauptbeins und des I. und IL Halswirbels zu verursachen pflegt Auf dieser
Grundlage diagnosticirten wir eine tuberculöse Entzündung der erwähnten
Knochen und Gelenke (Malum snboccipitale, BuST’sohe Krankheit).
Bei derObduction stellte sich thatsächlich hochgradige, insbesonders links¬
seitige Zerstörung der erwähnten Knochen und Gelenke heraus, durch welche
der grösste Theil der klinischen Symptome bedingt war. Es 1^ aber ein Frocess
von anderer Katur und ausserdem eine Geschwulst der Schädelhöhle vor.
Eine Eractnr oder Luxation konnte durch die Anamnese ausgesclüossen
werden, Krobs war des jugendlichen Alters wegen unwahrscheinlich, es erübrigte
uns also nur noch, zwischen Tnberculose und Sarcom zu unterscheiden. Dabei
waren wir einz^ und allein auf die Statistik angewiesen. Das LsmEN’sche
Unterscheidungszeichen, dass bei Garies der Schmerz in der Buhel^e des Fat
vollkommen aufhört, während derselbe bei Sarcom nur nachlässt, konnte nicht
verwerthet werden, weil wir eine Fat mit tnberculösem Mal. subocc. beobach¬
teten, deren Schmerzen im Liegen gleichfalls sich nur milderten. Wenn die
Geschwulst im Bachen consistent anznfnhlen gewesen wäre, so hätte dieser
Umstand die Di^ose auf die richte Fährte gelenkt, da wir jedoch Flnctnation
fohlten und die bedeutend seltenere Eventualität als ein Absoess, die erweichte,
oder wie im vorli^enden Falle die myxomatöse Geschwulst ausser Acht Hessen,
80 erübrigte uns einzig und allein die Statistik, welche natürlich zu Gunsten
der Gaiiee entschied.
Die Geschwulst in der Schädelhöhle konnte nicht diagnosticirt werden, da
kein einziges Symptom vorhanden war, welches ausschliesslich auf einen Tumor
der Schädelgrube charakteristisch wäre, oder welches nicht auch bei Mal sub¬
occ. Vorkommen möchte. Fat klagte unr über von der Nacken- und Hinter-
hauptg^end ausstrahlende Schmerzen, jedoch nie über eigentlichen Kopfschmerz
oder Sdtiwindel. Krämpfe, verlangsamter Fols, abnorme Athmung, Stauungs¬
papille, Blasenbeschwerden, sowie das bei Geschwülsten der hinteren Schädel-
^ grübe nahezu stets vorhandene Erbrechen fehlten während des ganzen Verlaufs.
Die Apathie konnte aus dem Scbwächezustande und den quälenden Schmerzen,
die Nackenstarre und halbseitige Atrophie der Zunge aus der Erkrankung der
Wirbel leichter erklärt werden. Den taumelnden Gang führten wir einerseits
auf die hochgradige Schwäche der Fat zurück, andererseits brachten wir dieselbe
mit der Garies der Wirbel in Zusammenhang, denn es befand sich in unserer
Klinik eine an (tuberculöser) Mal. suboccipitale leidende Patientin mit aus-
geeprochener cerebellarer Ataxie, welche nach Anwendung eines nach Angabe
von Prof. DoiiLinoeb hergestellten Eopfbalters binnen wenigen Tagen verschwand.
Schliesslich konnten die stürmischen Erscheinungen der letzten zwei T^,
sowie auch der Tod eben8<^t aus der Erkrankung der Wirbel, wie aus einer
Himgeschwulst erklärt werden. Im vorliegenden Falle wurden dieselben aller
Wahmcheinlichkeit nach durch Wirbelabmtschnng hervorgemfen.
,Google
85
546
n, lieferet6.
Anatomie.
1) Experimentelle üntenuohungen über den Aufbau der Hinteretränge
beim Affen, tob Dr. Alexander Hargnlids in Png. (Honatesohr. f. Psyek.
u. Nenrolog. Bd. L)
Verf. hat die Bfickranurke von 5 Afien, deren hintere Wnraeln er in fMsohie'
denen Heben durchschnitten hatte, hinsichüioh aofsteigendw und etMteigeader Dege¬
neration nntersucht und dem Aufbau der Hinterstrftnge seine besondere Aufmerksam¬
keit zugewendet. Die Hinterstränge setzen sich nach seinen Untersuchungoi zusammen
aus Fasern, die aus den hinteren Wurzeln in sie gelangen, und aus endogenen
Fasern. Ton den letzteren sind solche, die in aufisteigender Richtung rerlaufkn,
von anderen, die in absteigender Richtung ziehen, zu unterscheiden. Entere tretea
entlai^ der Hinterbörner aus, hieben sich nach inaen und liegen im Halstheil im
Goll’schen Strai^. Letztere formiren im oberen Theile des Bftckenmarks das comma-
förmige Bündel, gelangen im unteren Brustmark an die hintere Peripherie und vm*-
laufen im Lumbal- und Sacralmark im ovalen Felde. Ausserdem gehört noch ein
Theil der Commissurfimern zu den endogenen Fasern der HinterabAnge. Ans den
hinteren Wurzeln stammen 1. die langen, zu den Hinterstrangkernen in der
Hednlla oblongata aofsteigenden Fasern, 2. die kflrseren anfsteigenden Ihsem, die
in der grauen Substanz des Bflekenmarks ihr Ende finden und 3. absteigepde Fasen,
die bis in die graue Commissur zu verfolgen sind. Die soeben erwähnten, in der
grauen Substanz des Rückenmarks endenden, anfsteigenden Fasern b^eben sich zum
Theil ins Uinterhorn der gleichen, zum Theil durch die dorsale Oommiseur ins
Hinterhom der anderen Seite, zum ^eil treten sie mit den Kellen der Olarke'schmi
Säulen, zum Theil mit den motorischen Yorderhomzellen in Beziehnng.
0. Ilberg (Sonnenstein).
2) Snr le groupamant dae flbvea endogdnaa de la moÖUa daiie laa oovdona
poetdrleon, par Dnfour. (Arch. de Nenrolog. 1896. Vol II. Nr. 8.)
Der Verf. hat Qelegenheit gehabt, einen Fall von Compression der Gauda eqoina,
wobei sämmtliche Nervenwurzeln bis zur 3. Lumbalwurzel inclusive betroffen worden,
während das Mark selbst intact geblieben war, zu untersuchen. Die Schnitte wurden
mit C&rmin, ferner nach den Methoden von Azonlay, Marchi, Weigert und
Fal ge&bt. Die Resultate dieser Untersuchung sind folgende:
Conns terminslis. ln den HinterstiAngen ist nur eine schmale Partie, die
unmittelbar an das hintere Septum angrenst, intact geblieben, sie erstreckt sieb ent¬
lang der vorderen und hinteren Hälfte des Septums. Die intacte Fas^mppe ist
in zwei Zonen zu theilen, eine hintere von Dreiecksform und eine vordere, die, ge¬
wöhnlich comn-commisBurele Zone genannt, ihrer Lage zum Septum wegen besser als
sttlco-commissurale bezeichnet wird.
Sacralis 5. Die intacte schmale Zone erstreckt sich von der faint«>Mi Peri¬
pherie zn beiden Seiten des Septums nach vom bis zur Ckmunissur, wo m knöpf-
förmig endet.
Sacralis 5 bis Sacralis 2. Die beiden intacten Zonen, die hintere und <tie
vordere, sind wieder zu sehen, die hintere Zone entspricht dem Centrum ovale von
Flechsig, jedoch setzt sie sieh bis an die hintere Peripherie fort
Dig \i7cö
c,Google
547
Sft«rali8 1. Die vordiere iotaota Zoee ist oorna-coiiuiussural, die hiotere er>
nicht die Peripberie and amsäumt nocb den biBteren, inneren Winkel der Hinter*
sMüig» Mif «ne gaiu knne Streck«..
Lambnlie 1 bis Lnmbalis S. Die Anordnong der intacten Zone ist die*
selbe» vie in der vorigen Höbe; in den mittleren und lateralen Fartieen der Hinter*
stringe treten intacte Wnrselfasem in wacbsmider Zabl anf.
Lorabalia 3. Oie hintere Partie der intacten Zone xeigt sich in der typischen
Ferm des Geotrom ovale Flecbsig’s; die vordere Partie ist nicht mehr a<^arf ab*
ngrenxen» da die Fasern derselben mit den intacten Wnrzelfasem vermischt sind.
Lnmbalis 9. Die Fasern der hinteren Zone haben sich wieder der hinteren
Peripberie gen&hert and formen snm sweiten Kal ein Dreieck, wobei jedoch die am
Sepfem ge l egene Seite kOner ist aU die an der Peripherie, gelegene.
ln den weiter oben gelegenen Segmenten vermischen sich die auMeigenden
Fheem der intacten hinteren Wmrzeln derart mit den Fasern der intacten Zone,
dam 68 nnm(^lich ist, dieselben zu sondern.
IKeeen Fall ve^leioht non der Yerf. mit &bnlichen in der Litteratur nieder*
gejagten und mit dem Brgebniss der Untersuchongen Ober absteigende Degeneration
it den Hintmstringen bei hoher Compression des BOckenmarks und kommt dabei zu
(tom St^oae» dam die vordere Partie der in seinem Falle intact gefondeneo Zone
änem besonderen Fasersystem angehört, das je nach der Höbe verschiedene Lage
hat nA dementspredmnd im Conus terminalis snlco'commissnrales Feld, im Secral*
tbefl aaloe-CMma'Commiasnrales, im Lambal* nnd onteren Dorsaltheil oorna*com*
■iwtrales and weiter oben Commab&ndel von Schnitze genannt wird. Ebenso
hfldet die hintere Partie ein gesondertes Fasersystem. Beide Fasersysteme führen
abetsigwide Fasern, nnd iwar das vordere solche mit kurzem, das hintere solche mit
lagern YertanC. Der Yerf. sacht dann nacbzuweisen, dass diese Fasersysteme nicht
tarch abeteigttda Hintmworzelfasem gebildet werden; es ist ihm vielmehr das
wahracheinlichste, dam dieselben aas endogenen Fasern zasammengesetzt sind.
H. Weil (Stuttgart).
Experimentelle Physiologie.
3) TroablM ttophlques oonndoutUs d la sootion des raoinen postertouren
mddiillalres, par Horat (Gazette des höpitanx. 1897. Nr. 64.)
Da die trophiscben Störangen auch eintreten, wenn die hinteren Wurzeln
fwiaeben Spinalganglion and Medolla durchschnitten werden, kann eine Alteration
dm Spnud^nglion die Ursache derselben nicht sein. Da ferner weder durch die
Doch durch die Dnrchtrennung der vasodilatatorischen Fasern sich die
trophii^en Störungen erklären lassen, vermnthet Verf., dass dieselben auf Läsion
von centrifog^en, in den hinteren Wnneln verlanfenden Herven bemben, welch
irtztsn zu den Geweben in gewisser fnnctioneller Beziehung stehen.
B. Hatschek (Wien).
4) OoesistoDO oezitri nensltivi e oentrl motori nella aona volondloa oor-
d« 09rv«llo vinMoP per C. Hegro e Y. Oliva. (Biv. iconograf. del
BoUsth. del poUelin. gen. di Torino. 1.)
Bei einem Kranken, der an epileptischen Anfällen litt, die stets in der rechten
Hand* begannen and sieh dann verallgemeinerten, machten die Yerff. die Trepanation.
On sie mit der elektrischen Beizung der Binde am ersten Tage nicht zum Ziele
lammt, wiederholten sie dieselbe am zweiUplgenden Tage nud zwar ohne Harcose
86 *
D g ii/od oy GoOg IC
548
und bei vollem Bewusstsein des Patienten. Wurde nun ein bestimmter Punkt der
Binde faradisch gereizt, so gab der Eranbe bei ganz schwachen Strömen (3 mm Volt)
an, ein Gefühl von Kribbeln in der entgegengesetzten (rechten) oberen Extremit&t
zn haben, das von den Fingern zum Oberarm sich ausbreitete. Motorische Er-
scheinongen traten erst bei stärheren Strömen (6 mm Volt) ein und zwar wiederum
begleitet von einem Gefühl von Ameisenlaufen.
Die so reagirende Bindenzone war ungeAhr qcm gross. Von ihrer Kaehbar*
Schaft aus liess sich auch durch stärkere Ströme keine sensible oder motorische
Wirkung erzielen.
Um zu entscheiden, ob die sensible Beaction nicht etwa durch Ausstrahlung
der elektrischen Beizung auf tiefer oder entfernt gelegene sensible Centren erfolgte,
machten die Verff. Versuche am M. sartorius und H. ischiadicus vom Frosch, der in
ein frisches Stück Kaninchengehim implantirt wurde, und fanden, dass mch Aradische
Ströme von der angewandten Intensität nur auf 8 qmm und in einer Tiefe von 5 mm
verbreiteten.
Die erregbare Zone beim Kranken wurde nun elektrolytisch zerstört Es traten
Parese in Hand und Fingern besonders bei Extensionsbewegungen, Kribbelgefühl,
Hypästhesie und Störungen des Huskelsinns auf. Auf tägliche Faradisation resti-
toirte sich zuerst der Muskelsinn, dann die anderen sensiblen Qutditäten, erat viel
später die Motilität.
Verff. schliesseo ans ihrer Beobachtung, dass in der Zona rolandica des Menschen
den motorischen Centren die entsprechenden sensiblen benachbart sind, und dass die
Aura sensitiva bei der Epilepsie von diesen sensiblen Centren ihren Anfang nimmt
Sie konnten ferner die Bahnnngsversuche Exner’s bestätigen: wurde auf den bloss¬
gelegten Theil der Hirnrinde ein elektrischer Strom von so geringer Stärke (2 mm
Volt) applicirt, dass er nicht im stände war, eine Contraction ausznlösen, so trat
eine solche doch ein, wenn Secnnde vorher auf Raut und Muskeln der Hand ein
Strom gewirkt hatte, der genügt, das Glied leicht zu erschüttern.
Valentin.
Pathologische Anatomie.
6) Sal oomportamento delle oellule nervoae dei gangli apizudi in segnlto
al taglio della traaoa centrale del loro prolungamento, per E. Lugaro.
(Rivist. di Patolog. nerv, e ment 1897. Nr. 12.)
Bekanntlich hat Verf. h'über festgestellt, dass die Spinalganglienzellen nach
Verletzung ihres peripheren Nervenfortsatzes tiefgreifende Veränderungen erfahren
und sogar ganz zu Grunde gehen, während die Läsion oder die Durchschneidni^
des centralen Fortsatzes die normale Structur der Zelle nicht schädigt Die Beo¬
bachtungen bezogen sich auf Thiere, die 40 T^e nach der Operation getötet wurden.
An zwei weiteren Hunden dorchschnitt Verf. den centralen Fortsatz der Spinal-
ganglien und liess sie 6 Monate bezw. 1 Jahr am Leben. An den Zellen der Spinal¬
ganglien fanden sich ebensowenig Veränderungen, wie bei den früheren Untersuchungen.
Valentin.
6) Untersuohuzig über däa Verhalten der hinteren Wurzeln bei einem
Falle von Tabes dorsalia, von Dr. £. Dambacher. Aus der medic. Klinik
(Prof. Erb) und dem patholog. Institut (Prof. Arnold) in Heidelberg. (Deutsche
Zeitschr. f. Nervenheilk. 1898. XII.)
Ein Fall älterer Tabes mit Hemiplegie kam zur Section uod gab das Material
zu der vorliegenden Untersncbnng. Es fand sieb eine ao^esproehene, einseitige
.Google
549
Degeneration der rechten PyramidenseitenstrangbabD. Die Hinterstränge and hinteren
Worzelzonen zeigten sich mehr ditfas and sprai^eise erhrankt, wobei ein aaffallender
Parallelismos zwischen Uark- and Warzelerkrankang zu constatiren war. Änf die
Teranderongen in den hinteren Wurzeln war die Untersuchang besonders gerichtet
and zeigten sich diese Theile continairlich vom Ursprung ins Ganglion bis zu ihrer
Einstrahlui^ erkrankt, ein Befund, der gegen die Annahme einer Leitangsunterbrechong
(Leptomeningitis) spricht Aach lassen im vorliegenden Falle die Verhältnisse der
Pia eine Compressionsmdgliohkeit sasschliessen. Andererseits kann sich Verf. auch
nicht für die Kageotte’scfae Theorie — primäre Peri- und Mesoneuritis der hinteren
Wurzeln — entscheidmi. E. Asch (Frankfurt a/M.).
7) 8u alonnl rapporti tra le alteraaioiü del nuoleo e del protaplasma
delle oellule nervöse oortioedi (paralisi generali), per A. Grimaldi.
(Annal di Hevrolog. XV.)
Die bei der al^meinen Paralyse gefundenen Eemveränderungen theilt Verf. in
zwei Gruppen; entweder der Kern unterscheidet sich nicht vom Zellprotoplasma, er
verschmilz mit ihm oder der Kern bleibt bestehen und färbbar, während der Zell*
leib schon schwere Schädigungen erfahren hat Es handelt sich hier nicht um zwei
Phasen desselben Processes, denn bei weit voigeschrittener Degeneration des Proto¬
plasmas kann der Kern erhalten und förbbar, bei geringerer Schädigung des Proto¬
plasmas der Kern doch nicht mehr erkennbar und mit ihm verschmolzen sein.
Valentin.
8) Bioerohe batterlol^obe aul liqoido oeCalo-raohidiano dei dementi
paraUtioi, per G. Hontesano et M. Montessori. (Riv. quindic. di psicolog.
psicbiatr. I.)
Bakteriologische Untersncbung der Cerebrospinalflfissigkeit von 11 Paralytikern.
Beim Mikroskopiren des Sediments fanden die Verff. auch nach dem Centrifugiren
nie Mikroben. Die directe Einimpfung der Punktionsfi&ssigkeit gab in 8 Fällen ein
negatives Resultat Die Cultureigebnisse waren 8 Mal positiv. Es wuchsen ausser
Hefepilzen Staphylokokken, Streptokokken und 1 Mal der Tetanusbacillus, am häufig*
sten jedoch eine von den Verff. Bacillus viscosus genannte Art Diese, vielleicht
eine Varietät des Bacterinm coli commune, ist f&r Meerschweinchen und Kaninchen
pathogen. Ob und in wie weit dieser Bacillus ätiologisch bei der progressiven
Paralyse in Frage kommt lassen die Verff. dahingestellt.
Der Fall, in dem zu wiederholten Malen vollvirulente Tetanusbacillen gefunden
wurden, verlief klinisch sehr rapide mit fast fortdauernder Bewusstlosigkeit des
Patienten und mit tonischen und clonischen Convulsionen namentlich des Kopfes und
der rechten oberen Extremität
Die Verff glauben deshalb, dass ursächliche Beziehungen bestehen zwischen dem
TetannsbadUns und der Dementia paralytica oder wenigstens den bei ihr beobachteten
epileptiformen Krämpfen. Valentin.
8) Fathologioftl ohangea in nerve oella, by Warrington. (Brit med. Joum.
1898. April 30. S. 1140.)
Vert berichtet in der Ges. f. Path. zu Manchester und im med. Institute zu
Liverpool ftber neine Versuche von Nervendurchschneidung. Die Ganglienzellen in
den VorderhOmem des Rfickenmarks degeneriren nach Durchschneidung der zugehörigen
cratripetalen Nerven. Die degenerirenden Zellen befinden sich vorzQglich in der
hinteren äusseren Gruppe. Dieselbe Folge hat die Durchschneidnng des Axencylinders.
- i vGoogIc
650
ITftoh Ourchscbfi^idtiffg din«r vordet^D Wttrsel ist beiMlre Z^6 tti der itit-
Ibtzten Seite in dem betreffenden Segment ver&ndert.
Diese anmittelbar nach der Operation gefundenen Yerändenngen können nach
längeren Zeiträumen wieder Terschwniden; die Höglichk^ einer BestHntio ad in«
tegmm ist gegeben.
Die ausführliche Hittheilnng Wird im Jonre. ef phyeiology eiffelgen.
L. Lehmann I (Oeyohansea).
10) Beitrag sor Pathologie der Ganglienaelle, von Dr. Otto Juliusbnrger
nnd Ernst Meyer. (Monatsschr. f. Psych. u. Nearolog. 1898. Bd. III.)
Die Yerff. haben die grossen Zellen der Centralwindangen and der Yorderhi^r
bei einer Anzahl von Geisteshrankeu mit einer Modification der Kissrschen Methode
untersncht Die Zellen zeigten bei chronischem Alkoholismns, bei EESchöpfange«
delirien, bei Dementia paralytica nnd Dementia senilis mit Hemiparese im Weeeni-
tichSn denselben Erankheitsprocess, nnd awar sowohl in der Cmtto'alwindnng wie im
Yorderhom. Es handelte sich um Yerkleraerung and Abrundvng der S^en, nm ein
geringes Herrortreten der Fortsätze nnd nm einen im Centrum der Zelle beginnenden
und nach der Peripherie hin fortschreitenden Schwund der Grannla, staft deren f^e
EOmcben Torhanden waren, die regelloe zerstreut im Protoplasma lagen, ln weüMwn
Stadien fehlen auch die Kömcheo. Die Kerne der Zellen waren bald mehr oral,
bald mehr bi8knitf(hinig und lagen oft randständig.
Hinsichtlich der Oranola trat eine den Altersnnterschieden entsprechende Diffe¬
renz nicht zu Tage. Auch das Fieber zeigte keinen bemerkenswerthen Einfluss. Es
wurde uur ein quantitativer, ein Intensitätsunterschied ein and desselben Yorgangs
bei verschiedenen ätiologischen Momenten oonstatirt. Dass eine bestimmte Struotnr-
verändening nicht das anatomische Bild einer bestimmten Fnnctionsstffmng ist, geht
nach den Yerff. auch daraus hervor, dass die Zellen eines Falles mit ansgesprochmier,
motoiisoher Hyperfunction dieselben Yeränderungen anfwresen, wie die Zellen eines
Falles, in dem eine Carcinommetastase im Oberschenkel eine primäre Affeetion be¬
wirkt batte, die secondär einseitige Zellenveränderang im Bflckemm-k faerbei-
geführt batte.
Kormaie Oraunla lösen sich bei Betrachtnhg mit Immersion stets in einen
Haufen feiner Kömoben anf. Die Zwischenanbstanz zwischen den Kömem vermögen
die Yerff. principiell vom übrigen Zellprotoplasma nicht zn trennen. Sie hiflten die
Grannla für regenerationsfähig und fassen sie als Nährsobstanzen der Zelle anf.
G. llberg (Sdnnenstmn).
11) Ueber NervenzellVeränderungen des Vorderhoms bei Tabes. Ein Bei¬
trag zur Pathogenese der trophiscben Störungen der Tabes, von Doc. Dr. Karl
Schaffer. (Monatsschr. f. Psych. n. Kenrolog. 1898. Bd. III.)
Im Yorderhom des Rückenmarks oonstatirte Yerf. b« den trophiscben Störnagen
der Tabes ausgesprochene Yeränderangen der Nervenzellen. Die Zellerbanknng be¬
ginnt immer perinndeär und erscheint als successiv ablanfende Auflösung der chro¬
matischen Substanz. Ueber den erkrankten Nervenzellen finden sich gesunde Zellen.
Die tabischen Amyotrophieen sind nur durch centralcellulärs YeränderangSn erklärlich.
In der Genese der trophiscben Stömngen der Tabes soll ausser den poStsypbUitiSchen
Toxinen der Wegfall bedentender Beitmengen ih Folge der HintersWangssklerose
eine wirksame Bolle spielen. Die tabiscbe Amyotrophie stellt naoh dm* Meinung des
Yerf.’s eine, durch den tabiscben Ptocees vemrsachte Systemerkraokang dar.
G. llberg (SonnSnstein).
.cri nyGOOglC
5 »!
19 iMgiomitiDiiiB d»r VortiHio»— oU tn des Bflokenmerkt bei Demeatift
paialTtk», von Dr. H. Berger in Jena. (MoMtaechr. f. Psych. u. Nenrolog.
Bd.llL)
Necbdea Yerf. den Ban der Donnalen Yorderhomzelle des Bdckenmarte ge¬
schildert hat, betrachtet er ihre physiologischen nnd arteficSellen Yeiftodertiogen. Er
beq>ricbt sodann die wichtigsten pathologischen DegenerationsiTonnen: die Sklerose
and fie fbUigpiguientOBe Degeneration, welche als Zeichen eines mehr acnten Processes
gelten, sowie die CoUoidentartnng, die Yacnolisation and die Zelltheilnng, die als
Uebeo eines mehr chronischen Processes absosehen sind.
In 12 ^len von Dementia paralytica hat der Yerf. mit einer modificirten
NissPsebMi Itethode das Cetrical-, das Dorsal- nhd das Lumbalmark in Bezng anf
ihn Torderbonuellefi nntersncht Bei 83'^/g der nntersuchten F^Ue fand er Yer-
ladsrangoi der Zellen, nnd zwar waren die Zellen des Cervlcalmarks in 41
dis Donalaarka in 25^/o, die des Lendenmarks in 83^'g erkrankt. Eine Abh&ngig-
bit rrischen den Erknmkangen der Strangsysteme und der Zellenerkrankungen geht
4(0 Schwund des Qehims nicht parallel; sie scheint auch nicht von der Krankheits-
dusr abhängig zn sein.
Waa diese Zellverändemng selbst anbelangt, so fand sich im t*rotoplasma sehr
Mnfig eine Pigmentznnahme. Der ganze ^Uleib wird d^n mit khmigem Pig-
■nt angenUlt, die Zellgrenzen waren verwaschen, die Fortsätze geschwunden und
WdtBB eehlieeslich ganz. Der Zerfall der Nissl’schen Grannla b^inot an einer
BBsehriebenen Stelle dee Zellleibe, an der statt der Chromatioschollen feine, sich
■rinsiv firbende Körnchen anftraten. Der Zerfall anch der anderen Chromatin-
idiollen verleiht der Zelle ein gitterartiges Aussehen. Der Zusammenhang der
KOnchen lockert sieh immer mehr, die Zelle sieht gleichmässig blass und wie mit
Mnen Körnchen llbersäet ans. Endlich sind die Körnchen nicht mehr zu sehen; die
Ztile ist eine ondeutlicb begrenzte, blasse Protoplasmamasse geworden. Yacuolen
Men anf nnd die Zellen nehmen rundliche gequollene Formen an. Eine andere
Perm der Zelldegeneration geht mit einer tieferen Tinction der kleiner nnd
epärticber gewordenen Chromatinschollen einher, wobei die normalen Löcken der
ScboBut Ueiner werden and schwinden. Die ^Uen schmmpfen unter gänzlichem
Sdivsode der Chromatinschollen nnd tieferer Tinction des Protoplasmas immer mehr.
Us anfangs hoiw^n gefärbten Fortsätze zeigen später korkzieherartige Windungen.
Bei einer weiteren Erkranknngsform schwinden die Nissrscben Granula nnr
ii ärea centralen Pmrtieen, und zwar ohne dass Körnchen an Stelle der Granula
bitsiL Der D^enentionsprooesa ist hier ein local beschränkter. Um Colloid-
degeneration handelt ee sich, wenn eine scharf umgrenzte, glänzende Masse wie
na Ptemdkörper in der Zelle, nnd zwar meist in Ihren centralen Partieen liegt; die
Chromatinsehollen an der Peripherie und die Fortsätze haben hier eine normale Be-
rtalbnheit.
DerNueleolns der Yorderhomzellen war in der Kegel grösser, seine Tinctions-
fthigkeit schi^hsr, die KemkÖrperchenvacnolen waren zahlreicher als normal; der
Kallas war andi znweilen geschwunden. Kemmembran, Kernprotoplasma und
Meng des Kerns boten Yerändemngen dar. Der Kern zeigte hie and da Theilungs-
«KhMDongen. Einige Male war er geschwunden. ' G. Ilberg (Sonnenstein).
Pithologie de« Nervensystems.
U) tio tmbes doraalis, par CI. Philippe. (Paris. 1897. Bmlliöre et Fils.)
Bs wird innäehsi eine kritisehe Geschi^te der bisher Ober die Entstehung der
Tabes dorwalis anfgeetellten Theorieen gegeben. Aosgebend von der grundlegenden
Google
562
Arbeit von Bonrdon and Lays, welche die l^bee als eine Sklerose der bintarra
Woneln und Stränge erkannten, wird ale 2. Periode in der Erkenntniss der labee
die TOD Charcot und Pierrei verfochtene Anschanong vom Beginn dtf Tabes in
den Bandelettea externes der Hintersträi^e mit secandärer Erkrankong der Goll’*
sehen Stränge aafgestellt Die 3. Periode datirt von Tulpian, der 1879 den
primären Urspmng der Terändenmgen in Läsionen der hinteren Wurzeln sachte; du
Verdienst v. Leyden’s um diese Anschauni^ wird dabei vom Verf. nicht hinreichend
gewürdigt Diese Anffassong der Tabes als einer Erkrankung der hinteren Woneln
ist bente die allgemein herrschende. Verl^en einige Autoren den ürsprong der
Erkrankung in die Spina^anglien, so stellen.Redlich und Obersteiner als pri¬
märe Läsion eine proliferirende Meningitis hyperplastica auf, welche die hinteren
Wurzeln comprimirt
Verf. gebt dann dazu über, den Äufban der Hinterstrtoge des menschlichen
B&ckenmarks ans exogenen and endogenen Zonen genau zu schildern, ausgehend von
den beim Menschen beobachteten secundären Degenerationen der Hinterstränge, die
er allen anderen Methoden zur Erforschung des Aufbaues des Rückenmarks vonieht.
Nor der grobfaserige Abschnitt der hinteren Wurzel hat im Hinterstrang anfsteigenden
Verlauf, indem er von unten nach oben zuerst die „Zone comuradiculaire", dann
das Gebiet der „Baodelette externe“, zuletzt die Zone der langen zu den bulbären
Eemen aufsteigenden Fasern einnimmt Die lumbosacralen langen Fasern nehmen
das hintere Drittel des GoH’schen Stranges ein, die langen Fasern der 7 untersten
dorsalen Wurzeln die Übrigen Abschnitte desselben. Verf. hält die Existenz von
absteigenden, in deutlich abg^enzten Strängen angeordneten Wnrzelfasem für nicht
bewiesen und rechnet die im Schuitze'schen Comma und dem ovalen Centmm ab-
steigend d^enerirenden Fasern zu den endogenen. Hierbei sind die neuesten
Flatan’sohen Befunde noch nicht berücksichtigt, die zweifellos ergeben, dass das
Schnltze’sche Bündel, beim Hunde wenigstens, absteigende Hinterwurzelfasem dar¬
stellt Als aufsteigende endogene Zonen beschreibt Verf. die im comu-commissaralen
Winkel, besonders in Hals- and Lendeniutschwellnng, gelegenen Gebiete, die von
Wnrzelfasem durchquert werden, welche in die graue Substanz einstrahlen.
Verf. versucht nun auf Grund von 10 eigenen, klinisch und anatomisch unter¬
suchten Fällen von Tabes die dabei festzustellenden Läsionen in diesen Aufbau der
Hinterstränge einzureihen. Zur Feststellung der im Gebiete des intrameduUäreD
Theils des hinteren Wnrzelsystems auftretenden Läsionen sind Fälle von Tabee in-
cipiens zu studiren. Auf Grund der üntersuchung zweier derartiger Fälle weist
Verf. nach, dass die Läsion am stärksten im Gebiet der vonderen */, der „Bande lettes
externes“ auftritt schwächer in den Eintrittszonen. Die hinteren Wurzeln selbst
sind von Anfang an miterkrankt, aber schwächer als die intrameduUären Abschnitte.
Zur Feststellung der tabischen Läsionen im Gebiet der endogenen Systeme eignen
sich am meisten vorgeschrittene Tabesfalle, von denen Verf. 6 untersucht hat. In
diesem Stadium der Erkrankung greift der Process in verschiedenen Rückenmarks-
hühen auf die endogenen Fasersysteme über, zuerst auf die absteigenden, dann anch
auf die aufsteigenden. Die GoU’schen Stränge sind in vielen Fällen nur in Folge
der secundären Degeneration afficiri Das Studinm vorgeschrittener Fälle von Tabes
cervico-dorsalis beweist aber, dass sie auch primär erkranken können.
Was die histologischen Verhältnisse bei der Tabes betrifft, so konnte Verf. eine
nennenswerthe Wocherang embryonaler Zellen oder der Nenroglia nicht nachweisen,
so dass die Theorie von der primären interstitiellen Läsion bei der Tabes nicht auf¬
recht zu erhalten ist. Der parenchymatöse Process ist derselbe in exogenen und
endogenen Zonen; es ist ein progressiv atrophischer Process mit verhältnissmäsaig
langer Conservirung der Axencylinder, nur spärlichen EÖmchenzellen und keiner inter¬
stitiellen Wucherung. Der parenchymatöse Process zeigt nicht die Charaktere der
secundären Degeneration.
Googlv
558
Yerf. imtmrscbeidet «me gutartig nnd eine bösartige Form der Tabes. Er
gläubig dass die bösartige Form eine vorzugsweise medoU&re sei mit fr&hem Ergriffen-
sein dw end(^enen Gebiete. Dagegen wäre die gutartige Tabes eine rein radiculäre
Erkrankung. Die biitzartigen Schmerzen folgen der Wurzelerkrankung, während die
Farästhesieen mehr der medullären Läsion entsprechen würden. Yerf. hofft, dass
weitere klinische nnd anatomische Untersuchungen der Tabes dazu führen werden,
die klinuchen Symptome der Tabes besser mit den Läsionen des Bfickenmarks in
Zosammmihang zu bringen. M. Bothmann (Berlin).
14) De la top^;raphie dee troublea aenaitift dans le tabea; aea rapporta
aveo lea aenaadoiui dea tabdti^uea, par G. Marinesco. (La semaine mddi-
cale. 13./X. 1897.)
Verl hat, angeregt durch die Untersuchungen von Hitzig und Bähr, bei
50 Tabikern, darunter 10 amaurotischen, die Topographie der Anästhesie geprüft.
Bei 40 Kranken war eine Anästhesie am Thorax nachweisbar; am häufigsten finden
sich zwei anästhetische Zonen um die Hanunilla herum, mit normaler Haut in der
Mitte. Beicht die anästhetische Zone bis zur Axillarlinie, so ei^ift sie oft auch
die Innenseite des Armes, ein- oder doppelseitig. BUweilen greift die Anästhesie
auf die Schulterblätter über mit Freilassung eines schmalen Streifens zwischen den¬
selben. Diese ringförmige Anästhesie steht in naher Beziehung zu dem Gefühl des
eingelegten Beifens der Tabetiker. Die Sensibilitätsstörung am Arm reicht oft bis
zum kleinen Finger; bisweilen ergreift sie auch die beiden nächsten Finger.' Sehr
häufig anästhetisch ist die Genitalregion und die Perineo-anal-Gegend.. An den
Beinen sind die Plantar- und Dorsalfiäche der Füsse, der äussere Theil der Unter-,
Schenkel, der vordere und hintere Theil der Oberschenkel am häufigsten anästhetisch,
Auffallend ist) dass bei den erblindeten Tabikern die Sensibilitätsstörungen entschieden
zurücktreten.
Die Hauptberde der Anästhesie bei den Tabikern sind: 1. die Brustg^end,
2. die Genitalregion, 3. die unteren Extremitäten, vornehmlich die Füsse, 4. der
Jnnenrand des ganzen Armes. Eis besteht eine Beziehung zwischen diesen Anästhesieen
und den subjectiven Störungen, dem Gürtelgefühl, den Urinbeschwerden, der Impotenz,
den blitzartigen Schmerzeu der Beine. Es gelingt, wie Yerf. an zwei Beispielen
z^, bei genauer Beachtung dieser Symptome eine frühzeitige Tabesdiagnoee zu
stellen. Ob eine Analoge zwischen den visceralen Krisen und den Sensibilitäts-
Btömngen besteht, ist noch nicht sicher zu sagen, wenn es auch wahrscheinlich ist
Die Ausbreitung der tactilen Anästhesie bei der Tabes entspricht im Wesent¬
lichen den Yertheilungsbezirken der sensiblen Wurzeln, wie Yerf. an dem von Thor-
burn aufgestelltem Schema der Wurzel vertheilung nach weist. Dass die Anästhesie
nicht immer genau einem Wurzelfelde entspricht, erklärt sich 1. aus der ungleichen
Vertheilung der Läsionen in den aufeinanderfolgenden Wurzeln, 2. aus der oft von
mehreren Wurzeln beeorgi^n Innervation eines Hautgebietes, 3. aus der Betheiligung
eines analeren Prozesses an der Wnrzelläsion. Jedenfalls empfängt die Wnrzeltheorie
der Tabes eine neue Stütze. Bei der Differentialdiagnose g^enüber der Pseudotabes
und anderen tabetiformen Affecüonen können diese charakteristischen Sensibilitäts-
stömngen von grösster Bedeutung sein. H. Bothmann (Berlin).
15) lio tabes d*aprAs les travaux da Dr. Pierret, pv H. Klippel (Bevue
de Psydi. 1897. Nov.)
Yerf. resnmirt eine Arbeit Pierret's: „Considörations ^thötiques sur la patho-
gdnie du tabee", in welcher dieser seine zahlreichen Arbeiten über den Gegenstand
zusammengefasst hat. Fönendes ist daraus hervorzuheben:
Dig :.7cd c/ Google
564
Die Senaibilit&tBstöningeo stehen bei der Tebes im Tordei^iide und küiuten
alle seosibleii Nerven ergreifen (a. a. aach den Acostiora).
Locale LAhmungen sind bei der Tabes dorohaos nii^t seltra, wenn de ineb
wegen ihree passageren Cberaktere oder ihrer geringen latensHAt oft verkannt werden.
Sie spielen vielleicht eine HanptroUe bei dw Entstehnng der AtaZie (so Marke eder
zu geringe Wirkung eines Antegonisten).
Ansser fiftckenmark und peripheren Nerven kann aneh das Oehim in gewiam
Sinne bri der Tabes mitbetbeiligt sein (Hemiplegie); und die «Mttgelnds OeoHiuties,
welche am h&nfigsten der ungenfigenden ActJon der Antagonisten entspringt, kum
auch durch nutritive Stömngen von Seiten der Hudreln (diseeminirte Newitidn)
oder Störungen der entsprechenden psychoseaborisehen Biadenregitn eBtstehea. B«
den completen Tabikern wirken alle 3 Factoren sosammen.
Von Einzelheiten ist erwähnenswerth, dass trophische Störungen das Kraokheid*
bild compliciren können; tabische Amyotrophie.
Da die Tabes gewöhnlich von den hinteren Wurzelzonen ausgeht» fehlt gani
anfangs auch das Bomberg'sche Symptom; denn dieses beruht auf einer Affection
der Qoirscheo Stränge.
Bezüglich des peripheren ürspmngs der Tabes hat Verf. schon 1879 auf
Neuritis cutaner Nervenendigungen bei derselben hingewiesen.
In der Genese einiger ^mptome spielt auch der Sympatbicus eine Bolle (der
im Bückenmarke eine intermediäre Zone zwischen Vorder* und Rintersträogen ein*
nimmt); die vasomotorischen Störungen, die visceralen Krisen, Hypersekretionen n. s. w.
sind auf seine Bechnuug zu schieben.
Hinsichtlich der cerebralen Störungen unterscheidet Verf. eine sensitive von einv
motorischen Tabes, und erklärt z. B. das Delirium der Tabiker für sensorischen
Ursprungs. Br scheidet die tabische Demenz von der der progressiven Paralyse und
hält diese für eine besondere Krankheit Pani Cohn (BwUn).
16) A oaae of tabea doraalia with delosional insanity, by Francis 0.
SimpsoiL (Journal of nervous and mental disease. 1897. JnL YoLXXIV
S. 409.)
Tabes bei einer 41jährigen Frau mit religiöser Paranma.
Bemerkenswerth ist, dass Patieatin von ihrsm Ma&ne, der später an kUg o asiB ei
Paralyse starls luetisch inflotil worden war, und dass auffollende BeaHssfeaen ia
Verlauf der Tabes eintraten. _ Sommer (Allenberg).
17) Mal perforant du pied naoh £mbolle der Arterla popUtea, von Dr
Stummer in Erlai^^. (Virchow’s Arch. Bd. CIL.)
Verf. wendet sich gegen die allgemein verbreitete Auffaasang, daaa die al
Mal perforant bezeichnete trophische Störuag immer nur auf der Basis eines Noien
leideas entstehen könn^ und besohrabt einen Fall von ty^sebem Mal perforant
welches lediglich durch eine Embolie der Arteria po^tea bei al^mBeiaer Artois
Sklerose zu Stande gekommen war. Lilienfeld (Gr. LiehteiMde).
16) Looeasotor atazla wBb nlkuost cmmplebe ntinlgnala, ^ BneVer. (Bri
med. Jouru. 1898. Jan. 22. S. 216.)
Verf. stellte der Londoner klin. Geselteoheft einen 55jähr. TahnsknuikM vo
der am ganzen Körper analgetisch war mit Ansschiass der Nase and des Man«
kreises; jedoch die Innenfläche des Hundes und die Zunge zeigten gleidtfills Ana
■ .Google
506
f09ie. Ebenso überall war der Temperatnrainn verloren. Die Eranbbeit batte
lan^m angefaagen, bestand seit 6 .labren and hatte keinen epecidscben Urspmng.
Ancb die oberen Oliedmaaesen seigten Incoordination.
L. Lehmann I (Oeynhausen).
19) De ta ouie ^adioale du mal perforaut par rdlongattou des iierfli
plantaires, par A. Cbipault (Gazette des hOpitaux. 1897.)
YeiT. beriditet Über 7 F&Ue von Mal perforant rerscbiedenen Ursprobgs, jedoch
mit stets tiefen Ulcerationen, necrotiscben Knocbenprocessen, ohne Tendenz znr
Heilnng) in welchen Oehnnng der Flantamerven, dabei ^eicbzeitig gründliche Aus-
kratzong des necrotiscben Gewebes nnd daranf folgend Vereinigung der frischen
Wnndrtader vorgraemmen wurde; in 6 Fällen trat Heilung ein. Die Dehnung darf
nicht der Dlceration allzu nabe voigenommen werden. B. Hatschek (Wien).
90) Deber die Coinoidena von Tabes dorsalis und Aortenerkrankungen,
von F. Bnslin. (Inaug.'Dissert. 1898. Berlin.)
Verf. glaubt aus 17 Fällen von Tabes, in welchen gleichzeitig eine Erkrankung
der Aorta vorfaandmi, war, folgern tu können, dass die mit Aortenerkranknng com*
l^kirte Tabes im aligemeinen in der Form der Alterstabes auftrete, und daes dabei
die Ataxie der unteren Extremität nor wenig oder gamicht ansgesprochen sei, hin¬
gegen in der oberen häufig. Der Sitz der Erkrankung sei m diesen Fällen wahr*
sebeinlich vorwi^end das OMrvioalmark. Kaplan (Hereberge).
21) Contributo allo Studio olinioo della tabe, per G. Fardo. (Bivisi di
Fsichiatria. 1898. 1. Febr. Nr. 18.)
Ein Fall von Tabes, der ansser den gewöfanlichen Symptomen atfaetotische Be*
Wangen nnd Myoclohos, partielle Ophthalmoplegie, Neuritis optica, Herabsetzung
des Gehörs, halbseitige Herabsetzung von Gescdimack nnd Geraoh. Ausfall der Zähne,
halbseitiges Schwitzen, psychische Störungen bestehend in Fhantasiren nnd Halln*
einationen and epileptis^e Anfälle nnd Aeqoivalente darbot. Die Epilepsie war im
40. Lebensjahre und nach dem- Beginn der Tabes aufgetreten, so dass Verf. einen
ätiologischen Zusammenhang zwischen beiden annimmt (Inwieweit der seit dem
32. Lebenqahr getriebene Alkohol- und Tabakihlssbrench an der Epilepsie Schuld
ist, onterlä^ Verf. zu erörtern. Bef.) Valentin.
22) Le dermogrepkiime dass le tabaa dorselie, par Dr. A. Balchline.
(Oomptes rendus de la sodötö de biologie. Söance ^ 13. Novembre 1897.)
Verf. hat 14 Fälle von Tabes auf Dermographie nntersncht und in nicht weniger
als io Fällen dieselbe conatatiren können. Besonders deutlich war die Erscheinung,
wie auOh sonst, am Bnmpf und besonders am Bücken und hier häufig mit ober¬
flächlicher oder tieferer Hauthyperästhesie verbunden. Lancinirende Schmerzen waren
znr Zeit dek mehrfach wiederholten Untersochnng in keinem Fall vorhanden (vergL
die Beobachtung von Westphal, Charitö-Annalen. 1897. D. Bef.).
Martin Bloch (BwUn).
23) Zur Symptomatolc^e der Tabes, von Benda. (Berliner klin. Wochenschr.
1898. Nr. 6.)
Bei einem 53jäbrigen Tabiker, der seit Jahren an lancinirenden Schmerzen ni
den Beinen gelitten, blieben dieselben plötzlich weg, nnd es traten an ihre Stelle
r , Google
556
&Ti88erBt heftige Schmenen in der Brost. Dieselben sbnfalten von den Brostwanaa
nach dem Bfichen and den Armen ans. Gleichzmtig geriethen die Bmstmaskeln in
starke Zocknngen, so dass die Arme energisch addndrt wurden. Die AnßUe daoerten
4—6 Seconden. W&hrend einiger Anf&Ue stockte der Athem, der Pols wurde klem,
das Gesicht bläulich. Diese Anfälle worden später wieder von den Sehmersen in
d«i Beinen al^äst _ Bielschowskj (Brealaa).
24) Ein Fall von Tabes donalis mit Herpes soster, von Dr. A. Westphal.
(Charitd*Annalen. 1897. XXII.)
38jähr. Frau, deren Hann vor 11 Jahren syphilitisch infidrt war und eiim später
mehrfach wiederholte Hg-Kur dorchgemacht hat, hat einige Haie abortirt und leigt
weisse Plaques der Hundschleimhaui Im Jahre 1894 Doppeltsehen, das nach einw
Sehmierkur verschwand. Im Juli 1896 Kur ln Aachen, während der ein aboter
Erschöpfongszustand mit psychischen Veränderungen, leichter Verwirrtheit, Rrregong
und Vergesslichkeit auftrat, der nach ünterbrechong der Kor rällig zurflel^inf. Bei
ihrer wegen heftiger Schmerzen im linken Bein erfolgten Aufnahme in die Charit4
zeigt sie die klassischen Symptome der Tabes und am linken Bein die Haut vom
Gesäss nach abwärts die Hinterseite des Oberschenkels entlang, hintere und äussere
Fläche des Unterschenkels, Fossrflcken, die Innenflächen der Zehen und etwas noch
den medialen Fassrand eingenommen von in Gruppen stehenden Bläschen, von
wechselnder Grösse, theils mit heller Flüssigkeit, theils eitrig gefüllt, ein^ bereits
geplatzt. Die Bläschen waren mit den lancinirenden Schmerzen gleichzeitig aof>
getreten, mit dem Abbeilen derselben schwanden die Schmmrzen.
Eine andere außallende Erscheinang war eine mit besonderer Deutlichkeit
hervorzorufende Urticaria facticia, die eigenthümlicherweise gleichfalls allmählich
verschwand.
Mit Recht betont Verf., dass der klinische Verlauf der Erscheinungen in seinem
Falle die Annahme eines inneren Zusammenhanges der Hauteruption mit der tabischeo
Erkrankang recht plausibel erscheinen lässt; an welcher Stelle des sensiblen Keorona
der Ausgangspunkt des Processes zu sncheu ist, ist wohl nicht zu beantwortoi, da
Herpes zoster bekanntlich durch peripherische, wie auch sehr wahrscheinlich dvrch
centrale Erkraukui^en hervorgerufen werden kann. Hartin Bloch (Berlin).
26) Üeber erbliche Tabes, von S. Ealischer. ' (Berliner klin. Wochenschr
1898. Nr. 18.)
Verf. berichtet über zwm Fälle, eine 61jährige Frau und deren 27jähri|;en
Sohn, die beide das typische Symptomenbild der Tabes darboten, ohne dass für die
Annahme einer voransgegangenen syphilitischen Infection der geringste Anhaltponkt
vorhanden war. Während die Hotter in dem für die Entstehung der Tabes ge¬
wöhnlichen Alter, nach dem 30. Lebensjahre, erkrankt war, zeigte der Sohn schon
mit 27 Jahren das ausgeprägte Krankheitsbild. Für diese frühe Entstehung der
Tabes scheint die hereditäre Belastung verantwortlich zn sein.
Bielschowsky (Breslao).
26) Ueber infantile Tabee und hereditäre syphilltisohe Erkrankungen
Centralnervensystems, von Dr. S. Kalischer. (Archiv f. Kinderheilkond«
Bd. XXIV.)
Verf. giebt die Krankengeschichten einiger Fälle von Luee cerebrospinalis im
Kindeealter, die das Bild der Tabee vortänsohten. Er erinnert daran, dass echte
Tabes bei Kindern sehr selten ist, dass es sich bei der „Tabes in£an^is*‘ zuweilen
Dig \'7cö
Google
557
am Tabesparaljse, oft um PseodofaibeB syphilitica hondls. Bei letiterer er^eift eine
Meningitis spinalis ^philitica die Hinterstränge oder ^e gnmmöse Infiltration der
Hinterstränge, betw. eine die Hinterstrangsgegend besonders betreffende Arteriitis
eneogt ein der echten Tabes nahestehendes Sjmptomenbild. Oft handelt es sich
auch am Friedreioh’si^e Ataxie, die ebmiso me die Hdrddo>Ataxie cdrdbellease
darch specielle Symptome Ton der Pseadotabes syphilitica abgegrenst werden kann.
Beide genannten Krankheiten stehen offenbar in keiner engeren Beziehong zur Loes.
Die Tabes dorsal spasmodique der französischen Autoren endlich gehört ins Bereich
der spastischen cerebralen Kinderlähmongen, ist fibrigens gar keine Elrkrankang der
Hintersfr&nge, sondern der Pyramidenbahnen. Yerf. legt der Syphilis als ätiologischem
Factor fflr die cerebrale Kinderlähmung keine aUzu grosse Bedeutung zu; Fournier
erklärte die spastische cerebrale Kinderlähmnng bereits fOr eine parasyphilitische
Aflection. 0. Ilberg (Sonnenstein).
27) liooomotor ataxia ln hast>and and wlte, by B. F. Trevelyan. (Brit.
med. Joum. 1898. Apr. 9. S. 943.)
1. Die Frau, 56jährig, 36 Jahre verheirathet, bekam vor 27 Jahren zuerst
excentriscbe Schmerzen in den Beinen. Seit 2'/, Jahren ist sie bettl^rig, vor
1 Jahre bekam sie eine spontane Fractur des rechten Beins. — Gegenwärtig realen ,
die Pupillen weder anf Licht, noch Accommodation. Gastrische. Krisen. Sensibilität
sehr gestört. Blasenincontinenz. Kniegelenke geschwollen und diffonn. Die Arme
scheinen frei.
2. Der 58jährige Gatte bekam die ersten Schmerzen vor 26 Jahren. Vor
1 Jahre kam linksseitige Hemiplegie dazu, welche sich langsam besserte. Papillen
ungleich, starr. Ataxie; Kniephänomen fehlt.
Die Ehelente hatten 12 Kinder, von welchen nur 3 noch leben.
Auf die besonderen und selteneren Yorkommnisse bei Tabes: Spontanfractor bei
der Ehefrau und Hemipl^e beim Gatten wird besonders aufmerkaam gemacht und
in Anal<^e mit anderen Fällen ähnlicher Art in der Litteratur zusammengeholten
(Minor, Pitres und Garriöre u. A.). Syphilis wird als Ursache aufgefasst. Die
Anftnge dieser Erkrankungsftlle liegen 1Y, Jahre auseinander; die Frau erkrankte
zuerst Die Fälle von Tabes bei Ehepaaren (Erb, Str&mpell, Goldflam, Dawson
Turner, Moebins, Mendel, Pearce und Weir Mitchell) sind rerhältnissmässig
nicht zahlreich.
Anf die ausführliche Betrachtung solcher Fälle im Original, namentlich in Be¬
ziehung auf Zusammenhang mit Syphilis wird hier nur verwiesen.
L. Lehmann I (Oeynhausen).
28) Ist die progressive Paralyse ans den mikrosKopisohen Beftinden an
der Orosshimrinde pathologisch - anatomisch dlagnostlcirbarP von
Ottomar Schmidt (Wflrzbnig). (Allgemeine Zeitschrift f. P^ch. Bd. LIY.
8. 178.)
Schon die zweite Arbeit gleichen Inhalts aus der Wflrzbuiger Klinik, die auf
Grund unvollständ^er Litteraturstudien feststellt, dass eine pathologisch-anatomische
Diagnose der Paralyse nicht möglich ist. Der Yerf. hat sich allerdii^ nicht
nur auf Litteraturstudien beschränkt, sondern 3 Fälle anatomisch untersncht; von
diesen waren 2 Paralysen, während der 3., ein Epileptiker mit porencephalischem
Defeet, als Controlobject ^ente. Die ganze Untersuchung erstreckte sich allerdings
nur auf je 17 Bindenstöckchen, die ausschliesslich nach Weigert gefltrbt wurden
und dem Yerf. verriethen, dass er imstande war, durch ungenftgende oder zn lange
fortgesetzte Differenzirung fehlerhafte Bilder zu bekommen, während er auch an gut
Google
558
gaf&rbten Pr¶ten keine chwakterietischen Unterschiede erkennen konnte. iHe
Arbeit benennt sich: „eine litterarische und anntomisohe Studie.“
Aschaffenburg (HadeUmg).
29) La demenza paralitioa negli ImbeoUle, per L. Cappelletti. (Biv. speri-
meot. di Freniatr. XHII.)
Uas Auftreten yon Dementia paralytica bei Imbecillen ist bisher erst in 2 FaUen
beschrieben worden. Verf. fügt diesen einen 3. binzn:
Eine 64j&hnge Imbecille, die einige Monate vor ihrer Erkranknng von ihrem
Bruder aus dem Hause gejagt und dadurch in die ärgste Hoth gerathen wnrde
paniakalisch in die Irrenanstalt zu Ferrara eingeliefert. Dort fand mau bei der
Kranken kleinen, unsymmetrischen Schädel; Tremor an Zunge, Gesiebt und Eztremi*
täten; Sprache häsitirend, tremolirend; Pupillen weit, ungleich, auf Licht und Accom*
modation nur wenig reagirend; keine Zeichen von Sn^hilis am Körper. P^chisdi:
gehobene Stimmung, Grössenideen. Nach 2 Jahren starb die Kranke m Folge eines
apoplectiformen Anfalls. Dura verdickt, stellenweise dem Gehirn adhärirend, ebenso
die Pia. Die Windungen mit kleinen Erosionen, Stimhim klein, die Bemisphären
unsymmetrisch, graue Substanz schmal, Arterien der Basis atheromatös.
Yon den ätiologischen Factnren, die bei der Dementia paralytica mne Belle
spielen, kam ausser Heredität in dem Falle des Yerf.’s nur noch die plötzliche
Yerschlechterung der socialen Lage der Patientin in Betracht, und diese auch nicht
durch die psychische Wirkung, die bei der Imbecillen gleich Null war, sondern nur
duKh die T^etative.
ln einer Anmerkung berichtet Yerf. noch über einen anderen Fall, also den 4.
überhaupt beobachteten, von Imbecillität und Dementia paralytica, den er in den
Krankenregistem der Irrenanstalt zu Ferrara verzeichnet fand. Yalentin.
9P) Bltt faU af hypokomdrlak paralye med tabetiaka Symptom, af Henry
Marcus. (Nord. med. ark. 1897. N. F. VIII. 2. Nr. 36.)
Ein 46 Jahre alter, in guten Verbältnissm lebender und vorher gesunder Mann
ohne erbliche Anlage hatte Bich vor 16 Jahren einen nicht für syphilitisch gehaltenen
Schanker zugezogen, anf den nie seoundäre Symptome folgten. Pat begann schlecht
zu hören und wurde vollständig taub, ln Folge davon wurde Pat. düster gestimmt
und verfiel in moraliscbe Depression, er machte sich Vorwürfe, plante Selbstmord
und änsserte Hordgedanken, verweigerte die Mabnmg, wurde auch manchmal gewalt>
thätig. Die Pupillen waren klein, aber gleich gross und reagirten. Die PateUar*
reflexe waren schwach. Im Jahre 1895 begannen die Ideeen des Pat. ausgeprägt
hypochondrisch zu werden, immer absurder und ambitiös. Im Jnni desselben Jahres
reagirten die Pupillen nicht mehr, die Patellarreflexe waren verschwanden, Symptome
von Ataxie traten auf. Die Krankheit charakterisirte sich deutlich als hypochon*
drische Form der allgemeinen Paralyse. In der Nacht vom 3. znm 4. Februar tiwten
heftige epUeptiforme KrampfanföUe auf, während deren die Papillen erwmtert waren;
die Anfalls dauerten fort bis zum 4. Februar, danach stellte sk^ Coma ma and
Fat starb am 5. Febmar.
Bei der Section fand sich Meningoencephalitis und Meningoipyahtis mit den ge»
wöhnlioh als syphilitische betrachteten Gefässveränderongen. Bei der mikroakopieehea
Untersuchung fand man Degeneration der Nervenelementa in der Bimrinde, Ver*
mehrong von Bindegewebe mit vermehrtem Ge^reichthnm, Veränderungen, wie sie
^isch für die allgemeine Paralyse sind. Im grossen frontalen Associatioosoentnim
Flechsig's zeigte sich ausgesprochene Zerstörung in der 1. und 2. Stimwindung
beider Hemisphären, die Hirnhäute waren mit der Himoberfläohe varklc^^ die Win-
Google
558
doogen wtnn ndocirt, die graae Sabetans wmindert und unregeUniasig, etwas
•atßrbt und gallertartig. Die KervoieleaMnte waren zerstört, namentUch in der
iuseem U&lfte, dis OeAsee waren stark Tergrösaert mit dioken Wandungen, ubh
geben von lahlreichen Ijmphoiden Zellen. Die 3. Stimwindnng war nnr leiobt er¬
griffen. Das insulare war auf beiden Seiten in grosser Ausdebnni« ergriffen, hier
fanden sieh kleine H&morrhagieen. Im grossen parieto-occipitO'temporalMi Assoeiations-
oentram zeigte nur der 2. Gyros oocipitalis stärkere Verii^emDgen. ln der Körper-
ffihligih&re waren die Zerstörungen ganz unbedeutend, wie auch in den Sinnescentren
in der Hirnrinde. Im Hftckenmark fanden sieb in der ganzen Länge desselben be-
deutende Degenerationsprocesse, am stärksten im oberen Lendenmark; wirklich der
Tabes zokommende Veränderungen fanden sich nicht
Walter Berger (Leipzig).
31) I. l«a demenza paralitioa nei pellagroat perC. Pianetta. (Kivist di Patolog.
nerv, e ment 1897. Nr. 12.) — ü. Deila demenza paralltioa nei pellagrosi,
per G. B. Verga. (Ebenda. 1898. Nr. 1.) — 111. Beplioa, per C. Fianetta.
(Ebenda.)
Das Vorkommen pre^ressiver Paralyse bei Pellagrösen wird von verschiedenen
Säten geleugnet Man bat gesagt, dass es sich um zufällige Aehnlicbkeiten handelt,
denen aber grössere Verschiedenheiten gegenüberstehen. Verf. sucht durch Bei¬
bringung einiger Krankengeschichten zu beweisen, dass dss Gift der Pellagra im
Stande ist, kliniseh wie anatomisch den Symptomenoomplez der pix^essiven Paratyse
zn eneogen. Bei seinen Kranken, die alle die demente Form der Paralyse nüt
Pupillenstarre, Sprach- ond Motilitätsstörungen und abrnpten Grössenideeen zeigten,
war ausser Pellagra kein ätiolc^isches Moment auffindbar, da namentlich Syphilis
und Alkoholismns stets ziemlich sicher anszoscbliessen waren. Dass es sich am eine
einfache OompUcation oder nm das Endstadinm der Pellagra gehandelt habe, dagegen
spricht Entstebnng, Däner and Verlauf der Paralyse. Anatomisch fand Verf. Ad¬
härenzen der Bimste an der Himoberfläcbe and Ependymitis grannlosa. Das
Exankheitsbild der prc^n'essiven Paralyse bei Fellagrakranken ist ziemlich selten:
3 Fälle unter 382 Pellagrösen.
Verga bezweifelt, dass in den von Fianetta beechriebenen Fällw ätiologisch
allein die Pellagra in Betracht komme; er glaubt, dass noch andere Bedingungen,
tozieoher, traumatisoher, infectiöser oder anderer Art mitgewirkt haben,
ln einer Brwiderm« hält Fianetta seinen Standpunkt fest
Valentin.
32) Die Bolle der Lues bei der Tabes und der Faralysin pro^ealva,
von A. Sarbö. (Fester med.-chir. Presse. 1898. Nr. 3—ö.)
Verf. hat eine Beihe der grösseren Statistiken über die Häufigkeit der Lues
bei Nichttabischen einerseits und bei Tabikern andererseits znsammengestellt and
kommt dabei zn dem Resultate, dass Lues sich bei Nichttabischen in 22,5finde,
hingegen bei Tabikern in 72,8 Verf. vertritt anf Grund dieser statistischen
Besnltnte energisch die Ansioht, dass ein engw Zusammenhang zwischen Lues und
Tabes beetehe, und betraehtet die Tabes nicht als speoifisch luetische Erkrankung,
eondem, ebeneo wie Strümpell, als conseentive Affection, also etwa ähnlich, wie
die po^iphtheritisohen Lähmungen im Verhältniss zn Diphtherie. Verf. weist darauf
hin, dass die Wirknngalosigkeit des Quecksilbers and des Jods bei der Tabes gegen
den syphilitischen Ursprong derselben gamichts beweise, da es sich eben bei der
Tabes um Zerfall von Faaem handele, deren Wiederherstellung von vornherein gar-
oioht au erwarten sei, ganz abgeeeben davon, dass manche zweifellos tertiär ejphi-
Dig ! ^od Dy Goog Ic
560
litischen Affectionen, wie manche Hautsyphilide o. s. w., auf specifisdie Behandlung
ebensowenig re^irten. Zu ähnlichen Besnltaten gelangt Verf. fhr die Paralyse auf
Grund einer Zusammenstellung von 18 Statistiken und betont hierbei die Neigung
der Paralyse, sich mit Tabes zu combiniren, sowie die Häufigkeit von Äugenmuskel-
lähmungen gerade bei Lues, Tabes und Paralyse.
Endlich spricht Terf. die Ueberzeugung aus, „dass. es mit der Zeit gelingen
wird, die Paralysen, in deren Anamnesen Syphilis vorkam, von jenen, in deren
Anamnese sie fehlt, klinisch und histologisch zu unterscheiden und zu trennen"
(? Bef.). Kaplan (fierzberge).
33) The early dlagnoais of tsbea, by Philip Meisowitz. Bead before the
Harlem Medical Association. 1897. June 2. (New York medical Journal.
1898. -YoL LXVII. Nr. 7.)
Yerf. erörtert unter kurzer Hittheilung von Krankengeschichten die Frfih*
Symptome der Tabes und ordnet dieselben nach ihrem Werth in fönender Beihe:
Opticusatrophie, Yerlnst der Kniephänomene, refiectorische Pupillenstarre, lancinirende
Schmerzen, Analgesie, Blasenschwäohe, Gfl^lgefflhl, gastrische Krisen, Bimnerven'
lähmungen, Arthropathieen. Opticusatrophie genflgt allein zur Diagnose, während
die anderen Symptome nur in (mannigfacher) Combination mit einander entscheidenden
Werth besitzen.
Die gegebene Beihenfo^ dftrfte im grossen ganzen richtig sein, sicher falsch
aber ist des Yerf.’s Behauptui^, dass Opticusatrophie allein zur Annahme einer Tabes
ohne weiteres berechtigt. B. Pfeiffer (Cassel).
34) Die Behandlung der Oangstörungen bei Tabee vermittelst der Uebonga-
theraple, von Dr. Gräupner (Nauheim). (Allg. med. Central-Zeitung. 1898.
Nr. 38.)
Trotzdem die zahlreichen zur Uebungstherapie angegebenen. Apparate ohne
Zweifel vielfache Yortheile bieten können, ist es doch, um die Mehrzahl der Praktiker
für die Methode zu gewinnen, zweckmässig, immer wieder zu betonen, dass auch
ohne kostspielige Apparate gute Erfolge mit der Bewegungsther^ie bei den Tabikern
zu erzielen sind. Aus solchen Erwägungen empfiehlt YerL die Auwendong eines
einfachen Innoleumteppichs, dessen Figurenmuster als Hfllfsmittol fftr die Uebungen
dienen, und beschreibt im Einzelnen dessen Gebrauch. (Auch Bef. benutzt seit
längerer Zeit mit Yortheil einen solchen Läufer bei der üebungstberapie an den
Tabeskranken der Mendel’schen Poliklinik.) — Yon seinen früheren Yersuehen,
sich zur Correctur uncoordinirter Bewegungen „acustischer Marken" (mit Hülfe
elektrischer, am Läufer angebrachter Läutewerke) zu bedienen, ist Yert zurück*
gekommen. Toby Cohn (Berlin).
36) Om den s. k. hereditära oerebellars ataxien, af Prof. F. Lennmalm.
(Nord. med. ark. 1897. N. F. YIIL Nr. 29.)
Yerf. tbeilt 3 Fälle von hereditärer cerebellarer Ataxie ans einer Familie mit,
in der unter 33 Mitgliedern im ganzen 8 in verschiedenen Generationen an dieser
Krankheit litten.
Der 1. Fall betraf ein 22 Jahre altes Mädchen, das in der Kindheit gesund
gewesen war bis auf Masern und Pocken. Im Alter von 15 Jahren bemerkte Pat.
die Incoordination, während die Mutter der Fat. schon einige Jahre früher unsiehnen
Gang au ihr bemerkt haben wollte. Im Alter von 18 Jahren b^fann sie auch Un*
Sicherheit in den Bew^ungen der Arme zu bemerken, • namentlich bei Ausfühmng
ig i'^od Dy CjOO^Ic
561
feinerer Arbeiten, besonders ancb beim Schreiben. Bald nahm auch das SehrermOgen
ab, nngefthr gleichzeitig anf beiden Aagen, and später wurde auch die Sprache
langsam, monoton and die Worte kamen stossweise heraus. Schmerzen hatte die
Fat nicht gehabt, nur einmal Torflbergehend in Armen nnd Beinen. Aach heftigerer
Kopfschmerz und Schwindel traten nicht auf, ebensowenig andere Kerrenerscheinungen.
Bei der ophthalmoskopischen Untersachang fand sich aaf beiden Seiten Chorioiditis
ond Atrophie der Sehnerren. Auf beiden Seiten bestand Ftosis, die Bewegongen
der Augen waren lai^^m, nach oben za anm(^lich. Die Bewegungen der Glieder
waren incoordinirt, der Gang war ansicher, schwankend, Pai konnte das Gleichgewicht
schwer halten. Beim Gehen fanden gleichzeitige unwillkbrliche Bewegungen des
Kopfes and der Arme statt. Die Reflexe waren verstärkt, an beiden Beiuen bestand
lebhafter Dorsaldonos. SensibilitätsstOrnngen nnd Tasomotorische Störungen waren
nicht vorhanden. Die inneren Oi^^e waren gesand.
Der 2. Fall betraf die 52 Jahre alte Matter der Fat Bei ihr war die Coordi-
nationsstörung erat im Alter von 43 Jahren eingetreten and geringer als bei ihrer
Tochter. Die Störung trat zuerst in den Beinen, erst später in den Armen und
aach nur in geringem Grade und nicht dauernd ein, so dass sie dadurch nicht weiter
behindert war. Der Gang war steif, breitspurig and wankend, und es war oft
schwierig, das Gleichgewicht zu halten, besonders bei hastigen Bewegungen und
Wendungen, aber bei aneinander gesetzten Fflssen stand die Fat. gat, aach bei ge*
schloesenen Augen. Die Reflexe waren bedeutend verstärkt Die Sprache war etwas
langsam nnd scandirend. Von Seite der Augen war keine Störung vorhanden.
Der 3. Fall betr^ die 46 Jahre alte Schwester der zweiten Patientin, die Tante
der ersten. Ungefähr seit dem Alter von 20 Jahren begann sie an Kopfschmerz zu
leiden, nach ihrem ersten Wochenbett, im Alter von 26 Jahren, begann die Geh*
Störung, 1 oder 2 Jahre später Unsicherheit in den Armen nnd im Alter von etwa
29 Jahren begann Sebstörung. Das Sehvermögen war bedeotend herabgesetzt, die
Bewegpngeo der Augen waren träg, aber möglich bis aaf die Bewegung nach oben,
die Sprache war etwas langsam, stossweise, aber sonst nicht gelösst; die Bewegung
der Arme geschah unsicher nnd unbeholfen. Der Gang war anbeholfen and
schwankend und durch unfreiwillige Mitbewegungen im ganzen Körper gestört. Die
Sehnenreflexe waren lebhaft Fnsselonas war vorhanden.
Walter Berger (Leipzig).
36) The morbid anatomy of a oase of hereditary atazle, by Adolf Meyer
and Sänger Brown. (Brain. 1897. Aatamn.)
Es handelt sich um einen Fall ans der Grappe, die Sänger Brown 1892 im
Brain beschrieben hat (s. d. Centralbl. 1892. S. 648). Nach der hier noch einmal
g^benen Darstellung der Symptome in diesen Fällen handelte es sich, wie auch
die Verff. jetzt anerkennen, um diejenige besondere Form, die Nane als Hdrddoataxie
cdrdbellense von der Fried reich’sehen Krankheit getrennt hat (erhöhte Reflexe an
den Sehnen der Beine, Sehnervenatrophie). Die anatomische Untersachang war aus
äosseren Grflnden keine ganz vollkommene; sie ergab folgendes; das Kleinhirn zeigt
keine umschriebene Läsion, auch die Furkinjezellen sind an Zahl nicht verringert
Im Rfickenmark zeigen sich solche Theile afficirt, die nach unseren Kenntnissen mit
dem Kleinhirn in Yerbindnng stehen. Das ganze Rfickenmark zeigt Yermehrong der
oberflächlichen Nenroglia und eine grosse Zahl von Corpora amylacea, wie man das
bei alten Leuten findet Die betreffende Kranke war bei ihrem Tode 67 Jahre alt
nnd die ersten Krankheitserscheinangen waren mit 45 Jahren aafgetreten. Die Verff.
weisen darauf hin, dass die bisherigen Untersnehnngen in Fällen wie Hörädoataxie
cdräbelleuse ein einheitliches anatomisches Bild nicht geben. Sie glauben mit
Bdinger und Bernhardt (s. d. Centralbl 1892. S. 649), dass eine scharfe
36
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6«2
Tmmvog swiMhm Friedreicfa’scb«' Knuikbeit uad der Nftae'selMn Fsrn akfat
«ngebt; in drsteren F^e waren die ersten Symptome spinale, im letcteren cere-
bell&re, ebenso aoch die anatomiscbra Befände. Brons.
37) Notes OB three oases of oereibral tanoiir ooountag in Che tesane,
J. H. Goodliffe. (Brii med. Jonm. 1898. Apr. 9. 8.946.)
3 Fälle von Gehimtoraoren bei Irren, bemerkeoswertb wegen der mannigfacben
nnd Torschiedenen Erscbeinnngen bei gleicher Ursache and wegen des Verborgen*
bleibens derselben während des Lebens.
1. Ein Blödsinniger von 19 Jahren. PlöisUcb Coovolsionen von mehrstAndiger
Daoer. Cyanose und Dyspnoä. Tod.
8 Tumoren landen sich im Gefaim: einer im Gyros fornkotos, ^er im Termis
oerebelli, einer in der nnteren Unken Stimrädnng. Die Tnmwen waren fcageUOraüg,
hohnengross, rund- and spindelseUige Sarcome. ffie waren wahradminlicdi metastatiech
Ton -der fonstböiüe aaagehend.
2. 85 jähriger, seit 14 Jahren epileptischer Mann mit Dement. PIfitdicfa bBiAses
Brbredfaen, CoUapen^ Ooma.
Es fand sich ein Tnmor in der Gehirnrinde bis zu den oberen nnd mitüeren
frontalen Windai^en Unkerseits. Der Tnmor, gross wie ein half*crown, mnd nnd
platt, Ton Beschaffenheit eines Gumma. Die Membranen waren am Tnmor adbärent
3. Eine Fran mit Melancholie. ÄDgemeioe progressive Paralyse der Irren, ln
letzter Zeit magerte die Pat. ab, wurde schwach im Gange nnd allgemein, auch In-
contiuenz, Foetor ex ore, Constipation, Znckoi^^en in Armen nnd Beinen, Sopor,
PnpiUen ongleicb.
In der Gehirnrinde zwei Tumoren: der eine in der 1. und 2. Stimwindoag
rechts, der andere links in der oberen und mittleren temporo'spbenoidalen Windung.
Beide waren Oommata, iV« 2oll im Dnrchmesser.
ii. Lehmann I (Oejubansen).
Psychiatrie.
88) Üeber den Alköholiamiu, von Prof. Sikorski (Joniaal der Nerven- nnd
psychiafrischen Hedidn. 1897. Bd. II. [Russisch.])
Die Statistik der russischen Irrenanstalten zeigt, dass 15,4% sämmÜicber Fälle
von Geisteskranken durch den Alkoholmissbranch bedingt wird. Diese Statistik saigt
ferner, dass der Alkoholismos in Russland leider auch unter den Frauen stark ver¬
breitet ist Verf. verweist deshalb mit Recht anf die aUergrösste Gefahi^ welche
fdr die Nation in diesem Uebel Uegt Verf. bespricht eingehend den Ek^nss das
Alkobolismna 1. anf die Zunahme der Verbrechenahl, 2. auf die Venaiadenug der
öffentlichen Moral, 3. anf die Znnahme der Nerven- und GeistesknnUiüten, 4. auf
die Zunahme der Individuen mit unstetem Charakter u. s. w. Er mmn^ das die
Verbreitung des Alkoholgenusses z. Th. durch ökonomische Zustände (Groasindastn^
z. Th. durch Fehler seitens der R^nemngen begfknstigt wird. Vmf. bespriclit des¬
halb eingehend einzelne Maassregeln gegen den Alkoholmissbrauch nnd resnmirt seine
Anseinandersetzsngen wie fo^: 1. Das nächste Ziel des Kampfes gegen den Alko-
boUsmns soUte in einer Verminderung der Alktholprodoction im Staate seinen Aas-
dmck finden; 2. der Staat soU fOr die Verbreitnng der Abetinenzvereine sofgin;
3. es wäre zwettoäaaig, in den Granden wo Weinstuben bestehen, an^ stsatlieke
Google
Theea tn baa sd errichtan; 4. der Staftt soU dM MfigUidiste thmi, um den Thee im
nusiseben Volke zu verbreitmi und zu dieeem Zwecke den Tvif fOr Thee und Zncker
benbaetMo. üdwikrd PUiaa (Berlin).
m. Aus den GeselUohaftea.
GMeltoohAlt 4 m Neoropaüudogwn wnd Xmninte in KoAan,
Sltnuig vom SO. Jinnar 1898.
Dr. d. Pribjtkoff: Bin Tumor an dir Ghranze dei Hali« and Bmet»
tboilf des Büokenmnrki mit Brioheinangen von Seiten der Pupillen.
Bei einer 41 Jahre alten Kranken entwic^^ meh kn Laufe von 1^4 Jahren
das Krankheitebild der Klumpke’schen Paraljee: Störungen der Sensibilit&t am
oberen Theil des Bmatkorbes und an der ulnaren Smte beider oberen Bitremitftten
mit gleichzeitigen linksseitigen ocnlo^pnpUlären Symptomen; einige Tage vor dem
Sxitns eine sich aent entwickelnde Panplegia inferior and Fahlen dee Kniepb&nomens.
Autopsie: Bin apfeigrosses Sarcom, welches das KOpfchen der ersten Kippen and den
KOrper der beiden ersten Brustwirbel zerstört und das Bfickenmark comprimirt bat.
J^elitis e coiy>r8ssione mit den gewöhnlichen Ersoheinungen der secnndAren Dege-
nemtion. Pmximalwftrta vom verl&ngertm Mark sind keine Untersochnngmi aus*
geffihrt worden.
Discnssion:
Dr. Weidenhammer spricht sein Bedanem darüber ans, dass in Folge der
miefat wmtmr Mageffthrlien üntersnchnig es mcht möglich ist, mdi unter anderem
z. B.- die Abweeenheit des Kniereflexes zn erklären. (Das BQckenmaric ist nMit nach
Missl nntersncht worden.)
An der Discnssion nahm noch Prüf. Koshewnikoff Theil.
Dr. K. M. Werailolf: Ewei Wie von BüokenmgrkieQmpreaalonen.
1. Die Krankheit danerte Monate nnd bestand in einer spastischen Para-
plegia inferior. Aotopsie: SarcomatOse Infiltration dee 7. Hals- nnd 1. Bmstwirbel-
kOrpers, welche in dieser Hohe 'das Bfickenmark comprimirt batten. Bei der mikro-
skopisehen Untersnehnng worden die gewöhnlichen Erseheinnngen der secnndären
Degeneration im Bfickenmark gefunden, damntar auch eine absteigende Degeneration
in den Hintersträngen in der Ansdebnnng von zwei Segmenten (das Schnltze'sche
'Comma).
2. Die Krankheit, weldie nugeföhr 3Vg Monate dauerte, nahm allem Anschein
nach, einen plötzlichen Anfang mit spinaler spastischer Paralyse der linken Extre¬
mitäten and Herabsetzung der Sensibilität auf der rechten KOrperhälfte nnd der
rechten unteren Extremität
Nach einigen Monaten gesellte sich andi eine Paralyse der rechten Extremi¬
täten hinzu mit Herahsetznng des Mnskelgeffihls in denselben. Zn Ende der Beob-
aehtnng stellte sich eine progressirende Psraplegia inferior heraus mit erhöhten
Sehijen- and Hantreflexen. Während der ganzen Däner keine Zeichen von Com-
prrasion der hinteren Wurzeln.
Autopsie: Angio-sarcoma psammomatosnm, welches seinen Ausgang von der
Dura mater io der Hohe der 2. Halswnrzel nimmt nnd welches in hohem Grade das
Hflokenmark von der linken Seite comprimirt hat £lei der mikroskqpischen UntM*-
BOdiang aind neben anderen absteigenden secnndären Degenerationen auch solche
im Gebiete des Scbaltze’sehen Commas in der Ausdehnong zweier Segmente ge-
se*
..Google
564
fanden worden. In aafsteigender Bichtnng waren noch, ansaer den gewöhnlichen
Bahnen, die OmndbOndel der Vorder- and Seitenstraogbahn dea Bflckenmarka, die
lateralen Gebiete der medialen Schleife, des Pons Varoli and der Uimscbenkel dege-
nerirt. Die D^neration dieser Bftnd^ lässt sich bis zum Thalam. opi verfolgen.
Schiassfolgerangen:
1. Die Erscheinnngen der hinteren Wnrzeln fehlen häufig bei Tnmoren des
Rückenmarks, was die Diagnose erschwert.
3. Die motorischen Symptome von Seiten des Rückenmarks haben für die Dia¬
gnose keine geringere Bedeutung als die sensiblen.
3. Das Schnltze’sche Comma besteht wahrscheinlich ans kurzen absteigenden
Fasern der hinteren Wnrzeln.
4. Die Fortsetzung der Grandbündel der Vorder- und Seitenstrangbahn verläuft
in der Hed. oblong, zwischen Olive and Pyramide, im Fons Varoli and Himschenkel,
im lateralen Gebiet der medialen Schleife.
Discussion:
Dr. Weidenhammer bemerkt, dass die vom Vortr. beschriebene Degeneration
der Qrundbündel der Vorder- und Seitenstrangbahn aach bei Thieren beobachtet wird.
Drr. Eorniloff, Orlowsky, Muratoff and Prof. Eoshewnikoff tauschten
ihre Meinungen ans in Bezug der Frage Über das Verhalten der Reflexe bei Rücken-
markscompression.
An der Debatte betheiligten sich aasserdem noch Prof. Roth, Dr. Bernstein
und Dr. Pribytkoft S. Orlowsky. W. Hurawieff.
Sitzung vom 20. März 1898.
Dr. H. A. Lantz: Bin Fall von Syringomyelie mit akrom^aliaohen
Enoheinungen.
Eine 30 Jahre alte Patientin ohne neuropathische Belastnng. Henstruation tritt
znm ersten Male im 20. Lebensjahre aaf und wiederholt sich seitdem 5 Mal im
Jahre. Seit 3 Jahren Schmerzen in der rechten oberen Extremität; allmähliche
Schwellang and Schwäche derselben und Verlust des Schmerz- und Temperatorsinns;
desshalb auch häufige Verbrennung dieser Extremität. Entzündliche Processe des
Unterhautzel^ewebes ond der Fascien des rechten Handtellers, welche schmerzlos
verlaufen. Seit einem Jahre Schmerzen und Verlast der Sensibilität der linken
oberen Extremität, der Brust und des oberen Tbeils des Rückens.
Status praesens: Kräftiger Bau, reichliche Entwickelong dee ünterhaatfett-
gewebes. Vergrösserang des Umfangs der ganzen rechten oberen Extremität, welche
besonders im unteren Drittel dee Unterarms, im Handgelenk, in der Rand and den
Fingern in die Augen fällt. Hypertrophie der weichen Theile, als auch der Knochen,
was durch eine Röntgen’scbe Aufnahme Bestätigung findet. Am hinteren Theile
des Kopfes, des Halses, an beiden oberen Extremitäten, an der Brust und am
Rücken bis zur Höhe des 9. Wirbels partielle Störung der Sensibilität, Anästhesie
und Thermoanästhesie bei voller Intactheit der BerübrungsempfindUchkeit und dee
Druckgefühls. Weiter nach unten ist die Sensibilität vollkommen normal. Keinerlei
Paresen, die motorische Kraft io den Händen herabgesetzt, hauptsächlich rechts.
Dynamometer rechts » 16, links = 24. Keine Ataxie, Romberg’sches ^mptom
fehlt. An der Haut der rechten oberen Extzrmität viele Karben, in Fol^ von
Verbrennungen. Auf der ventralen Seite des Daumens eine Karbe von einer Ent¬
zündung der tiefen Gewebe herrübrend. Der rechte Zeigefinger im Zustande einer
Beugecontractur als Folge einer Sehnenentzündung. Im ganzen Gebiete der Anästhesie
ein ekzemart^er Ausschlag, stellenweise auch Blasen mit serösem und eitrigem Inhalt
Vasomotorische Stürangeu in Form von blan-rothen Flecken und häufigem Kältegefühl
Google
566
io den Extremitäten. Die Haatreflexe ein wen^ herabgeaetzt, hauptsächlich an den
oberen Extremitäten, beeonders an der rechten. An den unteren Extremitäten lassen
sich etwas erhöhte Fatellarreflexe nachweisen. Die elektrische Erregbarkeit der
Muskeln und Nm-ven der rechten oberen Extremität ist fOr beide Stromeearten qnan-
ütatiT etwas herabgesetzt Die Sphincteren funcüoniren normal; am ütems und den
Eherstöcken lässt sich ein gewisser atonischer Zustand bemerken. Aile anderen
inneren Organe zeigen keine Abweichung von der Korm. Es unterli^ keinem
Zweifel, dass wir es hier mit einer Sjringomjelie des Halstheils und der oberen
Hälfte des BmsttheUs des Bfickenmarks zu thnn haben in Anbetracht des Bestehens
einer partiellen Anästhesie und charakteristischer trophischer Störungen.
Die Besonderheiten dieses Falles äussem sich erstens im Fehlen einer Muskel«
atropbie in den linken Extremitäten, der Brust und des BQckens, was recht selten
beobachtet wird. In dieser Beziehung besteht eine Analogie mit den Fällen von
Bossolimo und Kobra, wo bei der Section Veränderungen in den Yorderhömem
fehlten. Eine andere noch interessantere Besonderheit ist die Yergrösserung der
ganzen oberen rechten Extremität Aehnliche Fälle sind von Marie und Maisner
unter dem Namen Cheiromegalie, von Schlesinger als Sjringomyelie mit Makrosomie
pnblicirt worden. Die Frage nach der Entstehung solcher Hypertrophieen, ob sie
trophischen oder vasomotorischen Ursprungs ist, bleibt bis jetzt noch eine offene.
Discussion:
Prof. A. J. Koshewnikoff kann bei der voi^tellten Pat keine Akromegalie
zngeben, da die YergrOsMmng einiger ICaasse der rechten oberen Extremität durch
Erkrankungen in den Qelenken und durch dieselben b^leitende Oedeme in den
Weichtheilen und Hypertrophie der letzteren erklärt werden können.
Ferner betbeiligten sich noch Bossolimo und Preobrasbensky.
Dr. M. E. Schön demonstrirte einen Kranken von 21 Jahren, welcher vor*
scbiedentliche Zeichen des Infatilismns darbietei Eine ansfUhrlicho Mittheilnng ist
fOr eine der nächsten Sitzungen in Aussicht gestellt
Dr. W. A. Samgin: Bin Fall von Xiopra anaeetheti o a mit Autopsie.
Der Yortr. untersuchte die Haut, das Nerven^stems und die inneren Organe
eines Kranken, welcher an der anästhetischen Form der Lepra gelittmi batte, mikro*
skopiseh. Der Pat lebte und war gebürtig im Moskauer Qonvemement, wo die
Lepra eine Seltenheit ist Sein Leiden erstreckte sich auf 10 Jahre. Zn Ende
seines Lebens verbreitete sich die Anästhesie über den ganzen Körper, ausser einmn
geringen viereckigem Felde zwischen den Schulterblättern. Dissociirte Sensibilitäts-
stikungen: die tactile Sensibilität ol^leich abgeschwächt überall erhalten, Temperatur«
und Schmerzgefühl erloschen. Paralysen im Gebiete des Ulnaris, Medianus, Peroneus
und Facialis, Panaritinm analgicnm. Keine Yerstfinunelungen. Auf der Haut charak«
teristische Flecken, welche zu Ende des Lebens der Pat. conflniren.
Mikroskopische Untersuchung: In der Haut inselförm^e Infiltrate in der
Umgebung der Gefösse; Bacillen nur dort wo die Infiltrate frisch sind; an älteren
Stellen, bei bindegewebiger Organisation der Infiltrate, schwinden die Bacillen. In
den Nerven speciflsebe Infiltrate; im N. ulnaris steigen sie von der Haut bis zum
Plexus axillaris auf. Der N. peroneus ist ebenfalls von Infiltraten durchsetzt
Myelinfasem fehlen bei allen diesen Nerven in Folge starker Entwickelung einer
interstitiellen Neuritis. Wucherung von Fet^ewebe in das Peri« und Epineurium.
ln den Infiltraten finden sich die Bacillen nur in geringer Zahl und nicht Überall,
ln den hinteren Wurzeln aofsteigende secnndäre Degeneration. Im Goll’schen Strang
eine im Halsmark besonders ausgeprägte Degeneration, ln den Zellen der Hörner
und der Ganglien werden keine Bacillen gefunden, es lässt sich nur eine vermehrte
P^aentation nachweisen. Die inneren Oigaoe ohne lepröse Yeränderungen. Der
Yortr. ist der Meinung, dass seiue Beobachtung die Ansicht unterstützt, welche die
Dig g/od Dy CjOO^Ic
m
leprON N«tiriti8 ^ Folge der nmiiittelbaren iDvasion der Bakterien aoe der Htot
in die Nerven entstanden annimmt; die Yerftnäernngen dw Wurzeln and des Btlckea«
marks bUt er fttr seenndftre. ünerklftriicli bleibt der Umstand, den ancb sebon
frflber die Antoren bervorgehoben haben, mrom bei der Lepra anaesthetita eim
geringe Zahl von Bakterien eine interstitielle Nenritis hervorzimifen im Stande ist,
wftbrend bei der Lepra toberosa h&nfig aoch eine grosse Qaantitftt von Bakterin
eine solche nicht znr Folge bat
Discnssion:
In Anbetracht der geringen Zahl von Bacillen, welche htü der Lepra anaeetiieticz
gefunden werden^ and anf Grand von einigen in der Litterator vorhandenen Fieta,
ist Dr. Bflssolimo der Ansicht, dass mm bri fieser Form die Mbglichk^ einer
chronischen Einwirkang sowohl der Badllen selbst; als anch der von ihnen piodn*
cirten Toxine auf das Nervensystem inlassen kann;
Ferner betheiligten sieh Mnratoff and Wersiloff.
8. Orlowsky. G. Bossolimo.
Sitzung vom 24. Apnl 1898.
Ck J. Bossolimo: Hereditär« oMWbaUar» Ataade (KiankendamonstnUMB)^
Der Vortr. beobachtete 3 Kranke — eine Schwester und 2 Brüder (die beiden
letzteren werden demonstrirt) —, bei denen man erblicherseits bloss auf Alkoholismua
des Vaters hinweisen kann; in der Verwandtschaft litt (hach Aussage der Matter
dw Kranken) niemand weder an schwankendem Gange, noch am Schielsn. Eüm
S chwester und 2 Brüder aas dieser Fanülie sind vollkommen.gesund.
1. Olga Sch. (zweites KindX anverheintbet, 29 Jahre alt, warde secbtieiüg
geboren, ohne Dystopieen, entwickelte sich physisch etwas langsam. Ist stets mittel-
mässig begabt and etwas ongesohickt in ihren Bewegongen gewesen. Im 20. Jahre
erhebliche Verletzung des rechten Kniees, wonach sie zunehmendes Schwanken beim
Geben und gleichzeitige Schwäche des rechten Beines bemerkte, etwas später Qttem
and Unsicherheit behn Bew^en der Bände; in den letzten Monaten Diplopie. ^
Sdansde^ eehräg ^fallende Stirn, fiaeher Hinterkopf, beide 6. Finger km.
Stat praes.: Zittern and Unaichethett der faiMsen Bewwgng beidmr HInit;
mregfimiaoige (ataetisdie) Scfarift mit leiditem SittsoL Atactiseher (oereUlanr)
Gang. Sehwanken in anfrecbter Battimg, Unvarmügen aaf eiDM Bein zw staken.
Bodentende Eotwiokelnng dar Mnsknhttnr brnder nntersn Bxtiwmitttett^ links woA
erbebliober. BrmüdnngsgeffiU in den Beinen. Erbühnog der PaMlaR^eooe. Paiesii
m. obliqui snperioris dextri.
2. Michael Sch. (das 5* Kind), 24 Jahre alt, rechtaeitig geboren, Am
Dystopieen, wachs and entwiekdte sich nermel. MnBtnrbirte sdt seinem H. Jdn.
Mit 18 Jahren — nach einem 2 Monate andanemdem Fieber — stdlte sich Be b w as kee
beim Gehen, etwas später Unacherbeit in dmi Binden ein. Sit 19 Jahren- abw
vrnrde das Schielen, das anch bisher bestanden hntte, soeb viel anege s proo h eiBsr , dn
rechte Ange ist ganz nach innen abgelenkt and XHplopie eingetiwfen. Itieee Br
scbeinnngen haben sieb bestände nwstär kl DOr Pat. hat sieh ntsmals dvdi be-
eottdere geist^e Fähigkeiten an^ezeichnei
Stat. praes.: Niedrige, schi^ abfbUoDde Stirn, flaoher Hinterkopf, asyuiiuehMie
verstärkte Mimik. Lachlnst Paresie m. reeti intend oodi ntriosqtm. Pns ic h wtwt
bei feinmon Bewegnngon der Kngor, etwas atactische Handsehri^ FÜb^kmt der
Hyperextension der 2. Phalanx des rraken ZeigeAngers. SehwiiAen in «iftoditer
Nnltong, Unvermögen anf einem Bein zu stehen. Ataetisoher (cerebeUarer) Gang.
Starke Entwickelnng der Mnsknlatnr der nnteren Extremitäten, E fm ü d ungsg e fühl in
denselben. Erhöhung der Kniereflexe, lekhter Ftuselons. HemicraBie. Undenthdie,
etessweise erf^ende Spr»^
Dig'iii-od
Google
3. Nicolaos Seti. (dos 6. Kiod) ist recUsotiig geboren, ohne Dystopieen;
sotwickelte sieh normal, lernte mittelii&ss^. Im 10.—18. Jahre Mastnrbstion. Mit
13 Jahren b^^ann Schwanken beim Gehen sich einzusteUen, das stetig progressirte.
Tsrlangsamte Sprache.
StaL praes.: Flacher Hinterkopf, schr^ abfallende Stirn, verstärkte Mimik,
koias clonische, choreiforme Zneknngen in der nnt^n und Intenijonsznckangen in
dar oborsn Oenchtsmosknlator. Sprache stolpernd, stossweise. Fistelstimme. Lach*
lost Unsioherheit bei feineren Bewegungen mit den Hbiden. Handschrift aus*
fisproehen atactisch. Schwanken beim Anfrecbtstehen. Unvermögen auf einem Bein
a stehen. Ataetlschsr (cerebellarer Gang). ErmfldongsgefQbl in den Beinen.
Foasrficken stark gewölbt Wahre Hypertrophie der Hilft- nnd Unterschenkel-
■n^ulatnr. Paresis m. recti int dextri Hemicranie.
Diagnose: Ataxia cerebellaris hereditaria. Familiäre Besonderheiten der Fälle:
1. Paresen der Mm. intemi (Fall 1 2) and des Obli^ sop. (in den früheren
Beobachtungen häufiger des Beetos int).
%. Wahre Hypertrophie der Muskeln der unteren Extremitäten, in Folge ver¬
stärkter BemAhung das Gleichgewicht zu erhalten.
3. Andere dem Beginn der Ataxie vorhergehende Erkrankungen: Beschädigung
dss Kiüees mit langandanemder Bettbehandlong (Fall 1); fieberhafte Erkrankung
(Fall 2); anhaltende und häufige Mastorbation (Pall 2 u. 3).
Discussion:
Prot Koshewnikoff erwähnt die Beobachtung von Pelizäns (familiäre disee-
■inirte Scleroee), die man ebenfalls onter die Zahl ähnlicher Fälle einreihen kann.
Aassordeai bäh n die Annahme für nothwmidig, dass in Fällen v(m hereditärer
(»ebdlam’ Ataxie die mangelhafte Entwickelung, abgesehen ven dmn Kleinhirn,
soeb mad^ Theilo des KerveDsystems betrifft (das Bttckenmark im Fall von Nonne),
hHpbBfidüich aber die motorischen Theile deeedben.
Dr. S. Nalbandoff: Zur Symptomatologie (Ser Syringomyelie (Typoe
■orran).
Der Tortr. stellt ein krankes Mädchen vor, welche er anfengs in der Klinik des
Pnrfl Koshewnikoff, später in der Ambulanz beobachtet hatte. Anfang der Krank-
beit, &ide des Jahres 1895, in Form multipler schmerzhafter Panaritien, die gleich-
zeitig mit anderen tropbischen Störungen (oberflächliche Blasenbildung, Gangrän der
Sadphalangen) wiederholt an Händen nnd Füssmi auftraten. Diese Erscheinungen
dauerten bis zur letzten Zeit fort Von anderen Symptomen konnten ausser all-
pmeinen hysterischen Erscheinungen Herabsetzung sämmtlicher Qualitäten der Hant-
«uilnUtät im Gebiet der Hände uod FAsse und ebenso dw oberen Aeste bmder
Irigemini constatirt werden. — Der Vortr., bei seiner Patientin das Bestehen der
^ri^omyelie annehmend, bebt die diagnostische Bedeutung der schmerzhaften Pana-
litiao alw ein FrAh^mptom der Syringomyelie hervor, welches dem aUgemeineu
Krai^eitebilde vorhergeben kann. Die Bildung schmerzhafter Panaritien als Einzel-
sraptoD bereehiigt nech der Meinung des Yortr., zur Annahme eines trophischen
vasomotorischen Centmms, welches streng im BQckenmark localisirt ist
Ab der Diecussion nahmen Theil Dr. Preobranshensky, Prof. W. Both,
Dr. Maratoff.
Dr. L. Minor: Syrlngomyellüsohe DlssoolatioB der Seneitottikät
tiunsvarialsn Myellclden (auf Veranlassung des Artikels von Prof. Marinesoo);
cf. Originalmittbeilung 3 in dieser Nummer.
A. Bernstein. W. Murawieff.
DiQ'iii’od
Google
568
m. Versammlnng mitteldeutscher Psychiater und ireurol<^en in Jena
am 1. Mai 1888.
(Schlau.)
n. Sitzung Nachmittags 1 0hr.
Vorsitzender Mayser lässt Über den nächsten Versammlungsort abstimmen; als
solcher wird einstimmig Dresden, zu Geschäftsführern werden p. a. Ganser and
Pierson, zum Cassenführer wird Ilberg gewählt
Laudenheimer: Ueber nervöse und psychische Storungen der Qummi-
arbeiter.
Die beim Vulcanisiren des Gummi durch Einathmung von Schwefelkohlenstoff
entstehenden Vergiftungen, die wegen ihrer atypischen Bilder für den Ungeübten oft
schwer diagnosticirbar sein können, hat Vortr. in mehr als 50 Fällen studirt Er
unterscheidet:
1. Ällgemeine somatische; 11. Nervöse; 111. Psychische Störungen. Allen Formen
ist eine Art Prodromalstadium gemeinsam, bestehend in Schlafenkopfschmerz, in
gastrischen Beschwerden, in Schwindel und Müdigkeit in den Beinen.
Ad 11. sind peripherische (neuritische) und centrale (functionelle?) Affectionen
zu unterscheiden. Erstere sind selten und treten nur bei directem Contact der Haut
mit CSg'Flüssigkeit auf. Letztere (Schwefelkohlenstoffneurosen) haben einen viel¬
gestaltigen Symptomencomplex, der zwar hysterische und neurastheniscb hypochon¬
drische Züge enthält, sich jedoch durch die acute Entstehung und vorwiegendes Be¬
fallensein der unteren Exkemitäten [Schwäche bis Parese — Pseudotabes (!)] von
den genannten Neurosen unterscheidet
Ad 111. berichtet Vortr. Über 25 in der Zeit von 13 Jahren beobachtete Psy¬
chosen nach Schwefelkohlenstoffintoxication. Oefter kommen im Anschluss an gewisse
Schädlichkeiten localer Art (schlechte Ventilation u. A.) gruppenweise Erkrankungen
in einzelnen Betrieben vor. Voraussetzung ist eine gewisse Disposition, ln schweren
Fällen findet sich stets hereditäre Belastung. Die Psychose bricht durchschnittlich
3—4 Wochen nach Uebemahme des Vulcanisirens aus. Arbeiter, die in den ersten
zwei Monaten nicht erkrankten, bleiben in der Kegel psychisch gesund.
Vortr. unterscheidet folgende Formen der Geistesstörung:
a) maniakalische; meist typische Manie, bäu^ kurze hypochondrische Episoden,
ferner ausgesprochene motorische Symptome (Tremor, Pupillendifferenz u. s. w.) Aus¬
gang in Heilung nach 2—Smonatlicber Dauer;
b) depressive; dem hallucinatorischen, depressiven Wahnsinn gleichende Bilder.
Dauer der heilbaren Fälle ca. 3 Monate. Oft Unheilbarkeit;
c) stuporöse;
a) ^tatonisch-hebephrenische Erankheitserscheinnngen mit schlechter Prognose;
j3) acuter, heilbarer Stupor (Dementia acuta Eräpelin’s). CbarakterisUsch
fär die ganze Gruppe ist Weite und Tr^heit der Pupillen;
d) einfache Demenz; namentlich nach lange andauernder Gifteinwirkung (Ge-
dächtnissschwäche);
e) Charakterveränderung im Sinne eines moriatiscbeD Wesens. Die Therapie
hat der allgemeinen Indication zu genügen. Wichtiger ist die Prophylaxis, bezüglich
deren Vortr. eine Reibe gewerbehygienischer Maassnahmen verschlägt, die auf Grund
reichsgesetzlicher Bislang obl^atorisch werden müssten. (Ausführliche Publication
erfolgt später.)
Eöster: Experimenteller und pathologisoh-anatomisolier Beitrag sor
Lehre von der cbroniaohen Schwefelkohlenatoffvergtftung (mit Demon¬
strationen); cf. Original-Mittheilung U in Nr. 11 dieses Centralblattes.
y -^Google
569
StintziQg: Boitrag aur li^ire vom Tetantu.
Yortr. glaabt, man solle aDch ongOnstige Fälle berichten, am Aber den Werth
der Antitoxine ein Urtheil za gewinnen. Auf seine Klinik kam ein Mann, der sich
bei der Arbeit im Steinbmch eine Bisswonde am linken Oberschenkel zugez(^n
hatte. Nach 8 tägiger Erkrankung brach Tetanus aus. Am 16. Tt^e nach der
Yerletzang starb der Patient Bei der Section fand sich unterhalb der chiru^isch
behandelten Wunde ein zweiter Eiterherd, der ziemlich tief lag, darum der Operation
entgangen war; derselbe enthielt massenhaft Tetanusbacillen. Es war Höchster’-
sches und Merck’sches Antitoxin zur Anwendung gekommen. Yortr. meint, dass
dieser Fall natflriich nichts fOr noch g^n die Serumbehandlnng beweise. Yon be¬
sonderem Interesse sind die Impfrersnche, die Yortr. machte. Er nahm bei diesem
Kranken Spinalpunction vor. Dieselbe ei^b Steigerung des Druckes (322 mm herab¬
gesetzt nach der Function auf 170 mm). Die Spinalflftssigkeit wurde mit positivem
Ergebnisse überimpft; die Giftigkeit derselben sank im Laufe des T(^;e8. Die Ueber-
impfung von Blut gab keine Infection, während bei Blutimpfungen von Thier auf
Thier toxische Wirkungen beobachtet sind.
Diese Thatsachen beweisen, dass nicht das Blut allein der Träger der Toxine
ist; vielleicht folgen dieselben den Nervenbahnen (Bahnen der Endolymphe). Was
die anatomische Untersachang anbelangt, so war dieselbe positiv; die Ganglienzellen
zeigten sich afflcirt; ob dies aber onbedingt dem Tetanusgifte zuzuschreiben ist, wie
Goldscheider meint, möchte Yortr. nicht behaupten.
Gebhardt zeigt der Yersammlung eine blassviolette, vollkommen reactionslose,
colloide und sterile Flüssigkeit, die eine durch Dialyse gewonnene Auflösung von
Gold in Wasser (1:1000) darstellt. Gewonnen wurde dieses Präparat von Szig-
mondy (Jena).
llberg: Die Bedeutong der Katatonie.
Yortr. legt grossen Werth auf die Anschauung der vonKahlbaum entdeckten
Katatonie als selbständiger Kmnkheitsform, da die hierher gehörenden Fälle nach ihren
Symptomen, nach Zeit des Beginnes, nach Verlauf und Ausgang weitgehende Ueber-
einstimmung zeigen und durchaus nicht selten sind. Yortr. skizzirt dann die be¬
kannten katatonischen Symptome und demonstrirt eine grosse Anzahl interessanter
katatonischer Schriftstücke, die die von Neisser geschilderten Eigenthümlichkeiten
aufweisen. Die katatonischen Symptome sind für die Diagnose der Krankheit eine
conditio sine qua non; sie kommen aber ausserdem vor bei angeborenem und secun-
därem Schwac^nn, bei periodischer Seelenstörung, bei Amentia, Hysterie, Dementia
paranoides und Paralyse.
Wichtig ist der Wechsel im Zustandsbild so zwar, dass entweder nach der
„Kahlbanm’schen Angabe auf die Melancholie, eine Manie, der Stupor, eine Yer-
wirrtbeit und der terminale Blödsinn folgt, wobei zwischen den einzelnen Stadien
Bemissionen emtreten können, die sich oft über viele Jahre erstrecken. In „Sonnen¬
stein“ starben zwei Katatoniker 16 bezw, 24 Jahre nach Beginn des Leidens; ein
Kranker lebt noch daselbst, der 40 Jahre lang Katatoniker ist. Im Gegensatz zu
Kahlbaum und Schüle und in Uebereinstimmung mit Eraepelin hält Yortr. die
Prc^ose der Krankheit stets für schlecht.
Nachdem der körperlichen Begleiterscheinungen und der Krampfzustände gedacht
wurde, macht Yortr. einige casuistische Mittheilungen. 20 von ihm beobachtete
Fälle b^annen durchschnittlich im Alter von 24 Jahren, der früheste Fall ent¬
wickelte sich im 15., der späteste im 30. Lebensjahre. Die ursprüngliche Befähigung
war bei der Hälfte gut, bei der Hälfte massig. Die Hälfte der Kranken waren
Kopfarbeiter. 45 ^/o war erblich belastet, davon nur 30 direct Sichere äussere
Ursachen waren nicht zu erkennen. Vier männliche Gehirne hatten ein Durch¬
schnittsgewicht von 1502 g (incl. weichen Hirnhäuten und 60 g Liquor cerebralis).
Die Hemisphären waren gleich schwer; das Gewicht des Gehimstammes verhielt sich
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57«
ZQ dem des Eleinbims, zu dem des Hirnmantels, wie 10:11:70. Die Hirnrinde
zeigte miboekopisoh normnle 6ieft88e und Nervenfnsttn; ein Tbeil der Cteng^enzelleo
war atrophirt Viele OanglimizeUen waren um Seihen von Keoro^iakerara am*
geben. Obwohl die Hebephrenie und die Katatonie mancherlei Terwudtechaftliche
Beziehnngen haben, kann sich Yortr. nicht f&r die ZEsammenfaesang dieser beiden
Kraehheitsformen, wie dies Aschaffenburg vorschl^, ericlftren und bestoeitel die
Nfltzlichkeit der von Schflle vorgenommeneo Unterordnnng der thats&elilicheD Kat»-
tonießtUe unter die primäre Demenz. Es giebt Uebei^ngefonnen zwisehen Katatonie
and Hebephmie und zwischen Katatonie und der klinisch sehr wiebttgen pnmeiitn
paranoides Kraepelin’s.
Diseussion: Binswanger steht hinsichtlieh dar Katatoniefrage anf dem Bod en
der Schflle’schen Auffassung. Er rechnet die Katatonie za den degeneratiTSD Psy¬
chosen und findet die erbHche Degeneration überwiegend, er ist desbalb überrascht
von der relativ niedrigen Erblicbkeitsziffer bei den Ilberg’Bchen PWml
Ziehen beschränkt sich in Anbetracht der vorgerückten Zeit aof eine kans
Mittheilnng über eine neue Methode der Entlarvung der Simulation einer halbseitigen
hysterischen Taubheit bezw. Blindheit Dieselbe beruht im weseutlichen darauf^ dass
die zu Untersuchende — welche beispielsweise linksseitige Taubheit augiebt —
vorgesprochene Worte theils bei geschlossenem, theils bei offenem rechten Obre
nachzusprechen aufgefordert wird. Sie spricht dabei nur diejenigen Worte nach,
welche ihr bei offenem rechten Ohre vorgesprochen wurden, ^ach etwa 10—15 Min.
fordert man die zu Untersuchende anf, die nachgeaprocheneu Worte zu wiederholen.
Die Simulation vm’inag nun, entsprechend bekannten psychologischen ThatsaclieD, sich
nicht mehr zu erinnern, welche Worte sie nachgesprocben hat and welche nicht
Die Einzelheiten der praktischen Durchführung der Methode sind in der aasführ*
liehen Mittheilnng (Uonatsschr. f. Psyeh. u. Neorolog.) nacbzulesen.
Hösel: Ueber einige «eltene seoundära D egenetattonem naoh Herden
in der Twael und im Thalaaot opüous (mit Demenstratk»«)).
Vortr. demonstrirt Weigert-Präparate von einem Oebwne, waches einen Herd
in der linken Insel mit Uebergreifen desselbmi auf den Puss des Stabkransee der
vorderen Centralwindong und unteren Stimwindung und emen zweiten Herd üa
Thalamus opticus anfWies, der dessen ganzes ventrales Kemlager und das des latera len
Kerns ln seiner hinteren Hälfte zerstört hatte. Yon dM secundärra Yetändemngmi,
die diese ein Jahr altm Herde hervorgemfen hatten, besprach Yortr. folgende» miam
Wissens bisher noch nicht beobachteten Befuude:
1. Der vordere Thalamnskem war vollständig gssohwunden (erst» pesitive
Beobachtung). Mit Bezugnahme auf die Honakow’sche Arbeit über die Minden*
Zonen dw Tbalamuekeme spricht Yortr. die Ueberseugung aus, dass das Paraeeatial-
läppeben zwar nicht sicher als oorticale Zone des vorderen Thalamuskems aosio-
schLessen, dass abmr die hinteren Abschnitte der unteren Stimwindung wahrscheinlich
das corticale BindencenlTum sm; die obere Stimwindung glaubt er susschliosoou zu
müssen.
2. macht Yortr. auf die auffalleude Thataache aaftnerkaam, dass trota toialea
Schwundes des vorderen Tb^amuskwnee und trotz des langes Bestehens das Leidens
das Yicq-d’Azyr’sche Bündri »halten war; dann zeigte er, dasa das Foreraebe
Feld Hg ebenfalls secundfa- degenerirt war. Am entwickelnngsgaecki^tiidiea Prä¬
parate, welches dieses Feld isolirt markscbeidenhaltig anfwies, erklärte er Volsaf.
Ursprung und Ende des Bündels.
S. demonstrirte er die Zerstömng des änsseren und ventralen Kenlagen des
Tlialamus bei fast vollständigem, trotz einjährigen Bestehens des L^eas JErhaheD-
sein des Schleifenhaupttheils und gab der Versammlung anheim, zu entschaiden, ob
nach diesem Befund die Lehre Menakow’s von dar Untarbrachang dar gaoaea
Dig i'/cd c/ Google
571
ScMetfe im Thilamos opticus haltbsr oder ob oiebt ▼ielmebr seioe Aaffasgang tob
directen Veribuf dar Bindensobleife die richtigere sei (Baefdhrliohe VeröffentUefaimg
f(dgt sp&ter).
Haenel berichtet Aber eisen bisher noch nicht beobachteten Tamor der Dura
mster, den er in genaneeter Weise makro- nnd mikroskopisch nntersnchte und mit
dem Hamen Heuroganghoma myelinicnm Terom belegt Der sehr interessante Tor¬
trag entzieht sich leider dem Kähmen eines kurzen Beferates.
Bnchholz demonstrirt die Photographie einer an Loes cerebri leidenden Frao
mit einseitigem Graefe’schen Symptom, sowie Photograpbieen der unteren Extremi-
t&ten einer an Tabes dorsalis leidenden Frao mit merkwürdigen Knochen- und Ge-
lenkreründerongen; ferner BOntgen-Aufnabmen von besonderer Klarheit, dieselbe
Kranke betreffend, welche die Teränderungen in anschaulichster Weise zeigten und
Anfoahmen der beiden Bände eines jungen Mädchens, welches an cerebraler Kinder¬
lähmung leidet Skelett sowohl als Weichtheile der rechten Hand sind erheblich
atrophirt Die ganze rechte Körperhälfte blieb gegenüber der linken im Wachsthnm
zurück. Yortr. berichtet noch unter Demonstration von Präparaten und Zeichnungen
über einen Fall von secnndärem Gehimcarcinom, welcher durch die ausserordentlich
grosse Zahl der Carcinomknoten und durch den Sitz einzelner derselben ausgezeichnet
ist (der Vortrag wird ausführlich veröffentlicht werden).
Matthes demonstrirt Bfiokexunarksveränderongen bei Poliomyelitis
acuta (Hissl-Präparate).
Binswanger verzichtet mit Bücksicht auf die vorgeschiittene Zeit auf eine
ausführliche Demonstration seiner pathologisch-histologischen Präparate (Aber Lymph-
circulationen in der Grosshimrinde nnd über arteriosklerotische Himdegeneration),
und beschränkt sich auf die Demonstration von Zeichnungen. Er hofft, seine Hit-
tbeilnngen im Herbste in Dresden machen zu können.
Hach Schluss der Versammlung vereinte ein Festmahl sämmtliche Theilnehmer.
Friedländer (Jena).
Verein für Fsyohistrie und Neurologie in Wien.
Sitanng vom 15. Juni 1897.
(Wiener klin. Wochenschr. 1897. Nr. 26.)
Dr. von Sölder demonstrirt 3 Fälle von Syringomyelie mit eigenartiger
Abgrenaung der dissooUrten smpflndungslähmung am Kopfe.
1. Fall 30jähr. Frau, seit eineaa Jahre krank. Verlaef progressiv. Kypbo-
ekotiose, redtte Papille eng, ausgedehnte Atrophieen und fibrilläre Zuckungen in
Moakeln des Scbultergürtels und der rechten oteren Extremität Emetische Parese
des rechten Beins mit entsprechender Gangstörung: Patellarreflexe gesteigert, rechts
stärker wie links. Beehtsseitige Anidro^. Berühmngs- und tiefe Sensibilität un¬
gestört; Schmerz- nnd Temperaturempfindung herabgesetzt oder aufgehoben in einem
zusammenhängenden, symmetrisch vertheilten Gebiete, das die obersten Partieeo des
Thorax, die Bafialseite betder oberer Extremitäten, Hals nnd Hinterkopf einnimmt.
Dio Grmze gegen das gut empfindende Gesiebt verläuft von der Scheitelhöhe zur
Dhntmsehel, geht auf die Bückseite der letzteren über, quert sie dann und verläuft
an der Vorderseite über den ganzen Antihelix nnd Antitr^us, zieht dann nach vom
qner Aber den Masseter, wendet sich im Bogen nach abwärts und kreuzt den Unter¬
kiefer in der Mitte zwischen Kinn und Kieferwinkel. Zwei Querfinger hinter der
Kinnspitze schneidet sie die Mamillarlinie.
9. Fall. 26jih3r. Ham, seit 3 Jahren krmk. Kypboekoliose. Ansgebreitete
dageaantiv» Atrophie am Schohergürtel mit enl^rsbhan^r Lähramg, leiehte Ab-
■' Google
572
magerung des rechten Arms. Bechtsseitige Posticoslähmung, rechtsseitige spastische
Hemiparese, allgemeine Beflexsteigerung. An^edehnte dissociirte Anästhesie und
geringe tactile Hypästhesie an Bnmpf und Extremitäten. Im Beginne der Beobach¬
tung vor etwa einem halben Jahre stand die Grenze der Sensibilitätsstörnng am
Halse und zog von der Haargrenze im Nacken gegen den Eieferwinkel nnd zum
Kehlkopf. Allmählich rflckte diese Grenze nach oben nnd zwar am Hinterkopfe
stärker als vom. Während einiger Zeit war die Grenzlinie gmian die gleiche wie
im ersten Falle, nor hat sie sich in toto noch nach vom verschoben.
3. Fall. 27jähr. Mann. Seit einem Jahre progressive Mnskelatrophie an
Schnltergfirtel und oberen Extremitäten. Patellarreflexe gesteigert. Dissociirte Eim-
pfindungslähmang am Schultei^rtel; die obere Grenze links steigt von der Haar¬
grenze im Nacken zum Kehlkopf ab, rechts von ungefähr dem hinteren Ende der
PXeilnaht io sanftem, nach vom convexem Bogen zum oberen Pol der Ohrmnschel
nnd dann weiter bis unter das Kinn wie im ersten Falle.
Die Debereinstimmnng der Befunde in den drei Fällen zeigt, dass die gefundene
Sensibilitätsgrenze nnd die Art ihres Yorrfickens den gesetzmässigen Tjpns fOr eine
spinale, in die Oblongata vorräckende Querschnittsläsion (Syringomyelie) darstellt
In zwei von den Fällen Lähr’s waren ähnliche Sensibilitätsbefnode am Kopfe
beobachtet worden. Die in den Fällen gefundene Scheitel-Ohr-Kinnlinie wurde in
derselben Weise von Kocher nach Stichverletznng des obersten Cervicalmarks be¬
schrieben. Eine genauere toxische Diagnose der anatomischen Usion lässt sich ans
der Sensibilitätsstörung am Kopfe bisher nicht geben.
Dr. J. Zappert: Beitrag zur CaaoUtlk der sogen. Fseudoparalyae here¬
ditär syphUitisoher Kinder.
Vortr. berichtet Aber ein 14 Tage altes, hereditär-syphilitisches Kind, welches
eine Parese beider Arme, rechts stärker als links, darbot Am rechten Hnmems
anscheinend Crepitation, welche als Ansdmck einer syphilitischen Osteochondritis mit
Epiphysenlösung anfgefasst wurde. Die Obduction ei^b keine Knochenaffection an
den Armen. Im Cervicalmarke bestand bis zum oberen Drittel des Dorsalmarks eine
Meningitis mit Yerdicknng der Pia und Yerwachsnng derselben mit dem B&cken-
marke. Degeneration der hinteren Wurzeln, welche scharf an der von Obersteiner-
Bedlicb beschriebenen Einschnürangsstelle einsetzte. Starke Degeneration in den
vorderen Wurzeln; alle Yeränderungen rechts stärker ausgesprochen.
Yortr. sieht in den Yeränderungen des Bflckenmarks die Ursache für die Arm¬
parese. Es ist durch diese Beobachtung erwiesen, dass die sogen. Pseudoparalysis
syphilitica öfter durch BOckenmarksveränderangen bedingt sein möchte, besonders
diejenigen Fälle, in welchen die Knochenerkrankung, die Schmerzhaftigkeit fehlt und
beiderseitige Lähmungen auch in Combination mit Contracturen auftreten.
Dr. V. Sölder bespricht unter Demonstration der histologischen Präparate einen
Fall von Büokenmukserwelohting mit Folyneuritla. (Wird anderweitig publicirt.)
Sitzung vom 9. November 1897.
(Wiener klin. Wochenschr. 1897.)
Dr. A. Bum: Die meohanlsohe Behandlung der tablsohen Ataxie.
Yortr. bespricht die von Frenkel ang^ebene Methode in ziemlich eingehender
Weise. Seitdem Yortr. das Verfahren fibt, hat auch er recht gflnstige Besultate zu
verzeichnen, ln vier noch in Behandlung befindlichen, mittelschweren Fällen von
tabischer Ataxie trat nach 3—9 wöchentlicher Anwendung der Uebungstherapie mehr
oder weniger deutliche Besserung der Incoordination der oberen, bezw. der unteren
Extremitäten ein. Yorstellung der Kranken.
Dr. Erben hat Jahre hindurch bei Tabikern Uebnngen mit Hülfe einfacher, auf
dem Boden gezeichneter Striche ai^estellt, die Besultate worden aber erst dann be-
n.:,-.,Google
673
Ariedigende, als die Kranke einer systematischen Behandlung mit der Frenkerschen
Methode nntervorfen worden.
Dr. von Sölder demonstrirt ein djähr. Mädchen mit infantiler Pseudo*
bulbärpanlyse als Theilerscheinnng einer spastisohen Diplegie mit bi¬
lateraler Athetose.
Das Eind ist hereditär nicht belastet; normale Geburt Die Entwickelung der
ersten 5 Jahre war eine ongestCrte. Pat lernte erst mit 2 Jahren, aber sonst in
ganz normaler Weise gehen und war ein kluges Eind. Seit dem 6. Lebensjahre
allmäbbch ohne anderweitige Begleiterscheinungen Entwickelung des jetzigen Zustandes,
zoerst Ergriffensein des rechten Beins mit Schlechterwerden der Sprache, später Er¬
krankung des rechten Armes, ein weiteres Jahr später des linken Beines und um
diese Zeit Auftreten Ton Eaostörnngen. Seit mehr als einem Jahr ist auch der
linke Arm gestört ond hat Pat. Schlingbeschwerden. Einmal 70rflbeigehende Besserung
in den ersten zwei Jahren.
Status praesens: Kleines, graciles Eind, körperlich und geistig zorfickgeblieben,
aber nicht verblödet. Spastisch-paretischer Gang mit gespreizten Beinen, der linke
Fass in maximaler Eqninovamsstellung, der rechte Fuss pronirt. Lordose der
Lendenwirbelsänie, mangelhaftes Aeqnilibrinm (Bumpfmuskelschwäche). Keine cere-
bellare Ataxie; sie fällt leicht beim freien Gehen, während des Ganges athetotische
Bewegungen in der unteren Qesichtshälfte und in den oberen Extremitäten, in letzter
Zeit auch leichte Bew^ungen in der Buhe. Hochgradige Hnskelschwäche ohne
Lähmung an den oberen Extremitäten, leichter Bigor im linken Arm, an den unteren
Extremitäten starke Spasmen. Leichte Athetose bei willkftrlichen Bewegungen und
als Hitbew^ng. Patellarreflexe lebhaft, rechts stärker als links. Die Sprache ist
bulbär, fast unverständlich, Orbicularis oris und Kanmusknlatur paretisch. Die
Nahrung wird gar nicht gekaut, der Schlingact an sich ist nicht gestört Facialis
elektrisch normal erregbar, keine Muskelatrophieen im Bereiche des Kopfes. Die
obere Gesichtshälfte, die Angenmuskeln, Sphincteren, Sinnesorgane wiesen keine Stö¬
rungen auf. Keine Progression der Erscheinungen während einer 5monatL Beobachtung.
Vortr. nimmt an, dass der vorliegende Symptomencomplex von Glossolabial-
parese, spastischer Diplegie, doppelseitiger, intentioneller Athetose der Gruppe der
cerebralen Kinderlähmungen zozuzählen sei. Bemerkenswerth ist das späte Anftreten
und die langsame Entwickelung des Leidens.
Sitzung vom 14. December 1897.
(Winer klin. Wochenschr. 1898. Nr. 1.)
Dr. Infeld demonstrirt einen ohroniaohen prc^preaaiven Fall von Mnskel-
krämpfen.
Der Ibjähr. Pat leidet seit dem 9. Lebenegahre an Krämpfen; es treten unwill¬
kürliche Bewegungen zuerst im Gesichte, dann am Kopfe, Schultergürtel und der
Hand auf, öfter Ansstossen von inspiratorischen Lauten, wie von Wörtern. Die
Krämpfe sind fast continnirlich, die Beihenfolge unregelmässig. Die einzelnen Con-
tractionen sind weder deutlich tonisch, noch sehr rasch; die Bew^ungen sind an
der unteren Gesichtsbälfte, am Halse ond am Schulteigürtel am meisten, am ge¬
ringsten in der Hnskulatur der Halseingeweide ausgesprochen. Psychische Erregungen
steigern die Krämpfe; Pat. kann sie nicht willkürlich unterdrücken, im Schlafe
eeesiren sie. Intendirto Bewegungen werden durch die Krämpfe nicht gestört. In
Bezug auf Stimmung und Charakter keine Aenderung. Die Sensibilität vollkommen
erhalten, die Reflexe normal, ebenso der elektrische Befund. Physikalischer Befund
der inneren Oi^ne, vegetabile Functionen normal.
Vortr. betont, dass der Fall in keine der bekannten Krankheit^mppen passt,
am ähnlichsten wäre er noch der chronischen progressiven Chorea.
'ig: /Cu
Google
574
flo5«th V. Erftf.ft-Bbin^ stimmt dsr ADsfOhroi^ des Vortr. dass es SMh
um einsD der chronischen Chorea ähnlichen Symptomencosaplex handelt.
Elschnig berichtet über je einen Fall von Angttnmiiakellfthanmgan darob
motastatUidkes Carcdnom dar Auganmoak^n 0x4 asataotatiaohaa OavelMm
des SinoB oavemosns. (An anderer Stelle publicirt)
Schlageohanfer demonstrirt und besprioht eine Metbod», ssauOTbaltige
Prftparate am Häurotom zn zerlegen. (Anderweitig pnblicirt)
Hofrath v. Krafft-Ebing berichtet über die Aetiologie von 100 FäQen Ton
Faralysls agltoas seiner eigenen Beobachtong.
Die Fälle Ton dieser Erhranknng betragen 0,22^/,^ des gesammten Materials
im Bereiche der Nervenkrankheiten. Es handelte sich nm 60 Männer, 40 Fraaen.
Ans höheren Ständen stammten 8S, ans niederen 62; die Morbidität der Israeliten
war, procentnell gneohnet, 8 Mal grösser als die der Christen. Die Alterstabelien
des Vortr. ergeben die grosse Seltenheit der Paralysis agitans in jüngeren Jahren
und hn Qreisenalter, der grösste Procentsatz der Erkrankungen fiel ins 6. Decsnnium
bei beiden Geschlechtern. Unverkennbar war hier der Einfluss involutiver Vorgänge
im Organismus, erbliche oder sonstige Veranlagung spielt eine sehr geringe Bolle.
Psychisches Trauma bildete bei 13 Männern und 9 Fmoen die Veranlassung som
Ausbruche der Krankheit; mechanisches Trauma bei 4 Männern, 1 Frau; Durch*
nässung bei 6 Hännem, 1 Frau; apoplectischer Insult bei 2 Männern; acute Krank¬
heiten bei 6 Männern, 4 Frauen. In Fällen von mechanisch wirlosamem Tranma
entwickelte sich regelmässig das Leiden von der Steile dee Traumas ans. Bei
10 Männern und 7 Frauen entwickelte sich die Krankheit ohne Gelegertheitsorsaehe
in unmittelbarem Anschlüsse an Involutionsvorgänge.
Vortr. weist den neueriich von Koller, Bedlich u. a. gemachten anatomistiben
Befunden im Sinne einer perivasculären Sclerose nur die Bedeutnng einer erwoiheoen
Prädisposition zn nnd vermuthet die Aetiologie des Leidens darin, dass bei mtem in
solcher Weise disponirten, anatomisch nicht integren, indem in einer physiologiseben
Phase der B^^i'ession befindlichen Individuum dasselbe treffende SehäcUicbkeiten (be¬
sonders p^chischee oder mecbmiischea Trauma, acute Erkrankungen) die Krankheit
hervorrafen können. H. Sehlesinger (Wien*).
XXnX. Wanderveraammlung der Büdwestdeatsohen Neurologen und Irren¬
ärzte zu Baden-Baden am 21. und 22. Mai 1888.
Erste Sitzung vom 21. Mai, Nachmittags 2^/, Uhr, im Conversationshause zu
Baden: BrOf&iung durch den ersten Geschäftsfflhrer Direetor Dr. Franz Fischer
(Pforzheim).
Zum Vorsitzenden für den ersten Tag wird Geh. Bath Prof. Dr. Hitzig (Halle)
gewählt.
Schriftführer: Dr. Leop. Laquer (Frankfurt a./M.). Docent Dr. A. Hoche
(Strassbuig L/E:).
Anwesend sind 91 Theilnehmer.
Nach Erlddigung geschäftlicher Angelegenheiten und nach Verlraung mehrerer
Entochuldigungsschreiben werden am ersten Ti^e folgende Vorträge gehalten:
Geh. Bath Prof. Dr. Erb (Heidelberg): Uaber intaxmittistndae giwiraw
und andese nervöse Brsobeinungen in Folge von Axterienerkcaalouag.
Das Symptomenbild dee „intermiUirenden Hinkens", von den Tbierärzten ocIm»
lange bei Pferden beobachtet, ist von Charcot in die menschliche Pathologie ein¬
geführt und mit der Obliteration der grossen Gefassstärame der unteren Extremitäten
(Aorta, Iliacae, Femorales) in Zusammenhang gebracht worden; später stellte es ach
Google
575
beniifl, dass ss beim Hensoben weit h&ufiger durch Arteriitis und Phlebitis der
kleinen und Ueinsteo Qefiisse ausgeltat würde.
Der Vortr. berichtet Aber eiuen typischen, sehr bemerkenswerthen Fall dieses
Leidens. — Eün Hann von 54 Jahren, seit 1894/95 an einem Glefflhl von Schwere
in den Beinen leodend, bekam 1896 rascheres Ermüden, das in der Bube sofort
TOTSchwand; schmerahafte Spannnng in der Wade, Farüstbesieen, vasomotorische
Stömngen, Abeterben einzelner Zehen, Krampf — alles nach 5—10 Minuten Gehens so
gesteigert, dass Pat nicht mehr weiter kann; nach wenigen Hinnten Bnhe tritt Erholnag
ein. Pat kann wieder spritzen, tanzen n. s. w. Nach 5—10 Hinnten Wiederholung der
Stürang n. s. f. Im Uebrigen ist Pat, bis auf geringe Neurasthenie, gesund. Auf Grand
des objectiven Befundes an den unteren Extremitäten: Cyanos^ Kälte, locale Blässe und
Fehlen der Fnlse aller vier Fassarterien und der Popliteae erschien
die Diagnose zweifellos: „intermittirendes Hinken'* in Folge von Arterioselerose.
Als Aetiulogie kamen in Betracht: Frühere Syphilis, übermässiger Tabakmissbrauch
und geradezu unsinnige Erkältangs*Schädlichkeiten (5 Jahre lang täglich
^plknrte starke Eneipp’sche Güase, vielstündiges, oft wiederholtes Waten io kalten
•Oelnrgswässem beim f^hen, Durchnässungen n. s. w.); Neurasthenie. Die Therapie
bestand in galvanischen Fussbädem, Bnhe, Wärme, Kal. joda. und Strophant, später in
systematischen Gehflbungen und hatte einen glänzenden Erfolg. — Pat. konnte scblieas*
liob, ohne Beschwerden, bis zu einer Stunde gehen. Vortr. geht nicht näher auf
die vielfachen fremden und auf etwa ein Dutzend eigener Beobachtungen ein, die das
Symptom des intennittirenden Hinkens und dabei das Fehlen der Fussarterienpulse
zeigen. Er betont die enorm praktische Wicht^keit der Sache, als Vorläufer der spon¬
tanen Gangrän. Vortr. erörtert die klinische Bedeutung des Fehlens der
Fnsspnlse: Unter 700 daranfhin untersuchten gesunden oder anderweitig erkrankten
Personen fehlen kaum bm 1 einzelne Fnsspulse. — Uan müsse darauf achten,
denn bei event. dem intennittirenden Hinken zu Grande liegenden arteriosclerotlscben
Verändemngen der kleinen and kleinsten Arterien kann das Leiden progressiv sein
und nicht selten zur spontanen arteriosclerotlscben Gangrän führen. Die
pathologische Anatomie eigiebt in diesen Fällen, wie bei der spontanen Gangrän der
Chirurgen, Arteriitis obliterans seu prolifera mit Thrombosen u. s. w., ähnliches auch
an den Venen. Es spielten nicht bloss die mechanisohen Verhältnisse der Geföss-
verengemng, sondern auch functionelle Störungen in der Gefässinnervation dabei eine
Bolle: die Hauptsache sei die relative oder absolute Ischämie der Haut der Nerven
and der Hnskeln.
Für die Aetiologie seien wesentlich das höhere Alter der Lnes, Tabakmissbnnch
(weniger der Alkobolismns) und starke Erkältung, auch Diabetes und Gicht Dia¬
gnostisch wicht^ ist das charakteristische Gesammtbild: intermittirendes Hinken,
vasomotorische Stömngen; Fehlen der Eusspnise; die Unterscheidung von
Hyasthmiia gravis, Akroparästhesie, Eiythromelalgie, Tarsalgieen u. s. w. wird in der
Begel eine leichte sein.
Prof. Dr. Siemerling (Tübingen): Zur Diagnose der multiplen Soleroee.
Tortr. berichtet über einen Fall .von mnltipler Sclerose, welcher unter dem
Bilde einer Myelitis transversa verlief.
39jährige Fran. 5 normale Geburten. 4 Aborte. Nach einer Dnrchnässnng
stellten sich Krenischmerzen, Mattigkeit nnd Schwäche in den Beinen ein (1888).
1884: Terkanbnng an den FOssen, bald dsmof plötzliche schnelle Vanohlechterang
des Chmgen: ohne Unte rstützun g nicht mehr m(^icb; Störung beim Urinlassen.
Status: beiderseits Optiensatrophie bei erhaltenem Sehvermögen. Kein Nystagmus.
Pnpillenreaction erheblich. Keine Sprachstömng; ganz leichter Intentionstremor in
den obMen 'Eztremitätro. Reflexe erhalten; starke Parese der unteren Extremitäten.
Spasmen. Contiactnren. Kmn Tremor. Steigerung der Kniephänomene. Gang mit
Untarstützong: spastisch-paretisch. Schwanken nach hinten.
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Incontineotia nrinse. Elektrische üntersucbong nichts besonderes.
Sensibilität: BerOhrang aufgehoben, an den unteren Extremitäten bis zur 5. lUppe
hinab, später bis znm Oberschenkel. An den Unterschenkeln Schmerzempfindnng auf¬
gehoben. Znnehmende Lähmung der unteren Extremitäten. Starke Contr^turst^img.
Temperatursinn an den Oberschenkeln umgekehrt, an den Unterschenkeln erloschen.
Schnell sich entwickelnder Decnbitus am Krenzbein.
Im Rflckenmark ausgedehnte sclerotische Herde; in der Höhe des 10. Dorsal¬
wirbels ein fast den ganzen Querschnitt einnehmender sclerotischer Fleck. Bkt
Äxenglieder nicht mehr erhalten. Auf- und absteigende D^eneration in den Hinter-
und Pyramidenseitensträngen. ln der Uednlla, der Brflcke nnd Vierhflgelgegend Tiele
Herde, ebenso grössere im Kleinhirn.
Grosshim an ganzen Frontalschnitten untersncht: massenhafte Herde, grosse
nnd kleine in der Binde und im Hark. Anffallend die Symmetrie des Sitsee in
beiden Hemisphären. In allen Herden lässt sieh ein Gefässdnrchschnitt erkennen.
(Demonstration der Präparate.)
Zwei Sagittalschnitte der Hemisphäre eines Falles von progressiver Para¬
lyse. Behandlung nach Weigert-Pal. Starke Entßrbnng. Vorzngsweise Schwund
der Fasern in den sogen. Associationscentren, die Sinnescentren zeigen noch gröeseren
Faserreichthum.
Priv.-Doc. Br. Brauer (Heidelberg): üeber Muskelatrophie bei multipler
Solerose.
Bei einem 23jährigen Hädchen wurde im Jahre 1871 eine durch anderweitigo
nervöse Symptome nicht complicirte ziemlich hochgradige Atrophie der kleinen Hand¬
muskeln, sowie Schwäche der Vorder- und Oberarme beobachtet. Während ^/ 2 jähnger
elektrischer Behandlung trat weitgehende Bessemng ein, bald aber zeigten sich die
gleichen Störnngen von neuem, jetzt aber in Begleitung einer geringfOgigen spastiMben
Parese der Beine. Unter verschiedenen Schwankungen trat allmählich eine complete
spastische Paraplegie der Beine, hochgradige Atrophie der kleinen Himdmoskeln,
sowie eine grosse Zahl heftiger, quälender Parästhesieen auf. Nystagmus, Sprach-
störnngen nnd Intentionstremor fehlten stets. Nach 23jähriger Krankheits^no,
während welcher Zeit die Patientin fast stets in Beobachtung der medicinischen
Klinik zn Heidelberg stand, verstarb dieselbe 1894; die Section ergab fische
multiple Sclerose des Gehirns nnd Bflckenmarks.
Mikroskopisch fanden sich in den oberen nnd mittleren Partieen der Hals-
anschwellung grosse sclerotische Herde, die auch vielfach die graue Substanz in
Mitleidenschaft gezogen hatten. Die unteren Cervical- nnd die oberen Dorsalsegmente
zeigten nur sehr geringfQg^fe Veränderungen. Die eztramednllären Wnrzeln, Caoda
eqnina, SpinalgangUen, Nervenstämme, sowie die Mnskelästehen führten zwar keiiie
in Degeneration begriffenen Nervenfasern, Hessen aber auf den Schwund einztiner
Nervenfasern schlieesen. Die erkrankten Muskeln befanden sich in Atrophie.
(Schlon folgt)
Leop. Laqner (Frankfurt a./M.).
VI. Beriobtigaiig.
Id Nr. 11 d. Centralbl.. S. 519, Zeile 9 von oben, Hess: „Lilienfeld" statt Lilimithal;
S. 622. Zeile 9 von oben, liess: ein „direoter Zusammenbang" statt Zasammenhang.
üm Einsendung von Separatabdrficken an den Herausgeber wird gebeten.
Einsendungen für die Bedaetion sind zu richten an Prof. Dr. E. Mendel,
Berlin, NW. Schiffbanerdamm 20.
Verlag von Vnrr ft Coxp. in Leipzig. — Druck von MrrzGiB ft Wima in Leipzig.
ig i'^od Dy CjOO^Ic j
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0 WanserbuilansUdt, das ganze Jahr hindnrch gedffoet. Für Rheuma-
0 tismus, Nervenleiden, Verdauungsstörungen etc.
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Gegründet 1839, aufs Zweckmässigeta eingerichtet Näheres durch
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B. XXX H. 1 u. 2), besonders für Fälle, bei denen Wasserbehandlung erfolglos
oder unmöglich ist Prospecte und Casnistik gratis.
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Uebersicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie
und Therapie des Nervensystems einschliesslich der Geisteskrankheiten.
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Professor Dr. E. Stendel
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Monatlich emheiuen zwei Nummern. Preis des Jahrganges 24 Mark,
alle Bucbhandlungen des ln* und Auslandes, die Postaustalten des
sowie direct Ton der Verlagsbucbbandlung.
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Deutschen Beicbs,
1898.
1. Juli.
Nr. 13.
Leipzig,
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1898.
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Uebersicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie
und Therapie des Nervensystems einschliesslich der Geisteskrankheiten.
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Professor Dr. E. Kendel
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Honatlich erscheinen zwei Knmmem. Freia des Jahrganges 24 Mark. Zn beziehen darob
alle Bnchhandlnngen dea ln- nnd Analandea, die Poatanatalten des Dentaohen Beichs, sowie
direct tob der Terlagabnehhandlong.
1898. 1. Jnü. Nr. 13^
Inhalt: I. Origlnahnittheilunaen. 1. Bemerknngen aber den Ban der Spinalganglien-
zellen, von Prot Dr. M. v. Lenhetiek. 2. Zar Frage von den centralen Yerbindongen der
motorischen Himnerven. Vorliofige Mittheilaoff, von stad. M. P. Renanow. 8. Hysterie bei
einer Katze and einem Kanarienvogel, von H. Higier (Warschaa).
II. Am den Oezelliebaflen. Berliner GeseUsehaft för Psychiatrie and Nervenkrankeiten. —
33. Versammlang des Vereins der Irrenärzte Hiedersaohsens and Westfalens zn Hannover
am 7. Mai 1898. — KXIII. Wanderversammlang der s&dwestdeotschen Meorologen and Irren*
ärzte zn Baden-Baden am 21. and 22. Mai 1898. (Schloss.) — E. k. Gesellschaft der Aerzte
io Wien. — Oesterreichiache otologische Gesellschaft.
III. MlHheilung an den Herausgeber.
IV. Pertenallen.
L Originalmittlieilangen.
[Aus dem anatomischen Institut zu Tübingen.]
1. Bemerkungen über den Bau der Spinalganglienzellen.
Von Prof. Dr. M. v. Lenhossdk.
Im letzten Heft des Archivs für pathologische Anatomie (Bd. GLII. 1898.
S. 298) veröffentlicht Herr Dr. E. Hbiuann eine Arbeit „Beiträge znr Eenntniss
der feineren Stmctnr der Spinalganglien*', worin er an den Angaben, die ich
vor nunmehr zwei Jahren ül^r denselben Gegenstand gemacht hattet Manches
anszusetzen hat. Der Dmstand, dass die Arbeit ans dem Pathologischen In*
stitut zu Halle a. S. hervorgegangen ist, veranlasst mich, meine Angaben den
kritischen Bemerkungen des Herrn Heimank gegenüber in Schutz zu nehmen.
Vor Allem die Bemerkung, dass Herr Hedcann ausschliesslich an Kaninchen
gearbeitet hat, wahrend meine Arbeit die Spinalgaugienzellen des Menschen
behandelt Ich finde diesen gewiss nicht gleichgültigen Umstand hei Herrn
Hedcann nirgends gehörig hervorgehohen.
* Ueber den Ban der Spinalgaoglienzellen des Menschen. Arch. f. Paych. Bd. KKIX.
S. 345.
Google
8T
578
Zunäc^t findet Herr Heimakn^ dass ich meinem Material in Bezug auf
Frische zu Tiel Vertrauen geschenkt habe. Er sagt: „Wenn t. liZNHOssfiE in
seiner letzten Arbeit einen Hingerichteten, der in die Anatomie geschafft
wurde^), als Quelle für sein Material benutzt, so darf er mindestens aus seinen
Objecten nur sehr vorsichtige Schlüsse ziehen. Denn man kann wohl an*
nehmen, dass mindestens einige Stunden zwischen der Hinrichtung und der
Entnahme der Ganglien gelegen haben, ein Zeitraum, der genügt, um die Dar*
Stellung der feinsten Zellleibsubstanzen so gut wie unmöglich zu machen.^' Ich
weiss nun nicht, wie Herr Ebimann zu der Annahme kommt, dass ich mein
Material einem Hingerichteten entnommen habe, „der in die Anatomie geschafft
wurde“; in meiner Arbeit steht nur so viel: „Die Hinrichtung eines gesunden
kräftigen Mannes in den besten Jahren hat unlängst dem anatomischen Institut
zu Tübingen ein vortreffliches Material für mikroskopische Zwecke zugeführt,
und darunter auch Spinalganglien in tadellos conserrirtem Zustand.“ Herr
Heimanm hätte doch wenigstens vermeiden sollen, seine Supposition in eine
solche Form zu kleiden, dass der Leser denken muss, er citire meine eigenen
Worte. Ich kann ihn versichern, dass die Spinalganglien, die ich meiner Arbeit
zu Grunde gelegt batte, gleich an Ort und Stelle, unmittelbar nach der Hin*
richtung von sachkundiger Hand heranspräparirt und sofort in die Fixirungs*
flüssigkeiten gel^ wurden. Debrigens enthält der Satz von der Dnmöglichkeit
der Darstellung „der feinsten Zellleibsnbstanzen“ schon ein^e Stunden nach
dem Tode meiner Ansicht nach eine kleine Uebertreibung. Würde es sich
wirklich so verhalten, so wäre es um die pathologisch-histol<^cbe Erforschung
der Nervenzellen schlecht bestellt
Ein Tadel wird mir auch zu Theil w^en der Art und Weise, wie ich
meine Objecte fixirte. Auch Herr Heimanb erhielt, gleich mir und vielen
Anderen, die besten Resultate mit dem Sublimat. Nun aber wendet er es
etwas anders an als ich und die meisten Forscher, die damit arbeiten. Er
lässt die zu fixirenden Stücke nicht länger als zwei Stunden darin und be>
merkt ausdrücklich, dass es wesentlich sei, „dass man die Stücke nicht zu
lange in der Sublimatlösung belässt, wie z. B. t. Lenhoss^e, der 24 Stunden
lang fixirt“ Nun übersieht Herr Heimann dabei vor Allem, dass er es mit
den Spinalganglien des Kaninchens, und zwar mit denen junger Kaninchen, ich
aber mit denen des Menschen zu thun hatte. Ich glaube, dass Jeder, ausser
Herrn HEmABif, der mit der Sublimatfixirung Erfahrungen hat und der jemals
ein menschliches Spinalganglion aus dem Lumbalgebiet in Augenschein zu
nehmen Gelegenheit hatte, mir zustimmen wird, wenn ich sage, dass es ge¬
radezu Kunstfehler gewesen wäre, verhältnissmässig so grosse, von so viel
Bind^ewebe durchsetzte und vor Allem von einer so derben Bindegewebs*
kapsel umgebene Gebilde, wie es die Spinalganglien des Menschen sind, auch
wenn man sie, wie wir es gethan haben, der Länge nach entzwei geschnitten hat,
bloss so kurze Zeit der Snblimatlösung anszusetzen. Ja ich würde s(^ar für
‘ liu Original nicht gesperrt gedruckt.
D g ! ^od Dy GoOg IC
579
die Spinalganglien des Eaninchens, die beträchtlich kleiner sind, als die des
Menschen, dringend davon abrathen, die Vorschrift des Herrn Hbimamn zn be¬
folgen; systematische Versuche, die ich im vorigen Jahr über die zweckmässigste
Einwirkungsdauer des Sublimats gerade an den Spinalganglien von Säugern an¬
gestellt habe, zeigten mir, dass nach so kurzer Sublimatwirkung der Zustand
der Ganglienzellen dem bei einer schlechten Alkoholfixirung gleicÜommt, d. h.
dass dabei fast ausschliesslich nur die nachträgliche Alkoholhärtung zur Qeltuag
gelangt Herr Q. Makn, ein in der Technik der Nervenzellenuntersuchung
ausserordentlich bewanderter Forscher, empfiehlt für die Spinalganglien ebenfalls
24 Stunden^; Herr G. Levi, dem wir eine Reihe der feinsten cytologischer
Arbeiten über den Bau der Nervenzellen verdanken, giebt Folgendes an‘:
„Während man bei der Grosshimrinde der Sauger, bei dem Rückenmark und
den Ganglien der Reptilien and Amphibien die Fixirong mit Sublimat nicht
über 1 —2 Stunden ansdehnen darf, ist für das Rückenmark und die Ganglien
der Sauger eine Einwirkungsdauer von 20—24 Stunden erforderlich.“ W. H. Cox
lässt die Spinalganglien des Eaninchens in verschiedenen Sublimatgemischen
2—3 Tage liegen. Eine Umschau in der allemeuesten neurologischen und
sonstigen technischen Litteratnr hätte Herrn Heimann ergeben, dass die meisten
Forscher es vorziehen, das Sublimat in energischerer Weise in Anwendung zu
ziehen, als er es thut
Eigenartig ist auch die weitere Behandlung, die Herr Heimann seinen Ob¬
jecten angedeihen lässt. Nachdem er sie 2 Stunden lang mit Sublimat be¬
handelt bat, legt er sie auf 6 Stunden in 707o Jodalkohol, auf 6 Stunden in
96 und zuletzt auf weitere 6 Stunden in absoluten Alkohol. Das macht
also summa summarum sammt Fixirung 20 Stunden — in nicht ganz einem
Tage ist das Object zum Einbetten parat. Wenn ich auf der einen Seite
sagen muss, dass mir eine derartige gallopirende Behandlung fast einer Miss¬
handlung gleichzukommen scheint, so muss ich auf der anderen Seite den wissen¬
schaftlichen Eifer des Herrn Heihann bewundern, der es sich nicht verdriessen
lässt, selbst seine Nachtruhe seinen Forschungen zn opfern; denn ich wüsste nicht,
wie bei einem solchen Sechsstundensystem das nächtliche Uml^en der Objecte
zu vermeiden wäre.
Die Resultate einer solchen Technik können unmöglich glänzend sein, das
darf man schon von vornherein sagen; und dass sie es wirklich nicht sind,
das zeigt ein Blick auf die Abbildungen der HEiMANM’schen Arbeit Ich stehe
nicht an, zu behaupten, dass sämmtliche Bilder des Aufsatzes, die mit Sublimat
fiiirte Objecte wiedergeben, also die Figg. 17—26, mit Ausnahme vielleicht der
^ G. Makm, Üeber die Bebandlnog der KerreDzelleD für experimentell • histologische
UotersnchtiDgeQ, Zeitschr. f. wisBeDschaftl. Mikroskopie. 1894. 6d. 11. 8.479. — Vcrgl.
S. 484.
■* G. Levi, lücerche citologiche comparate sulla cellula nervosa dei vertebrati. Rivista
di patologia nervosa e mentale. 1897. Vol. II.
* W. H. Cox, Der feinere Baa der SpiDalgaogllenzelle des Kaninchens. 1898. 6d. X-
Seite 72.
37*
üig'Vrcd oy Google
580
Fig. 25, handgreiflich mehr oder weniger mangelhaft flxirte Zellen dem Leser
Torföhren. Ja seihst hei Fig. 25 ist ein solcher Verdacht nicht ganz aus¬
geschlossen, in Anbetracht der undeutlichen B^enzung des Eems und nodi
mehr der unnatürlich groben Fibrillen der Bandschicht des Protoplasmas, die
mehr als der Ausdruck einer Dissociation als der in natura ausserordentlich
feinen fibrillären Streifung des Zellplasmas der Nervenzellen erscheint. Aber
wenn wir diese Figur auch gelten lassen, so bleiben immer noch die anderen
Figuren, die das von dem Herrn Verfasser befolgte technische Verfahren nicht
im besten Lichte erscheinen lassen.
Es ist eine Sache von grosser Schwierigkeit, ja fast ein Ding der Unmög¬
lichkeit, ein Bild davon zu entwerfen, wie eine ganz gut fixirte Spinalganglien¬
zelle aussehen soll. Müsste man doch, um hier etwas ganz Bestimmtes angeben
zu können, wissen, wie sie im lebenden Zustande aussieht. Unser Wissen be¬
wegt sich vielmehr nur in der Richtung, dass wir sagen können, wie sie nicht
aussehen soll, d. h. dass wir an den uns im Präparate vorliegenden Zellen die
Eunstproducte als solche sicher zu kennzeichnen und als zur Forderung unserer
Erkenntniss untauglich auszuscheiden im Stande sind. Gerade bei den Spinal¬
ganglien der Säuger haben wir hierfiir sehr prägnante imd bequeme Eriteiien
im Zustande der Randschichten des Zellkörpers. Wie ich zuerst im Jahre 1895'
nachgewiesen, genauer dann 1897 in meiner citirten Arbeit ausgeführt habe,
zeigen ^e meisten Spinalganglienzellen, besonders aber die grösseren Exemplare,
auf ihrer Oberfläche eine sehr auffallende, der Tigroidscbollen entbehrende, mehr
oder weniger breite helle Zone. Diese Zone grenzt sich dann nach aussen g^n
die Eapsel hin durch eine scharfe, deutliche, sich dunkel färbende Linie ab;
offenbar ist das Zellprotoplasma auf der Oberfläche leicht verdichtet Dieser
eigentliche Zellcontour, den bis vor Kurzem die .meisten Untersncher der Spinal¬
ganglienzellen übersehen zu haben scheinen, hat einen sehr r^elmässigen, glatten
Verlauf; bei den kleinen Säugern (z. B. Eaninchen], wo die Eapselzellen schvrach
entwickelt sind, läuft er fast ganz geradlinig, bei den grösseren dagegen (Menai^,
Bind, Hund, Katze), deren Eapselzellen ziemlich stark g^n die Zelle vor¬
springen, nimmt er durch den Contact mit diesen typische sanfte Eindrücke auf.
Diese von mir für den Ochsen und den Menschen beschriebenen Verhältnisse
gelten vollkommen auch für das Eaninchen; auch hier begegnen wir an den
meisten, besonders an den voluminöseren Zellen jener hellen oberflächlichen Lage;
auch hier liegt die wahre Zellgrenze erst ausserhalb dieser Schicht, wie überall,
im dichtesten Anschluss an die innere Fläche der Eapsel. Wir haben also drei
sehr augenfällige Merkmale, woran wir uns als an Kennzeichen eines relativ gatm
Erhaltungszustandes der Zellen halten können: 1. die Gegenwart und der Zu¬
stand der hellen Randzone; 2. der geradlinige Verlauf des wirklichen Zellcontours
und 3. dessen Zusammenfällen mit der inneren Grenze des Kapselepitbels.
Jene helle Zone ist nun den chemischen und mechanischen Eingriffen
* M. T. LiiTHOSBäK, Der feinera Bau des NerreQBjstema im Lichte ueueeter Forschangeo-
1895. 2. Aofl. Berlin. S. 178.
Dig I /cd c/ Google
581
g^enüber, wie sie unsere histol(^i8cbe Technik auf dem langen Wege von der
Fixirung bis zum Kanadabalsamtropfen mit sich bringt, ausserordentlich empfind¬
lich ; sie ist der vulnerabelste Theil der Zelle. Selbst an den besten Präparaten,
die wir mit unserer heutigen Techmk erzielen können, wird man sie an sehr
vielen Zellen theilweise oder ganz zerstört finden. Ich habe in meiner letzten
Arbeit die Teischiedenen Stadien ihrer Läsion genau geschildert „Bei leichteren
Formen ihrer Alteration weist sie nur an einzelnen Stellen Defecte oder schwache
Betractionen von der Kapsel auf, die Oberfläche der Zelle wird holprig.^* „Bei
einer voigeschrittenen Stufe erscheint bereits ein grosser Theil der hellen Sub¬
stanzlage zerstört, wobei die erhaltenen Theile sich vielfach in unregelmässigen
Abständen radiär zur Kapsel ausspannen.*' ,3^i den extremen Formen der
Zerstömng schliesslich ist von der Bindensohicht überhaupt nichts mehr zu sehen,
die Zelle äeht aus, als ob sie enorm geschrumpft wäre, zwischen ihr und der
Zelle klafft nun eine weite Lücke.‘‘
Wie ist es nun an den HsiMXNn’scben Sublimatbüdem um diese charakte¬
ristische oberflächliche Plasmaanlage und ihre äussere B^renzung bestellt?
Das Frgebniss fällt recht ungünstig aus. Nur Fig. 25 zeigt sie annähernd in
ihrem natürlichen Zustande. Bei allen anderen ist sie durch die Behandlung
mehr oder weniger stark mitgenommen, bei Fig. 17 vollkommen vemichteil
Figg. 21 und 24 bieten das häufigste Bild schlecht fizirter Zellen: die Zelle
erscheint an ihrer Oberfläche wie zerzaust, wie mit einer Unmenge frei flotti-
render Wurzelfadchen bedeckt; die die Zelle sonst als breiter, schöner, gleich-
massiger Saum bedeckende helle Zone erscheint faserig zerklüftet, ln den
Fi^. 18, 19, 20, 22 und 27 ist es namentlich der im höchsten Grade unregel¬
mässige Zellcontour, woraus man die Diagnose: schlechte Fixirung, stellen kann,
ja selbst bei der oben noch milde beurtheilten Fig. 25 ist die Zellgrenze nicht
so scharf, wie wir es bei einer gut erhaltenen Zelle erwarten dürfen.
Ich habe vorhin zugegeben, dass auch die besten Präparate derartige Zellen
enthalten — sporadisch, zwischen anderen gut conservirten. Da nun aber
Herrn Heimann nicht zuzumuthen ist, dass er gerade die schlechten Zellen
seiner Präparate für den Zeichner ausgesucht hat, so ist anzunehmen, dass
seine Sublimatschnitte gut erhaltene Zellen überhaupt nicht aufweisen. Wie
ungünst^ die von Herrn Heimanm so warm empfohlene zweistündige Sublimat-
fixirung ist, erkennt man daraus, dass von den HsiMAnK’scben Abbildungen
die relativ noch am besten fixirten Zellen (Fig. 5, 6, 11, 16) sich gerade nicht
unter den Sublimatbildern, sondern unter denjenigen finden, die mit Alkohol
fixirte Zellen darsteilen. Die Fixirung in 96^0 Alkohol taugt also für die
Spinalganglien des Kaninchens noch immer mehr als eine zweistündige Fixi¬
rung in Sublimat
Die Fixiningsfrage ist überhaupt der wunde Punkt unserer heutigen Nerven¬
zellentechnik. Selbst das Sublimat ist weit davon entfernt, den Anforderungen,
die wir nach dieser Seite hin an ein Reagens stellen müssen, zu entsprechen.
Nach den Versuchen, die mit verschiedenen Fixirungsfiüssigkeiten in unserem
Institute in letzter Zeit ai^estellt wurden, scheint ein gleichtheiliges Gemisch
üig : red ;/ GoO^lC
582
von coDcentrirter Sublimat- und Pikrlnsaurelösung^ vor dem reinen Snblimat
als Fiiiningsmittel den Vorzug zu verdienen. Auch mit dem CABNOT'schen
Gemisch (Alkohol abs. 6, Chloroform 3, Eisessig 1} gelang es, relativ gute Bilder
zn erzielen: aber auch hier erschien, wie bei den Sublimatbildern, nur ein Theil
der Zellen befriedigend conservirt Höchst merkwürdig ist dabei die Tbatsache,
dass sich die besser fixirten Zellen nicht etwa nur im Randgebiete oder über¬
haupt in einer bestimmten Region des Ganglions finden, so dass man etwa an
einen Zusammenhang mit der Penetrationsweise des Fizirnngsmittels denken
könnte, sondern stets unregelmässig zerstreut über den Durchschnitt. Es ist
dies eine Erscheinung, die einigermaassen an die bekannte, bisher unaufgeklärte
elective Eigenart der GoLöi’schen und der Methylenblaumethode erinnert —
Die Osminmgemische haben leider den Nachtheil, dass sie nur sehr oberfläch¬
lich in die Ganglien eindringen und auch die Färbbarkeit der Zellen beein¬
trächtigen.
In meiner Arbeit hatte ich zur Färbung der Tigroidsubstanz der Nerven¬
zellen (NissL’sche Körper) das Toluidinblau als das beste Mittel bezeichnet;
ja, um meiner Empfehlung mehr Nachdruck zu verleihen, habe ich es sogar
geradezu als ein Specificum für die Darstellung dieses Bestandtheiles des
Nervenzellenplasmas hingestellt Ich kann auch heute nur meine damaligen
Worte wiederholen. Toluidinblau ist zu dem genannten Zwecke entschieden
sowohl dem Methylenblau, wie auch dem Mher von mir selbst empfohlenen
Thionin überlegen; es giebt die schärfste Tigroidförbong. Wie sehr das Tolui¬
dinblau den Rang eines elektiven Färbemittels für das Tigroid verdient,
das sieht man nirgends schöner, als an Durchschnitten von Embryonen. Unter¬
suchungen, die gegenwärtig in unserem Institute über die Entwickelung der
Tigroidsubstanz in den Nervenzellen im Gange sind, haben ergeben, dass sich
die Zellen der verschiedenen Regionen des Nervensystems durchaus nicht zur
gleichen Zeit mit Tigroid beladen, dass vielmehr auch hier eine bestimmte
Reihenfolge vorherrscht. Die Theile des Nervensystems nun, deren Zellen be¬
reits mit Tigroid versehen sind, treten an Toluidinblaupraparaten aus den Durch¬
schnitten des embryonalen Körpers durch ihre intensiv blaue Färbung schon
bei den schwächsten Vergr&serungen äusserst lebhaft hervor.
Es ist mir nicht erklärlich, weshalb sich die Toluidinblau^buug unter den
Ncrvenzellenforschem bisher noch relativ so wenig Freunde erworben hat. Die
Methode ist ja sehr einfach, ein Versuch damit macht keine grössere Mühe.
Wir verfahren hier in der Weise, dass wir die Celloidinschnitte oder die mit
Eiweissglycerin und destillirtem Wasser auf dem Objectträger festgeklebten
Paraffinschnitte über Nacht in einer concentrirten Toluidinblaulösung stehen lassen
und dann den anderen Tag, nach Abspfilung in Wasser, rasch in Alkohol
differenziren, mit Carbolxylol, bezw. Xylol aufhellen und in Canadabalsam ein-
schliessen. Fast immer lassen wir noch vor der Differenzining eine leichte
' Zuerst von Rabl, allerdings mit 2 Thc-ilen Wasser verdfinnt, für Embryonen an¬
gegeben.
Dig ü^cd Dy Google
583
Erythrosinfärbung nachfolgen, doch ist hier grosse Vorsicht m Platze, damit
der saure Farl»toff das Toluidinblau nicht verdrängt, üm sich über die
LeistungsWgkeit der Toloidinblauförbung eine Vorstellung zu verschaffen, wird
es mch empfehlen, zunächst die Erythrosinnachfarbung bleiben zu lassen, loh
kann es mir nicht denken, dass wer einmal mit Toluidinblau in der angegebenen
Weise richtig geffirbt hat, jemals wieder zu dem Thionin oder Methylenblau
zurückkehren würde.
Jeder Andere hätte nun, ausser Herrn Heihann, um sich über den Werth
der Toluidin&bung ein ürtheil bilden zu können, zu dem einfachsten Mittel ge¬
griffen, d. h. die Färbung selbst versucht Für Herrn Hbimann wäre ja dies
um so leichter gew^n, als er ja Schnitte aus den Spinalganglien, die er zu
diesem Zwecke hätte benützen können, gewiss in grosser Fülle vorräthig hatte.
Anders Herr Heikank. Unter der stattlichen Reihe von Farbstoffen, die er
angewendet bat — seine Arbeit ist ja wesentlich eine technische Mittheilung —
vermissen wir gerade das Toluidinblau. Es macht den Eindruck, als ob er es,
gerade mit Rücksicht auf meine Empfehlung, absichtlich vermieden hatte. Er
belehrt mich, dass „Toluidinblau, Thionin und Methylenblau drei vollkommen
gleichwerthige, von einander nur durch ganz geringe Constitutionsänderungen
unterschiedene Tbiazine sind, deren tinctorielle Eigenschaften eben, dem gleichen
chemischen Bau entsprechend, auch die gleichen sind“. Was Herr Hbdiank
hier sagt, ist nicht stichhaltig. Aus 0. Sohttltz und F. Julius, Tabellarische
Uebersicht der künstiicben organischen Farbstoffe. 3. Aufl. Berlin 1897. S. 172
u. 174, hätte er ersehen können, dass die drei Farbstoffe sowohl in ihrer
Zusammensetzung, wie in ihrem Verhalten verschiedenen Reagenzien gegen¬
über ziemlich verschieden sind. Methylenblau hat vier Methylgruppen, Toluidin¬
blau nur zwei, Thionin (Lauth’s Violett) gar keine. Der Mangel des Methyls
in dem einen, die Häufung der Methylgruppen in dem anderen Farbstoff
ist aber durchaus nicht als unbedeutend zu bezeichnen.^ Mag man aber
auch der Ansicht sein, dass diese Constitutionsverschiedenheiten „ganz ge¬
ring*' sind, so steht doch die fempirische Thatsache fest, dass sie genügen,
um den drei Farbstoffen, namentlich aber dem Methylenblau den zwei
anderen gegenüber, in ihrem Verhalten zu gewissen thierischen Zellen und
Geweben, verschiedene tinctorielle Eigenschaften zu verleihen. Hier hilft das
Theoretisiren nicht, da muss man sich an die Empirie halten. Herr Heimann
wird sich vergeblich bemühen, mit Thionin oder Toluidinblau ebenso schöne
Nervenfärbungen durch vitale Injection zu erreichen, wie mit Methylenblau;
auf der anderen Seite wissen wir aus der bekannten Arbeit von Hoteb^, dass
es zwar auch mit Methylenblau gelingt, mucinhaltige Zellen metachromatisch
zu förben, dass aber diese Schleimfarbung an Schärfe weit hinter der mit
* Per Uaterscbied zwischen Metbyleobtaa und Thionin entspricht nngefähr demjenigen
zwischen Krystallviolett (6 Methjrlgmppen) und p-Fnchsin (keine Methylgmppe), von welchen
beiden Farbstoffen der eine in Lösnng blao, der andere dagegen roth erscheint.
* H. Hoybb, Ueber den Nachweis des Uneins in Geweben mittelst der Färbemetbode.
ArchW t mikrosk. Anatomie. 1890. Bd. XXXVI. S. 810. — Vergl. namentUoh S. 820.
üig : red ;/ GoO^lC
584
Thionin zurückbleibt. Xbionin färbt das kfucia Tiel prägnanter, Methylenblau
viel weniger metachromatisch, dafür aber freilich constanter als Thionin; daher
empfiehlt Hoysb das Thionin für die Feststellung anch geringer Grade von
schlemiiger Metamorphose, Methylenblau dagegen zum quantitativen Nachweis
des Mucins in den Geweben, wo es in grösserer Menge auftritt Wird Herr
Heimann den Muth haben, auch diese Angaben Hoteb’s auf Grund seines
aprioristischen Dc^mas ungeprüft zu verwerfen?
Eine ganz merkwürdige Erscheinung bei den Spinalganglien ist das ver¬
schiedene stmoturelle Verhalten der einzelnen Nervenzellen. Ein Durchschnitt
durch ein Ganglion bietet dadurch ein sehr buntes Bild dar; dnnkler und heller
gefärbte, feiner und gröber granulirte Zellen li^en reelles durcheinander.
Herr HEiMAinf macht hier die ganz richtige Bemerkung, dass die Unterschiede
im Aussehen der Zellen theilweise schon dadurch hervorgemfen sind, dass ein¬
zelne Zellen mehr in der Mitte, andere mehr in ihren Bandpartieen getn^en
sind. Die peripherischen Zelldnrchschnitte werden natülich heller und sdiwäcber
granulirt erscheinen, als die centralen. Aber dies erklärt nicht Alles; die
einzelnen Zellen sind thatsächlich etwas anders stmetnrirt, und zwm: kommen
diese Structurversdiiedenheiten in zwei Momenten zum Ausdruck: 1. in der
verschiedenen Menge und Vertheilungsweise des Tigroids, d. h. in der ver¬
schiedenen Dichtigkeit und Feinheit der Kömelxmg, und 2. in den verschiedenen
Dichtigkeitsverhaltnissen der „Gmndsubstanz“, d. h. des Zellplasmas, das zwischen
den Tigroidschollen liegt Gröber und feiner granulirte Zellen finden sich unter
allen Zellgrössen vertreten; was d^egen den dichteren Bau der Grundsubstanz
betiiflft, so lässt sich das gesetzmässige Verhalten naebweisen, dass es haupt¬
sächlich die kleineren Zellen sind, die diese Eigenschaft besitzen. Deshalb treten
an dem Durchschnitte die kleinen Elemente durch ihre dunklere Färbung mehr
oder weniger lebhaft hervor. Diese Thatsache ist schon in der Arbeit von
Daa£^ verzeichnet, nach dessen Angabe „die am dunkelsten ge&bten Zellen
beim Pferd am häufigsten klein sind“; ebenso bemerkt auch Flemkzno’, dass
die kleineren Zellformen „durchweg dichter gebaut, dunkler und stärker färb¬
bar“ sind. Einen klareren und bestimmteren Ausdruck aber hat dieser Sach¬
verhalt in meiner citirten Arbeit und kürzlich in einem Vortrag Mabikssco’s’
gefunden. Nach Mabine&co lassen sich die Spinalganglienzellen in Bezug auf
den Bau der Grundsubstanz in drei Typen eintheilen: Der erste Typus niniasst
die grossen Zellformen und kennzeichnet sich durch weitmaschige Anordnung
des Spoi^ioplasmas und daher durch helles Aussehen der Zelle. Der zweite
Typus wird durch die kleinen Zellen dargestellt; das Masebenwerk des Spongio-
plasmas erscheint hier dicht, die Zelle selbst in Folge dessen dunkel (Ohromato-
* H. Daab, Zar Eenatoifls der SpiaalgaDglienzellen beim Säagethier. Archiv f. mikrosk.
Aaat. 1888 . Bd. XXXI. S. 228.
* W. Flkmiuko, Ueber den Bau der Spinalganglieiizellen bei Sängetbieren and B«-
merkangen über den der centralen Zellen. Archiv f. mikroek. Anat. 1895. Bd. XXXXVl.
S. 879.
' Q. MASDrsBCo, Pathologie de la cellale nervenee. 1897. Paris. S. 10.
H K, Google
585
filie). Als einen dritten Typus endlich fasst Mabinesco diejenigen Zellen zu¬
sammen, bei denen die Grundsnbstanz einen ausgesprochen fibrillären Bau auf-
wäst, mit nur schwach angedeuteter Netzbildung der Fibrillen. Ob solche
Elemente sich unter den grösseren oder kleineren Zellformen finden, giebt
Mabimesco nidit an.
Aber lange schon Tor den genannten Forschem ist Flbsch auf diese
TinctionsTerschiedenheiten der Nervenzellen der Spinalganglien aufmerksam ge¬
worden. Die Durchsicht der Mittheilungen von Flbsch* und einiger unter
seiner Leitxmg arbeitenden Damen, namentlich der Arbeit von Helbne Eokeff’,
ergebt auf das Bestimmteste, dass es sich bei den Beobachtungen von Flesch
um dasselbe bandelt, wovon hier die Bede ist Die helleren Zellen nannte
Flesch chromofile, die dunkleren chromofobe. Bei allen untersuchten Thieren
überwiegen die dunklen Zellen über die hellen. Was aber in den Arbeiten von
Flesch und Helehe Eonepf merkwürdigerweise nicht gen^end hervorgehoben,
ja kaum erwähnt wird, ist der Umstand, dass die chromofoben Zellen die
grösseren, die chromofilen die kleineren Zellen des Ganglions darstellen. Es ist
dies um so auffallender, als sich diese Thatsachen aus den Tabellen auf S. 19
und 20 der KoNEFp’schen Arbeit, in denen eine grosse Anzahl von Messungen
der Nervenzellen znsammengestellt sind, und ebenso aus Fig. 1, ohne Weiteres
ergiebt Dass unter den chromofoben Zellen auch ein^e grossere Exemplare
figuriren, erklärt sich eben daraus, dass Kcneff zu den chromofoben Elementen
auch noch einige grobgranulirte Zellen hinzugerechnet hat, Zellen, deren dunkles
Aussehen nicht wie bei dem kleinen Zelltypus durch dichte Beschaffenheit des
Grundplasmas, sondern durch aussergewöhnlich starke Entwickelung und grob¬
schollige Yertheilung des Tigroids verursacht ist; solche Zellen kommen auch
unter den grösseren Formen vor.‘
Eine ganz andere, neue Anwendungsweise bat das Wort „chromofil“ neuer¬
dings von Nisbl^ erhalten. An weniger gut fixirten Präparaten der Spinal¬
ganglien, namentlich an Alkoholfixationen, sieht man in seltenen Fällen merk¬
würdige Eunstproducte: Die Zelle erscheint enorm geschrumpft, mit zackigen,
unregelmässigen Rändern; das durch die Schrumpfung verdichtete Protoplasma
und selbst der Kern ßrbt sich intensiv dunkel, „tintenartig*^, wie sich Nissl
ausdrückt. Ein Zweifel, was Nissl hier im Auge bat, kann nicht bestehen,
angesichts der Fig. 7 der Nissn’schen Arbeit im Neurol Centralbl. 13. Jahi^.,
in der er eine solche Zelle abbildet Nun nennt Nissl eine solche Zelle eine
* M. Flesch. Bemerknagen fiber die Stnictor der GaoglieDzellcn. Neiirolog. Centralbl.
1886. S. 145.
* H. Eohefv, Beiträge zor Eenntnise der Nervenzellen in den peripheren QangUen.
1886. Inang.-Dissert. Bern.
’ Die Chromofilie in diesem Sinne scheint nur bei den peripherischen Ganglienzellen
Torznkommen.
* Fb. Nissl, Die segenannten Granola der Nervenzellen. Nenrolog. Centralbl. 1894.
Derselbe: Die Beziehnngen der NervenzellensubstaDzen zn den thätigen, mhenden und er-
mbdeten Zellznstanden. Zeitschr. f. Psjch. 1895. Bd. Lll.
Google
586
„chromofile“ und so schliesst sich dann selbstverständlich an eine derartige Be-
ntttznng des von Flesch geschaffenen und in einem anderen Sinne gebrauchten
Wortes der Schluss an, dass die „Chromofilie“ ein Eunstproduct, eine Folge der
„technischen Behandlung des Gewebes“ ist.
Wir haben also zwei verschiedene Begriffe der „Chromofilie“ in der IJtte-
ratur, und diese Begriffsspaltung spiegelt sich nirgends anschaulicher wieder als
in jenem Passus der HEiuANN’schen Arbeit, der diesen Gegenstand behandelt
Herr Heimann beschreibt ziemlich umständlich, dass die einzelnen Zellen ein ver¬
schiedenes Aussehen darbielen. „Erstens sind Zellen vorhanden, bei denen die
Structurelemente des Zellleibes als solche zarter und dünner, aber so dicht an
einander gelagert sind, dass das Zellindividuum im Ganzen einen dunkleren
Eindruck hervorruft“; es sind dies nach Heimann die pyknomorphen Zellen
Nissl’s oder (in der Klammer) die chromophilen Zellen von FtssOH und
seinen Schülerinnen.^ „Andere Zellen wiederum haben grosse Elementar¬
gebilde, doch li^en dieselben weiter auseinander, so dass die ^Ue zwar — wie
Flbmmino es nennt — ein scheckiges, aber doch ein helleres Bild darbietet,
als die erst beschriebene Art“ Das sind die apyknomorphen Zellen von Nissl
oder die ebromophoben von Flesch.^ Man sieht: hier hält sich Heimann
an den älteren Begriff der Chromofilie; er beschreibt allem Anschein nach un¬
mittelbar nach seinen Präparaten hellere und dunklere Zellen und bezeichnet
sie mit Flesch als chromofile und chromofobe. Nun aber macht er, ohne jede
Vorbereitung, plötzlich einen kühnen Seitensprung und überrascht den Leser
durch den mit Allem, was er auf derselben Seite gesagt hat, in dimnetralem
Gegensatz stehenden Ausspruch: „Chromofile Zellen habe ich an meinen Spinal¬
ganglienpräparaten nie gesehen.“ Für den, dem die beiden Chromofilieb^Tiffe
geläufig sind, wird die Sache natürlich sofort klar; in Herrn Heimann’s Brust wohnen
zwei Seelen, eine die mit Flesch, und eine die mit Nissl fühlt; in der ersten
Hälfte des Passus kommt die erste zum Ausdrucke, in der zweiten übernimmt
die zweite das Wort. Aber dem der Nervenzellenforschung ferner Stehenden
muss es beim Lesen dieser Stelle merkwürdig zu Muthe werden und er wird
sich „absolut nicht herausfinden können“.
Das Merkwürdigste nun aber an der Sache ist, dass Herr Heimann diesem,
gelinde gesagt, etwas unklaren Passus noch eine Fussuote anhängt, worin er
mir den Vorwurf macht, ich hätte „in die von Nissl bereits so klargelegten
Verhältnisse durch unricht^e Anwendung des Wortes „Chromofilie“ wieder
etwas Verwirrung gebracht, so dass der der Nervenzellenforscbung ferner Stehende
sich absolut nicht herausfinden kann“. Wenn letzteres Herrn Heimann nicht
gelingt, so kann ich ihm nicht helfen; aber ich glaube kaum, dass ausser ihm
irgend Jemand auf der Welt durch die betreffende Stelle meiner Arbeit hin-
sichtlich der Chromofilie in Verwirrung gerathen könnte. Das ist ja schon des¬
halb nicht möglich, weil ich es dort überhaupt vermieden habe, in der
Frage der Chromofilie Stellung zu nehmen. Ich beschreibe ganz einfach
* Im Original nicht gesperrt gedmekt.
D g vocl oy Google
587
die Terschiedenen Färbbarkeiten, Dicbtigkeits* und EörnelungSTerhältnisse der
Nervenzellen der Spinalganglien, hebe besonders hervor, dass die dunkler ge*
färbten im Ganzen und Grossen mit den kleineren Zellen, die heller gefärbten
mit den grösseren Zellen identisch sind. Weiterhin föge ich hinzu, dass ich
mir durchaus zweifelhaft darüber bin, inwieweit ich die beschriebenen Wahr¬
nehmungen in Parallele bringen soll mit dem, was Fuesch seiner Zeit als
Cbromofilie und Chromofobie beschrieben hat^ und bemerke zum Schlüsse, dass
meine Beobachtungen jedenfalls mit der von Nissl als Chromofilie beschriebenen
Erscheinnng, die nach Nissl’s eigener Angabe ein Eunstprodnct darstellt, nichts
zu thun haben. Nun frage ich den Leser: ist in diesem Passus etwas enthalten,
wodurch Yerwirrung entstehen könnte?
Ein weiter Gegensatz zwischen unseren Anschauungen bezieht sich auf den
Zellkern der Spinalganglienzellen. Färbt man einen Schnitt aus dem Spinal-
ganglion eines Kaninchens oder auch eines anderen Sängers mit Toluidinblau,
Thionin oder Methylenblau, so zeigt der Kern der Spinalgauglienzellen nach
der Differenzirung in Alkohol ein eigenartiges, von den Kernen anderer Gewebs¬
zellen wesentlich abweichendes Bild. Während sich z. B. in den Eapselkemen
oder den Kernen der Bind^ewebszellen des Zwischengewebes das Kerngerüst
vermöge seines Gehaltes an Chromatin intensiv blau ge&bt zeigt, erscheint in
den grossen, runden Kernen der Spinalganglienzellen das Kerugerüst ganz un¬
gefärbt und tritt nur schattenhaft, mehr durch Unterschiede der Lichtbrechung,
als durch Tinction hervor. Bloss der umfangreiche runde, im Kern gewöhnlich
central gelegene, nur selten (beim Menschen niemals) doppelte Nucleolus erscheint
blau gefärbt, und zwar in intensivster Weise. Selten nur findet man beim
Kaninchen in der Nähe des Kernkörperchens 1—3 ganz kleine, ebenfalls
blau geförbte Schollen. — Zierlichere Bilder erhält man, wenn man die Schnitte
nach der Toluidinblaufarbnng noch mit einem sauren Farbstoff, z. B. Ery¬
throsin oder Eosin behandelt: das Kemkörperchen hat seine starke dunkel¬
blaue Färbung beibehalten, das zarte lockere Kerngerüst dag^n bat sich
sammt seinen Netzknoten mit dem Erythrosin verbunden und stellt sich in
zarter Rosafärbung dar.
Es ist dies ein tinctorielles Verhalten, das, soviel ich weiss, in dieser
scharfen Ausprägung von somatischen Zellen bei Säugethieren nur den Kernen
der Nervenzellen, und auch da nur denen eines Theiles der Nervenzellen zu¬
kommt; wir finden z. B. das gleiche Verhalten ebenso schön ausgesprochen bei
den Kernen der grossen motorischen Zellen des Rückenmarks, bei den Pdbeinje*-
schen Zellen, den Pyramidenzellen. — Die drei genannten blauen Farbstoffe,
und ebenso auch das Metbylgrün, mit dem man analere Bilder erhält, gehören
zu jenen Farbstoffen, die Ehslich basische Anilinfarbstoffe genannt hat und so
* Die Zweifel habe ich seitdem fallen lassen; nach emeaerter Darchsicht der Arbeiten
TOD Flbscb and seiner SchQlerinnen bin ich non überzeugt, dass Flesch’s und meine
eigenen Beobachtungen dasselbe betreffen, natürlich nur soweit es sich um die Spiualganglien-
xellen handelt.
Dig: ^od
Google
588
kann man dem beschriebenen Verhalten dadurch Ausdruck geben, dass man
sagt: bei den Spina^ngUenzellen ist die basische Substanz des Zellkerns haupt¬
sächlich im Nncleolus enthalten, das Kemgerüst dagegen, anders als in den
Kernen der meisten anderen Gewebszellen, entbehrt der basofilen Substanz voll¬
kommen und zeigt ausgesprochene acidofile Eigenschaften. Auf alle Fälle fehlt
im Kemgerüst jene Sustanz, die in anderen Kernen die dunkle Färbung des
Gerüstes mit „Kemfarbstoffen“ verursacht, nämlich das FLEBOONG’sche Chro¬
matm (M. Heidbnhaim’s Basidiromatin'), das wahrscheinlich identisch ist mit
Fb. Miesobsb’s Kucleln.
Diese bemerkenswerthe Thatsache, auf die ich in meiner Arbeit besonderes
Gewicht gelegt habe, bat bei allen neueren Forschem, die bei der Besprechung
der Spinalganglienzellen auch den Eem in den Kreis der Betrachtung ziehen,
gehörige Würdigung gefunden. So hat z. B. B. y Cajal^ die Kerne der Spinal-
ganglienzellen als Kerne charakterisirt, bei denen das ganze Chromatin im Kem-
körperchen vereint ist; tait Gehoohten^ sagt: „Le nuclöole est donc basophile
tandis que la partie oi^anisöe du caryoplasme se montre aoidophile.^* Dnd an
einer anderen Stelle heisst es von dem Chromatin des Kerns der Spinalganglien-
zellen, dass „au lieu d’etre röparüe dans toute Tötendue du röseau caryoplas-
matique, cette nuclöine s’est condensöe en un ftma« central pour continuer
le nuclöole: oelui-ci serait donc un nuclöole nuolöinien dans le sens de Cabnot.“
Leti^, der sich bei seinen TJntersuchungen hauptsächlich der Ebblioh-Biomdi’-
schen Färbung bedient hat, findet das Kemgerüst ebenfalls stets acidofil und
verlegt das Basichromatin der Spinalganglienzellen in die oberflächlichsten
Schichten des Nncleolus (s. weiter unten).
Herr Heihann glaubt nun, diese übereinstimmenden Angaben durch einige
hingeworfene Worte in einer Fassnote abthun zu können. „Dass das Kemgerüst
nicht, wie v. LenhossEe behauptet, acidophil ist, sondern sich auch mit
basischen Farben färbt, dürfte ein Blick auf meine Abbildungen beweisen.“ Was
zeigen uns nun die HEiMANN’schen Bilder? Sie zeigen, dass, wenn man den
Zellen ein Gemisch aus einem basischen und einem sauren Farbstoff oder beide
hintereinander darbietet, der Nucleolus immer die basische, das Kemgerüst
immer die saure Farbe an sich reisst, besonders anschaulich kommt dieser
Thatbestand zum Ausdruck m den Figg. 5, 6,18 und 25; sie zeigen weiterhin,
dass sich bei alleiniger Anwendung saurer Farbstoffe (Fi^. 7, 8, 9, Säurefuchsin,
Indulin, Chlorhydrinblau) das Kerngerüst ziemlich farbgierig verhält, sie zeigen
aber freilich auch, dass es manchmal auch durch sehr starke Anwendung eines
basischen Farbstoffes allein gelingt, dem Kemgerüst einen blassen Farbenton,
* M. Hbisbnhaix, Ueber £er& and Protoplasma. 1892. Festschrift für v. KÖlukb**
Leipzig.
* S. B. Y Cajal, Gstroctura del protoplasma nervioso. Bevista trimestral micrografioL
1896. Vol. I. S. 1.
’ A. VAK GaHDCHTBK, L^aDatomio fine de la cellale nerveose. Loovain. 1897. S. 30.
* Q. Lbvi, Sa alcone particolarita di strattara del oacleo delle cellale nervöse. BivUta
di patologia nervosa e mentale. 1896. Vol. L S. 141.
Dig :vod c/ Google
5S9
so zu sagen einen Hauch von Färbung aufzuzwingen. Wenn Herr HsiUANif
glaubt, durch den Hinweis auf die letztere Tbatsache unserer Auffassung den
Boden entziehen zu können, so befindet er sich im Irrthum. Ich glaube kaum,
dass es in thieriscben (rewebszellen, einschliesslich ihres Eems, irgend einen
Bestandtheil giebt, den man nicht, bei energischer Anwendungsweise, sowohl mit
einem sauren wie mit einem basischen Farbstoff färben könnte. Bei der gegen¬
wärtig üblichen Gebrauchsweise sollen die Bezeichnungen „basofil“ und „aci-
dofil“ auch nicht besagen, dass es absolut nicht, möglich sei, den betreffenden
Bestandtheilen aucdi mit einem sauren resp. basischen Anilinfarbstoff eine gewisse
Färbung zu verleihen, sondern nur soviel, dass die betreffenden Formelemente
1. aus Farbstoffgemischen und -Combinationen mit einer gewissen Constanz und
Lebhaftigkeit den einen oder anderen Farbstoff für sich auswählen und 2. dass
sie sich mit dem einen, z. B. dem basischen Farbstoff besonders leicht und
distinkt, mit dem anderen, z. B. dem sauren nur schwach und diffus darstellen
lassen. So gilt z. B. das Zellprotoplasma im Allgemeinen als acidofil und doch
erhalt man auch mit dem basischen Methylenblau ziemlich gute Zellfarbungen;
auf der anderen Seite ist das Eemchromatin (wenigstens das Basichromatin
M. Heidehhain’s) allgemein als Prototyp eines basofilen Zellbestandtheiles an¬
erkannt, und doch ist es bekanntermaassen auch dem einen oder anderen der
sauren Farbstoffe zugänglich. Oder hat etwa Herr Heimann schon die Wahr¬
nehmung gemacht, dass an mit sauren Theerfarben behandelten Präparaten die
chromatinreichen Zellkerne als ganz ungefärbte Löcher aus der Zelle hervor¬
treten? Frdlich ist mit dieser Anwendnngsweise der beiden Ausdrücke der
IJebelstand verknüpft, dass es dem subjectiven Ermessen anheim gestellt bleibt,
wo man die Grenze ziehen soll zwischen Basofilie und Acidofilie einerseits und
Amphofilie andererseits. Es werden sich hieraus wohl noch manche Differenzen
in der Litteratur, ähnlich der hier vorliegenden, e^eben; aber wenn man die
Namen Basofilie und Acidofilie ganz strenge auf eine exclusive Färbbarkeit mit
einer Farbstoffbase oder einem sauren Fartetoff beschränken wollte, so würde das
so ziemlilich einen Verzicht auf die Benutzung dieser bequemen und doch eine
gewisse charakteristische Eigenart anzeigenden Namen bedeuten. Wenn Herr
Heqcakn das Tigroid im Anschluss an Nissl^ und im Gegensatz zu Kosmos ‘
Ausführungen als amphofil bezeicbnet, so kann man ja ihm in so fern zu¬
stimmen, als sich dieser Bestandtheil der Nervenzellen in der That auffallend
leicht und scharf auch mit sauren- Farbstoffen hervorheben lässt, unbeschadet
seiner Vorliebe in erster Reihe für basische Farben; aber für das Eemgerüst der
Spinalganglienzellen trifft dies nicht zu, hier ist die Bezeichnung acidofil am
Platze und man kann die Begründung dazu der Arbeit Herrn Heihann’s selbst
entnehmen, indem darin an verschiedenen Stellen, besonders aber auf S. 321
hervorgehoben wird, dass „das Eemgerüst mit basischen Farben schlecht, mit
sauren sehr gut darstellbar“ ist.
* Fr. Ni88l, Ueber itosiR's neue Färbemethode des gesammten NerveDajatems und
deaaen Bemerkaogen Ober Ganglienzellen. Nenrolog. CentralbL 1894. S. 98 n. 141.
* H. Boaor, Entgegnung aof Nibsl’s Bemerkungen. Neorolog. Centralbl. 1894. S. 210.
■ Google
590
Stsasbubger^ hat vor einigen Jahren (1892] die Ansicht aufgestellt, dass
das Kemgerüst dann ein erythrofiles (acidofiles) Verhalten zeige, wenn dem be¬
treffenden Kern viel Cytoplasma als Nährmaterial zur Verfügung steht Diese
Ansicht ist aber von verschiedenen Seiten^ erfolgreich bekämpft worden, und
sie scheint mir auch für unsem Fall nicht die richtige Erklärung in sich zu
schliessen. Vielleicht etwas mehr Wahrscheinlichkeit darf die Hypothese für
sich beanspruchen, dass der merkwürdig acidofile Charakter des Kemgerüstes
bei den Nervenzellenkemen mit der Thatsache zusammenhängt, dass die Nerven¬
zellen vollkommen zur Buhe gelangte, niemals mehr einer Theilung unterliegende
Elemente darstellen.
Ich möchte hier noch die interessante Frage streifen, wie sich die Substanz
des Nucleolus zu dem echten Chromatin verhält R. t Cajal und mit ihm
Vait Gebüchten haben, wie wir hörten, das Kemkörperchen direct als ans
Chromatin bestehend hingestellt. Indessen giebt die Anwendung des Eb&lich-
BioNDi’schen Gemisches Resultate, die diese Annahme doch bedenklich erscheinen
lassen, zum mindesten ohne jeden Vorbehalt Man kann allerdings auch mit
dieser Methode Bilder erzielen, die sich als Stütze der CAjAL’schen Anpassung
verwertben lassen könnten, indem das Kernkörperchen dabei oft in der für das
basofile Chromatin charakteristischen leuchtend grünen Färbung erscheint. Ist
aber das Säurefuchsin des Dreifarbengemisches nur ein wenig stärker zur Wirk¬
samkeit gelangt — und dies entspricht dem gewöhnlichen Verhalten bei dem
typisch nach M. Heidenhain angeführten EHBLicH-BioNDi’schen Verfahren —
so erhält man ein anderes Bild. Zu dem Verständniss dieses Bildes muss ich
vorausschicken, dass beim Kaninchen und Meerschweinchen das Kemkörperchen
niemals ganz glatt contourirt erscheint, sondern stellenweise sanfte Höcker,
leichte Vorwölbungen erkennen lässt Nun zeigt sich bei der Dreifarbenmethode,
dass das grosse Kemkörperchen in seinem Haupttheile nicht die reine Methyl-
grün^bung aufweist^ sondern mehr einen bläulich-violetten, oft sogar rein rothen
Farbenton. Nur auf der Oberfläche des Nucleolus, entsprechend den eben er¬
wähnten Höckern, treten 1 bis 3 schollenformige kleine Substanzpartieen in die
Erscheinung, die die charakteristische Grünförbung, und zwar recht lebhaft,
zeigen. Manchmal hat es den Anschein, als lägen diese Schollen im Innereu
des Nucleolus, doch ist dieser Eindruck offenbar nur dadurch bedingt, dass das
Kernkörpercbon diejenige Stelle seiner Oberfläche dem Beobachter zuwendet, der
jene Schollen angehören. Die scharfe Abgrenzung der kleinen Schollen gegen
den übrigen Theil des Nucleolus ruft den Emdruck hervor, als gehörten die
Gebilde eigentlich gar nicht mehr zum Kemkörperchen, sondern seien ihm nur
angelagert, und dieser Eindmck wird dadurch noch gesteigert, dass die Schollen
manchmal vom Nucleolus ganz losgetrennt erscheinen, in welchem Falle sie jene
schon oben erwähnten, sich mit Toluidinblau, u. s. w. blau Erbenden kleineren,
* £. Stbabbitbqkb, Ueber das Verhalten des Pollens and die Befrachtangsvorgänge bei
den Gymnospermen. Histologische Beitrage. 1892. H. 4. S. 1.
* Vergl. A. Zi MiTBRMAw w, Die Morphologie nnd Physiologie des pflanzlichen Zellkernes.
1896. Jena. S. 35.
■' 'Google
591
selbständigen Körnchen bilden, die man ab und zu im Kerngeröst, neben dem
Nacleolus findet Jedenfalls sind die Gebilde in der überwiegenden Mehrzahl
so fest au den Nuclelous angelöthet, dass man sie unbedenklich in morphologischem
Sinne auch diesem zurechnen darf. Die geschilderten Verhältnisse sind zuerst
von Leti* beschrieben worden.*
Man kann ans diesen Beobachtungen also den 'Schluss ziehen, dass die
Basofilie des Nucleolus nur eine relative ist Während das wahre Basiohromatin
der umliegenden Bindegewebskeme das Methylgrön des EBBLicR-BiONUi’schen
Gemisches immer festhält, wird dieser Farbstofif im EemkÖrperchen leicht durch
das saure Rubin (Säurefuchsin) theilweise oder ganz verdrängt; nur die oberfläch¬
lichsten Theile des Nucleolus, in Form von kleinen Schollen, erweisen sich hierbei
als typisch basofil, als in ihren farberischen Eigenschaften mit dem Chromatin
völlig übereinstimmend. Malfatti* hat nacbgewiesen, dass mch reine Nudeln-
säure, die aus Hefe dargestellt ist, mit einem Gemisch von Methylgrün und
Säurefuchsin rein grün färbt, phosphorärmere Nuclelne dagegen eine bläulich¬
violette, bei grosser Phosphorarmut selbst rein rothe Färbung annehmeu. Diese
Befunde berechtigen zu der Annahme, dass der Nucleolus der Spinalganglien-
zellen aus einer Verbindung besteht, die dem Nuclein nahe steht, sich aber
davon durch geringeren Gehalt an Phosphor unterscheidet. Nur an der Ober¬
fläche des Nucleolus liegen kleine Partikelohen phosphorreichereo, typischen
Nucleins.
Ich gelange zum Schlüsse zur schwierigen Frage des Baues der Grund¬
substanz, d. h. des zwischen den Tigroidschollen gelegenen Protoplasmas der
Spinalganglienzellen, die Herr Heimann ebenfalls berührt, unter gegensätzlicher
&wähnung meiner Angaben. Ich habe die Frage schwierig genannt, obgleich
es nach den kurzgefassten, kategorischen Aeusserungen mancher jüngeren
Forscher im Sinne der Fibrillärstructur, auch des Herrn Heimadn, scheinen
sollte, als handelte es sich hier um die einfachste, handgreiflichste histologische
Thatsache, um eine Frage, die sich mit einigen Worten abthun lässt. Indessen
kann sich der mit der Frage auf Grund eigener Nachforschungen Vertraute des
Eindruckes kaum erwehren, dass diese von Sicherheit strotzenden kurzgefassten
Aussprüche mehr auf den suggestiven Einfluss der Stellungnahme des grossen
Kieler Histologen, als auf die handgreifliche Klarheit der eigenen Bilder zurück-
zufuhren ist Herr Heihaiw verräth sich in dieser Beziehung selbst, wenn er
trotz des Ansspruches auf S. 325 „Man sieht bei allen Färbungen, bei der
einen besser, bei der anderen schlechter, ein deutliches Faserwerk in der Zelle“
— in einem Nachwort doch noch mittheilt dass er nach Abschluss seiner Unter¬
suchungen, „um das Vorhandensein eines Fibrillenwerkes ganz deutlich, zu
’ O. I.AV 1 , Sa alcane particolarita o. s. w.
* Noch deo in aaserem Institute angestellten Untersacbangen tod Herrn Dr. Timofsbff
(Kasan) liegen auch io den Spinalganglienzellen der Vögel analoge Verhältnisse vor.
* H. J. Halfatti, Zur Chemie des Zellkerns. Bericht des natarwi88.-n)edic. Vereins zu
Innsbrnck. 1891/92. S. 16.
- i : , Googlc
592
zeigen*', sich der Mühe unterzogen hat, nach dem Vorgänge von Luoabo ein
Kaninchen mit Arsenik zn vergiften. So müssen also seine früheren Bilder
doch nicht so „ganz deutlich“ gewesen sein. Zu demselben Schlüsse, d. h. dass
hier eine der heikelsten histologischen Fragen vorliegt, muss man kommen,
wenn mau berücksichtigt, dass die Ansichten gewandter, in der Histologie
erfahrener Forscher über diesen Punkt noch sehr verschieden sind, und selbst
die Anhänger der Fibrillentheorie unter sich in sehr wesentlichen Punkten
differiren. So einfach also, wie es der Herr Verfasser hinstellt, kann die Sache
doch nicht liegen.
Was mich selbst betrifft, so habe ich mich seit meiner letzten Arbeit, die
vor mehr als zwei Jahren entstanden ist, dem Standpunkte Flemmino’s, den auch
Herr Hezhaiw theilt, wesentlich genähert, indem ich nun auf Grund eigener
Beobachtungen zugebe, dass es auch in den Spinalganglien der Sänger Zellen
giebt mit fibrillärer Differenzirung des Grundplasmas. Schon früher hatte leb
ja die fibrilläre Streifung des Aiencjlinders und des als „Ursprui^kegel“ be*
zeichneten Theiles der Spinalganglienzelle anerkannt. Meine Mnwände hatten
sich niemals gegen die Fibrillärtheorie im Allgemeinen gfewendet, sondern sieh
immer nur auf den speciellen Fall der Spinalganglien bezogen; sie waren darin
b^ründet, dass es mir trotz vielfacher darauf gerichteter, technischer Bemühungen
niemals gelungen war, ganz überzeugende Bilder im Sinne des Fibrillenbaues
zu erhalten. Erst vor anderthalb Jahren sollte dieses mein Postulat in Er¬
füllung gehen, als mir Herr Lugabo in Florenz einige seiner Spinalganglien¬
präparate freundlichst zur Ansicht überliess. Die Präparate stammten von einem
Hunde, der langsam mit Arsenik vergiftet worden war. In Folge der Ver¬
giftung war ein Zustand eingetreten, den Herr Luoabo „peripherische Chroma-
toljse“^ nennt, d. h. ein Schwand des Tigroids in den äusseren Lagen des
Zellkörpers. In Folge dieser Veränderung und begünstigt durch eine gelungene
Sublimatfixirung und progressive Hämatoxjlinfarbung trat in den meisten
grösseren Zellen in den peripheren Schichten der Zelle ausserordentlich deutlich
eine fibrilläre Structur zu Tage, bestehend aus dicht gelagerten, feinen, wellig,
aber nicht geknickt verlaufenden Fäserchen, die, unbeschadet eines im Ganzen
* S. darfiber E. Ldoabo’b Äafsatz: Solle alteraziooi degli elementi neiTosi oegli av*
veleoameDti per arseoico e per piombo. l^rista di patolog. oervoea e meotale. 1897. YoL H.
S. 49. — BezQgUch dea Wortes „Cbromatolyse”, das auch von französcheo ood belgisehea
Forschem mit Vorliebe beootzt wird, möchte ich mir erlaobeo, darauf i^fmerksam m
machen, dass das Wort seit läogerer Zeit (1885) schon för etwas anderes, nimlich för eine
von Flsmiiimo beschriebene charakteristische Degenerationsform des Zellkems in allgemeiner
Verwendung steht. Ueberdies könnte die von Looaro n. A. bevorzugte Benutzung des
Wortes zn dem Missverstandniss Veranlassung geben, als wäre das Tigroid mit dem Chromatin
des Kerns identisch, was ja bekanntlich niobt zntriSl. Ich meine daher, man sollte das
Wort durch ein anderes, vielleicht durch dasnnmiBSTerBtäDdlicbe„Tigrolyse“(„Tjgroid8ohwuDd*‘)
ersetzen. Die Einwände, die von Nissl (Die Hypothese der specifischen NervenzellenfnoctioD.
Zeitsebr. f. Psych. Bd. LIV. S. 91) kflrzlicb gegen das Wort „Tigroid“ erhoben worden
sind, scheinen mir nicht wesentlich zu sein und kommen nicht in Betracht g^enöber der
Tbatsacbe, dass wir unbedingt ein kurzes, bequemes Wort brauchen zur Bezeichnung dieser
für die Nervenzellen so ebarakteristUeben Substanz.
, ^.yGooglc
693
and Grossen conoentrisidien Yerlaofs sich auf dem Längenscbnitt reichlich zu
dorcliflediten, dort dag^en, wo das Messer ihren Verlauf quer getroffen hat,
mit onander in netzförmigem Zusammenhang zu stehen schienen. — Äehnlich
tiire Pnpan^ habe ich seitdem nur bei dem Frosche erhalten (mit der Eisen»
bamato^liii'Färbung); in den Spinalganglien von Säugern ist es mir nur ab
and in gelungen, den fibrillären Aiffbau an den Bandschichten sicher zu sehen;
das gewöhnlichste Bild bei den meisten Fizirungen und Färbungen ist das
enter Detzfönnigen Anordnung der Grundsubstanz, bald mehr, wie ich es früher
besdiiieben habe, mit körnigem, bald mehr mit faserigem Charakter der netz-
arogeo Zeichnung. Viel kommt hier jedenfalls auch auf den Fixirungszustand
der Zeüen an; ich glaube, dass der Nachweis der Fibrillen weniger eine Frage
der lürbong als eine Frage der Fizimng ist. Fest steht für mich so viel, dass
in dieser Angelegenheit das letzte Wort noch nicht gesprochen ist.
Zorn Schlüsse möchte ich ein Missrerständniss berichtigen. Auf S. 325
legt mir Herr Heimaxk die Behauptung in den Mund, dass „bei dickeren
Sefarntten durch üebereinanderli^en der Kömelung der Grundsubstanz ein.
filriUärer Bau rorgetäuscht werden könne“. Dieser Satz steht so fern von
Aüem, was ich jemals behauptet habe, dass selbst die Feststellung d^sen, welche
meiner Arbeit zu solchem MissTerständniss Anlass gegeben haben mochte,
em mehrmaliges genaues Durchlesen meines Aufsatzes erforderte. Der Leser
*iFd es kaum glauben, dass .es sich um eine irrthümliche Aosl^ng folgen¬
des, gewiss nicht unklaren Satzes handelt: „Hier kommt freilich ein der
^iiKren histologischen Forschung im Allgemeinen feindliches Moment in Be-
tmeht: die dilemmaartige Schwierigkeit, dass dicke Schnitte durch Ueberein-
mderh^mng vieler Schichten den Einblick in den feinsten Bau der Zelle ver-
Um, dünne Schnitte dagegen von Allem, was in der Zelle ist, nur Bruchstücke
Herr HRntAww kann meinen Aufsatz oder zumindest die betreffende
^lie Qor ganz flüchtig durcbgeleseu haben, sonst wäre ein solches Miss»
^er^dniss wohl kaum möglich.
[Aqs dem klinischen Laboratorium von Prof. L. 0. Dabkschewitsch.]
2. Zur Frage von den centralen Verbindungen der moto¬
rischen Hirnnerven.
[Vorläufige Mittheilung.]
Von sind. M. P. Bomanow.
Zq den noch wenig geklärten Fragen im Gebiete der Anatomie des cen-
Nnrensystems gehört die Frage von den centralen Verbindungen der
ttctnächen Himnerven. Um nun in einige von den dunkelsten Seiten dieser
38
D g ii.:od oy GoOg Ic
594
Frage Licht zu bringen, unternahm ich an Hunden eine Reihe von Versuchen,
welche darin bestanden, dass zunächst mittelst des faradischen Stroms das cor*
ticale Centrum dieses oder jenes Nerven bestimmt und sodann die Hirnrinde
an der betreffenden Stelle mechanisch — durch Auslöffeln — zerstört wurde.
Das Thier blieb nach der Operation 20—30 Tage am Leben, darauf wurde es
secirt, und das Gehirn wurde mit KASCHi’scher Flüssigkeit bearbeitet und in
einer ununterbrochenen Schnittreihe untersucht
Bisher bin ich zu einigen Schlüssen in Bezug auf die Nn. trigeminus,
facialis und hypoglossus gelangt, und erlaube mir, dieselben hier in aller Kürze
mitzutheilen.
\
/ \
Fig. I. Haod. Zerstört wird das cortioale
Centnun des N. trigeminiis. Färbang nach
MaacBi. Schnitt durch den Himschenkel.
I Bündel degenerirter Fasern des Hirn*
Schenkels, 3 Schleife.
Fig. II. Derselbe Versuch. Schnitt im Niveau
des oberen Endes vom motorischenTrigeminos*
kem. 1 Pyramide, 2 Bapbe, 3 dcgenerirte
Pyramidenfasern, welche die Bapne öbe^
söhreiten und zum Trigeminuskem der ent¬
gegengesetzten Seite ziehen, 4 degeoerirte
Pyramidenfasern, welche zum Trigeminuskem
derselben Seite gehen.
Sowohl bei der Auslöffelung des corticaleu Centrums des N. trigeminus, als
auch bei der Zerstörung der Centren des N. facialis und N. hypoglossus war in
der Pyramide der gleichnamigen Seite stets absteigende Degeneration zu beo¬
bachten. Die degenerirten Fasern sind in den Fällen mit Verletzung des
Facialiscentrums vorzugsweise in dem ventro - medialen Theile der Pyramide
localisirt (Fig. IV, 1), in den Fällen von Verletzung der Centra des N. trige¬
minus und des N. hypoglossus verbreiten sie sich über die ganze Fläche der
Pyramide (Fig. II, f; Fig. Ill, /; Fig-V, J), wobei die den Trigeminus be¬
treffenden Fälle mehr (Fig. II, f), die den Hypoglossus betreffenden weniger
(Fig. Y, 1) solcher Fasern aufweisen.
Im Niveau der Kerne eines jeden der untersuchten Nerven sieht man, wie
ans der degenerirten Pyramide in der Richtung zur Raphe degenerirte Fasern
ziehen, welche auch auf die entgegengesetzte Seite übergehen. In den Fällen
-.Google
595
von VerletzuDg des FacialisceDtnims kann man solche degenerative Fasern öfter
bis dicht zum Kerne verfolgen (Fig. IV, 4)^ während in den Fällen, wo die
Centren des lligeminus und Hypc^lossus beschädigt waren (Fig. III, 4\ Fig. V, ^),
ein solches Bild nicht zu sehen ist.
Fig. III. Derselbe Versach. Schnitt im Niveau dee unteren Endes vom moto¬
rischen Trigeminoskem. 1 Pyramide, 2 Baphe, 3 motorischer Trigeminuskem,
4 degenenrte Pyramidenfasem, welche an den Trigeminuskem herantreten.
Bei Verletzung des corticalen Centrums des N. hypoglossus ist die Kreuzung
der degenerirten I^ramidenfasem in der ganzen Ausdehnung der Kerne dieses
Nerven zu beobachten; oberhalb der Kerne dag^en beg^et man für gewöhn-
hch keinen solchen Fasern. Die degenerirten Fyramidenfasem, welche zum
Fig. IV. Hund. Zerstört wird das Facialiscentrum. Färbung nach Uabchi.
Schnitt im Niveau der Facialiskene. i P 3 rramide, 2 Baphe, 3 Faoialiskern,
4 degenerirte Pyramidenfasem, zur entgegengesetzten Seite ziehend, ö degenerirte
Pyramidenfasern, die zum Facialiskern der gleichen Seite ziehen.
Facialiskem ziehen, vollziehen ihre Kreuzung in der ganzen Ausdehnung der
Kerne dieses Nerven und auch oberhalb derselben, im Gebiet der oberen Oliven.
Was die Fjramidenfasem betrifRi, welche zum Trigeminuskern geben, so findet
ihre Kreuzung hauptsächlich weit oberhalb des oberen Endes der Kerne dieses
Nerven statt — im distalen Asbchnitt der unteren Gorp. quadrigemina. Im
38*
' ny
Googl
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— 596
Niveau des unteren Endes der Trigeminuskerne ist eine Kreuzung nicht mehr
zu sehen, man sieht nur Fasern in der Nähe des Kerns.
Bei Verletzung der corticalen Centra des N. trigeminus und des unteren
Facialiscentrums sind ausser den degenerirten Fyramidenfasem, welche zum
Kern der entgegengesetzten Seite ziehen, stets auch solche Fasern zu beobachten,
welche zum Kern der gleichnamigen Seite gehen (Fig. II, 4\ Fig. IV, ^).
In den Fällen, wo der Versuch vollkommen gelingt, sind auf den nach
Mabohi behandelten Schnitten alle Fasersysteme ausser den Pyramiden ge¬
wöhnlich vollkommen frei von degenerirten Fasern. Was die Pyramide selbst
betrifft, welche die degenerirten Fasern enthält, so sind da auch unter dem
'3
7. .. .• '
Fig. V. Buod. Zerstört wird das CeDtmm des N. hypoglossos. Färbang
nach Mabchi. l Pyramide, 2 Kapbe, 3 degenerirte PyramideofaserD,
welche zur entgegeDgesetzteD Seite zieben.
Niveau der Kerne des untersuchten Nerven immer degenerirte Fasern anzutreffen
(wenn auch in geringerer Zahl), und man kann sie bis ins Bückenmark hinein —
bis zum Seitenstrang der entg^engesetzten Seite — verfolgen. Es ergiebt sich
also, dass bei isolirter Läsion des corticalen Centrums irgmid eines Hirnnerven
stets auch irgend welche Fasern degeneriren, welche zum Bückenmark zieheiL
Somit weisen keineswegs alle diejenigen Pjramidenfasern, welche nach Verletzung
des Bindencentrums irgend eines Hirnnerven degeneriren, auf centrale Verbin¬
dungen dieses Nerven bin. Dieser TJmstand ist bei derartigen Experimenten
störend bei der genauen Localisation der gesuchten Bahnen im Gebiete des
Pedunculus und der inneren Kapsel: in beiden findet man solche Fasern dege*
nerirt, welche sicherlich in gar keinem Zusammenhang mit den Kernen des
untersuchten Nerven stehen. Da dem nun so ist, so haben wir gar keine An-
haltspunke, um zu entscheiden, welche von den degenerirten Fasern zum System
des untersuchten Nerven gehören, und welche ins Buckenmark verlaufen.
Eine ausführlichere Mittbeilung nebst Erörterung der Litteratur wird an
anderer Stelle erfolgen.
Google
597
3. Hystme bei einer Katze und einem Kanarienvogel.
Voo H. Higier (Warschau).
Dass die Mehrzahl organisoher Krankheiten, die beim Menschen Vorkommen^
auch bei den Thieren beobachtet werden, ist eine allbekannte, wiederholt con-
statirte Thatsache. Weniger bekannt ist es für funcUonelle Leiden, besonders
diejenige des Nervensystems (Neurosen), wo psychischen Momenten eine nicht
unbeträchtliche Rolle zukommt. So sind beispielsweise unsere Kenntnisse über
Hysterie bei Thieren ziemlich mangelhaft, wogegen wir über viele Tausende, die
llenschenhysterie betreffende Studien verfügen.
Die ausfährlichen, die Hysterie behandelnden Monograpbieen und Hand¬
bücher (Bbiquet, Chabcot, Richer, Jollt, Pitbes, Löwehfeld, Gilles
DE LA Toübette) lasscB die Frage der Thier-Hysterie entweder ganz unberührt,
oder begnügen sich mit dem Citiren der vereinzelten Beobachtungen Elbtti’s
[1853), Olveb’s (1878), Charcot’s (1878) und Abüch’s (1889), was um so
auffallender erscheinen muss bei der Hysterie, die, wie bekannt, die häufigste
Neurose des Menschengeschlechts darstellt
In Anbetracht dessen erlaube ich mir in Kürze über zwei Fälle von un¬
zweifelhafter Hysterie bei Hausthieren zu berichten, die ich längere Zeit zu
beobachten Gelegenheit hatte. Der eine Fall betraf eine Katze, der andere einen
Kanarienvogel.
Fall I. ^/^jähriges Kätzchen eines meiner Patienten, war stets gesund
und munter, spielte gern mit den Kindern, äusserte viel Intelligenz. Eines
Tages wurde es vom Hunde des Hauswächters überfallen und in den Rücken
tief gebissen. Auf Ort und Stelle soll die Katze wie gelähmt hiugestürzt sein,
mehrere Minuten jämmerlich miauend.
Das Kätzchen lernte ich erst 5—6 Wochen nach dem Unfälle kennen. Es
bewegte beim Laufen nur die vorderen Pfoten, den Rumpf und die Hinterpfoten
einfach nachschleppend. Die Hinterpfoten und etwa das hintere Drittel des
Rumpfes waren sowohl an der ventralen und dorsalen, als an den seitlichen
Flächen total anästhetisch. Auf tiefe Nadelstiche und heisse Uebergüsse re^irte
das Thier an den genannten Stellen kaum, indem es leise Berübrungeu der
vorderen Körperhälfte in dieser oder jener Weise stets beantwortete. Der Schweif
war ebenfalls gelähmt und konnte nicht die gute Läuue und Zufriedenheit seitens
der Katze in der üblichen Weise durch Wedeln geäussert werden. Muskel¬
schwund der hinteren Extremitäten liess sich beim Vergleich mit dem Emährungs-
znstand in den vorderen nicht feststellen. Auffallende Incontinenz der Blase
oder des Mastdarms bei der in Bezug auf diese Functionen gut dressirten Katze
waren nicht vorhanden.
Von den recto-vesicalen Störungen, die bei der Katze fehlten, abgesehen, •
machte das bloss am Hintertheile gelähmte Thierchen bei seinen Bewegungen
'ig t'/od
Google
598
durchaus den Eindruck derjenigen, in den physiologischen Laboratorien ge¬
legentlich zu beobachtenden Experimentthiere, die in Folge Bückenmarksdurcb-
schneidung künstlich paraplegisch gemacht werden.
Und in der That dachte ich anfänglich an eine traumatische Myelitis
dorsalis. Durch eine Zufälligkeit wurde jedoch nach wenigen Tagen meine
Diagnose corrigirt. Eines Mosens schleuderte das Dienstmädchen die Katze
vom ersten Stocke auf das Strassenpflaster, mit der naiven Absicht, zu sehen,
ob das gelähmte Thier in derselben Weise, wie es sonst bei Katzen der Fall
ist, beim Herunterfallen auf allen Vieren stehen bleiben wird. Und thatsächlich
blieb das überraschte Kätzchen in der gewünschten Weise stehen, lief sofort
davon, und wurde, gegen Erwartung, von ihrer, über 2 Monate dauernden sen-
sitivomotorischen Paraplegia posterior dauernd geheilt.
Dass sowohl das Zustandekommen der Lähmung als das Verschwinden der¬
selben auf psychischem Wege, durch intensive Affecte geschah, braucht in
unserem Falle kaum bewiesen zu werden. Für die hysterische Natur der Läh¬
mung spricht übrigens der foudroyante Beginn, die complete Lähmung der
motorischen und sensiblen Functionen bei erhaltener Blasenmastdarmfunction,
das unzweifelhaft plötzliche Zurücl^ehen der Lähmung, — kurzum ein Ver¬
halten, das man bei organischen Bückenmarksleiden kaum zu sehen bekommt
Anhangsweise sei noch über diesen Fall von traumatischer Neurose eine
nicht uninteressante anamnestische Thatsache erwähnt, die ich nur nach den
Angaben der Angehörigen anfübre, aber selbst nicht controlliren konnte, und
die einigermaassen zu Gunsten hereditärer neuropathiscber Prädisposition bei der
genannten Katze spricht. Ihre Mutter batte wiederholt in den letzten Wochen
der Gravidität an allgemeinen clonischen, ohne Trübung des Bewusstseins sich
abspielenden Zuckungen zu leiden (Chorea gravidarum?).
Fall IL Ganz analog war die Pathogenese in der zweiten Beobachtung,
die meinen eigenen Kanarienvogel betraf. Hier kam die Bolle des Stärkeren,
des Angreifers, der Katze zu.
Eine Katze, die sich ganz unbemerkt ins Zimmer hineingeschlichen hatte,
überfiel meinen Kanarienvogel, indem sie in einem Nu den Käfig von der
Wand herunterriss. Bevor sie jedoch den erschreckten Vogel anzugreifen Zeit
hatte, wurde ich durch den Fall des herabstörzenden Käfigs auf die tr^ische
Scene, die sich hinter mir abspielte, aufmerksam gemacht. Die Katze lief sofort
davon, ohne, was ich kategorisch betonen möchte, den Vogel verletzt oder ac^ar
berührt zu haben. Den Vc^el fand ich am Boden des Käfigs todtenstarr liegend
und nach wiederholten Bespritzen mit kaltem Wasser gelang es mir, Um ins
Leben zurückzurufen. Er wurde munter, ass gern und zeigte in seinem sonstigen
Verhalten keine nennenswerthe Abweichung von der Norm.
Eine schwere Schädigung blieb jedoch in der motorischen Sphäre nadi:
totale Stummheit (Aphonie) bei dem meisterhaft singenden Kanarienvogel. Die¬
selbe hielt über 673 Woche ununterbrochen an, um dann ganz unerwartet so
vemchwinden und dem wunderschönen Trillern des Artisten Platz zu maoto.
599
Von einem organischen Leiden ist auch in diesem Falle kaum die Rede.
Intensive psychische Anfr^i^, nachfolgende Bewusstlosigkeit, Verlost der
Phonation, plötzliches Zurückkehren der normalen Stimme, — alle diese Momente
machen die Annahme einer fiinctionellen Erkrankung, einer Neurose, sehr wahr¬
scheinlich. Der Schreck ist also als agent provocateur des nachfolgenden hyste¬
rischen Anfalls (Verlust des Bewusstseins, tonische Gontractur der Muskeln) und
des Mutismus oder Aphonie (wahrscheinlich Lähmung der Adductoren der Stimm¬
bänder) anfzufassen.
Die angeführten 2 Beobachtungen beweisen somit aufs Neue die a priori
wahrscheinliche Thatsache, dass bei mit Intelligenz blähten Thieren, ebenso
wie beim Menschen, psychische Eindrücke tiefgreifende Reaction auf die soma¬
tischen Functionen auszuüben und gelegentlich typische hysterische Symptomen-
complexe hervonurufen im Stande sind.
Da anal(^e, genauer beobachtete Fälle yon thierischer Hysterie, wie er¬
wähnt, nur sehr wenige in der medicinischen Litteratur veröffentlicht sind, so
erlaube ich mir in Kone diejenigen Beobachtungen zu citiren, die im grossen
Werke G-illes de la Toubbttb’s über Hysterie angeführt werden. Sie ge¬
hören sämmtlich einem mediolanischen Vetorinärarzte Abüoh der die Gelegen¬
heit hatte einmal die Autopsie auszuführeu, ohne irgend welche Anomalie im
Centralnervensystem nachweisen zu können.
a) 2V3jüluige intelligente Hündin, ln der Anamnese Erkrankung (nervöser
Natur?) in Folge des Verreisens ihres Herrn. Eines Tages erkrankte sie ziem¬
lich acut und schwer, als sie in den Händen der Hausfrau ihren Säugling sah.
Das Leiden äusserte sich in Dysphagie, Husten, Polyurie, Alteration der Stimme
und launenhafter Stimmung; später stellte sich complete Aphonie und sensitivo-
motorische, nicht atrophische Lähmung der Glieder ein. Die Obduction des
durch Darreichung von Strychnin getödteten Thieres eigab normales Verhalten
des Nervensystems.
b) llj^riger lustiger und intelligenter Hund. Nach einem Zomausbmch
seitens seines Herrn bekam er einen schweren Krampfanfall ohne Bewusstseins¬
verlost. Derselbe wiederholte sich dann jedes Mal, als der Herr von der Stadt
nach Hause kam und das Zimmer, wo der Hund sich befand, betrat
c) 2jähriger Dachshund. Anamnestisch ein vor einem Jahre geheilte Fara-
pl^e unbekannter Natur. Nachdem eine junge Hündin als Gesellschafterin für
ihn ins Haus gebracht wurde, verlor er allmählich seine Heiterkeit und Esslust.
Gleichzeitig stellten sich multiple Lähmungserscheinungen ein: Dysphagie,
Aenderung der Stimme, Faraplegie ohne Blasen-Mastdarmerscheinungen. Com¬
plete Heilung trat ziemlich rasch ein, als die zur Gesellschaftsleistung besorgte
Hündin vom Hause entfernt wurde.
‘ Revue scieotifique. 1889. Nr. 14. S. 443.
Dig V-/.OÖ Dy
Google
600
II. Aus den QeseUsohaften.
Berliner OesellBoliaft fOr Peyohiatrie und Nervenkrankheiten.
Sitzung vom 13. Juni 1898.
Jolly macht bezOglich des vonWestphal in der vorigen Sitzung vorgestellten
Falles von Tetanie die ergänzende Hittheilung, dass nach der ans der QeselUchafl
herausgegebenen Anregung versucht worden ist, die An^le bei der Patientin za
coupiren, dass dieser Versuch aber stets negativ ausfiel. Im Laufe der bis jetzt
verfiossenen Zeit haben sich die Anfälle fast ganz verloren. Nur einmal sei in der
Zwischenzeit wieder eine Erhöhung der Anfälle eingetreten. Diese Erhöhung der
Zahl der Anßlle war durch psychischen Shock vernrsacht Mit dem Nachlass der
Anfälle sei auch die erhöhte Muskelerregbarkeit in gleicher Weise zurQckgegangen.
Rosin; Zur Färbung und Histologie der Nervensellen.
Vortr. empfiehlt auf Grund gemachter Erfahrungen als allgemeine Härtnngä»
flflssigkeit fQr das Centralnervensystem eine 4*^/^ Formollösung zu gebrauchen. Die
mikroskopischen Schnitte, welche in dieser Weise vorgehärtet seien, könnten dann
den meisten Färbungsmetboden auch der NissTschen mit gleichem Erfolge unter¬
zogen werden, als wenn man sie zuerst manchen speciellen Färbungsmethoden als
Grundlage dienenden und empfohlenen Härtungsmetboden onterworfen hätte. Vortr.
demonstrirt alsdann Schnitte vom Bflckenmark, die mit Neutralroth gefärbt sind.
Das Neutralroth ist eiue Farbbase, welche eine Doppelfärbnng hervorrnft, indem alle
basophilen Gewebe sich roth und alle acidophilen sich-gelb färben. Nach Ansicht
des Vortragenden sei bei dieser Färbung der Zellleib besser gefärbt, als es mit der
Nissl’schen Methode geschehe; man kann ferner an den Präparaten erkennen, dass
der Zellleib in einer HDlle stecke, welche wahrscheinlich von einer dichteren Zone,
der die Zelle einschliessenden Gliaschicbt gebildet wird. Ausserdem zeigen sich di<
Protoplasroafortsätze auch von einer feinen Hölle umgeben, welche man aber veil
verfolgen kann. Die Bilder zeigen ferner aufs deutlichste, dass der Axencjlindei
keine Granula enthält, die sich im ZeUleib und in den Protoplasmafonsätzen roth
gefärbt und scharf conturirt darstellen. Die Färbungsflfissigkeit besteht in einer
concentrirten Lösung von Neutralroth, man kann mit dieser FlQssigkeit die Schnitt«
von 10 Minuten bis zu 24 Stunden förben, ohne dass eine Ueberfarbung eintritt;
bei kurz dauernder Färbung wird allerdings der Zellleib nicht so gut geerbt Nach
der Färbung werden die Schnitte iu Wasser ausgewaschen, so lange sie Farbstofl
abgeben; hierauf kommen sie in Alkohol, wo noch weiter Farbstoff abgeht und schlie»-'^-
lich werden sie nach Aufhellung in Xylol in Ganadabalsam eingescblosseu. Vortr.
stellt ausserdem Querschnitte aus dem Rückenmark des Kaninchen vor, in letzterem
kamen, wie mit Triacidlösung gefärbte Präparate erkennen lassen, besonders in der
Zone nach den Hinterhömem zu Ganglienzellen vor, die sich sowohl von den grossen
Zellen der Vorderhömer, als auch von den ganz kleinen der Hinterhömer unter-
scheiden, indem sich die Grundsubstanz dieser Nervenzellen dunkler färbt, und ihre
Fortsätze seien schmäler. Beim Menschen konnte Vortr. diese Zellen nicht finden.
Goldscheider. Die kleinen Zellen, welche Vortr. erwähnt hat, seien bei den
Untersuchungen, welche Flatau und er angestellt, auch Gegenstand der Frflfung
gewesen; aber bei der NissTscfaen Methode haben sich in diesen Zellen nicht sichere
Veränderungen nacbweisen lassen. Ob diese Zellen mit den pycnomorpheu Zellen
Nissl’s identisch sind, bezweifelt Verf. Die Ansicht, dass die verschiedene Färbung
der einzelnen Zellelemente bei Anwendung des Triacidgemiscbea einen Schluss auf
die saure oder basische Beschaffenheit des betreffenden Gewebes gestatte, erscheine
ihm noch nicht genügend bewiesen.
ig'Hrcd c/ Google
601
Kaplan bemerkt, dass im Laboratorium von Herzberge sehr viel mit Neutral«
roth gearbeitet worden ist Die damit gewonnenen Beeultate seien deshalb nicht
besonders erwähnt worden, weil Thionin dieselben Resultate ergeben, und dieser blaue
Farbstoff auf die Däner fflr das Auge wohlthätiger sei als der rothe. Die Präparate
mit Thionin und Nentralroth hätten sich bis jetzt 2 Jahre lang gehalten, ohne dass
eine Veränderung derselben eingetreten sei.
Trömmer hat gefunden, dass das Formol alle Gewebstheile ganz gut fixirt,
aber doch nicht so gut, wie die einzelnen für bestimmte Färbungsmethoden ausge*
wählten Fixirnngsmittel. Die Bilder, die man bei Formolhärtung speciell mit der
Nissl’schen Methode erhalte, sind nicht so scharf, wie nach reiner Alkoholhärtung.
Die vorzOglichen Bilder, welche man bei den electiven Färbungsmethoden erhalte,
basiren doch znm grossen Theil auf electiven Bärtungsmethoden. ^as die Anwen«
düng des Neutralroths anbetrifft, so hätte Becker schon vor 3 Jahren dasselbe vital
angewendet. Die Formolhärtung sei von Vortheil, wenn aus besonderen Umständen
die einzelnen Stäcke nicht in besondere FixirungsS&ssigkeiten gelegt werden können.
Bosin hat auch nur die Empfehlung des Formols in diesem Sinne gemeint;
man solle, jedenfalls das Formol vor der Mfiller'schen Flüssigkeit bevorzugen. Die
Angaben Kaplan’s stehen denjenigen von v. Lenbossdk gegenüber, welcher sieb
dahin änsserte, dass die Thioninpräparate sich nicht halten. Vortr. vertheidigt zum
Schluss die von Ehrlich zuerst aufgestellte Theorie der acido« und basophilen 6e«
webselemente.
Brasch: Tramnatisobe Hypoglossoalähmong. (Krankenvorstellnng.)
Der vorgestellte Fall betrifft einen 54jährigen Maurer, welcher vom Erdgeschoss
in den Keller gefallen war und zwar fiel er zuerst auf das Gesäss und stiess dann
noch mit dem Nacken gegen die Wand. Nach dem Sturz war Patient Va Stunde
bewusstlos, hatte Blut aus Nase, Mund und Ohren verloren und auch Erbrechen
gehabt. Bei der späteren Untersuchung hielt Pat die Zunge beständig nach rechts
gewendet und diese Drehung erschien zuerst als ein Spasmus, wozd noch kam, dass
sich bei weiterer Untersuchung auch noch andere hysterische Erscheinungen, z. B.
halbseitige Sensibilitätsstörung herausstellten. Der weitere Verlauf indessen hätte
ergeben, dass es sich um eine linksseitige Hypoglossuslähmung handele. Man siebt
fibrilläre Zuckungen in der Zunge, die gelähmte Seite ist atrophirt und stärker be«
legt; im Munde weicht die Zunge ein wenig nach links ab. Der Kranke trägt den
Kopf ein wenig nach rechts gewendet; von einer Lähmung des Accessorius ist in«
dessen nichts zu finden. Wenn überhaupt hier etwas Pathologisches bestehe, so
könne nur ein Krampf des Cucullaris vorhanden sein. Der electrische Befund, welcher
Herabsetzung der Erregbarkeit in diesem Muskel ergeben habe, sei allerdings eigen«
thümlicb. Indem Vortragender die meisten bis jetzt veröffentlichten Fälle von trau«
matischer Hypoglossuslähmung einer kritischen Besprechung unterwirft, wobei er
besonders das Zustandekommen der Lähmung in den einzelnen publicirten Fällen
näher beleuchtet, kommt er zu dem Schluss, dass es bei Luxationen und ähnlichen
Läsionen in den ersten beiden Halswirbeln sehr leicht zu Quetschungen des N. bypo«
glossus kommen kann, und dass in diesem und anderen Fallen möglicher Welse diese
caosale Ursache ohgewaltet hat; indessen sei auch die Annahme nicht zurfickzu-
weisen, dass hier eine Basisfraetnr die Ursache der Lähmung gewesen.
H. Krön stellt im Anschluss an den Vortrag ebenfalls einen Fall von perl«
pberisoher, traumatisoher Hypoglossuslähmang vor, der dadurch entstanden
ist, dass der Nerv bei einer grösseren Geschwulstoperation am Halse vor 8 Wochen
verletzt worden ist. Es besteht Atrophie der linken Zungenbälfte mit fibrillären
Zuckungen bei completer Entartongsreaction. Die Beschwerden sind jetzt gering,
die Sprache ist kaum merklich alterirt, nur das R macht Schwierigkeiten. Im An«
Google
602
fange wnrde die gelähmte Zangenhälfte häufig zerbissen. Die Zunge weicht beim
Herausstrechen mit der Spitze nach links ab. In der Hundhöhle zeigt sie keine
Lageverändeiung. An der Lähmung betbeiligen sich auch die stemalen Muskeln.
Der Fall bietet ferner eine Lähmung des äusseren Accessoriusastes der»
selben Seite dar. Der Stemocleido-mastoid., wie der CucuUaris ist gelähmt und
erheblich atrophirt. Beide Muskeln zeigen complete Entartungsreaction. Die Ver¬
änderungen sind die charakteristischen. Besonders bemerkenswerth ist aber, dass
trotz der yölligen atrophischen Lähmung auch des mittleren CucnUarisabschnittes
kein sogen. Mouvement de bascule (Schaukelstellui^^) der Scapula besteht. Beschwerden
werden theils durch Schmerzen in Folge Uerabhängens des Armes, tbeils durch die
Unfähigkeit, denselben auch nur bis zu einem Winkel von 45° eleviren zu können,
hervorgerufen.
Bemak bemerkt, dass das Verhalten der Zunge der von Brasch vot^estellten
Patientin nicht dem einer reinen Hemiatrophia lingnae entspricht Bei derselben ist
die Zunge passiv widerstandslos beweglich und wird dieselbe nach beiden Seiten frei
willkürlich bewegt Hier findet man aber bei Versuchen der Zunge gerade zu schieben
einen Widerstand und nimmt die gerade gestellte Zange nach einiger Zeit wie will¬
kürlich die gekrümmte Stellung wieder ein. Es ist dies ein Symptom des Hemi-
Spasmus linguae, welche auch durch die complicirende Hemianaesthesie wahrschein¬
lich ist Activ will aber der Kranke die Zunge gamicht deutlich bewegen können.
Wenn Entartungsreaction constatirt wäre, so liegt jedenfalls ausserdem eine hyste¬
rische Complication vor, und handelt es sich nicht um einen reinen Fall halbseitiger
Zungenlähmung.
In Bezug auf das acromiale von den Cervicalästen versorgte CucuUarisbündel,
durch dessen Verschonung bei Accessoriuslähmung die Drehstellung der Scapula aus¬
bleibt, haben die Ergebnisse von Schlodtmann und Sternberg diese vom Bedner
zuerst geäusserte Ansicht bestätigt.
Gumpertz erwähnt einen Fall, bei welchem neben Zungenlähmung auch eine
solche des M. orbicularis oris bestand.
Schuster fragt an, ob die Schiefstellung des Kopfes in dem von Brasch
vorgestellten Falle nicht schon vorher bestanden habe, wie man sie bei Lastträgern
öfters finde.
Bernhardt: Wie Herr Krön mitgetheilt habe, ist bei seinem Patienten der
ganze CucuUaris gelähmt; und dieser gelähmte Muskel zeigt überall Entartongs-
reaction; ferner sind die Zunge und die Stemalmuskeln auf einer Seite gelähmt,
letztere aber werden sicher von Cervicalästen innervirt; wenn nun doch die Schaukel¬
stellung der Scapula io diesem FaUe fehle, so scheine dies gegen die Annahme von
Bemak zu sprechen, dass die mittlere Portion des CucuUaris von solchen Aesten
versorgt werde.
Bemak: Um entscheiden zu können, ob der Kron’sche Fall seiner Ansicht
entspricht, dass die Drehstellung (Schaukelstellung) der Scapula nur eintritt, wenn
neben dem Accessorius auch die cervicalen Aeste des CucuUaris erkrankt wären,
müsste er den Fall genauer untersuchen. Aber auch ohne dies geht aus der l^ige
der kurzen Narbe vorn am Cucollarisrande in der Gegend des Accessorinseintrittes
mit Wahrscheinlichkeit hervor, dass die cervicalen Aeste nicht getroffen sein dürft«n,
deren motorischer Funkt für die faradische Beizung ca. 5 cm tiefer am vorderen
Cucullarisrand sich findet. Wenn diese Aeste nicht mit verletzt sind, so bleibt das
znm Acromion ziehende Bündel erhalten und fehlt die Drehstellung.
Gegen Herrn Bernhardt sei zu bemerken, dass eine Verletzung des N. des*
cendens hypoglossi und seiner Anastomosen nicht nothwendig eine gleichzeitige Ver¬
letzung der cervicalen Cucullarisäste der Lage der Narbe nach mit sich bringt
Krön: Aus der am Halse befindlichen Narbe könne noch nicht sicher ge¬
schlossen werden, wo das Messer in der Tiefe überaU hingekommen sei. Den Ein-
Google
603
wand Remak’s, dass der mittlere Abschnitt des Gocullaris functionire, weise er mit
B&cksicht anf die erhebliche Atrophie und die complete fintartungsreaction desselben
sowie auf das Pehlen jeder Bewegnngs&osserung im ganzen Cucollaris zurQck. Es
sei vielleicbt möglich, dass der Serratos durch verstärkte Innervation in solchen
Fällen dieses mouvement de bascule verhindern kann.
Ooldscheider: Die Cervicaläste können so weit vom liegen, wie Bernhardt
annehme; sie werden verletzt bei Schnitten, die am hinteren Rande des Sternocleido-
mastoideus gef&hrt werden.
Bernhardt erwidert, dass er keine Behauptung aufgestellt hat, sondern nur,
gestfitzt auf die vom Vortr. gegebene Darstellung, Fragen gestellt habe.
Remak: Die rein theoretisch begründete Ansicht des Vortr., dass die Li^e der
Narben für die Nervenverwundung gleichgültig wäre, ist durch zahlreiche thatsäch-
liche Beobachtungen über Operationsfälle längst widerlegt Redner hat schon 1887
(Berliner klln. Wocbenschr. S. 124) an von v. Langenbeck und v. Bardeleben
operirten Fällen gezeigt, dass die Schaukelstellung eingetreten war bei tiefer am
vorderen Rande des Cucullaris ausgeführten Operationen, bei welchen der Accessorius-
eintritt absichtlich vermieden war. Wie er 1892 (Ebenda. S. llld) noch weiter
ausgeführt hat, tritt die Deviation des Schulterblattes nicht ein bei reiner Accessorius-
Verletzung, sondern nur bei gleichzeitiger Läsion der tiefer in den Muskel eintretenden
Cervicaläste, welche gar nicht erst in den Accessorius gelangen. Nach der L^e der
Narbe und dem Habitus des Muskels glaube er an dem Kron’schen Falle annehmen
zu dürfen, dass die cervicale Innervation des acromialen Cucullarisbündels hier er¬
halten ist und sie auch die faradiscbe Untersnchung würde nachweisen lassen.
Brasch: Ob sein Pat. vor dem Unfälle den Kopf schief gehalten, sei ihm nicht
bekannt; er halte seinen Kranken auch heute noch für hysterisch, die Zangenlähmung
aber nicht für eine solche. Der Kranke konnte zuerst die Zunge ganz gut bewegen,
warum er es heute nicht thut, weise er nicht Jacobsohn (Berlin).
33. Versammlung des Vereins der Irrenärste Niedersaohsens und West¬
falens SU Hannover am 7. Uai 1808.
Vorsitzender: Gerstenberg.
Schriftführer: Snell II.
Vor der Tagesordnung stellt Bruns zunächst 2 Kinder mit cerebraler Kinder¬
lähmung vor. Das erste Kind — ein Mädchen von jetzt 3 Jahren — wurde normal
geboren, litt aber schon im 1. Lebensjahre an so schweren allgemeineu Krämpfen,
dass man oft für sein Leben fürchtete. Es besteht jetzt das Symptomenbild der
doppelseitigen Athetose. An den athetotischen Bewegungen nehmen Arme und
Beine, vor allen Hände und Füsse, der Rumpf, der Kopf und die Qesichtsmuskein
theil. Der Geslchtsausdruck ist besouders beim Lächeln sehr eigenthümlicb. In den
Extremitäten besteht ausserdem deutliche spastische Parese mit erhöhten Sehnen¬
reflexen. Da auch das Schlucken und Kauen erschwert ist, und das Kind, obgleich
es alles versteht, noch gamicht spricht, so gehört der Fall wohl zur pseudobulbär-
paralytischen Form der cerebralen Kinderlähmung (Oppenheim).
Im 2. Falle — öjäbriges Mädchen — handelte es sich um einen typischen
Fall von Hemichorea oder, wie Kussmaul dies sehr charakteristisch bezeichnet,
Hemiballismus. Auch hier kein Geburtstrauma. Im 2. Jahre linksseitige Con-
vulsionen — allmählich volle linksseitige Lähmung. Aus dieser entwickelte sich
ganz allmählich die linksseitige Hemichorea, die jetzt etwa sei einem Jahre besteht.
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604
An den Bewegungen sind das linke untere Gesiebt, der linke Arm und das Unke
Bein betbeiligt. Im Gesiebt handelt es sieb um einfache Znekangen. Der linke
Arm wird in cerebraler Contracturstellung vom Körper abducirt und dann mehrmals
hintereinander wild auf den Leib aufgeschlagen (Hemiballismus). Das linke Bein
wird beim Versuch zu gehen in ganz unregelmässiger Weise nach vom, hinten oder
nach der Seite geworfen, nach dem Aufsetzen gleich wieder gehoben u. s. w. Dennoch
ist das Gehen möglich. Die Bewegungen haben alle etwas heftiges, ruckartiges —
ganz anders wie bei der Sydenbam’schen Chorea; an den linken Fingern kommen
aber auch athetotische Bewegungen vor. Es besteht keine eigentliche Lähmung —
auch sind die Sehnenredexe links nicht erheblich gesteigert. Änsserdem besteht
links noch Strabismus convei^ens. Die Intelligenz ist nicht gestört, die Sprache gut
entwickelt; das Kind hat aber abwechselnd Perioden der Erregung, wo es den ganzen
Tag herumtanzt und schwatzt, und Perioden der Depression, wo es immer schläft
und kaum zur nöthigsten Nahrungsaufnahme wach gehalten werden kann. Diese
Fälle sind recht selten.
Änsserdem demonstrirt Bruns die anatomischen Präparate zweier Fälle von
Hirntumor, in denen beiden eine genaue Localdiagnose möglich war.
Im 1. Falle handelte es sich um einen Tumor des linken Stirnhirns. Von
October 1897 an allmählich zunehmende Benommenheit und Scblafsncht bei
sonst klarem Bewusstsein. Im November ganz leichte rechtsseitige Hemi*
parese — besonders in der rechten Hand —, nie eigentliche Lähmung, nie
Convulsionen, ab nnd zu rechts Achillesclonus. Dann Störungen der Sprache —
zuerst Paraphasie, zuletzt vollständige Sprachlosigkeit — bei vollem Verständniss der
Sprache und zunächst noch erhaltener Lesefähigkeit. Stauungspapille fehlt zunächst,
am 21. December ist sie links sehr stark mit Blutungen, rechts beginnend.
Am 30. December besteht links Ptosis und Abducenslähmung und auch
wohl Amblyopie, rechts ebenfalls Abducenslähmung. Die Benommenheit nahm
zu. Jetzt wurde die Diagnose eines Tumors des linken Stirnhirns mit
Sicherheit gestellt, der besonders nach der Basis zu wuchs (Augeumuskellähmung,
Verhältnisse des Opticusj. Gleichgewichtsstörungen waren nie deutlich
vorhanden. Der Vorschlag einer Operation wurde vom Ehemann nicht angenommen.
Tod Mitte Januar. Es fand sich ein Tumor — Sarcom — des linken Stirnbimes,
das beinahe an den Stirnpol reichte, die grösste Ausdehnung in der Mitte des
Stimhirns hatte und in das Mark der Centralwindungen nur als kleiner Zapfen unter
dem Ependym des Seitenventrikels bineinragte. Der Tumor war besonders nach der
Basis und nach aussen zu gewachsen — die medianen oberen Theile des Stim-
lappens und ihre Markfaserung waren nicht tangirt — vor allem auch nicht das
rechte Stimhim coroprimirt; dadurch ist vielleicht das Fehlen der Ataxie
zu erklären. Der Tumor war nicht scharf abgegrenzt und sass ganz suhcortical,
am nächsten der Binde an Basis und Insel; es war also sehr gQostig, dass der Gatte
die Operation verweigert hatte.
Im 2. Falle handelte es sich um einen Tumor im linken oberen Scheitellappen.
Beginn der Erkrankung im October 1696 mit psychischer Abgeschlagenheit; im
November 1896 Fall voti der Treppe auf die rechte Stirnseite und die rechte Hand.
Im Februar 1897 beiderseits beginnende Nenritis optica, im Ängnst 1898 rudimen-
tAre rechtsseitige Hemianopsie. Damals sab B. den Patienten zuerst; er fand ausser
dem schon BerQbrten: erstens Störungen in der Gebrauebsfähigkeit des rechten Armes
ohne jede Lähmung; später stellte sich deutliches Fehlen des stereognostischen Sinnes,
Herabsetzung des Muskelgef&hls and derTastlocalisation ein; Schmerz- nnd Temperatur-
gefhhl blieben erhalten; auch im rechten Beine Ataxie beim Kniehackenversuche, nie¬
mals deutliche Lähmung, ab und zu rechts Achillesclonns. Sprache: zunächst Yer*
ständniss erschwert, nie aufgehoben, aber besonders erschwert für Aofträge, die den
rechten Arm betrafen. Später Wortschatz sehr beschränkt, auch Paraphasie. Lesen
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605
lange möglich. Schreiben ?on Anfang an schlecht. Später complete rechtsseitige
Hemianopsie, keine hemianopische Pupillenstarre.
Während der ersten Jahre der Krkranknng nie Kopfschmerz, nie Er*
brechen; keine locale percatorische Schmerzhaftigkeit. Erst von Febrnar
1898 viel Kopfschmerz, ab und zn apoplectiforme An^e mit Erbrechen; dabei einmal
rechtsseitige totale Ptosis, die sich aber in 6 Stunden wieder verlor.
Aus den Symptomen hatte B. die Diagnose auf einen Tumor des linken
Farietalhimes gestellt; bei der Geringfägigkeit der Schmerzen und bei dem gleich*
zeitigen Eintreten der rechten Hemianopsie und der rechten Qefähisstörungen glaubte
er aber an einen central sitzenden Tumor in der Gegend des Corpus geniculatum
extemum und der hinteren Partie der inneren Kapsel; er dachte deshalb gamicht
an eine Operation. Bei der Section am 5. Mai 1898 fand sich ein von der Dura —
Innenseite — ausgegangener harter Tumor (Sarcom); er hatte eine Grube in dem
linken oberen Scheitellappen gedrückt und dabei auch die Binde hier zerstört;
Centralwindungen, Occipitälwindungen, Schläfenlappen, Gyrus supramarginalis und
angularis waren frei, al^r verdrängt, besonders das Occipitalhim. Der Tumor batte
die Dura nach aussen durchbohrt und den Knochen bis an die äussere Schale arrodirt.
Bemerkenswerth war hier jedenfalls die Geringfügigkeit der Schmerzen; in den letzten
Wochen hat B. allerdings auf percutorische Sebmenhaftigkeit nicht mehr untersucht.
Für eine Operation wäre der Fall sehr günstig gewesen. (Beide Fälle sollen aus*
führlich in d. Centralbl. veröffentlicht werden.)
Weber (Üechtspringe): 1. Ueber eisenhaltige Ganglienaellen.
Im Gehirn eines 6jährigen Knaben, der 1 Jahr lang an meuingitischen Er*
scbeinungen litt, ergab die Section multiple kleinste Erweichungsberde in allen
Tbeilen der Binde, hauptsächlich im Occipitalhim.
Bei der mikroskopischen Untersuchung fand sich productive Entzündung der
Gefösse in diesem Bereich, entzündliche Wucherung oder cjstäre Erweichung des
Bindengewebes, perivasculäre kleinste Blutungen und Blutreste in den Gewebsspalten.
Um erkrankte und blutende Capillaren der Binde fand sich regelmässig eine
Zone, in der die Ganglienzellen ihre normale Anordnung verloren batten, radiär den
Herd umstanden und in Form und Grösse, sowie tinctoriellem Verhalten verschieden
waren. Am ungefärbten Präparat waren sie farblos, aber von. starrem, etwas glän¬
zendem Aussehen, aufgetrieben, der Kern nicht sichtbar. Hit gewöhnlichen Häma*
toxylin färbten sich Leib und Ausläufer intensiv schwarz, wodurch sie gegenüber
dem übrigen Gewebe deutlich hervortraten. Der Kern Hess sich bei dieser Färbung
nicht mehr unterscheiden.
Mit Ferrocyankalinm-Salzsäore färbte sieb die ganze Zelle mit Ausläufern und
Kemstelle intensiv blan, bei etwas weniger starker Einwirkung lagerte sich der
blaue Farbstoff in Körnern im ganzen ZelÜeib ab. Es bandelte sich also einerseits
um einen Degenerationsprocess der Zelle, andererseits um einen Infiltrationsprocess,
wobei ein eisenhaltiger Bestandtheil des extravasirten Hämoglobins von der Zelle
aufgenommen und durch einen activen Process der Zelle soweit umgestaltet wurde,
bis er Eisenreaction gab. Diese active Tbätigkeit der absterbenden Zelle wird betont
im Gegensatz zu der Kalkimprägnation, die nur an abgestorbenen Zellen vor sich
geht. Nach dem Verhalten der Zellen gegenüber verschiedenen Reagentien scheint
es sich nm ein Eisenalbnminat zu handeln, das Vortr. als eine Vorstufe des Hämo*
siderins auffasst. Dafür spricht seine Farblosigkeit im ungefärbten Zustande und
sein eigenartiges Verhalten gegenüber Hämatoxylin.
Vortr. hat die gleiche Veränderung ein zweites Mal beobachtet in einer gelben
Erweichnng des Binterhauptlappens bei einem 70jähr. Individinm. Aus der Litteratur
ist kein Fall von eisenhaltigen Ganglienzellen bekannt.
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606
2. Herstellung makroskoplsoher Demonstrationspraparate des Central*
nervensyetems.
Yortr. demonstrirt Frontal-, Si^ttal« nnd Horizontalschnitte durch ganze Qehirne
und einzelne Hemisphären, welche die natürlichen Farbenonterschlede zeigen, topo¬
graphische Anordnung der grauen und weissen Substanz, den Verlauf der Haupt-
faserzflge, sowie in pathologischen Fällen, einzelne Erkrankungs-, Erweichungs-,
Blutungsherde deutlich erkennen lassen. Die Schnitte sind von 3—8 mm Dicke, in
Gelatine in flachen Glaskästen eingeschlossen; sie haben den Vorzug halb durchsichtig
zu sein nnd kännen bei Demonstrationen bequem herumgereicbt werden. Die Fiximog
der Gehirne geschieht in Eayserling’scher 'Flüssigkeit (Formol-Salzlösnng), die
Schnitte werden mit dem grossen Gehimmeeser hergestellt, indem man eine dickere
Himscheibe in den zur nacbherigen Aufnahme dienenden Glaskasten legt, nnd was
Über den Band absteht, abträgt.
Die Gelatine wird, um nachberiges Verdunsten von Wasser und Schrumpfen der
Präparate zu verhüten, in reinem Glycerin im Dampftopf gelüst, in die Glaskästen
eingegossen und dann unter Vermeidung von Luftblasen eine Glasscheibe als Deckel
aufgesetzt.
Die Glaskästen stellt Vortx. aus alten photographischen Platten her, denen
Streifen von gewübnlichem Glas als Bänder aufgesetzt werden.
(Eine genauere Beschreibung der Methode siebe in der Lähr’schen Zeitschrift.)
Otto Snell (Hildesheim): Ueber Hypothermie bei Oeisteskranken.
Subnormale Körpertemperaturen, auch solche unter 3ö sind bei geistig Gesunden
und bei Geisteskranken viel häufiger als man früher glaubte. Unter den Ursachen
der Hypothermie kommen bei Geisteskranken besonders drei in Betracht: directe
Wärmeentziehung, Herabsetzung des Stoffwechsels und unmittelbare Wirkung des
nervösen Centraloigans. Die Hypothermie durch Wärmeentziehung wird begünstigt
durch die bei Geisteskranken häufige Unempfindlichkeit gegen Kälte. Hier muss die
Aufmerksamkeit der Aerzte und des Pflegepersonals ersetzen, was die Stumpfheit der
Kranken versäumt. Die geringen Erniedrigungen der Körperwärme, welche bei
Melancholischen, StuporOsen und Blödsinnigen häufig sind, auch wenn die Kranken
dauernd in warmen turnen das Bett hüten, sind wohl durch eine Herabsetzung des
Stoffwechsels zu erklären. In einzelnen Fällen kommt es hier zu Temperatur¬
senkungen bis unter 34 ^ Am auffallendsten sind die Schwankungen der Körper¬
wärme bei Paralytikern. So häufig andere Gründe als Erklärung herangezogen
werden können, so bleiben doch Fälle übrig, in denen eine unmittelbare Einwirkung
des Gehirnes angenommen werden muss. — Es wurden zahlreiche Temperaturcurven
vorgelegt; eine von ihnen zeigte einen Wärmeabfall bis auf 25°.
An der Discussion betheiligten sich AU, Bruns und Snell I.
Bruns fragt an, ob auch in den Anstalten die aufger^e Form der Paralyse
gegenüber der langsam progressiven Demenz seltener geworden sei, er sehe in der
Praxis die paralytische Tobsucht sehr selten. Diese Frage wird von den ver¬
schiedensten Seiten bejaht; Alt führt das auf die frühere Intemirung dieser Kranken
und die bessere Behandlung zurück.
Bartels (Ballenstedt): Ueber die Axxfbahme von P 8 yohi 80 h-B:ranken in
offene Anstalten.
Eine scharfe Trennung zwischen Nervenkranken und Psychisch-Kranken ist nicht
zu machen, es giebt zahlreiche Uebergangszustände, wie die völlig anerkannten Be¬
zeichnungen Neuro-Psychosen oder Psycho-Neurosen zeigen. Dem entsprechend ist
es auch allmählich anerkannt worden, dass eine ganze Anzahl von leichteren Psychosen-
formen, besonders in den Anfangsstadien nicht nothwendig der Behandlung in der
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607
geseblosseneii Irrenanstalt bedarf, sondern in Nervenheilanstalten, in die sogenannten
offenen Anstalten anfgenommen werden kann. Voraossetzong ist dabei, dass der
Leiter derselben psychiatrisch vorgebildet ist, ausserdem ist zur erfolgreichen Behand¬
lung der verschiedenen Arten von Psychopathieen ein geeignetes Pflegepersonal noth-
wendig, da das vielfach äbliche Begleitenlassen der Patienten durch Angehörige nur
ein mangelhafter Notbbehelf ist und auch in kleinen Sanatorien der Arzt sich nicht
selbst und allein den einzelnen Patienten in Allem ausreichend widmen kann.
Es kommt nnn darauf an, bestimmte Grenzlinien zu ziehen und sich Aber die
Grundbedingungen zu einigen, unter denen Paychisch-Eranke in offene Anstalten auf-
genommen werden kOnnen. Einzelne derselben sind schon früher von Laebr,
Hecker u. A. gelegentlich angegeben. Wenn man einerseits das Wohl und Wehe
der unterzubringenden Psychisch-Kranken, andererseits das Interesse der Übrigen
nervenkranken Insassen der offenen Anstalten beräcksichtigt, so werden sich diejenigen
Patienten eignen, welche
1. Bewusstsein und Erkenntniss ihrer Krankheit haben,
2 . freiwillig kommen and bleiben,
3. den Ärztlichen Anordnungen nachzukommen bereit und im Stande sind,
4. keiner fortdauernden Beaufsichtigung bedürfen,
5. nicht selbstmordverdAchtig sind,
6 . im Zusammenleben mit Nervenkranken nicht stOrend sind.
Ein besonderes Gewicht ist auf die mittleren Bedingungen zu legen, nur unter
der Voraussetzung 2 und 3 ist eine erfolgreiche Behandlung in der offenen Anstalt
möglich, nur unter der Voraussetzung 4 und ö kann der Leiter der offenen Anstalt
sowohl den Kranken selbst als auch ihren Angehörigen gegenüber die Verantwortung
der Aufnahme übernehmen. Am entschiedensten ist die 5. Bedingung zu betonen,
wird diese streng inne gehalten und alle in dieser Richtung irgendwie verdächtigen
Fälle von vom herein abgelebnt, oder, sobald sich die geringste Gefahr zeigt, sofort
der geschlossenen Anstalt übei^eben, so lassen sich Suicidien in offenen Anstalten,
wenn auch nicht immer und mit absoluter Sicherheit, so doch so gut wie sicher
vermeiden, wie Vortr. in seiner eigenen Anstalt im Laufe einer Beihe von Jahren
gesehen bat. L. Bruns (Hannover).
XXiu. Wandervenammlong der südweatdentsohen Neurologen und Irren-
änte zu Baden-Baden am 21, und 22. Mai 1888.
(Sohloss.)
Prof. Dr. Fürstner (Strassburg): Ueber nervöse Symptome bei Urämie.
Vortr. giebt zunächst einen Ueberblick über die bisher bei Urämie beobachteten
nervösen Symptome, die Krampfanfälle, die meist den epileptischen Insulten gleich¬
gestellt würden, die Anfälle von halbseitigen Zuckungen als Jackson’sche Epilepsie
aofgefasst, endlich Convulsionen in einzelnen Mnskelgruppen bezw. Muskeln. Dem¬
gegenüber stehen als Herdsymptome: Zustände von Aphasie, Seelen- bezw. Binden¬
blindheit, Hemiplegieen, io einem Falle bestanden auf der einen Seite Zuckungen,
auf der anderen Lähmung. Dass letztere functioneller Natur sind, hält Vortr. noch
nicht für erwiesen, da mikroskopische Untersuchungen einschlägiger Fälle nicht vor¬
liegen nnd der makroskopische Befund allein nicht beweise. Wenig steht Über das
Verhalten der Pupillen fest, bald wird migegeben, sie seien auf der Höhe des An¬
falls weit, bald dass sie bei chronischer Urämie eng, bei acuter weit seien. Ueber
das Verhalten der Befleze liegt überhaupt kein Material vor. Vortr. erinnert daran,
dass die genannten Symptome durchaus gleichartig im Verlauf der progressiven
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608
Paralyse beobachtet würden (paralytische Anfalle), dass sie experimentell gewonnsn
seien. Bei Wiederholung der von Landois vorgenommenen Versuche (Aafstreuen
von Kreatin und Kreatinin, sowie anderer Stoffe auf die Hirnrinde, Bickel kam zn
gleichen Resultat bei Yerwendong von Galle) überzeugte sich Vortr., dass die vor
dem epileptischen Anfälle engen Pupillen sich ad maximum erweiterten, starr wardeo,
dass die Patellarreflexe anch nach dem Anhille Steigerung zeigten — mehr auf der
gekreuzten Seite —, während die Hautreflexe abgeschwächt waren. Vortr. bespricht
das Verhalten der Reflexe nach paralytischen Anfällen und berichtet dann über
zwei Fälle von Urämie bei Menschen, bei denen er das Verhalten der Pupillen und
Reflexe genau prüfen konnte.
l>er erste Fat. starb, nachdem einige Tage fast Anurie und Zeichen von Urämie
bestanden. 5 Monate vor der Aufnahme zwei schlagartige leichte An^le mit sich
zurückbildender rechtsseitiger Parese. Der stark saure, spärliche, eiweisshaltige Urin
war dadurch bemerkenswerth, dass er colossale Mengen Bacillus acrogenes lactia
enthielt (es bestand Nahrungsverweigerung, per Sonde wurde fast ausschliesslich Milch
eingeführt). Kurze Zuckungen im Gesicht, Singultus, Cheyne>Stoke’sche Athmung.
Pupillen allmählich enger werdend, schliesslich ad maximnm verengt, starr. Zu¬
nehmende colossale Steigerung aller Sehnenreflexe, links noch mehr als rechts. Ab-
Schwächung der Hautreflexe. Keine Trübung des Sensorinms. Exitus, ohne dass es
zu einem Krampfanfalle gekommen. Bei der Section ergaben sich zwei kleine un¬
bedeutende Herde im Stabkranz, ein weiterer im Pons. Degeneration der beiden
Pyramidenseitenstränge, der einen Pyramidenvorderstrangbahn. Nephritis. Atherom.
Im zweiten Falle Graviditätsurämie, am Tage vor der Entbindung leichter
Krampfanfall, an den beiden Tagen nach der ohne Kunsthülfe erfolgten Entbindung
wurde zunehmende Myosis, ungemeine Steigerang der Sebnenreflexe, Berabsetznng
der Hautreflexe beobachtet, dann erfolgte noch ein Krampfanfall, während desselben
Pupillen ad maximum erweitert, starr. Allmählich verengerteu sich die Pupillen
wieder, die Steigerung der Reflexe lässt sich immerhin in geringerem Grade als vor
dem Anfälle weiter constatiren. Genesung.
Vortr. resnmirt sich dahin, dass zu untersuchen sein wird, ob dies experimentell
und klinisch nachgewiesene Verhalten der Papillen und Reflexe allen Fällen von
Urämie zukommt, ob, wenn letztere einen hohen Grad erreicht, wenn namentlich
Krampfanfölle droben, die Papillen sich immer verengern, die Sehnenreflexe sich
steigern, die Hautreflexe sich mindern. Wenn dies znträfe, wäre das Verhalten der
Pupillen und Reflexe ein Wamungssignal, dass Anfalle drohen. Endlich hebt Vortr.
hervor, dass bei der Paralyse, bei den Versuchen von Landois, bei der Urämie
das auslösende Moment für die klinisch gleichen Symptome ein ganz verschiedenes
sei, dass aber dieselben Abschnitte nnd Bestandtheile das Centralnervensystema dabei
in Mitleidenschaft gezogen würden.
Geh. Rath Prof. Hitzig (Halle) demonstrirt zwei Röntgen-Photographieen,
die eine dicht neben der Falx ^tsende Bevolverkugel zeigen, welche seit
19 Jahren an dieser Stelle verweilt. Der Fat. kam wegen gehäufter Krampf¬
anfälle, die aber nicht durch die Kugel, sondern durch die Himnarbe bedingt
waren, zur Beobachtung.
Dr. Möbius (Leipzig) erläuterte den Satz; „Es ist Pflicht der Aerste, die
Gründung von NervenheUstätten zu fördern.“
Vortr. setzte auseinander, dass in absehbarer Zeit die private Wohlthätigkeit
unentbehrlich sei, da die Gründung von Nervenheilanstalten für Unbemittelte durch
die Behörden vorläufig nicht zu erwarten sei, die Anstalten sich selbst aber nicht
erhalten können. Aufgabe der Aerzte sei es daher, die betonte Wohlthätigkeit activ
zu machen.
Dig'H^cd Dy Google
609
AndererseitB sei die zweckmässige Sinriobtung der NerTenheUstäUen eine
Seche der ärztlichen Erfahrung. Besonders an die Eenntnine der Änstaltleiter sei
die Fordemng so steUes, dass sie geeignete Vorwdiläge maoben and bespredien,
damit die ersten Versnche so erfolgreich wie mliglich werden.
Prof. T. Monakow (Zürich): Ueber die FaserbeetttudtheiU der Bell-
strahlong und der retrolenüoulären inneren Kapsel.
Der Flechsig’sehen Lehre, dass das nntere and obere Scheitelläppehen, ferner
die Ocoipitotemporalwindong keine Faserantheile in die sagittalen Strehlongen des
Occipitallappens nnd in die retrolentienläie innere Eapsel entsenden nnd somit an
dw Stabkranzbiidnng nnbetiieüigt räid, trat der Vortr. schon Mher en^egen nnd
ist jetzt in der Lage, mittels der Methode des Stadiums der Markscheideneatwioke-
lang das Vorhandensein von Projectionsfasem sowohl im Scheitelläppchen, als im
Gyr. oocipitotemporalis oaohznwmsen. — Die Stabkranzbflndel des Qyr. angal. and
sapramargin. umhüllen sich mit Hark im 4. Lebensmonat. An Frontalscbnitten
dorch den Parietooccipitallappen eines Tiermonatlichen Kindergebims lässt sich ein
feiner Faserregen ans dem Mark des Gyr. angal. direct in die Sehstrahlang verfolgen
und den mehr caudal gelegenen Ebenen kommt ein Antheil von Projectionsfasem
aas dem Gyros oocipitotemporalis in die vratrale Etage des Sehstrahles zo. An einem
Mikrocephalengehira mit Ägenesie der meisten corticalen Assooiationsfasem liess sich
ein directer Uebergang von Faserfäden aas dem Gyrus angolaris in die Sehstrahlungen
erkennen.
An dem Gehirn eines neugeborenen Kindes konnte der Vortr. die Angabe von
Flechsig, dass die ersten stärker markhaltigen Badiärbündel sich im Mark der
hinteren Centralwindung zeigen, bestätigen, nicht aber die Flechsig’sche Annahme,
dass im Grosshimmark des Neugeborenen aasschliesslich Projection^asam (Sinnes*
leitangen) markreif sind nnd völlig isolirt vor Augen liegen.
Redner hebt weiter hervor, dass in einem Falle von auf das Polvinar und aof
den ventralen Sehhüg^kem beschränkten älteren Himblutnng sich die seenndäre
Degeneration mit Leichtigkeit in das Mark des Gyr. angolaris and die Sehstrahlungen
verfolgen Hess.
Ans diesen Untersuchnngen geht hervor, dass der ventrale Sehhflgelkera seine
cortieale Strahlong weit Über die hintere Centralwindung hinaus in die Binde des
unteren Scheitelläppchens entsendet, nnd dass die Projectionsfasem aus dem Polvinar
znm Theil in dm Gyr. angularis nnd in den Lobul. pariet. sap. sich ergiessen. Die
sagittale Hinterhaoptsstrahlang wächst von hinten nach vom sucoessive; sie nimmt
unter Anderen auch Faserantheile aus dem Gyr. occipitotemporalis und angolaris auf.
Die Sehstrahlnngsbündel aus den primären optischen Centren mischen sioh mit
Fasern anderer Ordnung, wie denn die Qualität weder im Stratom s^ttale ext. noch
int eine gleichartige ist.
Vortr. spricht ferner über einen Fall von Uikrooephalle mit Seotions^
befand.
2^/2 jähriges Mädchen, 4. Kind gesunder Eltern. Bei der Geburt fielen schon
der kleine Kopf nnd die Bew^ngsschwäche der Glieder auf (Beine und Arme meist
gestreckt!). Das Kind konnte nie sangen. Es schrie viel; Imnte weder stehen
noch sitzen. Hit 2^/4 Jahren ca. 5 kg schwer. Maximaler Kopfnmfang 38 cm; etwas
Spitzkopf, flinterko^ ganz öaeh, Stirn leidlich gewölbt, aber schmal: allgemeine
Glieder-, besonders Nackenstarre.
Fossclonns. Freibleibende Sensibilität Strabismus oonv. Aogenbewegungen
erhalten. Pupillen gleich, reagiren gut Lichtreize wirken nicht auf die Aufmerk¬
samkeit, wohl aber Töne.
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Das Haaptinteresse des Faltes liegt 1. in der Aufhebung der Saogf&bigkeit bei
SrhaltuDg der BewegungsAhigkeit sämmtUcher Gesicbtsmuskeln zu anderen Zwecken
(Weinen) bei Intactbeit der elektrischen Erregbarkeit der Saugmuskeln, bei intacter
Sensibilität und bei ziemlicher Unversehrtheit beider Facialiskeme. — Der Fall
spricht dafOr, dass zu einem erfolgreichen Saugen ein Minimum von corticalen Er*
regucgseinSQssen erforderlich und die Intactbeit der Facialis* und Oblongatakeme
f&r das Zustandekommen von fOr die Erregung genügenden Saugbewegungen nicht
ansreichend ist, 2. Zusammenfällen von Mikrogyrie mit ganz atypischen, aber mark*
haltigen Faserbündeln im Grosshim, ferner mit Heterotopie grauer Substanz im Gross*
him und in der Oblongata, 3. in dem nahezu isolirten Zurückbleiben der Frojections*
fiasem im Grosshim, wodurch der Nachweis von Stabkranzverbindungen auch aus
dem Parietal* und Occipitallappen ermöglicht wird.
Dr. Friedmann (Mannheim): Zur Lehre Ton der nicht eitrigen Enoe*
phalitis.
Die vorzu^weise nach lufluenza beobachteten Fälle der nicht eitrigen Ence¬
phalitis lassen sich in zwei Groppen eintheilen: Zur ersten gehören die meist ganz
stürmisch mit exquisit infectiösem Charakter und schwerem, früheinsetzendem Coma
verlaufenden Fälle, für welche sich durcbw^ frische und oft sehr ausgedehnte
himorrhagisob-entzOndliche Herde anatomisch ergeben haben. Zur zweiten Gruppe:
Bubacut mit geringem ^eber verlaufende Fälle ohne oder mit schwacher Bewusst¬
seinsstörung, aber charakteristisch langsamem Ansteigen und Verschwinden der
Herdsymptome. Für diese letzteren fehlte bisher ein Sectionsbefund. Der vom
Tortr. untersuchte Fall bot gleichzeitig eine abgelaufene Cyste und ein frisches
Aufflammen der Encephalitis an einem Pol der Cyste mit Durchbruch in den
linken Seitenventrikel. Bei einer 52jährigen Dame, die im Ganzen gesund war,
tritt anfangs December 1897 Erkältungsfieber ein (Grippe). 2 Wochen danach
Apathie und Krankheitsgefühl, 1 Woche weiter stellt sich langsam motorische Aphasie
und Schwäche des rechten Arms ein, dann Erbrechen, Schlaflosigkeit, Unruhe, beftign'
Kopfschmerz, die von da ab anhielten, bis 6 Wochen seit Beginn der nervösen Er¬
krankung, plötzlich Coma und schon am Nachmitt^ der Exitus eintrat Bei der
Section fand sich absolut keine Sklerose der Gefässe, auch keine Embolie, dagegm
neben sehr starkem Oedem im Gehirn eine wsllnnssgrosse Cyste entsprechend
der ersten Stimwindung innerhalb des Marks der linken Hemisphäre, welche von
einer glatten zarten Membran ansgekleidet, mit klarer tiefbemsteingelber Flüssigkeit
angefüllt war und nach rückwärts in das erweiterte Vorderhom überging. Hier
war die Substanz hellgrau röthlicb, weich und ohne Membran mit Blutaostritten auf
dem Durchschnitt Mikroskopisch zeigt sich die Cystenmembran ausschliesslich aus
grossen schönen anastomosirenden Zellen von Stemform mit eingelagerten runden
epitheloiden Elementen gebildet und gefässreicb. Die Zellen besitzen nicht selten
schöne mitotische Kerntheilungen, gegen den Innenraum der Cyste zu finden sich
rundliche Mikrokokken in kleinen Häufchen. Der erweichte frische Herd besteht
neben rein nekrotischen Partieen ans pflasterförmig dicht gelagerten grossen rund¬
lichen Zellen, die in mächtiger Proliferation b^riffen sind, reichliche Mitosen auf-
weisen (obwohl die Section erst 36 Stunden p. m. stattfand), beinahe die Hälfte
zwei- nnd vielkemig, die Kerne selbst meist ausnehmend gross und amöboid, von den
mannigfaltigsten und unr^elmässigsten Formen.
Eine centrale Blutung scheint den Ausgangspunkt des frischen Herdes darxn-
stellen.
Klinisch ist aus dieser Beobachtung zu ersehen, dass ein encephalitischer Herd
anf der einen Seite ausheilen kann, während er an anderer Stelle mit deletärem
Verlauf fortwuchert.
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Prof. Ad. StrOmpell (Erlangen); Uebar aouta und ohroniaohe Myelitis.
Das Vorkommen einer echten acuten primäreu Myelitis transversa kann nach
aahlreichen sicheren Beobachtnngen nicht bezweifelt werden, lieber die Aetiologie
dieser Erkrankung ist aber bisher nichts Sicheres bekannt, obwohl man schon lange
einen endogenen, infectiösen Ursprung der acuten Myelitis annehmen musste. Eine
vom Tortr. gemachte Beobachtung ist geeignet, dieser Anschauung zum ersten Mal
eine feste Stütze zu geben.
Ein 16jähriges Dienstm&dcben B. H. erkrankte am 19. November 1897 an
einem Panaritium am rechten Zeigefinger, welches am 24. November auf der
chirurgischen Poliklinik incidirt wurde. Bald danach bekam Pat sehr heftige
Ereuzscbmerzen, die in die Beine ausstrahlten. Sie konnte vor Schmerzen kaum
liegen und stehen. Trotzdem kam sie am 27. November noch zu Fass in die
medicinische Klinik. Nach wenigen Tagen waren die Patellarrefleze verschwunden,
Par^e der Beine, Sensibilitatsstörungen und Betentio urinae stellten sich ein und
schon am 1. December konnten eine totale schlaffe Paraplegie der Beine, Fehlen
der Patellarreflexe und sehr beträchtliche Sensibilitätsstörungen constatirt werden.
Die Kreuzschmerzen und die Schmerzen bei jedem Versuch die Kranke im Bett
aofznrichten hielten an. Die Anästhesie der Beine ward schliesslich so vollständig,
dass an der Diagnose „Myelitis acuta transversa" nicht mehr gezweifelt werden
konnte.
Am 3. December wurde eine Lumbalpunktion vorgenommen. Durch dieselbe
entleerten sich mehrere Tropfen einer dicken fadenzieheuden, hämorrhagisch-
eitrigen Flüssigkeit In einem mit Löfflers Methylenblau gefärbten Deckglas¬
präparat fanden sich neben den Leukocyten in grosser Menge Staphylokokken.
Am 16. Februar 1898 starb die Kranke. Die Section ergab starke Ver¬
wachsungen und entzündliche Auflagernngen an der Aussenfläche der Dura mater
spinalis, etwa von der Höbe des 9. Brustnerven an abwärts; die Innenfläche der
Dora war glatt und normal. In der Höhe der Austrittsstelle vom 9. und 10. Brust¬
nerven ist das Bückenmark cs. 2—2^/2Cm lang weich und eingesunken. Beim Bin-
scbneiden entleert sich hier eine milchige Flüssigkeit, die mikroskopisch fast nur
ans QDzähÜgen Fettkörnchenkugeln, wenigen Myelinschollen besteht.
Die mikroskopische Untersuchung des gehärteten Präparates ei^ab die gewöhn¬
lichen Veränderungen der acuten Myelitis nebst anf- und absteigenden secundären
Degenerationen. Auf den nach der Gramm’schen Methode gefärbten Schnitten durch
den myelitischen Herd konnten Staphylokokken nicht mehr nachgewiesen werden, ein
Befund, der nicht auffallend ist, wenn man bedenkt, dass zwischen der primären ln-
fection ond dem tödtlichen Ausgange der Krankheit über Monate vergangen
waren.
Die in diesem Falle zur Zeit der frischen acnten Erkrankung mittelst Lumbal-
ponction entleerte eitrige Flüssigkeit stammte nach dem Ergebniss der Section wohl
kaum ans dem Duralsack, sondern aus dem Baum zwischen äusserer Durafläche und
Wirbelgerüst, da, wo sich später die dentlichen Besiduen der Pachymeningitis externa
fanden. Dass letztere dorcb den Staphylococcus bedingt war, kann kaum einem
Zweifel unterliegen. In dem myelitischen Herd selbst wurden später keine
Staphylokokken mehr gefunden, was aber nicht gegen die ursprüngliche infectiöse
Sotstehong desselben spricht An das Panaritium einer Staphylokokkenerkrankung
schloss sich zuerst offenbar die eitrige, umschriebene Pachymeningitis spinalis
externa an, klinisch deutlich charakterisirt durch die anzüglichen äusserst heftigen
Krenzscbmerzen. Der myelitische Herd, die eigentliche Hauptkrankheit und Todes¬
ursache entstand, wie Vortr. annimmt, durch Verschleppung der Krankheitserreger im
Rückenmark auf dem Wege der Lymphbahnen, ähnlich wie bei der Entstehung
eines Bflckenroarkstuberkels nach Tuberkulose an der Auasenfläche der Dura mater
ohne jedes oontinnirliche Ergriffensein der Dura-Innenfläche.
39 *
L'
Google
612
Was die chronische Myelitis transversa betrifft, so ist nach des Vorlr.
Ansicht die ganze Pathologie dieser Krankheit noch eine sehr nnsichere. Vori selbst
hat noch niemals einen völlig reinen Fall von einfach entzQndlicher, echter, chro¬
nischer Querschnittsmjelitis pathologisch-anatomisch beobachtet Die klinisch
beobachteten Paraplegien, die als chronische Qaerschnittsmyelitis angedentet werden,
stellen sich bei weiterer Beobachtung und bei der Section fast immer als etwas
Anderes heraus. In vielen derselben eigiebt die Anamnese einen acuten Anfang
der Paraplegie; dann handelt es sich aber nicht um chronische Myelitis, sondern
um den stationären Au^ang einer acuten Myelitis. Ändere Fälle bemhen auf
Syphilis, so insbesondere die bekannten Dorsalmyelitiden mit den Symptomen
einer spastischen Spinalparalyse, ln anderen Fällen stellt sich schliesslich ein Tumor
heraus u. s. w. Kurzum bei keinem anderen klinischen spinalen Krankheitsbild ist
gegenwärtig die sichere Diagnose so schwierig, als bei einer sich langsam entwickelten
Paraple^e, die nicht ohne Weiteres auf eine der gewöhnlichen Ursachen (Wirbel*
caries n. s. w.) znrOckgeführt werden kann. Einen derartigen Fall von langsam ent¬
standener Paraplegie beobachtete Vortr. bei einer 32jährigen Fran. Im October 1897
bemerkte Patientin Schwäche und pelziges Gefhhl in den Beinen. Langsam nahmeo
die Erscheintmgen zu. Bis zum Anfang März 1898 hatte sich eine au^esprochene
spastische Paraplegie der Beine mit deutlichen Sensibilitätsstörungon entwickelt
Dann nahmen die vorher gesteigerten Sehnenreflexe rasch ab und aus der spastischen
Paraplegie entwickelte sich eine schlaffe Lähmung der Beine. Betentio urinae.
Decubitus. Arme völlig normal. Am 6. April 1898 trat der Tod ein. Vortr. hatte
eine intramacnläre Neubildung (Gliom) vermuthet, statt dessen eigab die Section,
und insbesondere die mikroskopische Untersuchung des Bflckenmarks den ganz
unerwarteten Befund einer eigenthömlichen combinirten Strangerkrankung in
den Hinter- und Seitensträngw durchs ganze Bückenmark hindurch (Demonstration
der Präparate).
Prof. A. Strümpell (Erlangen): Demonstration des Unterkiefers nnd des
Gebima einer an Akromegalie werstorbenen Patientin.
Die Präparate verdankt Vortr. der Freundlichkeit des Herrn Colinen Wehmann
in Vegesack, der die Kranke behandelt bat. Die ungewöhnlichen Dimensionen des
Unterkiefers fallen namentlich beim Vergleich mit einem normalen Unterkiefer auf.
Es fand sich ein grosser Hypophysistumor, der nach oben die Gehimbasis stark
comprimirt, nach unten auf den Keilbeinkörper fibeigegriffen hatte. Es handelte
sich um ein Sarcom.
In der zweiten Sitzung, welche Prof. Dr. Strümpell leitete, und in d«
Prof. Gruetzuer (Tübingen) zum internationalen Physiologen-Cougress für
den 28. August 1898 nach Cambridge einlad, wurden folgende Vortr^e gehalten:
Dr. Gerhardt (Strassburg i./E.): Ueber das Verhalten der Beflexe bei
Büokenmarksläaionen.
Zahlreiche Beobachtungen haben erwiesen, dass beim Menschen nach hochsitaenden
totalen Durchtrennungen des Bückenmarks und bei intactem Reflexbogen die Sehnen¬
reflexe an den unteren Extremitäten in der Regel verloren gehen.
Für die Hautreflexe, für die anfönglich dasselbe behauptet worden war, laotm
die Angaben jetzt verschieden, eie können gleichfalls fehlen, können aber auch tf-
halten bleiben. Vortr. berichtet Über drei Fälle, bei denen sie exquiÄte Steigerung
zeigten.
Bezüglich der Sehnenreflexe ist die Frage noch offen, ob ihr Verschwinden
nothwendige Folge der Rückenmarksdurchtrennung ist, oder ob sie nur durch Hit-
..Google
61S
virkeo i^end welcher andere Momente unterdrbckt werden. FCr letztere Möglichkeit
spricht jedenfalls ein Fall, den Senator kflnlich mittheilte; hier blieben eie bis
zna Tod bestehen. Vortr. selbst berichtet Ober eine Beobachtung der Strassbnrger
Klinik; die KniesehnenreSexe fehlten zwar, aber von den Sehnen des Gracilis und
Sartorius, sowie des Tibialis anticus liessen sich sichere Befiexzuckungen dieser
Maskein auslösen.
SchlieesUch zeigen einige Hittheilangen aus der Litterstnr, sowie zwei vom
Tortr. beobachtete Fälle, dass auch bei partieller Läsion des Marks — bei intaetem
Beflexbogen — die Sehnenreflexe fehlen können.
Vortr. glaubt deshalb, sich den diagnostischen Schlussfolgerungen anderer Autoren
(besonders Bastian, Bruns, Kocher) nicht anschliessen zu können, dass
Dämlich Fehlen der Sehnenreflexe als sicheres Zeichen för totale, ihr
Brhaltensein fflr nur theilweise Läsion des Rtlckenmarks zu ver-
werthen sei.
Docent Dr. Buchholz (Marburg) berichtet Ober einen jugendlichen Kranken,
welcher eine Beihe von Erankheitserscheinungen der multiplen SUeroee dargeboten
hatte. Es fand sich unter Anderem: Intentionstremor, starke Steigerung der Reflexe,
Robertson’sches Phänomen; Opticosatrophie, Sprachstörung, psychische Störungen.
Oie üntersucnnng des Centralnerrensystems ergab Gummata in den Hoden, Vermehrung
des periostalen Bindegewebes, Hydrops mening., Bpendyrngranulationen in den erwei¬
terten Ventrikeln; ein Gumma im Gehirn, welches mit seiner Oberfläche in einen grossen,
fast den ganzen rechten Schläfenlappen erf&llenden nengebildeten Hohlraum bineinragte.
Von dem Unterhorn des SeitenTentrikels war daher dieser pathologische Hoblraum
äberall durch ein Septum noch erhaltenen Gewebes getrennt. An den Gelassen end«
und peri-arteriitische Veränderungen, Meningitis spinalis ohne directes Uebergreifen
des Entz&ndungsprocesses auf das Rückenmark. Starke Wucherung des peripheren
Gliasaums des Rückenmarks, welcher als breiter Ring das Mark umgiebt. Diffuse
Degenerationsprocesse im Mark, daneben herdartige Erkrankungen. Diese Herde be¬
stehen aus colossal geschwollenen Axencylindem; eine nennenswerthe Vermehrung
der Neuroglia ist in den Herden nicht erkennbar. Im Gehirn Anden sich neben
der schon erwähnten grossen Höhle eine Reihe kleinerer Höhlen und Herde. Es
Hesse sieh durch Vergleich einer grösseren Reihe von Präparaten feststellen, dass
di^ Hohlen ans den herdartigen Erkrankungen hervorgegangen sind. Daneben be¬
steht eine diffuse Erkrankung der Rinde, die znm Untergang der nervöseu Elemente
bezw. Wucherung der Qlia geführt hat.
Vortr. glaubt alle diese Veränderungen auf die Syphilis zurückführeu und somit
diesen Fall von der mnltiplen Sklerose vollkommen trennen zu müssen. Er macht
nun Schlosse anf die Aebnlichkeit dieses Falles mit den von Kocher, Gräf und
Schnitze veröffentlichten Beobachtongen einer Combination der multiplen Sklerose
mit der Dementia paralytica aufmerksam.
Docent Dr. Missl (Heidelbei^): Bindenbefande bei Vergiftungen.
Die Untersuchungen des Vortr. erstreckten sich in den beiden letzten Jahren
auf die Nervenzellen der Kaninchenrinde. Zu Vergiftungsversuchen wurden ge¬
nommen: Alkohol, Morphium, Snlfonal, Trional, Bromkali, Chloralbydrat und
Hicotin. Die Vergiftungsart war die subacnte maximale Veigiftnog. Vortr. weist
auf die histopathologische Wichtigkeit seiner bisherigen Rindenbefunde hin: die
Bareficirung der Kemsubstanzen u. s. w.; doch will er sich bei der Kürze der Zeit
nur auf eine allgemeine Frage beschränken. Bei snbacutor maximaler Vergiftung
verändert jedes Gift die Nervenzellen der Rinde in speciflscher Weise, dagegen
kooote Vortr. nicht einmal bei solchen Paralytikern, deren Krankheit ziemlich gleich-
arttg verlief, specifiscbe Cortexzellenveränderungen feststellen.
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614
Vortr. bespricht nun die von ihm als acute Erkrankung der menschlichen Cortex*
zellen bezeichneten Veränderungen, betont, dass hierbei die ganze Zelle, vor Allem
aber auch die nicht förbbare Substanz in Mitleidenschaft gezogen ist und beim Anf-
treten dieser Erkrankung stets alle Zellen der Binde betroffen werden. Aus der
Thatsache, dass sich diese Zellerkrankung nicht nur bei den verschiedensten Geistes*
krankheiten, sondern auch bei zahlreichen, nicht geisteskranken Menschen nach*
weisen lässt, ergiebt sich die Folgerung, dass es nicht erlaubt ist, aus der
Feststellung von Nervenzellveränderongen in der menschlichen Binde
auf klinische Krankheitsbilder Schlüsse zu ziehen. — Vortr. weist auf die
bekannten Versuche von Goldscheider und Flatau hin, die zu demselben Resultate
gekommen sind, auf andere Experimente, z. B. Compression der Bauchdecke, die alle
zu dem Schlüsse führen, dass die in Folge verschiedener experimentell gesetzter
Schädigungen nachweisbaren Nervenzellveränderungen in erster Linie sicher uicbt
der Ausdmck für die functionellen Störungen sein können, die durch die Schädi¬
gungen herbeigeführt wnrden, sowie in erster Linie eine andere Bedeutung haben.
Da aber der subacute, maximale Giftversuch zeigt, dass zwischen dem einzelnen Gift
und der Nervenzelle unzweifelhaft directe unmittelbare Beziehungen vorhanden sind,
so können diese, wenn sie in erster Linie functioneller Natur sind, nur chemischer
und physikalischer Natur sein. — Seine Methode sei, wie er gegenüber Gold*
Scheider und Flatau behauptet, dafür nicht verantwortlich zu machen.
Durch die neueren Forschungen von Apathy, Botho und Held sei der ft-
weis erbracht worden, dass die Neuronenlehre durch und durch falsch ist.
Das Centralorgan besteht aus Nervenzellen und einer specifisch nervösen SobstsDi,
der fibrillären Substanz, die Vortr. als ein specifisch modificirtes Pro¬
toplasma auffasst, als eine lebende Substanz, die dem Nervenzellkörper
gegenüber eine erhebliche Selbständigkeit besitzen muss und sich auch
räumlich zu einem grossen Theile ausserhalb der Nervenzelle ent¬
wickelt. — Sie scheint der Träger der nervösen Function zu sein. Durch
Bethe’s ganz unvergleichliche Methode ist die Frage der ungeübten Substanz im
Sinne des Vortragenden (AUg. Zeitschr. f. Psych. Bd. LIV) zum Abschluss gebracht
Damit ist der Forschung eine neue grosse Aufgabe erwachsen, nämlich auch für die
Wirbelthiere das anatomische Verhalten der fibrillären Substanz ausserhalb der Nerven¬
zellen zu erkennen. Wenn auch die histopathologischen Erfahrungen beweisen, da«
die Nervenzellen nur in so weit mit der nervösen Function zo thun haben, als sie
in sich nervös functionirende Substanz enthalten, bleibt doch nach wie vor der
Gattungsbegriff der Nervenzelle unberührt. Mit der Neuronentheorie ßllt
selbstredend auch die Hypothese der specifischen Nervenzellenfnnction im Sinne des
Vortragenden. Aber der Begriff der specifischen Nervenzelienfunction verschwindet
deshalb keineswegs; er verschiebt sich nnr und wird nun eine andere Bedeutung
erhalten.
Dr. Bethe (Strassburg i. E.); Das Verhalten der PrimitivflbriUen in den
Qangliensellen des Menschen und bei Degenerationen in peripheren
Nerven.
Die individuellen Fibrillen von Nervenfasern und Ganglienzellen, die Vortr. nach
Apathy bei wirbellosen Thieren und Fröschen nachweisen konnte, hat er jetzt auch
bei Säugethieren und Menschen dargestellt. — Die Fibrillen bilden hier aber nicht
Netzwerke, sondern durchziehen Vorderhom* und Hinterhompyramidenzellen, indem
sie theils die Protoplaamafortsätze einander, theils mit dem Acbsencylinder verbinden.
(Demonstration der Präparate.)
Die Methode soll erst der Oeffentlichkeit übergeben werden, wenn alle Fibrillen
darstellbar und sie auch für pathologisches Material verwerthbar erscheint. Dagegen
ist es Georg Mönckeberg nnd dem Vortr. gelangen, die Veränderungen an den
'ig'ii/od Dy
Google
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Fibrillen bei Dorchschneidang peripherer Kerren zu studireo: Das Endresultat der
Phmitirfibrillendegeneration stellt hier immer einen vollkommenen, körnigen Zerfall
dar; Die normaler Weise glatten and wenig geschlängelten Fibrillen nehmen eine
starke Schlängelung an, liegen wirr durch einander und zeigen stellenweise klumpige
Verdickungen: Die Fibrillen verflOssigen sich und zerfallen dann in einzelne Tröpf*
eben, welche sich weiterhin mit zunehmendem Zerfall der Markscheiden zu einem bei
weitem feinkörnigeren Pulver auflösen. Beim Frosch nimmt die Degeneration Wochen
in Anspruch; beim Kaninchen sind in einem isolirten Nervenstfick schon nach
26 Stunden keine Fibrillen mehr enthalten.
Dr. Oscar Eohnstamm (Königstein i./T.): Studien über den Phrenious'
kem.
Vortr. weist dem Phrenicuskem eine besondere Bedeutung f&r die Biologie der
Nervenzellen zu, weil er durch Vermittelung des Athmungscentrums in jene definirte
Erregungszustände versetzt, ein gutes Object für das Studium phasisch*functioneller
Zellveränderungen abgeben muss. Um seine Lage beim Kaninchen zu bestimmen,
wurde ca. 14 Tage nach Besection eines Nervenatöckes an der oberen Thoraxapertur
im Halsmark nach chromatoljtischen Zellen mit der Nissrehen Methode gesucht,
wobei Vortr. zu folgenden Ergebnissen und Thesen gelangt:
1. Der Phrenicuskem erstreckt sich beim Kaninchen als „centrale Bodengruppe“
von der unteren Hälfte des 4. Segmentes bis zum oberen Theil des 6. Segmentes.
Die Lage der centralen Bodengruppe ist dadurch bestimmt, dass in dem als Bhombus
gedachten Vorderbom, dessen hintere Seite den Centralcanal in eine ventrale und
dorsale Hälfte theilt, eine der mediodateralen Seiten parallele Mittellinie gezogen,
diese in drei Tbeile getheilt und die Gruppe au der Grenze vom vorderen und
mittleren Drittel gefunden wird.
2. Die Innervation der Zwerchfellhälften ist streng bilateral getrennt, indem
jeder Pbrenicus nur die gleichzeitige Moskelhälfte beherrscht und nur aus dem Kem
der gleichen Seite Fasern bezieht. Eine Kreuzung des peripheren Nervens in der
vorderen Commisur bat aber fflr den Pbrenicus nicht statt
3. Der ventrale Tbeil des Zwerchfells wird von einem kranialen Stämmchen
(aus dem 4. Segment) nnd der dorsale von einem caudalen (ans dem 5. oder 6. Seg>
ment) versorgt, in welcher Beziehung eine bemerkenswerthe Analogie mit der anto>
genetisch doppelten Anlage des Zwerchfells und eine Ausnahme von der Regel zu
liegen scheint nach der jeder Muskel oder Muskelantheil in mehreren Segmenten
seine erste Projection findet
4. Verglichen mit den Kernen des Hjpoglossus nnd anderen motorischen Hirn*
nerven erscheint die Zahl der Phrenicuszellen sehr gering, so dass die Zahl der
Zeilen eines Kernes nnd damit die Geaammtmasse seines Protoplasmas mehr von der
Differenzirang der Aufgabe, als von der absoluten Ärbeitsgrösse der motorisebeo
Neurone bezw. der Muskeln bestimmt zu sein scheint.
5. Maximale Beansprachung des Phreuicuskeras durch Vermehrung der Äthem*
anstrengung nach doppelter Vagotomie hat keinen Einfluss auf die Nisslstructur
der Phrenicuszellen und bewirkt speciell keine Veränderung im Sinne der durch
Tetanustozin- oder Strychninvergiftung hervorgebrachten Läsionen.
6 . Auch diese Befunde sprechen dafür, dass die MissLKörper (Tigroid, von
Lenbossdk) in keiner directen Beziehung zur Zellarbeit stehen.
7) Die Demonstration deutlicher Fibrillen in der intertigroiden Substanz durch
Aputhy, Becker, Bethe und die Wiederaufrollung der Continuitätsfrage durch
Held und S. Meyer können nicht dazu führen, die Betheiligui^ der Nervenzelle
ao der Bewegungsleitung in Frage zu stellen, da ein wahrscheinlich durch den Ab*
lauf chemischer Processe ansgefflllter Aufenthalt der Erregungswelle durch die
Messungen der Leitungsgeschwindigkeit auf Bahnen, in die Ganglienzellen einge*
D g ii.:od oy GOO^ Ic
616
•chaltet sind, Aber jeden Zweifel erhoben ist Der Umstand» dass dieser Naehweu
nicht nur für die motorisehen Vorderhomiellen, sondern auch fAr die SpinalgasglieQ-
seilen erbracht ist» spricht dafür» dass jene Processe innerhalb der Zelle rieh ab*
spielen. Die Nenronlehre bleibt also anch jetst bestehen.
8 . Ueberanstrengung des Ätbemapparaies dnreh doppelte Vagotomie nach
Darchschnrndnog des Phreniensatammes führt nicht — etwa in Folge Terhinderteo
Abflusses und dadurch bewirkter Stanong der Erregnngswelle — so einer naebweiB*
baren Beschlennigong der Cbromatolyse.
Dr. Adolf Passow (Strassbarg i./E.): Ber Markflasei^halt nonnaler
Oentnlwindnngen beim '/^jährigen ^nde uzui bei ^em Manne von
33 Jahren.
Die Centralwindongen worden in sechs ungeföhr gleich grosse Blücke getrennt;
als erster wurde der an dem grossen L&ngsspalt gelegene bezeichnet, der letzte —
sKhste — entsprach dem Qaercnlom. Das ParacentallAppchen wurde besondm be¬
zeichnet.
Die StAcke der rechten Centralwindongen worden dann serienweise geschnitten —
1741 Präparate» in denen vordere und hintere zasammengehürende Debeneioander
liegen. Nachdem sich bei der mikroskopischen Untersuchung hersusgestellt hat, dass
die Breiteverhältnisse der Schichten nur langsam zonehmen» wurden die licten
Centralwindongen in Serien von je 10 Schnitten behandelt; je 5 wurden zorück-
gelegt; von den anderen 5 worden 1^3 geförbt und nntersnebt
Die Cenfaralwindnngen eines ^/^jährigen männlichen Kindes wurden ähnlich
untersucht; aus den ganzen Windungen ungefähr 26 hintereinander laufende Schnitte
zur Untersnehnng gewonnen.
Gefärbt sind die Präparate nach der Wolters’schen Methode.
An den Präparaten der 33jährigen kann man schon makroskopisch die ver¬
schiedenen Breiten der einzelnen Schichten an den FarbennAancen erkennen. Genaue
Messungen ergaben eine regelmässige, stetige Zunahme an Breite, Schichtung und
Stärke der einzelnen Fasern in allen Schichten fAr die ersten zwei Drittel der Central-
Windungen (Block 1—4). Plötzlich flndet man dann ein Schmälerwerden im letzten
Drittel; jedoch sind im Qoerculum die Schnitte wieder etwas faserreicher. Das Haupt¬
interesse nehmen die Wacbsthomsverhältnisse der 2. und 3. Schiebt — des super-
radiären Faserwerkes und des interradiären Flechtwerkes — in Änapruefa. An den
faserreichsten Schnitten aus dem unteren (Block 5 näher gelegenen) Ende dea
4. Blockes reicht die schmäler gewordene, aber völlig von Fasern durchsetzte 2. Schiebt
bis au die Tangentialfasem heran; zugleich ist die 3. auch am stärksten entwickelt
nnd zeigt die beiden Baillaigerstreifen.
Interesse beanspruchen ebenfalls die Verhältnisse der vorderen nnd hinteren
Centralwindung. Letztere zeigt das völlig gleiche Waebsthum der versdüed«)»
Schichten u. s. w. — Alles nur in einem sehr viel schwächeren Grade; die hintere
kann als ein schlecht gelungener, sehr schwacher Abklatsch der vorderen bezeichnet
werden.
Im Vergleich bierzn sind die Befände an den Präparaten des ’/^jährigen männ¬
lichen Kindes vielfach verschieden. Vor allen Dingen steht die hintere Central-
windung nicht in dem gleich starken Maasse an Faserarmnth hinter der vorderen
zurück. Die Tangentialfasem treten sogar in den Präparaten der hinteren Central-
winduQg häufiger auf, als in denen der vorderen Centralwindung.
SämmtUebe Präparate* der 8 ersten Blöcke zeigen in toto das stärkste Fasern-
auftreten, Blöcke 9 und 10 sind sehr fasemrm in allen Sdiicbten.
Im superradiären Faserwerke zeigen der 3. nnd 4. ^ock (Präparate 6—10)
zarte vereinzelte Fasern; ebenda stellt sich das intcmdläre FlMbtwerk als theüs
schmales, theils etwas breiteres Band dar.
DiQ'V/oö Oy
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617
Wenn man die Eiotheilnng der Centralwindungen in 6, bezw. 10 Blöcke (beim
Erwacbsenen and Kinde) auf die in Folge pathologischer Beobachtungen schematisch
als motorische oder stabile Zonen abg^n^nzten Bindengebiete abertri^, so Rillt auf,
dass die leisten faseransen Blöcke dem Qoerculnm, also der Beginn des Kopfes, der
Amialis* und Eypogloesnsgegend entsprechen.
Die faserreichsten Partieen des 4. Blockes beim Gehirn des Erwacbsenen wfirden
der Hand* und Pingerregion entsprechen, die ersten Blöcke der Beinregion.
Beim Gehirn des Kindes wurde kein besonderer Unterschied im 1.—8. Block
gefunden; jedoch ist auch hier der 9. nnd 10. Block — die Querculumgegend —
die faserännste Partie.
Prof. Dr. Edinger (Frankfurt a./l{.) legt Präparate von Batten «Bücken*
marken ror, welche Folgendes zeigen: Langdanemde schwere Anstrengungen erzeugen
sehofi bei normalen Thieren Zerfall von Bfickenmarksfasem, vorwiegend in den Hinter¬
striagen. Ausnahmslos sind die Hinterwnrzeln betbeiligt. Macht man die Thiere
aaiiDisch, so kann man mit geringeren Anforderungen an sie dasselbe erreichen.
Anämie allein erzengt bei thonlichst ruhig gehaltenen Thieren nur Spuren oder
gar keine Terändernngen.
Diese Versuche, welche Vortr. mit C. Helbing angestellt hat, sollen die von
ersterem aufgestellte Ersatztheorie stützen. Vortr. weist auf die praktische Wichtig*
keit der Ergebnisse für die Tabesbehandlung kurz bin.
Prof. Dr. Dinkler (Aachen): Ueber einen letal verlaufenen, mit Hemi-
pl^e und psyohlatrisohen Störungen oomplicirten Fall von Basedow’soher
Krankheit.
42j^rige Beamtenfrau hat im 39. Lebensjahre 1894 eine schwere, ca. 6 bis
7 Monate danemde septische Infection fiberstandeu; hat sich seitdem nicht recht
erholt; erste Erscheinung von Basedow’scber Krankheit December 1896: Kropf,
Exophthalmna, Zittern der Hände, periodische Schwellung der Füsse, Darm*
erschein QDgen, Incontinent. alvi, Agiypnie u. s. w. Landaufenthalt, vom 2. Jnli
bis 3. October 1897, brachte erhebliche Bessenmg, jedoch nach 6 Wochen wieder
Ventchlimmernng, eigenartige, mit Crises gastriques fast übereinstimmende Magen*
erseheinnngen, ^opbthalmus u. s. w. wie früher, Polyphagie; seit Ende October
Zuckungen im rechten Arm und beiden Beinen; Eingescblafensein und Kribbeln in
der Unken Hand mit vorübergebender Schwäche and Lähmung im linken Arm,
weniger im linken Bein; seit December eigenthümlicbe choreiforme Zuckungen im
fuuen Körper, vorwiegend in der nicht gelähmten rechten Seite, nasale Sprache,
Verschlacken n. s. w. (an asthenische Bnlbärparalyse erinnernd); Verfolgungsideeen,
HaUocinationen, auffallende Charakterveränderuiigen u. s. w.; objectiv ausser den
Basedow ’aehen Symptomen schlaffe linksseitige Lähmung, bulbäre Erscheinungen o. s. w.,
progressive Gewichtsabnahme; nach 3 Wochen (Februar 1898) Exitus letalis; bei der
äotopsie fand sich: Emphys. polm.; Dilatation and Hypertrophie beider Herzhälften;
Struma, Thymus persistens. Im Gehirn und Bückenmark makroskopisch nichts Sicheres.
Bei der mikroskopischeD Untersnchong fanden sich nach Marchi eine Degeneration
voQ Nervenfasern im ganzen Grosshim mit herdförmiger Intensität im Bereich der
rechten Centralwindnng; absteigende Degeneration der rechten Pyramidenbahnen,
D^eneration der bnlb^n Nervenfasern; die Thymus persistens erwies sich als
Struma, möglicherweise verlagerter mittlerer Lappen. Vortr. glaubt, dass dieser
Befund von schweren organischen Verändemngen im Nervensystem im Verein mit
der gleichzeitig vorhandenen „toxischen“ Nierenerkrankong für die Hoebius'sche
I^kre über die Pathogenese der Baaedow’scfaen Krankheit (Intoxicationstbeorie)
die anatomisobe Basis zu geben vermag.
Dig :i^cd cy Google
618
Pmat'Doc. Dr. 6. Ascbaffenburg (Heidelba^): Die Entmündigung
Geisteskranker nach dem bürgerliohen Onsetsbuoh.
Mit dem 21. Lebensjahr wird nach § 2 des B. G.’B. das IndiTidnam volljährig,
d. h. es hat von da ab die uneingeschränkte Selbständigkeit und Verfftgungsfähig-
keit, während gleichzeitig auch Pflichten ihm aoferlegt sind und bleiben. Diese
beiden Seiten der bürgerlichen Bechtsfähigkeit charakterisirt Endemann als die
Geschäftsfähigkeit, d. h. die Fähigkeit, Rechtsgeschäfte wirksam abzuscbliessen
und die Verantwortlichkeit für unerlaubte Handlungen und Yerletzungeu der Vertrags-
pflichten. Für beide führt er den gemeinsamen Begriff der „Verkehrsfähigkeit“
ein, der übrigens im B. G.-B. nicht enthalten ist.
Die Verkehrsföhigkeit kann nun beeinträchtigt werden und wird oft vüllig
aufgehoben durch eine Schädigung oder ungenügende Entwickelung der geistigen
Fähigkeiten. Dieser Thatsache tr^ das B. G.-B. vollauf Rechnung, und zwar,
indem es gleichzeitig den notbwendigen Schutz des durch seine Erkrankung
ohnehin schon genugsam Geschädigten mit dem Interesse des bürgerlichen Rechts¬
staates zu vereinigen sucht. Letzterem Zwecke dient vor allem der § 829; dieser
setzt fest, dass zwar derjenige, der in einem Zustande der Bewusstlosigkeit oder
krankhafter Störung der Geistesthätigkeit oder als Entmündigter einen Schaden an-
ricbtet, dafür nicht verantwortlich ist, dass aber die Billigkeit eine Schadloshaltung
des Geschädigten verlange. Noch wichtiger ist in dieser Beziehung der § 832, der
zum Schadenersatz denjenigen verpflichtet, der Kraft Gesetzes zur Aufsicht über eine
Person gesetzt ist, die wegen ihres geistigen Zustandes der Beaufsichtigung bedarf.
Wenn wir absehen von den Bestimmungen, die wie § 104,2 und 105, Absatz 2,
die in Zuständen krankhafter Störung der Geistesthätigkeit abgegebenen Willens¬
erklärungen für nichtig erklären, so tritt uns die Hülfe, deren ein geistig nicht
Intacter bedarf, in zwei Formen entgegen, in der einer Pflegschaft und der Ent¬
mündigung. Die Pflegschaft stellt eine Art freiwillige und partielle Bevormundui^
dar. Freiwillig insofern, als sie nur mit Einwilligung des Volljährigen eingerichtet
werden darf, der nicht unter Vormundschaft stehend, in Folge geistiger Gebrechen
einzelne seiner Angelegenheiten oder einen bestimmten Kreis seiner Angelegenheiten,
insbesondere seine Vermögensangelegenheiten nicht zu besorgen vermag, partiell
insofern, als ausdrücklich die Pflegschaft nur für diesen bestimmten Kreis der An¬
gelegenheiten zu gelten hat (§ 1910).
Auch die Entmündigung ist nach dem B. G.-B. nicht mehr eine einheitliche
Maassregel. Nach § 6, Abtheilung 1, kann entmündigt werden, „wer in Folge von
Geisteskrankheit oder von Geistesschwäche seine Angelegenheiten nicht zu besorgen
vermag.“ Die Wirkung der Entmündigung ist aber dnrchaus verschieden, je nachdem
sie wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche erfolgt. Wir werden uns
deshalb als Psychiater darüber Rechenschaft zu geben haben, was jeder dieser Aus¬
drücke besagen will. Die Motive und Commissionsberichte lassen darüber keinen
Zweifel, dass mit Geistesschwäche und Geisteskrankheit nicht psychiatrische Be¬
nennungen bestimmter Zustände gemeint sind.
Geistesschwäche ist eine Form der Geisteskrankheit; das erkennt auch die
2. Commission für das B. G.-B. an und lehnte deshalb die gesonderte Betrachtung
der Geistesschwäche ab; in der letzten Revision aber wurde festgestellt, dass der
Gesetzgeber damit rechnen müsse, dass es Zustände der geistigen Unvollkommen¬
heit giebt, die nach der gewöhnlichen Auffassung nicht unter den B^riff der
Geisteskrankheit fallen; der Unterschied, der im praktischen Leben zwischen der
Geisteskrankheit and der Geistesschwäche gemacht werde, genüge, um ihn zum Aus¬
gang für zwei verschiedene Entmündigungsfölle zu nehmen. Wir müssen uns also
nach der Laiendefinition und nicht nach psychiatrischen Anschaunngen richten. Am
besten werden wir die Intentionen des Gesetzgebers bei der Scheidung dieser Zustände
an den gewünschten Wirkungen erkennen.
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619
Der wegen Geisteskrankheit Entmündigte wird durch die Entmündigung ge¬
schäftsunfähig, der wegen Geistesschwäche Entmündigte nur in der Geschäfts¬
fähigkeit beschränkt: ersterer wird vom Gesetze wie ein Kind von 7 Jahren be¬
handelt, letzterer wie ein Minderjähriger, der das 7. Lebensjahr, aber noch nicht das 21.
rollendet hat. Die Willenserklärung des Geschäftsunfähigen sind nichtig. Das ist
eine ausserordentlich tiefgreifende Bestimmung. Es wird dadurch dem Entmündigten
nicht nur das Becht zur Heirath, zur Testamentsabgabe genommen, er kann nicht
einmal Erbschaften annehmen, Besitz erwerben, bewegliche Sachen als Eigenthnm
annehmen. Betrachten wir dagegen den w^en Geistesschwäche Entmündigten; er
bedarf, wie der Minderjährige, zu einer Willenserklärung, dnrch die er nicht lediglich
einen rechtlichen Yortheil erlai^ z. 6. Annahme eines Schenkongsversprecbens, der
Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters (§ 107). Eine Reihe weiterer Zusatz¬
paragraphen aber erleichtern die Verkehrfähigkeit noch bedeutend. Die Testaments¬
abgabe ist ihm zwar ganz genommen, die Ehe von der Binwilligung des Vormundes
abhängig. Dagegen kann der Vormund seinem Mündel zu bestimmten Zwecken
Geld zur Disposition stellen (§ 110), ebenso mit Genehmigung des Vormnndschafts-
gerichts ihn zum selbständigen Betriebe eines Erwerbsgeschäfts ermächtigen (§112).
Es hat also Entmündigung wegen Geistesschwäche den Zweck, den Entmündigten
„gegen die Benachtheiligong durch ältere und erfahrenere Gegner zu schützen.“
Von diesem Standpunkte aus, ob Geisteskrankheit oder Geistesschwäche, d. h.
Geisteskrankheit geringeren Grades, bezw. blosse ungenügende Entwickelung der
geistigen Kräfte als vorliegend zu betrachten ist (Scbultze) haben wir iro concreten
Falle den Geisteszustand zu beurtheilen. Wir werden genüthigt sein, nach Ab¬
stufungen, nicht nach Formen geistiger Störung unser Urtheil auszusprechen,
Dod damit, allerdings in höherem Grade, als Seitens des Gesetzgebers beabsichtigt
ist, in die Bechtssphäre durch unseren Entscheid eingreifen. Endemann kommt
ZQ dem Schlüsse, dass wir z. 6. „Paralytiker je nach den juristischen Erwägungen
als geisteskrank oder geistesschwach entmündigen können, Idioten nur als geistes¬
krank, Imbecille je nach der Schwere des Falles als geisteskrank, geistesschwach
oder gar nicht; circuläre nur als geistesschwach.“
Einen ganz extremen Standpunkt nimmt Hardeland ein. Er glaubt, „da die
natOrliche GeschäftsMigkeit fast niemals völlig aufgehoben ist, so kann ein Be-
dflrfniss nach besonderen, diese Änsnabmaßlle berücksichtigenden gesetzlichen Be¬
stimmungen nicht anerkannt werden, znmal der Geisteskranke schwersten Grades
regelmässig in Irrenanstalten intemirt und damit ohnehin dem bürgerlichen Verkehr
entzogen ist.“ Deshalb sei die Bhitmündigung, die den Entmündigten in Ansebang
der Geschäftsfähigkeit einem Mindeijäbrigen gleichstellt, in allen Fällen, in denen
die Geisteskrankheit eine Beschränkung der Geschäftsßhigkeit erfordert, dasjenige
Institnt, „welches allein in ausreichender Weise allen Bedürfnissen des Bechtslebens
Bechnnog trägt.“
Definitiv beseitigt wird durch das B. G.-B der Entmfindigungszwang.
Prof.J.Richard Ewald (Stras8bnrgi./E.):Ueber künstlich erzeugte Epilepsie.
Bisher bat man die elektrischen Beizungen der Gehirnrinde bei den den Hunden
kurze Zeit nach der für die Beizung uöthigen Operation ausgeführt Unter diesen
Umständen sind aber die Thiere nicht normal, und die Grosshimfunctionen noch
tbeilweise gehemmt Der Vortr. hat ein Verfahren ersonnen, welclies gestattet,
die Hönde erst am Tage nach der Operation und daun in voller Freiheit zu reizen.
Die Operation besteht darin, dass über der zu reizenden Stelle des Grosshirns ein
Elfenbeinkonns in die Schädeldecke eingescbrauht wird. Am nächsten Tage werden
dann die Elektroden in den bohlen Elfenbeinkonus eingesetzt. Der Strick an welchem
der Hund geführt wird, enthält die elektrischen Leitungsschnüre. Eine Batterie von
kleinen Trockenelementen trägt der Beobachter um die Schulter gehängt und kann
Googlv
620
80 den Hand in einem beliebigen Moment von der Gehirnrinde aas reizen. Unter
diesen Umet&nden kann man bei völlig angehemmten Händen anch von der Seh-
und HOrsph&re aus durch die st&rkere und namentlich etwas längere Zeit anhaltende
elektrische Beizung epileptische Anfälle auslOsen. Dabei sind die erforderlichen
Ströme nicht viel stärker als diejenigen, die von der epileptogenen Zone aus wirksam
sind, und es ist nicht anzunehmen, dass etwa StroomcMeifen in die epileptogene
Zone die ÄnAUe bei den Versuchen veranlassen konnten.
Wenn man bei einem Hunde durch elektrische Beizung der Großhirnrinde einen
epileptischen Anfall auslOst, so beginnen die Krämpfe in den Muskeln, welche in
der gereizten Bindenstelle ihren Beizpunkt haben, und verbreiten sich dann in
typischer Weise Ober den EOrper. Um non zu untersuchen, ob diese Verbreitung
der Erregung primär in der Orosshimrinde stattfindet, genügt es nicht, die zu
reizende Stelle zu umscbneiden, da die starken StrOme, die man znr Auslosung des
epileptischen Anfalls braucht über die Schnittstelle hinaus in die umliegende Gkhim-
Substanz einbrechen.
Der Vortr. hat deshalb kleine, sehr dünnwandige Glascylinder in die Gehirn«
rinde verrenkt, derart, dass die Cylinder einige Millimeter tief in die Substanz ein*
sinken, aber auch noch ein Stück weit über die Oberfläche des Gehirns hervor«
ragten. Es wurde dann innerhalb des Cylinders gereizt. Die entsprechenden Muskeln
zuckten wie unter den gewöhnlichen Umständen; epileptische Anßlle Hessen sich nun
aber nicht mehr von dieser durch den Glascylinder abgegrenzten Stelle aus
erzeugen.
Diße Versuche legen den Gedanken nahe bei Hnnden, welche durch Exstirpation
eines Bindenstflckes Epileptiker geworden sind, die Narbe des Defectes mit dem
Messer zn umschneiden. Der Schnitt hindert zwar nicht die Ausbreitung der elek«
irischen Erregong, wohl aber die Ausbreitung der physiologischen Erregung. Die
Versuche wurden nur an Hunden angestellt, welche bereits mehrere Tage hinter«
einander täglich mindestens einen epileptischen Anfall spontan gehabt hatten. Bis«
her sind nur 3 Hunde in diesem Stadium der Epilepsie in der angegebenen Weise
(Umschneidung der Narbe) operirt worden. Bei zweien derselben blieben die An«
Alle seitdem völlig aus. Bei dem 3. Hunde trat nach etwa 6 Wochen noch ein
leichter Anfall ein, dann blieb das Thier ebenfalls frei.
Prof. GrOtzner (Tübingen) spricht über die Aenderung der Erregbarkeit
des quergestreiften Muskels naoh Ausschaltung oder Durohsohneidong
seiner Nerven.
Durch Brücke, Erb und Andere war fes^estellt worden, dass Muskeln,
welche in Folge von Giften (Cnrare) oder in Folge von Durchschneidong ihres
Nerven nicht mehr unter nervOsem Einfluss stehen, ihre Erregbarkeit in hohem
Maasse verändern. Diese Aenderung der Erregbarkeit, welche kürzlich in eingehen¬
der Weise von Wiener untersucht worden ist, hat man fast immer nnr geprüft ver«
mittels elektrischer Beize.
Aber auch andere z. B. chemische Beize ergeben sehr anfällige Unterschiede
zwischen nervenhaltigen und nervenlosen Muskeln. Brstere z. B. in 5—6%ige
Kochsalzlösung getaucht, gerathen in Zuckungen und ziehen sich mässig zusammen;
letztere dagegen, ebenso behandelt, zacken zwar auch, aber ziehen sieh schlieeslich
ansserordentlich viel stärker znsammen. Man kann unter günstigen Umständen Unter¬
schiede wie 2:3, ja beinahe wie 1:2 beobachten. Der Nerv hemmt also die Ein¬
wirkung des chemischen Beizes auf den Muskel, insofern er ihn nicht so stark
sich znsammenzieben lässt. Diese Verhältnisse kann man an curarisirten Muskeln,
sowie an solchen, deren Nerven 10—14 Tage durchschnitten sind, beobachten. Am
beeten eignet sich hierzu der Sartorius and der Biceps des Frosches.
Es zeigt sich aber weiter, dass bei den entnervten, chemisch germzten Muskeln
’iQ'h/.OÖ Dy
Google
J
621
Dicht alle Fasern an dieser enei^chen Contraction tbeilnebmen, sondern wesentlich
Dar die dicken, flinken Fasern. Der Sartorios eines Frosches, in welchem der Haupt*
Sache nach diese beiden Muskelarten in zwei Schichten abereinander gelagert sind,
dreht sich daher, in die reizende Flflssigkeit getaucht, stets in ganz bestimmter
Bichtnng und rollt sich nicht selten zu einem Halbrobr oder zu einer geschlossenen
JBdhre zusammen, deren innere, gekrümmte Seite ausnahmslos Ton der Schicht der
dickeren Fasern gebildet wird.
Med. Rath Dr. Baumgärtner (6aden*Baden): Ueber liumbalpunotion.
Vortr. hat an 5 Leichen, die intra ritam keinerlei Compensationsstörungen mit
Gefassstaunngen zeigten, einmal keine, die anderen Male 4 bis 6 ccm Lnmbalflassig*
keit Torgefunden und betrachtet somit letztere Menge als die normale.
Je mehr Flüssigkeit, desto höher sind im Allgemeinen die Druckwertbe, docli
entsprechen die Drucksymptome nicht immer der Dmckböhe; schwere Erscheinungen
haben oft geringe Dmckwerthe und umgekehrt.
Kegaüve Resultate bei Untersuchung der Lumbalflflssigkeit werfen die klinischen
Diagnosen nicht um, sie sind bedingt durch Dnterbrecbung der Communikationeu
zwischen den Snbarachnoidalräumen des Gehirnes und denen des Rückenmarkes.
Gewöhnlich werde die Lumbalpunction gleich als therapeutischer Eingriff ror-
genommen entsprechend der Quincke’scben Indication, „dieHeningealräume von einem
vorhandenen Drucke mechanisch zu entlasten." Vortr. hat diese Indication bis heute
bei 26 Patienten durch 43 Functionen entsprochen, er betrachtet die Lumbalpunktion
bei acutem hohen Drucke als eine Indicatio vitalis, will sie aber auch bei allen
Fällen von chronischem Himdrucke angewendet wissen, so nach dem Vorschläge von
Lenhariz bei schweren Chlorosen, nach Gebimerscbfltterungen u. s. w.
Vortr. schätzt den therapeutischen Werth der von Quincke eingeführten Lum-
balpnnction trotz mancher negativer Resultate dem diagnostischen Wertbe min¬
destens gleich.
Die Gefahren der Funktion könnmi nicht in dem aseptisch durchgeführten
operativen Ellgriffe liegen, sondern in dem zu schnellen und zu reichlichen
Entleeren der Flüssigkeit, weshalb das Ablassen in horizontaler Lage zu ge¬
schehen hat. Vortr. sticht in sitzender Stellung ein und legt den Patienten mit
eingestochener Nadel um.
Nicht selten ist als Folge des zu sehr verminderten Druckes eine Ab*
Schwächung der Herzthätigkeit sowohl im Betreff der Frequenz als der Energie
der Schläge zu beobachten, die mehrere Tage andauem kann.
Vortr. glaubt mit dem Lumbalpunctionsapparate von Erönig das zu schnelle
und zu starke Herabsinken des Druckes sicher vermeiden zu können.
Werden die Druckverhältnisse beim Ablassen der Lumbalflüssigkeit genau über¬
wacht — je höher der Druck, um so weniger darf auf einmal abgelassen werden —
so werden die unangenehmen, zuweilen bedrohenden Erscheinungen seltener oder
nicht mehr zu beobachten sein und der therapeutische Werth der Lumpalpunction
immer mehr zur Geltung kommen.
Dr. Loderitz (Baden-Baden): TTeber Veränderungen in den Hintersträngen
bei progressiver Paralyse.
Vortr. weist an der Hand von 16, sowohl klinisch wie anatomisch genau unter¬
suchten Fällen von progressiver Paralyse, die Ansicht zurück, dass progressive Paralyse
und Tabes identische Krankheiten seien. Abgesehen vom klinischen Bilde — Verschieden¬
heit der Blasenmastdarmstörungen, grosse Seltenheit von Opticusatrophieen bei Paralyse,
Fehlen der eigentlichen „Krisen" □. s. w. — zeigen auch die anatomischen Befunde
in den Hintersträngen mannigfache Differenzen, besonders im Lendenmarke. Während
wir bei vorgeschrittenen Fällen von Tabes fanden, dass das ganze Areal der Hinter-
Dig: /Cu
Google
622
stränge hier mehr oder weniger in degenerirtes Qewebe Terwsodelt ist, zeigen sich
bei Paralyse nur ganz bestimmte, scharf nrngrenzte Partieen krankhaft verändert
and zwar dergestalt, dass sowohl im oberen wie nnteren Lendenmarke ganz bestimmte,
in jedem Falle mit fast photographischer Treue, wieder anftretende Degenerations*
fignren zu Stande kommen, die eine Unterscheidung beider Krankheitsbilder aoch
am mikroskopischen Präparat ermöglichen. Irgend welche Beziehangen in der Stärke
der Degeneration zwischen Hintersträngen und Seitensträngen liessen sich nicht nach-
weisen, auch da, wo in den Seitensträngen die eine Seite stärker verändert schien
als die andere, Hessen sich in den Hintersträngen keine Differenzen erkennen.
Dr. van Oordt (Heidelberg): Tabes mit Hysterie.
Im vorliegenden Falle waren die Symptome einer durch Section bestätigten
Tabes und einer auf dem Boden tabiscber Erscheinui^en entstandenen Hysterie ver¬
flochten. Besondere Schwierigkeiten bot der Erkennung beider Krankheitsbilder die
Eigenthflmlicbkeit, dass die ausgedehnten Sensibilitätsstörungen zum Theil tabiscber,
zum Theil hysterischer Kator waren und der Umstand, dass bei nicht unerheblicher
Alteration der Muskel- und Qelenkseusibilität keine ^wegungsstörungen auftraten.
Vortr. betont die Thatsache, dass Fehlen von Muskel- und Oelenksempfindaogen
besonders im Beginn der Erkrankung nicht nothwendiger Weise eine spinale Be-
wegungsatazie im Gefolge haben muss.
Dr. W. Weygandt (Heidelberg): Kritische Bemerkungen zur geistigen
Hygieine der Schule.
Bei Anwendung psychophysischer Methoden zur Feststellung der Scholfiber-
bürduug wurde eingeworfen, dass die Schule die wichtigste Erholung biete durch
Abwechslung im Arbeitsstoff, wodurch immer neue Hirutbeile in Anspruch genommen
und die bis dahin angestrengten entlastet würden. Vortr. stellte mittelst der con-
tinuirlichen Arbeitsmethoden Experimente über den Arbeitswechsel au, die ergaben,
dass von einer erholenden Wir^og des Wechsels an sich nicht die Bede ist Der
Erfolg des Wechsels bängt ab vom Verbältuiss der Schwere der Arbeiten. Höchstens
durch rasch vorübergehenden „Antrieb" kann der Wechsel als solcher etwas günstig
wirken.
Die modernen Methoden der Feststellung geistiger Ermüdung durch ästhesio-
metrische UntersochuDg (Griesbach, Vauuod, Wagner) sind, wie zahlreiche
ezacte Nachprüfungen ei^ben, ungeuau, in ihrer bisherigen Anwendung oberflächlich,
und können höchstens mit aller Vorsicht zu Einzelversucbeu, aber noch nicht zu
Massenversuchen in der Schule angewandt werden.
Herr Tallermann (London) zeigte während der Verhandlungen in einem
Nebensaale einen an die Gasleitung angeschlossenen Heissloftapparat eigenartiger
Construction vor; zur Behandlung gelangten arthritische Kranke aus dem Landesbad.
Baden-Baden wurde wieder zum Ziele der nächsten Wanderung der sfidwest-
deutscben Neurologen und Irrenärzte bestimmt
Prof. Dr. Naunyn (Strassbui^) und Director Dr. Frz. Fischer (Pforzheim)
wurde die Geschäfts^hrung übertragen.
Um Uhr Mittags wurde die Versammlung geschlossen,
Leop. Laquer (Frankfurt a./M.).
Google
623
K. K. OeselUohaft der Aerate ln Wien.
Sitzung vom 5. November 1897.
(Wien. klin. Wochenschr. 1897. Nr. 45.)
E. Ollmann berichtet über einen Fall von doppelseitiger Arthropathia
tabioa im Spronggelenk.
Durch Ausführung einer arischen Besection am rechten Fusse konnte beinahe
normales Aussehen des Fusses erzielt werden, auch die Beweglichkeit ist normal.
Es entwickelte sich weder Ankylose noch ein Schlottergelenk. Vortr. bebt hervor,
dass bei tabischer Arthropathie des Sprunggelenkes bisher fast immer Amputation
dnrchgefflhrt wurde und erst in drei Fällen eine Besection ansgefQhrt worden war.
Sitzung vom 3. December 1897.
(Wien. klin. Wochenschr. 1897. Nr. 49.)
Prof. Weinlechner hält einen Vortrag über die Folgen euboutaner Sohädel*
fraoturen in den ersten liebensjahren.
Nach kurzer Erwähnung der Schädelfracturen während des uterinen Lebens,
während des Geburtsactes und unmittelbar post partum bespricht Vortr. die Schädel*
fissuren und Schädelbrfiche in den ersten Lebensjahren. Vortr. unterscheidet Schädel*
locken mit aol^emdem Gehirne und Schädellocken mit falschen Heningocelen; beide
Formen können nebeneinander bestehen. Die SchädellQcken werden bald nach er¬
littener Verletzung beobachtet und nehmen mit den Jahren an Umfang zu; sie bleiben
schliesslich stationär und verursachen keine Beschwerden. Die weiteren AusfOhrungen
Über diese Frage haben nur chiruigisches Interesse.
Die SchädellQcken mit falscher Meniogocele finden sich gewöhnlich am Seiten¬
wandbein und stellen weiche, fluctuirende, mitunter transparente, wenig pulsirende
Geschwülste dar, welche eine harte Umrandung besitzen. Der Inhalt gleicht der
CerebrospinalöOssigkeit, die KnochenlOcke lässt sich selten deutlich fühlen. Die Ver¬
bindung zwiscben der Meningocele und dem Schädelinneren wird durch eine narbige
Durafistel aufrecht erhalten.
Eine Verletzung der weichen Gehirnhäute und des Gehirns kommt bei Bildung
der Fissur nicht selten vor; je tiefer der Biss ins Gehirn geht, desto mehr Cerebro-
Spinalflüssigkeit wird ausgetrieben. Wenn das Gehirn bis in die Seitenventrikel reisst,
so ist der Austritt der Flüssigkeit noch mehr begOnstigt und damit auch das rasche
Wachsthum der Geschwolsi Vortr. hat einmal eine solche traumatische Poren-
cepbalie bei einem Kinde gefunden, bei welchem die Verhältnisse durch die Nekro¬
skopie klargestellt wurden. Die falsche Meningocele heilt mit Hinterlassung einer
Schädellücke, die Fissur mit anlagemdem Gehirn heilt entweder ganz aus oder bessert
sich wesentlich. Eine Persistenz der Meningocele über das 3. Lebensjahr hinaus ist
eine Rarität. H. Schlesinger (Wien).
Oeaterreiohisohe otologiaohe Oeaellaohaft.
Sitzung vom 26. October 1897.
(Wiener klin. Wochenschr. 1897. Nr. 48.)
Prof. Politzer stellt einen 26jährigeo Mann vor, der durch ein Maschinenrad
an eine Wand gedrückt wurde, unmittelbar nach dem traumatisohen Insulte aus
beiden Ohren blutete und eine beiderseitige Facialisparalyse acquirirte. Rascher
Google
624
RQck^ng der HörstömDg bei Fersistiren der Lähmung beider Faciales. Yortr. igt
der Ansicht, dass es sich um eine Fissur an der Calvaria handle, welche sich durch
die beiden Schläfenbeine in der Weise fortsetzt, dass sie durch die hintere obere
Gehörswand bis zur hinteren Trommelböhlenwand durch den Faloppi’schen Canal
beiderseits reicht. Die Blutung ans dem äusseren Qehörgang spricht dafflr, dass eine
Blutung im Canalis Fallopiae erfolgt ist H. Schlesinger (Wien).
m. Mittheilnng an den Herausgeber.
Sehr geehrter Herr College!
Die Ueberffllle der zeiigenössiscben Litteratnr lässt es verständlich erscheinen,
wenn sich in die historischen Feststellungen jftngerer Autoren zuweilen Irrthfloer
einschleichen, die dem älteren, als fOr die Sache selbst irrelevant, kaum der Beacb*
tuug werth erscheinen und habe, ich meiner daraus gezogenen Ansicht noch kfirzlich
in der Vormerkung zu meinen „Beiträgen** Ausdruck g^ben. Diesmal möchte
ich jedoch von meiner Gepflogenheit eine Ausnahme machen, weil es sieh damni
bandelt, dass ein Facbcollege die historische Aufstellung eines anderen bemängelt,
er selbst aber nicht minder dabei fehl geht als jener.
In der kürzlich erschienmien Nr. 12 des Nenrolog. Centralbl. corrigirt Herr
Uinor Herrn Marinesco, der im April 1898 in einer Arbeit die Aeusserung
than, dass in derselben das bis dahin nicht beachtete Vorkommen der sogensanteD
sjringomyelitiscben Dissociation bei Querscbnittsmyelitis erwiesen sei, dahin, dass er
schon lange vor dieser Publication, nämlich am 21. Angnst 1897 auf dem Moskauer
Congresse abw diese Erscheinung in 8 Fällen von Backenmarksqnetschoug be¬
richtet hat.
Da scheint es mir denn doch nötbig, daranf hinznweisen, dass Kahler und
Piek im Archiv f. Fsych. Bd. X. H. 2, also vor 18 Jahren, einen Fall von Fractor
der Halswirbelsäule mittheilten, der, wie in den Fällen von Minor und Marinesco,
jene Dissociation oberhalb der anästhetischen Zone zeigte; ich darf weiter darauf
hiuweisen, dass wir dort auch die anatomischen Grundlagen der Erscheinnng lu
denten versuchten und dass jener Fall umsoweniger dem Gedächtniss der Zeitgenossen
entgangen, als es ja derselbe ist, in welchem wir als die ersten (und dabei kann
ich trotz aller historischen Fesstellungen bleiben) in klar bewusster Weise nach-
wiesen, dass bei completter Dnrcbtrminung des Halsmarkes und intactem Lenden-
marke die Kniephänomene fehlen und dafür eine Erklärung versuchten, die, nenerlicb i
anfänglich zurückgewiesen, jetzt doch wieder von anderer Seite angenommen iricd. |
Trotzdem wir seiner Zeit gerade der ansfflhrlicben Discussion der eigenthömlicbea i
Form der Sensibilitätsstörung wegen die einschlägige Litteratnr gewiss mngdi«d
studirt haben dürften, möchte ich trotz Allem natürlich nicht behaupten wollen, dass
nicht vielleicht schon früher ähnliche Beobachtungen gemacht und veröffentlicht j
sein mögen. A. Pick.
IV. Personalien.
Unser verehrter Mitarbeiter Herr Dr. v. Frankl-Hoohwart wurde zum Professor
eztraord. au der Universität Wien ernannt.
Um Einsendung von Separatabdrücken an den Herausgeber wird gebeten.
Einsendungen für Redoction sind zu richten an Prof. Dr. E.Mendel,
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Inhalt: I. Orlglnalmifthenungen. 1. Zar Histologie and Pathologie der inselfOrmigen
Sklerose, von Dr. Sismiind Erban. 2. Hnskelatrophie bei maltipler Sklerose, von Priv.*Doc.
Dr. L Bnusr. 3. Zar Firbong der Oanglienzellen, von Dr. Friedrich Uilthleu in Wien and
Dr. Josef Serge, Hospitant an der III. me^cinisoben Klinik io Wien. 4. Zar Härtong
des Centialnervensystems in sitn, von Dr. Hermann Pfister, Assistenzart der psydiiatr. Ebnik
in ^iborg i./B.
II. Referate. Anatomie, l. De leer der nenronen toeMpast op de anatomie der
zintaigen, door Jelgersma. 2. In^Utd de poids des b^misphäres cerebraoz, par Bonmeville. —
Experimentelle Physiologie. 8. üeber den oortiealen Ursprong der daroh Absyntb
herro^Tofenen epileposchen Anfälle bei Händen, von Osslpow. 4. A fnrther experimental
eontribntion to tbe knowledge of the mechanism of deglafition, bv Meitzer. 5. Ueber ßeiz-
verencbe mit Indactionsstrbmen am Thiermagen, von Meitzer. 6. Mcherohes experimentales
soT les monvemente de la eeilole nerveose de la mo9Ue dpinibre, par Odier. — Patho¬
logische Anatomie. 7. Examen des cellales nerveoses medoUaires dansle tetanos experi¬
mental, par Conrmont, Doyon et Parlot. — Pathologie des Nervensystems. 8. Da
rdflexe patellaire, par Marandon de Mentyel. 9. phdnomene des orteils en pathologie
nervease, par Bablnski. 10. Ophthalmoskopische onderzoekingen bij Epilepsie, door Meyer.
11. Zeldzame gevallen van Epilepsie, door WlnMer. 12. I sogni e il sonno neir isterismo
6 nella epUesaia, per Santa de Sanrtis. 18. Paitieele epilepsie en bare heelkondige behande-
ling, door van Eyla 14. Epilepsie Jacksonii post fractoram cranil com depressione permagna.
Resectio oranii. Pörbättring, af Naumann, lö. Note sar qaelqnes r^flexes cotan^ ohez les
äpileptiqaes, par Fdrd. 16. Note snr la plos grande rapidite de r^limination da blea de
mdthylbne par les orines a la soite des acc^s chez les ^pileptiqaes, par Fdrd et Laubry.
17. Epilepsie consdcative a ane fibvre typhoide, par Bourneville et Dardel. 16. Epilepsie als
Abstinenzerscbeinang bei Morphiamentziehang, von Heimann. 19. Öinische Beitr^e zar
ReBexepilepsie, von SeelIgmDlfer. 20. Some notes of echolalia, with the report of an
extrsorainary case, by Barr. 21. Epilepsy with lazation of the yaw, by Stanley. 22. A
octogenarian epileptic, by Simpson. 23. Ueber die chronische Paranoia bei epileptischen
In^vidaen, von Buchholz. 24. Le traiteroent de l'^pilepsie, de l'idiotie et d’aotres etats en-
cdphaliqnes analogaes par la r^eection des nnglions cervicaaz sopdrieors da sympathiqae,
par Chipault. 25. Ueber die Aa:^aben des PÖ^personals bei Epileptischen, von Wildermuth.
26. A eontribntion to tbe stndy of tetanos, W Gonzalez. 27. A case of tetanns, by Rudis-
Jleinsky. 28. Zar Fn^ des rheamatischen Tetanos and der Tetanos-Antitozinbehandlaog,
von Steiner. 29. A case of cephalic, dysphagic, or hydrophobic tetanos, by Maylard. 30. Ueber
einen Fall von Kopfbetanas, von Solmsen. — Psychiatrie. 31. Psychoses post-op^ratoires.
.32. Les psychoses de la vieillesse, par Rlttl. 38. Insanity of the different periods of life.
Evolntional and involotional typ^ by Maclachlan. 34. On arrested develo^ent and Little’s
disease, by Spiller. — Therapie. 85. Die Bebandlnng der taberonlSsen Wirbelentzandang
aaf Griina von 700 Fällen, von Dollingor. 36. Zar operativen Behandlang der Spina bifida
occnlta, von Maass. 87. Ueber Bewegangstberapie bei Erkrankangen des Nervensystems,
von Qoldschoider. 38. Ueber die compenaatorisebe Uebangstherapie bei der Tabes dorsalis,
von Jacob. 39. Beitrag zar QaeoksUberbehandlang der multiplen Sklerose, von MUhMm.
III. Aut den Gesellschaften. Verein für Psychiatrie and Nenrologie in Wien.
IV. Bibliographie. Die Bedeutong der Beize fOr Pathologie nnd Therapie im Lichte der
Neoronlehre, von Goldscheider. — Die nervösen Erkrankangen der Blase, von Prof. Dr.
L. V. Fninkl-Hochwart nnd Dr. oL Zuckorkandl.
V. Borichtlgung.
40
L' . './Google
626
L OrigiDAlznittheilongen.
[Ans der IL Wiener medicin. Universitätsklinik (Holrath Prof. Nbusseb].]
1. Zur Histologie und Pathologie der inselfönnigen Sklerose.
Von Dr. Sigmund Brbmi.
Analyse der verbreiterten StUlzsubstanz. Die primär
anftretenden Yerändernngen. Heber das Intentionszittern.
Die Heilbarkeit einzelner Symptome.
Mir standen 5 f^e zur YerfOgang. Bei jedem derselben konnte ich im
Rückenmark Stellen ermitteln, wo die Sklerose fortgeschritten war, und
andere Stellen, welche Anfänge der Entwickelung anfwiesen. Meine Ans*
fOhmngen beziehen sich ausschliesslich auf die weisse Rü<&enmarkssubstanz.
An solchen Flecken im Rückenmarksquerschnitte, wo die Sklerose beginnt,
war mir eine grosse Anhänüing von markhaltigen Nervenfasern kleinsten Calibeis
ao^tallen. Auch das normale Rückenmark zeigt innerhalb der weissen Sub¬
stanz zwischen den Überwiegend grossen Nervenfasern kleinere und kleinrte,
aber bei b^finnender Sklerose bestand das Gesichtsfeld fast aus lauter Faser-
querschnitten kleinsten Galibers (oonf. die Stelle e der Zeichnung), unter welchen
die grossen Nervenfasern (einzeln oder gruppenweise) spärlich und zählbar ein-
gestreut waren ~ ausgesprochene Vermehrung der kleinsten Nervenfosem und
Verringerung der grossen.
Das Garminpräparat lieferte in einem weiteren Stadium der Sklerose das
bekannte Bild, wo innerhalb einer gleichmässig roth gefärbten Masse vereinzelte
grosse Nervenfasern zu finden sind; die spärlichen Nervenfaserquerschnitte durch¬
brachen hier gewissermaassen siebförmig eine homogene Masse. Diese Nerven¬
fasern haben meist normales Aussehen, der Azencylinder ist gesättigt roth ge¬
färbt, die Markscheide ist aber farblos und ze%t ineinander geschichtete Rin^;
einzelne dieser grossen Nervenfasern weisen Veränderungen auf, entweder findet
man den Axenoylinder vei^fiössert, geschwollen, oder die Markscheide repräsentirt
sich als zartro^ gefärbter Hof um den axialen Strang — die Markscheide ist
färbbar geworden, von den ooncentriscben Ringen ist dann nichts zu merken.
Die homogene Masse wird als verbreiterte Balken des Stützgewebes angesehen.
Bei starker Vergröeserung (Zbiss Apocbromat 4,0 mm, Aperi 0,95, 160 Tuben¬
länge, Gompensationsoculm: Nr. 12 bei enger Blende) verliert sie das homogene
Aussehen und rasch wechselnde Einstellung lässt darin (besonders am Rande
der sklerotischen Herde) isolirte Punkte erkennen, die von einem licüiteren H(^e
umgeben sind; sehr oft trifft man Stellen, wo diese Pünktchen deutlidi als
Durchschnitte von feinen markhaltigen Fas^ erscheinen, ein anderesmal ist das
.od.vGooglc
627
Bild nioht so klar, am berüte auf dea ersten Blick unbestritten als eine An-
häofong kleiner Nerren&seni erkannt zu werden.^
loh erwartete, dass WmGEBiyFAi^Präparate ein deutlicheres Bild geben
werden, weil die kleinen Norenfasem innerhalb der „verbreiterten GliabaJlcen**
als schwarze Kreise hervortreten mMen. Diese Erwartnng täuschte midi, denn
die Marksdieide verliert durch die krankhaften Yo^iänge bei der multiplen
Sklerose frühzeitig ihre Färbbarkeit durch Hämatoxjlin. Stellen der
wcdssen Bückenmarkssubetanz, wo die grossen Nerveniasem noch dicht an ein-
ander gelageit sind und kdnerlei Zwisohengewebe bemerkbar ist, enthalten neben
den breiten, schwarz gefärbten Mjelinringen Markscheiden, deren äusserer oder
innrer Umkreis durch einen meist unvoUständ^n, äusserst zarten, schwarzen
Saum angedeutet war. Viele von den Markscheiden mit der zarten schwarzen
Umsäumung hatten bei der Nachfärbung mit Alauncarmin eine schwache Both-
färbung angenommen. Wurden Bückenmarksschnitte gleichen Ursprungs von
vom heran mit Ammoniakcarmin behandelt, so nahmen jene Marsoheiden, die
sich an WsicffiBivFräparaten (wie eben geschildert) mangelhaft geförbt hatten,
in Carminpräparaten rottie Faibe an. Die Querschnitte der feinen Nervenfasern
hoben sich im WBiGBBT>FAL-Präparate nicht durch entsprechende schwarze
Ringlein hervor, vielmehr ssii man bei gelungener Nachfärbung das gleiche Bild
wie bei der Behandlung mit Ammoniakcarmin: satt gefärbte Funkte von einem
zartrothen Hofe umgeben. Die zahlreichen kleinsten Nervenfasern hatten ^so
nicht die Eigenschaften der normalen Nervenfasern, vielmehr verhielten sie
sich dem H^natoxylin gegenüber gleich jenen krankhaft veränderten grossen
Nervenfasern.*
Ich legte an solchen Stellen mit „verbreitertem Stützgerüste“ Läng8<dmitte
an, färbte sie mit Ammoniakcarmin und zerzupfte sie. Dann fuid ich vereinzelt
markhaltige (e) und marklose breite Axencylinder (a), im übrigen ein Filzwerk
von allerfeinsten roth gefärbten Fäserchen, die kreuz und quer, aber übenviegend
längs geordnet waren und am Rande wie an den Enden des Stückes buschig
hervorquollen. Ich habe den Faserfilz durch das Zupfen gewissermaassen auf¬
gefasert, und man sah nun, dass in dem Stroma allerfeinster, glänzender Fäser¬
chen (Glia&sem) etwas breitere Fasern liegen (i), die matt gefärbt
waren, sich steifer und gerade zeigten, während die zahlreichen um¬
gebenden faerausgezupfteu feinsten (Glia-) Fäserchen glanzen, geschwungen und
wellig verlaufen. Ein^e Male fand ich ich diese breiteren, geraden und matt-
* Sobald die Sklerose Tollstandig aoagebildet ist, fioden sich am Qaerscboitte wedw
grosse, noch kleioe und kleinste Nervenfasern, da giebt es nur ein struppiges, uodeutliebes
and vielfach durchbrochenes, rotbgeförbtes Geflecht mit eingestreuten rotben Kernen und
sp&rlicben Spinnensellen; die L&cken im Fleoht- oder Netzwerk sehen so unregelmässig aus,
dass man ihren Ursprung kaum auf den Schwund der runden NerveiifaserqiierBchnitte be*
sieben würde.
* In diesem Verhalten liegt zugleich ein Anhaltsponkt, dass es sich hierbei nicht bloss
nm nngewühnlicbe Anhäufung normaler kleiner Nervenfasern handelt, wie ade stellenweise
manchmal auch bei Gesunden zu finden ist.
40*
Google
628
geförbten Fasern im Zusammenhänge mit grosscalibrigen Axencylindem; dodi
getrane ich mich nicht zn behaupten, dass sie besimmt ?on den AxencylinderiL
ausgegangen, an^wachsen sind und nicht etwa bloss au%elagert waren. Se
sind schätzungsweise doppelt so dick als die wellig geschwungenen FMem, welche
vollends den Bind^ewebsfasem gleichen; verglich ich sie mit den benachbarten
isolirten, normal grossen Axencylindem, so erschienen mir letztere 4 bis 6 mal
breiter. Diese Fasern lassen die Deutung zu, dass sie marklose feinste Aien*
cylinder sind^; einerseits sehen wir auf den Querschnitten eine Vennehmng
kleinster Nervenfasern, anderer¬
seits glichen sie den jui^
Nervenfasern, die man bei £e-
generation des peripheren und
centralen Nervensyätems beo¬
bachten kann. Solche Miniator-
axencylinder fand ich um so
zahlreicher, je vorgeschrittener
die Sklerose war, am leichtesten
waren sie in Stücken zn finden,
die ausschli^lich aus dem com¬
pacten Deflechte von welligen
Fasern zusammengesetzt 8chi^
nen, Tnan muss dem Rande des
Präparates entlang nach ihnen
suchen, sonst entgehen sie einem.
Manche der herausragenden
Fasern lassen sich bis in das
Präparat hinein verfolgen, ich
wäre niemals zur Ansicht dieser
feinen Axencylinder gekommen,
wenn ich die Längsschnitte
nicht zerzupft hätte. Denn
das Innere eines Längschnittes—
_ mag er noch so dünn sein —
OezQpiter LäogsBchnitt von vorgeBchrittoner Skleroae. TSoot beim Carminnränarate keine
Bei e ist ein im Beginn der Sklerose befindlichea,
qoerverlanfendes Faserbflndel getroffen. entsprechende Analyse ZU, so
dicht ist das Deflecht von
Fasern daselbst, und Details über Structur, Maschenwerk oder gar Faser-
beschaffenheit kann man nicht wahmebmen. Man findet selbst in den aus¬
gebildetsten sklerotischen Partieen einzelne markhaltige oder marklose, normal
grosse Nervenfasern, auch dünne markhaltige Nervenfasern neben zahlreichen
nackten Axencylindem feinsten Calibers; sie alle sind in einem filzigen Gewebe
eingebettet, 'welches dorch die Beschaffenheit seines Randes zeigt, dass es aus
* Prof. Obsbs^neb, den ich um seio Urtheil bat, stimmte dieser Deutuog so, während
dieselbe von anderer Seite nicht einwurfsfrei gefunden wurda
D,..,Google
629
geschwimgenen Gliafosern und unzähligen Kernen zusammengesetzt ist Wenn
die Eeme freiliegen, erkannte man, dass einige von ihnen nackt, andere aber
von einem zart gefärbten, unregelmässig gestalteten protoplasmatischen Zelleibe
umgeben sind {d}; von den Zellen und Kernen gehen stets Büschel feiner Fasern
ans, die sich von den benachbarten Gliafasern nicht unterscheiden. Die Faser-
bäsobel sind kurz und enthalten nur einzelne lange Fasern. Es handelt sich
um DBiTEBB’sche Zellen (Pinselzellen). Das Wesentliche der vorau^^angenen
Ausführungen li^ darin, dass in dem sklerotischen Gewebe zwei Gat¬
tungen feiner Fasern Vorkommen. Ich habe diese in so vielen Präparaten
gesehen, dass ich von jedem Zweifel frei geworden bin.
Was für Deutungen ergeben sich aus dem Beobachteten? Man sieht in
sklerotischen Partieen der Bückenmarksstränge eine beträchtliche Yermehrong
der feinsten Kervenfasem. Sie können das Frodnct einer Degeneration oder
Begeneration der Nervenfasern sein. Nun trifft man in den Herden Symptome
der D^eneration an den Markscheiden, wodurch die Annahme einer De¬
generation der Azencylinder nahe liegt. Da ausserdem im B^inne der Sklerose
sich eine Anzahl von Nervenfasern geschwellt zeigt, wäre auch die Quelle für
eine Compression g^ben; die benachbarten Nerven müssen leiden und an
ihrem Volumen einbüssen, bis sie die Gestalt dünner und dünnster Fasern an¬
nehmen. Diese Vorstellung ist logisch vollkommen b^ründet, tr^ aber nicht
allen vorliegenden Umständen Bechnung: Zunächst wäre damit der Befund
herdförmiger Sklerose^ schwer vereinbar, da der Druck sich über den Quer¬
schnitt des Bückenmarkes ausbreiten muss. Weiter erwartet man unter diesem
Gesichtswinkel, dass von den grossen zu den kleinsten Nervenfasern Ueber-
gänge bestehen, je nachdem eine Nervenfaser etwas gedrückt oder schon er¬
drückt ist; derartige Befunde vermisste ich. Drittens sieht man auf einem Areale,
wo Baum für eine grosse markhaltige Nervenfaser wäre, oft 5—8 markhaltige
Nervenfasern kleinsten Calibers*; so viele grosse Nervenfasern können nicht er¬
drückt worden sein, als feinste Faserquerschnitte sich voründen. Ausseidem ist
die Schwellung der benachbarten Nervenfasern zu gering und von vermehrter
Zwisohensubstanz — die etwa einen Druck ausüben könnte — ist in einem ge¬
wissen Stadium der Sklerose noch keine Spur zu entdecken. Die grosse Zahl
der feinen Nervenfasern spricht zumeist da^, dass die letzteren neu gebildete
und nicht verkleinerte Formen bereits vorhandener Nervenelemente sind. Bringt
man diese Erwägung noch zu den Beobachtungen Stbosbb’s bei den Rücken-
markswunden in Beziehung und vergleicht mit seinen Befanden die zarten,
steifen Fasern in meinen gezupften Längsschnitten, so wird man in der Deu¬
tung (.^ bestärkt, es handle sich hier um junge nengebildete Axencylinder.^ Ob
> Man findet in jedem Falle neben der diffiuen Skleroee auch eine herdförmige. Die
Form der Herde ist ausgesprochen rundlich oder längsoral und der Rand hebt sich bei
makroskopischer Betrachtung gewöhnlich scharf ab.
* Bin solches Areal ist ron grossen Nervenfasern umgrenzt, so dass mau die Grössen*
Verhältnisse unschwer vergleichen kann.
‘ Nicht verschweigen darf ich eine Divergenz meiner Befunde mit der Darstellung von
Stbosu; die jungen Axencylinder Hessen in den SraoBBB'schen Präparaten eine dünne
Google
680
die Zahl der feinen Aienoylinder mit der Ausbildung der Skl^ose ste^ za*
nimmt oder ob die Regeneration in einem gewissen Stadium stehen bleibt^ konnte
ich nicht feststellen, loh darf nur s^n, dass jene Fasern bei voi^eschrittener
Sklerose am beeten zu finden sind.
Dass die Gliabalken bei der Herdsklerose sich verbreitern, anfangs homogen
aussehen und später aus feinsten Fibrillen zusammengesetzt scheinen, wurde
von vielen Autoren ausgesprochen (so von Zeitkeb, Sohülb, Buohwald, Chvostbk,
Chabcot, Letden, Erb, Feomahn, N. Weiss, Schultzb, Bibbert, StbOhpbia,
Borst). Aber auch meine Befunde treten nicht unvorbereitet in den Kreös der
Litteratur ein. Golbsohbibbr veröffentlichte 1896, dass er in «nem fWe
frischer Berdskleroee zahlreiche verdünnte Nervenfasern antraf. Er hat
vorzfigliohe Zeichnungen dazu gebracht (Figg. 2, 3 und 4 seiner Pnblicationen
decken sich vielfa(ffi mit meinen Präparaten), worauf man normale und wr-
gTösserte Azencylinder mH färbbarer (Carmin) Markscheide sieht; auch bebt er
„die zahlreiehai verd^^ten Fbserungsquerschnitte^ welche alle Ueborguage bis
zum kleinsten Axencyhnder aufweisen**, hervor. Er deutet die firnen Nerven*
fasen als solche, welche die Schwellung — „Qneliungsprooess“ — bereots dnreb*
gemacht und die Compreesicm überstanden haben; während andere Nervenfasern
dabei zu Grunde gehen, sind diese gerettet worden — „wenn auch immerhin
die M^lichkeit gelassen werden muss, dass einzelne neugebüdete unter fluMO
sein könnten“. Mir erschänen gegen eine solche Auffassung zwm gewiebäge
Bedenken (die ich bereits an fr^erer Stelle erwähnt habe): Noch Niemand
vorher hat auf Rückenmarkequerschnitten Uebergänge von gesdiwoUeneo zu
dm feinsten Nervenfasern beschrieben, weiter spricht die Menge der voilumdenen
Faserqoerschnitte dag^en, dass es sich nur um zusammengedräckte, prä-
ezistirende Nervenfasern handelt^ Prof. M. Popoff machte 2 Jahre v<uha auf
Grund einer neuen Färbungsmethode die bedeutsame Mittheilung aus dem
FLBOHBio’schen Laboratorium, dass die sogenannten BindegewebszOge zvris^en
den Nervenfasern „nur Yeränderung^roducte der Nervenfasern selbst smd**;
leider feUen seiner Publication Abbildungen. Neben „zerfallenden“ Markscheideu
und Nervenfasern beschreibt er an einigen ^ledlen der Präpamte „eigeoUiüm*
liehe, aus feinen, parallel geordneten Fasern bestehmde Bündel, welche kaum
anders als regenerirte Axencylindm zu betrathten sind“; audi behauptet er, es
finde bei der multiplen Sklerose gar keine Bindegewebswueherung, bezw. ObS'
Wucherung statt, vielmehr verlieren die Gliazellen ihre Fortsätze nnd terfallm.
Seine Beobachtung bezüglich der Neuroglia kann i<h nicht bestätigen; jeder
Längsschnitt überzeugte mich, dass die verdickte Zwisobensubstanz ein Btroo»
Markscheide erkenoen, dieselbe zeigt sich an Anilinblaa-Fraparateo als schmaler blaasblaner
Saom, war „jedoch mit WsieBBT’scher Färbnog schwerer za erkenneiT. Jens Fasern in
aeinen Znpfpräparaten, die ich als dhnne Azencjlinder aosah, hattai fest niemals doppelU
Contoar; ich färbte entweder nach Wbiosbt-Pai. oder alt Ammoniakcarmin.
> Andeotangen dieeer Besebreibong finden sich auch bei ÜNOsn.
’ Es fiel mir anf, dass Bobst, der 1 Jahr daranf eine nmfangrmdie, vorzl^licb^ di«
ganse Litteator einbeziehende Mon<^aphie Ober den G^nstand schrieb, diesen originellea
Britrag GotnsoBnnan’s gar nicht berBeksiohtigt hat.
Google
631
feinster, gltozender, geschwnngener Fasern entb<, die durch kein Merkmal an
markhaltige oder marklose Nerrenfosem erinnern. Die Faserhündel Popoff’s
habe ich an meinen Präparaten nicht gesehen, das könnte darin seinen Grund
haben, dass ich nur CÜmin- oder WBioEBT-PAL>Färbung angewendet habe,
und andererseits meine Präparate auseinander zupfte; auf den Rückenmarks-
qoerschnitten erwartete ich eine den PopoFF^schen Faserbnndeln entsprechende
Federung, konnte aber eine solche Zusammenordnung kleinster Neirenfasem
nicht anffinden. Popoff emchliesst die nervöse Natur jener zu Bändeln ge-
ordneten feinsten Fasern, weil er an seinen Präparaten zuweilen markhalt^
Aienejtinder antraf, die sich an ihren Enden in 5—6 Fibrillen spalteten.
Weiubbt widei^raoh der Ansidit Popoff*s auf Grund seiner Keuroglia^bung
und h^ die Faserbfindel Ar Gliafasern. Mit der Färbung Popoff’s hat auch
Lapinset im Laboratorium Oppsnheik’s gearbeitet; er legte an Stellen von
Herden Längsschnitte an und sah darin feine Fäserchen in Längsrichtung,
„einige von diesen hllEillra sahen etwas diokw aus“. Ich entndune dieser
Bemerkung, dass er feine Axen< 7 linder inmitten des Gliafaserfilaes gesehen hat;
eine Deutung dieser „etwas dickeren“ Fibrillen vermisste in seiner Aib^
Er behauptet gleich Popoff, dass die Zwischensubstanz bei der multiplen
Sklerose gar nicht veiaiehrt sei, ferner dass die zahlreichen feinen Fasern aus
einer faserigen Metamorphose dw Markscheiden bm(^hen. Ich fand den
Contour der Markscdietden in meinen gezupften Längsschnitte nimnals glatt,
sie waren stets faswig, und zwar sowohl bei normalem Bfiokenmarke, wie bei
der multiplen SMerose; diese Aufiaserung der Markscheide kann darum nicht
der Grund für den fibiBlären Anfban des verdickten Stötzgerfistes bei der mul¬
tiplen Sklerose sein. G^en die Behaoptungen Lapifskt’s kehrte 8i<^ bereits Bcrnsx.
Da ich durch die Färbung nach WniosnT-PAii Veränderungen an den
Marteoheiden und eine ungewöhnliche Fülle von kleinoalibrigen FaserqtiMSohnitten
faa6, wo no<di keinerlei Wucherung der Glia constatirbar war, enthalten meine
Befunde eine Bestätigung für die Meinung von Adaheibwioz, Kbawwb, Popoi7,
Tatlob, Lapinset, 0. Hubsb, Redlich, dass Veränderungen an den Nerven-
elementen das Primäre seien, indess die Vwänderungen im interstitieUen Gewebe
nadifolgen.*
In Bezug auf Gefassveränderongen brachten meine Präparate keinen wesent¬
lichen Beitrag. Ich fand in meinen 5 Fällen die grossen Gefasse gewöhnlich
stark gefällt, ihr Lumen erw^eit und die Wandungei infiltiirt*; nur selten
waren me UBveräBdert*, aber leere und zarte Capillaren traf ioh selbst inmitten
^ Den entgegengesetzteQ Standpnokt vertreten Lbo, Claos, Zbwkbb, BuoHWALn,
CnvoKUK sen., EnnijN, Cbaboot, Lbtdeii, Pützab, Ekb, Fbommaiw, Bohultzb,
WBBDNia, ÜBTHOFP, BoflSOLDfO.
* Wie es bereite von ItaimFLnieoH, Babbwikkb., Sohülb, Bvohwald , €hto6Tbk sen.,
Bxrlin, Potzab, Ebb, Westphal, Ganv, Sohültsb, Köfpbv, AnAmBwioE* Hnae, Bobs,
Popopf, 0. Hobbb. GoLDecHBiDBB beeohrieben worden.
• Fälle ohne Verändening der Gefiwee emd dvob Bcohwali), Jollt, Fboujunv,
Tatii<s bekannt geworden; eolobe mit theilweise unveränderten Geßaeen von Rbdlioh
und Bobst.
Google
632
ausgebildeter Sklerose^, allerdings gab es auch innerhalb intacter Bückenmar^
partieen infiltrirte Gefässwandnngen der Gapülaren, Voroapillaren und selbst
grösserer Arterien (Art. iuterfunicularis, Art. fissnrae, Art. corp. com. post).
Die perivasculären Lymphscheiden waren mitunter erweitert, mit Pigment nnd
Blutkörperchen gefüllt* Einen merkwürdigen Befund e^b ein Fall: ich be¬
obachtete am Querschnitte des Brustmarks iimerhall) eines Hinterstranges einen
schmalen, streifenförmig entwickelten Herd, welcher der Länge nach von der
Art interfunicularis durchzc^n wurde — die Sklerose hatte sich also entlang
dem Arterienverlaufe entwickelt* Längsschnitte ergaben, dass dieser Herd der
obere Pol einer sich nach aufwärts allmählich verschmälernden diffusen Sklerose
ist Auf Grund dieser Eigebnisse getrane ich mir nicht, zur Frage über die Be¬
deutung der Gelasse bei der Entwickelung der Sklerose Stellung zu nehmen.*
Nebst dem Zerfall nnd Tollständigem Schwunde, der blasigen Quellung
und protoplasmatiscben Umwandlung der Markscheide sind an dem axialen
Bande selbst vielfache Veränderungen wahrzunefamen. Man sieht einzelne Axen-
cylinder (am besten bei den gezupften Längsschnitten der Garminpräparate)
stellenweise angeschwoUen andere geknickt oder innerhalb der varicöeen Mark¬
scheide wie eine Wellenlinie verbogen.* Ich erwähnte schon bei der Schilderung
eines Querschnittes von b^:innender Sklerose, wie die Zahl der grossen Nerven¬
fasern im Gesichtsfelde verringert und die Stelle der fehlenden von einer Fülle
kleiner Nervenfasern eingenommen ist Noch deutlicher sieht man gelegent¬
lich an gezupften Stücken eines LängsschniUes, dass in den Reihen der parallelen
und dicht neben einander laufenden, breiten, rothen Streifen (nackte Axen< 7 linder)
Lücken vorhanden sind. Es ist also festgestellt, dass einzelne Aiencylinder
schon im Anfuige der multiplen Sklerose verschwinden*; darin sehe idi die
Bedingungen für das Intentionszittem. Da das Zittern bei der multiplen Sklerose
an den Innervationsact geknüpft ist, muss eine Störung desselben vorliegen; die
Störung kann durch den Ausfall einzelner Fasern der psychomotorischen Bahnen
g^eben sein. Bbücee hat auf Grund von Thierezperimenten und Beobach¬
tungen am Menschen darüber Au&chlüsse gebracht, dass der Muskel bei will¬
kürlichen Bew^^ungen nicht in allen seinen Thälen gleichmässig innervirt wird,
* De^leiehen tob Hbsb.
* Warden saoh tob Chaboot and Bobst benohrieben.
* Dieser Befand entspricht einer (allerdings geneialUirenden) Behaaptang Gbbib’s dass
man die Sklerose nar an solchen Stellen antriÄ, wo normaler Weise grössere Gefasse aaf>
treten.
* 0. Hobbb kam über die Inoongraens der OefassTeränderangen dnrch die Annahme
hinweg, dass die Erkrankang der Gefäese rQckbildangsfahig sei
' Vor mir haben schon Ebobssbb, Sohülb, Erb, FsoiauKir, Wbisb, Sohultbb.
Köppxn, Cbakbb, Hbss, Uhthoff, Popoff dies beobachtet.
* Äehnliche Beechreibongen finden sich bei Adaxubwioe, Pofoff.
^ Aehnlieb sprechen sich aaoh IjBtdbv und Goldbohbidbb ans; Befände TÖUigen
Unterganges haben nnter vielseitigem Widerspruche Ledbb, Jolbt, Kblp, Chtostbk aeo..
Ribbbbt, StbOmpell, Fbibdhabm, Opfbmbui, WBBDRie, Bobst bebaaptet
D g ii/od oy GOO^ IC
633
sondern dass die einzelnen Faswn derselben zmn Zwecke einer Bewegung in
rascher Aofeinanderfolge — aber zu verschiedenen Zeiten — sieb contrahiren
(Entladongen nach Art eines Pelotonfeuers^). Nehmen wir an, dass in einem
bestimmten Momente beispielsweise ein Viertel des Muskelquerschnittes zur
Contraction kommen sollte, im nächsten Momente ein anderes Viertel. Nun
bleibt in dem Viertel, das sich eben verkörzen soll, eine Anmhl yon Fasoikeln
w^n des Ausfalles einzelner Leitungsbahnen ohne Impuls, so dass die £raR;
des sich zusammenziehenden Muskels schwächer werden muss. Das hat zur
Folge, dass die Componenten für diese Bew^ng vorübergehend aus dem
Gleichgewichte kommen, dass die Bew^ng dadurch die Gleichmäsaigkeit und
Ihmdung verliert, dass sie ruckweise und unterbrochen au^führt wird — also
das Bild des Intentionszitterns entsteht Durch Störung der Contraction inner*
halb der einzelnen Muskeln erkläre ich mir das Intentionszittem, während
Ataxie erst durch Alteration der Muskel^e^een, des geordneten Zusammen¬
wirkens mehrerer Muskeln oder Muske^mppen erzeugt wird. Die Ursache für
die letztere suche ich auf Grund von Untersuchungen ZüCKKEKAimL und Ebben’s
in Herden oberhalb des Bückenmarks. Im Gegensätze zu Stbümi’Bll, Bbuns,
0. Hübbb halte ich den B^^iff des Intentionszittems und der Ataxie auseinander
Chabcot* war der Erste, welcher die Beobachtung mittheilte, dass die
isolirten Axencjlinder sich mit neuen Markscheiden’ umgeben können, dass die
Möglichkeit einer Bestitutio ad integrum gegeben sei; Chaboot verwendete seine
Beobachtung, um sich den Ausfall der secundären Degeneration^ trotz der
Zerstörung von Axencylindem zn erklären. 8 Jahre darauf hat Popoff die
Begeneration der Axencjlinder behauptet Nun komme ich mit meinen Bildern,
die wegen der anffallend zahlreichen kleinen Nervenfasern aa eine Neubildung
von Axencylindem denken lassen. Eine solche Neubildung scheint mir besonders
geeignet, das anatomische Substrat für die klinische Thatsache abzugeben, dass
sich im Verlaufe der multiplen Sklerose ausgefallene Functionen wieder her-
stellen. Remissionen’ werden fast in jedem Falle beobachtet, sie betreffen nicht
allein die sensiblen Symptome, sondern auch Lähmungen der Blase und Mast-
dannstönmgen; selbst bedeutende Herabsetzung der Sehschärfe kann sich zurück-
bilden.
Benutste Litteratni:
Adaickibwioz, Ueber mult Sklerose. Berliner klin. Wocbenschr. 1886. S. 892. —
Derselbe, Die degeoer. Erkrankungen d. BQckenmarka. 1888. Stuttgart — BlawunuL,
’ Bis auf J. ▼. Eaxs (Zar Eenntnisa der willkärliohen Moskeltbätigkeit, du Bois-Rbt-
aoin’e Areh. 1866. Snppl. S. 1) wird diese Äoffassang Qberall acoeptirt
* Gaz. des höpit. 1886.
* Bestätignngen seines Befundes kamen von Mabib, andere sind bisher aasgeblieben.
* Seenndare Degeneration wurde bisher nur von wenigen Autoren beobaehtet: Wbst-
PBAn, Güduxh, Gbbiv, Sohultzb, StbÜhpbll, Webdhio, Uuthovp, Buss, Lapihsky,
Bokst.
* Dieseses Thema wurde zuletzt von C. S. FftBUim monograpbisoh bearbeitet.
D g I ,:od oy GOO^ Ic
634
2ur liebre ▼on d. Herdsklerose xl s. w. Areb. d. Hdlk. >869. S. B90. — Bbldi» Beibr.
sor Lehre t. d. malt. Hirn* n. BttokeamarkssUeroee. Deatscbes Areb. f. klin. Med. 1814.
6d.XlV. S. 1S8. — BbCoeb, Heber willkbrlicbe und krempfbafte Bew^ag. Sitsongsber.
d. d. Wissensoh. 1871. Bd. LXXVl. — Bbitns, Zur PatboL d. malt Sklerose. Ber¬
liner klio. Wocbenscbr. 1888. — Boohwald, üeber malt Sklerose d. Gehirns o. BGek.
Deatsches Areb. f. klin. Med. 1872. Bd. X. S. 487. — Bass, Beitr. sor Aetiol. a. PatboL
d. malt. Sklerose. Deatsches Aroh. f. klin. Med. 1889. S. 559. — Chaxoot, Klin. Yptit.
öber Erankh. d. Nerrensystems. 1874. Dentseb ron Fbtzbb. Cbtostbe sea., Zor Keaat*
Biss d. Herdsklerose a. s. w Wiener med. Presse. 1874. Nr. 5—29. — Derselbe» Beitr.
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Bewegongon (aaf GTaDdLT.Unter 80 oh.BmLebendeo}. Wiener klin. Woohensebr. 1898. Nr. 1.
[Aas der medicin. Klinik (Prof. Ens) und dem patbolog. Institat (Prof. J. .Abnold)
zu Heidelberg.]
2. Mnskelatrophie bei multipler Sklerose.^
Von Prir.-Doc. Dr. L. Brauer.
Durch die grosse Reibe der Arbeiten Aber multiple Sklerose zieht sich wie
ein rother Paden die Angabe, dass das klinische Bild dieser Erkrankung in den
aller Terschiedenartigsten Formen sich ze%en kann. Schon Chasgot and seine
Mitarbeiter haben mit Nachdruck darauf hii^ewiesen. Mehrere der Cardinal-
symptome können fehlen, es können sich die einzelnen Störungen in den ver-
sebiedensten Spielarten nnd Combinationen zeigen. In den Anfongsstadien der
Erkrankung aber fehlen eiuzelne Symptome, soweit man bisher das Kraukheits-
büd übersehen kann, fast stets; besondem sind hier Muskelatarophieen zn nennen,
eine XhatBaohe, die um so aufföUiger ist, als Störungen der Motilität im All*
gemönen das Krankheitsbxld in allen seinen Stadien m beherrschen pflegen.
Ln Nachfolgenden sei daher kurz über eine multiple Sclerose berichtet,
welche 23 Jahre auf der Heidelberger Khnik in Beobachtung war und gerade
deswegen der richtigen klinischen Beurtheilung die grössten Schwierigkeiten
entgegensteUte, weil neben dem völligen Mangel des für multiple Sklerose
pathognestischen Symptomenoom^exes eine frühzeitige und später sehr
hochgradige Muskelatrophie an den Händen und Armen im Vordergründe
der Erscheinungen stand.
Bei der zuvor stets gesunden 23j&brigen Katharina Frank entwickelte sich im
Jahre 1871 unter geringfl^igen Parftsthesieen in 7 Wochen eine ansgesprocheoe
Atrophie der kleinen Handmaskeln. Dabei bestand Schwäche der Vorder-
ttd OberanM^ an denen die Moskeln normal ernährt waren. Die Erscheinnagen
waren r.~7h» 6ie hatten auch in den atrophirten Maskeln keine ccm^lete Paralyse
mtetehen lassen. Die Sensibilität, die Beine and Sphincteren waren vöUig
* Nach einem Vorträge, gehalten aaf der WanderrerBammhiog sQdwestdeatBober
Nearo!<^en and Irrenärzte zu Baden>Baden 1898.
Google
636
normal. Als Nebcnbefund ergab sieb Mitralinsufficienz und chronische Bronchitis.
Die Fat. war sehr deprimirt und gab als mögliche Ursache ihrer Elrkrankong
schwere ermfidende Landarbeit an.
Als Diagnose wurde progressive spinale Muskelatrophie angenommen
und eine galvanische Behandlung eingeleitet, die im Verlauf von 6 Monaten von fast
completer Wiederherstellung der Huskelfunctiun und Muskelemährung begleitet
wurde.
Nach V 4 >lahr kam Fat. jedoch wieder zur Aufnahme; es war mit einer ementen
leichten Verschlimmerung an den H&nden jetzt zu einer Schwäche und Steifig¬
keit der Beine gekommen. Auch an diesen war die Affection rechts stärker
als links.
Die nächsten Jahre liessen die Symptome bald schwächer, bald wieder stärktf
auftreten; es wurde allmählich immer mehr die linke Seite von den Störungen be¬
troffen.
Im Jahre 1875 befanden sich bei der kräftig gehanten und gut ernährten
Fat die Unterextremitäten in spastischer Farese mässigen Grades; sie
zeigten keine Atrophieen und nur subjective Sensibilitätsstömngen.
Die Bauchmuskeln und Sphincteren functionirten normal.
Die oberen Extremitäten waren geschwächt, zu feinerer Arbeit ungeschickt,
ermOdeten leicht, zeigten Farästhesieen, schwach entwickelte Sehnenreflexe und jetzt
keine Atrophie, und zwar auch nicht an den kleinen Handmuskeln; diese waren
zwar nicht sehr mächt^, aber nicht atrophisch. Coordinationsstörnngen und
elektrische Veränderungen fehlten. Die Gehirnnerven functionirten alle ganz
normal.
Die Fat klagte nur Aber Schwindelgeföhl. Sie kam 1876 nngeheilt zur Ent¬
lassung. Eine sichere Diagnose wurde nicht gestellt; man dachte an die inzwischen
von Chabcot genauer beschriebene amyotrophische Lateralsklerose, auch an
chronische Myelitis.
Im April 1882 trat die Fat. dann von neuem in die Klinik und verblieb jetzt
dort bis zu ihrem 1894 erfolgten Tode. Es war ihr allmählich unmöglich geworden
zu gehen, dann auch zu stehen, der linke Arm war fast ganz gebranchsunföhig, sie
hatte aller Art Farästhesieen, leichte Sehschwäche, mässige Blasenstörongen und
auch znnehmende Herzbeschwerden. In den Beinen war es bei relativ gut erhaltenem
Muskelvolumen zu fast completer Farese gekommen, die ihren spastischen Charakter
aber auch jetzt noch erkennen Hess. Die oberen Extremitäten waren wieder sehr
geschwächt, zeigten sehr ausgeprägte Atrophie in den kleinen Handmuskeln und
zwar jetzt links > rechts.
Die Erkrankung zeigte sich anch in der klinischen Behandlung progressiv. Fat
bekam weitere Abnahme des Sehvermögens, leichte Gesicbtsfeldeinengung und fiberaus
heftige Farästhesieen in Gestalt von Brennen. Psychische Erregung lieea die
Gesichtsmusknlatur in heftige Zuckungen gerathen; im Qbrigen fehlen sobjective oder
objective Störungen an den Gebimnerven.
An den oberen Extremitäten, die hier besonders interessiren, bestanden in den
letzten Jahren gelegentlich Zuckungen, leichte Hypalgesie, wechselnde, sehr heftige
Farästhesieen, An umschriebener Partie des rechten Vorderarmes wurde
mehrfach stärkeres Schwitzen beobachtet.
Die Schulter und Oberarmmuskeln waren mässig geschwächt, zeigten zum Theil
geringe Spannungen, aber keine Atrophie; diese trat schon deutlicher an den Vo^de^
armen zu Tage und war am stärksten ausgepr^ in den kleinen Handmuskeln.
Dieselben waren schlaff, stark atrophirt, aber nicht völlig geschwunden,
daher z. B. auch Fii^^erspreitzen, sowie Opposition des Daumens auf der rechten
Seite noch mit geringer Kraft möglich. Der Schluss der rechten Hand zur Paust
geschah in leicht tonischer Weise. Links war es zu weit stärkerem Muskelschwunds
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637
gekommen; es bestand ausgesprochene Erallenhand, die nicht villkfirlieh, sondern
nur passiv zu lösen war.
Die Sehnenreflexe an den oberen Extremitäten, die vor Jahren stark herab¬
gesetzt waren, erschienen jetzt rechts normal, links sogar gesteuert
Die Huskelerregbarkeit war herabgesetzt, es bestanden zeitweise fibrilläre
Zacknngen, keine gröberen Sensibilitätsstörungen.
Auch an den Unteracfaenkeln tixt allmählich bei harter Consistenz der Muskeln
eine mässige Atrophie zu Tage.
Dieses Bild wurde vorfibeigehend noch einmal durch die Erscheinungen einer
flfichtigen Bulbärparalyse unterbrochen.
Es hatte sich 1890 nach einer Influenzainfection eine Schlucklähmnng und
leichte Facialisparese herau^ebildet, doch ging dieselbe unter Strychnininjectionen
bald wieder zurftck.
Zunehmende Herzschwäche brachte den Tod.
Die Diagnose war bis zum Schlüsse offen geblieben; man hatte zuletzt speciell
auch wegen der überaus heftigen Farästhesieen an Syringomyelie gedacht und
daneben an eine complicirende Hysterie.
Die Section ergab den überraschenden Befund einer multiplen Sklerose
des Oehirns und des Bückenmarks. Die Yorderhömer erschienen in der
Cervicalanschwellung geschrumpft, die graue Substanz machte im ganzen einen ver¬
änderten Eindmck.
Zur mikroskopischen Untersuchung wurden mir das Centralnerven¬
system, mehrere Spinalganglien, zahlreiche periphere Nervenstückchen,
sowie Muskeln, in Müller’scher Flüssigkeit conservirt, überliefert Ge&rbt wurde
nach Weigert, van Qieson und mit Hämatoxylin. In allen Abschnitten des
Centralnervensystems fanden sich in launenhafter Vertheilung die typischen, vielfach
beschriebenen sklerotischen Herde. Im oberen und mittleren Halsmark waren
dieselben besonders stark auch ln der grauen Substanz entwickelt
Bringt man die Herde ans den verschiedenen Höhen zur Deckung, so erscheint un¬
zweifelhaft der gesammte Bückenmarksquerschnitt betroffen; dennoch findet sich
keine Spur von secundärer Degeneration.
Anffallenderweise traten die Sklerosen gerade in den untersten Abschnitten
des Halsmarks, wo wir sie nach den starken Dystrophieen an den kleinen Hand-
mnskeln vor allem erwarten mussten, sehr zurück. Im oberen Abschnitte des
7. Cervicals^ments ist nur noch eine geringfügige, fast symmetrische Läsion im
Bereiche der Yorderseitenstränge zu finden. Die graue Substanz ist nur noch in
der äusseren Partie des sich hier herausbildenden Seitenhoms mit in den Herd
hineingezogen. Im 8. Cervicalsegment erscheint dann nur noch diese linke Seiten-
homspitze als ganz kleiner Herd erkrankt (links waren auch klinisch die stärkeren
Erscheinungen). Das 1. Dorsalsegment ist intact Nach abwärts findet sich noch
im 6. Dorsalsegmente und dann im Lenden- und Sacralmark Sklerose.
Ueber die Yorderhornzellen geben unsere cbromsalzgehärteten Präparate ja
keinen sicheren Aufschluss. Eine grosse Zahl der Zellen lässt jedenfalls nichts Ab¬
normes erkennen. Ferner finden sich zahlreiche Zellen, deren Kern unregelmässig
geschrumpft und dunkler ge&rbt erscheint; wir haben hier wohl den aus den Nissl'-
sehen Bildern bekannten Zustand der Chromophilie vor uns, somit wahrscheinlich
eine Zellverändernng durch Beagenswirkung. Daneben findet sich aber auch eine
nicht unbeträchtliche Anzahl von Zellen in stark geschrumpftem Zustande
mit undeutlichem oder fehlendem Kerne; diese Zellen sind mit ziemlicher
Sicherheit als abgestorben anzuspreebeu. Auffallend stark ist die Pigmentanhäufung
in den meisten Forderbomzellen: es Überschreitet dieser Befund selbst das Maass
dessen, was man bei Greisen zu sehen bekommt. Eine Prädilection dieser an den
,:,.-.vGoOglc
6 d8
Zdlen SD erhebenden Blonde für die mehr odm* weniger ^erotiechen PerUeeo dw
graoen Substans konnte ich nicht nachweisen.
Verdickong der öef&sewande nnd hyaline Degeneration derselben
findet sieh Tiel&eh, nnd zwar beaonders, wenn auch nicht ansechlieaslich in den
sklerotiflchen Herden.
Die extramednllären Wurzeln, die Canda eqnioa, sowie die Spinal*
ganglien mit den ein* nnd aoastrahlenden NerTenbftndeln ze^^en gleich wie die
peripheren Ner?en einen geringen Faserausfall.
In den peripheren Nerven sind zwar in DegMeration b^iffene Markscheiden
nicht nachzQweisen, vielfach aber findet man die einz^en Faeem dnrch Binde*
gewebeanh&nfnngen soweit anseinandergedrftngt, dass man bereebtigt ist, hieraus anf
den Schwund von Nervenfasern zu sohliessra. Es ist dieser Befand nicht nnr
in den Nervenstämmen der Arme zu erheben, sondern anch an den feinen Mn^el*
ästchen. An diesen im Weigert*Bilde sehr hübsch nnd dentUch ge&rbten Nerven*
ftstchen finden sich mehrfach derar^e Stellen, die auf den Schwund einzelner Nerven*
fasern scbliessen lassen.
Die in ihrem Volumen stark redncirten kleinen Handmnskeln boten mikro*
skopiseh in ansgeprfigter Weise stets nnr das Bild einfacher, nicht degenerativer
Atrophie. Die Muskelfasern sind ziemlich beträchtlich verschmälert, zeigen nnr
hier nnd da mässige Kemvermebrnng, überall normale Qnerstreifnng bei nur spärlicher
Biodegewebsvermehmng.
Ei aof der Hand, dass man nicht za dsr Diagnose einer nuütiplen
Sklerose neigen wird bei einem Krankheitsbilde, bei welchem Intentions*
tremor, Nystagmus, sowie Sprachstörungen völlig fehlten und
bei welchem die spastische Parese der Beine erst viel später einer
primär beiderseits die Arme und besonders die kleinen Handmuskeln
befallenden unoomplioirten M.uskelatrophie folgte.
Am ehesten hätte noch der mehrfache Wechsel in der IntensitU dar Er¬
scheinungen und die sprungartige Fortentwickelung des Leidens anf die richtige
Diagnose hinleiten können; vielleicht auch die anfängliche Depression.
Die flüchtigen bnlbären Symptome passten natürlich ebensowohl in den
Bahmen anderer Diagnosen. Ein Gleiches gilt von den quälenden Parästhesieen;
hier hätte vielleicht nur der Contrast zu den a nfällig geringen objectiren Gefühla-
stömngen anf die Diagnose hinweisen können.
Ueberbhcken wir die Litteratur, so zeigt sich, dass unserem Erankheits*
bilde nicht das Auftreten von Muskelatrophieen an sich den Stempel der Eigen¬
artigkeit aufdrückt Muskelatrophieen bei multipler Sklerose sind ein nicht allzu
seltener Nebenbefund. Sie trefien, wenn vorhanden, zumeist auch die kleinen
Handmnskeln oder das Peronensgebiet. Schon Chabcot* erwähnt derartige Fälle,
die in der Localisation und der Art des Auftretens der Mnskelatrophie durchaas
der progressiven Mnskelatrophie analog waren. Er fügt dem aber hinzu, and
lässt dieses auch in einer die Fälle genau beschreibenden Dissertation* sagen,
dass diese Atrophieen, die erst später sich dem Krankheitsbilde untermischten,
doch Ul begldtenden klinischen Symptomen als zur malUplen Sklerose gehörig
* Le^DB anr les mzladie« du syatöme □mvenz. S. 168.
* Timal, £tnd« Bor quelques oomplicatioDB de U scldrose eo plaqnes dusäoeiDte.
Tfa^ de Pmü. 1878.
Dig'V^ocI oy Google
630
za erkdnneii waren. Weiterhin werden Muskelatrophieen erwähnt in den von
JoLLT^, Ebstein ^ Lbube’, SchüIiB^ ßnoBWAiiD^ Orro^ Emgbsseb^ Dbje-
BiNB^ and endlich t. PtTBss^ beschriebenen Fällen. Der Fall y. Pit&bs ist
von allen diesen insofern noch der prägnanteste, als hier die Muskelatrophieen
relativ stark herrortraten. Aber aach hier setzten dieselben erst im zweiten
Eiankheitej^u» ein and waren von deatliohen Sklerose^mptomen bereitet
ln dem ans vorli^enden Falle copirte die multiple Sklerose im Be^^nne
völlig die progressive Muskelatiophie und später in hohem Maasse die sog.
amjrotrophische Lateralsklerose. Erst im weiteren Verlaufe traten änzelne
Momente hinzo, die eventuell auf die richtige Diagnose hätten hinweisen können.
Auf diesen Beginn mit unoomplicirter Muskelatrophie möchte ich
daher in dem beschriebenen Falle den Nachdruck legen, viel
weniger auf den späteren starken Ausbau dieses die Scene er¬
öffnenden Sjmptomes.
Die gefundenen d^enerativen Verändenmgen im Nerven^tem stimmen
recht gut zu den intra vitam beobachteten Functionsstörungen. Zwar sind es
nicht die gröberen sklerosiiten Herde, welche für die vorhandenen Atrophieen
verantworUich zu machen sind. Es erschienen vielmehr diejenigen Bückenmarks-
qoersdinitte, in welchen die trophiscben Centren für die kleinen Handmuskeln
zu soeben sind, relativ gut erhalten, sie zeigen aber doch neben Zollverände-
rongen kleinere Herde. Es mag die räumliche Beschränktheit dieser Verände-
mögen, auf welche wohl die aufänglichen Störungen zurüokzuführen sind, die
Ursache dafür gewesen sein, dass nicht gleich von Beginn spastische Parese an
den Unterextremitäten auftrat
Der Umstand, dass sich neben abgestorbenen Zellen eine grosse Zahl sehr
wahrscheinlich g^nder Zellen fand, mi^ die Erklärung dafür abgeben, dass
an den peripheren Nerven nur so relativ geringe Verändernngen sich zeigten,
dass auch die stärker atrophirten Muskeln nicht völlig degenerirten und fast
alle noch einer gewissen Willkörbew^ng fähig waren.
Periphere Nerven sind bei der multiplen Sklerose bisher noch nicht oft
aotersucht worden, und wenn untersucht, dann intact gefunden, z. B. von
Bartsch. ln diesem Falle hatten aber auch keine Muskelatrophieen bestanden.
Wenn in unserem Falle frischere oder überhaupt sichere, einen Nerven¬
zerfall beweisende Beftmde nicht zu erheben waren, so darf dieses nicht Wunder
' Arch. f. Payob. ßd. III. S.711.
’ Deutsches Arcb. f. kliu. Hed. 1872. Bd. IX. S. 528 and Bd. X. S. 595.
* Ebenda. 1870. Bd. VUI. S. 1.
« Ebenda. 1870. Bd. VII a. VIII.
^ Ebenda. Bd. X. S. 478.
* Ebenda. Bd. X. S. 5S1.
* Ebenda. Bd. XVII. 8. 556.
* Revue de nidd. 1884. S. 193.
* Revue menauelle. 1877. Nr. 12.
üeber einen Fall von herdweiaer Sklerose des Centralnerveosystems. Dissertation,
ist}. Heidelbe^.
Dig :i^cd cy Google
640
Dirnen. Es sind längst abgelaufene, vieUeicht 23 Jahre alte VeranderongeD,
die sich unserer Untersuchung darbieten; da ist längst alles Zer£allsmatenal
geschwunden und nur noch geringe secundäre, Tielleicht schon stark wieder
zuruc^ebildete Stützgewebsveränderungen oder unscheinbare Lücken Terratbeu,
dass dereinst sich dort ein krankhafter Process abspielte. Dass sich im pen>
pberen Nerven ni(üit etwa Processe abspielen können, die der inselförmigeQ
Sklerosirung des Centralnervensystems panülel zu setzen wären, ist bei dem
Mangel einer Glia an sich schon sehr wahrscheinlich (Reduob).
Es möge der Hinweis die Mittbeilung beschliessen, dass in dem besprocüienmi
Falle, der so vielerlei Abweichendes und Irr^uläres darbot, sich endlich audi
noch eine umschriebene Aenderuug in der Schweisssecretion &nd; es
ist dieses Yorkommniss bei der in Rede stehenden Erkrankung bisher nodi
nicht beschrieben worden.
3. Zur Färbung der Ganglienzellen.*
Von Dr. Friedrich liuithleu in Wien
und
Dr. Josef Sorgo,
Hospitant an der Hl. medicinischon Klinik in Wien.
Nissl’s Ganglienzellenlarbung bat leider Härtungsmethoden zur Voraus¬
setzung, welche für andere ebenso wichtige Untersucbuugsmethoden des Central-
nervensystems nicht angewendet werden dürfen. Nach Aikoholhärtung geht
die Structur des Markes so vollständig verloren, dass weder eine Markscbeiden-
farhung, noch eine gute Bindegewebsfarbung mehr m^lich ist. Bei Hmiung
in Formol kann eine länger dauernde Cbromirung der Schnitte bei Bmtofen-
temperatur zwar die Markscheiden färbbar machen, aber die Nachtheile der
Formolhärtnng hinsichtlich der MABcm’schen D^enerationsfärbung, welche an
so behandelten Präparaten viel schwerer und meist gar nicht gelingt, hebt d^
weiteren Vortheil derselben wieder auf, dass sie die Anwendung von Niraii’s
Zellförbung gestattet. Auch MüiiLEB-Formolhärtung, welche sehr schön die
Granulationen darstellen lasst, ist für die MASOHi’sche Methode kein ganz ge¬
eignetes Härtuügsmittel.
Es ist ferner wohl kaum nöthig hervoizubehen, dass man durch Einlegen
verschiedener Theile des Nervensystems in verschiedene Härtuugs&üsaigkeiteD
oft nur unvollkommen zum Ziele gelangt, besonders bei local besohrankteD
pathologischen Processen. Am fühlbarsten macht sich dieser Uebelstand bei der
MeduUa oblongata geltend.
Der Vortheil der nachfolgenden Methode liegt darin, dass ihre Anwendbar¬
keit ziemlich unabhängig von der Härtungsmethode ist; vornehmlich darin, dass
‘ Von Dr. J. Soboo am 20. April 1898 im Wieoer mediciDucheo Elab demoiutrirt.
Dig v/od Oy
Google
641
aie aach an in MÜLL^’sdier Flüssigkeit oder in Chroms&nre gehärteten
Präparaten die Daistellnng der Nissl’ sehen Oanglienzellengranulationen ge¬
stattet
Die angewendete Farbflfissigkeit ist Unna's polychromes Methylenblau, von
UxMA in die d^matologisch-histologisohe Technik eingefährt und daselbst aus¬
gedehnte Anwendung findend.
Dem VersQche, anf die verschiedenen von TJnka mittelst dieses Farbstoffes
nadigewiesenm bindegewebigen und protoplasmatsohen Substanzen hin das
Centralnervensystem zu prüfen, verdanken wir die Entdeckung, dass dieser
Farbstoff bei Anwendung gewisser Differenrimngsmethoden die Eigenschaft hat,
die chromatische Snbstanz d« Ganglienzellenleibes zu tmgiien, und zwar auch
dann, wenn die härtende Flüssigkeit so beschaffen war, dass andere der bisher
gefundenen Methoden (mit Fuchsin, Nissl*s Methylenblau oder Thionin) zu
keinem Ziele führten. Wir konnten an in MOLLsn’scher Flüssigkeit erhärteten
Präparaten ebenso schöne Gapglienzellenbilder erhalten wie an Alkoholpräparaten
mittelst derselben oder einer der anderen Methoden.
Von den versdiiedenen von Unna zumeist angegebenen Differenzirungs-
meüioden haben wir die Differenzirung mit Unka’s Glyceiinätbeimischnng und
die Weiterdifferenzirung mit absolutem Alkohol als die geeignetste befunden.
Das Verfahren gestaltet sch folgendermaassen:
1. Härtung d^ Präparate in Alkohol oder MüiitiXa’soher Flüssigkeit oder
Formol oder MüiiUEn-FonnoL
Es ist selbstveiständlidi, dass behufe rascher Fizirung entsprechende Yer-
kleinemng des Pr^arates ein schnelles Eindringen der Elärtungsflüssigkeit er¬
möglichen muss.
Besuglich der Härtung in MüLLsn’soher Flüssigkeit sei nach unseren bis¬
herigen Erfahrungen noch hervoigehohen, dass die Dauer dieser Härtung 6 bis
8 Wochen betragen darf, dass aber eine übermässige Chromirung der Stücke,
bei welcher sie sehr dunkel werden und auch nach gründlichem Auswässem
Dodi dunkel bleiben, für das Gelingen der Färbung entscheidend ist Es genügt
dmser Zeitraum auch vollkommen zur entsprechenden Fixirung der myelinigen
Bestandtheile des Nervensystems, besonders bei kleineren Stücken. Jedenfalls
muss vor der Weiterhärtnng in Alkohol eine gründliche Auswässerung der Stücke
erfolgen, am besten durch 24 Stunden in fliessendem Wasser, welches die Ghrom-
säure und ihre Salze viel besser löst als Alkohol.
2. Einbettong in Celloidin oder Paraffin. Erstere Einbettungsmethode wird
der Harkscheiden^bung wegen an MüLLEB-Präparaten vorzuziehen sein. Mög¬
lichst dünne Schnitte.
3. Die Schnitte kommen aus Wasser in die Farblösung (polychromes
Methylenblau, Dr. Gbübleb in Leipzig) und verbleiben darin entweder 24 Stunden
bei Zimmertemperatur oder werden bis zur Entwickelung von Dämpfen über
di=m Wasserbade erwärmt
4. Abspülen der Schnitte in destillirtem Wasser. Zur entsprechenden
T j-rimTig des Farbstoffes und zur Erhöhung der Haltbarkeit der Präparate em-
41
'ig'H^cd Dy Google
~ 642 —
päeUt es sioh, die Schnitte dorcb 24 Stunden in dem einige Male gewecheeltoi
deetülirten Wassec zn belassen.
5. Die Differenzimi^ wird am beeten am Objecttrager Torgenommen.
Die dorthin übertragenen Schnitte werden abgetrodmet und mit Dkma’s
fliyfifl wnathflrmiao hnng (Df. Gbüblbb in Leipzig) übergssseDy welche man bis
znm Eintritte einer deutlichen makroskopischen Diffearenzining der grauen und
wmaaa Sobstaoz emwirken lässt (je nach der Di^ der Schnitte 8—15—
25i Secunden). Der Uebezschiiss wird abgegossen und der Schnitt mit Fütrir-
papier oder besser mit einem glatten Todie abgetrocknet
6i Mehrmaliges Uebergte^n mit absolutem Alkohol zur Entfernung des
Glycerinäthers und zur endgültigen üHfferenzimng. Abtrocknen.
7. Aufhellen in 01. origani, wobei durch mehrmaliges üebergiessen mit
demselben nnd Hin- und Heischwanken des Objectträgers für gründliche Ent-
fhmung des Alkohols gesorgt werden muss, was für die Dauerhaftigkeit der
Pt¶te Ton grosser Bedeutung ist Aus demselben Grunde darf bereits ge¬
brauchtes Oel nicht mehr verwendet werden.
8. Canadabalsam.
IXe Granula der Ganglienzellen und der Eemkörperohen derselben, sowie
die Gliakeme erhalten an Schnitten von Alkohol- oder Formolpräparaten einen
violetten, an gechrumten Schnitten einen mehr in’s Blaue gehenden Farbentcnn
Das Eemkorpmhen daneben häu% noch eine rotiie ftebennüanoe.
Bind^webe und Axencylinder färben sich blau, erfahrm aber an Alfc^ol-
psäpaiatSD ema fhst vollstftiHhge Entfärbung.
Nicht selten, aber ihconstant, werden an MCiiLeb- oder fbnnol-MOnx^B-
Fräparaten auch die Markscheiden roth-violett mit Yorherrsohen bald dhr einen,
b^d der mideren Farbe geftrbt. Diese ffiarkscheidenßrbung lässt sich sicher
• und viel intensiver, aber auf Kosten der G&i^enzellenfirbnng erzielen, wenn
man die gefart)ten und noch nicht difierenzirten Schnitte auf kurze Zeit (mehrere
Secunden) in eine schwache Va—1 ^/o Dösung eines Metallsalzes, Sublimat oder
Hatindilorid, übertragt. Doch gelingt die Färbung des feinen Markfimemetzes
in der grauen Substanz nie so schön wie mi Weiuxbt- oder WmoEBT-Pij«-
Piraparaten.
Betreff der Haltbarkeit der Präparate mochten wir noch erwähnen, dass
diejenigen unserer Präparate, welche unter Beobachtung aller oben für die Er¬
zielung entsprechender Dauerhaftigkeit angegebenen Gautelen angefertigt wurden
(Auswässern der gefärbten Schnitte durch 24 Stunden in Aqua destill., Ver¬
wendung von immer firischem, alkoholfreiem Origanumöl, gründliche Entfernung
des Glycerinäthers und des Alkohols durch ene^isohes Auswaschen mit Alkohol
bezw. Ol origani), nach mehr als ^|^ Jahren sich unverändert schön erhalten
haben.
DiQ'iii’od
Google
94 $
4. Zur Härtung des Centralnervensystems in situ.
Ton Dr. Hennann Pfister,
ABsiBtonzarzt der psychiatrischen KHnilr in Freiharg' L/B.
Soeben kommt mir im nenesten Hefte des Deutschen Aichiv fär klinieohe
Medioin* ein Ao^tz von Sadtcoh und Kattwiskbl zur Hand, in dem die
Verfasser nach Prüfung einer Methode Pibbbb MAitnta ihr Verfahren zur
Formolisirang des CentralnerrensTStems in situ angeb^. Während P. Mabib
am inneren Augenwinkel incidirt und von dort aus, der Medianwand der Augen¬
höhle entlang, dnndt die Fiss. sphenoididis neben dem Tnrkensattel dmi Troikart
einstösst, zogen es die Verfesser wegen der bm diesem Verfahren: oft eintretendeff,
entsteilenden AnsohweUnng in der Gegend der Augenlider yor, durch die Nase,
TAmiwa oribrosa, neben Crista galli ^nzustosB» nnd einzufÜUen, wodurch auch
die Basis der Frontdlappeb und die Temporalpole besser angehärtet werden sollen.
Ich selbst habe^ ohne Eenntmss des P. MABis’schen Verfahrens seit 1896
mich wiederholt mit Versaeben zur vorbereitenden Hartung des Gentralnerven-
^stems in situ abgegeben, bin aber aus äussmn Gründen zu einer Contiole
meiner verschiedaien Methoden an grosserem Material noch ni«^ gelangt. Am
lässlich der Veröffentlichung von Sahtton und KattwooxiIi möchte ich aber
doch einige Notizen darüber mittheilen.
Was die Lumbalinfasion (Irrigator oder grosse Druckspritze) anbelangt, so
kann man mit derselben, nach üblichem Einstich des Troikarts zwischen 3. und
4. Lendenwirbel, nach meiner Erfabrui^ mehr erreichen, als dies die citirten
Verfasser annehmen, wenn man die Leiche mit efhöbtem Becken, tiefem Ober¬
körper und Kopf lagert. Bei einer kindlichen Leiche gelang es mir, das ganze
Rückenmark, Oblongata, Pons und ^einhim sehr gut anzuharten. Das Gehirn
zellte nur Spuren von Formolwirkung, wahisoheinlioh, weil ich damals zu wenig
(110—140 ccm) Flüssigkeit verwendet hatte. Beflectirt man bloss auf das
Rückenmark, so ist die lumbale Methode weitaus ausreichend und lässt sich
auch vor allem in viel kürzerer Zeit ausfuhren, als die Anhartung des Rücken¬
marks vom Cranium aus.
Bezüglich der Gehimhärtung in sitn versuchte ich ein ähnliches Verfahren
wie P. Mabis, aber ich führte ddn ,4ünnen^< Troiksrt in dör Mitte des untereh
Orbitalrandes unter leichtem Empordrangen des Bulbus in der Richtung des
Caoalis in&aorbitalis nach hinten (Rückenlage der Leiche), wobei ihan leicht
durch die Fiss. orbitalis superior in den Arachnoidalraum in der Gegend der
Temporalpole eindringen kann. Vielleicht ist es dieser Abänderung des Weges
zuzasehreib6n,’ dfl8s kh nie wie SAn^xoM nnd Eaxtwinsel Oedem der Lider u. s. w
beobachtete. Besonders leicht gelingt die Methode bei Hydrocq)h. extemus.
Bei Hydroceph. internus gelang es mir ausserdem durch einoi kleinen Haut¬
schnitt beiderseits der Sa^ttalnaht, die Scheitelbeine, ca. 1—2 cm hinter Coronar-
41 *
* Bd. IX H. 4 Q. 5. S. 548.
644
naht anbohrend, die Ganüle senkrecht bis in die erweiterten Seitenventrikel ein-
znföhren, und — nach Aspiration des Ventrikelinhaltes — durch Iniusion der
Härtungsflüssigkeit Hemisphäre und Gentralganglien von innen anzuhärtem
Emstichrersnche unter dem Subocdput zwischen Atlas und Foramen
magnum (Planum nuchae ossis occip.) bei stark an die Brust gebeugtem Kopfe
(Bauchlage der Leiche), wobei die Ganüle 5—7 cm tief einzufOhren ist, hatten
in einem Fiobeversuche leidliches Resultat bezüglich der Anhärtnng von Hirn
und Rückenmark. Zur weiteren Nachprüfung fehlte es mir bisher an Material.
Es ist klar, dass man je nach Eigenart der Fälle und nach Absidit mit be¬
liebigen Gombinationen der einzelnen cerebralen und spinalen Methoden noch
bessere Resultate erzielen wird. Im Allgemeinen ist es nach meiner Erfahning
aber gut, eine Gegenöfihung für den Abfluss (im Bückgratscanal oder Schädel)
anzul^n und äusserst langsam einfliessen zu lassen, damit Gompressiozien
m^lichst vermieden werden. Wie Sainton und Eattwuskel benutze ich
4 Foimol oder 96 Alkohol ^ 90 Theile zu 10 Theilen Formol, da dann die
Durchdringung rascher erfolgt Auf die Yortheile der Härtung in situ bezüglich
späterer mikroekopisdier Untersuchung haben die genannten Verfasser schon
hingewiesen. Die Grösse dieses Yortheils kann besonders ermessen, wer auf
Erankenhausmaterial ai^wiesen ist, wo wegen ungünstiger äusserer Verhältnisse
oder spätem Eintreffen der Einwilligung der Angehörigen auf die Section oft
ein oder mehrere Tage gewartet werden muss.
n. Referate.
Anatomie*
1) De leer der neuronen toegepast op de anatomle der zintoigen, door
Dr. G. Jelgersma. (Fsychiair. en neuroL Bladen. 1897. Hai. Nr.2.)
Der anatomische Ban aller sensiblen und sensoriellen Organe ist nach dem
Verf. in ihrem ganzen Verlaufe von der Peripherie bis znm Centnun im Princip
ganz derselbe und speciell das Auge macht keine Ausnahme von den aUgemeinen
Principien, die für das Zustandekommen jeder Wahrnehmung gelten. Die Unter¬
schiede, die zwischen den verschiedenen Sinnesorganen bestehen, sind nur von secun-
därer Art und durch Nebenumstände verursacht worden. Alle Sinnesorgane sind
nach einem festen Plan gebaut, nach den Einzelheiten aber lassen sich 4 Gruppen
unterscheiden, die in einander übergehen:
1. Beim Geruchsorgan liegt allein das Neoroepithel an der Oberfläche, die
Ehidfasem desselben befinden sich bereits innerhalb des centralen Nervenapparats.
2. Bei der allgemeinen KOrpersensibilität in ihren verschiedenen Qualitäten,
beim Muskelgefühl und beim Geschmack liegt die Neuroepithelzelle an der Peripherie,
ganz ausserhalb des centralen Nervensystems, und die Verzweigungen des ersten
Neurons sind mit an die Peripherie gekommen, ausserhalb des centralen Nerven¬
systems.
Dig'H^cd z,' Google
645
3. Das OebOrorgan nnterscbeidet sieb im Princip wen^ von den vorbe^ebenden
Sinnesorganen, das erste Nenron ist aber viel mehr an die Peripherie gekommen und
dadurch bildet es einen Uebergang zn dem Auge.
4. Bei dem Auge kommen die Neuroepitbelzelle, das ganze erste Kenron und
ausserdem &st das ganze zweite Neuron an die Peripherie zn liegen. Es treten in
dieser ang^ebenen Beibenfolge immer grossere Theile des Nervenapparats nach
aussen und kommen an die Peripherie zu liegen.
Auf Grand dieser Anffassung kommt man fflr die Anatomie aaf einen Stand¬
punkt, den die Physioli^e schon Imige eingenommen hat, dam jede Entwickelui^
von Sinnesorganen eine Differentiation aus einem allgemeinen Gefüge ist, das unserer
al^emeinen EOrpersensibilit&t am n&chsten kommt Die Differentiation ans diesem
allgemeinen Gefltge und die Entwickelung ' jedes speciellen Sinnesorgans geschieht
nach der Yerschiedenbeit der äusseren Lebensumstände und nach dem Theile des
Körpers, der mit der Aussenwelt in Berührung kommt, gleicl^^tig ob dieser die
äussere KOrperoberfläche, das Ektoderm, ist, oder auch die Hohle eines eingestülpten
Oi^ans. Ueberall, wo der EOrper mit der Aussenwelt in Berübrui^ kommt, ist die
Gel^nhOit zur Entwickelung von Sinnesorganzellen gegeben und gleichzeit^ zur
Entwickelung des damit verbundenen und davon abhängigen Nervenapparats.
Walter Berger (Leipzig).
2) Indgalitd de poids des hemlaphörea oArdbrsux, par Bourneville. (Pro-
grOs mddical. 1898. S. 248.)
Als Beitrag znm ungleichen Gewichte beider Grosshimhemisphären veröffentlicht
Yerf. aus seinen in BicOtre geführten Aufzeichnungen einige, welche die grössten
Differenzen sieben.
Den grössten Unterschied von 320 g (rechts 240, links 560) zeigten die Hemi¬
sphären eines 15jährigen Psendoporeneephalen, der an linksseitiger Hemiplegie und
an epileptischen AnAllen litt
280 g Unterschied (rechts 465, links 185) fand man bei einem 21jähngen
Imbecillen, der an Epilepsie und rechtsseitiger Hemiplegie litt
Die Grosshimhemisphären eines 11 Jahre alten Alkoholisten, der an links¬
seitiger Hmnipl^e und epileptischen Insulten erkrankt war und Pachymeningitis
nebst Heningoencephalitis bei der Autopsie erkennen liess, zeigten eine Gewichts¬
differenz von 260 g (rechts 310, Hnka 570). Denselben Unterschied (rechts 460,
links 200) fand man bei einem 4 7sjährigen Idioten mit Sklerosen in der linken
Grosshimhemisphäre.
Bel einem 13jährigen Imbecillen mit rechtsseitiger Hemiplegie überwog die
rechte Hemisphäre (665), die linke (456) um 210 g.
Ein lOjähriger Idiot zeigte einen Unterschied von 222. g (rechts 477, links 255).
Sämmtliche Gehirne stammen natürlich von Imbecillen oder Idioten; fast alle
litten an epileptischen Krämpfen und zeigten post mortem Sklerose, Atrophieen und
chronische Yerändemngen an den nervüsen Häuten oder in der Sutotanz der Hemi¬
sphären selber.
Stets entsprach das Mindergewicht einer Hemisphäre der gekreuzten Eürper-
Seite, welche die Hemiplegie zeigte; den gesunden Extremitäten einer Seite stand
das stets grüssere Gewicht der zugehörigen Hemisphäre zur Seite.
Adolf Passow (Strassbui^ l/E.).
Google
646
Exjperimentelle Physiologie.
3) Ueber den oortioalen Urapvnng Aer dwrob AJaeynt& hervorgerafMeen
(fp^ptlgphen Ai^le bei ^ 1 lnd^I^> von Dp. Y. Ossipow. <0boeijenije
Psichi^riL 1^97. Nr. 12. [Baasisch.])
Da di# Uatersacbimgen Magnan’s Aber den Drspmag der epiL^>tia^ei An-
den derzeitigen Änscbannngen hwAber nidit entspneäieD, so antemabBi ee der
Y9f(. dieaplben sff popden, depen Absynthessenz (essence d'absinthe enltirde) ins
Blpt eingefAhrt zu prüfen. Die Yersophe helfen:
}. Unte^cbpeidung der beiderseitigen motorischen Bipdenregionen vAhreitd dea
PpUpptiac)tien srpduroh der Ap/'all immer nnterbrocbea wde, wenn nor die
Potprscbneidnng eipe vollständige war; wurde danach eine neue Portion Ab^th*
eseenz eipgefphrt, so baten nunmehr nur tonische ^rämpfe auf.
2. Unvollständige Entferoupg der motnpschen jßebiete, wobei die ErampfanBUle
nicht aufhCrten.
3. Yoll8täu4ige E^tirpstiop der beiderseitigen motorischen Bindengebiete vor
Absynthinjection. Durch nachfolgende Injectionen werden nur tonische ErämpfiB
hervorgerufen, während partielle Exstirpation des motorischen Gebiets bei nach*
folgender AbsyntblDjectipn sowohl clonische, als auch tonische Krimpfe auftreten lies.
4. Absynthinjection nach voraofgegangener beiderseitiger Exstirpation des
Temporalrindengebiets and des grössten Theiles des Occipitalrindengebiets, bewirkte
Status epUepticns, wobei die Erämpfe sich durchaus nicht von denen anvwaehrter
Binde nnterschieden.
Die Yersnche fahren den Yerf. zu folgenden Schlossen:
1. Es ist unzweifelhaft, dass die clonischen Erämpfe während des Apfalls bei
AbsjnthepUepsie von der motorischen Bindenregion abbängen, während
2. die tonischen Krämpfe nicht von der Binde, sondern von tieferliegenden Hirn*
centren abbängen, wobei die Binde, wenn überhaupt, nur eine sehr nebensächliche
Bolle in ihrer Entwickelung spielt. P. Hoizinger (St. Petersburg).
4) A forther expenlzneiit^ oontribntion tp the knowlpdge of the mepha-
nlam pf dMlutitlon, by S. J. Ueltzer. (Journal of experimental Medieine.
Yol. n.' Nr. 5. S. 463.)
Yerf. ba( die bereits früher gemeinsam mit Eronecker unternommenen Stadien
Ober den Mechanismus des „Scbluckacts“ wieder nufgenommen und gegenüber den
^Wricbepden Angaben von QuiDche, Ewald n. A. folgendes festgestellt:
Schlackt ein Thier oder ein Mensch Flüssigkeit oder Luft, se 4l^ingt diese mit
grosser Geschwindigkeit in den Oesophagus vor, io dessen mittlerem Theile jedoch
eine vorübergehende, oft nach Secunden zählende Stagnation eintritt. Erst wenn die
allmähliche nachfulgeode peristaltische Welle den Punkt erreicht hat, wo der Bissen
oder die Loftblase stagnM, wird dieselbe durch den tonisch contrabirten unteren
Theil des Oesophagus hindorch in den Magen befördert
W. Cohnstein (Berlin).
6) UeberBeisreranohe mitlndaotlonsströmen am Thiemagen, von Meitzer.
(Archiv f. Verdanungskrankh. 1898. S. 128.)
Yerf. polemisirt gegen M. Einhorn und bestätigt durch neue Experimente
eine bereits frOher aufgestellte Behauptung, dass eine wirksame Beizung der Magen¬
wand durch InductionsstrOme nach dem in der Therapie üblichen Verfahren nicht
möglich sei. Wenn man nämlich eine Elektrode auf die Mucosa bringt und die
zweite auf die Serosa oder gar auf die Baucbdecken legt, so ist es selbst durch
■' Google
647
rtcikt gteke SMae kiMui «b« irgendwie erbebMcAn OeetraeUon dw Hagen*
MKiians m «raelen. — Aber e^bst wenn es gelang, etee stAiwnche Oentinotion
her rocwmfep, eo bUeb diese abets nor snf die Pylorusg^end beecbräolct; die Cardia-
gegend and der grösste TbeA des Fmdis rertiielten sieb selbst stAi^^n SCrOmen
gegaotber refiactAr. — Die Iherepentis^e Katzanwendang dieser Versaebe liegt
laf der Hand. W. Cobnstein (Berlin).
6) Beoherobee exi)drünentalee enr lee moayements de la oellule nerveaee
de la moSUe dplnidre, par B. Odise. (Bevad m^dicale de la snisse romande.
1898. Nr. 2 u. 3.)
ln den Jabren 1834 and 1895 werde von den beiden Fwsebem Ldpine and
Dnval, uDabhängig von einander, die Hypothese aufgestellt, dass der natftrlicbe Schlaf
eine Folge der Betraction der ProtoplasmafcuisAtze der Hanglienzellen der Hinfinde
sei; das Erwachen erfolge ln dem Momente, wo dorch Wiederherstellung der nr*
sprflnglicben Länge die Yerbindnng der Zellen untereinander von Nenem vorhanden
sei. Dass die nervOsen Zellen wirklich Bew^pmgen 'unterworfen sind, wurde schon
firtfher von Wiedershelm beobachtet. Zweck der Untersuchni^en des Verf.'s war
nun, experimentell die kleinsten Verandernngen festzustellen, die die kfbistlich er*
sengte Bnhe und Erregung in den motorischen Ganglienzellen des Bfickenmarks
bervorroft Als Tersnehsthiere dienten Meerschweinchen, Eaninchen und Hunde.
Der Schlaf wurde erzeugt durch Chloroform, Morphium nnd Cocain, die Erregong
durch direct auf das Bflckenmark appliclrte constanie und faradische Ströme ver*
Bchiedener Intenmtät Die Haaptschlüsse, die Verf. ans einer grossen Beihe von
Versuchen zieht, sind folgende:
1. Die motorische Bückenmarksganglienzelle ist bewegungsföhig; der Zustand
der Bnhe unterscheidet sich von dem der Erregung durch die Form, das Volumen
nnd die feinere Stmetnr der Zelle.
2. Die Bew^ung änssert sich zunächst in den Protoplasmafortsätzen. Diese,
Im Zustande der Buhe vollständig erschlafft, fflhren im Zustandd normaler Thatigkeit
eine Bewegung in cellulipetaler Bichtung aus. Die künstliche Erregung vermehrt
diese Wirkung noch proportional ihrer Stärke nnd Däner.
3. Der Zellkörper ist widerstandsfähiger als die Protoplasmafortsätze; doch
bringt eine länger danemde Erregung anch hier eine Zosammenziebung hervor.
4. Noch widerstandsfäh^er ist der Zellkern. Höhere Grade der Erregung er*
sengen znnächst eine Vergrösserung, die noch nachznweisen ist^ wenn der Zellkörper
sich schon contrahirt hat, endlich beginnt auch er, sich zusammenznziehen.
5. Die Granula (la chromatine) zeigen im Zustande der Babe Übereinstimmende
Form and sind regelmässig vertheilt, während sie sich in der Erregung regellos an*
sammeln.
6. Ihr ^bnngsvennOgen nimmt unter dem Einfluss kurzer und starker Er*
regnng zu, am bei läi^rer Einwirkung es rasch wieder zu verlieren.
7. Am empfindlichsten reagiren die Cbromatinpankte des Zellkerns auf die Er*
regnng. Ihre ^hl nimmt ab proportional der Zellthätigkeii
H. Wille (Si Pirminsberg).
Pathologische Anatomie.
7) Examen des oellnles nervensM mAdnllalres dann la tAtanos experi¬
mental« par Jnles Conrmont, Doyoil et Pariot (Oomptes rendus de U
soeiAte de biologie. 1898. 28. Hai.)
Die Verff. haben die Angaben Marinesco’s naebgeprüft, welcher bekanntlich
während des esperimentell erzeugten Tetanus gewisse, mit der NissPseben Methode
,Google
648
nachweisbare Ver&ndeningen in den BückeDmarksganglienxellen naeh^ewieeeii haben
wollte, welche er fOr pathognomisch hidt and als Ursache der tetaniachen Erftmpfe
bezeichnete. — Die Verfif. kOnnen seine Angaben nicht best&tigen, denn sie Termisoen
einerseits in zahlreichen Fällen von aasgesprochenem Tetanos die betr^fonden Yer«
ändemngen in den Granglienzellen and fanden andererseite derart^ Voränderongeo
bei einer Beihe ron Thieren, deren tetanisehe Erscheinungen bereits seit langer Zeit
schon wieder al^klongen waren. W. Cohnstein (Berlin).
Pathologie des Nervensystems.
8) Sa rdflexe patdlaire, par Harandon de MontyeL (Annales m4dico<psycbolag.
1897. März/April.)
Im Anschlass an seine früheren Untersnchangen des verschiedenen Yerhalteaa
des Cremasterreflexes im Verlaufe der progressiven Paralyse, richtete Yvt seiii
Augenmerk diesmal auf den Batellarreflex. Um m<^Uchst alle Fehlerquellen aus-
zaschliessen, prüfte er stets selber in drm verschiedenen Entwickelungsstadiem d«
Erkrankung bei den gleichen Kranken das verschiedene Verhalten der Reflexe. Bc
unterscheidet die zwei Gruppen normal und anormal, und unter letzteren die drn
Formen, des leichten und schwereren Auslösens und des Fehlens der Reflexe.
Ursprünglich begann er seine interessanten Untersuchungen an 40 Kranken;
jedoch sind in vorliegender Arbeit nur die Beobachtungen derjen^en 17 Kranken
niedetgelegt, welche der Verf. von den ersten Anzeichen der Brkrankung bis aum
Tode untersuchen konnte, während die anderen 23 theils transferirt odw entlassen,
theils vor dem Eintreten des paralytischen Marasmus aus anderweitigen Gründen
gestorben waren.
Diese 17 Kranken haben 128 Untersuchungen ergeben, unter denen 41 Mal
normales Verhalten, 87 Mal anormales gefunden wurden. Diesen 128 stellt Verl
92 Untersuchungen gegenüber, die ein g^n die erste Prüfung wechselndes Ver«
halten zeigten — also 30 Mal blieb das Verhalten der Reflexe vom outen bis zum
letzten Tage der Untersuchung dauernd das gleiche.
Im ersten Theile der Arbeit berücksichtigt er ferner die bisher vorhandene
Litteratur, und unterscheidet bei den Kranken auch solche, bei denen die Patellar-
reflexe sehr leicht oder sehr schwer anszulösen sind. Auch die Fäll^ in denen das
Verhalten links und rechts verschieden ist, sind berücksichtigt.
Der zweite Theil umfasst die Beziehungen der Krankheitsart zu dem ver^
schiedenen Verhalten der Reflexe. Einerseits sind die bei den „expansiven, d^nr o e
siven und dementiellen Formen" gefundenen Resultate aufgezäüt; andererseits ist
auf mässige, stärkere und extreme Verworrenheit der Kranken Rücksicht genommen.
Ferner ist auf Alkohol und Syphilis, auf Analgesie und Hyperalgesie, wie audi aof
Anästhesie und Hyperästhesie geachtet worden.
Wegen der interessanten und zuverlässig angestellten Befunde seien die wich¬
tigsten Resultate aufgeführt
1. Bei der progressiven Paralyse sind die Patellarreflexe in der Mehrzahl
der Fälle anormal, und zwar meist leicht auszulösen. Seltener sind sae
überhaupt nicht auszulösen, in den seltensten Fällen schwer auslösbar.
2. Die ausgesprochensten Grade des leichten und schweren Hervor-
rufens der Reflexe sind seltener.
3. Die Ungleichheit (rechts und links) ist häufiger, als beim Cre¬
masterreflex, jedoch immerhin selten.
4. Der Patellarreflex ist in der ersten Periode der Erkrankung häufiger
verändert, als in der zweiten, und in der zweiten häufiger, als in der
dritten.
D g : 7cd / G OOglC
649
5. Das Maxiinnm dar Terioderten Beflexe findet man in der zweiten Periode,
während in der ersten das Maximnm des Fehlens nnd in der dritten das
Maximum des schwierigen und das Hinimam des leichten Ansldsens
ooostatirt wurde.
6. Bei der depressiven Form der Paralyse sind die Beflexe meist leicht
ansldsbar.
7. Dieses leichte ÄnslOsen steht hesflglich der Hänfigkeit im umgekehrten
Yerhältniss zu den Sprachstörungen.
8. Das Yerhalten der Beflexe erlaubt keine prognostischen Schlflsse.
9. Im Yei^leich zu den ^hilitiseh erkrankt Gewesenen, fanden sich die
I^tellarreflexe bei den Trinkern häufiger verändert, sowohl leichter, als
auch schwerer auslösbar.
Wmm auch der Werth derartig genauer klinischer Beobachtungen entschieden
nicht zu unterschätzen ist» wflrden me an Bedeutung noch ganz erheblich gewinnen,
wenn mikroskopische Untersuchungen die Arbeit vervollständigten.
Adolf Passow (Strassburg i./E.).
9) lie phdnomäne des orteils en patholc^e nwnreose, par H. Babinski.
(Pn^p^ mödical 1898. S. 166.)
Im Höiutal de la Pitid setzte Yerf. einem grösseren Kreise von Fachgenossen
dis Bedeutung des von ihm beschriebenen Zehenreflexes auseinander. Dieser besteht
in einer Im^samen Streckung der Zehen und zumal der grossen Zehen nach einem
in dem vorderen Theile der Fnsssohle applicirten Nadelstiche.
Nach seinen Hittheilnngen &nd er diesen Beflex stets bei frischen und alten
organisch bedingten Hemiplegieen, bei der diffusen Heningo-Ehicephalitis, bei der
essentiellen Spilepsie, bei allen spinalen Systemerkrankungen, bei Myelitis transversa
nnd Syringomydie. Niemals konnte er ihn hervormfen bei Neurosen, bei peripheren
Neuritiscben, bei Poliomyelitis nnd bei der reinen Tabes.
Nicht regelmäamg, doch zuweilen gelang es ihm, diesen Beflex bei Epileptikern
und bei sonst lebhaften Beflexen aaszulösen.
Er ist geneigt anzunehmen, dass dieser Beflex sieh stets bei Läsionen der
Pyramidenstränge findet Zur Unterstfltzung dieser Hypothese führte er ausser einer
grösseren Anzahl Kranker mit und ohne dieses Phänomen das Factum an, dass dieser
Beflex, der bei gesundem Individuum fehlt, beim Neugeborenen ach vorfindet.
Letztere seien im gewissen Sinne als Parapl^^er anzusehen, indem die Pyramiden-
bahnen in Folge ihres mangelhaften, noch nicht voUendeton anatomischen Baues
vom Gehirn kommmide Eindrflcke schlecht fibertr^n.
Adolf Passow (Strassbui^ i./E.).
10) OphthaJimoskopisolie onderaoddngen blj Epilepsie, door Dr. L. S. Meyer.
(Psychiatr. en neuroL Bladen. 1897. Nr. .3. Bis. 252. JulL)
Bei einigen Epileptikern hat Yerl Untersuchungen Aber den Augenspi^elbefund
angestelit und sich bemüht, unter Eliminirang störender Einflflsse und Uebelstände
eine Uebersicht Aber die Yerändemngen zu erlangen, die sich in verschiedenen
Perioden der Epilepsie am Augenhinteignmd finden; einige der bemerkenswerthen
Fälle theilt Yerf. mit. Im 1. Falle ei^b sich eine r^elmässige Coincidenz der
epileptischen Anfälle mit dem Erscheinen von Yenenpulsation, wobei die Intensität
der AnßÜle mit der der Yenenpulsation in gleichem Verhältnisse stand. Im 2. Falle
fand sich keine Yenenpulsation, aber beträchtliche Hyperämie, die mit den Analen
coincidirte. Im 3. Falle war stets Yenenpuls vorhanden, der nachliess, wenn die
Anftlle seltener wurden. Auch in einem 4. Falle war immer Yenenpuls vorhanden.
Dig :i^cd cy Google
«60
^ 4m W«n fiUurte di 0 UttomckiMg h kemoi ffMiiUiton. Dm Vor-
komnuB voa VooeopalsatioQ «ud Hypeiimie üb Aogeo^nde M epilspäsobM Ab-
nüleo Mrdient nach Verf. ootaoUedeBe BMoütQng oDd fordert sa genautten Unter-
SDchnngen der Circolationsverhältnisse bei Epilepsie eaf. Die AnoduDe, dtas dar
epileptisehe A<il&U iorch Anftmip 4or «ertiealen aoteriiohen Cenira Terars^t wurde,
oder von ihr begleitet sei, kann nicht als allgemein gOltig angenommen werdou
Walter Berger (Leipzig).
1^) ^Idiame gevaUen van BpUepsle, door Prof. Dr. C. Winkler. (PsTchiatr.
en neuroL Bladen. 1897. Nr. 3, 4. Blz. 214. 321. Juli, Sept)
Im 1. der vom Verf. mitgetheilten F&lle bestand Erinaeruageaira. Der
21 Jdue alt» Pai hatt« vor 6 Fluren eiiWB Stoas an dt» rechte Seite dae Vorder-
kopfee direct unter d^ behaartea Kopfbaut bekommen, er war niebi bewnsattos ge¬
worden, masste aber nach Baas geferaebt werden. 3 Jabre danach bekam Patient
nfichtliche epileptische Anlbüe; die Krämpfe begannen in den linken Extremitäten
und gilben dann auch auf die rechten, waren von Bewusstlosigkeit begleitet und
kehrten etwa jede Woche wieder. Vor Jahr traten dazu am Tage auftretende
Anfälle von petit mal, die mit Erinnenmgsanra begannen und manchmal in voll-
ständige Anf^e mit Drehnng des Kopfes nach links und Krampf des Unken Fadalis
bei voUständigam Vmlast des BewuastMins äbtigiageB; manchmal scbliesseo eich an
die ErimieruDgsaun Trasaunzasttede aa. Patient klagte Aber KopfiBokman, den er
aber nicht loealisirte. Nachdem Pat. am 17. Mai einen Aifall ohne Zackangen ge¬
habt batte, bei dem er znsammensMk and na^ dem ungewdknlioke Schwäche m
beiden Beinen znrfickblieb, wurde am 22. Mai von Prof. Karteweg an der Stelle
der nach dem Stoss zurAckgabliebsnen Narbe die temporäre SchädelreeectioD aue-
geährt Dabei fand sich eins Narbs in der Dura mater, nngefähr Aber dem mittlerea
Drittel der obersten und der mittleren fkontalwindaBg, wo Dura und Pia mit der Hirn-
subetanz verwachsen waren. Auf der Himoberfläche fand mcb ein Convolat von
stark entwickeltes Venen, das nach Dnterbindang exstirpirt wurde; ein Stick krank¬
haft veränderter Himmasse, nach innen zn trichterfännig süA veijOngend, wurde
eben&Us exstirpirt. — Verf. sehliesst sieb DMjenigen an, die meinen, dass Rrinne-
rang und Wahrnehmung nicht, an derselben Stelle entstehen; er nimmt an, dass in
den Stirolappen associative VerbindangM mit einer Beibe von Wabmehman^eldeni
gelegen sind, und dass durch dis ZosammenfQgnng von verblasstsn Wabmehrnnngen
dort die Erinqenmgen entstehen.
Die Epilepsie proenrsiva beruht nach Verf. nicht auf einer Bindenaffection;
er theiit einen Fall mit, in denen bei Bpilapsia proonrsiva die Int^Ugenz intact war
und anf einer hoben Stofe stand.
Eine dritte Form von Epilepsie, die, soviel Verf. weise, noch nicht beschrieben
worden ist, nennt er analog der Hemiplegia altemans Epilepsia alternans. Sie
geht vom Pons Varolii oder von über diesem entspringenden Nerven ans nnd bei ihr
bestehen Krämpfe der einen KOrperhälfte mit Krämpfen der Gesichtshälfte der anderen
Seite oder mit ihnen altemirend. Die Krämpfe sind mehr tonisch, nicht oloniseh,
wie bei der Bindenepilepsie. In einem vom Verf. mi^etbeilten KJle Utt der 19 Jahre
alte Pat seit 1 Jahre an Kopfechmerz, seit 4 Wochen an schwankendem Oai^ ohne
Abweiohong nach einer Seite, und an AnßllM, die durch Erbrechen nnd Kopf¬
schmerz eu^leitet wurden, während der Anßlle waren Augen und Kopf stark nach
links oonjngirt abgewiohen, die linke Gesiehtshälfte befand sich in Oontraction, di#
rechten Extremitäten waren ganz steif; nach den AnföUen sahen die Ängen nach
rechts nnd Pat konnte sie fast nicht ^wegen. Es steUte sich vollständige Trige-
minnsl^mung Unks und unvollständige rechte ein. Pat starb. Bei der Seotion tind
sich ein GUov im rechten Temporallappen uad ein Gliom im Pons VarolU, dicht
Google
651
des Sjerns des N. abdQcens und der asstreteadeo Wurzel des N. facialis
lioka — Das YorkoiBQien einer EpUepaia altemaBS liefert deo Deveis, dass Er&mpfe
Ton sabcorticalen Centren aosgebec könnes, ond es ist wahrscheinlicb, dass die
Krämpfe dacn, besonders tonische, dnrch directe Beizung von Fasern des zweiten
Nennsis entstehen können. Gin drund, einen centralen Beiz anznnehmen, liegt nicht
vor. IKrecte Beizung dw Fasern des Gentrums fOr das Seitwärtssehen und der
Fasern fflr des Facialiskem kommen zu einer directen Beizung der Pyramide in
dieew Höhe, und die Folge ist die altemirende Entladung.
Walter Berger (Leipzig).
12) I aognl e 11 sonno neU* isterismo • aella epilesaia, per Sante de Sanctis.
(Borna. 1896.)
Auf einem sehr grossen Materiale von Hysterikern und Epileptikern fassend,
hat Verf. sehr eingehend hier den Schlaf und das Traumleben studirt und eine Beihe
sehr interessaotm’ Besnltate gefunden. Nebenbei ist aber das Buch voll von einer
Menge klinischer und psychologischer merkwQrdiger Thatsacben, die hier aber nicht
näher berührt werden ^nnen.
Nach einer historischen Einleitung und nach Darlegung der Methodik und der
einschl^igen Litteratnr werden im ersten Theile die Hysterischen, im zweiten Theile
die Epileptischen bezüglich des Schlafes und Traumes genau untersucht und als
aj^pendix eine grosse Reibe von Beobachtungen mHgetheilt Im dritten Theile endlich
w^en die allgnueinen, ans den Untersuchnngen sich ergebenden Schlüsse gezogen,
derw hauptsächliche folgende sind: Die gewöhnliche Tiefe des Schlafes bei Hyste«
rischen geht parallel der Schwere und dem Alter des Leidens nnd wächst mit höherem
Alter. Das gilt anch von der Epilepsie. Der Somnambnliamns ist nicht charakte¬
ristisch, ebensowenig das Sprechen im Schlafe, wenngleich letzteres hänflger in der
Hysterie stattfindet. Wichtiger ist das plötzliche Aufwachen, das am häufigsten bei
leichter Hysterie und beim petit mal ist. Die sog. jlhypnagogen** Hallucinationen
sind meist bei oberflächlichem Schlafe und am häufigsten sind solche des Gesichts
und Gehörs.
Das echte Alpdrücken ist hänflger in der Epilepsie, sehr häufig besonders beim
petit mal und verschwindet allmählich mit dem Alter des Leidens. Gestörter Schlaf
ist sehr häufig; selten die vollständige Schlaflosigkeit (anipnia); häufig dag^en die
epileptische Insomnie und die unvollständige Schlaflosigkeit, sehr häufig bei leichter
Hysterie and dem petit mal. Je älter das Leiden ist, das Alter, je geringer die
BUdang, je mehr schwere und nahe auf einander folgende Krämpfe, besonders bei
Epilepsie, desto seltener sind Träume, die auch sehr von meteorologischen Verhält¬
nissen abhängen, z. B. vom Monde, Barometerstand (? Bef.). Die Träume der Hyste¬
riker sind wahre Dramen, die der Epileptiker kurz, wenig complieirt; dort herrscht
der Traum von grossen Ideeen vor und der „Contrasttranm'S Mer der lascive nnd
der mit Veränderung der Person. Gewöhnlich verstärken die Träume, oder die Er¬
innerung daran, die Hysterie; bei Epileptikern lösen Träume wahrscheinlich oft nächt¬
liche Anfälle aus; oft, besonders bei petit mal, verstärken eie die Epilepsie. Schwere
hysterisch« AnfiUle heben oft, die epileptischen fast immer die Traumthätigkeit auf.
Bei leichter Hysterie sind oft die Nächte vor den Anfällen durch Träume gestört,
die nachfolgenden immer. Bei der Epilepsie zeigt sich kein constantes Verbältniee
darin. Bei beiden wirkt der Traum noch nach, aber in verschiedener Weise. Die
Erinnemng des Tranmes ist im AUgemeiuen viel besser erhalten bei der Hysterie
als der Epilepsie, parallel der Erinnerungsstärke im Wachen. Das Schlaf- nnd
Traumleben zusammen bezeichnet Verf. als „nächtliche syndrome“ und „onirivisches
{ovttQog SS Traum) Stigma“ und bietet im Allgemeinen bei Hysterie und Epilepsie gewisse
specifische GigenthflmUchkeiteu dar, die zur Diagnose mit dienen können, welche frei¬
lich dem in concreto immerhin zu verwaschen erscheinen. Näcke (Hnbertnsburg).
’iQ'h/.OÖ Dy
Google
652
13) Fartieele epUepaie en bare heelkimdige bebazuleliDg, door Hoyte
Hendrik van Eyk. (Äcad. proefschr. Amsterdam 1897. J. H. en 6. van
Heteren. 8°. 129 S., XYII Tabellen, 1 Tafel.)
Vom Standpunkte der Entladongstheohe Hn^blings Jackson’s ausgehend,
bespricht Verf. die Bedeutung der operativen Behandlung der Epilepsie auf Grand
von 10 ans niederlfindischen Kliniken stammendmi und anderen ans der Litteratnr
stammenden Fällen. Als Schlussresnltat seiner Unteranchungen giebt Terf. an, dasa
man mittelst der Operation die Epilepsie ebenso wenig zu heilen vermag, als mit
Medicamenten; man erreicht aber durch die operative Behandlung oft sehr wesent¬
liche Besserung, wenn bei der Operation eine greifbare Ursache der Epilepme an-
getroffen wird. In 11 von 13 Fällen, in denen in dem vom Verf. gesammelten
Hatenal die Epilepsie auf subduraler Blutung beruhte, wurde trotz der LebenageCahr
des Status epilepticus, in dem sich die Fai befinden, Heilung erzielt, und warn
man die Fälle ansscheidet, in denen die Epilepsie nicht auf Trauma beruhte, so
wurden von 11 nicht weniger als 10 geheilt Epilepsie oder Statns epUeptiens, ans
einer subduralen Blutung entstanden, muss deshalb stets operativ behandelt werden.
Bei 100 willkfirlich aasgewählten Fällen von Epilepsie (GesehwQlste nnd Abscesse
ausgenommen) ergaben sich die folgenden Besaitete der Operation.
Von 18 Fällen von Epilepsie, in denen die Veränderungen Aber der Dura matar
zu sehen waren (Depressionen, Adhäsionen n. s. w.) nnd in denen die operative Be¬
handlung in Trepanation oder temporärer Beseotion ohne Erbffimng der Dum mater
bestand, folgte definitive Heilung (W^bleiben der AnAUe 3 Jahre oder noch länger
nach der Operation) in 3 Fällen, Besserung (selteneres Auftreten der Anfalle ond
Abschwächung bis zum Auftreten einer blossen Aura, unzweifelhafte Bessemng der
Erankheitserscheinungen; Fälle, in denen nicht mindestens 3 Wochen nach der Ope¬
ration verstrichen waren, hat Verf. möglichst ausgeschlossen) in 10 Fällen, keine
Heilung in 5 Fällen, Verschlimmerung oder Tod in keinem Falle.
Von 26 Fällen, in denen die operative Behandlung in Trepanation mit folgender
Eröffong der Dura bestand, aber ohne weitere Eingriffe, folgte in keinem Falle definitive
Heilnng, in 16 Fällen Besserung, in 3 keine Besserui^, in 6 Verschlimmemng, in
2 der Tod.
Von 38 Fällen, in denen die operative Behandlung in der Entfernung eines
deutlich veränderten Theiles der Hirnrinde bestand (Knochensplitter, Cysten, Narboi,
oberflächliche Erweichung), folgte in 3 definitive Heilui^, in 26 Besserung, in 7
keine Beesemng, in keinem Falle Verschlimmerung, in 2 Fällen der Tod.
Von 18 Fällen, in denen die operative Behandlung in der Entfemong eines
nicht sichtbar veränderten Theiles der Hirnrinde bestand, fo^te in keinem Falle
definitive Heilui^, in 9 Fällen Besserung, in 7 keine Bessemng, in 1 Falle Versdüim-
memng und in 1 Falle der Tod.
Die Mortalität ist also ziemlich gross (6 ^/q), jedoch nicht allein von der Ope¬
ration abhängig, sondern auch von dem Zustande, in dem sich der Fat. befand, b^
sonders in Fällen, in denen Status epilepticus bestand oder eitrige Entzflndnng.
Walter Berger (Lwpzig).
14) EpUepsia Jaoksonil post fraoturam oranil oom dep r e sa ione permagna
Beseotio oranU. FÖrbättring, afG. Nanmann. (Hygiea. 1897. LIX. b.
S. 210.)
Ein 17 Jahre altes Mädchen hatte einen heftigen Schlag an die rechte Seite
des Kopfes bekommen und war sofort bewusstlos geworden; sie mnsste einige Zmt
zu Bett li^en, war aber bald wieder gesund. Erst 4 Jahre danach begann aick
Jackson’sche Epilepsie zn entwickeln, die Krämpfe begannen in der linkmi Hand,
gingen auf den Arm Aber, manchmal auch auf die linke Gemchtshälfte und nütontar
Google
658
wurde auch das linke Bein davon ei^riffen. In der lebten Zeit sprangen die Krämpfe
anch auf das rechte Bein über und es traten allgemein clonische Krämpfe aof. Es
bestand geringe Parese des linken Arms. An der vorderen Hälfte des rechten
Scheitelbeins nnd am hinteren Tbeile des Stirnbeins fand sich eine ziemlich bedentende
Depresmon im Knochen. Die' Schädelresection, die am 20. April 1896 ansgefährt
wnrde, war durch Terwachsnng der Dnra mater mit dem Knochen erschwert Ein
Knochenseqnester wurde mit dem darunter liegenden sclerotischen Gewebe entfernt,
und, da diese Stelle unterhalb des motorischen Centmms fflr den Arm lag, wurde
die verdickte Dnra hoher oben durchschnitten nnd die darunter liegende missfarbige,
etwas Bclerotische Himsubstanz ^mdirt Das bei der Operation abgetn^ene Knochen-
stflck umfasste nicht die ganze Depression, aber den am meisten eingedrOckten Theil.
Der Verlauf war gut, anfangs hatte Fat. etwas Kopfschmerz und die Parese des
linken Arms hätte zugenommen. Am 29. Hai trat wieder ein eben so heftiger Anfall
wie Mher auf, bis zur Entlassung am 9. Juni trat aber kein neuer Anfall aof, auch
einen Monat später war kein Anfall wieder aufgetreten nnd die Parese des linken
Arms hatte abgenommen. Nach Nachrichten vom März 1897 wuen mitunter wieder
AnAUe aufgetreten. Walter Berger (Leipz^).
15) Note snr quelques r^exee ontands ohes les dpileptiques, par Ch. Fdrd.
(Comptes rendus des sdances de la socidtd de biol<^e. 1897. 2 Ootobre.)
Verf. hat an 137 Epileptikern sjstematische Untersuchungen Uber das Verhalten
der Hautreflexe angestellt, und zwar hat er gesonderte Tabellen für Patienten, die
Brom in mehr oder minder grossen Dosen brauchten, und soldhe, die kein Brom
gebrauchten, aufgestelli Die tabellarisch zusammengestellten Ergebnisse seiner Unter¬
suchungen sind folgende:
Es fehlten die Beflexe in Procenten der untersuchten Fälle:
Der Pupillarreflex auf Hautreize
Obere Scapularrefleze ....
Untere Scapularreflexe . . .
Palmarreflexe.
Epigastrische Beflexe ....
Obere fiauchreflex.
Untere Bauchrefiex ....
Cremasterreflex.
Glotäalrefiex.
Plantarreflex.
Unter
Bromgebrauoh
. 100
. 91,78
. 91,78
. 98,63
. 27,39
. 16,06
. 12,32
r. 41,09, L 42,46
. 76,34
21,91
Ohne
Bromgebrauch
100
85,90
78.12
98.43
17,18
9,37
9,37
r. 42,18, 1. 60
73.43
28.12
Besonders interessant bei diesen Ei^bnissen ist der geringe Unterschied
zwischen den beiden Gruppen; derselbe bleibt weit hinter den Erwartungen zurOck,
die man von dem Einfluss des Broms a priori haben sollte, besonders wenn man
berücksichtigt, dass die T^esdosen des Bromkali mindestens 5—10 g betrugen, bei
einer nicht kleinen Anzahl von Fällen 20—30 g pro die erreichten bezw. Qber-
schritten. Martin Bloch (Berlin).
16) Note sur la plus grande raplditd de rdliminatlon du bleu de mdthy-
läne par les urines ä ia suite des aooäs ohes les dpUeptlques, par
Ch. Fdrd et Oh. Laubry. (Comptes rendus de la socidtd de biologie. 1897.
23 Octobre.)
Die schon mehrfach constatirte Thatsache, dass gewisse dem Magendarmcanal
zugefährte Substanzen, wie Jodkali, salicylsanres Natron, unmittelbar nach epilep-
Google
61)4
ÜBChen ÄuftUen tiel scbnellOT aosgöscliiedta werden, als in der Korm, hat man xu
erklären versncht theils durch eine dem Anfall folgende Lähmung der Nierengeßase,
theils durch erhöhte Durchlässigkeit der Nierenaubstanz (die bisweilen sich der
Polyurie nähert) nach dem Anfall. Die Schnelligkeit der Ausscheidung k ann aber
auch beeinflusst werden durch die Concentration der Blutfl&ssigkeit, die bei dem
epileptischen Anfall durch Polyurie, Salivstion, Schweissausbruch zweifellos verändert
irird. Eine Entscheidung dieser Fr^e, was eigentlich die schnellere Ausscheidung
bedingt, wird aber nicht eher möglich sein, ehe wir nicht die Schnelligkeit der
Resorption kennen. Indess bietet die Thatsache an sich nicht geringes Interesse.
Verf. hat bei 11 Kranken Tersuche mit subcutaflen Injectionen von Methylenblau
gemacht, und zwar in jedem FaUe während des Anfalls oder kurz nachher und
24 Stunden nach dem Anfalle. Die Ausscheidung erfolgte in jedem Falle bei der
ersteren Tersuchsanordnung weit schneller, als bei der zweiten; nur zwei Kranke
machten eine Ausnahme, bei dem einen war kein Ünterscbied zu constatiren, bei
dem zweiten erfolgte die Ausscheidung langsaoier in der f»aroxysmalen Zeit, als
nachher. Absolut erhöht war die Schnelligkeit der Ausscheidung nur in 4 Fällen,
in den anderen 5 von den untersuchten 11 waren sie es nur relativ.
_ Martin Bloch (Berlin).
17) Epilepsie oozmdoatlTe A une fldwre typholde, par Bourneville et
Dardel. (Progr^ mddical. 1898. S. 177.)
Wie so häufig, geben uns die Verff. auch in dieser Mittheilung genaue Kranken¬
geschichte und ansführliches Sectionsprotocoll eines Patienten, der ans gesunder
Familie stammt, in welcher keine Krankheiten erblich waren, von Alkoholismus nichts
bekannt war. Er entwickelte sich als Kind sehr gut» zeigte gute Intelligenz, konnte
mit 2 Jahren laufen und sprechen.
Mit 3 Jahren erkrankte er wie seine sämmtliohen Familienmi^lieder an schwerem
typhösen Fieber. Sein Vater gesundete, während die Mutter und 2 GesiAwister
starben.
Bei unserem Pai trat die Erkrankung besonders schwer auf; er 1^ während
6 Wochen häufig stundenlang bewusstlos und konnte sich kaum wieder erholen. Es
traten auch schon während des Fiebers, besonders aber nachher Convulsionen auf,
die sich immer wiederholten, stärker wurden und schliesslich als epileptasche Krämpfe
angesehen werden mussten.
Mit diesen ging ein Nachlassen der intellectuellen Fähigkeiten einher; mehr¬
fache Versuche, ihm die AnfangsgrQnde in der Schule beizubringen, misslangen.
Als sieh mit 11 Jahren die Aufhahme in die Anstalt notbwendig machte, kannte er
seinen Vater nicht mehr und sprach kaum einige Worte. Im allgemeinen ruhig,
wurde er zeitweise sehr erregt und war dann kaum festzuh^ten.
Während des 8monatlichen Anstaltsaufenthalts hatte er jeden Monat 4—25 AH-
fölle, im Durchschnitt 9—10. Er starb dann an profhaer Diarrhöe und Entkräftung.
Bei der Autopsie fand man Bildungshemmungen in den Frontallappen, Sklerosen
im Hinterhaupt nnd eine sehr ausgesprochene Asymmetrie der Windungen an Con-
vezität und Medianfläche. Eine Anzahl Photograpbieen und genaue Zahlenangaben
des Gewichts der Hemisphären (Unterschied von 30 g zu Gunsten der rechten) ver-
vollständigen die Ifittheilnng.
Interesse beanspmoht sie wegen des in diesem Falle wohl zweifeUos statt¬
gehabten Einfinsses ^r sehr schweren, infectiösen Erkrankung auf die Entwickelung
des Gehirns. Adolf Passow (Strassburg !./£.).
■' Google
18) Epitepsie' al 0 Abitlneiwen^ieliiiiBg bei Efo^iimnent^hung, von
Cisar HeiflUMft (Chartottenbiirg). (Festaebrift anltoslieh des SOjftbrigen Be>
Btebeos der ProTineial'Irrenanstalt zu Nietlebeo. 1897. F. C. W. To^)
Eine 30j&hrige Patintin nabn in Fo^ Äafregungen Horphiom, und als dies
aidit aehr fraebtet^ gitf sie sc Cocain und Alkoholicis. Die Folge davon war eine
charakteristische Cocalnpainnoia. Paii wurde dae Cocain sofort, das Morphium all-
nihhch eetu^ea, doch begann sie letzteres wieder zu nehmen tlnd unterzog sich
V] Jahr später einer neuen Entziehungskur. Während derselben bekam sie, nachdem
sie schon S Tage kein Morphium mehr erhalten hatte, an einem Tage zwm typische
epiieptische Anßlle (völlige Bewusstlosigkeit, Krämpfe» Pupillen reactionslos, Zungen-
biss). Verf. glaubt diese Anfälle als Ahstinenzerscheinung bei dieser Morphiumkur
anffassen zu mttssen, da die Pat vorher nie an epileptischen Krämpfen gelitten hat,
der Alkoholgenuss nie übermässig gewesen und seit dem letzten Gebrauche von Cocain
bereits Vj J&br verflossen war. Epileptoide Zustände während einer Entziehungskur
sind von Levinstein schon beschrieben worden. Kart Mendel.
19) Klinlaolie Beiträge lur Beflexepilepaie, von Prof. Dr. Adolf Seelig-
mflller (Halle a./S.). (Festschrift anlässlich des 60jährigen Bestehens der
Provinzial-Irrenanstalt zu Nietleben. 1897. F. G. W. Vogel.)
Terf. theilt 17 Fälle von Beflexepilepsie mit In denselben sind die epilep¬
tischen Erscheinungen 6 Mal auf Verletzungen am Kopf, 2 Mal am Bumpf, 5 Mal
an den oberen und 6 Mal an den unteren Extremitäten zurflckzoführen. Zwischen
Trauma und erstem Anfall kann ein längerer oder auch nur ein knczer Zeitraum
liegen. So betrag derselbe in einem Falle nur 2 Stunden, in einem anderen
13 Jahre.
ESn Pall bietet dadurch Interesse, dass vollständiger Sprachverlust im-Anschluss
an den epileptischen Anfall auf die Dauer von 1—2—3 Stunden sich einstollte. In
den 4 Fällen, in welchen sich die epileptischen Erscheinnngen an eine Fingerverletzung
ansdiloesen, bestand PupUlenerweitomng auf der Seite der Verletzung, ohne dass eine
gleichzeitige directe Halssympathicusläsion anznnehmen wäre.
Therapeutisch empfiehlt Verf. bei der Beflexepilepsie die Operation, welche so
früh als möglich auszufübren ist und die Prognose bei der Beflexepilepsie als un¬
gleich gflnstiger als bei allen anderen Epilepsieformen hinstellt. Bei vorliegender
Narbecbildnng ist sorgßltig daranf zu achten, dass alles Narbengewebe vollständig
entfbmt wird und dass auch nicht die geringste Druckempfindlichkeit der verheilten
Operstionsnarbe znrückbleibt. Kurt Mendel.
20) Some notew of eoboUlte^ with tlie report of an eixtraordinary oaeo;
by Martin W. Barr, M; D. (Journal of nervous and mental disease. 1898.
Jaa. XXV. 8.20.)
Betrifft einen 22jährigen epileptischen Idioten, der trotz sorgfältiger Erziehung
weder lesen noch schreiben gelernt hat, wohl aber zur Verrichtung kleiner häus¬
licher Dienstleistungen geeignet ist. Spontan spricht er fast gar nicht und nur ab¬
gerissene kurze Worte und Sätze. Dagegen besitzt er eine höchst auffällige Fähig¬
keit, Allee, was ihm vorgesprocheu wird, sei es in seiner Mattersprache, sei es in
ganz anderen Sprachen, vrie Griechisch, Japanisch, Dänisch, Spanisch u. s. w, fliessend
und mit dnrcbaas richtiger Betonung nachzusprechen. Sommer (Allenberg).
Dig :i^cd cy Google
666
21) Epilepsy wlth luzfttlon of the yaw, by Charles E. Stanley, M. D.
(Joomal of nervous and mental disease. 1896. Febr. XXXIII. S. 115.)
Typische Epilepsie bei einer 27j&hrigen Frau mit der E^enthflmlichkeit, daai,
nachdem sieh in einem Krampfanfall einige MolarsUme so gelockert hatten, dass sie
ausgezogen werden mossten, fast jedem Anfall eine beiderseitige complette Loxaticn
des Unterkiefers durch den krampfhaften Huskelzog folgte.
Sommer (Allenberg.)
22) An ootogenarlan epileptio, by Frederick T. Simpson, M. D. (Joumil
of nervoDs and mental disease. 1896. Jan. XXITI. 8. 29.)
Fall von genuiner idiopathischer Epilepsie, bei dem nur zu erw&hnen ist, dass
die Krankheit erst im 80. Lebenqahr des Patienten, eines Oeistiichen, ansbiach.
W&brend der 6 Lebensjahre, die ihm noch beschieden waren, hatte er im gansen
44 AnföUe erlitten, von denen die Mehrzahl während der Nacht eintrat.
_ Sommer (AUoiberg).
23) üeber die ohronlaohe Paranoia bei epüeptisohen Didividnen, von Dr.
Albert Buchholz (Harbu^). (Festschrift anlässlich des äOjährigen Be¬
stehens der Provinzial'Irrenanstalt zu Nietleben. 1897. F. C. W. Vogel).
Verf. berichtet über 5 Fälle, bei welchen neben der Epilepsie eine typisd»
chronische Paranoia bestand. Bei zwei derselben war das ätiologische Homeot ftr
den Ansbruch der Psychose in einer abzubflssenden Haft zu suchen, während in zwa
anderen Fällen andere Schädlichkeiten als die Epilepsie für die Entwickelui^ der
Paranoia nicht verantwortlich gemacht werden konnten. Verl glaubt an einen ge*
wissen Zusammenhang zwischen dem Auftreten der P^chose und der Epil^e,
indem ein durch Epilepsie geschwächtes Individuum dank äusseren Sohädlichkeiteo
leicht psychisch erkranken könne.
Zwei Fälle gelangten zur Obdnction und zeigten beide diffiise herdartige Vor*
ändernngen der Hirnrinde, welche auf die Verwandlung der obersten lUndenschieht
in ein verdicktes, derbes und faseriges Gewebe znrflckzufähren sind. Während «
sich in diesen Fällen wahrscheinlich um eine primäre Erkrankung des St&tigewob«
und eine secundäre Erkrankung der nervösen Elemente bandelt, d&rfte bri der
progressiven Paralyse der Schwund der Associationsfasem das Primäre, die Vor*
änderung des Stotzgewebes das Secundäre sein; in den beiden angefOhrten Filleo
müsse — bei so hochgradiger Veränderung des Stützgewebee — der Faserachwond
ein beträchtlicherer sein, nm an eine primäre Erkrankung der nervösen Elemente
denken zu können. Es handelt mch hier vielmehr nm „eine im frühen Lebensalter,
event. noch während des fötalen Lebens entstandene chronische Entwickelungsstönmg,
die durch eine Wucherung der Neurogliazellen und secundäre Schädigui^; dm* anderen
Oewebselemente der Kinde ausgezeichnet ist.** Mit diesen Veränderungen steht die
bei den Kranken beobachtete Intelligenzschwäche in engstem Zusammenhang, vielleicbt
gaben dieselben auch den Anstoss zur Entwickelung der Epilepsie ab. Erwähnraa*
werth sind noch die vom Verf. in dem einen Falle beobachteten, in ihrer Form und
Lagerung eigentbümlichen Zellen der Hirnrinde. Kurt Mendel
24) lie traitement de rdpUepale, de Tidiotie et d’aotrea dtata enodpha*
liques analogues par la reseotion des gangllons oervioaox aapdeienn
du sympathique, par A. Chipault (Gazette deshöpitanx. 1898. Nr. 16.)
Nachdem zuerst Alexander im Jahre 1888 bei Epilepsie das obere Ganglion
des Ualssympathicus resecirt hatte, sind noch von Kümmel, Yacksh, Jaboulaj,
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657
Jonoesco ähnliche Operationen zu gleichem Zweck unternommen worden. Da der
angestrebte Zweck der Operation der sei, der fdr den Anfall supponirten Himanämie
and den daraus resultirenden fimährungszoständen entgegenzuwirken, hält Verf. die
Kesection des oberen Ganglion fhr nöthig zur Beseitigung der vasuconstrictorischen
Wirkung des Sjmpathicus. Die Operation ist ungefährlich und technisch ausser*
ordentlich leicht. Sie ist gefolgt von leichter Temperatarsteigerung an der operlrten
Gesichtshälfte, etwas Papillarverengerung mit geringer Ftosis und Thränenfluss; die
Veränderungen sind so unbedeutend,tdass sie gar nicht auffallen, wenn beide Opera*
tionen einseitig vorgenommen werden. Der Puls ist* vorübergehend leicht beschleunigt,
ln 30 Fällen kam eine Verschlimtuerung vor, 7 Mal blieb der Zustand gleich, in
10 Fällen wurde er gebessert, 13 Fälle wurden geheilt, doch war bei einigen der*
selben die Beobachtungsdauer sehr kurz, erstreckte sich aber bei 2 Fällen auf 1 Jahr,
bei 1 auf 1^3 Jahr, bei 3 auf 2 Jahr und bei 2 Fällen auf 3 Jahre. Verf. ent*
schloss sich bei einem 15jährigen Knaben zur Operation, der seit seinem 9. Jahre
an ausgesprochenen Anßllen und Absencen litt, die allmählich an Häufigkeit zu*
nehmend im letzten Jahre 5—6 Mal zu einem förmlichen Status epilept. geführt
batten; in den letzten Monaten war ein gewisser Grad von Demenz eingetreten.
Nach der Entfernung des einen oberen Ganglion kam es zu beträchtlicher Erweiterung
der Papille der entgegengesetzten Seite; nach der zweiten, 3 Tage später vor*
genommenen Operation waren beide Pupillen gleich und so weit wie vorher. Seit
dem ersten Eingriff (ca. 1 Monat) hat Pat keinon Anfall, keine Absence gehabt;
seit der zweiten Operation hat Pat sein somnolentes cyanotisches Aussehen ver*
loren, in seinem psychischen Verhalten ist eine auffallende Besserung eingetreten.
B. Hatschek (Wien).
85) Ueber die Auligaben des Pflegepersonals bei Epileptischen, von Dr.
Wildermuth. (Irrenpflege. 1898. Nr. 11 u. 12.)
Verf. behandelt in einer gerade der durchschnittlichen Fassungskraft des Warte*
personale ausgezeichnet angepassten, populären Art und Weise die Symptomatolcgie
der verschiedenen Erscheinungsformen der Epilepsie, so dass diese auch dem Ver*
ständniss eines nicht wissenschaftlich Vorgebildeten soweit klar werden, dass er ohne
weiteres begreifen mnss, wamm er sich den acuten nnd chronischen Aeusserungen
der Krankheit gegenüber gerade so verhalten muss, wie es die moderne Wissenschaft
und die Humanität erfordert Kaplan (Herzberge).
20) A contribution to the study of tetanus, by J. Y. Gonzalez. (New York
med. JonmaL 1898. Vol. LXVU. Nr. 9.)
Im Anschluss an eine Schussverletzung der Tibia ehtwickelten sich neben Eiterung
der Wunde spastische Contractionen der Fussmuskeln auf der Seite der Verletzung.
Trotz ausgiebiger und energischer Wundbehandlung nahmen die Spasmen an Häufig¬
keit ID' Extensität zu, so dass der Verf. in der Annahme, eine Compression
des Poplitealnerven verursache die Krämpfe, den Nerven durchschnitt Fuss* und
Unterschenkel blieben jetzt frei von Contractionen, d^egen traten nunmehr Spasmen
auf am OberscbenkeL
Innerliche Mittel blieben erfolglos. Verf., nicht überzeugt dass Tetanus vorliege,
schritt zur Amputation des Oberschenkels im mittleren Drittel. Einige Tage später
Spannung (Spasmen) der Banchmuskeln, hartnäckige Verstopfung, zeitweise Delirien,
dann rapide Besserung und Genesung. Verf. betont als besonders auffallend die Ab*
Wesenheit von Trismus und Episthotonus, die Contractioneu einzelner Banchmuskeln,
die Einseitigkeit der Spasmen, die lange Krankheitsdauer (ca. 40 Tage).
Die Kürze der Mittheilung erschwert ein Urtheil über diesen nach jeder Rieh*
taug stark merkwürdigen Fall. R. Pfeiffer (Cassel).
42
Google
658
27) A oaM of tetanuft, by Eudis«Jicinsky. (New York med. Journal. 1897.
Vol. LXVI. Nr. 20.)
In einem peracuten Falle von traumatischem Tetanus blieben die grflndliche
Reinigaog und antiseptische Behandlung der Wunde, sowie die medicamentöse Be¬
handlung (Bromkali, Chloroformnarkose während der Anß.Ue, Morphium, zeitweise
Stimulantien) erfolglos. Es worden nun an 6 aufeinanderfolgenden Tagen jo 10 ccm
Antitosinserum eingespritzt, daneben die Wundbehandlung und (nach Bedarf) die
Chloroforminhalationen fortgesetzt. Die AnföUe begannen nach der ersten Injection
an Zahl, Intensität und Dauer abzunehmen; es trat Denesong ein. Interessant war
in diesem Falle eine während der Antitoxinbehandlung eintretende, wohl durch die
allgemeine Schwäche begünstigte Soorentwickelung im Munde, welche unter localer
Behandlung und gleichzeitiger Darreichung von Tonica zorfickging.
B. Pfeiffer (Cassel).
28) Zur Trage des rhenmatisoheii Tetanus und der Tetanns'AnMtozin-
betumdlung, von Dr. Ferd. Steiner. (Wiener klin. Wochenschr. 1897.
Nr. 36.)
I. 88jähr. Oescbäftsdiener. Auftreten des Tetanus einige Tage nach einer von
Schnupfen gefolgten heftigen Dnrchnässung. Bei Tag und Nacht häufig sich wieder*
holende Faroxysmen. Trotz Salicyl-, Chloral-, Sulfonal- und Horphiumbehandlnng
keine Besserung. Nach ca. 3 Wochen vom B^nn der Krankheit an schleudert Fat.
bei einem heftigen Niessacte eine 3 cm lange und Eieinfingerdicke eitrige Borke aus
der Nase. Darauf rasches Zurückgehen der Symptome. 9 Tage später wird Fat
geheilt entlassen.
Vielleicht erfolgte in diesem Falle die Infection von oberflächlichen Excoriationen
an der Nasenscbleimhaut aus, die in Folge des Schnupfens aufgetreten waren und
wahrscheinlich vermittelst der staubbeschmntzten Finger des Fat.
U. 25jähr. Gürtlergeselle. Erstes Auftreten der Symptome einige Tage nach
Spaltung eines Panaritiums. Die allgemeine Muskelstarre von häufigen Krampf*
paroxysmen unterbrochen. Die Remissionen dauern nur 10—30 Minuten. Chloral,
Sulfonal, Morphium erfolglos. 3 Tage nach der Aulhabme (am 8. Erankheitstage)
werden 1,125,000 Immunitätseinheiten Tizzoni’schen Antitoxins, d. i. die halbe
Portion (2,25 g) der im Handel erhältlichen Fläschchen mit Trockenserum in 10 ccm
sterilisirtem Wasser gelüst dem Fat. injicirt Stunde später subjectives Wohl¬
befinden, Anfhören der Schweisse und der Schmerzen, Nachlassen der Starre. Am
nächsten Tage abortiver Anfall. Injection von 300,000 Immnnitätseinheiten (=0,6 g
Trockensubstanz). Tags darauf nach einem abortiven Anfall der Best injicirt
(825,000 Immnoitätseinbeiten = 1,65 g Trockensubstanz). Am nächsten Tage noch
einige Ao^le wie tags vorher, durch 2 Wochen noch leichte Rigidität der Vorder¬
arme und der Adductoren der Oberschenkel mit Schmerzhaftigkeit der Ischiadici.
Das rasche Nachlassen der Scbweissproduction und der gehäuften Paroxysmen,
das snbjective Wohlbefinden und der Eintritt von Schlaf im unmittelbaren Anschlnsse
an die Injection beweisen wohl deren heilenden Einfiuss. Verf. räth Übrigens, die
doppelte Dosis von Antitoxin, also 2Flä8chchen anzuwenden, und davon das 1.Fläschchen
auf ein Mal zn injiciren.
Zum Scblnsse tritt Verf. noch für die combiuirte Behandlung ein: neben der
Injection reichliche FlQssigkeitszufuhr, Chloral, Morphium u. s. w. and Deeinfectiop
der Infectionsstelle. J. Sorgo (Wien).
Google
659
30) A oase of oephalio, dyspliagie, or hydropboblo tetanas, by Ernst
Maylard. (Glasgow med. Joomal. 1898. March.)
Yerf. berichtet aber einen Fall von Tetanus, der sich an eine unbedeutende
Verletzung der linken Kopfbälfte anschloss. 6 Tt^e nach dem Trauma Schwierigkeit
beim OetEnen des Hundes, allgemeine Mattigkeit; seit dem 13. Tage nach der Ver*
letzung anfallsweise heftige Dyspnoe, Schluckkrämpfe bei jedem Versuch, etwas zu
sch zu nehmen; tonische Krämpfe der rechten, Lähmung der linken Gesichtsseite,
später auch Krämpfe der rechtsseitigen Halsmuskulatur. Am 18. Tage Exitus. Verf.
hebt besonders hervor, dass fast ausschliesslich die Kopf«, Hals-, Kehlkopf- und
Schlnndmuskulatnr ergriffen war. Kaplan (Herzberge).
30) lieber einen Fall von Kopftetanne» von A. Solmsen. Aus dem Stadt*
lazareth in Danzig (Oberarzt: San.-Bath Dr. Freimutb). (Deutsche med.
Wochenschr. 1897. Nr. 46.)
Kurze Uittheilung eines relativ leichten Falles von Kopftetanus mit Parese des
rechten Facialis, wobei der rechte M. orbicularis im Zustande tonischer Erregung war.
B. Pfeiffer (Cassel).
Psychiatrie.
31) Paychoaes post-opöratolrea. Sdance de la Soci^t6 de Chimigie. (Progr^
ffidd. 1898. S. 204 u. 301.)
Die seitens Chirurgen und Frauenoperateuren angeregte Discussion ergab kaum
neoaa; doch sei folgendes Hauptsächlichste kurz angefährt:
Wenn man von den toxischen (Anaesthetica, Alkohol und Jodoform) und den
infe<^i58en Delirien (Septicämie) absieht, kommen wirkliche Psychosen äusserst seltmi
im Anschluss und als Folge von Operationen vor. ln den ^ermeisten Fällen sind
es prädisponirte, nenropathische Individuen, die zudem meist an Hysterie leiden.
M. Hartmann schl^ vor, mehr wie bisher auf deo psychischen Zustand Bück-
sicht zu nehmen und die seelischen Einflüsse möglichst zu vermindern. Kontier
sah Fälle von Yerfo^ngswahn und auch einmal von Agoraphobie. M. Bouilly will
zwischen Individnen unterschieden wissen, die sensu stricto hysterisch sind, und
solchen, die in Folge eines Genitalleidens an Hysterie erkrankt sind. Während
erstere durch Operationen kränker werden, können letztere durch operative Entfernung
der kranken Organe wesentlich gebessert werden. Er habe in seiner gynäkologischen
Praxis bezüglich dieser zwei Unterschiede mehrere Erfolge zu verzeichnen gehabt
Adolf Passow (Strassbarg L/E.).
32) Les psyohoses de la vieillesse, par Dr. Ant Bitti, Mödecin de la maison
nationale de Charenton. (Bordeaux. G. Gounonilhoo.)
Verf. erörtert zunächst das Geschichtliche der Psychosen des Greisenalters
und stellt fest dass Pinel und Esqnirol zu Anfang des Jahrhunderts aus der
Menge der Geisteskrankheiten zuerst die senile Demenz herausgehoben haben, dass
Esqnirol sogar schon das Vorkommen manischer Anfölle bei Greisen festgestellt hat.
Uandsley hat dann mehrere Jahrzehnte später die senile Melancholie be¬
schrieben und Wille hat 1873 eine Monographie der Psychosen des Alters verfasst
Thnen 8chl<«8en sich die Arbeiten von Weiss und FOrstner an. Förstner hat
die Häufigkeit der Verworrenheit (la confusion mentale) im Greisenalter nach-
gewiesen. Andere haben Fälle von dölire systömatieö im hohen Alter veröffentlicht.
42*
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660
Yerf. fand hier noch la folie InstinctiTe (Kleptomanie, ErotUme, ExhibitionoisiDe),
ebenso das circoläre Irresein nnd die Hysterie.
Verf. geht non aaf diese einzelnen psychischen Erkrankungen des Näheren ein:
Bei der Manie der Greise finden sich die verschiedenen Grade zwischen excitation
maniaque bis znr manie avec fureur. Die motorische Erregung pfiegt sehr starh
ausgebildet, der Ideeenreichthum gering zu sein. Erotische Tendenzen herrschen vor.
Die Manie kann heilen, chronisch werden, zum Tode führen oder in Demenz über*
gehen.
La mälancolie simple erscheint beim Greise weniger tief und weniger an*
haltend. Hypochondrische Ideeen sind häufig. Gew5hnlich ist die Willenskraft ge*
schwächt, trotzdem werden aber plötzlich gewaltthatige Acte an sich und Anderen
ausgeführt. Ausgang in Heilung ist nicht selten.
La mälancolie anxieuse wird im Anschluss an die Darstellung von
Maudsley wiedergegeben; ihre Prognose stellt der Yerf. etwas günstiger als der
englische Autor.
Interessant sind die den statistischen Untersuchungen Dr. Soquet’s entnommeneD
Zahlen über den Selbstmord in Frankreich. Hiernach kamen von 1835 — 1880
in Frankreich 191,288 Selbstmorde vor, von denen 48,931 Personen Über 60 Jahre
betrafen, und zwar 38,033 Männer und 10,898 Frauen. Im Jahre 1891 entfielen
nach dem Bericht der Criminaljustizverwaltung von 8884 Selbstmorden in Frankreich
2854 auf Individuen über 60 Jahre, und zwar 2300 auf Greise, 554 auf Greisinnen.
Yon folie circulaire wird ein Fall mitgetheilt, der im 70. Jahre einsetzte;
früher sollen hier auch keine leichten Anfälle vorhanden gewesen sein.
La confusion mentale der Greise kann heilen, sich bessern, unheilbar werden
oder in Tod ausgehen. Die Krankheit scheint in directer Beziehung zu Erkranknugen
des Arteriensystems zu stehen.
Betreffs des ddlire systämatisd erwähnt Yerf., dass er Fälle von Verfolgungs*
wahn, wie von Grössenwahn im Greisenalter kennen gelernt hat Er erinnert an
Feuersbrünste, die durch Kranke mit Yerfolgungswahn bei ihrem nächtlichen Umher*
lenchten in der Wohnung hervorgerufen worden sind, und macht darauf aufmerksam,
dass Fürstner einen Zusammenhang zwischen Yerfolgungswahn mit Gehörshailo*
cinationen und Schwerhörigkeit, und Lasögue zwischen Verfolgungswahn mit Gesichte*
hallucinationen und der Einwirkung toxischer Substanzen in einigen E^en festgestellt
bat Ueber die Beurtfaeilung des vom Yerf. citirten Falles von Grössenwahn im
Greisenalter hat Referent seine abweichende Meinung schon früher im Neorolog.
Centralbl. 1896. S. 742 niedei^elegt
Unter folie morale ou instinctive versteht Yerf. einen pathologischen Zu*
stand, der in einem oft unwiderstehlichen Drang zu tadelnswerthen und geföhrlichen
Handlungen sein Wesen haben soll. Er bat diesen Zustand bei Greisen beobachtet,
die früher niemals eine moralische Störung gezeigt haben. Die Handlungen bestanden
in Kleptomanie, in der Sucht, Menschen zu tödten und namentlich in Yerirrungen
du sens gdnital (amour platonique, salacit^, exhibitionnissme).
Das Auftreten von folie hystärique im Greisenalter wurde von Fleury
beobachtet. Anästhesieen fanden sich hier selten, hysterogene Zonen häufig. Schmerz*
hafte und spasmodische Phänomene der Eingeweide waren sehr intensiv.
Die Arbeit des Yerf.’s bringt, wie wir berichtet zu haben glauben, mancherlei
Neues und Interessantes. Sehr fein durchdacht ist u. A. das Kapitel über die
Psychologie des Greisenalters. — Noch eins sei zum Schlüsse bemerkt: Wenn der
Yerf. die einfache Altersdemenz in der vorliegenden Abhandlung auch nicht beschreibt,
so glauben wir uns doch wohl in Uebereinstimmung mit ihm zu befinden, wenn wir
annehmen, dass er ausser den von ihm dai^estellten, durch die späte Zeit des Auf*
tretens in einigen Zügen charakteristisch geerbten Psychosen noch die Dementia
senilis anerkennt; ist diese Krankheit doch scharf cbarakterisirt durch allmähliche
■ : : , Google
661
Aboabme des Gedächtnisses, Neigung zam Fabuliren, Unfähigkeit zur Verarbeitung
und Au^assung neuer EindrQcke, Urtheilsscbwäche, Zerfahrenheit, Verwirrtheit, Ver*
ödung des GemOthslebens, augenblickliche Erregbarkeit u. s. w.
Als Ursachen der Psychosen im Greisenalter werden vererbte Prädisposition
(anticipirte Vererbung!), organische Transformationen durch das Alter und Gelegenheits-
Ursachen angegeben.
Einen sehr interessanten Abschnitt der Abhandlung bildet das Kapitel, welches
der Frage nach der etwaigen Veränderung des Geisteszustandes der vorher geistig
erkrankten Patienten im Greisenalter gewidmet ist. Verf. kommt zu dem Resultat,
dass diejenigen Geisteskranken, die nach einer lange in psychischer Krankheit ver*
brachten Existenz das Greisenalter erreichen, im Allgemeinen neben ihrer Psychose
ihre Intelligenz boibehalten.
Wie so oft in französischen Arbeiten, finden wir auch in der vorliegenden
anerkennenswerth erweise eine Besprechung der Beziehungen zwischen den in Bede
stehenden Psychosen und der forensischen Hedicin, die die Zurechnnngs*, wie
die Dispositionsiahigkeit eingehend behandelt. Auch hier wird der erotischen Nei¬
gungen geisteskranker Greise gedacht, die ihre Erben durch Eingehen später Ehen
schädigen, die wegen dieser Neigungen ausgebeutet werden, namentlich auch betreffs
ihrer testamentarischen Dispositionen. Georg llberg (Sonnenstein).
33) Izuanlty of the different periods of life. Evolutional and Involntional
typee, by John T. Maclachlan, U. D. (Glaf^ow medic. Joum. 1897. March.)
Drei Perioden sind besonders bevorzugt beim Ausbruch von Geisteskrankheiten:
Pubertät, Klimakterium und Greisenalter. Während der Pubertät entwickelt sich der
Sexaalapparat rapide; dieser Vorgang bietet Gelegenheit zu mannigfachen Störungen
des Nervensystems. Das Individuum wird mehr altruistisch und seine Hanptbestim-
mnng, welche früher in seiner eigenen Person concentrirt war, concentrirt sich jetzt
um Andere, ausserdem nehmen religiöse und sexuelle Vorstellungen die Psyche ein.
Knaben unterliegen in dieser Periode eher geistigen Störungen als Mädchen, welch
letztere in dem Bestehen der Menses ein gewisses Sicherheitsventil zu haben scheinen.
Sexuelle Störungen sind meistentheils bei Psychosen dieser Art vorhanden, besonders
Masturbation. Die Patienten sind ruhig und düster und führen ein abstraktes Leben.
Hauptzweck der Behandlung muss daher sein, sie aus der Welt der Träume zu harter
Muskelarbeit und zur Wirklichkeit zurückzufübren. Körperlich sehen die Patienten
gewöhnlich blass und „überwacht“ ans. Der Ausbruch der geistigen Störungen
der Adolescenz hat gewöhnlich die Form einer Manie, während der die Patienten
sehr aggressiv und oft gemeingefährlich besonders gegen ihre Familie und die ihnen
Nahestehenden sind. GehÖrshallucinationen sind fast immer vorhanden, ebenso plötz¬
liche impulsive Handlungen. Wenn die Psychose in Form einer Melancholie aus¬
bricht, besteht Neigung zum Selbstmord, der besonders in dieser Form oft stark
ausgesprochen ist; ausserdem bestehen Nahrungsverweigerung, GehÖrshallucinationen
und seltener Gesichtshallucinationen. Gewichtszunahme gilt als ausgezeichnetes Zeichen
der Besserung. Die Behandlung soll demzufolge auch in reichlicher Ernährung be¬
stehen. Die Masturbation erfordert besondere Berücksichtigui^.
Die Geisteskrankheiten des Klimakteriums treten zwischen dem 40. und 60. Jahr
auf. Häufig bestehen um diese Zeit bei den Patientinnen Kopfcongestiouen, Geräusche
in den Ohren, Kopfschmerzen, neuralgische und Verdauungsstörungen mannigfacher
Art, häufig mit Verlust der geistigen Stabilität: das sind Wamungezeicheu. Bricht
in dieser Periode Geisteskrankheit aus, so ist sie charakterisirt durch anhaltende
und tief eingewurzelte Wahnvorstellungen, und die Prognose ist daher ungQnstig.
Etwas sehr Gewöhnliches sind subacnte maniakalische Anfälle, die in einer gewissen
Periodicität auftreten und dadurch mit dem Aufhören der Menses in Verbindung zu
.,Googlc
662
Bein scheinen. Aach hier sind Gehörs* und GeruchshaUücinationen nicht selten. Die
Behandlang muss besonders die Umstände berücksichtigen, unter denen die Psychose
ausbrach. Leichte Muskelbewegung, Beschäftigung im Bause sind empfehlenswerth.
Intern giebt man Furgativa, Brom und Tonica. Die Mehrz^l derartiger Patienteo
wird übrigens wegen der Neigung zum Selbstmord in Änstaltsbehandlung kommen.
Bei Männern nimmt die Psychose in dieser Altersperiode oft eine hypochondrische
Form an mit mannigfachen krankhaften Vorstellungen betreffs der EÖrperorgana
Häufig ist Mastkurbehandlung oder künstliche Ernährung nothwendig.
Die senilen Psychosen brechen gewöhnlich bei Personen Über 60 Jahren am
und sind besonders mit organischen Veränderungen am Herzen und an den Oe&s«i
verbunden. Von den letzteren Veränderungen hängt auch wahrscheinlich die Atrophie
der Hirnrinde ab. Die Hauptsjmptome sind Verlust des Gedächtnisses, besonders
für frische Ereignisse, kindisches Benehmen. Somatisch treten die Zeichen einer
schlechten Girculation zu Tage. Allmählich werden die Patienten dementer, der Tod
tritt entweder ein durch Hirnblutung, durch Erschöpfung, oder durch eine Lungen*
affecUon. Nicht selten besteht geringer Eiweissgehalt im Urin. Streng zu trennen
ist diese Form Ton der Demenz, welche bei alten Geisteskranken auftritt
Paul Schuster.
34) On arrested development and Llttle’s diaeaee, by William G. Spiller,
M. D. (Journal of nervons and mental disease. XXV. 1898. Febr. S. 81.)
Verf. bespricht einen Fall von Idiotie, in dem Dr. Keen die Craniektomie auf
der linken Schädelhälfte im Alter von 19 Monaten und 3 Monate später dieselbe
Operation rechts ausgefflhrt hatte. Das Kind war ein rechtzeitig geborenes Mädchen
von gesunden Eltern zeigte aber s(^leich einen anffallend kleinen Kopf und eine
bereits geschlossene Stimfontanelle. Im Alter von 19 Monaten besass es einen Eopf-
umfang von nur 360 mm; es konnte weder sitzen noch stehen, zeigte Contraccoren
der Fussflexoren, Fehlen der Patellarreflexe nnd war sonst völlig idiotisch.
Im Alter von 6 Jahren starb das Kind plötzlich. Die Operationen hatten keine
wesentliche Besserung in dem gesammten Zustande herbeigeführt trotz der sorg*
fältb^en Pflege in einer Idiotenanstalt. Aus dem mikroskopischem Himbefunde ^
hier nur zu erwähnen, dass in den motorischen Centren, nnd besonders im Para*
centrallappen die charakteristischen Riesenzellen fast vollsündig fehlten. Abgea^eu
von der Kleinheit des gesammten Centralnervensystems war es wohlgebildet.
Dr. Keen giebt im Anschluss noch einen Ueberblick über die 18 von ihm
operativ (durch lineare Cianiektomie) behandelten Fälle von Idiotie. Es starben
5 = 21,7 ^/q. 6 Kinder wurden gebessert, bei 7 war kein Erfolg zu bemerken. Er
hat operirt bei Kindern im Alter von 18 Monaten bis zu 6 Jahren. Bei älteren
Kindern, und dann bei Mikrocephalen höheren Grades Überhaupt, nimmt Verf. auf
Grund seiner Erfahrungen von einer Operation Abstand. An letztere muss immw
eine sehr soigfältige Erziehung in einer Idiotenanstalt angeschlossen werden.
Sommer (AUenb^).
Therapie.
36) Die Behandlung der tuberoulösen Wirbelentsündung auf Gnmd von
700 Fällen, von Prof. Dollinger. (Stuttgart. 1896. Enke.)
Indem Verf. bereits im Jahre 1892 seine Erfahrungen Über die Behandlung
tuberculöser Gelenke veröffentlicht hat und dort hervorhob, dass er dieselben all¬
mählich mit der Hand redressirt ohne Distractionsapparate und das erreichte Besultat
mit Gypsverband, später mit einer abnehmbaren immobilisirenden Kapsel öxirt, be¬
zweckt er in dieser Arbeit zn demonstriren, in welcher Weise er das Prinap d&
continuirlichen Fiximng auf die Behandlung der WirbelentzQndnng erstreckt.
Google
663
Haaptziele der Behandlung sind;
1. Aolhebung der Entzflndung und des Schmerzes durch Fixirung bei Tag
mittelst eines Mieders, bei Nacht durch einen Lagerungsapparat, welche beide nach
emem Gypsmodeli angefertigt werden,
2. die Verkrttnunung zu Terhindem durch zweckmässige Unterstützung der
kranken Wirbelsänle.
Betrefe der sinnreich constmirten Apparate and anderer hauptsächlich Chirurgen
mteressirmder Thatsachen müssen wir anf das lesenswerthe Original verweisen und
OOS auf die Lähmnngen beschränken. Von den 700 Kranken des Verf. waren 41
gelihnt Davon entWlen auf den Halstheil 4, auf den Brusttheil 37. Die Spondylitis-
lähmnng wird, wie allbekannt, selten von der durch die Verkrümmung verursachten
Terengerung des Wirbelcanals verursacht, sondern in einer Hälfte der Fälle durch den
das Bückenmark blutarm machenden Druck des epidnralen tnberoulösen Exsudats, in
der anderen Hälfte durch das Oedem des Bückenmarks, welches das die Lymph-
itrdmoDg behindernde Exsudat hervomifL Sobald das Exsudat resorbirt ist, kehrt
die Leistungsfähigkeit des Bückenmarks wieder zurück, besteht es hingegen längere
Zeit, so entsteht Rflckenmarkssklerose und die Lähmung wird eine beständige.
Indem die operative Entfernung der Granulationen und des Exsudats den Er¬
wartungen gar nicht entsprach, und indem Verf. durch die oben kurz erwähnte
Beban(Üang bei anderen tubercnlOs erkrankten Gelenken glänzende Erfolge zu ver¬
zeichnen hatte, lag der Gedanke nahe, dasselbe Frincip auf die Wirbelsäule zu
übertragen. Von den 41 gelähmten Fat. konnte Verf. nur 15 bis zu Ende beobachten;
von diesen sind mittelst seiner Behandlungsweise 13 gänzlich geheilt 0.
36) Zar operattven Behandlong der Spina bifida oooulta, von H. Maass.
Demonstration in der freien Vereinigung der Chirurgen Berlins am 12. Juli 1897.
(Deutsche med. Wochenschr. 1897. Nr. 47.)
Das Sjähr. Mädchen stammt ans gesunder Familie: die Geburt war normal, die
anfängliche Entwickelung gut. Im 3. Monat bemerkt die Mutter, dass die ^ine
des Kindes stark gespreizt, nach aussen rotirt gehalten und fast gamicht bewegt
wnrdmi; der linke Fass soU von früh an blauroth verßrbt und kühl gewesen sein.
Das Kind begann gegen Ende des 2. Jahres die ersten Gehversuche zu machen,
konnte sich aber nie aufrecht halten, ohne unter den Armen gestützt zu werden;
lisae man es los, so fiel es sofort hin.
Status (5. October): Gesund aussehendes Kind ohne nachweisbare Bachitie.
Innere Oi^ne gesund. Am Bücken eine die Lendenwirbelsäule überdeckende, flache,
rundliche Geschwulst von ca. 8 cm Durchmesser, die seit der Geburt besteht und
von normaler Haut bedeckt ist. Circumskripte Hypertrichosis oberhalb der Geschwulst
in Höhe des 12. Brustwirbels. Unter dem Haarbüschel fühlt man am 12. Brust¬
wirbel genau median einen Defect des betreffenden Wirbelb<^ens von ca. 1 cm Breite
und seitlich die Domfortsatzhöcker der beiden getrennten Bogentbeile, Weiter ab¬
wärts ist die Falpation durch die Geschwulst unmöglich. — Keine weiteren Miss¬
bildungen. In Horizontallage sind die Beine in den Hüftgelenken abducirt und nach
aussen rotirt; links etwas Genu valgum, beiderseits starker Fes va^^, links ausser¬
dem leidite Equinnsstellung. Verkürzung des linken Unterschenkels und Fasses, die
Haut daselbst kühl, marmorirt, blauroth. Störung der Motilität an beiden Beinen,
besonders links, starke spastische Widerstände bei passiven Bewegungen, Andeutung
des rechten, Fehlen des linken Fatellarreflexes. Grobe Sensibilität erhalten, elek¬
trische Beaction prompt
In Bücksicht auf die Thatsache, dass bei Spina bifida occulta organische
Läsionen des Bückenmarks, besonders Bildungsstörungen vollkommen fehlen, die
eventuell vorhandenen nervösen Störungen lediglich auf einer Drucklähmung der
Googli-
664
intacten HeduUa spinalis bezw. Cauda eqnina berohen kSnoen, und auf den operativ
geheilten Fall von Jones wurde die Operation vorgescblagen und am 15./XII. 1896
ausgefQbrt. Nach Loslösnng eines bogenförmigen Hautlappens und Exstirpation der
Geschwulst (Lipom) ISsst sich der Wirbelspalt gut abtasten: er reicht vom untersten
Brust- bis obersten Ereuzbeinwirbel und klafft in der Mitte fast 3 cm und ist durch
eine fibrös-muskulöse Platte abgeschlossen, welche in der Mitte eine tiefe horizontale
und je eine seichtere Forche lateralwärts aofweist. — Spaltung des Bandes nahe
seiner linksseitigen Insertion, bis sich die Furchen vollkommen ansgleicbem Glatte
Wundheilung. Erhebliche Besserung der Stellung und Motilität der unteren Extre¬
mitäten: die spastischen Widerstände sind vollkommen geschwunden,
das Kind ist stundenlang auf den Beinen ohne binzufallen. Die
trophischen Störungen sind dagegen eher in Zunahme begriffen, es lag also wahr¬
scheinlich keine reine Compressionsmyelitis vor (Fehlen der Patellarrefiexe!). sondern
es besteht eine — wenn auch geringfügige — organische I>ä8ion der Centralorgane.
Das Operationsresnltat ist gflnstig und fordert — ebenso wie der Jones’sche
Fall — zu einem gleichen Vorgehen in ähnlichen Fällen auf.
B. Pfeiffer (Cassel).
37) TTeber BewegnngstlierBpie bei Erkrankungen des Nervensystems, von
Prof. Goldscheider. Aus dem städtischen Erankenbaose Moabit in Berlin.
Vortrag, gehalten in den Sitzungen des Vereins ffir innere Medicin vom 6. und
13. December 1897. (Deutsche med. Wochenschr. 1898.)
Zweck des sehr gehaltvollen Vortrags ist, das Interesse der Praktiker auf die
Bewegui^theorie hinzulenken: „sie stellt ein weites Feld wirksamer Be-
thätigung für den Arzt dar; sie erfordert keine specialistischen Kennt¬
nisse, jeder Arzt ist nach den gegebenen Anweisungen im Stande, sie
auszuüben; mögen die Aerzte eich nicht von geschäftigen Naturärzten
diese Methode entreiseen lassen.“ — Bei paraplectiseheu oder sehr herunter¬
gekommenen Tabikern ist grosse Vorsicht nöthig, oh erst vor Einleitung der Kur
die Ernährung zu heben. Die Bewegungen dürfen anfangs nur gering sein, zunächst
bei offenen, dann bei geschlossenen Augen gemacht werden, grosse Erbolungspausmi
dazwischen treten. In leichteren Fällen ist die Verbesserung des Ganges das Wesent¬
liche: Geh- und Treffübungen können vielfach, unter Anderem unter Znhülfenahme
von Apparaten, variirt werden; die Hauptsache ist Ausdauer. Wenn der Tabiker
nicht übt, so verlernt er die Präcision der Bew^ungen. Gleichzeitig ist wichtig die
Begnlimng des Bew^ngsmaasses; das Princip muss lauten: möglichst viel Be¬
wegung ohne Ueberanstrengung, mit grossen Ruhepausen. Die That-
sache, dass Tabiker oft kein Ermüdungsgefühl haben, ist zu berücksichtigen, mangelnde
Energie der Patienten andrerseits zu heben. — Bei vorhandener Atonie empfiehlt es
sich, fleissig nebenher zu elektrisiren und zu massiren, ferner die Gelenke durch
Bandagen zu stützen. Anzustreben ist eine Besserung des Muskelsinnes, der Tabiker
soll dahin gebracht werden, dass er womöglich eine Verfeinerung in der Perception
selbst erreicht Die Erfolge dieser auch an die Intelligenz der Kranken appellirenden
Methode sind verschieden: in leichteren Tabesföllen nützt sie fast ohne Ausnahme
wesentlich und kann unter Anderem selbst Paraplectische wieder gehfähig machen. —
Die Bewegungstherapie beeinflusste günstig den Intentionstremor bei multipler
Sklerose, den hysterischen Tremor jugendlicher, auch kindlicher Individuen, Fälle
von Chorea und Athetose; ihre unter Anderem vorzüglichen Ergebnisse beim
Schreibkrampf sind bekannt — Spastische Contracturen nach cerebralen
und spinalen Lähmungen bleiben durch Bewegungstherapie ungebessert, diese wirkt
dagegen günstig bei hysterischen Contracturen, bei der Mnskelthätigkeit
der multiplen Sklerose. Die Spannung verringert sich hier am meisten, wenn
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die Glieder eotlastet und die BeweguDgsn möglichst acut ausgeffihrt werden. Ausser*
ordentlich wichtig ist bei hochgradigen Paresen und Muskelatrophieen die
Gjmnastik im Wasserhade, welchem zweckmässig Salz zugesetzt wird, da der Auf*
trieb mit zunehmender Concentration und höherem specifischen Gewicht des Wassers
stärker wird. Die elektrische Bewegungstherapie bahnt den motorischen Impuls
und wirkt dadurch erfolgreich: der Fat muss gleichzeitig mit der elektrischen Beizung
des Nerven oder Muskels activ mitbewegen (t. Leyden). — Ausserordentliche
Triumphe feiert die Bewegungstherapie häufig bei Neuralgieen und schmerz*
haften Gelenkaffectionen (nach Contnsionen, abgelanfenem Gelenkrheumatis*
mus u. 6. w.). Die Details des sehr wichtigen Vortrages sind im Originale nach*
znlesen. B. Pfeiffer (Cassel).
38) Ueber die compensatorische Uebungstheraple bei der Tabes dorsalis,
von P. Jacob. Aus der L medic. Universitätsklinik in Berlin, Geb. B. v. Leyden.
Nach einem Vortrag auf dem XII. internationalen Congress zu Moskau und
einem Vortrag im Verein für innere Medicin in Berlin. — (Deutsche med.
Wochenschr. 1898. Nr. 8, 9 u. 10.)
Um den Werth der Frenkerschen Methode besser begründen zu können, bespricht
Terf. die bei der Tabes während der letzten Decennien angewandten therapeutischen
Methoden. Die localen Ableitungen sind beute fast völlig verlassen, höchstens
kommen sie und zwar besonders Jodpinselnngen und Charcot's Points de fen in Be*
tracht zur Beseitigung localer Schmerzen. Eine richtig geleitete Balneotherapie
kann das Allgemeinbefinden bessern, die subjectiven nervösen Beschwerden mildem,
die sensiblen Bahnen anregen; der anatomische Process bleibt unbeeinflusst. Ein
wohlthätiger anregender Einfluss auf die Nervenfnnction kann sich auch bei einer
vorsichtigen und sorgfältigen bydropathischen Cur bemerkbar machen. — Die
Elektricität kann Paraesthesien, Gfirtelgefübl u. s. w. beseitigen und auf die an*
ästhetischen Partieen erregend einwirken. Die Nervendehnung ist heute völlig
anfgegeben, Motchutkowski’s Suspensionsmethode flberflOssig und daher fast
ganz aus der Therapie verschwunden, die Nervenausdelmung durch forcirte Dehnung
und Beugung des Körpers (Bonuzzi, Blondel, Benedict) zu verwerfen. Die
Methode von Gilles de la Tonrette nnd Chipault ist zeitig nicht definitiv zu be*
urtheilen. — Hessing ev. Paschen’sche Corsets können möglicher Weise einer
stärkeren Erschlaffnng der BQckenmoskeln entgegen arbeiten und dem Kranken einen
besseren Halt geben. Die medicamentöse Therapie hat ansserordentlich viele
Enttäoschnngen gebracht. Was Quecksilber und Jodkali anlangt, so „geben selbst
die eifrigsten Verfechter der Lehre von dem Zusammenhang der Tabes
nnd Syphilis fast sämmtlich zu, dass eine wesentliche, bezw. specifische
Besserung der Böckenmarksymptome durch die antiluetische Therapie
nicht zu erzielen sei.“ Das Anrathen der Cur ist bequem, helfen wird sie aber
niemals, geschweige den anatomischen Process zur Heilung führen, oft dagegen den
Kranken schwächen. Die angeblichen Erfolge mit Sperminbehandlung sind wohl
bei streng wissenschaftlicher Kritik sehr einzuschränken. Die hygienisch*diäte*
tischen Maassnahmen sind sehr wichtig, gleichen aber den bei anderen chronischen
Krankheiten angewandten. Wir besitzen kein Speciflcnm, können ein solches auch
kaum von der Zukunft erwarten, müssen daher im wesentlichen symptomatische
Therapie treiben. Die compensatorische Uebungstheraple sucht die atactischen
Störungen zu bessern, sie gründet sich auf die heute Qemeiugut aller Aerzte ge*
wordene Leyden-Goldscheider’sche Theorie, die Lehre der „sensorischen Ataxie.“
Das Frincip der FrenkePschen Uebungen besteht darin, „in systematischer Weise
dem Patienten, hauptsächlich unter Controlle seines Gesichtssinns, die Sicherheit in
seinen Bewegungen wiederzugeben, welche er in Folge des Verlustes seines Be*
wegnngssinnes, bezw. in Folge des fehler- und mangelhaften Functionirens desselben
Dig :i^cd cy Google
666
verloren hat'* — sie haben mit activer und passiver Gymnastik nichts zn thnn,
wollen vielmehr die incoordinirten Bewegungen zu coordinirten gestalten, das Gefühl
der Unsicherheit dem Patienten nehmen, ihm Zutrauen zu sich selbst elnflöam
Die Haoptbedingungen der Uebungstherapie sind: einmal die richtige
und zweckmässige Einführung von Uebungen, welche zum Theil an ge*
eigneten Apparaten vorgenommen werden müssen, zweitens ein syste*
matischer, von kundiger Seite dem Patienten erteilter Unterricht
Vorbedingungen sind guter Kraftezustand, ev. Correctnr fehlerhafter Stellungen durch
passende Verbände, Schienen, Corsets. Je nach dem Grade der Ataxie müssen die
Uebungen variiren: zur Erlernung müglichster Bxactheit und Präcision bei Ausführung
der Bewegungen hält Vortr. im Gegensatz zu Goldscheider und Änderen Apparate
für erforderlich und demonstrirt eine Reihe derselben (Pendel* und Gitterapparat
Fusskegelspiel, Gehbretter, Laufbarren und Uebungstreppe). Die Uebangstherapie ist
eine zeitraubende, keineswegs einfache, am besten von einem erfahrenen
Nervenärzte zu leitende Methode. Niemals darf der Tabiker ohne ärztliche
Aufsicht die Uebungen machen, niemals sich ausser in den Uebnngsstnnden viel
allein bewegen. R. Pfeiffer (Cassel).
S9) Beltr^ sur Qaeoksilberbehandlung der multiplen Solerose, von Wil¬
helm Mühsam. (Inaug.-Dissert 1897. Kiel.)
Nach kurzer Besprechung der pathologischen Anatomie, sowie der klinischen
Symptome der multiplen Sclerose geht Verf. zn der Therapie derselben über. Er
berichtet über 10 Fälle, bei denen eine Schmierkur eingeleitet wurde. Bei 4 dar*
selben wurde eine erhebliche Besserung des ganzen Zostandea, bei anderen 4 eine
Besserung einzelner Symptome erzielt, während 2 Fälle völlig unbeeinflnsst bliebea.
Die Sensibilitätsstörungen sind in allen Fällen, wo sie bestanden, der Quecksilber*
bebandlung gewichen, ebenso die Kopfschmerzen und SchwindelanföUe.
Kart Hendel.
UL Aus den Gesellschaften.
Verein für Psychiatrie und Neurologie in Wien.
Sitzung vom 11. Januar 1898.
(Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 6.)
V. Söider demonstrirt eine Fran mit der Diagnose: Aneurysmen der Basilar^
arterien des Gehirns.
Die 40jährige Oekonomengattin hatte mit Ausnahme von Gelenkrhenmatismns
keine Erkrankung überstanden; im Jahre 1891 unbestimmtes Unwohlsein,
plötzlich Auftreten einer linksseitigen Gesichtslähmung, näselnde Sprache nnd Schling*
lähmung. Letztere Erscheinungen schwanden nach einigen Tagen. Gleichzeitig Anf*
treten von Rauschen auf dem linken Obre, das jetzt noch persistirt; die Hörschärfe
nahm links allmählich ab. Seit mehreren Jahren zeitweilig anftretende Sehstörongen,
Abnahme der Sehschärfe, Stimkopfschmerz, links stärker wie rechts.
Status praesens: Parese des linken Facialis, Zange weicht nach rechts ab,
hochgradige Sebstörnngen, Lichtscheu, beiderseits Stauungspapille. Beim Gehen
scbwaukt Pat. öfter nach der Seite, die Auscultation am Kopfe ergiebt ein mnai*
kalisches Geräusch, das rhythmisch und zwar synchron mit dem Puls anschwiUi. Es
ist oft nur rechts von der Mittellinie an einer umschriebenen Stelle der Hinterhaupt*
schuppe zu hören. Exspirationsdruck verstärkt das Geräusch, Compression der
Carotiden schwächt es ah bis zum Verschwinden. Keine anderen Symptome.
Yoria*. stellt die Diagnose auf Aneurysmen auf der Himbasis. Die snbjective
Gehörswabmehmung dürfte anf die Compression des N. acnsticus znrfickgeffihit
D g !i/od Dy GOO^ IC
667
werden, da keine Uebereinstimmnng zwischen der von der Kranken gegebenen Schil*
derang and dem auscnltatorisch featgestellten Geräusche besteht.
Infeld stellt einen Fall von Tabes mit centralen Senslbilit&tsdefeoten
im Oesiobte vor.
49jäbriger Kranker mit allen typischen Symptomen der Tabes und linksseitiger
Hypoglossuslahmung. Hochgradige Arthropatlüe in beiden Kiefergelenken und in
beiden Schnltei^elenken, besonders im rechten; hochgradige Störungen der Sensibilität
an den oberen Extremitäten. Der centrale ^nsibilitätsdefect im Gesichte umfasst
zwei Gebiete, von denen eins am Nasenrücken dem N. infratrochlearis, das andere
am Nasenflügel einem Zweige des N. infraorbitalis, dem zweiten Trigeminusaste, ent¬
spricht. Die Form der Sensibilitätsstömng ist eine sehr seltene.
Hofrath v. Krafft-Ebing; Ueber Eonmesto.
Vortr. erinnert an hypnotische Elxperimente, bei denen es sich um suggestive
Bückversetzung in eine frühere Lebensperiode handelte. Er habe einen ganz analogen
Fall gesehen, in welchem die Zustände spontan anfgetreten sind.
21jähr. Dienstmädchen, hereditär belastet, bekam 1893 nach starken Gemfiths-
bewegnngen Lethargnsan&lle mit nachfolgendem delirantem Zustande. Concentrische
Qesichtsfeldeinengnng, Druckpunkte. Im Anschlüsse an eine zu therapeutischen
Zwecken nntemommene Hypnose trat ein transitorischer, psychischer Äusnahmszustand
ein, in welchem sich die Kranke in ihr 10. Lebensjahr zurückversetzt glaubt, im
übrigen aber lucid ist; für alles, was sich nach ihrem 10. Lebensjahre zugetragen
bat, ist ihre Erinnerung vollständig ansgelöscht, für jene Lebensphase und weiter
rückwärts aber vollkommen prompt Solche Zustände von Ecmnesie wiederholten
sich oft im Anschlüsse an Lethargns oder Hypnose. Ausbleiben der Anfälle nach
hypnotischer Behandlung. Seit kurzem nach Gemüthsbewegnngen hysterische Attaquen,
aber keine spontanen ecmnestischen Zustände; dieselben lassen sich aber durch
Suggestion in Hypnose hervorrnfen.
Vortr. demonstrirt diesen Znstand an der Kranken und knüpft daran allgemeine
Ausführungen Über Ecmnesie. (Wird ausführlich an anderem Orte veröffentlicht.)
Sitzung vom 8. Februar 1898.
(Wiener klin. Wochenscbr. 1898. Nr. 8.)
V. Sölder demonstrirt einen Fall von krampfhaften, associirten Mitbewegungen
eines Oberlides bei Bulbosbewegungen.
Bei einer 33jährigen Frau waren vor einem Jahre unter schweren cerebralen
Allgemeinsymptomen am linken Auge Ptosis und mehrfache Augenmnskelläbmungen
plötzlich aufgetreten, wovon sich gegenwärtig noch Parese in allen Aesten des Ocnlo*
motorins und im Abdncens nachweisen lässt. Die vollständige Hebung des gesenkten
Lides ist an die Adduction nnd an die intendirte Senkung des Anges geknüpft,
ebenso der prompte Ablauf des Lidschlages.
Elzholz: Ueber Caroinompsyohosen.
Yortr. berichtet Über 3 Fälle von Psychosen im Endstadium cardnomatöser
Leiden. Diese Psychosen sind sehr selten nnd in der Litteratur fast gar nicht be¬
rücksichtigt, besonders betont Vortr. das Fehlen jeden Hinweises auf die ätiologische
Bedeutung des Garcinoms für Psychosen in der Litteratur der Inanitionspsychosen.
Die 8 Fälle betreffen hereditär weder mit Geistes-, noch mit Nervenkrankheiten
behaftete Individuen, die bis zum Ausbruche ihrer Carcinomerkrankung kein ernsteres
Leiden durcbznmachen hatten. In dem einen Falle handelte es sich nm Carcinom
der Lungenspitze mit secundärem der mediastinalen und bronchialen Lymphdrüsen
’iQ'h/.OÖ Dy
Google
668
und Metastasen in der Lendenwirbelsäule ohne weitere somatische Complicationeo.
Im 2. Falle war ein Magencarcinom mit Stenosinmg des Ductus choledochus und
Icterus gravis, im 3. ein verjauchtes Carcinom des Bectums mit jauchiger Periproc-
titis, Phlegmone an beiden Leistengegenden und parenchymatöse Nephritis vorhanden.
Trotz der CompÜcationen in den beiden letken Fällen glaubt Vortr. einen Zu¬
sammenhang zwischen Carcinom und Psychose auch hier annebmen zu därfen, weil
die bei Icterus gravis sonst zur Beobachtung gelangenden Psychosen anders geartet
sind als die vorliegenden, und weil im zweiten Falle die Psychose 2 Monate vor
dem Exitus zum Ausbruche kam, bevor sich noch Eiterungs- und Jauchungsprocease
und Infiltrationen entwickelt hatten. In beiden Fällen wurde eine degenerative Er¬
krankung der hinteren Wurzeln und eine diffuse Verbreitung der degenerativen Vor¬
gänge in den langen Rfickenmarksbahnen constatirt.
In allen drei Fällen wechselten Zeiten, in denen die Kranken klar oder nahezu
klar sind, mit Phasen ab, in denen sie hochgradig verwirrt und unbesinnlich waren;
in den Remissionen finden sich auch gewisse gemeinschaftliche Eigenthflmlichkeiten.
Die Kranken erschienen klar, jedoch verwirren sich bei lange fortgesetztem Examen
ihre (Gedanken, die Gedäcbtnissleistung nimmt ab, und sie versinken in einen ab¬
springenden, ungeordneten Gedankengang. Längere Inanspruchnahme der Aufmerk¬
samkeit hatte eine Ermüdung und Erschöpfung der correcten Ideeenassociation zur
Folge; der Gmndton der Gemfltsstimmung war w^rend der Dauer der deliröaen
Verwirrtheit ein depressiver, von zeitweiligen ängstlichen Aufregui^en accentnirter.
Die Kranken äusserten Todesangst, Lebensüberdruss; der eine unternahm einen Selbst¬
mordversuch. Bezüglich des Zusammenhanges zwischen Carcinom and Psychose waren
für im Intestinaltractos localisirte Carcinome Aatointoxicationen denkbar, für anders
wo vorkommende Krebse könnte man an eine Aendemng des Lymphstromes, an
übermässigen Abfluss der Lymphe aus dem Gewebe des Gehirns in die Blutbahn
(im Sinne der Grawitz’scben Lehre) denken, dadurch würde eine Unterernährung
des Gehirns gesetzt.
Sternberg würde gegenüber dem vom Vortr. gegebenen Erklärungsversuche
die Annahme einer directen Einwirkung des Carcinomgiftea auf das Cen^lnerven-
System bevorzugen.
Hofrath v. Krafft-Ebing äussert sich in gleichem Sinne.
Sitzung vom 19. April 1898.
(Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 17.)
J. Redlich demonstrirt Präparate einer miliaren Sklerose der Hirnrinde
bei seniler Atrophie.
Dieselben entstammen einem Falle von vorgeschrittener seniler Demenz mit
Sprachstörungen und epileptischen Änfällen. Die Section ergab allgemeine Hirn¬
atrophie ohne Erweichungsherde. Bei der mikroskopischen Untersuchung zeigten sich
ausser den der senilen Atrophie znkommenden typischen Veränderungen (Atrophie
der Ganglienzellen und Nervenfasern, vermehrtem Anftreten von Spinnenzellen in der
Hirnrinde) ungemein zahlreiche, mikroskopisch kleine Verdichtuogsherde, die Vortr.
als miliare Sklerose bezeichnet und dieselben dahin auffasst, dass nach aufgetretener
Gliawucherung in Form feinster Fäserchen es zn Degenerationsvorgängen in der ge¬
wucherten Glia komme (Homogenisirnng, körniger Zerfall). Am ausgesprochensten
waren die Veränderungen im Stirnlappen, in der Broca’schen Windung und der
linken ersten Schläfenwindung, während sie in den Stammgsnglien, sowie überhaupt
im Himstamm und dem Kleinhim fehlten. Dies weist anf einen gewissen Zusammen¬
hang zwischen den atrophischen Vorgängen an den nervösen Elementen der Rinde
und dem Auftreten der miliaren Sklerose bin. Vortr. konnte denselben Befund in
■' Google
669
minder aasgesprocbeaem Grade auch in zwei anderen Fällen von seniler Demenz
erheben.
Vortr. demonstrirt ferner einen Fall von Sfacher Miasblldung des unteren
Buokenmarksendes.
Bei einem Kinde mit Spina bifida und rechtsseitigem Elumpfuss zeigte die
Untersuchung einen Foetus in foetn. Bei der mikroskopischen Untersuchung ergab
sich, dass das untere Bfickenmarksende 3 fach angelegt war. Es fanden sich zwei
annähernd regelmässig miteinander verwachsene Bückenmarke, die dem au^ewacbsenen
Kinde angehören, wobei Zweitbeilung des BQckenmarks (Diastematomyelie) mit der
Spina bifida zosammenhängt. Das dritte unregelmässige Bfickenmark gehört dem
Foetus in foetu an. Vom Lendenmark nach aufwärts findet sich bloss ein Rücken*
mark vor, dessen rechte Hälfte deutlich kleiner ist als die linke. Ein Eunstproduct
ist absolut ausgeschlossen, da nirgends auch nur eine Andeutung von Quetschungs*
voi^ngen vorhanden ist.
Vortr. erörtert kurz die Frage der Abhängigkeit des angeborenen Elumpfusses
von spinalen Veränderungen.
S. Erben: Ueber ein Pulsphänomen bei Neurasthenie.
Lässt man Neurastheniker niederhocken oder sich tief bücken, so setzen nach
einigen Pulsschlägen plötzlich charakteristische Vaguspulse (verlangsamte, stark ge¬
spannte Pulse) ein. Nach 4—10 solchen Pulsen geht diese Verlangsamung in eine
vorübergehende Polsbeschleunigung Über. Auch starkes Bückwärtsbeugen des Kopfes
hat mitunter diesen Effect. Wiederholung des Versuchs macht das Phänomen zumeist
weniger deutlich; der Ätbem darf vom Kranken nicht angehalten werden. Wahr¬
scheinlich wird der passagere Vagnsreiz durch das Einsetzen venöser Himhyperämie
producirt und nicht durch mechanische Beizung des V^usstammes am Hsdse oder
durch reflectorische Beeinflussung des Vaguscentrums vom Bauche aus. Auch die
Erhöhung des Blutdruckes scheint nicht die Ursache der Vagusreizung zu sein.
Das Phänomen konnte Vortr. nur bei Neurasthenikern, bei verschiedenen
Psychosen finden, dagegen nicht bei nervengesunden Menschen, fiebernden oder ander¬
weitig erkrankten, auch nicht bei Morbus Basedowii und Tabes, so dass demselben
eine differential-diagnostische Bedeutung zukommt.
Prof. Wagner meint, dass eine reflectorische Beizung durch Blntdrucksteigerung
vorliege, indem die Vagusendigungen im Herzen gereizt werden. Die Versuche des
Vortr. schliessen Blotdrucksteigerung als Ursache der Pulsverlangsamnng nicht aus,
während die an dem Kranken vorgenommenen Proceduren geeignet sind, Blutdmck-
steigemng hervorzurnfen, und zwar durch Compression der Baucheingeweide. Die
Versuche des Vortr. beweisen das Vorhandensein einer gesteigerten Erregbarkeit des
Vaguscentmms. Die Art und Weise der Beizung ist nach der Ansicht W.’s eine
reflectorische und nicht eine directe, wie auch aus den Pulscurven des Vortr. hervor¬
gehe, welche zeigen, dass die Pulsverlangsamnng eine vorübergehende sei.
H. Schlesinger (Wien).
IV. Bibliographie.
Die Bedeutung der Beize ffir Pathologie und Therapie im Lichte der
Neuronlehre, von Goldscbeider. (1898. Leipzig. Johann Ambrosius Barth.)
Die vorliegende Arbeit des Verf.'s, welche sich eng anschliesst an die in früheren
Vorträgen und Schriften von dem Verf. niedergelegten Gedanken, behandelt in einer
Reihe von Kapiteln: die Neuronschwelle, die pathologischen Veränderungen der
Neuronschwellen, die Beziehung der Beize zor fortschreitenden Degeneration, die
g^enseitige Beeinflussong der im Nervensystem ablaufenden Erregungen durch
D g ii.:od oy GOO^ Ic
670
Bahnung and Hemmung, die Bedeutung der Beize für die Therapie, sowie die Ein¬
wirkung der Beize auf das Erankheitsgefflhl.
Bisher ist das Keuron im Wesentlichen nor in seinem Charakter als anatomisch«
Einheit betrachtet worden. Verf. geht einen Schritt weiter und betrachtet es als
functioneile Einheit. Er fährt dabei einen neuen Begriff ein: die Nenronschwelle.
Unter der Neuronschwelle versteht der Verf. diejenige Höhe der Erregung, welche
in einem Neuron vorhanden sein muss, damit auf das angegliederte Nenron ein Reii
ausgeflbt wird. Die Annahme jener Neoronschwelle bildet die Grundlage für die in
den weiteren Kapiteln enthaltenen Änsföhrnngen.
Nach der früheren Anschauung war man genöthigt den Widerstand, welcher f&r
gewöhnlich der Beizverbreitung im Nervensystem Schranken setzt, auf den Act das
Uebertretens der Erregung vom Axencylinder in die Nervenzelle zu verlegen. Jetzt
muss man annehmen, dass der genannte Widerstand da zo suchen ist, wo die Er¬
regung von einem Neuron auf das andere geht.
Es ist sicher, dass die Schwellenwerthe der Nenrone ganz verschieden sind.
Ob sie ursprünglich von gleicher Grösse angelegt sind, entzieht sich der Beartheilang.
Durch den Gebrauch (vorau^esetzt dass die Stärke der Err^ung nicht zo groa
ist), verfeinert sich die Nenronschwelle: hieraof beruht das Ansschleifen einer Bahn.
Gebahnte Neorooe leiten schneller.
Die Fortleitung der Nervenerregung wird dorch die Höhe der NeuronschwdleB
bestimmt. Das heisst: die Nenrone mit tiefer Schwelle werden bevorzugt, da m
am wenigsten Widerstand bieten. Krankhafte Vertiefung der Schwelle ist Ueber-
empfindlichkeit des Neurons: Hyperästhesie oder Hyperkinese. Normalerweise wird
die Nenronschwelle durch die Aufmerksamkeit emieddgt.
Die Unterempfindlichkeit der Neurone, d. i. die* Erhöhung der Nenronschwelle,
findet sich bei Ye^iftnngen, Degenerationsprocessen, hysterischer Anästhesie vl dei^
ln dem Kapitel über das Trauma und die Nenronschwelle sind besonders inteh
essant die Ausführungen betreffs der psychischen Genese vieler traumatischer Nerven¬
krankheiten. Es kann nicht zweifelhaft sein, dass die Ansicht des VerC’s die richtige
ist (was auch Oppenheim schon gelegentlich einer Discnssion in der Charitö-
Gesellschaft betont bat), dass die von Charcot angenommene psychogenetiscbe Ent¬
wickelung jener Krankheiten für eine grosse Reibe von Fällen nicht zutrifft ln
diesen letzteren Fällen handelt es sich vielmehr um eine unmittelbare Wirkung des
Traumas, indem die Err^barkeit der Nenrone unmittelbar durch die Elrsohflttenmg
alterirt und diese Erregung bis zu den Centralorganen fortgepflanzt wird. Hinzutreteo
mag dann allerdings auch in manchen dieser Fälle noch die Entwickelung psychischer
Störungen.
Die nach Gehirnerschütterungen auftretende retrograde Amnesie erklärt der Veit
durch eine directe Erschütterung und dadurch geschaffene Err^barkeitsherabsetsmig
von cerebralen Nenronen. Am stärksten werden dabei diejenigen Neurone getroSsn,
welche an und für sich schon eine geringe Erregbarkeit batten: das sind die wenig
geübten. Die am wenigst geübten sind nun aber die frisch eingescbliffenen Bahnen
für die jüngsten Gedächtnisseindiücke. (Bei dieser Erklärung macht Verf. die [aller¬
dings erst zu beweisende] Annahme, dass für die Festigkeit und I<ebbaftigkeit eines
Gedäcbtnisseindrnckes, d. i. für die Höhe der Nenronschwelle der in Anspruch ge¬
nommenen Neurone, nur die Uebung und Einschleifnng der Neurone maas^bend sei.
Dem widerspricht jedoch der Umstand, dass manche Gedächtnisseindrücke unabhängig
von der Zeit ihrer Anlage und dem Grade ihrer Beprodnctions^igkeit offenbar voo
Hause aus durch den primären Beiz viel fester angelegt sind, als andere gleichzeitig
erworbene. Der Bef.)
In dem Abschnitt von der Bedeutung der Beize für die Therapie bringt V^.
eine Fülle von Beobachtungen, die zwar bisher meist gut gekannt, aber schlecht
oder gar nicht erklärt schienen. An der Hand der neuen Erklärungen veriiem
Google
671
jene Beobachtungen in einleochtender und zwangloser Weise ihr bisheriges Dunkel
nnd reihen sich scheinbar von selbst ein nnter einen grossen allgemeinen Gesichts-
pnnkt.
Die künstlich geeetzten Hantreize werden von dem obigen Gesichtspunkte ans
eingehend gewürdigt Dabei spricht sich Verf. gegen die Ällerweltserklämng vom
Schaffen einer Hyperämie oder Anämie aus, ohne natürlich diese ISrklämng ganz
missen zu wollen. Die Babnnng und Hemmung durch jene applicirten Hautreize
sind vielmehr viel wichtigere Principien zur Erklärung ihrer therapeutischen
Wirkungen.
Die Behandlung durch Elektricität, durch Massage, durch Uebunga- und Com-
pensationsverfahren verdankt einen grossen Theil ihrer physiologischen Bedeutung
und therapeutischen Wirkung dem Gesetz der Hemmung und Bahnung durch appli-
drte Haut- u. s. w. Reize.
Der Raum gestattet uns nicht auf alle anderen Kapitel des geistvollen Werkes
genügend einzugehen; besonders das Kapitel über die gegenseitige Beeinflussung der
Reize sei jedoch einer aufmerksamen Lectüre empfohlen.
Das vorliegende Buch wird jedem eine Quelle der Anregung bieten und ihm
den Weg zeigen, wie eine grosse Reihe sowohl von täglich beobachteten und des¬
halb als „selbstverständlich** angesehenen Dingen, als auch von Symptomen seltener
und scheinbar widersinniger oder gar scheinbar vorgetäuschter Art ihre Erklärung
finden können.
ln ihrer Gesammtheit bildet die Arbeit des Verf.’s einen Beitrag zu der auch
auf anderen Gebieten der Hedicin geschehenen Rehabilitation der Empirie auf Grund
ihrer Erklärung durch die Daten der Anatomie und Physiologie.
Paul Schuster (Berlin).
Die nervösen Erkrankungen der Blase, von Prof. Dr. L. >. Frankl-Hoch-
wart und Dr. 0. Zockerkandl. (Handbuch der specielleu Pathologie und
Therapie, von H. Nothnagel, Wien 1898. Alfred HOlder.)
Die ungemein werthvolle Arbeit basirt anf umfangreichen eigenen Untersuchungen
nnd der genauen Kenntniss der einschlägigen Litteratur. Die obengenannten Er-
kranknngen werden znm ersten* Male monographisch daigestellt Die eigenen Unter-
sncbungen der Autoren beziehen sich auf 200 Fälle von nervOsen BlasenstOrungen,
weiche sie an der Klinik Nothnagel beobachtet haben.
Die anatomischen Verhältnisse der Blase werden kurz auseinander gesetzt ond
dann die Art des Verschlusses der letzteren erOrteri Die Verff. uebmen an, dass der¬
selbe durch permanenten Tonus des glatten Sphincter internus zu Stande kommt,
während die quergestreiften Muskeln erst bei stärkerem Harndrang fuuctioniren. Die
Austreibung des Harnes erfolgt durch die willkürliche Erschlaffung des Spbincters,
die Banchpresse tritt nur nach erfolgter Eröffnung des Spbincters in Thätigkeit. Die
Thierrersuebe der Autoren, welche in Uebereinstimmnng mit denen von Zeissl sind,
unterstützmi diese Anschanung. Bezüglich der Lehre vom Hamdrange schliessen
sich die Antoren der von Doyon vertretenen Anschauung an, nach welcher der
Harndrang ein Contractionsgefühl ist. Manometrische Messungen, welche von den
Verff. behufs des Studinms dieser Frage unternommen wurden, haben gezeigt, dass
die erste geringe Drucksteigernng der Blasendebnung i. e. der VergrOsserung
dee Volumens entspricht; man kann dieselbe auch an der Cadaverblase demonstriren.
Erst die höheren Drnckwertbe entsprechen der Contraction und tritt auch mit dieser
das Gefühl des Harndrangs auf. Zwei weitere Versuchsreihen stützen diese An¬
schauung und sprechen gegen die Meinung von Küss, dass der Harndrang durch
Eindringen einzelner Tropfen aus der vollen Blase io die Pars prostatica zu Stande
kommt und dass voo diesem Theile aus die specifiscbe Empfindung aosgelOst wird.
■' Google
672
Aas diesen Versachsreibeu heben wir die wichtige Thatsache hervor, dass es bei
systematischen Untersuchungen spinaler Kranker sich zeigte, dass manche dieser
Patienten normalen Harndrang bei mangelnder Sensibilität des genannten Harnröhren*
antheiles hatten, und andererseits Kranke ohne Harndrang völlig normale Sensibilität
der Pars prostatica zeigten.
Der zweite Abschnitt behandelt die allgemeine Symptomatologie. Die Autoren
führen die Differentialdiagnose gegenüber den localen Erkrankungen und zwischen
den einzelnen Formen der nervösen Affectionen durch. Die Bedeutung der Schmerzen,
die Wichtigkeit der Steigerung und der Herabsetzung des Harndrangs, die Ursachen
der nervösen Dysurie und Harnverhaltung werden eingehend besprochen. Bei letzterer
ASection meinen die Autoren, dass den Paresen eine grössere Bedeutung zukomme
als dem Krampfe.
Die Hamincontinenz wird eingehend behandelt Zuerst beschreiben die VerS.
das paralytische Hamträufeln; neben dieser Form besteht zweifellos nach den Aus*
führungen der Verff. bei spinalen Erkrankungen auch eine Incontinenz ohne Betention.
Eine specielle Form der Incontinenz stellt weiterhin das unwillkürliche Abgehen
grösserer oder geringerer Mengen von Ham; es kommt dann zumeist zu plötzlichem
Hamdurchbruch in normalem Strahle. Dies Phänomen findet sich bei benommenen
oder auch bei nicht benommenen Kranken. — Bei der hypertonischen Blase werden
in Folge einer Ueberregbarkeic des Detrusors auch kleine Hammengen auf äussere
Beize hin ausgestossen. Die Ausdrttckbarkeit der Blase wird in ihrer klinischen
Wichtigkeit entsprechend gewürdigt.
In dem umfangreichen speciellen Theile werden zuerst die centralen Verände¬
rungen, welche Blasenstörungen veranlassen, besprochen, die Lage des Blasencentrums,
die Bedeutung der vesicalen Störungen für die Segmentdiagnose des Bückenmarkes
klargelegt Eine wesentliche klinische Bereicherung bringt die Hittheilung von
4 neuen, genau beobachteten Fällen von Blasenerkrankungen. An etwa 70 Fällen
haben die Verff. das klinische Bild der Blasenerkrankungen bei Tabes dorsalis studirt
und schildern dieselben eingehend. Hieran schliessen sich die von den Autoren er¬
hobenen Befunde bei progressiver Paralyse, multipler Sklerose, Syringomyelie, Häma-
tomyelie und anderen Rückenmarkserkrankungen an. Eine kurze Uebersicht über
die cerebralen und peripheren Blasenerkrankungen ist diesem Capitel angereiht
Es gelangen sodann die Neurosen zur Besprechung. Von nenrasthenischen
Blasenstörungen sind besonders die Pollakiurie und die psychische Betention hervor¬
zubeben, während sehr selten echte Formen der Betention zur Beobachtung gelangen;
Harnträufeln kommt bei dieser Erkrankung nicht vor. Die hysterische Blasenstörung
documentirt sich sehr häufig durch Harnverhaltung. — Bei der Besprechui^ der
Enuresis nocturna stellen sich die Verff. auf den Standpunkt, dass dieselbe durch die
Mangelhaftigkeit des Sphinctertonus zustande komme.
In dem Capitel „Therapie“ werden die verschie<fenen Verfahren (Sondenkur,
Elektrotherapie, Massage, hydriatische Behandlung, innere Medication) auseinander-
gesetzt und die Indicationen zum therapeutischen Eingriffe bei den vemchiedenen
Erkrankungen angegeben. Den Schluss der vorzüglichen Arbeit bildet eine Ueber-
sicht der Litteratur. H. Schlesinger (Wien).
V« Beriohtiguzig.
In Nr. 18 d. Centralbl., S. 582, Z. 2 von unten liess: „Bergamottöl“ statt Carboi-
xylol.
Um Einsendung von Separatabdrücken an den Herausgeber wird gebeten.
Einsendungen für die Redactioa sind zu richten an Prof. Dr. E. Mendel,
Berlin, NW. Schiffbauerdamm 20.
VcrUg von Veit & Cour, in Leipzig. — Druck von Mstzoeb & Wrrriö in Leipzig.
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alle Bncbhandlnngen des In- und Auslandes, die Postanstalten dss
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1898.
1. August.
Nr. 15.
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Näheres durch Dr. Staehly und Director Butin. »
SEP 23 18^.c
Seürologisches Centralblah.
Uebersicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physioiogie, Pathologie
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Professor Dr. £. Mendel
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alle Bnchhandlnngen des In- und Attslandes, die Postanstalten des Dentschen Beiohs, sowie
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1898. 1. Aiigast Nr. 15.
Inhalt: I. OrigiaalmittheilungeR. 1. Die Arteriosklerose des Qehims, von Prof.
P. J. Kovalsvsky. 2. Ueber nenröse and psychische Stönmgen bei Gommiarbeitem (Schwefel-
kohlenstoffvergiftnng), von Dr. Rudolf Landenheimer. 8 . B^alislähmang nach epUeptischen
Anfällen, Ton Dr. Adler. 4. Ein Fall von spinaler Monoplegie des rechten Beines, von Dr.
Jollas Weil.
II. Referate. Anatomie. 1. Nerrenmark- and Aiencylindertropfen, von Neumaae.
2. Sar les ganglions sninaoz, par Cavaiuni. 3. Weitere Untersnohangen im Gebiete der
centralen Endigongen des 10. Paares der GehimnerveD, tod Oselpow. — Experimentelle
Physiologie. 4. Solle alterazioni delle cellole nerrose nell’ ipertermia sperimentale, per
Lugaro. 5. Lesioni degli elementi nerrosi nelP ayellenameDto sperimentale per nitrato
d’argento, per Donagglo. 6 . 1. Motorische Fanctionen hinterer Spinalnerrenwarseln. von
Sfejjiach and Wioner. II. Ueber die Tiseero-motoriscben Fanctionen der Hinterwnneln and
Bber die tonische Bemmongswirkong der Medalla oblongata auf den Darm des Frosches,
von Steinbach. 7. Zor Frage Bber die corticalen Centra des Dickdarms, von Oatlpow. —
Pathologische Anatomie. 8. Ueber miliare Sklerose der Hirnrinde bei seniler Atrophie,
voo Redlich. 9. On the stmctnral alterations observed in nerve oells, by Warrlngton.
10. Beitrag aor pathologischen Anatomie des Centralnervensystems bei der acnten Anämie,
von Scagllosl. 11. La corteccia cerebrale di an delinqnente paranoico. Bota istologia per
Angieletta. — Pathologie des Nervensystems. 12. L'etat aigu de la paralysie in¬
fantile, par Modln. 18. Alte infantile Poliomyelitis mit folgender spinaler Moskelatrophie,
von Langnor- 14. Ueber pro^essive Moskelatrophie nach cerebraler Einderlähmong, von
BIsping. 15. Ueber Complication spinaler Kinderläbmnng mit progressiver Moskelatrophie,
von Hlbry. 16, Solle dlstrofie muscolari progressive, per d’Abundo. 17. Sopra oo caso
di miopatia atrofica progressiva coo parteeipasione di xm moacolo ocolare, per Lombroso.
18. Idiog^lossia associated with pseodo-bypertrophio paralysis, by Guthrie. 19. Amiotrofia
idiopatica a oorso rapidissimo svolta si dorante i primi mesi della vita, per Mya e Luitaola.
20. Beoherches histo-pathologiqoes sor Tdtat des centres nervenz daos la commotioo thora-
ciqae et abdominale expdrimentales, par Paraicandolo. 21. Een geval van traomatische
porencephalie, door Qrsanboom. 22. Neoroglioma cerebrale in segnito a trauma al capo, per
Carrara. 23. Ein Fall von traomatischer, amyotrophischer Lateralsklerose am ontersten
Tbeile des B&ckenmarks, von Qoldborg. 24. Ueber chronische ankylosirende Entzändong der
Wirbelsäule, von Biitmler. 25. L’ostMmy^lite vertdbrale, par Chlpault. 26. Ueber „Moskel-
Schwund** Unfallverletzter mit besonderer Berficksicbtignng der oberen Extremitäten, von
Firgaw. 27. La contractore hystero-tranmatiqoe des massdters, par Vorhoogen. 28. Een geval
van traumatische Hystero-epilepsie, door Jacobi en Lamberts. 29. Bicerche batteriolo^obe
nel delirio acoto, per C. Cenl. — Therapie. 30. Bijdrag tot de kennis der thyreoidea-
behandeling by ps^chosen, door Btjl. 31. Ueber Anwendnng von Scbilddrfisenpräparaten
bei QeisteslorankheiteD, von Gerwsr.
III. Ana den Gsssllachaftsn, Berliner Gesellschaft für Psychiatrie nnd Nervenkrank¬
heiten. — WissensobiUPÜicbe Versaromlong der Aerzte der St Petersbarger Klinik fBr Nerven-
and Geisteskranke.
43
Diy t ;v Google
674
1. Originalmittheilungen.
1. Die Arteriosklerose des Gehirns.
Von Prtf. P. J. Eovalevsky.
Gegenwärtig unterscheiden wir zwei Gruppen tod Krankheiten des Gehirns:
organische und functionelle. Eine solche Eintheiliing erscheint natürlich als
gezwungen, doch entspricht sie der Lage der Dinge, und so lange wir nicht im
Stande sind, alle Krankheiten des Centralnervensystems auf scharfb^enzte
organische Erkrankungen zurückzuführen, müssen wir nolens volens die Be¬
zeichnung „üinctionelle Leiden“ beibehalten.
Unter den oi^anischen Krankheiten des Gehirns ist ein Theil bis auf die
kleinsten Details erforscht; in Bezug auf den anderen d{^^en reicht unsere
Brkenntniss kaum über die Änfangsgründe hinaus. Die Feststellung der Dia¬
gnose einer organischen Himerkrankung muss zweierlei Anforderungen genügen:
die Diagnose muss eine typische und eine topische sein, d. h. zuerst müssen wir
feststellen, welcher Art der Krankheitsprocess ist, der statthat, und dann den
Ort genau begrenzen, auf dem sich der Process abspielt
Eine Anzahl omanischer Gehimkrankheiten ist uns so gut bekannt, dass
wir den Anforderungen der Diagnose nach beiden Richtungen hin genügen
können, die Symptomatologie der anderen d^^^n ist weder in typischer noch
topischer Hinsicht genügend erforscht Zu den ersteren gehören die Hirnblutung
und die Neubildungen im Gehirn, weniger bekannt sind die Processe, die der
Encephalitis zu Grunde liegen, obwohl auch die Symptomatolcgie der letzteren
uns allmählich klarer wird, seit man angefangen bat, vom allgemeinen Bilde
der Encephalitis die Poliencephalitis u. a. abzutrennen. Sehr wenig erforscht
in typischer wie in topischer Beziehung sind die Atheromatose und Arterio¬
sklerose des Gehirns. Erst in letzter Zeit beginnt man diesen Processen m^
Aufmerksamkeit zuzuwenden, und es steht zu erhoffen, dass es den gemeinsamen
Bemühungen gelingen wird, auch über dieselben Klarheit zu gewinnen.
Eingehend mit der Arteriosklerose beschäftigt sich Gbasbst.^ Er unter¬
sucht die Erscheinungen des Schwindels und unterscheidet einen acuten und
einen chronischen Schwindel. Der acute Schwindel ist sehr häufig von zufälligen
Ursachen abhängmi so kommt er z. B. bei acuten Erkrankungen vor ms. w.;
beim chronischen Schwindel unterscheidet Gbasset 3 Arten: den epileptischen,
den sensorischen oder die Meniöre’sche Krankheit und den digestiven. Hierhin
rechnet er auch den cardio-vasculären Schwindel oder den Schwindel der an
Arteriosklerose Leidenden. In letzterem Falle beobachtet man einfachen Schwindel
^ Gsassbt, Da vertige cardio-vascalaire oa vertage des art^oscldreoz. 1890.
Googl
c
676
oder Schwindel gleichzeitig mit epileptiformen Ohnmachtsaofalleti. Einer der
Patienten Gbasset’s hatte einen Pols von 25—30 Schlagen in der Minute.
Wenn der Puls noch langsamer wurde, fiel der Patient in Ohnmacht Nach
der Meinung G&asset’s werden diese Erscheinungen verursacht durch Arterio¬
sklerose des verlängerten Markes. Der Arteriosklerose geht eine Hjpertensiou
der Gefasse vorher, welche durch langdanemden Gebrauch von Jodpräparaten
und Amylnitrit beseitigt werden kann.
Mbndel^ sagt u. a. bei Besprechung der verschiedenen Formen des
Schwindels, dass bei Sklerose der Himarterien der Schwindel als erstes Zeichen
des sich vorbereitenden Ereignisses auftrete. Bei langsamer Entwickelung der
Arteriosklerose tritt der Schwindel später auf, bei schnellerem Entstehen kann
er schon sehr frühzeitig bemerkt werden. Mendel empfiehlt bei Schwindel in
Folge von Arteriosklerose anhaltenden Gebrauch von Jodkalinm und Ergotin.
Reoib* macht auf das häufige Auftreten von Neurasthenie bei Arterio¬
sklerose aufinerksam, wobei die einzelnen Fälle einander sehr ähnlich sind.
Nicht immer gelingt es in solchen Fällen die Arteriosklerose nachzuweisen, wenn
sie sich in der präarteriellen Periode befindet. Diese Periode könnte man die
neurasthenische Periode der Arteriosklerose oder Atheromatose nennen. Während
derselben finden sich häu^ Ohrensausen, Schwindel, Störungen von Seiten des
Gefasssystems und des Herzens und in geringerem Maasse Blasenstörungen.
Unzweifelhaft ist in vielen solcher Fälle die Neurasthenie eine Folge von Intoxi-
cation und Infection und muss als ein Erschöpfungszustand angesehen werden
in Folge von Ernährungsstörungen, die sich hauptsächlich im Nervensystem
abspielen. Die Arteri(»klerose entsteht ans denselben Ursachen, und man
kann sagen, dass Neurasthenie und Arteriosklerose eine gemeinsame Ursache
haben — die Emähmngsstömng. So bedingt bei der Arthritis dieselbe sowohl
die Neurasthenie, wie die Arteriosklerose, entweder gleichzeitig oder zeitlich von
einander getrennt. Nach der Meinung von Reois ist die Neurasthenie viel
häufiger mit der Arteriosklerose verbunden, als man glaubt, ohne Unterschied
ob es sich um angeborene oder erworbene handelt^ latente oder voll zu Tage
tretende und in allen ähnlichen Fällen wird die Heilung der Arteriosklerose auch
die Heilung der Neurasthenie bedingen.
Hutchings’ erweitert einigermaassen das klinische Bild der Arteriosklerose.
Ben krankhaften Erscheinungen des Centralnervensystems bei der Arteriosklerose
liegt eine Ernährungsstörung der Nervenzellen zu Grunde, bedingt durch Ver¬
dickung der Gefasswände, wobei eo ipso auch die Function der Zellen leidet.
Die Folge davon ist in erster Linie eine Abschwächung der geistigen Thätigkeit,
ferner beobachtet man Schwindel, Ohnmachtsanfälle und Sprachstörungen. Daher
sei es wichtig, möglichst frühzeitig die Arteriosklerose der Himgefasse zu dia-
* Mxkdbl, üeber den Schwindel. Berliner klin. Wochenacbr. 1895.
* Bbois, Nenrastb^nie et arteriogcl^rose. Presse m^dicale. 1896.
* Hotohinqb, Mental Bjmptoms assoeiated with arterioscleroses. State hospital balle*
D19 ;vod oy GOO^ IC
— 676
^ostioiien und durch rechtzeitigen Eingriff die möglichen schlimmen Folgen zn
beseitigen; die Untersuchung der Augen und der Aorta ist daher immer in
solchen Fällen vorzunehmen.
Lapiksei^ untersuchte die entarteten grossen Himgefasse der Basis und
audi die Capillaren; hierbei erwies sich, dass die Capillaren der Hirnrinde nur
selten unversehrt bleiben, in den meisten Fällen befinden sich ihre Wände im
Zustande der trüben Schwellung oder der körnigen Entartung. Die Veränderung
der Capillarwände ging gleichzeitig einher mit bedeutender Verengerung des
Gefässlumens bis zu völligem Verschluss desselben, wobei in einigen Fällen
dieser Zustand sowohl durch die Verdickung der Wände, als auch durch den
Verlust der Elasücität derselben bedingt war.
GAN 90 N* stimmt Gbasset darin bei, dass bei Sklerotikern Anfalle von
Schwindel häufig sind, einfacher Schwindel, Schwindel gleichzeitig mit epilepti-
formen Attaquen und Schwindel mit permanent langsamem Pulse, ln welcher
Form der Schwindel auch auftritt, so begleitet er doch häufiger die latente Form
der Arteriosklerose, zu einer Zeit, wo letztere sich noch äusserlich nicht kund
giebt; daher muss beim ersten Auftreten des Schwindels schon energisch ein¬
gegriffen werden, zu einer Zeit, wo es noch zuweilen gelingt, den Gang der
Krankheit aufzubalten und weitere Veränderungen in den Gefassen zu verhüten.
Betbb’ beschrieb einige Fälle von Arteriosklerose des Gehirns, welche
grosse Aehnlichkeit mit prc^essiver Paralyse batten. Die Krankheit trat auf
im Alter von 50—55 Jahren mit apoplectischen Insulten; der Au^fang trat
gewöhnlich nach 4 Jahren ein. Der Verfasser nannte die Krankheit Dementia
apoplecüca und unterschied sie von der Dementia paralytica und Dementia senilis
hauptsächlich dadurch, dass bei ihr der Schwachsinn schubweise sicfii fort¬
entwickelt und keinen so hohen Grad erreicht, wie bei den erwähnten Krank¬
heiten — die Kranken sind viel weniger dement, als es auf den ersten Blick
scheint. Euphorie kommt auch hier vor, auch die Neigung, unglaubliche Ge¬
schehnisse als Thatsachen hinzustellen, doch fehlt diesen die Grandiosität Betkb
bekennt selbst, dass es zur Zeit unmöglich ist, das Krankheitsbild der Dementia
apoplectica genau zu formuliren, dennoch hat es soviel Eigenthümliches, da« es
mit Recht als besondere Krankheit aufgefasst werden kann.
Nobbubu^ in seiner Betrachtung der verschiedenen Bedingungen fiir die
Entstehui^ der Dementia senilis weist auf die Arteriosklerose als auf eine der
IFrsachen hin.
Endlich spricht sich Abnaüd*^ auf dem Congresse der französischen Psychiater
in Toulouse, bei der Besprechung der Diagnose der prc^essiven Paralyse, d^üc
' liAPiHaD, Zar Frage aber den Zoetand der CapUlaren der Himriode bei der Arteiio-
aUerose der groaaen Qeßsae. Wrateob 1896.
* QAMfOir, Veitige des artdrioBCl4retu. 1897.
* Bbtxb. üeber pafohUche Stöningen bei Arteriosklerose. Centnüblatt f. NerreabeO-
konde. 1696.
* Norbdbg, Ärterio-aclerosis aa it affecta the brain and spinal cord. Jonmal of medi-
eine -and aorgery. 1897.
* Abxaud, Diagnostic du paralysie gdndral. Gaiette hebdomadMre. 1897.
c,-.,Google
677
anSf dass im Greisenaltor die Arteriosklerose häufig die Erscheinungen der Puralyse
Tortäuscht, besonders durch Störungen der Sprache und des Gedächtnisses.
Ich hatte Gelegenheit eine Reihe von Fällen von Arteriosklerose des Gehirns
zu beobachten und erlaube mir drei von ihnen hier wiedeizugeben:
Fall 1. P., 70 Jahre alt, aus Sibirien. Die Eltern des Kranken waren voll*
ständig gesunde Leute, Geschwister und Kinder des Kranken zeigten keine krank¬
haften Erscheinungen. Schon fr&h als Kind trat Fat. in einen sehr schweren Dienst
an einem Fabrikcomptoir. ZnflUlig lernte er, der Bauemknabe, lesen und schreiben,
and, da er ach als geschickt und vernünftig erwies, machte er schnell Carribre.
Mit 35 Jahren war Pat Hauptverwalter grosser fürstlicher Besitzlichkeiten und
siedelte nach Petersbui^ über, dem Centrum seiner Thätigkeit Nach der Heirath
führte er ein streng sittliches Leben und trieb weder Alkohol-, noch Tabakmissbrauch.
Nor selten, während des Jahrmarktes in Nishny-Nowgorod trank er zuweilen und
dann auch nur mässig. Geschlechtlich ist er nie krank gewesen. Als junger Mann
litt er an Fieberanßllen; irgend eine andere Krankheit hat er nicht durchgemachi
So verlief sein Leben in Mühe und Arbeit bis zum 70. Lebensjahr. Vor 1^/, Jahren
fiel es Pat. auf, dass sein Gedächtniss schwächer wurde. Oft ve^ass er das eine
and das andere und konnte sich nicht solcher Dinge entsinnen, von denen es un-
möglich schien, sie zn veigessen. Bald traten Anfälle von Schwindel hinzu. Diese
AnfiUe traten nicht nur bei schnellen Aenderungen der Kürperstellnng anf, wie z. B.
beim Ansichten des Körpers aus geneigter Stellung, beim Niedersitzen, bei schnellen
Wendnngen nach der einen oder anderen Seite, sondern auch in vollständig ruhiger
Lage des Körpers. Während der Pat ruhig sitzt wird ihm plötzlich schwindelig,
er bekommt das Gefühl, als ob er die Besinnung verlöre, die Stirn bedeckt sich mit
Schweiss; nach einem Moment ist alles vorüber. Zuweilen dauert der Anfall bis zu
einer Minute, bewusstlos wird der Kranke nie. Diese Erscheinungen waren nicht
häufig; ein bis zwei Mal monatlich. Hierzu gesellte sich bald schwankender Gang.
Die Gedächtnissschwäche nahm immer mehr zu, es trat Ohrensausen anf, Obstipation,
welche gewöhnlich 3—4 Tage anhielt. Anfangs waren die Beschwerden gering;
9 Monate nach Beginn der Krankheit verschlimmerte sich das Leiden beträchtlich.
Dmr Schlaf war gestört; am Morgen beim Erwachen bat der Pat das Gefühl, als ob
alles von Nebel umhüllt wäre. Er sieht die Gegenstände, doch scheint ihm, als ob
sieh etwas zwischen ihm und den Gegenständen befände, die Geräusche scheinen ihm
aas weiter Feme zu kommen. Das dauert gewöhnlich 1—2 Stunden und vergeht
vollständig. Zuweilen trat dieser Zustand einige Standen nach dem Erwachen auf
and hielt bis 6 Stunden an. Er trat auch nicht alle Tage au^ sondern in 3—4 Tagen
ein Mal Hierzu gesellte sich ein unbestimmtes Gefühl von Angst meistens Morgens,
welches bald den Schwindel, bald das Gefühl von Umneblung b^leitete. Zuletzt
erschienen neben den gewöhnlichen Schwindelanfällen auch heftigere, begleitet von
Ohnmachtsgefühl, Uebelkeit, Umfallen und zuweilen Bewusstseinsverlust. Solche
Anfälle waren nicht sehr häufig und dauerten 10—20 Minuten. In diesem Zustande
wandte sich Pat an mich.
Bei der Untersuchung eigab sich:
Pat ist ein hochgewachsener Mann von kräftigem Körperbau. Die rechte
Wange bängt ein wenig, die Pupillen etwas erweitert gleiohmäss^, ihre Beaction
prompt; die Zunge zittert leicht die rechte Nasolabialfurche seichter und etwas ab¬
gewichen. Die Sprache undeutlich, Andeutung von Silbenstolpern. Die Arterien an
den Schläfen sklerotisch. Der ophÜialmoskopische Befund zeigt Ausbuchtungen, sowie
starke Schlängeloi^ der Fapillararterie; Gesichtsfeld, Licht- und Farbenwahmehmung
normal; Zeichen von Presbyopie. Die Gehörschärfe des rechten Ohres = 25 c., die
des linkni 20 c. Das Gesioht wird bald roth, bald bleich. Die Arterien der oberen
678
ExtremitäteD sklerotisiri Die Tasomotoriscfaen Befleze der Haut erhobt Die Grenzen
des linken Yentrikels etwas erweitert; Äccentoation des zweiten Tones; der Puls
hart and springend, 40—50 in der Hinote. Ton Seiten, der Langen, Leber and
Hilz nichts Erwähnenswerthes. Keine pathologischen Bestandtfaeile im Ham. IMe
Sehnenph&nomene an oberen und nnteren Eztremit&ten etwas abgeschw&cht Kein
Bombei^. Das Qedächtniss hat bedeutend gelitten, sowohl in Bezog aaf die Fähig¬
keit EindrQcke zu behalten, als wie längst geschehene zu reprodociren. Auch die
Combinationsfäbigkeit ist beeinträchtigt. AnßUe von Angst, GefQhl von Umneblung,
Schlaflosigkeit und Unruhe. Verordnet wurden Jodpräparate, Cardiaca, leichte Ezci-
tantien, Ableitung auf den Nacken (Cauterisation) und Darm; strenge Diät und
horizontale Lagerung. Nach einem Monat besserten sich alle Erscheinungen, dw
Schlaf wurde besser, die Asymmetrie des Gesichts verschwand, die Sprache ist frei,
die Intelligenz nicht gestOrt, das Gedächtniss besser, Schwindel, Gefühl von Angst
und Umneblung seltener und leichter. Im Laufe der Zeit nur ein Anfall von Schwindel
mit Bewusstseinsverlusi Im nächsten Monat waren die Anfälle von Schwindel and
Schwanken selten, Gefühl von Umneblung trat nicht auf. Intelligenz dauernd gut.
Verordnet wurde Sodae carbon. 10,0, Acidi lactid 10,0, Aq. dest 200,0 3 Esslöffel
täglich. Keine Aendemng im Befinden. Bückkehr zur früheren Kur. Der Pat.
fühlt sich gesunder, ist vollständig arbeitsföhig.
Fall IL Baron U., 67 Jahre alt, Gutsbesitzer, Wittwer. Der Vater des Pak
ist vollständig gesund, die Mutter eine nervöse Person, zwei Brüder sind psychisch
krank. Vor 36 Jahren machte Pat Syphilis durch, vnirde häufig mit Quecksilber
und Jod behandelt. Die Frau hatte zwei Fehlgeburten, drei Kinder starben frühzeitig
an Convulsionen; zwei Söhne sind gesund. Ausser der Syphilis litt Fat bis zu
seinem 63. Jahre an keiner Krankheit Mässiger Alkoholgenass. Mit 63 Jahren
machte Pat Influenza durch, nach welcher er nicht vollständig gesund wurde. Es
stellten sich Anfälle von Schwindel ein, jeder solcher Anfall dauerte 20—25 Min.
und war von Ohnmachtgefühl begleitet. Gleichzeitig traten auf: Ohrensausen, Ge-
dächtnissschwäche, Schlaflosigkeit, Angstanfälle; auch die Intelligenz litt zusehends.
Das dauerte 8 Monate, bald besser, bald schlimmer werdend. Um diese Zeit ohne
äussere Veranlassung, ein apoplectischer Insult mit Bewusstseinsverlust oach welchem
eine Parese der rechten Körperhälfte und der Sprache zorückblieb, die nach 3 bis
5 Tagen unter dem Einfluss leichter Jodpräparate zurückgingen. Nach 2 Monaten
ein zweiter SchlaganfaU, der aber schwächer war als der erste und nicht von pare-
tischen Erscheinungen begleitet war. Die Insulte wiederholten sich nicht mehr, alle
anderen Erscheinungen dagegen verblieben und wurden immer stärker. Hierzu kam
die Angst, ohnmächt^ zu werden, und die Furcht, allein auszugehen, oder zu fahren.
Zuweilen Schwanken beim Gehen. ’
Bei der Untersuchung erwies sich folgendes:
Fat. ist hochgewachsen, von kräftigem Körperbau; die rechte Pupille ist enger
als die linke, Beaction der Pupillen prompt loicbte, fast unbemerkbare Asymmetiie
des Gesichts, Arteriosklerose der Arterien an der Schläfe und den oberen ExtrMsi-
täten. Vergrösserung des linken Vorhofs und Accentuation des zweiten Tooee;
springender Puls, 56—60 in der Minute. Schlängelung der Arterien am Anges-
hintergnmd; Obstipation, Erhöhung der Beflexe anf der rechten Körperhälfte. Der
Fat ist schwatzhaft, kann seine Gedanken nicht klar und bestimmt hervorbringea,
sondern gebraucht übermässig viele Umschreibungen und Einleitungen. Der Pat.
verblieb unter meiner Beobachtung nur kurze Zeit.
Fall III. Frau P., 62 Jahre alt verheirathet Der Vater war vollständig
gesund, die Matter eine nervöse Person. Hat ein Mal feblgeboren, ein Sohn leidat
an Migräne; drei Töchter sind sehr nervös, eine von ihnen leidet gleichfalls aa
Dig'H^cd oy Google
679
Migräne. Bis za ihrem 68. Lebensjahre war Fat. vollständig gesand; rauchte sehr
viel. Vor 12 Jahren Schmerzanfälle in den unteren Extremitäten, wobei letztere sich
mit rotben Flecken bedeckten. Nach 3 Jahren hörten diese AnföUe auf. Seit
4 Jahren Ohrensausen und Schwindel. Das Gehör wurde allmählich scblechter.
Hierzu kamen Angstanfälle, Schlaflosigkeit und leichte Gedächtnissschwäche. Alle
diese Erscheinungen waren nicht besonders ausgeprägt und Pat ertrug sie geduldig.
Aber vor 2 Jahren begannen ausser den gewöhnlichen Anfällen auch solche heftigster
Natur aufzutreten, begleitet von Zocken der Stirn, Angst, OhnmachtsgefQbl, Gefähl
als ob sich alles um sie drehe, Pfeifen in den Ohren und gegen Ende Erbrechen.
Während des Anfalls hört und versteht Pat. alles, kann aber nicht antworten. Der
ganze Anfall dauert 1—3 Stunden. Nach demselben bleibt Schwäche und Zerschlagen¬
heit des ganzen Körpers zurfick. Neigung zum Lachen und Weinen. Dieser Zustand
dauert ungefähr 2 Stunden. Im letzten Jahre wurden diese Anfälle häufiger. Schwindel
und Angstgefühl waren fast beständig vorhanden und Pat fühlte sich sehr schlecht
Die Untersuchung et^b:
Kleingewachsene, kräftig gebaute Person. Schlängelung der Arterien an der
Schläfe and am Augenbintergrund. Arteriosklerose der Armarterien. Gebörschärfe
am rechten Ohr 20 c., am linken 18 c.: die hervoi^estreckte Zunge zittert ein wenig.
Der linke Ventrikel vergrössert; springender Puls, 60 in der Minute. Häufige
Obstipation. Auf den Schenkeln geringe gelbbraune Pigmentation. Leichte Herab¬
setzung der Sehnenrefiexe. Unter dem Einfluss von Jodpräparaten mit Herzmitteln
wurde der Zustand bedeutend besser. Es blieb nur Ohrensausen zurück und die
Furcht, dass die An^e sich wiederholen könnten.
Diese 3 Falle zeigen gemeinsam folgende Erscheinungen:
Sklerose der Arterien des Ai^enhintergrundes, der Schläfen und der oberen
Extremitäten, Yei^össemng des linken Ventrikels, Accentuation des zweiten
Tones und verlangsamten Puls bis auf 40—60 Schläge. Die symptomatischen
Erscheinungen sind stets folgende: Ohrensausen, mehr oder weniger beständiger
Schwindel, besonders heftige An^e von Schwindel, in Art von epileptiformen,
Ohnmachtsgetuhl, Angstanfälle, Absohwächung des Gehörs, Gedächtnissschwäche,
Schlaflosigkeit und Obstipation. Dieselben Erscheinongen, die in den drei vor¬
liegenden Fällen so ausgepr^ waren, habe ich auch in anderen dieser Art
beobachtet Ausserdem kamen in meinen Fällen zur Beobachtung: Schwäche
der Intelligenz, Silbenstolpem, apoplectiforme Anfalle mit Bewusstseinsverlust
und sogar mit restirenden Paresen; Gefühl der Umneblung, Schwanken beim
Gehen. In anderen Fällen konnte ich noch das eine oder andere Symptom
beobachten, die in den einzelnen Fällen verschieden waren.
Die erste Gruppe der krankhaften Erscheinungen scheint beständig zu sein
und allen Fällen gemeinsam zuzukommen, eine zweite ist bei verschiedenen
Kranken verschieden. Ich glaube, dass die erste Gruppe durch den Process in
den Arterien selbst bedingt ist und die Gruppe der für die Arteriosklerose des
Gehirns typischen Erscheinungen ausmacht, während die zweite Gruppe in Ab¬
hängigkeit davon steht, welche Stelle des Gentrainervensystems besonders be¬
troffen ist, also als die Gruppe der for diese Krankheit charakteristischen
topischen Erschdnungen aufgefasst werden kann.
Google
680
Vor kurzem hat Buicpf^ ein neues Verfahren für die Behandlung der
Arteriosklerose Torgesohlagen, ein Verfahren, welches die vollste Au^erksamkeit
verdient, wenn es auch nicht ganz die Erwartungen des Verfassers erfüllen
sollte. Die Arteriosklerose bedeutet einen Process in den Wänden der Arterien,
der darin besteht, dass in den aufgelockerten Gefasswänden Kalksalze al^lagert
werden. Daher muss die Behandlung der Arteriosklerose folgende Haupt¬
bedingungen erfüllen: 1. die Menge der mit der Speise in den Organismus ein¬
geführten Kalksalze vermindern, 2. die Arterien decalciniren und das Salz ans
dem Körper ausführen. Ersteres wird durch die Diät erreicht. Gewöhnlich
wird Herzkranken reichliche Milchdiät verordnet Rmipp hält dieses bei der
Arteriosklerose für gänzlich unzulässig, da die Milch grosse Mengen Kalksalze
enthält; daher empfiehlt er nicht nur nicht den reichlichen Gebrauch von Milch
bei dieser Krankheit, sondern schlägt vor, sie ganz zu vermeiden. Statt dessen
empfiehlt er folgende Diät:
Fleisch 250,0 Kartoffeln 100,0
Brot 100,0 Obst 100,0
Fisch 100,0.
Hierzu kann man noch etwas Butter und Zucker hinznfügen. Ausserdem kann
mau statt des Obstes Gemüse geben. Eine solche Zusammensetzung der Speisen
enthält 10 Mal weniger Kalk, als die Milchdiät, und empfiehlt sich daher bri
der Arteriosklerose besonders. Ausser der Milch verbietet Bumpf solchen Kranken
Käse, Eier, Buben, Reis und Spinat Als Getränk empfiehlt er destillirtes oder
gekochtes Wasser.
Was die medicamentöse Behandlung anbetrifft, so wurde schon früher
(Saleowbky, Hoppe-Setleb u. A.) auf die verstärkte Kalkabsonderung aus dem
O^nismus bei subcutanem Gebrauch von Calomel. subl. corros. und hydraig.
jodat hingewiesen. Eine gleiche Wirkung erzeugen Kali acetic., Acid. oxalic.,
viele Diuretica und Milchsäure. Ebenso bewirkt das Hungern die verstärkte
Ausscheidung von Kalksalzen aus dem Organismus. Rumpf räth zu folgender
Verordnung: Natri oarb. 10,0
Acid. lactici q. s. ad satur.
Aq. destill. 200,0.
Nach seiner Meinung bewirkt eine solche Behandlung nebst ang^ebener Diät
eine verstärkte Ausscheidung von Kalk aus dem Körper, bis zu 50—527o‘
Ich habe bei einen meiner Patienten die Behandlung nach Rumpf wagend
eines Monats durcbgeführt, ohne irgend einen Erfolg zu sehen. Auch in anderen
Fällen von Arteriosklerose und hauptsächlich bei Angina pectoris, für welche
Rumpf seine Methode der Behandlung besonders empfiehlt, habe ich keine be¬
sonders guten Resultate damit erzielt Doch bedarf es zur Entscheidung über
diesen Punkt längerer und zahlreicherer Beobachtungen.
Ich sah günstige Erfolge bei der Arteriosklerose nach Verordnung von
Jodaten bei streng geregelter Lebensweise.
' Rompf, Ueber die Behaudluog der mit GeHlssTerkalkiiDg einhergehenden Stömogen
der Berzthätigkeit. Berliner klin. Wocbenschr. 1897.
- Google
681
[Aus der psychiatriscbeu und Nerrenklinik der Universität Leipzig.]
(Director: Geheimrath Prof. Dr. Flechsig.)
2. lieber nervöse und psychische Störungen bei Gummi¬
arbeitern (Schwefelkohlenstoffvergiftung). *
Von Dr. Bndolf Itaadenheimer,
n. Ant der Klinik.
Die Kenntniss der Schädigungen, denen die Gummiarbeiter ausgesetzt
sind, ist fast so alt wie die Gommiindustrie selbst Mitte der 50er Jahre
wurde in Paris zuerst ein Verfahren angewandt, das dem Gummi durch Ein*
tauchen von Flüssigkeit in CS, eine ausserordenüich erhöhte Elasticität und
Widerstandsfähigkeit verheh und so erst die Verwendbarkeit des Gummis zu un¬
zähligen technischen und Gebrauchsgegenständen ermöglichte. Han hatte anfongs
offenbar keine Kenntniss von der heimtückischen Wirkung des schon bei Zimmer¬
temperatur flüchtigen, stark riechenden Körpers, und so setzten sich Arbeiter
wie Fabrikanten ohne jede Vorsiohtsmaassregel den giftigen Dünsten aus. In
Folge dessen häuften sich bald die Fälle schweren, theils unheilbaren Siech-
thnms bei Leuten, die mit dem Eintauchen der Gummifabrikate in GS^-Dämpfe
(dem sogen. Vulcanisiren) zu thun hatten, und Delpech, der zuerst diese Er¬
krankungen als Giftwirkung des CS, erkannte, konnte bereits 1860 eine Casuistik
von 24 Fällen veröffenthchen. Dass diese Casuistik bisher die grösste geblieben
ist, ist vorwiegend dem Umstande zu danken, dass Dblpeob’s eindringliche
Mahnung eine Reihe von hygieniscdieu Vorkehrungen gegen die £inathmung
der CSj-Dämpfe in Frankreich veranlasst hat. Wenn ich nun heute trotzdem
im Stande bin, mich auf ein Material von mehr als 50 innerhalb der letzten
13 Jahre in Leipzig voigekommenen Intozicationsfalle zu stutzen, so.liegt das
nicht sowohl an etwaigen ungünstigen hygienischen Bedingungen des Industrie¬
bezirks, als vielmehr daran, dass sich die Zahl der in Leipzig beschäftigten
Gummiarbeiter in den letzten 15 Jahren durch den Aufschwung der Industrie
fast verzehnfacht hat, und jetzt an 1000 beträgt. Von diesen ist allerdings
höchstens der 4. Theil mit Vulcanisiren beschäftigt, während die übrigen Arbeiter,
dank der vollständigen gesetzlich voigeschriebenen Abtrennung der Vulcanisir-
räume von den übrigen Fabriklocalitäten, nicht mit Schwefelkohlenstoff in Be¬
rührung kommen. Die seit Delpeoh erfolgten Veröffentlichungen sind so
vereinzelt, dass man diese Gewerbekrankheit als eine Rarität ansehen musste.
Meines Erachtens liegt dies nicht an der Seltenheit der Erkrankungen, sondern
vielmehr an der geringen Verbreitung der Kenntniss dieser Krankheit unter den
Aensten. Die Erkennung der ursächlichen Natur des Leidens wird erschwert
* Vortrag, gehalten auf der III. WanderTerBammtang mitteldentBcher Psychiater und
Neurologen zu Jena am 1. Mai 1898. Die ansföhrliche Mittheiluog der zahlreichen Kranken-
geecfaichten erfolgt spater.
■' Google
682
durch die manuigfaUigeu, scheinbar regellosen Erscheinungsformen der
CSg'lntoxicaüon.
Man muss eine relatiT grosse Anzahl von Fällen gesehen haben, ehe man
eine vollständige Symptomatolc^e aufstellen und die Construction von coostanten
klinischen Erankheitsbildem versuchen kann.
Gemeinsam sind sämmtlichen Fällen eine Reihe von Prodromalerscheinungai,
die sich meist bereits in den ersten Tagen nach dem Eintritt in den Vulcani8ir>
raum bei den erkrankten Arbeitern zeigten, oft auch bei solchen, bei denen
schwerere Vergiftungserscheinungen späterhin ausbleiben. Die Leute klagen über
Schläfonkopfweh, eingenommenen Kopf, Appetitlosigkeit und Brechneigung, letztere
öfter dadurch bedingt, dass alle Speisen nach Schwefel zu schmecken scheinen;
Schwindel und unsicherer Gang treten nicht selten noch hinzu. Bei einem
Theil der Leute bleibt es bei diesen relativ geringfügigen Beschwerden, die sieb
im Anfang überdies bald nach der Entfernung des Arbeiters aus dem Vulcanisir-
saal zu verlieren pflegen, und es findet eine gewisse Angewöhnung an das Gift
oder Abstumpfung gegen die Beschwerden statt Ein anderer, nicht geringer
Theil der Arbeiter, wird durch die genannten Störungen veranlasst, seine Be¬
schäftigung aufzugeben, woraus sich die häufig gehörte El^e der Fabrikanten
über die starke Fluctuation des Arbeiterpersonals im Vulcanisirbetrieb, trotz
relativ hohen Lohnes, erklärt Bei einem dritten Theil der Arbeiter endlich
steigern sich die oben geschilderten Frodromalsymptome rasch zu schwereren Ver¬
giftungserscheinungen, die den Kranken in der Regel dem Arzt oder dem
Krankenhaus zuführen.
Mein Material setzt sich zusammen ans 25 in der Leipziger psychiatrischeu
Klinik beobachteten Fällen, aus 18 Kranken der medicinischen Klinik, deren
Krankengeschichten mir Herr Geheimrath Cubscbmann in liberalster Weise
zur Benutzung überliess, wofür ich ihm an dieser Stelle nochmals meinen Dank
ausspreebe, ferner aus einer kleineren Anzahl von Patienten, über die mir die
Herren Gollegen Dr. Habnapp und Dr. Rbiteb in Plagwitz so liebenswürdig
waren zu berichten.
Bei der folgenden Besprechung der einzelnen von mir beobachteten Krank¬
heitsformen muss ich in Anbetracht der kurzen mir zur Verfügung stehende
Zeit mich begnügen, die Krankheitsbilder in allgemeinen Umrissen zu skizziren,
indem ich mir die ausführliche Mittheilung der Krankengeschichten für eine
spätere umfangreichere Veröffentlichung Vorbehalte.
Die durch CS^ verursachten Erkrankungen theilt man zweckmässig ein in:
L Allgemein-somatische Störungen.
n. Nervöse Störungen, bei denen a) locale, bezw. neuritische AffeeUonen
und b] Neurosen zu unterscheiden sind,
m. Psychische Störungen.
L Die allgemein-somatischen Störungen interessiren hier nur insoweit, als
sie fast constante und charakteristische Merkmale jeder CS^-Vergiftung bilden
und deshalb zur Sicherung der Diagnose bei den beiden folgenden Gruppen
Verwendung finden.
Google
683
Fast an allen Schleimhäuten verursacht die Einwirkung der GSj-Dämpfe
chronische Eatanhe und andere Fnnctionsstömngen. Bachencatarrh, Angina,
hartnäckige, zuweilen fieberhafte Bronchitis, Gastritis und Enteritis sind häufig,
Obstipation findet sich fast regelmässig.
Bindehautkatarrhe, Oedem der Lider und Erytheme des Gesichtes scheinen
besonders bei Leuten vorzukommen, die durch Kurzsichtigkeit gezwungen sind,
sich sehr nahe über die GS^-Gefilsse zu beugen; Albuminurie, ein Mal mit
Üebeigang in Schrumpfniere, kam zwei Mal vor, im TJebrigen zeichnete sich
der Urin der frisch eingelieferten Patienten stets durch blasse Farbe, niedriges
Gewicht und eigentbümlich süsslichen Geruch aus. Im Blut habe ich überein¬
stimmend mit früheren Beobachtern niemals Veränderungen constatiren können.
n. Die nervösen Störungen sind zu trennen:
a) in solche, die durch directe Contactwirkung mit dem flüssigen Gift —
das bekanntlich ein dem Aether gleichwerthiges Looal-Anästheticum darstellt —
entstehen. Hierhin gehört vielleicht ein Fall von Anästhesie und Parese im
rechten Uinari^biet bei einem Arbeiter, der beim Vulcanisiren häufig mit dem
ulnaren Band der beiden Hände in die CS^-Flüssigkeit eintauchen musste. Die
peripherisch-neuritische Natur dieser Affection wurde durch den Nachweis der
Entartungsreaction am rechten vierten Interosseus dorsal wahrscheinlich ge¬
macht.
Ein analoger Fall von Parese und partieller Entartungsreaction im Me¬
dianusgebiet ist durch Menbeit-Eatheb ^ in der Litteratur bekannt geworden.
Diesem einzelstehenden sicher neuritischen Befund g^euüber habe ich
zahlreiche Sensibilitätsstörungen und Lähmungen, darunter eine mit doppel¬
seitiger Atrophie sämmtlicher Mm. interossei, gesehen, ohne dass der Nachweis
einer peripherischen Störung zu erbringen war. Ich möchte diese Fälle daher
vorläufig als functionelle Erkrankungen auffassen und zu der Gruppe
b) den Neurosen
zählen. Bei ausgedehnteren Sensibilitätsstörungeu, namentlich wenn sie, wie in
dem Falle von Bbenhaedt^, die ganze Körperoberfläche betreffen, kann man
eine locale Einwirkung der — doch sehr verdünnt in der Luft enthaltenen —
CS,-Dämpfe kaum annehmen, sondern muss an einen centralen Sitz der Gefühls¬
lähmung denken. Diese wird von Bebnttabdt, wie ich glaube mit Becht, als
Theilerscheinung „eines auch im Uebrigen stark hervortretenden hypochondrischen
Symptomencomplexes“ angesehen.
Ausser der regelmässigen Entwickelung der oben geschilderten Prodrome
weisen die CSg-Neurosen als gemeinsame Befunde Herabsetzung der rohen Kraft,
namentlich der unteren Extremitäten auf, die sich als leichte Ermüdbarkeit
und Unsicherheit beim Gehen äussert. In vier Fällen war ausgesprochene
Parese der Peronealmusculatur zu constatiren, Sehnenreflexe und Muskelerreg¬
barkeit sind häufig gesteigert, jedoch verfüge ich auch über einen Fall von
* Berliner klin. Woohenschr. 1886. Nr. 30. S, 503.
* Berliner klin. Wocbenecbr. 1871. 8. IS.
D g I ,:od oy GOO^ Ic
684
sc^. Psendotabes, wie sie schon einige Blale, zuletzt tod Stadelmamw^ in der
Litteratur beschrieben sind. Zu den Neurosen wäre ferner zu rechnen die nicht
ganz seltene Amblyopie der Gummiarbeiter; doch sei nebenbei erwähnt, dass
ganz Tereinzelt auch palpable Veränderungen des Augenhintergrundes (Chorioiditis)
beobachtet worden sind.
Von allgemeinen Symptomen dieser Gruppe ist noch ein eigenthümlich
neurasthenisch'hypochondrischer Zug hervorzuheben. Von der einfachen Neur¬
asthenie unterscheiden sich die GS,-Neurosen durch die acute Entstehung, die
charakteristischen Prodrome und durch das vorwiegende Befaliensein der unteren
Extremitäten.
Die Prognose ist bei leichteren Fällen nach Entfernung ans dem Bermch
der giftigen Gase eine ziemlich gute. Leichtere Abschwächungen der psychischen
Energie, Gedächtnissschwäche, apathisches, träumerisches Wesen, seltener psy¬
chische Beizerscheinungen, Unruhe, Angst, geschwätziges Wesen kommen bei
den Neurosen öfters vor und bilden den Uebergang zu der dritten Gruppe, den
CS,-Psychosen.
ni. Psychische Störungen.
Die Litteratur dieses Gegenstandes beschränkte sich bis vor Kurzem auf
vereinzelte, meist aus Frankreich stammende Fälle. Aus der deutschen Litteratur
ist mir nur ein von Bloch beschriebener Fall, der neben neuritischen Ver¬
änderungen Hallucinationen darbot, bekannt, so dass Eobebt in seinem 1893
erschienenen Handbuch der Intoxicationen Geistesstörung durch CS, als ein
seltenes Vorkommniss bezeichnen konnte. Erst 1895 wurde auf Veranlassung
Flbchsio’s durch die Dissertation von aus der Leipziger psychiatrischen
Klinik eine grössere Beihe von Fällen an die Oefifentlichkeit gebracht Ich habe
die betreffenden Krankengeschichten einer nochmaligen genauen Durchsicht
unterzogen, namentlich die Anamnese bezüglich der Aetiologie zu vervollständigen
gesucht und einige Fälle, in denen concurrirende Ursachen, wie Alkoholi^us
und schwere Hysterie, neben der CSg-Vergiftung hervortraten, au^emerzt.
Eine Reihe neuer und sicherer Beobachtungen, die ich seit 1895 zu machen
Gelegenheit hatte, ergänzen das einschlägige Material unserer Klinik nunmehr
auf 25 Fälle.
Da es die meinem Vortrag zugemessene Zeit nicht erlaubt, die Diagnose
jedes einzelnen Falles klinisch-analytisch zu begründen, so möchte ich, zumal
gerade in neuerer Zeit Zweifel an der toxischen Herkunft dieser Psychosen ge-
äussert worden sind’, eine Reihe allgemein nosologischer Thatsachen anfuhren,
die mir die ursächliche Rolle des CS, unwiderl^lich zu beweisen scheinen:
1. Die acute Entstehung der Geistesstörung nach kurz dauernder Beschäf¬
tigung mit CS, bei vorher [»ychisch gesunden Individuen. Dieselben zeigen
sämmtlich die fi^er beschriebenen charakteristischen Prodrome.
^ Berliner Klinik. 1896. Heft 98.
* Ueber psychieche Störangen in Folge Schwefelkoblenetoffvergiftang. 1895. Leipzig.
Veit Ä Co.
* Knipmn's I/ehrbnch. 5. Aufl. S. 46.
üig :/odGoogle
685
2. Bieten die durch Tbierexperiment und feststehende klinische Erfahrungen
seit Langem ätioK^lsch siche^estellten CS,>Neuro8en eine Reihe bereits oben
geschilderter psychischer Symptome, die wir als Elemente der complexen CS,-
P^ehose regelmässig wiederfinden. — Umgekehrt findet man bei den Geistes-
stonmgen der Gnmmiarbeiter zahlreiche organisch nervöse Anomalieen, wie
Tremor, PopiUenstömngen, Sensibilitatsstomngen, und somatische Erscheinungen
(als Bronchitis, Gastritis, Enteritis), die fdr GS 2 -ye^:iftungen typisch sind.
3. Kann man im Tbierexperiment durch GS, deutliche, wenn auch nur
rudimentär entwickelte psychische Veränderungen im Sinne einer hochgradigen
motorischen Err^;nng mit nachfolgendem depressiv-stuporösen Verhalten beob¬
achten. Ebenso ist durch Sell^tversuche am Menschen^ nachgewiesen, dass
bereits mn wenige Stunden dauernder Aufenthalt in einer Atmosphäre, die
wenige Milligramm GS, auf den Liter Luft enthält, schwere Störungen des
Sensoriums, AngstgefOhl und Unßhigkeit zum Denken herrormft
4. Ist die Zahl der Gummiarbeiter, die in Leipzig im Jahre geistig er-
banken, relativ grösser als die geistige Morbidität in anderen Betrieben; dabei
sind sämmtliche Personen, die aus Gummifabriken der Klinik zu-
geföhrt wurden (mit einer Ausnahme) in der Zeit vor ihrer Erkran¬
kung dauernd im Vulcanisirraum, d. h. in dem einzigen Raum der
Fabrik, in dem CS,-Dämpfe reichlich vorhanden sind, beschäftigt
gewesen.
Diese letzte Thatsache ist umso auffallender, als nur ein geringer
Brncbtbeil der Arbeiter, etwa Vs? diesem Raume Verwendung findet.
5. Ist das gruppenweise Auftreten der Erkrankungsfalle derart, dass, wie
ich es mehrfach beobachtet habe, innerhalb weniger Wochen aus demselben
Etablissement 2, 3 und mehr Arbeiter erkrankt sind, gar nicht anders zu er¬
klären, als durch die Annahme einer gemeinsamen — in diesem Falle toxischen—
Schädlichkeit — In der Periode 1886—1887 wurden beispielsweise aus einer
einzigen Fabrik, in der überhaupt nur ca. 10 Personen vulcanisirten, 6 Indi¬
viduen unserer Klinik zi^eföhrt. Nachdem daraufhin die Sanitätsbehörde in
Bewegung gesetzt und ein Umbau des ftuher durchaus hygienisch ungenügenden
Ynlcanisirraums durchgeführt war, kamen 4 Jahre lang keine Erkrankungen
mehr vor, bis dann 1891 im Verlauf von 8 Wochen wiederum 2 Arbeiter der
betreffenden Fabrik eingeliefert wurden. In einer anderen Fabrik, die uns im
vorigen Herbst im Verlauf von 10 Tagen 2 Arbeiterinnen zuschicken musste,
war, wie mir von der einen Patientin glaubhaft berichtet wurde, gerade in dieser
Zeit eine Störung der Ventilation in dem betreffenden Vulcanisirsaal eingetreten.
Das wiederholte Vorkommen solcher gruppenweisen Erkrankung schliesst einen
Znfall aus.
Wie gross der Gehalt der Athmungsluft an CS, sein muss, um eine GS,-
Vergiftung überhaupt und eine Geistesstörung insbesondere hervorzurufen, bängt
natürlich von einer unberechenbaren individuellen Disposition des Menscheu
* Vergl. die aoter Lxhiiavn gearbeiteten Diuertationen von Bosbnblatt and Hxbtbl.
- Google
686
ab. Erwähnt sei nur, dass nach Versuchen Lebhakn’s eine AthmnngsIuA, die
0,8—0,9 mg CSg im Later enthält, bei längerer Arbeit bereits heftige Beschwerden
Terursaoht, dass 1 cg per Liter schon bei kurzem Aufenthalt direct gefährlich
ist Dass aber neben der individueUen Anlage auch die Quantität des einge-
athmeten Gases von Wichtigkeit ist, beweist u. A. ein Ton Herrn Collegmi
Dr. Eösteb in Leipzig beobachteter Fall.^ Ein Arbeiter, der in einer hygienisch
gut eingerichteten Fabrik Leipzigs ca. 14 Jahre ohne wesentliche Beschwerden
Yulcanisirt hatte, übernahm die Einrichtang eines neuen Betriebes in einem
benachbarten Bundesstaat, in welch letzterem anscheinend bisher keinerlei Vor¬
schriften über Ventilation u. s. w. der Vulcanisirräume existiren. Nachdem er
2—3 Monate in den hygienisch äusserst ungünstigen Fabrikverhältnissen ge¬
arbeitet hatte, bekam er die Symptome einer typischen schweren CS,-Neurose,
an die sich eine tiefe melancholische Depression anschloss.
Einmalige acute Vergiftung scheint, ähnlich wie der Alkoholrausch, stets
nur Torübergehende, wenn auch schwere Eialtationszustände oder Betäubung,
niemals länger dauernde F^chosen zu machen. Wir haben es also bei unseren
Fällen in der Begel mit einer chronischen, mindestens über eine Reihe von
Tagen sich erstreckenden, Giftwirkung mässiger Intensität zu thun. Der
Umstand, dass nur ein kleiner Theil der Arbeiter, die doch alle in gleicher
Weise der Giftwirkung ausgesetzt sind, geistig erkrankt, macht zweifelsohne die
Annahme einer besonderen Disposition nothwendig. Die Annahme wird bestätigt
durch die Thatsache, dass mindestens 80'^/o meiner psychischen Patienten here¬
ditäre Belastung aufwiesen, während Ton den nervös Erkrankten, soweit überhaupt
genaue anamnestische Nachrichten vorlz^n, nur unge^r der dritte Theil be¬
lastet war. In demselben Sinne ist das auf den ersten Blick paradox erschei¬
nende Factum zu deuten, dass die Psychose, also die anscheinend
schwerere Störung, in der Begel schon nach viel kürzerer Arbeits-
daner sich entwickelt als die Neurose. Bei jener bricht die Krankheit
durchschnittlich bereits 4 Wochen nach Beginn der Vulcaniararbeit aus, bei
dieser erst im 4. Monat nach Beginn der Beschäftigung. Ebenso scheint die
Schwere der psychischen Erkrankungen bis zu einem gewissen Grad im umge¬
kehrten Verhältniss zur Dauer der Gifteinwirkung zu stehen, denn die durch
absolut günstige Prognose ausgezeichneten maniakalischen Formen brachen durch¬
schnittlich erst 5—7 Wochen nach Eintritt in die Gummifabrik aus, dag^en
die weit schwereren, oft unheilbaren, depressiven Formen bereits nach einer
durchschnittlichen Arbeitszeit von 3 Wochen. Die depressiven Formen
betrafen ohne Ausnahme belastete Individuen, während von den
manisch Erkrankten nur der kleinste Theil Heredität aufwiea
Nach diesen Erfahrungen muss man annehmen, dass das Gift, ähnlich wie
gewisse epidemische Krankheiten, eine, der Selectionstbeorie entsprechende, Aus¬
lese dar schwachen Individuen im Kampf ums Dasein hält. Man kann — cum
> Ich bin Herrn Collegen Eösteb, der den betreffenden Fall spater aosfUirlieh rer-
Öffentlichen wird, für die Erlaabniea, eeine mündliche Mittheilnng hier rerwerthen an dürfen,
ZQ grossem Dank rerpfUchtet
’iQ'h/.OÖ Dy
Google
687
grano salis — behaupten, dass deijenige Arbeiter, der 2 Monate hindurch tuI-
canisirt hat, ohne geisteskrank zu werden, Toraussichtlich psychisch gesund bleiben
wird. — Bezüglich der nervösen Affectionen liegt die zeitliche Grenze, jenseits
deren die Wahrscheinlichkeit krank zu werden wesentlich abnimmt, viel höher.
Ich habe Arbeiter gesehen, die zwei Jahre lang ohne nennenswerthe Beschwerden
Tolcauisirt hatten und dann noch an Neurosen erkrankten.
Als ein Bnicum in der Litteratur, wie in meiner persönlichen Erfahrung,
betrachte ich einen Fall, wo nach Sjähriger intensiver Beschäftigung mit GS^
unter heftigen epileptiformen Anfallen eine bis zur tiefsten Verblödung fort¬
schreitende Demenz anftrat, zu der sich Paresen der Beine und Blasenlähmung
gesellten und wo nach lV 2 jähTiger Krankheit unter den Erscheinungen des
Marasmus der Tod erfolgte. Ob auch die in diesem Fall beobachtete, später
in Scbrumpüiiere übergehende, Albuminurie als eine Folge der CS^-Yergiftung
anzmehen ist und inwieweit die Nierenaffection den psychischen Verlauf beein¬
flusst bat, lasse ich dahingestellt
Was die klinische Form der GS^-Psychose betrifft, so hat bereits Flechsiu
mehrfach darauf hingewiesen welches hohe theoretische Interesse die That-
sache beansprucht, dass durch dieselbe, wohlbekannte chemische Schäd¬
lichkeit so ausserordentlich verschiedene Krankheitsbilder hervorgerufen werden.
Offenbar ist dies so zu erklären, dass bei verschiedenen Individuen verschiedene
Theile des Seelenorgans von der Vergiftung befallen werden.’ Ohne auf
Theoretisches näher einzugehen, möchte ich hier zum ersten Male den Versuch
machen, eine rein klinische Glassification dieser Geistesstörungen durchzufuhren.
Ich bin mir dabei wohl bewusst, dass einerseits mein Material von 25 Fällen,
wenn es gleich die grösste bisher vorliegende Gasuistik bildet, nicht ausreicht,
um einen erschöpfenden TJeberblick über die möglichen Erscheinungsformen
der CSg-Psychose zu gewinnen; andererseits würden sich aber aus einem
grösseren Materiale wahrscheinlich einfachere und einheitlichere Eintheilnngs-
principien ergeben, indem die durcl^eifenden und wesentlichen Unterscheidungs¬
merkmale klarer hervor- und die Zufälligkeiten des einzelnen Falles mehr
zurücktreten würden. Ich möchte daher vermuthen, dass eine zu¬
nehmende klinische Erfahrung unsere Krankheitsgruppen eher
vereinfachen als vervielfachen wird. Ein Eintheilungsversuoh scheint
mir auch schon deshalb berechtigt, weil mit Sicherheit zu erwarten steht,
dass mit der Schaffung besserer hygienischer Zustände in den Fabriken unsere
interessante Krankheitsspecies binnen wenigen Jahren völlig von der Bildfläche
verschwinden wird.
' Zuletzt in der Discnssion Ober Binswakosb’s Vortrag: „Die Erschopfongspsychosea“
bei der I. Versammlong mitteldeatsober Pajch. n. Nearolog. am 24. April 1897.
' Eine sehr werthvolle experimentelle Stütze hat inzwiBchen diese Vermathnng erhalten
in dem interesssnten Befand Eöstis’b, dass die darch die CSj-Vergiftong herTorgemfenen
Zelldegeneratioiien unter ganz analogen Versnchsverhältnissen bei verschiedenen Thieren ganz
verschiedene Abscbnitte des Centralnervensystems betreffen. Vergl. Dr. Eöstbb, Experimen¬
teller und pathologisch-anatomischer Beitrag zor Lehre von der chronischen CS,-Yergiftang.
Nenrolog. Centratbl. 1898. Nr. 11.
D g : /cd oy Google
6d8
I. Die maniakalischen Formen omfassen 7 Fälle meiner Oasnistik.
Zuweilen nach einem kurzen einleitenden Stadium depressiTer Verstimmung,
theils aus scheinbar ToUer geistiger Gesundheit sich entwickelnd, tritt heftige
motorische Erregung, Ideenflucht und Erotismus bei Torwiegend heiterer
Stimmungslage auf. Hallucinationen sind äusserst selten, niemals kommt
es zu eigentlicher Verwirrtheit Vorübe^ehende Oonception Ton Grössenideen
wurde 2mal, beide Male bei Männern beobatflitet Ein besonderes Gepräge
erhält die CS,-Manie durch eine eigenthümliche, neben der Exaltation herlaufende
oder mit derselben intermittirende hypochondrische Verstimmung, die
ganz offenbar auf den bekannten, durch CS, herrorgerufenen unangenehmen
Sensationen beruht Mir ist es wenigstens bei Manieen anderer Herkunft nie¬
mals begegnet, dass der Kranke mitten in seinen heiteren Redeschwall plötz¬
lich die jammernde Klage einflicht, dass er Knoten von Schwefel im Hals
habe, dass das Blut im Herzen stocke, dass der Magen ausgetrocknet sei u. s. w.
Von den somatischen Begleiterscheinungen ist fast constant Tremor der
Hände, ferner gesteigerte Sehnenreflexe und Pulsbeschleunigung. Häufig findet
man Pupillendifferenz bezw. Trägheit Sensibilätsstörungen, sowie die bei
den CSj-Neurosen so gewöhnliche Gehstorung waren niemals vorhanden.
Der Ausgang war stets günstig. Die Dauer schwankt zwischen 1 und
4 Monaten und betrug im Durchschnitt 27« Monat. Dies ist wesentlich kürzer
als die Durchsohnittsdauer der in den letzten 5 Jahren in unserer Klinik be¬
handelten übrigen Manieen, welch letztere durchschnittlich 3 bis 4 Monate zur
Heilung beanspruchten.
II. Die depressiven Formen umfassen den weitaus grösseren Tbeil
meiner Casuistik. Im Gegensatz zur vorigen Gruppe gehen sie stets einher
mit einer hochgradigen hallucinatorischen Erregung, die sich im Be¬
ginn öfters bis zur Verwirrtheit steigert. Häufig sind triebartige Angst und
Verfolgungsideen vorhanden; hypochondrische Vorstellungen finden sich auch
hier recht oft. Die durchschnittliche Dauer der heilbaren Formen, die sich
im Allgemeinen mit dem Bild des acuten depressiven Wahnsinns decken, be¬
trägt 2’/^ Monate. Von 10 Fällen wurden 4 unheilbar. Hiervon ging 1 Fall
in chronisches hallucinatorisches Irresein aus, welches heute nach Verlauf von
11 Jahren bei voller Lueidität und Erankheitseinsicht unverändert besteht, ohne
Ansätze zu fixirter Wahnbildung aufzuweisen. Zweimal entwickelte sich chronische
hallucinatorische Paranoia mit ziemlich raschem Uebei^ng in Demenz. Ein Fall
zeigte die typische Evolution der chronischen Paranoia vom Verfolgungs- zum
Grössenwahn. Bemerkt sei, dass 3 von diesen 4 ungünstig verlaufenen Fällen
schon im Beginn der Erkrankung intercurrente Zustände von Benommenheit,
Apathie oder Stupor gezeigt haben, so dass diese Symptome als zweifellos in¬
faust angesehen werden müssen.
Einfache typische Melancholie ist unter den depressiven Formen bisher
noch nicht zur Beobachtung gekommen.
III. Eine weitere Gruppe von CSj-Erkrankungen, bei der Stupor die vor¬
wiegende Krankheitserscheinung ist, zerßllt in zwei ihrem Verlauf und Wesen
D g ii/od oy GOO^ IC
689
nach völlig verschiedene' TJnterabtheilnngen. Die eine durch 2 männliche
Kranke gebildete üntei^mppe enthält Krankheitsbilder der katatonisch-hebe-
phreniscben Form. Der eine von diesen Kranken ist nach Cjährigem Aufent¬
halt in unserer Klinik hochgradig dement an Phtise gestorben, der andere
zeigte nach 9 monatlicher Dauer der Psychose Heilung mit Defect — wenn es
sich nicht etwa um eine Remission gehandelt hat.
Die zweite als acuter heilbarer Stupor zu bezeichnende TJntei^ruppe unter¬
scheidet sich von der vorigen durch das Fehlen tiefergehender Verworrenheit
und durch ein besonders stark au^prägtes Oefähl der eigenen körperlichen
und geistigen Unzulänglichkeit. Diese ungeföhr dem Bild der ERiPELm’schen
Dementia acuta entsprechende Form ging nach 1—Smonatlicher Erankheits-
dauer stets in Heilung über.
Allen stupoTösen Formen gemeinsam scheint Weite und Trägheit der
Pupillen^ und das Fehlen der für die übrigen Formen der CSj-Veigiftung be¬
kannten motorischen Beizerscheinungen.
Hieran schliessen sich als mehr rudimentäre Formen von (Geistesstörung an
einige Fälle von Charakterveränderung im Sinne eines moriatischen Wesens und
ferner Zustände einfacher Demenz. Letztere, wie *sie namentlich unter den
Fällen Delpeoh’s sich fanden, scheinen nur nach langdauemder Einwirkung
von voTzukommen. Die Gedächtnissschwäche erweist sich bei diesen Kranken,
auch nach dem Aufhören der Giftwirkung, als äusserst hartnäckig und deutet
darauf hin, dass es sich um eine wirkliche Zerstörung nervöser Elemente in der
Hirnrinde handelt
Die Therapie hat, abgesehen von den bekannten symptomatischen Indi-
cationen, noch die besondere Au^be durch Anregung deä Gaswechsels und des
allgemeinen Stoffwechsels die Ausscheidung des etwa noch im Blute kreisenden
Giftes zu bewirken.
Den bei weitem wichtigsten Theil der ärztlichen Fürsorge muss jedoch
meines Erachtens die Prophylaxe bilden, auf die ich hier der voi^rückten
Zeit halber nur noch ganz kurz eii^hen kann.^
Da man den CS^ bisher in der Gummifabrikation nicht entbehren kann,
so muss die Angabe der Gewerbehygiene darin bestehen, möglichst zu ver¬
hindern, dass die giftigen Dämpfe d^, bereits bei 4$^ siedenden Stoffes, sich
der Athmungsluft des Arbeiters beimengen. Dies geschieht in erster Linie da¬
durch, dass sämmtliche C!Sg-Gefasse, ebenso die frisch vulcanisirten G^nstände,
^ Dieses Symptom wurde tod Eöstbb a. a. 0. bei CS|>TergifteteD Thieren im letäten
Stadium gefondeo. •
’ Durch das liebeoHWlirdige Entgegenkommen der stl^dtischen Hedicinalbebörde, ins¬
besondere des Herrn Dr. Pöttbb in Leipzig, worde ich in Stand gesetzt, bei jedem frisch
anftretenden Erkranknngsfalle sofort die hygienischen Verhältnisse der betreffenden Fabrik
and so die Genese des einzelnen Falles an Ort und Stelle za stndiren. Ferner bin ich
Herrn Gewerbeinspector Haupt in Leipzig, der mir den Einblick in eine Reihe von Betrieben
ermöglichte und mich mit werthroUen techniacbeu Informationen versah, zu grossem Dank
verpflichtet.
44
■' Google
690
welche an einer grossen Oberflädie GS, verdunsten lassen^ nor in Abzügen, die
unter Wirkung eines kräftigen Bzbaastois stehen, geduldet werden. Es sollte
Oberhaupt nur in sehr geräumigen, vorz^lich ventilirten Bäumen vulcanisirt
werden und diese Bäume müssen von allen übrigen Fabriklooalitäten abgetrennt
werden, um die Yergiftungsgefahr auf eine denkbar geringe Anzahl von Arbeitern
zu beschränken. Die Arbeiter dürfen sich nur eine beschränkte Zeit hindnrdi,
höchstens 2 Stunden am Tage, in dem Yulcaniörraume aufhalten, da er*
fabrungsgemäss Yergiftungssymptome in leidlich ventilirten Bäumen erat nach
mehrstündigem Aufenthalt eintretoL Ferner müsste jeder Arbeiter über die
Ge&hrlichkeit der Beschäftigung belehrt und sobald sich die ersten wohl*
charakterisirten Prodromalsymptome zeigen, sofort ans dem Betrieb entfernt
werden.
Diese Maassrcgeln sind zum Theil bereits seit mehr als 10 Jahren im
Bezirke der Lmpziger Gewerbeinspection durchgeführt, nachdem die zahl¬
reichen in der Periode 1885—1887 voigekonunenen Ye^^iftungsfalle durch die
Direction der psychiatrischen Klinik zur Kenntniss der Behörde gebracht worden
waren. Um die Wirkung dieses Yorgehens zu würdigen, muss man sich ver¬
gegenwärtigen, dass in dem Triennium 1885—1887, zu welcher Zeit in sämmt-
lichen Fabriken Leipzigs höchstens 40 Vulcaniseure' gleichzeitig thätig waren,
8 dieser Personen geisteskrank wurden, dag^n in der Periode 1895—1897,
während durchschnittlich mehr als 200 Arbeiter dauernd mit YulcanisireB be¬
schäftigt waren, nur 4 GS,-P8ych(ffimi vorkamen. Die relative Morbidität ist
also auf den zehnten Theil der früheren Ziffer gesunken.
Mag es auch stets vereinzelte besonders empfindlich schwer belastete
Individuen geben, bei denen schon eine noch so geringe Giftmenge eine Psy¬
chose auslösen kann — so würde sich obige Zahl zweifellos noch mehr herab-
dröcken lassen, wenn es gelänge, die oben vorgeschlagenen hygienischen Maass-
nahmen in voller Schärfe in praxi durchzuführen. Dies musste bis jetzt
daran scheitern, dass ein Theil m^et Postulats dem Betrieb gro^ Kosten
auferl^n und durch extreme Verkürzung der Arbeitszeit die Productionsfäh^-
keit des Leipziger Industriebezirkes gegenüber nichtsächsischen Betrieben be¬
deutend herabsetzen würde. Dieser Uebelstand kann nur dadurch paralysirt
werden, dass eine reiohsgesetzliche Begelung für sämmüiche deutsche
Gummibetriebe eintritt
Ich weise zur Erläuterung dieses Gesichtspunktes besonders auf die Berliner
Verhältnisse hin, wo nach den mir vorli^enden Berichten, wenigstens bis vor
Kurzem, weit ungünstigere hygienische Bedingungen als in Leipzig bestanden.
Demgegenüber ist die Thatsache, dass, abgesehen von den französiscbmi
' und vereinzelten amerikanischen Veröffentlichungen, CS,-Psychosen in grösserer
Anzahl nur aus dem Leipziger Bezirk bekannt geworden sind, schwer zu er^
klären. Ich kann es nur so verstehen, dass bisher gerade die Psychiater —
* Dabei ist allerdiags der eingangs erwähnte häufige Wechsel gerade dieser Klmiwf
von Arbeitern zu berücksichtigen.
..,Google
691
denn anPublicationeii über Schwefelkohlensftc^-NeQrosen hat es nicht gefehlt —
ihre Anünerksamkeit diesem Gegenstuid /nicht binrei<^end zngewendet haben.
Bei der Schwierigkeit, die bei Geisteskranken die Erhebimg der Anamnese oft
macht, kann ja leicht die Thatsache, dass der Patient in einer Gummifabrik
thltig gewesen ist, übersehen werden. Auch sind es ja nnr wenige Gentren in
Deutschland (und nicht immer solche Orte, in denen Bemfepsychiater tbatig
sind), in denen die Gnmmiindostrie eine grossere Ausdehnung angenommen hat
Vielleicht kann die yorli^ende Mittheilong einen Anstoss zur weiteren Er¬
örterung dieses Tom wissenschaftlichen wie Tom socialen Standpunkt wichtigen
Gegenstandes geben.
[Aus der NerrenpoUklinik von Dr. Adleb in Breslau.]
3. Radialislähmnng nach epileptischen Anfällen.
Von Dr. Adler.
Es ist bekannt ^ dass im Anschluss an epileptische Anfalle meist rasch
Torübergehende Lahmungmi in der Form von Hemipl^een, Paraplegieen oder
auch Monopl^een auftreten können. Auch einseitige Gesichts- und Znngen-
läbmungen kommen darnach vor. Thomsen^ beschrieb conjugirte Augenablenkung
und Strabismus nach epileptischen Anfällen. Man macht fiir die Entstehung
dieser postparoxystischen Lähmungen nach dem Vo^nge von Tonn,
Bobebtson und Hüoblinos Jackson’ die durch die Entladung bedingte Er-
schöp^ng des Gehirns verantwortlich.
Im vergangenen Jahre habe ich zwei Epileptiker an postparoxystischen
Lähmungen anderer Genese behandelt Es lag beide Male eine totale rechts¬
seitige Badialislämnng peripherer Natur vor. Bei dem einen war schon
einmal, vor mehreren Jahren, nach einem Anfall eine lähmungsartige Schwäche
der rechten Hand aufgetreten und hatte mehrere Monate angehalten.
Was die Entstehung der Radialislähmung betrifil, so wäre es denkbar, dass
ein Pall auf den betreffenden Arm oder Handrücken^ im Anfalle eine Quetschung
bezw. Zerrung des Badialis verursacht habe. Bei dem anderen Patienten, bei
welchem es sich um einen nächtlichen Anfell handelte, und der erst am fol¬
genden Morgen die Lähmung seiner rechten Hand bemerkte, käme noch die
gewöhnliche Schlaflähmung in Betracht; aber ich halte in beiden Fällen eine
andere Art des Zustandekommens der Nervenläsion nicht für ao^eschlossen.
^ Chablbs F^b^, Die Epilepsie. Deatsch tod Ebbbs. 1896. Leipzig. 8. 15$.
* Thomsbk, Arohir f. Psychiatrie. X7II.
> FAsa. l e. S. 447.
* cf. Bbbnhabdt, OppeDheim’s Lehrb. der Nerreokrankh. IL Aofl. S. 825.
44*
Googl
c
692
Go^ebs erzählt in seinem Handbuch der Nervenkrankheiten S. 85, ^ss
er in 3 Fällen Radialislähmungen nach einer heftigen Contraction des
Triceps habe eintreten sehen, und auch Oppenheim (1. c. S. 324) hält es
fär mcglich, dass eine heftige Muskelaotion, besonders eine plötzliche
Streckung des Arms, z. B. bei einer brösquen Wurfbew^fung, den N. radialis
so zu schädigen vermag, dass er vollständig gelähmt wird. Die Pathogenese
derartiger Radialislähmungen hat Gebülanus' näher studirt und gelangt auf
Grund anatomisch • physiologischer Betrachtungen zu folgender Erk^rung der*
selben:
„Der N. radialis liegt im ganzen mittleren Drittel des Oberarms direct auf
dem Periost, in einem Bind^ewebsspalt, welcher ihm seitliche Excursionen bis
über einen Centimeter gestattet, und ist dabei vom Muskelbauche des äusseren
Kopfes des M. triceps brachii bedeckt Der Nerv würde jedes Mal bei der Con¬
traction dieses Muskels eine Compression auf die hintere, äussere Knocbenkante
erfahren, wenn derselbe nicht eine Verschiebung gegen den sehnigen Ursprung
des Muskels erfahren würde, wo er unter diesem gespannten Bande Schutz
findet Die Verschiebung geschieht durch das sich Anschmi^en des Muskel¬
bauchs selbst an die Enochenoberfläche.“
„Unter besonderen Umständen, wie Fixation der Nerven durch die Vorder¬
armmuskulatur, plötzlich einsetzende Contraction des M. triceps u. s. w., kann
der Nerv beim Ausweichen gehindert, und so zwischen Knochen und Muskel
comprimirt werden.“
Eine ähnliche Genese möchte ich bei meinen beiden Fällen von Radialis-
lähmung nach einem epileptischen Anfall für möglich halten. Die plötzlichen
und heftigen Muskelcontractionen während eines Krampfanfalls scheinen mir
durchaus geeignet, eine Compression des Nerven zwischen Muskel und Knochen
zu veranlassen und hierdurch eine Quetschung desselben herbeizuführen.
Wenn nun auch Radialisläbmung nach epileptischen AnßUen recht selten
zu sein scheint — ich finde wenigstens in den gebräuchlichen Lehrbüchern
dieselbe nicht erwähnt —, so dürfte das doch nicht ohne weiteres g^n die
Richtigkeit meiner Annahme in Bezug auf ihre Genese sprechen. Wahrscheinlich
ist zu ihrem Zustandekommen eine gewisse Widerstandslosigkeit des Nerven¬
systems, wie solche bspw. bei Potatoren vorhanden ist, erforderlich, und ausserdem
eine ganz bestimmte Aufeinanderfolge der Muskelkrämpfe im Arme, derart,
dass die plötzliche Zusammenziehung des Triceps erfolgt, während nc^h die
Vorderarmmuskulatur contrahirt ist und den N. radialis fixirt halt
‘ Ueber das Vorkommen von Radialielähmang naoh einer heftigen Contraction des.
M. triceps brach. Deotscbe Zeitscbr. f. Chiruigie. Bd. XLVll. H. 1.
ig : /cd cy Google
693
[Aus Prof. Mbndel’s Privatklinik.]
4. Ein Fall von spinaler Monoplegie des rechten Beines.
Ton Dr. Julius Weil,
AMistenzarzt an der Prof. HBNDBL’Boben PoUklioik.
Der Arbeiter G. B., 31 Jahre alt, kam am 8. April 1897 in die Klinik des
Herrn Prof. Dr. MsynsL nnd klagte Ober das Unvermögen, sein rechtes Bein zu
gebrauchen. Br habe in demselben absolut keine Kraft, so dass sein Gang sehr
erschwert and er in Folge dessen arbeitsunfähig sei.
Anamnestiach ist nach den Angaben des Pat folgendes zu erwähnen:
In der Familie des Pat. sind noch keine Nerven* und Gemftthskrankheiten vor*
gekommen. Lues wird negirt. Pai war zuletzt als Bierfahrer in einer Brauerei
beschäftigt und hat während dieser Zeit ca. 6 Liter Bier täglich getrunken. Im
Alter von 7 Jahren hatte er Gelenkrheumatismus, seitdem will er immer etwas eng*
bröstig gewesen sein und bei schwerer Arbeit Öfter Aber Athemnoth und Herzklopfen
geklagt haben, war aber nie deshalb in ärztlicher Behandlung.
Im Januar 1897 fiel Pat. beim Gehen im Hofe einer Brauerei in eine mit
Wasser gefüllte Senkgrube, die er für bedeckt gehalten hatte, und zwar so, dass er
mit beiden Beinen bis zum Bumpf im Wasser gestanden hat. Er hat jedoch darauf
weitei^earbeitet und in der Folgezeit nur zeitweilig geringe Schmerzen in beiden
Waden gespürt.
Anfang Februar 1897 — den Tag giebt Fat. nicht genau an — war Pat. im
Begriff, eine schwere Last eine Treppe hinanfzutragen, als er plötzlich einen heftigen
Schmerz im rechten Knie und rechten Fassgelenk verspürte. Zu gleicher Zeit merkte
er bei dem Versuch zu gehen, dass das rechte Bein sehr schwach geworden war,
dass er dasselbe nachschleppen musste und dabei bei jedem Schritt im Knie ein*
knickte. Das Fassgelenk konnte er angeblich dabei gar nicht bewegen und den Fass
nur in schleudernder Weise immer flach aufsetzen. Einige Tage nach ihrem Auftreten
verschwanden nun die Schmerzen und sind auch seitdem nicht mehr aufgetreten, da*
gegen hat die Lähmung des Beines in unveränderter Weise fortbestanden. Eine
Abmagerung wurde an dem betroffenen Beine nicht bemerkt.
Sonst hat Fat. keine Klagen, insbesondere sind nach dem AufhOren der be*
schriebenen Schmerzen in dem rechten Beine niemals wieder Schmerzen irgend
welcher Art aufgetreten, auch hatte Pat. niemals Klagen über erschwertes Wasser*
lassen oder Hamtränfeln. Seine Potenz sei unverändert, Appetit, Stuhl und Schlaf
haben nie zu Klagen Veranlassung gegeben.
Bei seiner Aufnahme am 8. April 1897 wurde folgender Befand erhoben:
Pat. ist ein mittelgrosser Hann, von mittelstarker Muskulatur und geringem
Fettpolster. Die Gesichtsfarbe ist etwas bräunlich, die Schleimhäute normal gefärbt.
An den Himuerveo ist nichts besonderes. Die Pupillen sind gleichweit und reagiren
normal auf Licbteinfall und Accommodation. Der Bachen ist stark gerOthet.
Die Kraft der oberen Extremitäten ist gut. Es besteht leichter vibratorischer
Tremor manuum. Die Sensibilität ist am ganzen OberkOrper normal.
Das auffallendste Symptom bildet der Gang des Pai Er hebt, sobald er einen
Schritt machen will, den rechten Darmbeinkamm und beugt den Bumpf etwas nach
links über. Das rechte Bein, welches dabei in toto nach aussen rotirt wird, wird
in der Hüfte etwas übergebengt. Der M. quadriceps femoris funclionirt nicht beim
Geben, der rechte Fuss hängt schlaff und passiv herunter, wird beim Vorsetzen des
Dig'H^cd Dy Google
694
rechten Beines in steter Berflhmng der Fassspitze mit dem Fossboden weiter*
geschoben and vollständig schlaff and platt aufgesetzt Das rechte Bein, als Stand¬
bein, wird in Form eines Qeno recarvatam flberstreckt. Ohne sich mit der Hand
aufzosttltzen, kann Pat. nicht auf dem rechten Bein alleinstehen.
In der Bettlage ßllt am rechten Bein nor das Herabbängen des Fasses anf.
Die Haut ist (Iber beiden Patellae stark cyanotiscb, die Uaat der beiden Ober¬
schenkel bläulich marmorirt Es bestehoi geringe Yenenerweiterungen an beiden
Oberschenkeln. Die Bflckseite des rechten Beines schwitzt Teränderungen der
Haatgebilde bestehen nicht.
Das rechte Bein ist in allen Qeleaken abnorm beweglich, so kann die Ferse bis
an das Taber ossis ischii gebracht werden.
Activ ist die Beugung in der rechten Hflfte minimal, der M. tensor fasciae latae
wird angespannt die Adduction und Abduction des rechten Oberschenkels ist sehr
schwach, dagegen die Rotation ziemlich gnt Die Strecknng des Oberschenkels fehlt
Das Aufrichten aus der liegenden Stellung geschieht gut. Bei willkarlichen Zusammen-
kneifen der Hinterbacken bleibt der redite vollständig unbewegt Die Beuger des
Unterschenkels functioniren activ absolut nicht ebenso ist die Streckung des passiv
gebeugten Beines activ unmöglich, obscbon bei stärkstem Willensimpuls geringe Ck>n>
tractionan im Quadricepe zu sehen sind. Eine minimale Beugung und Streckung dar
rechten 6 Zehen ist möglich.
Pat. erkennt die Nadelspitze am rechten Ober- und Unterschenkel. Auf beiden
Fusssohlen ist das Geffihl beiderseila gleich. Auf der Haut der Hinterbacken ist
kein Unterschied in der Sensibilität.
Kalt und warm wird am rechten Beine ttberall deutlich unterschieden. Die
Nmrvenstämme sind rechts nicht dmekschmm^haft. Hyperästhesieen sind nicht vor-
banden. Das Huskelgeffibl ist intact Die mechanische Muskelerregbarkeit ist am
rechten Beine stark berabg^etat, bezw. erloschen. Die Patellarreflexe fehlen, ebenso
Achillessehnen- und Fasssohlenreflex. Gremaster- und Baucbdeckenreflez sind normal.
Die elektrische Untersuchung des rechten Beines ergiebt: Erloschensein der
faradiscben Erregbarkeit und tr^ Zuckung bei galvanischer Beizung in allen Mus¬
keln mit Ausnahme der Mm. Sartorius, Vastus internus und Bectus femoris. Pat.
erträgt am rechten Bein die stärksten üaradischra Ströme ohne Schmerzen zu em¬
pfinden.
Die Maasse an beiden Beinen betragen:
Umfang in der Höhe der Inguinalfalte ....
„ „ „ „ „ Mitte des Oberschenkels
„ oberhalb der Kniescheibe.
Grösster Wadenumfang.
Der Befund am linken Beine ist vollkommen normal.
Die Untersuchung per anum ergiebt weder abno
hafte Stellen.
} 46 cm.
rechte
43 cm
45 „
it
43 „
34 „
M
34 „
33 ..
M
33 „
Besistenzen, noch
schmera-
Die Lungenbefund ist normaL
Obere Herzgrenze — am oberen Bande der 5. Rippe, rechte ss auf der Mitte das
Sternums, Spitzenstoss im 6. Intercostalraum innerhalb der Mammillarlinie. Der erste
Ton an der Spitze ist gespalten. Gefässtöne sehr leise. Der Puls ist celer, regel¬
mässig. Arterie derb. Es besteht geringe epigastriscbe Pulsation. Leber und Milz
sind nicht fühlbar.
In beiden Schenkel- und Leistenbeugen sind geringe Drüsenscbwellungen.
Der Urin ist frei von Eiweisa und Zucker.
Der Pat befand sich in der Klinik bis zum 15. Mai 1897. An diesem Tage
wurde festgeetellt, dass die Adduction und Abduction des rechten Oberschenkels sich
,Google
695
etwas gebeeeert haben. Sonst war der Befand im wesentlichen dem bei der Auf*
nähme erhobenen gleicbgeblieben.
Am 12. October 1897 derselbe Befund.
Am 8. Januar 1898 ergiebt die Messung:
Umfang des Oberschenkels in der Höhe der Inguinalfalte
links
47 cm,
rechts 40 cm
In der Mitte des Oberschenkels .
43 „
Oberhalb der Kniescheibe.
34
Grösster Wadenumfang.
>1
38 „
>f 29 „
Am 11. Juli 1898 hat die Atrophie weitere Fortschritte gemacht. Die elek¬
trische Untersuchung ergiebt im wesentlichen die gleichen Besultate wie früher,
ebenso die SenaibilitatsprOfung fllr alle Qualitäten.
Pat befindet sich seit 4 Wochen in Behandlung wegen einer starken Schwellung
des rechten Kniegelenks, die ihm beim Gehen Schmerzen verursacht. Bs besteht
starker Elrguss in das Gelenk, die Patella ballottirt. Blase, Mastdarm und Sexual*
apparat gaben nie zu Beschwerden Anlass.
Fassen wir nun die Hauptmomente in unserem Krankheitsbilde zusammen^
so haben wir:
1. Das plötzliche Eintreten einer schlaffen Lähmung des rechten Bmnes.
2. Das baldige Verschwinden der anfänglich bestehenden Schmerzen.
3. Das Ausbleiben von Sensibilitätsstömngen — mit Ausnahme der farado*
cutanen Empfindung — und das Ausbleiben von Blasen* und Mastdarmstörungen
und das normale Verhalten des Sexualapparates.
4. Das constante Bestehenbleiben aller Erscheinungen während 1^2 Jahren.
Von letzterer macht auch die zunehmende Atrophie der Qesammtmusknlatur
eigentlich keine Ausnahme, da sie ja durch die Parese bedingt ist Auch der
Ausfall der farado-cutanen Empfindung findet ihren Grund in der Parese. Da
die Muskeln nicht faradisch err^bar sind, und so die clonischen Contractionen
ansfallen, tritt auch der Schmerz bei starken faradischen Beizungen nicht auf,
denn er ist durch die Contractionen bedingt
Zu erwähnen ist noch der Kebenbefund einer Artropathie des rechten
Eniees, welche als Folge der steten mechanischen Reizung zu betrachten ist,
die durch das Schleudern des rechten Beines beim Gehen herro^rufen wird.
Die Lähmung erstreckt sich auf Muskeln, welche vom Plexus lumbalis und
saciaUs von der 3. Lumbal- bis 3. Sacralwurzel versoigt werden. Es ist in
diesen Gebieten zur Entartungsreaction gekommen.
Wie hat man sich nun die Ursache der bestehenden Erscheinungen zu
denken?
Da kein Fieber bestanden hat, dürfte sich die Poliomyelitis anterior acuta
adoitomm ansschliessen lassen.
Eine Geschwulst war nicht anzunehmen, da die Untersuchung per anum
nnd der Befund an der Wirbelsäule negative Besultate lieferten.
Schwieriger war es im An&ng, den Gedanken an eine Neuritis abzuweisen.
Aber eine Neuritis, die in apoplectiformer Weise zwei Plexus — den Lumbal-
und Sacralplexns — befällt, ist schon nicht anzunehmen. ImUebrigen ist der
bisherige Verlauf nicht derart, dass die Annahme einer Neuritis b^ründet er-
üigi'.'^od oy Google
696
schiene. Fehlen doch bis jetzt SenabUitatsstönmgen, Parasthesieen and tro-
phische Storungen der Hant^bilde.
Es erübrigt nar, an eine spinale Apoplexie za denken, die hier allerdings
in einer seltenen Form aufgetreten sein müsste. Eine Blatang in die Vorder-
saole von der Höhe der 8. Lumbal- bis 3. Sacralwurzel würde das plöUliche
Eintreten der beschriebenen TAhninng und darauffolgenden Atrophie and el^-
triscben Entartungsreaction erklären.
Unterstützt wird diese Annahme auch durch das Bestehen ätiol(^;iscber
Momente. Der Patient war beim Eintreten der TAhmnng im Begriff eine schwere
Last eine Treppe hinauf za tragen, dabei kann er leicht eine heftige Bewegung
gemacht haben. Dazu kommt eine hochgradige Arteriosklerose, die wohl mit
dem zr^estandenen Alkoholismus in Zusammenhang steht. Damit wird wohl
auch die Annahme berechtigt erscheinen, dass die Arteriosklerose die Di^KsitioD
geschaffen und die schwere Last in Verbindung mit einer heftigen Bewegm^
die direote Veranlassung zu der angenommenen Blutung gegeben hat Wir
dürfen also den Fall auffassen als eine spinale Monoplegie des rechten Beines
in Folge einer Blutung in die Vordersäule.
Am Schlüsse sage ich Herrn Dr. Scbusteb für seine freundliche Hülfe bei
der Aufnahme des Status und Herrn Prof. Dr. Mbndel für die Ueberlassung
des Falles meinen henliohsten Dank.
II. Referate.
Anatomie.
1) Nervenmark- und Axenoylindertropfen, von Prof. Neumann in Königs¬
berg. (Virchow’a Arch. Bd. CUI.)
Ueber die Katur der bei Druck auf den aus^eschnitteuen frischen Nerven
aus demselben ausquellenden sog. Myeliutropfen herrschen verschiedene Ansichten.
Während Henle, der Nervenmark und Axencylinder noch nicht voneinander scheidet,
annimmt, dass die Mjelintropfen vom gesammten Inhalt der Nervenfaser gebildet
werden, glaubt Kölliker, dass dieselben nur aus Myelin — ohne Betheiligung des
Axencylinders — bestehen. Terf. gelang es nun, durch vorsichtig ausgefibten Druck
auf deu Nerven, sowie weiterhin durch Tinction des Tropfens den sicheren Nachwös
zu führen, dass der letztere sowohl Nervenmark, als auch Äzencylinder enthält
Zugleich ze^en seine üntersuchungen, dass der lebende Äzencylinder weder eine
senimartige, dünnÜfissige Beschaffenheit, noch eine vorwiegend feste, fibrilläre Shrnctor
haben kann, sondern dass derselbe — gerade im Hinblick auf die Art seiner Aua-
breituug in den Myelintropfen — im wesentlichen aus einer consistenten, schleimigen
oder coUoiden Flüssigkeit bestehen muss.
Verf. scbliesst weiter, dass der Äzencylinder der marklosen Nerven, da ihm di«
Eigenschaft, Tropfen zu bilden, fehlt, seiner ganzen Beschaffenheit nach von dem
Äzencylinder der nmrkhaltigen Fasern verschieden sein müsse. Es könne daher nicht
■'Q'IU.OÖ
oyGOOglC
697
richtig sein, we'im man, wie bisher Üblich, sage, der Azencylinder nmgiebt sich beim
Uebergang der marklosen in einen markhaltigen Nerven mit einem Harkmantel, sondern
m&D müsse vielmehr annehmen, dass ein in der marklosen Faser vorhandenes, eigen¬
artiges Protoplasma (oder Nenroplasma) sich beim Uebergang ln den sog. mark¬
haltigen Nerven in zwei verschiedene Substanzen, Mark nnd Azencylinder, differen-
zire. Lilienfeld (Gr. Lichterfelde).
2) Sur lee gangliona spinaux, par Cavazzani. (Arch. ital. de biolog. XXTIII.)
Verf. hat die Spinalganglienzellen der Menschen, des Affen, des Hundes, der
Katze, des Kindes, des Kaninchens, des Igels, der Batte und des Frosches unter-
sncht, und zwar zunächst in Bezug auf die Grösse der Zellen, welche theils frisch
an Zupfpräparaten — Glycerin und l^’/^Osmiumsänrelösnog —, theils nach Härtung
in Müller dargestellt wurden. Aus dem Durchschnitt vieler Hundert von Messungen
folgert Terf., dass die Spinalganglienzellen bei Tbieren verschiedener Species ver¬
schieden gross sind, jedoch nicht proportional der Körpei^össe, wenngleich sich im
allgemeinen die kleineren Zellen bei den kleineren Thieren finden; bei höher ent¬
wickelten Thieren der gleichen Species (Hund) fönden sich die grösseren Zellen bei
den höherstehenden und bei den älteren; endlich seien die Zellen in den Lumbal-
und Cervicalganglien grösser als in DorsalgangUen. Verf. hat ferner bei Fröschen
6 Tage bis ca. 2 Monate nach einseitiger Amputation oder Durchschneidung des
Ischiadicus Grössenunterschiede von 2—8 fi zwischen den Spinalganglienzellen der
gesunden und der kranken Seite gesehen und glaubt, darin eine Stütze für die Hypo¬
these zu haben, dass die Grösse der Zelle mit der Länge der zugehörigen Nerven¬
fasern in Beziehung stehe — da ja (! Bef.) die artificielle Verkürzung der Nerven¬
fasern zu einer Verkleinerung der Zellen geführt habe —, falls nicht der Mangel
an Activität für die Erklärung der Verkleinerung herangezogen werden könne.
Ehdlich sah Verf. bei der Untersuchung der Spinalganglien eines Cercopithecus nach
Weigert nnd Vassale zwei Arten von Zellen:
1. granolirte, in welchen Körnchen in Gestalt rundlicher Partikel mehr oder
weniger regelmässig theils isolirt, theils in kleinen Gruppen angeordnet sind, nnd
zwar dichter im Centrum, als in der Peripherie, jedoch nicht concentrisch; zwischen
den Körnchen eine homogene Grundsubstwz ohne Structur, speciell ohne ein Netz¬
werk;
2. homogene, nicht grannlirte Zellen, deren Kerne übrigens kleiner seien, als
die der anderen Zellen und im Gegensatz zu diesen meist nicht in der Mitte der
Zelle lägen.
In Bezug auf die Deutung des Befundes möchte Verf. noch am ehesten an die
Möglichkeit denken, dass es sich um Zellen handle, welche sich in verschiedenen
Perioden ein und derselben Function befinden. Kaplan (Herzberge).
3) Weitere Untersuchungen izn Gebiete der centralen Endigungen des
lO. Paares der Qehimnerven, von Dr. W. P. Ossipow. (Nevrologitschesky
Wjestnik. 1898. Bd. VI. [Russisch.])
Im Anfänge der Arbeit bemerkt Verf., dass dieselbe als Eigänznug seines ersten
Aufsatzes über die centralen Endigungen des N. vagi (Nevrologitschesky Wjestnik.
1896. Bd. IV) erscheint, da sie zum Theil jene Untersucbungsresultate enthält, die
in seiner ersten Arbeit nicht angeführt waren, da dieselben weiterer Controll-
untersuchm^en bedurften. Als Untersuchnngsmaterial für die gegenwärtige Arbeit
dienten ausser früheren Präparaten, die von jungen Hunden und Katzen gewonnen
waren, noch die Gehirne zweier Kaninchen, die nach einseitiger Ansschneidung des
N. vagi 91 bezw. 90 Tage gelebt hatten, und das Gehirn eines Hnndes, bei dem
DiQ'iii’od
Google
698
Prof. 3. P. Pawlow in dem Institnt fQr experimentelle Hedicin in 8t. Petersborg
eine doppelseitige Durchscbneidang des cervicalen Theils der Nn. ?agi ansgefBbrt
hatte, nach welcher das Thier noch 6 Monate und 3 Wochen gelebt hatte. Färbong
nach Nissl, van diesen, Pal und anderen Methoden. Die mikroskopische Qnter*
snebung der Schnitte bestätigte vollkommen die Besoltate der ersten Arbeit dee
Yerf.’s, d. h. es wurde gefunden: Atrophie der Worzelbfindel des N. vagi, des do^
salen Kernes des N. vagi und der Zellen in dem angrenzenden Gebiet der Ala cinerea,
des Nncl. ambigui. des Funic. solitarius und dessen gelatinösen Substanz auf der Sehe
der Operation und Atrophie der Fasern, die unter dem Boden des IT. Ventrikds
ziehen. Ausserdem fand der Terf. eine partielle Atrophie der Zellen im Dorsalken
des N. vagi auf der der Operation entgegengesetzten Seite, die besonders scharf aus¬
geprägt war in dem vorderen-inneren Abschnitte des Kerns; Terf. erblickt darin
einen Beweis für das Vorhandensein von partieller Kreuzung der Wnrzelbündel des
M. vagi. Auf Grund der Atrophie der betreffenden Gebiete kommt der Terf. zu dem
Schluss, dass die WurzelbQndel des N. vagi in enger Beziehung stehen ausser zu
dem Dorsalkem des N. vagi und dem Gebiete der Ala cinerea, des SoUtarbttndeln
mit dessen gelatinösen Substanz und des Mucleus amibigui, auch zu' den dorsal«;
Partieen des 12. Nervenpaares und zu dem Kucl. intercalat. Staderini; in der Bapbe
erleidet ein Theil der WurzelbOndel des N. vagi eine Kreuzung, wobei ein Theil der
Fasern mit dem Dorsalkem der entgegengesetzten Seite in Verbindung tritt, der
andere Theil mit dem entgegengesetzten Nucl. ambiguus.
Auf Grund seiner Untersuchungen bestätigt der Verf. die motorische Functioo
des Kucl. ambigui; der Grad der Atrophie desselben bängt nicht ab von dem Niveau
der Durchschneidung des N. vagi oberhalb oder unterhalb des GangBon nodoenm
(Plexus ganglioformis) des N. vagi.
Der Arbeit sind 2 Abbildungen beigegeben. E. Giese (Si Petersburg).
Experimentelle Physiologie.
4) Bulle slterazioni delle oellule nervöse nelP ipertermia sperimentale,
per E. Lngaro. (Biv. di Patologia nerv, e ment 1898. UI. Ö. Mai.)
Bei Hunden nnd Kaninchen, die im Thermostat erwärmt wurden, und derai
Körpertemperatnr 46 überstiegen batte, fand Verf. an Ganglienzellen ans allen Ge¬
bieten des Nervensystems tiefgehende Schädigungen, bestehend io einem erbeblicbn
Zerfall des Cbromatins bei Intactheit des achromatischen Theils der Zellen, so dass
dessen Netz- und Fibrillenstructur deutlicher zu T^e trat, als in normalen Zellen;
der Kern unversehrt; am Kerakörperchen verminderte Färbbarkeit des acidophiles
Theils, leichte Formveränderungen der basophilen Schollen. Die gehmdeoen Alte¬
rationen waren diffus Ober das ganze centrale Nerven^stem vertheilt und betrafen
alle Ganglienzellen gleichmäss^.
Stimmen die vom Verf. beschriebenen Veränderungen mit den von Goldseheider
und Fla tau an den Vorderhorozellen constatirten überein, so theilt hingegen Verf.
nicht die Ansicht dieser beiden Autoren hinsichtlich der geringen Bedentung des
Cbromatins für Leben nnd Function der Zelle. Er fand vielmehr bei seinen Thieren
einen Zustand allgemeiner Mnskelschwäche nnd verminderter Beactionsfähigkeit aaf
Beize und gegen Ende bei nicht von Convulsionen befallenen Thieren Stillstand <kr
Äthmnng in Folge Erschöpfung des Athmungscentrums, und ist deshalb geneigt an-
zunehmen, dass zwar nicht absolute strnctorelle und quantitative Intactheit des
Cbromatins zur motorischen Function erforderlich ist, dass aber mit der qnanütatina
Verminderang des Cbromatins eine entsprechende Schwächung der Fonctionafähigkot
einhergeht. Solange also die Structur der achromatischen Substanz nnd die V«'-
■' Google
699
bioduog der Zellen nntereinander erhalten sind, ist auch die Fanctionsmdglichkeit
gegeben. Die Intensit&t der Fonction h&ngt a^r von der noch erhaltenen Menge
Chromatin ah. Valentin.
6) Leeioni degli elementi nervoai neir aTellenamento sperimentale per
nitrsto d’argento, per A. Donaggio. (Bit. sperim. di Freniatr. XXIV.)
Die Wirknng des Argentnm nitricnm stndirte Verf. an Bonden, denen er in
eteigender Dosis das Qift in den Magen brachte. Verf. kommt zo dem Resultat, dass
durch die experimentelle Silbemitratvergiftung Läsionen an 21ellen and Fasern des
Nerrensystems sich entwickeln, dass an den Veränderungen der Berrenzellen im
Bflckenmark fiberwiegend die TorderhOmer betbeiligt sind, dass systematische Dege¬
nerationen in den Hinter-, wie in den Seitensträngen entstehen können, and dass
dieee Degenerationen nicht von Zellläsionen abhängig sind, dass sie vielmehr als ihren
Ursprung von den Nervenfasern selbst nehmend zu betrachten, mithin primäre Dege¬
nerationen sind. Valentin.
6) L KEotorisohe Fonotionen hinterer Spinalnervenwurseln, von E. Steinach
und H. Wiener. (Ärch. f. d. ges. Physiolog. Bd. LX.) — II. lieber die
visoero f motorlsohen Functionen der Hinterwuraeln und über die
tonische Hemmungswirkung der Medulla oblongata auf den Darm des
Frosches, von Prof. E. Steinach. (Ebenda. 1898. Bd. LXXI.)
Es erscheint Bef. nothwendig, die beiden zeitlich ziemlich weit aaseinander
Ulenden Arbeiten unter einem zu besprechen, da in der interessanten zweiten Mit-
theiloDg vielfach auf die Resultate der ersten Rficksicbt gmiommen ist.
Die umfangreichen Versuche (ca. 180 Experimente) wurden an Fröschen (Sommer¬
und Herbstfröschen) vorgenommen. Nach genauer Beschreibung der ganzen Ver-
sochsanordnung und der getroffenen Cautelen theilen die Verff. folgende Ergebnisse
der Wnrzelreizung mit: Reizung der hinteren Wurzeln veranlasst Contractioneu der
Darmmuskulatur. Dieselben äussem sich zuerst als locale Einschnfiningen, an welche
sidi pmristaltiscbe und antiperistaltische Bewegungen anschliessen. Die Peristaltik
nimmt bei Verstärkung der Ströme oder etwas längerer Einwirkung an Ausbreitung
und Lebhaftigkeit zu. Den aufeinanderfolgenden Wurzelpaaren entsprechen auch be¬
stimmt aufeinanderfolgende, wenn auch nicht scharf begrenzte motorische Functions-
gebiete. Im allgemeinen wird je ein' Hauptabschnitt des Danntractus von zwei
benachbarten Wurzelpaaren versorgt, so der Oesophagus von der 2. und 3. Hinter¬
wurzel, der Magen von der 3. und 4., der Dfinndann von der 5. (im Duodenum
auch von der 4., im unteren Abschnitt von der 6. Binterwurzel), das Rectum von
der 6. und 7. Binterwurzel. Den Binterwurzelfasem kommen also motorische Func¬
tionen zo. Aufhebung des Kreislaufs durch Ausschneiduog des Herzens ändert nichts
an den oben mitgetbeilten Verhältnissen. Die vorderen Wurzeln versorgen nur jenen
Dumtbeil, der in gewissem Sinne auch willkfirlicher Innervation unterworfen ist
(Rectum). Es fiberwiegt aber auch in diesem Theile der Einfluss der Hinterwurzeln.
Sowohl Hinter-, als auch Vorderwurzeln innerviren die Harnblase motorisch (und
zwar 7., 8. und 9. Hinterwuizel). Die motorisch wirksamen Fasern in den Hinter-
wurzeln können auch auf reflectorischem Wege erregt werden, wie dies die Verff.
durch sinnreiche Versncbsanordnang darthun.
Die Resultate dieser (ersten) Arbeit wurden von Horton Smith (Journal of
Fhjsiology. 1897. Vol. X^. S. 101) bestritten. St ffihrt nun den eingehenden
Nachweis, dass H. Smith nicht am gleichartigen Materiale und nicht unter den ent¬
sprechenden Cautelen (so u. a. mit unwirksamen elektrischen Strömen) gearbeitet
habe. Gleichzeitig berichtet er fiber neue Versuche, betreffend die Hemmungswirkung
D g ii.:od oy GOO^ Ic
700
des Eoptosrkes. Entfernt man beim Yersacbsthiere nach Freilegung der D&rme die
Hedulla oblongata, so treten Contraction des Oesophagus und Uagens auf, während
bei gleicher Versachsanordnong, aber erhaltener Medulla oblongata diesen Contractionen
sich nicht einstellen. Die Ursache der spontanen Zosammenziehnngen liegt nach St
in dem Ausfälle der hemmenden EinflQsse von der Medulla oblongata her. Durch
locale Äetherisirung lässt sich die Medulla oblongata temporär ausschalten; hierdurch
kann zeitweilig die Hemmongswirkung aufgehoben und wiederbelebt werden. Durch
die durchgefflhrten Experimente und Controllversuche scheint die Annahme gerecht*
fertigt, dass die Medulla oblongata des Frosches neben erregenden auch hemmende
Organe fhr den Oesophagus, den H^en und obersten Dünndarm enthält, dass die
Hemmungsimpulse durch die Vagi den Darmganglien vermittelt werden, und dass
die auf die letzteren ausgeübte Hemmcngswirkung tonischer Natur ist.
Durch locale Äetherisirung lassen sich verschiedene centrale Functionen zeit*
weise ausschalten. Das Verfahren stellt eine Ergänzung zum Bxstirpationsverfahren
dar. Aetherisirt man das Über der Eintrittsstelle der Ischiadicuswurzeln befindliche
Rflckenmarkssegment, so erhält man ein gelähmtes Hinterthier; narkotisirt man das
dicht über den Brachialwurzeln liegende Segment, so erhält man ein Thier,, dessen
Vorderkörper gelähmt ist, dessen Hinterkörper jedoch in normaler sprungbereiter
Verfassung bleibt Auch die verschiedenen Himabschnitte lassen sich durch Aetheri*
sirung temporär ausschalten.
Zu den Controllversuchen, welche St neuerlich unternahm, um die viscero*
motorische Function von Hinterwurzeln zu prüfen, fügte er non auch eine histo*
logische Nachuntersuchung hinzu, welche zeigte, dass es sich um echte Uinterwurzel*
fasern ohne Binzutritt sympathischer Elemente handle.
• Diese Untersuchungen haben dargethan, dass die hinteren Bttckenmarkswurzeln
zum Theil gemischter Natur sind, im Gegensatz zur rein motorischen der Vorder*
wurzeln. H. Schlesinger (Wien).
7) Zur Frage über die oortioalen Centra des Dlokdarms, von Dr. W. P.
Ossipow. (Obozrepje psichiatrii. 1898. Nr. 3. [Bussisch.])
Im Anfänge der Arbeit führt Verf. die Litteratur über die corticale Innervation
des Magens, der Gedärme und der Harnblase an, die noch sehr spärlich ist (Boche*
fontaine, Hlasko, Bechterew und Mislawski, Oppenchowski, Pal und
Bergrün, Dragomiroff). Die Frage über die corticalen Centra des Dickdanns
bleibt gänzlich offen. Die Experimente wurden vom Verf. an curarisirten Hunden
ausgeführt; die Contractionen des Dickdarms bei Beizung der Hirnrinde wurden auf
dem Eimograph verzeichnet. Bei 2 Hunden erzielte Verf. eine Beihe von Contrac*
tionen (9) des Dickdarms bei einer Beihe (7) von Beizungen eines Punktes der Hirn*
rinde, der beim inneren Rande des Gyrus sygmoidei, unmittelbar nach vom vom
Sulcus cruciatus gelegen war; bei einem Hunde trat die Contraction des Dickdarms
ein bei Reizung eines Punktes der Sygmoidalwindung, der unmittelbar nach vom
vom äusseren Ende des Sulcus cruciatus sich befand. Der Umfang der Punkte war
äusserst unbedeutend, so dass bei der geringsten Verschiebung der Elektroden keine
Contraction mehr auftrat. Bei einem Hunde konnten Contractionen überhaupt nicht
erzielt werden. Verf. kommt zu dem Schluss, dass Beizung einiger Punkte der
Hirnrinde, deren Lage, wie es scheint, nicht constant ist, Contraction des Dickdanos
hervorruft. Der Arbeit sind Abbildungen von Contractionscurven des Dickdarms und
ein Schema der Oberfläche einer Gehirnhälfte mit Bezeichnung der oben bescbriebennn
Punkte beigefügt. Die vorliegende Untersuchung des Verf.’s bietet ein hervorr^endee
Interesse dar, da dieselbe auf exacte Weise eine bis jetzt fast gänzlich unberührte
Frage zu lösen bestrebt ist. E. Giese (St. Petersburg).
■ Google
701
Pathologische Anatomie.
6) lieber miliare Sklerose der Hirnrinde bei seniler Atrophie, von Priv.-
Doc. Dr. Emil Bedlich. äds der psych. Klinik von Prof. v. Wagner. (Jahrb.
f. Psych. 1898. Bd. XVII.)
Bei einer 73jährigen Kranken, die die Erscheinnngen vorgeschrittener seniler
Deoeoz mit sehr ao^esprochener Sprachstörung, znm Schlosse bis zum nahezu voll-
ständigen Verluste der Sprache sich steigernd, und epileptische Anfälle dargeboten
listte, ei^b die mikroskopische Untersuchung des Gehirns nebst den der senilen
Atrophie znkommenden histologischen Veränderungen (Schwund und Atrophie der
Ganglienzellen und Nervenfasern, Gliawucherung mit Auftreten von pigmentirten
Spinnenzellen u. s. w.) in der Hirnrinde ungemein zahlreiche, kleine Verdicbtungsherde
von der Grösse einer Ganglienzelle bis znm 4—Gfachen einer solchen, die Verf. als
miliare Sklerose bezeichnet Dieselben waren auf die Hirnrinde beschränkt, fanden
sirh besonders reichlich in den Stirn- und Schläfenwindungen, weniger zahlreich in den
Centralwindungen und im Hinterhauptslappen. Verf. leitet diese miliaren Sklerosen
von Spinnenzellen ab. Es kommt an denselben zum Auftreten sehr reichlicher,
feinster Fäserchen in ungemein dichter Anordnung. Im weiteren Verlaufe treten io
dieser gewucherten Glia regressive Voi^änge auf, wodurch es einerseits zu einer Art
Homogenisirung kommt, andererseits zu einem grobkörnigen Zerfall. Im Centrum
dieser Verdichtungsherde finden sich Öfters Beste von Ganglienzellen oder Capiilaren.
Terf. bringt das Auftreten dieser miliaren Sklerose mit den atrophischen Vorgängen
an den Ganglienzellen in Beziehung. Ohne eine endgültige Entscheidung treffen zu
wollen, erscheint ihm die Annahme, dass das Primäre der Schwund der nervösen
Elemente sei, plausibel.
Verf. beschreibt in einem zweiten Falle von seniler Demenz, der gleichfalls mit
schweren Sprachstörungen und epileptischen Anfallen einhei^^g, vereinzeltes Auf¬
treten solcher miliaren sklerotischen Herde, desgleichen bei einem dritten Falle, über
den keine klinischen Nachrichten zur Verfügung standen.
Bloetz und Harinesco haben in einem Falle von Epilepsie einen ähnlichen
Befund beschrieben.
In klinischer Beziehung weist Verf. kurz auf zwei Momente hin: erstens auf
die in beiden eigenen Fällen bestandenen epileptischen Anfälle ohne gröbere Schädi¬
gung des Gehirns, und zweitens auf die ausgesprochenen Sprachstörungen, die in
einem Falle eine Herdläsion der Sprachcentren hatten annehmen lassen.
(Autorreferat.)
9) On the straotural alteratioiiB obaerved in nerve cells, by W. B. War-
rington. (Journal of Physiology. XXlll. S. 112.)
Verf. hat nach einem neuen Verfahren das Verhalten der Ganglienzellen des
Böekenmarks nach Dnrchscbneidnng der zugehörigen vorderen nnd hinteren Wurzeln
untersucht Um mit den Folgen des letzteren Eingriffes za beginnen, so zeigten
sieb nach DnrchschneidnDg der hinteren Wurzeln des 5.-9. Brustnerven constant
Terändemngen in der postero-extemen Gmppe der Ganglienzellen der Vorderbömer,
und zwar waren es vorwiegend das 7. and 8. Brostsegment welche befallen er-
schimen. Der Ausfall der normalen centripetalen Beize bewirkte an den betreffenden
Zellen typische Veränderungen, welche sich zunächst in der excentrischen Lage des
Kernes doenmentiren, alsbald jedoch gesellen sich hierzn Veränderungen in dem
Verhalten der Nissl’schen Granulation. Diese lösen sich auf, und zwar zunächst
in der Zellperipberie, so dass nur noch der Kern von einem Kranz von Nissl’schen
Körpern amgeben erscheint, schliesslich verschwinden auch diese und mit ihnen wird
Dig i'/od c/ Google
702
aach der Eero unsichtbar, so dass die Ganglienzelle nur noch wie ein anfgequoUeneT
leerer hyaliner Sack anseiehi — Diese Zelldegenerationen sind meist nur aaf der
operirten, selten auch vereinzelt auf der gekreuzten Seite nachweisbar.
Aebnlicbe, aber qualitativ und quantitativ hochgradigere Veränderungen kion
man nach Dnrchschneidnng der vorderen Wurzeln in dem zngehdrigen E&cW
marksegment constatiren, nur findet man hier nicht eine besondere Zellengmppe be¬
fallen, sondern fast alle Zellen des Segments ei^iffen. Neben der Chromatologie
spielt auch hier die Terlagemng des Kernes und die Zerstörung der normalen Kon-
holle die Hauptrolle nnter den pathologischen Symptomen. Wen^r ausgedehnt osd
weniger constant sind die Veränderungen, welche man nach Darchschneidong des
Facialis oder Oculomotorins in den zugehörigen Kemzellen wahmehmen kann. Ks
scheinen hier starke Individualitäts- und Altersunterschiede vorznkommen.
W. Cohnstein (Berlin).
10) Beitrag sur psthologisohen Anatomie des Centralnervensystems bei
der acuten Anämie, von 0. Scagliosi. Aus dem patholog.-anatom. Instiki
der Universität Palermo. (Deutsche med. Wochenschr. 1898. Nr. 20.)
Verf. konnte das Centralnervensystem einer schwangeren Fran untersoehn,
welche nach 33jähriger, zeitweise sehr starker Gkbäxmntterblntung starb. Gebin
und Böckenmark zeigten bei der Obduction (12 Stunden post mortem) ausser BIüm
der grauen Substanz and einer geringen Füllung der Blutgefässe nichts abnonMa
Mikroskopisch fanden sich bei Anwendung der Nissl-Hethode an den Nervenzella
ausgesprochene Veränderongen. Fast alle Zellen des Gehirns, besonders die
Fyramidenzellen, zeigen diffusen oder seltener auf die Basis beschränkten Zerfall and
Auflösung der Nissl’schen Zellkörperchen, einzelne Fyramidenzellen daneben öm
homogene diffuse blassblänliche Färbung der Gmcdsubstanz. Der Nebenkem veist
eine leere rundliche Stelle auf, welche entweder central oder excentrisch liegt und
eine Wandstellung einnimmt Der Körper der Fnrkinje’schen EleinhirnzelleB
ist fast Qberall mit feinsten Körnchen erfOllt, der Kern verwaschen, die Nissreclm
Körperchen abgeblasst, die Grundsubstanz des Plasmas und des Kernes diffns bU^-
blädich gefärbt — Die Ganglienzellen des Bflckenmarks, besonders der Vordw
hörner, lassen Atrophie erkennen, verbanden mit Chromatolyse; die NissTsdien
Körperchen sind in manchen. Zellen vetgrössert und schwach färbbar, io aodera
partiell feinkörnig zerfallen. In den Zellen des Kleinhirns und Bflckenmarks zeigt
der Nebenkem im Inneren die beschriebene klare Stelle.
Verf. betrachtet die Ganglienzellenverändenu^en als Folge einer lntoxicati(a
durch Luftmangel. B. Pfeiffer (Cassel).
11) IiS oorteooia cerebrale di un delinqoente paranoioo. Nota istologiapw
Dr. G. Angioletta. (Manicomio. XIII. Nr. 1 n. 2.)
Boncoroni hat in seiner Arbeit Aber die Morphologie des Gehirns von Bpilep*
tikem nnd Verbrechern (Arch. di Fsichiatria. 1896. Vol. XVIL Fase. 1—2X voU
als der erste, den merkwürdigen Befnnd veröffentlicht, dass bei diesen beideo Kate¬
gorien die tiefe Schicht der kleinen Nervenzellen der Binde fehlte oder atropkisd
war, so dass von der Schiebt' der grossen Pyramidenzellen ein directer Uebergug
zu der Schicht iw polym<^phen Zellen and von da zur weissw Substanz statthakk;
dass die Schicht der grossen Pyramidenzellen ansserordentUch entwickelt war and
zahlreiche Nervenzellen in der weissen Substanz existirtm, so zahlreich als dies ^
normalerweise — nur bei einigen niederen Thieren der Fall ist. Verf. hat ttf
diesen Punkt hin das Gehirn eines alten Paranoikers, frflberen VerbrechMS, oat«*
sucht Ausser den flblichen Altersveränderungen in den Zellelementen constttirti
■' Google
703
VMrf. StractoraQomalieD, die er fOir angeboren hält nnd die imt Boncoroni’s Ent*
decknog ftbereiDstimmten; als besonders wichtig aber hebt er hervor, dass diese Ver*
ändernngen sich namentlkh in den Stirn- and Schläfenwindungen am dentUchsten und
constant leigten; weniger constant waren sie in den Scheitellappen, gamicht zu finden
waroi sie in den Occipitalwindnngen. Das Versprengtsein einer abnormen Menge
von Nervenzellen in die weisse Substanz beobachtete er nur in einigen Schläfen-
Windungen. Bresler (Freibarg i./Schl.).
Pathologie des Nervensystems.
12) L*dtat aiga de la paralyale infantile, par 0. Medin. (Archives de HA
decine des Enfants. 1898. Mai. Juni.)
In einer ausführlichen Abhandlung fasst der Stockholmer Pädiater die Er-
fiüiruDgen zusammen, welche er bei zwei grösseren Epidemieen von „Kinderlähmungen“
zu sammeln Gelegenheit hatte. Die erste, bereits durch fr&here Hittheilungen be¬
kannte, kam von August bis Mitte October 1887 zur Beobachtung, während dieser
Zelt behandelte Terf. 30 Fälle acoter spinaler, cerebraler nnd peripherer Lähmungen,
während im ganzen vorigen Jahre nur 13 solcher Fälle der Klinik zugingen. Bei
der schwächeren Epidemie vom 15. Juli bis anfangs September 1895 wurden 15 Fälle
beobachtet. Im Ganzen verfügt der Verf., die sporadischen Fälle der Zwischenzeit
mitgerechne^ über 64 Fälle, von denen er eine grosse Anzahl intn^ssanter Kranken¬
geschichten mittheili
Der Umstand, dass die während der Epidemieen beobachteten Fälle in buntem
Wechsel Symptome darboten, welche auf Erkrankung des Bfickenmarks, der Hedulla
oblongata, der Gehirnrinde nnd der peripheren Nerven hinwiesen, dass sogar bei
manchen Individuen sich diese Symptome combinirten, lässt für den Verf. keinen
Zweifel an dem Zusammenhang aller dieser Formen von „Kinderlähmung“ bestehen.
Zur lUustrirung der Verschiedenartigkeit der gestellten Diagnosen diene folgende
Tabelle:
Spinale Kinderlähmung im Lendenmark.
„ „ „ Halsmark.
„ „ complet.
„ „ im Lendenmark nnd Abducenslähmong.
„ „ „ „ „ Oculomotoriuslähmung . . . .
„ „ complet und Facialislähmnng.
„ „ „ „ „ und Ocnlomotorinslähmung
„ „ im Lendenmark, Facialislähmui^, Polyneuritis . . .
„ „ complet, Tf^^uslähmung, Polyneuritis.
„ „ complet und bulbäre Lähmung.
Monoplegis facialis.
Acute einfache Polyneuritis.
Polyneuritis mit Ataxie.
„ „ Facialislähmung.
„ „ Abducens- nnd Hypoglossnslähmnng.
Acute Polioencephalitis .
„ „ und Abducenslähmung.
„ „ Facialis-, Hypoglossus- u. Accessoriuslähmung, Polyneuritis
32
5
4
2
1
1
1
1
1
2
3
1
3
1
1
2
2
1
Dieser Mannigfeltigkeit der Diagnosen stehen allerdings nur 2 Obductionsbefunde
von spinaler Kinderlähmung g^nflber, welcher seinerzeit von Bisler veröffentlicht
worden sind. Als äliologischee Moment vermnthet der Verf. eine Toxin-, bezw.
bakterielle Wirkung, möglicherweise durch bekannte Mikrooiganismen (Streptokokken),
■' Google
704
welche enter besonderen Umetänden eine eigenthfimliche Affinit&t za den motoriecheo
Ganglienzellen erlangen können.
In Bezog aaf die Lebensgefahr erwiesen sich die beiden E^idemieen als ziemlich
günstig; dauernde Lähmungen blieben allerdings bei einer grossen Reihe Ton E^en
zurück. Zappert.
13) Alte infantile Poliomyelitis mit folgender spinaler Unskelatrophie,
von Armin Langer. (Jahrbuch der Wiener k. k. Krankenanstalten. Bd. V.
11. Theil.)
Ein ÖOjähriger, neoropathisch belasteter Schneidei^eselle hat in seinem 4. Lebens«
jahre eine als poliomjelitische Kinderlähmung aufzufassende lAhmung beider rechts«
seitigen Extremitäten mit leichter Hitbetheilignng des linken Beins erlitten. Der
Zustand besserte sich, so dass Pai allein gehen und mit dem rechten Arm nähen
konnte. Erst Mitte der 30er Jahre verschlechterte sich die Beweglichkeit des rechten
Arms und in geringem Grade auch der Beine. Im Arm sind die mit Erheben,
Abduciren und Auswärtsrollen des Oberarms verbundenen Bewegungen gestört Vor
3 Jahren trat plötzlich völlige Lähmung des rechten Arms ein, die aber nach
17 wöchentlicher Elektrotherapie sich wieder zurflckbildete. Es besteht jetzt dextro«
convexe Sklerose der Brust* und oberen Lendenwirbelsäule. Am rechten Arm ist
der H. deltoides stark atrophisch, schwächer der H. sopra* und infraspinatos nnd
der obere Tbeil des M. pectoralis. Auch der H. biceps und Supinator longns zeigen
hochgradige Atrophie, weniger der Triceps; der Daumenballen ist stark atrophisch.
Der Oberarm kann kaum gehoben werden; Rotation und Addnetion sind krafUoa.
Die Sehnenreflexe fehlen. Der linke Arm ist normal. Das rechte Bein ist stark im
Wachsthuro zurückgeblieben, zeigt starke Huskelatrophie; die Bewegungen in HOft-
und Kniegelenk, vor allem Extension und Rotation, sind stark behindert Am
Unterschenkel ist vor allem die Function der Plantarflexoren und Heber des inneren
Fossrandes herabgesetzt; es besteht Calcaneo*valgas*Stellung des Fasses. Das linke
Bein ist besser entwickelt, aber auch atrophisch. Kniebeuger und Strecker sind
deutlich paretisch. Die Sebnenreflexe fehlen an beiden Beinen. Die Sensibilität ist
überall normal
Der ursprüngliche poliomjelitische Process ist sehr ausgedehnt mit Affection
der Lumbal* und Cervicalanschwellung. Die nach 30 Jahren eintretende Verschlech¬
terung schreitet langsam, aber stetig fort und betrifft nur von der ersten Erkrankung
bereits geschädigte Huskelgebiete. In dem rechten Arm sind auf die spätere Ehr-
krankung zu beziehen: die Atrophie der Mm. deltoides, infraspinatos, biceps, Supi¬
nator longus und der Daumenballenmuskulatur, während an den Beinen der Antbeil
derselben nicht sicher festzustellen ist.
Die Differentialdiagnose der späteren Erkrankung schwankt zwischen Polio¬
myelitis chronica und progressiver spinaler Muskelatrophie. Terf. ist geneigt eine
Uebergangsform zwischen beiden Kraokheitsbildem anzunehmen mit stärkerer Hin-
neigong zur Muskelatrophie. Interessant ist dabei der vor 3 Jahren eiogetretene
acute Nachschub der Krankheit. Aetiologisch kommt die hereditäre nervöse Be¬
lastung in Betracht, ferner die durch die erste Affection gesteigerte Disposition xn
neuerlicher Erkrankung der grauen Substanz, als unmittelbare Gelegenheitsursache die
locale Muskelanstrengong des Nähens. M. Rothmann (Berlin).
14) Ueber progresalve Muakelatropfale naoh oerebraler KlnderlähmimB,
von H. Bisping. (Inaug.'Dissert 1898. Kiel)
Verf. bespricht einen interessanten Fall aus der Qoincke’scben Klinik. Es
handelt sich bei einem Individnum um:
Dig
Google
705
1. ^Ubogentrauma im 3. Jahre,
2. CerebralerhrankuDg mit Hemiplegie im 4. Jahre,
3. Moshelatrophie im 25. Jahre.
Bei letzterer handelt es sich um die Erb'sehe juvenile Form der Dystrophia
muscalaris progressiva. Yerf. hält es für wahrscheinlich, dass diese Dystrophie
ätiologisch mit der im 4. Jahre Qberstandenen Encephalitis acuta in Zusammenhang
stehe. Kurt Hendel.
16) Heber Complioation spinaler Kinderlähmung mit progressiver Muskel-
atrophie, von August Filbry. (Inaug.-Dissert. 1898. Kiel.)
Die Besprechung der pathologischen Anatomie der spinalen Kinderlähmung,
sowie der progressiven Muskelatropbie zeigt, dass beide Erkrankungen auf Verände¬
rungen der grauen VorderhSmer beruhen. Nur das Bild ist bei beiden Krankheiten
ein verschiedenes. Die spinale Kinderlähmung tritt plötzlich auf und ist weit ver¬
breitet, sie bessert sich bald und es kommt schliesslich zur Qanglienzellenatrophie.
Heist werden Kinder von ihr befallen. Die progressive Muskelatrophie ist hingegen
eine chronische, langsam einsetzende und progressiv verlaufende Krankheit, die meist
Erwachsene befällt. Die Residuen der spinalen Kinderlähmung scheinen den Boden
för die progressive Huskelatrophie zu bereiten. Verf. ft^ den 5 bisher beobachteten
Fällen von Complioation beider Krankheiten eine eigene, auf der Quincke’schen
Klinik gemachte Beobachtung hinzu. Bei einem Hanne, der im 2. oder 3. Lebens¬
jahre eine spinale Kinderlähmung durcbgemacht hat, stellt sich vom 26. Jahre an
eine im Schulte^rtel beginnende progressive Muskelatrophie ein. In den in der
Kindheit erkrankt gewesenen Vorderhömem trat eben von neuem eine langsam fort¬
schreitende Erkrankung mit Schwund der Ganglienzellen ein. Eine Läsion des
fi&ckenmarks lag vor, der Boden für eine neue Erkrankung war geebnet. Eine
äussere Einwirkung, welche entweder Ueberanstrengung oder Erkältung sein mag,
„weckt die vorhandene Läsion aus ihrem Schlummer“ und so entsteht die progressive
Muskelatropbie. Kurt Mendel.
16) Solle distrofie muscolari progressive, perd’Abundo. (1897. 61 Seiten.)
Verf. bringt in dieser vornehm ansgestatteten, mit vielen ausgezeichneten Photo-
graphieen illustrirten Schrift wichtige Beiträge zur Lehre der progressiven Muskel-
strophie, bezw. Dystrophie. Sehr eingehend werden 14 Beobachtungen mi^etbeilt,
von denen eine ^ibe dem familiären Typus angehören, imd überall fast ist erbliche
Belastung vorhanden. Wichtig ist auch eine specielle anthropologische Untersuchung.
Verf. zeigt, dass es sich in manchen seiner Fälle um Uebergänge der spinalen
progressiven und der primären Muskelatrophie handelt, die auch andern bekannten
Typen sich nicht gut subsummiren lassen. Er glaubt — und das wohl mit Recht —,
dass das Centralnervensystem wohl stets in Mitleidenschaft gezogen ist, und dass das
ganze Studium der Mnskelatrophieen überhaupt von neuem zu machen ist. Vor
allem haben die verschiedenen Unterabtheilungen zu fallen; sie zeigen eben nur an,
dass es gewisse bevorzugte Localisationen giebt, deren Grund wir aber noch nicht
kennen, da wir überhaupt Näheres über die Entwickelung der Muskeln und deren
Differenzirong noch nicht kennen. Die Klinik zeigt immer mehr, wie sich die
Haupttypen: die primäre und spinale Muskelatropbie einander nähern; die Pathologie
muss dies endgültig aber beweisen. Vielfach sind die Ursachen dieser Dystrophieen,
in mehreren Fällen des Verf.’s spielten Infectionen eine grosse Rolle. Experimente
werden hier aufklären können. Wichtig ist, dass die anthropologische Untersnehung
in einer guten Anzahl angeborene defecte Organisation anzeigte. Die Entwickelung
45
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Entwickelang der Muskeln and des Skeletts sind eng miteinander verbunden. Je
compUcirter bei Thieren das letztere ist, desto differenzirter ist die Mosknlatur.
Näcke (Hnbertosbnrg).
17) Supra im caso di mlopatia atrofica progreaaiva oon parteoipazione
di un muBcolo ooiüare, per 0. Lombroso. (Clinica modemo. HL 40.)
Mittheilnng eines Falles von Dystrophia musc. progressiva bei einem 19jährigeo
jungen Manne. Das Leiden hatte im 6. Lebensja^e b^onnen. Ansser dem Er-
griffensein der Muskeln des Stamines und der Extremitäten bestand bei dem Fzt
eine vollständige Lähmung des M. rect. ext. des linken Auges. Auch diese batte
sich langsam und schleichend entvickelt. Der Kranke, ein hochgradiger Myop, hatte
keine subjectiven Beschwerden von Seiten des Auges, auch kein Doppeltseben, wie
Yerf. glaubt, weU er in Folge seiner starken Kurzsichtigkeit gewohnt war, die Gegen¬
stände stets nur mit einem Auge, bald mit dem rechten, bald mit dem linken zu
fixiren, um die Anstrengungen der Convergenz zu vermeiden. Valentin.
18) IdloglOBsia assooiated with paeado-hypertrophio paralysia, by Leoni.
Guthrie. (Brit.med.Joum. 1898. June 11. S. 1620.)
Yerf. stellte der Londoner Harveian • Gesellschaft einen Tjähr^n Pat mit
pseudohypertrophischer Paralyse und eigenthQmlicher Sprachstörung vor (Idioglossia).
Diese Bezeichnung ist nicht ganz correct; denn die Patienten sprechen nicht «ne
ihnen eigenthömliche Sprache, sondern die Sprache (in diesem Falle englisch) wird
rftcksichtlich der Buchstaben und Wörter falsch geänssert, Consonanten werden ver¬
tauscht, CoDsonanten f&r Yocale und umgekehrt hervoi^bracht. Dies wurde dentlidi,
wenn der Knabe das Alphabet hersagte, oder ein bekanntes Kinderlied sang. Alle
der Sprache eigenen Töne und Laote konnten hervorgebracht werden, jedoch nidit an
richtiger Stelle; das Kind hatte kein Bewusstsein von der Fehlerhanigkeit solchen
Sprechens. Der Fehler lag also mehr im Ohr, als im motorischen Tonapparat; Unttf-
schiede zwischen Tönen wurden nicht wah^nommen; Mosikgebör war gänzlich ab¬
wesend. Wenn man dem Kinde vorsprach mit deutlicher Formung der Lippen und
Zunge, so wurde richtig nachgesprochen. Doch verlor sich die Aufmerksamkeit
schnell, und dann wars wieder beim Alten. — Unterricht in dieser Art könne in
solchen Fällen nötzlich werden.
Der ältere Bruder starb an pseudo-hypertrophischer Paralyse, nnd eine jOngere
Schwester hat ähnliche Sprechanomalien. Doch bestehe zwischen pseudo-hypertro¬
phischer Lähmung und Idioglossie kein causaler Zusammenhang.
L. Lehmann I (Oeynhausen).
19) Amiotrofla idiopatloa a oorso rapidiSBimo svolta si dorante i primi
mesi della vita, per G. Mya e E. Lnisaela. (Riv. di Patologia nerv, e
ment. 1898. Nr. 3.)
Ein 6 Monate altes Kind, das vor 1^/, Monaten, ohne dass fieberhafte oder
andere Erkrankungen voranfgegangen waren, von Schwäche mit nachfolgender L^-
muDg an Armen nnd Beinen befallen wurde. Bei der Aofnabme waren die Mosk^
des ganzen Körpers gelähmt. Es traten Schluckbeschwerden und Dyspnöe hima,
nnd das Kind starb bald darauf an Zwerchfellläbmnng. Die Section ergab nichts
Bemerkenswerthes mit Ausnahme der Atrophie der Muskeln, die den stärksten Gmd
im Gebiete der Glntaeen, der Deltoidei, der Snpinatoren, der vom Badialis versorgtea
Muskelgmppen, der Brustmuskeln and des Zwerchfells erreichten. Mikroskopisch be¬
standen die Muskeln aus wenigen Bündeln, die ohne Querstreifung, aus homogenem.
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707
granalirtem Protoplasma bestasdeo; daoeben Fasern von riesigen Dimensionen und
eine enorme Menge jangen Bindegewebes mit Fettzellen.
Da sich weder im Gehirn, noch im Bttckenmark oder den peripheren Nerven
Verändemngen fanden, so mnas die Amyotrophie eine primäre, idiopathische gewesen
seia Ihre Ursache ist nach Ansicht der Verff. eine Unfähigkeit des Moskelplasmas,
ans Blut and Lymphe sich die Nährstoffe zu assimiliren. So kommt es zur Inanition
and Atrophie der Mnskelfasem, an deren Stelle secnndär Bind^ewebe tritt. Diese
UnHlhigkeit ist Folge eines Defects der embryolc^ischen Entwickelni^, wie solche in
ähnlicher Weise im Gehirn zur Idiotie, Mikrocephalie, Porencephalie führen kbnnen.
Valentin.
20) Beoherohes lUsto-pathologiques sur l*dtat des oentres nerveux dans
la commotion thoraoique et abdominale experimentales, par C. Paras*
candolo (Neapel). (Arch. de phys. norm, et path. 1898. Nr. 1.)
Verf. hat 10 Meerschweinchen dnrch einmalige stumpfe Traumen, welche sich
dank der Veranchsanordnong anf Thorax bezw. Abdomen beschränkten, getödtet und
das Centralnervensystem nach Nissl, Marchi und Golgi nntersncht Sämmtliche
mikroskopische Befände werden eii^ehend mitgetheilt Die Golgi’sche Methode
ergab Deformation des Zellkörpers, rosenkranzähnliche Anschwellungen und Fragmen¬
tation der Protoplasmafortsätze. Die Marcbi’ache Methode ei^b bald nnr einfache
Degeneration der Lissaner'schen Bandzone und der Hinterwurzeln, bald eme Ober
alle Stränge vertheilte Degeneration. Mit Hülfe der Nissl’schen Methode war
namentlich eine Chromatolyse in mannichfacber Form ond Intensität nachznweisen.
Das Protoplasma (d. h. die Gruudsnbstanz) war mehr oder weniger stark rareficirt
oder vacnoUsirt. Der Bern lag auffällig oft excentrisch und war bläschenförmig
geschwollen. Th. Ziehen.
21) Een geval van traumatisohe porenoephalie, door Dr. J. Graanboom.
(Weekl. van het Nederl. Tijdschr. voor Geneesk. 1897. 1. 15.)
Einem in Indien geborenen Kinde fiel im Alter von 8 Monaten eine Cocosnuss
auf den Kopf; das Kind war eine Zeit lang bewusstlos nnd vollkommen gelähmt ge¬
wesen, erholte sich aber wieder. Zeichen äusserer Verletzung waren nicht vorhanden
gewesen. Das Kind entwickelte sich körperlich und geistig normal and lernte im
Alter von 1 Jahre gehen. Im Alter von 1 Jahr 8 Monaten stellten sich anf der
Beise nach Europa plötzlich epileptiforme Anfälle ein, die während der Seereise
selten, dann aber häufiger und heftiger waren. Ham und Eoth gingen schliesslich
unfreiwillig ab. Am hinteren Bande des linken Seitenwandbeins, wo die Cocusnnss
aufgetroffen hatte, fand sich ein 8 cm langer und bis 3 cm breiter Enochendefect
nnter normaler Haut, ohne Narbe, in dem sich Pulsation zeigte und die Bedeckung
Über die Umgebangen emporragte, Anfälle mit cloniscb-tonischen allgemeinen Muskel-
krämpfen, die nicht in einer bestimmten Mnskelgmppe begannen und von Bewnsst-
losigkeit begleitet waren, wechselten mit AnßUen von Benommenheit mit rascher
vorübexK^^^Q^^r Bewasstlosigkeit ab. Bei einer Explorativoperation an der Stelle
des Scbädeldefects sah man, dass dieser'mit fibrösen Strängen überbrückt war and
am Bande keine Depression zeigte. Die Dora war mit dem Pericraninm und der
Pia verwachsen nnd schwer abzulösen. Knochensplitter waren nicht vorhanden. Die
Pia war unlösbar mit etwa 1 cm dicker, durch atrophische Sklerose veränderter
Himsnbstanz verwachsen; nach Einschneiden in diese, wobei eine Menge Cerebro-
spinalflüssigkeit abging, sah man eine Höhle mit glatten, pigmentirten Wänden, die
mit denn hinteren Hom des linken Seitenventrikels commnnioirte. Die Heilung verlief
ohne Stürung. Der Defect war unverändert, aber es war keine Pulsation mehr in
45*
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708
ihm Torhandeo. Die Erfimpfe erschieoeD nach der Operation nicht wieder. SpUer
nahm die Intelligenz zn, a^r nach fast Jahre konnte das 2Vs Jahre alte Kind
noch nicht sprechen.
Da kein Omnd vorhanden ist, eine angeborene Porencephalie anznnehmen, and
der Zasammenbang mit der früheren Sch&delverletznng kaum zweifelhaft sein kann,
muss man wohl in diesem Falle eine Porencephalie traumatischen Ursprungs an¬
nehmen. Die gefundene, mit dem Seitenventrikel commnnidrende Höhle, die die
Qrösse eines Taubeneies hatte, ist nach dem Terf. nicht als ein nach Blutung ent¬
standener cystenartiger Baum zu betrachten, sondern mit mehr Wahrscheinlichkmt
als eine Ausstülpung des Seitenventrikels nach der in atrophischer Sklerose begriffenoi
Hirnrinde hin. Walter Berger (Leipzig).
22) Neuroglioms oerebrale ln 8^;nito a trauma al oapo, per M. Carrara.
(Archiv, di Psichiatria. XU. 1.)
Kach einem Stockschlage auf den Kopf, der lediglich eine Weichtheilwunde ge¬
setzt hatte, litt der Kranke an Schwindel und OhrenscbmOTen, Hemiparese niid
Herabsetzung der Sensibiiit&t auf der Seite der Verletzung. Bei der Section tend
Verf. in der Binde der rechten Hemispb&re eine unr^elmässige Höhle, von der
vorderen Centralwindung bis zum Occipitallappen reichend: das Centrum ^es zer¬
fallenen Neuroglioms. Aus dem mikroskopischen Befand pflichtet Verf. der Ansicht
Toeglers bei, dass an dem Aufbau der Neurogliome die Ganglienzellen activ tbeil-
nehmen. Ob der Schlag die Veranlassung zur Entstehung des Tumors gewesen,
lässt Verf. unentschieden, hält es aber für unzweifelhaft, dass durch ihn der rasche
Ausgang herbeigefflbrt ist . Valentin.
23) Ein Fall von traunstUoher, smyotrophiaoher liateralaklerose am
untersten Theile des Büokenmarks, von Goldberg. (Berliner klin.
Wocbenschr. 1898. Nr. 12.)
Ein 43jäbr. Biaurer war 3 m tief herabgestürzt und hatte als alleiniges äusseres
Zeichen dieses Unfalles einen Brach des vierten rechten Hetatarsalknochens erlitten.
Nach Heilung der Fractur klagte er über Schwäche und Schmerzen im ganzen rechten
Bein, ohne dass sich ein objectiver Befand erheben Hess. Pat wurde eine Zeit lang
der Uebertreibung, bezw. der Simulation beschuldigt Allmählich aber stellte sich
heraus, dass ein centrales Nervenleiden bei ihm in der Entwickelnng begriffen war.
Fat. bewegte sich mit spastisch-paretischem Gang nur mühsam an einem Stock. Dis
rechte Fossspitze schleifte am Boden, die linke konnte nur wenig von demselben
abgehoben werden. Beide Beine zitterten, das rechte mehr als das linke. Ueber-
baupt waren alle Erankheitssymptome auf der rechten Seite aosgeeprocbener als auf
der linken. Patellarreflexe and Fassphänomen waren stark gesteigert. Die Senm-
bilität für alle Gefühlsqualitäten war gamicht tangirt Die Sphinkteren waren freL
Die Wadenmuskeln waren an beiden Beinen beträchtlich abgemagert Es musste
also nach dem Befand die Diagnose der amyotrophiscben Lateralsklerose, welche sieh
aber bisher nor an den unteren Extremitäten bisher kenntlich gemacÜ hatte, ge¬
stellt werden.
Verf. fügt seinem Falle noch Bemerkungen bei über die wenigen Beobachtungen
von Entstehnng dieser Erankbeit nach Trauma, die sieh in der Litterator ver¬
zeichnet finden. Bielschowsky (Breslan).
24) Ueber ohronisohe ankylosirende Entzündung der Wirbels&ule, von
Dr. Ch. Bäumler in Freibnrg i/Br. (Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilkunde.
1898. XII.)
Im Anscbloss an die VeröffentÜchaogeD v. Bechterew’s und Strümpell’s
wird ein Fall von ankylosirender Entzündung der Wirbelsäule und der Hüftgelenke
D g I /cd oy GoOg IC
709
mitgethflili Wahrscheinlich waren letztere zuerst betroffen und png die Äffection
erst dann auf die Wirbelsäule in der Richtung von nuten nach oben Aber, so dass
scbliesslich auch die Halswirbelsäule in schmerzhafter Weise erkrankte. Yerf. bringt
diese Verändemngen des obersten Tbeils der Halswirbelsäule iu direote Abhängig¬
keit von den vorausgegangenen, die statischen Verhältnisse umgestaltenden Processen,
insofern der Kranke in Folge von Steifheit der übrigen Wirbelsäule genöthigt war,
den Kopf, besonders beim Schreiben, stark vomttbergeneigt zu halten. Diese Ueber-
anstrengung wirkte wie ein Trauma, das einen Locus minoris resistentiae setzte, an
dem Bakterien wirksam wurden. Wie man sieht, nimmt Yerf. zwei verschiedene
Arten der Entstehung der Gelenkaffectionen an demselben Pat. an. Die Hüftgelenke
und der grösste Tbeil der Wirbelsäule erkrankten allein in Folge eines infectiösen
Agens, die Halswirbelsänle dagegen wurde erst durch eine Art Trauma der Wirksam¬
keit organisirter Entzündnngserreger zugänglich. Zu einer derartigen doppelten Ur¬
sache für den gleichen Fall zu greifen, erschien dem Bef. nicht geboten. Ob die
ersten Gelenke auch unter Schmerzen erkrankten, wird nicht angegeben; sollten sie
gefehlt haben, so könnte vielleicht das Trauma für die Schmerzen im Kacken ver¬
antwortlich gemacht werden (Ermfidnngsscbmerzen 1). Allerdings wird ja auch das
eine Stemoclaviculargelenk als schmerzhaft bezeichnet. Die beiden Ursachen, welche
Ferf. einem Falle zu Grunde legt, werden dann noch weiter als die häufigsten Ver¬
anlassungen hingestellt, welche im Allgemeinen zur mehr oder minder hochgradigen
Ankylosirnng der Wirbelsäule führen. Es sind dies einmal vorwiegend (!) bestimmt
gestaltete, mechanische Momente, andererseits die verschiedenartigsten Infectionen.
Zur Therapie empfiehlt der Yerf. möglichst frühzeitige Ruhestellung der erkrankten Theile.
Bef. möchte hier nicht unterlassen zu bemerken, dass gerade Strümpell die
Wirbelsäulenaffection als eine eigenthümliche Krankheit, und nicht wie Yerf.
als eine einfache bakterielle Entzündung hinstellt. Schliesslich braucht doch nicht
jede Entzündung, die zu Ankylose führt, durch Bakterien verursacht zu sein.
E. Asch (Frankfurt a./M.).
26) ij’osteomyöllte vertdbrale, par Ä. Chipauli (Gazette des höpitanz. 1897.
Vol. CIL.)
Yerf. hat 28 Beobachtungen gesammelt. Die Krankheit kam in *1^ der Fälle
bei männlichen Individuen in der Pubertätsperiode vor; sie kann isolirt oder mit
anderen osteomyelitischen Herden combinirt auftreten. Mit Vorliebe befällt sie die
Wirbelbogen und die Lnmbalr^ion. Bei der Localisation an den Bogen bestehen
nebst den Allgemeinerscheinungen Zeichen der tiefen Eiterung, bei der Localisation
an den Wirbelkörpem Steifheit der Wirbelsäule (jedoch selten Qibbns) und Senknngs-
alMcesse (Retropharyngeal-, Mediastinal-, Psoasabscesse). In einem Drittel aller Fälle
bestanden myelitische Erscheinungen. Bei Zurücktreten der localen Erscheinungen
ist die Diagnose sehr schwierig, es kann Myelomeningitis, Pneumonie, Typbus, Peri¬
tonitis vorgetäuscht werden. 3 Fälle worden durch chirurgische Intervention* dem
sonst absolut tödtlichen Ausgang entrissen, der längstens in 30 Tagen eintritt. Im
Falle des Yerf.’s, der ein Kind betraf, bei dem man Endocarditis vermuthete, führte
das Auftreten von tiefer Fluctuation in der Gesassgegend und Oedem neben der
Wirbelsäule bis hinauf zur 12. Rippe auf die richtige Diagnose.
R. Hatschek (Wien).
26) Ueber „Huskelsobwund** Unfallverletzter mit besonderer Berüok-
siohtigang der oberen Bztremitäten, von Dr. Firgan. (Archiv f. Unfall-
heilk. 1898. Bd. XI.)
Verf. stellt sich die Aufgabe, zu beweisen, dass die Verminderung oder Yer-
gröesemng eines Muskelquerschnittes die Folge einer verminderten oder vermehrten
■ig t'/od
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710
Arbeitsleistung ist. Als die „untere drenze der endgültigen Kraftleistnng’' besMcbnet
Yerf. diejenige Muskelanspannnng und denjenigen Muskelqnerscbnitt, der jederzeit
bei stärkerer Anspannung erreicht werden kann, als die „obere (xrense der end*
gültigen Kraftleistung'' bezeichnet Yerf. demgegenüber denjenigen maximaleo find
der Contrsction, den ein Muskel in Folge Ton Uebung annehmen kann, ohne sidi
selbst zu schädigen. Ein Muskel „dehnt sich nur so weit aus“, als es nöthig ist,
um die an ihn gestellten Anforderungen zu erfüllen. Erst bei einer Steigernng der
Ansprüche erfolgt die Dickenzunabme (vergl. Herzmuskel). Die Zunahme des
Muskels bei der Thätigkeit deutet schon auf eine Yolumrermindernng bei In-
activität hin. Dabei darf man unter Inactivität nicht die Herabsetzung oder Auf¬
hebung der sichtbaren Locomotion oder sichtbaren Bewegung Terstehen, sondern dis
Herabsetzung der zum Muskel gelangenden motorischen Impulse. Je geringer des¬
halb der Ausfall an motorischen Impulsen ist, desto geringer ist die Yolamsabnahse
und umgekehrt
Die Atrophie unter einem Gipsverband ist nur eine geringe, weil nur eiiw
geringe Zahl von motorischen Impulsen wegföUt, während eine grosse Zahl erhaltea
bleibt
Anders ist es bei Unterbrechung der peripherisch-motorischen Bahn abwärts von
ihrem Centrum^ In diesem Falle ist die Atrophie hochgradig, da kein Beiz zum
Muskel gelangen kann. Die nach Gelenkentzündungen so schnell aoftretenden Atro-
phieen erklären sich ähnlich. In Folge der grossen Schmerzhaftigkeit vermeiden die
Kranken jede Bewegung und der Muskel nimmt dementsprechend an Yolumeo ab
(? der Bef.).
Yerf. fasst die genannten Zustände unter dem Namen Huskelatonie zusammec
und stellt folgende Gruppen dieser Atonie auf:
1. myogene, erzeug durch Yerletzungen, welche den Muskel selbst treffen;
2. peripher-nenrogene, erzeugt durch Yoigänge, die den motorischen Nerven
direct schädigen;
3. centrale, erzeugt durch Yorderhom- und Bimerkrankungen mit Zerstüning
motorischer Bezirke.
In die letztere Gruppe rechnet Yerf. auch Fälle, bei welchen in Folge einer
Autosuggestion allmählich die motorischen Impulse ausgeschaltet worden sind.
Yerf. wendet das allgemein gesagte in einem speciellen Theile dann auf di«
„Atonieen am Schultei^rtel" an. Er bespricht dabei besonders die Inspection und
Mensuration zur Erkennung der Atonieen. Faul Schuster (Berlin),
27) Lb oontraoture bystdro-traumatique des massdters, par Yerhoogen.
(Communic. faite au Congrds international de neurologie ä Broxellea. 1897.
Septembre.)
Es werden 3 Fälle von hysterischer beiderseitiger Masseterencontractnr nach
Tralima berichtet In den beiden ersten Fällen besteht neben der Contmctur auf
der vom Trauma betroffenen Seite eine Zone mit Hauthyperästhesie. Die Behandlung
bestand in Suggestion ohne Hypnose, sowie Faradisaüon. Im dritten Falle war neben
der Contractnr beider Masseteren eine totale Facialislähmung auf der vom On&D
betroffenen rechten Seite vorhanden, welche sich als hysterische Lähmung erwies.
Die Contractnr wich in diesem Falle plötzlich auf der linken .Seite, ^i^rend äe
rechts fortbesteht Kurt Hendel.
28) Een geval van trauxnatlBOhe Hyatero^epilepsie, door J. W. Jaeobi en
F. H. Lamberts. (Fsychiatr. en neurol. Bladen. 1897. Juli. Nr. 3. blz. 384.)
Ein 16 Jahre altes Mädchen hatte sich im Alter von 2 Jahren eine Wunde
über der rechten Augenbraue zngezogen, wahrscheinlich mit folgender Wnndinfection,
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711
wonscb eine scbmerzbafte Narbe zurückgeblieben war. Im Alter von 11 Jahren,
beim Tode ihres Vaters, batte Pai die ersten Anfälle. Sie wurde von ihrem Stief¬
vater schlecht behandelt und, als eie in schlechte Oesellschaft gerieth, von ihrer
Kotter in ein Kloster gebracht Von hier ans wurde Patientin, da sich die Anfölle
immer mehr h&often, in das Krankenhaus gebracht Ausser den Krampfonßllen litt
Patientin an häufig wiederkehrenden Anßllen von Traumzuständen, die durch eine
Erinnerungsanra eingeleitet werden. Sobald die Erinnerung an die strenge Behand¬
lung zu Hause, in Folge deren sie schliesslich in das Kloster kam, lebendig wurde,
was sich durch Bosheit vor dem Anfälle zu erkennen gab, folgte stets onmittelbar
die Objectivirung dieser Erinnerung; Patientin kannte ihre Umgebung nicht mehr,
und glaubte sich in das Kloster versetzt Während dieser Traomzustände wiederholten
sich die Krampfan^e, ein Krampfanfall leitete den Traumzustand ein und ein
Krampfanfall be^hloss ihn. Während der Traumzustände bestand starke Convei^enz
der Augen, die Pupillen reagirten nicht g^en Licht und waren verengt, es bestand
conjugirte Ablenkung der Augen und des Kopfes nach links, sowie Laterospasmos
mit der Concavität nach links. In einem späteren Stadium der Anfälle folgten Angst
Gespräche, die sich um die schlechte Behandlung drehten, die Patientin zu Hanse
batte erdulden müssen, dann verfiel Patientin wieder in ihren Traumzustand zurück,
manchmal aber erwachte sie langsam daraus, dann blieb die Convergenz der Augen
noch eine Zeit lang bestehen, und Patientin war vollst^dig amaurotisch. Convergenz
und Amaurose verschwanden dann zugleich, meist plützlicb. Im Traumzustande er¬
innerte sich Patientin an alles, was mit ihr voi^egangen war, nach dem Traum-
zustande aber bestand vollständige Amnesie für die ganze. Dauer desselben. Bei der
Aussichtslosigkeit der Behandlung erscheint eine, die schmerzhafte Narbe zum Aus¬
gangspunkte nehmende Operation gerechtfertigt. Walter Berger (Leipzig).
29) Bioerohe batteriologiche nel dellrio aouto, per C. Ceni. (Biv. sperim. di
Freniatria. XXIIl.)
In zwei Fällen acuten, nicht alkoholischen Deliriums, die zur Section kamen,
und in denen Verf. das Blut und die Cerebrospinalflüssigkeit bakteriologisch unter¬
suchte und Thieren eiuspritzte, fand Verf. nicht den von Bianchi und Piccinino
als specifiscb beschriebenen Bacillus, sondern nur Staphylokokken, ein Befund, der
dafür spricht, dass der genannte Bacillus nicht die einzige Ursache des acuten
Deliriums ist, und dass diese Mikroorganismen nur von secundärer Bedeutung, wahr¬
scheinlich vom Verdanungscanal her eingewandert sind und für die Aetiologie der
Erkrankung nicht in Betracht kommen. Valentin.
Therapie.
30) Bijdrag tot de kennis der thyrMidea-behandeling by psyohoaen, door
C. BijL (Psychiatr. eu nenrol. Bladen. 1897. Nr. 5 en 6. blz. 435. Nov.)
Während Verf. in mehreren Fällen von Paranoia, Hebephrenie and Katatonie
mit trägem Pols, stark entwickeltem Fannicnlns adiposns, ohne Organkrankheiten,
namentlich ohne Herzkrankheiten, wenig ermntbigende Besnltate erzielte, beobachtete
er in einem Falle von Katatonie bei einem 45 Jahre alten Manne nach Anwendung
von Tbyreoideapillen eine rasch eintretende günstige Wirkung anf die Körperfnnctionen;
nach einiger Zeit schien sich auch eine geringe Beseeruug einstellen zu wollen, die
trotz eintretenden, die Herabsetznng der Gabe nöthig machenden Intoxicationserschei-
nnngen Fortschritte machte. Nach Ober 2 Monate lang fortgesetzter Kor machte
der Pat. den Eindruck der Genesung, er benahm sich normal and befand sich gut
- K, Google
712
Ala Pat. aaf Probe eatlasaen warde, zeigte er seit 3—4 Wochen einen DormalcQ
Znstand, and er befand sich auch noch 4 Wochen nach seiner Entlassung nonasL
Um eine blosse Bemission, wie sie bei der Katatonie vorkomme, konnte es ücb
nicht handeln, weil eine Bemission von 2 Monaten mit vollkommener Lncidit&t wohl
als eine sehr grosse Ausnahme zu betrachten sein dürfe.
Walter Berger (Leipzig).
31) Ueber Anwendung von Sohilddrüsepräparaten bei Gleiateskrankheiten,
von Dr. A. W. Gerwer. (Obozrenje psichiatriL 1897. S. 831.)
Von 10 Geisteskranken, denen das Thyreoidinum siccatum Poehli in
Einzelgaben von 0,12—0,6 3—4 Hai täglich verabreicht wurde, trat eine Besserung
nnr in 2 Fällen ein, und zwar je io einem Falle von Melancholie und Paranoia halln-
cinatoria acuta. Bei den übrigen 8 Kranken, von denen 2 an Melancholie, 3 an
Amentia acuta, je 1 an Psychosis cireularis, an Dementia e laesione cerebri organica,
an Epilepsie, verbunden mit choreatischen Zuckungen in den Ober* und UDterextre*
mitäten litten, war gar keine Bessemng io ihrem Befinden eingetreten. Es wurden
folgende schädliche Nebenwirkungen bei Verabreichung des Thyreoidin beobachtet:
die Pulsfrequenz stieg nm 15—26 Schläge in der Minute; das Gewicht der Krankes
fiel um 1--3 kg; bei einer Kranken traten krankhafte Zuckungen in den Gesichts¬
muskeln ein, bei einer anderen Kranken entwickelten sich Störungen im Gastrointestinal-
tractus; in einem Falle wurde eine mässige Salivation beobachtet. Da es unentschiedea
blieb, ob die nur in 2 Fällen bei Verabreichung von Thyreoidin eingetretone Besserung
von dem Gebrauch dieses Mittels oder von dem natürlichen Verlauf der Krankhdt
selbst abbing, so glaubt Verf. jeden sichtbaren Nutzen der Darreichung von Thyreoidin
bei Geisteskrankheiten absprechen zu müssen. E. Giese (St. Petersburg).
HL Aus den Gesellschaften.
Berliner Oesellsohaft für Psychiatrie und Nervenkrankheiten.
Sitzung vom 11. Juli 1898.
Krön theilt im Änscblnss an seinen in der vorigen Sitzung (d. Centralbl. S. 602)
demonstrirten Fall von Accessoriuslähmung mit, dass bei weiterer Untersnchnng sich
die von Bemak erwähnten Muskelbündel faradisch und galvanisch haben erregen
lassen. In einem zweiten Falle reagiren dieselben Muskelbündel, aber die Schaukel*
Stellung der Scapula sei doch eingetreteo.
Bemak erwähnt bezüglich des Falles von Krön, dass bei einer erstmaligen
Nachuntersuchung der motorische Punkt der Cervicaläste, and bei einer zweiten
Untersuchung der Accessorius selbst erregbar war, so dass letzterer gar nicht dnrch*
schnitten sein kann. Im zweiten Falle, in welchem die Drehstellnng eingetreten sei,
liege die Narbe an der typischen Stelle; obwohl die von den Cervicalästen ver*
sorgten Muskelbündel in diesem Falle erregbar sind, so seien diese Moskelbflndel
doch so dünn, dass sie die einmal eingetretene Schaukelstellung nicht auszngleicben
im Stande wären. Beide von Krön erwähnten Fälle seien deshalb zur Entscheidung
der in der vorigen Sitzung discutirten Frage nicht brauchbar.
Jnlidsburger und Kaplan: AnatomiBOher Befand in einem Falle ein¬
seitiger OoulomotoriusUhmang, (Erscheint als Originalmittheilung in dieser
Zeitschrift.)
■' Google
713
Weil (als Oast): Erankenvorstellung. (cf. Originalmittheilung 4 io dieser
Nummer.)
Vortr. stellt ferner eine Patientin vor, die seit mehreren Jahren an Paralysie
agitans leidet. Neben dem typischen Befunde der Paralysis agitans stellte sich bei
der UntersQchoi^ das Fehlen der Pupillar* und Patellarreflexe heraus. In der Anam¬
nese fehlen Anhaltspunkte fllr Lues, auch sind niemals Blasenstörungen, lanzinirende
Schmerzen, Doppelsehen n. s. w. anfgetreten, so dass ausser den fehlenden Reflexen
keine tabischen Symptome zur Kenntnisa gelangten. Yortr. erinnert an einen Fall
von ausgeprägter Tabes, der mit Paralysis agitans combinirt war und im Jahre 91
in der neurolog. Qesellsch. vorgestellt wurde. Yortr. glaubt, dass in seinem Falle
das Fehlen der Reflexe vielleicht eine zu^Iige Combination von Ursachen haben
könnte, dass das Fehlen der Pupillenrefiexe als Älterserscheinung, das Fehlen der
Patellarreflexe als Folgen der bestehenden Rigidität der Muskulatur zu deuten wäre,
jedoch sei trotz des Fehlens sonstiger Symptome das Bestehen einer Tabes neben der
Paralysis agitans doch die wahrscheinlichste Erklärung fOr das Fehlen der Reflexe.
M. Laehr: Die nervösen Krankheitsersoheinni^en der liepra.
Yortr. schildert auf Grund der von ihm in Sarajevo, Constantinopel und Paris
gesammelten Erfahrungen den nervösen Symptomencomplei der Lepra. Er hebt
hervor, dass die wesentlichsten Erscheinungen desselben auf eine multiple Erkrankung
peripherischer Nerven zurQckgefflhrt werden mQssen, macht aber andererseits darauf
aufmerksam, dass als Complicationen bisweilen auch Wurzel* und selbst Spinalsymptome
hinzutreten können. Trotzalledem erscheint ihm auch ohne Bacillenbefund die Diffe¬
rentialdiagnose möglich, leichter gegenüber Centralerkrankungen des Rückenmarks,
unter Umständen schwieriger gegenüber peripherischen Nervenerkrankungen anderer
Äetiologie, besonders der Syphilis. Aber auch hier wird wohl die Berücksichtigung
der eigentbümlichen Sensibilitätsstöningen, der multiplen Nervenverdlckungen, der
besonderen Prädilectionsstellen, schliesslich der therapeutischen Unwirksamkeit des
Quecksilbers die Lepradiagnose sichern.
Eine ausführliche Publication wird an anderer Stelle erfolgen.
Mendel: Krankenvorstellung.
Der 44 Jahr alte Pat. bietet in seiner Anamnese weder hereditäre Anlage, noch
Syphilis, noch Alkoholismns. Er ist rechtshändig.
Der Beginn der jetzigen Erkrankung bei dem früher immer gesunden Manne
datirt vom 18. April 1898 und zeigte sich mit Schwindel, Kopfschmerzen und Frösteln.
Gleichzeitig waren ihm die Namen der Angehörigen entfallen und er verwechselte
die Worte. Am selben Tage traten sehr lebhafte subjective Geruchsempflnduugen
auf. Dieselben kamen immer von rechts ans der Wand. Am 30. April untersuchte
ihn Herr Dr. Munter. Ausser amnestischer und paraphatischer Sprachstörung fand
sich kein objectiv nachweisbarer krankhafter Befund am Nervensystem.
Es wurden sodann eine Anzahl Polypen aus der Nasenhöhle entfernt und die
Hjghmorshöhle rechts eröffoet. Dabei trat geringes Fieber auf. Die Hörfähigkeit
war für Flüsterstimme beiderseits 7—8 m.
Ende Mai bemerkten die Angehörigen, ohne dass das Auftreten eines neuen An*
falls constatirt werden konnte, Nachschleppen des Unken Beines beim Geben und
einige Tage später« dass Pat. den linken Arm nicht gut gebrauchen konnte. Dabei
Klagen über Kopfschmerzen und Schwindel. Ferner zeigte sich, dass die Sprach*
stömng erheblich zugenommen, dass er alles durcheinander sprach und das Gesprochene
falsch verstand. Auch verkehrte Handlungen wurden beobachtet, er urinirte in ein
Wasserglas n. s. w. Auüiahme in die Klinik am 20. Juli 1898.
Der jetzige Befund zeigt zuerst in Bezog auf die Sprache Folgendes: Auf gestellte
Google
714
Fragen passen die Antworten gar nicht, sind zum Tbeil ganz unverständlich oder
Wiederholungen irgend eines Satzes. Spontan spricht der Kranke wenig, doch
Öfter auch ganz verständig; z. B.: „mir ist immer so schnurrig!“, oder: „ich weise
immer nicht recht, was ich sagen soll“.
Nacbsprechen ist zuweilen gar nicht zu erzielen, zuweilen besser. (Bei der
Demonstration spricht er einzelne Worte gut nach, andere gar nicht, bei anderen
bringt er verkehrte Worte hervor.)
Auf Vorzeigen einzelner Gegenstände weiss er bei manchen, wie z. B. beim
Zeigen eines Groschens, die richtige Bezeichnung, meist jedoch brinj^ er eine falsche
hervor. Beim Lesen von geschriebenen Worten bringt er, auch selbst bei denen
seines Namens verkehrte Worte hervor, dagegen liest er die Zahl, z. B. auch 1898,
fehlerfrei, während er aus 921 1890 macht.
Beim Lesen von Gedrucktem kommt er meist Uber das erste Wort, welches
er auch noch verdreht, nicht hinaus.
Aufgefordert, seinen Namen, Wohnort und Datum zu schreiben, schreibt er:
Carl Orth, Neu Trebbin Amt 7 Ubhiel 1888 (soll heissen: am 7. Juli 1898).
Gedrucktes nachzuschreiben, ist er nicht im Stande. Geschriebenes d^egen
schreibt er, wie z. B. den Namen seiner Frau und die Jahreszahl, richtig, anderes
aber meist unrichtig (Demonstration).
Die geschilderten Störungen zeigen, dass der Kranke an sensorischer Aphasie,
an amnestischer Aphasie, an Paraphasie, an Wortblindheit, an Alexie, Agraphie
und Faragrapbie leidei
Der flbrige Befund ergiebt: Sehapparat, speciell auch Angenbintei^nind normal.
Pat. hört gut; es bestehen auch jetzt noch Oeruchshallucinationen, Schwäche
des linken unteren Facialis, Schwäche des linken Armes, Schwäche des licken Beines,
welches beim Gehen nachgeschleppt wird.
Beiderseits starke Kniereflexe und Kniescheibenclonns. Links auch Fussclonus.
Hautreflexe beiderseits gleich and normal.
Die inneren Organe zeigen keine Abnormität
Der vorgestellte Fall erweckt unser Interesse dadurch, dass hier eine sensorische
Aphasie mit linksseitiger Lähmung sich vereinigt Die seltenen Fälle, in welchen
bisher dieses Znsammenvorkommen beobachtet wurde, betrafen entweder Linkshänder
oder zehrten bei der Section eine doppelseitige Läsion des Schläfenlappeim.
(Hierher gehören die Fälle vonWills, Wernicke und Friedländer u. a.) In einer
grösseren Anzahl von Fällen werden ja paretische Symptome während des Lebens
überhaupt nicht beobachtet.
Ein unzweifelhafter Fall, in welchem ein isoUrter Herd im rechten Schläfenlappen
mit linksseitiger Lähmung und sensorischer Aphasie einhei^eht, existirt meines
Wissens nach nicht
Ich nehme anch im vorliegenden Fall einen doppelseitigen Herd an.
Der erste ist am 18. April im linken Schläfenlappen entstanden and hat apha»
thische and paraphatische Stömngen hervorgebracht
Der zweite ist Ende Mai entstanden and hat jene aphatischen Störungen ge¬
steigert und sie zu der jetzigen Höhe gebracht. Er hat seinen Sitz im rechten
Schläfenlappen und hat durch Femwirknng auf die innere Kapsel die linksseitige
Lähmung bedingt. Die Ausdehnung des Herdes auf der linken Seite nach dem
Gyms angularis hin hat Wortblindheit and ferner die agraphipchen Stömngen be¬
dingt. Da man auch mit BDcksicht auf die in gewissem Grade und zu gewissen
Zeiten verschiedene Objectblindheit eine wenigstens functionelle Bethätignng des
Hinterhanptlappens wird annehmen müssen, so dürfte dieser Herd erhebliche Grösse
haben. Druckwirkung auf den Gyrus nncinatns dürften die Gemchshallncinationen
erklären.
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Googl
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715
Da Syphilis au^eschlossen, die Entwickelung eines oder mehrerer Tamoren bei
dem Mangel aller Ällgemeinerscheinnngen, auch der Stauungspapille, wie nach dem
Verlanf höchst unwahrecbeinUch ist, endlich es auch für die Entwickelung von Hirn-
abscessen jeder Anhaltspunkt fehlte wird die Diagnose auf einen doppelseitigen
Erweichungsherd im Schläfenlappen gestellt. (Die auaffibrlicbe Publication
erfolgt an anderem Orte.)
H. Bloch: Demonatration eines anatomisohen Präparates eines Falles
▼on Worttaubheit. (Erscheint als Original •Hittbeilung in der nächsten Nummer
d. Gentralbl.)
Toby Cohn: Sin Fall von Athetose im Gebiete der Himnerven und
wahrer Mnskelhypertrophie bei spastischer infantiler Hemiplegie.
Eine 25jähr. Frau aus der Poliklinik des Herrn Prof. Mendel, ohne besondere
hereditäre oder persönliche Antecedentien (bis auf Diphtherie im 12. Lebensjahr).
Seit 2^/2 Jahren Terhelrathet, kinderlos. — Seit ihrem 3. Lebensjahr besteht bei ihr
(allmählich ohne Fieber, ohne Krämpfe, ohne Prodrome entstanden) eine linksseitige
spastische Hemiparese (Contractur im linken Arm, im linken Bein und auch in der
linken Qesichtshälfte). Athetosebewegungen am ausgesprocheusten in den Fingern,
aber auch im Ellbogen* und Schaltergelenk; im Fuss* und den Zehengelenken weniger.
-Ausserdem sind Athetosebewegungen in der linken Zangenseite, im
Gaumensegel und dem linken Facialisgebiet deutlich demonstrirbar. Mit*
bewegnngen sind gering. Die Muskulatur des linken Arms ist hypertrophisch;
um den Grad der Hypertrophie an dem in Contractur stehenden Arm festzustellen,
wurde die Pat in Narcose untersucht. Der Arm wurde völlig schlaff, die Athetose-
bew^ungen cessirten, und es fand sich eine ümfangsdifferenz von durchschnittlich
IV 2 —^ Gunsten der kranken Extremität. Huskelexcision wurde verweigert.
Ob es sich bei diesen Hypertrophieen, die mehrfach bei cerebraler Kinderlähmung
beschrieben worden sind (z. B. von Bernhardt u. A.), um Arbeitshypertrophieen
bandelt (sie fanden sich immer gleichzeitig mit intensiver Athetose), oder ob sie, wie
Freud meint, ein von den übrigen Erscheinungen unabhängiges Symptom der Gehirn*
läsion darsteUen, muss vorläufig unentschieden bleiben. Die letztere Annahme er¬
scheint als die begründetere. — Nebenbei besteht bei der Pat. linksseitige Hemi*
hypästhesie (besonders Hypalgesie), Herabsetzung des Geruchs, Geschmacks* und
(jtohörs auf der linken Seite, offenbar zum Theil in Folge einer Complication mit
Hysterie. Jacobsohu (Berlin).
WfasensohaftUche Versammlong der Aerste der St. Petersburger KHnlk
für Nerven- und Geisteskranke.
Sitzung vom 25. September 1897.
Dr. T. K. Teljatnik: Theoretische und praktische Betrachtungen über
den Blutkreislauf Im Gehirn auf Grund der Messung des Blutdruckes im
centralen und peripherischen Abschnitt der Arteria carotis.
Bei seinen Betrachtungen ging Vortr. vom Hürthle’schen Schema aus, das
graphisch das Yerhältniss darstellt zwischen der Höhe der Flüssigkeit in zwei verti*
calen Manometern, die in eine horizontale Röhre in einiger Entfernung von einander
münden imd dem Widerstande, den dem Ausstfömen der Flüssigkeit jener Theil der
Röhre darbietet, der hinter dem zweiten Manometer liegt. In Anwendung zum Thier*
Google
716
experiment dotspricht dieses Schema Folgendem: das erste Manometer bestimmt dmi
Bltttdmck im centralen Abschnitt der anterbundenen and durchschnittenen Art carotis
(bezw. der Aorta); das zweite Manometer den Blutdruck im peripherischen Abschnitt
der Art. carotis; die horizontale Böhre des Schema entspricht dem ganzen Blntstrom
Ton der Aorta bis zu den Venen, die das Blnt aus dem Gehirn ableiten und zwar
bis zu dem Punkte derselben, wo der Blutdruck gleich Null ist; der Widerstand,
von dem in dem Hürthle’schen Schema die Bede war, entspricht dem Widerstande,
der dem Blntstrom entgegengesetzt wird von den Himarterien, die im Circulus Willisii
beginnen, von den Oapillaren nnd den Venen, die das Blot ans dem Gehirn ableiten.
Vortr. bespricht auf dem Schema. die verschiedensten Combinationen der Druckgrössen
in beiden Manometern und kommt zum Schluss, dass nach der Hohe der Manometer*
curven und ihrem Auseinandergehen und Äneinandenrflcken man nicht immer über
den Zustand des Widerstandes urtheilen kann. Der parallele Gang der Curven bei
gleichzeitiger Erhebung derselben weist anf eine Vergrösserung des Widerstandes hin,
bei Senkung derselben auf Verminderung des Widerstandes. Das Auseinandergeben
der Curven bezeichnet eine Verminderung des Widerstandes nur in dem Falle, wo es
nicht von einer Steigerung der Carve des zweiten Manometers begleitet wird; das
Aneinanderrücken der Curven dient als unzweifelhaftes Zeichen der Ver^rössernng
des Widerstandes nur in dem Falle, wo es nicht von einem Senken der Curre des
zweiten Manometers gefolgt ist. In den Fällen aber, in welchen das Auseinander*
geben der Curven mit einer Hebung der Curve des zweiten Manometers oder das
Aneinanderrücken der Curven mit einer Senkung der Curve des zweiten Manometers
verbunden ist, kann der Widerstand entweder unverändert bleiben, oder gr&sser, odm^
kleiner werden. Dabei ist es gänzlich indifferent, ob absolute oder relative Messnngs-
corven geschrieben werden.
In der darauffolgenden Discussion bemerkte Prof. W. v. Bechterew, dass seiner
Meinung nach über den Zustand des Blutkreislaufes im Gehirn man nicht nur nach
den Ziffern der Hanometerangaben, sondern auch nach dem Äuseinandergehen oder
Aneinanderrücken der Curven urtheilen kann, gesetzt, dass man bei den Experimenten
eine absolute Abscisse zeichnet; dass ferner die Hürthle’sche Methode Auskunft
giebt nicht nur Ober den Zustand des Widerstandes, sondern auch über die Schnellig*
keit des Blutkreislaufes und die Quantität des Blutes im Gehirn, angenommen, dass
man bei der Messung absolute Zahlen anwendet.
Dr. A. W. Gerwer: Ueber die Gehimoentra der aasooUrten Augen*
bewegungen.
Die Experimente wurden an Hunden aosgeführt. Die Besultate seiner Unter*
suchungen lassen sich in Folgendem zusammenfassen. Im Grosshim giebt es zwei
Begionen, die mit der Ausführung der Augenbewegnngen vertraut sind. Die eine
Begion liegt im Lobus frontalis nach vom vom Sulcus emeiatns, unmittelbar hinter
dem Sulcus praecruciatus, 1 cm von der Fissura cerebri magna entfernt; die andere
Begion befindet sich im Lobus occipitalis entsprechend der Munk’scben Sehsphäre
und auch im Gyms angularis. Bei faradischer Beizung sowohl der ersten, als der
zweiten Begion treten fast stets Seitwärtsbewegungen beider Augen nach jener Seite
ein, die der Beizungsstelle entgegengesetzt ist Augenbewegungen nach oben und
unten wurden nur in zwei Fällen bei Beizung obengenannter Bezirke erzielt; wieder*
holte Beizungen riefen Seitwärtsbewegungen der Augen hervor. Vortr. glaubt daher,
dass die Kerne des N. abducens reizbarer sind, als diejenigen anderer Angennerven
(N. oculomotorins und K. trochlearis). Nach Dorchschneidung des Gehirnes entlang
dem Sulcus cruciatus wurden bei Beizung des Occipitaliappens keine Augenbewegnngen
mehr ansgelöst; die Entfernung des Frontalbezirkes wurde von einer Seitwärtsatellung
der Augen nach der Operationsseite hin gefolgt; bei Zerstörung aber des Occipital*
lappens traten gar keine Störungen in den Augenbewegungen ein. Auf Grund dieser
D
Googli
717
Data schlidsst sich Vortr. Ferrier’s Ansicht an, wonach die Angenbewegungen, die
bei Beizung des Occipitalbezirkes erfolgen, abhängig sind von den in dem Gehirn
der Thiere entstehenden Gesichtebildem, unter deren Einflnss das Thier seine Augen
dahin bewegt, von wo es scheinbar die Gesichtswahmebmungen empföngt. Vortr.
nimmt an, dass die Occipitalregion mit der frontalen durch ii^end welche Associations*
fasern verbunden ist, wodurch am wahrscheinlichsten das Fehlen der Angenbewegungen
erklärt wird, bei Beizung des Occipitallappens nach Durchschneidung des Gehirnes
ängs dem Sulcus cmciatus. Dem Frontalbezirk schreibt Vortr. bloss motorische
Functionen zu. Beim Experiment am Affen, den Vortr. Gelegenheit hatte während
der üntersnchnngen von Prof. W. v. Bechterew zu beobachten, wurden Besultate
erzielt, die ganz analog waren den Schlussfolgerungen, die Vortr. bei seinen Experi*
menten an Hunden gewonnen hatte. Bei Beizung des VierhOgels, sowohl des vorderen
als des hinteren Abschnittes desselben, wurden Augenbewegungen nach der der
Beizongsstelle en^gengesetzten Seite erzielt; die Augenbewegungen nach oben und
nnten wurden nur in drei Experimenten beobachtet. Vortr. neigt der Ansicht zu,
dass in dem Vierhfigel die Centra fQr die Coordinationsbewegungen der Angen gelegen
sind. Vortr. legte besonderes Gewicht auf die Entwickelung einer Tonushemmung
im N. abducens, die in einigen Fällen bei Beizung des VierhOgels nach Durchschneidung
des K. oculomotohi und N. trochlearis auf der der Beizung gleichnamigen Seite auf¬
getreten war. Diese Erscheinung der Tonnshemmnng bestand darin, dass das Auge,
in dem der N. oculomotorius und N. trochlearis durchschnitten waren, bei Beizung
der gleichnamigen Seite des VierhOgels dennoch in der Richtung nach innen sich
bewegte, obgleich die Nerven, die diese Bewegung auslösen, durchschnitten waren.
Dieees Factom hält Vortr. als besonders wichtiges Ergebniss seiner Üntersnchnngen,
da dasselbe bei Beizung des VierhOgels noch von keinem Autor beobachtet worden
ist Zum Schluss des Vortrages demonstrirte Vortr. eine Reihe von Curven der von
den Angen ansgefOhrten Bewegungen.
In der Discussion bemerkte Friv.-Doc. F. Bosenbach, dass des Vortr. Experi¬
mente mit Entfernung des Centrums der Augeubewegungen in dem Occipitallappen
durchaus nicht eine besondere Function dieses Centrums bekunden im Veigleich zu
dem Centrum in dem Frontallappeu. Was die Augenbewegungen bei Beizung des
VierhOgels betrifft, so könnten dieselben von einer Abschleifung des Stromes zu den
Kernen des N. ocnlomotorii abhängeu.
Vortr. erwiderte darauf, dass bei Beizung der Kerne des N. oculomotorii keine
associirten Angenbewegungen auftreten, wie bei Beizung des VierhOgels.
Prof. W. V. Bechterew bob das grosse Interesse des Vortrages hervor und
sprach den Wunsch ans, dass die Experimente von Obregia, mit dessen Ansichten
Vortr. nicht einverstaodeu ist, einer weiteren FrOfung unterzogen werden möchten.
Es wäre ausserdem wichtig, Experimente auszufOhren mit Zerstörung der Centra für
Angenbewegungen und die secundäre Degeneration der Leituugsbahnen, die von diesen
Centra ausgeben, zu studiren. Hinsichtlich der Centra für Augeubewegungeu im
TierhOgel ist er vollständig mit der Ansicht des Vortr. einverstanden, dass diese
Ccmtn durch besondere Associationsbahuen mit der Grosshimhude verbunden sind.
Um diese Frage zu lösen, sind ansgebreitete Zerstörungen der ganzen Rindenfläcbe
anszofObreu, von der die Augenbew^ungen ausgelöst werden und nach einer gewissen
Zeitdauer ist dann der VierhOgel einer Beizung zu unterwerfen. Es kann auch ein
mechaniseber Beiz angewandt werden, z. B. eine Feder, die durch eine Stimmgabel
in Vibration gebracht wird, um die Binwirkong des elektrischen Stromes auf tiefer
gelegene Theile aoszuschliessen.
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718
Sitzung vom 23. Octobor 1897.
Dr. N. Ä. Wyrubow: Ein Fall von Oesohwulat an der Geliimbaaii.
Vortr. demonstrirt Präparate aas dem Oehirn mit einer Cbolestbeatomgeschwolst
in der Gregend des 3. Ventrikels, die die GrrCsse eines kleinen Apfels erreichte. Von
den Symptomen, die bei Lebzeiten beobachtet worden, steht in erster Beihe die
Gleichgewichtsstörung, die im schwankenden Gange und Neigung zum B&ckwärt»>
fallen sich kundgab. Einen Monat vor dem Tode des Kranken trat ein epileptischer
Anfall auf, nach dem im Verlaufe einiger Tage eine peripherische Lähmung des
linken N. facialis sich entwickelte. Eine Woche vor dem Tode wiederholte sich der
epileptische Anfall, der Kranke verfiel in Coma und starb bei Erscheinungen Vta
Herzschwäche. Die Gleichgewichtsstörung stellt Vortr. in Abhängigkeit von Läsion
des Gebietes des 3. Ventrikels. Die epileptischen Anfälle hält er bedingt dnrek
Beizung mit kleinen Geschwulstknötchen, die tbeils im oberen Abschnitt des ver¬
längerten Markes, theils am unteren Bande der Varolsbrücke links localisirt waren;
durch den von ihnen ausgefibten Druck erklärt sich auch die Fadalisparalyse.
In der Discussion bemerkte Prof. W. v. Bechterew, dass aus dem Fehlen von
paralytischen Erscheinungen seitens der Extremitäten und ans dem Vorhandeosehi
bloss von Gleichgewichtsstörungen man den Schluss ziehen muss, dass die Geschwulst
hauptsächlich jenen Tbeil des Gebietes des 3. Ventrikels eingenommen hatte, der
nach seinen diesbezüglichen Untersuchungen für Erhaltung des KÖrpeigleichgewicbtes
von Belang ist. Bezugnehmend auf die vom Vortr. ausgesprochene Ansicht, dass
die epileptischen Anßlle in seinem Falle durch Reizung des sogen. Erampfcentmins
auf dem Boden des 4. Ventrikels bedingt waren, sprach sieh v. B. dahin ans, dass
das Auslösen von epileptischen Anfallen ohne Theilnahme der Hirnrinde nicht mög¬
lich sei.
Prof. W. V. Bechterew demonstrirte einen Patienten, der soeben von einer
Tetanuserkrankong sich erholt batte.
Derselbe hatte vor 2 Monaten während eines Spazierganges im Park ein«
Steinscblag in die Gegend des linken Auges erhalten, wodurch die Cornea und die
äusseren Hüllen an der inneren Ecke des Auges beschädigt wurden. Der Pat trat
in die Augenklinik ein, wo nach 2—3 Wochen Anfälle von allgemeinen Erämpfes
bei ihm auftraten, die besonders stark in der Brnstgegend ausgepi^t waren. la
Laufe dieser Zeit hatte sich bei dem Kranken eine Entzündung des linken Auges
mit consecutiver Atrophie des Augapfels entwickelt, die zum völligen Sebverlnst auf
diesem Auge führte. Der allgemeinen Krämpfe wegen wnrde der Kranke in die
Nervenklinik geschafft. Hier wurde Folgendes beobachtet: von Zeit an Zeit trata
beim Kranken anfallsweise allgemeine, sehr schmerzhafte Krämpfe anf, die besooden
stark in der Brost- und Banchgegend waren. Der Bauch wurde hart wie ein Brett
Sehr stark war auch der Trismus ausgesprochen, der Mnnd konnte während das
Krampfanfalles kaom bis ^|^—1 cm geöffnet werden. Die Krämpfe konnten leicht
durch äussere Beize hervoigemfen werden, z. B. durch Besprengong mit kaltem Wasser,
Percutireo der Muskeln n. s. w. Die Temperatur des Körpers war erhöht Ee nnterlag
keinem Zweifel, dass man es mit einem Tetanus traumatischen ürsprungee sn tbim
bähe. Von den pbarmaceutischen Mitteln verschaffte bloss Morphtom einige Erleidi-
temng. Es wnrde darauf eine Behandlung mit Antitetaoin eingeleitet vm
Dr. Wlajew in der Quantität von 500 Einheiten in 2 Portionen eingespritit wurde.
Nach der Einsprit'znng trat eine wesentliche Besserung ein, die leider bloss 2—S Tage
anhielt. Von weiterer Einführung des Antitoxins wurde Abstand genommen, da grösaere
Portionen desselben hierselbst in kurzer Zeit nicht zu bekommen waren. Es wurde
" Google
719
darauf die Ezcision der noch eiternden Narbe in dem atrophirten Augapfel Torge*
nomiDeD, da von dieser Stelle aus augenscheinlicb das Tetanuagift in den Blutkreislauf
eiutrai Nach der Euucleation wurdeu die Tetanusanfälle allmählich schwächer, bis
sie gänzlich aufhörten.
Dr. T. K. Teljatnik und Dr. E. S. Borischpolsky: XTeber den Einfluss
von Sinnesreizen auf die Blutoiroulation im Oehim.
Die Untersuchungen sind an Hunden angestellt worden. Der Zustand des Blut¬
kreislaufes im Oehim nach Einwirkung von Sinnesreizen wurde nach derHarthle’-
scheu Methode bestimmt. Es erwies sich, dass alle Schmerzreize, sowohl an der
Oberfläche des Körpers als im Innern desselben angewandt, eine Verminderung des
Widerstandes der Blutcirculation im Gehirne gegenüber hervorrufen. Es ist dabei
ganz irrelevant, ob diese Beize mechanischer (Kneifen, Stechen, Zusammenpressen des
Testiculum), elektrischer (Faradisation) oder thermischer (Anlegen von warmen Gegen¬
ständen an die Haut, Bespritzen mit warmem Wasser) Art seien. Umgekehrt bewirken
kalte* Beize (Anlegen von kalten Gegenständen, Bespritzen mit kaltem Wasser) eine
Vergrössernng des Widerstandes. Parallele Beobachtungen Über Veränderungen in
den Athmungsbewegungen, die unter Einwirkung derselben Beize entstehen, weisen
darauf hin, dass die vorerwähnten Veränderungen in der Grösse des Widerstandes
der Einwirkung von vasomotorischen Nerven zuzuschreiben sind, d. h. dass in den
einen FäUeu eine Erweiterung, in den anderen eine Verengerung der Uimgefösse
stattfindet.
An der Discussion betheilig^n sich Prof. W. v. Bechterew, Gerwer, Lev-
tschenko und Dobrotworsky. Prof. W. v. Bechterew wies in seinem Schluss¬
worte auf einige Mängel hin, die der von den Vortr. geübten Untersuchungstechnik
anhaften. Dieselben beeinträchtigen Übrigens in keiner Weise die von den Vortr.
gefundenen Besultate. Das von den Vortr. festgestellte Factum von Eintreten eines
Spasmus in den Blutgefössen des Gehirnes nach Eälteeinwirkung verdient grosse
Beachtung, da es auf die Möglichkeit hinweist, auf die Blutgefösse des Gehirnes
einen Einfluss aasüben zu können, indem Kälte an die Peripherie des Körpers appli-
cirt wird.
Dr. W. P. Ossipow: Heber die oortioale Entetebnng der epUeptisohen
Anfälle, die durch vergiften der Hunde mit Absinth (essenoe d’abainthe
oultivöe) hervorgerufen werden.
Die epileptischen Anfälle wurden bei Hunden durch Einführung ins Blot von
essence d’absinthe cultivöe hervoigerufen. Es wurden folgende Experimente vom
Vortr. ausgeführt: 1. nach doppelseitiger totaler Exstirpation der motorischen Sphäre
der Hirnrinde in der tonischen Periode des epileptischen Anfalles trat die Periode
der clonischen Zuckungen nicht ein, nach Einführung aber neuer Portionen von
Absinth entwickelten sich allgemeine tonische Krämpfe; 2. nach doppelseitiger totaler
Entfernung der motorischen Centra der Hirnrinde, die vor Einführung des Absinth
in die Vene aasgeführt wurde, traten bloss tonische Krämpfe ein; 3. nach doppel¬
seitiger Entfernung der vorderen Partieen der motorischen Sphäre rief die Vergiftung
mit Absinth einen Anfall mit vollausgeprägten Perioden der tonischen und clonischen
Zuckungen hervor; 4. nach doppelseitiger Entfernung der Binde der Parietal- und
des grössten Theiles der OccipitalJappen trat bei Absinthvergiftung ein epileptischer
Anfall mit gut ausgeprägten tonischen und clonischen Zuckungen auf. Untersuchungs-
resultate: 1. Es unterliegt keinem Zweifel, dass die clonischen Krämpfe des epileptischen
Anfalles bei der Absinthepilepsie von der motorischen Sphäre der Hirnrinde aus-
gelöst werden; 2. die tonischen Zuckungen während des epileptischen Anfalles hängen
nicht von den corticalen Centra ab, sondern von tiefer gelegenen Gehimcentra, wenn
die Hirnrinde überhaupt einen Antheil daran hat, so ist er jedenfalls ganz unbedeutend.
■' Google
Prof, W. ?. Bechterew: Die Resultate der Untersaohungen mit Beisons
von hinteren Partieen der HirnheihlBphären und des Frontallappens bei
Affen.
Vortr. ist auf Grund zahlreicher Untersuchungen, die von ihm an verschiedenen
Affenarten angestellt worden sind, zu der Ueberzeugung gekommen, dass die Frontal¬
lappen bei den Affen eine ganze Reihe von motorischen Centra enthalten, die in
unzweifelhafter Beziehung zu den Augenbewegungen stehen. Im hinteren Abschnitt
des Frontallappens, entsprechend der Lage der zweiten Frontalwindung, bewirkt eine
Beiznng der Hirnrinde mit schwachen Strömen immer eine Seitenwendung des Kopfes
und der Augen; nach innen von diesen Centra ruft die Reizung der Hirnrinde haupt¬
sächlich Seitenwendung des Kopfes hervor; bei Reizung der Hirnrinde nach aussen
von diesen Centra tntt erst Seitwärtsbewegung der Äugen, dann auch des Kopfes
auf. Bei Anwendung stärkerer Ströme können von diesen Partieen aus auch andere
Bewegungen ausgelöst werden. So können von diesem Gebiete ans Obrenbewegnngen,
Aufheben der Augenbrauen (oberer Facialis), Pupillenerweiterung und Oeffnen. der
Lidspalte (Sympathicus), Athmungsbewegungeu (Hemmung oder grössere Frequenz
derselben) hervoi^erufen werden. Alle obengenannten Centra nehmen eine streng
bestimmte Lage in diesem Gebiete ein. Nach innen von diesem Gebiete, näher zur
Fissura longitudinalis des Gehirnes, unmittelbar nach vom vom oberen Ende der
vorderen Centralwindung ebenfalls in den Frontallappen befinden sich die Centra für
Bewegungen des Oberschenkels, des Schwanzes und des ganzen Rumpfes, obgleich
einige Autoren im Gegensatz dazu behaupten, dass diese Centra auf deu inneren,
einander zugowandten Theilen der Frontallappen gelegen sind. Schäffer und nach
ihm Obregia hatten die Untersuchungen von Munk bestätigt, dass nämlich bestimmte
Theile der Netzhaut auch ganz bestimmten Partieen der Sehspbaren ln der Hirnrinde
des Occipitallappens entsprächen. Nach diesen Untersnebungen wären assoeürte
Augenbewegungen in Abhängigkeit von der Stelle der Reizanbringnng fes^estellt.
Nach den Untersnebungen aber des Vortr., die an Äffen ausgefBhrt worden, erweist
sich, dass das Ange hinsichtlich seiner Bewegungen nicht nur zum Occipitallappen,
sondern auch zum Parietallappeu in Beziehung steht ln dem Occipitallappen können
3 Centra für Augenbewegangen fest^estellt werden. Beizung der vorderen Partieen
des Occipitallappens bewirkt eine Wendung der Augen nach unten uuä nach der
der gereizten Hirahemisphäre gegenüberliegenden Seite; Beizung der mittleren Partieen
ergiebt Seitwärtsbewegungen der Augen; Reizung der hinteren Partieen, Bewegung
der Angen nach oben und nach der der Reizungsstelle gegenüberliegenden Seite.
Ausserdem kann von dieser Stelle aus, uämlicb von dem mittleren Theile der Seh¬
sphäre, eine Popillenverengung hervorgemfen werden und etwas nach innen von
diesem Punkte, eine Erweiternog derselben. Durch Beizung des Parietallappeos in
dessen äusserster Partie in unmittelbarer Nähe des Occipitallappeos gelingt es eine
Bewegung der Augen nach der entgegengesetzten Seite und nach oben bervorzorufen;
von der innersten Partie des Parietallappena wird eine Bewegung der Angen nach
der Seite hin ond nach unten ausgelöst. Von den mehr in der Mitte gelegenen
Partieen des Parietallappens wird gewöhnlich Seitwärtsbewegung der Angen nach der
entgegengesetzten Seite hin hervorgerufen. Ausserdem befinden sich in dem Parietal¬
lappen auch die Centra für die Pupillen, von denen eines die Pupillen erweitert^
das andere dieselben verengt. E. Giese (St Petersburg).
üm EinBendung von Separatabdrücken an den Heransgeber wird gebeten.
Einsendongen für die Redaction sind zn richten an Prof. Dr. E. Mendel,
Berlin, NW. Schiffbauerdamm 20.
Verlag von Vbit & Comp, in Leipzig. — Druck von Hztzobb & Wzttiq in Leipzig.
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Badearzt in Bad-Gastein (im Winter Oursirzt io Arco)
bei Aug. Hirschwald in Berlin erschienen.
Dr. mi 0. Preiss' Wasserlieil- mfl KnraDstall
Bad Elgersburg im Thüringerwalde.
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dicht am Walde für feineres Publiknm eingerichtet. — Wissens^aftl. Wasserhetlverfahrai^
Diät, Massage, Terrainkur, Gymnastik, electrische Koren im Anschluss an die elgea«
Centrale, DaDipfkuren. Auf eine HpeeialitVt der Anstalt gestattet sich der Unter*
zeichnete die Herren Cullegcn hinzuweisen:
Die DainpfwellenbUder in Bassin und Wanne, kalt nnd warm, gegen VerdannKrv^'
scbwSchen (auch durch Alcobol, Nicotin, Morfium). Hautschwlchen (Bläsae, Neigung zn'
Gerüchen, Hyperaesthesien, Nesselsucht, Rückstände von Hautkrankheiten etc.}, welhliclM.*
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Die lauwarmen Grade (22—25”) sind auch nach längeren Warmbäderkuran (naraeifr
lieh Kissingen) nnd den böhmischen Bädern, zur Kräftigung der Haut zn empfehlen, mfl
iiinterlassen ein ausserst wohliges Behagen. \
Druck von Matsaer A ,
23'iPf'
NEUIiOLOfllSCIlESCEXTIiALBLATT.
Ueberstcht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie
und Therapie des Nervensystems einschliesslich der Geisteskrankheiten.
Herausgegeb«n tod
Professor Dr. E. Mendel
Siebsehuter ri B«rlla JahPgÄDg»
UoBBtlicb eracbeineo zwei Nooimera. Preis des Jahrganges 24 Mark. Zo beziehen durch
alle Bncbhandlangen des In> und Äaslandes. die Fostanstalten des Deutschen Reichs,
sowie direct too der Verlagsbuchhandlung.
1898. 15. August ^ Nr. 16.
Leipzig,
/3 ^ 0 % Verlag von Veit & Comp.
^ 1898.
ANKÜNDIGUNGEN.
Grossherzoglich Hessische Landes-Irrenanstalt.
Am 1. October 1. J. werden die beiden Stellen des zweiten Aasietenzarztes
(1500 M. und freie Station) und die des für die Dauer eines Jahres ver])flichteten
Volontärarztes (60ü M. und freie Station) frei und sollen alsbald wiederbesetzt
werden. Bei dem Assistenzarzt wird einige nsyebiatrische Vorbildung vorausgesetzt.
Bewerbungen werden, zunächst nur brieflicn, bis zum 15. September 1. J. hierher
erbeten.
Heppenheim a. d. 6., 28. Juli 1898.
Grossh. Direetion der Landes-Irrenanstalt.
Fr. Bieberbach.
An der Provinzial-Irren-Anatalt zo Nietlebea bei Halle a. S. sind ^
1. die durch Beförderung frei werdende Stelle des 11. Assistenzarztes zum ^
1. October CT. S
2. die neu geschaffene Stelle det HI. Assistenzarztes alsbald zu besetzen, \
zu I. Jahresgehalt 1500 M., zu 2. Jahresgehalt 1400 M. bei freier Station 1. Classe. I
Bewer^r wollen ihre Meldungen nebst Approbation, Dissertation, Lebenslauf s
und Zeugnissen an den Unterzeichneten Dircctor einsenden. |
Für beide Stellen ist voi^ängige Beschäftigung auf psychiatrischem Gebiete I
erforderlich, für die III. Assistenzarzt «Stelle Uebung in anatomischen Unter- ^
Buchungen er\rünscht. |
Nietleben, den 4. August 1898. Sanilätsratb Or. Fries. \
Bnd llmeua^ti in rPlinrius^en. ■
Vorm> Sanitätsrai Dr. Prellers Wasserheilanstalt ftir X<>rTon-, Frauen* und chronische
Krankheiten. Ih-ospekte durch die r>irektion.
Dirigirendor Arzt: Dp. Ralf Wiclimann, Nerrenarzt.
März bis November.
Sanitätsrath Dr. Ritscher’s
Wasserheilanstalt Lauterberg (Harz).
- Das ganze Jahr besucht. Prospecte. -
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0 W'asserheilaostalt, das ganze Jahr hindurch geOffnet. Für Rheuma- 0
0 tismus, Nervenleiden, Verdauungsstörungen etc. 0
Q Leitender Arzt: Dr. E. Poensgen. q
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Uebersicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie
und Therapie des Nerven^tems einschliesslibh der Geisteskrankheiten.
Hersosgegeben toh
Professor Dr. £. Mendel
Siebzehnter “ Jahrgang.
tfoQatlich ersoheinen zwei Nammern. PreiB des Jahrganges 24 Mark. Zd beziehen durch
alle Bnchhandinngen des In- nnd Anslandee, die Poetanstalten des Dentsohen Beichs, sowie
direct von der Yerlagsbachhandlong.
1898. 15. August , Nr. 16.
Inhalt: I. OriglMlnitthelluiigen. 1. Ueber hämorrhagische Enoepbalitis, Ton Dr. Deitert.
2. Ein Fall Ton Worttanbheit nach Basisfractnr, von Dr. M. Bloch und Dr. M. Bielschowslnf
in Berlin. 8. Nervenendigung in den Centralorganen, von Dr. med. Leopold Auerbach.
M. Referate. Anatomie. 1. Die secondäre Aonstioosbahn der Taube, von Walleaberg.
2. Lehrbuch der Histologie des Menschen einschliesslich der mikroskopischen Technik, von
Bdhm und v. DavMoff. — Experimentelle Physiologie. S. Ueber morpholodsche Ter-
ändemngen der Vorderiiomzellen des Böckenmarks walkend der Thätigkeit Vorläufiger
Bericht von Luxenburg. 4. Beiträge zur Backenmarksphysiologie der Amphibien und Bep-
tilien, yon Bickel. 5. Experimentelle Untersuchungen al>er den Einflass von BBokenmarks-
darcbtrennnngen auf den Kreislauf des Gehirns, von Spina. — Pathologische Anatomie.
6. Ein Fall von Spina bifida mit Doppeltheilung des Bückenmarks (Diastematomyelie), von
Theodor. 7. La chromatolyse dans les comes antdrieores de la moelle aprds ddsaridcolstion
de la jambe et ses rapports avec les localisations motrices, par van Gehnchton et de Buck.
8. Ueber Biseninfiltration der Ganglienzellen, von Weber. — Pathologie des Nerven¬
systems. 9. Handbuch der Unfallerkrankmagen auf Grund ärztlicher Erfahrungen (nebst
emer Abhandlung Uber die Unfallerkrankungen anf dem Gebiete der Augenheilkunde von
Dr. Cramer), von Thiene. 10. Ein Fall von traumatischer Apoplexie ohne nachweisbare
Schädelverletzung, von BchlofFer. llo.I2. KlinischeMittbeilungen, von Fischer. 18. Astudyof
the lesiODS in a case of tranma in the cervical region of the spinal chord simnlating syringo-
myelia, by Lloyd. 14. General paralysis of tbe insane during adolesoence wlth notes of tbree
cases, by Stewart. 15. Zwei Fälle von Qnerschnittserkrankung des Halsmarkes. Beitrag
zur Kenntniss der Sehnenreflexe, der seonndären Degenerationen und der Eömchenzellen im
Rückenmark, von Senator. 16. Die ärztliche Untersu^nng nnd Beartheilnng von Unfallfolgen,
von Ledderhoie. 17. Ein Beitrag zur Pathologie und pathologischen Anatomie der traumatis^en
BöckeomarkserkrankungeD (sog. Hämatomyelie, secnndäre Euhlenbildnng), von Lax nnd Müller.
18. Troubles dn thorax dans la syringomydlie, par Merle, 19. Syringomyelie mit totaler
Hemianästhesie noch peripherem Trauma, von Stein. 20. Ueber einen Fall von Syringo¬
myelie mit Spontanhactnr beider HnmemskOpfe nnd Resorption derselben, von Kofend.
21. Form nnd Ausbreitnng der Sensibilitätsstorungen bei S 3 rringomyelie, von Hahn. 22. Ein
Beitr^ znr Aetiologie and Symptomatologie der Syringomyelie, von Laeae. 23. Ein Fall
von einseitiger Gliose im Cervioaltheile des Bfickenmarks, die den ao&teigenden Tbeil der
Trigeminoswurzel berührte, von Homdn. 24. Dissociazione a tipo siringomielico della sensi-
bilita in an caso di isterismo mas(^ite, per Burzio. 25. Compression de la moelle cervicale.
Syndromes de Brown-Sdqnard avec dissociation de la sensibilitd, par Dejerlne. 26. A case of
fracture of the fifth cervical vertebra, in wbich an Operation was done. Death on the cigbth
dsy sfter tbe Operation, by Hudaon. 27. Gliosarcoma of the spinal cord, by Fletcher.
28. Tumor of the spinal dora mater, by Potts. 29. Tnmor of tbe spinal pia, first cervical
Segment, mistaken for hypertrophic cervical pachymeningitis, by Collint and Blanchtrd.
.30. Ein weiterer Fall von solitärer Tabercolose des Rückenmarks, zugleich ein Beitrag zur
Lehre von der Brown-Sdqnard’scben Halbseitenläbmnng, von MUller. 31. Pressure paraplegie
treated by laminectomy, by Hutchinson jun. 32. Ueber die anatomische Grundige einer an-
scbeinend falschen Segmentdiagnose bei tobercolöser Compressionsmyelitis, von Dinklsr.
33. Ein Fall von acuter Infectionskrankheit mit Thrombosen in den pialen Gefässen des
Bückeomorks, nebst Beobachtungen ö^r das Verhalten und die Entstebnng der Amyloid¬
körperchen in demsel^D Falle, von Potrdn.
III. Aus den Gesellschafton, Aerztlicher Verein zu Hamburg.
IV. Vormlschtes. Jahressitzung des Vereins der deutschen Irrenärzte zu Bonn.
- 46
,Googlc
722
I. Originalmittbdilungen.
1. Üeber hämorrhagische Encephalitis.
Von Dr. Deltere,
Asaistenz&rzt an der Provinzial-IirenaoBtalt in Andemacb.
Nachdem man gelernt hatte, die durch primären Geiassveischloss ent¬
stehenden Erweichungsherde im Gehirn Ton der eigentlichen Entzündung zu
trennen, war das Gebiet der acuten Encephalitis zunächst ein sehr kleines ge¬
worden. Es war tsst nur die eitrige Form derselben bekannt; eine nicht-eitrige
acute Encephalitis wurde wohl theoretisch angenommen, und war auch mehrfadi
experimentell an Thiereu studirt worden, während Beobachtungen an Menschen
noch nahezu ganz fehlten. Im Jahre 1881 beschrieb dann Wbbnices in seinem
Lehrbuch der Gehimkrankheiten^ unter dem Namen acute hämorrhagi^e
Folioencephalitis superior eine acute Entzündung im Gebiete der Augenmuskel-
keme. Seine Fälle waren fieberfirei und führten in 10—14 Tagen zum Tode.
Die befallenen Gehimpartieen waren im Allgemeinen geröthet und von zahl¬
reichen punktförmigen Blutungen durchsetzt Mikroskopisch fand sich, dass
diese Blutungen grösstentheils die Gelasse einscheideten, und dass die Gewisse
selbst stark erweitert und prall gefüllt waren; in der Umgebung der Blutungen
fanden sich überall auch Eümchenzellen. — Die nächsten Jahre brachten mne
Anzahl von Arbeiten, durch welche der WBBNiCKE’scbe Befand bestätigt und
ergänzt wurde.
Später beschrieb FniEDHAifN* im Anschluss an die Mittheilung einer Beihe
Ton Thierexperimenten, in denen er künstlidi durch mechanische und diemische
Beize Entzündung der Himsubstanz herroigerufen hatte, ganz kurz auch einen
am Menschen beobachteten Fall von acuter Encephalitis, der in 4 Tagen tödtlich
Terlaufen war; in dem in der 2. Stimwindung gel^nen Herde fanden sich
theils capilläre, theils grössere Blutungen und in deren Umgebung zahlreiche
Kömchenzellen und dichte Bundzellenansammlungen.
Im Jahre 1891 berichtete dann Stbühpell^ ausführlich über 2 Fälle, dit
unter hohem Fieber, Bewusstlosigkeit und Hemiplegie in wenigen Tagen zum
Tode geführt hatten; bei beiden fand er im Centrum semiovale die Substanz
gelockert, vorquellend und serös durchtränkt und von zahlreichen punktförmigen
Blutungen durchsetzt Mikroskopisch fand er starke Füllung der Gefässe, die
Gefössscheiden erweitert und mit ausgewanderten Bundzellen angefüllt, stellen¬
weise auch herdförmige Ansammlungen von Bundzellen; keine Kömchenzellen.
Gestützt auf diese beiden Beobachtungeu in Verbindung mit dem F&eed-
MAMN’schen Fall stellte Stbüvpell den Begriff der primären acuten hämor¬
rhagischen Encephalitis als einer selbständigen Krankheit fest
' Bd. II. 8. 229. * Nearolog. Ceotralbl. 1889.
* Arcb. f. klin. Med. Bd. XLVII.
'ig.n^cd oy Google
728
Seither ist nun eine grosse Anzahl ähnlicher Beobachtungen veröffentlicht
vorden. Zunächst galten dabei noch die von Webnioks und von Stbümpell
beschriebenen Zustwde für zwei verschiedene selbständige Ejrankheiten. ln den
letzten Jahren macht sich jedoch das Bestreben geltend, durch Auffinden von
Uebe^angsbildem die beiden Formen unter einen Hut zu bringen und ihre
Unterschiede allein durch die verschiedene Localisation des nämlichen patho¬
logischen Processes zu erklären. Leider stützen sich diese Bestrebungen im
Wesentlichen auf nur klinisch beobachtete, gmnicht zur Obduction gelangte
Rlle. Es wird natürlich Niemand bestreiten, dass der von Stbümpell be¬
schriebene Prooess gel^ntlich auch einmal in den Augenmuskelkemen localisirt
sein kann, und dann klinisch ähnliche Erscheinungen machen wird, wie die
Polioencephalitis superior. Liest man d^gen die Beschreibungen des ana¬
tomischen Bildes von Webnicke und von Stbümpell, so muss man doch
sagen, dass es sich dabei auch anatomisch wohl um ähnliche, aber keinesw^
am identische Processe handelt. Stbümpell fand in seinen Fällen sowohl in
den Gefassscheiden, als auch &ei im Gewebe herdförmige Ansammlungen von
Randzellen, von denen Webnicke nichts erwähnt; andererseits waren in den
WiBNicKB’schen Fällen zahlreiche Eömchenzellen vorhanden, während Stbüm¬
pell solche nicht gefunden hat. Das sind doch Unterschiede, die nicht ohne
weiteres ignorirt weiden können. Vollends kann man sich bei einigen der in
neuerer Zeit publicirten Fälle des Eindrucks nicht erwehren, dass da auf äussere
Aehnlichkeit hin ganz verschiedenartige Dinge zusammengestellt worden sind.
Die Verschiedenheit der klinischen Erscheinungen auf dem Gebiete des Nerven-
Systems kommen dabei natürlich weniger in Betracht, weil diese sich that-
sächlich durch die verschiedene Localisation meist hinlänglich erklären lassen.
Wich^r sind schon Abweichungen in der Dauer der Erkrankung, vor allem
aber der Umstand, dass in manchen Fällen das Fieber völlig fehlte, welches in
allen typischen Fällen hoch und anhaltend war. Ausserdem finden sich aber
auch bedeutende Unterschiede im anatomisdien Befunde; Kömchenzellen, sowie
Bundzellenberde wurden bald sehr zahlreich gefunden, bald ganz vermisst; die
Nenrenelemente ^den die einen ganz intact, während die anderen mannigfidtige
Veränderungen daran beschreiben; am Gefasssystem worden bald aneuiysmatische
Erweiterungen, bald Schwellung der Endotbelien, häufig auch gar keine Ver¬
änderungen constatirt Sehr au^Uig ist ferner der in mehreren Fällen erhobene
Befand von umfangreichen Venenthrombosen, die sich zuweilen bis in die Sinns
hinein erstreckten und selbst grosse Theile dieser letzteren mitergriffen batten.
Unwillkürlich denkt man bei solchem Befund an die Möglichkeit, dass die
Sinosthrombose das Primäre sein könnte, und die Veränderungen in der Him-
substanz einfach als nekrobiotische Processe in Folge von Stauung au&ufassen
wären. Denn es ist eine alte Erfahrung, dass, wenn durch Verschluss der ab¬
fahrenden Venen der Bluiabfluss von einer Gehimpartie ganz abgeschnitten
wird, nicht allein Stauungshyperämie und ödematöse Durchtränkung der Him-
sobstanz die Folge ist, sondern auch nicht selten capilläre Blutungen in grosser
Zahl entstehen, ln solchen Fällen kann nur die mikroskopische Untersuchung
46*
■' Google
i m ' •
724
nähere Aofklärnng geben, und gerade der inikT 08 kopis<^e Befand ist in vielen
neueren Publicationen nur ganz summarisch mitgetheilt worden. Es wird da¬
durch die Gefahr nahe gelegt, dass die längst festgestellte Grenze zwischen
primärer Enteündui^ einerseits und Nekrobiose in Folge Girculationsstörnng
andererseits wieder verwischt werden könnte.
Wir haben vor einher Zeit in Andernach einen Fall obduoirt, dessen
pathogenetische Auffassung gerade in dieser Hinsicht anfangs gewisse Schwierig¬
keiten machte.
Die Kranke, welche bei ihrem Tode 52 Jahre alt war, litt bereits seit
einigen Jahren an Paranoia. In der Ascendenz war keine Belastung nach¬
weisbar; von ihren 6 noch lebenden Kindern leidet ein Sohn an Epilepsie, ein
anderer an Paranoia; die anderen sollen gesund sein. — Sie erkrankte an
Paranoia im Anschluss an den Eintritt des Klimakterimns, nachdem sie früher
immer gesund gewesen war. Zuerst war sie etwa Jahre lang in der Anstalt
gewesen, war dann, nachdem die Errang nacl^elassen hatte, versuchsweise
nach Hause entlassen worden, musste aber schon nach wenigen Monaten der
Anstalt wieder zugefuhrt werden. Sie war jetzt unter dem Einfluss lebhafter
Hallucinationen zeitweise ausserordentlich gereizt und misstrauisch, vermutbete
dann stets Gift im Essen und nahm wochenlang nur die allemothwendigste
Nahrung, während sie zu anderen Zeiten ganz umgänglich sein konnte. Eine
solche Periode der Gereiztheit begann auch wieder Ende Juni; sie sass mürrisch
und nntbätig in der Ecke, gab auf Anreden keine Antwort, schimpfte hinter
den Aerzten her, nahm nur äusserst wenig Nahrung, weil Gift darin sei, und
begann sichtlich abzumagem. Da legte sie sich plötzlich am 6. Juli still¬
schweigend zu Bett, ohne über irgend etwas zu klagen. Dem hinzugemfenen
Arzt gab sie auf sdne Fragen gar keine Antwort, war gänzlich unzugänglich,
wie sie es in den letzten Wochen überhaupt gewesen vrar. Sie lag zusammen-
gekrümmt da mit kühlen Extremitäten, etwas geröthetem Kopf und mürrischem
Gesichtsausdmck. Eine Untersuchung liess sie nicht zu. Der mürrisohe Aus¬
druck verscbwmid nach und nach, sie wurde sichtlich benommener. Abends
gegen ÜVs Uhr traten Krämpfe in der ganzen linken Körperhälfte ein; clonische
Zuckungen in Arm und Bein und in der linksseitigen Gesichtsmusknlatur; der
Kopf war nach links gedreht, die Bulbi nach links verzogen. Die linke Pupille
war stecknadelkop^gross, die rechte maximal erweitert, jedoch war an beiden
noch Reaction auf Licbtreiz nachweisbar. Abends gegen 8 Uhr kamen Znckungeu
im rechten Arm und in der rechtsseitigen Gesichtsmusknlatur hinzu, während
das rechte Bein frei blieb. Die Herzaction war ansserordentdioh beschleunigt,
der Puls gespannt; die Körpertemperatur war nicht erhöht Die Kramp&nflUle
dauerten mit Unterbrechungen die ganze Nacht hindurch, das Bewusstsein blieb
dauernd aufgehoben. Am anderen Morgen bei der ärztlidien Visite erschien
sie bereits moribund, der Puls war noch weiter beschleunigt und fadenförm^,
die Athmung schnarchend und nach Cheyne-Stokes’scbem Tjpua Gegen
10 Uhr trat der Tod ein.
Die Obduction wurde 24 Stunden nach dem Tode ausgeführt Der Inhalt
Google
725
der Schädelhöhle war ausserordentlich blutreich; die Sinus enthielten reichlich
dunkeln Cruor, nirgends Thromben; die Gefasse der Dura waren stark gefMt
und vorspringend. Die Fia war im Allgemeinen zart, ihre Gefasse prall gefüllt
mit flüssigem Blute. Ueber dem rechten Soheitellappen, nach vom bis fast an
die Centralfurche, nach hinten über die Occipitalwindnngen hin sich erstreckend,
war die Fia diffus blutig tingirt und gequollen und konnte nicht ohne Substanz-
verlost von der Himoberflache abgezogen werden. Die venösen Geiasse der Pia
waren im ganzen Bereiche dieser Yeränderung und stellenweise auch noch
darüber hinaus fest thrombosirt Auf einem Einschnitt erwies sich die Hirn-
Substanz stark geröthet und voiquellend, die Binde fast violettroth und von
massenhaften kleinsten dunkelrothen Blutpünktchen durchsetzt Diese waren
last ausschliesslich auf die Binde beschränkt, in der Marksubstanz sah man nur
noch vereinzelte kleine Blutungen in der nächsten Nachbarschaft der Binde.
Ein ähnlicher Herd, dessen Umfang etwa die Grösse eine Zweimarkstückes
errmchte, be&nd sich auf der linken Hemisphäre am oberen Ende der Central¬
furche, za beiden Seiten der letzteren, so dass die oberen Enden beider Gentral-
windungen ei^^en waren. Auch hier waren die Venen thrombosirt, die Pia
blutig dorchtränkt, die Himsubstanz geröthet und weich, in der Binde massen¬
haft kleinste Blutungen.
Von der weiteren Zerl^ng des frischen Gehirns wurde Abstand genommen
und dasselbe zum Zwecke genauerer Untersuchung in Formol conservirt
Von dem sonstigen Obductionsbefnnd ist ausser einem geringen Grad von
Lungenempbysen und massigem Atherom der Brustaorta nur noch der Nieren¬
befund von Bedeutung. Die Kapsel löste sich nur schwer von der Niere, die
Nierenoberfläche war von grobkörniger Beschaffenheit; die Grösse des Organs
entsprach etwa der Norm. Auf der Schnittfläche erwies sich die Binde als
etwas verschmälert und gelblich getrübt. Mikroskopisch fand sich Eemwuchemng
um die Glomeruli und Trübung und Schwellung der Epithelien der gewundenen
Hamcanälchen.
Die spätere Zerlegung des conservlrten Gehirns ei^b ausser den beiden
erwähnten Herden keine weiteren Veränderungen. Die am frischen Gehirn sehr
starke Hyperämie auch der nicht erkrankten Partieen ist am gehärteten Präparat
nicht mehr deutlich. Die erkrankten Partieen, die im frischen Zustande dunkel-
roth waren, haben unter dem Einfl uss der Conservimi^sflössigkeit theilweise
einen schwärzlichen Farbenton angenommen, auf dessen Ursache später noch
zaräckznkommen sein wird. Man erkennt in der Binde deutlich zahllose
kleinste Blutpünktchen, die an einzelnen Stellen sich auch in die Marksubstanz
erstrecken, wodurch die B^enzung der Binde stellenweise etwas verwaschen
ist An einigen Stellen sind die Blutungen auch etwas grösser, bis Stecknadel-
kop^ross. ln der Marksubstanz treten deutlich einige durchschnittene throm-
boeirte Gefasse hervor. Hier und da sieht man auf einer Schnittfläche in der
Marksubstanz eine kleine, unregelmässig gestaltete Höhle mit fetziger Wandung,
den Durchschnitt eines kleinen Erweichungsherdes, dessen Inhalt ausgefallen ist
Solcher kleinen Herde fonden sich in der Marksubstanz mehrere.
Dig'H^cd Dy Google
726
Zum Zwecke der mikroskopischen Untersuchui^ wurden einige Stücke theils
in MüLiiBB’soher Lösung, theils in Alkohol nachgehärtet An Cs^minpräparatea
heben sich die frischen Blutungen durch ihre gelbliche Farbe deutlich ab; sie
sind grösstentheils so klein, dass man in einem Qesicditsfeld eine grosse Anzahl
derselben vor sich hat Sie liegen zum TheU innerhalb der Gefissscheiden nnd
sind dann in diesen auf längere Strecken hin zu Terfolgen; theilweise sind sie
in das Gewebe durcl^ebrochen und haben dort mehr oder weniger umfangreiche
Zerstörungen bewirkt Auch in der Marksubstanz, an Stellen wo makroskopisdi
nichts erkennbar ist, finden sich noch kleine Blutungen, meist Ton langges^anokter
Form in der Richtung des Faserverlaufs. An den meisten Stellen sind die
Blutkörperchen in diesen Hämorrhagieen nach Form und Farbe gut eriialten
und mit rdati? zahlreichen Leukocjten untermischt An anderen Stellen sind
dagegen die Blutkörperchen abgeblasst und hier und da auch in der Form nicht
mehr ganz r^lmä^, und an diesen Stellen findet sich auch eigenthüm-
liches Pigment, welches die auch makroskopisch schon hervortretende schwüi-
liche Färbung dieser Partieen bedingt, und welches aus ganz sdiwarzen nindra
Körnchen besteht; zum Theil sind diese Körnchen r^Uos durch das Gewebe
zerstreut; anderntheUs sind sie in runde Zellen eingeschloesen, welche viel&di
vollständig damit ausgefüllt sind, und welche sich in grosser Zahl sowohl in
den Hämorrhagieen, als auch innerhalb thrombosirter Ge&se befinden; in diesen
Thromben ziehen sich auch lange, ans dichtgestellten schwarzen Körnchen zu«
sammengesetzte Streifen zwischen den Blutkörpendien hin, und auch in den
Zellen der innersten Schicht der Gefasswandungen ist solches körniges Pigment
at^lagert; stets sind an diesen Stellen auch zahlreiche Ganglienzellen mit
solchen schwarzen Kömdien dicht überlagert ln der Litteratur finde ich nnr
bei Nauweuoe^ einen ähnlichen Befund erwähnt, welcher zugleich auch der
einzige ist, der sein Präparat in Formel conservirt hat; er nimmt an, dass es
sich um Fett handelt, das unter dem Kinfluss des Formols in eine schwarze
Verbindung übe^egangen ist Sicher ist, dass die schwarze Farbe erst durdi
die Conservirung entstanden ist, denn in frischem Zustand war die Farbe der
befallenen Partieen rein dunkelroth. Man könnte höchstens zweifeln, ob es
sich wirklich um Fett oder um ein aus dem Blutfarbstoff stammendes Pigment
handelt, das durch Formol so verändert wird; der Umstand, dass sich diese
Gebilde hauptsächlich in Blutherden finden, deren Blutkörperchen mehr oder
weniger abgeblasst sind, würde eher für letztere Möglichkeit sprechen. Das
Aussehen der mit Pigment erfüllten Zellen ist allerdings ganz das von F^
kömchenzellen, und auch die runde Form der einzelnen Körnchen weist darauf
hin, sie als Fetttröpfchen an&ufassen. Oer Befund dieser Körnchen in den
Endothelzelleu der Gefasse würde dann eine fettige Generation dieser Zellen
bedeuten.
In allen erkrankten Theilen sind die sehr zahlreichen Capillaischlingen er>
weitert und prall gefällt. Die Venen sind meist durch weisse Thromben ans-
' Deatsebe m«d. Wocheiucbr. 1695.
,Googlc
727
gefüllt, in denen die WEioEBT^sohe Färbung ein feines Fibrinnetz nachweist,
worin gut erhaltene Leukocyten eii^escbloBseu sind; auch ein grosser Theil der
Capillaren ist thrcnubosirt. An den Gefösswandnngen waren, abgesehen yon den
erw^ten P^mentabli^ermigen, keine Veränderungen aufzofinden, nur hier
und da erschienen die Endothelkeme der Capillaren aulfoUend gross und blass.
Viel&ch sind kleinere Gefösse mit dichten Bundzellenansammlungen überlagert,
durch welche die Ljmphsoheide yollstandig ansgefüUt ist; die einzelnen Bund¬
zellen sind ziemlich gr(»8, ihre Kerne gut färbbar, sehr mannigfaltig in der
Form, riele enthalten auch mehrere Kerne, ln der nächsten ümgebung der
erkrankten Partieen, wo keine Blutungen mehr vorhanden sind, ist eine diffuse
Vermehrung der Kerne in den unteren Bindenschichten vorhanden, ohne dass
es hier zu herdförmigen Ansammlungen von Zellen gekommen wäre. Die Kerne
sind hier durchw^ rund bis oval, gut färbbar und meist reihenformig augeordnet
Es wurde bereits erwähnt, dass in der Marksnbstanz, unterhalb der erkrankten
Bindenpartieen, einige kleine Erweichungdierde vorhanden waren; mikroskopisch
erkennt man noch eine grössere Anzahl solcher Herde von kleinsten Dimensionen.
Neben Detritus und Blutkörperchen enthalten diese Herde auch ziemlich grosse
Bandzellen mit schönem runden Kern; die gleichen Zellen finden sich auch
noch ziemlich zahlreich in der Wand solcher Herde. — Bakterienfarbungen
fielen in allen Theilen n^tiv aus.
An den nervösen Elementen sind die Veränderungen ziemlich beträchtlich.
Die Nervenfasern sind in den erkrankten Partieen durchweg varicös aufgetrieben
oder auch in unregelmässige Schollen und Tropfen zerfallen. Die Tangential-
fasem sind an den meisten Stellen ganz geschwunden, nur hier und da findet
man noch einzelne varicös gequollene Fasern. Unveränderte Ganglienzellen sind
in den erkrankten Theilen nur vereinzelt aufzofinden; die meisten sind ge¬
schrumpft, ihr Kern undeutlich, die Fortsätze verkümmert; vielfach findet man
auch nur leere Lücken, die wenig Detritus und körniges Pigment und an der
Wand einen runden Kern enthalten. Die Ueberl^^emng vieler Ganglienzellen
mit schwarzem Pigment wurde bereits erwähnt.
Auch in der Pia finden sich zahlreiche kleinere und grössere Blutungen,
durch welche die Maschen stellenweise dicht ausgefüllt sind. Die grossen Venen
der Pia enthalten gemischte Thromben, durch welche ihr Lumen vollständig
au^effillt wird. In den rothen Schichten ist die Form der einzelnen Blut¬
körperchen verwischt, die ganze Masse diffus braunroth gefärbt; dazwischen
finden sich zahlreiche der erwähnten schwarzen Kömchenzellen und Streifen.
Die weissen Schichten bestehen aus dichten Zügen von Fibrinfasem; dazwischen
sind zahlreiche Leukocyten eingelagert, deren Kerne sich nur unvollkommen
färben und meist schon in mehrere Theile zerfallen sind. In den Endothel¬
zellen findet sich auch hier das erwähnte schwarze Pigment, sonst weisen die
Gefasswandungen keine Veränderungen auf.
Von den SxBüMPELL’schen Beobachtungen ist dieser Fall wesentlich ver¬
schieden. In jenen handelt es sich um eine primäre Entzündung der Him-
substanz, die unter hohem Fieber in mehreren Tagen tödtlich verlief. Spätere
r..,Googlc
728
BeobachtuDgen, besonders die aus Leiohtbhstbbm’s und Fübbbinqeb’s Ab¬
tbeilungen stammenden Veröffenüichui^en, haben dann den häufigen Zusammen¬
hang dieser Erkrankungsform mit der Influenza da^ethan, und OppEMHEOf hat
zuerst nachgewiesen, dass dieselbe keineswegs immer tödtlioh ist, sondern zu¬
weilen auch in Glenesung fibe^hen kann. Letzteres geht aus Fällen hervw,
in denen die klinischen Erscheinnngen übereinstimmten mit denen solcher
Fälle, welche durch Obduction aufgeklärt wurden, so Haas also die Diagnose bä
Lebzeiten mit Sicherheit m^lich war. Wir haben ee also dabei mit einer
acuten Infectionskrankheit zu thun, die häufig im Anschluss an Influenza, za-
weilen im Anschluss an andere Infectionskrankbeiten, und in manchen Fällen,
wie es scheint, ganz selbständig auftritt, und welche sowohl klinisch wie ana¬
tomisch ein wohlcharakterisirtes selbständiges Krankheitsbild darstellt. — Dass
die WBBNiCEE’sche Folioencephalitis superior sowohl klinisch wie anatomisch
hiervon verschieden ist, wurde schon erwähnt; diese ist keine Infectionskrankheit,
sondern wahrscheinlich durch Intoxication bedingt, verläuft klinisch ohne Fieber,
anatomisch treten die eigenüich entzündlichen Erscheinungen g^nüber den
degenerativen Processen mehr in den Hintergrund.
Endlich giebt es eine kleine Anzahl von F^en, die von beiden Formen in
wesentlichen Punkten abweichen nnd nur auf die Aehnliohkeit des anatomischen
Bildes hin ohne genauere Untersuchung jenen hinzngerechnet worden sind.
Auch unser Fall zeigt grob anatomisch eine grosse Uebereinsthnmnng mit
den Schilderungen der Autoren. Aber sowohl der klinische Verlauf, wie auch
das Resultat der mikroskopischen Untersuchung weisen auf eine andere Auf¬
fassung hin. Es kann wohl nicht bezweifelt werden, dass das Primäre in diesem
Falle die Yenenthrombose ist, an welche sich die Veränderungen in der Him-
substanz erst secundär angeschlossen haben. Allerdings sind ja in der Him-
substanz zweifellos entzündliche Erscheinungen vorhanden. Aber es ist ja schon
durch die oben erwähnten FBzsDMAim’schen Thierexperimente nachgewiesen
worden, dass durch einfach mechanische und aseptische Reize in der Himsubstanz
entzündliche Erscheinungen hervorgemfen werden. Der durch die zahlreichen
capillären Blutergüsse bedingte mechanische Beiz würde also zur Erklärung
dieser Entzündungserscheinungen genügen. Andererseits ist die Annahme, dass
die Thrombose in den kleinen Gelassen als Folge der Entzündung b^onnen
und sich von da auf die grosseren Venen fortgepfianzt haben könnte, dadurch
mit Sicherheit auszuschliessen, dass die kleinen Qeßsse in der Himsubstanz
ganz irische Thromben mit gut erhaltenen Blutelementen enthielten, während
die Thromben in den Venen der Pia sich ans Elementen zusammensetzten, an
denen schon beträchtliche Zerfallserscheinungen nachweisbar waren. Es folgt
daraus, dass diese Thromben die älteren sind. Fraglich bleibt es allerdings,
aus welcher Ursache diese Venenthrombose entstanden ist. Ein eigentlicher
Marasmus, der zur Venenthrombose hätte disponiren können, war nicht vor¬
handen. Allerdings hatte die Kranke einige Zeit ungenügend Nahrung ge¬
nommen und magerte ab; aber der Eroährongs- und Kiäftezustand war doch
immer noch so gut, dass eine künstliche Ernährung noch gar nicht in Auasicbt
Dig g/cd c/
Google
729
genommen war. Es wäre denkbar, dass das beginnende Nierenleiden in Yer>
bindung mit der mangelhaften Ernährung gewisse Yeianderungen des Blutes
bewirkt hatte, wodurch dessen Gerinnbarkeit erhöht wird. Als looale Ursache
könnte die erwähnte Yerändemng in den Endothelzellen in Betracht kommen,
welche wohl als fettige Degeneration dieser Zellen aufgefasst werden muss.
Der klinische Yerlauf stimmt mit dem Befunde gut ftberein; die Looalisation
der beiden Herde entspricht genau der Yerbreitung der im Leben beobachteten
Beizerscheinungen. Auch der rapide Yerlauf erklärt sich leicht; denn eine
Thrombose in den verhältnissmässig kleinen Yenen der Pia muss in kurzer Zeit
zu völligem Yerschluss fuhren; es wird dadurch b^eiflicb, dass schon in wenigen
Stunden die schwersten Erscheinungen ausgebildet waren.
Es wäre müssig untersuchen zu wollen, inwiefern manche der als primäre
hämorrhagische Encephalitis beschriebenen Fälle vielleicht auf ähnliche Ursachen
Zurückzufuhren sind. Jedenfalls lehrt unser FaU, dass primärer Yenenverschluss
ein ganz ähnliches anatomisches Bild berrorbringen kann, wie jene. Das Fehlen
von Fieber und der Befund von Yenenthrombosen wird stets an eine solche
Möglichkeit denken lassen. Sichere Entscheidung ist aber nur durch mikro¬
skopische Untersuchung möglich.
[Aus dem Laboratorium von Prof. Dr. Mendel.]
2, Ein Fall von Worttaubheit nach Basisfractur.*
Von Dr. U. Bloch und Dr. M. Bielsohowsky
in Berlin in Berlin.
Der 45jähr. Kutscher K., mässiger Potator, früher im Wesentlichen ge¬
sund, verunglückte am 17. Mai 1896 in Folge eines Fehltrittes beim Absteigen
vom Eutscherbock. Er stürzte zu Boden und schlug mit der linken Seite des
Schädels auf das Strassenpflaster auf. Es trat sofort vollkommene Bewusstlosig¬
keit ein, Pat blutete aus Nase, Mund und Ohren. Nach etwa einer Yiertel-
stunde kehrte das Bewusstsein zurück, Pat. erbrach, erholte sich aber in kurzer
Zeit soweit, dass er zu Fuss erst einen etwa viertelstündigen Weg zum Arzt
und von da noch etwa 20 Minuten Weges nach seiner Behausung zurücklegen
konnte. Zu Haus angelangt, nahm er mit den Seinigen bei scheinbar völligem
Wohlbefinden das Abendbrot ein, las die Zeitung, unterhielt sich über deren
Inhalt, ohne dass irgend welche Störungen auffielen und verbrachte die Nacht
ruhig schlafend.
Im Laufe des nächsten T^es fiel den Angehörigen, ohne dass Pat. irgend
welche Klagen äusserte, auf, dass Fat. anscheinend schwer hörte. Diese ver-
■ Nach einer Demonstration in der Berliner Gesellecbaft fSr Psychiatrie und Nerven-
kraokheiten in der Sitzung vom 11. Jnli 1898.
n Google
730
meintliche Sohwerbörjgkeit nahm im Laufe des 18. und 19. mdir und mehr zu,
gleichzeitig wurde bemerkt, dass Pat weniger spontan sprach und bisweileu
Worte Terstümmelt oder entstellt herausbraohte. Am Abend des 19. sah de
eine Ton uns (Bloch) den Fat und erhob fo^nden Status: Kräftiger, sehr
muskulöser Mann. Gesicht lebhaft geröthet G^ane der Brust- und Bauch¬
höhle ohne pathol(^chen Befund. Kein Fieber. Deutliche Arteriosklerose de
peripherischen Arterien. Puls constant verlangsunt, 54—60 in der Minute,
r^elmässig, stark gespannt Bespiration normal. An den Himnerren keineriei
Storung, ebensowenig in der Motilität und Sensibilität des Rumpfes und da
Extremitäten. Sehnen- und Hautreflexe ohne pathologische Merkmale. Ai^eo-
hinteigrund normal, die otoskopische Untersuchung ergiebt beiderseits eine u-
nähernd horizontal verlaufende Ruptur des Trommelfells; der äussere Gebörgaug
enthält beiderseits spärliche Blutgerinnsel und etwas serös-sanguinolente Flössig-
keit Hemianopsie ist, soweit die gleich zu erörternde Schwierigkeit, sich mit
dem Pat zu verständigen, die diesbezügliche Untersuchung zulässt, nicht zq
constatiren.
Bei der Untersuchung der Hörfahigkeit des Kranken wurde es si^ort klar,
dass dieselbe so gut wie vollkommen, auch für feinere Geräusche erhalten war;
dag^n verstand Patient auch nicht ein einziges zu ihm gesprochenes Wort;
selbst ganz banale Fragen: „Wie heissen Sie?“ ,rWie geht es Ihnen?“ werdeo
entweder gamicht beantwortet, oder der Pat sagt irgend etwas mit der gestellten
Frage in keinerlei Beziehung stehendes. Dabei ist die spontane Sprache, ab¬
gesehen davon, dass Pat spontan überhaupt sehr wenig spricht, zum Theil ganz
gut erhalten, zum Theil aber auch durch deutliche paraphatische Erscheinungen
verbaler und literaler Art gestört Von einer Pruiüi^ der Lese- und Schreib-
föhigkeit wurde mit Rücksicht auf die Schwere der Affection — konnte es sich
nach Entstehung und Verlauf der Erkrankung doch nur um die Folgoustände
einer Basisfractur handeln — Abstand genommen.
Im Laufe der nächsten 2 Tage trat eine wesentliche Aenderung des Zu¬
standes nicht ein, insofern als neue Lähmungs- bezw. Ausfallserscheinungen nicht
beobachtet wurden; nur die Sprachstörung nahm mehr und mehr zu; ^t sprach
spontan fast gamicht mehr; that er es, so traten die paraphatischen Störnngen
mehr und mehr in den Vordergrund, so dass er schliesslich fast völlig unver¬
ständlich war. Dieser Befund wurde am 21. erhoben, neue Erscheinungen ver¬
mehrten Hirndmcks konnten nicht constatirt werden, Fat war bei klaron
Bewusstsein, vollkommen orientirt, schien, da er sich öfter an die Stirn ^sste,
Kopfschmerzen zu haben; er reagirte, was nochmals bervorgehoben werden mag,
auf alle Geräusche.
Mit Rücksicht auf das langsame Entstehen der Affection, den progredienten
Verlauf und die constant nachweisbare Pulsverlangsamung wurde an ein durch
das Trauma verursachtes subdurales Hämatom über dem linken Schläfelappen
gedacht und die Eventualität eines operativen Eingriffs erwogen. In der Nacht
vom 21. zum 22. Mai traten indess ohne irgend welche Vorboten plötzlich oortical-
epileptische An^e auf. Unter brüsker Drehung des Kopfes nach links ge-
.,Googlc
731
netben die reohtsseit^en Extremitäten und die rechte Oesichtshälfbe in heftige
clonische Zuckungen. Pat. verlor das Bewusstsein, es trat stertor^es Atbmen
ein. Die ersten S Anfälle dauerten einige Minuten und Pat. erholte sich jedes
Mal danach. Während des 4. Anfalles, der von längerer Dauer als die voran-
g^^angenen war, trat plötzlich der Exitus ein.
Die SO Stunden p. m. von uns gemeinsam ausgeffthrte Section musste sich
auf die Herausnahme des Gehirns beschränken und e^b folgenden Befund:
Uebermittelgrosser, sehr kräftiger, männlicher Leichnam. Todtenstarre.
Beim Umdrehen der Leiche fliesst aus dem rechten Ohr etwas sanguinolente
FIfisagkeit Nach Ablösung der Haut vom Schädeldach zeigt sich über dem
linken Proc. mastoideus eine seichte Impression.
Tom rechten Proc. mastoideus senkrecht nach aufwärts zieht ein leicht
gelK^ener Bruch von etwa 3 cm Länge, der sich nach hinten bc^nförmig fort¬
setzt, so dass an der Schuppe des Os temporale ein etwa dreiseitiges Knochen-
stück nach dem Schädelinneren imprimirt ist Die Fissur markirt sich durch
Blutgerinnsel, über ihr ist der Knochen mit der Dura verwachsen. Sie setzt
sieh, wie nach Lösung der Dura von der mittleren Schädelgrube zu sehen ist,
in eine Fissur fort, die über die vordere obere Fläche der Pyramide des Os
petrosum hinw^ bis zur Spitze desselben führt; letztere ist in eine Anzahl von
Splittern zertrümmert und in Folge dessen ist eine Impression der Pyramide
entstanden, in die man die Zeigefingerknppe hineinlegen kann.
Links befindet sich in der Mitte der mittleren Schädelgrube an der Grenze
des kleinen Keilbeinflügels und der Pyramide dee Os petrosum eine etwa mandel-
groese Hervorwölbung der Dura von prall elastischer Consistenz, die flnctuirt
und von einem Coagulum gefüllt ist Nach Lösung der Dura wird auch hier
eine Fissur des Knochens constatirt, die von der Impression des Ganglion
Gasseri über vordere und obere Fläche der Felsenbeinpyramide hinwegzieht
Auch hier handelt es sich um einen Splitterbruch.
Der Perus acusticus ist beiderseits frei, de^leichen vordere und hintere
Schädelgrube.
Die Gefösse an der Basis des Gehirns sind deutlich atheromatös. Starke
venöse Hyperämie. Pia leicht abzulösen.
Ueber dem linken Schläfelappenpol erscheint die Pia schwarz gefärbt und
die unter ihr liegende Gehimsubstanz (L Schläfenwindung) in eine weiche, gleich-
mäasig schwarze Masse verwandelt
Das Gehirn wurde nun in toto in Formel gel^ und gehärtet.
Nach der Härtung erweist sich die eben genannte schwarze Masse als etwa
kirschgioss. Sie reicht etwa 2 cm weit nach hinten und ist zunächst scharf auf
den Bereich der TI b^frenzt Bei der Anl^ung von Frontalschnitten durch den
linken Schläfelappen in einer Entfernung von etwa 1 cm voneinander sieht man,
wie dieser Herd den Bindensaum der oberen Schläfenwindung bald verlässt und
auf das Marklager derselben hinüberzieht und dass er in seinem weiteren Ver-
lauf nach hinten die Neigung, sich etwas basalwärts zu senken, bat 4 cm vom
linken Schläfepol nach hinten gemessen hat er auch das Marklager des Gynis
- . ^vGooglc
732
temporalis medias in seinen Bereich gezogen. Noch 1 cm caadalwärts hat der
Herd seine grösste Ausdehnung erreicht; er nimmt hier den lateralen Bezirk
im Mark des Schläfelappens ein, so dass er im Wesentlichen auf den Gyms temp.
sup. und medias zu beziehen ist; das Marklager des Gyros occipito-temporalis,
welcher hier auf den Frontalschnitten mitgetroflen ist, ist hrei. Das Aussehen
des Herdes ist hier ein anderes als vom an der Spitze des Schläfenlappens. £r
hat jetzt nicht mehr die gleichmässig schwarze, sondern eine schiefergraae Farbe,
nur in seinem basalen und lateralen Theile sind zahlreiche schwarze, von einander
scharf getrennte Punkte sichtbar; unmittelbar an der Grenze der ersten Schläfe-
windung, in einem Gebiet, das eigentlich nicht mehr dem Herde selbst angehört,
sind derartige Punkte gleichfalls vorhanden. Im weiteren Verfolg nach hinten
nimmt jetzt der Herd sehr rasch an Ausdehnung ab. Er zeigt immer noch die
Neigung sich basalwärts zu senken, rückt dabei ganz in das Marklager der
II. Schläfewindung und endet mit seinem letzten Ausläufer an der Grenze von
Mark und Binde der III. Schläfewindung (vgl. Fig. 1).
Die mikroskopische Untersuchung (Eemfarbungen Nissl) ergab folgenden
Befund:
An der Spitze des linken Schläfelappens*sind entsprechend dem nu^rosko-
pischen Aussehen keine Spuren von Gehiragewebe mehr zu entdecken; es li^n
hier rothe Blutkörperchen dicht nebeneinander, die zum grössten Theil bereits
zu einem schwarzbraunen, theils staubigen, theils bröckeligen Pigment (Haema-
tosiderin) zerfallen sind. Zwischen den Blutkörperchen finden sich Beste der
von diesem Pigment dicht durchsetzten Gefässwände, an denen die feinere Structor
nicht mehr erkennbar ist Auch die Pia ist von dem Pigment so stark erfüllt)
dass ihre Gewebselemente von ihm verdeckt werden. Etwa 3 cm caadalwärts
ist das mikr(skopische Bild der Blutung ein anderes. An einem Schnitt aas
Google
dieser Hohe siebt man schon bei Lapenvei^össeruiig (vgL Fig. 2), dass der Herd
nicht mehr ein continuirliches Ganzes bildet, sondern sich aus einer grossen
Zahl kleiner rundlicher Herde zusammensetzt, die stellenweise mit einander con-
fluiren. Die Blutkörperchen sind hier besser erhalten, wenngleich das schwarz-
branne Pigment sich auch hier aus ihnen abzuscheiden an^gt In den meisten
der kleinen Herde liegt central ein quergetroffenes Geföss, das mit Blutkörperchen
strotzend gefüllt ist. Die Gef^wände lassen, obgleich Yon Pigment durchsetzt,
die normale Stmctur erkennen; Continuitatstrennuugen werden nirgends an ihnen
gesehen. Einzelne dieser Gefösse enthalten ausschliesslich Leukocyten, die zum
Theil auch in die Wand selbst eingedmngen und stellenweise auch in dem
Gewebe der Nachbarschaft in kleinen Haufen sichtbar sind. Dieses Aussehen
behält der Herd bis in seine letzten Ausläufer bei.
Die Nervenzellen in der Rindenzone der I. und H. Schläfenwindung, welche
in den Bereich der Blutung gehören, zeigen nach Nissl sämmtlicb eine sehr
geringe Färbbarkeit; die feinere Differenzirung der protoplasmatischen Substanzen
ist verwischt; der Zellleib hat ein gleichmässig blasses Aussehen. Ebenso ist
die äussere Form der Zellen zumeist unscharf. An vielen Stellen sind nur noch
Reste von ihnen vorhanden in Form kleiner mit gelblichem Pigment erfüllter
Kügelchen. In dem mittleren und hinteren Theile der I. und II. Schläfenwindung,
welcher von der Blutung nicht betroffen ist, sind auch Zellveränderungen in der
Rinde nicht nachweisbar. Ebensowenig Hessen sich Veränderungen an den Zellen
des linken Corpus geniculatum intemum nach der NissL’schen Methode nach-
weisen.
Es handelte sich somit in dem mitgetheilten Falle klinisch um das Bild
einer uncomplicirten Worttaubheit (sensorische Aphasie), uncomplicirt insofern,
als trotz des sehr erheblichen Traumas anderweitige Lähmungssymptome völlig
fehlten.
Google
734
Einige Aofmerksamkeit verdient das allmähliche nnd erst einige Zeit nadi
dem Unfall das anscheinende Wohlbefinden des Pat störende Einsetzen der
Symptome. Indessen bandelt es sich wohl nicht um eine sogenannte SpatiqM-
plexie, vielmehr spricht das mikroskopische Bild der Blutung daffir, dass unter
dem directen Einfloss des Traumas und der durch dasselbe gesetzten schweren
Knochenverletzungen eine Zerreissung einiger kleiner Aeste der Arteria fossae
Sylvii sin. stattgefunden und zunächst eine kleine Hämorrhagie in die Spitze
des Schläfenlappens zur Folge gehabt hat Prädisponirend für diese Zerreffisung
hat möglicher Weise die fdlgemeine Arteriosklerose gewirkt Da, wo die Blutung
sich im Marklager der 1. und IL Schläfenwindung aus den kleinen punktförmigen
Herden zusammensetzt, entspricht sie in ihrem Aussehen einem hämorrhagüdien
Infarct Hier ist ihre Entstehung wohl erst seeundär durch die Thrombose der
ursprünglich iädirten Gefiisse bedingt worden. Dass sich diese Infarcirung auf
das Versoi^ngsgebiet dieser Arterien innerhalb der weissen Substanz beschrankt,
ist darauf zuröckzuföhren, dass sie hier in Endäste auslaufen, während sie in
der grauen Kinde zahlreiche Anastomosen mit benachbarten Arterien eingehen.
Für die Localisation des Symptomenbildee der sensorischen Aphasie ist unser
Fall insofern von Interesse, als er beweist, dass auch eine Läsion der vorderen
Abschnitte der I. und IL Schläfenwindung das Bild der Worttaubheit hervor-
rufen kann und eine Plrkrankung der hinteren Partäeen dieser Windungen zum
Zustandekommen dieses Symptomes nicht unerlässliiüie Bedingung ist.
3. Nachtrag zu dem Aufsatz:
Nervenendigung in den Centralorganen.*
Von Dr. med. Leopold Auerbach.
Im weiteren Fortgang meiner Untersuchungen, die in etUchen von den
Henen Dr. Alzhbimeb und Dr. Sandeb mit liebenswürdigster Bereitwilligkeit
aufgenommenen Photogrammen' meiner Präparate eine werthvolle und sehr
dankenswerthe Förderung fanden, ist meine früher ausgesprochene Ansicht zum
weit überwi^enden Theil gefestigt, in dnem untergeordneten Ponkte ein wenig
modificirt worden. Ich darf beute mit einer jeden Zweifel aussohliessenden
Sicherheit behaupten, dass jene mir seit Langem bekannten Nervengespiunste,
welche Zellkörper wie Dendriten aller Orten einhüllen, in der That echte
Netze darstellen.
’ Neorolog. Ceotnlbl. 1898. Nr. 10.
* Wie za erwarteD, geben diese vorzBglicb gelnngenen Pbotogramme ein ganz aaden
naturwabres Bild als die immerhin acberoatiscbe Zeichnung, ,die bloss vom Ansatz der End-
knCpfchen einen Begriff vermitteln sollte, in der aber der Charakter des Netzwe^ niokt
genfigend zom Ausdruck gelangt.
./Google
736
Hierfür hatte schon in der bemerkenswerthen, aach Ton Held nach
etiichenSübeTimprägnationen herroiifehobenen Begelmässigkeit der Maschen,
auf das IJnzweidentigste aber in dem Typus ihrer Knotenpunkte den
Bel^ erblickt'
Diese pflegen nämlich, von der Fläche gesehen, von (nach aussen) concaven
Seitenlinien b^renzte Körper zu bilden und tot Allem erscheinen sie in höchst
charakteristischer Fwm als viereckige, von ausgeschweiften Seiten umrandete
Plättchen, die untereinander durch die von ihren Ecken ausgehenden IHserchen
in Yerbindung stehen.'
Abgesehen hiervon nun sind auch in den Photogrammen Iflckenlos
geschlossene Maschen mit voller Schärfe reproducirt
Zwischen den verschiedenen Gebieten besteht meinen nunmehrigen Er¬
fahrungen und Photogrammen zu Folge kein Unterschied, es handelt sich bei
der Ketzbildung um ein allgemeingültiges Gesetz, meine frühere An¬
gabe, wonadi den motorischen Zellen neben dem terminalen Nervennetz noch
isolirt bleibende Endbäumchen zukommen, erscheint mir demgemäss nicht länger
stichhaltig.
Bas Netzwerk der Azencylinderendignngen macht da, wo gedrängte Massen
von Zellen und Dendriten l^m (Hinterhömer, Molecnlarscdiicht des Kleinhirns),
einen ganz diffusen Eindruck, aber auch in Begionen, deren Zellen minder
gehäuft sind, glaubt man einen Zusammenhalt zwischen den Maschen be¬
nachbarter Zellen zu schauen. Es verbleibt jedenfalls die Aufgabe, volle Klar¬
heit darüber zu gewinnen, ob, bezw. in welchem Umfang innerhalb der grauen
Substanz eine Scheidung in einzelne geschlossene Endnetze statthat
Die Knötchen lagern in den Knotenpunkten der Maschen, sind überall
vorhanden, wie gesagt, von überraschend einheitlicher Gestaltung, in der Grösse
ein wenig wechselnd. Dort, wo ihre innere Structur deutlicher zu tritt,
lassen sie, wie mich insbesondere meine neuesten Studien über die Substantia
gelatinosa Bolando und die Moosfasem^ lehren, ein der homctenen Grund¬
substanz eingebettetes Netzwerk erkennen, in welchem sehr feine Fibrillen
in rundlich verdickten Knotenpunkten Zusammentreffen.
Wenngleich ich vorerst nicht in der Lage bin, den zwingenden Beweis zu
erbringen, dass ein jedes Knötdien zugleich mit der Oberfläche eines Zellkörpers
oder protoplasmatischeu Fortsatzes in Contact steht, also ein „Endknöpfchen“ ist,
* MoDfttBsehr. f. Psycb. a. Nearolog. 1898. Bd. IV. S. 35.
* Dem entspricht es, dass in den Knötchen, welche am Rande eines Zellqoerschnitte
faervortreten, gar nicht selten zwei divergirepde Fäserchen wnrzeln, oder, falls diese dnrch-
trennt sind, die Knötchen nach anssen in awei sich verschmächtigende Zacken aoslanfen.
* Nachdem ich daraof aufmerksam geworden, dass auch in den Änsohwellnngen der
Moosfasern die oben geschilderte typische Configoration bervortritt, mnss ich sie als locale
Anbänfnngen von „Endknöpfoben“ ansprechen, die, wie ich mit Hbu> nnd S. Mxtsr an-
nehme, den Contact mit den korzästigeo Endböscbeln der Kömerzelldendriten bersteilen.
Ea will mir aber scheinen, als ob dieees Azenoylinderendnetz nicht frei lagere, sondern einer
Masse, von der ich auch' anderwärts Andeotongen an finden glaobe and die möglicherweise
einen der Isolimng dienenden Kitt bildet, eingebettet sei.
Google
796
so neige ich doch sehr za dieser Annahme. Denn auch an Stellen, an welchen
die zugehörigen Dendriten nicht klar zu erkennen sind, gleichen die Enötdien
in allen Stücken den sonstigen, mit Endknöpfohen offenbar identischen Enotai-
punkten.
Was endlich die Ton Held supponirte Concrescenz anbelangt, so lehrt das
photographische Bild nicht weniger übeizeugend als die directe Betrachtung der
Präparate, wie eine scharfe Grenzlinie die Endknopfdien von der Zelloberfläohe
scheidet
11. Referate.
Anatomie.
1) Die seonndAre Aoostloiiabahii der Taube, von Adolf Wallenberg in
Danzig. (Änai Anz. 1898. Bd. XIY. 14.)
Der Verf. berichtet Aber üntersuchungseigebnisse (nach der Marchi’schw
Methode) am Gehirn einer Tanbe, bei welcher durch Stichl&sion aoeaer anderen Ge*
bieten der grösste Theil des grosszeiligen Cochleariskemes zerstört worden war. Ton
diesem Kerne waren degenerirte Fasern nach zwei Richtungen verfolgbar. Ein Theil
wendet sich medialwärts und endet in der Un^ebnng des kleinzelligen Kernes der
en^egengesetzten Seite. Ein anderer Theil, and zwar der grössere, wendet sich
ventralwärts, giebt Collateralen za einem der Oliva snperior der Sänger entsprechenden
Ganglion ab, Überschreitet in der Höhe des TI. Aastrittes die Baphe, gelangt za
einem dem Nach lemn. lateral, analogen Zellcomplex and endet schliesslich im Gang¬
lion mesencephali laterale. Bezüglich des genaueren Verlanfs dieser Fasern and der
interessanten Degenerationsbefnnde, welche durch die gleichzeit^ Yerletxang des
Cerebellnms, des Acosticosfeldes and der Nervenzellen des Hinterstrangfeldes bedingt
waren, muss auf das Original verwiesen werden.
Max Bielsehowsky (Berlin).
2) ifOhrbuoh der Histologie des Mensohen einsohlieselioh der mifcro-
skopisohen Technik, von Ä. A. Böhm und M. v. Davidoff. (2. Aofl. 1898.
Wiesbaden.)
Das vorliegende Lehrbach hat 3 Jahre nach seinem ersten Erscheinen die
2. Auflage erlebt Dieser Erfolg ist durch seine vortrefflichen Eigenschaften wohl
begründet Die Yerff. haben es verstanden, auf einem relativ kleinen Banm ein am¬
fassendes Gesammtbild der Histologie in formvollendeter, klarer Darstellung zu geben.
Die Ergebnisse der jüngsten Forschung haben dabei weitgehende Berücksichtigung
gefunden. Als ein grosser Yorzug des Werkes muss es bezeichnet werden, dass es
zugleich ein guter Leitfaden der mikroskopischen Technik ist Im Anfang desselben
wird die Mechanik des Mikroskopes und die im allgemeinen für die HersteUnng
mikroskopischer Dauerpräparate nothwendigen Procedoren geschildert (Fixirong, Ein-
bettung, Mikrotomsebneiden, Färben u. s. w).
Ausserdem werden die speciellen Untersuchangsmethoden der einzelnen Organe
am Ende der entsprechenden histologischen Capitel erörtert Aus der Histolc^e und
Google
787
bistologiseben Teclmik der Sinnesorgaoe ond des Centralnervensystems ist das für
den Stndirenden wichtige anfgenommen worden. Das Buch enthält 251 gnte Äh*
bildongen und üne sorgftlüge Zusanunenstellnng der einschlägigen Litterator.
Max Bielschowsky (Berlin).
Experimentelle Physiologie.
3) Ueber morphologisohe Verändenmgen der Vorderhomsellen des Bücken-
marks während der Thätigkeit. Vorläufiger Bericht von Jos. Luxenburg.
Aus dem Laboratorium der Warschauer Aerzte • Gesellschaft. (Deutsche med.
Wochenschr. 1898. Nr. 26.)
Die Versuchsanordnung war folgende: ln Narcose wurde der Wirbelcanal in der
Dorsolnmbalgegend von hinten geödet, die BQckenmarkshälften durch einen Schnitt
getrennt ond ein weiterer Schnitt quer angelegt, um den Einfluss obenliegender
Centra auf das BQckenmarkssegment zu eliminiren, an dessen Function diejenige
Motilität der hinteren Extremitäten geknüpft ist. Sodann wurde der Croralnerv auf
der einen Seite freigelegt und 1 Stande faradisch gereizt unter Eintritt gut aus-
gebildeter Zuckungen, das Thier dann sogleich getödtet, das hintere Bückenmarks-
segment herausgenommen, fixirt und meist nach Nissl untersucht. Verf. constatirte
in der gereizten Bflckenmarkshälfte Veränderungen, und zwar besonders an den
Chromatinschollen, die ihre gewöhnliche Form verlieren, so dass das Zellprotoplasma
mit feinen Körnchen bedeckt erscheint: die gleiche Aendemng findet sich auch an
dem Zellkern. Der Zerfall der chromatischen Substanz beginnt an der Zeilperipherie,
wie auch um den Kern; die morphologischen Aenderungen des letzteren und des
Kemkörperchens sind wenig deutlich ausgesprochen.
Die Hittheilung erfolgte aus Anlass der Pick’schen Arbeit (Deutsche med.
Wochenschr. 1898. Nr. 22). Die Untersuchungen waren anfangs dieses Jahres
vollendet, die ausführlichere Darstellung Ende März zur Veröffentlichung an anderer
Stelle eingesandt. B. Pfeiffer (Cassel).
4) Beiträge aor Büokenmarksphyalologie der Amphibien und Reptilien,
von Bickel. (Pflüger’s Archiv. 1898. Bd. LKXl. S. 44.)
Bosenthal hat seiner Zeit auf experimentellem Wege gezeigt, dass beim Frosch
die Beflexe von einem Hinterbein auf das andere durch Vermittlung des Halsmarks
verlanfen und nicht etwa direct in der Höhe der in das Bückenmark eintretenden
centripetalen Nerven durch die graue Substanz in die betreffenden centrifugalen
Nerven Übertreten.
Verf. hat diese Angabe nachgeprfift und ist zu demselben Besultat gelangt
Durchschneidet man bei einem Frosch oder einer Eidechse das Rückenmark in der
Höhe des 4.—5. Halswirbels, so dauert es viel länger ehe ein auf die Schwimmhaut
z. B. des rechten Beines, ausgeübter bestimmter Beiz eine reflectorische Bewegung
des linken Beines auslöst als wenn* die Durchschneidnng an der Grenze der Medulla
spinalis und oblongata voi^enommen wird. Dies beweist dass für den betreffenden
^flex der Weg durch das oberste Halsmark der wesentlich leichter „fahrbare“ ist
und zwar ist dies a fortiori bewiesen, da die Entfernung der gereizten Stelle vom
Halsmark natürlich eine grössere ist als z. B. vom Lendenmark; haben doch Rosen-
tbars ältere Versuche gelehrt, dass die Zeit des Reflexeintrittes abhängig ist von
der Entfernung der gereizten SteUe von dem betreffenden Beöexcentmm.
W. Cohnstein (Berlin).
. 47
ig ;i7cd cy Google
738
6) Experimentelle Untereuohnngen über den Einfluae von Büokenmartis-
durohtrennnngen auf den Kreislauf des Gehirns, von Prof. Dr. Ä. Spina
(Wiener klin. Wochenschr. 1897. Nr. 48.)
An der Hand einer litterarischen Uebersicht zeigt Verf. zunächst die Lücken-
haftigkeit nnserer Kenntnisse über die vasoconstrictoriscben Nerven des Gebims und
die widerspruchsvollen Ergebnisse der hauptsächlich auf Durchschneidongs- und
Reizungsversuchen an Nerven basirten Arbeiten. Seine Resultate »nd auf Grund
neuer Versuchsanordnongen gewonnen und in folgenden Schlussätzen zusammen-
gefasst:
Die cerebralen Gefässe stehen unter dem Einflüsse eines vasoconstrictorischen
Centrums, das sich ungefähr vom 3. Halswirbel kopfwärts in der Weise ausbreitet,
dass das verlängerte Mark in der Hübe der Membrana atlanto-ocdpitalis rmchlich
mit vasoconstrictorischen Bahnen für das Gehirn versehen ist. Auf diesem Wege
kreuzen sich die Bahnen in einer unvollständigen Weise.
Die Durchschneidung des verlängerten Markes hat, da dieselbe die cerebralen
Vasoconstrictoren lähmt und gleichzeitig eine Blutdruckserhöhung bewirkt, eine starke
UeberfflUung des Gehirns mit Blut zur Folge, durch welche blossgelegte Himtheile
sich röthen und ihr Volumen derart veigrüssem, dass dieselben bei einer künstlich
angebrachten Apertur im Schädeldache unter Beratung von Bln^efässen und von
Gehimventrikeln und Bildung zahlreicher apoplectischer Herde hervorquellen. Die
eben angeführten Veränderungen treten an dem im Cranium verbliebenen oder min¬
destens mit der Dura bedecktem Gehirne nicht ein. Die Oblongatadurchtrennnng
hat, bei intactem Schädelgerüste ausgeführt, eine heftige Gebimhyperämie zur Folge,
denn die Menge des aus dem Gehirne fliessenden Blutes wird durch dieselbe um
ein Vielfaches vermehrt und das ausfliessende Blut nimmt hierbei einen helleren
Farbenton an.
Vorausgesetzt, dass das Herausgedrängtwerden des Gehirnes aus dem Cranium
darauf beruht, dass durch den erhöhten Blutdruck die durch die Oblongatadoreh-
scbneidung dem Einflüsse der cerebralen Vasoconstrictoren entzogenen Blutgeßase
mit Blut überfüllt werden, so müssen auch andere den Blutdruck erhöhende Elingriffe
das Gehirn aus dem Schädel treiben können, nachdem zuvor die cerebralen Vaso¬
constrictoren ihre Functionsfähigkeit eingebüsst haben. Das ist auch thatsäcblicb
der Fall. Eine bei intactem Schädelgerüste ausgefübrte Oblongatadorchschneidung
treibt im Vereine mit der Erhöhung des Blutdrucks in Folge von Ligatur der Aorta
descendens oder in Folge Reizung des peripheren Oblongatastnmpfes das blos^el^rte
(}ehim gleichfalls nach aussen.
Aus diesen Beobachtungen eigiebt sich dann die fernere Consequenz, da^ je
grösser die Steigerung des Blutdrucks ausfällt, desto mehr Gehirn aus dem Schädel¬
raume nach aussen treten muss. Dq nun Injectionen von Nebenuierenextract den
Blutdruck am stärksten erhöhen, so rufen dieselben, nachdem zuvor die cerebralen
Vasoconstrictoren dürch die Oblongatadurchtrennung zerstört worden sind, auch die
stärksten Gehimprolapse hervor. Bei intactem Rückenmarke bewirkt die Extraet-
i^jection im Gehirne — im G^ensätze zu den anderen Organen, welche
werden — eine mässige Hyperämie ohne eine nennenswerthe Volumsvermehrnng des-
delben.
Wird umgekehrt der Blutdruck vor der Oblongatadurchtrennung dadurch, 4»«
die Splanchnici durchtrennt werden, erniedrigt, ist auch der Gehimprolaps ein gMingnr.
Daraus ergiebt sich des Weiteren, dass Eingriffe, welche den Blutdruck erhöhen
und die Anschwellung des Gebims vergrössem, dies nicht zu bewerkstelligen im Stande
sind, wenn dieselben unter solchen Bedingungen angeführt werden, dass die Eirhöhnsg
des Blutdrucks ausbleibt Hierher gehört das Strychnin, welches bei cnrariairtei
Hunden mit durchschnittenem Halsmark keine Steigerung des Blutdrucks hervor¬
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789
iDTufeo Termag. Hierher gehört auch die Erfahrung, daas die Oblon^atsdorch-
schoeidang nach Toraoag^ngener Dorchtrennang des Markes in der Höhe des dritten
Halsirirfoels nur einen geringen Prolaps herrorroft, da sich eine ergiebige Blntdmcks-
erhöbong in Folge des ersten Schnittes nicht einstellen kann.
_ J. Sorgo (Wien).
Pathologische Anatomie.
6) Ein Fall von Spina bifida mit Doppeltheilang des Bfickenmarka (Dia-
atematomyelio), von Dr. F. Theodor. (Archiv fOr Kinderheilkunde. 1898.
Bd. XXIV.)
Verf. bereichert die spärliche Litteratur Öber diese Entwickelongsanomalie um
ein«) sorgfältig studirten, neuen Fall. Klinisch bot derselbe nichts neues dar. Die
histologische Dntersnchung wird an der Hand von Böckenmarksserienscbnltten detaillirt
dnrchgembrt. Wir ersehen aus derselben, dass sich im unteren Lendeninark in das
bis dabin normale Rflckenmark ein Keil nervöser Substanz zwischen den Hinterstrang
einschiebt, dieselbe seitwärts auseinander drängt und zu einer Zweitheilui^ des
CsDtraleanals fQhrt. Die anfangs regellos angeordnete Nervensubetanz dieses Keiles
ordnet sich, je tiefer wir im BOckenmark abwärts steigen, in der Weise, di^ ihre
weissen Stränge mit den Vordersträngen des BQckenmarks sich vereinigen; zugleich
bildet der Sulcus anterior eine immer tiefer einschneidende bindegewebige Scheide¬
wand, so dass das BOckenmark schliesslich in zwei mit den Vorderbömem aneinander
stossende quergeetellte Hälften zerlegt ist Nun binnen die Hinterstränge dieser
beiden BQckenmarke sich zu verschmelzen, das trennende Septum tritt zurück, die
beiden Hälften nähern sieh wieder der normalen Lage und vereinigen sich endlich
zu einem einzigen BOckenmark, das allerdings in seinen untersten Partieen durch
Ausbuchtungen und Verkrümmungen des Centralcanals recht unregelmässig erscheint.
Der Centralcanal, welcher auf der Höhe der Zweitbeilnng ebenfoUs verdoppelt war,
kommt durch die Unregelmässigkeit seines Verlaufs auf manchen Querschnittsbildem
in 3—5 Durchschnitten zur Ansicht. Dem Ueberblick, welchen Verf. Über die
Litteratur giebt, ist zu entnehmen, dass die Doppeltheilung des Rückenmarks fast
nur bei Spina bifida beobachtet wurde, und dass dieselbe keine nervösen Störungen
zur Fo^ haben muss; sie wurde sogar einmal an einem 76jähr. Hanne als Neben¬
befand bei der Obduetion entdeckt Zappert
7) liS chromatolyse dana lea comes snterleures de la moelle aprte dds-
artioulation de la jambe et ses rapporte aveo les looalisationa motricee,
par A. van Gebuchten et D. de Buck. (Journal de Neurologie. 1898.
5. März.)
Bei einem 70jähr. Manne musste in Folge einer thrombotischen Gangrän des
rechten Unterschenkels die Exarticulation im Kni^elenk gemacht werden; 21 Tage
später trat der Exitus ein. Das Rückenmark wurde 24 Stunden in 5^/^ Formalin,
dann in 96^/o Alkohol gehärtet und nach Paraffineinbettuug der untere Theil des
Lendenmarks und das ganze Sacralmark in Serienschnitte zerlegt und nach Nissl
mtersucbi Ehn grosser Theil der im hinteren Tbeil des rechten Vorderhoms ge¬
legenen Zellen zeigt Chromatolyse mit excentrischer Lagerung des Kerns. Im unteren
Tbeil des 4. Lumbalsegments ist keine Chromatolyse vorhanden; im 5. Lumbalsegment
betrifft sie nur spärliche Zellen der dorsalen oder posterodorsalen Gruppe. Diese
Zellgroppe nimmt nach dem 1. Sacralsegment hin an Dmfai^ zu und enthält zahl¬
reiche lallen mit Chromatolyse. Die schwach entwickelte andere Zellgroppe enthält
auch im Sacralmark anr ganz vereinzelt Zellen mit Chromatolyse. Auch der bis zum
4. Sacralsegment zu verfolgende anterolaterale oder ventrale Kern ist völlig intact,
47*
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740
ebenso der ventrale Kern, dessen Haoptentwickelnng im 2. Sacralsegment liegt,
während er mit dem 3. verschwindet Am B^nn des 2. Saeralsegments rückt ^e
erkrankte dorsale Gruppe mehr nach vom; liinter ihr erscheint eine nene dorsale
Zellgruppe, die gleichfalls von Chromatol;se ergriffen ist und sich bis zur Mitte des
4. Saeralsegments verfolgen lässt Die Muskeln von Fuss und Unterschenkel besitzen
also zwei grosse Innervationskeme, von denen der erste vom 5. Lumbals^meut bis
zum unteren Theil des 3. Saeralsegments reicht, der zweite, hinter dem ersten ge*
legen, vom 1.—4. Sacralsegment. Znm Schluss geben die Verff. eine schematische
Zeichnung der verschiedenen Zellgruppen des SacraU und unteren Lumbalmarks.
H. Roth mann (Berlin).
8) lieber Eisenlnflltration der GangUensellen, von Dr. L. W. Weber in
Uechtspringe. (Honatsschr. f. Psjeb. u. Neurolog. 1898. Bd. III.)
Der Verf. untersuchte das Gehirn eines Knaben, der im 5. Lebensjahr mit Fieber
erkrankt war, Krämpfe mit nachfolgenden Lähmungserseheinungen durchgemacht hatte
and dann geistesschwach geworden war. Der Tod war an eitriger Bronchitis ond
Bronchopneumonie im 6. Lebensjahr erfolgt Das Gehirn zeigte makroskopisch sattel*
förmige Einziehungen io einigen Windungen beider Occipitallappen. Die Pia war
daselbst trOb und verwachsen. Im ganzen Gehirn, namentlich aber io den Occipital*
lappen, fanden sich zahlreiche Uohlränme und Cysten, meist an der Grenze zwischea
Binde und Mark; wo sehr viele Cysten nahe bei einander l^en, bot die Himsobstanz
ein bienenwabiges Aussehen dar. In der ganzen Grosshimrinde, wiederum besonders
in den Occipitallappen, wurden ferner schwefelgelb gefärbte, punkt* und
striebförmige Herde entdeckt, die die erwähnten Hohlränme begrenzten. Mikro¬
skopisch wurde festgestellt, dass die Cysten keinerlei endo* oder epitheliale Ans*
kleidnng besassen, dass die gelblichen Herde um erkrankte Geiasse hemm lagen.
Die Gef^erkrankung bestand in Verengerung des Lumens durch Intimawocherung,
in hyaliner Entartung der Gefässwand. In der Umgebung der Geßsse befanden sieb
Blutkörperchen, Hämoglobintropfen und braune Pigmentscbollen. In der Umgebong
einzelner Gefösse war ausgesprochene Neigung zu NarbenbUdung vorhanden.
Neben iutacten Ganglienzellen lagen auch in den gelblichen Herden und in der
Nachbarschicht der Cysten ganze Gmppen in besonderer Form degeoerirter Ganglien¬
zellen. Dieselben hatten manchmal ein gesebmmpftes Ansseben, waren aber in der
Regel grösser als die übrigen Zellen. Ihre Ansläufer waren abgescbmolzen oder
korkzieherartig gewonden. Der Zellleib und die Ausläufer Erbten sich mit Häme*'
tozylin schwarz, der Kern blieb hellblan. Ohne Anwendung eines Reagenz blieben
die Zellen farblos. Mit Ferrocyankalium und Salzsäure behandelt färbten sie sieb
blau. Die Zellen enthalten also Eisen. Da sich diese eisenhaltigen ZeUen immer
um erkrankte und blutende Gefässeben hemm grappirten, wird das Eisen a'us dem
Blut stammen. Da der peripherste Theil des Protoplasmas zuerst erkrankt, wird es
sich am eine Infiltration mit Eisen handeln, und zwar mit einem dem Hämoglobin
nabestehenden Eisenalbuminat, einer Vorstufe des Hämosiderins.
G. IIberg (Sonnenstein).
Pathologie des Nervensystems.
8) Handbooh der XTnlbllerkraiikangen auf Grund ärstUcher Erfahrungen
(nebst einer Abhandlung über die Unfhllerkrankongen auf dem Gle>
biete der Augenh^lkunde von Dr. Gramer), von Carl Thieme. (189B.
Stuttgart. Ferdinand Enke.)
Das vorliegende, mehr als 900 Seiten enthaltende Werk ‘zerfällt in 24 Capliri
und umfasst ausser den für den Arzt wissenswertben gesetzlichen Vorschriften die
D g I ,:od oy GOO^ Ic
741 —
s&mmilicben nach Unfölleo zar Beobacbtong kommenden Krankheiten der Haut, die
cbinu^iMhen Eirkrankungeo, die inneren Erkrankungen mit besonderer Berftcksichtigang
der 80 hänfig Temacblässigten Gefösserkrankungen, sowie schliesslich die Erkrankungen
der Sinneso^ne and die Nerrenkrankheiten.
Wir müssen uns an dieser Stelle es versagen, auf den Inhalt des Buches, soweit
er die chirurgischen und die inneren Krankheiten angeht, naher einzugeben. Uervor-
heben wollen wir nur das grosse Capitel über die gynäkologischen Krankheiten.
Hier verfügt der Verfasser, wie auch seine bisherigen diesßezüglicben Arbeiten be*
wiesen haben, über eine reiche ausserordentlich wichtige und instructive Erfahrung.
Den Nervenarzt werden in dem erschöpfenden Werke besonders interessiren die
Capitel: Erkrankungen des Schädels and Gehirnes; Erkrankungen der Wirbelsäule;
Erkrankungen des Rückenmarkes; Verrichtung und Untersuchung der Nerven im
Allgemeinen; die fanctionellen Neurosen; Erkrankungen der peripheren Nerven;
Verietznngen und Erkrankungen der Muskeln und Huskelbündel; traumatische Ent-
stehnng der Geschwülste; Verietznngen und Erkrankungen des Gehörapparates; Unfall’
fo^n im Gebiete der Äogenheilkunde. (Letzteres Capitel im gleichen, rein praktischen
und durch Beibringung von reichlichem eigenen Material gestützten Sinne von Dr. Gramer
bearbeitet.)
In dem Abschnitt über entferntere Folgen von Himverletznngen sind auch dem
Diabetes sowie dem Sonnenstich einige Seiten gewidmet
Jedem Capitel gehen korzgehaltene klare Auseinandersetzungen über die in
Betracht kommenden anatomischen und physiologischen Daten voraus. So eröffnen
die Aaseinandersetznngen über die Rückenmarkskrankheiten ein Übersichtliches Schema
des Faserverlaufes mit entsprechenden, dem gegenwärtigen Standpunkt dieser Dinge
Rechnung tragenden Bemerkungen.
Der Nicht’Specialist wird es mit Freuden begrflssen, dass das Buch einen kurzen
Abriss der Untersnchnngsmethoden des Nervensystemes (dem Goldscheider’schen
Plane folgend) enthält. Besondere Beachtung verdienen die kritischen Ausführungen
über das Schmerzenskind aller Unfalluntersuchungen: die Sensibilitätsprüfungen. Auch
der speciellen Hnskelphysiologie, die so oft in chiruigischen Gutachten vernachlässigt
ist, ist der gebührende Raum eingeräumt. Dabei ist jedoch der leitende Gesichts*
pnnkt, „die Beziehung zum Trauma*', nie aus dem Auge gelassen.
Seinen Standpunkt zur „traumatischen Neurose" kennzeichnet Verf. in sehr
scharfer Weise: „Wir wollen daher weder von einer „traumatischen Neurose“, die
es ganz bestimmt nicht giebt, noch von „traumatischen Neurosen“ oder „sogen,
traumatischen Neurosen“ etwas wissen“. Verf. spricht lediglich von Neurasthenie
oder Hysterie nach Unfällen.
Bei der Hysterie Übt Verf. das dnrchans zu billigende Verfahren, nicht alle
evmituell einzeln für sich auftretenden Symptomengruppen von der Hysterie losza*
rräsen und als eigene Krankheiten aufzustellen.
In allen Capiteln bringt Verf. neben einer staonenswerthen, von überall her
zuaammengetragenen, LitteraturffiUe auch seine eigenen vielseitigen persönlichen Er*
fahrongen, die oft durch Beifügung des entoprechenden Gutachtens den Reiz der
Individualität erhalten.
Was den kntischen Standpunkt des Verf.’s, betreff der jedesmaligen traumatischen
Aetiolo^e, angeht, so ist derselbe kein radicaler, sondern ein durchaus vermittelnder,
gaoäss dem in der Vorrede aufgestellten Frincip: Niemand zn Lieb’ und Niemand
zo Leide.
Die Ausstattung des Baches (108 Figuren im Text) ist tadellos; die Ueber-
ächtlichkeit trotz des enormen Materiales gewahrt
Wir glauben, dass das Werk, welches dem Unfallarzt sowohl praktisch wie auch
Google
742
wissenscliafUich unentbehrlich ist, nach abgesehen tod seinem spedellen Zwecke and
seinen besonderen Qesichtspnnkten, sich bei allen llbrigen Aerxten schnell Eingang
rerscbaffen wird. Pani Scbnster (Berlin).
10) Ein Fall von tranmatisoher Apoplexie ohne nachweisbare Schädel-
verletsung, von Dr. Hermann Scbloffer. (Wiener klin. Wochenschr. 1898.
Nr. 16.)
Ein 26j&br. Medioiner erhielt im Joni 1894 einen Schlag gegen die rechte
Scheitelgegend. Er ergriff die Flacht und bemerkte, dass die linke Hand eingescblafen,
schwach und ongeschickt sei.
Nach mehreren 100 Schritten von den Verfolgern eii^eholt, erhielt er noch
mehrere Riebe und Stösse. Er ging ohne Störung 5—7 Minuten weit in seine
Wohnung im 2. Stock und entkleidete sich. Dann bekam er Kopfschmerzen and
schlief um Uhr Morgens ein. Nach 1 Ys Stunden erwachte er mit Kopfsdimera,
Brechreiz, SchwindelgefOhl, erbrach sodann, fflhlte den rechten Mundwinkel gegen
das Ohr verzogen und konnte die linksseitigen Extremitäten nicht bewegen. Danach
fOr kurze Zeit Somnolenz.
Status praesens: Intocte Psyi^e, linke Pupille etwas weiter, beide prompt
reagirend, complette linksseitige Facialislähmui^, Parese des Unken Hypogloesns,
Hemiple^a sin. Sebnenrefleze links gesteigert, intacte Sprache. Etwas Ober dem
rechten Tuber parietale zwei streifenförmige Convulsionen der Haut, keine Knochen-
depression oder Fractur, starke Kopfschmerzen, Temperatur und Puls normal.
Am 16. Juni unter Annahme eines Hämatoms der Dura mater Trepanation.
Kein Hämatom, intacte Hirnrinde, geringfOgige Blntgerinnsel in den weichen Hirn¬
häuten.
Beactionsloser Verlauf der Operation. Besserung der Kopfechmerzen in einigen
Tagen; nach etwa 14 Tagen aUmä^cbe Wiederkehr der Motilität in den Extremi¬
täten und im Facialis.
Ende August bei Entlassung: geringfOgige Facialisparese, Bewegung im Schulter-
und Ellbogengelenk zum Theil zurOcl^ekehrt, Streckung der passiv flectirtmn Fing«
ist möglich, active Beugung derselben unmöglich; Nachschleifen des linken Beines
beim Gehen.
In der Folgezeit bekam Pat. etwa 5 Mal im Laufe von Jahren Kramp^^e,
die mit Zuckungen im linken Vorderarm und den Fingern binnen und mit Be-
wusstseinsverlust einhergingen.
Status praesens im December 1897: Psychisch intact, normale Sinnesorgane.
Classiscbe Schnlhemiplegia sin. Gehen ohne Stock leicht und ohne Hflhe in da- Art
der Hemiplegiker, motorische Muskelkraft gegen rechts nicht wesentUch heral^reeetat;
linker Arm schwer geschädigt, kann nichts mit den Fingern fassen; ebenso Hebung
des Armes zur Verticalen erschweri Parese des linken Facialis. Steigerung der
tiefen und Periostrefleze. Linker Cremaster- und Bauchdeckenreflez ahalten. Sen¬
sibilität, Nerven- und Muskelerr^barkeit, sowie die Sprache normal.
Verf. erörtert noch die Frage, ob nicht vielleicht doch eine Meningealblutung
auf der Seite des Traumas voigel^en mit collateraler Lähmung wegen Fehlen der
Pyramidenkreuzung stattgefunden habe; dag^^ spreche aber die fehlende Beein¬
trächtigung des Bewusstseins und der langsame und unvollkommene Rflckgang der
Lähmungen. Näher liege die Annahme einer kleinen Blutung innerhalb der Him-
masse, und zwar im hinteren Schenkel der Capsula interna. Die später aufgetretene
Epilepsie sei in Zusammenhang zu bringen mit einer geringfögigen Contusion an der
Stelle des motorischen Bindoigebietes fOr die obere Extremität an der rechten Hemi-
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743
Sphäre oder als Ferawirkung auf die Binde von Seiten des in der weissen Substanz
gelegenen Herdes anfzofassen.
Pat.war ein schwerer Alkoholiker; es mögen also zur Blutung prädisponirende
GeßssTeränderongen Totgelegen haben. J. Sorgo (Wien).
11 u. 12) Klinisohe Mittheilui^^ezi, von Prof. H. Fischer in Berlin. (Deutsche
med. Wochenschr. 1898. Nr. 22 u. 27.)
Nicht operirte Oehirngeschwfllste.
a) Beitrag zum traumatischen Ursprung der Qehirngeschwfllste.
Der 37j&hrige, luetisch nicht inficirte Uanrer G., welcher durch einen Stein-
Wurf sein rechtes Auge verloren hatte, stflrzte im Dec. 1893 durch eine FallthOr in
einen 1,80 m tiefer gelegenen Keller. — Sofortige absolute Bewusstlosigkeit ca. 5
bis 10 Minuten hindurch; keine Kopfwunde, kein Blutausfluss. Eine Viertelstunde
nach dem Unfälle konnte er wieder arbeiten, hatte während des Tages noch Kopf-
schmenen and Schwindelanfälle, schlief gut und bemerkte am folgenden Tage nur
eine gelinge Beeinträchtigung seiner gewöhnlichen Beweglichkeit, zumal beim Leiter-
und Treppensteigen. Beim Beginn des 3. Tages langdanemder Krampfanfall mit
Bewusstloägkeit ohne Aura und Zungenbiss, Parese der linken Extremitäten, beson¬
ders des Beines. Derartige AnßUe kehrten oft wieder und verschlimmerten stets
die linke Parese, in der Zwischenzeit wurden die linken Glieder beweglicher, Pat.
litt aber an heftigen Kopfschmerzen und SchwindelanföUen mit kurzer Bewusstseins-
träbnng. Die grossen Krampfanfälle liessen nach 3 Wochen nach, die Schwindel-
aoiälle dagegen nahmen an Dauer zu und gingen mit Zuckungen in den gelähmten
Gliedern einher. Befund (Ende April 1894): Elend und schwerkrank aussehender
Patimt Parese der linken Extremitäten, besonders des Beines, mit Beweglichkeits-
beechränkung, Verstrichensein der linken Nasolabialfalte, schwerföUige und lai^;8ame
Sprache, Abnahme dee Gedächtnisses, links Atrophie der Brust- und Schaltermuskeln,
der Lambncales und dee Thenars, linker Patellarreflex gesteigert. Klage Aber heftige
Kopfischmerzen, welche stets von der rechten Kopfhälfte ausgingen und bald den
ganzen Kopf einnahmen. — Am 8. Juni Eintritt in das Hospital. Sehr schlechtes
Allgemeinbehnden, grosse Apathie. Beträchtliche Sehstörung auf dem linken Auge,
ganz enges Gesichtsfeld, gröbere (Gegenstände wurden nur bei stärkster Beleuchtung
erkannt. Träge Beaction der erweiterten Pupille, hochgradige Stauungspapille.
Enorme Gedäehtiiissschwäche, schwere Sprach- und Schreibstömngen: der Wortschatz
war sehr beschränkt, Pat konnte Gegenstände, welche er offenbar erkannte (s. o.),
nicht benennen, längere Worte nicht richtig schreiben. — Serien von Anfällen
Jackson’scher Epilepsie mit nur theilweiser Bewusstseinstrflbui^; heftiger Kopf¬
schmerz ging voraus, die Zuckungen setzten meist zuerst und stets am intensivston
in linken Bein ein, blieben öfters auf dasselbe beschr^kt. Beträchtliche Besserui^
auf Jodkali, Entlassung auf Wunsch des Pat am 9. Juni. Anfang Juli kehrte Pat.
zor&ck mit totaler Lähmung der linken Körper- und Gesichtshälfte, stumpfsinnig,
tbeilnahmslos. VorQbeigehende Besserungen, bedrohliche Verschlimmerung, Tod nach
Stl^igem Coma (19. Januar 1895). Section: Faostgrosser peripherer Tumor im
rechten Grosshirn, der die vordere und hintere Centralwindung bis in die 3. Stirn-
windung umfasste, etwas prominirte, und, keilförmig sich veijflngend, das ganze
Grossbim bis in den Sinns durchsetzte. Consistenz weich, Farbe grauröthlich, Peri¬
pherie sehr gefässreicfa, Centrum blutleerer, Demarcationsiinie zum Theil scharf,
stellenweise verschwommen; mikroskopischer Befund: Gliosarcom. Das Gehirn war
blass, blntleer, ödematös, Knochen und Weichtheile des Schädels nornoal.
Die Commotio cerebri entsteht wahrscheinUeh vollkommen analog wie der plöte-
.,Googlc
744
liehe Eintritt und das mache Schwinden des Coma, welches Eusamani und Tenner
bei einer jähen Unterbrechnng and schnellen Löaong einer mächtigen CircnlatiiHiB-
sUrong im Qehim beobachteten. Beträchtliche Geßssverändernngen nach schweren
Himcommotionen sind sicher beobachteL Die Contnsio cerebri bat in dem mit*
getheilten Falle sicher nicht die Commotion verursacht, ebensowenig eventnell vor*
handene capilläre Äpoplexieen. Die Schlösse von Dnret und Kocher sind zu
weitgehend, die Lehre vom hjdmnlischen Druck bei Contuaionen der geschlossmien
SchädelhOhle nach den Arbeiten Koehler's revisionsbedfirftig. Die Versuche von
Koch und Filehne sind im Princip falsch, im Resultat nicht entscheidend; Kra-
mer’s Hypothese ist nur theilweise richtig. Kramer fährt die Commotio cerebri
auf eine Anaemia cerebri znrflck, diese — nach dem Verf. mit Unrecht — auf eine
Compresaion des Hima in toto.
Auffallend ist die schwere Gehimcontusion ohne Läsion der Weichtheile und
Knochen des Schädels. Der klinische Verlauf der Contusion war zunächst typisch,
allmählich aber entwickelte sich aus dem Contusionsherde ein Oliosaroom. Verf.
hält mit Adeler ca. 8 , 8*^/0 der Gehimgeschwfllste ffir traumatisch bedingt.
Von einer Operation wurde Abstand genommen, da die klinischen Erscheinungen
und der Verlauf es nahezu sicher machten, dass der Tumor nicht abgekapselt nnd
sehr blutreich war.
b) Gliosarcom von enormer Grosse im linken Hinterhauptslappen,
traumatischer Ursprung zweifelhaft.
Der 14jährige rachitische nnd tuberculOse A. L. stiesa im Kovember 1876 mit
dem Kopfe gegen einen Balken und war einige Zeit „drOhnig^'. Im Juni 1877 trat
beständig zunehmende Sehschwäche, besonders rechts, auf, Kopfschmerzen, welche die
nächtliche Buhe ranbten, Moigens am stärksten waren, bisweilen ohne Grund woeben*
lang anssetzten, dann um so heftiger wiederkehrten, ferner Schwindel, Zunahme des
Kopfnmfanges und Theilnahmlosigkeit Die Untersuchung ergab im September 1878
bei dem kleinen schwächlichen Burschen ungewöhnlichen Kopfumfang, besonders
starkes Hervortreten der.Tnbera frontalia nnd parietalia, sehr weite und noch weiche
Schädelnähte: keine Dmckempfindlichkeit Starker Exophthalmus, besonders rechts,
rechte Pupille sehr träge reagirend, sehr erweitert, linke weniger dilatirt; Sehkraft
rechts fast erloschen, links wurde alles wie durch einen Schleier gesehen. Die
ophthalmoskopische Untersncbui^ ergab rechts sehr blassen Fnndus, starke Bxcavation,
kleine Arterien, geschlängelte, erweiterte, geknickte Venen, links nur Andeutung
diespr Veränderungen. — Der Gang war, auch bei Unterstützung, sehr unsicher und
taumelnd, Lidschluss verstärkt das Schwanken nicht; die Bewegungen im Bette waren
vollkommen frei, Lag^efübl erhalten. Keine Lähmungen, keine Sensibilitätsstömngen.
Pat machte einen schwachsinnigen Eindruck, zeigte nur vorfibeigehend Aufmerksam*
keit, verfiel dann wieder in stumpfsinnigee Brüten und klagte Über Kopfschmerzen
und Schwindel bei schnellem Aufiiehten, längerem Stehen nnd raschem Niederl^en,
über .Uebelkeit und Erbrechen. Sprache intaci In der Folgezeit erblindete dw
Kranke völlig, die Somnolenz und der Verfall der geistigen Kräfte nahmen zu, epi¬
leptische Krtopfe ohne bestimmbaren Ausgangspunkt stellten sich ein, Geben und
Stoben wurden unmöglich. Im* Februar 1879 rechtsseitige Facialislähmung, dann
Paralyse des rechten Beines, später des rechten Armes. Taubheit Schlucklähmnng.
Tod im tiefen Conm und allgemeiner Lähmung.
Die Section ergab u. a. Folgendes: Die sehr dünne nnd blutleere Dura mater
ist mit dem hinteren Pole des linken Hintorhauptslappens fest verwachsen, das Gehirn
sehr gross, die Gyri vollkommen abgeflacht. Der ganze hintere Abschnitt der linken
Hemisphäre ist derb und höckerig anzufohlen und encheint auf dem Durchschnitt
von einem colossalen Tumor eingenommen, der nach vom an die Fissura Silvii reicht;
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745
nur der Vorderlappen, die Spitze des ünterlappena in. einer L&nge von 3^2 cm nnd
die znn&chst der grossen Längsspalte gel^enen Partieen des Gehirns sind frei.
Tbalamns nnd Corpus ' striatnm sind nach rechts Terdrängt, die linke Kleinhim-
hemisphäre etwas abgeplattet, die stellenweise geschrumpften und verhärteten G;ri
gehen direct in den Tomor Über, welcher einen unr^elmässig zerklüfteten, gallert^
erweichten Kern und eine 1—3 cm breite, ziemlich compacte Binde aufweist, als
„eine diffuse neoplasmatische Burchwachsnog und Infiltrirung des betroffenen Him-
abschnittes“ erscheint. Die hellgraue Hirnrinde zeigt einzelne, weisse Sprenkel und
die Consistenz eines festen Gommiknotens, die übrige Hinisubstanz grosse Blässe
und Weichheit. Die Ventrikel sind enorm erweitert, das Ependym nicht verdickt.
Der Tumor war ein Gliosarcom.
Der Tumor ist wohl die umfangreichste Himgeschwulst, von der die Litteratur
berichtet; die enormen und stetig zunehmenden Stanungssjmptome sprachen trotz
der Anwesenheit tuberculOser Veränderungen im Eärper gegen die Annahme von
Himtnberkeln. Ob das Trauma als Ursache des Tumors anzusehen ist, kann nicht
entschieden werden. Die sehr starke and frühzeitige intracranieUe Drucksteigerung
macht ee unmöglich, den Fall für die Annahme von Bastian u. A. zu verwerthen,
dass bei Erkrankung der weissen Harklager des Hinterhauptlappens psychische
Störungen mit besonderer Prägnanz bervorzutreten pflegen, obwohl der psychische
Verfall das hervorstechendste Symptom des mitgetheilten Falles war, sie sprach nach
dem Verf. ferner g^en die Annahme eines Kleinhimtumors, da eine so beträchtliche
Dmcksteigerung bei Cerebellarerkraukungen so frühzeitig bisher nicht beobachtet ist.
Kach des Bef. Ansicht ist diese Behauptung des Verf.’s irrthttmlicb, vielmehr zeichnen
sich die Allgemeinsymptome bei Kleinhimtumoren gerade durch frühes Eintreten und
grosse Heftigkeit aus, falsch ist ferner die Angabe, dass Tumoren, ausgehend vom
weissen Marklager des linken Hinterhauptslappens, nach klinischer und experimenteller
Erfahrung kein Herdsymptom machen, da gerade bei dieser Lage die Combination
von Hemiopie, Alexie und optischer Aphasie unter Umständen eine sichere Local*
diagnose gestattet
Der Verf. deutet mit Becht die Incoordination, den Schwindel, das Erbrechen
und die Uebelkeit als Nachbarschafts* und Drucksymptome von Seiten des Kleinhirns
und betont als auffallend das lange Intactsein der Sprache und die völlige Taubheit
auf der Höhe der Affection. Die frühzeitig vorhandene unwillkürliche Entleerung von
Urin und Stuhl fasst Verf. nicht als Ausdruck einer Lähmung der Blase und des
Hastdarms auf, da diese noch niemals bei stationären Ausfallsherden fes^estellt ist.
Die Apatite und Somnolenz dürften zur Erklärung wohl aasreichen (Bef-).
B. Pfeiffer (Cassel).
13) A Btady of the leslons in a oaae of traoma ln tbe oerrloal region
of the spinal ohord simulating syrlngomyelia, by HendricLloyd. (Brain.
1898. Spring.)
Der Pat. des Verf. litt nach einer Wirbelverletzung an der Balswirbelsäule
5 Jahre vor seinem Tode an einer Lähmung mit Contractur des linken Armes,
Beines, Huskelatrophie an der linken Schalter und einer rechten GefOhlsstörung:
Analgesie der ganzen rechten Seite mit Ausnahme des Kopfes; Thermanästhesie am
rechten Bein und über der rechten Brust; Anästhesie am rechten Beine. Die Section
ergab eine alte Verletzung der Halswirbelsäule. Im 7. Cervicals^ment war links
die graue Substanz, die vordere und hintere Gommissur, die weissen Vorder- und
Seitenstränge fast total zerstört; in den Hintersträngen nur die vorderen Partieen,
die auf* und absteigenden Degenerationen waren die gewöhnlichen. Es fand sich auf
eine kurze Strecke auch eine retrograde Degeneration der Pyramidenbahnen links.
Verf. glaubt, dass sein Fall dafür spräche, dass die Bahnen für das Tas^efühl auf
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der gleichen Seite in dra Hinteraträngeo im Bflckeomarke verbleiben; die fftr Schmerz*
und Temperatureinn aber sich kreuzten und durch die graue Substanz den gekreoztoi
Gowers'schen Strang erreichten. Auch spreche sein Fall fhr die fintstehnng dw-
Syringomyelie aus traumatischer ZertrOmmemng, die hier ganz das Gebiet der syringo*
myelitischen Hfihlenbildnng einnehme. (Die Erhaltung des Tastgefbhls ist neuerdings
in vielen Fällen von Halbseitenl&sion beobachtet Bef.) L. Brons.
14) Oeneral parslysis of the Insane during adolesoenoe with notes of
three oases, by P. Stewart (Brain. 1898. Spring.)
Verf. bringt 3 Fälle von Einderparalyse. In allen 3 Fällen zeigten sich zn*
nächst psychische Symptome zwischen 13.—16. Jahre; vorher waren die Kinder
intelligent. Diese Symptome waren die einer progressiven Demenz; Grössenideemi
traten nicht ein. Dazu Fnpillenstdmngen, spec. Starre, nnsicherer Gang, Sprache und
Schrift; erhöhte oder fehlende Patellarreflexe, Krämpfe. Zittern der Hände und des
Gesichts. In 2 Fällen war Syphilis der Eltern nachweisbar. In einem.Falle wurde
die Autopsie gemacht; sie ergab die typischen Befunde der progressiven Paralyse.
In einem Falle konnte Verf. während der Krämpfe laryngoskopiren; es zeigten sich
fortwährende Ab* nnd Adductionsbewegungen der Stimmbänder. Verf. giebt dann
noch eine Uebersicbt Ober die Symptome und den Verlauf der Paralyse im Puber*
tatsalter. L. Bruns.
16) Zwei Fälle von Qaenohnittserkrankiing des Halsmarkea. Beitrag mva
Kenntniss der Sehnenreflexe, der seoondären Degenerationen und der
KÖmohenaellen im Büokennuurk, von H. Senator. (Zeitschr. f. klin. Med.
Bd. IXXV.)
Verf. berichtet Aber 2 Fälle von BAckenmarkserkrankung im Halsmarke und
knApft daran sehr wichtige Bemerkungen vor Allem Aber das Verhaltm der Sehnen*
reflexe bei hochsitzenden totalen Querschnittsläsionen des Markes. Im ersten Falle
handelte es sich um eine Frau, die, 13 Jahre vor ihrem Tode, im 33. Lebensjahre,
mit reissenden Schmerzen im Nacken, Hinterhaupt und Schultern, sowie mit Par*
ästhesieen in beiden Armen und Beinen erkrankte. Später, ganz allmählich, spastische
Lähmung der Beine, znerst in Streck*, dann in Bengecontractnr mit erhöhten
Sehnen* und Hautrefiexen; schlaffe Lähmung der Hände und der Unterarme mit
Atrophia mnscnlaris, aber, ohne fibrilläre Zuckungen and nur mit quantitativer
Aenderung der elektrischen Erregbarkeit. Totale Anästhesie an den Beinen, am
Rumpfe bis znm 4. Intercostalranme und in dem Ulnarisbezirke der Arme; totale
Lähmung der Blase und des Hastdarmee mit partieller Betentio urinae und rein
mechanische Entleerung der Stuhl* und ürinmassen. Decubitus. Tod im Maras*
mus. Die Sehnenreflexe wurden 4—5 Monate vor dem Tode noch ge*
steigert gefunden. Von einem Oedem der Beine wird nichts erwähnt. Auf
etwaige Papillen* und Lidspaltenanomalieen ist in den letzten Jahren nicht ge¬
achtet; überhaupt konnten die Untersuchungen in den letzten Krankheitsjahren aus
äusseren Gründen nur oberflächlich sein.
Es fand sich bei der Section ein tbeilweise verkalktes Sarcom (Psammoaaroom),
das wohl von der Durainnenfläche angegangen war und im unteren Halsmarke das Rücken*
mark ganz zerstört und ersetzt hatte. Oie Geschwulst war 7 cm lang nnd reichte vom
5. Cervical* bis zum 2. Dorsalsegmente — rechts waren auch alle die zugehörigen
Wurzeln von der Geschwulst zerstört, links nur die 7. Cervicalis. Die Dora war fest
mit der Geschwulst verwachsen; eine Pia nicht zu erkennen. Das Centrum der Ge¬
schwulst wohl in der Höhe des 7. Cervicalsegmentes. Hier fand sich auf dem
./Google
747
Queracliniite nur QeschwolBtsabstans, keine Spor nervöser Substanz; im 6. Segment
mrholten sich die Vorderhömer, im 5. die ganze grane Snbstanz. Im 4. Cervical*
Segment fanden sich nur noch anfsteigende Degenerationen. Im oberen Dorsaltheile
unterhalb der Geschwulst fand sich Erweichung, aber keine Kömohenzellen, sondern
nor Corpora amjlacea. Im Dorsal* und Lendentheil sind die Ganglienzellen in
Vorder«, Hinterhömem und Clarke’schen Säulen atrophisch. Im Uebrigen fanden
sich die gewöhnlichen secundaren Degenerationen; atoteigend in den Pyramiden«
bahnen; eine kurze Strecke im ganzen Bande und im ovalen Felde (Flechsig)
im Lendenmarke; anffallender Weise nicht ün Schnltze'schen Komma im Dorsal«
marke; aufsteigend: kurze Zeit im ganzen Bande, auch in den Vorderatrangs«
Pyramiden, später nur in der Kleinhimseitenstrangsbahn, in dem Tractus Gowers und
in den Goll’schen Strängen. Die untersuchten Hnskeln der Arme zeigten Atrophie,
aber gut erhaltene Querstreifung.
Der Fall bietet zunächst für die Localdiagnose der Böckenmarksaffection
keine Besonderheiten; er zeigt das jetzt wohl classische Symptomenbild einer Läsion
im unteren Cervicalmarke. Auch das Verhalten der Blase und des Hastdarmes ent¬
sprach ganz dem von Thorburn und dem Bef. entworfenen Bilde bei hochsitzenden
totalen Qnerläsionen. Dagegen waren in diesem Falle, trotzdem sich bei
der Section eine totale Querläsion mindestens im 7. Cervicalsegmente
fand, die Sehnenreflexe 4—5 Monate vor dem Tode noch vorhanden,
ebenso auch die Bengecontractur. Der Fall ist also nach Senator ein
Beweis, dass jedenfalls nicht in allen Fällen einer totalen Querläsiou im Halsmarke,
bezw. im oberen Dorsalmarke die Sehnenreflexe fehlen müssen. Dafür bringt 8.
auch noch als Beweise aus der Litteratur 2 Fälle, einen von Tooth, einen von
F. Schnitze und schliesst, dass das, wie er sich ausdrückt, Bastian-Bruns’sche
Gesetz von dem Schlaffbleiben der Lähmung und dem Fehlen der
Sebnenreflexe bei totalen bochsitzenden Qnerläsionen nach diesen
Fällen kein absolut gültiges Gesetz sein könne.
Demgegenüber muss Bef. zunächst hervorbeben, dass er — vielleicht abgesehen
von seiner ersten Publication in dieser Sache — nicht behauptet hat, dass, es ab«
Bolot bewiesen sei, dass die Sehnenreflexe in den einschlägigen
Fällen immer fehlen müssten. Er hat 8<^;ar in seinen Kritiken über die
Arbeiten von Gerhardt, Egger und Biscboff (d. Centralblatt 1895 und 1897)
mehrfach ausdrücklich betont, dass das nicht bewiesen sei, dass nur bewiesen
sei, dass die Sebnenreflexe fehlen könnten. Er hat aber allerdings „kein
Hehl daraus gemacht“, dass er selbst an ein gesetzmässiges Verhalten in dieser
Beziehung glaubt und direct bervoigehoben, man könne vorläufig daran festhalten,
dass bei totalen Qoerläsionen im Halsmarke die Sehnenreflexe an den Beinen immer
fehlten, da beweisende Fälle gegen diese Annahme bisher nicht vorgebracht seien.
(Hur in seinem Buche über die Geschwülste des Nervensystemes hat Bef. die That^
Sache als gesetzmässig hingestellt, da sie ihm jedenfalls nach den bisherigen Publi«
cationen so gut wie bewiesen erschien und in diesem Buche kein Platz für zu weit¬
läufige Auseinandersetzungen war.)
Wie stebt es non mit Senator’s Fällen, die gegen Bastian’s Lehre sprechen
sollen. Da ist zunächst der Fall von Tooth, den Bastian mittheilt. Bef. muss
gegen Senator’s Widerspruch diesen Fall auch jetzt noch als unsicher bezeichnen.
17 Tage vor dem Tode wurde der Patellarreflex rechts nachgewiesen, links wurde er
nicht untersucht. Es bandelte sich hier aber nicht etwa um einen langsam verlaufen¬
den Fall, sodass die beim Tode gefundene totale Querläsion sehr gut in den letzten
17 Tagen erst eingetreten sein kann. Tooth selber bezeichnet übrigens auch die
anatomische Untersuchung als nicht sehr genau. Der zweite von Senator angeführte
Fall, der von F. Schnitze, stammt aus dem Jahre 1882. Hier hatte ein Trauma
nyGOO^l
C
748
zur vollständigen Continnitätstrennnng des Markes in der H6he des 9. Bmstwiib^
geführt. Etwa 5 Monate nach dieser Läsion — 3^/2 Monate vor dem Tode, waren
die Hautreäexe erheblich gesteigert, „nicht aber die Sehnenrefleze"; später ixat
noch Beugecontractnr der Beine ein. Dieser Fall ist nm so auffälliger, weil es sich
ja um eine Läsion in nächster Nähe des Lendenmarkes gehandelt hat, wo Fehlen
der Kniesoheibensehnenrefleze nichts an^Uiges gewesen wäre. Bef. kann hier nur
sagen, dass der Fall viele Jahre znrflckliegt und dass die Angaben über die Sdmeo>
redeze auch hier nur sehr kurze sind. Nun ist es aber eine allbekannte Thatsacbe
in der Medicin, dass gewisse Symptome und Symptomencompleze erst bemerkt werden,
wenn ganz bestimmt auf sie aufmerksam gemacht wird; namentlich trifft das für
solche Symptome zu, die im Widerspruch mit anerkannten Lehrsätzen stehen; Bef.
kann deshalb bei aller schuldigen Hochachtung vor der klinischen Sorgfalt
F. Schnltze’s diesem und anderen älteren, der Bastian’schen Lehre widm**
sprechenden Fällen keine unbedingte Beweiskraft beimessen. Sie wären sehr viel
beweiskräftiger, wenn sie heute beobachtet würden. Schliesslich Se«
nator’s Fall selbst. Han konnte hier zunächst sagen, dass bewiesen in diesem
Falle nur ist, dass circa 5 Monate vor dem Tode die Sehnenrefleze noch vorhanden
waren und dass ein unbedingter Beweis, dass zu dieser Zeit schon totale Querläsion
bestand, natürlich nicht geliefert werden kann. Insofern ist also auch dieser
Fall kein absolut einwandsfreier Beweis gegen die Ailgemeingültig-
keit von Bastian's Lehre. Allein Bef. will gern zugeben, dass nach Verlauf
und Sectionsbefund eine totale Querläsion 5 Monate vor dem Tode in diesem Falle
doch sehr wahrscheinlich war. Bef. hat selbst auch im letzten Jahre einen Fall von
Compression des Dorsalmarkes bei Wirbelcaries beobachtet, bei dem totale Lähmung
der Beine in Beugecontractur, totale Anästhesie bis zum Processus enmformis, voU-
ständige Blasen- und Mastdarmlähmung, Decubitus eine totale Querläsion sehr wahr¬
scheinlich machten; wo aber zunächst wenigstens auf einer Seite noch
Patellar- und Achillesclonus bestand. Im späteren Verlauf trat starke
Atrophie der Beinmuskeln auf — mit quantitativer Veränderung der elektrischen
Beactionen — und non schwanden die Sehnenrefleze ganz. Wieder einige Wochen
darauf trat langsam am Bumpf und an der Vorderseite der Oberschenkel Schmerz¬
gefühl auf und nun war beiderseits weder Patellar- noch Äcbillesclonus vor¬
handen. Auch Gerhardt’s Fall gehört vielleicht mit in diese Kategorie, wenigstens
bis einige Jahre vor dem Tode.
Es. scheint dem Bef. also, dass in Fällen von ganz langsam voll¬
ständig werdender Compression die Sehnenrefleze zum mindesten sehr
lange erhalten bleiben können; ja sie können noch gesteigert sein zu
einer Zeit, wo alle Übrigen Symptome auf totale Querschnittsläsion
hinweisen. Damit würden diese F^le eine Sonderstellung einnehmen. Ob sich die
Sehnenrefleze später auch in diesen Fällen doch noch verlieren,,wie im Falle Ger¬
hardt’s, oder dauernd bestehen bleiben können, was im Falle Senator’s wenigstens
wahrscheinlich ist, müssen weitere Untersuchungen lehren. Hervorheben möchte B^.
noch, dass in dem Falle Senator’s, Gerhardt’s und auch in seinem oben citirten
Oedem der Beine fehlte, was in den Fällen rasch eintretender Querläsion immer
vorhanden zu sein scheint. Auch ist es dem Bef. gerade in dem letzteren Falle,
wo noch die Hantrefleze sehr stark waren, aufgefallen, wie schwer es sein kann, zu
entscheiden, ob ein Beflez ein Haut- oder ein echter Sehnenreflez ist; natürlich will
Bef. eine solche Verwechslung Senator oder F. Schnitze nicht etwa impntireo.
Schliesslich möchte er darauf aufmerksam machen, dass sich im Falle Senator's
deutliche Veränderungen der Ganglienzellen bis ins Lendenmark fanden und doch die
Befleze erhalten blieben; man kann also das Fehlen der Befleze in den mit
Bastian's Theorie stimmenden Fällen nicht, wie mehrfach geschehen, auf gering¬
fügige Veränderungen in der grauen Substanz beziehen wollen.
Google
749
Im 2. Falle SeDator’s handelte es sich am einen 30jährigen Arbeiter, der am
3. Kai — gerade einen Monat vor seinem Tode — im Raasche eine Verletzung er-
litten hatte, deren genaoe Katar nicht festzustellen war. Es bestand sofort totale
Lähraong der Beine, der Rumpf', Bauch- und Intercostalmuskulator — die Athmung
geschah nur mit dem Zwerchfelle. An den Armen waren noch die Finger- und Hand-
bewegnngen gelähmt, Ober- und Unterarm frei. Keine fibrillären Zuckungen an den
Fingern. Beine und Rumpf bis zur 2. Rippe waren ganz gefflhllos; ausserdem am
rechten Arme die ulnare Hälfte der Finger, der ulnare Band der Hand und die
Ulnarseite des Oberarmes; links war der Oberarm frei; Hand und Finger im selben
Gebiete wie rechts nnd ein schmaler ulnarer Streifen des Unterarmes waren
anästhetisch. Blase und Hastdarm waren total gelähmt; die Blase war ausdrOckbar.
Keine Pupillen' und Lidspaltensymptome. Schwitzen nur im fühlenden Gebiete.
Meteorismus. Priapismus. - Polyurie. Die Lähmung der Beine war während
des ganzen Krankenlagers eine schlaffe, die Sehnenrefleze waren total
Terschwunden, der Plantarstichreflez im Anfang auch schwach, später
ziemlich lebhaft Im Anfang ziemlich normale elektrische Erregbar¬
keit der Beinmuskeln; später, als Oedem und trockene Schuppung der
Hant der Beine eingetreten war, war auch mit stärksten galvanischen
nnd faradischen Strömen eine Zuckung nicht mehr zu erzielen, der
elektrische Hautwiderstand an den Beinen erwies sich als enorm ge¬
steigert
Basch Decubitus, Cystitis, Fieber. Tod an Marasmus.
Die Section ei^ab eine Verschiebung des 7. Hals- und 1. Dorsalwirbele und eine
entsprechende Zertrümmerung des Rückenmarkes. Daneben hauptsächlich eine gan¬
gränöse Cystitis mit Geschwüren nnd Phlegmone des umgebenden Bindegewebes.
An der Quetscbungsstelle, die ihr Centrum im 7. Cervicals^mente hatte, war, wie
sich bei der histologischen Untersuchung erwies, das Mark total zertrümmert; diese
Zertrümmerung setzte sich nach oben bis ins «5. Cervical-, nach unten bis ins
2. Dorsalsegment, besonders in den Hintersträngen fort Nach oben befindet sich
in diesen Strängen noch eine traumatische Uöblenbildung. Absteigende Degeneration
findet sich in den Pyramidenseitensträngen, im Schultze’schen Komma, und im
Lendenmarke noch in FlecXsig's ovalem Felde; aufsteigende in den GoH'schen,
z. Th. in den Burdach’schen Strängen und in den Kleinhimseitenstrangsbahnen.
Die graue Substanz und speciell die Ganglienzellen unterhalb der Läsion waren
normaL
Klinisch bietet der FaH wieder in Bezog anf Segmentdiagnose das typische
Bild. Hier fehlten, analog Bastian’s Angaben, die Sehnenrefleze au-
dauernd und bestand schlaffe Lähmung; die Hautrefleze blieben theilweise
bestehen, wie io vielen dieser Fälle. Blase und Mastdarm verhielten sich wie im
1. Falle. Au^lig ist das Fehlen der Pupillen- und Lidspaltensymptome.
Die elektrische Unerregbarkeit der Beinmuskulatur in der zweiten Hälfte der
Beobachtangszeit will Senator nicht allein auf die von ihm nachgewiesene starke
Erhöhung des Hautwiderstandes durch Oedem und Schuppung der Haut zurück-
führen, eondem er nimmt auch eine directe Verminderung der elektrischen Erregbar¬
keit durch eine vielleicht nur functionelle Störung der Vorderhomganglien an. Ref.
ist gerade durch einen neuerdings von ihm beobachteten Fall noch mehr in seiner
Meinung bestärkt worden, dass das Fehlen elektrischer Reactionen in den einschlägigen
Fällen nur auf dem enorm erhöhten Leitungswiderstand beruht. In einem Falle
totaler schlaffer Paraplegie mit Fehlen der Sehnenrefleze, starkem Oedem und
Scbnppung der Haut an den Beinen in Folge Carcinomes der oberen Brustwirbel-
Bänle traten mit stärksten faradischen und galvanischen Strömen zuerst Zuckungen
an den Beinmuskeln überhaupt nicht auf; als Bef. aber die Haut der Beine mit
oy
Googl
c
750
warmen Salzwaseer abgewaschen and die Schoppen abgerieben hatte und dann die
Elektroden tief in das Oedem eindrflckte, bekam er zan&ehst mit dem galvanischen
Strome kräftige normale blitzartige Znckongen sowohl an der Wade wie im
QQadricepsgebiete; aoch die Nadelaasschläge am Galvanometer waren jetzt stark and
wurden durch die Widerstand vermindernde Wirkung des galvanischen Stromes immer
stärker. Als er dann die Elektroden mit dem faiadisehen Apparate verband, tratmi
aoch mit diesem Strome kräftige Zockoi^en ein. Also war hier nur der Haut-
widerstand am Ausbleiben der elektrischen Reaction Schuld; wenn im
späteren Yerlaof dieser Fälle allerdings, wie nicht so selten, noch anatomische
Teränderangen in den Muskeln auftreten, werden anch diese natürlich die elektrische
Erregbarkeit herabsetzen.
Senator knüpft schliesslich an seine Hittheilui^en noch einige Bemerkungen
über die Genese der Körnchenzellen. Diese sollen nach ihm nicht aus den
weisseu Blutkörpem, sondern zum Tbeil aus den fixen Bindegewebszellen des Rücken¬
markes — den Zellen der Ädventitia der Gefässe —, zum Tbeil durch Umwandlung
von Gliazellen entstehen. Es giebt allerdings auch mit Fett beladene weisse Blut-
körper — das sind aber keine echten Eömchenzellen. L. Bruns.
16) Die ärztUohe Untenraohnng und Beurtheilnng von Un&llfolgen, von
Prof. Dr. Ledderhose. (1898. Wiesbaden. J. F. Bergmann.)
Die vorli^ende, 46 Seiten starke Broschüre ist vorwi^end vom chirurgischen
Standpunkt aus von Interesse, sie enthält jedoch eine Menge Detüls, die auch für
den Nicbt-Cbiru^en, sobald er sich mit Unfallverletzten zu beschäftigen hat, Wissens-
werth sind.
In der Einleitung betont der Terf. mit Recht, dass die Methodik der Unter¬
suchung einen der wichtigsten Bestandtheile der Unfallchirurgie bildet. Der sprin¬
gende Punkt ist eine möglichst genaue allgemeine und locale Untersuchung. Die
gemachten Feststellungen sind womC^lich durch Zahlenwertbe zu ergänzen. Anch
Yerf. glaubt, dass Simulation selten, Uebertreibnng häufig sei. Am relativ häufi^ten
ist noch die Simulation des ursächlichen Zusammenhangs.
Bei der „Untersuchung im Allgemeinen“ wird der Vergleich mit der gesunden
Seite betont, das Haassnehmen mittelst Winkelmesser und Bandmaass besprochmi;
auf nervöse Krankheitserscheinnngen, auf den Geßssapparat (Arteriosklerose) und den
Urin ist stets zu achten, knarrende oder reibende Gelenkgeräusche sind oft an der
gesunden Seite ebenso vorhanden wie auf der kranken und deigl. mehr. In einen
zweiten — speciellen Theil — wird die Untersnchnng des Kopfes, dmr Schalter¬
gegend, der Arme und ihrer Gelenke, des Beckens und der Beine und schliesslich
des Rückens durchgeeprochen. Ueberall stossen wir auf Details in der Beolmchtang
oder auf nützliche Winke, die ihre Wurzeln in der Praxis haben. Verf. giebt kleine
Kunstgriffe und deigl. an, wie man Simulation erkennen kann (z. B. angebliche Be-
wegungshemmungen im Schultergelenk), ohne dabei in das Extrem zu ver&llen,
überall Simulation zu sehen. Die Arbeit sei der Lectüre jedes Unfallarztes bestens
empfohlen. Paul Schuster (Berlin).
17) Ein Beitrag aur Pathologie und pathologischen Anatomie der trau-
matisohen Bückenmarkserkrankungen (sogen. Hämatomyelie, eeoun-
däre Höhlenbildung), von Dr. Lax, prakt Arzt in Zirndorf, und Dr. L. K.
Müller, I. Assistenzarzt an der medicin. Klinik in Erlangen. (Deutsche Zeit¬
schrift für Nervenheilk. 1898. XII.)
Ein 44jähriger, ganz gesunder, kräftiger Landarbeiter erlangt unmittelbar nach
Google
751
eiBem Fall aas betracbtlieber Höhe auf harten Erdboden eine volUt&ndige Paraplegie.
Kein Yerlusi des Bewusstseins. Keine Fractor oder Luxation der Halswirbelsaule;
Haut Aber derselben schmerzhaft und geschwollen. Ganzer Körper mit Ansnahme
des Kopfes, Halses and ScbaltergArtels anästhetisch. Keine cerebralen oder bolbären
Elrscbeinimgen. Die Bewegungen in den Schulter* und BUenbogengelenken besserten
sich bald wieder, die der Handgelenke indessen nur wenig, die Finger bleiben un-
bew^lich und in Beugecontractur. Sumpf, untere Extremitäten and Blase bleiben
dauernd gelähmt An der unteren Körperhälfte, den Händen und Vorderarmen tritt
an Stelle der völligen Anästhesie allmählich Analgesie und Thermanästhesie auf.
Ausserdem entwickelt sich deutliche Atrophie der Hm. interossei beider Hände und
der Extensoren der Vorderarme. Muskulatur der unteren Extremitäten spastisch
starr, Sehnenrefiexe sehr lebhaft Abgesehen von einer, sofort nach dem Trauma
beobachteten beiderseitigen Uyosis keine Störung von Seiten der Uimnerven. 3 Jahre
nach dem Unfälle in Folge von Cystitis und Pyelonephritis Exitus. Die klinische
Diagnose lautete: Erweichungsherd in der Höbe des 5. Halssegments mit Zerstörung
der grauen Substanz und Unterbrechung der abwärts leitenden Fyramidenbahnen und
theilweiser Zerstörung der sensiblen Bahnen.
Bei der Section fand sich eine leichte Einsenkung des Bftckenmarks in der
Höhe des 6. Cervicalsegments und dem entsprechend eine Höhlenbildnng in der
dorsalen Hälfte des Markes nebst Sklerosirung der Seitenstränge. Der Hohlranm
enthielt eine bräunliche, schleimige Flössigkeit. Die mikroskopische Untersuchnng
ei^ab eine secundäre D^eueration des Goll’schen und Bnrdach’schen Strangs,
der Kleinhimseitenstrangbahn und deä Gowers'schen Änterolateraltracts, ausserdem
der an das Gowers’sche Bündel angrenzenden lateralen Partieen des Seitenstrang*
gmndbündels und eine ganze Strecke weit nach oben der Pyramidenseitenstrangbahn,
besonders in ihren äusseren nach dem Kleinhimseitenstrang zu liegenden Theilen. Die
absteigende Degeneration hatte nicht nur den Pyramidenseitenstrang, sondern auch
die demselben zunächst liegenden Fasern, die Kleinhimseitenstrangbahn und die des
Seitenstranggrundbündels ei^ffen. Von der Mitte des Brustmarks ab sind nur noch
dip Pyramidenseitenstränge degenerirt, deren Entartung bis in das unterste Lenden*
mark zu verfolgen ist. Die absteigende Degeneration der Hinterstränge entspricht
der zuerst von Schnitze beschriebenen. Ausserdem waren die Ganglienzellen der
Clarke’schen Säulen in ihrer Zahl vermindert und undeutlich in der Zeichnung.
In einem 2. Falle von traumatischer Hämatomyelie, in welchem Paraplegie der
beiden Beine und Lähmung des einen Arms aufgetreten war und der 2 Tage nach
dem Unfall letal endete, fanden sich an der Stelle der stärksten Einwirkung des
Traumas in beiden Hälften der grauen Substanz, in den Vorder* und Hinterhöraera
und zwischen den Fasern des rechten Seitenstrangs ausgedehnte Hämorrhagieen. Im
rechten Hinterhora hatte ein Blutei^ss auf weitere Strecken bin, und zwar 4 Seg*
mente nach oben und 1 Segment nach unten, die Substantia gelatinosa zerstört. Die
mikroskopische Untersuchung ergab, dass sich auch an Stellen, an welchen kein Blut*
erguss uachzuweisen war, ein Zerfall von Markscheiden fand. Derartige Blutungen
des Rückenmarks treffen mit Vorliebe das untere Halsmark, möglicherweise weil der
untere Theil der Halswirbelsänle die bew^lichste Partie der ganzen Wirbelsäule ist.
Doch bildet dieser Theil auch für andersartige Processe (Syringomyelie, spinale
Hnskelatrophie) einen liocus mlnoris resistentiae. Die Verff. glauben den ersten
Fall dermaassen erklären zu können, dass es durch den Sturz zu einer Übermässigen
Nachvornbengung oder Ueberstreckung der Halswirbelsäule kam und dass dadurch das
im Wirbelcanal befindliche Mark an der Stelle der stärksten Biegung gedehnt und
gezerrt wurde. Mit der Zeit wurden die zerfallenen Theile der Nervensubstanz und
der Blutei^nss resorbirt. Wo das Stützgewebe mit zerstört war, kam es später zu
einer, mit zäher Flüssigkeit gefüllten, unregelmässigen Höhle. In den Seitensträngen,
.Google
752
deren Stfltj^webe nicht betroffen war, bildete sich weiterhin KliOees Narbengewebe
aus. E. Asch (Fnnkfnrt a./lf.).
18) Troubles du thorax dans la syringomyölie, par F. Maria Ans der
Sociäte m^dicale des bOpitaox. (Progr^ mddical. 1897. Nr. 9. S. 136.)
Verf. nnd Astie beobachteten bei der Syringomyelie eine nene tropbische —
thorax en bäteau — benannte Thoraxbildung, die für diese Erkranknngsform charak¬
teristisch sein soll.
Sie besteht in einer vorderen und medianen Aashöhlung des Bmstkorbee, der
dadurch einem Schiffe ähnlich sieht. Sein vorderes Ende befindet sich an der Basis
des Halses — am Jugulum stemi, sein hinteres am unteren knÖchem«knorpeligen
Ende des Brustbeines. Die Missbildung ist nicht die Folge einer Deviation der
Wirbelsäule. Adolf Passow (Straasburg i./E.).
19) Syringomyelie mit totaler Hemianäatbesie nach peripherem Trauma,
von A. E. Stein. (Deutsches Archiv f. klin. Medicin. Bd. LX.)
Ein früher stets gesunder, erblich nicht belasteter Mann erlitt einen Bruch der
linken Ulna, welcher unter Bildung einer Pseudarthrose mit bedeutender Callns-
Wucherung zur Heilung gelangte. Bald darnach traten zunächst Farästhesieen im
linken Arm auf, dann Schmerzen und Parese der Muskulatur. Dieselben Erscheinnngok
zeigten sich später im linken Bein. Trophische Störungen an der linken Hand, An¬
ästhesie der ganzen Unken Körperhälfte, lallende Sprache, Schiefstellung des linken
Bulbus, Anosmie auf der linken und Verlust des Geschmackssinnes auf beiden Seiten
und Atrophie der linken Zungenhälfte waren die weiterhin auftretenden Symptome.
Die Beseitigung des Callus brachte keine Besserung, dagegen trat nach 'der
Amputation des linkeu Armes in kurzer Zeit eine wesentliche Besserung ein. Der
N. ulnaris des ampotirten Armes, der in den CaUus eingebettet war, fand sich hoch¬
gradig entzündet.
Verf. glaubt, daraus und aus der Besserung der Erscheinungen nach der Ent¬
fernung dieses Nerven eine Stütze der schon früher von Eulenbnrg aasgesprochenen
Behauptung ableiten zu dürfen, dass nämUch die Erkrankung des Bückenmarks die
Folge einer anfsteigenden Neuritis sei. E. Grube (Neuenahr).
20) TTebor einen Fall von Syringomyelie mit Spontanfraotnr beider
Humeruaköpfe und Beeorption derselben, von Dr. Adolf Kofend.
(Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 13.)
54jähr. Wäscherin. Die ersten Symptome der Syringomyelie machten sich in
ihrem 20. Lebensjahre geltend: schmerzlose Panaritien und Verlast der Wärme-
eropfindung. 3 Jahre später beim Wäscheanswinden Spontanhactnr des rechten
Huraeruskopfes. Die Bewegungen des Oberarms blieben durch lange Zeit onana-
führbar; aber 2 Jahre später konnte sie den Arm wieder ziemlich frei bew^en,
spürte dabei aber ein Krachen und. Knarren in der Schalter. Das Knarren nahm
dann wieder allmählich ab, der Schnlterumfang wurde immer kleiner, bis Pat. eines
Tages gewahrte, dass sich in der rechten Achsel keine Kugel mehr befinda Zn
dieser Zeit ereignete sich derselbe Unfall auf der linken Seite, wiedemm beim
Wäscheauswinden. Beides Hai waren nach der Fractur Parästbemeen mit bläulichen
Anschwellungen des ganzen Armes aufgetreten, die dann wieder schwanden. Bei der
Untersuchung zeigte sich die voUständ^e Abwesenheit beider Humemsküpfe bis anm
r..,Googlc
75S
Ansatxe des Pectonlis major ond des Latissimos dorsi. Es findet sieb beiderseits
ein Sebletteigelenk.
Von den übrigen Symptomen der Syringomyelie sei nmr hervorgehoben, dass die
Diagnose dnreh das Vorhandensein ?on Hoskelatrophieen, den fischen Sensibilitäts*
stümngen, trophiseben Stbrongen und Hantverändernngen an den oberen Extremit&ten,
sowie von Scoliose geaicbert war. Bolbäre Symptome waren nicht vorhanden.
Ein beigegebenes B6ntgen>Bild zeigt ^ vollständige Fehlen beider Humems-
köpfe bis znm Collnm chirorg. Eine besondere pathologische Verändemng an den
Knochen lässt das Bild nicht erkennen.
Bin 2. BOntgen*ßild stammt von einer 3Öj&hr. Näherin, die vor 6 Wochen
wies Morgens beim Ao&tehen den linken Arm nicht mehr bew^en konnte. Der
Arm schwoll an, nnd es traten da and dort violette Stellen in der Haut auf. Die
Sehwellong ging alln^hlich znrttck, doch blieb die Haut infiltrirt. Bei der Unter-
snehnng fand sieh eine Lnxatio bnmeri sin. axillaris incompleta, actfve Bew^lich-
keit w^en grosser Schmerzen unmöglich, passive in grossen Grenzen vorhanden.
Atrophie der Mm. deltoidei, snpra* et infraspinat, Hantödeme, Atrophie der Muskeln
des linken Annes, Kyphoscoliosis dorsalis, erhöhte Sehnenrefiexe, keine Sensibilitäts-
Störung an den Extremitäten, aber Anästhesie des Bachens, Cranie, SpinaUrritation,
concentrischs Gesichtsfeldeinschränkung mit Herabsetzung der Sehschärfe.
Verf. glaubt, dass die Spontanluxation in einem hystero-epUeptischen Anfalle
erfolgt sei; die Mnskelatrophie sei als Inactivitätsatrophie, die Oedeme seien durch
Druck des Humemskopfes auf die Qefösse zu M-klären.
Die Einrichtang gelang in der Narcose leicht J. Sorgo (Wien).
21) Form und Ausbreitaog der SensibUitfttsstSnuigen bei Syringomyelie,
von Dr. F. Hahn. Aus der medicin. Klinik von Hofrath von Sebrötter.
(Jahrb. f. Psych. Bd. XVII.)
Verf. giebt zunächst eine allgemeine Uebersicht der Sensibilitätsstöniugen, wie
aie sich bei peripherem, spinalem, cerebralem Sitz der Läsion, sowie bei functionellen
Erkrankungen (cerebrale Anästhesieen) finden, und bespricht hierauf die Angaben
von Lähr über die Ausbreitung der Anästhesiebezirke bei der Syringomyelie, die
auch hier im Gegensatz zu früheren Angaben einen segmentalen Typus der Sensi-
bilitätsstörungen ergaben. Verf.’s eigene Untersuchungen an 6 Fällen, deren Kranken-
geechiebten unter Beproduction der Anästhesieseberoata wiedeigegeben werden, ergeben
eine Bestätigung der Angaben von Lähr. Hervorzubeben ist, dass in einzelnen
seiner Fälle die gefundenen Anästhesiebezirke sich nicht immer streng in die Schemata
von Thorburn nnd Kocher einreihen Hessen, indem sich Hautbezirke, die einem
nnd demselben BOckenmarkssegment entsprechen sollten, verschieden verhielten. Verf.
mmnt, dass die Atgrenzung der einzelnen Bezirke keine absolut feststehende sein
dürfte, dass dieselben vielmehr bei verschiedenen Individuen innerhalb gewisser
Grenzen einem Wechsel unterworfen sein dürften.
Der segmentale Typus ergab sich für alle Qualitäten des Tastsinns. Die Ans-
fall^ebiete für die einzelnen Empfindungsqualitäten, besonders für Schmerz- und
Temperaturempfindung, decken sich meistens, doch ist das Thermoanästbesiegebiet
manchmal grösser. Manchmal, aber durchaus nicht immer, findet sich eine Zunahme
dtf Sensibilitätastörungen gegen die Peripherie hin, jedoch hält sich auch dann die
Ausbreitung der Anästhesie an den segmentalen Typus.
Verf. bespricht dann jene Momente, die bei den früheren Autoren die Angabe,
dass die Anästhesieen der Syringomyelieen einem anderen Typus entsprechen, und
zwar dem centralen mit handschuhförmiger Abgrenzung, beding haben. Er schliesst
sich hier im wesentlichen Lähr an. Zum Tbeil beruhen diese Angaben auf dia-
48
g i : , Google
754
gDOstischen Irrtbflmeni. Hier ist in erster Linie zu nennen die Hysterie, die u
sich oder in Combination mit organischen Erkrankungen Syringomyelie vortänschen
oder selbst mit Syringomyelie combinirt anftreten kann. Eine zweite Fehlerquelle
stellt die Lepra dar. Die Lepra führt meist zu Änästbesieen, deren Ansbreiboig
dem peripheren Typus entspricht, doch kommt bei ihr such ein centraler Typus
(handschuhfürmige Begrenzung) Tor; übrigens ist auch ein s^mentaler Typos möglich.
Die Anästhesie an sich erscheint danach zur diagnostischen Verwerthnng zwischea
Lepra und Syringomyelie ungeeignet
G^enüber den Angaben einzelner neuerer Autoren (Ballet u. A.), dass bei der
Syringomyelie denn doch ein. centraler Typus der SensibilitatsstOrui^en vorkomme,
weist Terf. darauf hin, dass er wohl auch in manchen Fällen Zunahme der Soisi-
bilitätsstOruugen gegen die Peripherie hin beobachtet, dass aber diese Art tob
S ensibilitätsstOmngen gegenüber der spinalen in den Hintergrund tritt and dass er
sie nie allein,'sondern stets im Babmen jener vorgefunden habe.
Redlich (Wien).
22) Ein Beitrag zur Aetiologle und Symptomatologie der Ssrrtngmnyelie,
von Laese. Aus der inneren Abtheilnng des städt Krankenhauses in Charlotten*
bni^ (Prof. Grawitz). (Deutsche med. Wochenschr. 1898. Kr. 18.)
Der Fall zeigt neben typischen Syptomen folgende Eigentbümlichkeiten: Klinisch
ist bemerkenswerth das Zurücktreten der Muskelatrophie (nnr im M. pectoralis major
deutlich), das Fehlen sichtbarer Atrophie an völlig functionsunßhigen, elektrisch nicht
mehr erregbaren Muskeln (Interossei, Muskeln des Kleinfingerballens), ausgesprochene
Yolumenzunabme einzeluer Muskeln, und zwar anscheinend Fsendohypertrophie
in Anbetracht der gleichzeitigen hochgradigen Schwäche, von fibrillären Znckunga
und Abnahme der elektrischen Erregbarkeit. Stärkere Entwickelung des Unterbaut-
fettgewebes, keine Verdickung der Haut, kein Oedem. Unförmige Schwellung d«
rechten Handgelenks, der Palpation nach fast nur auf Knocbenaaftreibangen beruhend:
das BOntgen-Bild zeigt in den Handwurzelknoten und einzelnen Phalangen atro¬
phische Processe, ausgesprochene Hypertrophie der Epiphysen von Radius und Ulna,
hochgradige Ankylosen in einzelnen Gelenken, starke transparente Enochenanflagernngen
und eine sehr beträchtliche Volomenzunahme der Weichtheile. Die streng
rechtsseitig localisirten Symptome entwickelten sich anscheinend nach einem Trenn»,
doch folgt aus der Anamnese mit grosser Wahrscheinlichkeit, dass die Syringomyelie
schon seit ca. 30 Jahren besteht, den Fat. aber in seiner Arbeit nicht behinderte:
das Trauma führte eine hochgradige Verschlimmerung und schwere Beeinträchtigung
der Erwerbsfähigkeit herbei. R. Pfeiffer (Cass^).
23) Ein Fall von einseitiger Oliose im Oervioaltheile des Büokenmarks,
die den aulkteigenden Theil der Trigeminuswurzel berührte, von Prof.
Homdn. (Finska läkaresällsk. handl. 1897. S. 1747. Sitzung vom 31. Od)
Der 19 Jahre alte Pat. hatte im späten Kindesalter häufig Kopfsehmen, seit
einigen Jahren häufig Schwindel, namentlich, wenn er anfstand. Syphilis wurde
entschieden geleugnet. Seit iVa Jahren hatte er, ohne vorhergehende besondere
Veranlassuug, Gefühl von Steifheit in den Fingern der rechten Hand, die 1. und
2. Phalanx des 3. Fingers begann anzuschwellen, die Geschwulst zeigte knorpelige
Gonsistenz, die Beweglichkeit nahm ab, auch die Übrigen Finger schwellen etwas an,
wie auch Hand- und Ellenbogengelenk in geringem Grade und später and das
Schultergeleuk; die rechte Seite des Nackens wurde etwas empfiodliolL Das Gefühl
im Arme nahm von unten nach oben zu ab, wie Pat angab, bei der Unterenchssg
zeigte sieb aber das Tastgefühl ungestört, nur die Scbmerzempfindnng hatte am
n,Googlc
755
rechten Anne, an der rechten Seite des Kachens und der Brust abgenommen, in der
Hand am meisten, nach oben zu immer weniger; in derselben Ausdehnung zeigte sich
Abnahme der Temperatorempflndung. An der linken Seite, wie überhaupt im übrigen
Körper fanden sich keine Störungen. Müdigkeit im rechten Arme gesellte sich hierzu
und Schmerz, der manchmal bis in den Hinterstrang ausstrahlte. Die Sensibilitäts'
stömng breitete sich auch über die rechte Seite des Körpers ans, nach yom zu ab*
nehmend. Anfangs war der 5. und 6. Halswirbel etwas empfindlich bei Druck, später
nicht mehr. Weitere Störungen waren nicht vorhanden. Durch Anwendung des
faradischen Pinsels wurde die Sensibllitätsstörnng etwas gebessert, wahrscheinlich
aber nur vorflbe^ehend.
Nach Verf. musste es sich um einen Process handeln, der mit geringen Breiten*
dünensionen sich in der Längsrichtung stark ausdehnen kann, um Gliose im Hals*
und oberen Bmstmark, die aber das Vorderhom unberührt liess. Aus dem Umstande,
dass auch im Trigeminusgebiet nur Störoi^ der Schmerz* und Temperatureropfindung,
nicht auch der Tastempfindung, vorhanden war, will Verf. den Schluss ziehen, dass
die anfsteigende Trigeminoswurzel nur diese Qeffiblsqualitäten vermittle.
W. Berger (Leipzig).
24) Diaaooiaaione a tipo eiringomielioo della sensibilitA in* un oaao di
iateriamo maeohlle, perP. Burzio. (BoUettino del Policlin. gen. di Torino.
1897. Nr. 17.)
Aljähriger, an ScbwindelanMen leidender Privatsecretär. Anästhesie für Tem*
peratur und Schmerz in der rechten oberen und unteren Extremität Berührungs*
empfindlichkeit gut erhalten. Die anästhetische Zone setzte sich g^en das normale
Gebiet mit scharfen Grenzen ab, kein hypoästhetisches Uebeigang8fel<L Die Behänd*
lang mit dem faradischen Pinsel liess die Sensibilitätsstörungen jedesmal auf un*
geföhr 1 Stunde schwinden.
Verf. glaubt, nach Entstehung, Wesen und Verlauf Syringomyelie ausscbliessen
und das Beetehen von Hysterie als gesichert annehmen zu können-
Valentin.
25) CompreeBion de la moelle oervioale. Syndromes de Brown*Söquard aveo
diasooiation de la sensibilitA, par Dejerine. (Progräs mddical. 1898.
28. Juni.)
Eine ungenthr 60 Jahre alte, sehr cachektiscbe Kranke leidet an linksseitigen
Motilitätsstörungen und Muskelatrophie der linken oberen Extremität, zumal der
Hand, mit erheblicher Schmerzhaftigkeit der Nerven auf Druck. Bechterseits findet
sich Anästhesie für Schmerz und Wärme, während der Tastsinn nicht gestört isi
Verf. kommt nach eingehender Differentialdiagnose zur Annahme einer Compression
des Bückenmarks in Folge eines einseitigen Malnm Pottii (Spondylartbrokace).
Adolf Passow (Strassburg i./E.).
26) A oase of fraoture of the flfth oervioal vertebra, in whloh an ope*
ration was done. Death on the eighth day after the Operation, by
W. H. Hudson, M. D. (Journal of nervous and mental disease. 1897. Jun.
S. 369.)
Ein 19jähriger kräftiger Jüngling war beim Kopfsprung ins Wasser anf den
Gmnd gestossen und war, als er von seinen Freunden gerettet worden war, von
onterhalb des Halses an völlig gelähmt; nur in den Schultern und Ellbogengelenken
waren einige active Bewegungen möglich.
Verf. sah ihn erst 3 Wochen später und fand totale Anästhesie vom Niveau
der 2. Bippe, bezw. des 2. Brustwirbels abwärts und ausgedehnten Decubitus au
48*
D g ii.:od oy GoOg Ic
756
verschiedenen dem Körperdrack ausgesetzten Stellen, namentlich Aber dem Os sacrum.
Auch die Muskulatur des Rumpfes und der Untereztremitäten war völlig gelähmt,
während an den Obereztremitäten Deltoideos, Biceps, Brachialis internus und Supi*
nator longus allein noch functionirten. Die Respiration geschah lediglich durch das
Zwerchfell. Rs bestand ferner Cystitis und Blasenlähmung, aber kein eigentlich«-
Priapismus. Der Sphincter ani war total gelähmt, ohne jede Spur von Contraction.
Sämmtliche Befleze waren völlig erloschen, auch die Pupillen reagirten nicht auf
Licbteinfall. Pai war im übrigen bei voller Besinnung, hatte guten Appetit und
fieberte unregelmässig.
5 Wochen nach dem Unfall wurde auf Wunsch der Angehörigen eine Operation
versucht, doch erwies sie sich als zwecklos, da das Rückenmark innerhalb des
5. Halswirbels auf die Länge von einem halben Zoll vollständig zerquetscht war.
Der Körper war beiderseits von den Querfortsätzen losgesprengt und in das Innere
des Wirbelcanals hineingezwängt. Am 4. Tage nach der Operation starb Pat.
Sommer (Allenberg).
97) Glioaarooma of the spinal oord, by B. Morley Fletcher. (Brit med.
Joum. 1898. 21. May. S. 1327.)
Verf. berichtet Ober einen Pat., der im Leben verschiedene Rückenmarkserschei¬
nungen darbot und bei dem er die beziehentliche Diagnose eines Tumors in der Lumbal-
anschwellung annahm. Der Tod erfolgte bei einem plötzlich eingetretenen Bauch¬
schmerz, dessen Natur unaufgeklärt blieb. Es fand sich bei der Autopsie eine
Geschwulst, die hintere Hälfte des Lumbaltheils einnehmend, welche bis zum-Central-
canal reichte und die Hinterhömer zerstörte. Geschwulst dieser Eörpergegend,
namentlich Sarcome, seien selten. Häufig sei Trauma als Ursache ähnlicher Fälle
genannt worden. L. Lehmann I (Oeynhausen).
28) Tumor of the spinal dura mater, by C. 8. Potts. (Proceedings of the
pathological society of Philadelphia. 1898. 15. Janoary.)
Einem 16jährigen Knaben war vor l-^/, Jahren das linke Bein wegen «nes
Sarcoms am Kniegelenk amputirt worden. Ein Jahr darauf wurde das rechte Bein
schwach, zeigte Parästhesieen und war innerhalb 2 Wochen völlig paretiscls ebenso
der Stumpf des linken Beins. Es entwickelte sich Huskelatrophie bei normaler
elektrischer Erregbarkeit; der Patellarreflez war gesteigert. Blase und Mastdarm
functionirten uormal. Die Sensibilität der unteren Körperhälfte bis zum Nabel war
erloschen, ebenso Schmerzempfindnng und Temperatursinn. Im weiteren Verlauf ent¬
wickelte sich eine Blasenlähmung; die Anästhesie reichte bis über den Schwertfortsata
des Brustbeins. Es traten Schmerzen zwischen den Schulterblättern auf. Der Pal
wurde immer schwächer, bekam Decubitus am rechten Trochanter. Die Huskel¬
atrophie des rechten Beins erreichte extreme Grade; das Bein stand in Flexions-
contractur. Nach einem halben Jahre ging Pat. im Collaps zu Grunde.
Die Section zeigte die Muskeln über dem unteren Theil der Dorsalwirbelsäule
mit kalkhaltigen Hassen infiltrirt, die sich in die Wirbelsubstanz verfolg«] lassen.
In dem unteren Theil der Brustwirbelsäule sind die Knochen erweicht. Der Wirbel¬
canal ist durch das Wachsthum des hyperplastischen und erweichten Knochen in der
mittleren Dorsalregion stark verengt und hat das Rückenmark comprimirl An der
vorderen Aussenseite der Dura, von der 9.—11. Rippe, liegen Geschwulstmassen, in
der oberen Dorsalregion eine hämorrhagische Cyste auf dem hinteren Abschnitt der
Dura. Die Pia ist normal. Im Halsmark sind die Goll’schen Stränge, im Lenden¬
mark die Pyramidenbahnen d^nerirt Doch fehlt bis *jetzt die mikroskopische
Untersuchung. M. Bothmann (Berlin).
./Google
757
28) Tumor of the spinal pla, first oervioal segment, miataken for hyper-
trophio cerrioal paohymeningitis, by Joseph Collina and George W.
Blasehard. (Medical News. 1897. July 10.)
Ein 36jähriger Mann, der vor 20 Jahren Syphilis acquirirt hatte, erkrankt mit
Schmerzen im Nacken und der rechten Gesichtsh&Ifte; zugleich wird die Bewegung
des Kopfes erschwert. Nach einigen Monaten kommt es zur Abnahme der moto¬
rischen Kraft des linken Arms mit heftigen Schmerzen in demselben. Es wird jetzt
eine Schwäche der ganzen linken Seite constatirt mit Erhöhung der linksseitigen
Sehnenreflexe; die linke Hand kommt in Flexionsstellung. Im weiteren Verlauf
nimmt die Rigidität des Nackens ab. Die Diagnose wird auf Pachymeningitis cer-
Ticalis hypertrophica gestellt. Unter Delirien kommt es zum Exitus. Die Section
ergiebt einen Tumor der Pia an der hinteren SQckenmarksfläche, vom unteren Ende
der MeduUa oblongata bis zum 2. Cervicalsegment reichend; er drückte auf das Hals¬
mark. Es handelt sich um ein Spindelzellensarcom mit sehr erweiterten Blutgefässen,
einzelnen Hämorrhagieen und einigen Herden mit käsiger D^eneration. Im Rücken¬
mark b^tebt eine leichte absteigende Degeneration der Pyramidenseitenstrangbabnen
and eine aufsteigende der Bnrdach’schen Stränge. M. Rothmann (Berlin).
30) £izi weiterer Fall von solitärer Taberoulose des Büokeninarks, zu¬
gleich ein Beitri^ sur liehre von der Brown-Sdquard’sohen Hsdb-
seiteziiahmang, von Dr. L. R. Müller, I. Assistent an der medicin. Klinik in
Erlangen. (Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilkunde. 1898. Xll.)
Verf. ist in der glücklichen L^e, innerhalb kurzer Zeit den zweiten Fall von
Solitärtuberkel im Rückenmark, der in der Erlanger medicin. Klinik beobachtet werden
konnte, zu verüSentlichen. Das Referat über die erste Mittheilung findet sich in
diesem Centralbl. 1897. S. 902.
Es handelt sich um einen 46jährigen, mit schwerer Tuberculose behafteten
Arbeiter. Ende April 1897 Klagen über Schwäche in den Beinen, Schmerzen in
der Blasengegend und Retentio urinae. Das rechte Bein wird nachgeschleift, kann
ohne Unterstützung nicht aus der horizoutalen liSge gehoben werden. Dorsalflexion
des rechten Fasses fast unmöglich, Plantarflexion etwas besser. Patellarreflexe leb¬
haft, rechts stärker als links, Cremasterreflex beiderseits undeutlich, Achillessehnen¬
reflexe nicht vorhanden, Bauchreflex rechts nicht auszulösen. Schmerz- und Tem¬
peraturempfindung vom linken Rippenbogen an abwärts und an der ganzen linken
Doteren Rxtremität erloschen; auch auf der Rückseite werden vom II. Brustwirbel
an abwärts Nadelstiche nicht mehr als Schmerz empfunden. Die tactile Sensibilität,
abgesehen von einer kleinen Stelle an der rechten Brustwarze, ist im Gegensatz
hienu an sämmtlichen Stellen des Körpers eine gute. Wirbelsäule nirgends druck¬
empfindlich. Bei der Section fand sich ausser jauchiger Cystliis und Pyelonephritis
ausgedehnte Innentuberculose; das obere Brustmark war in der Höhe des zweiten
Dorsalsegmentes in seiner rechten Hälfte durch einen rundlichen tuberculösen Tumor
eingenommen und dadurch das Gewebe zerstört; in der linken Hälfte des Markes
bestanden ausser deu Zeichen leichter Stauung keine Veränderungen. Die Trennung
zwischen der erhaltenen linken und der zerstörten rechten Hälfte ist eine ganz
scharfe. Die mikroskopische Untersuchung ergab, dass die typischen auf- und ab¬
steigenden Degenerationen entweder gamicht oder nur schwach vorhanden waren;
in beiden Vorderseitensträngen liess sich nur eine geringe aufsteigende Degeneration
nachweisen. Vielleicht sind diese verhältnissmässig geringen Veränderungen dadurch
zu erklären, dass sich erst seit 5 Wochen klinische Erscheinungen bemerkbar
machten. Ausserdem hatte der Tuberkel die Leitung in der einen Rückeumarks-
hälfte nicht ganz unterbrochen; er wurde noch von Fasern durchsetzt, die allerdings
Google
758
der Harkgcheiden beraubt als nackte Axencylinder der mikroskopischen Untersudiang
entgingen. Der Faseraasfall im rechten Vorderseitenstrang und zwar hauptsächlich
im Seitenstranggnmdb&ndel und in der G^end des Gowers’scben Anterolateral«
tractes localisirt, ist durch die Unterbrechung dieser aufsteigenden Bahn localisirt.
Fast anderthalb S^mente oberhalb des Tuberkels tritt auch in dem der Läeion
gegenüberliegenden linken Seitenstran^rondbflndel eine schwache Lichtung auf nnd
ist bis ins oberste Halsmark zu verfolgen. Es ist dies dadurch zu erklären, dass
die in dem rechten Hinterblm entspringenden sensiblen Fasern nicht horizontal,
sondern schräg aufwärts nach der contraiateralen Seite ziehen.
Verf. gelang es also nicht nur io seinem ersten Falle, sondern auch in den
dieser Veröffentlichung zu Grunde liegenden Präparaten eine lange, aufsteigende,
augenscheinlich sensibe Eindrücke leitende Bahn in dem Seitenstran^undbündel
oachzuweisen. E. Asch (Frankfbrt a./H.).
31) Freuure poraplegie treated by lomineotomy, by. J. Hutchinson jun.
(Brii med. Joum. 1898. March 5.)
Verf. stellte ein 12 jähriges Mädchen vor mit Spinalerkrankung unter Curvatur
der CoL vertebr. Buhe, Elektricität u. s. w. batten sich unwirksam erwiesen. Es
bestand vollkommene Farapl^e, Fussclonns, Anästhesie der Beine nnd des Bauches,
Steigerung der Befiexe, Incontinenz. Die vier oberen Dorsalwirbel wurden exddirt
Entlassung mit geringer Besserung zwei Wochen nach der Operation. — Nach
acht Monaten zweite Aufnahme ins Hospital; keine Besserung nach der geschehenen
Operation. Indessen trat neun Monate nachher eine wundervolle Besserung ein.
Zuerst kehrte die Sensibilität, alsdann die Motilität zurück. Vollkommene Herstellung
erfolgte. Die normale Kraft kehrte zurück. Eis fühlt sich an, als ob an der Operations¬
stelle neuer Knochen gewachsen sei.
Bin zweiter Fall von Wirbelfortnahme gegen Parapl^e wird von F. C. Wallis
an den vorstehend mitgetheilten angereiht Kach 10 Ti^n hatten sidi die
Schmerzen verloren; nnd nach drei Wochen war die Locomotion normal.
L. Lehmann I (Oeynhausen).
32) Ueber die anatoznisohe Grundlage einer anaoheinend fhlsohen Seg-
mentdiagnose bei tuberoulöser Compressionsmyelitis, von Prof. Dr.
M. Dinkler in Aachen. (Deutsche Zeitschrift f. Nervenheilkunde. 1897. ZI.)
Es handelt sich um einen Fall, in welchem die klinische Diagnose einer Quer*
Schnittserkrankung des Bückenmarks in der Höhe des VUL—X. Dorsals^ments
gestellt war. Die anatomische Untersuchung ergab eine Myelitis transversa chron.
in der Höhe des VI.—VIIL Dorsalnerven und ausserdem eine Compressionsmyelitis
in der Höhe des 11. und III. Dorsalsegments, letztere hervoigemfen durch Wirbel*
caries mit consecutiver tnberculöser Pachymeningitis. An die beiden S^ment-
erkranknngen schliessen sich die entsprechenden seenndären Degenerationserscheinungen
an, von denen das Verhalten einer absteigenden Degeneration in den Bnrdach’scben
Strängen in Gestalt des Schnltze’schen Kommas hervoigehoben seL Beide Er¬
krankungen des Bückenmarks entbehren eines anatomischen Zusammenhanges. Doch
spricht sich Verf. für eine einheitliche Aetiologie insofern aus, als der Befund einer
Lungentuberculose auch die erste Herderkrankung als eine Art metastatischen Proceases
erscheinen lässt, wenn man die durch tuberculöse Erkrankungen erleichterte Hisch-
infection im Äuge behält. Bietet der Fall, dem eine sehr eingehende mikroskopische
Untersnehnng zu Theil geworden, schon durch diese Combination zweier getrennter
Segmenterkrankungen Interesse, so gewinnt er noch weiter an Bedeutung durch die
Betrachtung vom Standpunkt der Diagnose und eventuell chiroigischen Therapie. So
lyGoogle
759
ist die toberculdse CompressionserkraDkang Dickt dii^ostieirt worden, wofflr einmal
äussere, der Untersnchnng hinderliche Umstande verantwortlich zn machen sind, dann
aber könnte diese, flbrigens jfingere ABection das wesentlich dnrch den tieferen Herd
bedingte klinische Bild nicht viel modificiren. Anlässlich der Differenz in der Höhen*
bestimmnng des zweiten Herdes empfiehlt Verf. die Befunde Harrington’s bei der
Diagnose zu beherzigen und hiernach sieb für eine möglichst hohe Localisation zu
entscheiden, entsprechend der Bildung der Intercostalnerven aus den einzelnen Seg¬
menten. £. Asch (Frankfurt a./M.).
33) Ein Fall von aouter Infeotionskrankheit mit Thrombosen in den
pialen Oefässen des Büokenmarks, nebst Beobachtungen über das
Verhalten und die Entstehung der Amyloidkörperohen in demselben
Falle, von Karl Petrdn. (NordUk Hedicinsk Arkiv. 1898. Kr. 7.)
Eine 61jährige Fran erkrankt mit Fieber nnd Schmerzen im BQcken; es ent¬
wickelt sich starke Benommenheit mit leichter Parese der Beine, Steigerung der
Patellarreflexe und Blasenläbmung. Nach Idt^ger Krankheit kommt es zum
Exitus. Die Section eigiebt einen Leberabscess mit Bacterium coli im Eiter. Die
Untersuchnng des in Formol gehärteten* Bflekenmarks zeigt zunächst eine Verdickung
der Pia und der Oefässwandungen, sowie eine hyaline Umwandlung der letzteren,
offenbar senile Veränderungen auf arterio-sklerotiscfaer Grundlage. Im unteren Bflcken-
marksabschnitt sind die meningealen Oefässe stark vermehrt. Auch die grösseren,
ziemlich dfinnwandigen Venen zeigen eine hyaline Degeneration der Wände. Es
finden sich non Thrombosen der meningealen Geßsse, ausgegangen von den grösseren
Venen der hinteren Bfickenmarksabschnitte des Sacral- nnd Lumbalmarks. Der nach
oben fortgeschrittene Process überschreitet nicht die Halsanschwellung, hat die
kleineren pialen Venen und später auch die Arterien ergriffen. Die Ursache der
Thrombenbildung ist die vom Leberabscess ausgehende schwere, allgemeine Intoxication.
Der Thrombenbildnng gehen Veränderungen der Intima der Gefösswandnngen vorauf.
Eine syphilitische Geßsserkrankung lässt sich bei dem Fehlen jeder Zellwucherung
mit Sicherheit ausschliessen. An den Thromben fehlt jede Spor von Organisation;
im unteren Theil des Bfickenmarks giebt es nur rothe Thromben, zum Theil im
Stadium der Kekrose, im oberen Theil kommen auch gemischte Thromben mit groben
Fibrinnetzen vor. Zahlreiche Pigmentkörner, die sich auch in nicht thrombosirten
Gewissen finden, rühren offenbar von absterbenden Leberzellen her.
Von den intramedullären Gefässen zeigen eiuige den Beginn der Thrombose; sie
zeigen fast alle eine starke Verdickung und hyaline Umwandlung der Wandungen.
Die weisse Substanz zeigt keine Sklerose; die periphere Bandzone weist schlechte
Färbbarkeit der Markscheiden auf, die Axencylinder sind nicht sehr scharf abgegrenzi
Die KeurogUazellen sind stark geschwollen. Die Veränderungen entsprachen den von
Himick beschriebenen „cacbektiseben". Die Zellen der grauen Substanz ober¬
halb der Halsanschwellnng sind annähernd normal; in der Halsanschwellung zeigen
viele Zellen Chromatolyse, andere abnorme Zunahme der Pigmentbänfehen. Die
Protoplasmafortsätze der Ganglienzellen sind korkzleberartig geschlängelt, oft ab¬
gebrochen. Die Pericellularräume sind stark erweitert. Im Brust- und oberen
Lendenmark dieselben Verändemngen; in der Lendenanschwellung sind die Verände¬
rungen der Gaoglienzellen noch stärker, viele zeigen körnigen Zerfall. Die Ver¬
änderungen der Ganglienzellen sind die Folge der durch die Thrombenbildung ver¬
ursachten nngenfigenden Blutzufuhr.
In demselben Bückenmark finden sich zahlreiche Amyloidkörpercheu sowohl in
den Hintersträngen besonders am Eintritt der hinteren Wurzeln, als auch in der
grauen Substanz, vor allem in den Vorderbömem der Lendenanschwellung. Es muss
eine sehr acute Entwickelung derselben stattgefuuden haben. Die Amyloidkörperchen
.Google
760
besteben ans einer colloiden Substanz, einem Umwandlnngsprodnct des Biweiss, nnd
sind nicht mit der Stärke renrandt Es gelii^ dem Yerf^ eine vollständige Beibe
von sicheren Uebergangsformen von Leako< 7 ten zn völlig entwiektiten Amyloidköipercben
feetznstellen. Die letzteren gehen ans Kernen and Zellleibem der Lenkocyten and
vermnthlicb auch ans den fixen Glewebssellen dorch Anscbwellong der Zellen and
chemische ümwandlnng ihrer Substanz hervor. Da von StrObe die Entstehung der
Amyloidkörperchen aus Axencylindem bei experimenteller Bflckenmarksdnrchsehnei'
düng sicher beobachtet ist, so muss die Möglichkeit eines verschiedenen UrsprungR
der Amyloidkörperchen feetgehalten werden. H. Bothmann (Berlin).
nL Aus den Oesellsohaften.
AerstUofaer Verein in Hamborg.
Sitzung vom 17. Mai 1898.
Boettiger: TTeber Hypoohondrte.
Vortr. nimmt in dem Streite, ob die Hypochondrie nar eine Theilerscheinung
der Neurasthenie oder eine selbständige psychische Erkrankni^ sei, den letzteren
Standpunkt ein. Er betont die Nothwend^keit, bei dem Versuche, dem Wesen
psychischer Krankheiten auf den Grand zu kommen, nicht nur klinisch, anschanend
zu beobachten, sondern vor Allem auch physiologisch, pathologisch-physiologisch. Er
schickt einige kurze orientirende Bemerkungen fiber die normale Psychophysiologie
im Sinne der Associationspsychologie voraus.
Bei der Besprechung der Hypochondrie geht er aus von der von Hitzig in der
Monographie über den Quärulantenwahnsinn gegebenen Definition: „Die Hypochondrie
ist eine auf einer krankhaften Veränderung der Selbstempfindnng beruhende Form
der traurigen Verstinunung, io welcher die Aufmerksamkeit anhaltend oder vonriegend
auf die Zustände des eigenen Körpers oder Geistes gerichtet ist" Er theilt die
Krankengeschichten mehrerer besonders reiner, uncomplicirter Fälle von Hypochondrie
mit; in der einen Gruppe derselben betrifft, die veränderte Selbstempfindung vor-
wi^end den geistigen Antheil der Persönlichkeit: die Kranken klagen, dass sie sich
wie leblos Vorkommen, wie aufgezogene Maschinen, wie Schatten, wie eine Rgur aas
dem Panopticnm n. s. w., dass sie geistig nicht hören, sehen u. s. w. könnmi, ob*
wohl sie eigentlich sich ganz gut unterhalten könnten; aber wenn sie sprächen, sei
es ihnen so, als ob sie selbst von dem nichts wüssten, was sie reden. Zugleich
bestehen bei diesen Kranken häufig Symptome von veränderter Empfindung der
Anssenwel^ es kommt ihnen alles, die Stimmen nnd Geeichter der Menschen, die
Häuser, Bäume u. s. w. anders vor. Alle diese veränderten Empfindnngen drängm
sich den Kranken zwangsntässig auf (Zwangsempfindungsirresein) und zwängen
sich in alle Ideeenassodationen hinein, so dass die Vorstellungen eine einseit^
Bichtung annehmen. Ausserdem pflegt die Beproduction von Vorstellungen eine
nebelhaft veränderte zu sein.
Ein im Princip gleichartiges, in der Erscheinungsweise aber sehr differentes
Krankheitsbild bieten diejenigen Hypochonder, bei denen die veränderte Selbst*
empfindnng vorwiegend den körperlichen Antheil der Persönlichkeit betiifft. Audi
für diese Form führt Vortr. einige Beispiele an.
Bei allen Hypochondern sind die veränderten SelbstempfindnngeD and deoeDt*
sprechenden Vorstellungen mehr oder weniger fest flxirte und wenig vOTfinderlkbe.
■' Google
761
Inhaltlich gehen sie nicht Ober das psjchisch Mögliche hinaus. Ans ihren Empfin¬
dungen in erster Linie resaltirt ihr charakteristisches Benehmen.
Was bei Neorasthenikem gewöhnlich als Hypochondrie bezeichnet wird, sind
Erscheinungen von Nosophobie, doch kann sich gar nicht so selten zur Neurasthenie
echte Hypochondrie hinzngesellen. Gleichwohl sind beide Krankheiten ihrem Wesen
nach durchaus zu trennen.
Yortr. bezeichnet als Hypochondrie eine Krankheit, „bei welcher die Empfindungen
und Vorstellungen des eigenen Körpers und Geistes, sowie die der Aussenwelt illu*
sionär transformirt sind und dabei in ihrer Intensität erhöht oder Termindert er¬
scheinen. B^leitet sind dieselben von negativen Gefflhlstönen. Diese veränderte
Selbstempfindung und Empfindung der Aussenwelt entsteht entweder primär durch
krankhafte fnnctionelle Vorgänge in cerebro, in der Hirnrinde, oder secundär ebenda
nach irgend welchen abnormen peripheren Sensationen. Die veränderte Selbst-
empfindung ffihrt, in Folge ihrer dominirenden Stellung unter den Empfindungen des
Kranken Überhaupt, zu awangsmässiger Bichtüng des Vorstellungsinhalts auf das
eigene Ich und unter Vernachlässigung anderer, vorher geläufig gewesener Vorstellungs-
reihen, zu abnormer Vorstellnngsarmnth. In Folge Einfügung dieser dominirenden
Empfindungen und Vorstellungen in alle Ideeenassociationen des Kranken wird auch
auf diese die native Gefühlsbetonung übertri^n und auch die nicht direct hypo¬
chondrischen Vorstellungen und Wahrnehmungen verbinden sich mit Unlnstempfin-
dungen.^*
Vortr. bespricht sodann als besondere Varianten und schwerere Formen der Hypo¬
chondrie 1. die melancholische Hypochondrie, charakterisirt durch Hinzutreten
des Kleinheitswahns, der Selbstanklagen von Selbstverschnlden oder Verdienen der
Krankheit, der Angst und Snicidgedanken. Und 2. die schwachsinnige Hypo¬
chondrie, charakterisirt dadurch, dass die hypochondrischen Vorstellungen ins Un¬
geheuerliche, physisch Unmögliche wachsen. Die Unterschiede gegenüber den ganz
anderen Krankheitsgruppen angehörenden hypochondrischen Formen der Dementia
paralytica und Paranoia werden kurz skizzirt.
Vortr. schliesst mit einigen Bemerkungen zur Prognose und Therapie der
Hypochondrie.
Discussion:
Saenger schliesst sich im grossen und ganzen der Ansicht des Vortr. an,
indem auch er der Hypochondrie eine gesonderte Stellung einräumi Jedoch neigt
er mehr der Ansicht Binswanger's zu, dass die Hypochondrie auf dem Boden der
Neurasthenie erwachse und nur eine Weiterentwickelung des Nervenleidens nach
der p^chischen Seite hin darstelle.
Eine so scharfe Trennnng und so einfache Definition wie Vortr. sie bei den
fnnctionell nervösen Erkrankungen der Neurasthenie, Hysterie und Hypochondrie vor-
nimmt, entspricht nach seiner Meinung nicht den klinischen Thatsachen. Ungemein
häufig beobachtet man sowohl Neurasthenie, wie Hysterie combinirt mit echt hypo¬
chondrischen Vorstellungen. S. theilt als Beispiel einen derari%en Fall mit, und
fügt hinzu, dass der vom Vortr. mitgetheilte Fall von Hypochondrie, in welchem die
Patientin von der Vorstellung befallen ist, gravide zu sein, ein Vorkommniss enthält,
das speciell bei Hysterischen sehr oft beobachtet wird.
Was nun die Auffassung der Hysterie von Seiten des Vortr. betrifft, so habe
S. des öfteren darauf hinznweisen Gel^enheit gehabt, dass er mit ihm nicht über¬
einstimme, dass Alles in der Hysterie, speciell auch die Stigmata, auf Vorstellungen
basirt sei. S. fragt den Vortr., ob er das Verhältniss der Hypochondrie zur Hysterie
absichtlich kurz behandelt halM. Gäbe es doch anerkannte Psychiater, welche die
misten als hypochondrisch bezmchneten Beschwerden als hysterische bezeichnen.
Weiterhin befrag S. den Vortr. nach seinen Erfahrungen über das Vorkommen hypo-
Diy
Google
762
cbondrischer Er&mpfe aod Lähmangen, speciell der Astasie und Abasie, und «i« tt
dieselben von der bjsterischen Form nnteracbeidet. (Antorreferai)
Wollenberg tritt gleichfalls für die nosologische Selbständigkeit der Hypo«
chondrie ein, pflichtet aber Herrn Saenger insofern bei, als auch er die Abgrenzung
zwischen Hypochondrie einerseits, Hysterie and Neurasthenie andererseits nicht immer
fflr so scharf halt, wie man es nach den Ausführungen des Vortr. annehmen könnte.
JedenfaUs seien die Bestrebungen des Vortr., in dieser Hinsicht grössere Klarheit tu
verschaffen, sehr dankenswerth. — Die motorischen Störungen der Hypochonder, auf
die der Vortr. nicht eingegangen sei, lassen sich von ähnlichen Erscheinungen bei
Hysterischen häufig dadurch unterscheiden, dass jene von den Kranken selbst am
ihren hypochondrischen Empfindungen erklärt, bewusst vou diesen abgeleitet werden.
(Autorreferat)
Boettiger (Schlusswort) schliesst sich bezt^lich des Unterschiedes zwiscb«
hysterischen und hypochondrischen motorischen Störungen der Ansicht des Hem
Wollenberg an. Herrn Saenger gegenüber berichtigt er, dass er keineswegs je
behauptet habe, dass Alles, was durch Vorstellungen bedingt sei, hysterisch sei. Er
verweist auf seine diesbezüglichen früheren Erörterungen. Allerdings steht er durehaiu
auf dem Standpunkte von Hoebius und Bruns, dass alle wirklich ihrem Wesen
nach hysterischen Symptome imitirbar seien. Den Standpunkt einzelner Psychiater
(z. B. Sommer), welche die meisten als hypochondrisch bezeichneten Beschwerdra alt
hysterisch bezeichnen, hält er für verkeil und verwirrend. Die Schwierigkeit der
Unterscheidung von Neurasthenie, Hysterie und Hypochondrie in vielen Fällen erkenne
er ebenso wie Herr Saenger an; die Auswahl der heute citirten, besonders extremen,
aber auch darum um so klareren Fällen sei aus didactischen Gründen erfolgt
Dr. Boettiger.
Biologische Abtbeilung des ftntUohen Vereins an Eamburg.
Sitzung vom 7. Juni 1898.
Nonne stellt ein fast-2 Jahre altes Kind vor, welches von der Geburt an
die Zeichen einer rechtsseitigen Facialislähmung bot; die Geburt war in
normaler Schädellage, leicht und ohne Kunstbülfe verlaufen, die Schiefheit des Ge¬
sichts wurde gleich nach der Geburt beim ersten Schreien bemerkt Syphilis und
Fotatorium der Eltern war ausznschliessen; in der rechten Farotisgegend war keine
Anomalie zu fühlen; das Kind hörte — wie eine einwöchentliche Beobachtung im
Krankenhaus auf der Abtheilung des Vortr. ergab — offenbar beiderseits normal,
der otoskopische Befund — Herr Thost — war beiderseits normal. Irgend eise
sonstige Gehimnervenläbmung lag nicht vor, speciell war auch das Oculomotoriim-
gebiet absolut frei; geistig und körperlich war das Kind im Uebrigen normal, Zeiehea
von Hemmungsbildungen bot dasselbe nicht.
Während im Stirn-, Augen- und Wangenantheil die elektrische Err^barkeit f&r
beide Stromesarten aufgehoben war, liessen sich im H. quadratus menti und M. or-
bicularis oris rechterseits noch schwache Contractionen bei starken Strömen erxieles;
Contracturzustände in den gelähmten Muskeln fehlten.
Vortr. reiht diesen Fall demjenigen von Fr. Schnitze und von Bernhardt an;
er spricht sich für eine Kemläsion im vorliegenden Falle aus und recunirt auf ^
Hoebius'schen Anschauungen über den infantilen Kemschwund.
Auf eine Anfrage des Herrn Fraenkel bemerkt Vortr. noch, dass Moebins u. A
nucleare Frocesse, congenitale Defecte von Ganglienzellen annehmen. Der IrtiaisAe
Befund spricht dafür, weil jiicht alle Fasern des Facialis ergriffen sind. Anatoiusek
ist dieses noch nicht bewiesen; auch ein Fall von Bernhardt, der zur anatomischea
D g : /od oy Google
763
UntersQchang — Kronthal — kam, wird von 6. selbst in seiner letzten Bearbeitnng
dieses Themas — „Die Erkrankungen der peripherischen Nerven“ — als nicht be«
weisend bezeichnet
Die Prognose, nach der Herr Fraenkel fragt, bezeichnet Vortr. als schlecht.
•
Sitzung vom 21. Jnni 1898.
Saenger demonstrirt eisen intramedullären Bilokenmarkstumor (Oliom),
der sich vom unteren Brustmark bis zum Conus medullarls erstreckt, das BQckenmark
ganz durchwachsen und auf etwa das Doppelte verdickt hat. Im mittleren Brustmark
befand sich ein etwa haselnnssgrosser zweiter Qeschwnlstknoten. Die Wurzeln und
Kervenstämme im Bereich des Lendenmarks erschienen in Folge der hochgradigen
Volumzunahme desselben ganz abgeplattet
Die 30jährige Frau kam am 7. November 1897 in die Sprechstunde und
kh^te fiber Schwäche im rechten Bein seit der Geburt ihres jüngsten Kindes
(August 1896). In letzter Zeit hatte sie Nachts Schmerzen vom Bücken angehend
bis zu den Enieen. Im rechten Fuss taubes Gefühl. Stehen und Gehen erschwert;
Hie und da Blasen* und Hastdarmschwäche.
Die Untersuchung ergab Abschwächung der Hüftheber, speciell rechts, ferner
etwas in Beziehung auf die Streckung und Beugung des rechten Unterschenkels und
endlich eine gewisse Schwäche in beiden Peronealgebieten.
Die Patellarsehnen* und Ächillesreflexe fehlten. Im Bereich des N. cntan. later.,
des Cmralis und Peron. superf. Sensibilitätsstürungen. Keine Dissociation der Em*
pfindungen. Tast-, Schmerz* und Temperaturempfindung in gleicher Weise afficirt
Patientin ging unsicher, breitspurig und schleuderte etwas das rechte Bein, dessen
Fussspitze manchmal den Boden berührte. Keine Spannungen.
Nach verordneter Buhe und Seesalzbädem trat eine so auffallende Besserui^
ein, dass die anfängliche Diagnose eines myelitisehen Processes unbekannter Natur
aufgegeben wurde.
Das Gehen war viel besser geworden. Wasserlassen und Eothentleernng ohne
Beschwerden. Patientin war ganz schmerzfrei.
Da die elektrische Untersuchung im rechten Cmralis und Peroneus qualitative
Veränderungen ergeben, so neigte Vortr. zur Annahme einer puerperalen Neuritis,
welcher Diagnose sich ein competenter Berliner College anschloss.
Patientin wurde im December 1897 wieder gravide. Die im Januar eintretende
Verschlechterung (im Gehen, Urinentleerung; dagegen keine Schmerzen, wohl aber
Parästhesieen in den Händen und Beinen) wurde auf die erneute Gravidität bezogen.
Bis einige Wochen vor ihrem plötzlichen Ende ging Patientin mit einem Stock allein
im Zimnaer umher. Der Tod trat ganz unerwartet unter den Erscheinungen einer
Herzparalyse ein (Brnstsection wnrde nicht gestattet). In der allerletzten Zeit konnte
Patientin nicht mehr gehen; die unteren Extremitäten waren stark geschwollen.
Patientin klagte etwas über Kreuzschmerzen und fühlte nicht mehr die Entleemng,
d^egen konnte sie den Urin halten.
Vortr. hebt hervor, dass in diesem Falle die lange andauernde Besserung, und
die relatiye Geringfügigkeit der Symptome, und das Auftreten derselben im Puerperium
die Stellung der richtigen Diagnose erschwert, ja beinahe unmöglich gemacht hat.
Des weiteren berichtet Vortr. unter gleichzeitiger Demonstration des anatomischen
Präparates fiber einen richtig diagnosticirten Himabsoess im rechten Ooolpital*
lappen, der jedoch bei der Trepanation nicht eröffiiet worden war.
Ein 28jäbriger Arbeiter H., der früher wegen Alkobolismus und Delirium im
Krankenbans gewesen war, kam im Mai d. J. w^en heftiger Kopfschmerzen, Schwindels
und Erbrechen auf die Abtbeilung des Herrn Oberarzt Dr. Jollasse.
./Google
764
Im Mai 1897 Otitis media dupl. Im October Hammer^Ambossextraction rechts.
Im December heftige, Tag und Kacht andauernde Kopfschmerzen rechts in der Stirn-
gegend. Änf Antipyrin, Eisblase, Ohrausspülungen Besserung.
Vortr. sah den Fat am 12. Hai 1898. Derselbe war etwas benommen.
Der linke Hnndfacialis erschien etwas schwächer innervirt «Kraft des linken
Armes und linken Beines etwas herabgesetzt Bei Beklopfung des Vorderarmes zur
Auslösung des Reflexes tritt rythmischer Tremor des Armes und der Hand auf. Am
linken Ober- und Unterarm Herabsetzung der Sensibilität, besonders der Schmerz¬
empfindung. Eeiue Störung des stereogoostischen und des Lagegefflhls in der linken
Hand. Der Gang ist schwankend. Bomberg’sches Phänomen. Beide Pupillen
eng, gleich, reagiren direct und indirect gut auf Licht Beiderseits temporale Ab¬
blassung beider Papillen.
Bei Beklopfen der rechten Stirn- und Schläfengegend äussert Pat intensiren
Schmerz; nicht Ober dem Hinterhaupt Puls 48. Keine Temperatursteigemng.
Trotz der Benommenheit gelang es dem Vortr. nun durch mehrfache Untersnchangen
nachzuweisen, dass eine homonyme linksseitige Hemianopsie bestand und daher wurde
der Himabscess in das Hark des Occipitallappens localisirt Die klinischen Er¬
scheinungen wurden als indirecte Herdsymptome des hinteren Abschnitts der innereo
Kapsel gedeutet.
Vortr. schlug die Trepanation vor, die sofort ausgefQhrt wurde. Trotz viel¬
facher Punctiouen wurde der Abscess nicht gefunden. Nach 7 Tagen Exitus. Die
Autopsie ergab einen alten Abscess an der diagnosticirten Stelle. Der Abscess hatte
eine so dicke, feste Wand, dass die Functionsnadel wahrscheinlich abg^litten war.
Nonne berichtet, dass er 2 Tage später als Sänger ebenfalls — ün Neuen
allgemeinen Krankenhause — einen jener seltenen Fälle von myelogenem Tumor
secirt habe.
Der Fall betraf ein 16jähriges Mädchen, bei der Syphilis nach Anamnese und
negativem objectivem Befund auszuscbliessen war. Es bestand durchaus keine tuber-
culöse Belastung und auch die oft wiederholte Untersuchung ergab an den Oiganen
der Kranken keinen Anhalt für die Annahme eines tuberculösen Processes. Pat.
erkrankte ca. 3 Wochen vor ihrer Aufnahme in’s Krankenhaus in snbacuter Weise
an Paraplegie der unteren Extremitäten mit geringen ausstrahlenden
Schmerzen in denselben; dann stellte sich bald eine Sphincterenschwäche sowie Ab¬
nahme der Sensibilität fOr alle Qualitäten ein. Die zunächst spastische Lähmung
ging in eine schlaffe Aber, die Sensibilitätsstörung wurde eine complete, unter Zu¬
nahme der Sphincterenlähmung. Die obere Grenze der Gefühlsstörnng, zuerst io der Höbe
der Mamilla gelegen, ascendirte dann; es stellte sich dann eine motorische Schwäche
der Finger, der Hände, der Ellbogen und der Schultern ein. Die Sensibilitätsstörung
war eine Zeit lang auf das Ulnarisgebiet beiderseits beschränkt, dabei stellte sich
eine Anisocorie und Tr^heit der Lichtreaction der rechten Pupille ein. Mit Zu¬
nahme der motorischen Lähmung wurde auch die Sensibilitätsstörung an den oberen
Extremitäten eine totale und complete; die Sehnenreflexe schwanden auch hier, ebenso
wie sie an den unteren Extremitäten total aufgehoben waren. Muskel¬
atrophie und starke quantitative Herabsetzung der elektrischen Erregbarkeit trat ein.
Nor hier und da hatte Fai Über mässig starke ansstrahlende Schmerzen im Nacken
und in den Armen geklagt; hingegen stellte sich jetzt eine hochgradige Empfind¬
lichkeit der Nackenwirbelsäole ein, so dass Pat. ängstlich jede Bewegung des Kopfes
vermied.
Im weiteren Verlauf des — ganz oder fast ganz fieberlosen — Falles kam ee
dann zu bnlbären Erscheinungen: Schluck- und Kaustörnngen, Parästbeaieen und
Schmerzen iro Gesicht mit objectiven Hypästhesieen, Facialispareeen, Parese des linken
N. abduceos. Den Schluss bildeten durch ca. 8 Tage hindurch protinhirte Beepi-
Google
765
rations* and Pnlsstöroi^ii tod balb&rem Charakter. 3 Wochen ante mortem wurde
noch eine doppelseitige Stanungspapille mit H&raorrhagieen constatirt
Die Diagnose lautete als Wahrscheinlichkeitsdiagnose: Hjelitis ascendens; man
nahm an, dass es sich am ein — wahrscheinlich tnbercnlOses — Exsudat der Pia
mater handele, welches das Bftckenmark zunächst comprimirt und dann zerstört habe,
und dass sich dann eine specifisch>tnberculöse Erkrankung des Markes hieran au¬
geschlossen habe. Die bulbären Erscheinungen, im Verein mit der Stauungspapille,
wurden als der Ausdruck eines Tuberkels aufgefasst, der sich in der Medulla oblon-
gata entwickelt habe, andererseits die Möglichkeit eines langsam sich entwickelnden’
basalen Exsudats offen gehalten. Eine Tumorbildung war för höchst unwahrscheinlich
erklärt worden, weil der Process, entgegen dem gewöhnlichen Verlanfe der intra-
mednllären Tumoren, hier ascendirt war und weil der Verlauf ein fast schmerzloser
gewesen war. Es wurde aber betont, dass zwei Momente, das Fehlen j^licher nach¬
weisbaren Tuberculose am Körper und in der Familie der Kranken sowie die Stauungs¬
papille die „Tumomatnr" des ganzen Falles nicht ausschliessen lasse.
Die Obdnction ergab, dass es sich um einen nach der makroskopischen Beurthei-
lung vonQ obersten Halsmark bis in das 10. Dorsalsegment hineinreichenden inka-
meduliären Tumor handelte; das Halsmark war unförmlich anfgetrieben, der ganze
Querschnitt zerstört — die mikroskopische Untersuchung konnte noch nicht vor¬
genommen werden —, in der Mitte des Tumors, dessen frische Untersuchung Spindel¬
zellen ergab, zeigte sich im Halsmark eine qnergestellte Höhle, welche vom obersten
Dorsalmark abwärts nicht mehr zu constatiren war. Das Lendenmark erschien
makroskopisch intact. Die frische Untersuchung eines Muskelastes vom K. cruralis
und eines StQckcbens aus dem M. quadriceps (rechterseits) ei^b keine integrirenden
Anomalieen.
Ueber das oberste Cervicalmark hinaus der Tumor, sich conisdi ab-
stnmpfend und g^en das erweichte Mark gut al^^^nst, noch ca. 1 cm in die
Medulla oblongata hinein.
Vortr. betont den für einen myelogenen Tumor nngewöhnlichen Verlauf dieses
Falles — wie oben bereits dargele^ —; ferner scheine, die mikroskopische Be¬
stätigung der totalen Querschnittsunterbrechnng des Halsmarks vorausgesetzt, dieser
Fall die Bichtigkeit der Bastinn-Brnos’schen Lehre von der Anfbebung der.
Sehnenreäexe der Extremitäten durch eine totale Querscbnittsnnterbrecbung des
Halsmarks zu bestätigen.
Liebrecht fragt, wie das Gehirn sich in N.’s Fall verhalten habe.
Könne antwortet, dass am Gehirn ausser einer Erweiterung der Ventrikel keine
Anomalie gefnnden wurde, ebenso sei das Kleinhirn makroskopisch intact gewesen.
Deutschmann fragt Sänger, ob in seinem Fall keine Stauungspapille be¬
standen habe.
Sänger erwidert, dass keine Stanungspapille vorhanden war und ffigt hinzu,
dass er Gegner der Dentschmann’schen Theorie der StaunngspapUle ist, und stützt
seine Ansicht auf die Erfahrung der letzten Jahre, wo im alten Allgemeinen Kranken¬
hanse bei einer ganzen Reihe von Hirntumoren eine Stauungspapille vermisst wurde.
Nach seiner Ansicht ist die Theorie der Stauungspapille absolut noch nicht gelöst,
wahrscheinlich spielen individuelle Verschiedenheiten im Canalie opticus eine grosse
Bolle beim Zustandekommen der Stauungspapille.
Zu dem zweiten Falle Sänger’s bemerkt Nonne, dass er sich eines analogen
Falles ans dem Jahre 1888 entsinne; Eisenlohr habe bei einem Bronchiektatiker
einen Abscess in’s Armcentrum localisirt; Sclfede fand damals bei der Trepanation
keinen Abscess, und die Obdnction eigab, dass die Pnnktionsnadel sich vergebens
bemüht hatte, die sehr dicke Membran des Abscesses zu dnrchdringen; in der Litte-
ratur wird dies Vorkommniss auch von allen erfahrenen Autoren betont. Nonne
ig :i^cd cy Google
766
hat in den letzten sechs F&Uen von — durch die Obdaction bestätigtem — Hirn«
tumor niemals Pulsverlangsamong gesehen, so dass er nach seinen persdnliehen Er¬
fahrungen — auch Oppenheim betone dies in seiner Monographie Uber Hirn¬
tumoren — das Fehlen von PulsvOTlangsamnng, en^egen der gewöhnlichen Du--
Stellung der Schule, för etwas durchaus nicht Ungewöhnliches halten mfisse.
HQter: üeber Carolnom-UetastaBen des peripheren Nervensystems.
Bei einer Frau mit ausgedehnter Metastasirung eines Mammacaränoms fand
Yortr. ausser Metastasen in der Leber das periportale Bindegewebe von Krebs dicht
inflltrirt. Die hier zum Leberhilns fahrenden, dem Tagus und Sympathicus ent¬
stammenden Nerven waren in grosser Ansdehnung von dem Carcinom in Mitleiden¬
schaft gezc^en. Die Invasion der Nerven durch das Carcinom geht in Rischer
Weise so vor sich, dass zuerst die in das Bindegewebe des Epineuriums eingedrungenen
Krebszellen an einer Stelle das Perinenrinm durchbrechen. Ist dieser Durchbrodi
erfolgt, so drängen sie die Nervenfasern zur Seite und breiten sich zwischen Peri-
nenrinm und Fasermasse in Form eines Halbmondes oder eines Einges ans. Die
Nerven erscheinen daher sowohl auf dem Querschnitt wie auf dem Längsschnitt von
einem dicken Mantel von Geecbwulstgewebe umgeben. Das Wachsthum der Krebs¬
zellen innerhalb des Perineuriums kann offenbar dem Verlaufe des Nerven folgend
auf grössere Strecken hin stattfinden. Möglicherweise kann auch ein Durchbruch der
Qeechwnlst von innen nach anssen, durch das Perineurium in umgekehrter Eichtang
erfolgen. Im weiteren Verlaufe dringen die Krebszellen weiter centralwärts vor,
indem sie Anfangs die Bindegewebsfasern dra Endoneuriums ans einander diingeo,
später aber auch in Form von Zapfen sich zwischen die einzelnen Fasern schieben.
Hierbei können die Fasern in grosser Auedehnung zerstört werden nnd durch Atrophie
zu Grunde gehen. Specifische Färbungen der nackten Axen< 7 linder, um die etwa
eingetretenen Degenerationserscheinnngen zu zeigen, gelangen nicht Ob auch durch
die Capillaren des Endoneuriums eine metastatische Verschleppung von Geschwulst¬
keimen stattfinden kann, konnte nicht unterschieden werden.
Simmonds hat bei einem an Magenkrebs und Metastasen verstorbenen Indiri-
duum ähnliche Beobachtungen gemacht wie Hflter. Im Gewebe vom Leberbilus
fand er zahlreiche Querschnitte markloser Nerven, die kreis- und sichelförmig von
einer schmalen Krebsschicht omhailt waren, so dass es vielfach den Eindruck machte
dass gerade die Nerven den Weg für die Fortwucherung der Nenbildong gebahnt
hätten. Auch mitten im Nerven fanden sich Krebsschläucbe vereinzelt oder in
grösseren Anhäufungen. An markhaltigen Nerven bat S. Aehnliehes nicht gesehen
nnd speciell bei Untersncbongen der Achsel- nnd Halsnerven bei Brustdrüsen-, Bachen-
und Speiseröhrenkrebs fand er niemals Metastasen in Nerven, sondern nur eine Zer¬
störung derselben durch das umwuchemde Krebsgewebe.
Nonne berichtet, dass er bei seinem Material nur zwei Mal wirklich metastatische
maligne Tumoren im peripheren Nervensystem gesehen habe, und zwar handelte es
sich ein Mal um multiple kleine Melanosarcome in der Cauda equina bei einrai Fall
von generalisirter Melanosarcomatose, deren primärer Sitz in der Chorioidea war, in
anderen Fall wieder um multiple Sarcome in der Cauda equina bei primärem Sitz
des Sarcoms im einen Hoden.
N. hat im „Vereins-Hospital“ 1893 und 1894 3 Fälle von ausgedehnten Becken-
sarcomen gesehen, die alle drei unter dem Bilde einer schweren und haiisäckigro
Ischias auftraten und die bis zuletzt keine eigentlich neuritischen Symptome geboten
hatten, trotzd^ die Umwueherung der Nn. ischiadici sieh bei der anatomischen
Untersnchong als eine sehr innige erwies. Die mikroskopische üntersncbung dieser
drei Fälle zeigte auch die Unversehrtheit der Nervenfasern selbst Für die Sarcome
der peripheren Nerven sah N. hierdurch also nur bestätigt, was ttberhaupt für die
...Google
767
TamorflD der peripheren Herren als Erfahrangsthatsache gilt, dass sie die Herren*
fasern selbst aaffallend lange schonen; dieselbe Erfabrang wurde anch betreffe der
hinteren Rfichenmarkswnrzeln bei den ron der Pia mater aosgehenden Sarcomen —
zaletzt ron Könne, Ä. Westphal, Schlesinger — gemacht.
Sänger schliesst sich den Aosführungen ron Könne an, dass die Sarcome
sehr selten in die Herren hineinwflchsen. So habe er in dem EQmmeirschen Falle
(siehe Brans, „Die Geschwülste des Herrensystems'' S. 347), bei dem er den Sitz
des Sarcoms der Wirbelsäole localisirt hatte, das sich zuerst durch Intercostal-
Henralgieen angezeigt hatte, die betreffenden durch die Sarcommassen durchtretenden
Herren untersucht und dieselben io der Substanz frei von Gescbwulstmassen gefunden.
Sitzung rom 28. Juni 1698.
Jaffd und Saenger stellten zwei Zwillingsknaben im Alter von
4 Jahren ror.
Beide sind ohne Ennsthfllfe rechtzeitig geboren und in keiner Weise belastet
Während nun der eine Enabe sich normal entwickelte, blieb der andere seit seinem
6. Lebensmonat im Wachsthom und in seiner geistigen Entwickelung sehr zurück.
Die Wachsthnmastürong wurde ron rerschiedenen Aerzten als Bhachitis angesehen
und dementsprechend behandelt
Als S. dies Kind sah, stellte er die Diagnose auf infantUes Myxödem, und
zwar auf Grund der hochgradigen Wacbsthumsstörong, der äusserst mangelhaften
geistigen Entwickelung und der Beschaffenheit der Haut Letztere war trocken,
hart and verdickt Die Lippen waren wulstig, die Zunge gross, der Leib auf*
getrieben. Es bestand eine Habelhemie. S. schlug dem Hausarzte J. die Schild-
drüsenbehandlnng ror, die derselbe acceptirte.
Der Erfolg war ein ganz eclatanter und schon nach 8 Tagen bemerkbar.
Jetzt nach 3 Monaten ist der Enabe wie umgewandelt Während er früher
ganz stupide und apathisch war, ist er jetzt lebhaft und nimmt Theil an den Yer*
gnügungen in seiner Umgebung. Er langt jetzt an zu sprechen und allein zu gehen.
Die Haut hat gegenwärtig eine normale Beschaffenheit.
Während er zuerst zwei Tabletten (6. u. W. u. C.) bekommen hatte, erhält er
jetzt nur eine pro die.
Eine störende Einwirkung der Thyreoidinbehandlung war bis jetzt nicht zu
constatiren.
Grisson stellt im Yerein mit Saenger ein junges Mädchen ror, welches lange
Zeit an doppelseitiger Ohreitenmg litt.
Anf dem linken Ohr wurde im vorigen Jahre die Badicaloperation durch Auf*
meisselung des Warzenfortsatzes und Entfernung der cariöeen Stellen rorgeuommen.
Damals schon wurde von dem Operateur wegen heftiger Kopfschmerzen ein Hirn*
abscess vermuthei Es wurden mehrere vergebliche Functionen in den Schläfenlappen
gemacht. Die Kopfschmerzen steigerten sich, und es traten Zuckungen in der rechten
Körperhälfte auf.
Die von S. rorgenommene Untersuchung ergab ausser einer grossen Schmerz*
empfindlicbkeit der linken Schädelbälfte, speciell des linken Scheitelbeins, das Be*
stehen von clonischen Zucknngen im rechten Arm, Bein und rechten Mundwinkel;
ferner eine Herabsetzung der Sensibilität in der rechten oberen Extremität ohne
StOrnng des Lagegefühls und des stereoguostischen Yermögens. Ganz auffallend war
eine ausgeprägte Seusibiütätsstörung im 2. und 3. Quintusast. Ausser einer gering*
f&gigen Parese im rechten Arm und einer leichten Ataxie der rechten oberen und
unteren Extremität war nichts nachweisbar afficiri
-ri., Google
768
Wegen der Unertr&glidikeit der Kopfechmerxen rieih de er einen Abecess
entweder in der hinteren Centralwindnng oder in der Tiefe dee Schl&fenlappMia, and
zwar gegen die Basis zu vermathete, zor Trepanation, die Q. ansfQhrta, nnd zwar
so, dass die beiden Stellen von der Trepanationaöffiinng ans zngänglich waren.
In der hinteren Centralwindnng, dicht unter der Binde, fand sich eine Cjste,
ans der bei der ErOffiinng etwa ein Esslöffel serohämorrhagische FlOssigkeit sich
ergoss.
Der Erfolg der Operation war zufriedenstellend. Die Znckongen nnd die
Schmerzen sind jetzt g&nzlicb geschwunden. Die Operationswnnde verheilte per
primam. Nonne (Hambu^).
IV. Vermischtes.
Einladung sur Jahreesitsang dee Vereine der deuteohen Irreninte su Bonn
am 16. und 17. September 1808.
Tsgesordnnng:
1. Qeschäfttiche Mittbeilnngen. 2. Antrag des Vorstandes: a) Die Jahressitzang
weiterhin regelmässig im Frühjahr abzabalten and zwar in der Woche nach Ostern, b) Als
Versammlnngsort mehrere Städte za bestimmen, in welchen in regelmäaeigem Tomos die
Jahressitzangen abgehalten werden. Vorgeseblagen werden zunächst Berlin, Prankfart a./ll.
and München. 8. Die Anwendung der Hydrotherapie and Balneotherapie bei psychischen
Krankheiten. Bef.; Prof. Dr. Thorasen (Bonn). 4. Die Znrechnangsfähigkeit der Hyste>
rischen. Ref.: Prof. Dr. Ffirstner (Strassbnrg). b. Ueber Marksoheidenentwickela^ des
Qehims and ihre Bedeatnng für die Localisation. Bef. Prof. Dr. Siemerling (Tübingen).
Angemeldete Vortrage:
Geheimratfa Dr. Oebecke (Bonn): Das rheinische Irrenweeen. — Dr. E. TrOmmer
(Berlin): Zur pathologischen Anatomie des Deliriam tremens. — Docent Dr. Scbattae
(Bonn): Beitrag zor Lehre von den pathologischen Bewosstseinsstürnngen. — Docent Dr.
Nissl (HeidelMrg): Die Verwerthang des anatomischen Materials in IirenaDstalten. —
Director Dr. Sioli (Frankfurt a./M.): Die Fürsorge für Qeisteskranke in den deotsehen
Grossstidten. — Dr. Lfibrmann (Dresden): Ueber Stadtasyle. — Dr. O. Vogt (Beiiin):
Zar Psychopathologie der Hysterie.
16. September, Abends von 8 ühr ab: Zosammenkonft im „Kaiser Friedrich“ in der
Friedrichs trasse.
16. September, 9’/* ühr, Sitznng in der Prorinzial-AnstalL (Pferdebahn bis zor Heer¬
strasse.) 1—2 ühr FrOnstfiek, daigeboten von der Verwaltang der Bheinprovinz. 2 ühr
Fortsetzong der Sitzung. 6 ühr gemeinsames Mittagessen im Hötal Kley.
17. September, 8—9'/« Ühr, Besichtigong des klinischen Institats in der Provinzial-
Anstalt 9'/, ühr Sitzung. 12'/4 ühr Abfahrt mit Schiff nach Königswinter, gemeiiMUDes
Mittagessen daselbst Darnach Anffiahrt zum Draehenfels.
Das Local-Comitä haben die Herren Pelmao und Oebeke übernommen, für Damen
die Damen Hertz and Thomsen.
Ab Hötels werden empfohlen: Hotel fi4^al, Kley, Rbeineck am Bheio. in der &adt
Goldener Stern, Bbeinischer Bof, letzterer einmober.
Der Vorstand:
Jolly (Berlin). Laehr (ZehlendorQ. Pelman (Bonn). Schüle (lUesaa).
Siemens (Laaenborg L/r.). Ffirstner (Strassbnrg).
üm Einsendung von Separatabdrücken an den Beraosgeber wird gebeten.
Einsendongen für die Redaction sind zn richten an Prot Dr. E. Mendel.
Berlin. NW. Sohiffbanerdamm 20.
Verlag von Vzrr & Coup, in Ldptig. — Druck von Manan & Wnm in Löp^.
,Google
Villa Emilia t
3 bei Blankenburg im Schwarzathal (Thüringen) t
Heilanstalt für Nervenkranke t
ist das gaose Jahr hindurch geöffnet (
^ SaBitätsrath Dr. Bindseil. Dr. Warda, t
4 früher erster Assistenzarzt von Herrn Hofrath ^
^ Professor Dr. Binswangor in Jena. ^
Dr. med. Lots’ Nervenheilanstalt
Friedriolirodfi i. Tliiir,
Behandlung mit mechatiischen HautTeizeu {cf. Zeitschr. für kliii. 3Iediciu
B. XXX H. 1 u. 2), be.süuders für Fälle, bei denen AVasserbehandlung erfolglos
oder nnmnglich ist Prospecte und Casuistik gratis.
Dr. J. Waldschmidt’s Kurhaus |
für Nerven-, Alkohol- und .Morphium-Kranke. |
Westeud bei Berlin, Ulmen-Allee 37. |
Dr. Waldschmidt
Dr. Weiler.
Wasserbeilaostalt Sophienbad za Reinbek (aaiie Hamborg).
£}ectro- o. Pneumatotfaerapie. Gymnastik, Massage, Diätkuren. Dr. Faul Hennings.
i Entziehungskuren
Dr. Fromme, Stellingen (Hamburg).
Pi'oapecte gratis.
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Dr. O. FOrer, Torm. Assistent ron Herrn Prof. Kripelln in Heidelberg.
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gegründet von 8an.*Bath Dr. Richter.
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Das ganxe Jahr hindurch geöffnet.
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we^en. Bei dem Assistenzarzt wird einige Mychiatriscbe Vorbildung vorausgesetzt.
Bewerbungen werden, atinüchst nur brieflich, bis zutn 15. September 1. J. hierher
erbeten.
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Professor Dr. E. Mendel _ .
Siebzehnter n B«rUa Jahrgang.
MooaUteb erscheinen zwei Nnmmem. Preis des Jahrganges 24 Mark, Zn beziehen durch
alle BachhandtaDgen des ln- und Anslandes, die Postanstalten des Deutschen Reichs,
sowie direct von der Verlag.sbucbhandlang.
1898. 1. September. Nr. 17.
Leipzig,
/\J Verlag von Veit & Comp.
' 1898.
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Professor Dr. E. Mendel
Siebzehnter "* Jahrgang.
Ifonatlich erscheinen zwei Nnmmem. Preis des Jahrganges 24 Mark. Za beziehen durch
alle Bnchhandlnngen des ln* and Auslandes, die Postanstalten des Deutschen Reichs, sowie
direct von der Verlagsbachhandlang.
1898. 1. September. Nr. 17.
Inhalt; I. Originalmlitheilungen. 1. Zwei Fälle von Hirntumor mit genauer Local*
diagnose, von Dr. L. Bruns in Hannover. (Schloss folgt) 2. Deber die elektrische Enegbarkeit
des N. radialis, von Dr. Karl Oumpertz in Berlin. 3. Ueber die Stractur der Spinalganglien¬
zellen. Eine Erwiderung, von Dr. Crnst Heimtnn.
II. Referate. Anatomie. 1. Stndies of the neoroglia, by Euricli. 2. A method of
examining &esb nerv cells; with notes concerning their structure and the alterations caused
in them % disease, bj Turner. — Experimentelle Physiologie. 3. The cerebral capil-
lar; circulation, by Capple. 4. Rioerche sperimentali sui processi di embolismo infettante nei
centri-nervosi e suUa genesi degli ascessi cerebrali, per Fieschi. 5. Sur la Physiologie du
corpa calleux et sor les moyens de recherohe ponr l’^tude de la fonotion des ganglions de
la base, par Monaco. — Pathologische Anatomie. 6. üeber die Bedeutung des Balken-
mangels im menschlichen Qrosshim, von ZIngerle. *- Pathologie des ervensystems.
7. Ueber den Einfluss des Tropenklimas auf das Nervensystem, von Rasch, 8. Üeber Herd¬
erkrankungen des Gehirns, welche vom Patienten selbst nicht wabrgenommen werden, von
Anton. 9. L’dvolution du langage, considdrde au point de vue Tdtude de l’aphasie, par Mario.
10. A case of word — without letter — blindness, by Hlnshelwood. 11. AngeMrene psychische
Taubheit, von Liebmann. 12. 1. Stichverletzang der linken Hemisphäre von der rechten Orbita
ans. Gomplete Hemiplegie und Aphasie. Heilung. — 11. Intracranielle Blutu^ nach sub*
CDtaner Schädelfractur der linken Sobläfengegend. Exspectative Behandlung. Heilung, von
Martin. 13. Ein Beitrag zur Pathologie des corticalen Hörcentmms, von Alt. 14. Un cas
de Bordite verbale pnre terminee par aphasie sensorieUe suivi d'autopsie, par Do)erino et
Sdrieiix. 15. Obergutaehten über me Zuverlässigkeit der Angaben eines Aphasiscben ttber
die Vorgänge bei der seiner Aphasie zu Grunde liegenden Schädelverletznng (Raubmord-
versacb), von Ziehen. 16. Zar Casuistik der doppelseitigen homonymen Hemianopsie, von
Manz. 17. Die Phänomene der Gehimcompression, von Adamkiewics. 18. Üeber die bei
Himdmck im Rückenmarke anftretenden Verändernngen. von Koche. 19. Haematoma snb-
darale; trepanation, af Kflster och Lindh. 20. Trepbining for Symptome of cerebral tumour,
bj Gould. 21. Glioma of the right frontal lobe of the brain, by Krauss. 22. Ün cas de
gliome odrdbral. Oedäme de la papille. Hdmiplegie gauche. Antomatisme ambnlatoire,
ikcces de sommeil. Trepanation, par Oevic et Courmont. 23. Zur Diagnose and Therapie
des Gehirntumors, von Ziehen. 24. Om Röntgens str^ar i hjärnkirargiens fjänst, af Hontchen
och Lennander. 25. Casnistische Beiträge zur Hirncbirurgie und Himlocalisation. Brater
Beitrag von Sonhoeffor. 26. Casnistische Beiträge znr Himchirurgie and Himlocalisation.
Zweiter Beitrag von Llopmann. 27. Sol centro peico-motore dei muscoli suueriori della faccia,
per Pugllese. 28. Zur Pathologie der Erkrankungen des Streifenhiigels und Linsenkerns, von
Reichel. 29. A case of dysphagia and dyspbasia resulting from a lesion in the internal
capsale, bv Daland. SO. Studio delle vie cerebro-bulbari e cerebro-cerebellari in an caso di
lesiooe della ctiotta del peduncolo cerebrale, per Cenl. 31. Ein Fall von Erkrankung des
PractiiB opticus, Pedunculns cerebri und N. oculomotorius, von Rudnieur. 82. A case of
.xunoar of the Pons Yarolii, by Handford. 33. Ueber periodische Schwankungen der Papillen*
Veite bei Chevne-StokesVhem Athmen, von Thiemich. 34. Sur les paraplegies flasques par
Impression de la moelle, par Marinetco. 35. Beiträge zur Klinik der Rückenmarks* and
VirMltnmoren, von Schlesinger. — Psychiatrie. 36. Ueber Psychosen bei Carcinom-
49
Dig :./ou
Google
770
kocbexie, von Elzholz. 37. Ai^enaoterancbiiDgeii bei CretumoB. Zwergwocbs und verwiodteD
Zuständen, von Hitschmann. 88. üeber die urämiscben Psycbosea, von Bitchoff. — Therapie.
89. Ein Beitrag znr Qaincke’schen Lambalpanction bei Kindern, von CmsbI. 40. Geber die
Lumbalpanotion, von Petert.
tu. Aus den GeseUschnften. Geeellscbaft der Neurologen und Irrenärzte zn Moskau.
L Originalmittheilungen.
1. Zwei Fälle von Hirntumor mit genauer Localdiagnose.
Von Dr. Ii. Bruns in Hannover.
Fall I.
RnndzeUensarcom im linken Stimhim.
Zu der 40 Jahre alten Tapezierersfrau G. wurde ich am 29. November 1897
zum ersten Male gerufen. Es wurde mir erzählt, dass die früher immer gesunde
Frau seit einiger Zeit an immer zunehmender Schwäche und Benommenheit litte,
auch am Tage viel schlafe, ja in den letzten Tagen überhaupt nicht mehr vom
Bette aufgestanden sei. Sie habe im übrigen kaum Klagen gehabt, nur ab und an
über Kopfweh geklagt Erbrechen sei nie dagewesen, wohl aber Uebelkeit Auf*
gefallen war den Angehüiigen noch eine Sprachstörung, die darin bestand, dass
die Fat, bei vollem Wortverständniss, häufig Worte verwechselte; so soll sie
einmal zu ihrem Schwager gesagt haben: „Do .hast ja »Tapete« an der Hose",
während sie „Staub“ sagen wollte; nnd ferner eine Ungeschicklichkeit der
rechten Hand, mit der sie an Gegenständen vorbeigriff. Das Schlucken soll in
letzter Zeit sehr langsam gegangen sein.
Ich fand die Pat sehr benommen und schlafsüchtig. Wenn man sie
aber energisch aus ihrer Schlafsucht aufrüttelte, fand man, dass sie über alles gut
ohentirt war; man konnte zugleich feststellen, dass sie die Sprache gut verstand,
dagegen selber nur schwer und nur zu ganz kurzen sprachlichen Aeusserungen zu
bewegen war. Sie ging auf ihr bei der Untersuchung gegebene Äuftr^e überhanpt
nur schwer und missmuthig ein; sie behauptet zunächst, die Augen nicht öffiien zu
können, thut das aber schliesslich doch; ebenso erhebt sie erst nach langem Zureden
die Arme u. s. w. u. s. w. Es lässt sich feststellen, dass die ganze rechte Seite
paretisch ist — besonders sind Finger und Hand rechts kaum zu bewegen; an
Facialis und Zunge ist weniger zu sehen. Am rechten Fuss besteht Achülesclonus.
Pat. lässt unter sich gehen.
Eine genauere Untersuchung nahm ich am 30./XI. vor. Die Fat. ist viel klarer
als am Tage vorher, doch muss man sie auch heute immer sehr derb anfassen,
wenn man von ihr etwas wissen will. Hat man sie aus der Schlafsucht heraus, so
ist sie klar; versteht und spricht richtig: sie ist aber sehr widerspenstig, benntzt
jede Gelegenheit um sich wieder umzudrehen und weiter zu „schlafen“. Eine eigent¬
liche Störung der Intelligenz ist nicht zu constatiren. Eine Parese des rechten
Facialis konnte ich heute nicht naebweisen, sie soll aber früher deutlich gewesen
sein; die Zunge geht beim Herausstrecken eine Spur nach rechts. Den rechten
Ober- und Unterarm kann die Pat heute gut bewegen; ebenso bewegt sie die rechte
Hand nnd Finger etwas besser wie gestern, aber ganz kraftlos. Das rechte Bein
wird gut bewegt AchiUesclonus besteht heute hier nicht; der rechte Patellarreflex
'ig'ii^od Dy
Google
771
ist eher geringer als der linhe. Beim Gehen and Stehen bestellt keine Ataxie;
beim Gehen wird aber das rechte Bein etwas nachgeschleppt. Bumpfmoskelsch wache
ist nicht vorhanden. Kopfschmerzen will sie nicht haben. Sie meldet heute ihre
Bedürfnisse an.
Die Popillen sind eng, reagiren aber aof Licht. Der Äugenhintergnmd ist
normal (Dr. Stöltinq).
Die Untersachnng des Übrigen Körpers ei^iebt nichts besonderes; der Ham
enthält Epithelien der Blase und der Scheide und in Folge dessen eine Spur von
Eiweiss.
Es wird Kali jod. 6,0:200,0 3 Mal täglich 1 Esslöffel verordnet.
Am l./XIl. ist die Pat. noch klarer als am Tt^e vorher, sie ist allein auf¬
gestanden und ohne Mühe vom Schlafzimmer ins Wohnzimmer gekommen.
Sie versteht alle Fragen und antwortet meist richtig, passt auch auf das auf,
was um sie her voi^eht, sie ist aber immer noch zerstreut, weicht gern den Fragen
aus und wird bei längerem Ausfragen müde und missmuthig. Klar Über ihren
Zustand ist sie nicht. Im spontanen Gespräche — das sich bei ihr Übrigens nur
in allgemeinen Redensarten bewegt — spricht sie kein falsches Wort. Als
ich ihr aber meine Uhr Vorhalte und frage, was das sei?, sagt sie:
„Ein Dreimarkstück.'* Sie bleibt auch dabei, wenn ich sie die Uhr be¬
fühlen lasse oder wenn sie das Schlagwerk derselben hört; ebenso be¬
zeichnet sie weiterhin alle möglichen anderen ihr vorgezeigten Dinge
mit „Dreimarkstück". Sie sieht jedenfalls gut und bietet auch sonst keine
Zeichen von Seelenblindbeit; kennt z. B. den Hausarzt und auch seinen Hamen.
Der rechte Arm ist deutlich paretisch: besonders die rechte Hand,
mit der sie auch unsicher und sehr ungeschickt greift. Die SehnenreSexe an den
rechten Extremitäten sind uicht erhöht. Nadelstiche werden empfunden. Das linke
Stirnbein ist besonders nach der Schläfe zu beim Beklopfen deutlich
empfindlich.
Der Urin wird wieder gehalten.
2. /XII. Heute wieder benommen. Die Lähmung der rechten Hand ist
stärker, auch Clonus der rechten Achillessehne ist wieder vorhanden.
Der rechte untere Facialis ist deutlich paretisch, die Zunge weicht
stark nach rechts ab. Spontan spricht die Pat. kaum, versteht aber
alles und liest einige Zeilen laut ganz glatt. Das Stirnbein ist bei Be¬
klopfen links entschieden empfindlich. Eine genaue Untersuchung der Ohren
ergiebt beiderseits normalen Befund. Kein Geräusch am Kopfe zu hören, ebensowenig
am Herzen. In der Nacht war sie unruhig, redete verwirrtes Zeug, delirirte auch
heute Morgen noch.
3. /XII. Wie gestern. Sehr benommen. Spricht kaum. Auf die Frage: was
macht der Kopf, sagt sie nach mehrmaliger Wiederholung: „Ach so, der Kopf; ja
dem geht es schlecht." An der rechten Hand ist besonders die Finger¬
streckung sehr schlecht, die Beugung besser. Klopfen am linken Stirn¬
bein sehr schmerzhaft.
Am 4./X1I. hatte die Benommenheit noch mehr zugenommen, die rechts¬
seitige Lähmung war stärker; besonders wich die Zunge enorm nach rechts ab.
Sonst Status idem.
6./XII. Heute wieder viel freier, aber immer noch sehr apathisch. Die
Zange weicht beim Heraasstrecken stark nach rechts ab, der rechte untere Facialis
functionirt bei echten Intentionsbewegungen — Zähnefletschen — gut; beim
Lachen bleibt die rechte Gesichtshälfte zurück. Rechte Hand und rechter Fuss
sind sehr paretisch, kein deutlicher Achillesclonns. Die Fat. versteht
alles, was man zu ihr spricht; sie spricht auch alles richtig nach, aber
spontan wenig. Einen vorgebaltenen Hausschlüssel bezeichnet sie richtig,
49*
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772
ebenso einen Begenscbirm, dann aber nennt sie Löffel and Portemonnaie
ebenfalls Hausschlüssel.
9./XII. Wieder sehr viel benommener, enorm schlafsOchtig, gähnt
immerfort Läbmnng der rechten Seite stärker, kann nicht gehen, hebt
den rechten Arm nur sehr schwach. Lässt den (Irin wieder unter sich.
Am 13./XII. war auch rechts wieder dentlicber Achillesclonns ans*
zulösen.
Am 17./XIL war die Psyche wieder freier. Die Pat macht die Ängra
auf, spricht spontan. Bechts Achillesclonns. Ich constatirte am linken Ange eine
sehr stark gefüllte und geschlängelte, horizontal verlanfende Vene —
rechter Angenhintergrnnd normal.
Am 22./XII. nntersnchte Augenarzt Dr. SrÖLTiNa die Fat wieder. Er fand;
links aasgesprochene Neuritis optica, Grenzen des Sehnerren ganz Terwaschen,
Schwellnng mässig. Radiäre Blntongen um die Papille, auch einige YerfettangS'
herde. Peripherie davon frei. Rechts beginnende Neuritis optica ohne irgend nam¬
hafte Schwellung; aber auch hier die Grenzen des Opticus verwaschen. Keine
Blutungen. Am selben Tage percutorische Empfindlichkeit am linken
Stirnbeine sehr deutlich; gestern zum ersten Male Erbrechen. Beim
Gehen unsicher, fällt nach rechts; gebraucht das rechte Bein fast garnicht;
die Unsicherheit ist vielleicht etwas grösser als es der Parese und Benommenheit
entspricht Eine deutliche Störung des Gleichgewichts ist aber nicht
vorhanden.
Am 29./XII. genaue Untersuchung. Die Benommenheit hat im ganzen zu*
genommen. Die Patientin lässt alles unter sich gehen. Sprechen thut Patientin
wenig, es scheint sie findet die Worte nicht oder sie hat keine Lust dazu; Sprach-
verständniss vorhanden. Die Zunge weicht stark nach rechts ab, der rechte F^ialis
ist nicht zu prüfen. Sie braucht den rechten Arm fast garnicht; fordert
man sie auf, denselben z. B. zu erheben, auf die Bettdecke zu lagern, so thut sie
das mit Hülfe des Unken Armes. Sie kann aber auch den rechten jedenfalls in
Schalter- und Ellenbogengelenk noch gut bewegen. Bei Gehversuchen fällt die
Patientin nach rechts, sie verlässt sich auf das rechte Bein garnicht,
schleift es wie einen todten Körper nach. Das Gefühl ist an beiden Körperhälfleo
für Scbmerzreize sehr lebhaft, die Sehnenrefleze sind rechts nicht erhöht Hente
werden zum ersten Male Störungen an den Hirnnerven bemerkt, die sich vor
allem auf die Augenmuskeln beziehen. Ich bat Herrn Dr. STöLTiKa nochmals
zu untersuchen; er constatirte Folgendes: die Stauungspapille hatte rechts zn-
genommen; auch hier fanden sich jetzt Blutungen. Die Sehschärfe war
links jedenfalls stark herabgesetzt. Hemianopsie bestand nicht, auch
keine hemianopische Papillenstarre, wie ich am nächsten Tage con-
statirte. Es bestand beiderseits Abducenslähmung, links Ptosis und
eine Schwäche der hebenden und senkenden Kräfte des Auges. Genaueres
war in dieser Beziehung bei der Benommenheit der Patientin nichts zu constatiren,
doch gab sie Doppelbilder an; eine Blickläbmung war nicht zu constatiren.
Exophthalmus bestand links nicht. Ich konnte noch hinzufügen, dass das Gefiihl
für ^hmerzen auch in beiden Trigeminnsgebieten, speciell im Gebiete des linken
Supraorbitalis gut war; eine Prüfung des Geruches gelang nicht.
Am 30./XII. war der rechte Facialis sehr schwach, Patientin am linken Auge
so gut wie blind.
Am 3./I. 1898 habe ich notirt: Wird immer benommener, bricht jetzt auch
sehr viel.
Am 7./I. war der rechte Arm contractarirt, in cerebraler Stellung,
der reo.hte Tricepsreflez sehr verstärkt, die Sehnenrefleze am rechten Beine mässig.
Dig :i7cd c/ Google
773
Am lO./i. sah ich die Patientin zum letzten Haie lebend: sie ist schwer be*
nommen, lässt alles unter sich gehen. Beginnender Decubitus am Kreuzbein rechts;
grosse Blase am rechten Handrücken, nachdem sie einige Zeit auf dieser Hand ge*
legen hatte. Rechter Arm in cerebraler Contracturstellung, ganz gelähmt; rechtes
Bein wird bewegt Keine Erhöhung der Sebnenreflexe am rechten Beine. An den
Augen nichts nenes. Beklopfen des Kopfes wird am linken Stirnbein nicht mehr
schmerzhaft empfunden; sehr lebhaft aber reagirt die Patientin bei Druck
auf den linken Snpraorbitalis. Sie spricht nur noch Ja und Nein, ver¬
steht aber alles, wenn sie anfgerfittelt wird.
Der Tod trat am 16. Januar 1898 im Coma ein.
Kurz znsaiumeiigefasst waren die Krankbeitssymptome und ihre Aufein-
anderfo^e die nachstehenden:
Vom October 1897 an allmählich znnehmende Benommenheit
and Schlafsucht bei erhaltener Intelligenz. Im November 1897
leichte rechtsseitige Hemiplegie — besonders Schwäche der rechten
Hand —, nie Convulsionen; die Hemiplegie ist in ihrem Grade cou-
form dem Bewusstseinszustande — ist die Benommenheit schwer,
so lässt sich rechts auch Achillesclonus auslösen. Dazu Störungen
der Sprache — zuerst Paraphasie, zuletzt fast vollständige Sprach¬
losigkeit; Sprachverständniss voll erhalten, zuerst auch die Fähig¬
keit laut zu lesen und nachzusprechen. Deutliche percutorische
Empfindlichkeit am linken Stirnbein. Allgemeinsymptome des
Tumors gering, am deutlichsten die Apathie und Somnolenz; massige
Kopfschmerzen, Erbrechen selten und erst dicht vor dem Tode
häufiger. Stauungspapille fehlt zuerst — ist erst am 21./XI1. links
deutlich — rechts beginnend; am 30./X11. beiderseits stark — links
Amblyopie. Am 30./X1I. links Ptosis, Schwäche der Heber und Senker
des linken Auges; beiderseits Abduceuslähmung; Hyperästhesie
des linken Nervus supraorbitalis, also jetzt eine Art alternirender
Hemiplegie. Am Schlüsse, lO./I. 1898, volle Lähmung des rechten
Armes in cerebraler Contracturstellung. Niemals deutliche Gleich¬
gewichtsstörungen, keine Rumpfmuskelschwäcbe.
Die Diagnose des Hirntumors war in diesem Falle leicht zu stellen. Was
zunächst die Allgemeindiagnoee anbetraf, so waren ja allerdings die Allgemein-
Symptome des Hirntumors Ende November, zur Zeit meiner ersten Untersuchung,
nur sehr gering au^ebildet, wie das Kopfweh, oder sie fehlten vollständig, wie
Erbrechen und Stauungspapille. Dennoch konnte man schon damals bei den
langsam unter leichten Kopfschmerzen eintretenden und fortschreitenden son¬
stigen, auf das Hirn hindeutenden Krankbeitssymptomen und besonders bei der
ausführlich erörterten, gerade für die Himgescbwülste so charakteristischen
Benommenheit kaum an ein anderes Leiden als einen Hirntumor denken.
Möglicherweise wurden ja die Kop&chmerzen auch nur durch die Benommenheit
verdeckt. Von sonstigen — sc^enannten localen — Symptomen waren im
Anfang meiner Beobachtung vorhanden: rechteseitige Hemiplegie, die in ihrer
Intensität wie die Benommenheit sehr wechselte; im schlimmsten Falle die
- Google
774
ganze rechte Sdte betraf, im leichtesten nnr die rechte Hand; ferner Sprach¬
störungen — Paraphasie im spontanen Gespräch und beim Benennen vor-
gehaltener Gegenstände, zuerst erhaltene Fähigkeit zu lesen und nachzusprechen,
später Unlust oder Unfähigkeit (?) zu sprachlichen Aeusserungen — jedenfalls
immer erhaltenes WortTerständniss — also im Ganzen trotz der Unbestimmtheit
und Geringfügigkeit der Störungen — eine motorische Aphasie; schliesslich
eine deutlich umschriebene percutorische Empfindlichkeit über dem
linken Stirnbeine. Damit war sicher, dass der Tumor in der linken
Hemisphäre sitzen musste. Bei dem Mangel sensibel-sensorischer Störungen
kam nur die vordere Hälfte der linken Hemisphäre in Betracht, schon das
Parietalhim und die hinteren Theile der Schläfenwindungen waren anszn-
schliessen; — bei dem Vorhandensein einer motorischen Aphasie, einer leichten
und in der Intensität erheblich wechselnden rechtsseitigen Hemipl^e — bezw.
Monopl^a brachialis — und vor Allem bei der deutlich nachweisbaren percu-
torischen Empfindlichkeit über dem linken Stirnbein war mir die Diagnose
Stirnhirntumor am wahrscheinlichsten.
Es blieb nur noch übrig einen Sitz des Tumors in der Nachbarschaft des
linken Stirnhims, also im Centralhim oder in den vorderen Theilen des Schläfen¬
lappens auszuschliessen, da bei diesen Sitzen ja die Symptome jedenfalls den
vorhandenen sehr ähnlich sein konnten. Ein Sitz des Tumors in den Central¬
windungen war nun schon wegen des Fehlens von Convulsionen unwahrschein¬
lich; noch mehr sprach gegen ihn der Wechsel in der Intensität und Extensität
der rechtsseitigen Hemiplegie, die, da sie in beiden Richtungen gleichen Schritt
mit dem Grade der Benommenheit hielt, am eisten durch wechselnden Druck
auf die Gentralwindungen, bezw. ihren Stabkranz von der Nachbarschaft
her zu erklären war; jedenfalls konnte bei einer Zerstörung der Gential-
windungen selbst ein solcher Wechsel kaum in gleichem Maasse eintreten.
Dagegen wagte ich es zu dieser Zeit noch nicht, mit Sicherheit gegenüber der
Diagnose Stimhimtumor einen Sitz der Geschwulst in den vordersten Partieen
des linken Schläfenlappens auszuschliessen; denn ein dort sitzender Tumor konnte
durch Druck auf die benachbarte dritte Stimwindung eine motorische Aphasie,
durch Druck auf die Centralwindungen eine an Intensität wechselnde rechtsseitige
Hemiplegie mit geringster Betheiligung des Beines, wie es hier der Fall war,
auslösen; und auch die umschriebene percutorische Empfindlichkeit in der linken
Stiriischläfengegend war wohl mit diesem Sitze vereinbar.^ Ich diagnosticirte des¬
halb zunächst: Tumor der linken Grossbirnhemisphäre — am wahr¬
scheinlichsten im linken Stirnhirn — vielleicht in den vordersten Theilen
des linken Schläfenlappens. Zu einem Vorschläge zur Operation konnte ich
mich damals noch nicht entschliessen. Der weitere Verlauf sollte nun die
Diagnose: Stirnhirntumor links vollkommen befestigen. Zunächst
' Bass diese Vorsicht angebracht war, beweist ein Fall von Allek Siabr and Waia,
der genau dieselben Sjmptome bot, wo der Tnmor vergeblich im Stimbim gesucht wurde
und Bohliessliob an der Spitze des linken Schläfenlappens sass. Medie. News. 1897. Aug. 7.
Google
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wurde die Allgemdudiagnose ganz sicher, als sich, zwar spat, wie so häu% bei
SürDhimttiinoren, daun aber rasch erst links, dann rechts Stauungspapille
anstellte und noch etwas später auch Erbrechen eintrat. Als dann Ende
December 1897 zu diesen Symptomen noch die Zeichen einer Himnerven-
erkrankung hinzutraten, die in ihrer Gruppirung: linksseitige Abducens> und
Oculomotoriuslähmnng zugleich mit Hyperästhesie im linken Supraorbitalis —
rechts Abdncenslähmnng — ganz direct auf eine Läsion der betreffenden Hirn-
nerren an der Basis der mittleren Schädelgrube unterhalb des linken Stirnhimes
hindeuteten, da schien mir, zumal da auch die Entwickelung der Stauungs¬
papille, die zuerst nur links Torhanden war, und hier rasch zur Amblyopie
führte, auf einen directen Druck auf den linken Opticus bezw. seine Gefässe
an der Basis hinwies, die Diagnose: Tumor im linken Stiruhirn ganz
sicher und ich stellte dieselbe jetzt noch bestimmter dahin, dass ich sj^^: es
handelt sich um einen Tumor des linken Stirnhirnes, der besonders
nach der Basis zu gewachsen ist und hier die zwischen Stirnhirn
und Basis cranii in der Augenhöhle ?erlaufenden Nerven com-
primirt hat. Jetzt erst wagte ich es auch, bei der Sicherheit der Localdiagnose
dem Hanne der Patientin den Rath zu einer Operation zu geben; auch hier, wie
ich das immer gethan habe, mit aller Offenheit in Bezug auf das mit der Operation
möglicherweise zu erreichende oder nicht zu erreichende; ich hob noch bestimmt
hervor, dass bei der Schwere der linksseitigen Hirnnervenlähmungen der Tumor
wahrscheinlich tief im Stimhimmarke sässe und wenigstens nahe an die Basis
reiche, und dass er unter diesen Umständen schwer zu exstirpiren sein werde.
Der Gatte lehnte dann nach einigem Ueberlegen die Operation ab, wie ich jetzt
sagen kann, glücklicherweise. Ueber den weiteren Verlauf ist dann weiter
nichts zu sagen, als dass er bis zum Tode nichts ergab, was mich in meiner
Diagnose: „Tumor im linken Stirnhirn“ hätte erschüttern können.
Die Section der am 16. Januar gestorbenen Patientin — wir mussten uns
mit der des Kopfes begnügen — fand am 17. Januar Abends Uhr statt
Sie ergab Folgendes:
Schädeldach ziemlich dünn, mit der Dura nicht verwachsen. Dura überall
intact Hirnwindungen verstrichen. Nach der Herausnahme des Gehirnes
macht die linke Hemisphäre einen massigeren Eindruck als die rechte; die
vorderen Theile des linken Schläfenlappens sind nach unten, die ganze linke
Hemisphäre ist nach hinten verschoben, so dass die Spitze des linken Occipital-
lappens die des rechten um 2 cm nach unten und hinten überragt Eine Ver¬
schiebung der Massen der linken Hemisphäre über die Mittellinie nach rechts
bat nicht stattgefunden.
Es wird ein Frontalschnitt durch beide Hemisphären etwa in der Mitte
des Stimbimes gemacht: genauer li^ derselbe etwa 45 cm hinter dem Stirn¬
pole; er beginnt an der Medianlinie etwa 2 ^/^ cm vor der Präcentralfurche und
trifft unten aussen an der Fossa Sylvii gerade noch die vordere Gentralwindung
(die Schnittfläche entspricht ungefähr der Fig. 242 in Dejbbine’s Anatomie des
centxes nerveux). Auf dem Schnitte zeigt sich sofort der gesuchte Tumor: er
Google
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ist hier, wie die weitere Untersuchung ergab, in seiner grössten Ausdehnung
getroffen und nimmt einen grossen Theil von der gesammten Schnittfläche ein.
Durch seine Einlagerung ist der Durchschnitt der gesammten linken Hemi¬
sphäre gegenüber dem der rechten erheblich veigrössert: vor allem im verücaleü
Durchmesser; dieser betragt links 10,3, rechts nur 8,8 cm, und zwar hat
diese Vergrösserung mehr nach unten als nach oben stattgefunden; die linke
Hemisphäre überragt die rechte nach unten um einen ganzen, nadi oben um
einen halben Centimeter. Der transversale Durchmesser beträgt links 6,
rechts nur 5 cm. Der Tumor selbst ist hier 6 cm hoch, 3 cm breit und hat
unge^T eine ovale Figur. Der Tumor, der ganz in der Hemisphäre darin
liegt und die Rinde nirgends direct in Mitleidenschaft zieht, nimmt nicht den
ganzen hier getroffenen Frontalschnitt ein, sondern kurz ausgedrückt, nur seine
unteren und äusseren Antheile. So lä^t er den über dem Balken befindlichen
An theil des Oyrus fomicatus, die erste (Gyros frontalis 1 und Gyrus margi-
nalis an der Medianfurche), die zweite und den dem convexen Theil der Hemi¬
sphäre angebörigen Theil der dritten Stimwindung frei und zwar sowohl in ihrer
Kinde wie in ihrer Markfaserung, jedenfalls was die Hauptmassen der letzteren
anbetrifft; er bleibt von der Rinde der ersten Stimwindung cm entfernt,
von der der zweiten 2 V 3 cm und von der der dritten noch IV» cm. Dag^en
reicht er soweit nach unten und unten aussen, dass vom orbitalen Theile der
dritten Stimwindung nur ein etwa 3 rnm breiter Saum zwischen ihm und Pia
übrig bleibt, welcher Saum ausserdem stark nach unten und aossen gedrängt
ist; ebenso erreicht er die Rinde des orbitalen Theiles der ersten Stimwindung
(Gyrus rectus) und des unter dem Balken beenden Antheils des Gyms fomi-
catus bis auf 1—cm. Unterhalb des Seitenventrikels erreicht er also ziemlich
auch die Medianfurche. Seine mediane und theilweise auch seine obere Grenze
auf diesem Querschnitte bildet der Boden des Seitenventrikels (Yorderhom), dessen
Ependym er knollig bervordrängt, aber nicht durchbricht; oberhalb und nach
aussen vom Seitenventrikel ragt er auch in die untersten Theile des Centmm
semiovale hinein. Der Balken und die Laminae ventriculi septipellucidi sind
nicht nach rechts verschoben; der Raum des linken Seitenventrikels ist zu-
sammengedrückt Direct unter dem vom Tumor am meisten eingenommenen
orbitalen Theile des Stimhimes verlaufen der linke Olfactorius und der linke
Opticus.
Vom Tumor zerstört auf diesem Querschnitte sind also: der Nucleos cau-
datus, die vordersten Theile der inneren Kapsel und das Putamen des Linsen-
kemes — alles dreies wird hier auch noch unter der Bezeichnung Streifenkörper
zusammengefasst; ferner die äussere Kapsel, die Vormauer und die nach unten
und aussen von diesen Theilen liegenden Markmassen der orbitalen Theile der
dritten und ersten Stimwindung, des Gyrus rectus und der unteren Theile des
Gyrus fomicatus; schliesslich der unterste innere Antheil des Centrum semiovale.
Der Tumor ist an seinen Rändern nicht sehr scharf abgegrenzt, seine
äussersten Antheile und eine nicht sehr bedeutende ihn un^ebende Erweichungs-
Zone gehen ineinander über. Immerhin kaim mau seine Grenzen gut erkennen.
./Google
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&ei beraoszulösen ist der Tumor aus der Hinunasse aber nicht Er ist auf
dem Durscbuitt theils röthlich grau und daun speckig glanzend, theils verkäst,
offenbar auch recht blutreich, seine Consistenz ist massig weich; mikroskopisch
besteht er ans meist stark verfetteten Bundzellen (Bundzellensarcom mit
theilweiser Nekrose).
Das Hirn wird nun erst in Formel gehärtet Dann wird, um zu sehen,
wie weit nach vom von dem oben beschriebenen Frontalschuitte der Tumor
noch rdcht, auf die Hinterflache des vor diesem Schnitt liegenden vordersten
Hintertheiles, und zwar in der Mitte des Tumors, ein sagittaler Schnitt
gesetzt, der also diesen Stimhimantheil in eine mediane und laterale Hälfte
spaltet Man sieht dann, dass der Tumor vom vorher beschriebenen Frontd-
schnitte noch 1,7 cm weiter nach vom reicht, vom Stimpol bleibt er noch
2,3 cm entfernt; Tumor und Erweichungszone sind auch hier makroskopisch
nicht scharf voneinander zu trennen. Der Tumor veijüngt sich nach vom vom
vorher beschriebenen Schnitte sowohl im senkrechten, wie im transversalen
Dorchmföser, aber nicht sehr stark; sein vorderer Anblick wurde etwa einer
Halbkugel entsprechen.
Dann wird ein zweiter Frontalschnitt P/j cm hinter dem vorigen durch
bdde Hemisphären gelegt, also etwa 60 cm vom Stimpol entfernt (Dejebike,
L c. Fig. 245). Der Schnitt bleibt an der Medianfurche etwa 1 cm vor der
Präcentralfurche; sdmeidet dann die vordere Gentralwindung etwa in der Mitte
und berührt an der SYLVischen Grabe auch die hintere Gentralwindung. Auch
auf diesem Schnitte ist die linke Hemisphäre noch ausgedehnter als die rechte;
ihre Höhe beträgt mit dem Schläfenlappen 10,5 cm gegen 9,2 cm rechts,
ihre Breite 6,1 cm gegen 6 cm rechts; der Schläfenlappen ist stark nach unten
gedrängt
Der Tumor selbst ist hier sehr verjüngt, er ist etwa 3 cm breit und 2 cm
hoch, käsige Stellen finden sich in ihm hier nicht mehr. Er nimmt das Gebiet
unmittelbar unter dem Boden des Seitenventrikels ein, dessen Ependym er vor«
gewölbt, aber nicht durchbrochen hat, und den er ganz zugedruckt hat
Der Balken ist hier etwas nach oben, der linke Fornixschenkel nach rechts
TOTSchoben.
Direct zerstört sind vom Tumor hier nur der Nucleus caudatus, obere und
äussere Theile des vorderen Antheiles der Gapsula interna und angrenzende
Theile des Markes der zweiten Stimwindung, schliesslich oberste vorderste Theile
des Thalamus opticus. Dag^en sind zwar nicht direct vom Tumor durchsetzt,
aber erweicht und wie geschwollen, so dass das rechts deutliche Bild des Quer¬
schnittes verwaschen ist, das ganze Gebiet, das vom Tumor nach unten bis zum
Ansätze des Schläfenlappens und in transversaler Bichtung von der Vormauer bis
zur Medianforche reicht In di^em Gebiete li^en Theile des Thalamus opticus,
die Sobstantia grisea centralis und die Substantia perforata anterior, der Globus
pallidus des Linsenkernes, das Putamen, auch Theile der inneren Kapsel. Ganz
frei sind also auf diesem Querschnitte nur der Gyras fornicatus und die erste
Stimwindung mit ihrem Marke, der grösste Theil des Markes der zweiten Stirn-
Dig :i^cd cy Google
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Windung, das Mark und die Rinde des hier getroffenen mittleren und unteren
Antheiles der vorderen Centralwindung, Vormauer, äussere Kapsel, Inselrinde
und Schlafenlappen.
Ein dritter Frontalschnitt wird 1 cm hinter dem vorigen, also etwa 70 cm
vom Stimpol entfernt, angelegt (Dbjebine, etwa Fig. 248.) An der Median¬
linie trifft er gerade den vorderen Rand der vorderen Centralwindung, diese
selbst im oberen Drittel, die hintere etwa in der Mitte; an der Foesa Sylvü
auch noch den Gjrus supramarginalis. Hier findet sich nur noch ein etwa
haselnussgrosser Tumor unterhalb des Bodens vom linken Seitenventrikei.
Plr hat diesen Ventrikel auch hier ganz zugedrnckt, aber sein Ependym ge¬
schont. Zerstört hat er den Nucleus caudatus, der hier schon sehr klein ist,
die nächstgel^enen Theite der inneren Kapsel, aber nur in sehr geringem
Maasse, und ebensolche Theile des Thalamus opticus. Alles andere ist frei,
vor allem auch hier der Gyrus fornicatus, die erste Stiinwindung, die vordere
und hintere Centralwindung mit ihrem respectivem Marke. Die nicht vom
Tumor ergriffenen Theile des Thalamus opticus, der inneren Kapsd und des
Linsenkemes sind auch hier noch etwas geschwollen, so dass auch hier noch die
linke Hemisphäre massiger ist als die rechte; aber ihre Zeichnung ist deuthch
zu erkennen.
Von diesem Schnitte an läuft noch ein spitzes Ende des Tumors immer im
Gebiete des Nucleus caudatus unter dem Ventrikel-Ependym bis dahin, wo das
Hinterhom in das Unterhorn einbi^ Hier liegt es unter dem Schenkel des
linken Fomix.
Fassen wir den anatomischen Befund noch einmal kurz zusammen, so kann
man wohl sagen, dass es sich um einen ziemlich rein das Gebiet des
linken Stirnhirns afficirenden Tumor handelt Vom Tumor selbst sind
nach hinten vom Stimhim nur der Nucleus caudatus und ganz geringe Theile
der inneren Kapsel und des Thalamus opticus ergriffen; von der Erweichung in
seiner Umgebung etwas grössere Theile der Centralganglien und der inneren
Kapsel. Die grösste Ausdehnung hat der Tumor jedenfalls unter
der Mitte der Stirnhirnrinde, er betheiligt hier speciell das Mark
der orbitalen Stirnhirnantheile, speciell auch den orbitalen Theil
der dritten Stirnwindung, ferner das Corpus striatum und an¬
grenzende Theile des Centrnm semiovale. Die medianen (Gyrus maigi-
nalis) oberen und oberen äusseren Theile des Stimhimes lässt er hier firei, dringt
auch nicht in den Ventrikel ein. Von hier aus reicht er nach vom, sich langsam
verjüngend, bis 2,3 cm hinter den Stimpol. Nach hinten verschmälert er sich
rasch, so dass in den hinteren Theilen des Stirnhirns vom Tumor selbst
nur die Gebilde direct unterhalb des Bodens des Seitenventrikels
ergriffen sind, von der Erweichung in seiner Umgebung aber auch
noch das ganze Gebiet der Centralganglien und die innere Kapsel.
Frei vom Tumor und grösstentheils auch von der Erweichung sind jedenfalls
auch die Centralwinduugen und ihr Mark, am nächsten kommt der Tumor no(^
an die unteren Theile der Centralwindungen heran, von den oberen bleibt er
Google
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weit eDtferot Der Tumor ist offenbar besonders nach unten und aussen zu
gewachsen und hat die orbitalen Tbeile des Sümhims stark nach unten gedruckt;
hier hat er auch wohl die unter diesem Theile liegenden Nerven und Geisse
comprimirt ITeberall bleibt er in der Hirnmasse, erreicht nirgends
die graue Rinde. Vielleicht ist er zuerst im Corpus caudatum entstanden,
das er fast in seiner ganzen Länge durchsetzt
Wie man sieht, bestätigte der anatomische Befund vollkommen die im Leben
gestellte Diagnose: Tumor des linken Stirnhirns, ja sogar die Annahme,
dass der Tumor ln den basalen Theilen dieses Himantbeiles in der Hauptsache
sitzen müsse. Mein Fall bietet also einen Beweis, dass bei einigermaassen aus<
geprägten Symptomen und vor allem auch bei einiger Eenntniss des Verlaufes
der Erkrankung auch die Localdiagnose eines Stirnhirntumors, wenigstens
auf der linken Seite, mit grosser Sicherheit zu stellen ist, ja, dass wir sogar
unter günstigen Umständen sagen können, in welchem Theile des Stimhims der
Tumor in der Hauptsache seinen Sitz haben muss. Ich selbst habe mehrmals \
zuletzt in einem Vortrage auf dem internationalen Aerztecongress in Moskau,
alle die Symptome zusammengratellt, die bei einem Tumor des Stimhims vor-
kommen können und localdiagnostisch zu verwerthen sind. Es sind neben
einer der cerebellaren ganz gleichenden Ataxie beim Stehen und Gehen, auf
die idi in diesem Vortr^e besonderes Gewicht legte, nach der dort mitgetheilten
Tabelle die folgenden:
1. Monoparesen oder Hemiparesen, eventuell motorische Aphasie ; im Beginn
der letzteren vielleicht dysarthrische Störungen. Rnmpfmuskel-
schwäobe?
2. JAGKSOH’sche oder mehr al^emeine epileptische Gonvulsionen; manchmal
auch tonische Krämpfe der Rumpfmuskulatur, oder tonische Verbiegung des
Kopfes nach einer Seite.
3. Eventuell krampfhafte Ablenkung der Augen vom Tumor weg. Bei
einseitigem Tumor keine Blicklähmung.
4. Bei Durchbruch nach, oder Druck auf (jetzt hinzugefügt) die Basis Läsion
eines Opticus oder Tractus mit einseitiger Erblindung oder gekreuzter Hemi¬
anopsie, einseitiger Anosmie, Abducens-, seltener Oculomotoriuslähmung. In diesen
Fällen auch manchmal alternirende Hemiplegie durch gleichzeitige Lähmung der
wechselständigen Extremitäten. Ebenso unter diesen Umständen manchmal
zunächst (jetzt hinzugefügt) einseitige schwere Stauungspapille, die sonst bei
Stimhimtumoren ein Spätsymptom ist.
5. Im Anfänge geringer Kopfschmerz. Später Kopfschmerz meist im Vorder¬
kopfe, aber auch im Hinterkopfe, sogar mit Nackenstarre.
6. Witzelsucht Im Terminalstadium starke Benommenheit.
7. Eventuell umschriebene percutorische Empfindlichkeit und Tympanie.
Vergleicht man die Symptome meines vorliegenden Falles mit dieser Tabelle,
so wird man wohl zugestehen, dass mein Fall ein neuer Beweis fürdieRich-
' Die Geschw&lste des NerTensjstems. 1897. Berlin. Karger.
r i.,GOOglC
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tigkeit und Vollständigkeit derselben ist; al[^;e8ehen von den im Absatz 2 ond 3
angegebenen Symptomen waren bei ihm die übrigen hier aofgeführten in seltener
Vollständigkeit vorhanden; ganz besonders die in Absatz 4 angeführten, die für
eine Annäherung des Stirnhirntumors an die Basis sprechen.
Jfva ein Localsymptom des Tumors des Stirnhirns, auf das gerade
ich die Aufmerksamkeit gelenkt habe, und das ich als ein sehr wichtiges für
diese Looaldiagnose früher geradezu an die Spitze gestalt habe, fehlte in diesem
Falle von Stimhimtumor ganz oder war nur sehr schwach ausgebüdet: die
Gleichgewichtsstörung beim Stehen und Gehen, die frontale Ataxie.
Das Vorkommen einer der cerebeliaren klinisch ganz gleichenden
Ataxie bei Tumoren des Stirnbirns ist jetzt wohl ziemlich allgemein
anerkannt Ueber die Deutung dieses Symptoms herrscht allerdings noch
Meinungsverschiedenheit Ich selber bin heute der Ansicht, dass die Stönu^
des Gleichgewichts bei Tumoren des Stimhimes auf einer Bumpfrnuskelschwäcbe
beruhen, einer Schwäche, die in unserem Falle nicht nachzuweisen war. Die
Rumpfmuskulatur ist nach den verlässlichsten Angaben der Himphysiologen cor-
tical im medialen Antheile des Stimhimes — dem Gyros ma^nalis — localisirt;
die betreüenden Centren versoi^n beide Körperhälften, aber etwas mehr die
gekreuzte. Ein Tumor, der so sitzt, dass er eines dieser beiden Centren lädiren
kann, wird natürlich leicht auch über die Mittellinie hinaus das andersseitige
Gomprimiren; auf diese Weise würde es sich erklären, dass die frontale Ataxie
bisher hauptsächlich bei Tumoren gesehen ist Nun lag unser Tumor in deai
unteren und äusseren Theilen des Unken Stimhims, von dem Gyros maiginalis
und seinem Marke am weitesten entfernt; es liegt also sehr nahe, anzundunen,
dass die frontale Ataxie in diesem Falle von Stimhimtumor deshalb gefehlt hat,
weil die für ihre Entstehung in Betracht kommenden Himtheile versdiont ge¬
blieben sind. Erkennt man das an, dann würde der vorliegende Fall auch ein
Beweis für die Richtigkeit meiner Anschauungen über die Physiologie der fron¬
talen Ataxie sein. Ob man soweit gehen darf, bei sonst sicherer Diagnose eines
Stirnhirntumors, aber mit Fehlen der Ataxie, einen Sitz des Tumors in
Aussentheilen des Stimhims, fern von der Medianlinie, zu diagnostioiren, das
möchte ich nach diesem einen Falle nicht entscheiden, sondern diese Frage weiteren
darauf gerichteten Forschungen überlassen.
Auch über einige andere Symptome des vorliegenden Falles möchte ich
mir noch ein paar kurze Bemerkungen erlauben. Zunächst über die Sprach¬
störung. Wir haben gesehen, dass dieselbe, kurz aasgedrückt, eine motorische
Aphasie war; das Verständniss für die Sprache war bis zum Ende erhalten.
Aber auch auf dem motorischen Sprachgebiete waren die Stömngen im Ganzen
nur unvollkommeD, obgleich der Tumor die orbitalen Theile der dritten hinteien
Stimwindung gerade am meisten lädirt hatte und am convexen Theile dee Stim¬
hims ebenfalls der Rinde der dritten Stimwindung noch am nächsten gerügt
war. Die Störungen der Sprache bestanden zunächst in leichter Paraphasie beim
spontanen Sprechen und beim Benennen vorgehaltener Gegenstände; dabei war
das laute Lesen und Nachsprechen erhalten, das Schreiben konnte nicht geprüft
- ,Google
781
werden; später wurden die sprachliclien Aeuaserungen immer geringer, be¬
schränkten sich auf Ja und Nein. Es machte dann sehr den Eindruck, als wenn
es sich mehr um eine „Unlust“, als um eine üniahigkeit zum Sprechen bandelte;
auf diese Unlust zum Sprechen bei der Tumoraphasie hat besonders Oppenheim
hingewiesen. JedenMs zeigt der Fall wieder, wie ich das auch an anderer
Stelle hervorgehoben habe, dass wir bei der Tumoraphasie nicht immer so
scharf umschriebene Erankbeitsbüder erwarten dürfen, wie wir sie bei der apo-
plectischen Aphasie kennen; unter Umständen — spedell bei langsamem Wachs¬
thum der Tumoren — erhalten wir hier nur sehr rudimentäre Bilder.
Die Stauungspapille liess, wie das bei den Tumoren des Stimhims
häufig ist, auch im vorliegenden Falle lange auf sich warten. Im B^nn meiner
Beobachtung (Ende November 1897) war der Ai^enhintergrund beiderseits normal.
Am 9./X1I. konnte ich die ersten Anfänge einer Schwellung des Sehnerven
links oonstatiren; am 23./XII. fand Dr. Stölting links erhebliche Neuritis optica
mit Blutungen, rechts beginnende; am 30./Z1L beiderseits sehr ausgeprägtes
Oedem; links starke Amblyopie. Es entwickelte sich also zunächst eine rein
einseitige Stauungspapille mit Blutungen in der Netzhaut und rasch ein¬
tretender Sehschwache aut' der Seite des Tumors, Qrst später kam es auch zu
Neuritis optica der anderen Seite, und zwar bei einem Tumor, dessen Wachs-
thumsrichtung offenbar nach der Basis zuging, und der dadurch auch andere
basale Gebilde — Augenmuskelnerven, Trigeminus—direct in Mitleidenschaft ge-
2 X>gen hatte. Eine solche Entwickelung der Stauungserscheinungen an den
Sehnerven bei einem wie hier gelagerten Tumor legt doch wohl den Gedanken
sehr nahe, dass hier die Stauungspapille im Sinne der älteren Lehre von GbIfe’s
direct durch Druck des Tumors auf den ihm besonders nabeliegenden Sinns
cavernosus der gleichen Seite oder auf die in ihn einmündenden Venae ophtal-
micae und ciliares hervo^erufen sei; dass also für solche Fälle die alte Lehre
Gkäfs’s über die Entstehung der Stauungspapille zu Recht bestehen bleibt, oder
mit anderen Worten, dass die an ihre Stelle getretene ScHMiDT-MANz^scbe
Theorie, nach der das Oedem der Papille durch Stauung der Himflüssigkeit im
Subvaginalraum des Opticus bervorgerufen wird, doch nicht für alle Fälle passt.
Der hauptsächlichste Einwand gegen die Theorie t. Gbäfe’s, der von Sesemann
herrührt und der sich darauf begründet, dass eine Stauung des Blutes im Bulbus
durch Druck auf den Sinus cavernosus garnicht eintreten könne, weil die Vena
ophthalmica ihr Blut zur Facialvene führe, ist ja auch schon von anderer Seite
erschüttert worden; jedenfalls scheint dieser von Sesemann für die R^el ge¬
haltene Lauf des Venenblutes des Bulbus eher eine Ausnahme zu sein. Ein
solcher directer Druck auf d^n betreffenden Sinus cavernosus, bezw. auf die in
ihm einmündenden Venen des Bulbus und damit die Entwickelung einer erst
einseitigen Stauungspapille auf der Seite des Tumors, die erst doppelseitig wird,
wenn die Stauung durch den Sinus intercavemosus sich auch auf die andere Seite
fortpflanzt, wird natürlich besonders leicht bei Hirntumoren stattfindeu können,
die entweder direct an den betreffenden Stellen der mittleren Schädeigrube, nahe
der Orbita, entstehen oder in nahe dieser Basis gelegenen Hirntheilen — Stirnhim,
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782
Yorderer Theil des Schläfenlappens — dtzen. Darauf hat v. Bbahann ^ vor einigeo
Jahren besonders hingewiesen und dieser Autor würde also, wie ich jetzt zu¬
gebe, insoweit jedenfalls Recht haben, dass bei Tumoren dieses Sitzes dorch
directe Yenöse Stauung des Blutes im Augapfel der Tumorseite am eisteo
eine zunächst einseitige Stauungspapille entstehen kann. Dag^n muss kh
mich immer noch d^egen erklären, wenn v. Bbamann auf Grund dieser That-
Sachen nun umgekehrt aus einer zunächst einseitigen Stauungspapille allein
die Diagnose eines Tumors in einer der erwähnten Regionen machen wilL Ein*
seitige beginnende Stauungspapille kommt bei jedem Sitze des Hirntumors onter
Umständen vor und kann sc^r auf der dem Sitze des Tumors entg^engesetztes
Seite anftreten — aus ihr allein ist also eine Localdiagnose nicht zu machen —
dagegen kann dieser Befand eine solche sicher stützen und mehr präcisiren, wenn
die einseitige Neuritis optica, wie in meinem Falle, zu Yerwerthbaren anderen
Localsymptomen hinzukommt. Im Ganzen ist überhaupt der einseitige Beginn
einer Stauungspapille selten. Dass die Angabe v. BnAniAKN’s, dass Blutungen
in der Retina nur bei Tumoren vorkämen, die einen directen Druck auf den
Sinus cavernosus ausübten, also ebenfalls bei Tumoren der erwähnten Theile des
Stirn- und Schläfenhims und der Basis, nicht aber z. ß. bei Kleinhimtumoren, der
Erfahrung vollständig widerspricht, habe ich früher schon zur Genüge hervor*
gehoben.
Läsionen der an der Basis der vorderen und mittleren Schädelgrube zwischen
Knochen und Stimhirn verlaufenden Hirnnerven sind bei Stimhimgeschwülsten
häufig beobachtet und ihre Beeinträchtigung auf der Seite des Tumors ist ja
auch bei Geschwülsten dieses Sitzes, die nach unten zu Ymchsen, leicht zu er¬
klären. ln meinem Falle, wie in vielen anderen, handelte es sich um die Nerven,
die von der mittleren Schädelgrube in die Orbita verlaufen; auf der Seite des
Tumors waren Oculomotorius, Abducens, erster Ast des Trigeminus und viel¬
leicht auch der Opticus afficirt — auf der anderen Seite noch der Abducens.
ln anderen Fällen war besonders der Olfactorius in der vorderen Schädelgnibe
betroffen. Die Lähmung der betreffenden Nerven kann durch directen Dmd
des Tumors auf dieselben erfolgen, in anderen Fällen, und speciell für die Nerven
der mittleren Schädelgrube, wäre es aber auch m^lich, dass der Tumor zunächst
Stauungen im Sinus cavernosus seiner Seite hervorriefe, und dass dann die ge¬
schwellten Sinus die ihnen direct angels^erten betreffenden Nerven comprimirte&.
Bei diesem Mechanismus ist es dann auch leicht erklärlich, dass, wie in memeo
und ein paar anderen bei Ladahe und Bernhaadt citirten Fällen, die Angeo-
muskellähmungen und die Trigeminusneuralgie nicht nur auf der Seite des
Tumors sassen, sondern auch auf der anderen; die Schwellung der Sinus caver¬
nosus kann sich ja leicht von einer Seite auf die andere fortpflanzen und dana
auch dort zur Nervencompression führen.
Wie wichtig das Eintreten basaler Himnervenlähmnngen für die Loeal-
diagnose des Stimhimtumors ist, habe ich oben zur Genüge hervorgehoben. Ich
will hier nochmals darauf hinweisen, dass durch sie bei gleiclizeitiger contrv-
‘ Verbandlaog der deatBcheo Gesellschaft fSr Chirurgie. XXI. 8. 519.
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lateraler Hemiplegie auch eine altemirende Hemiplegie erzeugt werden kann.
Beschrankt sich dann die Hirnnervenlähmung in solchem Falle vielleicht auf
den Oculomotorios und weiss man nichts vom Verlaufe des Falles, so wird man
sehr geneigt sein, einen Tumor im Grosshimschenkel anzunehmen. Da kann nur
die genaue Kenniniss vom Verlaufe des Falles und der Aufeinanderfolge der
Symptome eventuell richtig leiten. Hat man aber wie in meinem Falle eine
gleichzei%e Läsion des Abducens, Oculomotohus und des N. supraorbitalis
gekreuzt mit einer Hemiplegie, so wird man auch ohne Anamnese auf die
richtige Diagnose kommen können, da diese Nerven nur in der mittleren
Schädelgrube direct hinter der Orbita nahe zusammengelagert smd und ge¬
meinsam comprimirt werden können. Noch klarer wird die Sache, wenn man
aus rasch eintretender Amblyopie oder Amaurose auf der Seite des Tumors noch
einen gleichzeitigen Druck auf den N. opticus annehmen muss (wie in meinem
Falle) oder wenn der Stimhimtumor die Gebilde der Orbita nach vorn treibt
und Exophthalmus erzeugt
Von psychischen Störungen fand sich in meinem Falle nur die für Hirn¬
tumoren so höchst charakteristis^e eigenthümliche Apathie und Schlafsucht
Eine eigentliche Intelligenzstörung konnte in keiner Weise nach¬
gewiesen werden; im Gegentheil, bis fast zum Tode war die Patientin, wenn
man sie ans ihrem Sopor aufweckte, über Alles überraschend gut orientirt, und
nicht so selten erkannte man, dass sie überhaupt auf Vorgänge in ihrer Um¬
gebung mehr achtete, als es für den oberflächlichen Beobachter den Anschein
hatte. Ich hebe das hervor, weil man, nach meiner Ansicht von irrthümlicheu
Voraussetzungen angehend, dem Stimhim immer wieder besondere psychische
Functionen zuerkennen möchte, und weil man für diese Ansicht auch Fälle
von Stimhimtumoren immer wieder ins Feld führt Die Intelligenz im All¬
gemeinen ist nicht an bestimmte Himtheile gebunden, sondern bängt vom Zu¬
sammenwirken aller ab. Theilweise wird sie deshalb natürlich auch bei Stim¬
himtumoren beeinträchtigt sein, aber hier nicht mehr, wie bei dem Sitz des
Tumors in anderen Himtbeilen, nur vielleicht in anderer Art Dass die Somnolenz
bei Tumoren des Stimhims besonders gross werden kann, habe ich schon
früher dadurch zu erklären gesucht, dass gerade Tumoren dieser Gegend be¬
sonders gross werden können, ehe sie durch Dmck auf die Medulla oblongata,
z. B. zum Tode führen.
Der Verlauf des Leidens war in diesem Falle ein sehr rascher; nicht ganz
4 Monate nach dem Einsetzen der ersten Symptome trat der Tod ein. Das ist
jedenfalls eine erheblich unter dem Durchschnitt stehende Dauer. Schwankungen
in der Intensität der Symptome waren auch hier sehr deutlich, besonders
wechselte die Somnolenz sehr an Starke und mit ihr gleichzeitig die rechtsseitige
Hemipl^e.
Fall II.
Fangos durae matris mit Zerstörung der linken oberen Scheitelwindung.
Den Eisenbahnbetriebssecretär Herrn Sch., 55 Jahre alt, nntersuchte ich zum
ersten Haie am 3. August 1897 in meiner Sprechstunde. Er gab an, etwa seit dem
Dig :i^cd cy Google
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October 1896 krank za sein, er habe seitdem seine Arbeiten — er mr besondere
mit Bechnnngsrevisionen beschäftigt — nicht mehr gut ausfUhren können, häofig
habe er auch an SchwindelanfäUen gelitten, im November 1896 fiel er — im
Schwindelanfall? — von der Treppe und verletzte sich die Glegend des rechten Auges
und der rechten Hand. Seitdem ward ihm das Lesen schwer und der Uansarzt
schickte ihn deshalb am 6. Februar 1897 zuerst zum Aogenarzt Dr. Stöltivg.
Dieser erhob (nach eigenem Berichte) folgenden Befund: Beiderseits dringender
Verdacht auf beginnende Stauungspapille, namentlich rechts, wo die Papille
einen pilzförmigen Eindruck macht, während sie links mehr verschleiert ist. Blutungen
fehlen; rechts auf der Papille einige verfettete Stellen. Visus rechts ’/v
drin frei. Diagnose: wahrscheinlich Hirntumor. In der nun folgenden Zeit
traten namentlich psychische Erscheinungen deutlich hervor; der Patient war Ob«'
seinen Zustand aufs höchste erregt, und vermehrte mit dieser Erregung die vor*
handenen Fnnctionsstörungen, die wesentlich das l^esen betrafen, hoch sehr erheblich.
Er klagte über Gedächtuissscbwäche, schlief sehr schlecht, hatte aber niemala
Kopfschmerzen und litt auch nicht an Erbrechen. Den Juli 1897 brachte
er in Lauterberg b./H. zu: ohne jeden Erfolg. Die psychische Erregung steigerte
sich hier noch mehr, besonders erschwert war das Lesen, beim Schreiben werden
Buchstaben ausgelassen. Nach seiner Bückkehr nach Hannover wurde der Patient
dann au mich verwiesen. Heine erste Untersuchung, die, wie erwähnt, am 3. August
1897 stattfand, und die am 4. desselben Monats von Dr. Stöltimo ergänzt wurde,
ei^b Folgendes:
Kräftig gebauter und gesund aussehender Manu. Beiderseits Stauungs¬
papille. Visus rechts links ^/j^. Deutliche, aber nur rudimentäre rechts¬
seitige Hemianopsie; wie mir scheint, ist der Patient in den ausgefallenen
Gesicbtsfeldtheilen nicht ganz blind, sondern nur stark amblyopisch. Die übrigen
Hirnnerven sind frei. Deutlich gestört ist die Sprache; zwar ist die spontane
Sprache intact, es besteht auch keine Paraphasie, aber das Sprachverständniss
ist entschieden erschwert, namentlich für etwas längere Aufträge und Sätze.
Das Lesen ist massig gestört; vor allem fallen beim liautlesen Silben und ganze
Worte aus; sehr schwer wird es dem Patienten auch, richtig von einer Beihe in die
andere zu kommen; was er liest versteht er aber. Schlechter als das Lesen
ist das Schreiben: seinen Namen bringt er eben noch fertig, aber mit sehr zittriger
Schrift; als man ihm dann auftr^ „Constantinopel" zu schreiben, bringt er es nur
bis „Const". An den Extremitäten — speciell an den rechten — besteht keine
deutliche Lähmung, die Sebnenreflexe sind beiderseits gleich, dagegen konnte eine
deutliche Störung des Lagegeffihls im rechten Arme nachgewiesen
werden; Patient griff, wenn er die Augen schloss, mit der linken Hand an ihm
angegebeneu Stellen des rechten Armes weit vorbei und traf auch mit der rechten
Hand Stellen an der linken Körperhälfte nicht immer. Im rechten Arme und
Beine bestehen auch lebhafte neuralgische Schmerzen.
Es fehlen, ausser der Stauungspapille, alle Allgemeinsymptome des Tumore
Ueber Kopfschmerzen hat Patient nicht im geringsten zu klagen, auch
percntorisch ist der Schädel nirgends empfindlich. Erbrechen fehlt,
ebenso Benommenheit. Im Gegentheil ist der Patient sehr err^ und ängstlich und
die Erregung steigert sich bei der Prüfung seiner Functiousstörungen — Leseo,
Schreiben u. s. w. — so erheblich, dass theilweise auch dadurch die Mängel noch
mehr hervortreten. Auch beim An- und Ausziehen benimmt sich der Patient sehr
ungeschickt; manchmal hat man den Eindruck, als litte er an Seelenblindheit
Sehr erschwert ist auch das Bechnen — auch bei diesen Prüfungen wird er sehr
erregt.
Im Uebrigen ergiebt die körperliche Untersuchung keinen Befund. Im Urin
nichts. Herz gesund.
- K, Google
785
Bei einigeo Untersachnngen in den nächstfolgenden Tagen habe ich namentlich
die rechtsseitigen GefühlsstOrnngen festgestellt: die Tast- and Schmerz-
empfindnng war am ganzen E6rper rechts and links intact, auch localisirt
Patient richtig. Dagegen erkennt er ihm in die rechte Hand gegebene Gegen¬
stände schwer, links erkennt und benennt er sie gleich (Störung des stereo-
gnostischen Sinnes). Bei geschlossenen Augen fiindet er mit der linken Hand
aufgegebene Stellen am rechten Arm nicht, ebenso gelingt das umgekehrt nur schwer;
doch ist die Unsicherheit, wenn die linke die active Hand ist, grösser (Störung
des Lagegeffthls). Das Lesen ging zu dieser Zeit etwas besser, wie bei der
ersten Frflfung, ist aber immerhin gestört Das Sprachverständniss ist ent¬
schieden gestört, namentlich fOr complicirtere Auftr^e, und dadurch sind auch
genaue Frftfnngen auf das Mnskelgeftihl und den stereognostischen Sinn sehr er¬
schwert. Uancbmal wurde es dem Patienten auch schwer sich auf Worte
so besinnen. Alle Prüfungen regen ihn sehr auf.
Ich stellte die Wahrscheinlichkeitsdi^nose eines Tumors, obgleich mir das
Fehlen von Kopfschmerzen und Erbrechen sehr aufßiUig war. Was seinen Sitz an¬
betraf, so konnte ich nur sagen, dass beim Vorhandensein rechtsseitiger Gefühls-
Störungen, einer im allgemeinen sensorischen Störung der Sprache und schliesslich
rechtsseitiger Hemianopsie der Tumor in den hinteren Theilen der linken Hemi¬
sphäre sitzen musste — genauer präcisiren liesa sich sein Sitz noch nicht Ich
Terordnete Kali jodat. 6,0:200 3 Ual täglich 1 Esslöffel
Von da an sah ich zunächst den Patienten etwa alle 4 Wochen in meiner
Sprechstunde.
Am 27./IX. 1897 habe ich notirt: Deutliche rechtsseitige Hemianopsie,
ziemlich vollständig für roth, rudimentär für weiss; stösst beim Gehen an Gegen¬
stände rechts und rennt auf der rechten Seite an ihm vorbeigehende Leute an. Seh¬
schärfe rechts SS links Die Stauungspapille ist deutlich, rechts stärker
als links (Dr. STöLrmo). Lesen wie früher, Schreiben etwas besser; jedenfalls
werden Abschriften, die er zn Hause anfertigt und bei denen er sich Zeit lässt,
ziemlich fehlerfrei ausgeführt. Das Sprachverständniss ist sehr erschwert;
er versteht auch einfache Auftr^e nicht, z. B. dass er sich auf dem Untersuchungs-
sopha auf die andere Seite drehen soll, wird dann sehr erregt und bringt gamichts
mehr zu Stande. Kachsprecben einzelner Worte gelingt gut. Vorgezeigte Gegen¬
stände vermag er nicht immer zu benennen; auch im spontanen Gespräche fehlen
ihm manchmal Objectbezeichnungen (optische Aphasie). Sonst ist die spontane
Sprache gut Heute wird das rechte Bein beim Gehen etwas nachgezogen;
die Gefühlsstörungen rechts wie früher. Wenig Kopfschmerz, keine percutorische
Empfindlichkeit, kein Erbrechen.
25./X. Rechter Arm zu allen Verrichtungen ungeschickt, aber in keiner
Weise gelähmt, doch zeigt sich bei passiven Bewegungsversuchen eine eigenthüm-
liche Neigung zu Spasmen in demselben. Das Tastgefübl und die Localisation sind
am rechten Arme gut erhalten, ebenso aucb das Schmerzgefühl In die rechte
Hand gegebene Gegenstände erkennt Patient durch Betasten nicht; links
erkennt er sie, vermag sie aber, ohne sie zu sehen, nicht immer gleich zu benennen.
Mit der linken Hand findet er bei geschlossenen Augen Stellen am rechten Arme
nicht; umgekehrt geht das besser. Doch sind alle diese Proben sehr erschwert, da
bei dem mangelhaften Sprachverständniss und der grossen Erregbarkeit des Patienten
ihm ausserordentlich schwer klar zu machen ist, was er thon soll. Hat er einen
Auftrag einmal begriffen, so klebt er an demselben; so fasst er sich z. B. immerfort
wieder mit der rechten Hand an die Nase und an das Ohr, auch wenn man ihm
schon längst andere Aufträge gegeben hat. Sein rechter Arm kommt dem Patienten
offenbar selbst sonderbar vor; er betrachtet ihn oft verwundert, sagt: „Ich weiss
nicht, was mit dem Arme ist, es ist schrecklich“ n. s. w. Oft scheint es auch, als
60
u.g/.ac/GoOglC
786
ob der Fatleot Aufträge in Besag auf den rechten Arm besonders schwer Tersteh^
nicht nar schwer aasfflhrt; befiehlt man ihm» den linken Arm sa erheben» so ge¬
schieht das prompt» während er bei gleichem Auftrag für den rechten Arm den Ant
Terwundert anschaut, dann seinen Arm betrachtet und non nochmal nachfngt, ms
er thun soll. Dnrch alle diese Umstände wird, trotzdem eine muscoläre Lähmung
in keiner Weise besteht, doch die Gebrauchsfähigkeit des rechten Armes sehr beein¬
trächtigt; der Kranke hat offenbar oft keinen rechten Begriff davon, wie er den
Arm gebrauchen soll Es besteht eine Art Seelenläbmong. Theilw^
wird natürlich aoch dnrch diese Dinge das Schreiben gestört. Linker Arm in jeder
Beziehung iotact.
Das rechte Bein ist etwas schwächer als das linke» beim Gehen schlendert
er dasselbe etwas; der rechte Patellarreflex ist etwas lebhafter als der
linke. Tast- und Schmerzempfindung, sowie Localisation beiderseits gut. Der Knie-
hackenversoch gelingt beiderseits prompt Untersuchungen auf Lagegeffihlsstörongeo
im rechten und linken Bein schlugen fehl, da Patient nicht verstehlv was er thns
soll und dann sehr erregt wird.
Beiderseits Stauungspapille; deutliche rechtsseitige Hemianopsie auch
bei grober Prüfung nachweisbar, setzt sich rechts am Stuhl vorbei. Sonst sind
die Himnerven frei Sonstige Allgemeinsymptome des Tumors fehlen immer noch.
Das Sprachverständniss, wie angegeben, erschwert. In der spontanen Sprache
kaum etwas zu bemerken, findet beute auch alle Bezeichnungen für vor¬
gehaltene Gegenstände. Das Lesen geht ziemlich, aber er findet schwer von
einer Reihe in die andere; das Schreiben — s. o. die Bemerkungen über den rechten
Arm — ist dagegen ganz erheblich gestört; er bringt nicht einmal den
Anfangsbuchstaben seines Namens fertig.
Manchmal zeigen sich Vorgänge, die an Seelenblindheit erinnern; so zieht
er den Stiefel an den verkehrten Fuss, weiss nicht wie er in die Hose kommen
soll u. s. w. u. s. w.
Mitte November war die Schwäche des rechten Beines deutlicher, die Sehnen¬
reflexe aber beiderseits gleich. Im übrigen körperlich Status idem. Psychisch war
Patient viel ruhiger, fühlte sich nach seiner Angabe sehr viel wohler, war weniger
erregt. Er hatte bis dahin regelmässig Jodkali eingenommen.
Am 23./XI. war alles das wieder schlechter. Nach dem Befunde von Dr. Stöl-
T£N6 war die Sehschärfe annähernd dieselbe wie früher. Die Neuritis optica ist
beiderseits sehr viel ausgesprochener als früher. Die Grenzen des Opücas sind
beiderseits nicht mehr zu sehen. Die Venen sind gestaut, aber die PapiUe nicht
pilzförmig vorgetrieben. Pupillenreaction auf Licht gut Die rechte Hemianopsie
ist jetzt ziemlich complet; hemianopische Pupillenstarre besteht nicht, Das
Schreiben geht sehr schlecht, das Lesen bei kurzen Worten gut, bei langmi
schlecht. Vorgehaltene Gegenstände werden richtig bezeichnet, im spontanen Gespräche
fehlen Hauptwörter häufiger. Paraphasie besteht nicht. Klagen über Kopf¬
schmerzen gering; keine percutorische Empfindlichkeit, kein Erbrechen.
Im December wurde folgendes constatirt; Das Sprachverständniss ist in
allgemeinen besser als früher, aber jedenfalls nicht vollkommen, namentlich nicht für
einigermaassen complicirtere Aufträge; man muss ihn diese erst vormachen ehe er
sie versteht Die spontane Sprache ist ziemlich gut, nur manchmal findet er
Worte nicht Nacbsprechen intact Vorgehaltene Gegenstände werden
fast alle richtig bezeichnet; nur die Bezeichnung für „Sessel“ findet er nidit
Das Lesen ist gut, soweit es die rechte Hemianopsie erlaubt; lange Worte kann
der Patient nicht auf einmal übersehen; er kommt auch leicht in eine fals(^e Zeile;
eigentliche Alexie aber besteht nicht mehr; auch das ist besser als früher. Von
Schreibeproben gelingt noch am besten das Abschreiben, er schreibt richtig ans der
Zeitung ab: „der Cultusminister“. Dictirt: „Abendausgabe“ gelingt in der Weise:
P'
vGoogIc
787
„Abend Bei spontuier Schrift (er soll eine Einehe an die Eisenbahndirection
machen) schreibt er statt: An die Königl n. s. w. „In die Etoigl n. s. v.“; er findet
das grosse Ä trotz mehrfacher Versuche nicht
ln die rechte Hand gegebene Gegenstände werden absolut nicht
erkannt, links erkennt er sie gleich and bezeichnet sie richtig. Die Bewegungen
des rechten Armes sind auch unsicher, namentlich kann der Patient mit ge*
schlossenen Angen Gegenstände hier nicht länger festhalten; sehr un¬
geschickt benimmt er sich auch, wenn er die Gegenstände von der rechten in die
linke Hand legen soll. Im Liegen beim EniehackenTersnch an den Beinen keine
deutliche Ataxie.
lüitte Januar 1898 Anfall von Unbesinnlichkeit mit üebelkeit, da¬
nach heftiger Schmerz im Hacken. Die Schmerzen dauern nur kurze Zeit an.
Dr. StöIiTino fand zu dieser Zeit: rechts eine charakteristische Schwellung
der Papille um etwa Vj^mm, links war die Schwellung etwas geringer.
VisQS rechts links ^so* Complete rechte Hemianopsie. Von dieser Zeit
an habe ich den Patienten nur noch in seiner Wohnung untersucht.
Am 2./IL habe ich folgendes notirt: Allgemeinbefinden viel schlechter,
wird apathischer, ist leicht verwirrt Er findet jetzt die Worte schwer, ver¬
spricht sich auch häufig; irgendwie complicirtere Aufträge versteht er
garnicht mehr. Lesen und Schreiben nicht zu prüfen. Am rechten
Arme besteht jetzt auch leichte Parese, die Fingerbewegungen sind
zum ersten Haie steif. Deutlich ist jetzt am rechten Arme auch das
Berflhrongs- und das Schmerzgefühl verringert. Prüfungen auf das Locali-
aationsgefflbl gelingen nicht da Patient nicht versteht was man von ihm wilL Bei
Prüfungen auf Lage- und Bewegnngsgefühl benimmt sich Patient sehr ungeschickt
bezw. macht falsche Angaben, vielleicht auch hier, weil er nicht versteht was er
soll. Das Gehen gebt schlecht das rechte Bein wird nachgeschleppt; heute
zum ersten Haie rechts Achillesclonus. Die rechte Hemianopsie soll
si ch manchmal zu vorübergehender Erblindung steigern. Eopfschmerzen
jetzt häufiger, auch manchmal noch Schmerzen in den Gliedern rechts.
17./II. Seit einiger Zeit sehr viel roehrEopfweh — im Hinterkopfe.
Eein Erbrechen. Häufig Schwindel Von Zeit zu Zeit ohnmachtsäbnliche
Anfälle, die Beine knicken ein; Patient taumelt und fällt, immer nach
hinten. Auch ausserhalb dieser Anfälle ist das Gehen taumlich. Bechte
Hemiopie deutlich mit grober Prüfung nachzuweisen. Es scheint rechts totale
Apraxie zu bestehen; er versteht überhaupt nichts, was er mit den rechten
Extremitäten machen soll. Die rechte Hand ist steif; er fühlt Nadelstiche
hier kaum. Prüfui^en auf das Lagegefühl sind nicht auaznführen. Das rechte
Bein wird sehr deulich nachgezogen, es besteht kein Achillesclonus,
der Patellarreflex ist rechts stärker als links. Im Gespräch fehlen
dem Patienten sehr viele Worte, das Verständniss der Sprache ist
heute ziemlich gut. Wenn der Patient Nachts aufsteht, um Wasse? zu lassen, ist
er ganz disorieutirt.
Am 20./11. AnfaU totaler Erblindung. Nachher sehr heftige Kopfschmerzen
und auf der Höhe derselben zum ersten Haie Erbrechen.
6./III. Taumelt beim Geben sehr viel mehr, besonders nach hinten; das
rechte Bein wird nachgeschleift. Eopfschmerzen ziemlich andauerd, beson¬
ders im Hinterkopfe und beim Niederlegen. Kein Erbrechen wieder.
22./in. Das Gehen ist sehr viel schlechter geworden. Patient schleift das
rechte Bein deutlich nach, torkelt stark, besonders nach hinten und rechts.
Die Sehnenreflexe sind rechts nicht erhöht. Die Ungeschicklichkeit im rechten
Arme und Beine wie früher, doch kommt in dieser Beziehung sehr in Betracht,
dass Patient complicirtere Aufträge nicht versteht, vor allem nicht, wenn sie sich
50»
- Google
788
auf deo rechten Arm beziehen. Einfache Dinge versteht er. Die spontane
Sprache ist sehr viel schlechter geworden, er findet oft die Worte nicht
und ver wechselt sie h&ufig (Paraphasie). Lesen ond Schreiben nicht zn prüfen.
Kopfschmerz mftssig, hein Erbrechen. Hechte Bemianopsie wie früher.
Am Morgen des G./IY. plötzliche heftige Zunahme der Kopfschmerzen.
Erbrechen. Benommenheit Beohtaaeitige totale Ptoaia. Gegen 12 Uhr
Ptcsis rechts noch deutlich, aber geringer. Augenmuskeln sonst gut; nach rechts
bin werden die Äugen wegen der Hemianopsie nicht gewendet Keine rechtsseitige
L&hmuDg der Extremitäten, aber rechts Ächillesclonus. Schlafsucht in
letzter Zeit überhaupt stärker; heute auch starker Singnltus.
Am 7./IV. war die Ftosis rechts ganz wieder verschwunden, auch
sonst bestanden keine Hirnnervenlähmungen. Psychisch freier. Sprache lallend,
bulbär, kaum verständlich. Sprachverständniss sicher sehr erschwert
Ich konnte aber heute noch constatiren, dass das Lagegefühl am rechten
Arme jedenfalls sehr mangelhaft ist Patient greift mit der linken
Hand weit an ihm angegebenen Stellen vorbei; er braucht wegen der
rechten Hemianopie bei dieser Prüfung die Augen nicht zu scbliessen. Er
weiss überhaupt mit dem rechten Arme nichts anzufangen; betrachtet
ihn verwundert (Seelenläbmung). Das Schmerzgefühl ist rechts deutlich
verringert Eine deutlichere Lähmung besteht auch heute nicht an den rechten
Extremitäten. Das Gehör ist beiderseits gut
9./iy. Pat giebt immer nur die linke Hand; nur schwer und mit lai^er
Mühe bringt man ihn dabin die rechte zu geben, obwohl er den rechten Arm fast
ganz gut bewegen kann. Doch sollen auch mehr reflectorische Bewegungen,
z. B. Kratzen des Kopfes, mit der rechten Hand sehr unsicher sein. Er
isst mit der linken Hand. Schreiben unmöglich, Lesen sehr schlecht, mehr wohl
als es der Hemianopsie entspricht, doch bekommt Patient kurze Worte heraus. Beim
lauten Lesen stärkere Paraphasie als beim spontauen Sprechen, doch auch hier
sehr bedeutend.
25./iy. Wird immer apathischer — nicht mehr genau zu untersuchen.
Rechte Pupille weiter als die linke.
4./y. Tod an Lungenödem; zuletzt Schlucken sehr erschwert.
(SobloBs folgt.)
•2. üeber die elektrische Err^barkeit des N. radialis.^
yon Dr. Karl Gumperts in Berlin.
Yor 5 Jahren habe ich* über die Resultate einiger elektrischer Unter¬
suchungen des N. radialis bei nicht gelähmten Bleikranken berichtet und die
in diesen Fällen fehlende Beaction für den positiven Fol des Oeffnungsinductions-
stromes, sowie das Ausbleiben der galvanischen ASZ als Vorboten einer Nerven¬
degeneration angesprochen.
Diese Annahme ist nun lebhaft bekämpft worden durch Herrn Prof. Bbbk-
HABDT*, welcher die Anomalie durch die tiefe Lage des Nerven zu erklären sucht
* Nach einem in der Gesellschaft für Psyohiatris und Kervenktaokheiten am 12. Juli
1897 gehaltensn Vortrags.
* Ueber Anomalien der indireoten elektrischen Erregbarkeit und ihre Beziehangen znr
chronischen Bleivergiftung. Deutsche med. Wochenschr. 1892.
* Ueber die GuxFBBTz'schen Anomalien U.B.W. Berliner klin. Wochenschr. 1894. Nr.l2.
Google
789
ond sie auch bei Oasonden nachgewiesen haben will. Da ich bereits eine Kritik
der Bebnhabdt’ sehen Argumente yeröffentlicht habe^, so darf ich wohl auf
dieselbe yerweisen.
Ausserdem haben sich noch zwei Amerikaner, Pütnam und Lescztksky,
mit dieser Frage beschäftigt Pütnam* giebt an, meine Reaction bei allen Blei¬
kranken, aber auch bei der fiberwi^nden Mehrheit Nervengesunder gefunden
zu haben, Lbsczynskt* gleichfalls in einer nnveTh ältniasmAssi g grossen Zahl
von Fällen; letzterer untersuchte allerdings ausschliesslich mit dem faradisohen
Strom. Versuchsprotocolle sind von den beiden Autoren nicht veröffentlicht
worden.
Da in den letzten Jahren nicht mehr das geeignete Material durch meine
Hände ging, bis ich durch eine auffallende Beobachtung veranlasst wurde, dem
Verhalten des N. radialis bei Gesunden und Kranken meine Aufmerksamkeit
wieder zuzuwenden.
I. Ein SOjähr. Bucbdracker (Schenk) leidet an schwerer Tabee mit Crises gas-
triques, Anästhesie des Ulnarisstammes ond Hjpalgesie im Ulnarishautgehiei Ein
TOD dort excidirtes Haotstbckchen ergab normalen Nervenbefund, weshalb ich hier
nicht eine periphere Stömng ffir das BiEaNACKi’sche Phänomen snpponirt habe.*
Nach längerer Panse kommt Pat. am 13./X. 1896 zn mir mit einer angeblich
seit 4 Wochen bestehenden Lähmung der rechten Hand. Dieselbe hängt der Schwere
nach herunter. Extension der Hand und der Finger, auch Abduction des kleinen
Fingers ist unmöglich. Sensibilität gut.
Der rechte K. radialis giebt faradisch ond galvanisch keine Beaction, di^egen
ist die directe Moskelerregbarkeit fbr beide Ströme erhalten, die Zuckungen kurz und
blitzartig.
Ich sah den Pat erst im Februar 1897 wieder; er konnte jetzt die Hand in
normaler Weise gebrauchen. Die Lähmung soll 2 Monate gedaoett ond sich inner¬
halb zweier Tage zordckgebildet haben.
Da die Radialisparalyse plötzlich entstanden war und sich anscheinend
ziemlich keut zurückgebildet hatte, so glaubte ich sie auf eine Femwirkung (im
Sinne Eahleb’s*) zurückführen zu sollen, zumal da trotz 4 wöchentlicher Dauer
die directe Erregbarkeit sich normal verhielt Sehr auffallend ist allerdings das
Fehlen jeglicher indirecter Reaction.
Auf die gleiche spinale oder meninge^e Ursache glaubte ich, die bei späteren
Untersuchungen hervortretende Herabsetzung der Radialiserregbarkeit beziehen
zu sollen, welche sich hier mit einer an die von mir früher beschriebene Ano¬
malie erinnernde Erscheinung combinirt
‘ Berliaer klin. Woohenschr. 1894, Nr. 16.
’ On certaio pecoliarities in the reaction of the mnscalospiral nerve to electrical cor-
rentB: and tbeir practical signiflcance. Boston med. and sorg. joom. 1893. Maroh.
’ The valne of electricitj in diagnoeis and prognoeis of affections of the peripheral
nerres. New York Med. Record. 1894. 18. Ang.
* Yergl. HantoerveobefuDdebei Tabes. Zeitschr.f. klin.Med. 1698. Bd.XXXV. H.l n.2.
' Die in der Discossion dieses Vortrages geänsserte Vennnthang, dass vielmehr die
Lähmung eine peripherisch-traumatische gewesen und der Nerv an oder oberhalb der Druck¬
stelle mit D^ativem Erfolge gereizt worden sei, hat allerdings viel fhr sich, wenn auch
die Art der Rückbildung daüir nngewöhnlich.
c,-.,Google
790
Es ergab n&mlich die el^rtzisebe Unteisachang:
6./IV. 1897. Nn. radialis beideraeite sp&t erregbar.
Farsdische Ka* 80—60 mm faradiscbe An noch später.
Galvaniscbe KSZ 4,0—5,0 U.>A. ASZ and AOZ mit erträglichen Strömen nicht
zn erzielen.
21./7I. 1898.
K. radialis rechts links
Faradiscbe Ka
*» An
Galvanische KSZ
„ ASZ /
.. AOZl
85 mm B.*A.
76 ^ „
8,0 M.-A.
160—200 M.-A
N. nlnaris KSZ 3,0 M.>A.
85 mm B.>A.
70 „ „
8,0 M.A.
16,0—20,0 U.*A. sehr nndeotiich.
Ich habe non auch bei anderen Individuen die entsprechende Untersuchung
angestellt und es li^en mir jetzt eindeutige Resultate von 50 Yersuohs*
Personen vor.
lÜt Ausnahme der obigen Beobachtung habe ich nur noch in 2 Fällen einen
Befund erhoben, welcher als paBiologisch aufzufassen ist.
Beide Personen waren aber weit entfernt davon nervengesund zu sein.
II. Lehmann, 45jähr., Rohrleger. Bach einer nnbedentenden Verletzung Klagen
Aber Vertotong des linken Armes; will mit der Hand nicht mehr sufassen können.
Objectiv nur geringe Heralmetznng der Kraft daselbst. Fat ist sehr fett und mns-
calös, wi^ etwa 240 Pfund. Sehr starker Trinker. Zähne dee Oberkiefers schwarz.
K. radialis rechts links
Faradiscbe Ka 80 mm B.<A.
» An 60 „ (?)
Galvanische KSZ 4,5 H.«A.
„ AOZ 10,0 „
„ ASZ —
M. e^nsor digg. KSZ 5,0 H.-A.
80 mm B.«Ä.
(keine Fingerextension).
5,0 H.^A.
12,0
Neben der unklaren foradischen und der fehlenden galvanischen ASZ fällt hier
auch die hohe Reizschwelle fflr KSZ auf. Dass allgemeine Herabsetzung der Nerven¬
erregbarkeit besteht, dOrfte auch dvaus hervorgehen, dass der N. nlnaris rechts bei
3,0 H.-A., links erst bei 5,0 M.A. anspricht, ein N. focialis erst bei 4,0—5,0 H.-A.
lil. Casper, 58 Jahre. Voi^chrittene Tabes. Grosse Schwäche nnd Mager¬
keit Von den Oberextremitäten wird besonders Aber den linken Arm geklagt
Elektrische Exploration;
N. radialis rechts
links
Faradiscbe Ka
„ Ad
Galvanische KSZ
„ AOZ
„ ASZ
N. nlnaris KSZ
90 mm B.-A.
80 „ „
2,5 U.-A.
5,0 „
12,0 „
2,0 „
80 mm B.-A.
36 „ „
3,6—4,0 H.-A.
10,4 ,.
unklar
* Faradiscbe Ka und An werden nur der Kfirze wegen f&r negativen und poaitiven
Pol des Oefftanngrindnctionntromes gebrancbt Eine Radialisreaction wird immer ent dann
als aolehe bezeichnet wenn der M. extensor digitomm oder Extensor poUicis zockt — Di^
rente Elektrode 8.0 qcm, indifferente 100 qcm.
Diy
Google
791
AQch hier es w<^ mdie, die. einseitig gefundene — bei zwei Unter¬
suchungen constant anfgetretene — Anomalie auf Err^barkeitsabnahme zu be¬
ziehen, welche ja bei der Tabes nichts seltenes ist
Alle übrigen Yersnchspersonen — 48 — zeigen eine im ganzen normale
Badialisreaction. Ich habe nach den Beziehungen zum N. radialis und zur
Mü^Iichkeit einer oi^nischen Ner?en8chädigung die Fälle in 6 Gruppen getheilt,
nämlich:
L Gesunde Personen mit lediglich localen Afifectionen, welche mit dem
Radialis nichts zu thun haben.
ln dieser Gruppe waren stets alle Reaotionen mit der groBstm Ldohtigkeit
zu erzielen, auch bei sehr musculösen Individuen. 13 Fälle, davon 8 Kinder.
Alter der Untersuchten 13—68 Jahre. Höchster Werth der ASZ und AOZ;
10,0 M.-A. Fast keine Differenz bdder faradischen Pole.
II. Functionelle Neurosen und Verwandtes. 18 Personen. Auch gute
Reaotionen. AOZ trat spätestens bei 10 M.-A., ASZ bei 12 M.-A. ein. Durch¬
schnittliche Differenz beider faradischen Pole 20—25 mm.
IIL Chronische Intozioationen, besonders Alkoholismus. 6 Fälle; ganz gute
Reactionen, etwa vne bei Gruppe II.
IV. Epilepsie. 4 Fälle. Desgleichen. Nur einmal Distanz beider fara¬
dischen Pole 20—25 mm.
V. Apoplexie. 2 Fälle. Gute Reactionen.
Yl. Tabes und Lues spinalis. 5 Fälle. Die in Fall 5 einseit^ spät auf¬
tretende ASZ 14,0 äL-A. (gleichmassig bei zwei Untersuchungen gefunden) ist
vielleicht schon pathologisch, was bei solchen gldch&lls gel^enüich mit herab¬
gesetzter Reaction einheigehenden Fällen nicht verwunderlich wäre.
I. Gruppe: Locale Affectionen, die auch sul^ectiv nichts mit dem N. radialis
zu thun haben, bei sonst gesunden Personen.
13 Fälle: 10 männl., 3 weibL
1. Frau Faprosch. Tic eoDTulsif (leichtere Form). Ziemlich starke Frau.
Von den Nn. radialis alle Beactiooen zu erhalten. AOZ > ASZ.
2. Frau Diese, 67 Jahre alt Rheumatische Lähmung des linken N. focialis.
Keine EaR. Guter Emährnngszustand.
N. radialis rechts
links
Faradiscbe Ka 90 mm R.-A.
„ An 90 „ „
Galvanische ESZ 2,5 M.-A.
„ AOZ 10,0 „
„ ASZ 10,0 „
Beiderseits ASZ deutlicher als AOZ.
Rechter N. olnaris KSZ 1,5 M.-A.
AOZ 7,6 „
ASZ 2,0 „
80 mm R.-A.
80 „ „
2,0 M.-Ä.
10,0 „
10.0 „
N. hjpoglossus (Stamm) giebt deutliche Reaction fOr faradische Ka bei 70 mm,
faradische An bei 60 M.-A.
ig |i/od oy CjOO^Ic
792
3. Schubert, 34 Jahre alt Bierbrauer. Rheumatismus. Trinlrt ketneu Schnaps,
Bier 6—7 Flaschen p. d.
N. radialis ganz normal. ASZ < AOZ.
4. Kegler, 26 Jahre alt. Bureaoarbeiter. Lumbago.
N. radialis galvanisch und faradiseh leicht zu erregen. AOZ > ASZ. Faradiscbe
Ea und An fast gleich.
5. Wappler, 54 Jahre ali Schuhmacher. Omarthritis rheum.
K. radialis gut zu erregen. AOZ > ASZ.
6. Welak, 26 Jahre alt. Feuerwehrmann. Oanz gesund, nur frQhzeitiges Er¬
grauen der Haare.
N. radialis faradiseh. Ea und An fast gleich. AOZ etwas > ASZ.
7. Lehmann, Fritz, 86 Jahre alt. Steinmetz. Keine nervösen Beschwerden.
Von Dr. Maschkb wegen Abducensparese geschickt. Fötus und Lues geleugn^
Patellarreflexe ungleich. Radialis ganz normal.
8. Reinke, 23 Jahre alt.
Arbeiter.
N. radialis
Faradische Ka
„ An
Oalvanische KSZ
„ AOZ
„ ASZ
N. nlnaris dexter.
Coxalgie rechts nach Verletzung. Sehr musculöeer
rechts
100 mm R.-A.
M n
1,8 M.-A
6,0 „
6,0—7,0 M.-A.
KSZ 1,0 H.-A.,
links
106 mm R.-A.
85 »» M
2.0 H.-A.
6,0 „
7.0 .,
AOZ 3,0, ASZ 4,0—50 M.-A.
9. Frau Eicke, 64 Jahre alt. Schmerzen in der linken Schulter.
N. radialis rechts links
Faradische Ka 80 mm E.-A. 85 mm R.-A.
„ 70—80mmR.-A. 75 „ „
Galvanische KSZ 2,6 M.-A. 3,6 M.-A.
„ AOZ 4,0 „ 12,0 „
„ ASZ 10,0 „ 8,0 „
10 .
Hanke, 28 Jahre alt. Arbeiter. Lumbago. Sehr musculös.
N. radialis rechts links
Faradische Ea 96 mm R.-A.
„ An 85 „ „
Oalvanische KSZ 2,0 M.-A.
„ ASZ 8,0—10,0 M.-A.
„ AOZ 10,0 M.-A.
95 mm R.-A.
85 „ „
2,0 M.-A.
7,5 ,.
10,0 „
Sehr stark.
11. MfiUer, Franz, 36 Jahre alt. Graveur,
kr&flig.
N. radialis rechts
Faradische Ka
,, An
Galvanische KSZ
„ AOZ
„ ASZ
96 mm R.-A.
85 „ „
1,5 M.-A.
6,0 „
6,0 „
Ischias sin. Sonst gesund und
links
95 mm R.-A.
85 „ „
1,8 M.-A.
6,0 „
6,0 „
12. Heyder, 13 Jahre ali Quintaner. Schmerzen im linken EUbogengelenk.
Leichte Periostitis ulnae.
K. radialis beiderseits ganz normal. AOZ > ASZ. Ulnaris: ASZ > AOZ.
793
13. Trebbin, 43 Jahre alt Steinmetz. Neuritis n. ulnaris deztri ez pro*
fesaione (?).
Rinne zwischen Caudyl. int and Oleocranon fast nicht zu fahlen. Durch fibri*
nOse Hassen ausgefOllt Hyperästhesie im Ulnarishautgebiet. Händedruck r. > 1.
N. ulnaris rechts links
Faradische Ka
»I
Galvanische KSZ
„ ASZ
„ AOZ
N. radialis:
Faradische Ka
„ An
Galvanische KSZ
„ ASZ
.. AOZ
96 mm B.*A.
96 „ „
3,0 H.-A.
5,0 ,,
7.5 „
100 mm R.-A.
100 „
1.6 H.-A.
7.5 „
4,0 „
110 mm B.-A.
110 ,. „
2,0 M.-A.
4,0 „
4,0 ,.
100 mm B.-A.
100 „ „
1.6 H.-A.
7.6 ..
4,0 ,.
Faradische Ka giebt ttberall kräftigere Zuckung als An.
11. Gruppe: Functionelle Neurosen und Verwandte
18 Fälle; 1 männl., 17 weibl.
1 . Frl. Böhm, sehr dick, nervöse Beschwerden.
Badialis ganz normal.
2. Frl. Schultz. Hysterie. Sehr fett Badialis beim Eindrücken gut erregbar
ASZ S AOZ.
3. Frl. Ehrhardt Adipositas, Schwindel. AOZ > ASZ.
4. Frl. SalomoD. Hysterie. Intereostalneuralgie normal.
6. Frl. Baab, 28 Jahre alt Hysterie. Erblich belastet. Hutismus. Diverse
hysterische Augenstörungen. Seit 4 Jahren anhaltende Zuckungen in den Armen.
Trotz der Zuckungen sind alle Beactionen von den Nn. radialis zu erhalten,
nur ist numerische Bestimmung unmöglich.
Anscheinend AOZ = ASZ.
6. Frau Lehmann, 36 Jahre alt. Neurasthenie.
N. radialis rechts
links
Faradische Ka
„ An
Galvanische KSZ
„ AOZ
„ ASZ
N. ulnaris ASZ > AOZ.
90 mm B.-A.
80 „
3,0 M.-A
5,0 „
12,0 „
90 mm B.-A.
80 „ „
2,0 M.-A.
5,0 „
10,0 „
7. Gliemaann, 50 Jahre alt. Hysterie.
Nn. radialis: Alle Beactionen gut auszulösen.
8. Frau Hanne. Anämie. Alte Cozitis tnbercul.
K. radialis rechts
Faradische Ka 100mmR.-A.
„ An 85 „ „
Galvanische KSZ 1,5 M.*A.
links
90 mm B.-A.
90 „ „
2,0 M.-A.
10,0 ,.
5,0 „
IJig'V^od oy Google
794
9. Fri. Babbach. Kopfachmenen. Blass. Gate Haskeln.
Badialis rechts: ESZ 1,4 H.*A. ASZ and AOZ 5,0 M.>A. Faradiscb aacb
normal.
10. Fr. Eilenfeld, 67 Jahre alt Elimakterisehe Beschwerden. Sehr stark.
Eniereflex schwach, l < r..
nur bei Jendrassik.
N. radialis
rechts
links
Galvanische ESZ
2,6 M.-A.
1,5 H.-A.
„ ASZ
6,0 „
10,0 ,.
„ AOZ
Faradiscb normal.
ondeotUch
10,0 „
11. Fraa Hanschke, 35 Jahre alt Keorastheme.
Badialis normal AOZ > ASZ.
12. Fran Casper, 40 Jahre alt Nearasthenie.
N. radialis AOZ ^ ASZ.
13. Frl Jensel, 30 Jahre alt. Hysterie. Sehr mager and blass.
N. radialis beiderseits normal.
Bechts faradlsche An < Ea, links &st = Ea.
Gal?ani8che AOZ etwas > ASZ.
14. Bandow, Ella, 16 Jahre alt. An&mie.
Badialis in Ordnung. ASZ AOZ.
15. Frl. Bromkow, 35 Jahre alt Nearasthenie.
N. radialis
Faradische Ea
I, Ad
Galvanische ESZ
„ AOZ
.. ASZ
rechts
80 mm B.-Ä.
70 „ „
2,5 M..A.
5,0 „
12,0 „
links
90 mm B.*A.
80 „ „
2,2 M.-A.
7,6—8,0 M.-A.
N. olnaris ESZ 1,6 M.'A.
16.
Frau Bieleke, 36 Jahre alt. Anämie, Hysterie.
N. radialis rechts links
Faradische Ea
„ An
Galvanische ESZ
AOZ
.. ASZ
95 mm B.>A.
90 ., „
1,6 M.-A.
6.0 „
6,0 „
100 mm B.-A.
100 „ „
1,2 M.-A.
3,6—4,0 M.-A.
6,0 H.-A.
17. Frl. Schaaf, 30 Jahre alt. Hysterie
Narkose).
N. radialis rechts
Faradische Ea
„ An
Galvanische ESZ
„ AOZ
„ ASZ
110 mm B.-A
100 „ „
1.5 M.-A.
2,0 ,.
7.5 „
(nach mehrfachen Operationen in
links
110 mm B.-A.
100 ., „
1,3 M..A.
2,0 „
7.0 „
18. Frau Grau, 36 Jahre alt. Anämie, Macies, Gesichtshallncinationen; keine
deutlichen Wahnideeen.
N. radialis ausserordentlich leicht za erregen, galvanisch AOZ ^ ASZ. Ebenso
N. ulnaris. Faradiscb An fast ss Ea.
Google
795
HL Gruppe: Chronische Intoxicationen.
5 m&Dnl. iDdmdneD.
1. Jacobsei), 31 Jahre alt, Tischler. Polynearitis alcoholica (Schmenen. Leber-
Tei^rOsseroog, WZ Bömberg, retardirte Schmerzempfindai^, Nyst^mos, Doppelt-
Beben n. s. w.)>
N. radialis rechts links
Faradische Ka
I»
Gal?anische ESZ
„ A 8 Z (75
„ AOZ (
100 mm B.-A.
90 „ „
1,5 M.-A.
100 mm B.-A.
90 „ „
1.5 M.-A.
7.5 „
2. Paetzold, 45 Jahre alt, Böttcher. Trank 8 Glas Bier. Januar 1897 Un-
bül Par&sthesieen, psychische Depression, rechts Taubheit, träge Lichtreaction der
Papillen, rechts Intemnsparese. Sehr stark.
N. radialis rechts links
Faradische Ea 90 mm B.-A.
,, An 75,, „
Galvanische KSZ 3,0 M.-A.
„ ASZ 6,0 „
„ AOZ 12,0 „
Scliliessongszucknngen dentlicher.
N. nlnaris ESZ 1,5 H.-A.
80 mm B.-A.
65 „ „
8,0 tt.-A.
12.0 „
12,0 „
3. Menzel, 28 Jahre alt Alkoholismos chron.
Patellarrefiexe erhöht. Bechts Dorsalclonns. Bechtes Bein spastisch. Links
Abdncensparese. Sensibilität gut. Elektrisch normal.
N. radialis sin. KSZ 0,75 M.-A.
AOZ > ASZ.
Alle Beactionen sehr prompt
4. Kettmann, 37 Jahre alt, Arbeiter. Nenrasthenia alcoloholica. Sehr musculös.
K. radialis ^iderseits ganz normal. AOZ etwas > ASZ.
5. Pfendt, 21 Jahre alt, Schriftgiesser. Alkoholismus. Nenrasthenia cordis.
Die Leber liberragt die Bippenwand nm ca. 2 Querfinger. Sehr musculös.
N. radialis
rechts
links
Faradische
Ka
95 mm B.-A.
105 mm B.-A.
ft
An
90 „ „
105—90 mm B.-A.
Galvanische KSZ
1,0 M.-A.
1,9 M.-A.
tf
AOZ
3,5 „
3,5 „
tf
ASZ
4,0 „
4,0 „
K. hypoglossns: faradische Ka 70mm B.-A., galvanische nur Schliessungszuckungen.
,, An 60 „ „
6 . Gesske, 37 Jahre. Phtbisis pulm. progress. Ischias sin. Gang paretisch,
etwas spastisch. Keine Bigidität Patellarreflexe fehlen. Sensibilität normal Grosse
Haedes.
Elektrisch flberall normal, auch die Nn. radialis geben alle Beactionen.
IV. Gruppe: Epilepsie.
4 männl. Individuen.
1. Beisser, 26 Jahre alt Hereditarier. Potator. Epileptiker. Sehr gross
and mnscolöB.
D a l'/orl ny GOO^ IC
796
N. radiaÜB
Faradiscbe Ea
»»
GtehaDiscbe KSZ
„ AOZ
ASZ
rechts
90 mm B.'Ä.
70 „ „
3.5 H.-A.
7.6
10,0 „
links
95 mm B.'A.
75—70 mm E.»A.
3,0 M.-A.
7,5 „
12,0 „
2. Hamsch, 45 Jahre. Oefters AnfAlle, meist Petit mal.
Degeneratire Lähmung des rechten H. cncnllaris nach Trauma, jetzt fast geheilt
N. radialis rechts links
Faradische Ka
,, An
Galvanische KSZ
ASZ
AOZ
110 mm B.>A.
100 „ „
1.5 M.-A.
7.5 ..
7.5 „
100 mm B.>A.
90 „ „
2,0 H.-A.
6,0 „
7,6 „
3. Schley, Max, 16 Jahre alt. Bin epileptischer Anfall. Hasenscharte, etwas
imbecill. Vater an Dem. paral. gestorben.
Sehr magerer Mensch. N. radialis ganz normal, alle Beactionen zu erhalten.
4. Bichter, Wilhelm, 12 Y: Jehr. Bachitis. Krampfanfälle, Sehr klein, blass,
schwächlich.
N. radialis in Ordnung. ASZ und AOZ zu erzielen.
V. Gruppe: Apoplexie.
2. Fälle: 1 männL, 1 weibL
1. Hermann, 64 Jahre alt, Bierbrauer. Hemiplegia sin.
Nn. radialis gegen alle Beactionen. AOZ > ASZ.
2. Frau KrOger, 52. Jahre alt. Parese des linken Armes nach SchlaganfalL
Badialis normal. AOZ > ASZ.
Faradische An und Ka fast gleich.
YI. Gruppe: Tabes und Lues spinalis.
Ausser den beiden Fällen mit veränderter Beaction (Schenk und C^sper]
kamen zur Beobachtung:
1. Schräder, 52 Jahre alt, mager. Arbeiter.
Nn. radiales normal. ASZ > AOZ.
2. Kaiies, 40 Jahre alt, mager. Buchhalter. Tabes incipiecs,
Badiales sehr leicht erregbar.
3. Hoffmanu, 31 Jahre alt, Beisender. Paraljsia spinalis syphiL (Erb).
Gleichfalls ganz normale Beactionen.
4. Frau Seiffert, 52 Jahre alt. Tabes incipiens.
Normale Beactionen.
5. Frau Schultz, 38 Jahre alt Lues spinalis. Mann 1692 an Dem. paral.
gestorben.
Gefflbl von Nadelstecben in Finger- nnd Zehenspitzen. Patellarreflexe nicht
ansznlösen. Beine schwach, hypotonisch.
Nach .Todkaligebrauch kehren einige Wochen später die Eniephänomene wieder,
die Parästhesieen sind geschwunden.
Diy
Google
797
N. radiftiis rechts links
Faradische Ka 80 mm B.-A. 90 mm B.-A.
»» An 70 ,, 80 ,, „
QalTanische KSZ 2,2 H.-A. 1,75 M.-A.
„ AOZ 6,0 „ 8,0 „
„ ASZ(!) 14,0 8,0 ..
N. olnaris sin. faradische Ea 110 mm B.'A.
„ An 100 „ „
galvanische ESZ 1,0 M.-A. ASZ = AOZ 4,0 M.-A.
Da ich somit unter 51 Fällen nur 3 Mal abnorme Badialisreactionen er¬
hielt, welche nach der Eigenart der Fälle nicht besonders überraschen können,
so dürfte wohl die tiefe Lage dieses Nerven nicht oder wenigstens nicht aus¬
schliesslich für die Anomalien verantwortlich zu machen sein.
Es giebt nun einen Nerven, der zweifelsohne viel schwerer zu erregen ist
als der Badialis, nämlich der Stamm des Hypoglossus, von welchem wenigstens
nach meinen Erfahrungen nur in einer kleinen Zahl von Untersuchungen eine
sichere Reaction zu erhalten ist; die faradische Exploration wird hier gestört
durch die lebhafte Gontraction des Platysma, die galvanische noch ausserdem
durch die lästigen Schluckreflexe.
Einige Male gelang es mir, eine deutliche Zungenbew^ung auf der ge¬
reizten Seite zu erhalten, gewöhnlich nur für den Inductionsstrom; dann konnte
ich stets beobachten, dass die faradische Anode nur eine unwesentlich schwächere
Wirkung entfaltete als die Kathode; einmal habe ich auch sogar galvanische
ASZ erzielen können, während AOZ nicht darzustellen war.
Also für diesen viel ungünstiger gelegenen Nerven hat die B£BNHASj>T’sche
Annahme keine Bestätigung gefunden.
Ich komme demnach zu folgenden Schlüssen:
1. Normalerweise ist der N. radialis an der Umschlagsstelle zu erregen
für beide Pole des Oefihungsinductionsstromes und ist bei galvanischer Unter¬
suchung die Vereinzelung der Anodenöffnungs- und -Schliessungszuckung möglich.
2. Stellt sich bei wiederholter Prüfung heraus, dass der Nerv auf gal¬
vanische ASZ nicht anspricht und dass für die faradische Anode gar nicht oder
erst bei sehr geringem Rollenabstande eine Reaction erzielt wird, so ist diese
Erscheinung zwar idcht für eine bestimmte Affection pathognomonisch, hat aber
den Werth einer quantitativen Erregbarkeitsherabsetzung überhaupt. In erster
Linie wird dann an eine Beeinflussung des Nerven bzw. seines Kern- oder Wurzel¬
gebietes zu denken sein.
3. TJeber die Structur der SpinalgangKenzellen.
[Eine Erwiderung.]
Von Dr. Emst Heimann.
In Nr. 13 d. Centralbl.^ unterzieht ton LenhossAk meine Arbeit: „Bei¬
trage zur Kenntniss der feineren Structur der Spinalganglienzellen“ ^ einer ein-
* Virchow'B Arch. 1898. Bd. CLII. S. 298.
Google
> Bd. XVIL S. 577.
798
gehenden Kritik. Obgleich ich mir nnn der Ehre, von einem so hervorragenden
Forscher, wie es ton LsNHOSSfiE ist, einer Erwiderung gewdrdigt in werden,
voll und ganz bewusst bin, so kann ich es doch im Interesse der Sache nicht
unterlassen, meinen Standpunkt mit einigen Worten zu präcisiren.
Was die Frage der Dauer der Snblimatfixation anbelangt, so kann ich mich
trotz der grossen Zahl von Autoren, die yon LekhobsAk gegen mich ins Treffen
fuhrt, doch nicht dazu entschliessen, das Spinalganglion eines Kaninchens läuger
als 2 Stunden in der Fizationsflussigkeit liegen zu lassen. Das ist auch für an
so kleines Object gar nicht zu wenig, wenn man bedenkt, dass ich, wie dies
auf S. 301 meiner Arbeit ausdrücklich bemerkt ist, die Fixation bei Körper¬
temperatur vor sich gehen lasse.
Wenn von IjENhosbAe behauptet, meine Zellen seien, soweit er dies nach
den Abbildungen beurtheilen konnte, ungenügend fixirt, so möchte ich ihn doch
fragen, was ist denn eigentlich eine unteifixirte, eine normalfiiirte und eine
uberfixirte Zelle. Diese Ausdrücke sind doch mindestens recht relativ zu nehmen,
da es hier zum grössten Theil auf persönliche Anschauungen ankommt, die
durch Beweise wohl kaum zu stützen sind. Die 3 Kriterien von LenhossAk's
sind doch recht willkürlich aufgestellt. Oanz abgesehen davon trifft aber sein
2. und 3. Postulat für eine normalfixirte Zelle, der geradlinige Verlauf des wirk¬
lichen Zellcontour und dessen Zusammenfallen mit der inneren Grenze des
Kapselepithels, auf meine angeblich „vollkommen vernichtete“ Zelle (Fig. 17)
schon aus dem Grunde nicht zu, weil erstens die Zellkapsel gar nicht mit ab¬
gebildet ist und zweitens bei richtiger Ausführung der NissL^scheu Färbung,
d. h. bei entsprechender Differenzirung, die den Zellcontour bildende Grund-
substanz ungefärbt L e. unsichtbar bleibt. Wären im übrigen meine Spinab
ganglien wirklich ungenügend üxirt, dann müsste ein wesentlicher Unterschied
zwischen den an der Peripherie und den im Centrum des Ganglions liegenden
Zellen vorhanden sein. Dies ist aber nun an keinem einzigen meiner Präparate
der Fall. Wenn von LenhossAk ferner bei Fig. 25 die undeutliche B^renzoog
des Kerns als einen Beweis für mangelhafte Fixation erachtet, so kann ich nur
annehmen, dass er dasselbe gethan hat, was er mir vorwirft, nämlich, dass er
ungenau gelesen hat. In der Erklärung der Abbildungen steht bei Fig. 25:
„Diese Zelle stammt von einem mit Arsenik vergifteten Thiere.“ Und dass
sich hierbei zugleich mit der Chromatolyse beim Fortschreiten der Zellalteratii'ii
die Grenzen des Kerns verwischen, dürfte allgemein bekannt sein.
Zu der Frage der Toluidinblaufarbung will ich nur ganz hirz bemerken,
dass, wenn sich das Tigroid mit vielen anderen Farben auch noch, und sogar
recht schon förbt, das Toluidinblau eben kein „Speeificum“, kein „elektives
Färbemittel“ für dasselbe ist. Wenn mir von LenhossSk supponirt, ich ur-
theilte über die Toluidinblaufarbung und zöge Vergleiche zwischen ihr und
anderen Tinctionen ohne die erstere ausgeführt zu haben, so enthalte ich mick
darüber jeden Urtheils, wenn ich auch annehmen muss, dass er vielleicht in
der Nichterwähnung meiner Versuche mit diesem Farbstoff eine Veranlassm^
zu dem Vorwurf gefunden hat Ich will d^halb ergänzend bemerken, dass
- K, Google
799
ich nicht nur Thiomn, Toluidinblaa und Methylenblau zur Färbung angewandt
habe, sondern voa dem letzteren noch versohiedene Handelsmarken; doch wäre
es natürlich eine Znmuthung für den Leser gewesen, hätte ich, anstatt das mir
als das Beste erscheinende anzuführen, die Effecte aller dieser chemisch und
hier zugleich tinctoiiell gleichwerthigen Farbstoffe neben einander aufgeführt
Ebensowenig habe ich auch die mit Magentaioth, Fuchsin und Rubin, bezw.
die mit VesuTin und Chrysoidin erhaltenen Bilder einzeln beschrieben.
Ich komme zum Punkte „Chromq)hilie.“ Trotz meiner „ziemlich umständ¬
lichen“ Beschreibung der physiologischen Zellzustände scheint die Sache immerhin
noch nicht so klar zu sein, wenigstens behauptet dies von Lenhoss^e; und
doch geht aus meiner Darstellung, die er zum Theil abgedruckt hat, klar hervor,
dass der Zustand der dunkleren Färbung der Nervenzellen als Pycnomorphie-
Nissl (bezw. Ghromophilie-FLESCH) bezeichnet wird, während die helleren Zellen
apycnomorph-NissL (bezw. chromophob-FnESCH) zu nennen sind. Dass ich mich
da auf den Standpunkt Flesob’s gestellt haben soll, leuchtet mir nicht ein.
Im Gegentheil, da ich die Nomenclatur Flbsoh’s in Parenthese habe drucken
lassen, dürfte es ziemlich klar sein, dass ich, die Nomenclatur Nissl’s benutzte.
Wenn ich also weiter von Chromophilie rede, so weiss Jedermann — besonders
da auf eine Mbere Stelle hingewiesen ist, in der dies ausdrücklich hervorgehoben
wurde —, dass es sich um die Chromophilie im Sinne Nissl’s handelt, jenen
Zustand, in dem die Zelle, tintenartig diffus gefärbt, Structureinzelheiten nicht
erkennen lässt Nachdem von LENHossfis jetzt, wie er es selbst in einer Fuss-
note angiebt, die Arbeiten Flesch’s und seiner Schülerinnen einer „erneuerten
Durchsicht“ unterzogen hat, werden wohl alle „Zweifel“ und Missverständnisse
bezüglich dieses Punktes endgültig beseitigt sein.
Das Kemgerüst ist, trotz aller Versuche von Lenhossee’s, dies zu be¬
weisen, doch nicht acidophil, denn es färbt sich mit basischen Farben, auch
ohne dass ihm durch starke Tingirung ein „Hauch von Färbung aufgezwungen“
wäre. Wäre letzteres der Fall, d. h. wäre der Schnitt überfarbt oder nicht
hinreichend differenzirt, so würde sich sicherlich die sonst imgefarbt bleibende,
zwischen den Maschen des Kemgerüsts liegende Kemsubstanz (Eemsaft) mit-
färben. In meinen sämmtlichen nach Nissl gefärbten Präparaten hat sich nun
das Kemgerüst, besonders deutlich die Areola perinucleolaris, schwach gefärbt,
der Kemsaft aber nicht; da man nun einen Zellenbestandtheil, der sich auch
mit basischen Farben färben lässt, nicht als acidophil bezeichnen kann, so dürfte
es mithin mit der specifischen Affinität des Kerngerüsts zu sauren Farben
schlecht bestellt sein. Wirklich acidophil ist nur die Kemmembran, denn die
färbt sich unter keiner Bedingung mit basischen Farben.
Zum Schlüsse kommt nun doch von LsnhossEk zu einem ähnlichen Re¬
sultat bezüglich der Frage des fibrillären Baues der Nervenzelle, wie ich in
meiner rein „technischen Mittheilung“. Lüoa£o hat also endlich das Postulat
„überzeugende Bilder im Sinne des Fibrillenbaues“ zu erhalten, mit seinen von
Arsenik-vergifteten Thieren stammenden Präparaten erfüllt. Wenn von Len-
BOSsfiK meint, ich hätte diesen LuoARO’schen Versuch nur deshalb an den
Diy
Google
800
Schluss meines Au&atzes gesetzt, weil ich selbst meiner Sache noch nicht ganz
sicher gewesen wäre, so irrt er doch. Dies sollte nicht dazu dienen, meine An¬
sicht zu stützen, sondern war ausschliesslich berechnet für die kleine Schaar der
in diesem Funkte üngläubigen, um ihnen zu zeigen, dass man, auch ohne Yon
Flbmming „suggestiv“ beeinflusst zu sein, die fibrilläre Stmctur als bestehend
anerkennen muss.
Soweit die sachliche Richtigstellung der von von LenhossAe angegriffenen
Funkte meiner Arbeit Auf den zum Theil persönlichen Ton desselben ein¬
zugehen, trage ich kein Verlangen.
11. Referate.
Anatomie.
1) Studios of the neuroglia, by F. W. Eurich. (Brain. 1897. Winter.)
Allgemeine Betrachtungen über die Keoroglia, besonders gestfitzt anf Unter-
sucbnngen mit Weigert’schor Färbung. Verf. kommt zn folgenden Schlossen:
1. Die Trenonng der Neurogliazelle ln Zellkörper und freie Fasern ist ein
letztes Stadinm in ihrer Entwickelung, und diese Entwickelung findet an versdiiedenen
Stellen in verschiedener Ausdehnung statt.
2. Nicht alle Zellen erreichen dies Stadium, sondern einige bleiben echte Astro-
cyten mit Protoplssmafortsätzen.
3. Jeder „heilende“ sklerosirende Process im Centralnervensystem ist das Werk
der Neuroglia.
4. Die Frincipien dieses immer gleichen Processes sind: a) die Zelle kehrt so
ihrem früheren Typus zurück, b) die neugebildeten Fasern folgen den Bahnen der
präexistirenden, c) die neugebildeten Qliazellen wandern nicht, d) die Fasern wacbsen
besonders nach der Richtung in der bei Zerfall der Nervensubstanz am wenigsteo
Hülfe durch Schrumpfung und Ännäherong der Oberfläche der nervösen Tbeile an¬
einander geleistet wird, e) beide Astrocytentypen können eine Sklerose hervormfen.
5. Die Neuroglia ist rein epiblastiscber Natur; enthält keine mesoblastisdien
Elemente.
6. Die Lagerang der Gliaelemente wird beim gesunden Erwachsenen durch das
Wachsthum der Nervenelemente selbst bedingt.
7. Mesoblastisches Bindegewebe nimmt an der Sklerose nicht Theil.
8. Bei der Sklerose hat jede Qliafaser ihr eigenes Oebiet. Dieses Gebiet wird
von der Zelle versorgt, in der die Faser entspringt, und jede Faser beschränkt sieb
auf ihr eigenes Gebiet. Mit anderen Worten: es giebt Glisfasersysteme sowohl bei
Gesunden wie bei Kranken. L. Bruns.
2) A method of examinlng fresh nerv oells; wlth notee oonoemlng tbeir
Btruoture and the alterations oaused in them by disease, by J. Turner.
(Brain. 1897. Winter.)
Yerf. legt dünne Stücke der Hirnrinde direct in eine 0,5 *’/o wässrige Hetbyles-
blaulösong etwa 3—12 Stunden. Dann nimmt er mit dem Messer ein möglicbst
Google
801
dönnes Stück davon, legt es auf einen Objecttrager, tropft etwas Wasser darüber,
legt ein Deckglas darauf und presst langsam das Stück, bis es dnrcbsicbtig wird.
Die Präparate halten sieb etwa 10 Tage. Sie zeigen, d ae« die Anordnung der
cbromatophilen Substanz, wie sie sieb auch bei Nissl’s Verfahren zeigt, in der
todten Zelle auch ohne alle künstliche Härtnng, speciell dorch Alkohol, vorhanden
ist Auch sonstige Veränderungen, z. B. mangelnde Blasticität der Zellen, Ver*
ändemngen in der Form, in der Anordnung der cbromatophilen Substanz bei Krank*
beiten u. s. w. kann man leicht erkennen. L. Brnns.
Experimentelle Physiologie.
3) The cerebral oapillary oiroulation, by C. Cappie. (Br^. 1898. Spring.)
Auseinandersetzungen darüber, dass die Circulation im Gehirn nicht allein vom
Druck des Herzens abhängt, und von ihm regulirt werden kann, sondern dass dabei
— bei dem wechselnden BedOrfhiss der Himsubstanz nach Blutzufuhr, von Robe
and Thätigkeit — auch von der Himmasse selbst ansgebende Kräfte mitspielen
müssen. L. Bruns.
4} Bioerohe eperimentali sui prooeeei di emboUemo infettaiite nei oentri-
nervosi e sulla geneei ctogll asoeeei oerebrali, per D. Fieschi. (Bivist
di Patolog. nerv, e ment 1898. Nr. 1.)
Verf. brachte Embolie mit Staphylokokken in die Carotis. Es gelang ihm bei
40 Tbieren, Himabscesse zu erzeugen. Die Thiere starben wenige Tage nach dem
Eingriff. Die Dora fand sich verdickt, die Himoberfläcbe hämorrhagisch oder anä¬
misch, die Ventrikelflüssigkeit vermehrt die Abscesse regellos über das ganze Hirn
mit Ausnahme des Gerebellums verstreut, von Hanfkomgrüsse bis zu solchen von
mikroskopischen Dimensionen. Am häufigsten waren die graue Substanz und die
Basalganglien betroffen.
An GoIgi-Präparaten erschien eine stmcturlose amorphe Substanz im Äbscess,
dann folgte eine Zone frei von Ganglienzellen, weiterhin die Zellen vaeuolisirt und
deformirt mit varicösen Fortsätzen. Die inmitten den Leukocyten gelegenen Nerven¬
zellen zeigten Chromatolyse nnd Läsionen der achromatischen Snbstanz.
In Folge der Kürze der Zeit, die zwischen dem Eingriff und dem Tode der
Thiere lag, fehlen an den dem Abscess benachbarten Gewebe Vorgänge reparativer
Art. Valentin.
6) Bor la Physiologie da oorps oalleaz et sur les moyens de reoherohe
poar rdtade de la fonotion des ganglions de la base, par D. Lo Monaco.
(Arch. Ital. de Biologie. Tome KXVIl.)
Verf. hat nach der doppelten Unterbindung des Sinns longitudinalis superior
and nach der Dorchschneidnng der Falx cerebri keine Störungen auftreten seben.
Bei der nnnmehr voigenommenen elektrischen Reizung des Corpns callosnm zeigte
sich kein motorischer Effect; ebensowenig wurde nach Längsdnrchschneidnng des
Balkens irgend welche Störung der Motilität oder Sensibilität bemerkt. Verf. erwähnt
dann, d ass man sich anf diesem Wege — Unterbindung des Sin. longitud. snp.,
Durchschneidnng der Falz, Spaltung des Balkens — die Basalganglien, nnd zwar
zunächst den Thalamns optiens, in zweckmässiger Weise zugänglich machen könne.
Kaplan (Herzbeige).
51
Google
802
Pathologische Anatomie.
6) Ueber die Bedeutang dee Balkenmangele Im mensohllohen Grosshirn,
voD Dr. H. Zingerle, Assistent der Klinih fOr Nerven- and Geisteskranke in
Gru. (Archiv f. Psycb. n. Nervenkrankh. Bd. XIX. 1898.)
Ein SViJ&hriger Knabe, der geistig znr&ekgeblieben war, an engliscber Krank¬
heit und epileptischen AnfSllen litt, kam wegen Znnahme der Kräfte ins Spital und
verstarb an demselben Tage im Coma. Bei der Section fand sich ein dnrch Ver¬
knöcherung geheilter Knochenspruog im linken Scheitelbein. Unter der Dora lag
ein Exsudat, welches die linke Hemisphäre comprimirte. Der linke Stimlappen war
grosser als der rechte, der linke Schläfenlappen verschmälert, der linke Occipital-
lappen abgestutzt. Der Balken reichte in diesem Gehirn nur bis in die Gegend des
Pusses der S^niwindung, war auch dort dOnn und schmal, im flbrigen Bereich dtf
Balkenstelle lagen die Kammerhohlen offen zu Tage. Die Kammern waren mächtig
erweitert, links mehr als rechts. Das Ependjm war granulirt, neben allgMiein
diffuser Verdickung war dasselbe von erhabenen KnOtchen besetzt, im linken Hinter-
hom bildeten verOechtende Narbenzflge eine netzförmige Zeichnung. Von der medialen
Seite gesehen lag das linke Seitenhom und der grösste Tbeil des linken Hinterhona
in Form einer langgestreckten seichten Grube völlig geöffnet zu Tage. Am Grund
dieser Grube sprangen Thalamus opticus und Nucleus caudatns unbedeckt hervor.
Die mediale Wand des mächtig nach oben und hinten erweiterten Hinterhoms fehlte
nahezu vollkommen, seine hintere Begreniang bildete ein breiter Bandwulst, der vou
unten her unmittelbar aus dem Gyrus hippocampi sich fortsetsend nach aufwärts und
vorwärts umbog und dabei die obere Begrenzung des Seitenventrikels darstellte. Das
linke Balkenknie war sehr dflnn, das Septum pellucidum fehlte, der linke auf-
steigende Fomixschenkel war unaasgebildet An Stelle der linken Fimbria fand sieb
eine bindewebige Membran. Der FomixkOrper fehlte vollständig, die vordere Com-
missnr war wohl entwickelt, die mittlere dflnn, die hintere erWten. Bechts war
das Balkenknie mit seinem dflnnen absteigenden Theile vorhanden, setzte sich nach
rflekwärts fort in eine dflnne nach aufwärts geschlagene Faserplatte, die mch dann
verlor, das Spleninm corporis eallosi fehlte vollständig. Der rechte Fomix war ent¬
wickelt die Zirbeldrüse war nicht aufzufinden. An beiden Hemisphären wmrden
allerlei Windangsanomalieen, auch radiärer Furchungstypns constatirt, links im
höheren Grade als rechts. Auf allen Durchschnitten ma^te sich endlich ein auf¬
fallendes Hissverbältniss zwischen der weissen Harkmasse und dem Bindengrau za
Gunsten des letzteren bemerkbar.
Verf. bat das Gehirn, namentlich die hintere Hemisphäre, eingehend mikro¬
skopisch nntersucht und dabei allerlei anatomische Details aufgefundeo, die der Arbeit
besonderen Werth verleiben.
Er erklärt sich den partiellen Balkendefect im vorliegenden Falle so, da» ein
Trauma auf der linken Seite des Schädels eine Fractur und eine meningeale Blntnng
hervorgerofen habe. Hierdorch ist es zu stärkeren entzflndlicben Erscheinungen und
zu stärkerem Hydrocephalus internus in der linken Hemisphäre gekommen. Der
acute Hydrocephalus hat Erweichungen und Druckatrophie in den umgebenden Gehim-
fasermassen bewirkt und hat den Balken und den Fornix theilweise zerstört. Die
Schädigung setzte in einem Zeitpunkt ein, in dem der Ausbau des Balkens in seien
Hauptzflgen bereits beendet und auch die hinteren Balkentbeile sebon gebildet
waren. In Folge der Continuitätsunterbrechung sind die Fasern des Balkens in
beide Hemisphären hineindegenerirt. Der radiäre Furchungstypus spricht dafflr, dass
das Trauma noch während des intrauterinen Wachsthums stottgefunden hat
G. Ilberg (Sonnenstein).
i: Google
803
Pathologie des NerTensystems.
7) Ueber den EhnfloBB des Tropenkllmas auf das NervenByetem, von
Chr. Easch (Soraa). (Allgem. Zeitachr. f. Psjch. Bd. LIV. 8.746.)
Der Verf. hatte Gelegenheit in Siam den Einfioss dee Tropenklimas anf das
Nerreneystem au studiren; das augenfiUligste Symptom ist die mehr oder minder
hartnicldge and andaaemde Schlaflosigkeit (die „topische Agrypnie" Dänbler’s).
Daran schliesst sich Erschlaffung, geistige Indifferenz, Abnahme der Widerstands-
fthigkeit gegen Krankheiten, Unlust za körperlicher und geistiger Anstrengung, Yer*
lost an geistiger Elasticit&t, Einbasse an Enetgie, Empfindlichkeit gegen kleine
Leiden, fortschreitende Abstompfong der geistigen Fähigkeiten, Gedächtnissabnahme,
Aofregang and Depression, Steigerung der gemfithlichen Erregbarkeit, Reizbarkeit
bis zu der brotalsten Explosivität Bei den zor Ulastration beigeffigten 10 Kranken-
geBchichten ist leider die Krankheit oft nicht bis znm Ende beobachtet oder die
Anamnese Ifickenhaft was fibrigens nicht dem Verf. zur Last fällt, and so eine
definitive Entscheidang der Frage, ob es sich nicht in einzelnen Fällen um Paralysen
handelt, nicht möglich. Bei einigen Psychosen spielt der Alkoholconsam ein wichtige
Bolle. Wenn aber auch nicht fQr alle Fälle der Caasalzosammenhang zwischen
Psychose and Tropenklima ein ganz sicherer ist, scheint doch des Verf.’s Warnung
berechtigt: Personen, die zo Nervenkrankheiten disponirt sind, oder an einer solchen,
besonders aoch an Epilepsie leiden, sollten nicht in die Tropen gehen.
Unter den sonstigen Tropenkrankheiten ist die bäafigste nnd verderblichste die
Malaria, die kaom einer ohne daoemde Schädigung fiberstehe. Erwähnenswertb ist
aacb der Oinchonismos- oder Chininrausch, der bei acuter Chininve^^ung vorkommt
0. Aschaffenburg (Heidelberg).
8) Ueber Herderkrankungen des Gehirns, welche vom Patienten selbst
nicht wahrgenommen werden, vou Proh Dr. Q. Anton. Nach einem Vor¬
trage, gehalten im Verein der Aerzte in Steiermark am 20. December 1897.
(Wiener klin. Wochensehr. 1898. Nr. 10.)
Verf. spricht von solchen Herderkrankungen, welche zwar der ärztlichen Unter-
suchong nachweisbar sind, dem Pat. aber latent bleiben oder von ihm wenig beachtet
werden.
Hierher gehört der halbseitige Verlust der Muskelempfindnngen mit oder
ohne Lähmung. Solche Kranke nehmen wenig Notiz von der Lähmung, versuchen
zu gehen und stürzen zusammen und wiederholen in kurzer Zeit denselben Versuch.
Häufig sind sie auch halbseitig blind und taub nnd empfangen dann von dieser
Körperseite keine Empfindungen, können daher auch die Vorstellungen verlieren, die
sich auf dieselbe beziehen. Im Verlaufe der Hysterie können ähnliche Gefflhls-
Störungen Vorkommen.
In obigem Vereine hat Verf. (1896, Nr. 3 der Mittheilungen) eine Kranke vor¬
gestellt, bei der die optische Wahrnehmung der Aussenwelt aufgehoben war,
ohne dass sich die Pat. ihrer vollständigen Erblindung bewusst war; sie „war ge-
wissermaassen seelenblind ffir ihre Blindheit.“ Bei der Obduction fanden sich beider¬
seits Erweichongaherde an der Convezität des Occipitallappens bis in die centralen
Sehstrahlungen hinein. Die Fissnra calcarina, das Sehcentrum, war intact, aber auch
hier waren die centralen Sehbahnen secundär degenerirt
Aehnlicbes kommt in dem acnstischen Systeme vor. Es giebt Aphasieen,
welche von dem Kranken nicht empfunden werden und nicht richtig beortheilt werden
können.
Zwei solche Fälle von unbewusster Taubheit theilt Verf. mit:
61*
- vGoogIc
904
I. 64j&hr. HaDQ; vor 10 Jahren schwere Kopfverletzung. Seither vollkommen
taub fOr äussere Sehallreize, ohne davon eine Selbetwahmehmnng zu haben. Fragen
lässt er unberücksichtigt und erwartet selbst nie eine Antwort Auf Geberdensprache
reagirt er lebhaft Er leidet an Gehürshallucinationen. Sein sprachliches Ausdrucks¬
vermögen ist etwas primitiv (fasst einscbliesslicher Gebrauch von Infinitiven); ab«
er wählt für seine Gedanken und Wahnideeen die richtigen Worte und benennt vor¬
gezeigte Gegenstände richt^. Negativer Ohrbefund. Es dürfte sieh damals om eine
beiderseitige Verletzung des Schläfelappens gebandelt haben, mit theilweiser Heilung
der Gehimstömng in den letzten 10 Jahren, da zum Unterschiede von allen bisher
mitgetheilten Fällen Worttaubheit und Wortverwechslung (sensorische Aphasie) fehlte.
Solche SprachstÖrui^ett sind eben nicht stationär, sondern einer bedeutenden Besse¬
rung &big.
II. 69jährige Sennerin; zeigt nicht die mindeste Beaction auf acnstische Reize.
Auch durch Knocbenleitung keine Schallempfindung ausznlösen. Wortverwechselnng,
grammatikalisch unrichtige Wortfügung; für Gesichts-, 'fast- und Eörperempfindnngen
hatte sie meist die richtige Bezeichnung. G^en ihren Defect blieb sie psychisch
indifferent. Tod an Bronchitis. Section: Erweichongsherd in der ersten und zum
Theil der zweiten Schläfenwindung bis zur unteren Occipitalwindung beiderseits fast
symmetrisch. Die Leitnngsbahnen zu diesen beiden Schläfewindungen und besonders
die Faserstrahlen vom Schläfelappen zum Hirnschenkel (centrale Hörstrahlen) sind
d^enerirt, ebenso die Bahnen zum Thalamus opticus. Fascicnl. long. inf. ver¬
schmälert, das Tapetum zum Theil entartet, das Corp. genic. int. beiderseits atrophirt.
Es war also die Verbindung des Scbläfehims mit den Acusticuskemen, mit
anderen Theilen des Grosshims und die der beiden Schläfelappen untereinander auf¬
gehoben.
Damit ist die Taubheit und die Aphasie erklärt. Der Mangel des Bewusstseins
für diese schweren Functionsstörnngen, ohne dass ein genügender Grad von Blödsinn
vorhanden wäre, hat noch keine befriedigende Erklärung gefunden.
J. Sorgo (Wien).
0) L’dvolution du langage, oonaiddree au point de vue de l’ätnde de
raphasle, par P. Mario. (La presse mödicale. 1897. 29. Dec.)
Verf. giebt in seinem geistreichen Aufsatze zunächst einen kurzen Deberblick
über die Entwickelung der Sprache und der Schrift. Die erstere habe sich aus
einer „natürlichen*' Sprache (welche auch den Tbieren zu eigen sei), deren Oiaprong
wahrscheinlich die Onomatopoetica darstellen, langsam zu ihrer jetzigen Differenzirt-
heit entwickelt Die Schrift — Verf. weist ausführlich auf die Uierc^lyphen hin —
hat sich aus einer erst rein symbolischen Bilderschrift („Ideogramme“) auf eigen-
thflmlichem Wege zu einer phonetischen, alphabetischen entwickelt.
Während der Gebrauch der Sprache uralt sei, jedem Individuum in der Anlage
zu eigen sei, sei der der Schrift relativ jungen Datums. Bis vor relativ wenigen
Generationen sei an sich die Schrift vielfach fast ausschliesslich Eigenthum einer um¬
schriebenen Kaste Gebildeter (Geistlichkeit, Adel) gewesen. Es sei nicht wahrscheinlich
anzunehmen, dass in den wenigen Generationen, seit denen die Schrift mehr All¬
gemeingut geworden sei, sich ein besonderes Centrum für sie im Gehirn ansgebildet
habe. Während es also ein jedem Individuum angeborenes „präformirtes** Sprach-
centrum gebe, handele es sich bei der Schrift nicht um ein specielles Centrum für
dieselbe, sondern nur um „adaptirte“ Centren, die ihre sonstigen Functionen (Sehen,
Bewegung der Glieder u. s. w.) zu derjenigen des Schreibens zusammentr^en.
Beim Schreiben macht man 2 Acte durch:
1. Vorstellung der die Worte zusammensetzenden Laote und Umsetzung der¬
selben in bestimmte graphische Zeichen;
■' , Google
805
2. Niederschrift dieser graphischen Zeichen.
Der erste dieser Acte steht mit unter der Abhängigkeit des Sprachcentmms, der
zweite voUzieht sich unter Mitwirkung psychomotorischer Centren. Die Agraphie bei
der motorischen Aphasie wird Stömngen des phonetischen Elements der inneren
Sprache znznschreiben sein, während diejenige bei der sensorischen Aphasie vom
Verlast der optischen BnchstabenTorstellangen herrflhren wird.
Wieso existire non aber eine sensorische Aphasie mit mehr oder weniger voll¬
ständiger Wortblindheit ohne Agraphie? („subcorticale Alexie“, „reine Wortblindheit“
Dejerine).
Verf. hält fflr die einfachste Erklärung die folgende:
Es gäbe Leute, die wenig, und solche, die viel schreiben.
Bei ungebildeten Leuten, welche selten und nur mähsam schreiben, geschehe
das Schreiben stets nur unter vorheriger Vermittelung optischer Buchstabenvorstellungen;
sie „buchstabiren mit den Augen“. Beim Verlust des optischen Erinnerungsbildes
der Buchstaben werden sie daher un&hig zu schreiben.
Bei Gebildeten, welche häufig und viel geschrieben haben, geschieht der ganze
Vorgang des Schreibens viel mechanischer: In Folge der langen Uebnng ist der
Umweg über die Buchstabenbilder langsam gänzlich fiberfiOssig geworden, fällt weg;
die Verbindung zwischen Wortklangbild und motorischem Acte ist eine directe: „die
Band flbersetzt die durch die innere Sprache gelieferten Laute direct in graphische
Zeichen.“ (Verf. beruft sich auf vielfache Analogieen im t^lichen Leben, bei
welchen die Einübung einer Handlung das anfai^ nothwendige Dazwischentreten
optischer Vorstellungen langsam überflüssig mache.)
Damit stimme es völlig überein, dass von zwei sensorischen Aphatikem mit Alexie
durch Wortblindheit der eine, welcher ein einfacher Feldarbeiter war, agraphisch
war, während der andere, ein professioneller Notarsschreiber, die Fähigkeit des
Schreibens trotz des Verlustes seiner optischen Erinnerungsbilder nicht ein-
gebüsst hatte.
Verf. betont nochmals die (Jeberflüssigkeit eines besonderen Schreibcentrnms und
wendet sich energisch gegen die übermässige Localisationssucht, welche in der
Aphasiefrage Usus sei. Paul Cohn (Berlin).
10) A caae of word — withoat letter — bUndness, bj James Hinshel-
wood. (Lancet. 1898. Feb. 12.)
Ein öSjähr. Hann zeigte 6 Wochen nach einem apoplectischen Insult (mit Con-
vulsionen) folgendes Bild: Sehschärfe 7s* Augenhintergrund normal. Buchstaben
werden fliessend gelesen, hingegen vermag Pat. Worte nur dann zu lesen, wenn er
naühsam und langsam Buchstaben für Buchstaben laut aussprichi Nur ganz kurze
und gewöhnliche Worte (wie z. B. of. to, the) vermochte er ohne solches Buch-
stabiren zu lesen. Die Qrösse der Lettern war einflusslos: die kleinsten Lettern
wurden einzeln richtig gelesen, Worte auch in grossem Druck nicht. Geschriebene
Worte wurden ebensowenig gelesen wie gedruckte. Zahlen wurden rasch und fliessend
gelesen, und zwar anch vielstellige Zahlen und Brüche. Dictatschreiben und Ab¬
schreiben war normal, obwohl Pat. die von ihm selbst geschriebenen Worte nicht
lesen konnte. Sprachföhigkeit im Uebrigen intact, nur soll das Gedächniss für
Personennamen seit dem Anfalle abgenommen haben. Gesichtsfeld für Weiss und
Farben normal. Aetiologisch kam namentlich Atheromatose in Betracht. Später
entwickelte sich eine rechtsseitige Hemiplegie und motorische Aphasie. Ein Sections-
befund liegt nicht vor. Verf. nimmt eine thrombotische Erweichung an, welche sich
anfangs auf das Centrum der optischen Wortbilder beschränkte.
Die Litteratur enthält nur zwei ebenso reine Fälle von Wortblindheit ohne
Bnchstabenblindheit (Bornett, Arch. of OphthalmoL 1890 und Hlerzejewski,
Google
806
September*SitzTing der Petersburger psychiatr. Gesellecliaft 1890). l^en aoalogea
Fall hat Schweigger schon 1876 mi^etheilt (Gr&fe’s Arch. Bd. XXll.)
Verf. schlieast aas seinem und diesen F&Uen, dass die Cenbren der optischen
Wortbilder, der optischen Bnchstabenbilder and der optischen 2^hlenbilder sich nicht
decken, sondern in der Binde nebeneinander liegen. Th. Ziehen.
11) Angeborene psyohisohe Taubheit, von Alb. Liebmann. (AUgem. med.
Centralzeitnng. 1898. Kr. 31.)
Die angeborene psychische Taubheit gehört za den Sprachstörungen, welche
man unter dem Namen „Hörstammheit'* zusammenfasst Es besteht trotz aus¬
reichenden Gehörs und genOgender Intelligenz ein Man^l der Sprache. Verf. unter¬
scheidet:
1. rein motorische Fälle, bei denen die Sprachorgane zu ungeschickt sind, am
die richtig gehörten Worte nacbzubilden. Die Prognose dieser Fälle ist eine gate.
Kur besteht stets die Gefahr des geistigen Zurückbleibens, sowie des Stotterns und
Stammelns;
2. die motorisch-sensorischen Fälle, bei denen das SprachTerständniss nur für
einzelne Worte, nicht für ganze Sätze ausreicht;
3. die sensorischen Fälle, bei denen ein Verständniss auch fllr die einzelnen
gehörten Worte völlig fehlt. Solche Kinder lallen die Worte in Terstflmmelter Form
nach, ohne sie zu versteben.
Verf. berichtet über einen zu der letzten Gruppe gehörigen Fall, bei welchem
der Hauptdefect in der acustiscben Sphäre liegt, während optische, tactUe und
motorische Fähigkeiten Terhältnissmässig got entwickelt sind. Fat. reagirt auf leise
Geräusche, kann aber völlig differente Geräusche nicht unterscheiden. Bs handelt
sich also nicht um Herabsetzung des Gehörs, sondern um eine rein psychische Taub¬
heit, deren Grand Verf. in der hochgradigen Unaufmerksamkeit und dem mangel¬
haften Gedächtniss des Patienten sieht. Die Behandlung beruhte auf Uebangen,
welche eine Aasbildung der acustiscben, motorischen und optischen Sphäre bezweckten
und brachte den Knaben so weit, dass er mit Erfolg das Gymnasium besachen
konnte. Kart Mendel.
13) I. StiohTerletaang der linken Henüsphftre von der rechten Orbita aus.
Complete Hemiplegie und Aphasie. Heilung. — II. Intraoranielle
Blutung nach suboutaner BohädelAraotur der linken Sohläfengegend.
Ezspeotatiye Behandlung. Heilung, von E. Martin. (Allgemeiner ärzt¬
licher Verein in Köln. Sitzung vom 24. B(ai 1897.) (Deutsche med. Wochen¬
schrift. 1897. Nr. 31.)
I. Ein lOjähr. Knabe wurde bewusst- and bewegungslos in das Spital gebradit:
der Deberbringer fand den Jungen auf der Strasse liegend und batte ihm einen
„tief im Kopf steckenden“ Eisenstab aus der rechten Orbita gez<^ea, in welchen der
Knabe beim Spielen hineingefallen war. Kleine Sticfawande am rechten oberen Lid,
starker Shok, kleiner und unregelmässiger Puls, mehrfaches Erbrechen. Becbtsseitige
Hemiplegie. 4 Standen nach dem Traama temporäre Sohädelresection an der rechten
Stirn dicht über dem Orbitalrand, Hantperiostknochenlappen mit äusserer Basis; In-
cision der stark gespannten Dora, kein Bluterguss sichtbar, Naht der Dura. Nach
Ablösung des Feriosts von der oberen Orbitalwand finden sich oben innen in der
Tiefe Knochensplitter und Hirnmasse; Extraction, Jodoformgazetampon, Reposition
des Schädellappens. Da die schweren Allgemeinsymptome anhalten, die Temperatur
steigt, Eiter an dem Orbitaltaropon sichtbar ist, wird 2 Tage später die Fractorstelle
von der Orbita ans unter Opferung des Auges breit freigel^t Tamponade. Die
Dig 'v7C(i
Google
807
AUgM&einsympfaome scbniodeD, die lechtBseUige Bamiplegie und Apbaaie bleiben 2 a-
nächst bestehen and bessern sieh erst ganz allmählich, Jahr nach der Verletznng
ist die Sprache fast normal, die Gesicbtsmuskolatar fonctionirt asnäbemd gut, da¬
gegen besteht noch totale Paralyse der rechten yorderannmuskalatnr upd Parese der
rechten Unterscheokelmaskeln mit Contractur und Beflexsteigernng. Yerf. glaubt,
dass der Stab zunächst das rechte Stimhim getroffen hat, dann quer in das linke
Grosshim gedrungen ist and hier die innere Kapsel verletzt hat.
U. Pat. wurde nach der Yerletznng fbr knrze Zeit bewusstlos, legte dann
einen grossen Weg zu Fuss zarflck, will aber sogleich nicht gut haben sprechen
können. Am 2. Tage Zunahme der Drucksymptome, am 3. Puls 42, Schläfrigkeit,
Yorfibergehend complete Aphasie, Parese des rechten Facialis and Hypoglossas, ein¬
mal leichte Zuckungen im rechten Arme. — Die Pulsverlanpamung blieb noch
einige Tage bestehen, die anderen Symptome schwanden bald, Pat wurde in der
4. Woche geheilt entlassen. Anfangsdt^ose: Blatui^ aus der Meningea media,
spätere: intradnrale Blutung, event mit leichter Bindenläsion. In derartigen Fällen
darf man bei genauer klinischer Beobachtung exspectativ verfahren.
In der Discnssion betont Leichtenstern die Schwierigkeit einer sicheren Dia¬
gnose der Himsinusthrombosen. Die Cavemosusthrombose ist noch am ehesten dia-
gnosticirbar, meist folgt sie einer primären Transversusthrombose. Diese letztere ist
die häufigste Himsinusthrombose und nur selten sicher zu erkennen, da die ver¬
schiedenen directen Zeichen leider nur selten ausgeprägt sind.
B. Pfeiffer (Cassel).
13) Bin Beiktag stur Fathologia des oortioalen Hövoentmnu, von Dr. Fer¬
dinand Alt (Uonatssohr. t Ohrenbeilk. XXXIII. Nr. 1.)
Für die Lehre vom corticalen Hörcentmm sind klinisch beobachtete und patho¬
logisch-anatomisch untersnchte Fälle um so mehr von grosser Bedeutung, als die
Zahl letzterer, welche einwandsfrei sind, nur gering ist Namentlich mangelt es ^pn
einer genauen Gehörsprfifung. Die meisten Autoren verlegen die HOrsphäre in den
hinteren Theil der ersten Schläfenwindung oder in die hinteren Vs oi^ten und
zweiten Schläfenwindung, das vorliegende Material fflr diese Folgerung theil Verf.
mit Berechtigt ist die Annahme, dass die erste Schläfenwindung einer jeden Seite
zu dem Gehörorgan der anderen Seite in Beziehung steht, and dass jeder Gehörnerv
mit beiden Schläfenlappen in Yerbindnng steht. Während die Stellung von Local¬
diagnosen des rechten Schläfenlappens kaum m^^lich ist, ist bei dem linken Schläfen¬
lappen durch dessen Beziehungen zum Sprachcentrum eine solche erleichtert
Verf. tbeilt folgenden Fall mit:
SSjähriger Mann, Alkoholiker, vor 3 Jahren Ulcus dumm, erwacht eines Tages
mit rechtsseitiger Eörperlähmuug, Sprachverlust, rechtsseitiger Taubheit Schwindel,
Sausen im rechten Ohr, Ausfall des Gedächtnisses, allmähliche Besserung, doch be¬
stand nach 3 Jahren folgendes: Psyche insofern alterirt, als er sehr leicht in heitere
Stimmung gerätb. Sprache motorisch intact, ebenso Naohsprechen; ansgesprocheue
amnestische Aphasie. Erhebliche Gedächtnissschwäche. SchreibprQfung wegen Läh¬
mung nnansfQhrbar. Gehörsnerven intact, nur Parese des rechten nnteren Facialis.
Totale Taubheit des rechten Obres. Motorische Parese der rechten Seite mit gerii^er
Herabeetzni^ für taotile Sensibilität Das Zusammentreffen von amnestischer Aphasie,
rechtsseitiger Hemiplegie und rechtsseitiger (also gekremter) Taubheit lässt sich
leicht durch einen Krankheitsherd, im vorliegenden Falle wohl eine auf luetischer
Endarteriitis berahende Erweicbong, des linken Schläfeniappens erklären, wobei der
Herd gegen die Binde, als auch gegen die Tiefe vorgedrungen ist.
Samnel (Stettin).
Dig i'/od c/ Google
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14) Ua oas de sordlt^ yerbale pure terminöe per aphesie eensorlelle
suiyi d'autopsie, par J. Dejerine et Paul S^rieuz. (Revue de Peychia^e.
1898. Jauvier.)
ünter obiger Bezeichnung verstehen die Yerff. eine Sprachstörung mit folgenden
Symptomen: Verlust des Verständnisses der gesprochenen Worte, Unm^Uchheit,
Worte zu wiederholen und nach Dictat zn schreiben, die Sprachstörung ist dieselbe,
welche nach Lichtheim als surditO verbale sous-corticale bezeichnet wird. Bedingui^
fQr die reinen Fälle ist, dass das periphere und centrale (Labyrinth) QehOrorgan in-
tact sind, deshalb sind nur sehr wenige (4) Fälle beobachtet, von welchen nur einer
(Pick) zur Section kam.
Der Fall betrifft eine Frau, welche 5 Jahre lang folgende Symptome zeigte:
Taubheit fOr Sprache und Musik, Spontansprechen intact, Verlust der Fähigkeit,
nachzusprechen. Spontanschreiben und Abschreiben normal, Dictateohreiben fehl^
Verständniss fflr Gelesenes und Lantlesen normal, innere Sprache erhalten, dann or-
folgte der Uebeigang in sensorische Aphasie, rechts seit langer Zeit in Folge von
Otitis media taub, verlor die Patientin auch links das Gehör. Die Intelligenz schwand.
Mach 3 Jahren starb die Kranke im 65. Jahre. Die Autopsie ergab: Beide Temporal¬
lappen en masse atrophisch. Die Atrophie ist symmetrisch und verkleinert jeden
Lappen um die Hälfte, sie zeigen au^esprochene Mikrogyrie, die Insel freL
Die Temporalwindnngen haben ihre Form erhalten, sind aber um die Hälfte ver¬
kleinert. Die Binde der atrophischen Theile fflhlt sich härter an, die Pia ist etwas
adhärent. Alle übrigen Gehimtheile sind intact Härtung in Hüller’scher Flüssig¬
keit. Stücke der Temporalriode wurden nach Pal nnd mit Carmin gefärbt Die
erkrankten Windungen zeigen ausschliesslich eine Läsion der Zellen, der Process
nimmt von der Peripherie zn den centralen Tbeilen der Binde ab. Die Tangential-
fasem sind verschwunden, ilervenzellen fehlen, während die Meurogli^Uen und
Kerne an Zahl vermehrt sind. Die kleinen Pyramidenzellen sind fast verschwunden,
die grossen PyramidenzeUen sind zwar weniger betroffen, aber spärlicher als norinaL
Die Gefässwände sind verdickt, ebenso die Pia. Die radiären Fasern sind weniger
zahlreich, ebenso die kurzen Associationsfasem.
Herdersoheinangen fehlten, die Projectionsfasem des Temporallappens waren an
Zahl bemerkenswerth vermindert Das Türk’sche Bündel enthielt viel weniger Fasern
als normal
• Vorbehaltlich einer ausführlicheren Veröffentlichung, glauben die Verff. zu fol¬
genden Schlüssen berechtigt zu sein.
Die reine Worttaubheit ist eine ausschliesslich coiücale Affection, in vorliegmidem
Falle eine Zellenerkrankung (PoUoencephalitis chronica). Der Fall zeigt wie der
von Pick, dass der Worttaubheit eine doppelseitige Läsion der Temporalr^on zn
Grunde liegt <ldm corticalen GehOrcentnun. Dabei handelt es sich um eine func-
tionelle Schwäche des GehOrcentmms im Ganzen, nicht um eine Trennung des letzteren
vom HOrcentrum der Worte. Diese Ansicht wiiil gestärkt durch die Thatsache, dass
das Gehör bei der Patientin lange Zeit intact war und erst dann sich allmählich
verschlechterte. Eine bemerkenswertbe Eigenthfimlichkeit des Falles ist dass lange
Zeit reine Worttaubheit bestand und ganz allmählich diese in sensorische Aphasie
überging.
Da erwiesen ist, dass die Intensität des corticalen Krankheitsprooesses im Tem¬
porallappen von vom nach hinten abnahm, ist es leicht zu verstehen, dass das sen¬
sorische Sprachcentmm, welches im hinteren Theil des linken Sprachcentrums gelegen
ist später beschäd^t wurde, als das HOrcentrum, welches weiter nach vom gelegen
ist Samuel (Strttin).
Google
809
15) Obergataohten über die Zurerlfteaigkelt der Angaben eineb Aphaeisohen
über die Vorgftnge bei der e^er Aphasie su Qrunde liegenden Sohädel-
verletanng (Baubmordversnoh), toq Tb. Ziehen. (Vierteljabrsschr. f. ge-
ricbtl. Ued. n. OffentL Sanit&tsw. XIV.)
Nach Kopfrerletznng kommen 3 Formen der Gedächtnissstörung vor:
1. allgemeine Gedäcbtnissschwäche (Intelligenzdefect),
2. Amnesie (anf sogen. Hemmangsvorgängen bemhend),
3. Verlost einzelner Groppen von Erinnerongsbildem 0>Seelenblindbeit‘' o. s. w.,
aof der örtlichen Zerstörung an der Himoberfl&cbe beruhend)
In dem vom Verf. begutachteten Falle handelt es sich um Amnesie. Dieselbe
hat sich zwar allmählich zorflckgebildet, ist jedoch zur Zeit der Begutachtung noch
nicht völlig geschwunden. In Folge dessen siud Verwechselungen in Bezug auf
Reihenfolge, Zeit und Ort der B^benheiten, sowie auf Personen und Sachen der
Erlebnisse sehr wohl möglich. Diejenigen Aussagen aber, welche dank der schon
stattgehabten BQckbildnng der Amnesie ftber den ünfall selbst gemacht werden, sind
bis auf eine Einschränkung völlig zuverlässig. Mit dem durch die Oberfl^hen-
verletzung des Gehirns bedingten Sprachverlost häi^ nämlich eine deutliche Schädigung
der Zablenvorstellungen zusammen, so dass anf sämmtliche Zahlenangaben des Be¬
gutachteten nichts zu geben ist. Kort Mendel.
16) Zur Caauistik der doppelseitigen bomonymen Hemianopsie, von Prof.
Dr. W. Hanz, Geh. Hed.-BaÜi, Freibarg. (Archiv f. Augenheilk. 6d. XXYVI.)
Bei den Fällen von doppelseitiger Hemianopsie smd zwei Erscheinungen auf¬
gefallen, nämlich das bei vollständiger Erblindung beider seitlichen Regionen des
Gesichtsfeldes erhaltene kleine centrale Gesichtsfeld und der Verlust der Orientirung
im Baum. Letzteren Ausfall hat man g^laubt, von ersterem abhängig machen zu
mOssen, allerdings nicht ohne dass man auch auf dem widersprechende Thatsachen
gestossen ist Auch das erhaltene kleine Gesichtsfeld bat verschiedene Erklärungen
gefunden, von welchen zwei Anerkennung gefunden haben: 1. die Doppelversorgung
der Macula lutea durch Sehnervenfasem, welche ans beiden Hemisphären stammen
(Wilbrand) und 2. eine besondere und besonders gfinstige Gefässversorgung des
jener Netzhautpartie entsprechenden Bezirks des corticalen Sehcentrums im Hinter¬
hauptslappen.
Verf. vermehrt die Casuistik um folgenden Fall:
65jäbr. ICann, sonst gesund, etwas Potator, bemerkte vor 3 Jahren, dass er
anf der rechten Seite nichts mehr sab, vor 1 Jahr konnte er auch nach links und
unten nichts mehr sehen, hat zugleich hin und wieder kurz dauernde Schwäche-
an fälle in der rechten Hand, wurde sehr vergesslich. Die Augenuntersuchung ergab
bei sonst normalem Befunde hochgradige Einengung des Gesichtsfeldes, rechts und
links fast gleich in Grösse, Form und topographischer Lagerung. In beiden Gesichts¬
feldern ist der Fixirpunkt erhalten, das erbetene Gesichtsfeld gehört grösstentheils
dem rechten oberen Quadranten an.
An der Herzspitze leises systolisches Geräusch. Nervensystem im übrigen intact.
Kurz nach seiner Entlassung aus der Klinik trat eine au^allende Besserung
des Sehvermögens ein, die 2 Tage anhielt, mehrere Wochen zunehmende körperliche
und geistige Schwäche, Lähmung des rechten Armes, später des rechten Beines, un¬
willkürliche Zuckungen der linken Extremitäten.
Autopsie nicht gestattet.
Da dieser Fall bereits 1 Jahr vorher wissenschaftlich bearbeitet war, lässt sich
iei* Zustand des Pat. durch längere Zeit verfolgen. Derselbe blieb sich lange Zeit
gleich, ein Verlust des Orientirongsvermögens oder die sogen. Seelenblindheit war
licht nachzuweisen. Das Gesichtsfeld aber hatte sich etwas vergrössert, was schon
Google
810
anderweitig beobachtet wurde. Stdmngen des Farbeneinna beetanden nicbt Yerf.
fflbrt ans, warom der vorliegende Fall als doppelseitige homonyme Henuanopöe anf-
zofaasen ist und als Ursache eines Krankheitsherdes im Sehcentmm des Hinterbaapts*
lappens anznnehmen ist. Die Zerstdrong musste nicht gerade beiderseits dieeelbe
Stelle getroffen haben, jedenfalls muss wen^tens auf einer Seite die der Macula
lutea in den Netzhäuten entsprechende Partie von der Zerstörung frei geblieben sein.
Vielleicht, wenn auch nicht wahrscheinlich, war dies auf beiden Seiten der FalL
Auffallend bleibt, das weitmre Herderscheinui^en, die gewöhnlich mit Hemismopsie
verbunden sind, gefehlt haben. Die Schwäche der rechten Hand, welcher sich später
eine solche des rechten Fusses zugesellte, lassen annehmen, dass die D^enention
nach der Capsula interna zu sich ausbreitei
Pathologisch lagen wohl Geftssthrombosen vor. Samuel (Stettin).
17) Die Phänomene der Oehlmoompression, von Prof. Dr. Adamkiewicz in
Wien. (Wier med. Wochenschr. 1897. Nr. 48—51.)
Uebersichtliche Zusammenstellung der am Bewegungsapparate des KOrpers und
der Augen nach experimenteller Gehimcompression (EinfOhrung von Laminarien) zu
beobachtenden Phänomene nach den vom Verf. bisher veröffentlichten Arbeiten Aber
Gehimcompression. J. Sorgo (Wien).
18) Ueber die bei Hlmdraob Im Büokenmarke snftretenden Verändemngen,
von Dr. A. Hoche, Priv.-Doc. und I. Assistent der psychiatr. Klinik in Strass¬
borg l/E. (Deutsche Zeitschr. f. Nervenbeilk. 1897. XI.)
In 2 Fällen von Gehirntumor Hessen sich Veränderungen in den Hintersträngen
und hinteren Wurzeln nachweisen, und zwar setzt die Degeneration meist an der
Stelle ein, wo die Wurzeln io mehr oder weniger schräger Richtung in das BAcken-
mark eintritt. Es zeigte sich dabei, dass Sitz und histologischer Charakter des
Tumors fAr das Zustandekommen der BDckenmarksveränderungen nicht von bestimmen¬
dem Einfluss ist Sie entwickeln sich nur dann, wenn Erscheinungen von gesteigertem
Druck in der CerebrospinalflAssigkeit vorhanden waren. Am seltensten seheineu die
Wurzeln des mittleren und unteren Dorsalmarks betroffen zu werden, und hat der
pathologische Process nicht die Tendenz mit wachsender Entfernung vom Schädel¬
inhalt geringer zu werden. In beiden Fällen bestand auch Stauungspapille. In
einem 3. Falle, in welchem sich eine derartige Affection nicht feststellen Hess, waren
auch Hinterstränge und hintere Wurzeln normal geblieben. Vielleicht bietet dieser
Parallelismos in den Befunden am Sehnerven and den hinteren BAckenmarksworzeln
einen wichtigen Gesichtspunkt für die Pathogenese dieser Verändernngen.
In klinischer Beziehung werden diese Wnrzeldegenerationen vor allem sensible
Ausfallserscheinungen, sowie allmähUcbes Schwinden der Patellarreflexe nnd Ataxie
erzeugen. E. Asch (Frankfort a./M.).
10) Haematoma subdarale; trepanation, af H. Köster och A. Lindb. (Araber,
fr&n allm. och Sahlgrenska sjakfaus i Göteborg för &r 1896. Göteborg 1897.
Med. afd. 8. 28.)
Bei einem Säufer bildete sich nach heftigem Kopfschmerz, der in der Nacht am
schlimmsten war und hauptsächlich im Nacken seinen Sitz hatte, Pareee der rechten
Geeichtshälfte und der rechten Extremitäten mit immer mehr suuehmender Somnolenz
und Koma aus. Zagleich trat Schmerz bei der Percussion der Unken StirahälfU
anf, Neigung nach hinten Aber zu fallen, wenn Pat sass, nnd Unvermögeo tu gehen.
Der Augenhintergnmd zeigte keine Veränderungen. Da der Zustand hoffiumgslos
DiQ'tvcd Dy
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811
wBr und nur von einer Operation vielleicht einige Beesemng erhofft werden konnte,
wurde fiber dem linken Ohr trepanirt, wobei nach Dnrcbsi^neidang der Dora eine
Uenge blutig gefärbter Flüssigkeit abging; eine Sonde konnte bis 9 cm unter die
Dura eingefflhrt werden. Der Zustand zeigte keine Besserung nach der Operation;
der Pat. starb in der Nacht darauf. Bei der Section ei^b sich, dass es sich um
ein subdnrales Hämatom in der Gegend über dem linken FroutaUappen und den
Gentralgyri gehandelt hatte, das darunter liegende Windungen abgeplattet hatte.
Der Ausgangspunkt der Blutung Hess sich nicht nachweisen.
Walter Berger (Leipzig).
20) Trephining for eymptome of cerebral tumour, by Pearce Gould. (Brit
med. Joum. 1898. Jan. 22. S. 216.)
Yerf. berichtet vor der Londoner klin. Gesellsch. über einen bis dahin sehr ge*
Sunden, robusten Grobschmied, der an schwerem Kopfschmerz, Aphasie, Zuckungen,
Facialisparalyse und rechter Zungenhemiplegie erkrankte. Die Angenuntersachung
ei^b keine Anomalie. Es wurde ein Tumor im Lob. frontalis diagnoscirt; Trepa¬
nation. Es wurde normale Gehimsubstanz und keine Uebermenge von Cerebrospinal*
flflssigkeit gefunden. — Trotz der gänzlich negativ ausgefallenen localen Einwirkungen
der Operation trat dennoch Heilung ein; Pai wurde wieder arbeitsfähig.
In Anschluss hieran berichtet dann Sidney Phillips ebenfalls über einen Fall
mit negativ ausgefallenem Himbefunde, nur war der Schädelknochen etwas über normal
dick. — Auch hier trat nach der Operation völlige Genesung ein.
L. Lehmann I (Oeynhausen).
21) Olioma of the right ftrontal lobe of the brain, by W. C. Krauss, M. D.
(Journal of nervons and mental disease. XXV. 1898. Febr. 8. 109.)
Interessanter Fall von Hirntumor bei einem 31jährigen Manne mit Schwindel*
anfällen, Vomitns, heftigen Kopfschmerzen und Stauungspapille, aber bis zuletzt ohne
jede sensorische oder motorische Lähmung, überhaupt ohne jedes Herdsymptom. Ans
dem letzteren Umstande wurde per exclnsionem der Sitz des Tumors in den rechten
Frontallappen verlegt
Bei der Section fand man im rechten Stimlappen ein grosses Gliom, das die
hinteren zwei Drittel der drei SUmwindungen bis an die vordere Centralwindung
heran zerstört hatte, und dessen cystöses Centrum mit dem Seitenventrikel commoni-
cirte. Bei der Härtung (in Formalin) wurde später noch eine kleinere Oyste unter
dem linken Gyms angularis entdeckt Sommer (Allenberg).
32) TTn oaa de gllome oördbral. Oedäme de la papUle. Hdmipldgle
satiohe. Antomatlame ambulatoire, accAs de aommeil. Trepanation,
par HH. Devic et Conrmont (Lyon). (Revue de Hedecine. 1897. Avril.
8. 269.)
Aosfübrliche Beschreibung eines Falles von Gliom im rechten Frontal¬
appen bei einer 46jährigen Frau. Die Krankheit begann im December 1894 mit
Copfweh in der rechten Stimhälfte, Gedäebtnissstörungen, Apathie, Anfällen von
Icblafsucht, Selbstmordgedanken. Juni 1895 traten An^le von automatischen Gehen
lia zu 3 Standen Dauer auf. Im October 1895 steigerten sich alle Symptome, dazu
■esellte sich eine linksseitige Hemiplegie und beiderseitige Staoni^papille.
Am 13. October wurde daa rechte Stirnbein eröffnet und ein ca. wallnussgrosses
rliom aus dem rechten Stimlappen entfernt Normale Heilung der Wunde. Die
Icmiplegie und insbesondere die Stauungspapille verschwanden vollständig!
,ucb die psychischen Functionen wurden wieder vollständig normal.
■' : .,Googlc
812
Die Patientin konnte ihre frflhere Beecbäftignng wieder anfhehmen nnd blieb
4 Monate lang völlig gesund. Dann traten fieberhafte schwere Gehimerscheinnngeo
anf, welche in harzer Zeit zum Tode führten. Die Autopsie ergab einen Thrombus
in der rechten A. fossae Sylvii nnd frische Encephalitis, kein Becidiv des Gliom
Obwohl vorübergehend, berecht^ der Erfolg doch zu weiteren operativen Ver¬
suchen. Von therapeutischem Interesse ist das Verschwinden der Hemiplegie nnd
nauientlich der Stauungspapille durch die Abnahme des intracraniellen Druckes nach
der Operation. Strümpell (Erlangen).
23) Zar Diagnose and Therapie des Qehimtajnors, von Th. Ziehen. (Zeit¬
schrift f. praki Aerzte. 1898. Nr. 5.)
Verf. bespricht einen Fall von Parese des rechten Armes und Beines. Hirn-
nervun intact. Während des langsamen Fortschreitens der Lähmungserscheinungw
typische Anfälle von Jackson’scher Epilepsie. Leichte Störung des Mnskelsinns.
Trotz völligen Fehlens der Allgemeinsymptome: Kopfschmerz, Erbrechen, Bradycardie
and Stauungspapille, ist eine langsam wachsende über, in oder unter dem linken
Fuss- und Zehencentrum entstandene Himgeschwulst anzunehmen. Die Operation
bestätigte vollauf die Diagnose. Hikroskupisch erwies sich der Tumor als ein Fibro-
sarcom. Pat. starb 8 Tage nach der Operation an eitidger Meningitis.
Kurt MendeL
24) Om Böntgens atr&lar 1 hjärnkirurgiena tjänst, af Prof. S. E. Henscheu
och Prof. K. G. Lennander. (Nord. med. ark. 1897. VIXI. 2. Nr. .30.)
Ein 33 Jahre alter Hann bekam am 11. August 1895 aus der Entfernung von
einigert Metern einen Bevolverschuss in das linke Auge, empfand heftigem Schmerz
in deui getrofitenen Auge und stürzte sofort bewusstlos zusammen. Im Hospital von
Oerebru wurde das zerschossene Auge exstirpirt und man sah nun die Einschoss-
Öffnung an der inneren Orbitalwand einige Centimeter hinter der Camncnla lacrymalia
Pat. lag 3 Wochen bewusstlos, Ham und Eoth gingen unfreiwillig ab, Pat. musste
gefüttert werden, konnte aber schlacken; man bemerkte, dass die linkeu Glieder ge¬
lähmt waren. Als Pat wieder zu Bewusstsein kam, sah und hörte er, begriff aber
nichts, die ganze linke Körperhälfte war gelähmt und gefühllos; die Speisen liefen
ans dem linkeu Mondwinkel ab. Pat. kam immer mehr zn Bewosstsein, b^ann bald
zu sprechen, aber sein Wortvorrath war so unzureichend, dass er sich meist dorch
Zeichen zu verständigen suchen musste; tbeils konnte er keine Worte finden, theile
konnte er sie nicht aussprechen. Das Erinnerungsvermögen, das zuerst ganz gefehlt
hatte, kehrte allmählich wieder und der Zustand des Pat besserte sich soweit dass
er um Weihnachten, auf der linken Seite gelähmt, mit partieller Aphasie, entlassen
werden konnte.
Im August 1896 stellte sich Kopfschmerz im rechten ULnterkopf ein, weshalb
Pat am 2. September im academischen Krankenhaus zu (Jpsala aufgeuommen wurde.
Die psychischen Fähigkeiteo waren gut, auch das Gedächtniss, aber Pat. litt an
partieller motorischer Aphasie und partieller Agraphie und Alexie, schnell Gesprochenes
konnte Pat. nicht verstehen. Der Geruch fehlte vollständig. Im unteren nasalen
Qnadranlon des Sehfeldes im noch vorhandenen rechten Auge war die Sehschärfe
herabgesetzt. Auf der linken Seite bestand noch Hemiplegie, am stärksten im Anne,
und Anästhesie. Pat wnrde nach kurzer Zeit entlassen nnd am 15. Jannar 1897
behufs der Operation, die er dringend wünschte, wieder aufgenommen. Die Aphasie
hatte sieb etwas gebessert, war aber noch nicht ganz verschwunden, die Lähmang
war nur wenig gebessert, die Anästhesie aber war geringer. Im nnteren nasaleo
Quadranl-sn sah Pat die Gegenstände nicht mit so scharfen Umrissen im übhgea
Dig :./cd
Google
813
Selifeld. Eine genaue Erwi^ong der Symptome (Anogmie, Hemiplegie und Heroi«
anistheeie, Sehstöning, Aphasie) fflhrte H. zu dem Schlnsse, dass das Projectil auf
seinem Laufe die Striae olfactoria getroffen haben, in der Hähe des hinteren Theils
der Capsula interna vorbe^egangen sein und an der Grenze zwischen ParietaL und
Ocdpitallappen liegen musste, nahe an der Rinde und etwas dorsal von der Seb-
bahn, die das Corpus geniculatum extemum und die Fissura calcarina verbindet; das
Symptomenbild entsprach einer geringen Störung der occipitalen Sehbahn. Hie
Aphasie liess sich nur durch die Blutung erklären, die bei der Verletzung das Be*
woastsein geraubt hatte. Hit Hülfe der von verschiedenen Seiten ans vorgenommenen
Uatersuchung mit BöntgeU'Strahlen wurde berechnet, dass das Projectil oberhalb
des Tentorium cerebelli, ungefähr 4 cm von der Uittellinie und ungefähr 1—2 cm
unter dem Schädeldach liegen musste.
Dieser Lage entsprechend wurde am 2. Februar 1897 von L. an der linken
Seite des Hinterkopfs die temporäre Besection mittels eines Haotperiostknocbenlappens
nach Wagner’s Methode ausgeführt. Mitten in der Oeffnung entdeckte man, un*
geßhr 1 cm unter der Binde, das Projectil, um das sich deutlich eine Kapsel zu
bilden b^onnen hatte. Mach Beendigung der Operation ging die Heilung gut von
Statten. Der Kopfschmerz, der den Pat. seit einem halben Jahre gequält hatte, war
nach Entfemnng des Projectils verschwunden.
In physiologischer Beziehung bietet dieser Fall Interesse dadurch, dass er die
Richtigkeit der Theorie Henschen’s über die L^e der Sehbahn und der Verlauf
der Fasern in derselben bestätigt, und zugleich auch die praktische Bedeutung dieser
Theorie, mit deren Hülfe es gelang, die Lage des Projectils mit ziemlicher Genauig*
kat zu bestimmen. Walter Berger (Leipzig).
25) Caenistisohe Beiträge nur HimoMrurgie nnd Himlooalisatioii. Erster
Beitrag von Priv.*Doc. Hr. Karl Bonhoeffer in Breslau. (Monatsschr. für
Pi^ch. u. Neurolog. 1898. Bd. III.)
I. Bei einem 28jährigen Hanne stellten sich immer häufiger Krampfanfälle ein,
ZD denen sich linksseitige, hemiplegische Erscbeioangen, namentlich Lähmung des
linken Beines gesellten. Kopfschmerzen und beiderseitige Stauui^papille kamen
dazQ. Nachdem Jodkali erfolglos blieb, wurde durch Mikulicz die Trepanation
eoBgeführt, bei der sich vor dem oberen Drittel der rechten Centralwindung ein
kinderfaustgrosses, weiches, graubraunes Gliom fand. Dasselbe liess sich hinten gut
ablösen, war jedoch nach vom und unten nicht scharf abzugrenzen. Ein grosser
Tbeil des Stirahims wurde mit entfernt Mach der Operation nahm die Lähmung
io der oberen Extremität zunächst zu und war mit Tastlähmung and Störungen der
Ugeempfindung verbanden. Auch an anderen Theilen des Körpers waren Sensibilitäts*
BtOrungeo nachweisbar. Die Athmung war in der Weise gestört^ dass sich die linke
Thoraxhälfte nur wenig betheiligto, dass die Inspirationen vermehrt und tief waren,
während die Exstirpation langsam vor sich ging. Ein paar Tage lang waren die
Ai^en nach rechts deviirt beim Sehen nach links blieb der rechte Internus mehr
zarllck, als der linke Abdncens. Der Krankbeitsznstand besserte sich in der Folge*
zeit. Die Sensibilitätsstömngen bildeten sich bis auf eiuen unbedeutenden Rest
zurück. 14 Tage nach der Operation konnte der Pat das Bett verlassen. Weder
vor, noch nach der Operation waren pathologische Erscheinungen hinsichtlich der
Intelligenz, des Gedächtnisses oder der Merkfäbigkeit zn constatiren. 3 Monate später
kam ee jedoch in Folge zunehmender StaoungspapUle zu Amaurose, der bald Oph-
tbalffloplegie folgte. Bald darauf starb der Pat Bei der Section zeigt sich, dass
der Tomor namentlich nach unten weiter gewachsen war, den rechten Linsenkern,
den Streifenhflgel und Sehhügel ergriffen hatte, auf den Balken und die linke Hemi*
Sphäre übergegangen war. Die Ventrikel waren erweitert, die Hirnwindungen ab*
iVrcd oy Google
814
geplattet In den Fyramidenbalinen fand bicb Degeneration, such die lateralen
Pakieen der HinterstÄnge des Halamarks waren erkrankt
11. Ein 62jähriger, dem Tranke ergebener Arbeiter, war mit Kopfweh, Scbwindel-
anf&llen and Schwäche der linken Hand erkrankt Er bekam dann Krampfanfalle,
die Ton der linken Hand ihren Änsgang nahmen. Später kam es nach den AnföUeo
zu Lähmung der Unken Hand mit SensibiUtätsstCrungen, namentUch yoUständiger
Tastläbmung in derselben, zu Lähmung des linken Mundfacialis und Parese des
linken Beins mit Steigerung der Sehnenrefleze. Die An^le nahmen rasch zn, in
der Stande wurden bis zu 20 clonische Anfälle beobachtet die in der linken Hand
begannen, Unks den Arm, den Facialis, das Bein ergriffen, häufig auf die rechte
Seite Qbergingen und sich auf demselben Wege zurQckbildeten. Nach den AnAlleu
bestand Deviation des Kopfes und der Augen nach rechts, die Linksbewegung der
Augen war deutlich erschwert, der rechte Internus war paretisch. Am Angenhinter-
grund fand sich nichts abnormes. Erbrechen wurde nicht beobachtet Deliranto
Symptome fehlten. Der Kranke bekam Fieber, das linke Kniephänome schwand.
Der Zustand wurde hoffnungslos. Kolaczek führte die Trepanation aus und fand
unter der Dura, namentlich oberhalb des mittleren Drittels der vorderen ond der
hinteren Centralwindung rechts reichliche Hassen dickflüssigen Eiters, die die darunter
liegende Himsubstanz stark drückten. Obwohl bedeutende Mengen des Eiters be*
seitigt wurden, stellten sich die Anfälle bald nach der Operation in ungeheurer
Häufigkeit wieder ein, und der Pat, der schon vorher starken Bronchialcatarrh ge¬
habt hatte, ging an Lungenerscheinungen zu Grunde. An den Stellen, an welchen
die stärkste Bindencompression bestanden hatte, fand sich mit der Harchi-MeUiode
degenerative Veränderung in den Badiärfasem und in den intercorticalen Fasern.
Die Pyramidenbahn war oberhalb ihrer Kreuzung namentlich rechts, aber auch links
erkrankt. G. 11berg (Sonnenstein).
26) Casuistisohe Beltr^e zur Himohimrgie und HimlocaUsation. Zweiter
Beitrag von Dr. H. Liepmann in Breslau. (Monatsschr. f. Psycb. o. Nenrolog.
1898. Bd. III.)
Eine 32jährige Arbeiterin hatte seit ihrem 18. Jahre Krämpfe mit Bewusstseins-
Verlust, die stets im linken Beine b^annen, und seit ihrem 22. Jahre aosserdeo
toniscb-clonische Krämpfe im linken Bein ohne Bewosstseinsstürung. In den letzten
Jahren hatte sich eine allmählich znnehmende Schwäche des linken Beins aosgebildet
Die Sensibilität war normal. Die Befleze waren gesteigert Erscheinungen von
Himdruck bestanden nicht Nachdem Jodkalinm keinen Vortbeil gebracht batte,
wurde die Patientin trepanirt Daher der Dura fand sieb nichts Positives. Da die
Krämpfe vom linken Bein ausgingen nnd da dieses ohnehin gelähmt war, beschloss
man die vom Paracentrallappen nach unten anssen ziehende Beinfaserung zu durch-
trennen. Zu diesem Zwecke wurde die Himsubstanz 3 Finger breit von der Mittel¬
linie einen Zoll tief in einer zur Sagittalebene etwa um 45° geneigten Ebene durch¬
schnitten. Die Krämpfe blieben nach der Operation weg und kehrten erst 5 Monate
später wieder, wiederholten sich auch in der Folgezeit viel seltener als vor dem
chirurgischen Eingriffl Unmittelbar nach der Operation trat aber eine totale links¬
seitige Hemiplegie auf; die Lähmung des Facialis nnd Hypoglossus ging zwar vor¬
über, Arm und Hand behielten jedoch motorische nnd sensible Lähmungserscheinungeo.
Der Verf. hat die Patientin äusserst genau untersucht, theilt hierüber interasante
Details mit und hat sehr Becbt daran gethan, auch einen solchen Fall, der Ent¬
täuschungen bereitet hat, zu veröffentlichen. Ob die Wahrscbeinlichkeiisdiagnose,
dass die Patientin einen Tumor, nnd zwar ein Angiom, hat, in Znknnft Bestätigang
findet, wird hoffentlich a. Z. festgestellt und pnbUoirt werden.
G. Ilberg (Sonnenstein).
I3ig :voci = / G OO^lc
815
S7) 8ul oentro psloo«motore del mosooU saperlori della fooola, per
V. PugHese. (Eivista di Patolog. oer?. e ment 1898. Nr. 2.)
TOjähriger Al^oholisl^ schon wiederholt von apoplectischen Insulten befallen,
erknokte durch einen neuen Schlaganfall mit Bigidität der linksseitigen Extremitäten,
Höberstehen des linken Mundwinkels und der linken Augenbraue, während gleichzeitig
die linke Stirnseite gerunzelt war. Bald darauf clonisehe Krämpfe der linken Seite,
die Tags darauf aufhdrten, so dass nur noch Zuckungen im linken Orbicularis oculi
and Corrugator supercUü, sowie in den Stimmnskeln bestanden. Im rechten
H. frontaiis gleiche, wenn auch schwächere Zuckungen.
Bei der Section fand Terf. Atherom der Uimarterien, besonders der Arteria
fossae Sjlvii, und daselbst, namentlich rechts, zahlreiche wandständige Thromben, die
in den Endrerästelungen das Lumen verschlossen. In den Ganglien der Himbasis
ältere apoplectische Cysten. Die Hirnrinde war intact; nach des Yerf.’s Ansicht
deshalb, weil die Arterien der Binde keine Endartorien sind, sondern mit anderen
durch das Gefitssnetz der Pia communiciren. Auch waren während des Lebens des
Pai die klinischen Symptome irritativer Natur, so dass man auch aus ihnen zwar
auf eine Ischämie, nicht aber auf eine Anämie der Binde schliessen musste.
Ans der Theilnahme des rechten M. flrontalis und dem Krampfe dee linken
oberen Facialis zieht Verf. den Schluss, dass die Bindencenben dieses Muskels eine
bilaterale Function haben, während dies bei den vom unteren Facialis versorgten
Maskdn, sowie beim Orbicularis oculi nicht der Fall ist; die letzteren kann man ja
aaeh willkflrlieh einseitig innerviren, nicht aber den Frontalis. Valentin.
28) 2ar Pathologie der Shkrwalzuogen des Btreifenhügels und Linsenkems,
von Dr. Oskar Beichel (Wiener med. Presse. 1898. Nr. 19.)
I. Lues — ausgedehnte Erweichungsberde beiderseits in den grossen Ganglien.
Kurz andauernde motorische Erscheinungen. — Tod 1 Jahr nach der Infection.
22jähr. Postbeamter; luetische Infection am 16. April 1896. Nach 10 Injec*
Uonen mit OL einer, mosste wegen heftiger Kopfschmerzen mit der Therapie ans«
gesetzt werden. Die Kopfschmerzen (am ganzen Kopf ziemlich gleicbmässig localisirt)
dauerten an; dazu Schmerzhaftigkeit der Nackenmnskulator bei Dmck und bei Be«
vegui^en, leichte Somnolenz, Parese dee Unken Facialis in seinen unteren Aesten,
an der rechten Wange Hypästhesie fQr taotile Beize, rechtsseitige Hypoglossusparese,
Steigerung der linken Patellarreflexe, Tronsseau’sches Phänomen, spastische Parese
der linksseitigen Extremitäten. Alles dies 5 Monate nach dem Primäraffecte. Unter
intiluetischer Behandlong nach 2 Wochen Bückgang dieser Erscheinungen bis auf
geringe Schwäche der Unken Körperhälfte ohne Berufsstöruog. April 1897 plötz-
hebe Erkrankung unter Aphasie, zunehmender Somnolenz, rechtsseitiger Lähmung,
während Unks Krämpfe ansgelbst werden. Tod 1 Jahr nach dem Primäraffect
Obdnetion: Endarteriitis syph. der Art foss. Sylv. und des Anfangsatfickes der
Art norp. callos. beiderseits. Wandständige Thrombose der rechten und obtnrirende
der linken Art foss. Sylv. Aeltere Rrweiebungen der grossen GangUen, der Insel
and des Operculum rechterseits, eine frischere Erweichung dieser Gebiete linkerseits.
Die mikroskopische Untersochnng ergab eine geringe Degeneration der motorischen
Bahnen Unks. Demgemäss bestand vom September 1896 bis April 1897 trotz ans*
gedehnter Zerstörung der grossen Ganglien, der Insel und dos Operculum rechterseits
nur eine geringgradige linksseitige Schwäche.
II. Herde in beiden Linsenkemen, der ältere symptomenlos, der frischere mit
raacb Twsebwindenden motorischen ErscheinnngeD. — Tod an Pneumonie.
70jäbr., vorher immer gesunder Dienstmann, stürzte am 12. Februar 1898
plötzlich unter Schwindel zusammen, ohne das Bewnsstsein zu verlieren. Danach
üig :v-0d / G OOglC
816
liokaseitige Hemipl^e, Sprachstöroog, Kop&chmerzeo. Audi der linke FaeialiB wmr
paretisch. An den folgenden Tagen wird der Kranke nnrohig and benommen,
während die Fscialisparese nnd die Schwäche der linken oberen Extremität zarfick>
geht. Tod an Pneumonie.
Autopsie: Links ältere, rechts frischere Erweichnng des Linsenkems in Folge
Atiierom der Art. foss. Sylv. mit Verschloss des Lnmens der rechten Art. cerebr. ant.
Hemianästhesie, choreatische Bewegungen, vasomotorische StCmngen fehlten.
J. Sorgo (Wien).
20) A oaee of dyaphagia and dysphasla reaoltiiig firom a leslon in tha
internal oapanle, by Judson Dalahd, M. O. (Jonmal of nervoos and
mental disease. 1897. Oct XXIV. 8.614.)
Fat., der die in der Ueberschrift angegebenen Symptome dai^boten hatte, war
ein 66jähr. Mann mit allgemeiner hochgradiger Atheromatoee, mit Leber* and Milz*
schweliui^ und mit Nierenscbrampfuog. Fast 5 Monate hindurch zeigte er mit ge¬
wissen Remissionen das Cheyne-Stokes'sche Athmungsphänomen und starb dann
plötzlich an Herzschwäche.
Es dürfte aber zweifelhaft bleiben, ob die im Leben beobachteten Schluck* and
Articnlationsstörangen anf eine kleine hämorrhagische Cyste in der inneren Kapsel
am rechten Naclens dentatus oder nicht vielmehr auf ein spindelförmiges Anenryama
der rechten Art vertebralis und der Basilaris, das anf den Olossopharyngeas und
Hypoglossus zu drücken vermochte, znrückznfllhren sind. Sommer (Allenberg).
30) Studio delle wie oerebro-bulbari e oerebro-oerebellari in un omo di
leaione deila oalotta del pedunooio oerebrale, per C. Ceni. (Bivist
sperim. di Freniatria. XXIV.)
Eine 66jährige Frau, die w^n alkoholischen Irreseins in die Irrenanstalt auf*
genommen wurde und daselbst starb, batte 40 Jahre früher nach einer croupösen
Pneamonie an epileptischen AnßUen gelitten, nach denen Atrophie und Flexions-
contractur bei vollständiger Unßhigkeit zu activen Bewegnngen- in der rechten oberen
Extremität nnd leichte Atrophie and Schwäche des rechten Beines zurückgeblieben
waren. Ferner bestand leichte Contractnr der rechten Gesichtshälfte, starke Herab¬
setzung der Sensibilität und choreiforme Znckangen anf der ganzen rechten Körp^-
hälfte. Bei der Section fand Verf. in der Haube des linken Himschenkels einen
alten hämorrhagischen Herd, welcher den rothen Kern vollkommen, die laterale
Schleife theilweise und die mediale Schleife fast gänzlich zerstört und den rechten
oberen Kleinhimarm unterbrochen hatte. Secundär waren eingetreten leichte Atrophie
der gesammten linken Hemisphäre, besonders der G^end der hinteren Centralwindang,
Atrophie des Thalamus opticus und leichte Atrophie des Linsenkems. In der Brücke
links: Atrophie der Schleife und des hinteren I^ngsbündels, rechts: eine solche des
oberen und mittleren Eleinhimschenkets. Atrophie der rechten Kleinhimhemisphäre,
die Binde und das Corpus dentatum betreffend. Im verlängerten Mark, rechts:
Atrophie des nnteren Kleinbimschenkels, besonders seines OUvenantheils, in der unteren
Olive dorsal und nach innen eine kleine D^enerationszone, Atrophie der Nuclei gn*
cilis und cuneatus, der Fibrae arciform. extern, poster. und der Fibrae ardform. int;
links: fast vollständiger Schwund der Olive mit Ausnahme eines kleinen dorsalen
und inneren Feldes, Atrophie der Fibrae arciform. extern, anter., der Olivenzwischen-
schicht und des hinteren Längsbündels.
Verf. schliesst an seinen Fall einige anatomische Betrachtungen an. Den Ver¬
lauf und das proximale Ende der Schleife betreffend, so spricht die durch nichts
anderes erklärbare Atrophie des medialen Thalamuskernes dafür, daaH in ihm Schleifen-
Dig !i/od Google
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fasern endigen, wie dies ja auch Monakow, Dejerine and Ändere annehmen.
Seine Fortset/img zur Binde findet dieser Faserzug, vielleicht unter Zwischenschaltung
eines kurzen Neurons, in BQudelu des Stabkranzes, die zur hinteren Centralwindung
ziehen. Die letztere war auch im Falle des Verf.’s atrophisch. Die Schleife bildet
also eine Verbindung der Kerne der Hinterstränge mit der hinteren Centralwindung
der entg^engesetzten Seite nnter Einschaltung des Thalamus opticus.
Der Schwund des Corpus dentatum des rechten Kleinhirns steht in directer
Beziehnng zu der fast vollkommenen Atrophie des gleichseitigen oberen Kleinhirn-
Schenkels in Folge der Zerstörui^ des rothen Haubenkerns, und hat in zweiter Linie
znr Atrophie der Kleinhimrinde geführt. Von der Binde aus hat sich der Dege-
nerationsprocess dann weiter auf den mittleren Kleinhimschenkel fortgesetzt, welcher
direct aus der Binde seinen Ursprung nimmt. Ebenso muss die Degeneration der
EleiDhirnolivenfasern von der Atrophie der Kleinhimrinde oder des Corpus dentatum
abhängig sein. Es hat also die Zerstörung des linken Nucleos rnber tegmenti zum
Schwoude des gekreuzten Antbeils des rechten oberen Kleinhimschenkels und in
zweiter oder dritter Linie des Oliventheils des rechten Peduncul. cerebelli infer. ge¬
führt. Es muss also ein anatomisch-physiologischer Zusammenhang zwischen rothem
Haubenkem, oberem Kleinhimschenkel und dem KleinhiroolivenbQndel des unteren
Kleinhirnstiels bestehen.
Nach den angetroffenen Degenerationen schliesst Verf. ferner auf das Vorhanden¬
sein einer doppelten Verbindung zwischen Nucleus ruber segment. einer Seite und
der unteren Olive und dem Nucleus acciformis derselben, sowie in der grauen peri¬
pyramidalen Brückensubstanz der anderen Seite, beide Haie nnter Einschaltung der
Kleinhimrinde und des Corpus dentatum der entgegengesetzten Seite.
Valentin.
31) Ein Fall von Erkrankung des Traotus opticus, Pedunoulus oerebri
and N. ooalomotorius, von Dr. Budnienr. (Journal der Nerven und
p^chlatr. Hedicin. 1897. Bd. II. [Bussisch.])
Der Fall betrifft einen 30jährigen Mann, bei welchem man eine rechtsseitige
Hemiparese, linksseitige Ftosis und rechtsseitige Hemiopie coustatireu konnte. In
der Anamnese: Lues. Facialis beiderseits normal. Im rechten Auge hemianopiscbe
Pupillenreaction. Die rechte Pupille reagirt gut auf Accommodaüon. Die linke
Pupille ist stark erweitert und reagirt weder auf Licht, noch auf Accommodation.
Sämmtliche Muskeln, welche vom linken N. oculomotorius versorgt werden, sind ge¬
lähmt Die rechtsseitige Hemiparese mit linksseitiger Oculomotorinslähmung (Weber’-
scbes Phänomen) und die rechtsseitige Hemianopsie zeigen, dass es sich hier um
eine Erkrankung (syphilitische Geschwulst oder Pachymeningitis) im Gebiete des
Linken Pedunculus handelt Da die consensuelle Reaction im rechten Auge vorhanden
war, so muss man annehmen, dass die entsprechenden papillären Fasern (welche auf
nner gewissen Strecke im Tractus opticus verlaufen) erhalten geblieben sind.
Edward Flatau (Berlin).
A case of tumour of the Fons Varolii, by Henry Handford. (Brit
med. Jouro. 1898. June 18. S. 1585.)
10jähriger Knabe, bis dahin gesund, seit einem Jahre benommenen Kopf und
cliwerfallig beim Sprechen. Rechts Schielen und rechts Facialisparalyse. Seit
rühesten Jahren Otorrhoe beiderseits. M. tympan. rechts durchlöchert, Ausfiuss sehr
pärlich. — Vor 7 Wochen wurde das Gehen uovollkommen, Schmerz oberhalb der
.ngen, Erbrechen. Beim Gehen ist Neigung, nach vom and links zu fallen. Beider-
?its gesteigerte Patellarrefiese, Paralyse des rechten 6. and 7. Nerven, Neuritis
52
D g ii/od oy GOO^ IC
818
optica mit Exsudat und Hämorrhagie in beiden Retiuae; die Bracheinangen beeaehea
sich sämmtlich, und nach 10 Tagen schien der Enabe genesen.
Nach weniger Zeit traten aber alle KranhheitBerscheümngen aufs Neue m-,
Erbrechen, Schw&che des linken Armes, ungleiche Pupillen. Pat bekam Jod and
Brom, wurde abermals besser, aber nur f&r kurze Zeit Tod. — Es fand sich ein
wallnussgrosses Mjxosarcom in der unteren Hälfte des Pons rechterseite. Dw
Flocculus wurde dadurch beinahe bis zur Liniendicke zusammengepresst. Der 6.
und 7. Nerven waren in der Qescbwnlst eingeschlossen.
L. Lehmann 1 (Oeynbausen).
33) lieber periodiaohe Sohwanktuigen der Papillenwelte bei Cheyne*
Stokes'sohem Athmen, von Dr. Martin Thiemich. (Jahrbuch f. Kinder*
beUk. Bd. XLVII.)
Ein Sjähriges Kind, das an Meningitis tuberculosa erkrankt war, bot am vor¬
letzten Lebenstage folgenden auiTallendenBefund: Es besteht au^esprochenesCbejne*
Stokes’sches Atbmen; während der Athempanse sind die Pupillen mittelweit bei
Beginn der Bespiratioo erweitern sie sich langsam und stark, um nach Aufhören der
Athmung rascher, als die Erweiterung erfolgte, zu ihrer vorigen Weite zurückzukehren.
Die Pupillen sind in der Atbempause noch mässig auf Licht empfindlich, starke
Hautreize bewirken keine Erweiterung. Verf. weist darauf hin, dass dieses Pupillen*
Phänomen bei Kindern bisher nur ein einziges Hai beschrieben wurde und schliesst
sich dem Erklärungsversuche von Leube und Filehne an, welche eine Herabsetzung
in der Erregbarkeit des „Centrum oculopupillare*' bezw. der Vasoconstrictoren an*
nehmen, so dass es erst eine stärke Kohlensäureanhäufung im Blute bedarf, um die
medullären Centren zn erregen. Im Nachtrag veröffentlichte der Verf. einen ähn¬
lichen Fall bei einem 2jäbrigen Knaben. Zappert
34) Bor les porapldgles flasques par compresslon de ia moelle, par
0. Harinesco. (La semaine mddicale. XTlll. Nr. 20. S. 153.)
Verf. theilt folgende 2 Fälle mit:
Im 1. Falle handelte es sich om einen Mann, der 2 Jahre vor seinem Tode v«a
Pferde gefallen war. Im Anschluss darau hatte sich eine Caries der Wirbelsänli
mit Gibbosbildong vom 5.-8. Dorsalwirbel und eine Compression des Markes ans*
gebildet Es fand sich eine schlaffe Lähmung beider Beine mit Muskel*
atrophie und Oedem; eine totale Anästhesie beider Beine und des Rumpfes, rechts
bis an die unteren Rippen, links bis 2 cm fiber den Nabel (nachher sagt Verf. alkr*
dings, dass Stichie in den Fass nur eine wenig intensive Schmerzempfindung bervmr-
gerufeu hätten); ferner totaler Verlust des Huakelgefühls. Die Sehnenreflexe
waren erloschen, auch der Cremaster und Bauchreflex; der Plantarreflex war
erhalten. Blase und Mastdarm waren total gelähmt Es bestand Decubitus. Die
Section ergab an der Stelle der Wirbelcaries eine totale transversale
Zerstörung des Markes. Unterhalb der Zerstörung zeigten sowohl die Wurzel* j
wie die Strangzellen der Vorderhömer namentlich mit Nissl’s Färbung deutliche ye^
ändenmgen. Die Muskeln der Beine waren schwer erkrankt; es fand sich vor allen
Dingen Erkrankung der Muskelfasern selbst, ferner Fett* und Kemwacherung da¬
zwischen, dann Oedem und erhebliche Myophagenbildung; manchmal, bis auf diese,
leere Sarcolemenschläuche; die intramusculären Nerven waren ancb erkrankt, (üe
grossen Nervenstämme nur etwas ödematös.
Im 2. Falle handelt es sich um eine partielle Erkrankung des Markes in Folge !
einer Engelverletzung in der Höhe des Angulua scapulae, 2 Monate vor dn* Auf*
nähme. Es bestand totale Lähmung der Beine mit Oedem, die Muskeln des Ab*
üyGoogIc
819
domens iraren frei. Ferner an beiden Beinen und am Rumpfe bia znm Schwert-
fortsatze des Bmstbeines eine Anästhesie für thermische und Schmensreize bei er¬
haltenem Tastgefühl und dem subjectirem Gefühle von Eingeschlafensein; später
waren die Unterschenkel hinten und vorn ganz gefühllos, von da an nach oben be¬
stand partielle Empfindongslähmung wie früher, nur am Penis und Scrotum war die
Anästhesie total. Die Patellarreflexe fehlten, bei Beklopfen der Patellarsehne
rechts trat aber eine Adductionsbewegung der linken Hüfte auf. Die Section ei^ab
hier eine starke Abplattni^ des Markes in der Hübe des 5. und 6. Dorsalwirbels;
histologisch erschien an der Stelle der stärksten Compression das Mark fast normal,
etwas darunter aber waren die grauen Säulen und die angrenzende weisse Substanz
aoch in den Hintersträngen zerstört Die Muskeln der unteren Extremitäten zeigten
dieselben Veräuderongen wie im Fall 1, nur in geringerem Grade. Die secnndären
Degenerationen im Marke waren die gewöhnlichen, wie auch im Falle 1.
Verf. macht für die Hnskeldegenerationen an den Beinen das Oedem verant¬
wortlich. Er erklärt das Fehlen der Reflexe in diesen Fällen im Sinne von Bastian
ond van Gebuchten. In den Fällen, wo die Sensibilität erhalten und das Mark
Dor partiell zerstört sei und wo dennoch die Sehnenreflexe fehlten (Babinski),
müsse es sich nm den Ausfall tonisirender, vom Gehirn (bezw. Kleinhirn) kommender
Fasern handeln.
In den Fällen totaler Compression ond Anästhesie, wie sie Bastian zuerst
mitgetheilt, falle nicht nur dieser Factor foi% sondern auch die tonisirende Wirkung,
die von den hinteren Wurzeln auf die Vorderhoriizellen ausgehe. (Warum das
letztere notbwendigerweise der Fall sein muss, vermag Bef. nicht einzusehen. Beize
von den unteren Extremitäten werden nicht gefühlt, weil der Weg zum Gehirn
onterbrochen ist, aber bis zu den entsprechenden Vorderhornzellen können sie doch
gelangen.) Später könne dann auch die Huskelatrophie mit zum Aus¬
bleiben der Reflexe beitragen, aber die eigentliche Ursache dafür
könne sie nicht darstellen, da sie viel zu spät einträte. Darin hat der
Verf. jedenfalls Hecht
Bef. muss noch auf einige irrige Angaben in Verf.'s Aufsätze binweisen. Der
Fall des Bef. und die meisten von Thorburn beziehen sich auf Verletzungen der
Wirbelsäule, nicht auf Caries. Bef. hat ferner nie die Theorie Bastian’s unbedingt
anerkannt sondern schon in seiner ersten Arbeit auf Umstände bingewiesen, die ihre
AoerXennung erschweren; er hat sehr bald ancb erkannt dass die Hautreflexe, speciell
die Plantarsticbreflexe erhalten bleiben können. Aof die Erkrankung der Mus¬
keln an den Beinen hat Bef. ebenfalls schon vor Egger, dem Verf. dies
Verdienst zoerkennt, bingewiesen; er bat zuerst in diesen Fällen diese Muskeln
histolc^iacb nntersucbt aber zngleicb schon hervoi^ehoben, dass man in diesen Muskel-
Veränderungen nicht die Ursache für das Fehlen der Reflexe finden könnte. Ferner
bat er anch schon auf die Veränderung von Ganglienzeilen, nämlich in den Clarke'-
sehen Säulen, tief nnterbajb der Läsion bingewiesen; Egger will in seinen Fällen
sogar schwere derartige Veränderungen gefunden haben, er bat also keinesfalls er¬
klärt dass das Lumbalmark intact sei. Schliesslich möchte Bef. doch noch bemerken,
ditt zwar das Verdienst des Nachweises des Fehlens der Sehnenreflexe in den Beinen
b« totalen transversalen Läsionen im Hals- und Dorsalmarke ganz allein Bastian
zukommt dass er aber für sich das Verdienst beansprucht, naebgewiesen zu haben,
dass dieses Fehlen auch bei, in allen seinen Tfaeilen normalen, bezw. anwesentlich
vMäudertem Beflexbogen vorkommt Dieser Nachweis war für die Lehre Bastian’s
doch unbedingt nothwmdig und von Bastian selbst nicht erbracht; nach des Bef.
Fall sind die vom Verf. die ersten, in denen der ganze Beflexbogen untersucht ist.
Dass der Verf. nicht ala erster in Fällen von sogen, traumatischer Myelitis oder
Compression des Markes partielle Empfindungslähmung nachgewiesen hat vvie er
62 *
D g : 7cd / G OOglC
820
glaubt, haben schon Minor und Pick hervorgehoben; auch Bef. hat partielle Em*
pfindungslähmung in einem Falle von Tumor der Meningen am [jendenmarke be¬
schrieben. (Archiv f. Psych. Bd. XXVIU. 8. 106.) L. Bruns.
35) Beltr&ge lur gllnik des Rückenmarks* und Wirbeltumoren, von Privat-
docenten Dr. Hermann Schlesinger. (1898. Jena. Gustav Fischer.)
Das vor Kurzem erschienene Buch von Bruns Ober die Geschwülste des Nerven-
Systems, das auch eine ganz ausgezeichnete Bearbeitung der Klinik der Backenmarks¬
tumoren ■ enthält, bereitet naturgemäss einer neuerlichen monographischen Bearbeitong
des gleichen Gegenstandes gewisse Schwierigkeiten. Schlesinger bat daher das
Schwergewicht seiner Arbeit auf den anatomisch-statistischen Theil der Frage ver¬
legt und bringt in dieser Beziehung sehr werthvolle Beiträge für die Kenntnis der
BOckenmarkstumoren bei. Die Grundlage seiner AusfOhrungen bildet ein so reiches
Material, wie es noch keinem der froheren Bearbeiter des Gegenstandes zu Gebote
stand. Dasselbe setzt sich zusammen aus den in der Litteratur beschriebenen Fällen,
weiter aus einem eigenem, erstaunlich grossen Material, und endlich konnte Schle¬
singer die Obductionsprotokolle des Wiener allgemeinen Krankenhauses bezw. die
vorhandenen Präparate von BOckenmarks- und Wirbeltumoren aus den letzten 18 Jahrm
verwerthen. Es sind dies 36,000 Obdnctionen, bei denen sich in 161 Fällen Tu¬
moren des BOckenmarks und seinen HQllen und der Wirbelsäule fanden, das ist in
0,43 In 104 Fällen war das BOckenmark direct oder indirect in Mitleiden¬
schaft gezogen. Dabei ergab sich, dass Wlrbeltnmoren mit consecutiver Betheiligung
des BOckenmarks erheblich häufiger sind als meningeale und medulläre Neubildungen
zusammengenommen. Von letzteren sind die extra- und intramedullären gleich häufig.
In der Litteratur sind 400 Fälle intervertebraler Neubildungen beschrieben. 30*^,
beschränkten sich auf das BQckenmark allein, in 40*^/^ ist das BOckenmark direct
in Mitleidenschaft gezogen. Es ergiebt sich in weiterer Consequenz, dass von diesen
400 Fällen bloss in 150 die Möglichkeit eines erfolgreichen chirurgischen Eingriffes
gegeben war. ln Schlesinger’s eigenen Statistik sind 46^/o unter den intra¬
vertebralen Neubildungen Tumoren der BQckenmarkssubstanz. Die GegenOberstellung
der rein meningealen, der intraduralen und extradularen, nicht von den Wirbeln aus¬
gehenden Neubildungen zeigt ein mässiges Ueberwiegen der ersteren. Nach dem
Höhensitze der Tumoren berechnet ergiebt sich, dass die intramedullären Neubildungen
am häufigsten im Bereiche der Hals- und Lendenanschwellung sich finden, während
im Brustmark die extramedullären Tumoren Oberwiegen.
Schlesinger giebt nach diesen rein statistischen AusfOhrungen eine sehr ein¬
gehende , ausgezeichnete Darstellung der anatomischen Verhältnisse der einzeineD
Tumorformen. Als besonders werthvoll seien die zahlreichen, sehr instnictiven Ab¬
bildungen hervorgehoben. In unserem Beferate sollen nur die häufiger vorkommend»
Tumoren berOcksichtigt werden, während von den selteneren abgesehen sei
Die häufigste Geschwulstbildung des Rückenmarks wird durch den Tuberkel
dargestellt, wobei man eine sogenannte Tuberculose medullaire nnd den Solitärtuberkri
unterscheiden kann. Die Propagation der Tuberculose auf das BQckenmark erfolgt
entweder auf dem Wege der Blutbahn oder von den Meningen her. Ersterer Um-
stan(^ erklärt den relativ häufigen Beginn in der grauen Substanz (centraler Tuberkel),
sowie das nicht allzu seltene multiple Auftreten. Die BOckenmarkstuberculose ist
nie primär, ihr häufigster Sitz ist das Lendenmark.
Syphilome sind im Allgemeinen selten, dann meist multipel und mit ^hi-
litiscben Veränderungen der Meningen combinirt. Die verschiedenen Abschnitte des
BOckenmarks werden gleich häufig befalleu.
Anlässlich der Besprechung der Gliome betont Schlesinger die Schwierig¬
keiten der Abgrenzung gegenüber der Gliose; er spricht von Gliom nur in jenen
Dig t'/od:
Google
821 —
Fällen, wo schon DDakroshopiscb der geschwnlstartige Charakter hervortritt. Die
Oliome sind langgestreckte Tamoren, in deren Centrum sich öfters Erweichnag findet,
sie sind ohne scharfe Grenzen, meist sehr blntreich. Sarcome treten tbeils als
solitäre Tomoren in der Bflckenmarkssuhstanz (sehr selten) oder von den Meningen
aosgehend oder als multiple Geschwülste auf. Letzteres wiedernm entweder in Form
Ton mehreren isolirten Knoten oder in Form der sogenannten diffusen Sarcomatose.
Diese kann von den Meningen auf das BQckenmark ftbergreifen, insbesondere auf die
Binterstränge oder es kommt zur Compression des Rückenmarks. In anderen Fällen
wiederum ist das Rückenmark auffällig wenig in Mitleidenschaft gezogen. Bei der
multiplen Sarcomatose erkranken bei Mitbetbeiligung des Gehirns oder seiner Häute
fast stets die Gebilde der hinteren Scbädelgrube, speciell das Kleinhirn. Die primären
solitären Sarcome der Meningen stellen anscheinend die häufigsten der von den
Meningen ausgehenden Tomoren dar; sie greifen meist trotz längeren Bestandes nidit
auf das Rückenmark Ober und zeigen keine Tendenz zur Metastasirong. Ausserdem
kommen metastatische oder von der Nachbarschaft übergreifende Sarcome zur Beob*
achtnng. Bezüglich der Häufigkeit der einzelnen Sarcomformen e^ebt sich, dass
die primär von den Meningen, den Nebenwurzeln oder der Innenseite der Dora ans*
gehenden Sarcome 3 Mal so häufig sind wie die primären extramedural entstehenden
Sarcome (mit Ausschluss der Wirbelsarcome).
Von den weiteren Gescbwulstformen, die eine eingehendere Darstellung erfahren,
seien genannt die Endotheliome (von der Dura ausgehend öfters multipel), Psammome,
multiple Fibrome (relativ am häufigsten in den Wurzeln der Cauda equina); meta*
statische Carcinome, die nahezu nie die Dura überschreiten. Im Anschluss daran
bespricht Schlesinger die verschiedenen Formen der tuberculösen und syphilitischen
Erkrankungen der Rückenmarkshäote.
Die cjstischen Neubildungen gehen häufiger von der Wirbelsäule und den
Meningen als vom Rückenmark selbst aus. Echinokokken sind 5 Mal so häufig wie
Cysticerken. Die Echinokokken sind am häufigsten extravertebral und brechen erst
secundär in den Wirbelcanal ein, manchmal unter ausgedehnter cariöser Zerstörung
der Wirbelsäule; am häufigsten sitzen sie in der Brostwirbelsäule. Die Cysticerken,
theils in Form der gewöhnlichen Cysten, tbeils als Cystic. racemosns sind häufiger
intradnral
Ein weiteres Capitel behandelt die Wirbelsäuletumoren, insofern sie auf das
Rückenmark einwirken. Es sind dies primäre und secundäre Sarcome der Wirbel*
Säule, wobei es zu einem Zusammensinken der Wirbelsäule und Compression des
Rückenmarks kommen kann, weiter multiple Myelome, nahezu stets das Rückenmark
in H-itleidenschaft ziehend. Das Carcinom der Wirbelsäule ist stets secundär, ent¬
weder von der Nachbarschaft her oder metastatisch. Mitunter kommt es zu einer
diffusen Infiltration der ganzen Wirbelsäule und zu einer allmählichen Verkleinerung
derselben (Bruns). Carcinose der Wirbelsäule ist kein seltenes Vorkommniss; re¬
lativ am häufigsten sitzt der primäre Tumor in der Mamma, Prostata.
Bezüglich der Veränderungen des Rückenmarks und seiner Wurzeln in Folge
von extramedullären Tumoren hat sich ergeben, dass das Rückenmark auf Druck
von aussen leicht Formveränderudgen erleidet und daher compressibel ist. Die histo¬
logischen Veränderungen entsprechen dann meist der gewöhnlichen Compressions-
Myelitis. Bei Luxationsfracturen der Wirbelsäule kommt es zu eigeuthümlichen
nekrotischen Herden von mitunter beträchtlichem Umfange.
Die Nervenworzeln bleiben ancb bei extramedullären Tumoren in ihrer histo¬
logischen Strnctur oft anfßllig verschont
Aus einer zosammenfassenden Statistik seien hier bloss einige praktisch wich¬
tige Sätze wiedergegeben: Rückenmarkstumoren sind im Allgemeinen seltene Ge¬
schwülste; bloss in iVz'^/o Tomoren ii>t das Rückenmark betheiligt. Met«sta-
tische Tumoren des Rückenmarks sind besonders selten. Das Gehirn weist etwa
Google
822
6 Mal BO häufig Tumoreu auf als das Bflckenmark. Carcmommetastasen erfolgen
UDgemein selten in das BQckenmark, das gleiche gilt yod den Sarcomen; man bat
daher bei Erscheinungen von Seite des Bfickenmarks fast ausnahmslos an extra¬
medulläre Hetastasenbildung zu denken, wenn ein primärer Tumor an irgend einer
Stelle nachweisbar ist. Yon den in chirugischer Beziehung besonders wichtigen Tu¬
moren sind die Meningen doppelt so häufig primär als metastatisch afficirt Unter
den Wirbeltumoren sind die malignen 30 Mal so häufig als die benignen; die tuber-
culösen Wirbelerkrankungen 4 Mal so häu^ als alle anderen 'Wirbeltumoren zu¬
sammen. Besteht eine Geschwulst länger als 3 Jahre, so ist ein intramedullüer
Sitz wahrscheinlicher als der extramedulläre.
Aus den allgemeiuen ätiologischen Erörterungen ergeben sich gleichfalls einige
praktisch wichtige Schlussfolgerungen. Unter 10 Jahren sind bei supponirtem inba-
medullären Sitz Tuberkel, bei extramedullärem Lipome oder Sarcome am häufigsten.
Im zweiten Decenuium sind von den intrameduUären Qeschwfilsten Solitärtuberkel
und Gliom, von den extramedullären multiple und metastatiscbe Sarcome und Echino¬
kokken am häufigsten. Im Älter von 20—40 Jahren kommen intrameduUäre Tuberkel
und Gliome, extramedulläre Sarcome und Echinokokken am häufigsten zur Beobach¬
tung. Von 40—60 Jahren sind intramedullär Gummen und Tuberkel am häufigsten,
extramedullär die operativ gflnstigen solitären Sarcome, Psammome u. s. w.
Bei nahezu allen wichtigeren Tnmorarten des Bfickenmarks und seiner Htllle
scheinen Traumen mindestens in einem Brnchtheil der Fälle einen bedeutungsvolUa
ätiologischen Factor darzustellen, wobei das Trauma die Gescbwulstbildung seit«!
auslöst oder mindestens das Wachstbum eines Tumors beschleunigt Ein ätiologischer
Einfluss soll auch schweren InfectiouskrankheiteD, Krankheitsprocesseu im weiÜicben
Genitaltracte zukommen.
ln klinischer Beziehung erfahren die Wirbeltumoren eine eingehendere Dar¬
stellung. Auch hier seien bloss einige Bemerkungen bervorgehoben. Bei Wirbel-
carcinomen können Veränderungen der Wirbelsäule fehlen oder es kommt ein Zu-
sammensinkeu der Wirbelsäule, endlich nach Schlesinger durch Destruction der
Bänder eine seitliche Verschiebung der Wirbel zu Staude. Er beschreibt auch aU
vorkommendes Symptom locales Oedem Aber dem afficirten Wirbel. Schmerzen
können fehlen, meist sind sie sehr heftig. Druckempfindlichkeit der Wirbelsäule
kann selbst bei spontanen Schmerzen fehlen. Schlesinger hält eine Druckempfind-
lichkeit neben der Wirbelsäule ffir besonders charakteristisch. Erwähnenswerth ist,
dass Caroinome der Lenden- und Halswirbelsänle seltener eymptomlos verlaufen als
solche der Brnstwirbelsäule. Die gesammte Dauer des Processes ist manchmal viel
länger als man von vornherein erwarten sollte. Bei den Sarcomen sind öfters mäch¬
tige Tumormassed neben der Wirbelsäole zu ffihlen. Bezöglicb der Differentialdiagnose
der einzelnen Tumorarteu untereinander und gegenfiber anderen Erkrankungen sei
bemerkt, dass Schlesinger mit Becht die Differeniialdiagnose gegenfiber tuberculöses
Erkrankungen der Wirbelsäule mitunter ffir sehr schwierig hält; auch bei letzterer
finden sich manchmal neben der Wirbelsäule Tumoren (fongöse Massen), die später
erst durch Vereiterung erweichen.
Schlesinger erörtert dann noch die Therapie der Wirbeltumoren, specieli die
Chancen eines chirurgischen Eingriffes. Ein solcher erscheint bei Sarcomen nor ia-
dicirt, falls die Erscheinungen ffir einen primären solitären Tumor sprechen; die
gfinstigsten Chancen bieten natfirlich Exostosen, Chondrome, Echinokokken.
ln der Klinik der Bfickenmarkstumoren beschränkt sich Schlesinger mit Bfick-
sicht auf das Buch von Bruns auf die Bearbeitung einzelner Capitel. So findet er
bei Gummen, dass mitunter durch längere Zeit eine Incongmenz zwischen der Grösse
des Tumors und den gesetzten Erscheinungen von Seite des Bfickenmarks besteht
Weitere Bemerkungen beziehen sich auf das Auftreten von vasomotorischen Er-
Googlc
823
scbeinongeD bei BflcbenmarkstnmoreD; ale solche seien genannt vasomotoriscbe Paresen,
Baymond’scher Sjmptomencomplez, Erythrometalgie, transitorische Oedeme.
P&r die SegmenÜiagnose macht er darauf aufmerksam, dass auch oberhalb der
eigentlichen Gompreasion des Rückenmarks Veränderungen Platz gegriffen haben
können, wodurch unter Umstanden der Sitz des Tumors zu hoch localisirt wird.
Hit Bruns hält S. es für möglich, dass an der Innervation eines bestimmten Ge*
bietes nicht wie gewöhnlich 3, sondern selbst 5 V^urzeln sich betheiligen können,
auch sind individuelle Varianten möglich. Es ergiebt sich daraus, dass, wenn bei
einer Operation der Tumor nicht gefunden wird, man stets höher hinauf denselben
suchen muss. Zu Fehldiagnosen bezüglich des Sitzes können auch Schmerzen führen.
Partielle Empfindungslähmung kommt zwar auch bei extramedullären Sitz vor, dann
aber nur für kurze Zeit und meist nur einseitig. Schlesinger hält diesen Um¬
stand für verwendbar bei der Differentialdiagnose zwischen Affectionen des Conus und
der Cauda equina. Da für einen operativen Eingriff der centrale Sitz des Tumors
eine Contraindication darstellt, giebt Schlesinger eine Zusammenstellung jener
Symptome, die für den intramedullären Sitz sprechen. Als solche seien genannt:
bilaterale, segmental angeorduete, durch längere Zeit andauernde partielle Empfindungs-
lähmnng, besonders des Temperatursinnes, bei rapid fortschreitender bilateraler Muskel¬
atrophie und Entartungsreaction, gleich ausgebildete Parese beider Beine bei Affection
der oberen Extremitäten. Besteht oder bestand anderweitig ein Tumor, dann sind
bei halbseitigen Erscheinungen ein extramedullärer Sitz der Geschwulst wahrschein¬
licher, weil die metastatiscben Geschwülste meist nicht auf das Rückenmark Übergreifen.
Den Schluss des Buches bildet die Wiedergabe von 56 neuen, bisher nicht
publicirten Fällen von Rückenmarks- und Wirbeltnmoren, sowie ein Litteraturver-
seichniss (589 Kümmern), das an Vollständigkeit nichts zn wünschen übrig lässt
Redlich (Wien).
Psychiatrie.
36) tleber Fsyohosen bei Carolnomkaobexie, von Dr. A. Elzbolz. Aus der
psychiatr. Klinik von Prof. v. Wagner. (Jahrb. f. Psych. 1898. Bd. XVII.)
Verf. berichtet über 3 Fälle von Carcinom, bei denen sich sub finem vitae
Psychosen entwickelt hatten. Zunächst weist er nach, dass die Litteratur nur spär¬
liche UitÜieilangen über ein ähnliches Vorkommniss enthält; auch in der Litteratur
des Delirium acutum fehlen Hinweise auf das Carcinom als ätiologisches Moment.
Verf.’s eigene Fälle sind Folgende:
I. Ein 58jäbriger Mann erkrankte plötzlich unter den Erscheinungen eines
hsUocinatonischen Delirs, das in mehreren Kächten wiederkehrte. Darauf während
tweier Tage Verwirrtheit. Nach weiteren 4 Tagen besteht Apathie, intellectnelle
Abschwächung, aber Klarheit und Krankheitseinsicht. In der folgenden Zeit treten
Kaebbs wieder Hallucinationen und Delirien anf, bei Tag ist Pat. klar. Endlich
gebt der Unterschied im psychischen Verhalten zwischen Tag und Nacht verloren,
es treten mnssitirende Delirien auf, die bis zo dem 2 Monate nach Auftreten der
Psychose erfolgten Tode anbielten.
Die Obdoction ergab ein epidermoidales Bronchialcarcinom auf der Basis einer
sltsn tnbercolösen Caveme, mit Krebsmetastasen in den bronchialen und mediastinalen
Lymphdrüsen, Compression des rechten Vagus, Metastasen in der Wirbelsäule. Das
Hirn bot keine anffälligen Veränderungen dar.
II. Eine 49jährige Frau erkrankte plötzlich nnter den Erscheinungen der hallQ-
einatorischen Verworrenheit, die durch eine Woche etwa anhielt. Später wurde die
Kranke wieder klar, geordnet, jedoch bestand erhöhte Reizbarkeit. Nach wenigen
üigiVrcd oy Google
824
Tagen trat depressive Verstimmung auf, die vorübergehend einem tobsüchtigen Anfalle
wich. Nach 2 Tagen nenerliche Beruhigung und Klärung, Erankheitseinsicht; für
den Anfregungszustand besteht Amnesie. Es treten dann neuerdings schwere Ver¬
wirrtheitszustände abwechselnd mit Phasen relativer Klarheit auf, Bailucmation«i
sind dabei nicht nachweisbar. Snb finem vitae ist die Kranke dauernd verwirr^
unbesinnlich, lärmend. Somatisch finden sich Zeichen eines Lebercarcinoms mit all¬
gemeinem Icterus.
Die Obduction ergab ein exulcerirendes Carcinom im Pjloms mit Compression
dos Ductus cboledochus und Dilatation der grossen Oallengänge. Das Gehirn ohne
auffälligen Befund.
III. Bei einem BOjährigen Mann, der seit längerer Zeit ein Carcinoma recti
hatte, dessentwegen ein Anus praeternaturalis angelegt worden war, traten wenige
Tage nach dieser Operation psychische Störungen auf. Die Geistesstörung dauerte
bis znm 2 Monate später erfolgenden Tode an. Auch hier hatte die Psychose einen
intermittirenden Charakter. Neben Zeiten relativer Klarheit, in denen der Kranke
über die Entwickelung seines Leidens Auskünfte geben konnte, für einzelne Momente
der geistigen Störung volle Erankheitseinsicht hatte, jedoch eine gewisse geistige
Erschöpfbarkeit anfwies, fanden sich, insbesondere Nachts Zustande schwerer Ver¬
wirrtheit mit Unrohe, Ideeenflucht, flüchtigen Wahnideeen. Erst snb finem vitae
dauernde Verworrenheit. Während der klinischen Beobachtung hatte anfänglich
remittirendes Fieber mit geringen Temperatorsteigerangen, später continnirliches
Fieber bestanden.
Die Obduction ergab: Chronisches Oedem der Himhänte, einen kleinen circnm-
scripten, ganz oberflächlichen Erweichungsherd, entsprechend dem untersten Antheil
des rechten Gyrus occipito-temporalis med. und later; verjauchendes Carcinom dee
Bectnms mit jauchiger Periproctitis and Phlegmone in den beiderseitigen Leisten¬
gegenden, Emphysem der Longe, Atherose der Coronararterien, fettige Degeneration
des Herzens mit excentrischer Hypertrophie des rechten Herzventrikels, parenchy¬
matöse Nephritis.
Der zweite und dritte Fall zeigen in somatischer Hinsicht Complicationen. Im
zweiten Falle bestand ausser dem Carcinom Icterus. Gegen den Icterus als ätio¬
logisches Moment der Psychose verwerthet Verf. den Umstand, dass die bei letzterem
verkommenden Psychosen ein anderes symptomatologisches Gepräge haben, als in dem
beschriebenen Falle.
Im dritten Falle fand sieb als Coroplication parenchymatöse Nephritis und ein
Eitemngsprocess. Erstere dürfte Folge der Eiterung sein. Die Psychose und die
Eiterung zeigen jedoch in ihrem Verlaufe und in ihrer Intensität Incongmenzen, so
dass Verf. auch hier das Carcinom als die wabrscbeinliche Ursache der Psychose
ansiebt.
Als weitere Stütze für die Annahme, dass ancb in diesen beiden Fällen das
Carcinom die Störung im Centralnervensystem verursachte, zieht Verf. den Umstand
herbei, dass er bei denselben im Rückenmark mittels der Marchimethode Verändeningeo
nachweisen konnte, die den von Lnbarsch bei Carcinom beschriebenen Alterationen
entsprächen. Es fanden sich nämlich Degenerationen in einzelnen Fasern der hintermi
Wurzeln, desgleichen Degenerationen einzelner Fasern der Hinterstiänge und dw
Seitenstränge, in letzterem insbesondere in deren dorsalen Antheilen. Also ent¬
sprechend den Angaben von Lubarseb, Mitbetheiligung der hinteren Wurzeln and
zweitens eine diffuse Verbreitung des Processea. Von pyämischen oder septischen
Processen ist es bisher nicht erwiesen, dass sie ähnliche Degenerationen bewirken.
Es liegt also nahe anzunehmen, dass die im Blute Carciuomatöser kreisenden
Schädlichkeiten in ähnlicher Weise wie sie im Rückenmark zu anatomischen Läsionen
führen, im Grossbim vor Allem in seiner Rinde functioneile Störongen setzen, die
die Ursache der Psychose worden.
Google
825
Endlicl) sieht Yerf. die ziemlich weitgehende (Jebereinstimmang der Erankheits*
bilder in allen 3 Fällen als einen Hinweis für eine gemeinsame ätiologische Basis
derselben an. Als charakteristisch bezeichnet er zunächst das eigenthGmliche Yer*
halten des Bewusstseins. Es wechseln Zeiten relativer Klarheit mit solchen schwerer
Yerworrenheit ab. Während der Remissionen der psychischen Störung macht sich
eine grosse psychische Erschöpfbarkeit geltend. In der affectiven Sphäre beherrscht,
namentlich während der Zeiten der Yerworrenheit, depressive ängstliche Stimmung
das Bild. Der Ausbruch der psychischen Erkrankung war ein plötzlicher; im Beginue
bestanden Hallucinationen des Gesichtes nnd Gehörs, die zu Delirien verarbeitet
worden. Sie bildeten die Quelle fQr die während der Exacerbationen der psychischen
Störung geäusserten ffüchtigen Wahnideeen depressiven Inhaltes. In den Zeiten der
Yerworrenheit zeigten die Kranken auch ein ihrem Bewusstseinsinhalt entsprechendes
motorisches Verhalten. Somatisch bestanden die Erscheinungen schwerer Cacbexie.
Die Dauer der Psychosen betrug 3 Wochen bis 2 Monate.
Bezüglich des Zusammenhanges zwischen Carcinom und Psychose lassen sich
nur Yermuthnngen aufstellen. I^r die im Intestinaltracte localisirten Carcinome
wäre Autointoxication durch den gestörten Chemismus denkbar, wie dies schon
Lubarsch f&r die spinalen Veränderungen angenommen hatte. Für anderwärts
Torkommende Carcinome iräre eine durch Grawitz’scbe Experimente nahegelegte
Möglichkeit denkbar. Nach diesem Autor käme es durch Aufsaugen von Krebs*
zerfallsproducten zu einem vermehrten Abströmen der Lymphe aus dem Gewebe in
die Blutbahn, was auf das Gehirn übertragen, einer Entziehnng des für den Ersatz
erforderlichen Emäbrongsmateriales der psychisch - functionirenden Gehirnpartbieen
gleichkäme. Auch die Möglichkeit, dass die bei Carcinom beobachtete Psychose
Wirkungen eines im Blote circnlirenden eigenen Krebsgiftes sei, eine Erklärung, die
von Klemperer für das Coma carcinomatosum gegeben wurde, wäre heranzuziehen.
Redlich (Wien).
37) Augemmtersaohungen bei Cretinismus, Zwergwuchs und verwandten
Zuständen, von Dr. Richard Hitschmann. (Wiener klin. Wochenschr.
1898. Nr. 27.)
Verf. stellte seine Untersuchungen an Cretins der Steiermark an im Sommer
1897. Einleitend giebt er die Beschreibung zweier typischer weiblicher Cretins im
Alter von 46 bezw. 47 Jahren.
Die Zahl der untersuchten Fälle beträgt 58.
Epicanthns war 12 Mal vorhanden und dürfte auf die Deformation der Nasen*
Wurzel nnd die Hantverdickung znrückzofübren sein.
Auf letzterer beruht auch eine auffallende Entstellung der Lider, nament*
lieb der Oberlider, bestehend in Schwellung und Verdickung der Lidhaut und wulst¬
artigem Herabhängen derselben w^en lockerer Anheftung an den Tarsus nnd die
Fascieubflndel des Levator palpebrae, was ein der Ptosis adipusa ähnliches Bild giebt.
Diese Veränderung fehlte nnr bei 2 Individuen.
Nicht selten findet sich chronischer Catarrh der Lidconjunctiva, Ekzeme
der Lidränder und Augenwinkel, vielleicht als Folge von Störungen in den
Thränenableitongswegen, wozu Personen mit Sattelnasen im Allgemeinen disponirt
sind; wenigstens fand Yerf. nicht selten Thränenfiuss. In einigen Fällen war die
Conjonct. palpebr. ausserordentlich blass.
Strabismus divergens fand sich ein Mal, und ein Mal Ectopia pupillae
ohne sonstige Bildungsfehler des Auges.
Der Augenbintergrund war in der Oberwi^enden Mehrzahl der Fälle normaL
Als congenitale Anomalie fanden sich bei 6 Fällen nach unten gerichtete Sicheln
nnd daneben zwei Mal die von Fuchs beschriebene verkehrte Gefässvertheilnng.
In einem Falle bestand das Bild einer Pseudonenritis.
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826
Als wahrscheinlich nicht congenitale Befände fand Verf. ein Mal Terschwoznmene
Grenzen der blassen, nicht excavirten linken Papille, ein Mal war diese excavirt,
ihre Farbe weisslich, die Tfipfel der Lamina cribroaa sichtbar, die Venen etwas
weiter, ein Mal zarte Pigmentveränderungen in der rechten und drei grössere rund'
liehe Pigmentklampen, von schmalen gelblich'Weissen Höfen umgeben in der linken
Macula lutea; in einem Falle circumpapUläre Chorioidealatrophieen mit Pigment¬
wucherung im linken Auge.
In einem in der Klinik Fuchs beobachteten Falle fand sich eine Cumbination
angeborener und erworbener Anomalieen: Astigmatismus gegen die Regel, Bxcavation
der Papille und Sichel nach unten, verkehrte GefSssvertheilnng, diffuse Chorioiditis,
GlaskörpertrQbungen und Cataracta corticalis post.
Nach Besprechung der von anderen Antoren an Cretins erhobenen Augenbefnnde
kommt Verf. zu dem Schlüsse, dass Sehstörungen bei Cretins, basirt auf Läsionen
der Nervi oder Tractus optici recht selten sind und sich znmindestens nicht als durch
Hypophysisgeschwulst entstanden nachweisen lassen.
Augenuntersnehungen bei Zwergwuchs:
Bei einem 30jährigen, 118 cm hohen Zwerg waren die äusseren Theile des
Auges normal. Visus rechts: + 4,0D.sph.kein Astigmatismus; links:
+ 0,5 1).sph. ^/g?; rechts normaler Fundus, links physiologische Excavation,
Andeutung von verkehrter Gefässvertheilung. Beiderseits normales Gesichtsfeld.
Schilddrüse normal.
Bei einer 227gjährigen, 125 cm hohen Zwei^in kein pathologischer Befand.
Sehstörungen bei Ausfall der Schilddrüsenfunction sind gewiss nicht immer Folge
einer consecutiven Chiasma oder Tractus lädirenden Hypopbysisvergrösserung (üht-
hoff), da diese Vergrösserung in der Regel nicht hochgradig genug ist, bei Cretins
die Hypophysis oft gerade durch ihre Kleinheit au^llt; speciell für den echten
Zwergwuchs sei die Annahme einer Hypophisisgescbwulst bini^lig.
J. Sorgo (Wien).
38) lieber die urttmiaolien Fayohosen, von Dr. Ernst Bischoff. (Wiener
klin. Wochenschr. 1698. Nr. 25.)
29 Jahre alter Beamter; im 15. Lebensjahre acute Nephritis. Vor 4 Monaten
plötzlich Sehstörung und Mattigkeitsgefflhl. Er hatte eine Retinitis albuminarica
und Eiweiss im Urin. Vor 3 Wochen urämischer Anfall, nachdem 3 Tage vorher
blutiger Ham anfgetreten war und mehrere Tage Uiinretention bestanden hatte. Za¬
gleich totale Amaurose. Weiterhin bestand Somnolenz und Amnesie für das Vor¬
gefallene. Dabei lachte er, es bestand motorische Unruhe, Geschwätzigkeit. Daraaf
folgte ein Excitationsstadium. Tags darauf ruhig, orientirt, Besserung der Amaarose;
das kindische Wesen blieb bestehen. 6 Tage später wieder Stauungswechsel, grosse
Heiterkeit, 2 Tage darauf Tobsuchtsanfall. Bei der Aufnahme am selben Tag«
ist Pat motorisch sehr erregt, schmiert, abstinirt. Am folgenden Tage somnolent,
Miosis, Pupillenstarrheit, Steigerung der Reflexe. Urin alkalisch, 1010, klar, Bi-
weiss 37oo> Zucker. Amblyopie, kann auf 1 m Finger zählen, Herzdämpfang
nach rechts und links verbreitert. In den folgenden T^en ist Pat motorisch on-
ruhig, ängstlich verstimmt; Abstinent, ab and zu Echolalie, dabei grosse HinßUig-
keit. Vom 9. Tage seines Aufenthalts im Irrenhaose an Anurie, Somnolenz, urämiseb«
Zuckungen, Kräfteverfall. Tod am 12 Tage. Keine Obdnetion.
ln der Epikrise bespricht Verf. die Pathogenese, Aetiologie. Symptomatologie
und Therapie der Krankheit und fasst seine Erörterungen in folgenden ^hlnsssätxen
zusammen:
Die Urämie, und zwar sowohl die acute, als die chronisch entstandene, führt
mitunter zu acuter Geistesstörung. Zumeist ist die Ursache dieser Geistesstörang
D g Ii^od oy GoOg IC
827
die orämificbe Intoxicatioo, in seltenen Fällen d&rfte die Psychose aber als Folge
nrämischer Krampfanfälle, ähnlich einem epileptischen Dämmerzostande anftreten,
endlich besteht die Möglichkeit, dass eine vorhandene nrämische Ämaorose die
Psychose verursachen könnte.
Die urämische Psychose verläuft fast immer unter den Erscheinungen der acuten
Verwirrtheit und ist gegenüber den anderen Formen dieser Erkrankung häufig durch
das Vorhandensein von Störungen von Seite des centralen und peripheren Nerven*
Systems ausgezeichnet. Diese Störungen ähneln mitunter den paralytischen Lähmungs-
erscheiuungen, und da in manchen Fällen urämischer Psychosen auch auf psychischen
Gebiete eine allgemeine Herabsetzung der Functionsföhigkeit vorherrschend ist, welche
als Intelligenzschwäche und Gedächtnissdefect impuniren kann, wird die Unterscheidung
dieser Fälle von der progressiven Paralyse vorübergehend auf Schwierigkeiten stossen.
Wenn die urämische Psychose erheblich psychopathisch Belastete betrifft, scheinen
sich dem Symptomenbilde der acuten Verwirrtheit häufig catatonische Züge beizu*
gesellen. J. Sorgo (Wien).
Therapie.
39) Ein Beitrag aur Qinoke’sohen Lumbalpunotion bei Kindern, von Dr.
Cassel. (Jahrbuch f. Einderbeilk. XLYII. 1898.)
Die Erfahrungen, welche der Verf. an 15 Fällen von Lumbalpunction bei Kindera
gemacht, gleichen den zahlreichen Befunden, die man in letzter Zeit bei Erwachsenen
gesammelt. Die Technik bot keine Schwierigkeiten; es genügte zur Vornahme der
Function eine gewöbnlichePravaz’scheNadel. In 9 Fällen von tuberculöserMeningitis
bildeten sich in der entleerten Flüssigkeit Fibringerinnsel; nur 3 Mal gelang das
Anffinden von Tuberkelbacillen; bei einem Kinde mit cerebrospinaler Meningitis fand
sich eine trübe Lumbarflüsslgkeit mit dem Meningococcus intracellalaris, in einem
Falle anscheinend traumatischer Meningitis entleerte sich eine bakterienfreie, blut-
haltige Flüssigkeit; zwei Kinder mit chronischem Hydrocephalus wiesen völlig klare
FunctionsfiOssigkeit auf. Zwei Mal war der Versuch einer Function erfolglos. Tbera-
peutisch hatte die Behandlung höchstens nor einen vorübergehenden Erfolg. Das
jüngste punctirte Kind war erst 4 Wochen alt. Zappert.
40) Ueber die Lambalpnnotion, von Beinbold Peters. (Inaug.-Dissert. 1897.
Berlin.)
Nach einer sorgßltigen Uebersicht über die bisher vorliegenden Erfahrungen
über die Lumbalpunction berichtet Verf. über 35 bei 23 Kranken ausgeführten Func¬
tionen ans Goldscheider’s Abtheilung in Moabit.
lu 9 Fällen von Meningitis tobercnlosa wurde 11 Mal puuctirt Der Drock war
stets gering, io 2 Fällen stark vermehrter Albomengehait der entleerten Flüssigkeit,
Spuren Zucker nur in 2 Fällen. Tuberkelbacillen worden 4 Mal naehgewieeen. Thera¬
peutischer Erfolg gleich Null.
In 1 Falle von eitriger Meningitis ei^b die zweimalige Function stark eiweise-
nnd znckerhaltige Flüssigkeit unter geringem Druck mit reichlichem, vorwi^end aus
poly- und mononucleären Leakocyten bestehenden Sediment. Nach der ersten Func¬
tion Schwinden der Kopfschmerzen.
In 1 Falle von Meningitis sero-purulenta chronica wurde 5 Mal punctiri Nach
jeder Function vorübei^ehende Besserung der subjectiven wie der objectiven Symptome.
Gebessert entlassen.
ln 1 Falle von Meningitis serosa schnelle Besserung nach der Function. Fat
wurde geheilt entlassen.
Dig :i^cd cy Google
828
In 2 Fällen von Tumor cerebri wurde je 3 Mal punctirt. Der Druck der
Flbssi^keit war uemüch hoch. Nach jeder Function Besseniug der Bubjectiren und
gewiaser objectiver Symptome. In dem einen Falle ging jedes Mal die Stanongs-
papUle etwas zarbck.
Auch in 3 Fällen von schwerer Anämie mit Himdruck- und BeizerscheinuogeD
trat nach der Punction erhebliche Besserung der cerebralen Symptome ein.
Bei Urämie trat ein Mal vorObergehende, ein Mal gar keine Besserung ein.
Die anderen noch mitgetbeilten Fälle sind ohne Interesse.
Deble Folgen der Function zeigten sich nie, nur in 1 Falle von Hirntumor
musste wegen heftiger Kopfschmerzen die Punction abgebrochen werden.
Martin Bloch (Berlin).
1X1. Aus den Qesellsohaften.
Oesellsohaft der Neurolc^n and Irrenärste su Uoskau.
Sitzung vom 8. Mai 1898.
Dr. N. Th. Schataloff: 3 Fälle von sog. ankylosirender Entsandung der
Wirbelsäule.
Vortr. stellt 3 Fälle von ankylosirender Entzfindung der Wirbelsäule vor:
I. Fabrikarbeiter, 29 Jahre alt. Nach einer Erkältung vor 8 Jahren stellten
sich wiederkehrende Schmerzen in der rechten SCeissbeingegend, seit ö Jahren,
Schmerzen in den Seiten und in dem Bücken ein. Seit 2 Jahren haben sich die
Schmerzen nach Hebung einer schweren Last verschärft und zu derselben Zeit ent¬
wickelte sich progressiv eine Verkrümmung der Wirbelsäule. Gegenwärtig ergab (üe
in der Nerveoklinik des Prof. Eosbewnikoff ansgeführte Untersuchung eine bogen-
fürmige Kyphose und vollkommene Unbeweglichkeit der Brustwirbelsäule; im Lumbal-
theil ist die Bew^licbkeit ganz gering, im Halstheil gut. Gürtelgefühl. Haut-
Sensibilität normal. Patellarreflexe gesteigert.
II. Schlosser, 46 Jahre alt. Vor 8 Jahren Fall mit dem Bücken auf das Eis.
Von dieser Zeit an Schmerzen im Bücken, Schwäche in den Beinen und eine all¬
mählich zunehmende Verkrümmung der Wirbelsäule. Die Untersuchung stellt eine
scharfe bogenförmige Kyphose im ganzen Bnisttbeii nnd oberen Lumbaltheil der
Wirbelsäule bei gleichzeitiger Unbeweglichkeit derselben fest. BewegungsmCglichkeit
im Halstheil eingeschränkt. Bei Bewegung des Körpers Schmerzen im Kreuz, in
den Leisten und den vorderen Seiten der Schenkel. In den Händen Tremor und
morgens Vertaubungsgefühl. Hautsensibilität normal. Patellarreflexe erhöht Im¬
potenz.
III. Lehrer, 50 Jahre alt Seit 1879 Schmerzen in den Gelenken der unteren
Extremitäten und der Wirbelsäule hauptsächlich bei Bewegung. Schon seit 9 Jahren
hat der Kranke Bewegungseinschränkung des Bückens und seit 5 Jahren des Halses
beobachtet. Es stellte sich ein Gefühl des Zusammenziehens in den Beinen nnd im
letzten Monat starke Schmerzen bei Bewegung der Hüften und Schenkel ein. Die
Untersuchung ergab bogenförmige Kyphose des Hals- nnd oberen Bmsttheils der
Wirbelsäule. Weiter unten ist die Wirbelsäule gestreckt und unbeweglich. Die
Bewegung im Hüftgelenk beschränkt. Bewegoi^n im linken Kniegelenk sind mit
Knirschen begleitet. Atrophie im Unken Ober- und Unterschenkel mit Herabsetzung
der elektrischen Erregbarkeit in den Muskeln. Geringfügige tactile und Thermo-
anästhesie der äusseren Fläche des rechten Unterschenkels; hierselbst auch gesteigerte
Schmerzempfindung. Fusssohlenreflex fehlt. Patellarreflex kaum angedentet. Bandi-
nnd Cremasterreflex fehlt.
Als hauptsächlichstes Symptom der beschriebenen Krankheit steUt sich die Be-
wegnngseinschränkung oder die völUge Bewegui^losigkeit in mehr oder wenigv
ig g^cd cy Google
829
grosser Ausdebnang dar, zuweilen mit B^leiterscbeinungen von Seiten anderer Gle*
lenka Nicht selten beobachtet man dabei Scbmerzempfindnngen in der Wirbelsäule
«ad den Extremitäten mit Parästhesieen von Terscbiedenem Charakter, zuweilen auch
Anästheeieen (Fall III).
Das Verhalten der Haut* und Sehnenreäeze kann im doppelten Sinne beein¬
flusst sein.
Hinsichtlich der Aetiologie des Leidens spricht der Vortr. die Meinung ans,
dass sie vielleicht abhängig sein könnte „von der frühzeitigen Erschlaffung gewisser
bindegewebiger und knöcherner Theile des Skeletts auf dem Boden hereditärer mangel¬
hafter Entwickelung.“ Das Trauma, Erkältung u. s. w. ist der Vortr. geneigt, als
die Entwickelung der Krankheit begünstigende Momente anzasehen.
Discussion:
Prof. Koshewnikoff nnd Dr. W. Muratoff glauben, dass die Ankylose der
Wubelsäule aus ganz verschiedenen Ursachen eintreten kann.
Dr. A. Korniloff spricht die Huthmaassung aus, dass die Muskelatrophie (in
einem der Fälle) in Abhängigkeit von der Arthropathie zu stellen sei.
Dr. L. Minor berichtet über einen von ihm untersuchten Kranken, bei dem
neben Unbeweglichkeit der Wirbelsäule Miosis einer Pupille und Coxitis beobachtet
wurde; die Wirbelsäule war gestreckt.
Prof. Rothe glaubt, dass Ankylose der Wirbelgelenke auch ohne Arthritis be¬
stehen kann.
Dr. A. N. Bernstein: Zwangssuoht sur Einführong von Fremdkörpern
in den Organismus.
Vortr. demonstrirt eine Patientin von 43 Jahren ohne hereditäre Belastung,
welche an Melancholie mit Widerwillen znr Nahrungsaufnahme erkrankte. Ein zu-
^g zerkautes Stückchen Umschlagpapier übte auf sie eine eigenthümlicho beruhigende
Wirkung ans, und die Patientin nahm von nun an ihre Zuflucht zu diesem Mittel,
am ihre Uemütbsstimmung zu betäuben. Eine Nicbtbefriedigung des Hanges zum
Papieresseu rief eine tiefe traurige Verstimmung und Niedergeschlagenheit hervor.
Einen Monat nachher wurde das Papier durch Lehm verdrängt und noch zwei Monate
später durch Sand, von dem sie bald einen Eimer täglich vertilgte. Die Nahrungs-
aafnahme ging dabei auf ein Minimnm berab. Die Patientin kam sehr herunter, es
stellten sieb gastroenteritische Beschwerden ein. In der Moskauer psychiatrischen
Klinik wurde eine Entwöhnung vom Sande dnrehgeführt, wobei die gewöhnlichen
Erscheinungen der Entwöhnungskuren beobachtet wurden: unruhige Schwermuth, Oe-
fühl von Brennen in der Magengrube und im Halse, unwillkürliche Thränenabsonderung,
allgemeine Schwäche und Verlangsamung des Pulses: eine Dosis Sand brachte alle
diese Erscheinungen momentan zum Schwinden. Indem der Vortr. auf diese Analogie
hinweist, theilt er die Zwangshandlungen in 3 Gruppen:
1. Zwangsacte: die Zwangsidee strebt sich im gewohnten Acte zu verwirklichen,
ohne dass die Verwirklichung desselben mit der Befriedigung des Selbstgefühls zu-
sammenfallt.
2. Zwangstrieb: das Selbstgefühl, welches dorch die Erwartung eines nnlieb-
Samen Ereignisses gestört ist, strebt einen indifferenten Act zu verwirklichen, welcher,
die Gefahr beseitigend, das seelische Gleichgewicht wieder faerstellt.
3. Das primär gestörte Selbstgefühl strebt eine ersehnte Handlung zn ver¬
wirklichen, welche nnmittelbar das seelische Gleichgewicht wieder bersteilt.
Zu dieser letzten Gruppe gehören die Toxomanieen und jene nicht selten bei
den Melancholikern beobachtete Zwangssneht, deren Verwirklichnng zeitweilig die
schmerzliche Verstimmung anfhebt.
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830
DucoHion:
Dr. Ä. Tokarsky hält die yorgeschlageoe Classification der ZwangshaDdlnng«
fDr nicht genflgend.
Ferner betheiligten sich ansaerdem Dr. Jakowenko, Prof. Korsakoff fmd
Prof. Eoshewnikoff.
Dr. N. Solowaoff: Ueber angeborene KiMbUdong dee centralenüferren*
Systems.
Die hänfigste Ursache der angeborenen Missbildung des Centralnerrensystems
ist der Hydrocepbal. congen. internus. Bei hohem Entwickelnngsgrade dieses Processes
sind die Seitenrentrikel in dem Hausse au^ezogen, dass sie die ganze Schädelhöhle
einnehmen. Das Septum pellucidum und das Corp. callos. Terschwinden, die Hirn¬
rinde bildet unter dem Rinflnsse des hohen Druckes bloss noch eine dQnne Lamelle,
an der Himbasis bleiben nnr der Thalam. opt. und der Kucleus lenticul. bestehen;
das Eleinhim dagegen bleibt unter dem Schutze des Tentor. cerebelli nnversehit
Mit dem Fehlen der Binde fehlen ebenfalls die Corpora geniculata und das Pnlvinar,
die Vierbfi^elarme aber unentwickelt An Präparaten nach Pal lässt sich nach-
weisen: Fehlen der Pyramidenbahnen, der Bahnen, welche durch den Pes pedanc.
Terlaufen und ein fast yölliger Schwund der zerstreuten BQndel der SchleifeDschicht
Bei einer derartigen Entwickelungshemmung lebte in ‘einem Falle das Kind 2 Jahre.
Wenn der Hydrocephalus in einer frQheren Periode des intrauterinen Lebens begann,
so bleibt das Schädeldach, in Folge von starker Erweiterung der primären Himblase,
in seiner Entwickelung stehen, und es bleibt nur die Schädelbasis allein, welche mit
einem Häutchen bedeckt ist, welches in das Bdckenmark zieht, über, in dem wir die
Hinterstränge und die GrnndbQndel der Vorder- und Seitenstrangbahnen finden.
Wenn sich aber der Hydrops auch auf den Centralcanal des Rückenmarks er¬
streckt, so beobachtet mau mit dem Fehlen des Schädeldachs auch der hinteren
Wirbelbögen in der ganzen Ausdehnung des Bflckennuirks oder nur im oberen
Theil. Au der Stelle, wo der BQckenmarkscanal geschlossen bleibt, erreicht die
Breite des BOchenmarks nicht mehr als 1 mm. Die Zellen der Vorderhörner erweisen
sich, nach der NissTschen Methode nntersucht, in den Fällen der Missbildung mit
Fehlen der Pyramidenbahnen im Zustande embryonaler Entwickelung, die Zellen der
Interyertebralganglien dagegen sind nicht verändert
Discuesion:
Prof. Kosbewnikoff äusserte sich mit einigen anerkennenden Worten.
Q. Bossolimo. W. Murawieff.
Sitzung vom 15. Mai 1898.
Dr. Q. J. Pribytkoff und Dr. N. S. Jwanoff: Zar pathologiBOhen Ana-
tomie dep GUamatose.
Patient, 43 Jahre alt, Ulcns indaratnm vor 20 Jahren. Im October 1895 in
das Moskauer Golizyn’scbe Krankenhaus aufgenommen. Schiessende Schmerzen in
den unteren Extremitäten, Störung der Sensibilität aller Qualitäten in den onteren
Extremitäten, im Rumpf und in den Armen, ausgesprochene Ataxie in den Beinen,
weniger in den Armen, Patellarreflexe fehlen, Pupillenstnrre, Obstipation and Beteni
nrinae. Anfang der Krankheit 5—€ Jahren vor Eintritt ins Krankenhaus. Anfang
Januar 1896 Fieber, im Ham Eiweiss und Eiter. 14. Februar Exitus.
Diagnose: Tabes dorsalis.
Autopsie. Todesursache: Pyämie in Folge von Pyelonephritis suppurativa et
urocystitia gangraenosa; ausserdem findet sich: Sklerose der Hiuterstränge Itogs der
DiQ'ii^od
Google
831
ganzeo Aasdebonng des Bückeomarks, gliomatöse Neubildang im Halstbeil, Hjdro*
cepbalas iDtern.
Mikroskopiscbe üntersochui^f: Im Lendenmark und Brnstmark das gewöboliche
Bild der Tabes; Pia mater verdickt, die hinteren Wurzeln atrophisch. Im Ualstheil
ist dieses Bild mit Gliomatose combinirt. Die gliomatöse Neubildung beginnt in der
Uitte des I. und endigt mit dem IV. Halssegment. Die peripheren Tbeile der Neu*
bildung seien an zelligen Elementen und verdickten und hyalindegenerirten Wan¬
dungen. Id den centralen Theilen finden sich häufig Stellen mit homogen hyalin-
degenerirten Gliafasern. Zu Ende des I. Segments beginnt im Centrum der Neu¬
bildung eine Höhle, welche bis zur Mitte des III. Segments reicht, wo sie verschwindet;
zu Ende des II [. Segments aber erscheint sie wiederum, um jetzt ununterbrochen bis
zu Ende des YI. Segments zu ziehen.
Sowohl die untere wie die obere Höhle conflniren stellenweise mit dem Central¬
canal und an diesen Stellen ist die vordere Wand der gemeinsamen Höhle mit Epi¬
thel ausgekleidet. Dort, wo der Centralcanal getrennt liegt, ist er etwas verbreitert
und mit Epithel umsäumt, welches in mehreren unregelmässigen Schichten angeorduet
ist. Änf dem Querschnitt des Rfickenmarks nimmt die Neubildung fast die ganze
graue Commissnr und das vordere Drittel der Hintentränge ein. Stellenweise ist
die die Wandung der Höhle constituirende Neubildung in von oben nach unten ver¬
laufende Längsfalten znsammengelegt, welche auf dem Querschnitt des BQckenmarks
papillenförmigo Figuren bilden, die in das Lumen der Höhle hineinragen. Im
Brust- und Loinbalmark ist der Centralcanal etwas erweitert, stellenweise doppelt
und von Anhäufungen epithelialer Zellen on^eben. Unmittelbar über der Neubildung
fängt der Centralcanal an sich rasch zu vergrössern und nimmt bald der grauen
Commissur ein. Wie in den unterhalb gelegenen Theilen, so ist auch hier eine
ebensolche Anhäufung von Zellen. In der Med. obl. finden sich an Stelle des Central¬
canals mehrere Canäle und Spalten, welche mit Epithel ausgekleidet sind und in¬
mitten von wuchernder Glia liegen. Solche Canäle und Spalten finden sich auch
unter dem Ependym des IIl. und IV. Segments und der Seitenventrikel und auch im
Aquaed. Sylv. Ausserdem Ependymititis grannlosa.
Die Anwesenheit einer ganzen Beihe von Anomalien von Seiten des Central¬
canals geben den’Vortrr. Veranlassui^, anzunehmen, dass diese Anomalien im ge¬
gebenen Falle den Boden zur Entwickelung der Gliomatose abgegeben haben. Die
auf einer ganzen Scfanittserie zu verfolgende Bildung von Höhlen und die diesen
vorangegangene Veränderung des gliomatösen Gewebes, lässt die Vortrr. denken, dass
die Höhle in Folge von regressiver Metamorphose des Gewebes im Centrum der
Neubildung sich gebildet hat. Die Tabes dors. ist hier bloss eine zufällige Com-
bination.
Discusaion:
Dt. Muratoff ist, auf Grand von eigenen Beobachtungen, der Meinung, dass
die Syringomyelie und Hydroc. inter. chron., welche sich häufig combiuiren, eine
einheitliche Krankheit vorstellen.
Prof. Botb lässt einen Zusammenhang zwischen Syringo- und Hydromyelie zu.
Prof. Eoshewnikoff weiset auf das Demonstrative der Präparate hiu.
G. J. Bossolimo: Das Gowere'sohe Bündel, sein Verlauf und Endigung
im Orosshim. (Der Vortrag erscheint in extenso in d. Centralbl.)
An der Discusaion betheiligten sich die Dir. G. Fribytkoff, A. Korniloff
und Prof. Eoshewnikoff.
Dr. G. J. Pribytkoff und Dr. Maloljetkoff: Rfiokenmarksabsoeas.
Frau N. N., 60 Jahre alt. Im Laufe des März 1898 leichtes Unwohlsein. Am
6. April entwickelte sich rasch Paralyse des rechten Beins, am Morgen des 7. April
D g : 7cd / G OOglC
832
Paralyse des linken Beins, Betentio urinae. Am 8. konnte Fehlen der Fatellarreflexe
und complete Anästhesie der onteren Extremitäten and des Bampfes bis 2 Finger breh
unterhalb des Nabels constatirt werden. Am 11. April wurde Patientin in das
Hoskaoer Golizjn’sche Hospital aofgenommen. Hier wurde, ausser d«i angefQkrtso
Erscheinungen, die obere Grenze der Anästhesie bis zum Nabel bestimmt; Schmerzm
in dem Halse und den Armen. In den folgenden Tagen erreichte die obere Grenze
der Anästhesie die Höhe der 3. Bippe, es stellte sieb Paralyse der BQcken-, Bauch«
und der Intei^costalmuskeln ein; die Athmung und das HerausbefOrdem des Spotums
ist erschwert, Patientin athmet hauptsächlich mit Hälfe des Diaphragma; am Krem
Decubitus, Betentio urinae et aWi. Bewusstsein erhalten, Fieber von nnregelmässigrai
Typus 37,5—38,1; Pulsus celer 120—125, schwach. Athemnoth, Cyanose.
In der Nacht vom 16. zum 17. April Exitus.
Diagnose zu Lebzeiten: Myelitis acuta asceudens.
Section; Im Bäckeumark vom Conus meduU. bis zur Höhe des 11. Bmst-
segments inclusive ein Eiterherd, welcher längs dieser ganzen Ausdehnung die een«
tralen TheUe des Bückenmarks eiunimmi Die Anhäufung des Eiters ist stellen*
weise mehr oder geringer und dementsprechend stellt der Brasttheil des BAckeumarks
eine Beihe (5—6) von spiudelförmig aufgetriebenen Segmenteu dar, welche durch
Einschnürungen von einander getrennt sind. Der Lumbaltheil und der Conus medull
sind gleicbmässig verdickt
Bei der mikroskopischen Untersuchung erweist sich der Eiterherd im Centrum
des BOckenmarks, dorsal von der Coromissura grisea, in der vorderen Hälfte der
Hinterstränge, sein Querdurchmesser ist bald grösser, bald kleiuer, die Gestalt eben*
falls mannigfaltig. Die hinteren Hörner der grauen Substanz sind stellenweise stark
comprimirt und aasgezogen; die Commissur und die Hinterhömer sind stark com*
primirt und nach vorn gedrängt (nur in einem Segment bat eiu einzelner kleiner
Eiterherd das Vorderhom zerstört). Der Centralcanal liegt Qberall oberhalb des
Eiterherdes. Geringe Ansammlung von Eiter im Lumbaltheil und Conus medull.
Die Nervenelemente haben stark gelitten: sie sind stellenweise zerstört, stellenweise
comprimirt, aber entzündliche Erscheinungen lassen sich nicht constatiren. Im
Brasttheil ausgesprochene diffuse Myelitis. Dura mater überall normal; in der Pia
mater entzündliche Erscheinungen und eitrige Infiltration, verhältnissmässig gering
im Lumbaltheil und noch geringer im unteren Brusttbeil. An der Pia mater dM
Grosshims, an der Basis, am Tuber einer, und den Corpor. mamill. geringe Mengen
von Eiter. Grosshirn und Kleinhlmsubstanz bieten nichts besonderes. Die inneren
Organe sind frei von Eiter.
Die bakteriologische Untersuchung ergab hinsichtlich eltererregender Mikro*
kokken negative Besultate; aber au mit Tiouiu gefärbten Bückenmarksschnitten wurdm
im Eiterherde geringe Mengen von kleinen Aktiaomycesdrüsen gefunden (nach Be¬
stimmung von Prof. M. N. Nikifaroff).
Discussion:
Prof. Koshewnikoff weist auf das Interesse dies Falles hin, hält aber zom
Nachweise des Vorhandenseins von Aktinomycespilzen im Bückenmark beweisendere
Präparate für nöthig.
Ausserdem betheiligten sich noch Dr. G. J. Bossolimo und Prof. Both.
A. Bernstein. W. Mnrawieff.
Um Eineendnng von Separatabdrücken an den Heransgeber wird gebeten.
Einsendongen für die Bedaction sind zu richten an Prof. Dr.E.Mendel,
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Verlag von Vkit & Coxp. in Leipzig. — Druck von Mstzobe & Wnno in Leipzig.
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oder unmöglich ist. Prospecte und Casuistik gratis.
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Zn beziehen durch
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1898.
15. September.
Nr. 18.
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1898. 15. September. Nr. 18.
Inhalt: I. Originalmltthsilungen. 1. lieber eine eigenartige psjebopatbiscbe Form
der Ketentio urinae, von Prof. Dr. W. v. Bechterew in St- Petersburg. 2. Meningitis ventri«
colaris chronica adultorum. Plötzlicher Tod bei derselben, von Oberarzt Dr. Bresler (Frei*
borg L/Sobl.). 8. Zwei Fälle tod Hirntumor mit genauer Localdiagnose, von Dr. L. Bruns
jn Uannorer. (Schloss.)
II. Befernte. Anatomie. 1. The origin and destination of oertain afferent and effe¬
rent tracts in the medulla oblongata, by Rüssel. — Experimentelle Physiologie.
2. Ijs contracture tdtaoiqoe n’est paa fonctlon d’une lesion apprwiable des cellnles nerveuses
medullaires, par Courmont, Doyon et Paviot. 8 . L’dtat des yeux pendant le sommell et la
tbeorie du sommeil, par Berger et Loewy. — Pathologische Anatomie, 4. The neoro-
moscular bandles (MuskelknoiMn, MaskelspindelD, Faisceauz nearomuscalaires), by Spüler,
ö. Etat du faisceau pyramidal (bulbe et moelle epinierej dans qoatre cas de contracture
Bpasmodique infantile (syndrume de Little), par Philippe et Cestan. — Pathologie des
Nervensystems. 6. uontributiou ä l’etude de la pseado-möoingoc^le traumatique, par
Josias et Roux. 7. Die pathologische Schwere, von Adamklewicz. 8. Encephalopathies con-
sequent on Influenza, by Oordon. 8 . A stody of a case of acute haemorrbagic (non
auppurative) encepbalitis, bv Wiener. 10. A case of cerebellar haemorrbage. 11. Hae-
morrhage into pons, seconda^ lesions of lemniscus, posterior longitudinal fasciculi, and
flocculus cerebelli. by Bee and Tooth. 12. Obserrations on brain sargery suggested by a
case of multiple cerebral hemorrhi^e, by Watten and Brooht. 13. Unilateral retinal cbanges
io cerebral haemorrbage, embolism and tbrombosis, by Willlamson. 14. Ueber einen durch
Cerebrospioalmeningitis compLicirten Fall von Apoplexie im linken Sebbügel, von Tantzen.
15. Haemiplegia durine typnoid fever, by Rollaslon. 16. An unusnal case of hemiplegia,
by Bpiller. 17. Du ^änomene des orteils et de sa valeur semiologique, par Bablnshi.
18. Mlachement des muscles dans I*b4mipl4gie organiqae, par Babinskl. 19. De quelques
uioavements associäs du membre inferieor paralvs^ dans l’bämiplägie organiqae, par Babinskl.
20. Ueber das Wesen und die Entstehung aer bemiplegischen Contractor, von Mann.
21. Klinischer Beitrag zur Lehre von der Hemianaesthesia altemans, von Bernhardt. 22. Zur
Athetosis bilateralis, von v. Krafft-Eblng. 23. Sur ratrophie des os du eöte paralysä dans
l’hämiplägie de l’adulte, par Dejerins et Thsohari. 24. Ueber Fortbestehen von Tic convulsif
bei gleichseitiger Hemiplegie, von Nabel. 26. Central entstandene Schmerzen. Ein neuer
Fall mit Sectionsbefund, von Relchenbera. 26. Zur Pathologie der Hemiplegieen im Qefolge
des Keacbhustens, von Luce. 27. Ein von infantiler Hemiplegie nach Diphtherie, von
Wwhigamuth. 28. Oase of spastic hemipligia of gradual onset, following a severe attack of
euteric fever, and terminating in insanity, by Steven. 29. Cerebral baemorrhage in a child,
by Lea. 30. Hemiple^'a (possiblv hysteria) with ankie clonos, by Burr, 81. Ueber die
tberapeutische Anwendnng der Elektricität bei Hemiplegie, von Sieletzkil. 32. Ueber cere¬
brale Dipl^een im Kindesalter (Little’scbe Krankheit), von Massalongo. 33. Ueber cerebral
bedingte Coroplicationen, welche der cerebralen Kinderlähmung, wie der einfachen Idiotie
gemeinsam sind, sowie über die abortiven Formen der ersteren, von Koenlg. 34. Ueber die
Westpbal’scbd Pseudoskleroee and Uber difi’ose Hirnsklerose, insbesondere bei Kindern, vou
StrOmpell. 35. Ueber diffuse Hirnsklerose, von Heubnsr, 36. Sclerose cerebrale bemispb^rique:
Idiotie, b4miplegie droite et Epilepsie conseoutivcs, par Bourneville. 37. Paraple^c spasuio-
diqae infantile, par VIrsiola. 38. Zur Therapie der Kinderlähmungen. SebnenUtmrpflahzung
in einem Falle spastischer cerebraler Paraplegie (sogen. Little'scher Krankheit), von Eulen¬
burg* 89. Transplantation of tendou for infantile parslysis, by Eve.
53
.Google
834
III. BibliOfraphi«. Physiologie der HaatsiDoesnerven. Gesammelte AbhatidlungtB too
A. fioldscbeider.
IV. BeriehtlfMit. _
L Originalmittbeilungen.
1. üel>er eine eigenartige psychopathische Form der
Retentio urinae.
Von Prof. Dr. W. y. Bechterew in St Petersbui^.
Schon vor mehr als einem Jahrzehnt bin ich auf eine eigenthömliche
Störung der Blasentfaätigkeit aufmerksam geworden, die, soviel mir bekannt
von der Presse, besonders der französischen, erst in letzterer Zeit besprochen zu
werden beginnt Die Afifection kommt im Wesentlichen darin zum Ausdruck, dass
bei Mangel aller Erscheinungen von Parese oder Paralyse der Blasenmoskulatur
die Uiinentleerung ansserordentlich erschwert, ja völlig vereitelt wird, sobald
dies in G^nwart dritter Personen geschehen soll. Der Kranke bat das quälende
Gefühl der Blasenüberföllung und auch das au^esprocbene Bedör&iss zur Harn¬
entleerung, allein er ist beim besten Willen und trotz grösstmöglicher Inansprucb-
nähme der Baucbpresse nicht im Stande, auch nur wenige Tropfen von sich zu
geben. In anderen Fällen gelingt es ihm nach minutenlangen nnglaublicben
Anstrengungen eine winzige Urinmenge hervorznpreaen, dodi hat es damit
zunächst sein Bewenden, wiewohl die Baucbpresse fottarbeitet und jener peinigende
Zustand der Blasenfülle und des Harndranges unverändert andauert. Nach
Ablauf einiger Zeit kann dann ein ähnlicher forcirter Harnabgang erfolgen. Oft
erst nach dem zweiten oder dritten Yeisuch vermag der Kranke bei abgelenkter
Aufmerksamkeit und unter unbeschreibbchen Willensanstrengungen zum Ziele
ZQ kommen. Tritt dies nicht ein, so wiederholt sich das frühere Spiel so ian^,
bis alle weiteren Versuche ungeachtet des Fortbestehens der anfänglichen Kr-
scheinungen als fruchtlos von dem Kranken aufgegeben werden. Dass in dJeseu
Fällen ein wirklicher Harndrang vorliegt, kann nioht zweifelhaft sein, da er sieb
einige Zeit später oft von Neuem einstellt in einem Grade, dass schliesslich die
Entleerung doch in mehr oder weniger vollständiger Weise vor sich gebt
Manchmal lässt das Drängen erst nach mehrfach wiederholten, in der angegebenen
Art durch Pausen unterbrochenen Urinentleerungen gänzlich nach. Sehr viel
schneller gestaltet sich der ganze Vorgang coram publioo, wenn — was höchst
merkwürdig ist — der Kranke sich von seiner Umgebung nnbeobachtet glaubt
oder weiss. Aber die Wahrnehmung oder auch nur die Vorstellung, G^enstand
fremder Aufmerksamkeit zu sein, löst sofort die anfänglichen Beschwerden aus.
In öffentlichen Pissoirs zeigen solche Kranke, um leichter zum Ziele zu gelangeo,
das Bestreben sich ängstlich vor den übrigen Besuchern zu verbergen. Beson¬
ders schwer fallt es ihnen, in Anwesenheit wenig bekannter Personen zu uriniren;
V 4 —Vs Stunde vergehen unter qualvollen, aber vergeblichen Anstrengungen,
and schliesslich muss die Befriedigung des bis zur Unerträglichkeit gesteigerten
c,-.,Google
835
ßedörtnisses dennoch hinaii^eschoben werden. Seelische Erregung verstärkt die
:^GbuQ bestehende Urinbehinderung noch mehr. D^egen schwindet diese sofort
mehr ond mehr, sowie die Anwesenden sich entfernt haben und bei dem Kran¬
ken das Gefühl des Alleinseins erwacht Wird der Kranke während der Urin-
entleerong durch Kinzutritt Fremder überrascht, so kommt jene, wenigstens in
ausgeprägten Kraukheitsßllen alsbald unmittelbar zum Stillstand; er hat das
unangenehme Gefühl der halbgefüllten Blase, muss aber gleichwohl innehalten
oder einen anderen Ort au&ucben, um das B^nnene ungesehen zu Ende zu
bringen. Keine oder nur unmerkliche solche Storungen bedingt meist das Zu¬
gegensein Näberstehender, denen gegenüber das Sdiamgefuhl weniger zur
Geltung kommt
In typischen Fällen können aber auch andere Momente maassgebend sein.
So vor allem psychische Affecte, wodurch immer sie bedingt sein m^en. Auch
die Yorstellnng, es sehr »lig zn haben, scheint in vielen Fällen eine ähnliche
Wirkung auf die Harnentleerung auszuüben; letztere wird, je m^r sich jene
Vorstellung steigert, um so schwieriger, ja sie kann schliesslich trotz vorhandener
Miisse ganz unmöglich werden.
Es mag nun die Behinderung noch so stark sein, so braucht zu geeigneter
Zeit nur die Aufmerksamkeit des Kranken durch ein Gespräch oder den Vor¬
trag irgend einer Melodie abgelenkt zu werden, damit alle Beschwerden sofort
weichen und der Urin spontan entleert werde.
Bei Abwesenheit fremder Personen und in ruhiger Gemüthsverfassung geht
die Harnentleerung bei derartigen Kranken in völlig r^elrechter Weise vor sich;
allenfalls zeigen sich Tenesmen, insbesondere nach A ufnahm e reichlicher Flüssig¬
keitsmengen und vorwiegend während der kälteren Jahreszeiten. Im Uebrigen
sind fnr gewöhnlich keinerlei Zeichen von Paresen an der Harnblase enürbar.
Die Störung an und für sich ist nichts weniger als constant. Vielmehr
lassen sich zu gewissen Zeiten stärkere Exacerbationen, zu anderen hinwiederum
mtsprecheude Bemissionen nachweisen. Bezüglich der Ursachen ist es nicht
immer leicht Gewissheit zu erlangen.
Kurz zusammengefasst handelt es sich um eine eigenthümliche Störung der
Jarneutleerung, die nur unter ganz bestimmten Verhältnissen auftritt und
lamentlich in einer vorzeitigen oder übertriebenen Confraction der Sphincter-
nuskulatur sich äussert. Allem zufolge scheint hier viel eher eine Storung der
ssociativen Muskelthätigkeit, denn eine Parese des M. detrusor vorzuliegen.
Bei der eingehenden Untersuchung dieser Fälle werden Erscheinungen, die
iif ofigauische Veränderungen in der Urethra, in der Harnblase oder im Gentral-
ervensystem hiudeuten würden, völlig vermisst Die Sehnen- und Hautrefleie,
le Sensibilität und Motilität weichen nirgends merklich vom Normalen ab.
tagten habe ich in der Mehrzahl der Fälle einen Zusammenhang mit neuro-
itbischer Veranlagung nachweisen können. Dies im Vereine mit dem zeit¬
eiligen, an bestimmte Bedingungen geknüpften Auftreten der Symptome und
jm Fehlen einer organischen Erkrankung des Gentrainervensystems führt
5a*
■' Google
836
nnmittelbar za der Anuabme eines nervösen oder richtiger psjchopathologisdieQ
Ursprunges der Afection.
Die Häufigkeit der Storung ist nach meinen Erfahrungen keine sehr geringe,
besonders im jugendlichen Alter und in der Pubertätszeit
Was die Aetiologie betrifit, so sind weitere Beobachtungen abzawatten.
Soviel ist aber unzweifelhaft, dass in der Anamnese dieser Fälle ausser neuro-
pathischer Beanlagung nicht selten Masturbation angetroffen wird. Von einer
gewissen Bedeutung sind hier vielleicht gewisse p^cfaische Momente, wie Schred
und Aehnliches, sofern sie zu einer plötzlichen Unterbrechung der b^onnenen
Harnentleerung Anlaa« geben können.
Vorstehendes Eraukheitsbild ist von mir vor etwa 10 Jahren, noch währmd
meiner Lehrtbätigkeit an der Universität Kasan, entworfen worden, doch brauche
ich heute an dem bisher zuräckgel^ten Manuskript nichts zu ändern, da die
darin mitgetheilten älteren Befimde von mir mit meinen späteren Beobachtungea
sich vollständig decken und die daselbst dai^el^ten Anschauungen in all«
wesentlichen Punkten die nämlichen geblieben sind. Die Veröffentlichnng des
Manuskriptes — das möchte ich noch bemerken — musste hinau^fescfaobra
werden, weil mir anföi^lich, in Kasan nämlich, eine Reihe von Schriften, die
nicht unberücksichtigt bleiben durften, im Original nicht erreichbar war, später
aber traten andere Thätigkeiten hindernd dazwischen.
G^enwärtig sind nun ähnliche Störungen von James Paoet in semeo
Clinical lectures and essays unter der Bezeichnung Hamstottem, und von
M. Guton (üliniques 1885. Sur les voies urinaires de la miction) als Hamscheu
(timiditö urinaire) beschrieben worden. Mittheilungen hierüber machte ferua
Jules Jaket in seiner Schrift „Troubles psychopathiques de la miction, essai
de p^cho-pbysiologie normale et pathol(^qae“ 1890. In allerletzter Zeit endM
unterwirft Batmoei) (Clinique des maladies du syst nerveuz. Paris 1897) einen
analcgen Fall von Hamretention einer ziemlich eingehenden Betrachtung mit
der Ueberschrift „Troubles psychopathiques de la miction“ (IL Sörie S. 741ff.>
Der Vorgang der Harnentleerung, bemerkt er, ist ein ausserordentlich oompli-
cirter und unterli^ als solcher d^ Einfluss der Psyche in ähnlicher Weise,
wie die Sprache, die Schrift und jede andere Thätigkeit; er kann hierbei onwiD-
kürlich gesteigert, aber auch völlig vereitelt werden, ln letzterer Beziidinng
wird folgender Fall näher beschrieben;
Dz., Soldat, 24 Jahre alt, ist völlig unfähig, seinen Ham in nonnaier
Weise zu entleeren. Es liegt nach dieser Richtung hin systematische W ilWas .
schwäche bei ihm vor. Grössenwahn bei dem Vater und Nervosität bei ds
Schwester deuten auf hereditäre Belastung; die Mutter ist während eines Paitos
gestorben. Im 9. Lebensjahre stellte sich nächtliche Incontinentia uiinae ö,
doch verschwand diese nach einher Zeit Bald darauf begann der Patimit n
masturbiren. Im Alter von 12 Jahren fiel es ihm, während er, wohl in Folge
der Masturbation, dauernd über den Zustand seiner Uro-genitalorgane in Sorgen
war, von vomherein auf, dass er nur unter ganz binderen VerhältnaseB
regelrecht zu uriniren im Stande war. Insbesondere war ihm dies in G^or
Dig :i^cd cy Google
837
wart einer dritten Person nicht möglich. Die Erscheinung der „Harnscheu“
(timiditö urinaire), wie Gdton das Symptom nennt, war bei dem Patienten
schon finhzeitig aufgetreten, denn er sagt aus, er könne sich nicht entsinnen,
jemals ohne Mühe in Gesellschaft Anderer Urin gelassen zu haben; sic steht
wahrscheinlich in einem Zusammenhang mit dem Onanismus und dem Aufhören
des nächtlichen Bettnässens.
Die Beschwerden dauerten bis zum 15. Jahre unverändert fort In der
Schule befand er sich stets in Gesellschaft anderer Kinder, konnte daher seine
Blase nur unvollständig entleeren und hielt bis zur nächstfolgenden Unterrichts*
pause oft mit grösster Ueberwindung an sich.
Im Alter von 20 Jahren ward eine au^esprochene Blasenentzündung be¬
merkt, wahrscheinlich als Folge der bestehenden ^tention, da über eine sonstige
Infection nichts Sicheres za eruiren war. Der anfänglich schmerzhafte Urin¬
abgang wurde in der Folge immer seltener und schliesslich ganz unmöglich.
So kam Patient in das Hospital, wo Blasenerweitemng fesfgestellt nnd syste¬
matische Katheterisation angeordnet wurde. Nach zwei Jahren schien das ent¬
zündliche Blasenleiden geheilt, allein der Patient musste, dauernd unfähig zu
spontaner Urinentleemng, sich selbst mit dem Gebrauch der Blasensonde ver¬
traut machen.
Die mit aller Sorgfalt au^efuhrte Untersuchung der Urethra und Blase
auf organische Affectionen hin blieb in diesem Fall gänzlich resultatlos. Die
Blase besass ihre volle Gontractionsföhigkeit, wie durch Eingiessen von Borsäure-
lösungen in dieselbe bestimmt eruirt werden konnte. Das Wesen der Affection
muss daher in einer functioneilen Dissociation des Dehrusor und Sphincter ge¬
sucht werden. In dem Moment, wo der Sphincter naohlässt, hört die Blase auf,
sich zu contrabiren. Auch Zeichen einer Spinalaffection waren trotz aufmerk¬
samster Beobachtung bei dem Kranken nicht wahrnehmbar. Eine Morphium-
injection gab dem Kranken für mehrere Standen die Fähigkeit spontanen
Urinlassens wieder. Der Coitus und die damit zusammenhängende Erregung
hatte den gleichen Erfolg. Es muss also, da insbesondere ein spinaler Ursprung
ausgeschlossen war, das Leiden höher oben, in der psychischen Sphäre localisirt
werden. Je mehr er, giebt der Kranke selbst unter Hinweis auf seine lang¬
jährigen Erfahrungen an, die Vorstellung des Harnlassens festhalte, auf desto
grössere Schwierigkeiten stosse er dabei. Gelingt es ihm, jene Vorstellung von
sich abzuweisen, vergisst er, dass er urinire, so kann die Blase entleert werden;
im anderen Fall, wenn er fori&hrt sein Vorhaben in Gedanken zu verfolgen,
so wird dieses anstatt spontan vor sich zu gehen, völlig unausführbar. Kurz,
es besteht ein wahrer Willensdefeot, wie er zuweilen auch bezüglich der Sprache,
der Greh^igkeit nnd anderer Verrichtungen zur Beobachtung gelangt
Da aber ähnliche Affectionen sich nicht selten durch materielle Factoren
bedingt erweisen, so hat man bei der Diagnose derselben nach Ansicht Rayhond’s
vor allem den Zustand der Hamw^e genau zu prüfen. Es muss darauf ge¬
achtet werden, ob der Ham klar und frei von Eiter ist; ob die Blase gesund
oder ob Steine, papillumatöse Excrescenzen u. s. w. sich vorfinden; die Muskulatur
Digi'.vod C'/ Google
838
der Blase ist auf ihren Dehnungsznstand, ihre Stärke and sonstige Beschaffenheit
zu nntersacben. Ebenso muss die Harnröhre explorirt und nachgeseheu werden,
ob eine eingeföhrte Sonde normale ContractioDen auslöst; von letzteren sind
patholt^iscbe Spasmen, die bei dieser Art von Kranken in der Urethra ansser-
ordentlich stark zu sein pflegen, wohl zu nnteischeiden and die Sonde schnell
and in einem Zuge unter Ablenkung der Aufinerksmnkeit zu appUciren. Fem^
wird man auf etwaige materielle Verändeningen des Rückenmarkes fahnden,
die für solche Störungen eine Erklärung abgeben könnten. Wenn alles dies
nicht zum Ziele führt, so bleibt nur die Annahme einer psychischen Alteratkm
übrig. Rayvond betont den innigen Zusamm^hang der Blaseufunctioneu mit
der psychischen Sphäre und erörtert im Anschlüsse hierun meine auf Unter-
suchnngen von MniEa gestutzten Mittbeiluugen über die corticalen Contra des
Sphincter ani et vesicae.^ Ferner giebt er Hinweise bezüglich des Einflug
des Willens, der Denkthatigkeit und des Bewusstseins im allgemeinen auf die
normale Blasenthätigkeit und ihre patholt^isohen Störungen. „Jeder Tastern*
druck“, äussem sich hierüber Mosso und Pbllacaki auf die sich Katmomd
beruft, „jedes isolirte Geräusch, jede Schmerzempfindung, jede Errang oder
geistige Anstrengung, kurz jeder psychische Vorgang wird stets von Blasen-
oontraotionen begleitet“
In Beziehung auf den Mechanismus der im Obigen betrachteten Störung
geben James Janbt und Ratmond folgende Erläutemngen: Der Vorgang der
Blasenentleeruug wird eingeleitet durch Contraction der Blaseuwäude und durch
Freiwerden des Sphincter. Damit Letzteres g^hehe, muss die Aufmerksamkeit
von dem Muskel abgelenkt werden. Es muss also eine gewisse psychologische
Leistung hinzutreten; eine Art Vergessen des Schliessmuskels der Pars meni-
branaoea ist am Ende erforderlich, damit die letzten Urintropfen entleert werden.
Die ganze Erscheinung wird coup de piston genannt
Mw könnte sagen: eine r^elrechte Blasenentleerung setzt einen Zustand
der Zerstreutheit voraus. Der Vorgang selbst spielt sich so sehr automatisch
ab, dass eine Betheiligung unserer Auünerksamkeit nur schaden kann, wie dies
auch im geschlechtlichen Verkehr, beim Coitus, der Fall ist Lwte, die fort*
während um ihre Blase besorgt sind und in der Entleerung derselben etwas
für sie sehr Bedeutsames erblicken, wollen in der R^l zugleich in aller Eile
oriniren, aus k'uroht gesehen zu werden; hierzu tritt dann die ängstliche Vor-
stellong, es könnte trotz des Verlangens dennoch kein Urin zum Vorschein
kommen. Sorge oder die geringste Aulr^ng hat bei diesen Leuten häufiges
Hamdrängen zur Folge; in dem Kampfe mit ihrem Verlangen macheo sie
ausserordentliche Anstrengungen, als deren Frucht jedesmal eine ZusammeD-
ziehung der Schliessmuskulatur auftritt Kurz der Hinzutritt der Aufmerksam¬
keit, die einerseits das erforderliche Veiges^n des Sphincters veroitolt, andererseits
bei der geringsten Erregung zu schnellen Contractionen desselben geneigt macht,
' W. T. Bbchtbrbw, Neurolog. Ceotralbl. 1898. Nr. 3.
* Stur Im foootioBB de la veasie. Aroh. ital. de Biologie. Bd. 1. 1882.
Google
839
bedingt es, dass der im Grunde einfache Vo^ang der Blasenentleerung zu einem
aosserordentlicb cumplicirten wird.
Wenn alle diese Ersübeinungen sieb steigern, bemerkt hierzu Guton, so
haben die Kranken während des Urinirens oder auch schon in den Pausen ein
Gefühl von Schwere oder dumpfem Schmerz in der Dammg^nd. Dies Ge¬
fühl erhält die Auftnerksamkeit ununterbrochen wach und so wird das Uriniren
immer mehr erschwert, ja schliesslich ganz unmöglich.
ln therapeutischer Hinsicht betont Raymond insbesondere die Nothwend^-
keit, durch moralische Beeinflussung und andere geeignete Maassnabmen die
Aufmerksamkeit der Kranken von ihrer Harnröhre abzulenken. Man suche die
Häufigkeit des Hamens herabzusetzen, damit der Einzelact um so yollstaudiger
au^führt werde. Üm den Reiz des durchtretenden Urins auf die Schleimhaut
zu vermindern, empfehlen sich Einspritzungen 5—10^/^ Cocalnlösungeu in die
Urethra. Allein ein Erfolg ist hierbei nur selten zu beobachten. Am öftesten
knöpfen sich schliesslich hypochondrische Ideen an, das Wohlbefinden der
Kranken wird durch krankhafte Empfindungen in der Dammgegend dauernd
gestört und das Grübeln über den Zustand ihrer Harnblase wird zum alleinigen
oder wesentlichen G^enstand ihrer Fürsorge.
Die Beobachtungen Rathond’s und seiner Vorgäi^er stimmen also in allen
Punkten mit meinen eigenen Befunden überein. Der Fall Raymond’s zeigt
allerdings die Besonderheit, dass schliesslich die Blase nur mittelst Katheter
entleert werden konnte, was für gewöhnlich nicht eiutritt; doch kommt hier in
Betraclit, dass das Leiden mit Blasencatarrh complicirt wurde, der eine syste¬
matische Katheterisation nothwendig machte, und bekanntlich tritt in derartigen
Fällen gar nicht selten eine Gewöhnung an den Gebrauch des Instrumentes ein.
Mit der infausten Prognose, die Raymond der psychopathischen Harn-
retention stellt, kann ich mich nicht ohne Weiteres einverstanden erklären.
Solche Fälle mit absoluter Retention, wie der vorhin mitgetheilte Raymond’s,
haben freilich wenig Aussicht auf Heilung. Aber in weniger schweren Fällen
sah ich von der Anwendung geeigneter Mittel zur allgemeinen Beruhigung des
Nervensystems (Bromsalze, Bäder u. s. w.) wesentliche Besserui^, ja mit der
Zeit völliges Schwinden der Krankheitserscheinungen.
Was die Pathe^nese des Leidens betrifl't, so war ich von vornherein geneigt,
dasselbe auf übermässige Erregbarkeit des Sphincters und auf eine damit zu¬
sammenhängende fuuctionelle Dissociation dieses und des Detnisors zurückzu¬
führen. Auch der Detrusor scheint bei Kranken dieser Art abnorme Reizbarkeit
darznbieten, wenigstens wird von ihnen nicht selten über lästiges und häufiges
Hamdrängen geklagt. Beide Muskeln haben, wie ich nachweisen konnte, ihre
Centren in der Grosshimrinde. Die Oeutren für den M. detrusor finden sich
beim Hunde an dem medialen Bande des Gyrus sigmoideus, insbesondere des
vorderen Abschnittes desselben^; die Centren des M. sphincter entsprechen dem
' W. V. Bbcbtebbw and N. Misslawski, Die motorisobeD Centra der Harnblase im
Gehirn. Arcb. psicb. Bd. XII. 1886. Nr. 2. — W. v. Bbcbtebkw , lieber dieCentra der
Harnblase. Oboaren. psicb. 1896. S. 586. (Rassisch.)
'ig t'/od c/
Google
8-10
biuteren Tbeil der nämlichen Windung und sind dem Centrum für die Bewe¬
gungen des Schwanzes benachbart.^
Diese centralen Stätten sind es nun augenscheinlich, durch deren Vermitte¬
lung die Tbatigkeit der Blase von der psychischen Sphäre aus eine Beeinflussung
erfahrt Bei den hier geschilderten Krankheitsformen finden sie sich höchst¬
wahrscheinlich in einem analogen Zustand erhöhter Erregbarkeit, wie die geaaromte
übrige psychomotorische Zone, so zwar, dass der Spbincter nicht einmal dann
nachgiebt, wenn der Detmsor sich bereits contrahirt hat, und es einer vorher¬
gehenden Ablenkung der Aufmerksamkeit bedarf, damit der Zugang zu der
UreUira frei wird und eine Entleerung der Blase erfolgen kann.'
2. Meningitis ventricnlaris chronica adultorum.
Plötzlicher Tod bei derselben.
Von Oberarzt Dr. Bresler (Frelbnrg i./Schl.).
Vor 5 Jahren veröffentlichte Quincke eine kleine Monographie über die
Meningitis serosa ventriculonim, unter welcher Bezeichnung er den Hydro-
cephalus intemns acutus und chronicus der Erwachsenen eingehend behandelt
Da diese Arbeit mir zur Grundlage bei dem epikritischen Stndinm des im Nacb-
stehenien zu beschreibenden Falles diente, so das Wichtigste aus derselben
zur OrientiniDg voraasgeschickt werden.
Nach Quincke kommt die acute Form der Meningitis serosa häufiger im
jugendlichen Alter vor, die chronische beim Erwachsenen. Als Ursachen führt
er auf: Trauma des Kopfes, anhaltende geistige Anstrengung, acute nnd
chronische Alkoholwirkung, acute fieberhafte Krankheiten (Typhös, Pneumonie);
als Veranlassung zu Exacerbationen Schwangerschaft. Die durch Mikroorganismen
herbeigeführte Entzündung der Pia will er davon scharf getrennt wissen. Ferner
betont er auch den Unterschied der entzündlichen Vermehrung der Cerebro-
spinalflfissigkeit in den Subarachnoidalmaschen und in den Ventrikeln, die
Meningitis cortioalis und ventricularis. Bei letzterer sind die Ergüsse vorwi^nd
klar und enthalten nur ausserordentlich spärliche Lympbkörper und Endothelien,
bei ersterer mehr oder weniger zellenreich, daher getrübt oder gar eitrig; dies
deute auf eine genetische Verschiedenheit der Entzündung an beiden Orten.
„Die oorticale Meningitis ist vorwiegend parasitär und die parasitäre vorwiegend
cortioal.“ Die entzündlichen Exsudationen nicht parasitären Ursprungs finden
sich gelegentlich auch an der Himoberfläche, z. B. nach Traumen, nach Ver¬
giftungen, in Folge von Himgescbwülsten, vorzugsweise aber geschehen sie in
' Msm, Ueber die corticalen Centrs des Sphiocter Teeieae et aiii (mu mdoein Labe-
ratorinm). Newrolog. Wjestn. Bd. L 1893. H. l. (Bowiseh.)
D g ii/od oy GOO^ IC
841 —
die Hirnventrikel, wo schon normalerweise die stärkste Sekretion stattfindet Er
vergleicht die yentriculären Exsndationen mit den nicht parasitären entzündlichen
Ergüssen, wie sie beim intermittirenden Hydrops der Gelenkhöhlen, bei der
Urticaria und beim angioneurotischen acuten üedem der Haut Vorkommen,
welch letzterem die acuten Formen der Meningitis ventricularis serosa durch
die Schnelligkeit ihrer Entstehung und durch den Wechsel ihrer Si)annung
entsprechen.
Nach Quinokb unterscheidet sich das Exsudat (durch Lumbaipunction ge>
Wonnen) nicht wesentlich von der normalen Gerebrospinalflüss^keit: spec. Ge¬
wicht 1008, Eiweis^ehalt V»— ^U°loot selten 1—1,5®/,,^, während letztere bei
tnberculuser Meningitis, und namentlich bei Hydrocephalus durch Blutstauung
I—6*/oo betragt Die bei der Lumbalpunction abfliesseude Flüssigkeit stand
unter einem Druck von 150—700 mm Wasser; besonders hoch war der Druck
bei chronischen Fällen, wo die Himsubstanz derber und weniger nachgiebig
geworden sei. Plexus chorioidei und vielleicht auch die übrige Pia seien in
acuten Stadium der serösen Meningitis byperämisch, später brauchten an der
letzteren keine Veränderungen bemerkbar zu sein. — Qitincke meint ferner,
dass viele Fälle von acuter Meningitis serosa, wie es schiene, geheilt wurden
durch Nachlass der Exsudation, oder compensirt — vollkommen oder unvoll¬
kommen — durch Erweiterung der Abflusswege; bei einer solchen unvoll¬
kommenen Compensation könne massige Druckerhöbung ganz latent oder mit
geringfögigigen Symptomen fortbesteben; geringe Transsudation (z. B. bei chro¬
nischen Herz- und Nierenleiden, Diabetes u. s. w.) seien in solchen Fällen schon
sehr gefährlich nnd führten in der That manchmal unerwartet zum Tode.
Was die einzelnen Züge des Erankheitsbildes der Meningitis serosa anlangt,
so heben wir aus Quincks’s Schilderung Folgendes hervor: Fieber, Kopfschmerz
und Nackenstarre, Hyperastbesieen, I^resen (Abducensparese bei Himdmck),
seltener Krämpfe, meist in ausgedehnteren Muskelgebieten verlaufend und ge¬
wöhnlich in dieser oder jener Einzelheit von dem typischen Bilde des wahren
epileptischen Anfalls unterschieden, Erbrechen, Verlangsamung and Unregel¬
mässigkeit des Pulses, Trägheit nnd Ungleichheit der Pupillen, zuweilen extreme
Grade der Verengemng oder Erweiterung derselben. — Trübung des Bewusst¬
seins, die sich in schweren Fällen zu tiefer, dauernder Benommenheit steigert,
in anderen schwankt und mit Delirien, Unruhe und Schläfrigkeit vergesellschaftet
ist Alle diese Symptome sind weder immer zusammen in dem Krankheitobilde
anzutreffen, noch bieten sie in ihrer Aufeinanderfolge eine bestimmte Hegel-
massigkeit Dagegen ist die Stauungsnenritis des Opticus ein sehr
gewöhnliches Symptom. Die Krankheit setzt entweder acnt ein oder be¬
ginnt schleichend and verläuft chronisch mit Intermissionen and Exacerbationen.
Verwechslung mit Hirntumoren ist sehr leicht m^lich; nur wenn sich das
Leiden durch Jahre hinscbleppt (ohne dass andere Herdsymptome als Stauongs-
papille anftreten, wie ich hinzusetzen möchte), ist Hirntumor auszuschliessen.
Für die Beurtheilung des nachstehenden Falles scheint mir von besonderem
Interesse, was Quinckb bezüglich der leichteren chronischen Fälle cuu-
Dig ii^cd Cy" Google
842
statirt: Kopfscliiuerz, Scbwiudelgefnh), Stimmangsanomalien wechseln, sind oft
geringf&gig oder fehlen lange Zeit gänzlich und sind von neurastheuischen
Beschwerden nicht zu unterscheiden. Solche Symptome bleiben oft auch
nach günstig Teriaufenen acuten Fällen znrück. Ferner, dass statt des Wechsels
der leichten Symptome diese chronischen Fälle auch au^esprocheue Exacerbationen
zeigen können, die bald in milderer Form und wiederholt auftreten, bald acut
und heftig einsetzen und tödtlich enden können. Bei der Section findet man
dann sehr voluminöse Wasserergusse in die Ventrikel, Veränderung ihrer Ge¬
stalt, Verdickung und Körnung des Ependyms, Erscheinungen, die zu ihrer
Entwickelung längere Zeit brauchen.
Ein besonderes Capitel widmet auch Oppenheim dem erworbenen Hydru-
ceplialus. Er hält auf Gnmd eigener Beobachtung an der M^chkeit des
Vorkommens eines idiopathischen primären Hydrocephalus der Erwachsenen fest,
betont die Äehnlichkeit zwischen diesem, wenn er acut anftritt, und der infeo
tiOsen Meningitis, sowie zwischen dem chronischen und dem Hirntumor, in
welch letzterer Beziehung ein sicheres Unterscheidungsmerkmal öberhaupt nicht
angeführt werden kann. Anhaltungspunkte sieht er nur in der abuurmen
Grösse und Gestalt des Schädels als Fii^rzeig, dass in der Kindheit schon
einmal ein hydrocephalischer Process stattgefunden und in der Verlaofsart, die
Remissionen und Intermissiouen von Jahre langer Dauer aufweist. In einem
seiner Fälle erstreckte sich das Leiden über 9 Jahre.
Während die Meningitis serosa acuta erst neuerdings wieder von Boenning-
HAUS eingehendem Studium unterzogen worden, ist die Fr^e nach der chronischen
Form derselben bei Erwachsenen in den letzten Jahren selten zur Disoassion
gelangt Vereinzelte casuistische Mittheilungen beweisen vielmehr, dass man
sich derselben gegenüber immer in einer gewissen Verlegenheit beßndet, nicht
allein bezüglich der Diagnose, von der auch ein Neurologe wie Gowebs be¬
hauptet, dass sie nicht möglich sei, als besonders wenn der Fall plötzlich letal
endet, wie der unsere. Weil unser Fall nun in jedweder uoeolcgiscber Be¬
ziehung lehrreich, und um dadurch den G^nstand wieder zur Debatte zu
bringen, sei er im Folgenden mitgetheilt
Krankengeschichte:
48jäliriger Mann, landwirthschaniicber Aufseher, ohne Belastung, ohne lueUscbe
Infectioo, soll nicht übermässig getrunken haben, nach späterer eigener Angabe aber
täglich bis 1 Liter Schnaps; vou ernsteren Erkrankungen ist nichts bekannt geworden.
Mit 40 Jahren erlitt er durch ein herabfalleudes Stück Holz einen Schlag auf den
Kopf; etwa .3 Wochen nach dem Unfall soll er 5 Mal Krampfanfalle gehabt haba;
unter ärztlicher Behandlung blieben dieselben fort. Im Monat Juli 1894 bemerkte
seine Frau eine geistige Veränderung an ihm; er wurde zerstreut, vergesslich und
klagte viel über Kopfschmerzen. Im Monat Januar 1895 kehrten die Anfälle wieder
und wiederholten sich später 3—4 Mal täglich; während dm:selben behauptete er
ganz im Fiustern zu sein. Darauf wurde er einem Krankenhaus flbm'wiasen, aas
diesem am 12. März 1895 seiner geistigen Störung wegen der Irrenklioik zu B. id-
geführt; in orsterem hatte er Anfälle, in letzterer wurden keine beobachtet Dss
Krankenjoumal derselben führt Mitte Mui 1895 auf: Zni^ etwas nach links sb-
ig i'/od Cy" Google
843
weichend, »ehr unsicher. Pupillen en^, aber noch etwas reagireud. Links deutlicher
als rechte. Keine Hemiopie. Facialis beiderseits sehr unsicher, ohne Differenz.
Rechte Gesichtshälfte etwas schlaffer als die linke. Händedruck beiderseits kraftlos.
Feinere Bewegungen der Finger beiderseits sehr ungeschickt. Armbewegung beider¬
seits sehr kräßig, keine Tastlähmung. Gang mit steifen Beinen, das linke Bein
schleiß stärker als das rechte. Patellarreflexe beiderseits gesteigert. Passive Be¬
weglichkeit herabgesetzt. Kein Fossclonus. Schmerzempfindlichkeit erhalten. Leicht
benommen, ganz h&lflos, kann nur nnterstfttzt gehen; ist unsauber. Erholt sich
körperlich nach wenigen Tagen. Dauernd delirant, sucht Gewehre, Haodwerkzeug
u. s. w., will sich anziehen, ruß Angehörige. Dabei sehr lenksam, geht auf blosses
Zurufen ruhig zu Bette. Hochgradige Euphorie. Gedächtnissdefecte leicht nach¬
weisbar, weiss kaum die einfachsten Personalien anzugeben. Schrift typisch para¬
lytisch gestört. Sprache wen^er beeinträchtigt, aber die Störung nachweisbar. An¬
deutung linksseitiger Symptome. — Am Tage meist ruhig oder schlafend; gegen
Abend unruhig berumsuchend. Anf Hyoscin-Morpbium guter Schlaf.
Später wird notirt, dass Patient Schlangen zu sehen glaubt, auch darnach greift.
Glaubt, sich anf einem Vorwerk zu befinden, hält seine Mitkranken für Schäfer-
kuechte u. s. w. — Anfang April ist er klar, nur der Schlaf noch ab und zu durch
leichte Verwirrtheitszustände unterbrochen. Am 19. Mai wurde er entlassen. Dia¬
gnose: Dementia paralytica.
Ein Attest vom 19. Juni 1895 sagt über ihn aus, er sei körperlich sehr
schwach, geistig sehr zerstreut, unklar, verwirrt, oß gereizt und brutal. „Sprache
sehr matt, Sehen sehr schlecht,*' Gang und Haltung unsicher. Die eigentlichen
Krampfanfälle sind immer mehr in den Hintergrund getreten. Es wird darin auch
mitgetheilt, daM er Mitte 1894 wegen einer Beleidigung mit dem Strafgesetz in
Conflict gekommen und mit Gefäugniss bestraß worden sei. Er habe aber damals
von der ganzen Sache nichts gewusst und schon zu jener Zeit auf den Arzt einen
höchst confusen Eindruck gemacht.
In die hiesige Anstalt wurde er am 3. Juli 1895 aufgonommen. ln den ersten
Tagen klagte er über heftige Kopfschmerzen an der Stira; auf Bettruhe und ver¬
einzelte Antipyrindosen wurde es besser. Auch litt er an Obstipation. — Er war
im Stande über seine Personalien richtige Angaben zu machen, nur für die Dauer
seiner Erkrankung, das heisst überhaupt für die letzten Jahre, ist das Gedächtniss
geschwächt, die Erinnerung' weist sogar erhebliche Lücken auf. Geber seine gegen¬
wärtige Lage, Ort und 2^it ist er orientirt. Von jenem Schlag will er nicht be¬
wusstlos geworden sein, nur die Krämpfe nachher bekommen haben. — Schnaps will
er ab und zu getrunken haben. — In elementaren Dingen sind sein Wissen und
aeiue Fertigkeiten ebenfalls defect, ist z. B. nicht im Stande, Geld zusammenzuzählen.
In seinen Briefen lässt er in typischer Weise sowohl Worte als auch Silben ans.
Bahiges, zufriedenes, dabei euphorisches Verhalten. Anfangs war er mit Urin un¬
rein. — Gang schwerfällig, mit krummen Knieen. Schlaffe Haltung. Grösse 1,71 m;
starkes Fettpolster; ruthe Gesichtsfarbe, ziemlich gute Muskulatur. FingereindrQoke
bleiben namentlich am Bücken längere Zeit als weisse Flecke sichtbar. Puls ziemlich
klein, r^elmässig. Schädel ziemlich rund. Umfang 57 cm, symmetrisch, keine
Narben. Ohren gut ausgebildet, gleichgross. Augen: am rechten äusseren Orbital¬
rand eine kleine Narbe (ist als Kind einmal aus dem Bett gefallen). Geringe In-
sufflcienz der beiderseitigen Interni. Pupillen ungleich. Rechts > links; beide mehr
als mittelweit, reagiren reflectorisch, consensnell, bei Accommodation und Convergenz,
aber tr^e. Beiderseits Cataracta incipiens. Links oben innen ein schwarzer Fleck
io der Chorioidea, über den die Betinalgefässe ziehen. Grösse desselben ungefähr
gleich der Pupille. Hypermetropie ca. 2 D. beiderseits. Sehschärfe Gesichts¬
feld beiderseits nicht eingeschränkt (für Weiss). (Die Augenuntersnchnng wurde
(Ton einem Ophthalmologen vom Fach ausgeführt.) Die Zunge wird geradeausgesteckt,
Google
844
zittert etwas. — An den inneren Oi^nen nichts besonderes. Leib stark aofpetriebeo.
Urin ohne besonderen Befand. PatellarreSexe erhalten, etwas gesteigert, rechts an*
scheinend etwas st&rker als links. Mit geschlossenen Äagen schwankt er ganz an*
bedeutend, beim Umwenden mit geschlossenen Augen taumelt er etwas. Die Augen*
lider zittern, wenn die Augen geschlossen gehalten werden.
Ans der späteren BeobacÜnng ist nur zu berichten, dass er häufig über Kopt*
schmerzen klagte, die wie früher durch Antipjrin gelindert wurden. Im AUgemeinen
blieb der Zustand anverändert, nur wurde beobachtet, dass sich seine Schriftzflge
besserten and weniger Charakteristisches für Paralyse als früher boten. Im Juni 1896
war er von Beschwerden ziemlich frei nnd vermochte sich mit Feldarbeit zn be*
schäftigen.
Dann traten wieder die Kopfschmerzen zu Tage, die er bald an Hinterkopf,
bald an die Stirn nnd Schläfengegend locslisirte; von Zeit zn Zeit bestand Ohren*
sansen, namentlich links. Am 21. Jnli stiegen die Beschwerden so, dass er bett¬
lägerig wurde; er war dabei vorübergehend leicht benommen und verwirrt. Er erhielt
eine ^it lang Jodkali mit Bromkali.
29./X. In dem Befinden des Patienten ist keine wesentliche Veränderung «d*
getreten. Br klagt nach wie vor über Kopfschmenen, welche er sowohl an der
Stirn, den Schläfen, wie auch im Hinterkopf verspüren will. Daneben soll vielfach
lebhaftes Schwindelgefühl bestehen. Auch giebt er an, dass es ihm besonders des
Morgens fast regelmässig etwas vormache; er will, wenn die Gasflammen angezüodet
werden, nm die Flammen hemm, feurige Pnnkte, Kreise n. s. w. sehen; ansserdeis
sehe er auch vielfach Blumen in allen möglichen Farben. Dass dieses krankhaft ist,
dass das alles auf Täoschnng beraht, weisa Patient Wenn die Kopfschmerzen
und das Schwindelgefübl einen besonderen Grad erreichen, tritt vielfach Er¬
brechen ein.
17./IX. Dieselben Klagen: Kopfschmenen an der Stirn, den Schläfen und am
Hinterkopf; dabei macht es dem Patienten angeblich wieder viel vor; er sieht feurige
Punkte, Strahlen und Blumen in allen möglichen Farben. Diese Täuschungen werden
nach wie vor stets als solche erkannt Auf Antipyrin sollen die Beschwerden regel*
mässig etwas geringer werden. Schlaf und Appetit sind nicht geetürt Keine
Stannngspapille.
lö./XIl. Patient bietet in seinem ganzen Verhalten und Benehmen das alte
Bild. Die Klagen sind dieselben geblieben; Augenspiegelbefund negativ.
16./I. 1897. Keine wesentliche Verändemi^. Patient erzählt jetzt, er habe
das Gefühl, wie wenn er einen festen Ring um den Kopf habe, wie wenn er vor
der Stirn ein Brett habe, dabei die alten Klagen über die Täuschungen, welche jetzt
allerdings nor mehr des Morgens beim Anfstehen vorhanden sein sollten. Schlaf
and Appetit nicht gestört
20./II. Bunte Blumen, feurige Punkte will Patient jetzt nicht mehr sehen,
dabei mache es ihm jetzt aber „schwarze Punkte“, auch wieder besondere Morgens
nach dem Aufstehen vor.
15./II1. Will sich im Ganzen viel wohler fühlen, klagt jetzt weniger flbw
Kopfschmerzen als über Schwindelgefübl.
i5./IV. Arbeitet jetzt mit im Garten, was ihm gut bekommt
15./VII. Die Beschwerden des Patienten beschränkten sich in der letzten Zeit
auf hin and vrieder anftretenden Kopfschmerz, der seltener mit etwas Schwindelgefübl
verbunden ist. Irgendwelche Zeichen geistiger Erkrankung bietet Patient zur Zeit
nicht Seine Gemüthsstiromnng ist seiner Lage angemessen ziemlich ernst Er ist
vollständig orientirt über seine Verhältnisse and seine Lf^. Sein Urtheil ist in
keine Weise geschwächt. Seine Willensenergie ist nicht etwa herabgesetzt sondern
er verlangt energisch nach Arbeit Auch hier hat er sich seit Anfang Mai immer
fleissig mit Feldarbeit beschäftigt, ohne besondere Beschwerden dabei gehabt n
"Q'Iii’Od
Google
845
haben. Sein Verhalten gegen die Aerzto, Wärter und Kranken war stets ein sehr
geordnetes.
Am 30./yil. 1897 beurlanbi
Am 26./11I. 1898 kommt Patient vom Urlaub allein znrQck; psychisch ge¬
ordnet, ohne Bewusstseinstrflbung, giebt zur Krankheitsgeschichte au, er habe erst
iffi November und Becember Arbeit als Wirthschaftsaufseher gefunden, sei aber
leistuDgaunföhig geworden, da er täglich zwischen 10 und 11 Uhr Morgens An^le
von Kop&chmerz und Schwindel gehabt habe und gleichzeitig körperlich schwach
gewesen seL Die Schmerzen seien vom Nacken heraufgestiegen und haben sich dann
hauptsächlich in der Gegend der grossen Fontanelle localisirt. Krämpfe, Ohnmächten,
Potns, Schlaflosigkeit, Erregungszustände negirt. Angaben der Frau Ober die Zeit
des Urlaubs; Schwindel* und Ohnmachtsanialle sehr häufig, besonders wenn er eine
Arbeit probiren wollte. Kopf- und Qenickschmerzen beständig. Oefters leichte Ver-
wirrtheitszastände, in welchen er „nicht bewusst war, wohin er woUie oder was er
machte“. Neigung zum Trinken wären wohl vorhanden, aber die Mittel reichten
nicht aus, „um seinen regen Appetit zu befriedigen“. Verdienen konnte er nichts,
war völlig arbeitsunfähig. Gegen die Kinder leicht aufgeregt, gegen Fremde wort¬
karg. Pupillen gleichweit, reagiren prompt. Die Zunge wird gerade herausgestreckt,
ist ohne Tremor, Finger desgleichen; kein Eomberg'sches Phänomen, keine
Lähmongserscheinungen, kein Tremor, keine Ataxie; Sprache und Schrift, Ueflex-
erregbarkeit nicht gestört Verhalten psychischerseits geordnet, ruhig.
April 1898. Wegen zeitweiliger heftiger Kopfschmerzen Jodkali. Im Mai
wurde auch Jodkalisalbe (auf den rasirten Kopf) versucht. Bettruhe.
9./V. Heute Morgen plötzlich ein Schwindelanfall. Patient fallt zu Boden,
blickt starr und liegt r^ungslos, athmet stossweise („wie in Erstickung“), hat keine
Krämpfe. Nachher giebt er an, er habe nicht gewusst, wo er sei. Der Zustand
sei aus heftigem Kop&chmerz hervorgegangen. Fupillendifferenz mässig. Keaction
gut; keine Sprach« oder motorische Störung. Nachmittags 2^/^: Wie Patient im
Voraus angekfindigt (nach Analogie einer fifiheren Anfallsfolge) tritt unter Congestion
des Gesichts und starkem Schweissausbruch ein kurzer Schwindelanfall (Dauer
ca. 2 Minuten) mit unbestimmten Vorboten bei Incidem Bewusstsein eiu. Dann
kurze rhythmische Zuckungen mit den Armen, stossartige Athmung, Fulsverlangsamung
und plötzlicher Exitus letalis.
Krämpfe waren während seines ganzen Aufenthalts in unserer Anstalt nicht
beobachtet worden.
Die Section ergab: Starke Verfettung des Herzbeutels und allseitige Verwachsung
desselben mit dem Herzen. Starker Fettbeleg des letzteren. Hypertrophie des
Herzens. Klappenapparat gehörig. Lungen mit der Brostwand verwachsen. Gewebe
allenthalben lufthaltig, nicht infiltrirt. Bronchialschleimhaut zum Theil etwas injicirt.
ln der rechten Lunge ziemlich reichlicher Blutgehalt. Milzsubstanz blutreich, etwas
schmierig: Zeichnung gut erhalten, unregelmässig vergrössert und gelappt. Nieren:
fibröser Ueberzng ohne Snbstanzverlost abziehbar. Die Oberfläche hat unregelmässige
Eioziehongen. Substanz stellenweise verhärtet, Mark und Binde verschmälert. Ge¬
webe sehr blutreich, cyanotisch, schneidet sich derb. Leber gross, Ueberzug glatt,
glänzend, Substanz brüchig, Zeichnung sehr verwaschen. Gefässe reichlich bluthaltig,
reichlicher Fettgehalt, ln der Blase etwa eine Kaffeetasse hellen, klaren Urins.
Unter der Galle eine beträchtliche Menge flüssiges Blot Schädeldach symmetrisch,
Diploe überall vorhanden, ziemlich blutreich; an den Knochentafeln nichts besonderes
(namentlich nichts, was auf eine frühere Kopfverletzung hindentet); Dura mit dem
Schädeldach nicht verwachsen, an der Innenfläche glänzend, ohne Einlagerungen.
Gewicht des Gehirns mit Pia 1595 g. Basis cranii sehr blutreich, der Längsblut-
ieiter und der Qnerblotleiter enthalten zum Theil noch flüssiges Blut. An der Brücke
und dem verlängerten Mark ist die Pia stark getrübt, zeigt aber keine Eiterbildung.
Google
846
Pia au der Convezität sehr blutreich. Windungen znsammeugedrflckt Furchen
verstrichen. Substanz leidlich fest und blutreich. Rinde stellenweise blass und be¬
sonders im Stimhim schlecht abgegrenzt. Ventrikel von wasserklarer Flüssigkeit,
stark ausgedehnt. Kpendym durchgängig körnig granulirt. Die Querschnitte zeigen
weder in den Hemisphären, noch im Stammhim irgendwelche Besonderheiten.
Zunächst ist die Diagnose des vorliegenden Falles auf mancherlei Schwieiig-
keitcn gestossen und manche Vermuthung, die angesichts so weniger specieller
Gehirnsymptome gehegt wurde, hat sich nach der Section als trügerisch er¬
wiesen.
1. Die Epilepsie konnte auf der durch eine leichte Gehirnerschütterung und
durch Älkuholismus geschafi'enen Grundige erwachsen sein; die Schwindel-
anlalle, welche später statt der Krämpfe auftraten, konnten Aequivalente dar-
stellen.
'J. Die Epilepsie konnte auch durch einen Splitter der Ijamina vitrea be¬
dingt sein, der in seiner Umgebung eine mehr oder weniger umschriebene Ent¬
zündung der Hirnhäute und Afifection der Hiruhnde selbst hervoi^erufeu haben
würde.
Der Zustand acuter geistiger Störung, welcher im März and April 189 *
beohuehtet und als Dementia paralytica bedeutet wurde, müsste dann als epi¬
leptischer Dämmerzustand aufgefasst werden.
d. Diese Störung konnte wirklich eine paralytische gewesen sein, die in
Folge Trunks auf epileptischer Basis entstanden, und zwar eine pseudoparalytiche
oder eine regressive Paralyse (Mabakdon db Monttbl), welche zur Remission
führte.
4. Konnte sich ein Tumor etablirt haben.
Anders lässt sich die Betrachtung an, wenn man den Sectionsbefnnd in
Rechntmg zieht. Die Diagnose Dementia paralytica können wir danach gam
fallen lassen, nach so langem Bestände des Leidens hätte man schon einen
deutlichen Grad vou Atrophie, Verdickung der Meningen, Hydrocephalus exterons
vorfindeu müssen. Tumor und Knochensplitter kommen ebenfalls ausser Be¬
tracht. Es bleibt pathologisch>anatomisch der hochgradige Hydro¬
cephalus internus, die Ependymgranulatiouen, die leichte Träbuog
der Pia an der Basis; klinisch: epileptische Krampfanfälle mit
Amaurose, die später in Schwindelznstände und Schwindelanfälle
übergehen, epileptischer Dämmerzustand paralytischer Katar. Dm
die Basalmeningitis mit der acuten Seelenstörung in Zusammenhang zn bringen,
dazu war erstere von zu geringer Ausdehnung, abgesehen davon, dass die
Symptome derselben nicht eutspracheu. Bei Epileptikern kommen ja gar nicht
so selten Verwirrtheitszustände mit dem vorwi^uden Charakter der geistigeo
und körperlichen Lähmung vor, die solchen bei Dementia paralytica zom Ver¬
wechseln ähnlich sind, namentlich bieten dann Sprache and Schrift fast die¬
selben Charakteristica.
Trübuug der Meniugen und Ependymgranulationen sind die gewöhnlichen
Befunde bei chronischem Alkoholismus. Sie bedingen den Hydrocephalus internus;
Google
847
der Epithelüberzug der Plexus chorioidei, wie auch das Ependymepithel erfahrt
durch den Reiz des Alkohols ausser ihrer Hyperplasie eine grössere Durchlässig¬
keit für die Lymphflüssigkeit, die sich in höherem Grade ansammelt, als durch
Abfluss beseitigt wird. Es entstehen so die Erscheinungen des Hirndrucks,
wie sie sich bei unserem Kranken beständig äusserten. Die Krämpfe selbst
scheinen nur unter dem directen Einfluss des Alkohols entstanden zu sein,
während die übrigen Erscheinungen die Folge der durch den Alkoholismus ge¬
setzten Gewebsveränderungen waren. Der Abfluss der Gehirnflüssigkeit wird bei
Hydrooephalus internus in der Weise gehindert, dass durch den Druck von den
Veutrikeln her die Hirnsubstanz gegen die Schädelwände gedrückt und die
Venen und PAcOHiONi’schen Granulationen comprimirt werden. Quinoks glaubt
durch das Experiment nachgewiesen zu haben, dass schon normaler Weise
iuuerhalb der Ventrikel mehr Gerebrospinalflüssigkeit abgesondert wird als in
den Subarachnoidalräumen in die Ventrikel. Auch die Tbatsache spricht dafür,
dass bei infectiösen Entzündungen der weichen Hirnhäute der Process meist auf
die Oberfläche des Gehirns beschränkt, die Ventrikel frei von Eiter bleiben.
Wichtig ist noch, dass in unserem Falle trotz so langem Bestände keine
Stauungspapille auftrat Die ang^ebenen subjectivenStörungen des Gesichts¬
sinns sind centraler Natur und auf eine Druckreizung der Sehrinde zu beziehen;
ähnlich den isolirten Sehsturungen bei Tumoren im Bereich des Occipitallappeo.
Auch darauf ist aufmerksam zu machen, dass die hydrocephalische Flüssig¬
keit keinesw^ in ihrer Eigenschaft als pathologisches Secret auf die Hirn¬
substanz gewirkt hat, etwa durch ödematöse Durchtränkung von deu Ventrikeln
aus, sondern als Fremdkörper, der von innen her gleichmässig auf das Gehirn
einen Druck ausübt Die Tbatsache ist so leicht nicht zu erklären; denn wenn
man auch annimmt, dass, wie oben gesagt, die Abflussw^e comprimirt werden,
werden nicht gleichzeitig, wenn auch, wie ja selbstverständlich, nicht völlig, so
doch bis zu einem erheblichen Grade die Zuflusswege verschlossen? Die Pia
ist in der That in solchen Fällen wie dem unseren ausserordentlich comprimirt
und blutarm. Die Oberfläche eines solchen unter so ausserordentlichem Druck
von Innen an die Schädelwand gedrückten Gehirns hat ein Aussehen, das den
Vergleich mit der Oberfläche einer Marmorkugel Jedem, aufdrängt. Der Verlauf
der plattgepressten Windungen ist fast nur noch an den die verstrichenen
Furchen markirenden Piagefassen zu erkennen. Es muss, soviel ist a priori
anzunehmen, eine Grenze geben, bis zu der das Gehirn fähig ist Zu- und Ab¬
fluss der Gerebrospinalflüssigkeit selbst zu Teguliren. An der Grenze solcher
Compensationsbreite hat sich offenbar unser Kranker immer, so oft er Schwindel¬
zustande, hervorgerufen durch Transsudatexacerbationen, hatte, befunden, bis
schliesslich einmal diese Fähigkeit versagte.
Wir möchten noch hinzufügen, dass von Seiten der Nieren bei Lebzeiten,
das heisst, so lange er in ärztlicher Beobachtung gestanden, keine Erscheinungen
aufgetreten waren, obgleich sich bei der Section die Spuren einer ehemaligen
Nephritis (Narben) fanden. Auch bei der Section fehlte das Himödem, wie
schon bemerkt Die Nephritis muss also vor sehr langer Zeit stattgefunden
D g ii.:od oy GOO^ Ic
848
haben und gänzlich verheilt gewesen sein. Das Krankbeitsbild bat sie nicht
mehr compliciih
Der Fall tragt ferner dazu bei, meine Ansicht zu stützen, welche ich beim
Studium des Q^eustandes gewonnen, dass es keinen idiopathischen Hjdro-
cephalus internus der Erwachsenen giebt. Einzelne Fälle, welche beobachtet
sein sollen (z. B. von Oppenheim), beweisen noch nichts; ihnen g^enüber steht
die grosse Mehrzahl, bei denen sich bei der Section eine anatomisch greifbare
Ursache fand oder die AeÜolt^e schon bei Lebzeiten sicher bekannt war, wie
Infectionskrankheiten, Traumen und AJkohoIismus oder zweier solcher gleichzeitig.
Meningitis, Ependymitis, Entzündung der Plexus u. A. werden sich wohl immer
als Oorrelat des schädlichen Agens finden. Der Name idiopathischer Hydro-
cephalus internus ist überdies ebensowenig als Bezeichnung für eine Krankheit
zutreffend, wie etwa Hydropericad. Der schon von Steffen gebrauchte Aus¬
druck Meningitis ventriculaiis (acuta, chronica) dürfte der allein richtige sein,
und zwar für unseren Fall mit dem Zusatze alcoholica, um beiden Gesichts¬
punkten, dem ätiologischen und anatomischen, gerecht zu werden.
3. Zwei Fälle von Hirntumor mit genauer Localdiagnose.
Von Dr. L. Bnma Ln Hannover.
(Schloss.)
Fassen wir die Krankheitssymptome noch einmal kurz zusammen: Beginn
der Erkrankung im October 1890 mit psychischer Abgeschlagenheit
und leichten Schwindelanfällen; im November 1896 Fall von der
Treppe auf die rechte Seite. Im Februar 1897 beginnende Neuritis
optica und rudimentäre rechtsseitige Hemianopsie, grosse psychische
Erregbarkeit. Dann allmähliche Ausbildung folgender Krankbeitserscheinungen:
1. Storungen der Sensibilität der rechten Körperbälfte, beson¬
ders des rechten Armes, die zunächst nur den stereognostischen
Sinn und das Lagegefühl, erst zuletzt auch Tast-und Schmerzgefühl
betrafen. Dadurch Ungeschicklichkeit der Bewegungen, speciell io
der rechten Hand; Unsicherheit beim Festhalten von Gegenständen
mit der rechten Hand bei geschlossenen Augen; nicht selten über¬
haupt Unfähigkeit den rechten Arm zu gebrauchen, wobei es oft
den Eindruck macht, als ob der Patient sich überhaupt gar keine
richtige Vorstellung von den zu Willensacten des rechten Armes
uöthigeu Muskelbewegungeu machen könnte. Aus diesem Grunde
wird zuletzt auch nur mit der linken Hand -gegessen und nur die
linke Hand zum Grnsse gereicht. Eigentliche Lähmungserschei-
nuugen im rechten Arme kommen nur zuletzt und ganz rudimentär
"Q'iii’Od
Google
849
zustande — die Fingerbewe^ungen werden etwas steifer und es be¬
steht leichte Contractur. Das rechte Bein zeigt weniger Ungeschick¬
lichkeit, zuletzt ist auch hier das Schmerzgefühl herabgesetzt; etwas
eher wie am Arme zeigt sich hier Parese; das Bein wird nachgeschleifti
ab und an besteht rechts auch Ächillesclonus. Zuletzt cerebellares
Schwanken beim Gehen. Den Gefüblslähmungen im rechten Arme
gingen heftige neuralgische Schmerzen vorher.
2. Bechts Hemianopsie; im November 1897 complet.
3. Sprachstörungen etwas wechselnder und meist nicht sehrin¬
tensiver Art. Zunächst Erschwerung des Wortverständnisses, be¬
sonders für complicirtere Aufträge bei freier spontaner Sprache und
erhaltenem Nachsprechen; optische Aphasie nur selten und gering
ausgebildet; später erschwertes Wortfinden und Paraphasie bei ver-
mehrterErschwerung desSprachverständnisses. Lesen undSchreiben
sehr wechselnd. Ersteres hauptsächlich durch die Hemianopsie be¬
einträchtigt; bis zum Schluss keine eigentliche Alexie, zuletzt wird
paraphatisch gelesen. Schreiben von Anfang an sehr erschwert, zu¬
letzt unmöglich. Also im ganzen eine sensorische Aphasie.
4. Von Allgemeinerscheinungen zuerst nur Schwindel und
Stauungspapille, die langsam zunehmenden Kopfschmerzen erst von
Januar 1898 an deutlich, dann besonders im Hinterkopfe. Letztere
manchmal anfallsweise sehr verstärkt mit Benommenheit, ganz zu¬
letzt dabei auch ein paar Mal Erbrechen. Oefters in diesen Anfällen
Steigerung der Hemianopsie zu vollständiger, aber rasch vorüber¬
gebender Erblindung. Einmal (6./IX. 1897) schliesst sich an einen
solchen Anfall auch eine reohtsseitige Ptosia an, die nach 12 Stunden
wieder verschwunden ist. Niemals percutorische Empfindlichkeit
am Schädel nacbgewiesen, doch ist darauf in der letzten Woche nicht
geprüft. Ab und zu auch apoplectiforme Anfälle mit Einknicken
der Beine; nie Krämpfe. Zuletzt Benommenheit. Tod an Lungen¬
ödem. Krankbeitsdauer 19 Monate.
Die Diagnose eiues Hirntumors war auch in diesem Falle keine schwere.
Zwar fehlten im Anfang und lange Zeit hindurch ausser der Stauungspapille und
etwa Schwindelanüillen alle Allgemeinsymptome des Tumors; das Vorhandensein
von Kopfschmerzen vor allem leugnete der Pat stets auf das entschiedenste,
ebenso fehlte Erbrechen; dennoch konnte schon bei meiner ersten Untersuchung,
im August 1897, bei dem langsamen Fortschreiten der auf eine linksseitige
Grosshimerkrankung bindeutenden Symptome und beim Vorhandensein der
Stauungspapille an der Art des Leidens — Tumor — kein Zweifel sein. Später,
Anfang 1898, traten dann auch die Allgemeinerscheinui^en des Tumors sogar
in grosser Vollzähligkeit auf: Kopfschmerz sehr heftig und besonders im Hinter-
kopfe, nicht selten anfallsWbise stärker werdend; auf der Höhe der Kopfschmerzen
auch Erbrechen, dieses allerdings höchst selten; ferner apoplectiforme Anfälle
mit Schwäche in den Beinen und zuletzt Apathie.
64
DiQ'iii’od
Google
850
Schwieriger als die AUgemeindi^ose war in diesem FaUe die Local¬
diagnose des Tumors. Es kamen fär sie zunächst in Betracht; 1. die rechts¬
seitigen Gefüblsstörangen, die im Anfang wesentlich in Störungen des Muskel¬
sinnes und des stereognostischen Sinnes, später auch in Herabsetzung des
Schmerzgefühles rechts bestanden; 2. die rechte Hemianopsie; 3. die Sprach¬
störung, die man im Allgemeinen wohl als eine sensorische bezeichnen konnte.
Danach musste der Tumor in den hinteren Partieen der Unken Hemisphäre
sitzen. Da alle drei S^ptomengruppen aber ziemUch zu gleicher Zeit einge¬
treten waren, war es zunächst nicht zu entscheiden, ob der Sitz des Tumors
genauer im linken Scheitel- oder im linken Hinterhaupts- oder der linken
Schläfenlappen zu bestimmen war. Bei jedem dieser Sitee konnte der Tumor
eines der drei Symptome als Local-, die beiden anderen als Nachbarschafts-
symptome bedingen, natürlich je nach dem ^tee des Tumors in wechselnder
Art Nun waren zunächst die Symptome der Worttaobheit sehr wechselnder
Art, im ganzen wenig intensiT, so dass ein Sitz des Tumors direct in den
hinteren Theilen des linken Schläfenlappens wohl ansznsohUessen und die Sprach¬
störung wohl als ein Nachbarschaftssymptom zu betrachten war. Es blieben
also als mancher Sitz des Tumors linker Occipitallappen und linker Scbeitel-
lappen übrig, im ersteren Falle wäre die rechte Hemianopsie Herd-, die rechten
Geföhlsstömngen NachbarschaftK^ymptome gewesen, im zweiten Falle musste es
umgekehrt sein. Entscheidend nun zwischen diesen beiden Möglich¬
keiten für die Diagnose: Tumor im linken Scheitellappen und nicht
im Occipitallappen waren für mich unter diesen Umständen fol¬
gende Momente: 1. waren, wenn auch nur gering und im späten Stadium
der Erkrankung, doch auch Paresen und Sehnenreflezerhöhungen rechts Torbandeu,
was eher zu einem Sitz des Tumors in den Parietal- ^s in den Occipitalwindnngeo
passte. 2. trat im April 1898 eine rechtsseitige, also mit dem Tumor gekreuzte,
Toröbergehende Ptosis auf, die seit Lakdouzt häufig wieder bei Parietalhim-
affectionen und auch bei Tumoren dieser Gegend gefunden ist. 3. war es b«
der Geeammtheit der dauernden Symptome: rechte Gefühlsstömngen, rechte
Hemianopsie, sensorische Aphasie, ganz leichte rechtsseitige Paresen, überhaupt
am natürlichsten, den Tumor in der Mitte aller dieser Gebiete, also im linken
Parietalhim, anzunehmen, einen Tumor, dessen Xachbarschaftswirkungen sich
dann allerdings am stärksten nach hinten (redite Hemianopsie), weniger nach
aussen (sensorische Aphasie) und am wenigsten nach Torn (rechte Hemiparese)
erstrecken mussten. Bei dem Fehlen eigentlicher Alezie musste schliesslich
auch vermuthet werden, dass wesentlich der obere linke Parietallappen von
Tumor zerstört war, weniger die Theile des unteren, vor allem des Gyrus angu¬
laris. Meine Diagnose war denn auch, besonders sicher nach Eintreten der
rechten Ptosis: Tumor im linken Scheitellappen, vor allem im linken
Gyrus parietalis superior.
Ich Termuthete diesen Tumor im Marke des linken Scheitellappens, nicht
in der Rinde. Dafür war mir entscheidend, dass Kopfschmerzen während des
längsten Tbeiles der Krankheit überhaupt gefehlt hatten und ebenso lange sicber
851
auch eine percutorische Empfindlichkeit der Schädelknochen. Leider wurde
auf diese letztere zuletzt nicht mehr untersucht. Ferner bestanden zuerst
zwar nur Störungen im Muskel- und stereognostiscben Sinne rechts, die ja auch,
und sogar speciell bei RindenafTectionen im Parietalhim verkommen, später aber
auch eine rechte Hemianalgesie, die man selten bei Rindenafiectionen, meist
nur bei Läsionen der inneren Kapsel findet. Ich nahm, da Hemianopsie und
rechte Gefühlsstorungeu ziemlich gleichzeitig eingetreten waren, einen Sitz des
Tumors in der Gegend des hinteren Theiles der inneren Kapsel mit gleichzeitiger
Läsion der dicht daranliegenden Sehstrahlungeu oder des Corpus geniculatum
eitcrnum an. Meine endgiltige Di^^ose war also; Tumor im Marke des
linken Scheitelhirnes, besonders im oberen Scheitellappen. An eine
Operation dachte ich bei dieser Diagnose nicht.
Die Section wurde am 5. Mai 1898 Morgens 7 Va Uhr von mir ausgeführt.
Bei der Ablösung der Kopfhaut hat man Schwierigkeiten am hinteren Ende des
linken Scheitelbeines; hier ist die Galea mit dem Periost verwachsen, die untersten
Schichten der Kopfhaut sind von kleinen Blutungen durchsetzt; der Knochen
selber an dieser Stelle in der Ausdehnung eines Zweimarkstückes flach höckerig
vorgetrieben. Die Schädeldecke lässt sich leicht ablösen. Die Dura ist sehr
gespannt. Entsprechend der vorher erwähnten höckerigen Stelle des Knochens,
aussen an der hinteren abschüssigen Partie des linken Scheitelbeines, dicht vor
der Lambdanaht, ist sie von einer 4 cm im Durchmesser haltenden halbkugeligen
Wucherung durchbrochen. Diese ist hier in den Knochen hineingewuchert,
hat die innere Knochenplatte und auch die Diploö zerstört und hat erst an der
äusseren Knochenplatte Halt gemacht. Beim Versuche die Dura abzulösen,
hebt man entsprechend dem extraduralen Tumor und mit ihm offenbar durch
eine Duralücke zusammenhängend, einen sehr grossen, derben, von einer Kapsel
umgebenen und vom Gehirn vollständig scharf abgegrenzten Tumor aus seinem
Lager in der entsprechende Partie der linken Hemisphäre. Der Tumor hat die
Grösse und auch unge^r die Form eines grossen Hühnereies, das spitze Ende
liegt nach vorn, das stumpfe Ende nach hinten; die Längsaxe ziemlich genau
sagittal; etwas von vorn median, nach hinten lateral. Er ist 6 cm lang, 4,5 cm
breit und 4 cm hoch; der Durchbruch durch die Dura entepricht dem hinteren
Drittel seiner Oberfläche. Auf dem Durchschnitt seiner vorderen Theile hat er
ein gleichmässiges, aemlich weisses, derb fibröses Aussehen, mehr hinten und
oben, wo er die Dura durchbricht, ist er mehr pigmentirt, unregelmässig gefärbt,
enthält auch viel Blutgefässe. Mikroskopisch handelt es sich um ein Sarcom.
Der Tumor liegt mit seiner ganzen oberen und auch seiner ganzen inneren,
direct an der Medianfurche gelegenen Seite der Dura mater, bezw. der Falx
cerebri, sehr nahe. Direct mit ihr verbunden ist er aber nur da, wo er die
Dura durchbrochen hat, sonst liegt zwischen ihm und der Dura der Convexität
and auch der Falx cerebri, überall noch eiue mehr oder weniger dicke Schicht
eines lockeren stark von Blutfarbstoff durchsetzten Bindegewebes, das offenbar
mit der Innenfläche der Dura fester zusammenhängt, als mit der Oberfläche
des Tumors. An der convexen und theilweise auch an der medianen Fläche
64 *
Dig li^cd cy Google
852
der linken Hemisphäre zeigt sich nun nach Herausnahme des Tumors eine tiefe
Grube, deren Form und Ausdehnung natürtich nach jeder Richtung der des
Tumors entspricht. Sie ist also 6 ‘/j cm lang, 4 cm breit, hinten etwas breiter
als vorn und 2 Vs cm tief, ihre Langsaxe läuft ziemlich genau der Hedianfurcbe
parallel. Die Ränder der Grube sind überall scharfe, zum Theil etwas über¬
hängende und die an den Tumor angrenzenden Himtheile fallen steil in die
Grube ab. Beim Herauslösen des Tumors sind besonders hintere und laterale
Theile dieser Ränder al^erissen und hängen am Tumor, so dass die Grobe
etwas grösser erscheint, als sie in vivo war. Am Rande der Grube hört
der Piaüberzug auf, die Seitenwände und der Boden der Grube sind also
frei von weicher Hirnhaut. Auf dem Durchschnitt zeigt sich später, dass im
eigentlichen Boden der Grube auch von grauer Hirnrinde makroskopisch
nichts mehr zu sehen ist, an den Seitenwänden kann man theilweise noch einen
schmalen grauen Streifen als Rest derselben erkennen. Ebenso zeigt es sieb,
dass die direct an den Tumor angrenzenden Himpartieen, also die Seitenwinde
und der Boden der Grube, auf eine Strecke von etwa 1 Vs cm sich im Zustande
gelber Erweichung befinden. Die vom Tumor grubig vertieften und zum
Theil zum Druckschwund gebrachten, zum Theil erweichten Hirn-
partieen entsprechen nun dem grössten Theile der Rinde des oberen
linken Scheitellappens und seines oberflächlichen Markes. Nur ganz
geringe Theile dieses an die Medianfurche angrenzenden Himtheiles liegen ausser¬
halb des Gebietes der Grube, dicht an ihrem Rande von Pia überzi^en, und
sind verschont geblieben; so ist der vorderste Theil des oberen Scheitelläppchens
hinter der hinteren Centralwindung in einer Breite von IV'jCm und der ent¬
sprechende Theil des Präeuneus hinter dem Sulcus callosomarginalis in der¬
selben Breite erhalten; ferner ein 1,3 cm breiter Streifen der Rinde über dem
horizontalen Theil des Sulcus interparietalis, der also den untersten und seit¬
lichsten Tbeilen des oberen Parietallappens entspricht; schliesslich ein schmaler
Streifen des Rräeuneus an der Medianfläche der linken Hemisphäre, dicht über
dem Gjros hippocampi. An den Sulcus parietooccipitalis reicht der Tumor
direct heran, kleine Reste des direct vor dieser Furche liegenden hintersten
Theiles des oberen Parietallappens sind roth erweicht
Der Tumor hat, besonders in seiner Nachbarschaft, auch zu sehr erbeblicheii
Compressionen und Verschiebungen der Himtheile geführt Auffälligerweise
haben aber diese Verschiebungen nicht nach allen Seiten gleicb-
mässig stattgefunden, sondern fast nur nach anssen und hinten
vom Tumor, weniger, wenigstens in der directen Nachbarschaft,
nach vorn und medianwärts. So liegt der vor dem Tumor liegende auf-
stehende Ast des Sulcus callosomarginalis rechts und links symmetrisch; dag^n
die linke Fissura parietooccipitalis 3 cm weiter nach hinten als die rechte. Die
Spitze des linken Occipitallappens liegt links 2 cm weiter hinten und 5 cm weiter
unten als die des rechten; auch die linke Kleinhirnhemisphäre ist nach unten
verschoben. Das ganze Gebiet der oberen Parietallappen, das links also vom
Tumor und den Resten dieses Lappens eingenommen ist, ist au der Median-
üigi‘.'/ed oy Google
853
furobe links 7 cm, rechts 4Va cm lang. Nach aussen und vom hin hat der
Gyrus supramarginalis keine erhebliche Yerschiebung erlitten; er liegt links
ungefähr mit rechts symmetrisch, nur der horizontale Antbeil der linken Inter-
parietalfurche ist in eine mehr senkrechte Richtung gedrängt, von vom oben,
nach hinten unten. D^egen ist der linke Qyrus angularis stark nach unten
gedrückt und namentlich ist auch sein oberer Bogen stark comprimirt Median-
wärts bat an der Stelle des Tumors natürlich auch ein Hinüberdrangen der
Fall cerebri nach rechts stattgefunden. Ganz unbeeinflusst vom Tumor sind
also von der Rinde aus betrachtet in der linken Hemisphäre: das Stirn-, Schläfen-
und Centralhirn; und auch das linke Occipitalhim und die unteren Scheitel-
Windungen, Gyrus supramaiginalis und angularis, sind nur yerdrängt und theil-
weise comprimirt
Da wo der Tumor am weitesten an die Medianlinie reicht — an seinem
vordersten Ende —, also direct hinter dem Paracentrallappen, bat er seine
Wirkungen auch noch auf die rechte Hemisphäre erstreckt und die entsprechende
rechte Himpartie zur blutigen Erweichung gebracht Da wie.gesagt der Tumor
Verschiebungen von Hirntbeilen nach vom nicht gemacht hat, so entspricht diese
rechte erweichte Himpartie den hinteren zwei Dritteln der rechten oberen Parietal-
wiudung dicht an der Medianlinie und des Pracuneus. Letzterer ist bis an den
Gyrus hippocampi zerstört, auf der convexen Fläche des oberen Parietallappens
ist die Zerstörung etwa 2 cm breit Der durch dieselbe gesetzte Defect ist etwa
wallnussgross. Theile der erweichten Partie sind an der Dura sitzengeblieben;
diese ist hier nach rechts verschoben, aber voll erhalten.
Frontalschnitte durch beide Hemisphären zeigen zunächst, dass ausser dem
erwähnten, ein weiterer gröberer Krankheitsherd nicht mehr besteht. Ferner,
dass doch noch au^edehntere Verschiebungen der Hirntheile bestehen als die
Betrachtung von der Rinde aus vermuthen liess. So hat z. B. noch vor den
Centralwindungen der linke Gyms fomicatus eine Grube in den rechten gedrückt.
Auch der Hirnstamm und besonders die Vierhügel sind nach rechts verschoben.
Im üebrigen sind beide Hemisphären vor den Centralwindungen auf dem
Frontalschnitte wohl von gleicher Grösse, weiter hinten aber nimmt sich immer
mehr die rechte Hemisphäre wie ein verkleinertes Anhängsel der linken aus.
So ist direct hinter der hinteren Centralwindung die linke Hemisphäre auf dem
Durchschnitte 11 cm hoch und 8^/^ cm breit; die linke 9 cm hoch und cm
breit. Es handelt sich hier ausser der Vergrösseruug durch den Tumor selbst
wohl um eine ödematöse Schwellung der linken Hemisphäre und zugleich um
Compression der rechten, vielleicht aber sind durch die Härtung in Formol die
Unterschiede noch starker hervoigetreten. Die Zeichnung der Frontalschnitte
ist auch in der linken Hemisphäre, speciell was die grossen Ganglien anbetrilTt,
eine gut zu erkennende. Vom Unterhorn des linken Seitenveutrikels liegt der
Tumor weit entfernt
Kurz zusammengefasst handelt es sich also um einen mit der
Dura im Zusammenhang stehenden Tumor, der fast die ganze linke
obere ParietalwinduDg in erheblicher Weise grubig vertieft, ihre Pia
■■giVrcd oy Google
854
und den grössten Theil ihrer Kinde zum Druckscbwund und ihre
oberflächlichen Markmassen zur Erweichung gebracht hat Eine
Compression und Verschiebung der benachbarten Theile hat haupt¬
sächlich nach hinten und nach hinten aussen vom Tumor statt-
gefunden. Oedematös geschwollen ist fast die ganze hintere Hälfte
der linken Hemisphäre. Der rechte obere Parietallappen zeigt dicht
an der Mittellinie einen Herd rother Erweichnng. Da wo der Tumor
mit der Dura direct yerbunden ist — etwa auf der Grenze zwischen
mittleren und hinteren Drittel seiner Oberfläche — hat er diese
durchbrochen und den hinteren Theil des linken Parietalbeines,
direct an der Mittellinie und direct vor der Lambdanaht, so stark
arrodirt, dass nur noch die äussere Knochenplatte erhalten ist.
Der Tumor ist ein typischer sogen. Fungus durae matris. Er ist aller
Wabrscbeinlicbkeit nach, da wo er mit der Dura zusammenhängt, von ihr selbst
und zwar von ihrer Innenfläche, zunächst als kleiner zapfenformiger Tumor
entsprungen, ist nach Innen gewachsen und hat wahrscheinlich die innersten
Lamellen der Dura selbst zur Bildung seiner glatten Kapsel benutzt Nach
und nach hat er dann unter grubiger Vertiefliug und tbeilweiser Zerstörung
der direct in seinem Bereiche liegenden Himtheile eine immer grössere Aus¬
dehnung in sagittaler, transversaler und verticaler Richtung erreicht; doch so,
dass nun der grösste Theil der Oberfläche des Tumors nicht mehr direct mit
der Dura zusammenhing, sondern nur durch den schmalen kunen Stiel an
dem Orte seiner ersten Entwickelung; der kleine in der Dura liegende Theil
des Tumors entspricht also dem Stiele, der grosse unter der Dura liegende
Theil dem Hut eines Filzes. Da wo der Tumor das Hirn verdrängt hat^ hat
er auch die Pia zerstört; die Rinde theils comprimirt, tbeils zum Druckschwund
gebracht, das Mark erweicht. Schliesslich hat er an der Stelle des Zusammen¬
hanges mit der Dora diese auch nach aussen durchbohrt und den über dieser
Stelle liegenden Knochen so stark arrodirt, dass ein Durchbruch nahe bevorstand.
Die hier g^ebene Anschauung von dem Entstehungsorte und der weiteren
Entwickelung des vorliegenden Tumors scheint mir nach dem ganzen vorhanden
Materiale jedenfalls die wahrscheinlichste. Nach dem anatomischen Befund ist
es ja natürlich nicht mit Sicherheit auszuschliessen, dass der Fungus, wie das
oft der Fall ist, zuerst extradural gesessen hat und nun nach der einen Seite
die Dura nach Innen durchbohrt und ins Hirn hineingewachseu ist, nach der
anderen den Knochen arrodirt bat. Wir werden aber sehen, dass klinische
Gründe zum mindesten sehr stark gegen diese Ansicht sprechen
und für die erste Annahme ins Gewicht fallen: also für die An¬
nahme einer primären Entwickelung des Tumors an der Innenfläche
der Dura.
Die Diagnose: „Tumor im linken oberen Parietallappen“ war also
auch in diesem Falle eine vollständig richtige gewesen und der Fall ist jedenfalls
ein Beweis, dass auch die Localdiagnose der Tumoren dieses Sitzes unter
günstigen Beobachtungscbancen und bei prägnanten Symptomen eine sehr sichere
Dip'ti/Ou
Google
855
sein kann. Nur in einer Beziehung war die Diagnose irrig gewesen. Ich hatte
einen Tumor tief im Marke rermuthet und deshalb sogar auf eine Operation
Terzichtet, die Section ei^b einen Tumor, der von der Dura ansgegaugen war
(Fungus dorae matris) und allmählich die Binde des linken oberen Parietal-
lappens vertieft und tfaeilweise zerstört batte. Tumoren, die an die Dura reichen
oder gar in ihr entstehen, pflegen von Anfang an sehr erhebliche Kopfschmerzen
und auch locale percutorisohe Empfindlichkeit hervorzunifen und das Fehlen
beider Symptome im vorliegenden Falle, wenigstens durch die längste Zeit des
Elrankheitsverlaufes, war für mich gerade der Hauptgrund, den Tumor nicht in
der Rinde, sondern im Marke zu vermutben. Ich glaube freilich nach dem
Sectionsbefunde, dass, wenn ich in den letzten Wochen vor dem Tode noch
genau auf percutorische Scbmerzempfindlichkeit untersucht hätte, ich diese an
der Stelle, wo der Tumor den Knochen fast durchbrochen hatte, sicher hätte
finden müssen, leider ist das von mir versäumt. Während des grössten Theiles
des Verlaufes der Krankheit war sie aber sicher nicht vorhanden. Worauf das
lange Fehlen spontaner und percutorischer Schmerzen, in diesem Falle von
Fungus durae matris, zurückzuführen ist, bin ich ausser Stande zu sagen. Doch
glaube ich aus diesem Verhalten wenigstens das eine schliessen zu können, dass
der Tumor an der inneren Seite der Dura seinen Ursprung hatte und von da
erst zuletzt die Dura nach aussen durchbohrte und den Knochen arrodirte, eine
Annahme, die sich ja aus dem anatomischen Befunde, wie erwähnt, nicht ohne
weiteres ergab. Denn wollte man umgekehrt annebmen, der Tumor sei primär
extradural entstanden oder gar im Schädelknochen und habe die Dura nach
innen durchbohrt, so wäre das Fehlen von Kopfschmerzen und percutorischer
Empfindlichkeit ganz unverstäudlich. Jedenfalls beweist der Fall aber, dass
das Fehlen dieser Symptome nicht unbedingt dafür spricht, dass ein Tumor
nicht an die Dura heranreicht, ein Umstand, der für die bestimmte Diagnose
des Tumorsitzes und dadurch für die Therapie bedauerlich ist, und in diesem
Falle mich an einer Operation vorbeigeben Hess, deren Chancen so günstig wie
möglich waren, viel günstiger als in allen den von mir bisher mit Localdiagnose
zur Operation gebrachten 7 Fällen von Hirntumor. Erwähnen will ich noch,
dass in meiner ersten Beobachtung die percutorische Empfindlichkeit des Stirn¬
beines sehr deutlich war, obgleich der Tumor im Marke sass, die Rinde nirgends
zerstört hatte und die Patientin schwer benommen war.
Noch ein paar Worte über einige sonstige Localsymptome des
Falles. Die Sprachstörung war auch in diesem Falle sehr wechselnd an Intensität,
in ihren Symptomen verwaschen, wenngleich man sie wohl als sensorische er¬
kennen konnte. Das ist leicht erklärlich, da es sich um ein Nachbarschafts-
Symptom handelte, das vom wechselnden Drucke des Tumors abhängig war.
Anfallsweise eintreteude, mehr oder weniger rasch vorüber¬
gehende totale Erblindungen, wie sie im vorliegenden Falle beobachtet
wurden, sind mehrfach bei Hirntumoren beschrieben, ganz besonders hat auf ihr
Vorkommen Hibscbbebg bingewiesen. Sie entstehen in den meisten Fällen
wohl durch einen rasch zunehmenden Hirndruck, vielleicht ganz direct durdi
■' Google
856
acute Zunahme des Hydrocepbalus internus, durch den dann eine vermehrte
Ckimpression des Chiasma bedingt wird. Dann sind sie ein Allgemein-
Symptom des Tumors. Ich habe aber schon hrhber, gestützt auf eine Beob¬
achtung von GowBfia und eine eigene, die Ansicht ausgesprochen, dass vielleicht
bei Tumoren in den oder in der Nähe der Occipitallappen diese vorübergehende
Amaurosen besonders leicht Vorkommen konnten und sich dann jedesmal aus
dauernden Hemiauopaieen entwickelten. Der vorliegende Fall scheint mir eine
neue Stütze für diese Ansicht zu sein, die sich ja auch physiologisch leicht
begründen lässt, da ein Tumor, der so gelagert ist, dass er einen Hinterhaupts¬
lappen dauernd lädirt, leicht bei vorübei^ehend verstärktem Druck, auch den
anderen angreifen kann. Bei dieser Entstehungsart der vorüber¬
gebenden Amaurosen würde dies Symptom dann also eine Mittel¬
stellung zwischen den Local- und Allgemeinsymptomen einnehmeu.
Die für die Localdiagnose, Tumor des linken Parietallappens, wichtigsten
Symptome waren in diesem Falle Storungen des Gefühles auf der gegenüber¬
liegenden Körperseite, besonders im rechten Arme, die auch zu einer Unsicherheit
der Bewegungen dieser Extremität führten, die man wohl als Ataxie bezeichnen
konnte. Es handelte sich im wesentlichen zunächst um eine Störnng des
stereognostischen Sinnes und des Lage- bezw. Hnskelgefühles; die
später hinzutretende Hypalgesie war wohl durch eine Fernwirkung auf die
hinteren Partieen der linken inneren Kapsel bedingt. Eigentliche Motilitäts¬
störungen der Extremitäten, besonders des rechten Annes, waren dabei nur in
sehr rudimentärer Weise ganz zuletzt vorhanden. Mein Fall scheint mir
also eine neue Stütze für die seit Nothnagel oft geäusserte Ansicht
zu sein, dass der Scheitellappen besondere Beziehungen zum Gefühl
und ganz besonders zum Muskelgefühl der gekreuzten Körperhälfte
hat; auch das, was man stereognostischen Sinn nennt imd was sicher ein com*
plicirter psychischer Vorgang ist, hängt jedenfalls zum guten Theil vom Muskel-
gefühl mit ab. Ich muss nach meinen jetzigen Erfahrungen, ebenso wie Ofpbk-
HEiM, annehmen, dass die Rindenzonen wenigstens für die Empfindung der
Berührungen, für den stereognostischen Sinn und wohl auch für das Muskel¬
gefühl sich über grössere Theile der Hemisphäre erstrecken, jedenfalls über
die Centralwindungen und den oberen Theil des Parietallappens und ihre
an die Mittellinie angrenzenden Theile, Lobus paracentralis, Präcuneus. Deus
wenigstens Störungen des stereognostischen Sinnes beobachtet man sehr oft
auch bei Affectiouen der Centralwindungen allein, solche des Muskelgefühles
und daraus resultirende Ataxie allerdings wohl mehr bei solchen des Scheitel-
himes. Es scheint mir, wenn man nur nach klinischen Beobachtungen sieh
richten will, so zu .sein, dass die motorischen Functionen in diesem gaozea
Gebiete von vorn nach hinten ab, die sensorischen in gleicher Richtung zu-
nebmen, so dass vielleicht die vordere Centralwindong ziemlich rein motorische,
die obere Scheitelwindung ziemlich rein sensorische, die hintere Central winduog
gemischte Functionen bat. Das würde auch mit den Ansichten von Webnicex
stimmen und vor allem mit der vorliegenden Beobachtung, bei der die Störungen
n,-.,Google
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der gekreisten Körperbälfte fast rein sensorische waren und der Tumor die
hintere Centralwindung nach vom nicht erreichte. Von Interesse ist, dass auch
in diesem Falle den rechtsseitigen Anästhesieen rechtsseitige Neuralgieen voran-
gingeu; die central entstehenden Schmerzen gewinnen nach meiner Ansicht eine
immer grössere klinische Bedeutung.
Mehrfach habe ich in der Krankengeschichte auch hervorgehoben, dass die
Functionsstörungen des Patienten im Gebrauche speciell des rechten Armes,
wohl nicht nur bedingt waren durch die Sensibilitatsstöningen desselben, sondern
zum Theil auch darauf, dass der Patient in Folge seiner sensorischen Aphasie
nicht verstand, was man von ihm verlangte. Ich habe aber erwähnt, dass
dieses mangelhafte Yerständniss besonders hervortrat, wenn man dem Patienten
Aufträge für seinen rechten Arm gab, kaum, wenn sich dieselben auf den
linken Arm bezc^en. Ich will das hier nur nochmals hervorheben, ohne auf
eine Erklärung dieser Erscheinung mich einzulassen, es handelt sich da jedenfalls
um ganz compleze psychische Vorgänge. Der Patient wusste Oberhaupt oft
nicht, was er von seinem linken Arme halten sollte, er betrachtete ihn oft
verwundert, sagte: „Ich weiss nicht, was mit dem Arme ist — Es ist schrecklich“.
Zuletzt brauchte er zu Willkürbewegungen nur noch den linken
Arm, obgleich der rechte nicht gelähmt war und z. B. mehr reflectorische
oder automatische Bewegungen noch ausfuhrte. Ich habe diese letztere Art der
Bewegungsstörung (Nichtgebrauch eines Gliedes bei vorhandener M^lichkeit des
Gebrauches), die ich mehrfach bei au^edehnten Herden in den hinteren Theilen
der Hemisphären beobachtet habe, früher als „Seelenlähmung“ bezeichnet und
sie darauf zurückgeführt, dass in diesen Fällen der grösste Theil der sensorischen
Cenlren der beteffenden Hemisphäre zerstört war und dadurch die auf höheren
Keflexbahnen verlaufenden Anregungen dieser Centren auf die motorischen Hirn*
theile, wie sie zu den sogen. Willkürbewegungen nöthig sind, fehlten. Das
scheint mir auch für den vorliegenden Fall zu stimmen.
Von hohem Interesse war mir im vorliegenden Falle das apoplectiforme
Eintreten einer mit dem Tumor gekreuzten, rasch vorübergehenden,
rechten Ptosis am 6. April 1898. Landouzt hat zuerst aut die contra¬
laterale Ptosis bei Herden im Scheitellappen hingewiesen; Wernicke verlegt
ins untere Scheitelläppchen ein Centrum für die Seitwärtsbewegung der Bulbi
nach der gekreuzten Seite. Jedenfalls ist eine contralaterale Ptosis auch bei
Scheitellappentumoren mehrfach beobachtet. So war dann auch mir dies
Symptom eine wesentliche Stütze für meine Localdiagnose „Tumor
im linken Scheitellappen“. Ich war mir dabei allerdings wohl bewusst,
dass die ganze Lehre von der Localisation von Centren für die Augenbewegungen
im Scheitellappen noch auf recht schwachen Füssen steht, immerhin kann man
gegen die klinische Thatsache nicht an. Oppenheim meint, dass bei Tumoren
lür die contralaterale Ptosis auch ein Druck auf den gekreuzten Oculomotorius
lu der Basis cranii in Betracht käme; davon lag mein Tumor doch zu weit
mtfernt, eher wäre hier ein Druck auf deu gleichseitigen Vierhügel möglich.
Der bei der Section gefundenen rothen Erweichung im rechten oberen Scheitellappen
Google
858
die rechte Ptosis in die Schuhe zu schiebeu, wofür sprechen würde, dass die¬
selbe apoplectiform eintrat — nach meiner Ansicht sind für die apoplectiformen
Anfälle bei Tumoren häufig Erweichungen und Blutungen in der Nachbarschaft
der Tumoren Terantwortlich zu machen —, will mir auch nicht recht in den
Sinn; denn erstens werden die angeblichen Centren für die Augenbew^^nngen
allgemein in den unteren Soheitellappen verlegt; zweitens versorgen diese
Centreu doch wenigstens in der Hauptsache das gekreuzte Auge.
Das bei meinem Kranken in der letzten Zeit beobachtete Schwanken beim
Geben muss man wohl durch Druck des Tumors auf das Kleinhirn erklären;
die linke Kleinhimhemisphäre war nach unten verschoben.
Mein Fall zeigt sehr hübsch, dass ein Tumor bei seinem, Wachsthum Drud-
wirkungen nicht immer nach allen Seiten gleichmässig auszuüben braucht
sondern dass die Wachstbumsricbtung und damit die Compression hauptsächlich
nach einer b^timmten Richtung gehen und die übrigen freilassen kann. Der
Tumor lag den Centralwiudungen fast ebenso nahe als dem Occipitallappen.
er hat aber die ersteren Windungen garnicht, den Hinterhauptslappen sehr stark
nach unten und hinten verschoben. Auch in dem unteren Scheitellappen traf
die Verschiebung wesentlich den Gyrus angularis, weniger den davor li^nden
Gyrus supramarginalis. Deshalb war klinisch eine ausgesprochene rechte Hemi¬
anopsie, aber nur ganz geringe rechtsseitige Parese vorhanden. Für eine Local¬
diagnose wäre es erwünschter, wenn die Druckwirkungen eines Tumors immer
von einem Centrum aus gleichmässig nach allen Seiten gingen; dass die haupt¬
sächliche Schädigung bestimmter Theile der Umgebung durch die WachsÜiums-
richtung der Geschwulst bedingt ist, kann man in vivo nicht erkennen; die
durch diesen Umstand bedingte Hervorhebimg von Symptomen nur einzelner
Gebiete in der Nachbarschaft des Tumors kann aber leicht zu diagn<^ischeD
Fehlschlüssen führen.
II. Referate.
Anatomie.
1) The origin and destination of oertain afferent and efferent traots in
the medulla oblongata, by Risien Russell. (Brain. 1897. Winter.)
Verf. hat folgende Experimente an Affen nnd Hunden gemacht:
1. Zerstörung der lateralen Region der Hedulla oblongata zwischen anfsteigrader
TrigMoinuswarzel und unterer Olive.
2. Zerschneidung des Corpus restiforme.
3. Durchscbneidung des directen sensorischen Kleinhimbfindeis von Edinger.
4. Trennung des Deiters’schen Kernes von seiner Verbindung mit der Hedulla
oblongata.
6. Durchschneidung der Hintersäulen und ihrer Kerne in der Hednlla oblongata-
Google
859
Verf. bat dann histologisch an Marchi-Präparaten die secnndären Degenerationen
verfolgt Bef. kann die Befände hier nur in groben Umrissen anführen und muss
wegen feinerer Einzelheiten auf das Original verweisen. Nach Operation Nr. 1 dege*
nerirten centrifugal im ROckenmarke zwei BQndel: eins dreieckig, direct vor den
lateralen Pyramiden; ein zweites schmal, am vordersten ventralen Tbeile des Randes
des Rflckenmarks und nur im Lendenmark auch den Rand entsprechend der vorderen
liängsspalte besetzend. Im Hals- und oberen Dorsalmarke waren beide BQndel durch
ein schmales Band an der Peripherie verbunden. Centripetal degenerirte die be¬
kannte Kleinhimseitenstrangs- und die Gowers’scho Bahn. Ausserdem wurden
Fibrae arciformes zerstört und die Folge davon war Degeneration in der gekreuzten
Olivenzwischenschicht und Schleife.
Nach Operation Nr. 2 erfolgte, wenn die Operation nur das eigentliche Corpus
restiforme betraf und das directe sensorische EleinhirnbQndel Edinger’s, das
eigentlich einen 4. Kleiohimsehenkel darstellt, freilie?s, im Rückenmark überhaupt
keine Degeneration; die Degeneration in diesem Falle betraf nur die gleichseitige
und gekreuzte untere Olive und die gleichseitige Formatio reticularis.
Bei Operation Nr. 3 wurde immer der Deiters’sche Kern mit afficirt. Deut¬
liche, nur mit der Dorchschneidung der directen sensorischen Kleinhirnbahn Edinger’s
zusammenhängende centrifugale Läsionen konnten nicht gefunden werden; centripetal
trat eine Degeneration nicht auf.
Nach Operation Nr. 4 erfolgt eine directe durch die Formatio reticularis
gehende absteigende Degeneration, die im Rückenmark den Rand des Vorderseiten¬
stranges besetzt hält, und identisch ist mit der gleichen, die bei Operation Nr. 1 in
der Formatio reticularis selbst erfolgt^ und eine zweite, die vom Deiters’schen
Kerne in das gleiche und gekreuzte hintere Längsbündel geht und da auf- und ab¬
steigend verläuft. Die absteigenden Fasern liegen im Rückenmark mehr am Rande
des vorderen Sulcus.
Nach Operation Nr. 5 erfolgte Degeneration der gekreuzten Schleife und
einiger Fasern, die in das gleichseitige Corpus restiforme geben.
Im Yorderseitenstrange liegen also drei centrifugale Bahnen: I. die directe
Pyramidenbahn; 2. Fasern in der Nähe dieser Bahnen, die zum Theil nach Boyce
aus der Gegend der Vierhügel, zum Theil nach dem Verf. aus dem Deiters’schen
Kerne stammen, und die beide das Rückenmark durch das hintere Längsbündel er¬
reichen. Sie sind von den direct aus dem Deiters’scben Kern durch die Formatio
reticularis zum vorderen Rückenmarksrande gebenden scharf zu trennen; 3. diese
letzteren Fasern aus dem Deiters'scheu Kerne. Die in Experiment 1 in der Nähe
der Seitenstrangspyramiden degenerirt gefundenen Bahnen entsprechen tbeils Fasern,
die Boyce nach Läsionen der Vierhügel degenerirt gefunden bat, tbeils müssen sie
wohl nach dem Verf. aus tieferen Regionen stammen, trotzdem können sie fuiictionell
zusammengehören.
Das wichtigste Resultat von des Verf.’a Experimenten ist, dass keine directen
centrifugalen Bahnen vom Kleinhirn durch das Corpus restiforme ins
Rückenmark gehen, dass die von Marchi bei Läsionen des Kleinhirns,
von Biedl bei solchen des Corp. restiforme gefundenen und als solche directen
Bahnen angesprochenen secnndären Degenerationen im Rückenmarke, zum Theil durch
Hitverletzung des Deiters’schen Kernes, zum Theil der Formatio reticularis sich
erklären lasseu; sie nehmen im Rückenmarke ganz genau die Gebiete ein, die bei
Läsionen dieser Stellen vom Verf. degenerirt gefunden sind (Vorderseitenstrangsrand
und Gebiet vor der Seitenstrangspyramide). Indirect besteht aber eine Ver¬
bindung der gleichen Kleinhirn- (Nucleus globosus) und Rückenmarks-
hälfte durch Edinger’s directe sensorische Kleinhirnbahn und den
Deiters’scben Kern. L. Bruns.
Google
SCO
Experimentelle Physiologie.
2) La ooQtractxure tötaniqne n’est pas fonotlon d'une l^aion appreciable
des oellulas nerveuses mödullairoa, par Courmont, Doyoo et Paviot
(Arch. de Pbysiol. 1898. Nr. 1.)
Gegenüber Marinesco und Claude, welche bei experimentell erzeugtem Tetanus
mit Hülfe der Nissl'schon Methode Zellreränderungeu und weiterhin auch Ver¬
änderungen der weissen Substanz nachgewiesen haben, haben die Yerff. bei tetani-
sirten Meerschweinchen (Toxininjection) nur ZeUveränderungen mit Hülfe der Nissl-
schen Methode gefunden, welche man auch bei dem gesunden Meerschweinchen findet
Ebenso negativ fielen 3 Versuche an Hunden ans, welche in Folge von Tetanustoxin-
einspritzung am 5., 7. bezw. 14. Tage starben. In einer sich anschliessenden Kritik
der Nissl’schen Methode gelangt Paviot zu dem Ergebniss, dass die Nissl’scbe
Methode keinen Vorzug vor anderen Methoden hat und sehr leicht zu voreiligen
Schlüssen führt Die specielle Empfänglichkeit der chromatophilen Elemente für
Methylenblau wird zugegeben. Speciell wird andererseits auch ein Fall von Chores
hereditaria angeführt, in welchem die Nissl’sche Methode eine homogene Dlauiarbuog
der Vorderhomzellen ergab, die Safraninfärbung jedoch die normalen cbromophilen
Elemente zeigte. Th. Ziehen.
3) L'dtat des yeax pendant le eommeil et la thöorie du sommeii, p&r
E. Berger et B. Loewy. (Journal de l’anat et de phys. 1898. Nr. 3.)
Unter den zahlreichen Einzelbeobachtungen der Autoren sind folgende bemerkens-
werth: Die Empfindungen in der Conjunctiva vor dem Einschlafen haben mit dem
Versagen des Thränensekretes nichts zu thun. Dem Einschlafen geht eine Gesichts-
feldeinenguDg voraus. Der Lidschluss im natürlichen Schlaf ist durchaas schlaff (im
Gegensatz zur Hypnose). Im tiefen Schlaf reagiren die verengten Pupillen nicht auf
Licht. Alle sensorischen Beize, nicht nnr Hautreize, bedingen eine Pupillenerweilerung;
die Verff. fassen dieselbe als ein Symptom des halben Erwachens auf. Die Schlaf-
miosis selbst beruht nicht auf einem Spasmus des Sphincter iridis (Plotke), sondern
auf einer Lähmung der gefassverengenden Nervenfasern der Iris. Diese Lähmung
soll central sein (Medulla oblongata) und auch die während des Schlafes angeblich
bestehende Hirnhyperämie veranlassen. In der Hypnose findet mau bald eine para¬
lytische, bald eine spastische Miosis, bald eine auf sympathischer Contraction der
Irisgefässe beruhende Mydriasis, bald endlich eine normale Pupillenweite. Der Augen-
hintergrund zeigt während der Hypnose keine Veränderung. Die Bulbi sind im
natürlichen Schlaf des Erwachsenen und auch in der Hypnose nach oben und aussen
gerichtet; bei Kindern bis zum 2. Lebensjahre sind sie nur nach aussen gewendet.
Zur Erklärung des Schlafes halten die Verff. es für nothwendig, die chemische
Theorie (Autointoxication) mit der Neurasthenie (Aufhebung der Contignität der
Neurone, Duval) zu verbinden. Uebrigens lässt sowohl bei diesen theoretiscbeo
Erörterungen wie lei der Besprechung der Beobachtungstbatsachen die Argumentation
oft viel zu wünschen übrig. Th. Ziehen.
Pathologische Anatomie.
4) The neiiromusoular bundles (Muakelknospen, Muskelspindeizi, Faisoeaox
neuromusoalairee), by William G. Spiller. (Journal of nervous and mental
disease. 1897. October.)
Bei der anatomischen Untersuchung eines Falles von intensiver allgemeiner
Muskelatrophie (Dystrophie) aus Dejerine’s Klinik im Bicätre fand Verf. di»
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861
Muskelspindeln ebenso wie die intramasculären Nervenfasern vollkommen erhalten.
Er bespricht die in der Litteratur zahlreich niedergelegten Beschreibungen dieser
Gebilde, die Theorieen über ihre Bedeutung, und betont die jedenfalls interessante
Thatsacbe, dass dieselben trotz fast völligen Untergangs des Muskelgewebes vollkommen
intact bleiben können. Martin Bloch (Berlin).
6) Etat du faisoeau pyramidal (bulbe et moelle öpinlöre) daos quatre
cas de oontrsoture apasmodique Infantile (ayndrome de Little), par
CI. Philippe et R. Cestan. (Comptes rendus de la socidt^ de biolog. 1897.
4. Ddc.)
Die Verff. haben in 4 Fällen von ausgebildetem Little’schem Symptomencomplex
die Rockenmarke der betr. Kinder mikroskopisch untersucht und die Angaben von
Binswanger, Qanghofner u. Ä. durchaus bestätigt gefunden, dass die Pyramiden¬
etränge bei dieser Erkrankung durchaus intact sind. — Die Verff. schliessen sich
der Charcot-Baymond’schen Anschauung an, dass der eigentliche Sitz der eigen-
tbömlicben Erkrankung in den Qanglienzellen der grauen Vorderbömer zu suchen sei.
W. Cohnstein (Berlin).
Pathologie des Nervensystems.
6) Contrlbution a l’etude de la pseudo • mäningooäle traumatique, par
A. Josias et J. C. Roux. (Revue de Mädecine. 1897. Avril. S. 233.)
Als traumatische Pseudo-Meningocele bezeichnen die Verff. diejenigen Fälle von
Meningocele, welche nicht angeboren, sondern nach einem traumatischen Knochen-
defect bei Kindern entstanden sind. Sie selbst haben einen derartigen sehr charak¬
teristischen Fall bei einem 6jährigen Mädchen beobachtet. Das Kind war im Alter
von 6 Wochen aus dem Bett gefallen. Gleich danach schwere, aber vorübergehende
Gebimerscheinungen und etwas später Auftreten eines weichen Tumors am linken
Scheitelbein. Als die Verff. das Kind untersuchten hatte der flache Tumor einen
Durchmesser von fast 10 cm. Seine Oberfläche war weich und eindrückbar. Deut¬
liche Pulsation, starke exspiratorische VorwGlbnng beim Hasten. Rechtsseitige Hemi¬
plegie, besonders stark ausgeprägt im Arm. Intelligenz des Kindes sehr herabgesetzt.
Sonst keine besonderen Störungen.
Derartige tranmatische Meningocelen traten fast nur bei Kindern auf. Da
die Dura mater noch fest am Schädel haftet, reisst sie gewöhnlich gleichzeitig mit
der Schädelfractnr mit ein. Die anfängliche Fissur des Schädels erweitert sich beim
Wachstbum des Gehirns zu einer immer breiteren Spalte. Darum tritt auch keine
Heilung der Fissur ein, ebenso wie diesGudden experimentell bei jungen Kaninchen
gezeigt hat. Ausserdem tritt an den Bändern der Spalte eine Knochenresorption
ein. Durch den Spalt drängt sich sofort nach dem Trauma der Liquor cerebrospinalis
nach aussen unter die Haut. Manchmal wird er wieder resorbirt, in anderen Fällen
bildet sich eine dauernde, langsam wachsende Meningocele. Das Gehirn selbst ist
hänflg mitbetheiligt, sei es durch das Trauma direct, sei es durch secundäre Er¬
weichung. Da der Sitz der Affection fast immer am Scheitelbein gelegen ist, so
sind Hemiplegieen sehr häufig. Auch secundäre Epilepsie, Störungen der Intelligenz
und andere sind oft beobachtet. Die Therapie ist in verschiedener Weise versucht
worden: Punction mit nachfolgender Injection von Jod, dauernde Compression, aber
noch besser Incision mit nachfolgender Knocbentransplantation.
Die Arbeit enthält ein soigfaltiges Litteraturverzeichniss und kurze Auszüge
Ober 31 ähnliche Fälle. Strümpell (Erlangen).
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862
7) Die pathologisobe Schwere, toq Prof. Adsmkiewicz in Wien. (Wiener
med. Presse. 1898. Nr. 23.)
Die natOrlicbe Schwere der KOrperbestandtheile kommt dem Menschen nicht
zum Bewusstsein und ist am lebenden Menschen in den Grenzen ihrer physiologischen
Arbeit thats&cblich aufgehoben. Diese Compensation wird durch die Thätigkeit 7on
Nerven bewirkt, die den peripherischen Stämmen beigemischt, aber weder mit den
motorischen, noch mit den sensiblen Nerren identisch sind. Ihre Thätigkeit ist eine
vom Willen unabhängige, wird aber unter normalen Verhältnissen durch die arbei¬
tenden Muskeln, also durch den Willen flberwundeo. Es muss demnach zwischen
ihnen und den Pyramidenbahnen ein Antagonismus und ihre Wirkung in einer Art
Zug bestehen, der gegen das Gewicht der Mnskeln, also immer in der Richtung zum
Gehirn wirksam ist. Dies legt den Gedanken nahe, dass jene gewiohtscompensato-
rischen Fasern wahrscheinlich mit den Tonusfasem der Muskeln identisch sind.
Man muss sich dann vorstellen, dass bei Unterbrechung der Pyramidenbahnen der
frei gewordene Tonus die nicht mehr compensirte Schwere ebenso überwindet, wie
bei Zerstürung der Tonusfasem die frei gewordene Schwere wieder durch die nicht
mehr equilibirten Pyramidenbahnen überwunden wird; woraus sieb erklären würde,
weshalb der Tabiker trotz zerstörter Tonusfasem oud gelösten Gewichtes die Schwere
seiner Glieder durch die frei gewordenen Pyramidenbahnen überwindet, und der
Spastische trotz der gebundenen Schwere die vom überstarken Tonus gefesselten
Extremitäten nicht frei bewegen kann.
Wenn die gewichtsbindenden Fasern mit den Tonusfasem identisch sind, so
müssen sie wie diese aus dem Kleinhirn entspringen und antomatiseb, d. b. vom
Wollen unabhängig und dazu beständig erregt werden.
Verf. nimmt an, dass die Kraft dieser automatischen Erregung eine mechanisch
wirksame sei, und dass die gewichtsbindenden Fasern jedes Moskels eine mecbamsche
Kraft ihrer centralen Erregungen fortleiten, welche dem Gewicht der zu bewegenden
Muskeln gerade entspricht. J. Sorgo (Wien).
8} Enoephalopatbies oonaequent on influenM, by A. Gordon. (New York
Medical Jouroal. 1898. Vol. LXVII. Nr. 9.)
Verf. giebt einen kurzen, nicht vollständigen Ueberblick über die bisher nach
Influenza beobachteten Störungen des Nervensystems. Charakteristisch für die Ence-
phalopathien nach Influenza ist u. a. das Bestehen einer Influeozepidemie, plötxlicber
Beginn, Steigerung der Pulsfrequenz, im Zweifelfall der Ausfall der bakteriologischen
Untersuchung. Zur Erklärung der verschiedenen nervösen Symptome sind zu ver-
werthen: der Verlauf der Gnmdkraukheit, rapide oder mehr prolongirte Toxinwirkong,
event. auch der Einfluss der meist gestörten Urinsekretion auf das Nervensystem.
Der SectioDsbefund variirt: in besonders stürmischen Fällen findet man Congesüou,
Hämorrhagieen und geringe Erweichung an der Binde, Hydrocephalns, Exsudate an
der Convexität und Basis. Im Gegensatz zu der toberculösen Meningitis bevorzugen
die Influenzaläsionen die Convexität. Kurze Mittheilung zweier eigener in Genesung
Obergehender Fälle schliesst den Aofsatz. R. Pfeiffer (Cassel).
9) A Study of a oase of aoute haemorrbagio (non suppurative) enoephalitia,
by A. Wiener. (Brain. 1897. Winter.)
Sjähriges Kind. Fall von der Kellertreppe. Am Tage darauf schlechtes Be¬
finden, nach 8 Tagen epileptischer Anfall, Verlust der Sprache und der Fähigkeit zu
gehen; psychische Unruhe, Anfälle von Schreien abwechselnd mit Stupor; unregel¬
mässige Temperatur und bald schneller, bald langsamer Puls. Mehr Ungeschicklich¬
keit als Schwäche in den Gliedern. Greift sich häufig mit der Hand nach dem
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8b3
Kopfe. Die ZoDge wird immerfort vorgestreckt und zar&ckgezogen. Auf HOr- und
Sehreize irird nicht reagirt. Keine HimuerTenl&binung. Drin frei von Biweiss und
Zucker. Haut- und Sebnenrefieze erhöbt. AUmählicb Besserung, dann 3 Jahre ge-
SQud, mit Ausnahme ton Scharlach und Diphtherie im letzten Jahre. Plötzlich Ein¬
setzen ganz der nämlichen Symptome wie 3 Jahre vorher und Tod. Histologisch:
Zeichen der Encephalitis, ln grossen Himgebieten die Gefässe stark gefüllt und
in ihren Wandungen infiltriri Kleine Hämorrhagieen und Erweichungen. Oedem.
Die Ganglienzellen verändert. Die Pia ist stark betheiligt und mit einem fibrinösen
Ezsodat bedeckt.
Für den 1. Anfall ist wobl das Trauma verantwortlich zu machen, wie in mehreren
anderen Fällen von Encephalitis. Für den 2. Anfall kommt vielleicht Influenza in
Betracht. Auch war das Kind durch den 1. Anfall prädisponiri L. Bruns.
10) A caae of oerebellar haemorrhage. (Brit. med. Joum. 1898. June 11.
. S. 1518.)
36jähriges Dienstmädchen in Halb-Coma, contrahirte Papillen, gleich gross, auf
Licht reagirend; Conjunctivalreflex rechts nicht vorhanden, ebenso Patellarreflez rechts;
rechts Hemiparese. Schlucken erschwert; Gesiebt ausdruckslos; linkes Augenlid mehr
gelähmt, als rechtes, welches rechte Auge auch fester geschlossen werden kann.
Die Qefasse am oberen Bande des Discus rechts weniger sichtbar. Sprache un-
'Verständlich. 58 Pulse; am Herzen systolisches Blasen an der rechten Bicuspidalis.
Urin zeigt Zucker und Albumen; Zucker am folgenden Tage nicht mehr vorhanden;
kein Aceton. — Lungenödem, Tod.
Die Autopsie ergiebt ausser Lungenödem und Bronchitis an der Gehimbasis viel
Flüssigkeit; Meningen adhärent; in den Seitenventrikeln 2 Drachmen Flüssigkeit
Die rechte Kleinhimhemisphäre war durch Blutung in eine obere und untere Schicht
geschieden. Die Blutung ging durch den ganzen Lobus und war in den 4. Ventrikel
eingedrungen, hatte aber die Mittellinie nicht Überschritten, das Corp. restifunne
rechts zerrissen, Pedunculos inferior quer getrennt
Die Diagnose im Leben hatte zwischen Coma diabeticum und Blutung sich
gestützt auf die Absenz des Conjunctivalreflezes an einer Seite, auf Hemiparese, auf
die Gefässveränderung im Fundus und die fehlende Acetonurie. — Die Schluck-
beschwerden, die Pupillencontraction und Zucker üii Urin wiesen aof die MeduUa
and den 4. Ventrikel. L. Lehmann I (Oeynhausen).
11) Haemorrhage Into pons, secondary lesiona of lemniaous, posterior
longitudinal flaaoiouli, and floooolaa oerebelli, by S. Gee and H. Tootb.
(Brain. 1898. Spring.)
Die Verff. beobachteten ein 21jähriges Mädchen, das an Sebrumpfniere litt und
16 Tage vor ihrem Tode apoplectisch erkrankte. Klinisch bestand von hauptsach-
lichsien Symptomen: Eine Lähmung der Angenbewegungen nach beiden Seiten und
der Convergenz bei erhaltener Möglidikeit nach oben und unten zu sehen, eine Läh¬
mung der Kaumuskulatur rechts, des Facialis rechts mit elektrischen Störungen, eine
Störang der Articulation, und vorübei^ehend auch Parese der linken Extremitäten,
Anästhesie an beiden Gesichtshälften, besonders in den oberen Partieen, aber rechts
mehr — später auch Keratitis neuroparalytica rechts — links an Nacken, Rumpf, Arm
und Bein. Atactische Bewegungen im rechten Arme. Erhöhte Sehneoreflexe an den
Beinen. Drinretention.
Bei der Section fand sich eine etwa klrscbkemgrosse Blutung, die rechts den
Boden des 4. Ventrikels vorbauebte. Die grösste Aosdelmung hatte sie an der
Grenze zwischen mittlerem und unterem Drittel des Fons. Nach der ventralen Seite
D g ii/od oy GOO^ IC
8(54
erreichte sie gerade die Pyramiden. Nach vorn und hinten spitzte sich der Blotherd
zu; er folgte nach unten dem Abduceiiskeme und endigte hier dicht vor seinem
distalsten Ende. Nach oben beschränkte er sich auf die Schleife und reichte eiva
bis zum distalen Ende des Trochleariskemes. Er griff etwas nach links Ober die
Mittellinie hinaus.
Direct zerstört wareu der ganze rechte Abducenskern, die aufsteigende
Schleife des rechten Facialiskeroes, das rechte und theilweise anch
das linke hintere LängsbOndel, die ganze rechte Schleife, die trans*
versalen Fasern der Formatio reticularis rechts, der motorische ond
sensible rechte Trigeminuskern. Von wichtigen secundären Degenerationen
fand sich erstens eine auf* und absteigende des hinteren LängsbOndels beiderseits.
Nach unten erstreckte sich dieselbe in das VorderstrangsgnindbQndel des Rflekeo-
marks, nach oben zeigte es sich, dass das hintere Längsbündel die einzelnen Nerven-
kerne mit einander verband und zum Theil in die betreffenden Wnrzeln direct Fasern
ohne Unterbrechung durch Kerne abgiebt. Ganz besonders interessant ist
der Nachweis einer gekreuzten Verbindung des Abducens* mit dem
Oculomotoriuskerne (associirte Blicklähmung hei Herden im inneren
Abdneenskerne). Die Degeneration des hinteren LängsbOndels endigt nach oben
im Corpus mammillare und Thalamos opticus. Eine Degeneration der Schleife batte
nur nach oben stattgefundeu; hier lässt sich die laterale Schleife bis io die
VierhOgel, die mediale bis in den Thalamus opticus verfolgen; vielleicht geht ein
Tlioil auch direct zur Rinde. Schliesslich waren beide Floccoli degenerirt, das war
wohl abhängig von der Erkrankung der transversalen Fasern des Formatio reti¬
cularis.
Die klinischen Erscheinungen standen im allgemeinen im Einklang mit dem
anatomischen Befunde. Dass auch das linke Auge nicht nach aussen bewegt wurde,
bei normalem Abducenskeme, muss wohl auf die Erkrankung der centralen Verbin¬
dungen dieses Kernes im hinteren LängsbOndel geschoben werden. L. Bruns.
12) Observations on braln aui^ry au^eeted by a case of multiple cere¬
bral hemorrbage, bj G. L. Walton and W. A. Brooks jr. (Boston Hedic.
and Surgical Journ. 1897. 1. April.)
Ein junges Mädchen bekommt nach einem heftigen Fall auf die rechte Kopf¬
seite linksseitige Lähmung des Gesichts und der Extremitäten, mit Steifigkeit; ^
wusstlosigkeit, die auch am nächsten Tage noch anbält; Incontinentia urinae, vorüber¬
gehende Temperatursteigerung. Ueber der rechten Hastoidealgegend ein grf^ses
Hämatom, bei dessen Druck die rechten Extremitäten, am 2. Tage auch der linke
Arm, heftig bewegt werden. Leichte Besserung der Lähmung am 2. Tage. Eine
an diesem Tage vorgenommene Trepanation in der rechten Schädelseite entleert
Cerebrospinalflüssigkeit, ergiebt aber sonst ein negatives Resultat In den nächsten
Tagen bessert sich die Lähmung und die Bewusstlosigkeit Vom 10. Tage an tritt
wieder stärkere Bewusstseinstrübung ein, am 15. plötzliche Temperatursteigerong
und am 16. Exitus.
Die Seotion ergiebt Blutungen und Erweichungsherde von geringer Grösse in
der linken (also der Seite der Lähmung entsprechenden] Hemisphäre: die grössteu
sassüD im Mark der ersten Frontalwindung, im Marklager nabe dem Nuclens caa-
datus; am Boden des rechten Seitenventrikels fand sich ebenfalls ein kleiner Herd.
Vielleicht, meinen die Verff., handelt es sich um ein locales rechtsseitiges Hirn-
ödem, das durch den „Gegendruck*' hervorgerufen wurde. Dafür spricht die Bessemng
der Lähmungssymptome nach der Operation. — Die andauernde Bewusstseiosstönog
Googl
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866
QQd die Todesursache bleiben unerklärt. — Schliesslich besprechen die Verft in
vorsichtiger Weise die Indicationen einer Operation in solchen diagnostisch unklaren
FfiUeo. Toby Cohn (Berlin).
13) Unilateral retinal obangee in oerebral haemorrbage, embolism and
tbrombosis, bj B. T. Williamson. (Brit. med. Joum. 1898. June 11.
S. 1615.)
13 schwere Fälle von Blutung, Embolie oder Thrombose des Gehirns wurden
kurz vor dem Tode ophthalmoskopisch untersucht; in einem Falle trat der Tod erst
nach einiger Zelt ein. Die Fälle werden als AuszAge aus den Beobachtungsnotizen
ausfDbrlich mitgetheilt, hier nur beziehentlich zu dem Endresultat wiedergegeben:
1. ln Fällen von Hemiplegie in Folge von Gehirnblutung, mit tddtlicbem Aus*
gang, finden sich nicht selten reichliche Blutungen in der Betina derselben Seite,
wie die Gehimläsion, während die Betina der entgegengesetzten Seite frei bleibt.
2. Bei Embolie der Gehimgefösse findet sich gelegentlich dieses selbe Yer*
halten, und die Betioalgefösse auf der Seite der Läsion erweitert.
3. Bei Thrombose der mittleren Cerebralarterien sind, wenn der Thrombus in
die Carotis int. hineinreicht, die Betinalgefässe auf Seite der Gehimläsion deutlich
erweitert und gewunden, während die Gefässe der Betina auf der anderen Seite
normal bleiben. L. Lehmann I (Oeynhausen).
14) Ueber einen daroh Cerebrospinalmeningitia oompUolrten Fall von
Apoplexie im linken Sehhügel, von Tantzen. Aus dem Stadtkranken*
hause III in Hannover. (Deutsche med. Wochenschr. 1898. Kr. 17.)
Bei einer 47jährigeo Patientin apoplectischer Insult ohne Bewusstlosigkeit.
Befund bei der Aufnahme: Bechtsseitiger Spitzencatarrh. Beflectorische Pupillen*
starre und Kystt^mns beiderseits, Strabismus convergens des rechten, Miosis des
linken Auges, Parese der rechten unteren Gesichtshälfte, krampfhafte Drehung des
Kopfes nach rechts, sehr schwankender Gang ohne Eztremitätenlähmung, Somnolenz
und Apathie. — Kein Fieber, Patellarreflexe vorhanden. — Massenhaftes Ausfliessen
eitrig-schleimigen Speichels aus dem Munde. 4 Tage später Fieber, Beschleunigung
von Puls und Atbmnng, massenhafte Herpesemptionen auf beiden Wangen und am
linken Ohr, Paralyse des rechten Beines und Verlust des Patellarrefiezes, Parese
des rechten Armes, Bigidität der Halsmuskulatur, allgemeine Hyperästhesie. Io dem
eitrigen Answurf förmliche Beinculturen von zum Theil mit Kapseln versehenen
Diplokokken, welche häufig in Tetradenform l^en, kleiner und plumper als die
Pueumoniekokkeo Fraenkel’s waren, sich nach Gram nicht enterbten. Die gleichen
Kokken in der leicht getrübten, etwas hämorrhagischen Lumbalpunctioosflüssigkeit.
Keine bakteriologische Untersuchung. — Exitus. Diagnose: Epidemische Cerebro*
spinalmeningitis.
Die Section eigab sehnig*verdickte, an der Schädelkapsel adhärente Dura mater,
etwas vermehrte Gefässfüllung, atheromatüse Herde an den Basalarterien, Spindel*
fßrmige Erweiterung der rechten Art vertebralis kurz vor der Vereinigungsstelle,
getrübtes Exsudat in den Maschen der Arachnoides, Zerstörui^ des medialen vorderen
Tbeiles des linken Sehhl^els durch Blutung. Die Dura mater spinalis war, nament*
lieh im Halstheil, rauh und zeigte vermehrte BlntfüUung; Bückenmark makroskopisch
intact — Die primäre Apoplexie setzte die Widerstandsfähigkeit des Gehirns herab
und begünstigte die Ansiedelung der vorher in Longe oder Käse vorhandenen Diplo*
kokken — wahrscheinlich handelte es sich um den intracellulären Diplokokkus
(Jaeger *Heobner). Die früheren nervösen Symptome sind nicht directe Folge des
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Tbalamusherdes, vielmehr indirect veranlasst, 8(^. Nachbarechaftssymptome; die
SD&teren Erscfaeinnnffen erklären sich durch die Meningitis.
B. Pfeiffer (Cassel).
16) VTftii T wi pia gi* dturing typhoid fever, by Bolleston. (Brit med. Jonm.
1898. May 7. 8. 1201.)
Verf. stellt der Londoner klin. Gesellschaft einen 30jähngen Mann vor, der am
42. Tage eines Typhus linksseitig hemiplegisch wurde, auch aphasiscb, da Pat. Linb'
händer war. Beim Anfall keine Convulsionen. Der Typhus verlief normal, die
Hemiplegie besserte sich lai^sam. — Hawkins habe 17 ähnliche Fälle gesammelt
and bei Autopsieen Embolismus und Thrombose als Ursache gefunden. — Da aber
in dem hier mitgetheilten Falle keine Convulsionen aufgetreten waren, so stntfe
dieser negative Befund gegen Annahme venöser Thrombose; es dürfte wohl die
mittlere Qebimarterie Sitz der Läsion gewesen sein.
An der Discussion betheiligten sich Herriugham, Hawkins unter Bestätigung
der vorgetragenen Ansicht. L. Lehmann I (Oeynhausen).
16) An nnnsual oase of hezniplegia, by W. S. Spiller, M. D. (Journal of
nervons and mental disease. 1897. Jul. XXIV. S. 391.)
Seit mehreren Jahren bestehende Hemiplegie der rechten Seite mit Steigerung
der Reflexe rechts. Sie entstand im Anschlnss an eine schwere Lebensgefahr und
üeberanstrengung beim Betten zweier Personen ans dem Wasser, und zwar ent*
wickelte sich zonächst — etwa 12 Stunden nach dem Unfall — eine knrze Bewusst¬
losigkeit und dann eine complete Lähmnng aller 4 Extremitäten nnd absolute Un¬
möglichkeit zu sprechen. Nach etwa 4 Wochen schwand die Anästhesie, während
rechtsseitige Hemiplegie mit Betheiligung des Facialis zurilckblieh.
Patient war ein ungewöhnlich sprachkundiger Mann, der seine Heimath, Dän^
mark, bereits im 16. Jahre verlassen batte. Als wenige Tage nach dem UnfaUdie
Aphonie schwand, vermochte er jedes Wort, das auf Englisch, Deutsch und Fran¬
zösisch zu ihm gesagt wurde, völlig zu verstehen, antworten konnte er aber nur
Dänisch. Es waren jenes die einzigen Sprachen, die er während seines 3moimtücheD
Aufenthalts im Krankenhause gehört hatte. Als er dann einmal Schwedisch m-
gcsprochen wurde, verstand er zunächst kein Wort, dann kam ihm aber plötzlich die
Erinnerung, und er verstand von nun an auch wieder Schwedisch, konnte aber auch
jetzt nur auf Dänisch antworten. Als er das Krankenhaus verliess, war er im Stande,
wenigstens etwas auf Deutsch und Englisch zu sagen. Nach anderthalb Jahren
konnte er wieder Englisch (mit der linken Hand) ganz richtig schreiben,^ etwas
später auch Dänisch, aber keine andere Sprache, ohschon er früher noch HoUändisc^
Französisch nnd etwas Italienisch und Spanisch gesprochen hatte n. s. w. Erst nach
einem ganz kurzen Besuche, den er nach 2 Jahren von Amerika aus in Schweden
machte, lernte er auch plötzlich wieder Schwedisch sprechen.
Trotzdem die jetzt noch bestehende Hemiplegie den Eindruck einer organisch
begründeten macht, und trotz der Betheiligung des Facialis, trotz der Steigerung
der Reflexe u. s. w. glaubt Verf. eine rein hysterische Lähmung annehmen zu dürfen.
Sommer (Allenberg).
17) Du phdnomene des orteils et de sa valeur semlologique, par M. Ba*
binski. (La semaine medicale. 1898. 27. Juillet. Nr. 40.)
Beim normalen Erwachsenen ruft Reizung der Plantarfläche des Fosses eine
Beugung der Zehen gegen den Metatarsus hervor. Das „Zehenpbänomen“, welches
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867
miD bei gewissen Vrankbaften Zoständen beobachten kann, besteht nun darin, dass
die Zehen bei Beiaung der Planta pedis nicht in Beugung, sondern vielmehr in
Streckung Obergehen, und zwar besonders die grosse Zehe. Kach Besprechung der
Technik, welche man zur Erlangung des Zehenreflezes anwenden muss, berichtet
Teii Ober einige Kranke, bei denen er das „Zehenphänomen** beobachtet hat: 8 F&Ue
TOD organischer Hemiplegie, 3 Fälle von spastischer Paraplegie, 1 Fall von spinaler
Hemiparaplegie, 1 Fall von Tabes mit Maningoencephalitis. Bei frischen, wie auch
alteo organischen Hemiplegieen kann man bei Beizung der Fnsssoble auf der ge«
Sunden Seite Bergung, auf der kranken Seite Streckung der Zehen constatireu. Das
Zebeuphänomen fehlte stets bei Hysterie, ferner bei peripherer Neuritis, Poliomyelitis
anterior und reiner Tabes.
Das Phänomen deutet auf eine Functionsstörung im Pyramidensystem, ohne je¬
doch deren Schwere zu bestimmen, da es sowohl bei leichten als bei schweren Fällen
beobachtet wird. Auch scheint eine gewisse Beziehung zwischen diesem Phäoomen
einerseits und der Redezsteigerung uud spinalen Epilepsie andererseits zu bestehen.
Differentialdiagnostischen Werth hat das Zehenpbänomen besonders bei der Frage,
ob es sich um organische oder hysterische Hemiplegie bandelt, indem es bei ersterer
vorhanden ist. bei letzterer fehlt.
Bei Neugeboreneu — bei welchen ja das Pyramidensystem noch nicht eutwickelt
ist — bat das Kitzeln an der Fusssohle Streckung der Zehen zur Folge.
Kurt Mendel.
18) Belachement des nauscles dana Themipldgie organique, par M.Babinski.
(Comptes rendus des sdances de la Socidtd de Biologie. Sdance du 9 Mai 1896.)
Id mehreren Fällen von Hemi- und Monoplegie bat Verf. eine Erschlaffung der
Muskulatur beobachtet, welche ausgiebigere passive Bewegungen auf der gelähmten
als auf der gesunden Seite gestattete. So war z. ß. die Beugung des Vorderarms
gegen den Oberarm auf der gelähmten Seite in stärkerem Grade möglich als an
dem gesunden Arme. Die Ursache dieser Erscheinung liegt wahrscheinlich in einer
Schwächung des Muskeltonus. Bei hysterischer Hemiplegie fehlt das erwähnte Pbä'
Domen stets; dasselbe hat daher vielleicht differentialdiagnostischen Werth bei or¬
ganischen und hysterischen Hemi- oder Monoplegieen. Kurt Mendel.
19) De quelques XDOUvemeuts aasooids du membre iufdrieur paralyse
dans i’hdmiplegie organique, par M. Babinski. (Bulletins et U^moires
de la Sociätä mädicale des Höpitauz de Paris. Seance du 30 Juillet 1897.)
Verf. berichtet über Ässociationsbewegungen bei organischer Hemiplegie, welche
anr in dem gelähmten Beine auftreteo, währond das gesunde unbeweglich bleibt und
setzt den Mechanismus dieser Ässociationsbewegungen aus einander. Bei rein hyste¬
rischen Hemiplegieen bat Verf. dieses Symptom nicht beobachtet; es spricht daher
Beine Anwesenheit mit Wahrscheinlichkeit fOr eine organische Läsion.
Kurt Meodel.
20) Ueber das Wesen und die Entstehung der hemiplegisohen Contractur.
Eine klinische Studie, verbunden mit Untersuchungen Ober den Muskeltonus,
sowie die antagonistische und synergistische Innervation, von Ludwig Mann.
(Berlin. 1898. S. Karger.)
Verf. konnte feststellen, dass bei der Hemiplegie sowohl die Lähmung, wie auch
der ContracturzDstand auf bestimmte Muskelgruppen beschränkt sei, und zwar so,
dass die gelähmten Muskeln keinen Contracturzustand zeigen, ihre Antagonisten sich
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hing^en in Hypertonie befinden. Diese Beobachtung brachte Verf. anf die Ver*
muthung, dass die erregenden Fasern fQr eine Haskelgrnppe mit den hemmenden
Fasern ihrer Antagonisten znsammen verlaufen, ja vielleicht sogar mit ihnen identiecb
seien. Es wfirde alsdann der Wegfall dieser Fasern Lähmung einer Hnskelgroppe
und gleichzeitig Contractnr ihrer Antagonisten zor Folge haben. Diese Anschannng
zu begrtinden, ist der Zweck der Arbeit.
Zunächst widerlegt Verf. die Anschauung van Gehuchten’s, nach welcher
die von der Lähmung nicht betroffenen Mnskeln in Folge ihrer äberwiegenden Inner¬
vation contracturirt seien. Er zeigt, dass die Toraossetzung zu dieser Auffassung,
dass nämlich periphere Contractnr sich von hemiplegischer nicht nnterscheide, un¬
richtig ist.
Bei jeder normalen Bewegung ist Agonistencontraction und Antagonistenerschlaffuog
vergesellschaftet: doch könnun wir anch Agonisten und Antagonisten gleichzeitig
innerviren und so z. B. sowohl Beuger wie Strecker gleichzeitig energisch contra-
hiren. Letzteres geschieht bei Fizirnng eines Gliedes in einer bestimmten Stellung:
dieses ist aber auch der einzige Vorgang, bei welchem eine antagonistische Inner¬
vation stattfindet.
Da nun einerseits mit jeder Contraction eines Muskels gleichzeitig die Erschlaffung
seines Antagouisten verbunden ist, andererseits aber — wie klinische Beobachtnngeu
lehren — die synergischeo Bewegungsmecbanismen in der Hirnrinde als Centrnm
bereits präformirt sind, so muss diese centrale Stätte nicht nur die Erregungsceotren
für die zu den betreffenden Synergismus gehörigen Muskeln, sondern auch die
Hemmungscentren für ihre Antagonisten enthalten. Daher besteht also bei Abschnei*
dang der Impulse von der Hirnrinde, wie es bei der Hemiplegie geschieht, eine
Lähmung der zu dem betreffenden Synergismus gehörigen Muskeln und gleichseitig
eine Hemmungsauffaebung, d. h. ein Contractionszustand der Antagonisten.
Wenn man, vom normalen Muskeltonus ausgehend, das klinische Verhalten der
hemiplegiscben Contractur betrachtet, so erweist sich anch von diesem Gesichtspunkt
aus die Theorie von dem Zusammenverlaofen der Erregungs* und Hemmangsfasem
als stichhaltig.
Die völlige Schlaffheit der Lähmung bei totaler Unterbrechung der Pyramiden¬
bahn and der nachgewiesene Parallelismus zwischen Wiederkehr der willkftrlichen
Beweglichkeit und Auftreten des Contracturzustandes bei Hemiplegieen führen zu dem
Schluss, dass die Vorbedingung für das Zostandekommen einer Hypertonie die Intact*
heit der willkürlichen Bewegungs- oder Pyramidenbahn ist
Verf. kommt zu dem Schlosse, dass wir 2 Faserarten in der Pyramidenbahn
verlaufend annehmen müssen:
1. erregende Fasern, welche die willkürliche Bewegung vermitteln und gleich¬
zeitig den spinalen ZeUen diejenigen Erregungen zufübren, welche zum Zustande¬
kommen des Befleztonus unerlässlich sind,
2. Hemmungsfasem, welche die Muskelcontraction hemmen.
Anhangsweise hebt Verf. noch hervor, dass, wenn auch nicht in allen, so doch
in den meisten Fällen von Hemiplegie neben der Hypertonie eine Steigerung der
Sebnenrefleze besteht, und zwar hauptsächlich in denjenigen Muskeln, die sich in
Hypertonie befinden. Es scheinen somit Sehnenrefleze und Hnskeltonus in naher
Beziehung zu einander zu stehen. Kurt Mendel.
21) Klinieoher Beitrag zur liohre von der Hemianaestheeia altemans, von
Prof. M. Bernhardt. Vortrag und Krankenvorstellung im Verein für innere
Medicin in Berlin am 31. Januar 1898. (Deutsche med. Wochenschi. 1898.
Nr. 10.)
Die 64jährige, früher gesunde Patienten erkrankte etwa Ende Angust 1897
plötzlich apoplectiform ohne Bewussseinsverlust mit starkem Schwindel nnd Erbrechen.
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Der ZQstand besserte sich nach 2 Tageo, es restirten Schwindel besonders beim
Blick nach oben, Eältegeffibl in der linken Oesiohtsh&lfte, auch sei es mit dem
rechten Bein nicht ganz richtig. Lähmongserscheinongen fehlten daaemd. Die
Untersachang ergab eigenthfimlich vertheilte Empfindungsstdrongen. Im Bereiche
der linken GesichtS' und Kopfbälfte — ausgenommen die Ohrmuschel und eine
2—3 Fingerbreite Begion längs und vor dem linken äusseren Ohre — ist die
Sensibilität herabgesetzt oder im Gebiete des II. und 111. Trigeminusastes erloschen,
die Anästhesie betrifft auch die Schleimhäute. Die Cornea ist trotz Unempfindlich¬
keit vollkommen klar. Kein anderer (motorischer) Himnerv, auch nicht der moto¬
rische Quintusast ist betheiligt. Am rechten Beine, und zwar besonders intensiv
am Fuss, Unterschenkel, Knie und unterem Drittel des Oberschenkels eine absolute
Thermoanästhesie und Analgesie, während die BerQhruQgsempfindung, das GefQhl ffir
die I^age der Glieder und deren Veränderung erhalten ist. Diese dissociirte £m-
pBndungsstörung reicht nach oben, allmählich abnehmend, bis zur Ingninalfalte. —
Sonst vollkommen normaler Befund, keine deutliche Geschmacksanomalie auf der
Unken Zungenhälfte. Verf. nimmt einen Herd (Blutung, Erweichung?) in der Bröcken-
haube an, und zwar weist die Betheilignng des linken Quintus anf die Gegend der
Ursprungs' und Durcbgangsstellen der sensiblen Trigeminuswurzeln im linksseitigen
Haubengebiet hin. Die Sensibilitätsstörungen am rechten Beine erklären sich durch
die Annahme, dass der BrOckenherd nur diejenigen ihn durchziehenden sensiblen
Bahnen schädigte, welche die Empfindungen von dem gegenüberliegenden rechten
Bein durch die Hanbeobahn der Brücke zum Centmm leiten.
B. Pfeiffer (Cassel).
22) Zar Athetosis bilateralis, von B. v. Erafft-Ebing. Arbeiten aus dem
Gesammtgebiet der Psychiatrie und Neuropathologie. (1897. Leipzig. J. A.
Barth.)
Verf. theilt einen Fall von Athetosis idiopathica bilateralis mit, welche bei
einem vorher psychisch und physisch gesunden Individuum nach einer starken Er¬
kältung aoftrat. Neben der Athetose bietet der Fall aber noch folgende interessante
FnnctionsstÖrungen: ein wesentlich auf das Gebiet der Athetose beschränktes Eälte-
gefühl und einen Sensibilitätsaasfall, eine Steigerung der tiefen Reflexe, fibrilläres
Muskelzittem im Erampfgebiet und Herabsetzung der groben Muskelkraft. Verf.
sieht die idiopathische Erkrankung als corticale Neurose an. Die angewandte Therapie
(Brom, Galvanisation) zeigte einen deutlichen temporären Erfolg.
Verf. schliesst noch zwei von ihm beobachtete Fälle von doppelseitiger Athetose
an, in welchen aber die Athetose wahrscheinlich ein Besiduum einer infantilen
Qehimkrankheit war. Eurt Mendel.
23) Sur l’atropbie des ob du ootä paralyBÖ dans l*häiniplögie de l’adulte,
par G. Dejerine et A. Theohari. (Comptes rendus de la soc. de biolog.
1898. 19 Fövr.)
Während bei der Hemiplegla centralis infantum die Atrophie oder vielmehr die
mangelnde Fortentwickelung der Enochen auf der gelähmten Seite regelmässig zn
beobachten ist, ist ein derartiges Vorkommniss bei der Hemiplegie der Erwachsenen
bisher noch nicht beschrieben.
In dem von den Verff. mitgetheilten Falle bandelt es sich um eine 49jährige
Patientin, welche vor 19 Jahren einen apoplectischen Insult erlitt, welcher eine Läh-
mnng der rechten Eörperhälfte und Aphasie zur Folge batte. Die Aphasie nnd die
Lähmung des rechten Beines nahm allmählich ab, der rechte Arm aber blieb fnnctions-
unfähig nnd magerte erheblich ab. Zugleich traten sehr erhebliche Schmerzen in
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670
dem gelikbrntoii Arm taf. — Bei der Uotersoehoiig mitteist RdDtgeD>Strahteo wird
klar bewieeeo, dasa die aoffiUlige Atrophie der geUbmten Extoenit&t keineewegs
auaschlieaaUch die Maaknlator betrilR, eoodem daas anch alle anderen Gewebe (Ebuit,
Unterbantfettgewebe, Knochen) atrophisch ^d. Die Knochen zeigen mch nicht nur
verkürzt und verscbmälert, sondern das Knochengewebe selbs ist auch rereficirt, so
dass die Durchlässigkeit der Knochen gegen Büntgen•Strahlen erheblich ge*
steigert ist
Aoaser durch diese ann&Uige Atrophie unterscheidet äeh der vorliegende Fall
von einer typischen Hemiplegie auch durch das Vorhandensein der erwähnten anfalL^
weise auftretenden heftigen Nervenschmerzen in dem gelähmten Arm.
W. Cohnstein (Berlin).
24) Ueber Fortbestebwn von Tio oonvnlaif bei gleiohaeltiger Hemiplegie,
von A. Habel. Ans der medic. Klinik in Zürich (Prof. Bichhorst). (Deotsche
med. Wochenschr. 1898. Nr. 12.)
Eine seit 2 Jahren mit linksseitigem Tic convulsif behaftete Frau bekommt
plützlich eine linksseitige Hemiplegie mit Betheiligung des unteren Facialisastes:
trotz dieser aosgesprochenen centralen Facislislährnnng bleibt der Tic bestehen, eine
bisher nicht beschriebene und interessante Thatsache. Ala Dmche des Tic ist am
wahrscheinlichsten ein reflectorischer Vorgang, ausgelüst von einer Nasenschleimhant*
entzfiodung, die zu gleicher Zeit wie das Qesichtszacken auftrat Die Schleimhaut
der Choanen ist beiderseits geschwollen und gerüthet. Vielleicht entstand durch
diese Schwellung ein Beiz der peripheren Quintusfasem, welcher sich durch deu
Bedexbogen fortpflanzte und durch Mnskelzuckungen im Facialisgebiete offenbarte
(? Bef. Einseitiger Tic, doppelsoitigo Cboanenschwellung). -- Die Fortdauer
des Tic in der gelähmten Geaicbtshälfte trotz centraler Facialisläbmung spricht für
den peripheren Ursprung des Tic convulsif. B. Pfeiffer (Cassel}.
26) Central entstandene Schmerzen. Ein neuer Fall mit SeorionsbefVmd,
von Alfred Ä. Beicbenberg (f). (Deutsche Zeitschr. f. Nervenheilk. 1897.
Bd. XI.)
Bei einer 72jährigen, mit Atherom behafteten Fran trat nach einer leichten
Apoplexie Lähmung des linken Facialis und der linksseitigen Extremitäten, sowie
leichte Spracbstöruug auf, doch gingen diese Krscheinangen bald wieder zurück. Von
dem 4. Tage nach dem Anfälle bis zum Exitus bestanden im linken Arm und linken
Bein heftige Schmerzen, dabei war die Unke Gesicbtshäifte und der linke Oberarm
hyperästhetisch, während das Gefühl im linken Bein herabgesetzt and im Vorderarm
and Bnmpf linkerseits fast ganz erloschen war. Wegen der bestehenden Demenz
konnte keine genaue Gesichtsfeldbestimmung aufgenommen werden; bestimmte An*
Zeichen sprachen indessen für eine rechtsseitige Hemianopsie. Kurz vor dem Tode
wurde Pat. von einem neuen apoplectiseben Insult betroffen, nach welchem grosse
Endung und eine nochmalige, linksseitige Facialislähmnng auftrat Bei der Section
fand sich am Gehirn ausser den gewühnlicben Ältersveränderungen ein Erweichongs*
herd in der rechten Hemisphäre, welcher den grösseren Tbeil des unteren Scheite*
läppcbens einnahm und nach vom die sensible Bahn im hintersten Theil der inneren
Kapsel nahezu erreichte oder gar traf. Die Sehstrahlung wurde nur in ihrem dor¬
salen Abschnitt von dem Herd erreicht, im hinteren Theil der inneren Kapsel blieb
sie fast 1 cm vom Herde fern; ebenso waren die aus dom Hinterhaupteläi^hen znm
Schläfen* und Stimlappen verlaufenden Associationsbündel völUg intact Der Befund
deckt sich vollkommen mit dem früher von Edinger gegebenen und zeigt auch,
dass neben Hyperästhesie und Schmerzen in einzelnen Körpertbeilen, in anderen An¬
ästhesie bestehen kann. E. Asch (Frankfurt a./M.).
Google
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86) Zur Pathologie der Hem^legleen Im Oefblge dee Keuohhueteas, von
Dr. Hans Loce, Assistent der medic. Poliklinik in Strassbarg i./E., z. Zt.
Assistent am Kenen AUgem. Krankenbause Hamburg. (Deutsche ^itschr. f.
KervenheUk. 1898. Bd. XII.)
Bei einem 5j&hrigen Kinde trat in einem typischen Fall von Pertnssis links*
seitige Arm- und Beinlähmung anf. Bei der anatomischen Untersnchung des Glehims
fand sich hochgradige Hyperämie nnd Dilatation der Venen and GapiUaren. Kirgends
Hessen sich Veränderungen nachweisen, die auf eine Blutung in die innere Kapsel
oder in die Heningen der Convexität hindeuteten. Verf. nimmt deshalb an, dass
die im Anschluss an Keuchhusten acut einsetzenden Hemiplegieen nicht durch ana¬
tomische Veränderungen bedingt zn sein brauchen. Sie wären demnach den bei
Tuberculose, Pneumonie, puerperaler Sepsis, chronischer Bleivergiftung, Carcinom-
kachexie n. s. w. beobacbteteu Hemiplegieen gleichzustellen und wegen der Vei^^ll-
Schäftung mit corticalen Beizerscbeinnngen als Bindenlähmung anfzufassen.
E. Asch (Frankfurt a./H.).
27) Ein Fall von infantiler Hemiplegie nach Diphtherie, von J. Wohl-
gemoth. (Inaug.-Disseri 1898. Freibarg i./B..)
Verf. berichtet Ober einen, Fall von Hemiplegie nach Diphtherie, welcher in der
Poliklinik von Prof. Hendel (Berlin) zur Beobachtung kam. 21jähriges Mädchen
ohne hereditäre Belastung. Zu 8 Jahrmi Diphtherie, im Krankenhaus Tracheotomie,
4 Wochen später Exstirpation der rechtsseit^en Submaxillardrüsen; nach weiteren
8 Tagen war Patientin, als sie eines Morgens erwachte, anf der rechten Seite vbUig
gelähmt; Bewnsstsein erhalten. Sprechen unmöglich; später trat Besserung ein, jedoch
blieb die Sprache dysarthritisch; Patientin will gelegentlich auch jetzt noch manc hmal
nicht das richtige Wort finden können. Seit dem 15. Lebensjahre doppelseitige
Krämpfe mit Bewusstlosigkeit, Zungenbiss und Enurese. Objectiv: linke Pupille >r.;
links OpticQsatrophie. Parese des rechten VII. Nerven, Lähmung und Beugecontractur
der rechten oberen und unteren Extremität, Steigerang der Sehnenreflexe rechts.
Kein nachweisbarer Herzfehler, aber starker Eiweissgebalt des Urins. In Bezug auf
die Entstehung der Hemiplegie nimmt Verf. an, dass es sich nicht um Embolie ge¬
bandelt habe, da einerseits nur wenige Fälle von postdipbtberitiscber Embolie in der
Litteratur existiren, und da kein Anhaltspunkt för eine Herzerkrankung sich bei der
Patintin fand, vielmehr neigt Verf. zn der Annahme einer Hämmrbagie, und zwar
vor allem auf Umnd dreier, von Mendel (Nenrolog. CentralbL 1885. S. 133) be¬
schriebener, hierhergehbriger Fälle, von welche einer bei der Sectiou makroskopisch
einen kirschgrossen hämorrhagischen Herd im inneren Tbeil des Linsenkemes und
den benachbarten Tbeilen der inneren Kapsel, mikroskopisch capilläre Hämorrbagieen
im ganzen Centrom zeigte, woraus die Betheiligung des Gefässapparats bei der
Diphtherie hervorgeht Als ein die Hämorrhagie begflustigendes Moment sieht Verf.
die Nephritis an, die bekanntlich zu einer Steigerung des Blutdrucks fährt, dass
dieses Homeut auch in seinem Falle mitgewirkt hat, folgert Verf. daraus, dass bei
der Patientiu einerseits objectiv Nephritis nachweisbar war, und sich andererseits
inamnestisch ausser der Diphtherie keine anderen ätiologischen Momente für dieselbe
Süden Hessen. Die einseitige OpÜcnsatrophie deutet Verf. mit Wahrscheinlichkeit
äls eine Sklerose derselben nnd macht besonders aof ihr locales Beschränktbleiben
mfmerksam. Die Epilepsie endlich sieht Verf. als eine Folge der durch die Apo-
;>lexie entstandenen Gehirnläsion an. Kaplan (Herzberge).
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28) CaM of •pMtio hemlplegia of gradual onset» following a severe at ta ek
of enterio fever, aad tenninatli^ ln insanity, by John Lindsay Steven,
H. D. (Qlasgov med. Jonm. 1697. Haroh.)
22j&br. Soldat, war stets gesond gewesen bis Mai 1895. Damals Anfall von
Enteritis mit zweimonaüiebem Krankenlager. Drei Wochen spiter bemerkte er
Schwierigkeiten beim Nähern der Finger der linken Hand gegen einander. Zunahme
dieser Beschwerden und Schwierigkeit beim Sirecken der Filter. AUmähUcb voll*
kommene Steifstellong der Finger. Gleichzeitig bekam Fat Schmerzen in der Spitze
des linken Fasses beim Geben. Lues negirt; massiger Tabaksgenass; keine hereditäre
Belostong; nie Beschwerden von Seiten des Herzens. Die Untersochnng ergebt eine
spastische Parese des Armee and des Beines mit Beugestellong im Ellenbogen and
Streckstellung im Knie. Starke Steigernng des Kniereflexes links; rechts ist dmwelbe
normal. Sensibilität flberall normal, ebenso die inneren Organe. Im Gesicht leichter
Unterschied der beiden Hälften za Ungnnsten der linken Seite. Geringe allgemeine
Atrophie der befallenen Glieder. Der Pat. wurde im Anfang dieses Jahres von
geistigen Störungen befallen und bot das Bild einer acoten Manie mit Grössenideeen.
Der somatische Befand hatte sich so gat wie nicht geändert. Im Laufe der Be¬
handlung im Irrenhause stellte sich heraus, dass die Hemiplegie, welche zoerst ftir
eine organische gehalten wurde, eine hysterische war. Die Intensität der Symptome
war sehr veränderlich, besonders die Beugestellong des Armes schwankte in ihrer
Intensität; ebenso wechselte der Zostand des Beines sehr. Ferner fehlten daaend
gröbere Atrophieen, die elektrische Erregbarkeit blieb erhalten, und schliesslich ver¬
schwanden alle Symptome in tiefer Chlctroformnarkose, um sofort beim Erwachen des
Pat. aus der Narkose wieder aufzutreten. Paul Schuster.
29) Cerebral haemorrhoge in a ohlld, by Lea. (Brit med. Joum. Febr. 6.
1897. S. 334.)
Verf. legt der Manchester pathologischen Gesellschaft das Gehirn eines eben
plötzlich verstorbenen 12jährigen Mädchens vor. Das Mädchen war immer gesund
gewesen, stammt aas gesunder Familie; frei von Syphilis. Wenige Stunden vor dem
Tode heftiges Kopfweh, wiederholtes Erbrechen; keine Convulsionen.
Autopsie zeigte Bauch- und Brustorgane gesund; nicht Endocarditis. Am Gehirn
keine Meningitis. Der linke Seitenventrikel blu^efüUt. Septum lucidum ruptunirt.
Etwas Blut war auch in den rechten Seitenventrikel und in den dritten ausgetreten.
Keine Zerreissung der basalen Ganglien. Kein Tumor. Die kleinen Gehimarterien
völlig normal. Möglicherweise war eine Vene des Plexus chorioideus zerrissen. Der
Ursprung der Blutung konnte nicht nachgewiesen werden.
L. Lehmann I (Oeynhausen).
30) Hezniplegia (posaibly hysteria) with snkle olonoa, by Charles W. Barr.
(Medicine. 1897. Vol. III. Nr. 10.)
26jähr. Patient, mässiger Alkoholist, früher stets gesund, niemals syphiliti^
inficirt, erleidet im September 1892 unter Schwindel und Bewusslosigkeit eine links¬
seitige Lähmung, liegt 6 Wochen ohne Besinnung und kommt zu sich mit völliger
Sprachlosigkeit und Contractur der Kiefer, so dass er den Mund nicht öffnen kann
und mühsam gefüttert werden muss. Nach 3 Monaten allmähliche Wiederkehr der
Sprache. Zur Au&ahme kam Pat. im Jahre 1896, da er seit 2Vs Jahren an eigen-
thümlichen Krampfanfällen leidet Dieselben werden im Krankenbaus als hystero-
epileptische erkannt Es besteht ferner ansser der spastischen linksseitigen Lähmung
Änfhebnng des Berührungsgefühls der ganzen linken Seite, das Gesicht ausgenommen,
sowie Tbermanästhesie am ganzen linken Bein nnd am linken Unterarm und der
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Haod. Keine Analgesie. Sehr starke Befleze, links Patellsr* nnd Fossclonns.
Während der Beobachtung trat einmal nach einem Krampfanfall eine 8 Tage lang
anhaltende Sprachlos^keit bei Tollkomroen normalem Bewusstsein und völlige Be*
wegungslosigkeit auch der rechten Extremitäten, ohne dass eine Lähmung vorhanden
war, nur spontan bewegte Pat. sich absolut nicht, anf. Beides verschwand nach
8 Tage plötzlich, dleichzeit^ leichte psychische Alteration. Innere Organe völlig
gesund. Die Sensibilitätsstorungen variiren ungemein. Leichte Einengnng der
Gesichtsfelder. Yerf. lässt die Frage offen, ob es sich um eine Complication einer
organischen Erkrankung mit Hysterie handele, oder der gesummte Krankheitszustand
als hysterisch anfzufassen sei. Hartin Bloch (Berlin),
31) Ueber die tberspentiBOhe Anwendung der Elektrioität bei Hemiplegie,
von Dr. Sieletzkij, (Journal der Nerven* und psychiatr. Medicin. 1897.
Bd. II. [Bossisch.])
Yerf. bespricht die bei Hemiplegie angewandten Elektrisationsmetboden, nämlich:
1. die locale Galvanisation des Kopfes,
2. die Galvanisation des N. sympathicns auf der Seite des apoplectischen
Herdes,
3. die Galvanisation und die Faradisation der gelähmten Muskeln und Nerven
(Strümpell),
4. die cutane Faradisation (Erb).
Anf Grund anatomisch^physiologiscber Betrachtungen meint Yerf., dass es sehr >
zweckmässig sei, bei Hemiplegieen die beiden Neurone der cortico*mu8kulären Bahn
elektrisch zu reizen, damit diese Neurone im Stande wären, die WUlensimpulse nach
den gelähmten Hnskelu fortzupflanzen, nachdem der apoplectische Herd theilweise
resorbirt wird. Han wende zu diesem Zweck Galvanisation des Kopfes an, wobei
die Kathode entsprechend der erkrankten Hemisphäre, die Anode an das Hinterhaupt
gestellt werden soll. Ausserdem sollen auch einzelne Muskeln faradisch erregt
werden, wobei der Strom so stark sein müsse, um deutliche Contractionen hervor*
Zurufen. Yerf. konnte bei dieser Bebandlungsweise günstige Besultate erzielen.
Edward Flatan (Berlin).
32) Heber cerebrale Diplegieen Im Kindesalter (ijittle’sohe Krankheit),
von Dr, Boberto Massalongo. (Wiener med. Blätter. 1898. Nr. 7—12.)
Yerf. theilt alle bisher bekannten Formen von cerebralen Diplegieen der Kinder
in folgende Groppen:
1. Allgemeine typische Huskelstarre, allgemeine Muskelstarre, leichte Form, bei
welcher die Symptome weniger accentuirt sind.
2. Allgemeine Huskelstarre, Forme fruste, bei welcher die Symptome noch
weniger accentuirt sind, die Huskelstarre sozus^en in einem latenten Zustand sich
befindet, da sie nur bei gewissen Bewegungen zum Yorschein kommt.
3. Uebergangsform zwischen der allgemeinen Mnskelstarre und der paraplegischen
Huskelstarre.
4. Keine paraplegische Huskelstarre.
5. Parapl^ische Huskelstarre mit Hemiparese.
6. Allgemeine Huskelstarre mit Hemiparese.
7. Allgemeine Huskelstarre und doppelseitige spastische Hemiplegie.
8. Doppelseitige Athetose.
9. Allgemeine spastische Chorea.
10. Spastische Hoskelstarre, mehr oder minder ausgedehnt, combinirt mit Chorea
oder mit Athetose.
11. Chorea nnd Athetose combinirt
■' Google
874
Fflr diese ganze Ornppe acbl^ Verf. den Namen Little’sehe Krankheit an
Stelle des von Frend vorgeecblagenen „Cerebrale Diplegieen des Kindeealters'* Tor,
da in der überwiegenden Uebnahl der F&Ue die Hoakeletarre pitralirt, wUireod
die Lähmung nur ganz ananabmsireise vorkommL
Gegenüber der von Little gegebenen Aetiologie der Krankheit hebt Verf. auf
Grund eigener und fremder Beobachtungen hervor:
1. dass die cerebralen Diplegieen des Kindeaalters sowohl angeboren als ac>
quirirt seien;
2. dass sie durch schwere Geburten und Asphyxie des Neugeborenen hervor-
gerufen werden können, aber von febrilen Erkrankungen höchst wahrscheinlich infec-
tiöser Natur verursacht werden;
3. dass die unr^elmässige, durch nervöse Äffecte gestörte Gravidität auf die
Entstehung von cerebralen Diplegieen prädisponirt einzuwirken scheint, auch wenn
die Geburt regelmässig vor sich geht;
4. dass zwischen dem ätiologischen Momente und der klinischen Form der Er¬
krankung kein Zusammenhang besteht
Der primäre Vorgang ist nach Verf. eine Meningoencephalitis, herrorgerufen
durch eine extra- oder intrauterine Infection (Toxicämie). Die übrigen bei Sectionen
erhobenen Befunde, Hämorrhagieen, Cysten, Sklerose und Atrophie des Gehirns, PtK*-
encephalie, Pachymeningitis u. s. w. wären nur Evolutions- oder DegenerationsphasMi
des primären meningocerebralen Voi^anges, sei es durch primäre Läsion der nervösen
Elemente, sei es durch Gefässerkrankungen hervorgerufen, welche von derselben Ur¬
sache, der Infection oder Autointoxication abhängen würden.
Die Läsion des Rückenmarks sei immer secundär, auch in jenen Fällen, bei
welchen bedeutende Erscheinungen des Gehirns klinisch nicht nachweisbar seien.
Dass diese secundäreu Entartungen der Fyramidenbahnen nicht bei allen Sectionen
nacbgewiesen wurden, hänge von der späten Entwickelung dieser Bahnen ab, die oft
erst im 2. oder 3. Lebensjahre vollkommen entwickelt sind. Der Ansicht van Ge-
buchten's, dass die spastische Mnskelstarre bei Kindern, welche Frühgeburten
waren, von einer unvollkommenen Entwickelung des Rückenmarks und dem voll¬
ständigen Fehlen der Pyramidenbahoen abhängig, also primär spinalen Ursprungs
sei, tritt Verf. mit der Behauptung entgegen, dass die unvollkommene Entwickelung
der Pyramidenbahnen wohl die wichtigste Ursache cerebraler Dipl^een, aber nicht
primärer Natur, sondern die Folge von anatomischen Veränderungen entzündlicher
Natur, toxisch infectiösen Ursprungs, des Himmantels sei.
Verf. theilt 7 Fälle eigener Beobachtung mit:
1. Fall. Allgemeine spastische Starre.
6 Jahre altes Kind. Normale Gravidität und Geburt Vom 3. Monat Abmagerung,
Vomitus, Diarrhöen. Einige Monate später bemerkte die Mutter schwere Beweglich¬
keit der starren Glieder, Rollen der Äugen, geringe Intelligenz. Status 3 Jahre
später: Normale Seelenbildung, voluminöser Schädel, Nystagmus horizontalis und
Strabismus internus des linkeu Auges. Sprache besteht in unarticulirten Lauten.
Ataxie der oberen Extremitäten, Spasmus der oberen und unteren Extremitäten.
Beiderseitiger pes varo-equinns, atactisch-spastischer Gang, gesteigerte Reflexe der
oberen und besonders unteren Extremitäten. Sensibilität und Sinnesorgane normal.
Kaum merkliche Besserung während des Spitalaufenthaltes.
2. Fall. Paraplegische Starre und spastische linksseitige Hemi¬
parese.
17jährige Pat.; hysterische Mutter; normale Gravidität und Geburt Bis zum
13. Monate gesund. Dann plötzlich hohes Fieber durch einige Tage, epileptifomie
AnAlle, die sich Jahrelang wiederholten, mit abnehmender Intensität und Häufigkeit
Dy
Google
875
Seit 9 Jahren keine AnfUle. Erst mit 5 Jahren lernte er gehen und sprechen; die
unteren Extremitäten waren immer in Flexion nnd Abduction, die Füsse in Varo*
equiaus'Stellnng, der rechte Arm ebenfalls flectirt im Ellbogengelenke. Bechte
Extremitäten waren am schwersten betroffen. Err^bnres, zorniges TempMtiment.
IHe Sprache besserte sich im Laufe der Jahre, war jedoch immer lallend. Gedächtniss
gut, Schrift nnleserlich. Status praesens: Schwach entwickelt, dolichocephaler Schädel,
abstehende Ohren, halb geöffneter Mond, schwächere Entwickelung der rechten Ge-
sicbtsbälfte. Hüpfender Gang, wobei die Beine aneinander streifen und der rechte
Fuss nachschleift. Rechter Arm adducirt, Vorderarm und Hand in Flexionsstellung.
Sprache schwer, bnchstabirend, mit guttor.',lem Ton. Gute Intelligenz, leichte Myopie.
AUgeraeine Steigerung der Sehnenreflexe.
3. Fall. Doppelseitige Athetose mit allgemeiner Muskelstarre.
4 Jahre altes Kind. Vater Alkoholiker. Während der Schwangerschaft sah die
Mutter einen jungen Athetotiker und nahm davon einen tiefen Eindruck mit. Schwere
Aufregungen wegen der Trunksucht des Mannes. Schwierige Gebart, das Kind kam
asphyktisch zur Welt. Im Anfänge der 2. Woche bemerkte die Mutter einen ZU'
stand von Muskelstarre am Halse, an den oberen und später auch an den unteren
Extremitäten, ferner langsame, aber heftige, im Schlafe sistirende Bewegungen der
Extremitäten, namentlich der Finger und Zehen. Status praesens: Schädel in der
liukeo Occipitalgegeod etwas eingedrückt, halboffener Mund, der häuflg unter Mit*
Wirkung der Zunge Saugbowegungen macht. Fat. hat nie articulirte Laute hervor¬
gebracht. Schlingbeschwerden und daran sich anschliessend Hustenanfälle mit suffo*
catorischen Erscheinungen. Arme adducirt, Vorderarme flectirt, Athetose der Finger;
Beine adducirt und leicht extendirt, Varo*equiuns, Athetose der Zehen. Im Affect
erreichen die anormalen Stellungen, sowie die Athetose der Extremitäten bedeutende
Steigerung, ebenso wie die fast immer andauernde Starre der Muskulatur der Glieder
und des Halses. Im Schlafe sistiren alle Erscheinungen. Er kann ohne Hülfe nicht
stehen. Gestützt geht er mit nach hinten gerichtetem Kopfe und Schultern, Gang
spastisch. Prompter Pusssohlenreflex; die anderen Reflexe wegen der Starre uicht
zu prüfen. 2 Monate nach der Aufnahme Tod an Bronchopneumonie. Sectiousbefund:
Beiderseitige Bronchopnenmonie, Hypertrophia cordis, Hyperämie und Hypertrophie
der Leber, Hypertrophie der Milz. Hyperämie der Hirnhäute, Pia an einzelnen
Stellen den Windungen adhärent, Windungen plattgodrückt, Stirn* and prärolando’sche
Windungen weiss-grau verfärbt, von erhöhter Consistenz, gerunzelt, weisse Substanz
daselbst grau vererbt; leichte Hyperämie der Rückenmarkshäute mit ziemlich be¬
deutender Menge von Exsudat im Subarachnoidealraum. Mikroskopisch: Hervenfaseni
der Pyramidenbahnen sehr dünn, nur im Cervicaltheil deutlich degenerirt.
4. Fall. Doppelseitige Athetose mit paraplegischer Muskelstarre.
38jäbriger Fat Hutter alte Hemiplegikerin; Gravidität regelmässig, Geburt
langwierig und schwer. Bis zum Alter von 10 Monaten war das Kind gesund.
Daun hohes Fieber, Unruhe, Krampfanfölle im Körper und im Gesicht. Diese hörten
oald auf, danach Paraplogie und Athetose der oberen, in geringem Grade auch der
intermi Extremitäten. Normale Intell^enz, unartioulirte Sprache, erregbares, zorniges
Temperament. Später Masturbation. Status praesens: Schleudernde Bewegungen der
jlesichts*, Mund* und Zungenmuskeln; auch die Augen in fortwährender Bewegung.
Sopf nach vom oder seitlich oder nach hinten gebeugt. Athetose der oberen
Extremitäten und der Zehen. Beine in Adductions* nnd Flexionsstellung. Gang an*
Dögüch. Einzelne Muskeln der oberen Extremitäten hypertrophisch. Steigerung der
lebnenreflexe.
5. Fall. Reine doppelseitige Athetose.
6 Jahre altes Kind, hereditär nicht belastet. Normale Gravidität, langwierige
Gebart, keine Asphyxie. Nach 10 Tagen Abmagerung, gelbliche Verfärbung der
Dig :i^cd cy' Google
876
Haat, unruhiger Schlaf, fortwährendes Weinen. Einige Tage später leichte echleu*
demde Bewegungen erst an Armen und Händen, dann an unteren Extremitätn, zu*
gleich geringer Orad von Muskelstarre, yerscblimmemng im Laufe von Monaten,
Ausbreitung auf Mund-, Augen-, Znngmimuskeln. Intelligenz gering, Sprache auf
einige Worte beschränkt. Status praesens: Ausser den oben angefährten Symptomen
Apathie, Opisthotonus, Arme adducirt, Vorderarme und Hände fiectirt, Beine addncii\
Varo-equinus, Gang auch bei Unterstfltzung schwer, Intelligenz gut.
6. Fall. Doppelseitige Chorea-Athetose.
Mutter des Pai litt während der Gravidität an hysterischen An^en, Vat«:
Potator uud mit Lues behaftet. Geburt regelmässig, Kind gesund bis zom 4. Lebens¬
jahre. Dann plötzlich Fieber, Delirien. Seither konnte er nicht mehr gehen. Die
unteren Extremitäten flectirt und adducirt, Sprache lallend; Apathie; motoiiscbe
Schwäche der oberen Extremitäten. Dann folgen atbetotiscbe und choreatische Be¬
wegungen in allen Extremitäten, am Stamme, am Halse und im Gesichte. Keine
Besserung mit zunehmendem Alter. Bei Tag lag er am Boden und bewegte sich
kriechend wie eine Schlange, die Extremitäten hin- und herschleudend, den Hals
beugend oder streckend, die Augen rollend, den Mund verziehend. Nor Intelligeoz
und Sprachvermögen besserten sich etwas. Alle Muskeln spastisch contrahirt, aber
in mässigem Grade. Steigerung der Sehnenreflexe.
7. Fall Angeborene spastische Chorea.
Gesunde Mutter, Vater Arthritiker. Gravidität und Geburt normal. 7 Tage
nach der Geburt Fieber mit Ictenis. Zu gleicher Zeit choreatische Bewegungen des
Kopfes und der Extremitäten, in der folgenden Zeit an Stärke und Häufigkeit in-
nehmend. Lernte erst sehr spät gehen und stehen. Normale Entwickelung der
Intelligenz, rudimentäre Sprache. Die choreatischen Bew^ungen sind in den obenn
Extremitäten viel ausgepi^er als in den unteren, da hier starker Huskelspasmas
besteht. Manchmal auch unwillkfirliche Bewegungen der Augen und des Mundes.
Steigerung der Sehnenreflexe. J. Sorgo (Wien).
33) Heber oerebral bedingte Complioationen, welche der oerebrales
Kinderlähmung, wie der einfachen Idiotie gemeinsam sind, sowie
über die abortiven Formen der ersteren, von Medimnalassessor Dr. W.
Koenig, Oberarzt an der Irrenanstalt zu Dalldorf. (Deutsche Zeitschrift f&r
Nervenheük. 1897. Bd. XI.)
Der Verf. findet in einer grösseren Anzahl von Fällen den klinischen Unter¬
grund für die Anschauung von der engen Zosammeugehörigkeit der cerebralen Einder-
lähmung und der einfachen Idiotie derart, dass ein fliessender Uebergang stattfindet
von dem so häufigeu Schwachsinn bei der ersten Krankheit zur Idiotie ohne Lähmoogs-
erscheinuQgen (Freud). Bei letzterer kehrt vor allem eine Reihe von Erscheinungen
wieder, welche sich so häufig der cerebralen Eiuderläbmang zugesellen, dass sie sie
„complicatorische Symptome“ bezeichnet werden. Dieses Verhältniss zeigen 30 Fälle
von Idiotie ohne Lähmongserscheinungen, und zwar treten auf: Epilepsie, choreatische,
athetotische Bewegungen, Angenmoskellähmungen, Erkrankungen des Sehnerven.
Strabismus. Andererseits existiren Fälle von „cerebraler Kinderlähmung ohne Läh¬
mung“ (Freud), und zwar findet Verf. an der Hand einer grossen Reihe von Beo¬
bachtungen anscheinend einfacher Idiotie den Stfitzpunkt fär die Diagnose einer
Äbortivform cerebraler Kinderlähmung vor allem in spastischen Symptomen. Zn den
Spasmen kommen in einigen Fällen noch Andeutungen von Parese, ferner „compU*
catorische Symptome“, entsprechende anamnestische Daten, und schliesslich stehen
mehrmals erhobene Sectionsbefunde der Diagnose nicht en^egen. Der Verf. bezeichnet
877
die hierher gehörigen spastischen Erscheinungen als „cerebrale Faraspasmen“, bezw.
„Dispasmen“, und theilt 14 Fälle der ersteren und 3 der letzteren Art mit.
E. Asch (Frankfnrt a./M.).
34) Ueber die Westphal’sohe Fseudosklerose und über diffuse Hirn¬
sklerose, insbesondere bei Kindern, von Prof. Dr. Strhrnpell in Erlangen.
(Deutsche Zeitschr. f. Nervenbeilk. 1898. Bd. XII.)
Zwei eigenartige Fälle chronisch verlanfender, cerebraler Erkrankungen, deren
kUoiscbes Bild und Sectionseigebnisse in ausführlicher Weise geschildert sind, werden
mit zwei von Westphal als Pseudosklerose beschriebenen Beobachtungen verglichen
und unter eben diese Bezeichnung rubricirt. Sie werden aber gleichzeitig der „diffusen
Hirnsklerose“ gegenübergestellt, wobei sich wieder sehr enge Beziehungen zwischen
beiden Krankheitsformen ergeben. Ohne auf die Krankengeschichten und die Sections*
protocolle der einzelnen Fälle einzugehen, sollen die wesentlichsten Merkmale des
bisher nur wenig bekannten Erankheitsbildes der Pseudosklerose beschrieben werden,
wie dies vom Verf. selbst in anschaulichster Weise geschehen ist.
Der klinische Symptomencomplex und der Qesammtverlauf entspricht im grossen
und ganzen der multiplen Sklerose. Dieser letzteren einigermaassen fremd ist das
Auftreten des Leidens im jugendlichen Alter, für das sich übrigens ätiologische
Momente nicht anfstellen lassen (Lues?). Ferner ist von den Störungen in der
motorischen Sphäre hervorzubeben die eventuell in Form oscillatorischen, gross*
schlägigen Zitterns sich manifestirende Bewegungsstörung, sowie das Fehlen an¬
dauernder und völliger Lähmungen bei bestehenden spastischen Erscheinungen und
ausgesprochener Verlangsamung der Bewegung besonders im Gebiet der Sprach*
muskulatnr: Scandirende Sprache. Eine ganze Reihe weiterer Symptome, welche auch
der multiplen Sklerose zukommen, lässt sich namhaft machen. Verf. weist dann
noch auf die eventuell zu beobachtende hochgradige Fhospbaturie und Acneentwicke*
lang, ferner auf die normalen Bauch* und Cremasterreäexe hin. Bei der weit¬
gehenden Uebereinstimmung des klinischen Bildes mit dei multiplen Sklerose muss
das Ergebniss der anatomischen Untersuchung des Centralnervensystem besonders
auffallen. Denn hier lässt sich im grossen und ganzen sagen, dass keine Ver¬
änderungen bestehen, wenigstens sich nicht deutlich machen lassen. Immerhin eigab
sich ein Mal eine ganz leichte, undeutliche Degeneration der Pyramidenseiteusträuge
und zwei Mal eine auffallende Consistenzvermehrung der weissen Gehimsabstanz,
der aber mikroskopisch nachweisbare Terändernngen nicht zu Grunde gelegt werden
konnten. Eine ähnliche, nur viel weiter ansgedehnte, derbe, lederartige Beschaffen¬
heit des Grosshims findet man bei der „diffusen Hirnsklerose“, die ferner in ihrem
klinischen Verhalten und besonders auch in ihrem häufigen Auftreten im Kindesalter
eine auffallende Uebereinstimmung mit der „Fseudosklerose“ erkennen lässt.
E. Asch (Frankfurt a./M.).
36) ITeber diffnseHirnsklerose, vonO.Heubner. (Cbaritö-Annalen. 1897. )(XII.)
5jäbriger Knabe, aus gesunder Familie stammend, war bis zum Alter von
3^/^ Jahren körperlich und geistig gesund und normal entwickelt, nur dass er spät
und nicht fiiessend sprechen gelernt hat Nach einem Falle aof den Hinterkopf
leichte Aenderung seines Wesens, spielte nicht mehr gern, war öfter apathisch.
3/^ Jahre später fiel eine auffallende Tr^heit aller Bewegungen auf, der Gang wurde
taumelnd. Zunehmende Abmagerung. Znnehmende spastische Lähmung der Beine mit
Streckcontractur in Höften and Knieen, beiderseits Fes equino-vams. In den Armen
zuerst starker Intentionstremor, dann auch hier spastische Lähmung. Gleichzeitig
Schluckstörungen, die derart zenahmen, dass Pat schliesslich nur fiüssige Nahrung
D g : 7cd / G OOglC
878
zu sich nebmeu kouate. Hit dem Krankheitsbe^nn Undeutlicherwerd^ später vbUigts
Verschwinden der Sprache, so dass in den letzten 5 Honaten nur noch oBTeiständ*
liebes Lallen möglich war. Incontinentia nrinae et alvi. Zanehmende Verblödung,
indessen wird im Krankenhanse coustatirt, dass bei Annäbernng bekannter Personen
eine Reaction von seiten des Kindes erfolgt; es öffnet die Äugen, dreht den Kopf,
lächelt n. s. w. Kopf und obere Extremitäten fast in fortwährender [Joruhe, ersterer
wie automatisch hin und hergedreht, die Oberarme ebenso abwechselnd gehoben und
gesenkt; diese Bewegungen sind besonders intensiv, wenn Pat gewissen vegetativen
Empfindungen (Hunger, Durst, Stnhldrang u. s. w.) Ausdruck geben zu wollen scheint.
Das Gebiet des rechten unteren Facialis ein wenig schlaffer als das linke.
Ophthalmoskopisch Stauungspapille. Gesicht, Gehör, Geruch, Geschmack und Haut*
Sensibilität Qberall intact, desgleichen die Hautreflexe. Patellarreflexe gesteigert.
Urin ohne abnorme Bestandthoile. Elektrische Untersuchung ergiebt normalen Be*
fund. Unter zunehmendem Verfall der psychischen Functionen ond hochgradigster
Abmagerung, Decubitus, geht Pat. an Bronchopneumonie zu Grunde. Kopfamfang
war stets normal gewesen, der ophthalmoskopische Befand ergab schliesslich Uiit«*
gang in Sehnervenatrophie.
Die Scction ergab ein geringeres Volumen des gesammten Grosshims als normal,
Klaffen und Verbreiterung zahlreicher Sulci; die so entstehenden Zwischenräume sind
mit Flüssigkeiten gefüllt, so dass sie an einzelnen Stellen den Eindruck von Cysten
machen, nirgends aber sind Substanzverluste zu constatiren, sondern nur gleichmässige
Volumreduction. Beim Schneiden der Himsubstanz deutlich vermehrte Resistenz. Die
gesammte weisse Substanz ungewöhnlich hart, giebt dem eindrückenden Finger nicht
das Gefühl des Zurflckweichens, Farbe ist mattgelb, ähnlich altem Elfenbein. Gelass*
durcbschnitto sind nur vereinzelt zu sehen. Auch die graue Substanz ist härter als
normal, ihre Farbe blassgrau und blassgelblichgrau. Grenze zwischen grauer und
weisser Substanz viel schärfer als gewöhnlich. Vermehrt ist auch die Oonsistenz des
Cerebellums, der Himschenkei, des Pons und der MeduUa oblong., wenn auch nicht
in dem hohen Grade, wie es beim Grosshini der Fall ist. Die Verhärtung der Snb*
stanz ist überall vollkommen gleicbmässig. Arterien und Kerven der Basis völlig
normal. Am Rückenmarke zeigt sich vermehrte Oonsistenz in der Cervicalgegend
und besonders am Lendenroarke, Zeichnung des Querschnittes überall normal.
Die histologischen Details sollen anderen Ortes ausführlich mitgetbeilt werden.
Verf. war in Folge der klinischen Beobachtung der Ansicht gewesen, dass ea
sich um einen Grossblratnmor mit consecutivem Hydrocephalus internus gehandelt
habe, hält indess für möglich, dass er bei genauerer Kenntuiss der einschlägigen
Litterator vielleicht schon intra vitam die Diagnose einer diffusen Hirnsklerose, wie
sie von Schmauss, Busse u. A. geschildert worden ist, gestellt hätte. Hit Recht
hält er seinen Fall für eine werthvoUe Bereicherung unserer Kenntnisse über diese
seltene und ätiologisch wie klinisch noch recht dunkle Krankheit.
Martin Bloch (Berlin).
3d) Soldrose odrebrale hdmispberique: Idiotie, hdmipldgie droite et epi*
lepsie ooDsöcutives, par Bourneville. (Ärcb. de Neurol. 1897. Vol III.
Nr. 15.)
Der hereditär schwer belastete Patient war gesund bis zum 5. Lebensjahr, wo
eines Tags, morgens, heftige Convulslonen von der Dauer von einigen Minoten auf*
traten. Abends wiederholten sich die Convulslonen, betrafen aber nur die rechte
Seite und dauerten 6 Stunden; von da ab während 3 Monaten täglich Convulsiooeo
der rechten Seite, die Vs—I Stunde anhielten. Darnach spastische Lähmung der
rechten Seite, ferner die Zeichen der Idiotie. Vom 13. Lebensjahre an Auftreten
von klassischer Epilepsie. Tod im 21. Lebensjahr im Status epilepticus.
Googl
c
879
Bei der Autopsie ei^ab sich Atrophie und Sklerose der ganzen linken Hemi*
Sphäre, auf welche der Verf. die im 5. Lebensjahr aufgetreteuen, lange anhaltenden
(^oruisionen, die Lähmung, die Idiotie und Epilepsie zurdckfahrt. Der Tract. opt.
das Corp. mamiUare, der Pedonculus cerebri, die Brftcke und Bulbus der linken
Seite zeigte secundäre Degeneration. — Vier photographische Abbildungen, die die
Veränderungen des Qebims gut zur Anschauung bringen, sind beigegeben.
M. Weil (Stuttgart).
37) Farapldgie epasmodique infantile, par Virsiola. (Arch. de Eeurol. 1897.
Vol. HL Nr. 18.)
Die Uittheilung betrifft einen 6jähr. Jungen, der Idiotie, hochgradige Schädel*
Verbildung und spastische Paraplegie aufwies. Der Vater des Pat. war Alkoholist.
Der Verf. ist der Ansicht, dass das auf Entwickelungshemmung beruhende Leiden
des Pat. nicht dem Alkobolismus des Vaters, sondern einem heftigen Schrecken zu-
zoscbreiben sei, welchen die Mutter im 5. Monat der Schwangerschaft erlitten hatte.
Er schliesst dies daraus, dass die vor und nach dem Pat. geborenen Kinder alle
gesund wareu. M. Weil (Stuttgart).
38) Zar Therapie der Kinderlähmungen. Sehnenüberpflanzung in einem
Falle spastiaober cerebraler Faraplegie (sogen. Little’aober Krankheit),
von A. Eulenburg. (Deutsche roed. Wochenschrift. 1898. Nr. 14.)
Muskelrigidität, krampfhafte Muskelstarre, ist der am meisten charakteristische
Zug der cerebralen, spastischen Kinderlähmung. Bei der Genese der Zwangsstellungen
spielt die „durch die centrale (corticale) Erkrankung bewirkte krankhafte Veränderung
der von der Rinde ausgehenden, regulirenden Innervationseinflüsse des physiologischen
Mnskelantagonismns“ eine Hauptrolle, und zwar befinden sich meist die Flexoren
in dem Zustande der Hyperinnervation. Verf. suchte in einem typischen Falle von
spastischer Gliederstarre die vorhandene spastische Pes varo-equinusstellung, welche
durch Elektricität, passive Gymnastik nicht wesentlich beeinflusst war, durch Sehnen-
hberpflanzamg zu bessern. Prof. Sonnenburg operirte zunächst am* rechten Fusse
(2. December 1897). — Nach Freilegung der Achillessehne wurde die peroneale
Hälfte derselben mit einem Stöck des Sulcus berauspräparirt und von der ver¬
bleibenden Sebnenhälfte, die nachtr^licb durchschnitten wurde, abgelöst. Bei mög¬
lichst übercorrigirter Fussstelluug wurde sodann in den vereinigten Sehnen des
Peroneus longns und brevls eine schlitzförmige Oeffnung angelegt uiul in dieser das
abgelöste Stück von Acbillessebne und Soleus mit den darunter gelegenen Muskel-
bfindeln und den Rändern des Sehnenschlitzes vereint. Fixation des Fusses in
stark dorsalflectirter und prouirter Stellung durch Gypsverband uach Anlegung der
Hautnähte. Kasche Wundheilung, keine spastische Innervation, Fuss und Zehen in
jeder Richtung gut beweglich: bei faradischer Beizung des N. tihialis in der Knie¬
kehle pronirende Fussbewegung mit Erhebung des äusseren Fussraudes. Am 18. Januar
1898 die gleiche Operation am linken Fusse, jedoch ohne Tenotomie des Acbillos-
sebnenrestes; guter Erfolg. — Derselbe erklärt sich „durch einen auf centripetalem
W^e angeregten intercentralen Auslösungsvorgaug in den die antagonistisch-tonische
Innervation beherrschenden Grossbirnrindengebieten“. — Der ludicationskreis für die
SehnenfiberpflanzuDg umfasst neben den paralytiscbeu Fussdeformitäten auch die
spastischen, die Zwangsstellungen bei der cerebralen Kinderlähmung, vielleicht auch
die partiellen Lähmungen nach Hemiplegieen, peripherische Partiallähmungen u. a.
R. Pfeiffer (Cassel).
38) Transplantation of tendon for infantile para'iysis, by F. S. Eve. (Brit.
med. Journ. 1898. May 7. S. 1200.)
Verf. hält in der Londoner klinischen Gesellschaft einen Vortrag Ober Sehnen-
verpflanzuDg, um Deformitäten bei infantiler Paralyse zu corrigiren. Die Sehue des
D g ii/od oy GoOg IC
880
gel&hmteD Muskels wird durch einen Längsschnitt freigelegt, nnd ein Stäck Sehne,
Ton einem normalen Muskel genommen, hinein transplantirt. — Bei einem 9jährigeii
Knaben war in Folge von Peroneustrennung (die Sntnr der Nervenenden vrar, ohne
die beabsichtigte Nervenvereinigung zu erreichen, verlaufen) die Waden* und Zehen*
streckmnskulatur gelähmt Vom Tibialis posticus wird ein Stock Fasern genommen
and in die Sehne des Ext. digit. long. inserirt; ferner ein Streifen vom Tendo Achilles
in die Sehne des Peronens longus.
In einem anderen Falle gewöhnlicher Kinderlähmung hatte sich ein hochgradiger
Talipes equino varus und Pes cavos gebildet mit vollkommener Lähmung des Peroneus
long. und des Ext. digit long., der Tendo ÄcblUis wird verlängert ferner ein Sehnen*
Stock des Tibialis und die Sehno des Ext. digit. long. transplantirt Der ^olg var
völliges Verschwinden des Pes equinus. L. Lehmann I (Oeynhausen).
in. Bibliographie.
Physiologie der Haateinneenerven, Gesammelte Abhandlungen von A. Gold¬
scheider. (1898. Bd. I. 432 S. 6 Tafeln. [Leipzig. J. A. Barth.])
Auf Anregung des Berliner Psychologen, Prof. Stumpf, hat sich Yeti
zu einer gesammelten Herausgabe seiner Arbeiten auf dem Gebiete der Physiologe
der Hautsinnesnerven und des Muskelsinnes entschlossen. Der erste Band umfasst
20 Abtheilungen aus den Jahren 1881 —1891, welche sich grösstentheils mit der
Physiologie der Hautsinnesnerven beschäftigen; nur die erste Abhandlung vom
Jahre 1881 beschäftigt sich mit der Lehre von der specifischen Energie im All*
gemeinen, und zwei kleinere Mittheilnngen behandeln einen Fall von Biesenwnehs
bezw. die Erregbarkeit der einzelnen Geschmackspapillen. Fast alle sind bermts in
diesem Centralblatte zur Zeit ihres Erscheinens mehr oder weniger eingehend be¬
sprochen worden (vergl. namentlich Jahrg. 1886, S. 173; Jahrg. 1887, S. 175;
Jahrg. 1888, S. 16, 133 u. 134; Jahrg. 1889, S. 73 n. 170; Jahrg. 1890, & 172,
327, 687; Jahrg. 1891, S. 15, 81, 124 u. s. f.). Heute würde sich nur «Ue Frage
erheben, wie weit gegenüber der fortgesetzten wissenschaftlichen Forschung diese
Arbeiten noch wertbvoll sind. Diese Fr;^e ist für die meisten zu bejahen. SpedeU
haben die auch an Zahl überwiegenden Arbeiten über die Temperatnrempflndungen
auch heute noch eine fast actnelle Bedeutung, man darf speciell wohl sagen, ^
die Neuropathologie die in diesen Arbeiten niedei^elegten Ergebnisse auch heute
noch nicht in dem verdienten Umfange aasgenutzt hat Dabei ist selbstverständlich,
dass inzwischen auch einzelne Irrthümer anfgedeckt und berichtigt nnd manche As*
gaben von anderen Forschem ergänzt und erweitert worden sind. Für die Heraus¬
gabe des zweiten Bandes, welcher die Abhandlungen ans dem Gebiete des Muskel*
Sinnes enthalten soll, möchte daher Bef. doch vorschlagen, dass Verf. wenigstens an
den wichtigen Fnnkten in einer kurzen besonderen Anmerkung auf solche neuoe
berichtigende and ergänzende Arbeiten hinwiese; der Werth dieser Sammlcng würde
hierdurch noch wesentlich erhöht. Auch ohne solche Znfügnng ist er nicht gering-
Psychologen and Physiologen und Neuropathologen werden mit dem Bef. für die
Herausgabe der gesammelten Abhandlungen dankbar sein. Th. Ziehen.
IV. Beriohtlgiing.
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Professor Dr. E. Hendel
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Monatlich encbeinen zwei Nnmmern. Preis des Jahrganges 24 Mark. Zn beziehen durch
alle Bochhandlnngen des In- und Auslandes, die Postanstalten des Deutschen Beichs, sowie
direct von der Verlagsbuchhandlung.
1898. 1. October. Nr. 19.
Inhalt: I. OfiginalffllHheliungen. 1. Veränderungen der Nervencentren nach Aus-
reissang der Nerven mit eininen Erwägungen betreffj ihrer Natur, von G. Marinesco. 2. Zur
Histotecbnik ganz beginnender Strangdegenerationen, von Priv.-Doc. Dr. Karl Schaffer.
3. üebor einen Hypothenarreflex, von Dr. F. Holzinger.
II. Referate. Anatomie, l. El sistema nervioso del hombre y de tos vertebrados, per
S. Ramön y Cajal. 2. Snlla cariocinesi delle cellnle nervöse, per 6 . Levl. — Experimentelle
Physiologie. S. Ricerche egogradcbe nella donna, per Q. C. Ferrari. — Pathologische
Anatomie. 4. Etüde d’nn cas de spina bifida, par Joseph Baylac et Lucien Lagreffe. 5. Ein
neuer Fall von partieller Verwachsung beider Grussbirnbemisphären, von R. Seellgmafln. —
Pathologie des Nervensystems. 6. lieber die besondere Form von Hysterie, wie sie in
allgeiDcineD Krankenhäusern zur Beobachtung kommt, von V. v. Holst. 7. Bin Fall von kindücber
Hysterie unter dem Bilde einer tubercul. Meningitis (Psendomeningitis byst.), von L. Bliimenau.
8. Hysterische Sebstörongen im Kindesaltcr, von M. Weil. 9. Hysterie infantile en Vendde,
par F. Fsrrier. 10. Beiträge zur Xenntniss der bysteriseben Alfectioneo bei Kindern, von
Ferdin. Steiner. 11. Einige Worte Ober infantile Hysterie, von F. Steiner. 12. A case of
bysterical dyspbagia, by LlewelHn Eliot. IS. Diagnosis and treatment of spasmodic stricture
>f the oesopbagus, by J. C. Rüssel. 14. Trismus bystdrique, persistant durant plus de neuf
mois, par Bidlot (p^re) et Francotte. 15. Note sor ia retraction de I’aponevrose paimaire,
)av Firi. 16. Hysterische, systematisirte Contractur bei einer Ekstatischen, von Jane!.
.7. Scoliose ct torticolis byst^riques. par Mirallld et Chapus. 18. Nevrologia nel distretto
lol plesso brachiale di natura istenca; diatesi di contrattura, per Negro. 19. lieber den
lüsten, speciell den nervösen, von Schech. 20. Ueber Pupillenstarre im hysterischen An-\
alle nebst weiteren Bemerkongen zur Symptomatologie nnd Differentialdiagnose bysteriseber
ind epileptischer Anfälle, von Karplus. 21. Hysterical paraplegia in a ebild, by Simpson.
12. Casuistische Mittheilungen, von Qlaeser. 23. Des patalyaies post-anesthesiques, par
^chwartz. 24. Des perversions de Ia motilitö dans rbystörie. Un cas de chor^e rbytbmee
lyatdrique chez on borome, par Glorieux. 26. Hysterical double ptosis, by Kiernau. 26. De
X difficnltd du diagnostic de l’appendicite chez Ics hysteriques, par Rendu. 27. Ekzema
:almairG chez une hysterique, par Montfort et Miratliä. 26. Un cas d’anurie bysteriqne avec
Ijoaination supplementaire de Turöe, qui a durö pendant douze jours (le 6—18 du mois de
lai) chez une femme hysterique, guerie complctement, par Guisy. 29. Deux observätions
c troubk-s vnso-moteurs d’originc hysterique, par Nauhelmer. 30. Xerostomia(Müatb-DryDess),
y Sharp. 81. Neuritis iscbiadica, Neuralgia iscbiadica und Hysterie. Ein nenes differential-
iagnostisohes Symptom nebst einigen Bemerkungen, von Biro. 32. Contributo alla diagnosi
alla curs nelle artraigi istciiohe, per Bianchi. 33. On cyclone — neuroses and psyeboses,
Y Sremof. 34. Ueber einen eigenartigen hysterischen Dämmerzastand (Ganser). Casnistische
ittbeilnng von Binswanger. 85. Ueber einen eigenartigen hysterischen Dämmerzustand,
>n Gansor, 36. Oase of acute ataxy of one limb, by Thomson. 37. Nenrastbenie, von Ziehen.
i. Ueber einige Beziubungen zwischen Neurosen und örtlichen Erkrankungeo, von Stern-
irgt 39. Ueber ein Pnlsphänomen bei Nearasthenikern, von Erben. 40. Die moderne
eberbtirdung, von WHdermuth. 41. Importanza dell’ autuintossicazioni nelle nevropatie, der
lostlni. 42. Neurastbenischer Hanger, von Benda. 43. Le traitement propbylactique de
lysterie, par Verhoogen. 44. Ueber die Behandlung von Nervenkranken und Psychopathen
ircb Dötzliclie Muskelbeschäftiguog. von Monnier. 15. Die Nervenkrankheiten und die
56
Google
882
durch dieselbeu heding^te Mortalität in der russiachen Armee, von Gorsehkow. — Psj*
chiatrie. 46. Certain pbysical aigns in mclancholia, by Stoddari. 4T. Perio^cbe Psy¬
chose und Exacerbation von Psoriasis zur Zeit der Erreirnngszostände, von Fries. 48. Das
Irrenwesen in Ungarn, von Epstein. 49. üeber acute Psychosen bei Koprostaste (Deliriuiu
acntntn dnrch intestinale Antointozicationen), von v. SSIder. 50. Beitr^e zu den Poerperal-
psycbosen, von Slegenthtler.
III. Aus den Gesellschaften. Finska läkaresällskap.
I. Originalmittheilungen.
1. Veränderungen der Nei*vencentren
nach Ausreissung der Nerven mit einigen Erwägungen
betreffs ihrer Natur.
Von G. Harlnesoo,
Professor an der medicin. Facnltät zo Bukarest, Chefarzt am Krankenhaus PanteliinoD.
Es ist heute erwiesen, dass die Dnrchschneidung eines motorischen oder
sensitiven Nerven in seinem Ursprungscentrum eine ^ihe Veränderungen herbei-
führt, weiche den von mir als „räaction ä distance“ (Entfemungsreaction) be¬
nannten Process ausmachen. Für mich ist es sicher — und diese Ansicht ist
seitdem von einer Anzahl Autoren angenommen worden —, dass es sich hierbei
um Reactionsersoheinungen bandelt, welche das Zeichen sind für die jedem Neuron
eigenthümliche Neigung, seine vom Trauma herrübrenden Veränderungen zu
repariren. Es würde somit diese „Entfemungsreaction“ keine richtige D^neration
sein und die zuerst von mir voigesohlagene Bezeichnung „NissL^sche Degeneration“
würde ihr nicht zukommen. Allerdings habe ich, indem ich mit dieser Be¬
zeichnung die Veränderungen benannte, welche die Nervenzelle nach Ausreissen
eines ihrer Fortsätze erleidet, damit nicht r^ressive Erscheinungen bezeichnen
wollen — das beweist schon der von mir gleichzeitig gebrauchte Ausdruck
„Reactionsphase“ —, sondern ich wollte einen Unterschied feststellen zwischen
diesen Läsionen und denjenigen, welche Fobel, Hagen u. s. w. beschrieben
haben, mit denen sie einige Autoren ungerechtfertigterweise verwechselt haben.
Andererseits war der Name „Nissn’sche Degeneration“, welchen ich durch
„NiBSL’sche Reaction“ ersetzen könnte, eine dem Schöpfer der feinen Nerven¬
zellenpathologie erwiesene Ehrenbezeugung. Uebrigens nehme ich mir vor, in
dieser Arbeit zu zeigen, dass in der Reihe der Veränderungen, welche in der
Nervenzelle nach der Nervenresection auf einander folgen, ein Zeitpunkt, eine
Periode auftritt, welche den Namen „Degeneration“ wohl verdient.
Ich habe^ die Erscheinungen, welche sich in der Nervenzelle nach Resecüon
ihrer Fortsätze zeigen, in 3 Phasen eingetheilt:
a) Reactionsphase,
b) Reparationsphase,
c) Degenerationsphase.
' Pathologie der Nervenzelle. Presse medicalc. 1897. 27. Jan.
ig :i7cd cy Google
883
Die erste dieser Veränderangen ist dank den Untersachnngen von Nibsl,
Mabinesco, Ballet u. Dudil, Lügabo, Flatau, van Gehuckten, Sano u. A.
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gut studirt worden. Sie charakterisirt sich — und dies haben die meisten der
genannten Autoren bewiesen — durch die Auflösung der cbromatophilen Ele¬
mente und durch die Verschiebung des Zellkerns, welcher das Centnim verlasst,
um sich nach der Peripherie zu wenden. Mit Fortschieiten der Reparation
dieser Veränderungen nimmt der Zellkörper au Volumen zu, der Zellkern nimmt
56*
Google
884
seine ursprüngliche Lage wieder ein, und die Zelle zeigt eine deutliche Pjcno-
morphie (Fig. 1).
90 Tage nach Durchschneidung des Hypoglossus hat die Hypertrophie der
Nervenzellen ihr Maximum erreicht Einige derselben erreichen sogar beträcht¬
liche Dimensionen, welche den Namen „Riesenzellen“ rechtfertigen. Zu bemerken
ist, dass diese letzteren Elemente sich von den Zellen des unversehrten Kerns
nur durch die Volumsvermehrung unterscheiden; mau könnte von einer hj'per-
trophischen Zelle im Zustande deutlicher Pycnomorphie sprechen.^ Die proto¬
plasmatischen Ausläufer dieser Zellen sind ebenso hypertropbiert Nach
100 Tagen — ich spreche immer von den Zellen des Hypoglossuskerns — haben
die Zellen Neigung auf ihr normales Volumen zurückzugeheu. ln der That ist
bei einem Thier, welches 111 Tage nach der Resection getötet wurde, der Unter-
•• -' 5 / »?.?'.
-'A« ' "'xr;;
Fig. 2.
schied zwischen den beiden Kernen nicht mehr so ausgesprochen, und — was
wichtig' ist — die Vereinigung beider durchschnittenen Enden war so voll¬
kommen, dass die Spur der Durchschneidung vollständig verschwunden war.
Man sieht also bei dem Reparationsprocess nach der Durcbschueidung eines
Nerven das merkwürdige Phänomen sich abspieleu, dass die Nervenzelle, statt
direct zur Norm zurückzukebren, vielmehr ein hypertrophisches Stadium zeigt,
welches bis zum 100. Tage ansteigt, darauf nimmt die Zelle au Volumen ab.
Herr van Gebuchten hat in seinem Bericht auf dem- M(«kauer Cougress dies
bestätigt.
Einzelne Zellen können den Reparationskosten ihres peripherischen Fort¬
satzes nicht genügen und atrophiren oder verschwinden, andere hingegen zeigen
eine gewisse Menge Energie und überleben so die Durchschneidung ihres Aien-
cylinders.
‘ Vergl. meinen Bericht auf dem internationalen Congress zu Moskan: Üeber die
Pathologie der Nervenzelle.
i „Google
685
Aus diesen Tbatsachen zog ich den Schluss, dass die Begeneration der
peripherischen Nerven der getreue Ausdruck der Reparationserscbeinungen ist,
welche sich in der Nervenzelle abspielen und umgekehrt
Wenn also die Nervenregeneration ihren normalen Lauf nimmt, so vollzieht
sich die Reparation der Zellen in gleicher Weise. Wenn hingegen die Rege¬
neration gehemmt ist, so kann die Kraft der Reparation mehr oder weniger
vernichtet sein. Die Regeneration der peripherischen Nerven ist also die Function
der Zellenreparation und letztere hängt von ersterer ab. Wie ist aber diese von
mir vor mehr als einem Jahre ausgesprochene Meinung zu beweisen, wie kann
man die Regeneration eines peripherischen Nerven nach seiner Durchschneidung
hemmen? Dies ist auf sehr einfache Weise durch die Resection eines Nerven
auf einer langen Strecke möglich oder noch besser, indem man ihn ausreisst
Wenn man nun den Hypoglossus bei einem Kaninchen ausreisst, so constatirt
man folgende Veränderungen:
Zuerst geht die Reactionsphase sehr schnell vor sich, die Zellen sind
sämmtlich stark verändert und befinden sich nach Verlauf von 20 Tagen, statt
Pycnomorphie mit Schwellung des Zellkörpers zu zeigen, vielmehr im Stadium
fast völliger Apycnumorphie und alle ihre Theile zeigen Volumsabnahme. Diese
Zellatrophie erreicht einen beträchtlichen Orad nach ^'erlauf eines Monats und
in dieser Hinsicht kann* man die oberen Gruppen der Zellen des Hypoglossus-
keros und die unteren unterscheiden, indem die Veränderungen weit vor¬
geschrittener in letzteren sind, ln der That sieht man bei Prüfung eines
Schnittes in der Höhe des unteren Drittels des Hypoglossus (Fig. 2 u. 3), dass
die Zellen auf der Seite des ausgerissenen Nerven für die meiste Zeit unsichtbar
geworden oder vollständig verschwunden sind; „unsichtbar^ weil man die
Spuren nur mit starker Vergrösserung sieht. Hierbei zeigen sich die Zellen
unter der Form der blassen, atrophirten Elemente (Figg. 4—7); ihr Protoplasma
886
ist einförmig, eher durchscheinend als undurchsichtig; der Kern mit seinem
ganzen Inhalt ist stark atrophirt, die Ausläufer der Zelle sind vollständig ge-
sohwunden oder bis auf weniges reduoirt Zuweilen begleitet sc^r diese Atrophie
eine Aenderung der achromatischen Substanz, was im Inneren der Zelle Con-
Fig. 6. Fig. 7.
tinuitätstrennuDgen bedingt. Es ist dies eine schwere Schädigung, auf welche
ich schon mehrmals die Aufmerksamkeit gelenkt habe.
Neben diesen blassen Zellen, welche ihrer Blässe wegen mehr oder weniger
unsichtbar scheinen, findet man andere, welche sich nicht nur durch ihre
Atrophie, sondern auch durch ihre dunklere Fär¬
bung auszeichnen (Fig. 8: A, C, J), E). Hier
sind Körper und Ausläufer der Zelle stark atro¬
phirt und merkwürdigerweise ist der Kern nicht
in gleichem Grade wie das Zellplasma atrophirt
Die dunkle Zellfärbung bängt von 2 Factoren
ab, einmal von dem Zurückbleiben einer gewissen
Menge chromatischer Substanz im Zellplasma,
dann aber auch von der Thatsache, dass sich
die chromatische Substanz blau färben lässt
Gern hätte ich noch näher präcisirt und fest¬
gestellt, auf welchen Theil der achromatischen
Substanz diese Färbbarkeit kommt Man weiss nun
seit den Untersuchungen von Gajal, van Gehucbten und Mabinbsco, dass die,
achromatische Substanz selbst sich aus zwei Theilen zusammeusetzt, aus einem
organisirten, fibrillären, reticulären Theile und einer amorphen Grundsubstanz.
Die Färbbarkeit dieser letzteren in den verschiedenen pathologischen Zuständen
steht ausser Zweifel nach den Forschungen aller derer, welche sich mit der
feineren Pathologie der Nervenzelle beschäftigt haben, seitdem Nissl hierauf
die Aufmerksamkeit gerichtet hat
Fig. s.
Google
887
Vielleicht verdankt nun, doch möchte ich diese Meinung nur mit grosser
Eeserve aassprechen, die achromatische Substanz ihre Färbung der Retraction
des fibrillären Netzes der Nervenzelle.
Ich wäre umsomehr geneigt diese Ansicht zuzulassen, als ich gezeigt habe,
dass wenigstens für die Spinalganglien — und hier trenpe ich mich von meinem
Pig. 10.
verehrten CoUegen Dr. Nissl — der als „Chromophilie“ bezeichnete Zustan(i^
zum grossen Theil von der Dichtigkeit des Netzes des Zellplasma abhängt.
Wäre die Retraction im pathologischen Zustand
bewiesen, so ivürde diese Erscheinung einiges
Licht auf die so lange bestrittenen amoeboiden
Eigenschaften der Nervenzelle werfen. — Die
Zellen, welche sich im oberen Theile des Kerns
befinden, sind zwar deutlich atrophirt, haben
aber ihre gewöhnliche Form bewahrt (Fig. 9).
Es sind also die von den chromatischen Eie-
menten entblössteu protoplasmatischen Aus¬
läufer verSüSlit, kürzer als gewöhnlich (Figg. 10—12). Will man sie zählen,
so findet man ihre Zahl geringer als bei den Zellen des unversehrten Kerns.
Das Centrum der Zelle ist blass und einförmig, die chromatische Substanz bietet
i „Google
- 888 --
sich iü Form rou unregelmässigen Körperchen dar, die an der Peripherie der
Zelle in Zügen oder um den Kern herum in Form eines unroUst&ndigen Kreises
oder eines Halbmondes veitheilt sind. Der Kern selbst ist atrophirt, seine Membran
zuweilen gefaltet; er liegt excentrisch. Hier möchte ich noch erwähnen, dass
die intranucleären Körperchen, welche Baßts unter dem Namen „metachro-
matiscbe Körperchen“ beschrieben bat, atrophirt, verschwunden sind.
Um die Unterschiede zwischen den Kernveränderungen nach Durchschneiden
und nach Ausreissen des Hypoglossus besser zu erkennen, m^ der Leser die
Figuren 1, 2 und 9 miteinander vergleichen. Die erste stellt in R die Kem-
zellen in Reparation dar; dieselben sind hypertrophisch, im Zustand der Prcno-
morphie. In Fig. 2, wo der Nerv links ausgerissen ist, sind die meisten Zellen
verschwunden, der Rest besteht aber aus blassen, atrophirteu Zellen, ln Fig. 9
endlich sind die Zellen des Kerns auf der lädirten Seite deutlich atrophirt, haben
aber ihre gewöhnliche Form bewahrt.
Diese Resultate der experimentellen Pathologie vermögen Licht zu werfen
auf die Natur der Läsionen, welche man im Rückenmark bei Amputirten beo¬
bachtet Die Forschungen von Hatbm und Gilbbbt, von Edikoeb, von Kbause
und Friedländeb und meine eigenen^ haben die Tbatsache sichergestellt, dass
nach Amputation gewisse Zellgruppen vollständig verschwinden. Nach meinen
Forschungen verhindert nun die ßesection der Nerven oder vielmehr das Aus¬
reissen {denn die Vereinigung beider Enden ist nicht mehr vorhanden) die
Eleparation der Keactionsveranderungen der Nervenzelle und hat dann den Tod
der Zelle zur Folge. JJebrigens bestätigen nicht nur diese erwähnten älteren
Forschungen meine Ansicht, sondern auch ein neuerer, jetzt erst von mir beo¬
bachteter Fall. Im Lumbalmark eines an den Folgen einer Beinamputation
Gestorbenen (der Tod erfolgte nach einem Monat), sah ich die Nervenzellen im
Keactiousstadium ohne irgend eine Spur von Reparation; im Gegentheil, es
zeigten sogar einige Zellen einen leichten Grad von Atrophie. Das Gleiche
konnte ich an Präparaten constatiren, welche Herr Sat^o d’Amtiebs mir in
liebenswürdiger Weise übersandt hat, und welche vom Rückenmark Amputirter
stammen.
Beim Amputirten — ebenso wie beim Thier, welchem man einen Nerven
ausgerissen hat — folgt auf die Reactionsphase nicht Reparation. All’ dieses
beweist, dass die völlige Reparation der centralen Läsionen nur nach Wieder¬
herstellung der Continuität des Nerven statthat; dies ist aber bei Amputation
und Aussreisseu der Nerven nicht der Fall. Trotz der grossen Achtung für
N'issl kann ich daher auch seinen Folgerungen nicht beipflichten, dass es
nämlich ganz gleichgültig sei, ob es sich um Durchschneiden, Resection oder
Ausreissen eines Nerven handle.* Doch muss ich hinzufügen, dass der Heidel-
‘ Ueber Veränderungen der Nerven und des Räckenmarka nach Amputation. Neurolog.
Centralbl. 1892, S: 463 und Lesiona de la moSlIe dpiniere dans nn cos d'amputation coq-
irenitale des duigts, par Sooqoes et Mabikbsco. Presse mddicale. 1897. 2. Juni.
’ Ueber eine neue Untersuchangsmetbode des Centralorgans speciell zur Feststeüang
der LocalisatiüD der Nervenzellen. Centralbl. f. Nervenheilk. 1894. Juli-Heft.
Google
889
berger Gelehrte die Keruatropbie nach Ausreissen einer Complication zuschreibt.
So wenigstens erklärt er die FoRSL’schen Experimente, nach welchen die Durch-
schneidnng des Facialis an seinem Ursprung Kematrophie bedingt, während die
einfache Durchschneidnng ausserhalb des Schädels nicht gleiche Veränderungen
zur Folge hat.
An der Hand dieser Resultate könnten wir gleichfalls die so bemerkeos-
werthen Resultate der GunnEN’schen Methode deuten. Bekanntlich riss der
grusse Gelehrte bei jungen Thieren Nerven aus und constatirte daun eine
Atrophie des Ursprungskerns dieser Nerven. Um diese Thatsache, welche mit
dem WALLEB’schen Gesetz scheinbar nicht in Einklang zu bringen war, zu er¬
klären, bezog er diese Veränderungen auf das Alter des Tbieres, während bei
dem ausgewachsenen Thiere das Centrum Sn^blich iutact bleiben sollte. Letztere
Behauptung ist nun aber — wie sich gezeigt hat — ungenau; die Forschungen
todNissl, meine eigenen, ferner diejenigen von Ballet undDoTiL, vouLdgowet
haben in evidenter Weise bewiesen, dass auch beim ausgewachsenen Thiere die
Xervencentren nach der Nervendurchschneidung reagiren. Es besteht demnach
zwischen dem ausgewachsenen und dem jungen Thiere nur ein Gradunterschied,
indem ersteres schneller als letzteres reagirt. Wir müssen also anerkennen, dass
das Charakteristische für die durch die GuDDEN’sche Methode erhaltenen Resultate
die Art und Weise ist, wie man auf den Nerv einwirkt; und zwar führt das
Ausreissen des Nerven die von Güdden angegebenen Folgen herbei.
Was das BBstorische bei dieser Fr^e anbetrilft, so muss ich einige inter¬
essante Daten anführen. Foeel, welcher interessante Untersuchungen über die
Läsionen nach Nervendurchschneidungen gemacht hat, behauptete, dass nach Aus-
reissen des Facialis bei einem ai^gewachseneu Thiere das Resultat das gleiche
ist, wie beim neugeborenen Thiere: das Ursprungscentrum verschwindet. Aller¬
dings kommt nach diesem Autor dass Ausreissen eines Hirnnerven seiner
Durchschneidung an der Schädelbasis gleich, da nach seiner Meinung das Aus-
reisseu dieses Nerven nicht das Ausreissen seiner Wurzeln zur Folge bat.
Uebrigens ist vor diesem Autor Gulden selbst auf seine Ansicht zurückgekommen
und bat zugegeben, dass bei seinen Experimenten nicht nur das Alter des
Thieres, sondern auch die Stelle, wo der Nerv durchschnitten wird, eine Holle
spielt.
Es ist vorläufig schwer zu sagen, ob das Ausreissen eines Nerven von dem
Ausreissen seiner Wurzeln b^leitet ist; jedenfalls aber würde diese Beschädigung
nur den Axencjliuder betreffen, während die protoplasmatischen Ausläufer intact
bleiben müssten; nun sind aber letztere in Wirklichkeit — wie wir gesehen
haben — atrophirt.
Man siebt also den Unterschied zwischen einem Nervencentrum, bei dem
man den Nerv durchschnitten, und einem anderen, bei dem man denselben
Nerv ausgerissen hat. Im ersten Falle bieten die Nervenzellen nach 30 Tagen
einen Zustand von deutlicher Pycnomorphie oder Hyperchromatose mit Ver-
grösserung des Zellleibes dar, im zweiten Falle ist die Zelle vielmehr atrophirt
und die Chromatose auf Null reducirt.
Google
890
Was also die Veränderungen der Neirenoentren nach Ausreissen der Nerven
cbarakterisirt, ist einerseits die vorzeitige Reaction, andererseits die Irreparabilität
der Läsionen, was das Verschwinden der Nervenzellen nach einem Atrophinings-
und Degenerationsprocesse zur Fo^ hat; da die Nervenzelle hier viel mehr
auszubalten hat als nach der Nervendurchschneidung, so erfolgte der Tod des
Neurons.
Eine andere wichtige Folgerung aus diesen Experimenten ist die bedeutende
Ungleichheit in der Reaction der Zellen. Diejenigen an dem tmteren Theile
des Hypoglossuskems sind atrophirt oder sogar verschwunden, während diejenigen
de^ oberen Theils weniger verändert sind.
[Mittheilung aus dem histolog. Laboratorium des hauptstadt Siechenhauses
„Elisabeth“ in Budapest]
2. Zur Histotechnik ganz beginnender Strangdegenerationen.
Von Priv.-Doc. Dr. E^arl Schaffer,
OrdisariQS des Siecbenhaoses.
Im Processe der secundären Degeneration pfl^en wir bekanntlich zwei
Stadien zu unterscheiden. Die jüngere Phase besteht im floriden Markzer&ll.
d. h. in der Decomposition der Markscheiden, wodurch die Myelintropfen und
Kugeln zu Stande kommen; das empfindlichste Reagens dieses Voi^anges bildet
Mabohi’s Osmiobichromatgemisch, welches die Zerfallprodncte intensiv schwan
färbt. Werden im späteren Verlaufe die Markschollen sowie die ebenfalls zer¬
fallenen Azencylinder aufgesaugt, so entsteht an der Stelle des secundär entarteten
Stranges eine functioneil leere Bahn, welche nur durch Gliamaschen gebildet ist
Letztere hyperplasiren zumeist secundär und lassen somit eine Stelle im Gential-
nervensystem entstehen, welche auäschliesslich aus Stützsubstfmz besteht Die^
ältere Stadium der secundären Degeneration ist jenes der Gliahyperplasie und
wird bekanntlich durch Weiobbt’s Hämatoxylinfärbung zur Darstellung ge¬
bracht. Es sei jedoch nachträglich bemerkt, dass beide Entartungsstadien sich
einfach am, in Müllbb’s Härtungsflüssigkeit conservirten Präparate ebenfalls
kennthch machen. Am Querschnitte z. B. des Rückenmarks springt die secundär
degenerirte Bahn durch ihre hellere Färbung sofort in die Augen; die sepia-
braune normale Umgebung bildet eine auffallende Farbendifferenz gegen die
licht-ockergelbe, degenerirte Stelle.
Somit ist die secundäre Degeneration durch den zuerst auftretenden Mark¬
zerfall und den später einsetzeuden Markschwund cbarakterisirt Bekanntlich
aber geht dem Markzerfall ein noch früheres Stadium der Entartung voran,
welches in der Quellung und Aufblähung der Markbülle besteht. Zu dieser
Zeit kommen die allbekannten Varicositäten der markhaltigen Fasern zu Stande;
'Q t'i’Od
Google
j
891
die Markhälle nimmt in diesem Zustande die Hämatoxjlinfarbnng noch an,
wenngleich nicht so exact wie das gesunde Mark. Am Querschnitt sehen wir
dann neben dem r^elmässigen runden, tiefblau oder schwarz tingirten, normalen
Markringe noch aufgedunsene vergrösserte Scheiben, deren Peripherie einen sehr
schwach gefärbten, also hellblauen dünnen Saum aufweist Diese ganz beginnende
D^neration des Marks, welche durch die Markquellung unter dem Mikroskop
so leicht erkenntlich ist, erweist sich gegen Mabohi’s Osmiobichromat voll¬
kommen indifferent Die Frage, ob gequollenes Mark auf Osmium reagirt, liess
C. Mater* offen; auf Grund meiner Erfahrung vermag ich diese Frage ent¬
schieden zu verneinen. Mater sagt nämlich; „Ob zum Zustandekommen der
MARcm’schen Beaction die Quellung der Markscheiden allein genügt, oder ob
einzig ihre Zerfallproducte es sind, die sich in der MAROHi’schen Lösung
schwärzen, vermag ioh (au den Querschnitten) nicht zu entscheiden.“ Hingegen
erscheint nach Härtung in Müller’s Flüssigkeit oder in 5'*/o Kalium bichromi-
com eine solche ganz beginnend degenerirte Stelle des Centralnervensystems
ockergelb, stiebt somit von der braunen normalen Umgebung lebhaft ab.
Eine ganz beginnend degenerirte Bahn verräth sich daher bereits nach
vollzogener Härtung, also am Rückenmarke nach 6—8 Wochen bei Gonservirung
in Zimmertemperatur. Hervorzuheben ist, dass die Grenzen einer also ent¬
arteten Bahn am gehärteten Präparate mit auffallender Schärfe uns entgegen¬
treten, somit lässt sich bereite ohne Mikroskop, einfach mit dem unbewaffneten
Änge, höchstens mit Lupe die Diagnose einer ganz beginnenden Strangd^eneration
machen. Um so misslicher ist es aber, dass die Fixirung einer solchen ganz
bannend entarteten Bahn am Schnittpräparate bisher nicht gelang, da die
üblichen Methoden, wie Marchi’s Osmiobichromat, welches wir bereite nach
3—4 wöchentlichem Härten im Falle von floridem Markzerfall im positiven Sinne
anwenden, ferner Weigert’s Kupferhämatoxylin, welches im Falle von be¬
endeten Markzerfall die entartete Bahn im negativen Sinne zur Darstellung
bringt, resultatlos bleiben. Mit Marchi’s Gemisch färbt sich die ganz be¬
ginnend degenerirte weisse Nervensnbstenz gleichmässig gelblichbraun, mit
Wsioert’b Hämatoxylin eintönig tiefblau, ohne eine, sei es makroskopisch oder
auch unter dem Mikroskope erkennbaren Differenzirung nach scharfen Grenzen
von der normalen Nervensubstanz.
Dieser Umstand machte sich im Verlaufe meiner Untersuchungen über die
paralytische Hinterstrangserkrankung sehr unangenehm fühlbar. Mit letzteren
beschäftigt, hatte ich mehrere Fälle zu Gebote, in welchen nach Biebromathärtuug
die ausgesprochenste Degeneration zum Vorschein trat, doch letztere nach Makchi
oder Wetoert zu fixiren, misslang total, da die Entartung eben im ganz be¬
ginnenden Stadium sich befand, in welchem, wie oben bemerkt, diese Methoden
uns in Stich lassen. Den Mangel einer entsprechenden histologischen Technik
empfand ich um so lebhafter, da der Hinterstrang einiger Paralytiker die ex-
‘ Zar patbolog. Auatowie der RückenmarkshinterBträoge. Jahrbücher tttr Psychiatrie.
XUI. 8. 7S.
Google
892
quisitest^u Bilder der FLSOHSio’scheD fötalen Gliederung darbot; in Anbetracht
der bekannten Divei^enz der fötalen Gliederung von der topographischen oder
degenerativen ^\'urzelgliederuDg, sowie Angesichts der noch strittigen Bedeutung
der fötalen oder systematischen Gliederung der Hinterstrange unter pathologischen
Verhiiltuissen hatte ich allen Grund die oben genannten Bilder der paralytisehen
HinterstrangsdegeiieraÜon am Schnittpräparate zu Qxiren.
Bei diesen Bemühungen ging ich vor Allem von dem Bestreben aus, die
ganz beginnend degenerirte Stelle des Hinterstrangs im positiven Sinne zur
Darstellung zu brint>eu, d. h. ich wollte einer electiven Färbung des ganz be¬
ginnend entarteten Marks auf die Spur kommen. Meine Versuche mit Saffiranin
misslangen; es erschien mir daher viel mehr Erfolg versprechend, eine Tinction
zu finden, welche allein das gesunde Mark förbend, die degenerirte Stelle un¬
berührt lässt. In dieser Beziehung erhielt ich einen deutlichen Fingerzeig durch
die Härtung in MüLiiER’scber Flüssigkeit Es ist wohl zweifellos, dass die
braune Färbung der weissen Substanz auf einer Verbindung zwischen Nerven¬
mark und Bichromat beruht ($. besonders Weioebt's diesbezüglichen Aus¬
führungen); hebt sich daher bereits am einfach gehärteten Präparate mit Hülfe
der Bichromatbeize das normale Mark vom degeneriienden ab, so musste ich
mir nur die Aufgabe stellen, die Bichromatreaction des normalen Marks noch
intensiver zu gestalten, ln dieser Beziehung kam mir zur Hülfe die allbekannte
histol(^ische Thatsache, dass Mabchi’s Gemisch an vollgehärteten Objecten
die gröbere Markfaserung deutlich, etwa einem schwachen WsiQEBT’scheu Prä¬
parate äquivalent, zum Vorschein bringt, während andererseits gleichfalls bekannt
ist, dass das Osmiobichromatgemisch an schwachgehärteten, aber für die
typische MABCui-Reaction vollkommen ausreichende Objecte eine derartige
DifferenziruBg nicht zu Stande bringt Man überzeugt sich dabei leicht davon,
dass dieser Unterschied in der Reaction dadurch bedingt wird, dass das Osmium
am vollgehärteten Objecte lauter Nervenfasern trifft, welche bereits die Ver¬
bindung des Nervenmarks mit Bichromat enthalten und gegen letztere besitzt
das Osmium eine entschieden grössere^Affinität als gegen ein solches Nerven¬
mark, welches diese Verbindung noch nicht einging, wie dies im schwach¬
gehärteten Marke enthalten ist Das Osmium vertieft, gestaltet gesättigter die
gelblichbraune Bicbromatfarbung des Nervenmarks, so dass letzteres dunkel¬
braun, stellenweise schwärzlich erscheint. Eine Grundbedingung zu dieser
Reaction ist aber die ganz beendete Härtung; je älter diese, um so
besser gelingt die Reaction. Ueberhärtete Objecte geben die sicherste Reaction;
(loch da die brüchige Consistenz derselben das Osmium nur noch vermehrt, so
empfiehlt es sich, die Durchtränkung mit Celloidin in vollkommenster Weise
vorzunehmen.
Mein Vorgang besteht daher im Falle ganz beginnender Strangd^eneration
darin, dass das 3 eventuell 4—6 Monate gehärtete Rückenmark in ganz> dünne
Scheiben geschnitten, in Marchi’s Gemisch auf l Woche gelegt wird; rathsam
ist es, inzwischen die Flüssigkeit einmal zu wechseln. Nun kommen die Scheiben
in täglich frisch erneuertes Wasser; auf diese Art wasche ich das überschüssige
Google
893
Osmiobichromat in gründlichster Weise aus; die Haltbarkeit der Präparate
bängt davon ab. Diese Auswaschung soll zumindest 1 Woche dauern; ge¬
schieht sie 2 Wochen hindurch, um so besser. Hiernach folgt die übliche Ein-
bettUDg mit Celloidin, welche, um gute Schnitte zu erhalten, tadellos vor-
genommen werden soll, Schnittdicke 40—50^. — Sollte trotz der einwands-
freien Celloidindurchtränkung der Schnitt brüchig sein, so wende man die
DpvAL’sche CoUodion^e de surface an. Der Schnitt wird mit Wbigert’s
CoUoidiumpIatten weiter behandelt, welche die bei der Entwässerung und Auf-
bellong möglichen Insulte fernhält. Da die angegebene Methode wesentlich auf
einer Verstärkung der normalen Markbichromatverbinduug durch das Osmium
beruht, so war es von Interesse, ob Azoulay’s Osmiumfärbung nicht denselben
Dienst leiste wie das MAnCHi’sche Gemisch. Meine diesbezüglichen Controll-
tersucbe an demselben Material lehrten aber, dass die erwünschte Reactiou mit
ÄzouLAT nicht zu erzielen ist, da das ganz beginnend degenerirte Mark sich
mit Osmium-Tannin ebenfalls wie mit Hämatoxylin förbt.
An einem also behandelten Schnittpräparate hebt sich so makro- wie mikro-'
skopisch die gesunde Partie scharf von der ganz beginnend degenerirten ab und
zwar dadurch, dass letztere gleicbmässig gelb
erscheint, während die eng aneinander ge¬
reihten gesunden markhaltigen Nervenfasern
eia Feld bilden, welches dunkelbraun gefärbt,
lebhaft von der beginnend degenerirten Partie
al)sticht Wie auffallend die Differenz ist,
erlaube ich mir durch beigefügtes Photo-
gramm^ zu versinnlichen. Dasselbe stellt
das obere Lendenmark aus einem Falle von
vorgeschrittener Paralyse dar; der Vorderseiten¬
strang zeigt eine Randdegeneration, ausser wel¬
chen aber im Einterstrang genau jeues Feld ganz
Ugiuneud degenerirt zu sein scheint, welches zuerst Flechsig als hintere mediale
Wurzelzone beschrieb. Vergleichen wir mein Bild mit Flechsig’s Abbildung 8
in seiner Arbeit „Ist die Tabes dorsalis eine Systemerkrankuiig“,- so fallt sofort
dl« vollkommenste Uebereiustiminung zwischen beiden auf. Ohne mich in deren
Deutung einzulassen, da dies an anderem Orte geschehen soll, hebe ich nur
hervor, dass eben die paralytische Hinterstrangserkrankung sehr oft in diesem
frischesten Stadium zur Untersuchung kommt und da ist es von Belang, die¬
selbe au Schnittpräparuten fixirt zu haben. Wir sehen nämlich im paralytischen
Hintersitrang Felder, welche aus lauter geblähten Markscheiden bestehen; Myeliu-
tropfen sind noch nirgends zu erblicken. Die also degenerirte Stelle befindet
sich im Stadium der Markquellung und lässt sieh am Schnittpräparate auf oben
angegebene Weise klar demoustrireii. Für Mabchi’s Methode ist dieses De-
* Dasselbe verdauke ich der geschicktcu Hand des Herrn Ferdinand Kern, .tssistent
aui staatlichen bakteriolog. Institute des Herrn Prof. Huoo Preisz.
* Nenrolog. Cent albl. ISOO. ö. 7S.
894
generationsstadiom noch nicht reif. Die entartete Partie erscheint im hellgelben
Tune fast homogen, während die benachbarte gesunde Marksubstanz aus bräunlich-
schwarzen Bingen gebildet wird.
Immerhin bekenne ich, dass das Ideal der technischen Darstellung der
positive Nachweis der ganz beginnenden Degeneration wäre, d. h. wir sollen
eine elective Färbung derselben anstreben. Mit meiner oben angeführten
Anwendung des MABCBi’scben Gemisches gelangt die incipienteste Mark¬
degeneration im negativen Sinne zur Demonstration, da letztere nur dnrcfa
die elective Färbung des gesunden Marks sich abhebt
Meines Wissens wurde das Osmiobichromat im obigen Sinne no<^ nicbt
angewendet, wenigstens finde ich z. B. in Pollack’s Färbetechnik des Nerven¬
systems (2. Auflage) davon keine Krwäfanung.
[Aus der Klinik von Prof. v. Bechtbbew.]
3. CJeber einen Hypothenarreflex.
Von Dr. F. Holainger.
Man wird sich leicht überzeugen können, dass ein Druck auf die G^ad
des Erbsenbeins, besonders wenn er in distaler Richtung au^eübt wird und
die Finger der zu untersuchenden Hand etwas gebeugt sind, mit einer Falten¬
bildung in der Haut des ulnaren Handrandes beantwortet wird. Diese Er-
scbeinnng ist bei verschiedenen Leuten dem Grade nach verschieden, aber immer
handelt es sich um die Bildung einer geradlinigen oder bogenförmigen Fun^e,
oder auch um mehrere furchenartig angeordnete Falten am Hypothenar.
Es dürfte kaum zweifelhaft sein, dass es sich hierbei um eine Reflex¬
bewegung seitens des M. palmaris brevis handelt, welcher an der betreffendeo
Stelle der Haut inserirt. Die Contraction. ist nicht eine kurzdauernde Zuckung,
sondern dauert mehr oder weniger so lange, als der Druck anhält, ihre Intensität
hängt von der Druckstärke ab und häufig wird sie von einer deutlichen, und
sogar unangenehmen Empfindung begleitet Hält der Druck längere Zeit (einige
Monate) an, so lässt sich in gut ausgesprochenen Fällen beobachten, dass im
Gebiet der hhirche einzelne Zuckungen auftreten, wobei die erwähnte unangenehme
Empfindung zunimmt, und nach und nach beginnt die Furche zu versebwindeo.
Verstärkt man während dieser Zeit den Druck, so bildet sich die Furche voo
neuem, aber auf kürzere Zeit.
ln einigen Fällen gelingt es auch, den Reflex von der palmaren Carpal¬
gegend durch Druck auf die sehnigen Gebilde derselben auszulösen, ferner durch
Zusammeudrücken der Kuppe des kleinen Fingers in radio-uloarer Kichtung,
und, wie eine Selbstbeobachtung zeigt, durch passive Adducüon sogar des g^
streckten kleinen Fingers. Es muss übrigens erwähnt werden, dass die an-
ig :i7cd cy Google
895
geführten reflexogenen Stellen sieb bei verschiedenen Personen verschieden ver¬
halten, im allgemeinen scheint mir aber ein Druck auf das Erbsenbein am
wirksamsten zu sein.
Der beschriebene Reflex wird auch in alleu seinen Einzelheiten, aber be¬
deutend schwächer durch Nadelstiche in die Haut der Erbsenbeiugegend hervor-
gerufen, wobei der betreffende Hautbezirk ungefähr mit dem Verbreitungsgebiet
des N. palmaris ulnaris zusammenlällt. D^egen bleibt das Kneifen einer Haut¬
falte meistens wirkungslos, ebenso rufen tactile und thermische Reize, der Haut
applicirt, keine Reaction von Seiten des M. palmaris brevis hervor. Was die
Stichreize anlangt, so muss übrigens erwähnt werden, dass etwas stumpfere
Nadeln, welche beim Stich gleichzeitig einen Druck auf tiefere Gebilde ausüben,
entschieden energischer wirken als'sehr spitze Nadeln.
Mit anderen Worten, Hautreize spielen hier entweder gar keine oder eine
sehr untergeordnete Rolle, und offenbar sind die sehnigen Gebilde für das-
Zustandekommen des Reflexes verantwortlich zu machen.
Der M. palmaris brevis entspringt bekanntlich von der Palmaraponeurose und
inserirt sich in die Haut des ulnaren Handrandes; die Äponeurose ihrerseits ist
unter anderem auch an das Erbsenbein befestigt. Somit würde eine Verschiebung
des letzteren durch Druck auf dasselbe auf den Spannungsznstand der Apo-
uenroee und des Müskels einwirken, und gerade eine gewisse Entspannung des
Muskels scheint dem Zustandekommen des Reflexes förderlich zu sein.
Wenigstens deutet darauf unter anderem der Umstand bin, dass bei ge¬
beugten Fingern der Reflex leichter und stärker zu erzielen ist Das hat
übrigens nur bedingte Bedeutung, wie ans der schon erwähnten Wirkung des
Drucke auf die Kleinflngerkuppe und der passiven Adducüon des gestreckten
kleinen Fingers zu sehen ist
In jedem Falle scheint mir bemerkeuswerth, dass im Gegensatz zu den
anderen Sehnenreflexen, deren Zustandekommen zum Theil von einer gewissen
Spannung des betreffenden Muskels abhängt, im gegebenen Falle , eher eine
Entspannung erforderlich ist Der Palmarreflex würde in dieser Beziehung eine
■' : Google
896
MiitelsteUong zwischen den gewöhnlichen Sehnenreflexen und der paradoxeo
Cuntraction einnehmen.
Ohne mich auf Betrachtungen über die praktische Bedeutung des besobriebeneD
Redexes einzulassen, will ich nur erwähnen, dass nach meinen Beobachtungen
der Paimarreflez relativ sehr beständig ist, obgleich nicht nur seine lutenstät
bei verschiedenen Personen stark schwankt, was bei dem verschiedenen £dt-
wickelungsgrade des kleinen Handtellermuskels leicht verständlich erscheint,
Sondern derselbe in manchen, scheinbar normalen Fällen, entschieden fehlt
U. Referate.
Anatomie.
1) £1 sistema nervioso del bombre y de los vertebrados, per S. BamöD
y Cajal. (1897. Madrid. Nicoläs Moya.)
Wenn ein Forscher wie Cajal. dem ein so bedeutender Anthei! an dem AuHtan
der modernen Nervenlehre gebohrt, endlich die Masse gefunden hat, uns die Summe
des Geleisteten in einem zusammenhängenden Bilde, das Ganze in seinem organischen
Zusammenhänge and in seinem W'erden vor Angen zu fahren, so wendet sich nator*
gemäss das Interesse aller Neurologen mit grosser Spannung auf solch ein verdienst¬
volles Unternehmen. Dürfen wir doch erwarten, darin nicht bloss auf einen Bube*
pnnkt geleitet zu werden, von welchem aus wir das weite Arbeitsfeld einmal Qberblieken
können — fQr kurze Zeit ja nur, donn ein Jahrfünft oder Jahrzehnt weiterer Forschung
und die Situation ist wieder verändert -—, sondern auch die bisher zerstreut ver*
ötTentlichton, äusscrst werthvollen Arbeiten, und damit den ganzen Geist Cajal'scher
Forschung in einer Weise kennen zu lernen, wie es zuvor nicht möglich war. Was
Cajal bisher erforscht, das konnten wir zumeist nur aus den Fachoi^nen der Ana*
tomen erfahren; grössere Werke hat er bisher Oberhaupt nur wenige verfasst und
von diesen ist meines Wissens ausser der vom Bef. übersetzten Studie über dis
Medulla oblongata, das Kleinhirn u. s. w. nur noch ein Buch über die Betina der
W'irbelthiere von Greeff ins Deutsche übertragen worden.
Von Cajal’s neuem Werk, welches wir oben den Vorzug haben anzugeben —
das Nervensystem des Menschen und der Wirbeithiere —, liegen g^n-
wärtig die ersten beiden 464 Seiten umfassenden Hefte vor; das Ganze soll sich auf
ca. 800 Seiten erstrecken und binnen Jahresfrist vollendet sein. Zahlreiche, sehr
werthvolle Abbildungen sind in den Text gesetzt, auch das Litteraturverzeicbnias
sehr reichhaltig. Die Darstellung beginnt mit der „allgemeinen Idee des Nerven*
Systems" und dom „Aufbau der Nerveucentreu in der Thierreihe"; es folgen capitel-
weise die Methoden der Forschung, die Morphologie der Nervenzelle, physiologische
Betrachtungen darüber, die Structur der Nervenzelle, die Neuroglia, die Nervenfaser,
das Rückenmark, die Endigungen der peripheren Nerven n. s. f.
Es ist gewiss zu wünschen, dass das Werk den deutschen Neurologen durch
eine Uebersetzung recht bald zugänglich gemacht würde.
ßresler (Freiburg i. Schl.).
L' Google
897
2) Sulla oarlooinesi delle oellule nervöse, per G. LevL (Biv. di FatoI(^.
nerr. e ment 1898. Nr. 3.)
Äos rein cytologiscbeD Gesichtspookten nntemommeiie Arbeii Der Verf. tre-
panirte Meerschweinchen and stiess ihnen unter aseptischen Cantelen eine Nadel in
die Hirnrinde. Er beschreibt die von ihm in der N&he des Sticheanals beoachteten
Kemtheilangs^oren. Ihr basophiler Antheil stammt aas der auch in der Babe vor¬
handenen Chromatinscholle (s. d. Centralbl 1897. Nr. 17) des Eemkörperchens.
Diese nimmt an Beginn der Earyokinese an Volomen za and hat, von der Seite ge¬
sehen, eine längliche Form, sie ist noch nicht in Chromosomen zerl^. In späteren
Stadien trennt sich das Chromatin des Nocleolos in Chromosomen, es entsteht die
Äeqoatorialplatte and nnn schreitet die Mitose in der gewöhnlichen Weise fori
Schwieriger gestalten sich die Vorgänge im achromatischen TheU. ln den
Pyramidenzellen giebt es nnr zwei halbe Spindeln, vetgleichbar den „Halbspindeln*'
bei der typischen Mitose, and wie diese vom Eem stammend, nnr dass sie bei der
letzteren von Anfang an doppelt sind und keine Verlagerung erleiden. Sie wachsen
auf Eosten des Liniennetzes and der Eemmembran. Später werden ihre Fäden
zarter, blasser ond zahlreicher and verkürzen sich in ähnlidier Weise wie bei der
typischen Earyokinese.
Die Centrosomen erscheinen erst am Ende der Metaphase. Es sind zwei kleine
runde Punkte, die sich mit saoren Farben ßtrben. Eine Attractionssphäre sieht
man nicht.
An den Verbindongsßden unterschied Verf. keine Mikrosomenstractor. Sie
sind zart und homogen und wahrscheinlich Deberbleibsel der Chromosomen.
Valentin.
Experimentelle Physiologie.
3) Bloerohe ^ograflohe nella donna, per G. C. Ferrari. (Biv. sperim. di
Freniatr. XXIV. 1.)
Bei der Prüfung von etwa 30 nicht linkshändigen, weiblichen Personen am
Brgographen zeigte sich fast immer ein Ueberwiegen der linken Hand über die
rechte, das in zwei verschiedenen Typen znm Ausdruck kam: beim ersten häoflgen
Typus sind die ErafUeistnngen der linken Band grösser als die der rechten, aber
so, dass ihre Unterschiede fast constant und unverändert bleiben, während beim
zweiten die Curve der linken Hand anfangs mit der der rechten ziemlich gleicblief,
sich dann über sie erhob, um später wieder abznfallen. Bei den daraufhin nnter-
sachten Männern hatte bei fast allen die Bechte das Ueberwiegen. Auch war bei
len Frauen eine grössere Verschiedenheit in der Arbeitsleistung zwischen beiden
Händen zu constatiren als bei den Männern.
Die Arbeitsleistung der rechten Band, die unter der Herrschaft der höher ent¬
wickelten linken Bimhemisphäre steht, wird geregelt und bestimmt durch die „psycho-
ogische Ermüdung", wähifend die der linken Hand nur die „physiologische Ermüdung"
erkennen lässt, die alle oft hintereinander wiederholten Thätigkeiten mit sich bringen,
^nf energische Aufforderui^en vermögen aber die Frauen bald auch mit der linken
land selbst nach sehr grossem voranfgegangenem Eraftaufwand durch einfache
Villensanstrengung eine allerdings kürzere Curve zu prodnciren, die viele Charaktere
ler von der rechten Hand registrirten Curve besitzt
Einige Erörterungen über Bechts- ond Linkshändigkeit lässt Verf. folgen.
Valentin.
57
D g ii/od oy GOO^ IC
898
Pathologische Anatomie.
4) stade d'on oas de spina bifida, per Joseph BajUc et Lacien Lsgreffe.
(Aonales de Meddcine et Chirurgie infantile. 1898. Nr. 14. 15 Jnillet.)
Bei einem 12j&hr. Mädchen mit völliger motorischer und sensibler Lähmung
der Beine and Sphincterenlähmnng wurde eine Spina bifida im Lendenantheil des
Böckenmarks als Ursache des Leidens constatirt Eine Operation wurde nicht vor-
genommen. Zapperi
5) Ein neuer Fall von partieller Verwaohaung beider Orosahimhemi-
Sphären, von Dr. B. Seeligmann aus Karlsruhe. (Archiv f. Psych. u. Nerveo'
krankh. 1898. Bd. XXX.)
Ein Kind mit Bachitis und tetanischen Krampferscheinnngen war im 10. Monat
an Brechdurchfall gestorben. Bei der Bimsection fand man, dass der sagittale
Längsspalt in den vorderen 4 cm fehlte, dass beide Stimlappen zn einer einheitlichen,
breiten Hasse verschmolzen waren. Erst hinter den vereinigten Stimlappen b^nn
eine Trennnng in 2 Hemisphären. Die Farchnng des Gehirns war durch diese Ver¬
wachsung eine anormale geworden. Die Insel fehlte. Der Balken war in seinen
vorderen Abschnitten abnorm entwickelt Auf der Strecke des normal entwickelte
Hemisphärenspaltes war der Balken von einer breiten Bindenlage bedeckt Das
Septum pellocidom und das ganze Fomixsystem fehlten vollständig. In der Aus¬
dehnung der verschmolzenen Hemisphären waren auch beide Tormanem verwaehsoL
Commissura anterior, Ammonswindungen und Gyri dentati zeigten Ätrophieen. Die
Fimbriae waren nicht nachweisbar. Auch der frontale Theil der Thalami war io
die Länge gezogen und verdünnt Das Vorderhom des rechten und des linken
Seitenventrikels war verödet der Kopf des Nucleus caudatus war beiderseits abnorm
aoi^edehnt G. llberg (Sonnenstein).
Pathologie des Nervensystems.
0) lieber die besondere Form von Hysterie, wie sie in allgemeineii
Krankenhäusern sur Beobachtung kommt, von Dr. V.v. Holst
Verf. wendet sich zunächst gegen die Charcot’sche Auffassung der Hysterie
als „Geisteskrankheit par excellence“, zumal es auch von Hause aus normal beaulagte
Menschen gebe, die hysterisch seien. Verf. theilt dann „den psychogenen Vorgang
bei der Entstehung der Hysterie“ in 4 Typen ein: 1. könne das psychische Traums
als einzige directe Ursache der Hysterie „bei mehr oder weniger vorhandener An¬
lage — sei es hereditäre Belastung oder erworbene Disposition — nnmittelbar aU
abnorme Beflexwirknug auf den Körper das rein somatische Krankheitsbild der
Hysterie, ohne irgend welche psychische Störung hervorrufen“ (! Bef.); 2. derselbe
Voi^ang könne „ebenso nnmittelbar“ auch eine „Stömng in den niederen psychischen
Functionen, d. h. in Geffthlen, Stimmungen und Trieben“ hervormfen, welche zwar
„den Grad einer wirklichen Psychose“ erreichen könne, aber meistens „nicht die
Grenze der psychischen Abnormität Oberscbreiteo“ werde; 3. könne „das psychische
Tranma“ („die krankhafte Vorstellung'*) körperliche Folgen unmittelbar hervormfen,
während hysterischer Charakter u. s. w. sich erst allmählich bei dem nnn einmal
hysterisch gewordenen Individium herausbilde: die 4. Möglichkeit endlich sei, dass
das hier meist „allmählich, anhaltend** wirkende psychische Tranma keine unmittel¬
baren Folgen habe, aber einen Seelenzustand von „schwerem iuneren Conflict“ hinter-
lasse, der entweder zu einer „Umsetzung ins körperliche**, d. h. zum Ansbmch der
Hysterie mit den eventnellen snb 3 angeführten Folgen fär das psychische Leben
führen könne, oder aber direct zu psychischen Störungen. Typus I soll si^ ,4^a8t
- K, Google
899
aasschliesslieli nnter demjenigen Erankbeitsmateriale finden, das in den allgemeine^
Krankenhäusern angetroffen wird, also bei nngebildeten Kranken“, hingegen soll
Typus IV bei „Ungebildeten“ gamicht Vorkommen; Typus II soll häufiger bei „Un¬
gebildeten“, Typus III häufiger bei „Gebildeten“ sein.
Zum Schluss warnt Verf. vor der „Anfstellnng bestimmter Schablonen“ im all¬
gemeinen und bei functionellen Neurosen im besonderen, was ihn aber nicht hindert,
fftr die Hysterie je nach dem Bildnng^rad der Kranken die Existenz zweier „in
ihrer Pathogenese, Symptomatologie, Prognose und Therapie wesentlich verschiedener
(1 Bef.) Gruppen“ fOr erwiesen zu halten. Kaplan (Herzberge).
7) Ein Fall von kindlicher Hysterie unter dem Bilde einer tuberoulöaen
Heningitla (Paeudomeningitia hyaterloa), von Friv.-Doc. Dr. L. Blumenao.
(Wratsch. 1898. S. 121. [Russisch.])
Der mitgetbeilte Fall von kindlicher Hysterie betrifft einen 12jährigen, erblich
nicht belasteten Knaben, der im Anschluss an eine Erkältung an einem Symptomen-
complex erkrankte, der mit grösster Wahrscheinlichkeit auf das Vorhandensein einer
tubercnlösen Meningitis hinzuweisen schien.
Der Pai litt beständig an den heftigsten Kopfschmerzen, zeitweise traten
Krampfan^e auf, die von Bewusstlosigkeit gefolgt waren, ferner Erbrechen und
hohes Fieber; es bestand ausserdem Blepharospasmus, Nystagmus und Herabsetzung
des Sehvermögens, Appetitlosigkeit, Obstipation und Parese der Extremitäten. Erst
nachdem es dem Verf. gelungen war einen Krampfanfall persönlich zu beobachten,
der alle Anzeichen eines hysterischen Anfalls darbot, in besonderer Ausprägung der
Periode der clonischen Bewegungen, wurde die Diagnose der Erkrankung auf Pseudo¬
meningitis hysterica gestellt. Das Interesse des Falles wird erhöht durch den
glänzenden Heilerfolg, der mit der Suggestionstherapie erzielt wurde. Nach erfolgter
Su^estion verschwanden sofort alle krankhaften Symptome ausser der Parese der
Extremitäten, die, wenn auch bedeutend vermindert, noch eine Zeit lang fortbestand;
doch auch diese verschwand bald vollständig bei Gelegenheit eines Familienfestes,
bei dessen Feier der Fat. ganz gesund erscheinen wollte.
Zu Ende der Arbeit fährt Verf. folgende Schlussfolgemngen von praktischer
Wichtigkeit an:
1. Bei Krankheitssymptomen, die einige Aehnlichkeit mit der tuberculösen Henin-
gitis bei älteren Kindern zeigen, ist an die Möglichkeit des Vorhandenseins von
Hysterie zn denken;
2. die Hypnose erweist sich in diesen Fällen (wie natürlich in vielen anderen)
als unersetzbares diagnostisches Mittel;
3. Fälle von Heilung der tuberculösen Meningitis, in denen Hysterie nicht aus¬
geschlossen ist, entbehren jeglicher Beweiskraft. E. Giese (Si Petersburg).
8> Hysterisohe Sehstörungen im Eindesalter, von Dr. M. Weil (Festschrift
des Stuttgarter ärztlichen Vereins. 1897.)
Verf. berichtet nach einer kurzen Einleitung über Äetiologie und Symptomato¬
logie der infantilen Hysterie über zwei selbstbeobachtete Fälle dieser Krankheit,
welche durch die neben schweren Anästhesieen bestehenden Sehstömngen ein ein¬
gehenderes Interesse erfordern.
Im ersten Falle handelt es sieh um ein lljähriges Mädchen, bei welchem (im
Anschluss an eine Züchtigung in der Schule) zunächst vorübergehende Störungen
im geistigen Verhalten und späterhin allgemeine Krämpfe sich einstellten. Nach
c£i. Jahre trat plötzlich eine Lähmung beider Beine anf, die nach weiteren 14 Tagen
von einer Erblindung beider Augen gefolgt war.
57 *
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900
Der Aofnahmestatus Tom 13./Tin. 1896 ergab beiderseits totale Amaorose,
wUirend der objective Befand an den Aogen Tollkommen negativ war. Es bestand
ferner eine Unßhigkeit zn gehen nnd zn stehen, w&hrend bei BAckenlage alle Be*
wegungen der Unterextremitäten möglich waren.
Eine genauere Untersochnng des Nervensystems am 15./V1IL eigab neben einer
rechtsseitigen OehOrs*, Gleruchs* and Qeschmacksaofhebang eine Anfhebnng dar
Sensibilit&t der Bant an der rechten Kopfh&lfte für Tast*, Temperator* and Schmerz*
empfindnog.
Die rechte Obereztremität zeigte g&nzUche AnSsthesie für alle Empfindongs*
qnalitäten — inclnsive des Tast* and Muskelsinns — and konnte von der Pai (der
ja der Qesichtssinn fehlte) anf Geheiss absolnt nicht bewegt werden („Lasöqae’*
scher Symptomencomplez“ — Jan et).
Pst war ftber die Lage des regten Arms absolut nnanterrichtet Die passive
Beweglichkeit desselben war intact Dabei bestand ein cataleptiscbes Festbalt»
jeder passiv gegebenen Stellang des Arms.
Die rechte Dntereztremität zeigte eine ähnliche beträchtliche Sensibilitätsstöroi^^
den Mnskelsinn ansgeschlossen, doch nor an ihren oberen zwei Dritteln.
Am Bumpf betraf der Sensibilitätsverlost ebenso die ganze rechte Hälfte mit
scharf bei der Mittellinie abscbneidender Grenze.
Unter der Einwirkung starker faradischer Ströme verschwanden schon bei der
ersten Sitzung die Astasie'Abasie und die SensibilitätsstCrungen. Ebenso stellte sieh
das Sehvermögen, doch nur auf dem linken Auge, nach einigen Tagen wiedtt* ein,
während die Pat auf dem rechten Auge constant nichts sehen wollte. Die Prüfung
ergab nunmehr eine rechtsseitige Hemianopsie (1). Eine weitere sachgemässe soggestive
Behandlung brachte auch dieses Symptom zum Schwinden. Indessen gelang es trotz
aller möglichen (stets nur im wachen, nie im hypnotischen Znstande vorgenommenen)
Suggestionsversuche nicht, die rechtsseitige Taubheit zu beseit^en, und ebenso blieb
die rechtsseitige Anosmie und Agensie bestehen.
Bemerkenswerth ist noch, dass Fat. — analog einem bekannten Strflmpeir*
sehen Falle —, wenn num ihr das hörende (linke) Ohr verschloss, in einen schlaf-
artigen Znstand verfiel (Nach dem Verf. handelt es sich dabei um hypnotischen
Schlaf.)
Im zweiten Falle, einem 13jährigen, erblich belasteten Mädchen, handelte ee
sich um eine totale Amaurose nur eines, des linken, Auges (welcher sdion längere
Zeit vorher Sebstömugen vorangegangen waren), nebst einer typischen Uypalgesie
der ganzen linken Eörperhälfte. Strychnininjectionen mit gleichzeitiger weiterer
Suggestionsbebandlung führten schnelle Besserung herbei.
Bezüglich der Entstehung des auffälligsten Symptomens der beiden Fälle, nämlicb
der StOrongen gerade am Sebapparat, hält es Verf. nicht für belanglos, dass in
ersten Falle eine hochgradige Hypermetropie beiderseits, im zweiten ein linksseitiger
Strabismus — also bei beiden Pat eine Störung nicht hysterischer Nator am
Auge — bereits bestand.
Auch Verf. hält die Prognose der infantilen Hysterie für viel günstiger ih
derjenigen der Erwachsenen; er plädirt dabei unbedingt für die Entfemnng der Kinder
aus den bänslichen Verhältnissen. Paul Cohn (Berlin).
9) Hyetdrie infantile en Vendde, par F. Ferrier. (Archives de neurologie.
1897. October nnd November.)
Eine reichhaltige Arbeit über die Hysterie, die manche neue Beobachtung in
den 18 Krankei^^hichten und in den Epikrisen bringt Erstere bieten den werth-
vollen Vorzug, dass Verf. die Kranken Jahre lang beobachten und genau controllim
konnte, weil eben die Bewohner der Vendde stets im eigenen Lande bleiben oder
Dig'H^cd oy Google
901
doch oft nach kurzer Abwesenheit dorthin znrAckkehren, meistens aber nnr an einen
anderen Ort in gleichem Lande Terziehen. Ausser auf die bekannten Wissenschaft*
liehen Facta stfttzt sich die Arbeit auf die These des Bruders des Antors, welche
das gleiche Thema behandelte. Wegen der Länge der genauen Beobachtungen ist
es leider nur gestattet auf die fleissige Abhandlung hinzuweisen.
Die Hauptsätze sind folgende:
1. Die Hysterie kommt beim Kindesalter in allen Lebensjahren Tor (8 Fälle
unter 4 Jahren bei beiden Geschlechtern).
2. Sie ist gleich häufig und dieselbe bei Kindern wie bei Erwachsenen.
3. Wie im Mannesalter kann sie auch beim Kinde alle möglichen Erkrankungen
des Nerrensystems Vortäuschen.
Die anderen Funkte beziehen sich auf die Differentialdiagnose, Aetiologie, Be*
handlang und Prophylaxe. Adolf Passow (Sti^burg i./E.).
10) Beiträge sor EeDntniss der hysterisohen Affeotionen bei Kindern,
von Ferdin. Steiner. (Jahrbuch ffir Kinderheilkunde und physische Erziehung.
XLIV. Nr. 8.)
Von den zahlreichen genauen casuistischen Angaben der citirten Arbeit seien
hier kurz die bei ausgesprochener Hysterie der Kinder vom Verf. beobachteten Er*
aeheinnngen von Seiten der Augen hervorgehoben. Dieselben sind geeignet, die noch
umstrittene Frage, ob es echte hysterische Augenlähmnng gäbe oder nicht, im be¬
jahenden Sinne zu entscheiden. Bekannt ist eine auf einem unvollständigen tonischen
Blepharospasmus beruhende Ptosis — von Parinaud als Ptosis pseodoparalytica
bezeichnet; dass es sich bei diesen nicht um echte Ptosis handelt, folgert Verf. ein
Mal aus dem energischen Zurflckfallen des Oberlides nach manueller Hebung des¬
selben, und zweitens aus den auftretenden convulsiviscben Zuckungen derselben. Von
Charcot wurde auf die differentialdiagnostische Tbatsache hingewieeen, dass bei
lAhmungsptosis die Braue der erkrankten Seite höher, bei Spasmas tiefer als die der
anderen Seite steht Verf. konnte nun eine echte Ptosis — Lähmungsptoeis — con*
statiren, deren hysterische Qrnndli^e durch den Krankheitsverlauf besonders evident
wurde; nachdem nämlich Nervina aller Art, Faradisation u. s. w. durchaus versagt
hatten, kamen alle hysterischen Symptome, so auch die Ptosis, durch ausgiebige
Ernährung und Landaufenthalt zum Verschwinden.
Fflr den in seinem charakteristischsten Falle bestehenden Strabismus und
Nystagmus nimmt Verl ebenfalls die Hysterie als Ursache in Anspruch, indem er
den Strabismus nicht so sehr auf einem Extemuskrampf, als vielmehr auf eine
hysterische Interuuslähmung zurfickfährt; dass Nystagmus hysterischen Ursprunges
sein kann, wird auch von anderen Autoren anerkannt Richter (Hamm).
11) Einige Worte über Infhntile Hysterie, von Dr. F. Steiner in Wien.
(Wiener med. Blätter. 1897. Nr. 50—52.)
Das Verhältniss der hysterischen Kinder zu hysterischen Erwachsenen beträgt
1:6—7. Die Krankheit tritt im Kindesalter viel einfacher, meist nur einzelne
Symptomengmppen nmfassend auf. Allgemeine Convulsionen (hystero • epileptische
Anfälle) sind ungewöhnlich. Der Anfall ist meist abortiv. „Unter einem GefOhl
von Schwindel oder Angst tritt eine Art Ohnmacht ein, die Kinder sinken mit ge¬
schlossenen Augen an& Bett, wo sie eine Zeit lang still verharren, dann lösen sich
leichte Zuckungen in den Augenlidern, Augen und Fingern aus, die Athmuug wird
beschleunigt und nach einer kleinen Weile schliesst die Attaque mit einem deutlich
vernehmbaren Seufzer.'* Zum Unterschiede vom petit mal fehlen dem hysterischen
Anfalle die Aura, die völlige Bewusstlosigkeit und Aufhebung der Empfindungs-
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902
Ahigkeit, die weiten reactionslosen Fopillen und das comaiOee Stadiom nach dem
Anfälle, sowie der initiale gellende Schrei; der hysterische Anfall wird viel öfter
mit Lachen, Weinen, Stöhnen oder längerem Schreien eingeleitet; die Krämpfe teigen
complieirtere, coordinirtere Bewegangserscheinui^en. Die Anslösung dersellwn erfolgt
meist im Affect. Aach Selbstanslösong von Krämpfen ist bei Kindern möglich.
Als allgemeine Krämpfe anf grösstentheils hysterischer Basis sind auch die
nervösen SchAttelO^te im Kindesalter anznseben. Zorn Unterschiede vom hectischen
Fieber, womit eine Yerwechselnng bei schlecht genährten Kindern möglich wäre,
treten sie meist nicht Abends anf.
Die partiellen Krämpfe stehen bei der kindlichen Hysterie im Vordergründe.
Hierher gehört anch die Chorea laryngis.
Sensitiv'sensorielle Stömngen kommen bei Kindern weniger scharf znm Ans«
dmcke. Im Gegensätze zn Erwachsenen ist Hyperästhesie häufiger als Anästhesie
and zwar am öftersten in Form der Bachialgie.
Der hyyogastriscbe Dmckschmerz (Ovarie, Coelialgie) ist viel seltener and auch
meist höher im Hypochondrinm localisirt Hysterischer Kopfschmerz ist nicht selten
nnd wird meist diffus angegeben.
Viele von den Stömngen, welche der Chlorose zngezählt werden, sind hysterischer
Natnr, so die Perversitäten des Gerachs, des Geschmacks and die der verschiedenen
Idiosyncrasieen.
Ein praktisch wichtiges Symptom ist das Erbrechen. Es kann mit normalem,
Aber* oder nntemormalen Appetit einbetgehen. Danach ist auch der Ernährui^*
znstand des Kindes. Es erfolgt entweder jeden Morgen oder unmittelbar nach jeder
Mahlzeit und kann anch von üebelkeiten and Schmerzen begleitet sein. Längere
Zeit dauerndes Erbrechen bei Mädchen ist immer verdächtig für Hysterie. Es ist
anch eines jener Symptome, die durch Imitation ansteckangsfähig sind.
J. Sorgo (Wien).
12) A oase of bysterioal dysphagia, by Llewellyn Eliot. (Mediane. 1898.
Febmary.)
Terf. berichtet Aber einen höchst merkwArdigen Fall von hysterischem Oesophagus*
krampf, complicirt mit Blntbrechen und Blutabgang aus dem Darm bei einer 36jähr.
Patientin; die Krankheit daaerte 3^/^ Jahre und endete tödtlich. Erstaunlich ist die
Länge der Zeit, während deren Pai Nahmng per os Aberhaupt nicht zu sich nahm,
sondern nur mit Näbrklystiren, die auch nicht immer beibehalten wurden, am Leben
erhalten wurde; Verf. giebt diese Zeit auf 3 Jahre und 23 Tage an. Die Autopsie
bei der in extremem Grade abgemagerten Patientin ergab völlig negativen Befund.
Martin Bloch (Berlin).
13) Diagnoeis and traatment of spasmodio strioture of the oOBophogas,
by J. C. Rassel. (Brii med. Jouro. 1898. June 4. S. 1450.)
Terf. giebt eine Casuistik von 7 Fällen krampfhafter Strictur an oder nahe an
der Cardia, die durch eigens daffir construirten Dilatator erweitert und dauernd ge*
heilt worden. Der Dilatator besteht aus einer Hohlsoode, deren unteres Ende einoi
wurstförm^en Seidenbeutel ausmaehi Letzterer ist mit sehr dfinnem Gummi aus*
gefAttert, um luftdicht zu sein. Das Instrument, natArlich luftleer, wird durch die
Strictur gefAhrt und alsdann mittelst Luftballon bis zur Normalweite des Oesophagus
an betreffender Stelle aufgeblasen. Diese Behandlung kann weder rasch, noch in
einer Sitzung ausgeffihrt werden, bedarf der Instrumente in steigender Grösse und
einer Anzahl Sitzungen.
Von den 7 Fällen, welche ausfAhrlich beschrieben worden, sei hier nnr der 1.
wiedei^^ben.
D g : 7cd / G OOglC
908
Eine 40jährige Dame klagte seit 2 Jahren äber Unmöglichkeit, feste Nahmng
in den Magen emznfähren; es erfolgte nach geschlucktem Bissen Begoi^tation; anch
die Fldssigkeiten werden grOsstentheils wieder ansgestossen. — Erweiterung der
Strictor darch gewöhnliche Bongies (bis Kr. 23 Jaqnes) blieb ohne woblthätigen
Einfloss. Das oben beschriebene Instrument wurde nun Tersncht und brachte nach
weniger Zeit, und nach einer Anzahl Einf&bmngen völlige und dauernde Heilung
hervor. — Von dieser Art Erampfstrictur ist wenig bekannt und daher ist die Mit-
tbeilung nicht ohne Werth.
Für die übrigen 6 Fälle verweise ich anf das Original
L. Lehmann I (Oeynhausen).
14) Triamos hyst^rique, peralatazit dorant plus de nenf moia, par Dr.
Bidlot(pöre) et Dr. H. Francotte. (Brüssel 1897.)
27jähr. Patient, ohne erbliche Belastung und früher nie von schweren Krank¬
heiten beimgesucht, aber schwächlich; seit dem Eintritt ins Kloster — mit 18 Jahren —
Veränderung des Charakters: indolent, inconsequent nnd energielos; ausserdem meist
leidend: einmal mehrmonatliches Erbrechen, gegen welches alle Mittel fruchtlos waren
und das schliesslich von selbst schwand; seit mehr als 2 Jahren vollständige Aphonie,
die nur einmal während 3 oder 4 Wochen sistirte. Seit 5 Jahren heftige Zahn¬
schmerzen; gelegentlich der Exfraction eines Zahnes eine 2 ständige Synkope. Im
Februar 1896 besonders heftige Zahnschmerzen, für welche der Zahnspecialist keine
Ursache zu finden vermochte; trotz Entfemnng zweier Zähne hörten daher auch die
Schmerzen nicht anf. Mitte April 1896 Schmerzen io den Kiefergelenken and Hals-
schmerzen. Pinselungen mit Eucalyptostinctur. Am 24. April 1896 Abends zom-
müthiger Auftritt gegen die Krankenschwester; am nächsten Morgen war sie nicht
im Stande den Mund zu öffiien, der Trismus dauerte fast permanent bis zum lO./II.
1897. Die Unterkieferzähoe ragen etwas über die Oberkieferzähne hervor und be¬
decken deren freien Rand; die Massoteren bilden zwei abgerundete, harte Massen.
Die Kabrungsaufnahme geschieht durch eine Lücke der Schneidezähne, die Patientin
genoss nur flüssige Speisen. Auch während des Schlafes blieben die Kiefer fest an-
einandergeklemmi ln Folge des allmählich eintretenden Mondcatarrhs wurde der
Appetit geringer. Sämmtlicbe Mittel blieben erfolglos. Chloroformnarcose anznwenden,
war bedenklich wegen etwaigen Erbrechens und Aspirirens der Erbrochenen aus der
geschlossenen Mundhöhle. Keben dem Trismus und der Aphonie klagte die Patientin
Über Schmerzen an den verschiedensten Eörperstellen, am Scheitel, Epigastrinm, an
der Wirbelsäule, an der linken Ovarialgegend; ferner traten von Zeit zu Zeit An¬
fälle auf, in denen die Patientin mit verstörtem Blick automatisch Handlungen be¬
gebt, für die sie anamnestisch ist. Menses fehlen. Allmählich zunehmende Schwäche,
so dass sie seit dem 25. November 1896 das Bett nicht mehr verlassen kann. Dann
kamen dazu Anfälle mit Schluckkrämpfen, Brechkrämpfen und Äthembeschwerden:
dabei wurde die Athmung erst so schnell, dass die Züge nicht mehr gezählt werden
konnten, verlangsamte sich hierauf und setzte schUesslich 25—35 Secnnden aus, zu¬
weilen sogar länger als eine Minute. Puls 120—130. Diese Anfölle wiederholten
sich 4—5 Mal täglich. Druck auf die Ovarialg^end beeinflussten sie nicht; Morpbium-
injectionen dagegen sehr prompt. Die Glieder sind während derselben ohne Be-
w^ung, absolut schlaff die Augen geschlossen und die Patientin hört alles, was um
sie herum gesprochen wird, kann sich aber nicht bewegen. Tom 5. Januar 1897
ab worden die Anfalle schwächer und seltener; es entwickelte sich allmählich eine
schlaffe Lähmung der Extremitäten und geringes Oedem derselben. Linker Arm
unempfindlich für Berühmng und Schmerz; am rechten Arm und beiden Beinen ist
die Tastempfindlichkeit fast ganz aufgehoben, die Schmerzempfiodlichkeit erhalten.
Leib stark aufgetrieben, Obstipation. Urinentleerung nur mittelst Katheter. Häufiges
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Erbredien, bei dem aber nnr gering Mengen FIflseigkeit dnrdi die erwähnte Zahn-
Iftcke entfernt worden. Die Patientin verti^ nnr noch etwas Wasser mit Wein
□nd vermag nnr mit Mfthe noch einige Worte zn lispeln, so da«a man ihr die
Sterbesacramente reichen lässt Der Pols war indessen nicht besorgnisserregend.
Am 10. Febmar 1897, ihrem Geburtstage and zogleich Grfindnngstage des Ordens,
dem sie angehbrte, ö&et sich der Mnnd and bew^en sich die Glieder wieder; aaeh
die Stimme kehrt znrflck. Spontane Entleemngen des Darms and der Blase. Die
Patientin steht auf and nimmt am Gottesdienst Theih Sie behält feste Speisen bei
sich. Die Kaabewegangen anbehindert — Am linken Vorderarm, hintere Fläche,
eine 6 Frankstfick grosse hyperalgetische Stelle. — 1 Monat lang blieb der Zastand
gflnstig. Am 10. März häufiges Erbrechen, dann grosse hysterische Anfälle, die
wieder durch Morphium gemildert wurden. Während der AnßUe ist der Mund halb
gedffiiet and die Zni^e in lebhafter Bewegang. Einige Wochen später in Folge
eines ihr unangenehmen Vorgangs in der Umgebung sehr reizbar; der Trismus kehrte
fKr 24 Standen wieder. Am 8. Mai im Anschluss an einen ihr ertheilten Verweis
Anfall von Tobsucht mit Zähneknirschen. Um den Kopf g^n Selbstbeachädigong
zu Bcbfttzen, hatte man ihr ein Kissen ontergel^ das sie mit den Zähnen fasste
and dessen freies Stflck nun, nach Wiedereintritt des Trismus, abgeschnitten werden
masste, das andere behielt sie 8 Tage — so lange dauerte der Trismus — im
Munde. Am 15. Mai schwand letzterer im Anschlnss an einen Brechkrampf. Smtdem
blieben die Erscheinangen ganz aus und die Patientin erholte sich völlig.
_ Bresler (Preibaig L/SchL).
16) Note STir la retraotion de Papondvrose palmaire, par FdrA (Bevne de
chirargie. 1897. Er. 10.)
Die Asymmetrie der Betraction der Palmarfascie, ihr Vorkommen bei Familieo
von Neuropathen und bei Hysterie, Epilepsie, Diabetes, Gicht, Ischias u. a. w., das
gleichzeitige Vorkommen der fibrösen Hautverdickung am Penis, zeigt, dass es sieb
um Prädisposition handelt und das Trauma nor secandär ist, zudem es an sich auch
ai^eboren, fiimiliär und erblich sein kann. Meist ist nur die Ulnarseite betroffen,
sehr selten auch die Badialg^end, und dann ist jene stärker betbei%t, als diese.
Verf. bringt dann mehrere Krankengeschichten mit Photograpbieen. Die Hypothese
mner trophischen Störung ist die beste. Näcke (Hubertosbuig).
16) Hysterisohe, systematlsirte Oontraotur bei einer Ekstatischen, von Dr.
Pierre Janet (Mfincbener med. Wochenschr. 1897. Hr. 31.)
Die in der Ueberschrift genannten Erscheinungen bot eine 42 Jahre alte Frau
dar, und zwar handelte es sich um eine sehr starke, beiderseitige Contractur fast
sänimtlicher Mnskeln der Beine, derart, dass die Unterschenkel in Extension, die
Fflsse in hochgradigster Flexionsstellung fixirt waren. Welche auffallenden Ver¬
änderungen unter diesen Umständen der Gang darbot, lässt sich errathen. Zwei
Abbildungen im Original machen den Zustand besonders anschaulich. Die Contractur
begann vor 3 Jahren mit heftigen Schmerzen, besonders in den Ffissen, und bildete
sich allmählich inuner mehr aus. Die Du^ose Hysterie wurde theils w^n der
Abwesenheit besonderer fOr multiple Sklerose und Keuritis charakteristischer Anhalts¬
punkte, dann aber auch auf Grund positiven Befundes gestellt. So ergab die Anam¬
nese periodisch auftretende Brechaofäll^ welche seit dem 7. Jahre bestehen und mit
einzelnen Intervallen bis jetzt fortdauem, ausserdem konnten Sensibilitätsstörangen
an den Beinen festgestellt werden. Von besonderer Bedeutung aber war der psychisch-
intellectuelle Zastand, der eich bei der Patientin entpuppte und auf die psychogene
Katar der Contractur hinwiess. Die Patientin verfiel zeitwmse in eine religiöse
DiQ'i'i’od
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905
Etetase, wobei die YorstellDn^ and der inbrflnst^e Wunsch der Himmelfahrt sie
beseelte. Dabei nahm sie die Stellung ein, welche ihrer Sehnsucht und ihren
Träumen, sich von der Erde zn erbeben, entsprach. Diese Stellung charahterisirte
auch einen Anfall, der sich vor 3 Jahren abapielte und war der Anfang der sich
allmählich ansbildenden Contractur, die aber als der Äusdruch einer krankhaften
Psyche anzusehen ist. E. Asch (Frankfurt a./M.).
17) Boolioae et tortloolia hyatöriquea, par Miralli^ et Ghapus. (Bev. d’or*
thopddie. 1898.)
Bei einer 45jährigen Patientin, die zu 25 Jahren eine Paraplegie der Beine
durchgemacht und an hysterischem Erbrechen, hysterischen Contracturen n. s. w. ge¬
litten hatte, trat Blepharospasmus ein. Als von einem der Verf. versuchsweise in
Oegenwart der Patientin davon gesprochen wnrde, dass in Folge des Blepharospasmus
sich häufig Skoliose einstellte und entsprechende Gesten an ihrem Körper, quasi zur
Demonstration des Gesagten, gemacht wurden, zeigte sich thatsäcblich wenige Tage
später im Anschluss au einen neuen Anfall von Blepharospasmus eine deutliche
Skoliose: die Wirbelsäule beschrieb eine nach rechts convexe Curve; der Rumpf war
in toto nach links gebeugt, so dass die untersten Rippen der linken Seite iMinahe
die Crista ossis ilei berührten; die rechte Schalter stand viel höher als die link^
die Röckenmuskeln waren druckschmerzhaft, der Kopf war nach links herabgezogen,
das Gesicht nach rechts und oben gedreht. Am nächsten T^e erhebliche Ver¬
stärkung der Skoliose und der Torticollis, so dass die Unke Wange nur 2 Qnerfinger
von der linken Schulter entfernt war; nach einigen Tagen war alles spontan ver¬
schwunden, jedoch trat etwa iVg Monate später — ohne neue suggestive Beeinflassang
von anderer Seite die Skoliose mit TorticolUs, nnnmehr spontan im Anschluss an
Blepharospasmus wieder ein, um nach 8 Tagen zu verschwinden; endlich zeigte sich
dann wieder eine Zeit lang später ein Anfall von SkoUose, der sogar ohne vorher-
gegangenen Blepharospasmus eintrat. Kaplan (Herzbeige).
18) Nevrologia nel diatretto dal pleaao brachiale di natura isterioa; diatesl
di oontrattura, per C. Hegro. (Rivist iconograf. del BoUett del Policlin.
gen. di Torino. 1.)
Bei einer hysterischen Frau traten SchmerzanßUe an der Hinterfläche des
rechten Humerus, die nach der Rückseite des Vorderarms und der Dorsalfläche der
Hand aasstrahlten, auf. Zugleich mit den Anßllen Contractur der Muskeln der
rechten oberen Extremität. Die vom N. radialis versorgten Hautpartieen hyper¬
ästhetisch und hyperalgetisch, ebenso die Herzgegend. Durch Druck auf die Schmerz-
punkte des radialis Hessen sich convulsivische Anfölle auslösen. Verf. erörtert die
Differentialdiagnose zwischen Hysterie und Badialisneuralgie und entscheidet sich für
erstere. Valentin.
19) Heber den Husten, speoiell den nervösen, von Prof. Dr. Schech.
(Münchener med. Wochenschr. 1897. Nr. 26.)
Auch ohne Affection des Respirationsapparats kann Husten auf nervöser Basis
anftreten, und zwar handelt es sich entweder um eine allgemeine Neurose oder um
Auslösung des Hustens von einem bestimmten Organ aus (Reflexhasten). Es wird
der besondere Charakter dieses Hnstens erörtert und das Aufhören desselben im
Schlaf, der Mangel von Secret und das Bestehen anderweitiger, nervöser Symptome
hervorgehoben. Die Oigane, von welchen aus reflectorisch Husten bewirkt werden
kann, sind sehr zahlreich. Eine besondere Stellung nimmt in dieser Beziehung das
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CeDtralnerTen^stem, insbesondere die Qegend des Nschhims (Kohts) ein. Larjn*
geale Krisen bei Tabes, Hnsten bei Chorea, Epilepsie und Trauma des Halsmarks
gehören in die Gruppe des centralen Hostens. Hehr auf allgemein nenropathischer
Grundlage steht der nervöse Bosten im Pubertätsalter. Der Bamns auriculans ragi
vermittelt via Laryngens sup. einen den äusseren Gehörgang treffenden Reis auf das
Contrum — Ohrhasten, ^hlreiche Erkrankungen der inneren Organe und des
Naaenracbenraumee kommen ätiologisch in Betracht Beizung peripherer Tagoszweige,
sowie Druck auf den Vagnsstamm löst begreiflicherweise reflectoriscb Hnsten ans.
Ueber das Vorkommen eines Magendarmhustens sind die Acten noch nicht geschlossen.
Fälle aus der Litteratur, in denen von der Leber, Milz, den weiblichen und männ¬
lichen Geschlechtsorganen aus Husten erregt wird, werden vom Verf. herangezogen.
Auch die Haut, ja die Sinnesorgane treffende Beize können unter Umständen Husten
veranlassen. Die genaue und wiederholte Untersuchnng des Bespirationsapparates
f&hrte unter Ausschluss einer „natflrlichen'* Ursache zur Di^ose des nervösen
Hostens, für welchen sich dann eventnell noch charakteristische Eigenschaften oder
die veranlassende Erkrankung selbst aufffnden lassen. Gelingt das letztere, so hat
die Therapie natürlich der Indicatio causalis zu genügen.
E. Asch (Frankfurt a./M.).
20) Ueber PupUlenstarre im hysterischen Anfälle nebst weiteren Be¬
merkungen sur Symptomatologie und Diffhrentialdiagnoee hyeterieoher
und epileptischer AnlftUe, von Dr. J. F. Earplus. (Aus der psychiatrischen
Klinik von Hofrath v. Krafft-Ebing.) (Jahrb. f. F^ch. 1898. Bd. XVII.)
Die Vorhände Arbeit enthält eine ausführliche Darstellung des vom Vert be¬
reits publicirten vrichtigen Nachweises von Papillenstarre im hysterischen AnfalL
Zunächst weist Verf. durch Citate aus der Litteratur nach, dass bisher das Vor¬
handensein oder Fehlen der Fupillenreaction in einem Anfalle als absolutes differential-
diagnostisches Merkmal zwischen Hysteiie und Epilepsie betrachtet wurde; nur FÖrd
hatte angegeben, dass die Pupille im hysterischen Anfall durch Lichteinfall nur wenig
beeinflusst werde, und Fansier hatte einen Fall von träger Pupillenreaction im
hysterischen Anfall mitgetheilt Die Angaben des Verf.’s über das Vorkommen von
Pupillenstarre im hysterischen Anfall (1896) sind seitdem durch Westphal bestätigt
worden. Derzeit bat der Verf. über 100 hysterische Kranke während des Anfalls
untersucht, wobei er sich meist zur genauen Beobachtung der Pupillenphänomene des
Mellinger’schen Lidbalters bediente. Seine fortgesetzten Untersachungen führen ihn
zum Schlüsse, dass jede Diagnosestellung auf Epilepsie, die sich im
Wesentlichen darauf stützt, dass im Anfalle Beactionslosigkeit der
Pupillen beobachtet wurde, unberechtigt ist. PupUlenstarre ist vielmehr
in grossen hysterischen Anföllen ein recht häuflges Symptom.
Im folgenden giebt Verf. die genauen Krankengeschichten von 11 hysterischen
Kranken, in denen. er während des Anfalls PupUlenstarre nachweisen konnte. Es
kann hier im Detail auf diese Fälle nicht eingegangen werden. (Erwähnt sei auch,
dass es dem Verf. mehrfach gelang, während eines Anfalls den Augenhintergrund zu
untersuchen, und dass hierbei eine wesentliche Veränderung der Blutfüllung des
Fundus mit Sicherheit au^eschlossen werden konnte.)
Nach seinen ausgedehnten Untersuchungen giebt nun Verf. an, dass nicht in
jedem hysterischen Anfälle Pupillenstarre vorkommt, dass es Hysterische giebt, die
bei ihren Anfällen immer Pupillenstarre vermissen lassen, andererseits solche, b«
denen sich dieselbe in manchen AnflUlen findet, in anderen wieder nicht. Im aU-
gemeinen tritt die Pupillenstarre während der beiden ersten Perioden des grossen
hysterischen Anfalls auf, also während jener Periode, die mit Muskelkrämpfen einber-
gehen. Manchmal geht die Pupillenstarre den Muskelkrämpfen voraus, manchmal
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aberdaaert sie sc^ar dieselben. Die Beaotionslosigkeit der Papillen geht meist mit
einer Srweiterang der Papille einher, ln anderen Fällen sind die starren Papillen
mittelweit oder eng. In einzelnen Fällen sah Verf. aach in den anfallsfreien ^iten
träge Beaction. Wesentlich ist, dass nach des yerf.’s Untersachangen die Pupillen
in den Anfällen der grande Hysterie sich genaa so verhalten können, wie in den
Anfällen der Epilepsie, und dass in einem fiLrampfanfall ans dem Verhalten der
Papillen keine differential-diagnostischen Anhaltspon^ gewonnen werden können, ob
es sich am Epilepsie oder am Hysterie handelt. Von Interesse ist, dass das Be¬
wusstsein zur Zeit der Papillenstarre in den grossen hysterischen Anfällen nicht
immer tief gestört sein muss.
Weitere in extenso mitgetheilte Beobachtangen zeigen, dass Papillenstarre aach
in hysterischen An^en mit Bewusstlosigkeit, jedoch ohne Convalsionen auftreten
kann. Eine Beihe weiterer Fälle, die Verf. mittheilt, zeigen, dass Papillenstarre
auch in sogenannten kleinen hysterischen Anfällen, die bloss mit Be-
spirations- und Schlackkrämpfen ohne Bewosstseinsstörung einher-
geben, auftreten kann. Nebenbei erwähnt Verf., dass es nach seinen Unter-
saohai^en keine Art von Aoftllen, kein Symptom giebt, das an nnd für sich gestatten
würde die Diagnose Epilepsie mit Sicherheit za stellen.
Seine Krankengeschichten zeigen, dass auch das Auffreten nächtlicher Anfälle,
Urinabgang während des Anfalls oder Botbhalllucinationen dorchaos nicht absolut
charakteristisch für die Epilepsie sind, sondern auch bei Hysterie sich vorfinden
können.
Seine Untersachangen gaben dem Verf. Anlass, sich aach über die Natur des
hysterischen Anfalls and seine Auslösung aaszosprecben, worauf noch karz ein¬
gegangen seL Die Papillenstarre im hysterischen Anfall ist ein corticales Phänomen.
Verf. stellt sich vor, dass Popillenerweiterang nnd Verengerung im Cortex vertreten
sind, und dass ein tonischer Krampf der Papillenmaskulatur, der die Ursache der
Popillenstarre sein dürfte, die Folge eines corticalen Erregungszostandes ist Jeden¬
falls ist die Papillenstarre kein idiogenes Phänomen, der hysterische Anfall kein
rein psychischer Vorgang. Psychische Vorgänge, die unzweifelhaft von ursächlicher
Bedeotung für den hysterischen Anfall sind, sollen einen präformirten Hechaoismus
aaslösen, der an und für sich nichts mit psychischen Phänomenen zu thun hat
Bedlich (Wien).
21) Hyaterioal parapl^ia in a ohlid, by F. H. Simpson. (Brit med. Joom.
1898. 5. Feb. S. 347.)
Verf. stellte der Midland med. Uesellsch. ein Tjäbriges Mädchen vor. Das Kind
batte nasse Füsse bekommen and klagte, 1 Woche darauf. Über Schmerzen in den
Beinen. 1 Woche noch später war es ganz gelähmt. Maskein des linken Beins
schlaf des rechten hypertonisch. Kniephänomen links normal, rechts aofgehoben.
Fussclonos besteht nicht. Beide Beine anästhetisch bis etwa 4 Zoll oberhalb des
Kniees. Sensibilität für Tast- und Schmerzgefühl erloschen. Keine Atrophie.
Massige Einschränkung des rechten Gesichtsfeldes. — 3 Tage nach der Untersucfaang
bekam das Kind den Gebrauch der Beine plötzlich and vollständig wieder.
L. Lehmann I (Oeynhausen).
22) Casuistisohe Mittheilongen, von Glaeser. Aus der I. Abtheilung des
Neuen allgemeinen Krankenhauses in Hamburg. (Deutsche med. Wochenschr.
1897. Nr. 51 a. 52.)
I. Hemiplegia hysterica.
Die 36jäbrige Patientin hatte am Abend des 14. November 1895 eine heftige
Gemütbsbewegung, bemerkte am nächsten Morgen eine Lähmung des reehten Armes
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908
and bneh, beim Verenche za arbeiten, bewnssUoe zosunmen. Status: Kicht abm-
late Bewojutlosigkeii Schlaffe L&bmong der rechten Gliedmoossen ohne Fodalie-
pareee. Kein Fieber. Patellarrefiex links m&ssig stark, rechte schwach. Unmöglich*
keit, die Zange hervorzostrecken (bei sonst freier Beweglichkeit). Incontinentia
orinae et aivi. Sonst normaler Befand. Am 18. November ist die Patientin geistig
klarer, kann die Zange nicht herrorstreoken, nar ,Ja“ sprechen; linker Patellarreflez
fbblt. Einige Tage später lässt Patientin nicht mehr anter sich, die feine Sensi«
bilit&t ist rechts herabgesetzt, Patellorreflex fehlt rechts (1 25. November). — 4. De-
cember: Die Zunge wird aof dringendes Aaffordmn schliesslich weit heraasgestreekt,
es werden einige Worte, wenn aoch mflhsam, gesprochen. — Am 19. Deoember kasi
Patientin bereits ohne Unterstützung, ohne Andentang einer pathologischen
Gangart gehen. Sprache noch onvoUkonunen: Sensibilitätsprflfong dadareb erschwwt
Kein Gaumenreflex. Normales Gesichtsfeld (10. Janaar). — 3. Febmor: Am rechten
Bein werden warm and kalt nicht anterschieden, daselbst auch starke Herabsetxong
des Schmerzgefühls. Berührungen mit dem Fingw werden rechts gomicht oder oar
langsam wahi^nommen. Geruch und Geschmack intaot. Die Besserung schreitet
fort; es besteht nor geringes ScbwäcbegefQhl in den rechten Extremitäten. Patientin
erklärt, das richtige Wort fehle ni^ sie könne es nar oft nicht gleich odw gar nicht
beraosbringen (24. März). — 21. März: Fatellarreflex links schwer, rechts nicht
anslösbar. Linker Plantarreflex fehlt Eine leichte Coiitractar der Beagemoskalatni
des rechten Armes wird dorch Massags and passive Bew^ongen beseitigt, Patientin
am 13. April geheilt entlassen. — Verf. führt an was für and wider die hysterische
Natur der Läbmnng spricht die sieh nor schlecht in den Bohmmt der gewöhnlidieo
Himhämorrhape einfügt Ob das Fehlen der Focialislähmong bei der Hemiplegie
stets als Zeichen ihres fanctionellen Charakters anzosehen ist, bezweifelt der Terf,
da der Theorie nach anter Umständen Capselberde die Extremitäten lähmen, dm
Facialis verschonen könnte. — Die Ansicht des yerf.*s, dass „die Sehnenrefleze
zwischen hysterischen und nicht hysterischen Lähmangen diagnostisch kaum verwendbar
sind“, kann Ref. nicht tbeilen.
IL Urämische Hemiplegie — Wirkung eines Aderlasses.
70jährige Frau soll — Anamnese fehlt — seit einigen Togen am rechten
Arm, zuerst auch am rechten Bein, fast ganz gelähmt gewesen sein. Status:
Mäss^ Arteriosklerose. Apathie. Schlaffe, totale Lähmung des rechten Annes,
leichte Parese des rechten Beines, FadaUsMhwäche (Mundast). Yöllige Taubheit,
Trommelfell beiderseits zerstört, stinkender Ohraosfluss. Albumen im Urin bei nor*
maler Hammenge. Keine Herzbypertrophie, keine Retinitis albaminurica. Eine
noch Catheterisation enstehende Cystitis geht rasch zurück, anch schwindmi die
Lähmungserscheinungen — es bleibt senile Demenz mit zeitweiligen Auftregniigi-
Zuständen und wird rechts homonyme Hemiopie nachweisbar. Circa 6 Monate später
wiederum plötzlich eintretende schlaffe Lähmung der rechten Extremitäten, keine
Focialisporese, geringe spastische Widerstände. Diesen Symptomen folgtmi eimge
Standen später clonische Krämpfe; dieselben beginnen im rechten Arm, ergreifen
dann das rechte Bein, die Gesichtsmaskein — Kopf und Ai^n sind noch rechte
oben gedreht, Papillen anscheinend reactionslos, mittelweit. Dauer des Anfalls S
bis 4 Minuten, dann Rückgang in umgekehrter Folge. Die Convulsionen kehrm
wieder, werden &Bt andauernd, sistiren aber nach Aderlass: auch die Lähmang
schwindet noch an dem gleichen Tage. — Ein 8. Anfall von Lähmung der rechtsD
Seite mit kurzer Dauer hat 2 Monate später stattgefunden. Patientin zmgt kmne
Veränderungen am Herzen, im Augenhintergrund; keine Oedeme, zeitweilig Sporen
von Eiweiss, keine Fonnelemente (eine sichere Angabe über den mikroskopischen
Befund findet sieh allerdings nicht in der Krankengeschichte). — Verl^ong in das
Armenhous. Jn der Epikrise erörtert Verf. die diagnostischen Sehwierigkeiten
"Q'Iii’Od
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909
and aach die UmstAnde, welche ge^en die Annahme einer ar&mischmi Hemiplegie
sprechen.
III. Eitrige Convexitätsmeningitis complicirt mit H&matom der
Dnra mater.
Der 60jährige Pai kommt mit Eiyaipelas croria zur Äofhahme. Die Böthe
schwindet» trotzdem hält das Fieber an, erreicht allmählich höhere Grade (40*^),
gleichzeitig Pulsverlangsamung (76), Pai wird apathisch. Status: Stirnfalte rechte
verstrichen, rechts Ptosis und schlaffe Parese der rechten Extremitäten, starke Sensi¬
bilitätsherabsetzung der ganzen rechten Seite. Zocken im linken Arm. Patellar-
reflexe beiderseits lebhafi links mit Clones, Tricepsreflexe, besonders rechts, ge¬
steigert Normaler Aogenhinteigrund, keine Veränderungen am Trommelfell. Tjeb-
hafte clonische Zuckungen in allen Extremitäten, hänflge Kaubew^ngen. Exitus.
Sectionsbefund: Dura stark gespannt besonders links; beim Einschnitt in dieselbe
entleeren sich mehrere Esslöffel blutig gefärbten Eiters. Der linke Scheitel- und
Hinterbauptslappen moldenartig vertieft; daselbst ist die Dura an ihrer Innenfläche
von einem dicken, durch Blutgerinnsel unterbrochenen Eiterfilz fiberzogen und zeigt
auf dem Durchschnitt abwechselnde (bis 5 fache) Schichtung von grauweissen und
granrothen Lagen. Pia links an der ganzen Convexität rechte im Bereiche des
oberen Vs beiden Centralwindungen eitrig infiltrirt; Erweichungsberde links im
oberen der hinteren Centralwindung, in der 2. Frontal- und 2. Parietalwindung.
ln der 1. Parietalwindung liegt dicht unter der Oberfiäcbe eine kleine, eitrig infll-
trifte Partie. Rechte keine Erweichungen. — Das ftbrige Gehirn ist makroskopisch
intact.
IV. Caries des Eeilbeins aus unbekannter Ursache mit eitriger
Thrombose des Sinus cavernosus. Meningitis purulenta.
Der 44jäbr. Efiper C. erkrankte im Januar 1896 mit starken Nacken-, Bficken-
und Kopfschmerzen, sowie heftigen Schweissausbrfichen ohne Schfittelfröste; dazu
traten beiderseits Ohrenschmerzen und hartnäckige Obstipation. Diese als Influenza
gedeuteten Erscheinungen schwanden nach ca. 2 Monaten, Mitte März begannen
wiederum heft^e Kopfschmerzen. Befand (22. März): Fehlen des Gaumenreflexes,
Steigerung der Muskel- und Sehnenreflexe, Fussclonus. Tr^e Pupillenreaction, links
lebhafter als rechte; das Gehör ist beiderseits herabgesetzt, besonders links. Eine
druckempfindliche Stelle links neben der Mittellinie auf der Höhe des Kopfes. Sonst
normale Verhältnisse. In der Folgezeit nehmen die Kopfschmerzen zu, die Tem¬
peratur steigt an, der Puls wird unregelmässig, das Sensorium benommen. Reflexe
fehlen bald, bald sind sie gesteigert. Exitus (13. April). Der Durasack des Rficken-
marks zeigt sich praU mit dfinnem Eiter geffillt, die Pia an der hinteren Fläche des
Hals* und Bmstmarks eitrig infiltrirt. In der Occipitalgrube dfinnöQssiger Eiter;
eitrig infiltrirte Flecken an symmetrischen, den Farietallappen entsprechenden Stellen
längs der Gefösse. Gehimbasis, Sylvi’sche Gruben und Kleinhimoberfläche sind
frei von Eiter. Im Unken Sinns cavernosus, dessen obere Wand wie auch der Dura*
fiberzug des Tfirkensattels beträcbüich verdickt und getrfibt ist, einige Tropfen
Eiter. Caries des Eeilbeins ohne auffindbare Ursache.
V. Gliom der Medulla oblongata.
Pai, 41 Jahre alt, nicht belastet, batte vor 4 Jahren Gelenkrheumatismus mit
Uerzcomplicationen. Der Rheumatismus recidivirte 2 Monate vor der Aufnahme,
gleichzeitig begann intensiver Schmerz im Hinterkopf, Neigung vorne Ober zu fallen
nach längere Zeit vorhergehender Unsicherheit und in deq letzten Tagen Erbrechen.
Niemals Ohrenfluss. Status (21. Februar 1893): Geffihl ffir Stellung der GUeder
entschieden gestört, Plantarreflex nicht auslösbar. Insnfficienz des rechten Bectus
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— 910
int, Parese des Levator veli palatioi lioks. Beklopfen des Schädels, besonders am
Hinterkopf, schmerzhaft, Wirbelaänle nnempSodlich. Starkes Schwanken beim Stehen
and Gehen. Doppelseitige Stanangspapille, rechts mit Blutongen, verticaler Kystagmus.
Geher: hört das Ticken der Uhr Unks auf Vs ni, rechts anf 15 cm. In den folgenden
Tagen heftigste Kopfschmerzen; starke Percossionsempfindlichkeit der rechten Hinter-
hanptspartie, des rechten Proc. mastoideas. Auch links sind Betinalblntangen nach-
zoweisen. Kein Fieber. Am 26. Februar dünner brännlicher Ansfinss ans dem
rechten Ohr; Perforation in der hinteren Trommelfellhälfte, amgeben von einem g^
rötheten Hof, mit polsirendem Reflex. Uebelriechendes, eitriges Exsudat. Starke
Schmerzen im Kopfe and Nacken. Verdacht anf Gehimabscess. Operation (28. Febr.);
kein Abscess gefunden. Exitos Standen später. Die Section ergiebt neben
Otitis media suppurativa einen Tumor am hinteren, unteren Tbeil des Bodens vom
4. Ventrikel, der nach vom bis zo den Striae acosticae reicht, nach hinten sich am
Halsmark 6 cm abwärts erstreckt, dasselbe sefaalenartig amgreifend. Frisches streifiges
Exsudat an der Uebergangsstelle des Lohns hemisphericus in den Lobes quadratns
der rechten Kleinhirahemisphäre. Der Tamor war ein sehr gefössreiches Gliom. —
Verf. lässt es unentschieden, ob und welche Beziehongen zwischen dem bis an die
Striae acosticae reichender Tumor und der Otitis media bestanden haben. Der
Haoptwerth dieser Beobachtung liegt nach des Bef. Ansicht darin, dass auch hier
nebeneinander Otitis media und Tumor cerebri bestanden, bestehende Himsymptome
bei purulenter Otitis nicht allzu sicher für Abscess, gegen Tumor sprechen.
Die sehr starke Stauungspapille in diesem Falle musste bei der Diagnose des Hirn-
abscesses befremden. — Interessant ist die beobachtete Ataxie (?) in Rücksicht aof
die Localisation des Tumors. R. Pfeiffer (Cassel).
23) Des pmrslysies post - anesthdsiques, par E. Schwartz. (Gazette dee
hüpitaux. 1897.)
Bei einem 45jährigen Neurastheniker kam es während der Badicaloperatu»
einer Leistenhernie zu vorfibe^ehender Syncope, die künstliche Athmung erforderte;
der Fat blieb einen Tag lang leicht somnolent Sobald er zu sich gekommen war,
merkte er Ameisenlaufen in der rechten Hand, besonders im Daumen nnd Zeige¬
finger, zugleich war Lähmung dee Flexor poUicis longus und des Index vorhutden;
objectiv keine Sensibilitätsstürung. Bei den ersten Gehversuchen zeigte sich Lähmung
des Triceps am rechten Bein. Nach 7 Monaten vüllige Restitutio. Mit Rücksicht
auf die kurze Dauer der künstlichen Athmung und die dabei angewendete Vorsicht
hält Verf. es für ausgeschlossen, dass die Lähmung durch Zerrung des Plexus ent¬
standen sei, wie bei einer Reihe von „Narcoselähmungen“. Er nimmt unter Zurück¬
weisung von Hysterie an, dass es sich um eine centrale Lähmung handelte.
bat 16 ähnliche Beobachtungen gesammelt, von denen alle — bis auf seinen eben
beschriebenen Fall — Weiber betrafen. PatiK^netisch sind die Fälle jedoch sehr
verschieden; in einem secirten Falle wurden Erwelchungsherde in der Rinde g^
fanden, ein anderes Mal war Hysterie zweifellos. Verf. lässt auch die Büdinger'sche
Vermuthung, dass es sich um toxische Paralysen handeln könne, für gewisse Fälle
gelten, er selbst macht darauf aufmerksam, dass bei Arteriosklerotischen oder Ober¬
haupt bei Personen mit kranken Gefassen es im Excitationsstadium der NarooM
unter dem Einflüsse des Schreiens, Brechens u. s. w. zu einer Gefässruptur komseB
könne. B. Hatschek (Wien).
24) Des pervenioBS de la motilitd dsns l’hyst4rie. Un oas de ohozde
rhythmäe hystdrique ohes nn homme, par Glorieux. (Policlimqoe.
1898. Nr. 6.)
Verf. beobachtete bei einem anscheinend religiös verschrobenen Menschen An¬
fälle von rhythmischen Zusammenziehungen der Lippön, regelmässigen, pendelartigeo
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911
Bew^rnngen des Kopfes nod der Vorderarme. Die Daaer der Anfälle schwauicte,
selten währten sie länger als Vs Stande, in diesen Fällen waren sie gewissermaassen
ans einer Reihe von HiniatnranfaUen zasammengesetzt. Die Zahl der Anfälle war
ebenfalls verschieden, sie traten bei leichten Erregungen, bei Tabaksgemch n. s. w.
snf. Kein Bewnsstseinsverlust. Nach einer heftigen Erregung blieben die Anfälle
fast gänzlich aus. Im übrigen Kopfschmerzen, Gesichtshallucinationen im Halbschlaf,
Reraldopfen, allerlei Schmerzen, Herabsetzung der Sensibilität an der rechten Körper*
hälfte. Kaplan (Herzberge).
26) Hysterical double ptosis, bjKiernan. (Hedicine. 1897. VoLllI. Nr. 10.)
36jähriger erblich schwer belastete Patientin leidet seit längerem an visceralen
Neurosen, die zeitweise das Bild einer Peritonitis oder Qallensteinkolik Vortäuschen
und mit merkwürdigen Temperaturschwanknngen einhei^eben (in wenigen Stnnden
Temperaturabfall von 109'^F. auf 90*0: diesen Attacken können bei der Pat.
leicht durch Suggestion Lähmungen und Änästhesieen, sowie Hautverfärbungen hervor-
gemfen werden; in Folge der Aeusserung eines Angehörigen während einer solchen
Attacke, ihre Augen sähen matt aus, trat unmittelbar leichte Amblyopie und doppel¬
seitige Ptosis auf, die nach einigen Wochen durch Suggestivbehandlung verschwanden,
um nach einiger Zeit abermals in Folge autosuggestiver Vorgänge wieder aufzutreten.
Heilung. Martin Bloch (Berlin).
26) De la diffioultA du dlagnoatio de rappendioite ohea les hystAriques,
par M. Renda. (Gazette des böpitauz. 1897.)
Zwei lehrreiche Krankengeschichten zeigen, wie bei Hysterischen durch die
reflectorisch entstehenden Symptome die initale geringfflg^e AppendiciÜs complicirt
und schwer kenutlich gemacht werden kann.
Ein 19jähriges Mädchen wurde mit den Erscheinungen einer allgemeinen Peri¬
tonitis in das Höpital Necker aufgenommen; daneben bestand Pbarynxanästbesie und
Hypästhesie an den unteren Extremitäten. Am nächsten Tag wird eine Schwellung
in der F. il. dextr. fühlbar, die unter Verschlimmerung des Allgemeinbefindens, Er¬
brechen n. s. w. immer deutlicher wird, so dass zur Operation geschritten wird. In
der Narcose verschwindet jedoch die Schwellung, so dass man sich begnügt, wegen
einer gleichzeitig bestehenden Endometritis den Uterus zu curettiren. Die heftige
Wiederkehr aller früheren Erscheinungen veranlasste aber eine nochmalige Operation
durch Routier. Der Appendix ist verdickt und etwas injicirt, um denselben finden
sich einige recente, wenig resistente Adhärenzen; seine Schleimhaut ist geröthet und
geschwellt. Nach der Operation gehen sämmtliche Beschwerden zurück, doch kommt
es 2 Wochen später in Folge eines GemüthsaCfects zu Erbrechen, Tympanites,
hysterischer Lähmung der Beine; letztere bessert sich langsam, während die abdo-
mineUen Erscheinungen rasch wieder geschwunden sind.
Der zweite Fall betraf eine 22jährige, an Uebelkeit, Schmerzen, dyspeptischen
Erscheinungen leidende Patientin, bei der Hämatemesis und Collaps eintrat; der Leib
war dabei eingesunken und in der rechten ünterbauchgegend schmerzhaft. Nach
neuerlicher Hämatemesis und Verschlimmerung des Allgemeinzustandes (Temp. 39
Pols 170) Laparotomie durch Routier. An Magen und Duodenum fand sich nichts,
der Appendix war geschwellt, nach vom vom Coecum gedreht, seine Serosafläche
geröthet; keinerlei Adhaesionen, kein Exsudat. In dem resecirten Appendix, dessen
Mucosa frei von Ulcerationen war, fanden sich zwei in Schleim gehüllte Phosphat-
steine. Nach der Operation sofortiges Aufbören der abdominalen Beschwerden. Die
durch die Congestion und Kolik des Appendix erzeugten Schmerzen und Erscheinungen
sind bei der neuropathiscben Patientin durch die nervösen Zustände vergrössert
worden.
vGoo Ic
912
Im Gegensatz zur ersten Patientin schwanden hier nach der Operatioo sn^
die flbrigen nerrösen Symptome. In ähnlichen Fällen hält Yerl einen operaüTen
Eingriff für dnrchans berechtigt. B. Hatschek (Wien).
27) fiksdma pslmaire oben une hystdriqne, par Hontfort et Mirellid.
(Bev. de Dermatologie. 1898.)
Bei einer hereditär belasteten Person, welche schon lange an Krämpfen, an&ll«
weisem Weinen und Gähnen, Zittern, Globns n. s. w. gelitten hatte, nnd welche in
Folge ihrer Beschäftignng besonders den inneren Band der rechten Hand stark n
benutzen gezwungen war, trat nach zwei h’Qheren, ähnlichen Anfällen heftiger Schmen
an der Innenseite des rechten Vorderarms und der rechten Haod ein. Die Hant in
der Gegend des KleinÖgerballens und der angrenzenden Seite der Hohlhand war
trocken, runzelig, verdickt, von zahlreichen, sich regellos kreuzenden Furchen durch*
zogen, deren Grund schmutzig «grau anssah und von feinen, leicht abkratsbaren
Schuppen bedeckt war. An der linken Hand fand sich Qbrigens ebenfalls eine An*
deutung des Ekzems; rechter ülnaris in seinem ganzen Verlauf stork druckschmen*
haft; in seinem Verbreitui^bezirk hochgradige Herabsetzung der Sensibilität Keine
motorischen Störungen. Im übrigen Hypästbesie der ganzen rechten Körperhälfte
mit Betheiligung des Geruchs und Gehörs. 2 Monate später ist keine Schmerzhaftig¬
keit des ülnaris mehr nacbzuweisen, und das Ekzem ist verschwunden.
Kaplan (Herzbei^e).
28) XTn oaa d*aziiirie hyatdrique aveo dliminatlon auppldznentaire de
l’urde, qui a durd pendant douae jours (le 6—18 du moie de inaQ
ohM une fenune hystdrique, gudrie oompldtement, par Barthdlemy
Guisy (Athönes). (Progr. mdd. 1898. VI. 8. 84.)
Eine 39jährige Hysterische litt seit dem Tode ihres Hannes an Anfallai, in
denen sie hinfiel und Zuckungen batte, welche sich zumal durch psychische &*
regungen häuften. Sie bemerkte nur, dass sie während den AniaUen häufig an
Hamverhaltui^ litt
Hach einem neuen psychischen Insulte erkrankte sie wiederum an letzterer
and consultirte den Verf. Dieser fasste seine mehrtägige Beobachtung in folgende
Funkte zusammen:
Die Harnverhaltung dauerte bei der schwer Hysterischen 12 Tage, war von fast
unstillbarem Erbrechen und von einer starken und andauemden Urinabsondemiig
durch Hase, Augen, Ohren und Vagina begleitet Auifallenderweise befand sieb die
Kranke körperlich leidlich wohl.
Verf. sucht das Vorkommen dieses wohl experimentell tbeilweise nachgewiesenen,
aber beim Menschen noch nicht beobachteten Symptoms durch eine Znsammen-
ziehung der kleinsten arteriellen Gefässe zu erklären, welche durch un*
bekannte Function der sekretorischen oder anderer in ihrer Thätigkeit noch nicht
bekannter Hervenfasem bedingt ist und die Tubuli contorti unwegsam macht
Adolf Passow (Strassburg L/E.).
20) Deuz obserrations de troublea vaso - mot^vrs d’origine hystdrique,
par Hauheimer. (Arch. de Heurol. 1896. VoKlI« Nr. 9.)
Die erste Beobachtung betrifft eine 27jähr. Frau, neben charaktenstisehen
hysterischen Symptomen als Hemianästbesie, Gesichtsfeld^chränknng, Anfiüe, die
^cheinnngen des „Oedäme bleu“ an der linken Hand ddi^t. Das letztere war
nun dadurch interessant, dam eich die Farbe der ödematösen iVeile mitunter ändwte,
’t
DiQilvod Dy
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und dass das Oedem zeitweise sogar Terschwand. Diese Yeränderoagen stellten sich
theils spontan nach AnAllen, theils nach einfacher Yerbalsnggestion ein.
Im zweiten Falle handelt es sich am einen 28j&br. hysterischen Journalisten,
der fönende vasomotorische Störungen zeigte: 1. hochgradige Dermographie, 2. An¬
fälle eigeathdmlicher Art: es stellte sieb zunächst ein Zittern des ganzen Körpers
ein, nach einigen Secunden treten dann- auf der Haut des Gesichts, des Thorax, des
Abdomen und der Extremitäten eine Anzahl kleiner Erhebungen von etwa 1 mm
Höhe auf, die alle in ihrem Centrum ein Haar erkennen Hessen. Die Störung hatte
also ganz den Charakter einer „Gänsehaut". Diese Anfälle stellten sich sehr häufig
ein, oft bis zu 20 in der Stunde. Die Dauer des einzelnen Anfalls betrog circa
20 Seennden. Daneben bestand noch eine sekretorische Störung in Form einer
Hyperhidrosis an beiden Händen. Das Auftreten der „Gänsehaut" ffthrt der Yerf.
auf plötzliche spasmodische Contraction der kleinen Hautarterien znrfick. Der Yerf.
hält diese Störung fOr eine der verschiedenen Modalitäten, in denen sich die „vaso¬
motorische Diathese" der Hysterischen manifestiren kann. Irgend welche Anhalts¬
punkte, dass die Störung auf Intoxicationen beruhen könnte, Hessen sich nicht auf¬
finden. M. Weil (Stuttgart).
30) Zerostomia (Mouth - Diyness), by J. Sharp. (Brit med. Joum. 1898.
7. May. 8. 1205.)
Yerf. berichtet Ober einen Fall von absoluter Mundtrockenheit und partieller
Hasentrockenheit bei einer dljähr. alleinstehenden Frau. Der Zustand batte vor
iVs Jahren plötzlich angefangen. Geruch und Geschmack waren nicht abnorm, ob-
woU Aber einen muffigen Geruch geklagt wurde, ohne dass örtlich ein Befand daffir
bestand. Die Zähne waren in erträglichem Zustande. Wenn das kflnstHcbe Gebiss
weggelassen wurde, wuchs das TrockengefQhL Die ganze Mundhöhle zeigte sich
trocken und glasirt, bleich; nur die Zungenspitze war roth. Die Papillen der Zunge
prominent: Fauces und Pharynx mit Granulationen. Speicheldrüsen und Gänge ohne
Sekretion. Spülwasser der Zunge zeigte alkalische Beaction. Lippen trocken. Haut
nicht trocken; Patientin konnte schwitzen, Urin normal, nicht Parotitis. Patientin
kühlte die Zunge mit einer Sodalösung. L. Lehmann I (Oeynhausen).
31) Neuritis isohiadioa, Neuralgla isohiadioa und Hysterie. Ein neues
differentialdiagnostisohes Symptom nebst einigen Bemerkungen, von
Dr. Max Biro. (Ans der Poliklinik von Dr. Goldflam in Warschau.) (Deutsche
Zeitschr. f. Nervenheilk. 1897. XI.)
Yerf. giebt den Status von 12 Fällen, welche sämmtlich den Symptomencomplex
der Ischias darboten, aber gleichzeitig durch das Fehlen des Achiilessehnenreflexes
an der leidenden Extremität die engere Diagnose „Neuritis“ im Gegensatz zur
„Neuralgie" ermöglichten. Einige Male bandelte es sich nur um eine Abscbwächung
desselben. In den mltgetbeilten Fällen konnte ausserdem sehr häufig eine merkliche
Yerringerrung des Umfangs des Unterschenkels, sowie verminderte, elektrische Er¬
regbarkeit an der ergriffenen Extremität nachgewiesen werden, ohne dass von einem
Parallelismus dieser beiden Symptome mit dem Fehlen des genannten Reflexes die
Bede war. Um diese 3 Erscheinungen als ausschlaggebende Factoren heranziehen
zu können, muss eben die Fragestellung auf die Differentialdiagnose zwischen Neuritis
und Neuralgie reducirt, also eine Erkrankung des N. ischiadicos selbst erkannt sein
im Gegensatz zu Affectionen des Hüftgelenks, des M. psoas, pathologischen Processen
an der Wirbelsäule, den Bückenmarkshäoten, dem Bückenmark selbst (Tabes, Mye¬
litis, PoliomyeHtis ant.) gegenüber der Polyneuritis und der unter dem Bilde -der
Ischias sich manifesHrenden Hysterie. Bei Erörterung der Frage, ob überhaupt
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zwiachen Neuralgie und Neuritis ischiadics eine strenge Unterscbeidung thonlicb ist,
findet sich eine Reihe von Tbatsachen, welche dem eher widersprechen. Denn wem
auch gewisse Symptome eine Neuritis annehmen lassen, so kann man bei deren
Fehlen nicht in ebenso bestimmter Weise auf eine Neuralgie schliessen, da der rer*
schiedene clonische, ja auch pathologisch-anatomische Befund der Äusdmck von nnr
quantitativ, nicht qualitativ verschiedenen Veränderungen sein kann. Unter dies«
Gesichtspunkt betrachtet Verf. auch den verschiedenen Schmerzcharakter, der daher
als differeutialdiagnostisches Moment an Bedeutung verliert. Obwohl sich hierdurch
die Hypothese ergiebt, dass eine scharfe Grenze zwischen Neuritis und Kenral^
Oberhaupt nicht existirt, so zieht Verf. auf Grund von 156 Krankengeschichten dn
Schluss, dass die sogen. Ischias eher den EntzQndungen als den Neuraigieen zuiu-
zählen sei. In 14‘’/o der Fälle fanden sich charakteristische Entzfindnngaersditt*
nungen, in 787o konnte eine eine engere Diagnose mit Sicherheit nicht gestellt
werden. Dazu kommen dann noch die Fälle von hysterischer Fsendo-lschias. la
9^/o fanden sich, und zwar meist gekrenzte, Skoliosen. Alle bisher ftblichen An¬
gaben ätiologischer Momente finden zum Schluss eine sehr skeptische Beurtheilung,
war es doch bei dem grossen Material nicht mCglich, der Erkiütnng in dieser Hin¬
sicht eine besondere Bedeutung zuzuscbreiben. E. Asch (Frankfurt a./M.).
32) Contribnto alla dlagnosi e oUs oura nelle artralgie isteriche, (er
L. Bianchi. (Annali di Nevrologia. XVI.)
Verf. theilt 2 Fälle hysterischer Gelenkerkrankungen mit, die beide vorher
chirurgisch ohne Erfolg behandelt, durch Suggestion geheilt wurden. Der erst« be¬
traf ein junges Mädchen; diese hatte bisher keine Zeichen von Hysterie gebolen
hatte aber eine Pensionsgenossin an einer Coxitis leiden sehen. Nach einem Stcn
von der Treppe erkrankte sie mit Schmerzen in der Hüfte, Unbeweglichkeit der
unteren Extremität und Contraetnr derselben. Gleichzeitig wurde das Midcben
reizbar, launisch und verfiel leicht in hysterische Krämpfe.
Im zweiten Falle handelte es sich um ein vorher schon hysterisches Mädeko,
bei der sieb intensive Schmerzhaftigkeit des linken Schaltergelenks und allmählkli
Unbeweglichkeit des linken Arms einstellte, so dass der Verdacht eines taberenlöeeB
Gelenkleidens entstand.
Zur Stellung der Dii^ose half beide Male das Bestehen hysterischer
das Vorhandensein von Schmerzpunkten in weiterer Entfernung vom befallenen Ge¬
lenk und von hysterogenen Zonen am kranken Glied; Anästhesieen, Einengnng des
Gesichtsfeldes, Contracturen, wie sie bei wirklichen Gelenkerkrankungen nicht Vor¬
kommen, wie z. B. der Bauchmuskeln bei der Coxalgie; die hysterische Cbarakt-
Veränderung. Valentin.
38) On oyolone — neuroses and psyohoses, by Ludwig Bremer, St. Looii
Mo.
Die Cyklonkatastropbe, welche im Mai. 1896 St. Louis heimsuchte, hat bei eaff
beträchtlichen Zahl von Bewohnern nicht unbedeutende nervbse Stdnii^en berver-
gerulen und hinterlassen, von denen Verf. eine interessante Schilderung giebt. !■
Allgemeinen hatte die Schädigung des Nervensystems den Charakter der trat*
matischen Hysterie: bei schon vorhandener und durch die Katastrophe an sich
gesteigerter oder durch diese erst erzeugter Disposition vermochten selbst giniage
mechanische Läsionen schwere nervbse Erscheinungen zu Tage zu fbrdenu Veä
beobachtete z. B. zwei Frauen mit hysterischer Faraplegie; bei keiner waren Sptire::^
einer physikalischen Einwirkung zu constatiren, obgleich beide behanpteteo, dorck
einen vom Sturm geschleaderteu Gegenstände einen Schlag auf den Bfickm olittn
Dig li^cd cy Google
915
za haben; beide genasen. Bei einem jungen Manne folgte auf eine leichte Quetschung
an der Kopfhaut, entsprechend dem linken Ärmcentrum, eine 2tägige Betäubung;
als er von dieser erwachte, war er vollständig amnestisch, und als schliesslich am
3. Tage auch der halbstuporöse Zustand geschwunden, entwickelte eich plötzlich eine
unvollständige Hemipl^e des linken Arms mit Athetose der Finger und Ataxie des
linken Beins. Die Athetose schwand bald, die Parese des Arms und Beins, sowie
die Ataxie dauerten fort. Ausserdem bestanden vorflbergehender Verlust des Seh«,
Blech* uud Qeschmacksvermögens derselben Seite und ein leichter Orad von Anästhesie
der befallenen Glieder. Die Qesichtsmuskeln waren verschont geblieben. Hysterische
Aphasie und Aphonie traten öfter auf. Bei einem frOher aphasisch gewesenen
Mädchen, welches gamicht am Orte der Katastrophe wohnte, recidivirte aus blosser
Furcht vor letzterer das Leiden, verlor sich aber nach einigen Wochen: in der Folge
kehrte es bei jedem grösserem Unwetter anfallsweise wieder. Zwar wurde nicht
beobachtet, dass eine bestehende Aphasie unter dem Einfluss der Katastrophe geheilt
worden wäre, jedoch sind mehrere Fälle chronischer hysterischer Invalidität berichtet
worden, in denen das Ereigniss auf die Nerven stimulirend wirkte, die Gelähmten
von dem Krankenstuhl, den sie Jahre lang nicht verlassen, jagte und zu verschie*
denen Hfilfeleistungen fähig machte, aber nur vorübergehend.
Ein junger Hann litt noch lange nach der Katastrophe an periodischen Schwindel*
anföllen mit bis zu Anästhesie sich steigernder Gefühlsberabsetzung beider Hände. —
Neurasthenie, oft mit Gewitter und Cyklonfurcht und Todesangst vergesellschaftet,
war ebenfalls eine häufige Nachwirkung der Katastrophe. — Interessant war es, zu
beobachten, wie auf der Eennbahn beim Hereinbrecben der Cyklons, der sogar die
Tribünen wegraffte, Hunderte von Menschen auf die Kniee fielen und beteten, die
sonst gewiss nie ans Beten zu denken pflegten, und auch später noch rief das
Herannahen eines blossen Gewitters ähnliche Massenangstausbrüche hervor. — Diarrhoe
und leichte Fieberzustände kamen auch vor, auch soll seit jener Zeit Malaria in
St. Louis häufiger sein. — Manche wurden durch die Katastrophe in einen mehr¬
stündigen halbbetäubten Zustand versetzt, in dem sie wie im Traum automatisch
umhergingen und aus dem sie keine Erinnerung hatten. Auch retrograde Amnesie
wurde beobachtet Alkoholisten wurden wochenlang nicht nüchtern. Geistesstörungen
rief das Ereigniss nicht hervor, bereits vorhandene wurden aber verschlimmert. Eine
allgemeine melancholische Verstimmung schien allerdings angesichts des vielen Un*
faeils auf allen Gemüthem zu lasten. Bresler (Preiburg i./Schl.).
34) Ueber einen eigenartigen hysterischen Dämmersnstand (Ganser). Ca-
snistische Hittheilung von Prof. Dr. Binswanger in Jena. (Monatsschrift f.
Psycb. u. Neurolog. 1898. Bd. III.)
Yerf. schildert einen mehrere Tage dauernden Anfall von Benommenheit und
Desorientirtheit mit lebhaften Sinnestäuschungen bei einem 24jährigen, bisher ge*
snnden Mann. Im Anfall, in dem der Kranke einen Strangulationsversucb unternahm,
wurden Dmckempfindlichkeit der Orbitaldruckpunkte, Fehlen des Gaumenreflexes,
Hypalgesie am ganzen Körper und Analgesie an den Extremitäten festgestellt Nach
dem Anfall bestand für A’/a Tag totale Amnesie. Im Dämmerzustand batte der Pat
auf einfache Fragen widersinnige Antworten gegeben, hatte nicht einmal Geldstücke
als solche erkannt, war kataleptisch gewesen, hatte geglaubt, Matrosen hätten ihn
geknebelt and wollten ihn auf ihrem Schiff entführen, sah Eisenbahnzüge an sich
vorflberfabren ond war davon überzeugt, dass Krieg ausgebrochen sei und er Befehl
erhalten habe, einzurücken. G. Ilberg (Sonnenstein).
58*
■' Google
916
35) Ueber einen eigenartigen hysterisoben D&mmersoetand, von Dr. Ganser
in Dresden. (Archiv f. Nervenkrankb. 1898. Bd. XXX.)
Der Aufsatz stellt eine fflr die Lehre von den Geßngnisspsyehosen wie die von
der Simulation gleichwichtige Bereicherung der Litteratur dar. Es handelte sieh um
acute hysterische Geistesstörung.
Eine Anzahl von Untersnchungsgefangenen zeigten die aufßUige Erscheinung,
dass sie Fragen allereinfachster Art nicht richtig zu beantworten vermochten, obwohl
sie — wie sie durch ihre Antworten kundgeben — den Sinn der Fr^n ziemlich
erfasst hatten. Ausser mit dieser Qberraschenden Unkenntniss waren die betreffaden
mit pathologischem Affect und mit Hallucinationen des Gesichts und des Gehörs be*
haftet. Ihr Bewusstsein war in verschieden starkem Grade getrübt. Während der
Dauer dieses acut entstandenen Zustandes konnten hysterische Stigmata, namentlich
Analgesie, nachgewiesen werden. Nach wenigen Tagen wurde das Bewusstsein der
Kranken völlig frei und klar; sie beantworteten alle Fragen io einer dem Staad ihrer
Kenntnisse entsprechenden Weise völlig zutreffend, hatten für die Zeit ihres vor*
änderten Seelenzostandes Amnesie und waren frei von den im Dümmerzttstaad con-
statirten Sensibilitfttsstörnngen. G. Ilberg (Sonoenstem)-
36) Caae of soute staxy of one limb, bj Campbell Thomson. (Lancet.
1897. 18. Dec.)
Beide Fülle, welche Yerf. mittfaeilt, beanspruchen, obwohl ein Sectioosbefmd
fehlt, Interesse. Im ersten Falle trat bei einem 48jährigen Hanne unterw^ «ü
Schwindelanfall ein. Dabei fühlte er eine Schwere im rechten Bein. Dazu han
weiterhin Versagen des Detrusor vesicae, Taubheitsgefühl in der linken Hand nad
noch an demselben Tage — hochgradige Ataxie des linken Arms. Im Erankoihaoi
wurde ausserdem mne leichte Parese des linken Arms und rechten Beins und eise
schwerere des linken Beins festgestellt in der ganzen unteren Körperhülfte b^
standen schwere Sensibilitatsstörongen, im linken Arm keine. Bauch*, Sehneareflex
und Kniephänomene fehlten beiderseits, ebenso die tiefen Behexe des linken Aiwz
Die Sphinkteren waren völlig gelähmt. In wenigen Wochen trat völl^ Hölosg
ein. Auch die Behexe und Sehnenphänomene kehrten zurück. Infection oder Id-
toxication war nicht nachzuweisen. Bef. nimmt eine disseminirte entzündliche Er¬
krankung des BOckenmarks an.
Im zweiten Falle handelte es sich um eine 68jährige Frao, bei welcher oaeh
3 wöchentlichem Schleppen eines schweren Wassereimers (stets mit dem linken Am
und in unbequemer Haltung!) plötzlich Abends ein Prickeln im linkm Arm aofbit;
auch schien es ihr, dass sie den linken Fuss etwas nachschleppte. Am folgatdm
Tage bestand eine schwere Ataxie des linken Arms. Die Sensibilität war intad,
auch Gewichte wurden gut unterschieden, das Muskelgefühl war erhalten. Die gn)b(
Kraft schien etwas herabgesetzt. Das linke Bein zeigte keinerlei objeeüv n::cli«eh-
bare Symptome. Pai kli^ auch Über ein Kältegefühl in der ganzen linken
hälfte. Binnen einer Woche trat fast vollständige Heilung ein. Yerf. nimmt as,
dass es sich um eine durch Erschöpfung bedingte functionelle Störung gehandelt bat
Th. Ziehen.
37) Neurasthenie, von Th. Ziehen. (Eulenboi^’s Beal-Encyklopädieder geaaamten
Heilkunde. 3. Anfl.)
Die Neurasthenie kann als allgemeine fonctionelle Neorose von chroniecheiD
Charakter bezeichnet werden. Fathologisch'anatomische Befunde sind somit nicht
bekannt Die Hauptsyroptome der Neurasthenie sind:
1. eine Stiaimungsanomalie, die sogen, krankhafte Reizbarkeit,
Google
917
2. krankhafte ErmQdbarkeit der Ideeenassociation,
3. krankhafte ErmQdbarkeit der motorischen InnerTationen,
4. Sensorische nnd sensible Hyper&sthesieen und Hyperalgesieon,
ö. Schmerzen und Par&sthesieen,
6. Ägiypnie.
Die Combinatiun mehrerer dieser Hauptsymptome gestattet die sichere Diagnose
auf Neurasthenie. Äetiologisch kommt besonders die Erblichkeit in Betracht, dann
spielen aber auch Anämie, Intoxicationen, sexuelle Excesse, Ueberarbeitung, So^e
und Äerger, chronische und acute körperliche Krankheiten nnd schliesslich Unfälle
eine Bolle. Der „traumatischen Neurose'* eine Sonderstellung einzuräumen ist nach
Verf.’s Ansicht unrichtig.
Im Verlaufe der Neurasthenie kann man oft ein erstes Stadium der ?orwaltenden
Localsymptome und ein zweites Stadium der vorwaltenden Allgemeinsymptome unter¬
scheiden. Häufig besteht neben der Neurasthenie noch eine andere Erkrankung des
Nervensystems, wie Herderkrankung des Gehirns, Lues cerebri, Morb. Based. u. s. w.;
oft auch kommen Uebergangsformen zu anderen Erkrankungen (Hysterie, Melancholie,
Stupidität, Paranoia) vor.
Differentialdiagnostisch kommen in Betracht: Dementia paralytica, Himsyphilis,
multiple Neuritis, Neuralgie, Migraine, Hysterie, Melancholie, Stupidität, Paranoia,
organische Magen- und Darmerkrankungen, Herzkrankheiten, Tuberculose. Die Fest¬
stellung der Simulation ist deshalb sehr schwierig, weil die Neurasthenie kein einziges
nicht simnlirbares Symptom hat.
Die Prognose ist quoad vitam sehr günstig, quoad sanationem completam nicht
g&nslig, insofern , nur SO^o vMlig geheilt werden.
Was die zahlreichen über die Neurasthenie aufgestellten Theorieen betrifft, so
nimmt Verf. mit den meisten Autoren an, dass es sich um eine Emährungsstömng
der Ganglienzellen nnd Nervenfasern handelt, dass eine Störung des Gleichgewichts
zwischen Degeneration nnd Begeneration der Nervenfasern besteht Bezüglich der
Prophylaxe ist Abhärtung des kindlichen Nervensystems (Waschungen, Gymnastik)
obenan zu stellen, ferner ist eine Verbesserung der Arbeitsmethode in prophylactischer
Hinsicht von hoher Wichtigkeit Da in der Aetiologie der Neurasthenie die all¬
gemeine Ernährungsstörung einen Hauptfactor darstellt, so ist eine sogen. Mast- oder
Playfairknr (Ueberernährung, Bettruhe, Massage) oft von therapeutischem Erfolge
begleitet Was die speciellen Indicationen betrifft, so sind gegen Reizbarkeit Brom¬
präparate zu verordnen; in neurasthenischen Angstanfällen bat Verf. passive Atbem-
gymnastik mit grossem Erfolge angewandt Bei hypochondrischen Vorstellungen ist
wegen der Suicidgefahr eine ununterbrochene Ueberwachung des Kranken zn verlangen.
Bei hypochondrischer Neurasthenie spielt ferner eine psychische Behandlung, sowie
die Ablenkung durch Beschäftigung eine grosse Bolle. Die Hydrotherapie zeigt bei
vielen Symptomen der Krankheit (besonders bei den sexuellen Symptomen und der
Agrypnie) eine günstige Wirkung. Kurt Mendel.
38) Ueber einige Beziehungen awischen Neurosen und örtlichen Er¬
krankungen, von Dr. Maximilian Sternberg in Wien. (Wiener klin.
Wochenschr. 1898. Nr. 20.)
Die Combination der Neurose mit einer localen Erkrankung kann eine nur
scheinbare sein oder wirklich bestehen.
Im erstereii Falle können die objectiv nachweisbaren localen Veränd^ngen
dreierlei Ursprung haben: sie können einer bestimmten bestehenden Erkrankung zn-
kommen, oder Residuen eines alten vollständig abgelaufenen Processes oder durch
die angewendete locale Therapie erzeugt sein.
Dig.H^cd Dy Google
918
Als Beispiel einer weniger gekannten Beziehung zwischen acutem Oelenk-
rbeumatismna und Hysterie theilt Verf. folgenden Fall mit:
Eine SOjäbrige ClaTiervirtuoam war vor 8 Tagen an Gelenkrheumatismus er¬
krankt, der sich nur im rechten Knie localisirt hatte. Dieses etwas geschwollen, in
leichter Beugestellung. Das ganze Bein bis zur Hüfte enorm hyperalgetisch; Druck¬
punkte an der Wirbels&ule und am Scheitel. Die Schwellung schwand nach 3 Wochen,
die Schmerzhaftigkeit nahm zu. Auch ein Gypsverband brachte keine Besserung,
Pat wurde nun T&llig unbeweglich, liess Ham und Stuhl rücksichtslos unter mch,
und verlangte schliesslich die Abnahme des Verbandes in Karkose. Hach einigen
Tropfen Chloroform gelang es leicht sie zu hypnotisiren und ihr zu suggeriren, dass
sie ohne Schmerz erwachen werde. Die Besserung hielt aber nur einige T^e an,
dann kehrten die alten Schmerzen wieder. Schliesslich soll sie doch mit ziemlich
guter Beweglichkeit des Beines genesen sein.
Äehnliche Verhältnisse liegen in manchen Fällen von Morphinismus und
Cocainismus vor. Da der Gebrauch von Morphin meist durch ein schmerzhaftes
Leiden veranlasst wird, so ist die Entscheidung oft mcht leicht, ob die Schmerzen
mit einer Intoxicationsneurose oder mit dem Fortbestand des primären Leidens Zu¬
sammenhängen.
Als Beispiel bringt Verf. folgenden Fall:
Eine 53jährige Frau erkrankte an rheumatischen Schmerzen im rechten Bein,
welche so unerträglich wurden, dass der Arzt ihr Morphininjectionen gab. Bald er¬
hielt sie mehrmals täglich eine Einspritzung. Vor 4 Jahren war ihr die linke
Mamma wegen Carcinom operirt worden.
Sie klagte Ober eine Anzahl nervöser Beschwei'den. Die Schmerzen im Bmn
hatten keinen bestimmten Sitz und wurden angeblich durch Bewegung gestmgert.
Keine Cachexie, nirgends vei^Osserte Drüsen. Die Muskelmasse im rechten Quadri-
ceps war etwas schlaffer, der Umfang in der Mitte des rechten Oberschenkels um
1 cm geringer als links nnd der rechte Patellarreflex fehlte vollständig. Keine
Sensibilitätsstörung. Es war also unzweifelhaft eine Affection des rechten Cmral-
nerven vorhanden.
Han konnte an eine Carcinomroetastase am Cruralis oder seinen Wurzeln in
einer LymphdrOse oder in einem der Gebilde des Wirbelcanals denken. Dafür waren
aber keine Anhaltspunkte zu finden, ebensowenig für eine spinale Affection oder eine
rocente entzfindliche Affection des Nerven. Verf. entschied sich für die Diagnose einer
abgelaufenen Neuritis toxischen oder infectiösen Ursprungs, welche ursprünglich die
Beschwerden verursacht habe, jetzt aber functionell bedeutungslos sei, während die
gegenwärtigen Beschwerden dem Morphinismus angehören. Die Resultate der Ent¬
ziehungskur bestätigen die Diagnose; mit der Abgewöhnung schwanden auch die
Schmerzen vollständig.
Cocainismus kann auch durch locale Anwendung des Mittels entstehen und
Verf. theilt als gewiss seltenes Vorkommniss einen Fall von Cocalnismns von der
Harnblase ans mit:
Einem 45jährigen Manne wurde wegen heftiger Beschwerden von Seiten einer
alten Cystitis eine Blasenausspülung mit Cocain gemacht (1,2:80). Pat. gebrauchte
zu Hause die AusspQlungen weiter durch 3 Jahre. Im Ganzen verbrauchte er
475 g Cocain. Der Fall wurde bei Revision der Erankenkassenrechnungen entdeckt
Verf. fand eine leichte chronische Cystitis und sistirte den Bezog des Cocahis.
Cystitis und nervöse Beschwerden besserten sich.
Bei Besprechung der Fälle, in welchen eine unzweifelhaft locale Affection mit
einer allgemeinen Neurose combinirt ist, erwähnt Verf. in besonderen den Zahnschmerz,
den cbroniscben Rachencatarrh, die klimakterische Schlundneurose, die Verf. in
mehreren Fällen mit Akroparästhesie vergesellschaftet fand, die Wanderniere, die
sexuellen Erkrankungen und die Herzaffectionen mit Neurosen. Da auch bei or-
Nig : /cd oy CjOO^Ic
919
ganischeo Herzfehlern Störangen der Herzthätigkeit zweifellos nerrGser Katar Tor>
kommen können, ist es prognostisch and therapentisch wichtig beides za unterscheiden.
Hier kommt besonders die sexuelle Angstnearose Freud’s bei jungen Leuten
oft in Betracht. Es folgen zwei einschlägige Fälle.
1. 21jähriger Beamter; seit Monaten Herzklopfen. Leichte Cyanose, normale
Berzdämpfung, präsystolisches Geräusch an der Spitze, Accentuation des 2. Pulmonal*
tones. Herzklopfen unabhängig von Beschäftigungen, oft beim Einschlafen, nie
Nachts. Im Ham Tripperftdon. Seit dem Tripper wegen Angst vor Infection
Masturbation. Mit Unterlassen derselben schwand das Herzklopfen.
2. 24jähriger Mann; vor 4 Jahren Gelenkrheumatismus; systolisches Geräusch
am unteren Ende des Sternums. Bis vor kurzem Körperftbungen ohne Herzklopfen
möglich; seit einigen Monaten Brantigam, seither Herzklopfen, nervöse Diarrhoe, Angst
in grösseren Gesellschaften plötzlich wegen Stuhldranges aus dem Zimmer gehen zu
mössen. Traitemeut moral und Faradisation des Bauches beseitigten den ganzen
Symptomencomplex.
Therapeutisch kommt Verf. zu folgenden Schiassergebnissen;
Hat man in einem gegebenen Falle Grund, eine Combination einer allgemeinen
Neurose mit einer localen Affection anzunehmen, so stelle man durch sorgfältige
Anamnese und genaue Untersuchung beides fest Während der Untersuchung ver*
meide man es absolut, Aber den Befund, wie das üble Gewohnheit vieler Aerzte ist,
irgend eine Bemerkung fallen zu lassen.
Ist eine locale, insbesondere eine operative Behandlung unbedingt erforderlich,
dann soll sie ungesäumt in Angriff genommen und womöglich durch einen einzigen
Eingriff beendigt werden.
Ist keine unbedingte Indication zur localen Behandlung vorhanden, so fr^ es
sich, ob die Beschwerden vorwiegend motorischer oder sensibler Natur sind. Im
ersteren Falle bietet eine locale Behandlung mit suggestiver Nebenabsicht emige
Aussicht auf Erfolg.
Sind vorwiegend sensible Symptome bei allgemeiner Neurose vorhanden, dann
ist es am besten, die locale Affection zu ignoriren, da eine längere locale Behänd*
lung in solchen Fällen meist nur den Erfolg hat, die Beschwerden durch Auto¬
suggestion zu fixiren. Sind Schmerzen vorhanden, dann behandle man diese durch
Debnungsgriffe.
Weiss der Fat. nichts von seiner localen Affection, so ist es nicht nöthig, sie
ihm mitzutheilen; man kann eine Menge zweckdienlicher Behandlungsmethoden durch¬
führen, ohne dass der Fai von seiner Localaffection zu wissen braucht
Schwieriger wird die Sache, wenn der Kranke schon von seiner localen Affection
weiss, und diese schon erfolglos behandelt wurde. In vielen Fällen wirkt da eine
harmlose Nothlüge, in dem man die Abnormität für angeboren, für eine interessante
Rarität erklärt Die Eitelkeit vieler Fat. bewirkt, dass sie alsdann auf ihren Befund
stolz und völlig getröstet sind. J. Sorgo (Wien).
39) lieber ein Fulsphänomen bei Neurasthenikern, von Dr. Sigmund
Erben in Wien. (Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 24.)
Während das irritable Herz der Neurastheniker auf die verschiedensten Körper¬
bewegungen mit vermehrter Schlagfolge antwortet fand Verf., dass diese ausblieb,
wenn er die Fat. sich niederhocken oder au^iebig nach vom beugen Hess. Der
Puls erhielt sich anfangs in seinem Rhythmus, und nach 4—5 Schlägen setzte
plötzlich eine Pulsverlangsamung ein. Diese trat ohne Einleitung auf und setzte
sich der rare Puls scharf von dem vorhergehenden ab. Nach dem ersten derartigen
Pulae folgen gewöhnlich noch 3—6 gleiche, darauf erhebt sich die Pulsfrequenz
wieder und erreicht eine Höhe, welche die Pulszahl vor dem Versuche übersteigt.
D g : 7cd / G OOglC
920
ob DQD der Kranke weiter gebückt bleibt oder sich wieder anfgericbtet hat Kadi
dem Aufricbten war das Gesicht meist leicht cyanotisch. Sabjective Beschwerdeo
fohlten die Pat dabei nie. Oft trat das Phänomen erst nach mehrmaligem BOckoi
ein, schwächte sich aber anderseits oft bei Wiederholungen des Yersuchs immer
mehr ab.
Ortner machte Yerf. darauf aufmerksam, d as« dasselbe Phänomen auch durch
starkes Bflckwärtsbeogen des Kopfes ansgelbst werden könne.
Beim nervengesunden Ifenscheii mit normaler Herzthätigkeit vermisste Yerf.
dieses Symptom, ebenso bei den durch Basedow, Tabes, fieberhafte Erkrankungen,
organische Erkrankungen des Herzens, Circulationsstbrungen in Folge von Erkraa«
kungen der Leber, Lungen oder Kieren bervorgemfenen Tachycardieen; ebenso bei
Hysterie.
Die Sphygmogramme erinnerten an die durch elektrische Vagusreizung eraeagtcn
Yaguspulse.
Yerf. erklärt das Phänomen durch Beiz des Yaguscentrums in Folge venOser
Himhyperämia durch das BQcken oder BOckwärtsneigen des Kopfes. Der Vagnspnls
war auch jedes Hai von einer flüchtigen Cyanose begleitet.
J. Sorgo (Wien).
40) Die moderne Ueberbürdong, von Wildermuth. (Würtemberg. medic.
Correspondenzblatt 1897.)
Seine höchst interessante Studie fasst Yerf. in folgende Sätze zusammen:
1. Eline zunehmende nervöse Entartung der Menschheit ist nicht bewiesen;
2. angestrengte geistige Arbeit und die Einflüsse der höheren Cultur sind an
sich keine Ursachen von Nervenkrankheiten;
3. ein allgemein nachtheiliger Einfluss unseres gegenwärtigen Unterrichtssystems,
insbesondere des Gymnasiums, auf das Allgemein beflnden der Schüler ist nicht nach-
gewiesen;
4. der drohenden Gefahr der Ueberbürdong auf dem Gymnasium wird am besten
dadurch begegnet, dass man an der humanistischen Grundlage des Unterrichts
festhält.
Hit Becht weist er nach, dass die Zunahme des Geisteskrankheiten in neuerer
Zeit nur scheinbar, nicht merklich ist, mit Ausnahme der Paralyse und des Alkobo*
lismus (was, meint Bef., auch hier noch nicht absolut sicher nachgewiesen ist).
Sicher haben Epilepsie und Idiotie, die Hanptrepräsentanten nervöser Entartung,
nicht zngenommen. Unter 206 eigenen Fällen von Neurasthenie war nur in 49
eine Ursache zu Anden. Davon waren exogen nur 13,5(besonders Infloenza);
lö^o Onanie und Übertriebener Coitus (Bef. möchte das Homent von Onanie o.s.v.
nicht so sehr betonen, da Onanie meist Ausfluss einer nervösen Beanlagung ist,
diese aUerdings dann, wenn sie stark betrieben wird, noch steigern kann); Ueber-
bürdung in 8,2 ®/o, hier aber war neben dieser noch Aerger o. s. w. vorhandca.
Der Kampf um's Dasein ist kein schlimmerer als früher und wir haben nicht
grössere politische und sociale Fragen zu lösen als früher. Damit hat Yerf. ge*
wlss mehr Becht als die Gegner, nur möchte Bef. die Ueberbürdong als Ursache
des Krankwerdens noch etwas mehr hervorbeben, obgleich damit gewöhnlich noch
andere Momente mit ins Spiel kommen. Näcke (Hubertosburg).
41) Importanza deir aatolntossioazloni nelle nevropstie, per C. Agostini.
(Atti e Bendic. della Accad. med.*cbir. di Perugia. IX.)
Gegenstand der vorhanden Arbeit ist die Erörterung der Beziehungen zwischen
Autointoxication besonders von Hagen-Darmstömngen aus und Nervenkrankheiten.
Google
921
Verf. tbeilt die Krankengescbicbte einer Hyeterica schweren Grades mit, bei der nach
Behandlong der Indigestion stets auf kurze Zeit die nenro^paychopatbiscben Er«
scheinnngen rerscbwanden. Die ersten Symptome waren nach Typhös aufgetreten,
sie hatten sieb in der Gravidität wiederholt in Folge der damit verbundenen Magen«
Darmstdrnngen; also beide Male war das veranlassende Moment Äutointoxication.
Bei der Besprechung des Zusammenhangs zwischen Neurasthenie und Verdauungs«
beschwerden giebt Verf. auf die Frage, welches von beiden das Primäre, welches die
Folge sei, die Antwort, dass bei manchen Kranken die Verdauungsstörungen den
Anfang und die Ursache der nervösen Beschwerden bilden, bei anderen das Umgekehite
der Fall ist. Die nervöse Prädisposition muss jedoch immer vorhanden sein. Aus
diesem Grunde kann man auch durch Behandlong der intestinalen Störungen zwar
einzelne Symptome mit Erfolg bekämpfen, die Krankheit als solche aber nicht heilen.
Anders bei weniger schweren, nicht constitutioneilen Neurosen, wie der Eclampste,
bei der mit der schnellen Entfernung der toxischen Substanz auch das Leiden ge«
hoben wird.
Es folgt die Besprechung der prophylactiseben und therapeutischen Indicationen
bei den aus Äutointoxication entstandenen Nervenleiden. Valentin.
42) Neurasthenisoher Hanger, von Th. Benda. (Deutsche med. Wochenschr.
1898. Nr. 13.)
Bei Neorastbenikem traten zu den verschiedensten Tageszeiten — niemals je¬
doch sofort nach eingenommener Mahlzeit — in verschiedener, aber ziemlich gleich¬
bleibender Intensität Schwächezustände auf, ja obnmachtähnlicbe Zustände, besonders
bei Huskelanstrengongen oder geistiger Arbeit. Auch Schwindelanfalle kommen vor,
treten aber nicht als charakteristisch hervor. Bei anderen Kranken sind die körper¬
lichen Erscheinungen wenig aasgebildet, dagegen eine grosse Reizbarkeit vorhanden.
Die Thatsache, dass derartige Schwäcbezostände häufig mit lebhaftem Hungergefühl
verknüpft sind, führte den Verf. zu der Vermuthnng, dass die Schwäche auch da
auf Banger basire, wo kein Hungergefühl vorhanden war: der Erfolg bestätigte die
Annahme, Nahrungsaufnahme beseitigte mit einem Schlage die Symptome. Das
Hungergefühl ist beim Neurastheniker krankhaft verändert, das Vorkommen von
Hunger ohne Hungergefühl daher nicht wunderbar. Dass solche Zustände schon
kurze Zelt nach der Mahlzeit auftreten können, erklärt sich durch verstärkte moto¬
rische Tbätigkeit, eventuell auch durch die ja oft bestehende excessive SäurebUdung.
Diese gestörte Verdauungsthätigkeit des Neurasthenikers führt zu mannigfachen, un¬
angenehmen Consequenzen. Der Hunger, welcher ja schon physiologisch Stimmung
und Befinden beeinflussen kann, bringt das überaus labile Nervensystem des Neur¬
asthenikers leicht ins Schwanken. Das asthenische Nervensystem regulirt nicht
oder ungenügend den Rörperhaushalt, der Organismus passt sich daher dem Hunger
nicht an und wird schwach zu einer Zeit, wo der normale Organismus nur eine
leise Verstimmung verrätb. — Abnorme Reizbarkeit der Vagusfasem, secundäre
Reizung des vasomotorischen Centmms in der Meduila oblongata, Gehirnanämie er¬
klären die geschilderten Ersebeioungen. Die Therapie ist einfach: die Fat. müssen
häufig kleinere Mahlzeiten zu sich nehmen, stets etwas Geniessbares, z. B. Chokolade
bei sich tragen. Die englische Tischzeit ist zu widerrathen, Analeptica wie Alkohol
□. s. w. sind unzweckmässig, ebenso eine fast ausschliessliche Fleischuahrung. Der
Genoss von nicht frischem Fleisch, wie Wild, Filet u. s. w., ist entschieden zu ver¬
meiden, „giebt dasselbe doch zu autointoxicatorischen Vorgängen, zu welchen der
neurasthenische Organismus sowieso tendirt, doppelt leicht Veranlassung.*'
R. Pfeiffer (Cassel).
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922
43) Le traitement prophylaotiqae de Thyst^rie, par B. Verlioogen. (Joorn.
m4d. de Bruxelles. 1897. Nr. 44 u. 60.)
Die propbylactiscbe Behandlung der Hysterie hat ein doppeltes Ziel zu ver¬
folgen: 1. die nervöse Frädisposition zu bekämpfen, 2. den Einfluss der Gel^enheits-
ursachen zu vernichten. Die erste dieser Forderungen ist hauptsächlich Aufgabe
der Erziehung. Man soll prädisponirte Kinder nicht im Hanse der nervösen Eltern
erziehen lassen, sondern sie in ein völlig anderes Milieu senden und sie dort von
einem guten Pädagogen erziehen lassen. Wflnschenswerth ist das Zusammmilebn
des Kindes mit anderen Zöglingen, doch darf deren Zahl nur so gross sein, dass der
Lehrer sich auch wirklich jedem einzelnen widmen kann. Diese Isolation soll
spätestens im 5. Lebensjahre beginnen, da dann das Gedächtniss sich zn entwickeln
beginnt und sich somit von da ab die daheim empfangenen Eindrücke deutlich dem
kindlichen Geiste einprägen. Die Erziehung selbst soll eine gewisse Strenge und
Entschlossenheit erkennen lassen, der Erzieher soll dem Kinde ein Lehrer and zu¬
gleich ein Freund sein, er soll sein Hauptaugenmerk richten auf eine gesunde Ent¬
wickelung der Urtheilslähigkeit, der Aufmerksamkeit, des festen Willens und der
Geduld des ihm Anvertrauten. Jede übertriebene Neigung ist möglichst zu unter¬
drücken, Aufregung und besonders erregende Bücher sind femzuhalten, ebenso geistig«
Ueberanstrengung und zu starke Anregung der Phantasie zu vermeiden. Sehr widitq
zur Ausbildung des Urtheils ist die Uebung der Sinnesorgane, zur Ausbildung d«
festen Willens eine „psychische Gymnastik" (früh aufstehen, schnell sich ankleidn,
kalte Abreibungen u. s. w.). In dieser moralischen Erziehung kommt dann noch die
körperliche hinzu, Über welche Verf. später berichten will. Kurt MendeL
44) Ueber die Behandlung von Nervenkranken und Payohopathen durdi
nützliohe Miiakelbesohftftigung, von Henri Monnier. (Inaug.-Disseri
Leipzig 1898.)
Verf. berichtet über die im „Beschäftigungsinstitut für Nervenkranke“ vos
Grohmann in Zürich gemachten Erfahrungen, wobei er zunächst anseinandezaetit,
dass Arbeit, die die Aufmerksamkeit dauernd erfordert, das Hauptmittel gegen „Him-
grübeleien, Hysterie, psychopathische Zwangsimpnlse nod Ideeen aller Art, sogen.
Neurasthenie“ ist; nur diejenigen Kranken seien übrigens heilbar, die „ihre Ennk-
beit erworben haben, sei es durch Suggestion in Folge medicinischer Lectüre, Uo-
thätigkeit, Einflüsse der Umgebung, als Autosuggestionen, HimgrObeleien, Platzai^it
u. dergl.“, weniger Erfolg glanbt Verf. bei Schwachsinnigen, Paranoikern u. & w.
gesehen zu haben. Am besten haben sich Tischlerei, Typographie, Modellim,
Zeichen, Tapeziren, bewährt; gegen „schlechte Gewohnheiten“, wie „spätes Aufstebea.
unregelmässiges Leben, Ungehorsam, Trunksnchl^ Arbeitsnnlust“ n. s. w. empfiehlt
Verf. gleichzeitige hypnotische Kuren (! Bef.). Kaplan (Herzberge).
46) Die Nervenkrankheiten und die durch dieselbe bedingte Mortalitit
in der russischen Armee, von Dr. Gorscbkow. (.lonmal der Nerven- uai
psychiatrischen Hedicin. Herausgeg. von Prof. Sikorskij. Bussiscb. 1897. Bd. IL)
Auf Grand einer sorgßltigen Durchsicht der Statistik ans dem Jahre 189ö
konnte Verf. zahlreiche Tabellen feststellen, welche die Zahl der an Nerveakrask-
beiten leidenden rassischen Soldaten und ebenfalls die entsprechende M(»talitll
zeigen. In der russischen Armee kamen im Jahre 1893 nnr 3,1 Nmrveoknmk-
beiten vor (auf je 1000 Soldaten). Diese Krankheiten bildeten etwa sämBt*
lieber KrankheitsßUe in der Armee. Die eigentlichen Nervenerkraokongra bildeiM
dabei * 1 ^ und die Geisteskrankheiten nur Vs Erkrankungen des Nervensystm.
ig n^od Dy CjOO^Ic
923
Was die Art der Nervenkrankheiten selbst betril^, so finden am hänfi^ten fnnctio-
nelle Erkrankungen statt (fast 7$ s&mmtlieher „Nervenfhlle“)* Besonders oft treten
Neuralgien, speciell Ischias anf. Diesen folgt die Epilepsie und nicht selten tritt
eine acnte Entzfindang des Gehirns und seiner H&nte auf. Was die Yertheilung
der Nervenfalle in der Infanterie, Artillerie u. s. w. betrifft, so sind keine diesbezfig-
licbe sichere Schlosse festznstellen. In der Artillerie treten die Nervenkrankheiten
verhältnissmässig h&ufiger auf und es Qberwiegen dabei die schweren Fälle mit der
grössten Mortalität Am häufigsten erkranken an Nerven« and Geisteskrankheiten
kleine, unr^elmäasig gebaute Soldaten mit schwacher, nervöser Constitution oder mit
degenerativen Erscheinungen. Eduard Flatau (Berlin).
Psychiatrie.
46) Certain physioal slgns ln melanoholia, by W. H. B. Stoddart. (Joum.
of Mental Science. 1898. April.)
Dem Verf. ist aufgefallen, dass bei Melancholischen die Bigidität der Mnskeln
von der Schulter bis zu den Fingern und vom Becken bis zu den Zehen abnimmt,
an erstgenannten Stellen am stärksten, an den letztgenannten am schwächsten sei
(bei der hemiplegischen Steifheit der Glieder sei das Verhältniss umgekehrt) und
legt auf diese Erscheinung grossen Werth. Ferner hat Verf., davon ausgehend, dass
vielleicht beim Melancholiker, wie man annimmt, die Bindenzelle mit Producten
regressiver Stoffwechselanatamorphose Oberladen sei und dass die Secretion der ein¬
zelnen DrOsen damiederliegt, therapeutische Versuche mit Pilocarpin gemacht und
dabei gefunden, dass Melancholische anf Pilocarpin selbst bei grossen Dosen auffallend
wenig mit Schweiss reagiren; ein Erfolg war daher auch nicht zu verzeichnen.
Bresler (Freiburg i. Schl.).
47) Periodische Psychose und Exaoerbation von Psoriasis zur Zeit der
Erregungszustände, von Dr. 8. Fries, Sanitäterath, Director der Prov.-Irren-
Anstalt Nietleben. (Festschrift anlässücb des fOnfzigjährigen Bestehens der
Provinzial-Irren-Anstalt zn Nietleben 1897. Verlag von F. C. W. Vogel.)
Verf. berichtet Ober einen Fall von periodischer Manie mit zeitweisem „para¬
noischem Gepräge**, bei welchem eine meist mit den manischen Phasen zeitlich
zusammenfallende Verschlimmernng und weitere Ausbreitung einer vorhandenen Pso¬
riasis beobachtet wurde. Die Ursache bierfOr siebt er hauptsächlich in den viel¬
fachen Insulten der Haut (Unreinlicbkeit, Traumen u. s. w.) während der Erregungs¬
zustände, doch könne man vielleicht auch Cireulationsstörungen anschuldigen. Diese
worden dann ihren Ursprung im Gefässnervensystem haben und zu einer Hyperämie
sowohl des Gehirns als der Haut führen, welch erstere die Manie, letztere die
Exacerbation der Psoriasis begünstigen müsste. Kurt Hendel.
48) Das Irrenwesen in Ungarn, von Epstein. (Pester med. Chirurg. Presse.
1897. Nr. 51 u. 62.)
Das im Jahre 1850 gegründete „Ofener Frivat-Narrenhaus“ war die erste
moderne Irrenanstalt in Ungarn; aus ihr ging die erste Generation ungarischer Irren¬
ärzte hervor und sie wurde die Wiege der ungarischen Psychiatrie. Später wurden
Geisteskranke auf der Beobachtungsabtheilung des Bochus-Spitales und in der neu
eröffueten Irrenanstalt Leopoldifeld verpflegt, 1882 ein Lehrstuhl für Pathologie und
Therapie der Geisteskrankheiten in Budapest eingerichtet. 1884 wurde die Landes-
Google
924
pflegeanstalt za Eogeiafeld mit 244 Betten erOfoei Um den beständig steigenden
Aufnahmen gendgeu zu können, wurde 1896 das Comitatshaos zu Nagj-Eällö zu
einer Irrenanstalt adaptirt und den grosseren Comitats-Erankenhäusem kleine Ab¬
theilungen für Geisteskranke angefOgt. Die 1895 ermittelte Zahl von 25,071 gmstig
defecten Individuen ist offenbar zu klein, wahrscheinlich wird die Zahl mindestens
40,000 betragen; kanm lO^/g davon sind in Anstalten untergebracht Als wflnschens-
werth fOr eine gedeihliche Entwickelnng bezeichnet Yerf. Einf&hrong der colonialen
und familialen Yerpfl^ngsformen, Einrichtung von Trinkerheilanstalten, Reform des
Wärterwesens n. s. w. Lewald.
49) Ueber aoute Psychosen bei Koprostase (Delirium acutum durch in¬
testinale Autointoxioationen), von Dr. F. v. SOlder. (Aus der psychiatr.
Klinik von Hofrath Prof. Krafft-Ebing.) (Jahrb. f. Psych. Bd. X^l.)
Yerf. berichtet ftber eine Reihe von Fällen, die klinisch als Delirium acutum
oder unter einem, diesem ähnlichen Bilde verUefen, bei denen die Section neben
schwankenden Himveränderungen (Hyperämie und Oedem) und inconstanten Muskel*
degenerationen, parenchymatöse Degenerationen an den Nieren und anderen Organen
ergab, vor allem aber eine Dickdarmkoprostase, die Yerf. als die Ursache der psy¬
chischen Störungen auffasst.
I. 40jährige Frau, hereditär nicht belastet, bisher gesund. In letzter Zeit
Erkrankungeprodrome in Form von Eopfschmerzen and Angstgefühlen durch 14 Tage,
dann plötzlich Aasbrach der geistigen StOmng, Yerwirrtheit, Ideeenflncht, starke Be-
wnsstseinstrübung, grosser Bewegnngstrieb mit primitiven Beweguogsfonnen. Tem-
peratnr nnr vorübergehend erhöht, Herzschwäche. Tod nach 14t^ger Erankhmts-
daner. Bei der Obduction Obesitas, Oedem der zarten Meningen, Hyperämie des
Gehirns, Lungen blutreich, schlaffes Fettherz, parenchymatöse Degeneration der Niereo.
Eoprostase mit secundären Verändernngen der Darmschleimhant.
II. 47jährige Frau im Elimacterium, habituell obstipirt. Durch 2 Tage Unwohl¬
sein und Schlaflosigkeit. Plötzlich Ausbruch einer Psychose mit Yerwirrtheit, zorniger
Gereiztheit, Ideeeuflucht, später psychomotorische Reizsymptome. Temperatur sicht
erhöht. Im Ham kein Aceton, Indican vermehrt, Schwefelsäure in normalen Ver¬
hältnissen. Herzschwäche. Tod nach 14 Tagen. Leptomeningen und Gehirn hyper-
ämiscb und OdematOs; geringe gleichmässige Rindenatrophie, leichter Hydrocepbalos
internus, sparweise Ependyrngranulationen. Acutes Lungenödem. Alte Spitzes-
tuberculose. Parenchymatöse Degeneration des Herzens und der Niere, hochgradige
Dickdarmkoprostase mit Rötbnng und Schwellung der Schleimhant.
III. 26jährige Frau, nicht belastet, habitnell obstipirt. Residuen von Lnee,
Rachitis und Tuberculose. Entwickelung der Geistesstörung ohne äusseren Anlass
im Laufe von 12 Tagen, dann nach 13 tägiger Dauer Yerwirrtheit, tiefe Bewusstseins¬
trübung, Yerbigeration, motorische Unruhe. Temperatur nicht erhöht Im Harn
kein Aceton, Indican nicht vermehrt Früh eintretende Herzschwäche. Tod dnrch
Penmonie. Obduction: Hyperämie und Oedem am Gehirn und den Meningen. Pneo-
monie. Parenchymatöse Degeneration des Herzens, Leber und Nieren. Dickdam*
koprostase mit stellenweiser Scbleimhaotnekrose. Bacteriologischer Culturversucb ans
dem Gehirn mit negativem Resultat.
lY. 24jähr. Mädchen mit psychopathischer Yeranlagcng, rachitischem Schädel.
Plötzlich Ansbmch der Geisteskrankheit, anfangs ungefähr das Bild einer Manie mit
hysterischen Zügen, dann Yerwirrtheit, starker Bewegnngstrieb, kein Fieber. Hara
enthält kein Aceton, wenig Indican. Yom 10. Tag ab ruhig, dann Herzscbwädta
Tod nach 12 tägiger Erankheitsdaner durch Pneumonie. Obdnction: Hydrocephalos
intern, chron., Hyperämie der Leptomeningen and der Hirnrinde, Lobolärpnenmcoi^
,Google
925
H<n, Leber ond Kieren parenchyinatCs degeoerirt. Dickdarmkoprostase mit Schleim*
baatcatarrb.
y. 2djäbrige8 Mädchen, stark belastet, nenropatbiscb veranlagt. Erkrankang
mit Kopfschmerz, Angst, hjpochondriscben Ideeen, Verwirrtheit, Erregtheit. StQrmische
Erscbeinnngen nach 8 Tagen, fieberfrei. Ham frei von Aceton, Indican nicht ver¬
mehrt Vom 18. Tage an Herzschwäche, am 20. Tage Psychose wesentlich sbgelanfen,
Bild von Erschöpfung nach 21 Tagen, Tod dorcb Herzschwäche. Obduction: Dnra
mit dem Schädeldache verwachsen, Hirn hyperämiscb, etwas geschwellt, Lnngen blot¬
reich, ödematös. Herz, Leber, Nieren parenchymatös degenerirt. Dickdarmkoprostase
mit Schwellung der Schleimhaut. Hypoplasie der Arterien.
VI. 40jährige Frau, nicht belastet, gesund. Nach 6 tägiger Obstipation plötzlich
Auftreten von Kopfschmerzen, Aufstossen, Herzklopfen, Angst, Verwirrtheit. Erregung,
Stimmungswechsel, Schlaflosigkeit. Rasches Ansteigen der psychischen Symptome,
starke Bewusstseinstrübung und Bewegungsdrang. Am 7. Tage der Psychose nach
ausgiebiger Darmentleerung plötzliches Schwinden aller stürmischen Erscheinungen,
Eintreten von Schlaf, Uebergang in Oenesong durch einen 6tägigen ruhigen Er¬
schöpfungszustand hindurch.
In einer zosammenfassenden Betrachtung kommt Verf. zum Schlosse, dass es
Fälle von Eoprostase giebt, in deren Verlauf als Folgeerscheinung eine acute Psychose
auftritt, die dem Bilde eines Delirium acutum ähnlich oder identisch verlänh und
in kurzer Zeit (8—14 Tage) durch frühzeitige Herzschwäche zum Tode führen kann.
Anatomisch findet sich Hyperämie und Oedem des Qehims, grosser Blutreichthum
der Longen, parenchymatöse Degeneration in Nieren, Herz, Leber in Abhängigkeit
von den Dickdarmkoprostasen mit secondären Schleimhautveränderungen. Wenn somit
die Aetiologie dieser Fälle durch die Eoprostase gegeben ist, so finden sich ausserdem
bei den befallenen Individuen noch andere disponirende Momente. Verf. glaubt, dass
auch die secundären Schleimhautveränderungen eine conditio sine qua non für das
Anfteten der Psychosen bilden.
Aus dem Krankheitsbilde hebt Verf. hervor, die tiefe Bewusstseinstrübung, eine
erhöhte motorische und sprachliche Leistung in ganz einfachen Entänssemngen sich
entladend. Bezüglich des somatischen Befundes hebt er das Fehlen irgendwelcher
Zeichen von Verdauungsstörung hervor, im Ham fehlen die Zeichen gesteigerter
Eiweissfäulniss.
Dadurch hat die ätiologische Di^nose dieser Fälle grosse Schwierigkeiten. Aus
dem psychischen Bilde sprechen nach dem Verf. für den intestinalen Ursprung ein*
schlänge Fälle: das brüske Einsetzen der Verwirrtheit mit lebhafter motorischer Er¬
regung, Angst, Kopfschmerzen, die starke Bewusstseinstrübung, der continoirlicbe
Verlauf ohne Remissionen, Auftreten primitiver Bewegnngsformen, Neigung zur Wieder¬
holung einfacher motorischer Leistungen, früh eintretende Herzschwäche Als negative
Zeichen sind zn erwähnen, das Fehlen anderweitiger Krankheitsursachen, die vorher
bestandene körperliche und geistige Gesundheit, Mangel an objectiven nervösen
Symptomen, fieberloser Verlauf. Gegenüber dem Delirinm acutum bebt er als Unter¬
schied hervor; Mangel einer Krankheitsursache, fieberloser Verlauf, Mangel an
Remissionen, geringe Intensität der psychomotorischen Beizsymptome.
Therapeutisch ergiebt sich natürlich als wichtigste Indication die Behandlung
der Koprostase (innerlich Calomel und änsserlicb Oelinfusionen).
Bezüglich des Zusammenhangs zwischen Eoprostase und Psychose weist Verf.
auf die schon bekannten Thatsachen über das Vorkommen von Psychosen bei Darm-
erkrankongen hin (Wagner, Hamilton) hin, die als Folge von AutointozicaÜenen
aufgefasst werden.
Für das Delirium acutum, dem sich klinisch seine Fälle nähern, wurde vielfach
angenommen, dass die Hyperämie des Gehirns die Ursache der Erscheinungen sei.
Verf. weist eine solche Annahme zurück, schon weil in seinen Fällen eine Incongruenz
Googli-
926
zwischen Hyperämie and Psychose sich findet. Eine zweite Ansicht fasst das DelirioD
acutum als Folge einer bacteriellen Invasion des Gehirns anf. Aach diese Ansicht
ist nicht b^rfindet. Eine dritte Anschanung siebt im Deliriam acatnm den Aus¬
druck einer Giftwirknng (Infection oder Antointozication). Diese dritte Annahne
erscheint dem Verf. fflr seine Fälle die plaasibelste, obwohl in keinem der Fähe die
klinischen Zeichen einer gastrointestinalen Antoiotoxication nachweisbar waren. Ifin-
gegen sprechen dafflr aasser anderen Momenten vor allem die parenchymatösen De¬
generationen in den inneren Organen, die als Giftwirknng anfzafassen sind.
_ Redlich (Wien).
50) Beiträge zu den Faerperalpayohoeen, von Ernst Siegenthaler. (Aus der
psycbiatr. Klinik von Prof. Wille in Basel) (Jahrb. f. Psych. Bd. XVll)
Unter die Poerperalpsychosen im weiteren Sinne werden meist auch die Qrsvi-
ditäts« and Lactationspsycbosen, sowie die während des Gebartsaktes aaftretenden
transitorischen Psychosen gereclmet Als Pnerperalpsycht^en im engeren Sinne werden
alle innerhalb 6 Wochen nach einer Geburt, Frühgeburt oder Abortos, entstehenden
Geistesstörungen bezeichnet Verf. giebt bieranf eine Uebersicht über die in der
Litteratur ausgesprochenen Ansichten Über die Aetiologie und Pathogenese der Poer-
peralpsycbosen, die zeigt» dass diesbezüglich noch keineswegs volle Etnigang erzielt
wurde, insbesondere die Frage nach der Bedeutung der paerperalen Infection ist noch
strittig. Verf. ist im Allgemeinen geneigt, Infectionen eine grosse Bolle beim Zostande-
kommen der paerperalen Psychosen zuzuschreiben. Er weist darauf bin, dass der
Nachweis einer puerperalen septischen Erkrankung, insbesondere bei Geisteskranken,
aus verschiedenen Ursachen Schwierigkeiten haben kann. Ueberhaupt sei die Puerperal¬
fieberfrage noch nicht endgiltig gelöst.
Terf. legt seinen weiteren Ausführungen 27 eigene Fälle von Puerperalpsycbosen
im engeren Sinne zu Grunde. Er giebt bezüglich derselben eine grosse Reibe stati¬
stischer Daten, auf die hier zum Theil eingegangen sei.
Im 3. Decennium standen 11, im 4. Decennium 13 Kranke, 3 Kranke waren
Über 40 Jahre. Hereditär belastet waren 11 Kranke, erworbene Veranlagung fand
sich ohne Heredität bei 10, mit Heredität bei 7. Schwangerscbaftsstömngen kamra
bei 10 Kranken vor; bei 11 Kranken war die der P^chose vorausgegangene Gebart
eine schwere, 4 davon erliten erhebliche Blutverluste. Bei 6 Frauen kamen schon
bei früheren Geburten Störungen vor. Erstgebärend waren 10 Frauen. Bei einer
Kranken war ein ätiologischer Einfiuss von Verdauungsstörungen nicht von der Hand
zu weisen. Anämie und Inanition sind in ihrer Wirksamkeit nur schwer zu beor*
theilen; sie scheinen jedoch keine besondere Bolle zu spielen. Bei 13 Krankoi
wirkten psychische Momente als Ursache mit. AlkohoUsmus, Osteomalacie, Eclampsia
und Urämie waren bei keiner Kranken nachweisbar, nur in einem Falle bestmiden
Zeichen einer Nephritis. Bezüglich der Infectionen sind zunächst Fälle zu erwähnen,
in denen eine nichtpuerperale Infection oder eine solche gleichzeitig nut Pnerperal-
infection bestand. Für Beides giebt er Beispiele (Tuberculose u. s. w.). Bei 10 Fällen
bildete eine schwere Infectionskrankheit die Grundlage der Psychose, davon bei 2
Tuberculose, bei 8 puerperale Affection (5 davon mit Obductionsbefund). Bei weitere
9 Fällen ist die Annahme einer leichten paerperalen Infection zulässig; im Ganzen
also in 19 Fällen eine infectiöse Erkrankung, das ist bei 70,37o- kommen
noch 4 Fälle, die in dieser Beziehnng als zweifelhaft gelten können. Die Psydic^e
entwickelt sich in der Mehrzahl der Fälle auf der Höhe des Puerperalfiebers.
Bezüglich der psychischen Krankheitsformen, die zur Beobachtung kamen, erwähnt
er zunächst 3 Fälle transitorischer Geistesstörung von einer Dauer von 5 Stunden
bis zu 2 Tagen bei Kranken mit schwerem Puerperalfieber. Die Geistesstörung
entwickelte sich am 4., 5. und 11. Tag p. p. Sie gingen einher mit schwerer
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Google
927
TrflbDDg des Bewusstseins, Hallacinationen und psychomotorischer Erregung. Ein
4. Fall ist direkt als Fieberdelirium zu bezeichnen.
19 Fälle werden unter die Verwirrtheit eingereiht. FQr die Form der Psychose
ist der Umstand, ob puerperale Infection bestand oder nicht, nicht ausschlaggebend.
Verf. erörtert diann noch die Bedeutung anderer Momente (Älter, Zahl der Qe>
bürten n. s. w.) auf die Form der Psychose, worauf hier nicht eingegangen sei. So
will er z. B. gefunden haben, dass hohes Älter, zahlreiche Geburten fOr die Melancholie
disponiren.
Von den eigenen Fällen sind 17 geheilt, 2 ungeheilt, 8 gestorben (Folge der
schweren puerperalen Infection). Jüngere Individuen genesen im Allgemeinen leichter
als ältere. Besonders geßhrdet sollen alte Erst* und Zweitgebärende sein. Unter
den verschiedenen Formen der Verwirrtheit soll die mit Tobsucht beginnende und
nachher Stupor oder wechselnde Zustände zwischen Erregung und Depression zeigende
Form die beste Prognose haben. Günstige Zeichen sind Remissionen, anhaltende
Gewichtszunahme und Wiederkehr der Menses. In den Fällen mit Infection hat
natürlich die Schwere der Infection für die Prognose einen massgebenden Einfluss.
Weiter ergiebt sich aus seinen Zahlen, dass der Beginn der Psychose in der ersten
Woche des Puerperium ungünstig ist; am günstigsten verlaufen die postfebrilen
Psychosen. Sehr hohes Fieber ist meist ein ungünstiges prognostisches Zeichen.
Die Dauer der Psychose hängt in erster Linie von der Krankbeitsform ab.
Von grossem Einfluss ist auch das Alter der Kranken. Junge Kranke genesen
rascher als ältere; von weiteren Factoren erwähnt er hier Zahl der Geburten, Dis¬
position u. s. w. Redlich (Wien).
III. Aus den Gesellschaften.
Finska Lakaresällskap.
In der Sitzung vom 6. März 1897 berichtete Prof. Homen (Finska läkares-
ällsk. bandl. 1897. XXXIK. 4. S. 599) Über 7 Fälle von Epilepsie, die nach
Flechsig’s Opiummetbode behandelt worden; in allen war vorher Bromkalinm ohne
Erfolg gegeben worden. In einem Falle musste die Opiumbehandlung nach 3 Wochen
wegen schwerer gastrischer Störungen aufgegeben wurden. In den übrigen 6 Fällen
dauerte die Behandlung 32—67 Tage; mit 10—30 Tropfen täglich wurde begonnen
und bis za 150—225 Tropfen täglich wurde gestiegen, worauf plötzlich zu Brom¬
kalium (5— 6 g täglich) übergegangen wurde, ohne dass andere Abstinenzerscheinnngen
zu bemerken waren als einige Tage Durchfall Auch während der Opiambehandlung
kamen keine störenden Erscheinungen vor, ausser mitunter geringen gastrischen
Störungen, und in einem Falle einige Tage lang unbedeutende Delirien. In 2 Fällen
kehrten die beim Beginne der Brombebandlung etwas seltener gewordenen Krampf-
anföUe mit der früheren Stärke wieder, in 4 Fällen minderten sich die Aniälle
während der Opiambehandlung nicht wesentlich, hörten aber sofort nach Beginn der
Bromkaliumbebandlung auf und kehrten bis zur Zeit der Mittheilung (allerdings nur
einige Monate) nicht wieder. Der Allgemeiozustand hatte sich dabei gebessert und
das Bromkalinm wurde nach der Opiumbehandlnng besser vertragen.
Gleiche Erfahrungen hat Prof. Pipping (a. a. 0. 10. S. 1418) gemacht. Er
tbeilt 4 Fälle mit, die alle Kinder betrafen. Bei aUen wurde die Opiumbehandlnng
gut vertragen, die Pat. waren wohl, besonders zu Anfang der Kur, bisweilen etwas
benomnaen mit contrahirten Pupillen, befanden sich aber sonst gut, hatten guten
Appetit und gewöhnlich auch spontane Stublentleerungen; bei allen nahm während
der Opiambehandlang das Körpergewicht zu; die Anfalle blieben während der Opium-
behandlang unverändert, hörten aber sofort auf, als das Opium durch Bromkalium
Google
928
ersetzt wurde, ln eioem Falle blieben eie bis zur Zeit der Mittheilung (2*/, Jahre)
aus, in den drei Qbrigen Fällen war die Beeeemng nnr vorttbergebend.
In einem von Linden (a. a. 0. 5. S. 654) in der Sitzung Tom 13. Man 1897
mitgetbeilten Falle batte eich ein Soldat dorch Sturz auf das Genick eine Hali*
wirbelfractur zogezogen. Pat. konnte zwar Arme und Beine bewegen, doch waren
die rechten Gliedmaassen bedeutend schwächer als die linken, selbst ein ganz schwadier
TViderstand konnte mit diesen nicht Qberwundeu werden. Die Bewegungen der Arme
waren sehr eingeschränkt, die Finger der rechten Hand konnten gar nicht bewegt
werden. Die Sensibilität war an allen Extremitäten bedeutend herabgesetzt, eut-
schieden mehr auf der rechten Seite, die später auch Atrophie zeigte, ganz aufgehoben
war sie an der Ulnarseite des rechten Arms. Die Respiration war erschwert and
beschleunigt. Pai konnte die Blase nicht entleeren. Der Wirbelbroch wurde gebalt
und Pat. genas. Von 13 Fällen von Wirbelbrfichen, die Vortr. in 7 Jahren im
chirurgischen Erankenhanse zu Helsingfors behandelt wurden, betrafen 7 Halswirbel
und von diesen Kranken genas nur einer, der keine Lähmung hatte, alle 6, bei
denen Lähmungen bestanden, starben. Die Todesursache war gewöhnlich Cystitie
und Pyelitis und Lungencomplicationen.
In der Sitzung vom 20. März 1897 theilte Prof. Homen (a. a. 0. 6. S. 734)
einen Fall von äusserst stark entwickeltem Hydrooephalus bei einem Kinde mit,
das seit dem Alter von drei Monaten die Zeichen der Krankheit trug, anfangs
unruhig war, dann Krämpfe bekam und später apathisch und regungslos dalag und
im Alter von 2 Jahren starb. Unter der zum grossen Theile mit dem Schädel ver*
wachseneo Dora befand sich eine grosse Menge seröse Flüssigkeit Der Himoantel
fehlte zum grössten Theile und der innere Theil vom Buden des stark erweiterten
Seitenventrikels, wie die dem 3. Ventrikel entsprechenden Theile lagen blos. Ton
der Himconvexität war auf beiden Seiten an der Falx cerebri nur je eine dfiooe
Schicht übrig, die einen wallförmigen Bogen längst der Sntura s^ttalis bildeten,
dessen vorderen Theil die ebenso redocirten Frontallappen bildeten; der hintere Theil
beider Orbitallappen und der vordere Theil beider Temporallapen waren erhalten,
verschmälerten sich aber nach hinten zu zu strangförmigen Gebilden, die in ihrem
vorderen Theile die Unterlage für die grossen Himganglien bildeten und diese be*
grenzten, in ihrem hinteren Theile bildeten sie die Unterlage für die Gyri hippo-
campt, die stark entwickelt waren; nach hinten zu gingen diese Stränge in die stark
abgeplatteten Occipitallappen über, von denen nnr derjenige Theil übr^ war,
der hinteren inneren Wand des hinteren Horns entspricht; nach oben gingen dieee
Beste der Occipitallappen in den erwähnten bogenförmigen Wall über. Die Optid
bildeten schmale dünne Stränge, die fast dünner waren als die OculomotoriL Die
Pyramiden waren abgeplattet uitd graulich verfärbt Das Kleinbiru war normal
Der spiuale subdurale ^um war stark mit seröser Flüssigkeit gefüllt — Ein an*
geborener Defect. wie man anfangs hätte glauben können, lag nicht vor, wie ans
dem Umstande hervor^ng, dass die weichen Hirnhäute überall die innere Fläche der
Dura bekleideten, auch ao den Stellen, wo die Himmasse zu Grunde gingen wv.
Walter Berger (Leipzig).
Um EioBendung von Separatabdrücken an den Herausgeber wird gebeten.
EinsendnngeD für die Redaction sind zu richten an Prot Dr.E. Hendel,
Berlin, NW. Schiffbauerdamm 18.
Verlag von Vsii & Comp, in lydpzig. — Druck von McrsaEB & Wrma in
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Dr. Kothe’s Sanatorium Friedrichroda
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Monatlich erscheinen zwei Nommern. Preis des Jahrganges 24 Mark. Za beziehen durch
alle Bachbandlangen des In- and Aaslandes, die Fostanstalten des Deatschen Reichs, sowie
direct von der Verlagsbachhandlong.
1898. 15. October. Nr, 20.
Inhalt: t. Origlnalmltthellungen. 1. Zar Pathologie des Myxödems, ven W. Murafow.
2. Ueber den centralen Verlauf des Gowers'schen Bändels, von G. J. Roiaolimo. 3. Ein Fall
von doppelseitiger Ischias bei acater parenchymatöser Nephritis, von Michael Lapinsky.
II. Referate. Anatomie. 1. Ueber die Primitivdbrillen in den Ganglienzellen vom
Menschen und anderen Wirbelthieren, von Bethe. — Experimentelle Physiologie.
2. Mödication thyro'idienne et arsenlc, par Bddart et Mabille. S. Die Verrichtongen der
Hypophyse, von v. Cyon. — Pathologische Anatomie. 4. Des lösions mednllaires dans
le tdtenos expörimental, par Pdchoutre. 5. Contribation ä l’ötade des encephalocMes con-
f enitales, par Froelich. 6. Beitrag znr pathologisoben Anatomie des Nervensystems bei dem
etanns des Menschen, von Gosbel. — Pathologie des Nervensystems. 7. Sai distarbi
psichici e suUe alterazioni del sistema nervoso per insonnia assolota, per Agostlni. 8 . In-
tiaenza dell’ attenzione dorante il sonno, per Vaschlde. 9. An anasaally snccesfal resalt of
tbyreoid treatraent in a case of myxoedema, by Bonney. 10. Myzoedema, by Beadles.
11. A case of acromegaly witb diabetes, by Chadboiirne. 12. Acromegaly, by Kaufimann.
13. Case of acromegaly, by Hunter. 14. Une observation de manie aigne obez nne aoro*
mögalique, par Garnier et Santenoise. 15. Notes on a case of acromegaly, by Esteroe. 16. A
lase of the so-called hypertrophic palmonsry osteo-artbropathy of Marie, witboat pulmonary
lisease, by Steven. 17. Ostöo-arthropatbies hypertrophiqaes da gcnoa droit et des deox
)ied8 d’origine nerveuse. Tabes oa syringomyelieP Etöle d’ane tare nerveose dans la röaji-
lation des modalitös tabetiques, par Tournier. 18. Fall von Tetanie, in Schwangerschaft
mtstanden, nach Kro^operation, von Meinert. 19. Zar Thyreoidinbehandlang der Tetanie,
’OD Alexander. 20. ueber die familiäre Form des acuten circamskripten Oedems, von
‘eblesingor. 21. Contribation ä Tdtnde de la paraplögie spasmodiqae familiale, par Lorrain.
2. Two cases of laryneeal spasm fatal in the first att^k occarring in the same family.
S. A boy, aged 14, who exmbited tabetic Symptoms, by Stanley. 24. Family lateral
clerosis, by Moore. 25. Een familiestamboom, door Borst. 26. Nya bidrag tili kännedomen
m en säregen familjes jokdom ander form a progressiv dementia, af Hom4n. 27. Er-
abmogen über Trionu als Schlafmittel mit besonderer BQcksicht aaf die Beeinflassang des
'Intdruckes, von Kornfeld. — Pychiatrie. 28. On cyclone-nearosee and psychoses, by
remer. 29. Algonae consideraclones sobre el pronostico de la alienacion mental, per Borda.
0. Le morti per pellagra, alcoolismo e saicidio in Italia, per Tornasari di Verce.
111. Aus den Geseiischaften. Jahressitzang des Vereins deuteoher Irrenärzte in Bonn
OQ 16. und 17. SeptemW 1898. — Wiener medicinischer Klub. — K. k. Gesellschaft der
erzte in Wien.
IV. Vermischtes. IV. Versammlnng mitteldeutscher Psychiater und Neurologen.
V. Personalien.
VI. Berichtigung.
59
-Coogle
930
I. Originftlmittheilungen.
1. Zur Pathologie des Myxödems.
Von W. üuratow,
PriTat>Doeentea an der UniTersitat zu Moskau.
Die Veränderungen des centralen Nervensystems bei Myxödem sind jetzt
noch eine nicht ganz entschiedene Frage.
Wir haben die Untersuchnngen von Bo(K)wit8ch, Lamohans, Kofp.
welche die dnrch experimentelle Entfernung der Schilddrüse entstandenen Ver¬
änderungen in Betracht ziehen.
Die Untersuchungseii'ebnisse sind zum Theil unbestimmt, zum Theil negativ.
Dafür erlaube ich mir einige Befunde, welche ich in einem Falle von angeborenem
Myxödem machen konnte, zu veröffentlichen. Ich habe die Kranke zusammen
mit meinem Collegen Dr. Wladihisow beobachtet
W. B., ein 6jähriges Mädchen, stammt von gesanden und jungen Eltern (die
Mutter ist 20 und der Vater 24 Jahre alt). In der Familie sind keine constitutk*-
Dellen Krankheiten, keine Lues und Tiiberculose zu coustatiren. Bei der Gebart
wog das Mädchen 9 Pfund. Die Kranke bat die Mutter selbst mit ihrer Brost
genährt. Schon von den ersten Tagen bemerkte man einen krankhaften Zustand des
Kindes. Eine abnorme „Fettleibigkeit", eine mangelhafte Behaarung, eine kalt^
trockene Haut. Im Jahre 1895 war eine Behandlung mit Kali jodatum angeordnet
Dadurch verminderte sich das Gewicht und der ödematÖse Zustand der Kranken.
Dieser therapeutische Erfolg dauerte nur kurze Zeit und bald kam die Kranke in
denselben Zustand, in welchem sie früher gewesen war, zurück. In der Anamnese
(Dr. WiiADminow) ist festgestellt, dass die Eltern der Kranken schon lange einen
vorgeschrittenen Zustand der Idiotie bemerkt hatten. Die Kranke war in das Sophies-
Asyl von Fürst Schsbbatow zu Moskau am 24. September 1896 aufgenommen.
Bei der Untersuchung zusammen mit Dr. Wladihibow fand ich Folgendes:
Beim ersten Anblick konnte man ein ausgeprägtes GeschwoUensein des ganzen
Körpers, ein kretinoides Aussehen, eine sehr blasse Farbe der Haut bemerken. Der
Mund ist offen, zwischen dicken Lippen liegt eine dicke muskulöse Znnge. Die Anse
sind flectirt und au die Brost gepresst. Die Bauchdecken sind festgespanut, der
ÖdematÖse angespannte Nabel steht hervor. Die Körperlänge beträgt 73 cm (wie bei
einem Neugeborenen). Das Körpergewicht ist relativ sehr gross und betr^ = 20,700.
Eine Dolichocephalie mit einer bedeutenden Verminderung der frontalen Dimensiones.
Eine sehr kärgliche Behaarung. Die Haare sind derb, trocken, schwach pigmeoürt
Die Lippen sehr dick, die untere Lippe sinkt herab. Der Gaumen nnd die Uvolz
sind ödematös. Der Gaumenreüex ist ausgeprägt. Eine sehr arme Mimik. Die
Kranke lacht und weint nicht. Der Gesicbtsausdmck ist völlig theilnabmslos, wie
man es gewöhnlich bei Idioten beobachtet Sie drückt durch nichts Zufriedenheit
aus; wird die Kranke gereizt, so krächzt sie. Die active Aufmerksamkeit fehlt
völlig, die passive ist kaum ausgeprägt. Die Beizungen der Sinnesorgane — eis
klares Licht oder ein lauter Tou — nimmt sie wahr. Die activen Bewegungen sind
sehr träge, dabei ist die Kranke nicht gelähmt Im Bett kann sie die Beine und
DigiVrcd oy Google
931
Hände bewegen, aber sie thot es mit Unwillen. Sie kann aber weder gehen noch
stehen. Der FatellarreQez ist sehr lebhaft. Die Sphincteren ohne organische
SUrang, die Kranke bemerkt aber keine Noth zur Urin- und Kotbentleerung.
Die Sensibilität, welche nur durch reflective Abwehrbewegungen bestimmt werden
kann, ist erhalten. Den Zustand der Muskelernäbrung kann man eines diffusen Oedems
wegen nicht bestimmen. Eine lebhafte mechanische Erregbarkeit. Paradiscb erhalten
wir folgende Daten: H. deldoid. 70, M. triceps 60, H. biceps 65, Ens’scher Punkt 70,
M. tibialis ant. 55, U. gastrocn. 55, H. lingualis 75. Auf dem ZizMMSR’schen Funkte
giebt bei normalen Verhältnissen derselbe Apparat 85—90^
Das myzödematäse Geschwollensein ist in der Cervicalgegend am meisten aus¬
geprägt. Auf den beiden SchlOsselbeinen sind ädematbse Geschwülste bemerkbar.
>ie oberen und unteren Extremitäten, die Bauchdecken zeigen ein hochgradiges
'edem. Temperatur 34,5—35*^ (in axilla). Die Kranke ist der Kälte sehr zu-
änglicb. Eine sehr abgescbwächte Herzthätigkeit. Im Urin kein Zucker und
Ibumingehalt.
In unserem Falle ist das klinisohe Bild so einfach und klar, dass wir, ohne
eitere differentielle Analyse, das Myxödem zu diagnosticiren im Stande waren,
j genügt, einen Blick auf die beigegebenen Photographieen zu werfen, nm jeden
weifel zu beseitigen. In diesem Zustande verblieb die Kranke unter unserer
K)bachtung einige Wochen und starb endlich an catarrhaler Lungenentzündung.
Bei der Obdnction constatirte ich ein vollständiges Fehlen der Schilddrüse,
den inneren Organen fand ich ausser der catarrhalen Lnngenentzündung
;bts besonderes. Eine sehr ausgeprägte myxödematöse Schwellung der äusseren
utdecken. Die quergestreifte Muskulatur hatte ein blasses Aussehen. Eine
59*
r d,.Googlc
982
mjTödematöee Degeneration des Pericardinms. Das Gehirn war sehr gross und
batte ein Tennehrtes Gewicht. Makroskopisch constatirte ich eine gelbe Ver¬
färbung der weissen Substanz, welche stellenweise vorkam. \'od der Glandula
thymus war auch keine Spur zu bemerken. Die graue Substanz zeigte nichts
besonderes.
Eine vollständige anatomische Untersuchung der Leiche wurde nicht ge¬
stattet. Die Obduction war 48 Stunden nach dem Tode, nachdem die Erlaubniss
der Eltern erreicht worden war, angestellt.
Zur mikroskopischen Untersuchung konnte ich das Gehirn, die Trachea und
die Zunge bekommen.
Bei der mikroskopischen Untersuchung der Trachea konnte ich keine Spoi
von Glandula tbyreoidea constatiren. Zwischen dem Perichondrium und M. crico-
thjreoid. bemerkte ich nur bindegewebige Gebilde.
Die Färbung nach van Gibsson ergab nur einen negativen Befund.
Das Gehirn wurde in einer starken Lösung von Formaldehyd (20 “/q) ge¬
härtet und nachdem theils in Spiritus nach Nissl, theils in Kali bichromicum
nach Weiqebt, Iba van Glesson und Mabchi bearbeitet
Bei der mikroskopischen Untersuchung des Kehlkopfs waren wir nicht im
Stande das Vorhandensein der fuuctionell entwickelten Elemente der Schilddrüse
zu constatiren. Zwar fand ich im Gebiete des ersten ringförmigen Knorpels
einige Gebilde, welche an Zapfen der Drusen erinnern. ISs war ein schmaler
Streifen von weitmaschigem kernreichen Bindegewebe zwischen dem M. crico-
thyreoideus anterior und dem Perichondrium. Inmitten dieser rudimentäreo
Läppchen fehlen die epithelialen Decken völlig. Sie sind mit einer homogenen
colloiden Masse gefüllt. Vielleicht sind diese Gebilde als Rudimente der atro-
phirten Schilddrüse anzusehen.
Die Zellen der Hirnrinde, welche nach Nisan gefärbt wurden, zeigen einige
sehr starke Veränderungen, welche Kyneto- und Trophoplasma betreffen, tu
den meisten Zellen ist die Grundsubstanz sehr intensiv blau gefärbt Die
chromophilen NissL’schen Körnchen sind deformirt und nur undeutlich zu sehen;
die Fortsätze siud geschwollen.
Das Gesammtbild der Zelle erscheint dunkel, die differentiellen Theile sind
undeutlich. In anderen Zellen dagegen ist die Grundsnbstanz sehr blass ge¬
worden. Anstatt der normalen blass-blauen Farbe erscheint die Zelle homogen
und ungefärbt: stellenweise kommen einige Reste von chromophiler Substanz in
Form von deformirten NissL’schen Körnchen vor. Sie sind sehr verkleinert,
vermindert und deformirt In allen Zellen der letzten Kat^orie sind die Kerne
vergrössert und intensiv blau gefärbt; in einigen Zellen sind sie nur undeutlich
zu sehen. Am Ende kommen Zellen mit völlig homogenen Protoplasma vor;
nur der gequollene und vergrösserte Kern ist intensiv gefärbt In den Fasern
der Gehirnrinde kann man deutliche parenchymatöse Veränderungen nach
Weigert und Mabchi constatiren.
Die Tangentialfasern sind sehr schwach gefärbt Von den subcorticalen
Fasern siud die Bogenfasern am meisten afficirt (die kurzen Associationsbahnen).
Google
933 —
Sie sind dünner als normal und förben sieb schwach; dabei sind sie mit kleinen
Fetttropfen besäet Dieselben Fetttropfen kommen auch im Projectionssystem
Tor, doch sind die Leitungsbahnen besser entwickelt. Das Neuroglianetz ist sehr
dicht und massir.
Bei der yan GiESsoN’scben Färbung konnte man keine colloide Degeneration
und keine Einl^erung von colloiden Substanzen in Neuroglia beweisen. Nur
die Gelasswände nehmen eine röthliche Farbe an. Die Neuroglia ist sehr kern¬
reich und dicht In der quergestreiften Muskulatur ist ein Geschwollensein der
Fasern zu constatiren.
Stellenweise ist die Streifung undeutlich. Colloide Degeneration des Proto¬
plasmas konnte ich nicht nachweisen. Die peripherischen Nerven konnte ich
einer unvoUständigen Obduction wegen nicht untersuchen.
Unsere pathologisch-anatomischen Daten stehen den Befunden von Rogo-
wiTscB näher als den später von Lanqhans mitgetheilten Thatsachen. Dieser
Autor fand im centralen Nervensystem „nichts beschreibungwertbes“.
Diesen Unterschied kann man mit zwei Bedingungen erklären: 1. gehört
unser Fall zu congenitalem Myxödem, 2. die von Langhans und mir an¬
gewandten Untersuebnngsmethoden sind völlig verschieden. Langhans hat die
Präparate in Kali bichromicum Jahre lang gehärtet, damit sind sie zur feineren
Untersuchung der Nervenzellen untauglich geworden.
Wir haben das Vorherrschen der parenchymatösen Veränderungen bewiesen.
Zum Theil sind sie unmittelbar mit der chronischen Toxämie verbunden.
Auf diese Weise sind die Veränderungen der Rindenzellen zu erklären. Wir
haben das Geschwollensein der NissL’schen Körner und stellenweise eine dicht-
blane Färbung der Grundsubstanz (Pyenomorphie) bemerkt
Eine schwere Verdunkelung des Trophoplasmas mit der Umgestaltung der
chromophilen Körner kommen auch bei anderen toxischen Processen, z. B. bei
Tetanus vor.
Die Chromatolyse, welche wir in einigen Zellen beobachteten, zeigt eine
leichtere toxische Veränderung. Die weisse Substanz ist leichter als die Zellen
afdeirt Vielleicht hat die letzte Läsion auch einen toxischen Ursprung, es ist
aber wahrscheinlicher, eine Entwickelungshemlmung anzonehmen.
Sauptsächlich sind die snbcorticalen Associationsbahnen (die Begenfasem) afficirt.
Es ist durch die Untersuchungen von Monakow und meine eigenen Untere
mchungen bewiesen, dass die Zellen der Rinde die trophisohen Centren für die
Bogenfasem darstellen. Es ist leicht zu verstehen, dass eine im embryonalen
Lieben auftretende Läsion der trophischen Zellen eine Entwickelungshemmung
ier subordinirten Associationsbahnen zur Folge hat
Wollen wir unsere Untersuchungseigebnisse kurz recapituliren, so müssen
vir folgende Thatsachen hervorbeben:
1. Eine toxische Affection der Zellen der Rinde.
2. Eine secundäre Veränderung (Entwickelungshemmung) der Himsysteme
ind besonders der Bogenfasem.
c,-.,Google
934
3. Ein völliges Fehlen der functionell entwickelten Elemente der Schild¬
drüse.
4. Klinisch ist das Angeborensein der Krankheit anznnehmen^ weil die
Kranke von Gebart an mjxödematös erschien.
Diese anatomischen Thatsaohen können zn einigen epikritischen Bemerkungen
Anlass geben.
1. die psychischen Ausfallserscheinnngen, welche dem klinischen Bilde des
Myxödems eigen sind, erklären die schweren anatomischen Läsionen der Rinde;
2. dieselben stehen mit experimentellen Angaben Eobsley’s in Zusammen¬
hang, welcher eine verminderte Erregbarkeit der Rinde bei thyroidectomirten
Tbieren beobachtete.
Wollen wir weiter noch daran erinnern, dass der B^inn der functionellen
Thätigkeit der Schilddrüse nach Hobslet zum 6. — 8. Monate des embryonalen
Lebens gehört Die höheren Nervencentren befinden 8i<fii zu dieser Zeit im
Entwickelungsprocess. Das Toxin wirkte hier auf die Oentren, wenn die Ent-
wickelungsvorgange noch nicht abgeschlossen waren. Daher folgte der Toxin¬
wirkung nicht nur eine Störung der functionellen Thätigkeit, sondern auch eine
Entwiokelungshemmung. Die gestörte Ernährung der Zellen übt eine schädliche
Wirkung auf die subordinirten Fasern aus.
Bei diesen Bedingungen sollen die höheren Associationsbahnen am meisten
affioirt sein. Wir bemerkten wirklich eine vorherrschende Atrophie der Bogen¬
fasern, weiche nur sehr spat ach entwickeln und ausschlie^ich p^chische
Functionen besitzen. Die Leitungsbahnen und die Balkenfasernng sind leichter
afficirt
Diese pathologisch • anatomischen Eigenthümlichkeiten des kindlichen Myx¬
ödems stehen in Zusammenhang mit dem Unterschiede des klinisdien Bildes
zwischen dem Myxödem der Kinder und der Erwachsenen.
Die p^chische Sphäre leidet bei Kindern mehr als bei Erwachsenen und
die psychischen Störungen sind nicht der Thyroidintherapie zugänglich. Anderer¬
seits zeigt die klinische Erfahmng, dass bei kindlichem Myxödem auch eine
gewisse Entwickelung und functionelle Thätigkeit des Nervensystems möglich
ist Man kann aber behaupten, dass im kindlichen Alter immermehr einige
Defecte der intellectuellen Thätigkeit bleiben werden. Die Thyroidinbehandlung
bei Erwachsenen beseitigt die chronische Toxämie und stellt die normale p^-
chische Thätigkeit wieder her; im kindlichen Alter kann trotz der Beseitigung
des toxischen Zustandes die psychische Thätigkeit sich nur in den Grenzen
eines degenerativ veränderten Gehirns entwickeln.
"Q \'7ca
Google
935
2. üeber den centralen Verlauf des Gowers’schen Bündels.
Von G. J. Bossoiimo,
Priv.*Doc. an der Uniyersität za Moskau.
ln Anbetracht der Bedeutung des Studiums über den weiteren Verlauf der
centripetalen Bäckenmarksjsteme im Grosshim ist das Interesse vollkommen
gerechtfertigt, welches die Untersuchungen von Hoohe, Fatbik, v. Söldeb,
Mott, Tooth u. A. über den Verlauf des GowEBs’schen Stranges, dessen
Endigungen während vieler Jahre im verlängerten Marke in der Höhe der
Oliven angenommen wurden, hervorgerufen haben.
Den angeführten Autoren gelang es, den GowEBS’schen Strang weiter zu
verfolgen, wobei einige zu dem Resultat kamen, dass derselbe, nach Erreichnng
des Gebiets der Vierhügel, im Kleinhirn endige, — mit anderen Worten, dass
er eine schroffe Umbiegung nach rückwärts in der Richtung des Kleinhirns
durch dessen vordere Schenkel ausfübre. Man könnte sich mit diesem Schema
vollkommen einverstanden erklären, in dem Falle, wenn einerseits eine solche
schroffe ümbi^nng nicht etwas paradox erschiene, andererseits, wenn wir nicht
über einer solchen Annahme widersprechende Facta verfügten, z. B. über einige
von Mott und Klimopf (Kazan. 1897. Russisch) gefundene experimentelle
Tbatsachen (der letztere Autor konnte keine secundären D^enerationen m der
Richtung zum Kleinhirn nach Durcbtrennung seiner vorderen Schenkel con>
statiren).
Unsere Untersuchungen haben uns nun zu Resultaten geführt, welche theils
mit den bestehenden Meinungen im Einklang stehen, theils mit diesen schroff
auseinandeigehen.
In Anbetracht dieses letzteren Umstandes und auch dessen, dass wir die
Endigungen des GowEBs’schen Stranges im Grosshirn fanden, wollen wir in
Kürze unsere Beobachtung mittheilen:
Es handelt sich um das centrale Nervensystem eines 12jährigen Mädchens,
welche vom ersten Beginn der spinalen Symptome, hervorgerufen durch Metastase
einer sarcomatösen (kleinzelligen) Geschwulst aus dem im retroperitonealen Ge¬
webe gel^enen Herde, in unserer Klinik beobachtet wurde.
Die Affeotion des Rückenmarks bestand ungeföhr 3 Monate, begann mit
Wnizelerscheinungen in der Höbe des unteren Brust- und oberen Lumbal¬
segment, und endigte, allmählich pr<^essirend, mit dem Bilde einer oompletten
Rnckeumarkscompression im Niveau der unteren Wurzeln des Brostmarks.
Totale Paraplegia inferior, Anästhesie beider unteren Extremitäten, der Nates,
des Perineums und des untersten Abschnitts des Bauches mit einer hyper¬
ästhetischen Zone, Incontinentia urinae et alvi, Fehlen des Fusssohlen- und des
Analreflexes, ebenso des Patellar- und Achillessehnenreflexes, Oedem der unteren
Extremitäten, Decubitus; die ganze Zeit über bestanden heftige Schmerzen im Ge¬
biete der ursprünglichen gereizten Wurzeln.
Google
936
Die Autopsie ei^ab, ausser sarcomatösen Herden im retroperitonealen Ge¬
webe, im Mediastinum poster., in den Lungen, noch Infil tration der linken
Lumbalmuskeln, saroomatöse Erweichung der linken Proc^ transvers. und der
Bögen des L und 11. Lumbalwirbels. Auf der äusseren Oberfläche der Dura
mater befindet sich ebenfalls eine weiche saroomatöse Geschwulstmasse, welche
entsprechend dem oberen der Lumbalanschwellung hauptsächlich der hinteren,
seitlichen und in geringerem Grade der Torderen Oberfläche der Dura spinalis
anliegt, indem sie röhrenförmig den oben genannten Abschnitt des Bäckenmarks
umgreift Auf der inneren Oberfläche der Dura und auch den wessen Häuten
des Böckeninarks fehlt die Geschwulst Ausserdem konnten bei der genaueren
Untersuchung der Präparate zwei saroomatöse Herde in der Böckenmarkssubstaiu
selbst nachgewiesen werden: der eine von ihnen, von spindelförmiger Gestalt,
nimmt beide Hinterstränge dn und berührt an der Stelle seiner grössten Dicke,
wobei er hier die Hinterhömer auseinanderdrängt und compriznirt, die hintere
Commissnr; er dehnt sich von der XL Dorsalwurzel bis zur 11. Lumbalwunel
aus; der zweite Herd ist von bedeutend geringerem Umfange, breitet sich im
Kopfe des rechten Hinterhoms aus und erstreckt sich, eben&lls spindelförmig,
Ton der IX. Dorsal- bis zur 1. Lumbalwurzel. Die Lumbalanschwellung zeigt
das Bild einer nicht sehr hochgradigen parenchjmatösen Veränderung (unter¬
sucht wurde nach unserer Formol-Methylenblau-Methode): zerstreut li^nde
Schollen, Kömchenzellen, geringe Infiltration in der Umgebung der Gefässe; in
einigen Zellen lassen sowohl Kern, Ausläufer, als auch Granula keine Abweichung
Ton der Norm erkennen, andere d^egen zeigen Vacuolisation, Chromatolyse,
Schwund des Kerns und vollständige Zerstörung der Zelle. Grobe VerändeningeD
der Structur mit Zerstörung der Configuration lassen sich ni^ends nachweiseo,
ausser an der Stelle, wo sich die spinalen Metastasen des Sarcoms finden.
Zur Untersuchung der secundären Degenerationen bedienten wir uns der
Methode von Dr. Cb. Bcsoh (aus unserem Laboratorium)^, welche vor der
MABCHi’schen Methode die Vortheile hat, dass die schwarzen Markschollen sich
von einem reineren und helleren Fond abheben, dass nicht ein einziger Schnitt
bei der Untersuchung verloren geht — ein so wichtiger Umstand bei Anfertagung
von Serienschnitten — und dass endlich die Zeit der Untersuchung bedeutend
abgekürzt wird.
Der nach dieser Methode untersuchte lumbale Theil ergab eine solche Menge
von Kömchenzellen und MarkschoUen, dass nicht eine einzige gründe Stelle
nachzuweisen war; die Veränderungen betreffen sowohl die weisse, als auch
graue Substanz, wobei von irgend einer Systematisirung keine Bede sein kann.
Gleichzeitig bieten die hinteren und die vorderen Wurzeln einen höheren odei
geringeren Grad der Degeneration. Diese diffusen Veränderungen erstreckeo
sich nach oben und differenziren sich allmählich erst in der Höhe der Ylll. Dorsal¬
wurzel Hier localisiren sie sich hauptsächlich in den beiden Hintersträngeo
und an der Peripherie der Vorder- und Seitenstränge; eine geringe Anzahl vou
Google
Nearolog. Centralbl. 1898, S. 476.
937
MarkschoUen lässt sich in den Winkeln der grauen Substanz und ebenfalls in
der Torderen Commissur, von wo aus man ihre Fortsetzung in die Vorder- und
Seitenstränge verfolgen kann, ln der Höhe der mittleren Dorsalwurzeln nehmen
die aufsteigenden Degenerationen fo^nde vollkommen symmetrische, typische
Gebiete ein: die GoLL’schen, Eleinhimseiten- und OowsBs’schen Strange und
die peripheren Theüe des Gmndbündels der Vorderseitenstrangbahnen im Gebiete
der vorderen Wurzeln, ln den übrigen Abschnitten des Büokenmarks gebt die
Degeneration nicht aus den oben bezeichneten Gebieten heraus (Fig. 1, 2). ln An¬
betracht der vollkommenen Symmetrie der Veränderungen werden wir nur von den
d^enerirten Bahnen der einen Seite sprechen und jeden Strang einzeln nach
oben verfolgen. Wir werden von dem anfangen, welcher in unserem Falle uns
Pig. 1. Fig. 2. Fig. 8. Fig-4. Fig. 5,
hauptsächlich von Interesse ist, der übrigen aber werden wir nur in Kürze
Erwähnung thun.
Der GowBBs’sche Strang; Im Gebiete beider Kreuzungen behält er die
ganze Zeit über seinen Platz an der lateralen Oberfläche der Med. oblong, bei,
in Form eines Dreiecks, dessen Spitze der Mittellinie zugekehrt ist, und liegt
lateral von dem Vorderhom. Einige seiner Fasern dieses Grenzgebiets zeigen
die Tendenz mehr in das Territorium der Kleinhirnseitenstränge einzudringen.
Fig. 6. Fig. 7. Fig. 8. Fig. 9.
Aus den Kernen der GoLL’schen Stränge derselben Seite ziehen einzelne dege-
nerirte Fasern bogenförmig zu dem GowEas’schen Bündel. Längs dem ganzen
Verbreitungsbezirk der unteren Oliven nimmt das GowEss’sche Bündel das ihm
eigene Territorium, ebenfalls an der Peripherie, ein, zwischen dem Corp. restif.
und der aufsteigenden Trigeminuswurzel einerseits und der dorso-lateralen Ober¬
fläche der Olive andererseits; seine Form ist hier ebenfalls dreieckig und ebenso
wie früher unten bi^en auch hier von ihm Fasern nach dem Corp. restif. um.
Die d^nerirten Fasern aus den Kernen der GoLL’scben Stränge ds^egen
biegen hier, nachdem sie einen noch schrofferen B<^en beschreiben, schon in
das degenerirte Feld der Kleinhimseitenstrangbahn ein (Fig. 3, 4, 5, 6, 7). Mit
dem Auftreten von Fasern des Corpus trapezoides rückt der GowBBs’sohe Strang
von der Peripherie ab und kommt jetzt auf der dorsalen Oberfläche dieses ersteren
zu liegen in Form eines länglichen Bündels mit etwas schräg getroffenen Fasern;
ig ti^cd :jy CjOO^Ic
938
von hier geben, entsprechend der proximalen Yerlaofericbtnng, einige wenige
Fasern in das degenerirte Corp. restif. Ober (Fig. 8). Je höher» desto mehr Ter-
schiebt sich das Gebiet dieses letzteren znm Kleinhirn, während der GowxBs’sche
Strang, gleichsam das Corp. restif. einholend, immer mehr in dorso-lateraler
Richtung vorrückt, indem er anfinglich den Winkel, welcher ron der medialen
Seite der Facialiswurzel nnd der dorsalen Seite des Corp. trapezoides gebildet
wird, einnimmt, späterhin die laterale Seite der medialen Schleife berährt (Fig. 9).
In der Höhe des Nucl. later, tegmenti fuhrt der GowEBs’sche Strang eine noch
schroffere Biegung ans, um mit seiner ganzen Masse in den Bestand der lateralen
Schleife einzngehen, längs deren Territorium er, ohne sich zu zersplittern, immer
näher znm Yelnm medulläre antic. und zum Gebiet der Trocdüeariskreuzung
rückt (Fig. 10, 11, 12). Ein Theil seiner Fasern fährt hier eine zerstreute and
bündelfdrmige Kreuzung aus, um sich mit dem entsprechenden GowsBs’sohen
Strange der anderen Seite zu Terbinden. Die Brach, oonjunct bleiben
die ganze Zeit über Tollkommen normal. In der Yierh^^elgegend hält
das GowEfis’sche Bündel, welches jetzt schon Fasern derselben und der oon>
tralateralen Seite enthält, das Gtebiet der lateralen Schleife ein, giebt ein an
den hinteren Hügel tretendes und diesen von der ventralen Seite umfassendes
Bündel ab, verläuft immer in demselben Rayon bis zur Höhe der vorderen
Yierhögel, macht hier eine scharfe Wendung in ventro-lateraler Richtung und
tritt in den Fascicul. longitud. intermedius ein, um sich in dem die Subst nigra
von der ventralen Seite umgebenden Netz und in der Substantia selbst auf-
zusplittem (Fig. 13, 14, 15). In diesem Gebilde und in dem ihm anliegenden
Netze finden sich eine grosse Menge Markschollen, deren Zahl in proximaler
Richtung immer mehr sich der medialen Linie nähert, wo eine gewiffie Anzahl
"Q'Iii’Od
Google
939
derselben auch im medialen Abschnitte des Himschenkels sich erweist; zn
dieser Stelle gelangen auch ein^e degenerirte Fasern, indem sie den Him-
scbenkel von der ventralen Seite bogenförmig umziehen, ohne den Fascic. Ion*
gitud. intermedius und die Subst nigra zn berühren (Fig. 16). Die weiteren con>
secutiven Schnittreihen aus dem Gebiete der
Ganglien und der Caps, int lassen mehrere
degenerirte bogenförmige Bündel, welche
das Gebiet des Genu caps. intern, kreuzen
und eine grosse Ansammlung von Mark¬
schollen in den beiden Gliedern des Globus
pallidus erkennen; in diesen liegen die Mark¬
schollen anfänglich in ihren occipitalen
Theilen, höher aber mehr zu ihren frontalen
Fig. 16. Fig. 17.
Enden (Fig. 17). Auf diese Weise geben die Fasern des GowEns’schen Stranges,
welche ihren Ursprung im Lumbalthei! des Büokenmarks batten und in den oben
beschriebenen Gebieten ihren Verlauf nahmen, einige Fasern in die Eleinhim-
seitenstrangbahn längs der ganzen Ausdehnung des Corp. restif. ab, nehmen
einige wenige Fasern ans dem GoLL’schen Strang derselben Seite auf, voll-
führen eine partielle Kreuzung im Tel. med. anter. und endigen in 3 Gebilden:
1. in den hinteren Vierhügeln;
2. in der Subst nigr. Sömmeringii;
3. im Globns pall. (in den beiden inneren Gliedern des Nucl. LenticuL).
Was seinen von einigen Autoren ang^ebenen Verlauf aus dem Gebiete der
^'ierhügel in das Kleinhirn nach rückwärts anbetrifft, so erlaubt uns unsere
Schnittserie nicht eine solche Annahme, und wenn auch einige Fasern des
Go'WEBs’scben Bündels in das Kleinhirn Übergeben, so sind es nur diejenigen,
welche aus ihm in die Kleinhimseitenstrangbahn übertreten.
Die Kleinhirnseitenstrangbahn; Sie weicht in unserem Falle bezüglich
ihrer Lage und des Verlaufs in Nichts von dem Bekannten ab und endigt in
den Windungen des Oberwurms. Unsere Präparate zeigen unter anderem den
CTebergang einiger degenerirter, nicht gekreuzter und in ihren Kernen nicht
unterbrochener .Fasern des GoLL’scben Stranges in das Corp. restif.
Die GoLL’schen Stränge: Dieselben waren bis zu ihren Kernen d^ie-
lerirt, welche ebenfalls mit den gewöhnlichen und auch kleineren Markschollen
D,..,Google
940
erfüllt waren, wobei «nige der Fasern, ohne hier eine Unterbrechung zu er¬
fahren, bogenförmig in die GowEBS’schen und Kleinhimseiteostrangbahnen der¬
selben Seite verliefen.
Die Wurzelzone des degenerirten Gebiets des Vorderseiten¬
stranggrundbündels konnte von nna nach oben bis in die Format reücuL
der Med. oblong, verfolgt werden, wo diese Fasern sich in dem dorso-medialen
W'^inkel der unteren Olive erschöpften.
Moskau, den 15. Mai 1898.
[Aus der propadentischen Klinik von Prof. Th. A. Lobsch zu Kiew (Bassland).]
3. Ein Fall von
doppelseitiger Ischias bei acuter parenchymatöser Nephritis.
Ton Dr. Michael napinsky.
In der Litteratur sind Mittheilungen darüber vorhanden, dass Neoralgieen
Nierenleiden begleiten können.
SncpsON ^ theilt mit, dass bei der Nephritis örtliche Paresen und Neuralgieen
beobachtet werden.
OppoiiZBB* hat die Gelegenheit gehabt bei dem Morbus Brigthi Neuralgieen
zu beobachten, welche den Verlauf der Intermittens larvata nahmen.
Beboeb’ beobachtete Neuralgieen bei chronischer Nephritis (Schnunpfniere).
Auf Grund von 9 Fällen derartiger Neuralgieen zieht der Autor folgende
Schlüsse:
Die Neuralgieen entwickeln sich bei dieser Krankheit in jenen vorgerückten
Stadien, welche die charakteristischen Veränderungen des Circnlationsapparates
darbieten. Sie treten ohne äussere Anlässe durchaus spontan auf. Das Leiden
beschränkt sich auf einzelne Zweige des Plexus ischiadicns. Die Schmerzanfille
zeichnen sich durch eine furchtbare Atrocität und lange Dauer aus. Die Neu¬
ralgieen dieses Ursprungs haben die Neigung sich anf die symmetrische Extre¬
mität zu verbreiten. Gewöhnlich wird das Gebiet der betroffenen Nerven der
Ort mannigfaltiger vasomotorischer Störnngen.
Pathologisch • anatomische Veränderungen der Nerven bei der Neuralgie
während der Nephritis sind von den erwähnten Autoren nicht fes^estellt
worden. Ebensowenig ist etwas über die nächsten Ursachen dieser Neuralgieea
bekannt. Beboeb versucht sie für ein urämisches Symptom zn halten.
* Cant. Jahresbericht. 1855. 8. S75.
* Horbas Britbi. Spitalseitung. 1859.
* lieber diabetisobe nod nepbritisehe Nearalgieen. Neorolog. CentralbL 1882.
'ig 'v7C(i
Google
941
So spärliob sind die übdr das betreffende Leiden in der Litteratiir vor*
bandenen Mittheilongen.
Die unten folgende Beobachtung (mit einem kurzeu Auszuge aus der
Krankengeschichte) kann znr Gruppe gerade derjenigen Neuralgieen gezählt
werden, die von den Autoren als nephritische beschrieben werden.
Am 8./HI. 1896 erschien io der propädeutischen Klinik (von Prof. Lobsch)
der 22jäbrige Kranke — Eappaport — und klagte Ober sehr häufige Brech- und
Diarrboean^e (8—10 kTäl am Tage). Ausserdem empfand der Patient in beiden
Beinen sehr starke Schmerzen, welche sich im Verlaufe der N. ischiadici vom Kreuz
bis zu den Zehen binzogen, und als Anfälle von 3—östOndiger, ununterbrochener
Dauer 2—3 Mal am Tage auftraten.
Anamnese: Die Schmerzen zeigten sich beim Patienten 1^/, Monate vor seinem
Eintritt in die Klinik. Sie traten augenscheinlich ohne besondere äussere Anlässe
auf. Das Erbrechen und die Diarrhoe stellten sich eine Woche vor dem Erscheinen
des Patienten in der Klinik ein, waren ungewöhnlich heftig und erschöpften den
Patienten sehr. Derselbe gehörte einer gesunden Familie an, er hatte in der Kind¬
heit die Masern und Scharlach, und vor 8 Jahren Bronchitis durcbgemacht.
Lues und Potns verneinte er. Immer führte er ein sehr mässiges Leben und
beschäftigte sich mit intelligenter Arbeit. Die letzte Wohnung, in der er 3 Monate
nnunterbrochen bis zum Eintritt in die Klinik gelebt hatte, war sehr feucht und kalt
gewesen.
Status praesens: Der Fatiept ist von mittierer Gestalt, regelmässigem
Körperbau und sehr schlecht genährt. Die Hautdecken und die Schleimhäute sind
sehr blass. Ein leichtes Oedem der Fasse und der Augenlider ist vorhanden. Die
LjfflpbdrOsen sind wenig fühlbar. Die Gelenke beider Beine sind vollkommen frei
beweglich. Die Muskeln sind schwach entwickelt. Der Bauch ist leicht aufgebläht,
bei Percussion leicht tjmpanitisch gedämpft.
Die Grenzen der Leber und der Milz weichen vom Normalzustände nicht ab.
Die Milz ist nicht fühlbar. Das Gebiet beider Nieren und des ganzen Dickdarmes
ist sehr empfindlich. Die Spitze des Herzens befindet sich einen Finger breit links
von der Linea mammülaris. Die rechte Grenze des Herzens ist auf dem linken
Bande des Sternum. Leichte systolische Geräusche sind an allen Klappen hörbar.
Der zweite Ton der Aorta hat einen starken Accent. Der Puls ist zusammeugedrückt,
hart und hat 66—70 Schläge in der Minute. Die Grenzen der Lungen sind normal.
Der (percutorische) Ton derselben ist normal. Bei der Auscultation sind leichte
Rhonchi sibUlantes hörbar.
Die Temperatur beträgt in der Achselhöhle 36,2—37,2. Sechs spärliche schleimig-
wässrige Entleerungen finden in 24 Stunden statt.
Der Ham beträgt 600 ccm in 24 Stunden. Er ist trüb, röthlich und hat einen
reichlichen Niederschlag. Das specifische Gewicht beträgt 1,024. Die mikroskopische
Untersucbnng zeigt epitheliale fett-degenerirte Cylinder in grosser Anzahl, Zellen ans
den Hamcanälen und reichliche rothe Blutkörperchen. Der Eiweissgehalt betr^ 10
pro 1000,0. Galle-Pigmente und Zucker sind nicht vorhanden.
Die Betastang der Nn. ischiadici vom Kreuz bis zum Knie, der beiden Nn.poplitei,
tibialis et peronei in ihrer ganzen Verbreitung zeigt eine sehr grosse Schmerzhaftig¬
keit. Das Beogen der gestreckten Beine im Hüftgelenk über ISO*’—140*^ ruft
die grössten Schmerzen in den beiden Xn. ischiadici und im Gebiete der Verbreitung
der Nn. peronei hervor. Die Schmerzen lassen jedoch sofort nach, weun das ge¬
streckte Bein im Knie gebeugt wird. Das im Knie gebeugte Bein kann man sogar
an den Bauch pressen, ohne dass der Patient besonders unangenehme Empfin¬
dungen hätte.
K.Googlc
942
Die willkQrliche Beweglichkeit aller Moskeln beider unteren Eztremit&ien ist
völlig normal. Die passive Beweglichkeit desselben zeigt keinerlei Steifigkeit. Alle
Arten der Sensibilität (Schmerz, Berührnng, Orts* and Maskelsinn, Temperatar-
empiindung) an den beiden Beinen und am Kumpfe weichen keineswegs von der
Norm ab. Der BeSex auf das Kitzeln der Fusssohle, sowie die Cremaster* and
Baachrefieze sind sehr lebhaft. Der Fossclonas ist beiderseits vorhanden, die
Fatellarrefleze sind normal. Keinerlei Blasen* oder Sphincter ani • Störung sind be¬
merkbar. Die Pupillen reagiren beiderseits gleich prompt auf Lichteinwirkongen.
Die Betastung der Kreuz* and Inguinalgegend von anssen und per rectum zeigt
keinerlei Qeschwulst oder sonstige Abnormitäten im Becken.
Die faradische und galvanische Beaction beider Nn. ischiadici, peronei, tibiales,
obturatorii et crurales sind durchaus normal.
Nach 2 Wochen starb der Patient unter den Erscheinungen der immer weiter
vorscbreitenden Anurie und Urämie.
Die aus der Leiche herausgeschnittenen Nn. ischiadici (die vollstängige Obduction
wurde von den Verwandten des Patienten nicht gestattet) waren in der UQl 1er'-
(U
Fig. 1.
sehen Flflssigkeit gehärtet und die von ihneu gemachten Schnitte wurden nach Pal,
Weigert und durch Carmiu und Alaun-Haematozilin gefärbt
Die mikroskopische Untersuchung solcher Schnitte zeigte Folgendes:
Das Epineurium enthielt keinerlei Spalten oder Höhlungen, die man durch das
Oedem derselben hätte erklären können. Seine einzelnen Bindegewebsfasern waren
von normaler Dicke und gut zu unterscheiden.
Die Zahl der Vasa epineurii war augenscheinlich vermehrt. Die Zellkerne
ihrer Wände waren sehr gross und sehr intensiv geßrbt. Die Zahl der Kerne war
in einigen Vasa epineurii sehr vermehrt Indem sie nach aussen und nach innäi
wucherten (Periendoarteriolitis), verengten sie das Lumen und infiltrirten das Oewebe
des Epineurium (Fig. 1, b). Solche stark entartete Gefösse waren leer; andere, deren
Wände noch nicht verdickt waren, waren sehr hjperämisch (Fig. 1, a).
Das Perineurium war überhaupt nicht verändert und umschloss überall das
Nervenbündel ebenso eng wie in der Norm.
Die allgemeine Masse des Endoueurium war nicht vermehrt
Die Vasa endoneurii waren ebenso wie die Vasa epinenrii durch die Periendo¬
arteriolitis verändert Ihre Wände enthielten eine vermehrte Anzahl von Kernen
(Fig. 1, e), die, nach aussen wuchernd, das Gewebe des Endonenrium infiltriren, and,
MoyGOOgIC
943
Dach innen wncherod, das Lumen verengten. Einige Qeßtsae waren stark mit Blut
gefüllt.
Die Zahl der Myelinfasem war unverändert. Am Längsschnitte war eine Ver*
mehrung ihrer Kerne nicht bemerkbar. Die Mehrzahl der Fasern batte eine cyliu-
drische Form, eine gleichmässige Oberfläche,
eine gleichstarke Färbung. Die Minderzahl der
Fasern wies einige Veränderungen des Myelins
auf: sie waren ungleichmässig geerbt, ent¬
hielten stark geübte Klümpchen und Körner
(Fig. 2). Ihre Scheide hatte keine parallelen
Bänder und war stellenweise garnicbt vor¬
handen. Jedoch war die Zahl solcher Fasern
mit den Anzeichen des Verfalls sehr gering.
Wenn wir alles bisher gesagte recapituliren, so sehen wir, dass beim
Patienten, der über Schmerzanfälle im Verlaufe der Nn. isohiadici klagte, ob-
jectiv eine starke Empfindlichkeit der Stämme derselben gegen Zerrung und
Druck gefunden wurde, bei völliger Abwesenheit irgend welcher Veränderungen
in ihren Functionen und bei normaler Beaction auf den elektrischen Strom.
Ein derartiges klinisches Bild entspricht der Neuralgie. Dagegen wurde mikro¬
skopisch eine Entartung und Obliteration der Vasa nervorum gefunden, eine
starke Hyperämie der weniger degenerirten von denselben und eine Infiltration
des Gewebes des Epi- .und Endoneurium durch Kerne bezw. Zellen. Stellenweise
zehrte sich der Zerfall des Myelins.
Ein derartiges patholc^ch-anatomisches Bild lässt annehmen, dass ausser
den toxischen Ursachen, welche Beboeb wahrscheinlich unter dem Worte „urä¬
mische Symptome“ versteht, die neuralgischen Schmerzen bei der Nephritis auch
durch örtliche Veränderungen im Gewebe des Nerven selbst hervorgerufen werden
können. Die nächsten Ursachen dieser Veränderungen können in der Entartung
der Gefässe liegen. Es ist sehr schwer, anzunehmen, dass die Obliteration einiger
Vasa nervorum nicht auf die Ernährung derjenigen Nervenfasern, welche bis
dabin ihr Blut von ihnen erhielten, einwirken sollte. Noch weniger ist zu er¬
warten, dass die das Gewebe des Nervenbündels infiltrirendeu Kerne, indem sie
zwischen Nervenfasern dringen und sie zusammendrücken, diese einzelnen Nerven¬
fasern unbeschädigt la^n sollten.
Die Veränderungen der Vasa nervorum in den Fällen von nephritischen
Neuralgieen erscheinen um so wahrscheinlicher, als die Erkrankung der Blut¬
gefässsysteme bei Nierenleiden überhaupt ausser jedem Zweifel stehen.
Was die betreffende Beobachtung anlangt, so muss bemerkt werden, dass,
ähnlich wie in Bebgeb’s Fällen, die Erkrankung eine doppelseitige war, sie
entwickelte sich ohne irgend welche äussere Anlässe und bestand in sehr lauge
anhaltenden und unerträglich schmerzhaften Anfällen. Nicht ganz vereinbar
mit den Beobachtnngen Bebgeb’s ist es, dass die Neuralgie sich bei der be¬
schriebenen Krankengeschichte nicht während der chronischen Nephritis, sondern
bei der acuten parenchymatösen Nephritis entwickelte, und nicht einzelne Zweige
der Nn. ischiadici, sondern alle Hauptäste derselben ei^riff.
Pig. 2.
- Google
944
11. Referate.
Anatomie.
1) Ueber die Primitiyflbrillen in den Ganglienaellen vom Menaohen and
anderen Wirbelthieren. von Albrecht Bethe. (HorpboL Arbeiten, beraus-
gegeben von 0. Scbwalbe. 1898. Bd. YIII. S. 96.)
Nachdem es Apatby gelangen war, an der Hand einer besonderen, von ihm
geschaffenen Methodik (Nacbvergoldnng in Sublimat Qxirter Objecte, Goldimprägnation,
Methylenblau- und Hämatoxylintinction nach besonderen Vorschriften) die nbrülen
in den Nervenzellen and Fasern von Himdineen und Lumbricus mit einer ungeahnten
Klarheit nacbzuweisen, hat sich nun Yerf., angeregt durch die Apäthy’schen
Methoden, bemüht, eine Methode za finden, die die Fibrillen aach im Nervenplasmt
der Wirbeltbiere mit gleicher oder annähernder Schärfe hervorzuheben geeignet sei
Das Brgebniss dieser Bemühungen ist ein neues Färbeverfahren, das in der Tfa&t,
wie Ref. nach eigener Anschauung bestätigen kann, allen bisher zu diesem Zwecke
empfohlenen Methoden flberl^en ist, namentlich was den Zellkörper centraler Nerven¬
zellen betrifft, während für den Axencylinder auch mit anderen Färbungen ähnliche
Resultate zu erreichen sein dürften. Eine ausführliche Mittheilung seiner Methode
hält sich Yerf. für eine spätere Veröffentlichung vor; das wesentliche dea Verfahrens
erfahren wir aber bereits aus den kurzen Andeutungen, die Yerf. hierüber in seiner
Arbeit: Das Centralnervensystem von Carcinus Maenas. Archiv f. mikrosk. Anatomia
Bd. LI. S. 366 macht Darnach bandelt es sich zunächst darum, die Nissl’scben
Schollen, die die Färbung der Fibrillen beeinträchtigen, aus den Zellen zu entfernen.
Dies erreicht Yerf. durch Behandlung der Schnitte mit Ammoniak und Salzsänre.
Von der Voraussetzung ausgehend, dass die Fibrillen, die sich ja bekanntlich bei
Färbungen acidofil verhalten, aus einer basischen Substanz bestehen, bindet Verf.
diese Base dnrch Molybdensäure und bewirkt dadurch eine völlige Omkehrnng des
förberischen Verhaltens der Fibrillen. Die Molybdensäure hat nämlich die Eigen¬
schaft, mit verschiedenen basischen Anilinfarbstoffen unlösliche Yerbindongen n
bilden. Am besten hat sich zu diesem Zweck das Tolnidinblau bewährt, durch das
also die nun mit Molybdensäure imprägnirten Fibrillen, entgegen ihren ursprflngUcheD
Farbstoffneigungen, in intensiv blauer Farbe dai^estellt werden können.
Die Fibrillen im Axencylinder peripherischer Nerven schildert Yerf. als feine,
glattcontonrirte Fäserchen, die meist leicht wellig nebeneinander verlaofen. Mac
kann sie auf längere Strecken (mehr als 50/<) verfolgen und sich hierbei Über¬
zeugen, dass keine Querverbindungen zwischen ihnen bestehen; da auch an den
Querschnitten der Axencylinder die Fibrillen als gegeneinander vollkommen isolirte
Punkte erscheinen, so sei die Annahme eines wabenartigen Aufbaues des Axes-
cylinders (Bfitschli, Heid, Cajal) als widerl^ zu betrachten. Die zwischen
den Fibrillen befindliche Substanz erscheint bei der Färbung des Yerf.'s homogen. —
Etwas schwieriger ist es, die Fibrillen in den centralen Axencylindem darznstellra,
da sie hier viel dichter liegen, indessen lassen die Erfahrungen des Yerf.’s auch
hier über die gleiche Structur der Axonen keinen Zweifel übrig. Bemerkenswerth
ist das vom Yerf. festgestellte Verhalten der Fibrillen an • der Bifurcationsstelle dw
sensiblen Fasern. Die Fibrillen der Stammfaser weichen Y-artig auseinander; direkte,
aus dem einen Tbeilungsast geradlinig in den anderen übergehende Fibrillen bst
Yerf. nicht gesehen. Yerf. hebt dies hervor als einen Beweis zn Gunsten der An¬
nahme, dass die Fibrillen wirklich reizleitende Apparate und nicht etwa nur Stütz*
gebilde sind. — In den Collateralen der Hinterstrangfasem sind die Fibrillen aof-
Googlc
945
fallend dick, doch handelt es sieh hier wahrscheinlich nicht um einzelne PriniitiT-
fibrillen, sondern um verklnmpte FibrillenbOndelchen. Sie treten bogenförmig aus
dem Verlauf der Längsfaser heraus, natürlich immer mit cellulifugalem Bogen, daher
man an longitudinalen Rückenmarkschnitten aus der Art ihrer Herausbiegung be¬
stimmen kann, ob die Längsfaser, aus der sie entspringen, im Rückenmark auf- oder
absteigend verläuft.
ln den Nervenzellen erscheinen die Fibrillen ebenfalls als wohlindividnalisirte,
stark geRLrbte Bildungen, die durchaus nicht lediglich den Eindruck einer „Proto-
plasmastructur“ machen, sondern als richtige selbständige Fasern aufzufassen sind.
Ihre Bündelchen füllen die zwischen den Nissl'schen Schollen übrig bleibenden
Zwischenräume aus. Das Nissl-Bild stellt also das Negativ des Fibrillenbildes
dar. ln den einfacheren, mehr länglichen Zellen, io denen die Schollen eine regel¬
mässige spindelförmige Gestalt und eine einfache Anordnung zeigen, gelingt es, alle
Primitivfibrillen continuirlicb von Fortsatz zu Fortsatz durch den Zellleib hindurch
zu verfolgen; in den plumperen Zellen dagegen mit complicirterer, unregelmässiger
Anordnung der Schollen, wie z. B. in den motorischen Vorderhornzellen des Rücken¬
marks, sieht man daneben immer auch noch eine Anzahl von Fibrillen, deren weiterer
Verlauf nicht klargestellt werden kann. Immerhin h:t es aber auch für diese
Fibrillen höchst wahrscheinlich, dass sie sich wie die anderen verhalten, d. h. durch
die Zelle glatt hindurchgehen. Nur iu überaus seltenen Fällen sah Verf. Theilui^en
der Fibrillen in der Zelle; die Regel ist, dass sie ganz ungetheilt die Zelle durch¬
setzen. An einzelnen Zellformen, z. B. an den oben erwähnten motorischen Vorder-
bomzellen, bilden die Fibrillen manchmal in den inneren Tbeilen der Zelle, in der
Umgebung des Kerns, ein ziemlich dichtes Gewirr, das auf den ersten Blick wie
ein Netzwerk aussieht; tbatsächlich ist es aber kein Netz, sondern ein Filzwerk,
das aus isolirten Fibrillen besteht. Allem Anscheine nach kommt es in den Nerven¬
zellen niemals zu einer Verbindung der Fibrillen unter sich, sondern sie durchziehen
die Zelle vollkommen isolirt gegeneinander. Verf. tritt hierdurch in einen gewissen
G^ensatz zn Äpäthy, der auf S. 628 seines Werkes angiebt, dass die Neurofibrillen
nicht nur bei Wirbellosen, sondern auch bei Wirbelthieren im Zellkörper der Nerven¬
zellen ein förmliches Gitterwerk bilden sollen.
ln vielen Zellgattungen zeigen die Fibrillenbündelchen einen spiraligen Verlauf,
wodurch ihre Verfolgung sehr erschwert wird, so z. B. in den grösseren Pyramiden¬
zellen, den solitären Hinterhornzellen. Eine sehr interessante Beobachtung sei hier
besonders hervorgeboben. Theoretisch sollte man meinen, dass sich die durch die
Deudriten in den Zellkörper einströmenden Fibrillen schliesslich alle im Nervenfortsatz
vereinigen. Dem ist aber nicht so; ein grosser Theil der Fibrillen biegt aus dem
einen Dendriten gleich wieder in einen Nachbardendriten ein; ja es giebt Fibrillen,
die in grosser Entfernung von der Zelle aus dem einen Seitenzweig eines Dendriten
an der Theilungsstelle gleich in einen anderen Seitenzweig einlenken, die also gar
nicht das Gebiet der Zelle betreten.
Verf. giebt eine sehr ins Einzelne gehende Schilderung des Fibrillenverlaufs in
verschiedenen Zellen (Vorder- und Hinterbornzellen, Pnrkinje’sche Zellen, Pyramiden¬
zellen), die sich einem erschöpfenden Referate schon deshalb entzieht, weil sie sich
hauptsächlich an die der Arbeit beigegebenen Abbildungen anlebnt. Nur das sehr
übersichtliche Verhalten der Fibrillen in den Pyramidenzellen sei hier als Beispiel
angeführt. Die meisten Fibrillen verlaufen hier in der Längsrichtung der Zelle, sie
strömen im Haupidendriten („Spitzenfortsatzder Zelle zn und vertheilen sich
gleichmässig auf die Basalfortsätze, ohne den Axon irgendwie zu bevorzugen; der
Nervenfortsatz enthält also nur einen Theil der Fibrillen. Daneben giebt es noch
eine Anzahl von quer durch die Basis der Zeile biudurchziehendeD Fibrillen, die
einerseits die seitlichen Dendriten mit einander, andererseits diese mit dem Axon
verbinden. Die Fibrillen erschienen in den einzelnen Dendriten oft zu mehreren
60
Googli
946
BAnddlchen angeordnet; jedes B&ndelchen entspridit in der Begel einem Äst des
Dendriten. Der Nervenfortsatz zeigt ein sonderbares Yerhaltmi. Bleich an seinen
Ursprünge legen sich die Fibrillen so dicht aneinander, dass man das Bild ein«
soliden Stranges erh< and der Fortsatz recht dOno erscheint. Unweit von der
Zelle schwillt er aber wieder an and hier wird dann die fibrilläre Stractor wieder
deutlich. Von einer Netzbildong der Fibrillen ist in diesen Zellen ebensowenig etwas
ZQ sehen, wie in anderen.
Schon aas diesem einen Beispiel ersieht man, dass in Bezug auf den Verlaaf
der Fibrillen ein durchgreifender Unterschied zwischen den Dendriten und dem Kervea-
fortsatz nicht besteht und das gleiche gilt fflr alle vom Verf. untersachten Zoll*
gattungen. Der Nervenfortsatz erscheint dorebaus nicht als die Sammelstelle aller
durch die Dendriten dem Zellkörper zoströmenden Fibrillen, was ja eigentlich aacb
bei der oft grossen Zahl von Dendriten ohne Anastomosen der Fibrillen fast tm*
m(^lich wäre, sondern enthält ebenso wie die anderen Fortsätze nur einen Theil
davon.
Ueberblicken wir die vom Verf. mit seiner nenen vortrefflichen Methode ge¬
wonnenen Ergebnisse, so scheint es durch sie in der Tbat zuverlässig nachgewieseu,
dass in den centralen Nervenzellen das Zellplasma besonders in den Fortsätaen
und den peripherischen Theilen des Zellkörpers eine fibriUäre Differenzimng erfohren
kann oder vielleicht sogar regelmässig erßhrt, wobei die Fibrillen als auf längere
Strecken selbständig verlaufende Gebilde zur Entwickelung kommen und bei den
einzelnen Zellsorten einen bestimmten, offenbar mit deren Form zusammenhängenden
Verlauf haben. Wenn diese Fibrillen bisher bei verschiedenen Forschem, theilweise
auch beim Eeferenten, auf Bedenken gestossen siud, so ist dies ja erklärlich ans
dem Umstande, dass die bisherigen Methoden in der That nicht im Stande waren,
sie mit jener Sicherheit zur Ansicht zu bringen, die man vom Standpunkte einer
exacten Forschung fordern muss.
Mit einiger Spannung muss man erwarten, wie sich bei des Verf.'s Färboog die
peripberiseben Nervenzellen verhalten, die in Bezug auf die Anordnung des Tigroids
einen wesentlich anderen Typus zeigen als die centralen Zellen, und bei denen der
Nachweis von Fibrillen mit anderen Methoden mit der grössten Schwierigkeit ver¬
banden ist Verf.’s Arbeit enthält hierfiber nichts.
Inwieweit aber die O^enwart and Anordnung dieser Fibrillen uach der phjsio-
logischen Sichtung hin Verwerthang finden kann, bleibt einstweilen noch dakio-
gestellt Bin zwingender Grund ihr die Schultze-Apäthy’sche Auffassung, daas
einzig und allein die Fibrillen die leiteude Substanz darsteUen, die Interflbrillir-
Substanz dagegen ans der Beizleitung vollkommen ausgeschlossen ist, scheint dem B«f-
in keiner Weise vorznliegen. Auch Verf. drückt sich in dieser Beziehung sehr T 0 ^
richtig aus. Mit der Bejahui^ oder Vemeinnng dieser Frage aber stehen und fallm
die weiteren Schlussfolgerungen, die Verf. an seine Befunde knüpft, so z. B. die.
dass ein wesentlicher Unterschi^ zwischen Dendriten und dem Nervenfortsatz aickt
vorhanden sei, sowie auch die Annahme, dass in Anbetraoht des oft ans einem Des-
driten in den anderen ombiegenden Verlaufe der Fibrilleu die Dendriten sowohl celioli-
petal wie cellulifugal leiten können. So lange nicht die alleinige reizlritrade PanefioD
der Fibrillen und der Ausschloss der interfibrillärsabstanz aus der Beizleitung dordi
andere Momente genügend erwiesen ist, könnte man mit gutem Becht den Spie«
umkehren und sagen, dass die vom Verf. enthüllte Anordnung der FibriUw ibhI
der Dendriten ein Beweis sei gegen ihre ausschliessliche err^ngsleitende Bedeutung.
Welchen Sinn sollte Oberhaupt die bei anderen Methoden so scharf hervonreteode
morphologische Verschiedenheit d» Nervenfortsatzes g^nüber den Dendriten (Mangel
des Tigroids, scharfe Grenzen, gleiches Kaliber n. s. w.) haben, wenn damit niekt
eine physiologische Verschiedenheit vwknüA wäre?
Google
947
Die Unteranchangen des Verf. sind als eine ansserordentiich dankenswerthe
Bereicherong nnserer Kenntnisse vom Anfban des Nervensystems zn begrflssen.
Mit den vielen Aufscblflssen und Anschauungen, die uns die Golgi’scbe und
MethylenblaomeÜtode vermittelt bat, stehen sie — wenigstens die bisher verbffent>
lichten Erfahrungen des Verf.’s bei Wirbelthieren — in keiner Weise in Wider*
sprach; sie stellen einen weiteren Schritt in der Erkenntniss des Nervensystems dar,
der sich jenen Errungenschaften ohne jede Collision ot^nisch angliedem lässt Bei
dem Mangel jeden Gegensatzes sind daher die etwas schroffen Bemerkungen am
Anfänge des Aufsatzes, deren Spitze sich gegen die Golgi’sche Methode richtet,
nicht leicht verständlich. Sie mögen als Ausdruck einer besonderen Idiosynkrasie
des Verf.’s hingenommen werden, aber mit dem Inhalt seiner Arbeit stehen sie in
keinem inneren Zusammenhänge. Es ist Niemandem eingefallen, zu behaupten, dass
die Golgi'sche Methode geeignet sei, Ober die Frotoplasmastroctur der Nervenzellen
und ihrer Fortsätze Anfschlflsse zu geben. Ihre Leistungsfähigkeit bewegt sich in
einer ganz anderen Richtung: wie keine andere Methode, ist sie in Stande, die Form,
Verästelungsweise, Gruppirung der verschiedenen Zellgattungen des Nervensystems,
ihr gegenseitiges räumliches Yerhältniss, die Drspmngsweise und Endigung der Nerven¬
fasern u. s. w., mit einem Worte das, was man die mikroskopische Topographie, den
inneren Aufbau des Nervensystems nennen kann, zur Ansicht zu bringen. Die
„Golgi*Periode“ kann das Verdienst für sich in Anspruch nehmen, auf einem Ge¬
biete, wo vielfach sozusagen nur Rudimente eines Wissens vorhanden waren, Licht
verbreitet zu haben. Denke man sich einmal alles weg, was wir durch diese Me¬
thode erfahren haben — die Aufschlüsse Ober den Bau des Rückenmarks, der peri¬
pherischen Ganglien und Nervenendigungen, der Netzhaut, der Eleinhimrinde, Gross*
himrinde u. s. w. —, und man wird es am besten fühlen können, wie viel wir ihr
verdanken. Die Golgi’scbe Methode mag „einseitig“ sein, wie sie Verf. bezeichnet,
aber das ist ein Nachtbeil, der allen unseren Methoden anbaftet, und nicht am
wenigsten der Bethe’schen FibriUen^bung, mit der man ja niemals das, was uns
die Silberimpi^niation gelehrt hat, hätte ergründen können. Verf. sollte nicht ver¬
gessen, dass, wenn er sich jetzt bei seinen Fibrillenstudien mit solcher Sicherheit
und Leichtigkeit unter den verschiedenen Zellgattungen aaskennt, wenn er von der
Bifurcation der sensiblen Fasern und ihren CoUateralen spricht, er auf der Grundlage
iteht, die durch die Golgi’sche Methode gewonnen wurde.
M. V. Lenbossdk (Tübingen).
Experimentelle Physiologie.
2) Mddioatlon thyroldienne et arsexüo, par Bddart et Habille. (Comptes
rendus de la soc. de biolog. 1898. 21. Mai.)
Yerff. haben die interessante Thatsache entdeckt, dass die nach Thyreoidea*
Otterung bei Menschen und Thieren eintretenden Störungen von Seiten des Circulations*
ipparats (Tachycardie) und Nervensystems (Tremor, Excitationszustände) durch Dar-
-eichung von Arsen in der Form des Liq. Fowleri verhindert, bezw. wenn sie sich
chon entwickelt haben, beseitigt werden. — Die Yerff sehen daher in dem Arsen
lin branchbares Antidot gegen die schädlichen Folgen der Thyreoideafüttemng und
ombiniren mit bestem Erfolg in den einschl^igen Fällen die gleichzeitige Darreichung
leider Medicamente. — Auch die durch die Schilddrüsenfütterung erzielte oft nn*
rwfinschte Abmagemng der Patienten wird dnrch den gleichzeitig verabfolgten
,iq. Fowleri verhindert oder mindestens eingeschränkt.
* W. Cohnstein (Berlin).
60*
- K, Google
948
3) Die Verriohtongeix der Hypophyee, von B. v. Cyon. (Pfi&ger’s Aitbiv.
Bd. LXXL)
Verf. hat Hypopbysenoztract des Kalbs- oder Ochsengebirns Händen and
Kaninchen eingespritzt Er stellte fest, dass nach venöser Injection die Freqnein
der Herzscbl^e abnimmt, während die Berzcontractionen gleichzeitig stärkM- werden.
Der Blotdrnck steigt nur f&r kurze Zeit, aber beträchtlich. Bei schwacher wirkenden
Extracten geht der Dmcksteigerung eine Dmcksenkung voraus. Am wirksamsten
waren Eztracte, welche aus der getrockneten and gepulverten Hypophyse darcb
längeres Kochen unter Atmosphärendrock erhalten wurden. Weiter ergab sich, dass
einige Cobikcentimeter von Hypophyseneztract im Kreislauf des Kaninchens genOgen,
um die Lähmung der Tagi durch Atropin (0,007 g) zu verhindern. Hierin stimiDt
der Hypophyseneztract mit dem Jodotbyrin überein.
Eine schwache elektrische oder mechanische Beizung der Hypophyse am lebenden
Thier ruft die nämlichen Veränderungen der Herzschläge und des Blutdrucks hervor
wie die Einspritzungen der Hypophyseneztracte. ln seltenen Fällen ruft der mecha¬
nische Druck auf die Hypophyse umgekehrt eine Depression des Blutdrucks hervor,
mit oder ohne gleichzeitige Bescbleunigung der Herzschläge. Die blosse ErC^ung
der Sattelböble, wenn sie vorsichtig und ohne Berührung der Hypophyse gelingt,
sowie ein leichter Druck auf das uneröftiete Dach dieser Höhle, ruft ebenfalls oü
eine kleine Blutdrucksenkung mit Pulsbescbleunigung hervor.
Noch auffälliger war folgende Beobachtung: die nach Compression der Aorta
deecendens regelmässig eintretende, auf Vaguserregung beruhende Pulsverlangsamnng
bleibt nach Ezstirpation der Hypophyse aus. Verf. nimmt an, dass der durch die
Compression der Aorta gesteigerte Druck in der Schädelhöhle direct die Hypophyse
erregt und erst von dieser aus reflectorisch — auf vielleicht im Tuber cinereuD
verlaufenden Bahnen — die Vagi erregt werden.
Der Hypophyse würde danach eine chronische und eine uiechaniscbe
Function zokummen. Erstens erzeugt die Hypophyse eine ähnlich wie das Jodotbyrin
das Herz- und Gefässnervensystem beeinflussende Substanz, und zweitens setzt sie
bei den geringsten Druckveränderungen in der Scbädellinie Schntzapparate in Tbätig-
keit, durch welche die Druckstörungen beseitigt werden. Die Beseitigung erfolgt
wahrscheinlich dadurch, dass die Erregung der Ya^ eine enorme Beschleunigung d«
Blutstroms in den Venen der Schilddrüse und — in geringem Maaase ,— auch in
anderen Körpervenen erzeugt
Die chemisch wirksame Substanz der Hypophyse, das „Hypophysin^', ist nach
Verf. eine oiganiscbe Phosphorverbindung. Th. Ziehen.
Pathologische Anatomie.
4) Des Idsions m^dullaires dans le tAtanos ezpdrimental, par F^choutre.
(Comptes rendus de la soc. de biolog. 1898. 25. Joni.)
Verf. injicirte Kaninchen virulente Tetanoscultnr und tödtete die Tbiere nacb
4 Tagen. — Bei der Untersncbung des Bfickenmarks nach Nissl fand er constanl
folgende Veränderungen, die in den ControUpräparaten von gesunden Thieren stets
fehlten:
An den Zellen der grauen Vorderhömer wurde zunächst die Conturirung un¬
deutlich, dann veigrösserte sich das Volumen der Zelle und gleichzeitig trat eine
diffuse Färbbarkeit der achromatischen Substanz in Erscbeinung. Die NissTschoi
Granula verloren ihre r^elmässige Anordnung and zerfielen zu gleicher Zeit io
feinen, kaum mehr sichtbaren Staub. — Die Protoplasmafortsätze zeigten ähnliche
Degenerationssymptome. — Der Kern und das Kemkörpercheo vergrösserten sich
■' Google
949
und verloren ilire centrale Lage; aacb veränderte eich die Färbbarkeit des Kerns
insofern, als er sich lebhaft nach Nissl tingirte, was normalerweise nicht der
Fall ist. W. Cohnstein (Berlin).
6) Contribution ä l’ätude des enoöpbalooäles oongönitales, par Dr. Froelich
(Nancy), (MÄlecine infantile. 1898. Vol. II. Nr. 4.)
Bei einem 2^/2jährigen Mädchen bestand ein angeborener, dem Hinterhaupt
mit breitem Stiele anfsitzender Tumor, der seit der Geburt von Nuss- bis Faustgrösse
gewachsen war. An demselben war eine Zweilappung auffallend; der obere kleinere
Antbeil zeigte Puls* und Bespirationsschwanknngen, die grössere untere Partie bot
mehr die Erscheinungen eines soliden Tumors.
Die mit Erfolg ausgeführte Operation und die nachfolgende histologische Unter¬
suchung des Tumors ergaben, dass derselbe grösstentheils aus einem Bbrös-cystischen
Gewebe bestand und meist an seinem Stiele Himrindenelemente aufwies. Der Terf.
bezeichnet diese Art von Himgeschwfllsten nach Ddrier und Berger als Encephalom,
im Gegensatz zur Encephalocele, bei welcher die Wand des ganzen Tumors ans
nervösen Elementen zusammengesetzt ist. In der reichlichen Bind^ewebswucherung
und dem Aufhören der Pulsation in einem Tbeile der Geschwulst sieht Verf. einen
Spontanheilongsprocess, indem dadurch die Neigung zur Consolidirui^ angedeutet
erscheint. Ans diesem Grunde ist es vielleicht bei nicht bestehender Leben^efabr
angezeig^ mit der Operation derartiger Tumoren zu warten, um die eventuelle Nei¬
gung zur Selbstheilung als gflnstigen Operationsfactor ausnfltzen zu können.
Zappert.
4
6) Beitr^ zur pathologiaohen Anatomie des Nervensystems bei dem
Tetanus des Mensohen, von Dr. Wilhelm Goebel. (Monatsschr. f. Psych.
u. Neurolog. 1898. Bd. III.)
Im Anschluss an einen Biss der Patellarsehne, der genäht worden war, und
geeitert batte, entwickelten sich Krämpfe in den Hasseteren, Schmerzen im Nacken
und allgemeine tonische Krämpfe. Trotz Tetanusantitoxin erfolgte der Tod am
9. Tage. Bei der Section zeigte sich Hyperämie der Lungen, der Leber, der Nieren
und der Milz. Auf der Serosa des Herzens und der Longen fanden sich zahlreiche
Blutungen. Gehirn und Bfickenmark waren makroskopisch unverändert. Verf. fand
aber mikroskopisch mit der Harchi- und Nissl-Methode interessante Veränderungen
an den Strängen nnd den Ganglienzellen des Bflckenmarks, die er in der vorliegenden
Arbeit beschrieben, mit denen anderer Autoren verglichen nnd in vortrefflichen
Zelcbnungen reprodncirt bat G. Ilberg (Soonenstein).
Pathologie des Nervensystems.
7) Sul disturbi psichiol e sulle alteraaloni del slstems nervoso per in-
sonnia assoluta, per C. Agostini. (Biv. speriment di Freniatria. XXIV.)
Im Anschluss an 2 Fälle, in denen nach einer schlaflosen Periode von 6 bezw.
) Tagen und Nächten ein deliriöser Znstand znm Ausbmch kam, der nach ge-
iftgender Bnhe schnell in Heilung überging, bespricht Verf. die in der Litteratur
liedergelegten ähnlichen Beobachtungen. Des ferneren erörtert er die Pathogenese
[es Leidens nnd schlägt für dieselbe den Namen: „transitorisches agrypnisches De-
irinm'* vor. Es ähnelt sehr dem Schlaf and ist charakterisirt durch iocohärente
fnllacinationen, plötzliches Entstehen, durch Verwirrtheit begleitet, von ungeordneten
laudlongen und wechselnden Affecten, durch Trübung des Bewusstseins und durch
Google
950
consecntiTe Amnesie. Seine Daaer beträgt wenige Stunden bis einige Tage. Die
Prognose ist eine gute. Autointoxicatioo und in Folge dessen Schädigongeo der
Nervenaellen bilden die ätiologisch-anatomische Grundlage.
Der experimentelle Theil der Arbeit berichtet Ober 2 Hunde, deren Nerven-
System nach 17 beiw. 12 schlaflosen Tagen vom Verf. untersucht vmrde. An den
Zellen der Hirnrinde und der Spinalganglien fand Verf. Fragmentation der Tigroid-
körper; also Resultate, die mit denen Daddi’s äbereinstimmen (s. d. Centralbl
1898. S. 502). Klinisch f&hrte die Schlaflosigkeit bei den Thieren an fortschrä-
tender Erschöpfung der psychischen Thätigkeit, zu einer Verringerung der sensoriellen
Perceptionsfähigkeit. Haut« und Schleimhautrefiexe, wie die Schmerzempfindliriikeit
wurden inuner mehr herabgesetzt Valentin.
8) Inflaensa dell* attenzione dorante U sonno, per K. Vaschide. (Kvist
speriment di Freniatr. XXIV.)
Ans einer Umfrage and aus Versuchen an sich und Anderen, wie lange vor
oder nach einer bestimmten Zeit, zu der aufzuwachen man sich Toi^feDommen, das
Erwachen erfolgte, und wie der Schlaf unter dieser Bedingung sich vom gewöhn¬
lichen unterscheidet, zieht Verf. unter andern folgende Schl&sse:
1. In den allermeisten Fällen wacht der Betreffende vor der yorgeeetzteu
Zeit auf.
2. Die Differenz zwischen dem Erwachen und der fes^esetzten Stunde häi^
von der Gewohnheit vom Älter, den körperlichen Bedingungen o. s. w. ab und ist
um so grösser, je entfernter die Stunde von der gewohnten des Au&tehens liegt
3. Der ScÜaf in den Nächten, in denen man zur bestimmten Stande zu er¬
wachen sich vorgenommen, der „aufmerksame", „gespannte" Schlaf (sonno attento)
unterscheidet sich vom gewöhnlichen.
4. Als körperliches Zeichen der Aufmerksamkeit bemerkt man bei mandieD
Personen eine Beschleunigung der Herzthätigkeit und eine gewisse Unmhe ungefähr
20 Minuten vor der Zeit des Erwachens. Valentin.
0) An onosually suooesful reenlt of thyreold trewtment in a oase of myx-
oedema, by Bonney. (New York Medical Journal 1898. Vol LIVll
Nr. 14.)
In einem vorgeschrittenen Falle von typischem Myxödem trat.nach Behandlmg
mit Thyreoidtabletten in ganz kurzer Zeit — schon innerhalb eines Monats — er¬
hebliche Besserung ein, die sich in der Folgezeit noch vermehrte. Dieses glänzende
Resultot wurde erzielt durch ganz kleine Dosen, anfangs 2 Gran ^ 0,13 g täglich,
später 3 Gran. — Eine Erhöhung der Dosis auf 6 Gran bewirkte starke Erechöpfong
und Verschlechterung des Befindens, Erscheinungen, welche nach kurzem Aussetseo
des Präparats schwanden. Verf. betont die Notbweudigkeit kleiner Thyreoidingibeo
zumal bei ärztlich nicht dauernd coutrollirten Kranken.
R. Pfeiffer (Cassel).
10) Myzoedema, by Cecil F. Beadles. (Brii med. Joum. 1898. Apr. 9.
S. 947.)
Verf. gab seine Befunde bei 3 Myxödemfällen in Beziehung auf die patho¬
logische Anatomie. Irresein von einigen Jahren Dauer in diesen 3 Fällen hato be¬
standen.
Das Fettgewebe war bleich und gallenartig. Die Zunge weit Aber normalgniss.
Nieren granulirend (in 2 Fällen), verfettet in 1 Falle. — Die Thyreoidea atrophisch
Google
951
oDd bleich. In 1 Falle dentliche Yergrusserung der Ol. pitaitaria; die Zellen abnorm
gross; CoUoid punktweise. — In 2 Fällen war die Pituitaria ein geringes Ober
normalgross und enthielt CoUoid in normalen Bläschen; im 2. FaUe war die Quantität
des CoUoid abnorm gross. Er lenkte die Aufmerksamkeit auf die merkwfird^e
Yacuolation der FettzeUkeme, welche auch bei anderen Krankbeitszuständen ge¬
legentlich gefunden wird. In den Lungen sah Verf. Herde von dichter hyaUner
Substanz, äber deren Natur er sich nicht klar werden konnte. In einer der 3 Lungen
fanden sich viele kleine Chondrome; zufaUig fand sich in 1 FaUe auch Trichinosis.
L. Lehmann I (Oeynhausen).
11) A 0 M 6 of aoromegaly wlth diabetea, by Chadbourne. (New York
Medical Journal. 1898. VoL LXVII. Nr. 14.)
Typischer FaU von Akromegalie mit Diabetes. Die kurze Beobachtungszeit
gestattete nicht eine genauere Untersuchung des Angenhintergrundes.
R. Pfeiffer (Cassel).
12) Aorom^aly, by Kauffmann. (firit. med. Joum. 1898. Apr. 9. S. 951.)
Verf. steUt der Midland med. Oes. einen 23jährigen Akromegalie-Patienten vor.
in seiner Familie kein ähnlicher Fall, nicht Oicht, noch Bheomatismus. Vor473 Jnhren
Bleikolik, doch seitdem hatte Pai die Beschäftigung mit Blei gänzlich aufgegeben.
Gesicht (ausgeschlossen die Ohren), Hände und Füsse bedeutend vergrössert. Ky-
phosis. Innere Organe, auch Thyreoidea und Thymus, nicht vergrössert. Haar
reichlich. Haut bleich. Anämie. L. Lehmann I (Oeynhausen).
13) Caae of acromegaly, by William Hunter. (Brit. med. Joum. 1898.
March 19. S. 760.)
Verf. legte der Londoner Oesellschaft für Pathologie die langen Knochen der
Ober- und Unterextremitäten, nebst der 01. pituitaria und Abformungen der Hände,
der Ffisse und des Gesichts von einem Akromegaliefallo vor. Gehirnblutung war die
Todesursache. Die Nieren waren ungewähnlicb gross, Thyreoidea vei^rössert,
Gl. pituitaria ungemein gefössreich mit frischer Hämorrhagie. Es bestand vasculäre
Hypertrophie. Die Knochen der Ffisse, Hände, der Femora, Humeri, Radii, des
Schädels, der Basis Cranii zeigten Hyperämie des Marks; im Mark der Tibia Blut¬
extra vasate. Eine Tibia zeigte eine Verdickung syphilitischer Natur; sonst keine
osteoplastische Entzfindungen in den anderen Knochen.
L. Lehmann I (Oeynhausen).
14) Une Observation de manie aigue ohea one aoromdgalique, par Garnier
et Santenoise. (Arch. de nenrolog. 1897. December. S. 486.)
Patientin entstammt einer Familie,, in der keine nervösen Störungen erblich
waren, jedoch einmal Lungentuberculose vorgekommen war. Soweit sie in ihre Jugend
zorOckdenken konnte, litt sie an starkem Kropf und hatte stets sehr grosse Extre¬
mitäten (Hände und Füsse). Ein besonders schnelles Wachsthum hatte der Mann
in mehljähriger Ehe nicht beobachtet Drei gesunde Kinder leben, zwei waren jung
(nach der Gebart und im 3. Monat) gestorben. Die Menstruation war bis in die
Mitte der 30er Jahre stets regelmässig anfgetreten.
Mit 41 Jahren erkrankte die Pai an acuter Manie. Während des Anstalts-
anfenthalts, der 2 Monate dauerte and mit Genesung endete, wurden genaue Messungen
und Untersnehungen der Extremitäten, des Thorax and des Gesichts vorgenommen.
Dig :i^cd cy Google
952
Sie ergraben das Krankheitebild etoer Akromegalie, bei der alle Symptome
vorhanden waren mit Ausnahme der sonst behaupteten Sterilität 2 Ab*
bilduugen lassen die Verbältnisse gut erkennen.
Das zuiällige Auftreten der Psychose wurde durch keine anamnestiscben Er¬
kundigungen erklärt Jedenfalls interessirt der Fall und bildet einen werthvoUeo
Beitrag zur Casuistik der Akromegalie. Adolf Passow (Strassbuig L/E.).
15) Notes on a caae of aoromegaly, by John Korvott J. Esteroc. (Brit
med. Joum. 1897. 4. Dec. 8. 1636.)
Unter Beigabe einer photographischen Abbildung wird die Kmnkheitsgeschicbte
des 39jährigen, verbeiratheten Hannes erzählt. Keinerlei Heredität oder vorher¬
gehende Krankheit mit Ausnahme von InSuenza, an welche sich Schwellnng der
Unterlippe und Zunge, sowie Veigrösserung der Hände und der Brust anschlosseo.
Die FQsse ebenfalls vergrOssert, doch in geringerem Haasse. Nasen* und Ohrknorpel
verdickt, ebenso die Larynxknorpet Eminentiae frontales bedeutend bervortretend;
die Schläfengruben eingefallen. Oeeichtshaut pigmentirt, OeSnnngen der Scbweiss-
drflsen erweitert Zeitweise Dysphagie und Asthma. Sehen verringert, Hemianopie.
Sternum mehr als doppelt Übemormale Grösse, ebenso die Rippen. Thyreoidea nicht
vergrössert. Viel Schweis.s und Durst. Gedäcbtniss fflr die Letzteeit sehr herab¬
gesetzt. Haltung gebockt Gang langsam. Behandlung: Tabletten von Pituitaria,
3 Hai täglich 2 Gran. Besserung. L. Lehmann I (Oeynhausen).
16) A osae of the 0 o*oailed bypertropblo pulmonary ostoo-artbropaäiy
of Marie, witbout pulmonary dieease, by John Lindsay Steven.
(Glasgow Hedical Journal. 1897. October. Nr. 4.)
Ein 48jähriger Hann zeigt seit 9 Monaten eine Anschwellung der Hände und
FOsse. Die Finger sind dick, kolbig, mit starker Krümmung der N^el, die an des
Daumen wie ein „Papageiscbnabel“ aussieht Die Finger sind total verdickt be¬
sonders an den Gelenken; sie zeigen kein vermehrtes Längenwacbstbom. Die rechte
Hand kann gamicht die linke kaum geschlossen werden. Ein Röntgen «Bild zeigt
an Phalangen und Hetararpalknocben eine deutliche subperiostale Knocbenneubildiing.
Die Hypertrophie der distalen Partie der Vorderarmknocben erinnert etwas an
Rbacbitis. Die verdickten Knochen sind an der Oberfläche rauh; auch an Radios
und Ulna ist die subperiostale Knochenneubildung sehr beträchtlich. Das Gesichl
ist völlig normal. An den unteren Extremitäten bestehen dieselben Verändenrngen
wie an den Armen; besonders die Malleolarregion ist stark verdickt Die Sensibilität
ist normal, die Patellarreflexe sind leicht erhöbt Der Gang ist in letzter Zeit stöf
und unsicher geworden. Pat klagt Ober Schmerzen in den geschwollenen Eme*
gelenken. Der Rumpf ist normal. Die Urinmengen sind erhöht. Die Scbilddrfise
ist in normaler Grösse nachweisbar. Es lässt sich eine leichte Einengung der tem¬
poralen Gesichtsfelder nachweisen. Brust* und Bauchorgane zeigen nichts abnormes.
Der Fall erinnert an 3 Krankheitsbilder: die Harie’sche Akromegalie, die
Paget’sche Osteitis deformans und die Uarie’sche hypertrophische pulmonäre Osteo*
Arthropathie. Von der Acromegalie unterscheidet er sich besonders durch die
mangelnde Hypertrophie der Weichtheile der Hände, von der Osteitis deformans dorck
das Fehlen der Knochenverkrümmungen und das langsamere Fortschreiten der
krankung. Dagegen stimmt er mit der von Marie gegebenen Beschreibung der
hypertrophischen Osteo-Ärthropathie völlig Qberein, nur dass eine chronische Loi^ra*
oder PleumaffectioD, welche zu der Ernährungsstörung der Knochen führen soll, hier
völlig fehlt. Verf. ist geneigt, einen rheumatischen Grundcharakter der Erkrankiuig
anzunehmeu. Behandlung mit Schilddrüsensubstanz war ganz ergebnisslos.
M. Rothmann (Berlin).
K.Googlc
953
17) Oatöo'arthropathies hypertrophlques du genou droit et des deux
pledfl d’orlgine nerveose. Tabes ou syringomyelleP Bole d’une tare
nerreuse dans la r^alisation des modalit^s tabetiques» par C. Tournier
(Lyon). (Revae de MMecine. 1897. Mars. S. 221.)
Der 60j&brige Kranke litt seit frflher Kindheit an Unempfindlichkeit der Unter¬
schenkel gegen Kälte und an ungleichen Pnpillen. Hit 24 Jahren Tenerisches Ge¬
schwür. Mit 27 Jahren lancinirende Schmerzen. Mit 48 Jahren Arthropathie des
linken Fnsses nach einem Trauma, 1 Jahr darauf Arthropathie des rechten Kniees
und wiedemm 2 Jahre später Arthropathie im rechten Fuss. Hypertrophie des
ganzen rechten Beins. Beöectoriscbe Pupillenstarre und fehlende Patellarrefiexe.
Oar keine Ataxie, kein Bomberg’scbes Symptom. Qeringf&gige Blasenbeschwerden
und ausser Thermanästhesie der Unterschenkel keine Sensibilitätsstömngen.
Verf. deutet den Fall als Tabes bei vorhergehender Syringomyelie. Letztere
bedingte die besondere Art der tabischen Symptome. Der tabische Frocess scheint
sich in der Hauptsache mit der Arthropathie „erschöpft" zu haben.
Strümpell (Brlai^n).
18) Fall von Tetanie, in der Sohwangereobaft entstanden, nach Kropf-
Operation, von Dr. E. Meinert, Dresden. (Archiv f. Gynäkologie. Bd. LT.)
Bei einer 36 jährigen Frau, welche sich im 4. Monat ihrer 10. Schwangerschaft
befand, machte ein schnell wachender Kropf starke Dyspnoe, von diesem wurde die
rechte Hälfte entfernt. Nach 3 Tagen trat Tetanie ein, die Anßlle verschwanden
in kurzer Zeit, Pat. gebar am normalen Ende der Schwangerschaft ein Kind, das
stets kränkelnd mit 4 Monaten Krämpfe bekam und mit Jahren starb. Pat.
wurde wieder gravida, in 8 Monaten traten die tetanischen An^le von neuem mit
verstärkter Heftigkeit auf. Es fehlten nicht die klassischen Zeichen der Tetanie
(Facialis-, Trousseau’sches Phänomen, erhöhte elektrische Erregbarkeit, typische
Uandstellnng). Die Anfälle folgten schnell aufeinander und waren von heftigen
Schmerzen begleitet. Der zurückgelassene linke Lappen der Schilddrüse war nicht
mehr nachweisbar. Nach Einleitung der künstlichen Frühgeburt verminderten sich
die Anfälle schnell an Intensität und Zahl, verschwanden aber, wenn auch nur
andeutungsweise, nicht ganz, kehrten sogar später in verstärktem Haasse zurück,
wenn auch nicht so heftig wie während der Schwangerschaft und leidlich durch
Morphium und Brom zu beeinflussen. Ton localen trophischen Störungen war auf¬
fallend starker Ausfall der Kopfhaare, und, was bereits Terf. früher zu beobachten
Gelegenheit hatte, Terlnst sämmtlicher Finger- und einiger Zehennägel. Zuletzt nahm
Pai SchilddrOsentabletten, von denen 200 ä 0,3 das Leiden so auf Vj Jahr zum
Stillstand bringen, dass auch das Tronsseau’sche Phänomen nicht auszulösen ist.
Tetanie nach halbseitiger Kropfoperation ist nach dem Terf. bisher nicht beschrieben,
im vorliegenden Falle vielleicht durch das Zusammentreffen mit Gravidität zu erklären.
Die bei der folgenden Gravidität sehr heftig auftretende Tetanie ist auf das Fehlen
der inzwischen gänzlich geschrumpften Schilddrüse zurückzuführen. Dass die Tetanie
Oberhaupt anf die ungenügende Function der Schilddrüse zurückzuführen ist, ergiebt
sich ans der Wirksamkeit der bei allen Übrigen Formen der Tetanie versagenden
Schilddrüsentherapie. Samnel (Stettin).
18) Zur Thyreoidinbehandlung der Tetanie, von A. Alexander, prakt Arzt
in Berlin. Aus der Klinik von Prof. Mendel. (Inaug.-Dissert. Leipzig. 1897.)
16jähriger Laufbursche hat die typischen Erscheinungen einer leichteren Tetanie.
Betroffen sind hauptsächlich die Muskeln des Gesichts und der Anne. Erhöhung der
elektrischen Erregbarkeit vorhanden. Mechanische Erregbarkeit der Muskeln be-
Googlc
954
fcr&chtlicb, der Nerven weniger aoagesprochen. Chvoetek’sches Symptom an enielen,
Tr.ousseau’sches Phänomen nur bei starkem Druck aoasolösMi. Rechte Seite stärker
betroffen. Beim Beklopfen dee K. cmralis Zuckungen im Gebiet des N. ischiadicos,
wird als Erhöhung der reflectorischen Erregbarkeit aofgefasst.
Yerf. recapitulirt drei bisher bekannte Fälle von Tetanus, welche mit Thyreoidii,
und zwar mit gflnstigem Erfolge behandelt waren. Pai erhielt anfangs jeden Tag
1, später 2, dann 3 Tabletten (ä 0,3). Der Erfo^ war nicht nennenswerth. Die
elektrische Erregbarkeit war zwar nicht mehr erhöbt, doch verschwand der Tetauna
nicht _ Samuel (Stettin).
20) Ueber die femillftre Form des aoaton oiromnskripten Oodema, von
Doc. Dr. Hermann Schlesinger. (Wiener klin. Wochenachr. 1898. Nr. 14.)
Bei einem 44jähr. Eaufmann traten seit dessen 22. Lebensjahre erst alle halbe
Jahre, später jeden 10.—11. Tag Attaquen auf, die mit AuOr^ngsznständen und
GemQtbsdepression begannen; dann erschien ein rotbes, aus Ringen bestehendes,
seltener baumartig verzweigtes Exanthem an i^end einer Stelle des Körpers, seltener
Aber einen grösseren Theil der Körperoberfläche ausgebreitei Nach 6—Sstflndiger
Dauer verschwand es und es bildete sich oft in wenigen Secunden eine starke An¬
schwellung eines Körpertheils, meist der rechtsseitigen Extremitäten, des Scrotums
oder des Penis aus. Am Kopfe trat die Schwellung nie auf. Die Schwellung ver¬
ursachte Spannungsgefflhl, aber keine Schmerzen; die Haut gespannt, ödematös,
meist blass. Oft ging das Exanthem ohne nachfolgende Schwellung vorftber, dum
trat aber heftiges Schmerzgeffibl in der Magengend mit starker Druckempfindlichkmt
derselben auf. Dabei häufig Erbrechen. Pat litt ausserdem an einer Hitnl*
insufhcienz.
Therapeutisch wurde Menthol verordnet, von der Möglichkeit ausgehend, dass
vielleicht abnorme Zersetzungen im Hagendarmtract das Zustandekommen der AnfillA
erleichtern, die Diät und der Stuhlgang geregelt; ferner wurde Massage empfohlen,
auf eine Beobachtung des Pai fussend, dass bei Oedem der Ffisse dasselbe durch
Geben zum Schwinden gebracht werden konnte. Blosser Druck genflgte dazu nicht.
An derselben Affection litten noch 4 Mitglieder der Familie des Pai: seio
Grossvater, sein Vater, eine Schwester und ein Sohn. Bei allen trat sie in deraelbeB
Form auf wie bei dem Pat. und bei allen relativ spät, um das 20. Lebensjahr hemn.
Eigenartig ist das Auftreten von gastrointestinalen Störungen an den Tagen,
an welchen nach anderen Erscheinungen ein Oedem zu erwarten gewesen wäre. Das
rasche Entstehen und das rasche Verschwinden dieser Störungen, sowie die vim
anderen Autoren beobachteten Scbwellungen sichtbarer Schleimhäute deuten darauf
hin, dass es sich dabei um Schwellnngsznstände der Schleimhaut des Magendana-
tracts handelt.
Verf. weist auf die Aehnlichkeit und Beziehungen hin, welche das acute cireum-
skripte Oedem zu anderen Krankheitszuständen hat, und erwähnt die intermittirende
Gelenkswassersucht, das intermittirende Erbrechen, die transitorischen Oedeme bei
Morbus Basedowii; auch manche Fälle von snpraclaviculären Pseudolipomen und von
Asthma bronchiale dflrften der Gruppe der umschriebenen acuten angioneurotischea
Oedeme zuzurechnen sein.
Verf. stimmt der Ansicht bei, welche in nervösen Einflüssen die Ursachen des
acuten circumskripten Oedems sucht und tbeilt eine Beobachtung mit, welche das
Auftreten von Oedemen unter Nerveneinflus^ zweifellos macht: Bei einem jungen
Menschen mit Lähmung beider Beine trat öfter eine acute Anschwellung der Ffisse
auf, weiche durch Stunden und Tage persistirte und ebenso rasch wieder verschwand,
als sie gekommen war. Oefter trat statt des Oedems der Rayuaud'scbe Symptomea-
complex oder Brythromelalgie an den FOssen auf. Die Obduction ergab einen
Google
955
grossen mtradnraleD, aber extramedullären. von den Kervenwarzeln ausgebenden
Tumor (Sarcom), der das liendenmark and die untersten Abschnitte des Brustmarks
comprimirt hatte.
Die experimentellen Erfahrungen namentlich der Stricker’schen Schule, dass
die vasomotorisohen Bahnen von der Grosshimrinde bis zu ihrem Austritte aus dem
Bttckenmarke zu wiederholten Malen innig zu Centren vereinigt werden, eine seg-
mentale Anordnung zeigen, möchte Terf. zur Erklärung des Auftretens der An*
Schwellungen bei acutem Oedem heranziehen. Für ein überwiegendes Betroffensein der
Centren im Gehirn liege in der Mehrzahl der Fälle kein Anhaltspunkt vor, dagegen mögen
mitunter Erregui^* und Lähmungszustände in den sympathischen Geflechten eine
Bolle spielen. Das circumskripte Auftreten der Oedeme macht ein alleiniges Be¬
troffensein des vasomotorischen Centrums erster Ordnung in der Mednlla oblongata
unwahracheinlich.
Auch in dem mitgetheilten Falle sprechen die Aenderung des psychischen
Verhaltens zur Zeit der Anfälle, die Auslösung derselben durch psychische Erregungen,
das überwi^end halbseitige Auftreten n. s. w. für eine functioneile Läsion des
Centralnervensystems, womit die Erkrankung sich einreibt in die grosse Gruppe der
familiären Nervenerkrankungen. J. Sorgo (Wien).
21) Contribation ä l’dtude de la parapldgie apaamedique famlUale, par
M. Lorraio, ancien interne des höpitanx de Paris. (Paris 1898.)
Verf. bespricht zunächst in Kürze sämmtliche hereditär vorkommende Erkran¬
kungen der motorischen Nervenbahnen. Er zeigt, dass die Läsionen oft ganz diffus
sind, dass man nicht immer Systemerkrankungen erwarten darf und dass die Ueber-
gangsformen zwischen den einzelnen familiären Erkrankungen sehr zahlreich sind.
Hierauf geht er zo seinem eigentlichen Thema, der familiären spastischen Paraplegie
Aber. Br hat ans der Litteratur nach Ausschaltung von Fällen, welche bezüglich
dee spinalen Ursprungs Zweifel bieten, 17 Fälle von familiärer spastischer Paraplegie
znsammengestellt und fügt ihnen eine neue Beobachtong hinzu; ferner bespricht er
zwei typische, selbst beobachtete Fälle, in denen die Erkrankung zwar nnr ein ein¬
ziges Kind betraf, welche aber einen spinalen Ursprung primärer Art sicher erkennen
lassen. Nerven- und Geisteskrankheiten, Syphilis, Alkoholismus in der Ascendenz,
ferner auch Verwandtschaft zwischen Vater und Mutter prädisponireu zur Erkrankung.
Dieselbe tritt ungeföhr ebenso oft beim männlichen wie beim weiblichen Geschlecht
anf nnd beginnt meist zwischen dem 8. und 15. Jahre. Als Gelegenheiteursachen
iind besonders Infectionskrankheiten anznschnldigen, in 3 Fällen ging ein Trauma
voraus. Die fischen Symptome bestehen in spastischer Paraplegie mit Beflex-
jteigerong nnd Fussclonos ohne Störung seitens der Sensibilität oder der Sphincteren.
Oie ophthalmoskopische Unterauchung ist stets vorzunehmen, da zuweilen Opticus-
itrophie beobachtet ist In einem Falle des Verf.’s fand sich Abblassung der Papille
ooit starker Herabsetzung der Sehschärfe. Intelligenzdefecte fehlen fast immer zum
Jnterschied von cerebralen Diplegieen. Der Verlauf der familiären spastischen
’araplegie ist meist ein langsam progredienter. BemissioneD kommen vor. Tnber-
lulose ist oft die Todesursache. Die einzige Antopsie bei spastischer Paraplegie
'ezdanken wir Strümpell. Sie ergab eine primäre combinirte Sklerose der Pyra-
niden, der direct cerebellaren Bahnen, sowie der Goirschen Stränge; erstere war
□ der Dorsalregion, letztere in der Halsregion am ausgesprochensten.
Differentialdiagnostisch kommen in Betracht: Myelitis, Bückenmarkscompression
bei beiden bestehen Schmerzen, Sensibilitätsstömngen nnd Störungen seitens der
ipbincteren). Bückenmarkssyphilis (bei welcher meist die Sphincteren mitergriffen
.nd andere Zeichen der Lues vorhanden sind), moltiple Sklerose (bei typischer Form
ieser Erkrankung: kein familiärer Charakter, Beginn zwischen 20. und 30. Jahre,
D g ii.:od oy GOO^ Ic
956
meist nach Infectionskrankbeit, cerebello-spastiacber Gang, SeDsibilitatsstöron^o,
scaodirte Sprache, groasschlägfiger Tremor, asymmetrische Ängenst^rangen), ferner
Friedreich’sche Erankheit (bei dieser: tabeto*cerebeIlarer, ODCoordinirter Gang,
Ataxie, ReflezaDrhebnng, choreiforme Bewegungen, h&ofiger Schwindel, Sooliose). Bei
Erwägung der Differentialdiagnose mit der cerebellaren Heredo>Ätaxie verdient be>
sonders der cerebellare Gang Berdcksichtignng. Am häufigsten aber werden mit der
familiären spastischen Paraplegie die cerebralen Diplegieen verwechselt; in einzelnen
Fällen, io denen keine Störungen seitens der Intelligenz, welch letztere für die
cerebrale Form sprechen würden, bestehen, ist eine sichere Entscheidung zur Zet
nicht möglich. Bei plötzlichem Auftreten der Paraplegie, z. B. nach Schreck, ist
stets an Hysterie zu denken.
Die Behandlung der familiären spastischen Parapl^e besteht hauptsächlich in
warmen Bädern, Massage und Ruhe. In einzelnen Fällen erwiesen sich Sehnen-
oder Nervendnrchschneidungen als nützlich. Kurt Hendel
22) Two oaaee of laryngeal spaam fatal In the first attaok ocourring in
tha same fiamlly. (Brit. med. .loum 1898. Apr. 2. S. 881.)
2 Kinder derselben Familie, ein 19 Monate alter Knabe und ein 7 Monate altes
Mädchen sterben — nur ein Zeitraum von 2 Tagen dazwischen — plötzlich an Er¬
stickung in Folge von spastischem Laryngismus (Spasmus glottidis), und zwar inner
halb weniger Minuten. Der Tod war eingetreten, als der gerufene Arzt nach einigen
Minuten ins Zimmer trat. Die Kinder warfen den Kopf zurück, wurden blau in
Gesicht und starr; der Tod trat ein. Bis zu dem Anfall waren die Kinder voll¬
kommen gesund gewesen. Die Autopsie ergab ausser Anzeichen von Rhachitis nichts,
was die Ursache des Todes erkennen liess. L. Lehmann I (Geynhansen).
23) A boy, aged 14, who exhlbited tabetio Symptoms, by Douglas
Stanley. (Brit. med. Joum. 1898. Apr. 2.)
Verf. stellte der Birmingham und Midland Gesellschaft einen lijähhgen Knabeo
mit Tabessymptomen vor. Incontinenz der Blase, atactiscber Gang, fehlende Kn»
refleze, Pupillen eng, reactionslos für Licht, Romberg’s Zeichen, EnieschmeneD.
Gegen Accommodation reagirteu die Pupillen. L. Lehmann I (Oeynhausen).
24) Family lateral solerosis, by Norman Moore. (Brit. med. Joum. 1698.
March 12. S. 690.)
Yerf. stellte der k. m. chir. Ges. 2 Brüder, 24 nud 26 Jahre alt, vor, welche
vom 15. Lebensjahre anfingen, spastische Lähmung der Beine zn bekommen, die all¬
mählich sich steigerte. Arme, Spinkteren, Intelligenz, Augen blieben normal. Die
Sprache etwas schleppend. Eine Schwester hatte nnr diese Sprachstörung, keine
anderen der genannten Erscheinungen. L. Lehmann I (Oeynhausen).
26) Een familiestamboom, door D. J. Borst. (Psychiatr. en neuroL Bladen.
1897. Nov. Nr. 5 en 6. blz. 484.)
Verf. theilt in einer Tabelle den Stammbaum einer Familie durch 3 Generationen
(Stammvater und Stammmutter abgerechnet) mit. Der Stammvater war betriebsam,
bel.arrlich, egoistisch, trotzig, wollüstig, ohne erbliche Anlage, er starb an Marasmus
senilis. Die Stammmutter war eine rechtschaffene, gottesfürchtige Frau, sie starb
Dig'H^cd Dy Google
957
an Apoplexie; einer ihrer Brfider war ein Tninkenbold, ein anderer schwachsinnig
ond batte schwachsinnige Nachkommenschaft. Die 3 Söhne dieses Paares hatten
starke Neigungen und B^ierden und waren ungewöhnlich leidenschaftlich, eine
Tochter war schwachsinnig. Nur der älteste der 3 Söhne, der ganz nach seinem
Vater geartet war, hatte einen Sohn, der den Familiencharakter geerbt hatte. Die
beiden Söhne des 2. Sohnes, der trotzig war und durch gewagte Unternehmungen zu
Grunde ging, auch trank, batten den Familiencharakter zwar auch geerbt, aber der
eine trank zu viel, der andere war zu impulsiv, um die guten Charaktereigenschaften
zur Geltung kommen zu lassen. Der 3. Sohn des Stammvaters, ein betriebsamer,
entschlossener, beharrlicher, gründlich unterrichteter Mann, batte nur Töchter; 3 von
ihnen fehlte der kräftige Charakter des Vaters, sie waren ängstlich, zaudernd und
wankelm&thig, nur eine Tocher machte davon eine Ausnahme, sowie ein Enkel, der
nach seinem Qrossvater gerietb, und die guten Familienzflge zwar nicht so ausgeprägt
besass, aber dafür frei von den Fehlem war. Alle 4 Kinder der Stammeitem starben
an Apoplexie, sie hatten auch die Lust zum Trinken geerbt, die in der mütterlichen
Familie wahrscheinlich erblich und das degenerirte Moment war. ln der 2. und
3. Generation überwog die weibliche Nachkommenschaft'.
Walter Berger (Leipzig).
36) Nya bidrsg tili kännedomen om en säregen fhmiljes jukdom linder
form af progressiv dementis, af Prof. E. A. Uomen. (Finska läkaresällsk.
handl. 1897. XXXIX. S, 1369.)
Verf. hat schon früher 3 Fälle von einer die Form der progressiven Dementia
bietenden Krankheit bei 3 Geschwistern mitgetheilt und fügt nun die Mittheilung
über dieselbe Erkrankung bei den bbiden jüngsten Geschwistern jener Patienten hinzu.
Ein 16 Jahre altes Mädchen erkrankte Ende 1891 an Mattigkeit, Kopfschmerz,
Schmerz in den Beinen, Schwindel, Appetitlosigkeit, die Menstruation hörte auf. Fat
zeigte eine wenig entwickelte Intelligenz. Nach einer längeren antisyphilitischeu
Kur trat bedeutende Besserung ein, nach der Entlassung verschlimmerte sich aber
der Zustand allmählich wieder und wurde ebenso wie vor der Behandlung. Pat
starb nach 2^/, Jahren an Tuberculose. Bei der Section fand sich Verdickung des
Schädels ond der zum Theil mit ihm verwachsenen, im Übrigen schlaffen Dora ond
Atrophie der Hirnwindungen, besonders im vorderen Theile. — Das jüngste Glied
der Familie, ein Sohn, erkraukte im Jahre 1893 im Alter von 17 Jahren, unter
denselben Erscheinungen, bei ihm bestand ausserden^ eine besondere Art zu errothen.
Unter einer strengen und kräftigen, lange fortgesetzten and wiederholten antisyphi*
litiscben Kur besserte sich der Zustand bedeutend, so dass Pat. wieder arbeitsfähig
wurde nnd bei fortgesetzter Behandlung schwanden die Symptome bis auf die Neigung
zu erröthen.
Verf. ist der Meinung, dass es sich in allen den 5 ans derselben Familie
stammenden Fällen um hereditäre Syphilis als Basis der Krankheit bandelte, wofür
auch der Erfolg der antisyphilitischen Behandlung, namentlich im letzten Falle, spricht
Für identisch mit der allgemeinen Paralyse hält Verf. die Krankheit nicht; der
Zusammenhang mit Syphilis muss als etwas intimer betrachtet werden, als der
zwischen Syphilis und progressiver Paralyse. Walter Berger (Leipzig).
27) Brftihniiigen über Trional als Schlaftuittel mit besonderer Rücksicht
auf die Beeinflussung des Blutdruckes, von Dr. Sigmund Kornfeld,
Primararzt der Landesirreoanstalt in Brünn. (Wiener med. Blätter. 1898.
Nr. 1—3.)
Die Erfahrungen des Verf.’s erstrecken sich auf 2^/3 Jahre und über 200 Krank*
heitsfälle der verschiedensten Formen der Geisteskrankheiten und der Neurasthenie.
’iQ'h/.OÖ Dy
Google
968
Er hielt Trional fOr ein Terl&sslichee and meist siemlich rasch wirkendes SchiateitUl,
welches einen dem normalen annähernd gleichweiihigen Schlaf erzeugt nnd sur
selten von übrigens bald vorübergehenden Kebenwirkungen gefo^ ist Die gün-
stigäten Erfahrungen machte Verf. bei ErschOpfnngs- and Depresaonssnständeo, sowie
bei Angstzuständen im Verlaufe der Neurasthenie nnd Melancholie. Bei Erregungs¬
zuständen im Verlaufe der Paralyse und bei Manischen waren die Erfolge nicht so
constant, das Mittel versagte oft schon bei der ersten Anwendung oder nachdem es
einige Male mit Erfolg g^eben worden war.
Verf. untersuchte die Einwirkung des Mittels auf den Blutdruck und &nd, dass
Trional, wenn es wirksam ist, den Blutdruck immer herabsetzt und zwar auf eine
ziemlich beträchtliche Weise (bis 50 7o)- Messungen wurden an der Badial-
arterie voi^enommen. Mit der Vertiefung des Schlafes nimmt die Bmiedrignng des
Blutdruckes zu. Indem das Medicament die Erregung der vasomotorischen Centnc
herabsetzt, vermindert es auch die Afifecte, welche in einer stärkeren InnervatioQ
jener Centren ihre organische Grundlage haben und beseit^ so Momente, weldie
die Blutdrucksteigerung unterhalten. Non erst kann eine weitere Binwirkuag auf
die vasomotorischen Centren stattfinden, welche eben als schlafmachende asaa*
sehen ist.
Mit dem Aussetzen des Trionals schwindet auch die Blutdruckemiedrigong
wieder. Wenn von Seiten des Pat am folgenden Tage Über BetäubungsgefQhl ge¬
klagt wurde, konnte stets auch ein Fortbestehen der Blutdruckemiedrigung constatirt
werden; und bildete bei längerem Trionalgebrauoh dieses Gefühl eine dauernde Neben¬
wirkung, so blieb auch die Blutdruckemiedrigung constant
Von anderen Nebenwirkungen fand Verf. nur ein Mal saures Anfstossen.
Dass Trional den Blutdruck erniedrigt durch Herabsetzung der Erregbarkeit der
Ge^snervencentren und nicht auch durch Schädigung der Leistungsfähigkeit des
Herzmuskels geht daraus hervor, dass die pathologisch erhühten Oruckwerthe auf ein
dem normalen nahestehendes Maass herabgedrflckt werden, and dass die im Tiioiial-
schlafe beobachteten Senkuogen die im normalen Schlafe gefundenen nur in einzelaeo
Fällen unbedeutend Übertreffen.
Bei Kranken mit dauernd gesteigertem Blutdrücke soll man gleich mit aner
Anfai^dosis von 2,0 g beginnen. J. Sorgo (Wieu).
Psy ohiatrie.
28) On oyolone-nenroses and psyohosea, by Bremer. (Bead before tbe
St Louis Medical Society. 1896. Nov.)
Am 27. Mai 1896 ward St. Louis, wie bekannt von einem fnrchtbaroi Cycloo
betroffen, dem kleine Cyclone folgten. Verf. bat genau und interessant über die
während dieser Zeit entstehenden Neurosen and Psychosen berichtet Unter dm
ersteren war am häufigsten Hysterie, dann Neurasthenie, immer bei schwer Dispo*
nirten. Wie bei railway-brain und •spine ist das physische nnd psychische Moment
zusammen meist wirksam gewesen, wobei oft die Verletzung ganz unbedeutend wv.
Oft war aber Furcht Schrecken die einzige Ursache. Hysterisdie motorische und
sensible Lähmungen waren häufig, auch Monoplegieen, ebenso Äphasieen nnd Aphonie«'
Plötzliche und entschiedene Besserungen chronischer Hysterie, fmilich nur vorüber
gehend, traten auf. Es gab kaum wen^er Hysterie bei den Männern, als Fnom-
Wahrscheinlich gab es auch viele Organerkraiikongen, die nur hysterisdi warm.
Als neurasthenische Zeichen entwickelte sich eine wahre Cyclonophobie. Eine ge
wisse Panik hatte ja Jedermannn ergriffen. Verf. sah durch den Cyclon erzeugt:
1 Fall von Epilepsie, Urticaria mit Darmerscheinungen, einfache nervöse Fröste, oft
periodisch, and mehr Malaria als sonst ebenso Diarrhöen. So hat die alte Meioiiag
Google
959
Tom ZasaiDiDenfaaD^ yon Krdbeben mit Epidemieen viel fQr sieb. Einigen Franen
worden die Haare trocken und fielen aus. Viele Einwohner gingen am Tage des
Unglücks wie im Tranm einher, als reine Automaten, Aller hatte sich mehr oder
minder eine melancholische Stimmung bemächtigt. Verf. sah einen Fall retrograder
Amnesie: Monate lang kam ihm aber keine eigentliche Psychose zn Gesicht, ausser
einige Haie Melancholie and Paranoia, die durch die Furcht verstärkt worden waren,
aber keine Manie. Kenerdings erst sah er einige Psychosen, wo die Erinnerungen
als Emotionen und Wahnideeen sehr deutlich waren. Viele sonst Gesunde träumten
Wochen«, ja Monatelang von dem Cyclon. Interessant ist es endlich, zn erfahren,
dass besonders auch Hühnchen, aber auch Pferde, Hunde, die den Cyclon durch¬
gemacht hatten, ebenso nervös bei Herannahen eines Sturmes sich zeigten, wie viele
Menschen. Endlich wird die wichtige Fr^e aufgeworfen, welchen deletären Einftnss
der Cyclon auf die Kinder haben wird, die darnach geboren wurden, ob es also
„Cyclon*Einder" geben wird, wie die bekannten „enfants de sibge“ von Paris 1870.
Näcke (Hnbertusburg).
28) Algnnse oonsideraolones aobre el pronostioo da la alianaoion mental,
per Dr. Josd J. Borda (Bnenos-Aires). (Boletino del Circolo Hedico Argentino.
1898. Jan. S. 12.)
Verf. stndirte sehr soi^fältig die Prognose der verschiedenen Formen von
Geisteskrankheiten im Hospital de la Mercedes (BuenoS'Aires) vom Jahre 1892 bis zum
Jahre 1897. In dieser Zeit sind 23ö0 Patienten behandelt worden, wovon 566 ge¬
heilt, 451 gebessert, 88 entlaufen nnd 618 gestorben sind. Das Procent der Hei¬
lungen betr^ also 23. Verf. glaubt, diese Zahl sei zu gering, weil von den Ent¬
laufenen gewiss mehrere geheilt waren zur Zeit ihrer Flucht Das Procent der
Heilungen ist in den einzelnen Zeiten sehr verschieden. Im Jahre 1892 war es
and im Jahre 1894 3S^(q. In den 5 Jahren sind 368 Fälle von Manie
eingetreten, von denen 112 geheilt, 76 gebessert, 15 entlaufen und 104 gestorben
sind. Von 300 Fällen von Melancholie sind 55 geheilt, 66 gebessert, 10 entlaufen
und 59 gestorben. W. C. Krauss (Buffalo).
30) Le morti per pellagra, aloooliamo e aiüoidio in Italia, per E. Tornasari
di Verce. (Riv. speriment di Freniatria. XXIV.)
Ans der statistischen Zusammenstellung seien im folgenden einige Zahlen mit-
getbeilt Die Sterblichkeit an Pellagra hat sich in Italien von dem Jahre 1881
bis 1886, io denen die Statistik nur an den städtischen Districten geführt wurde,
vermindert von 172,8 auf 77,7 unter 10,000 Todesftllen oder von 4,8 anf 2,3 anf
10,000 Einwohner. In der Zeit von 1887 bis 1896, io der auch die ländlichen
Bezirke gezählt wurden, sank die Ziffer bis 1889 von 3,688 auf 3,113, stieg dann
wieder and sank im Jahre 1894 auf das Minimum von 3,028 oder 98 auf
1,000,000 Einwohner. Von den einzelnen Provinzen ist am stärksten betheiligt das
Venezianische. Dort kamen im Jahre 1881 17,2 Todesfälle an Pellagra auf 10,000 Ein¬
wohner, dann folgt die Lombardei mit 4,8 und die Provinz Emilia mit 3,6.
An chronischem oder acutem Alkoholismus starben 1881 bis 1886 (Periode der
nur städtischen Zählung): 1881:17,1; 1886:11,7 auf 10,000 Todesfälle. 1887:15;
1891:21; 1896:18 unter 1,000,000 Einwohnern.
Die Zahl der Selbstmorde ist von 1343 im Jahre 1881 auf 2000 im Jahre 1896
gestiegen. 1872 betrug sie 890. Auf 1,000,000 Einwohner kamen 1896 64 Fälle
von Selbstmord. Als Ursache des Suicidlnms findet sich: Pellagra mit 0,9 "/y, das
Alkoholdelirium mit 0,5 ®/(,, Geistesstörung mit 1,8*’/^. Zahlen, die aber wahr¬
scheinlich hinter den wirUichen znrttckbleiben. Valentin.
-ri., Google
960
m. Aus den Gesellsohaften.
JahreasitBung des Vereins deutscher Irrenärzte ln Bonn
am 16. und 17. September 1888.
Die Sitzung fand in der Pro?inzisl*Irrenan8talt zn Bonn statt.. Nach der Nr*
Öffnung durch Herrn Jolly begrüsste Herr Pelman die Versammlung im Namen
der medizin. Facultät und der Provinz, Hinisterialdirector von Bartsch im Namen
des Ministeriums und Oberb&rgermeister'Spiritus seitens der Stadt Bonn.
Es wurde beschlossen, die Versammlung von nun an im Fr&hjahr stattfinden
zu lassen. Die ausscheidenden Vorstandsmitglieder Herr Jolly und Herr Pelman
wurden wiedergewählt; au Stelle des Herrn Zinn wurde Herr Hitzig gewählt
Herr Thomson (Bonn): Die Anweudxmg der Hydrotherapie und Balneo¬
therapie bei psyohisoben Krankheiten.
Vortr. führt aus, dass das Wasser seit undenklichen Zeiten ein beliebtee Mittel
zur Behandlung von Krankheiten gewesen ist. Man steht aber noch heute auf dem
Boden der Empirie, da die Art der Einwirkung des Wassers anf den Organismos
noch nicht klar gestellt ist. ln einem geschichtlichen Heberblick berichtet er über
die verschiedenen Arten der Wasserbehandlung, wie sie zu den verschiedenen ZeitMi
angewandt wurde. Winternitz machte zuerst in den 80er Jahren d. Jahrhunderts
das Wasser in seiner Anwendung auf den Oiganismas zum Gegenstand wissenschaft¬
licher methodischer Untersuchungen. Die Erböhnng des Blntdmcks, die gegenseitige
Wechselwirkung zwischen den inneren Organen nnd den Haotgefässen, die reflectorische
Ueizung der Nervenendigungen in der Haut sind das wesentliche. Die Ernährung
und die Function des Gehirns kann natürlich durch Einwirkuug des Wassers auf
den Organismus unter veränderte Bedingungen gesetzt werden.
Bei den Psychosen ist das Wasser in den verschiedensten Arten zur Anwendung
gekommen; kalte und warme Bäder, Vollbäder, Halbbäder, prolongirte Bäder, Schwitz¬
kuren, Donchen, kalte Abreibungen, feuchte Einpackungen u. s. w. Da aber das
eigentliche Wesen der Psychosen noch unklar isi^ bewegen wir uns anf onsichereai
Boden.
Vortr. fasst seine Ausführungen dahin zusammen:
1 . eine exacte Hydrotherapie bei den Psychosen giebt es noch nicht;
2. eingreifende Wasserproceduren sind zu vermeiden;
3. nur bei acuten Psychosen ist eine methodische caosale Wasserbehandlong
indicirt;
4. bei apathiscboD stuporösen Personen sind kalte Abreibungen zn empfehlen:
5. bei chronischen Geisteskrankheiten kann nur von einer rein symptomatischem
Wasserbehandlong die Bede sein.
Discossion:
Herr Meschede weist anf die Samnel’scben Versnche am Kaninchenohr bin.
Herr Fürstner: Bei den fenchten Einpackungen ist Vorsicht nötbig, da sich oft
phlegmonöse Entzündungen einstellen.
Herr Scbfile: Bef. soll den Vortrag veröffenüichen; im Anschluss daran soll
eine Sammelforschung angestellt werden über die Erfahrungen der Waseerbebandlnn^
bei den einzelnen Psychosen. Der Gegenstand soll dann in der nächsten Jahres-
Sitzung wieder beraten werden.
Herr Schäfer schlägt vor, im Anscblnss an Schüle’s Vorschlag, znerst die
Einwirkung des Wassers bei Aufregungszoständen zn behandeln.
Herr Jolly: ln der Charitö sind feuchte Einwickelungen bei Delirinm tremeos
versucht worden. Beim Abklingen des Deliriums haben sie sich bewährt; auf der
Höhe trat mehrfach CoUaps ein.
Kr macht auf die in Japan übliche Heisswassertheraple aufmerksam.
Dig: /ou
Google
961
Uerr Farstoer (Strassburg iJE.)-. Die ZureohnungsAhigkeit der Hyste¬
rischen.
Kachdem Vortr. auf die Dflrftigkeit der emschlägigen Litteratur hmgewieseu,
2 iebt er eine FaraUele zwischen der Epilepsie and der Hysterie» Während bei der
Epilepsie, bei welcher der Alkobolismas und der Schwachsinn eine grosse Rolle
spielen, die Yeigehen g^en die Person nnd ausserdem die Brandstiftungen flber-
wiegen, handelt es sich bei Hysterischen mehr um Vergehen gegen das Eigenthum,
Diebstahl, Betrag, Schwindeleien u. s. w.
Was die Anfälle angeht, so rechtfertigt deren Vorhandensein allein nicht die
Anwendung des § 61.
Die psychischen Störungen können einmal den Anfällen Toransgehen, dann auch
im Anschluss an sie — postparoxysmal — auftreten. In beiden Fällen, besonders
in letzteren, kann es zu criminellen Handlungen kommen. Die Störungen des Be*
wusstseins, deren Gradmesser die Amnesie ist, kann bei diesen psychischen Störungen
eine bedeutende, aber auch eine geringe sein. Dadurch wird die Beurtbeilung
natOrlicb sehr erschwert Dazu kommt noch die bekannte Neigung der Hysterischen
zum Fabüliren und zur pathologischen LQge.
Veränderungen der sexuellen Empfindung kommen Tor, werden aber selten Gegen*
stand der forensischen Betrachtung. Wenn bei ii^end wem, so gilt es bei der
Hysterie zu indiTidualisiren, von Fall zu Fall abzuwägen, ob der § 51 in Kraft
treten muss oder nicht. Die Fälle, in denen die Zurechnungsföbigkeit völlig aus-
zuschliessen ist, sind nicht allzu häufig. Wir kommen bei der Hysterie ohne die
verminderte Zurechnungsfähigkeit nicht aus.
Discussion:
Herr Ganser: Die postparoxysmalen Psychosen sind doch recht selten. Statt einer
gesteigerten sexuellen Empfindung findet sich oft sexuelle Frigidität bei Hysterischen.
Herr Leppmanu: Der Einfluss der alkoholischen Getränke ist bei derart^fen
Personen nicht zu unterschätzen. In vielen FälUen muss man Verminderung der
Znrechnungsföhigkeit annehmen.
Die weitere Discussion wandte sich vom vorliegenden Thema wesentlich ab; es
folgte eine kurze Erörterung Ober die pathologische Löge und den § 51. An ihr
betbeiligten sich noch Delbrfik, Meschede, Moeli, Schäfer, Siemerling und
Thomson.
Herr Siemerling: Heber Marksoheidenentwiokelung des Gekims und
ihre Bedeutung für die Looslisationu
Nach einer Mittheilung der von Flechsig erhobenen Befunde und ihrer Deutung
berichtet Vortr. über die einschlägigen Untersuchungen von Bighetti und von
V. Monakow. Ersterer ist im Grossen und Ganzen, was die zeitliche Reihenfolge
derMarkscbeideuentwickelunganlangt, zu denselben Resultaten gekommen, als Flechsig,
von Monakow bebt hervor, dass bei Neugeborenen nicht ausschlisslicb Projections*
fasern markreif sind.
Verf. bat Untersuchungen angestellt hei Föten vom 6. und 9. Monate, bei Neu¬
geborenen und an Kindern im Alter von 47, 80, 104, 117, 201, 365 und 398 Tagen.
Anfertigung von Schnitten in verschiedener Richtung mit dem Jnng’scheu Gehirn*
microtom. Weigert’sche Entfärbung, ln der Hirnrinde ist Mark am frühesten
nachweisbar in der hinteren Centralwindung, dann im Lob. paracentralis und in der
vorderen Centralwindung, der medianen Fläche des Hinterhauptlappens, hauptsächlich
in der Gegend der Fissura calcarina, im hinteren Abschnitt der 1. Schläfenwindung
mit den angrenzenden Qnerwindungen, einem kleinen Abschnitt im unteren Stimhim
und im Gyrus bippocampi.
An anderen Stellen des Grossbims ist Mark viel früher vorhanden als in der
Rinde. Bereits im 8. fötalen Monat sind markhaltig theilweise die hintere Com-
61
Dig'H^cd Dy Google
962
missur, der Fascicnlns retroflezas, die obere Schleife und eine kleine Partie im
hinteren Abschnitt des hinteren Schenkels der inneren Kapsel.
Die Harkscheidenbildnng in der Grosahimrinde beschränkt sich jedoch nicht
von vom herein auf ganz distincte Stellen, an den eben genannten B^onen ist
Harkbildung ntur hanptsächlieh nachzuweisen. Keineswegs sind die flbrigen Abschnitte
ganz frei. Bei Nengeborenen, wo diese Abschnitte dnnkelschwarz ge£ärbt hervQ^
treten, ist anch im oberen Scheitellappen nnd im vorderen Stimlappen eine Anlage
von Harkfasem sichtbar. Bei einem Kinde von 47 Tagen ist dieses Vorhandensein
von Harkfasem schon sehr markant. Wenn also anch einzelne Stellen des Gehirns
schneller und intensiver in der Markbildnng vorangehen, so ist diese keineswegs aH
ganz bestimmte Gebiete beechränki Die radiären Fasern zeigen im grossen Ganzen
znerst stärker Mark, es gelingt aber nicht, eine Periode nachznweisen, wo nv
radiäre Fasern markhaltig sind, stets, wo diese vorhanden, waren anch d«
Oberfläche parallele mit Mark umhQlli Die Insel macht davon keine Ansnahme.
Die Harkscheidenbiidnng schreitet an den Fasern, wo sie sich verfolgen lässt, von
Centrom nach der Peripherie fort, derselbe Weg, wie er bei der Bildung des Marks
in den Hiraoerven nach ä. Westphal inn^ehalteo wird. Nach Abschluss des
3. Monats fehlen schon an keiner Stelle der Grosshirnrinde die mark*
haltigen Fasern. Die Dentnng dieser znerst mit Mark sich umhtUlenden Fasern
als ProjectioDSfasem ist eine hypothetische. Weder ans der Yerlanfsriehtong, noch
aus Form nnd Gestalt ist dieses zn entnehmen. Und wenn wir auch als das wahr*
sclielnlichste diese sich zunächst entwickelnden Fasern als Projeetionsfasem ansehen,
so ist dabei nicht ausser Acht zu lassen, dass diese sich nicht auf bestimmte Hira-
tbeile beschränken. Ohne weiteres lässt sich nachweisen, dass zn diesen sich Mh
entwickelnden vermuthlichen Stabkranzfasem aus allen Thmlen des Gehirns sich
später weitere Fasern in derselben Verlaufsrichtung gesellen.
Die Masse der Projeetionsfasem, welche aus Flechsig’s Verstandscentrea
hervorgeht, ist schon von vom herein eine respectable und im 3.—4. Monat eine
sehr beträchtliche. Sehr schön ist dieses am Stabkranz der Sehstrahlnng zn Te^
folgen. Diese bildet einen von hinten nach vor wachsenden Faserzug, nnd man kina
ohne Schwier^keit erkennen, wie sich aus dem Scheitellappen, dem Gyr. angularis,
ans der ganzen convexen Fläche des Occipitallappens Fasern dazugesellen.
Die zuerst und stärker sich mit Hark umhüllenden Fasern heben sieb auch
beim Uim der Erwachsenen noch sehr markant ab.
Ja, es scheint, als ob in Krankheitsfällen, z. B. progressiver Paralyse, diese
Fasern eine grössere Besistenzföbigkeit beeüren. Stark entfärbte Saggittalschoitte
durch das Grosshim bei progressiver Paralyse lassen einen noch stärkeren Beichthnin
von Fasern an diesen Partieen erkennen. Der Nachweis der spitzwinkeligen Um*
biegung der Fasern oder des Verlanfs in scharfgekrümmten Curven ist nicht zu er¬
bringen.
Somit ergiebt auch die Methode der Harkscheidenentwickelni^, dass keine SteUe
des Hirns ohne Projeetionsfasem ist. Auch die Insel bat einen Stabkrani
(Faserzug au der convexen Fläche des Linsenksras). Dass dis Associationseenbrea
einen gemeinsamen, sie von den Sinnescentren nnterscheidendsn Grundtypus der
histologischen Stmetur besitzen, ist nicht richtig.
Die Üntersnehnngen Über den Fasei^ehalt der Binde an einzMnen Stellen siisi
noch so lückenhaft, dass sieh daraus bisher keine bestimmten Schlüsse ziehen lassM.
Die UntersDchuDg der Hirnrinde eines neogeborenen nnd eines einjähzigio
Kindes mit besonderem Einschluss der sogen. Sinnes* und Assoeiatienscentren io
Bezug auf die Zahl und Beihenfolge der Schichten eigiebt eine sehr einheitliche
Gestaltung an allen Stellen. Ueberall sind folgende Schichten nachznweis«:
1. Stratum zonale,
2. äussere Schicht der kleinen Pyramldenzellen,
Google
963
3. Schicht der mittelgroasen Pyramidenzellen,
4. innere Schicht der kleinen Pyramidenzellen,
5. Schicht der groseen Fyramidenzelien,
6 . Schicht der polymorphen Z^en.
Ein Schnitt durch die Querwindungen des Sehläfenlappens unterscheidet sich
in nichts von einem aus der 2. oder 3. Schläfewindung oder ans dem Scheitelhirn.
Grosse Pyramidenzellen fehlen nirgends, besonders gross sind sie z. B. im vor¬
deren Stimhim. Wenigstens reichen die bis jetzt bekannten Unterschiede im Aufbau
der Rinde nicht aus, um sie zur Annahme von Associations- und Sinnescentren zu
verwenden. Die Erfahrungen der secundären Degeneration (Sachs, v. Monakow,
Oejerine) sprechen durchaus dagegen.
Der Vortrag wurde durch Zeichnungen und Präparate erläutert.
Autorreferat
DiscuBsion:
Die Herren Vogt, Oudden, Nissl, Bruns, Ffirstner, Kramer.
Herr Gudden demonstrirt im Anschluss an den Vortrag einige in Formol ge¬
härtete Oehime.
Herr Bruns wendet sich gegen die Annahme der vielen Centren im Oebirn.
Herr Ffirstner lobt die Art der Conservirui^ der demonstrirten Oehime.
Herr Kramer desgleichen.
Herr Oebeke (Bonn): Das rheinisolie Irrenwesen.
An der Hand von Zahlen giebt Vortr. einen Ueberblick aber das, was in der
libeinprovinz auf dem Gebiete des Irrenweseus geschehen ist und geschieht. Schon
in frtüieren Jahrhunderten wurden hier in den Klöstern viele Geisteskranke verpfl^.
Die erste Provinzial-Anstalt, die speciell ffir heilbare Kranke bestimmt war, wurde
im Jahre 1825 zu Siegburg eröSuet Als sie im Laufe der nächsten Jahrzehnte
sich als Dicht genfigend erwies, fasste die Provinz 1865 den Beschluss, ffir jeden
Regierungsbezirk eine eigene Anstalt zu bauen. Und so erhoben sich in den nächsten
17 Jahren die Anstalten Andernach, Bonn, Dfireu, Grafenberg und Merzig. Das sind
die zur Zeit bestehenden Provinzial-Heil- und Fflegeanstalten. ln ihnen wnrden im
Laufe der nächsten Jahre manche Umbanten erforderlich der Erweiterung halber.
Ausserdem ist jetzt eine neue Anstalt im Pavillonsystem im Ban begriffen bei Galk-
hausen zwischen Köln und Düsseldorf, die im October 1899 eröffiiet wird. Zudem
ist der Bau einer Anstalt Ifir Epileptiker in der Nähe von Krefeld beschlossen.
Um aus den Übrigen Anstalten das lästige Element der geisteskranken Verbrecher
zu entfernen, ist in Dfiren eigens ffir geisteskranke Verbrecher ein Pavillon gebaut
w'ordeu, der demnächst seiner Bestimmung übergeben wird. In der Bonner Anstalt
wurde die 1. und II. Pensionarabtheilung aufgehoben und statt dessen auf der Hänner-
und Frauenseite je eine Äbtheilnng zum Zwecke des klinischen Unterrichtes ein¬
gerichtet.
Neu geschaffen wurde die Stelle d^ Landesp^chiaters als sachverständiger
Deirath des IjandeshauptmaonB bezw. Landesansschusses.
Dem Oberpflegepersonal wurde durch die Einrichtung der Stationspfleger (-innen)
eine Stütze gegeben, die zu seiner Entlastung dienen soll. Die Stationspfleger (-innen)
haben die Aufsicht über die ihnen zuertbeilten Abtheilungen.
ln Andernach und Merzig soll die Familienpflege eingerichtet werden.
Die Anstalten sollen nicht fiber 600 Kranke enthalten. Die Kosten sind bei
den bestehenden auf 4200 Mark pro Kopf veranschlagt worden; bei dem Ban der
neuen Anstalten auf 4000 Hark.
Ausser diesen Provinzial-Anstalten existiren in der Bheinprovinz noch eine grosse
Anzahl von Privat-Heil- und Fflegeanstalten für die bessereu Stände; ausserdem viele
L^riwat-PÖegeanstalten, die sich zum grössten Theil in den Händen geistlicher Oe-
61*
-ri., Google
964
Dossen schäften befinden, mit denen die Provinz einen Contract abgeschlossen hat
Zwecks Abgabe und Verpfiegung unheilbarer Geisteskranker.
Die Aufsicht fiber die Anstalten, an der übrigens kein Mangel ist, wird vom
Landeshaaptmann und Landesausschuss aasgeübt Auch die Pfiegeanstalten werdw
von der Provinz beaufsichtigt
Es besteht ausserdem ein Hülfsverein für Geisteskranke in der Rheinprovinz.
Mit diesen Einrichtungen dürfte die Provinz in dem Irrenwesen völlig auf der
Uöhe der Zeit stehen.
Discu^sion:
Herr Pelm an schliesst sich den Ausführungen des Vorredners an. Er weist
dann auf die Schwierigkeiten hin, die sich ans der Vereinigung der Stelle eines
Anstaltsdirectors und klinischen Lehrers eigiebt und bespricht kurz die Einrichtung
der klinischen Abtheilnngen in der Anstalt Bonn.
Herr Schultze (Bonn): Beitrag zur Itehre von den psthologisohen Be¬
wusstseinsstörungen.
Vortr. berichtet über 3 interessante Fälle von sog. „automatisme ambnlatoire*';
die Kranken onternahmen des Häufigeren ohne äusseren Grund zweck- und sinnlose weite
Reisen, für die nachher eine mehr oder weniger grosse Gedächtnisslücke beetand.
Vortr. fasst die Ausführung der verschiedenen Reisen als epileptische Aequivalmite
auf; wenn auch in keinem der Fälle ausgesprochene epileptische AnfäUe vorhaudeu
waren, so Uessen sich nämlich doch bei allen Kranken epileptoide Erscheinungen, als
periodischer Kopfschmerz, periodische Erregungen mit nachheriger Amnesie, periodisch«
Depressionen mit ausgesprochener Selbstmordneigung, Schwindelanfölle, Dipsomanie n.s.v.
neben ätiologiscben Momenten (gleichartige Heredität, Trauma capitis) nachweisen.
Discnssiou:
Herr Meschede führt einen ähnlichen Fall an.
Herr Fürstner: Der Wandertrieb findet sich auch bei andereu Psychosen, be¬
sonders im jugendlichen Alter. Er allein ist für Epilepsie nicht beweisend.
Herr Scbfile weist auf die diesen Zuständen ähnlichen sog. neurastheniscbeD
Dämmerzustände bin, wie sie v. Krafft-Ebing beschrieben hat.
Herr JoUy: Der Wandertrieb findet sich auch im Verlauf des mrcaläreo
Irreseins.
Herr Ganser spricht den Verdacht aus, dass es sich vielleicht um hysterische
Zustände gehandelt habe.
Herr Nissl (Heidelberg); Die Verwerthung des anstomisohen Materials
in Irrenanstalten.
Vurtr. ist der Ansicht, dass unsere Anschaunngen fiber die Architektonik dar
nervösen Centralorgane jetzt nnklarer sind als sie je zuvor gewesen Die Meuroneo-
theorie ist eine unglückliche nnd kann wohl kaum aufrecht erhalten werden. ICt
einem Hinweis auf seine eigenen Giftversoche hält er es für das Richt^ate, möglichst
viele Eiozelforschnugen anzustellen, um auf diesem Wege zu einer Anschauung über
den Bau der nervösen Apparate zu gelangen. Da bei der Ueberlastung der patho¬
logischen Anatomen auf diesem Gebiet von ihnen nichts zu erwarten ist, so mOssen
die Äerzte in den Irrenanstalten sich selbst mit der schwierigen Technik vertrant
machen nnd die Gehirne untersuchen. Am weitesten gelangt man, wenn ganz be¬
stimmte Theile der Rinde an möglichst vielen Gehirnen znr Untersuchung kommen.
Eine Gefahr liegt allerdings darin, dass es sich dabei immer um Gehirne von Geistes¬
kranken handelt. Sehr zu empfehlen ist zum Zwecke der Untersuchungen die Mikro¬
photographie.
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965
Discassion:
Herr Siemerling: Es lässt sich doch nicht behaapton, dass die Nenronen-
tbeorie nngl&cklich ist and fallen gelassen werden mnss, sie hat noch viele angesehene
Anhänger.
Herr Ftiratner schliesst sich dem an.
Herr Nissl glaubt, darüber könne man die Zeit entscheiden lassen.
Herr Sioli (Frankfurt b./U.): Die Fürsorge für Oeiateskranke in den
dentaohen Groesstädten.
An 45 deutsche Städte mit über 60 000 Einwohner hat Vortr. Fragebogen
geschickt, um sich darüber zu orientiren, was in ihnen für Geisteskranke geschieht.
Es stellte sich dabei heraus, dass in diesem Punkte noch Vieles zu wünschen übrig
bleibt Namentlich sind die Aufnahmebedingungen in vielen so schwerßllig, dass
zwischen dem Aufnahmeantr^ und der Aufnahme in eine Anstalt eine längere Frist
— bis zu mehreren Monaten! — verstreicht Am besten steht es in der Bhein-
provinz, wo alle Formalitäten binnen 3 Tagen erledigt sein können. In einigen
Städten ist eine provisorische Fflrsoi^e getroffen in der Form von Kliniken und Irren-
abtheilungen bei den Krankenhäusern. Dadurch wird den Irrenanstalten kein Ab¬
bruch gethan; sie erhalten doch fast die gleiche Zahl von Kranken; es gehen ihnen
vornehmlich ab die Deliranten, ln einigen Gressstädten kann die Aufnahme sofort
erfolgen, so in Frankfurt a./M., Dresden und Breslau. In den meisten Gressstädten
liegt die Sache aber so, dass bald Abhülfe geschaffen werden muss.
Herr Lfihrmann (Dresden): Ueber Btadtosyle.
Der Vortr. fasste seine Ausführungen nach einer Darstellung des Standes der
Irrenfürsorge in den deutschen Grossstädten sowie der Pariser, Brüsseler, Londoner
und Glasgower Verhältnisse in folgenden Sätzen znsammen:
1. Im Interesse der öffentlichen Irrenfürsorge ist die Gründung von Stadtasylen
in grösseren Städten nothwendig.
2. An der Spitze eines Stadtasyls muss ein P^chiater von Fach stehen.
3. Die Stadtasyle begünstigen in hohem Grade die Frühauüiahme, dienen zur
Entlastung der grossen centralen Anstalten (40 bis 50 7o Aufnahmen können
in den ersten Wochen entlassen. werden) und eignen sich zu Lehrinstituten.
4. Es ist wünschenswerth, in grossen Asylen eine Wachabtheilnng für ruhige
Kranke, eine zweite Wachabtheilnng für die unruhigen Kranken zu haben, beide mit
blonderem Personal lediglich für den Nachtwachdienst.
5. In grossen Stadtasylen sind Einrichtungen zur Aufnahme gebildeter, aber
wenig bemittelter Personen zu treffen.
6 . Die Anüiahme in die Stadtasyle muss eine leichte sein, und zwar sollen
Kranke dort auf eigenen Antrag und auf Gutachten des Anstaltsoberarztes hin auf¬
genommen werden können.
7. Die zwangsweise Einweisung von Geisteskranken aus ihrem derzeitigen Auf¬
enthalt soll auf das Gutachten eines beamteten, bezw. eines damit behördlicherseits
besonders beauftragten Arztes geschehen; Voraussetzung aber dabei ist, dass die
Untersnehnng bezw. die Ueberführung mit grösster Beschleunigung erfolge.
Disenssion über die beiden letzten Vorträge:
Herr Fürstner: In Strassburg sind leichte Aufnahmebedingungen. Wünschens¬
werth ist es, wenn in einer Klinik in beschränktem Haasse eine Pensionärabtheilung
beetehi Zwei Wachsäle sind nothwendig, einer für ruhige, einer für unreinliche
Kranke; für die unruhigen soll anderweitig gesorgt werden.
Herr Meschede: In KÖnigsbei^ ist eine Irrenabtheilung mit dem Kranken¬
hause verbunden.
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966
Herr Kräpelia: In Baden werden oft grosse Schwierigkeiten bei den Änf-
nahmen gemacht Das PobUkam soll möglichst viel Zutritt zu den Anstalten haben,
damit die Yorurtbeile gegen diese serstreut werden.
Herr Ganser empfiehlt anf Gmnd langjähriger Erfahrungen diingend die Ein¬
richtungen mehrerer Wachsäle mit eigenem Wachpersonal.
Herr SchQle wendet sich gegen die Ausführungen Eräpelin's bezüglich der
Scbwier^keit der Aufnahmebedingungen in Baden.
Die Vorträge von Trömmer (Berlin): „Zur pathologischen Anatomie des Deliriimi
tremens*' und von Vogt (Berlin): „Zur Psychopathologie der Hysterie*' fielen aus.
Am ersten Sitsungstag gab die Bheinprovinz der Versammlung ein opulentes
Frühstück; Abends vereinigten sich die Hitglieder zu einem Festessen; am zweites
Tage beschloss ein ^ueflug anf den Drachenfels die diesjährige Versammlung.
Lückerath (Bonn).
Wiener medloinlsoher Club.
Sitzung vom 20. October 1897.
Knieböck demonstrirt eine Arthropathie des Unken EUenbogengelenkM
bei Syringomyelie.
Der Fall betrifft eine 33jährige Patientin, bei welcher trotz ausgedehnter Ge-
lenksprocesse keine Muskelatrophie besteht Bedeutende Schwellung des linken EU-
bogengelenkes, welche Diaphysen und Epiphysen betrifft; Knochen, Kapsel und Binder
zeigen eine wesentliche Verdickung. Abnorme Beweglichkeit und Crepitation im
Gelenke, die Haut über dem Gelenk ist normal, die Bewegungen schmerzlos. Der
Prozess hat sich ohne Schmerzeu entwickelt Es besteht eine ausgedehnte Therm-
anästhesie und Analgesie an dem erkrankten Arme und auf der Brust, in der Anam¬
nese schmerzlose Panaritien. Gesteigerte Reflexe an den unteren Extremit&ten, leicht«
Kyphoskoliose im oberen Bmstsegment der Wirbelsäule.
H. Schlesinger bemerkt hierzu, dass in diesem Falle das Auftreten einer
Gelenksaffection als Frühsymptom der Syringomyelie zu betrachten sei. Es
sind dies vielleicht nicht so seltene Vorkommnisse, denn Redner hat in kurzer Zeit
zwei zweifellose Fälle von Syringomyelie gesehen, in welchen eine trophische Störung
and zwar in dem einen Falle eine Spontanfractur, in dem anderen Falle eine Oe-
lenksaffection die erste Störung war, welche überhaupt auf eine Erkrankung aof-
merksam machte. Von Wichtigkeit für die Diagnose ist in solchen Fällen eine
Steigerung der Patellarrefiexe und dies dann, wenn die Steigerung sich besonders
auf jener Seite findet, an welcher die trophische Störung sich markirt hat Sch.
verweist anf die grosse Bedentung der Kenntniss dieses Frühsymptoms für die Be-
urtheilung von UnföUsn und anf die Wichtigkeit in gerichtsärzilicber Beziebosg-
Bei der Beurtbeilung der Verletzung wird dann die besondere Körperbeschaffenheit
in Betracht kommen müssen.
Sitzung vom 16. November 1897.
(Wien. klin. Wochenschr. 1897. Nr. 47.)
F. Hahn; Ueber Senaibilität bei Syringomyalle.
Vortr. bat an einer grösseren Zahl von SyringomyeließUen der Klinik Scbrötter
die von Laehr erhobenen SeDBibUitätsstömngen bei dieser Affection in gleicher Wom
wie der Berliner Autor finden können and zwar zeigten dieselben segmentalen Typus
nicht bloss in Bezug auf die Temperaturempfindung, sondern auch anf Schmerz- und
Google
967
Tastsinn. Die froheren Befunde des Vorkommens aes centralan Typus der Sensi«
bUitätsstOrongen bei Syringomyelie sind zum Tbeile auf eine physiologische Abnahme
der Temperaturempfindlichkeit gegen die Peripherie der Extremitäten hin, die durch
Oedem, Cyanose, ^hwielenbildung u. s. w. noch vermehrt wird, zum Tbeile aber auf
diagnostische Irrtflhmer zorückzufflhren. Doch abgesehen von diesen Verhältnissen
findet sich bei manchen Fällen von Syringomyelie, aber durchaus nicht bei allen,
eine effecbive Abnahme der Sensibilität gegen die Peripherie der Extremitäten hin,
doch traf sie Vortr. immer innerhalb des Rahmens einer segmentalen Anordnung, nie
allein fOr sich bestehend.
Sitzung vom 24. November 1897.
(Wiener klin. Wochenschr. 1897. Nr. 60.)
J. Schnabel demonstrirt einen Fall von Lues cerebrospinalis mit zwei
Herden, einem im Opticus, dem anderen im Bmstmarke, mit dem Bilde der Halb¬
seitenläsion.
Eine 27jährige Weissnäherin bemerkte plötzlich vor 2 Monaten Schlechtersehen
nnd Nebel vor dem linken Auge. 5 Tage später Parästhesieen und Schwäche im
linken Beine, in weiterer Folge rasche Abnahme des Sehvermögens auf dem linken
Auge bU zur vollständigen Erblindung; zunehmende Lähmung des linken Beines.
Lnes und Fötus negirt, filiber mit Ausnahme einer vorflbergehenden Lungenaffection
stets gesund.
Die Untersuchung ei^ab zur Zeit der Aufnahme ins Krankenhaus Fehlen der
Lichtempflndung des linken Anges bis auf eine Spur io der nasalen Gesichtsfeld¬
hälfte, absolute Beactionslosigkeit auf Licht, consensuelle Eeaction erhalten, Beaction
auf Accoxnodation prompt. Rechtes Auge, Augenmuskeln, alle Himnerven intact,
Augenhintergrnnd beiderseits normal. Paralyse des linken Beines, Parese des rechten,
Steigerung der Sehnenrefiexe beiderseits. Bis zur Höhe des 4. Intercostalraumee
vom und des 4. Brustwirbeldoms hinten hochgradige Hyperästhesie für alle Empfin¬
dungsqualitäten auf der rechten Seite, links nach unten zunehmende Hyperästhesie
für tactile, algetische und thermästhetische Reize. Muskelsinn und Gefühl für Lage
und Bewegung der Extremitäten links herabgesetzt. Obere Extremitäten, Blase,
Hastdarm vollständig frei.
Vortr. hebt hervor, dass der Brown-Sdqnard’sche Symptomencomplex hier
deutlich ausgesprochen sei. Hysterie ist ausgeschlossen. Den einen Herd verlegt
Vortr. in den Opticus zwischen Bulbus und Chiasma, wegen des kurzen Bestandes
der Affection fehlt die Opticusneuritis. Deo anderen Herd verlegt er ins Brustmark;
das Wahrscheinlichste sind gummöse Infiltrate. Unter antiluetischer Behandlung
Rückgang der Augenerscheinungen und des Rückeamarksbefundes.
In einer späteren Sitzung, nnd zwar vom 9. Februar 1898, stellte Vortr.
neuerdings die Kranke vor, welche bis dahin antilnetlsch behandelt worden war.
Nach einiger Zeit trat links deutliche Atrophie des Sehnerven auf, ferner Schmerzen,
welche vom rechten Fass ins Hypochondrium ausstrahlten, tonische Krämpfe im
rechten Beine, Rückgang der Parese am linken Beine. Die Sensibilitätsstörung rechts
vollständig geschwunden, das Sehvermögen des amblyopischen Anges gebessert.
Vortr. stellt weiter einen 38jäbrigen Mann traumstisoher Neuroee vor. Die¬
selbe tritt in Form von klonischen Krämpfen der Stemocleidomastoidei nnd der
Bauchmuskeln anf. Die Krämpfe traten vor 8 Jahren ein, als Fat. beim Heben
einer schweren Last zusammenstürzte, und zwar als Hitbewegungen und Dreh-
bew^ungen des Kopfes, ferner klonische Krämpfe der Bauchmusculatur, welche so
hochgradig sind, dass der Kranke nur mit vorgebeugtem Oberkörper, die Hände auf
die Kniee gestützt, gehen kann. Die Krämpfe cessiren im Schlafe und iu Rücken¬
lage und treten erst bei jedem Gehversuche des Kranken auf.
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968
Sitzung vom 26. Januar 1898.
(Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 7.)
F. Pineies demonstrirt einen Fall von chronischer, seit 20 Jahren reoidi«
▼irender Tetanie.
Die jetzt 37j&hrige Patientin erkrankte vor 20 Jahren an Typhus. In der
Beconvalescenz traten plötzlich heftige Krämpfe in beiden oberen Ex^mitäten auf.
Nach dem Ablanfen des Typhus schwanden die Krämpfe vollständig, um dann
neuerlich im Februar des nächsten Jahres wiederzukehren. Keine MagenstOrungen.
Nach mehrwOchentlicher Dauer verloren sich die Krämpfe; von jetzt ab stellten sich
die Krämpfe jedes Jahr in den Monaten Januar oder Februar ein und waren immer
von ziemlich gleicher Intensität und Dauer. Sie betrafen stets die Muskeln beider
Arme und Uessen die Beine (KOrpermnskeln) frei; manchmal sollen Äugenmnskel«
krämpfe bestanden haben. Seit nngeßhr 14 Jahren leidet die Kranke an Diarrböeu,
jedesmal verschlechtern sich dieselben bei Eintritt der Krämpfe, welche weder durch
Berufswechsel, noch durch Aenderni^ des Aufenthalts, noch durch Gravidität irgendwie
beeinflusst worden. Die Krampfanfälle sind typisch; die galvanische Erregbarkeit der
Nerven ist bedentend erhöht, Trousseau’sches und Facialisphänomen deutlich vor«
handen. Zur Zeit der Attaquen bestand hohes Fieber und trat ein Exanthem aa
der Streckseite der Unterschenkel auf, welches sich auch sonst zur Zeit der Attaquen
eingestellt haben soll. Diese Prävalenz des Auftretens der Tetanie zu bestimmten
Jahreszeiten, der Verlauf unter hohem Fieber und die allgemeine Prostration sprechen
dafür, dass hier eine infectiöse Schädlichkeit vorliegt. Im Urin war Indican nicht
vermehrt, abnorme Bestandtheile nicht nachweisbar.
Dr. Kienböck demonstrirt vier atypische Fälle von Syringomyelie aas
der Klinik Sehrötter.
1. Fall: 39jähriger Forstwirth. Die ersten Symptome der Erkrankung vor
4 Jahren ohne bekannte Veraulassung. Spasmus im linken Arm und spastischer
Gang, leichte Atrophie mit bedeutender Schwäche im Schulteigörtel beiderseits oad
hochgradige Atrophie des linken Oberarmes mit Lockerung des gleichzeitigen EUbc^eo«
gelenks. Die partielle Empfindungslähmung betrifft fast genau das Gebiet ist
Cervicalnerven, die aus dem mittleren Autheile des Cervicalmorks (2.—6. Hals¬
segment) stammen. Keine Blasen« und Hastdarmstömng, Steigerung des Patelkr«
reflexes, Fusselouns beiderseits, Kyphose im oberaten Abschnitte der Wirbelsäule.
Hirnnerven normal. Als auffallende Erscheinungen müssen Spasmen der linken
oberen Extremität mit Streckstellung derselben im Ellbogengelenk bezeichnet werden.
2. Fall: 35jähriger Tischler mit höchstgradiger Verstümmlung beider Hände,
die sich im 21. Lebensjahre im Anschlüsse an Panaritien in kurzer Zeit entwickelt
haben. Im Decemher v. J. schmerzlose, sehr umfangreiche Verbrennung am rechten
Oberarme; Sensibilitätsstörung der oberen Körperhälfte im syringomyeUscben Siime
am rechten Oberarme und Störung der Berührungsempfiudnug, Huskelatrophieen nur
an den Vorderarmen. Gesteigerte Patellarreflexe. Die linke Hand ist im Hand¬
gelenke luxirt, die Handwurzel liegt den Diapbysen der Vorderarmknochen an deren
Beugeseite an. Es handelt sich um pathologische Luxatiou mit hypertrophischer
Deformation der Kuochen. An der rechten Hand fehlen Theile der EndphaUnx des
Daumens mit enormer breiter Zunahme der Grundphalaux. Der deformirte Zeige*
fiuger ist durch eine Art Schwimmhaut mit dem Daumen au der Basis verbanden,
in den Hetacarpophalaugealgelenkou beiderseits bedeutende Hypertrophieen. Ankylose
und Verdickungen der Fiuger, schwielige Veränderung der cyauotisch gefärbten, voll¬
kommen analgetischen Haut. Hirouerven bis auf den Trigeminus intact. Wirbel¬
säule gerade, Gang und Sphincteren nicht gestört.
3. Fall: 20jäbriger Hirth hat sich im 12. Lebensjahre, ohne es sogleich m
merken, an dem Gesäss am offenen Feuer verbrannt Seit einem Jahre ist der Gang
D,:--vGoogIc
969
spastisch, Pat. muss baim Uriniren stark pressen, Incontinentia alvi. Dissociirte
SensibUitÄt an der unteren Körperhälfte, besonders links, Steigerung der Patellar*
refiexe, keine Moskelatrophieen. Obere Extremitäten und Himnerven intact. Kein
Bomberg’sches Phänomen.
4. Fall: 29jährige Bäuerin. der Erkrankni^ im 9. Lebensjahre mit
Erschwerung des Ganges und GflrtelgefQhl. Parese der Hand im 14. Lebensjahre.
Panaritien im 16. Lebensjahre, im 17. umfangreiche, schmerzlose Verbrennung am
Bficken. Verschlimmerung des Zustandes seit der Geburt des dritten Kindes vor
9 Monaten. Es besteht Hamträufeln, ab und zu Incontinentia aWi, rechtsseitige Nieren»
kohken mit Nierensteinen. Die obere Körperhälfte ist sehr abgemagert, hochgradige
Atrophie des Schnltei^rtels und der oberen Extremitäten, bedeutende Kjphoskoliose
im oberen Brusttheile der TVirbelsänle, Lordose der Lendenwirbelsäule. Die Schulter¬
blätter sind nach vom und unten gesunken, die Arme sind cyanotisch, die kleinen
Handmuskeln links atrophisch, an der rechten Hand Contractur, die Finger verdickt.
Der Gang spastisch »paretisch, die Haut am linken Unterschenkel verdickt und
glänzend. An den Genitalien und der Innenseite der Oberschenkel ein Ekzem eigen-
th&mlicber Art mit Wucherungsvorgängen (von Prof. Neumann als solches dia»
guosticirt). Himnerven nicht paretiscb. Typische syringomyelische Sensibilitäts*
störuDg an den oberen Extremitäten, sowie um den Anus.
Vortr. hebt hervor, dass die Höhlenbildung im 3. Falle im lumbalen Antheile,
im 4. Falle in der ganzen Länge des Räckenmarks, besonders im dorso-lumbalen
Antheile zu suchen sei. Die Erkrankung hat in allen Fällen während der Jugend
begonnen, eine Verletzung war bei keinem vorausgegangen, ebenso wenig Infeetions*
krankheiten. Die Wirbelsäule war in zweien der Fälle gerade, in zwei anderen ge¬
krümmt Die sehr schwierige Differentialdiagnose gegenüber der Lepra (im Falle 3)
wird eingehend besprochen (Leprabacillen worden im Secrete nicht gefunden). Die
SensibilitAtsstörung war überall eine segmentale, die distalen Abschnitte waren stärker
atrophiscb.
Vortr. betont, dass in einem der Fälle Nephrolithiasis besteht, in zwei anderen
an der Klinik Schrötter von Schlesinger beobachteten, aber nicht publicirten
Fällen Nephrolithiasis bestand. Letztere Affection ist in Wien sehr selten. Da alle
Kranken mit Nephrolithiasis Gelenkstörungen darboten, ist vielleicht bei Syringomyelie
ein gewisser Zusammenhang zwischen der Steinbildung der Niere und den Geleuk-
störungen vorhanden.
Schlesinger betont, dass die Zahl der Syringomyelieffille anscheinend in stetem
Wachsen sei, was mit der besseren Kenntniss der Erkrankung zusammenhängt; in
den letzten 3 Jahren hat er am liegenden Material an der Klinik allein gegen 20
nicht publicirte Fälle von Syringomyelie beobachtet.
Sitzung vom 9. Februar 1898.
(Wiener klin. Wocheuschr. 1898. Nr. 9.)
A. Bum stellt einen 39jährigen Tabiker vor, bei welchem er seit dVj Monaten
meohsnisohe Ataxiebehsndlong nach Frenkel Übt. Der Kranke konnte im
Herbst verflossenen Jahres nur mühsam am Stocke gehen und wies die typischen
Symptome der Ataxie auf. Er geht jetzt ohne Stütze vor- und rückwärts, auch auf
den Zehenspitzen, selbst mit geschlossenen Augen, steigt 'Treppen auf und ab u. s. w.
Vortr. hat von der FrenkeTschen Methode in der überwiegenden Mehrzahl der von
ihm bisher behandelten Fälle gute Resultate gesehen, doch schwankte die Behandluugs-
dauer sehr bedeutend. Die besten Resultate geben die stationären Fälle. Die An¬
wendung von Apparaten für die Ataxiebehandlung der unteren Extremitäten hält
Vortr. nach seinen Erfahrungen für entbehrlich.
.od.vGooglc
970
Heinrich Weias stellt eine lOjährige Patientin mit Par^legUi q;>astica
Infuitilin vor.
Normale Oebort, drei Geschwister leben nnd sind gesund. Die Krankheit stellte
sich im Älter von 5 Jahren bei dem bis dahin gesanden Kinde angeblich nach einem
Schrecken ein. Zuerst Sddeohtei^hen mit dem rechten Beine, dann Auftreten tod
Erscheintmgen im rechten Arme, allgemeine Yerschlimmernng des SpraehTennö^m;
das Kind kann spontan sprechen, stockt aber, wenn es antworten soll. Die Intelligenz
ist gut Allrnfthlicher Uebeigang der Erscheinongen auch auf die Extremitäten der
anderen Körperh&lfte, neben spastischen Contracturen bestehen athetotische Bewegungen
in den H&nden; links spastischer Krampf* nnd rechts spastischer Spitafuss. Spasmos
der Lippen* and Zungen*, zum Theil auch der Nackenmoskolatur. Kerne Anästhesie;
Aplasie der rechten Stirn* und Schläfengegend nnd der rechten Kopfhälfte.
Sitzung Tom 16. Februar 1898.)
(Wiener klin. Wocbenschr. 1698. Nr. 10.)
H. Schlesinger demonstrirt das anatomische Präparat ^es Falles Ton Stirn*
himtumor, welches von einer 52jährigen Frau stammt
Dieselbe wurde im somnolenten Zustande aufgenommen. Während der knn
dauernden Beobachtung wechselte das Verhalten des Sensorinms der Kranken; ver*
spätetes Beagiren auf äussere Beize, namentlich acustischer Art Nur hie nnd da
Kopfschmerzen, nie Krämpfe, keine Storungen von Seite der Bespiration oder des
Pulses, Albuminurie. Keine deutlichen Störungen ton Seite der HimnerTsn odm* der
Extremitäten ln Bezug auf Motilität oder Sensibilität nur eine geringe BrhObuag
der Sehnenreflexe auf der rechten KOrperhälfte. Der Augenhintergrund war nonnal;
erst unmittelbar ante mortem Verwaschensein der Begrenzung der linken Papille.
Der Gang der Pat konnte nicht geprüft werden; keine Witzelsncht Vor 6 Jahren
war das Örtliche Becidiv eines Bauchdeckentumors (Fibrosaroom) entfernt wordmi,
wodurch die Annahme ^es Hirntumors wahrscheinlicher wurde. Vor und über dem
linken Ohre saes ein halbzwetschenkemgrosser, knochenharter, vollkommen nnverscbieb-
lieber Tumor, der vom Vortr. als Knochenmetastase au^fasst wurde, welche nach
innen protoberire, auf das Stimhim drücke oder auf dasselbe übergegrifEm habe.
Dauer der cerebralen Erscheinongen 5 Wochen, Beobachtnngsdaner im Spitale 2 Wochen.
Exitus unter Lungenödem.
Die Obdoction zeigte, dassl^der Tumor des Knochens eine Exostose war, welche
gar nicht nach innen protuberirte; gleichzeitig aber fand sich, genau entspreebend
der Exostose, ein riesiger Tumor des Stimhims derselben (linken) Seite, welche
den Himabschnitt vollkommen einnahm.
Vortr. hebt hervor, dass in diesem Falle ein operativer Eingriff geplant war,
und dass die Kenntniss solcher pathologischer Vorgänge, welche zu Fehldiagnosen
Anlass geben können, recht werthvoU seien, zumal er schon zum zweiten Male eine
derartige Combination von Schädel- nnd Himgeschwnlst gesehen habe. Der Tumor
war offenbar metastatischer Natur, er war wahrscheinlich von dem vor 6 Jahren
operirten Fibrosarcom der Bauchdecken ausgegangM und latent getragen wordeo.
Sitzung vom 2. März 1898.
(Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 11.)
H. Weiss demonstrirt einen Hann mit Paohymaningitis oervioslis luetioa.
(Wird an anderer Stelle ausführlich publicirt.)
üigiVrcd oy Google
971
Sitzung vom 9. März 1898.)
(Wiener klin. Wochenachr. 1898. Nr. 13.)
F. Pineles demonstrirt 2Fälle von halbseitiger cerebralerKinderUhmung.
I. Fall, löjäbriges Mädchen, körperlich gut entwickelt, geistig sehr zurück*
geblieben, hereditär nicht belastet. Geburt normal, im 2. Lebensjahre Convulsionen;
im Anschlüsse daran heftiges Zittern der linksseitigen Extremitäten, welches ziemlich
unverändert bis zum heutigen T^e anhäli Fast continuirlich anhaltende Krampf*
bewegungen der linken oberen und unteren Extremität, welche eine Mischform von
Scbütteltremor und choreaartigen Zuckungen darstellen. Keine trophischen Störungen,
keine Sensibilitätsdefecte. Grobe Kraft beiderseits gleich, Sehnenrefiexe links ge¬
steigert Himnerven intact.
II. Fall. 27jäbrige Patientin mit ausgesprochen infantilem Habitus, geistig
etwas unentwickelt Normale Geburt. Beginn der Affection im 3. Lebensjahre nach
Varicellen. Anfang mit leichter Schwäche der rechten Körperhälfte, allmählich
Steigerung der Intensität derselben, bald darauf Schflttelbewegungen der rechts¬
seitigen Extremitäten, Nachscbleppen des rechten Beins. Pat. lernte schlechter. Im
13. Lebensjahre traten reissende ^hmerzen in den unteren Extremitäten mit Zunahme
der Schüttelbewegungen ein; später, im 22. Lebensjahre, Schmerzen im rechten
Arme, welche nach Dehnung des rechten Plexus brachialis nachliessen, späterhin
wurde wegen der Schmerzen die Dnrchschneidung dieses Plexus ansgeffihrt. Die
Schmerzen im rechten Bein blieben unverändert.
Die rechte Körperhälfte zeigt ausgesprochene Wacbsthumshemmung; rechter
Mnndfacialis, rechter Hjpoglossus paretisch, keine Aphasie. Im rechten Bein con*
tiouirlich anhaltende Schüttelbewegungen, Equinovarusstellung des Fusses. Starke
Contracturen in allen Gelenken, rechts Heratoetzung der Sensibilität für alle Quali¬
täten. Uuakelsinn rechts deutlich vermindert; andauernde heft^ Schmerzen im
rechten Beine.
Vortr. spricht sich dagegen aus, dass die Schmerzen durch eine Zerrung oder
Spannung der Gelenke und Muskeln erzeugt worden wären, und meint, dass sie ein
vom Zustande der Muskeln ganz unabhängiges, sensibles Reizsymptom darstellen.
Sitzung vom 16. März 1898. ,
(Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 13.)
V. Zeissl macht eine vorläu6ge Mittheilung über Verauohe über Gehim-
draok.
Der Gehimdruck wurde mit dem Federmanometer von Basch direct erhoben.
Die Versuche eigaben: 1. dass eine grosse Menge von physiologischer Kochsalzlösung,
ins Gdhlm eingespritzt, den Gehirn* und Blutdruck nur vorübergehend steigmt.
2. Jodjodnatriumlösung, in die V. jugularis injicirt, führt unter starker Steigerung
des Blutdruckes, welche von einer Pulsverlangsamung begleitet ist, zu einer beträcht¬
lichen Steigerung des Gehimdruckes, und zwar steigt letzterer mehr an, als dies
durch Steigerung des Blutdruckes und conseoutive Blutfülle des Gehirns allein
möglich wäre. Es muss also ausser der vermehrten Blutfülle des Gehirns noch eine
zweite Bedingung hlnzutreten, welche eine Volumsvermehmng des Scbädelinhalts
hervorruft Vortr. nimmt an, dass eine Transsudation von Flüssigkeit aus den Ge*
fässen ins Gehirn stattfinde. Diese Annahme ist nm so berechtigter, als diesbezüg¬
liche Versuche lehren, dass die Gehimdmcksteigerung ausbleibt oder sehr un¬
beträchtlich ist, wenn vor Einspiitzung der Jodjodnatriumlösung der Bückenmarks¬
canal durch Einschneiden der Membrana obturataria eröffnet wurde. Der Gehimdruck
steigt nach Injection des genannten Jodpräparates erheblich höher an als durch
Google
972
andere Manipulationen, welche den Blutdruck erhoben (Reizung des Ischisdicus,
Strychnineinspritzung, Aortacompreeaion).
Sitzung vom 23. März 1898.
(Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 14.)
H. Schlesinger demonstrirt 2 Fälle von Muskelatrophie.
Vortr. betont, dass eine scharfe Abgrenzung der spinalen Amyotrophie von der
Dystrophie nicht mehr möglich sei und fährt dies des weiteren ans. Die beiden
Torgestellten Fälle zeigen, wie schwierig sich die Di^nose zu gestalten vermag.
Der 1. Fall betrifft einen 39jäbrigen, nicht belasteten Zimmennann. Be^nn
der Affection vor 3 Jahren mit Schwäche in den Beinen' und mit Nackenschmorzen.
Allmähliche Progression der Erscheinungen. Die Dntersuchung ei^ebt keine Hirn*
nervenerscheinungen, der Kopf liegt, nach vom gesunken, dem Brustbein an, kann
wegen hochgradiger Schwäche der Nackenmuskolator nicht gehoben werden. Com*
pletter Schwand der Muskolatur neben der Halswirbelsäule. Stemoeleidomastoidei
fast vollständig geschwunden, die Schulterblätter nach vom gesunken, die ganze
Scbultergfirtelmuskulatur hochgradig atrophisch, in ihr vereinzelte fibrilläre Zuckungen.
Keine Atropbieeo im Bereiche des Vorderarms, die Handmuskolatur ist sehr gut
entwickelt Nirgends am ganzen Körper Huskelhypertrophieen. Die Bew^lichkeit
im Scboltergelenk hochgradig eingeschränkt, im Ellbogen*, in Hand- und Finger-
gelenken nicht eingeschränkt Starke Kyphose der Brustwirbelsäule. An den unteren
Extremitäten hochgradige Schwäche, aber keine Muskelatropbieen; Patellarrefiex sehr
gesteigert Fussclonns. Biceps- und Tricepsreflex kaum auslösbar. Keine Störongeo
im Bereiche der sensiblen Sphäre, keine Blasen-Mastdarmstörong. Die elektrische
Untersuchung zeigt alle Abstufungen von einfacher Herabsetzni^ bis zom vollständigen
Schwund der Beaction im Bereiche der atrophischen Muskeln, keine Entartongs-
reaction. Vortr. spricht diesen Fall als spinalen an und wQrde ihn am ehesten als
chronische Poliomyelitis auffasseo.
Der 2. Fall betrifft einen 24jährigen, ebenfalls nicht belasteten Arbeiter (Seiden¬
weber). Beginn der Erkrankung vor 4 Jahren, angeblich nach Ueberanstrengnng
beim Arbeiten (16—18stfindige Arbeit täglich). Zuerst trat Schwäche in den Beinen
auf, welche besonders bei der Arbeit in Anspruch genommen waren, dann Schwäche
in den oberen Extremitäten mit allmählicher Progredienz der Erscheinungen.
Die Himnerven sind vollkommen frei. Die ganze Halsmuskulator, besonders
die Stemoeleidomastoidei stark hypertrophisch, die eigentliche SchultergOrtelmnskulatnr
äuaserst dürftig entwickelt, ebenso die Muskulatur beider Oberarme ohne bestimmte
Bevorzugung einzelner Muskeln. Vorderarm und Hand relativ gut entwickelt Die
Muskelatropbie betrifft auch die Bflckenmuskolatur, besonders stark aber die des
Beckengürtels. An den unteren Extremitäten sonst kein Muskelschwund; der Patellar¬
refiex eben auslösbar, ebenso Biceps- und Tricepsreflex. Im Bereiche der atrophischen
Muskulatur bemerkte Vortr. schon seit Monaten häufige fibrilläre Zuckungen. Die
elektrische Untersuchung ergiebt in den atrophischen Muskeln einfache Herabsetznng
der elektrischen Erregbarkeit; im Bereiche des M. supraspinatos sind die Zuckungm
träge und warmförmig, aber die KSZ überwiegt. Die Sensibilität am ganzen Körper
in allen Qualitäten intact Gang ziemlich gut, typisches Emporklettem des Kranken
an sich selbst.
Eine Excision aus dem atrophischen rechten Deltoides ergab, dass der Muskel
nahezu vollständig von Fettwucherungen durchsetzt war. Die histologische Unter¬
suchung des excidirten Stückchens zeigte auffallende Grössenunterschiede der Muskel-
fasern, sehr viele atrophische, wenige hypertrophische Elemente, sehr bedeutende
Keravermehrung, aber ohne Anhäufung um die Geßsse.
üigiVrcd oy Google
973
Vortr. betont, dass in diesem Falle die Muskelknospen intact gefunden wurden
und erörtert die Bedeutung dieses Befundes fOr die in Rede stehende Äffection.
Trotz der fibrillären Zuckungen und der Veränderungen der elektrischen Erregbarkeit
betrachtet Tortr. den Fall als Dystrophia musculornm.
Sitzung vom 20. April 1898.
(Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 19.)
Sorgo demonstrirt Präparate von Oanglienaellen des Büokenmarks mit
Färbung der Klsal’sohen Granulationen naoh einem neuen Verfahren.
Vortr. hat gemeinsam mit Luitlen das Unna’sche polychrome Methylenblau
zur Granulationsfärbung verwendet, und zwar in folgender Weise: Färbung der Schnitte
durch 24 Stunden in der Farblösung bei Zimmertemperatur nnd durch kurzes Er«
hitzen der Flüssigkeit bis zum Aufsteigen von Dämpfen, und verdünnte Glycerin-
Aethermischung von Unna bis zur deutlichen Differenzirung, Uebertragen in absoluten
Alkohol. Die Differenzirung erfolgt in ^ 4 —^Ird am besten am
Objectträger voigeuommen. Aufhellung im Origanumöl.
Die Färbung hat den grossen Vortheil, dass die Darstellung der Nissl’schen
Granula nach jeder der gebräuchlichen Härtungsmethoden, auch nach Härtung in
Mäller’scher Flüssigkeit, möglich ist; in letzterer können die Präparate 6—8 Wochen
verbleiben. Ist die Zerkleinerung derselben eine genügende, wird die Flüssigkeit
öfter gewechselt und findet vor der Weiterhärtung in Alkohol ein gründliches Aus-
wässem statt, so lässt sich die normale, wie die pathologische Structur der Ganglien¬
zellen ebenso deutlich wie an Alkoholpraparaten zur Anschauung bringen. An ge-
chromten Schnitten färben sich ausser den Zellen auch das Bindegewebe und dessen
Kerne, sowie die Axencylinder. Die Einbettung erfolgt in Celloidin. Die Schnitte
müssen möglichst dünn sein.
Zappert sieht den Hauptwerth der Methode in der Möglichkeit, nach vor¬
heriger Härtung in MüUer’scher Flüssigkeit Ganglienzellenpräparate mit Nissl’schen
Granulationen zu erhalten. Er frägt, ob nicht durch die Chromhärtnng die Ganglien¬
zellen Veränderungen erfahren, welche leicht zu scheinbar pathologischen Bildern
führen.
Vortr. bemerkt, dass er Controllnntersuchungen vorgenommen habe, welche dar-
getban haben, dass sein Verfahren zuverlässig sei. Bei Verhärtung in Müller’scfaer
Flüssigkeit empfehle es sich, immer mit polychromem Methylenblau und nicht nach
der von Nissl angegebenen Methode zu färben.
Kienböck demonstrirt eine grosse Zahl von Böntgen-Fhotographieen, unter
anderen die Hand eines Akromegalen mit Verlängerung und Verdickung aller
Knochen, eine weibliche Hand mit Asteoarthropathie hypertrophiante, bei
welcher man besonders dentlich sieht, dass die Verdickungen dnreh Weichtheile-
Verdichtung entstanden sind. Pfaotographieen von Händen Syringomyelitischer
ohne wesentliche Verknöcherungen bei hochgradigen Veränderungen der Weichtheile.
Sitzung vom 27. April 1898.
(Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 19.)
M. Steroberg: XTeber einige Beaiehungen awisohen Nenroaen und
Örtliohen Erkrankungen. (Erscheint ausführlich.)
V. Basch macht auf eine von ihm seit Jahren besonders bei Hysterischen
beobachtete Bespirationsneurose aufmerksam. Die Kranken klagen über Athem-
ooth ohne sobjectiven Grund.
Google
974
Die Athrnnng ist sehr seicht und oberflächlich and wird zeitweilig durch erneu
tieferen Atbemzng unterbrochen; es kann sich dadurch leicht Djspnoe einsteUeo.
H. Schlesinger (Wien).
K« k. Oeeellsohaft der Aente in Wien.
Sitzung vom 21. Januar 1898.
(Wiener med. Wochenschr. 1898. Nr. 4.)
V. Friedländer und U. Schlesinger demonstriren einen Pall von operirten
und geheiltena Hirntumor; derselbe war ein Gumma der Dnra mater. Die
Vortr. sprechen Aber die Indicationen zum chirurgischen Eingriffe bei Hirii<
Syphilis. (Der Fall wird in extenso in den „Mitthmlungen aus dma GrenigebieteD
der Medicin und Chirnrgie" publicirt.)
Ferner demonstrirt H. Schlesinger einen zweiten Fall, bei welchem vor
8 Jahren ein Hirntumor operativ entfernt worden war. Der jetzt ca. 3öjäbrige
Kranke acquirirte nach mehrfachen schweren Eopftranmen eine Jacksou’sche
Epilepsie im 17. Lebensjahre, die auf Brommedication 6 Jahre lang cessirte. Duo
neuerliches Auftreten derselben mit Zunahme der Zahl der Anf^le, welche stets mit
Beugekrämpfeu der linken oberen Extremität begannen. Allmählich Parese der liokes
Körperhälfte, am linken Scheitelbein eine emptindlicbe Stelle. Die seiner Zeit tod
Prof. Albert vorgenommene Operation zeigte, dass, wie im ersten vorgestellten Falle,
eine sehr bedeutende Knocbenverdicknng bestand. Entfernung eines wallnossgrossu,
schwieligen Duraltamors, Himprolaps. Die nach einem Monate wieder auftreteDden
Krampfanfälle schwinden nach Abtragung des Prolapses vollkommen.
Gegenwärtig besteht Parese des linken Beines und des Unken Armes, namentlich
der Finger. Die Sensibilität ist in allen Qualitäten mit Ausnahme der BerAhrnogs-
empfindung anf der linken Körperhälfte herabgesetzt Besonders an den distaleo
TbeUen der linken oberen Extremität Schmerz- nnd Temperatnr- sowie MoskelsisD
geschädigt. Localisationsvermögen Unks hochgradig gestört; cerebellare Ataxie dtf
linken oberen Extremität, Sebnenreflexe sehr gesteigert.
Vortr. betont, dass man bei Abtr^ng von Duraltumoren entgegen der To^
Schrift mehrerer Chirurgen die angrenzenden Bindenschichten mö^ichst schonen soll,
um dauernde Lähmung wenigstens in einem Theile der FäUe zu vermeiden.
Ferner berichtet der Vortr. Aber einen dritten Fall von operirtem Hirntumor.
Ueber denselben ist bereits (Neurolog. Centralbl. 1895. S. 702) referirt.
Der weitere Verlauf des Falles ist folgender: Der temporäre Erfolg, welcher
nach Eröftiung des Schädeldaches sich eingesteUt hatte, blieb noch durch mahiw«
Monate erhalten. PaL konnte das Spital verlassen und seinem Bemfe nachgehcD,
die Lähmungen gingen bis zu einem gewissen Grade zurAck. Der Kopfschmen
schwand vollständig, die Stanungspapille bildete sich zurAck; dann trat neuerhch
eine rapide Verscblimmerong des Zustandes anf, die Lähmungen steigerten skh
wieder, der Kranke wurde benommen und ging einige Wochen, nachdem die Symptomo
sich verschlimmert batten, zu gründe. Da bei der elektrischen Beiznng der Hirn¬
rinde die gleiche Körperhälfte gezuckt hatte, war angenommen worden, dass ein so
mächtiger Tumor vorliege, dass die Pyramidenbahneu vollständig unterbrochen wären
und die contraloterale Hemisphäre durch starke Stromscbleifen gereizt werde.
Die Nekroskopie zeigte, dass die ganze rechte Hemisphäre durch ein riesiges
Gliosarcom ersetzt war, welches auch die ganzen Bindenabschnitte in der Gegend
der Centralwindungen inflltrirt batte. Die mikroskopische Untersuchung zeigte eine
■' Google
975
absteigeode Degeneration, nur war das absteigend degenerirte Areale nnterbalb der
Pjramidenkreuzung im Pyramidenseitenstrage kleiner als in der Norm. Die Pyramiden*
kreoznng war gat entwiokelt.
Sitznng vom 4. März 1898.
(Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 10.)
A. Biedl demonstrirt zwei Gehimpr¶te, welche die Ansicht Spina’s be¬
weisen sollen, dass in den Gebieten des verlängerten und des Halsmarkes ein vaso-
oonstrlotorisobes Centram f&r die oerebralen Oefltsse gelegen sei. Die
Zerstbrung dieser Centren hat bei gleichzeitiger mächtiger Blatdmcksteigemng (z. 6.
durch Injection von Nebennierenextract) eine starke Ueberrflllnng des Gehirns mit
Blut znr Folge, durch welche blosgele^e Himtheile sich röthen and ihr Volnmen
derart vergrössem, dass dieselben ans einer kflnstlicb angebrachten Oeffnnng im
Schädel mächtig hervorqaellen. Eines der demonstrirten Präparate entstammte einem
Versuche, in welchem an einem schwach curarisirten Thiere nach Setzung einer
Trepanlflcke am Schädeldach eine Dorchtrennung der Mednlla oblongata vorgenommen
und Nebennierenextract injidrt worden war. In der folgenden Minute gelangte unter
den Augen der Beobachter eine kugelige Hervorwälbung zur Entwickelung, welche
am Präparate flxirt wurde.
Das zweite Präparat ist das Gehirn eines ungefähr gleich grossen und gleich*
alterigen Hundes, welches in allen Dimensionen bedeutend grösser ist als f^her; die
einzelnen Gyri sind um Vieles breiter, das ganze Gehirn dunkelbrannroth geftrht,
mit Blut imbibirt Bei diesem Versnche wurde das Schädeldach vollkommen ent*
femt, die Dura eröffnet und abgetragen, so dass die nach 2ier8törung des Vaso*
constrictorencentrums ond der folgenden Blotdrucksteigerung eingetretene Volums*
Vermehrung im ganzen Gehirn in Erscheinnng treten konnte. Die Ursache der
Volnmsvermebrung ist in der starken Hyperämie und in den Blotnngen in die
Gebimmasse gelegen.
R. Hitschmann stellt einen Kranken mit einseitiger neurotischer Sehnerven¬
atrophie, Infirsorbltalneuralgie und subjectiven Ohrgeräusohen ln Folge
eines Aneurysma oirsoideum vor.
Der 66jährige Kranke bemerkte seit 2 Jahren Abnahme des Sehvermögens am
rechten Ange. Die Untersuchung ergab nenrotische Atrophie des rechten Sehnerven
und das Vorhandensein eines Angioma arteriosum racemosum der Schädeldecken von
sehr bedeutendem Umfange; Ober die Ursachen der Entstehung desselben ist nichts
zn ermitteln. 3—4 Monate vor dem Anfänge der Sebstörung trat Ohrensausen von
rythmisehem Charakter am rechten Ohre auf; normaler Ohrbefund. Gleichzeitig mit
den Ohi^eräusehen traten Sobmerzen im rechten Unterkiefer, dann im rechten Ober*
kiefer anf, die anfallsweise kommen und blitzartigen Charakter haben. Nur ganz
geringe Sensibilitätsstörungen im Bereiche des rechten Trigeminus, keine Druck*
empfindlichkeit desselben; sonst keine Hirnnervenerscbeinungen.
Vortr. meint, dass sich die ganzen Erscheinungen durch Ge^sverändernngen
im Bamificationsgebiete der Carotis externa genfigend erklären lassen (Affectlon des
Sehnerven und des N. infraorbitalis durch Druck seitens der erweiterten A. infra*
orbitalis, das rytbmische Geräusch durch aneurysmatiscbe Erweiterung der A. auri*
cularis profanda and der Ä. tympanica.
H. Schlesinger (Wien).
Google
976
IV. Vermisohtes.
Za der am 22. und 23. Ootober d. J. in Dreeden Btattfindenden IV. Ver¬
sammlung mitteldeutscher FsyoMater und Neurologen beehren eich die anter-
zeiehneten Oeschäftef&brer eigebenst elDzaladen.
SoDDabeod, den 22. Ootober, von 8 Uhr Abends an: Qeeellige Veteinigang im „Hotel
da Nord“.
Sonnte, den 23. Ootober: I. Sitzane: 9 Uhr Vormittags; IL Sitinng: 1 Uhr Nach¬
mittags, beide im Sitznogssaale des Königl. Landes-Medicinal-CoUegiam, Zeoghansplatz 3, L
Gemeinsames Mahl: 4V> Uhr Nachmittags im „Earopäischen Hof".
Tages-Ordnung:
1. Herr Weber (Sonnenstein): Ueber die Äofnahme tob Bestimmongen öber Te^
minderte Zorechnaogsßhigkeit ins Strafgesetzbach. — 2. Herr Windscheid (Leip&g): Dag
Vorkommen und die Bedentong der sograannten Orarie. — 8. Herr Vogt (Berlin): Zu
Psychopathologie der Hysterie. — 4. Herr Oppenheim (Berlin): Nerrenkrankheit and
LeotOre. — 5. Herr Hnoha (Lindenhof): Bemerkungen zor Lehie Ton der Katatonia -
6 . Herr Banniger (Sonnenstein); Ueber Sprachstörungen bei Katatonie. — 7. Herr MSbins
(Leipzig): Ueber die Operation bei Blorbus Basedowii. ~ 8. Herr Friedländer (Jena):
Neue ErfahruDgen öber die Anwendung von Bakterien^ften bei Psychosen. —- 9. Herrlfar-
gulids (Prag): Ueber die BorenannM Pseudodipsomanie Legnun'a — 10. Herr Näeke
(Unbertusbuig): Die sezuellen Perversitäten in der Irrenanstalt — 11. Herr Ilberg (Sonnen-
stein): Hirngewichtsveränderungen bei Dementia paralytica. —12. Herr L&hr mann (Drttden):
Die Vortäu^ung verschiedener Krankheiten durch Hj’sterie. — 18. Herr Strubell (Jeu):
Syphylis und Saroom der Rfickenmarksbäute. — Herr Ganser (Dresden); Uebü nenn-
stbenische Geistesstörung.
Es ist erwönscht, dass die Vorträge nicht öber je 20 Minuten, die Bemerkungen in da
Besprechung nicht öber je Ö Minuten dauern.
Anmeldungen zu weiteren Vorträgen werden -baldigst Anmeldungen zur TheilnahBe
am gemeinsamen Mahle (Gedeck 4 Mark) werden bis zum 20. d. Mts. an den I. Geschifb-
führer [Ganser (Dresden)] erbeten. Die Herren Tbeilnehmer werden in der Lage srin. dk
Abendschnellzöge ln der Bichtang Berlin (7 Uhr 8 Min.) und Leipzig (7 Uhr 18 Min) za te-
nntzen.
Als Absteigequartiere werden empfohlen: Europäischer Hot Union-HöteL Hötel Coo-
tinental, Hötel dn Nord, Kaiser Wilhelm-Hotel, Stadt Gotha.
Um Weiterverbreitung dieser Einladung wird gebeten. — Gäste sind willkommen.
Dresden, im October 1898.
Die Gesohäftsföhrer:
Ganser (Dresden). Pierson (Lindenhof).
V. Personalien.
Unser verehrter Mitarbeiter Herr Dr. Lewald, bisher leitender Arzt der Anstalt is
Kowanöwko, hat am 1. October d. J. die Leitung der von ihm erworbenen Heil- und Päeg^
Anstalt för Nerven- und Gemötbskranke in Obemigk bei Breslau Obemommen.
VX. Beriohtigui^.
In Nr. 19 d. Centralbl,, 8. 894, Zeile 22 von oben, liess: „fächerartig“ statt fuebeD-
artig; Zeile 29 von oben lies-. „Minuten“ statt Monate.
Um Einsendung von Separatabdröcken an den Herausgeber wird gebeten.
Einsendungen för die Bedaotion sind zu richten an Prof. Dr. E. Mendel,
Berlin, NW. Schiffbauerdamm 18.
Verlag von Vbit & Coxp. in Leipzig. — Druck von Mbtzmb & Wtmo in Lripzig.
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Jeberslcht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Physiologie, Pathologie
und Therapie des Nerven^ems einschliesslich der Geisteskrankheiten.
Heraasgegeben von
Professor Dr. E. Mendel
Siebzehnter ” Jahrgang.
Monatlich erscheinen zwei Nnmmem. Preis des Jahrganges 24 Mark. Za beziehen dorob
le Bnchhandlangen des In* and Aaslandes, die Postanstalten des Deatscben Seichs, sowie
direct ron der Verlagsbachbandlnng.
IQ jö . ^^OTömber. Nr. 21.
Inhalt: I. Orlglnalmltthellungen. 1. Keae Untersachongen über die Markbildnng in
m menschlichen Grosshimla^en, von Prof. Dr. Paul Flechaig. 2. Die Seifang der Leitangs*
ihnen im Thiergebim, von Dr. DOIIken. 3. Die Phylogenese des Pyramidenvorderstranges,
»n Dr. G. Blkeles.
M. Referate. Anatomie. 1. Ueber die Stirnnabt and den Stimfontaaellknoohen beim
enschen, von Springer. 2. Contribato allo stndio anatomo-fisiologioo dei centri dei nervi
alomotori dell’ aomo, per Panegrossl. 3. Contribato allo stadio dei nncleo dei n. faciale
II aomo, per Pardo. — Experimentelle Physiologie. 4. 6eiti%e zur Kenntniss der
^mphcircolation in der Grosshimrinde, von Blnswanger and Berger. 5. üeber tetanas*
ititoxiscbe Eigenschaften des normalen Centralnervensystems, von Wassermann und Takikl.
Ueber die psychischen Wirkungen des Hangers, von Welgandt. — Pathologie des
ervensystems. 7. Om propagation med nervös opticas af Sarkomes, opstaede iodenfor
Ibas ocoli, af Melsling. 8 . Een geval van spheno-lordose ten gevolge van kanstmatige
sedelmisvorming. Akad. proefscbr. door Folmer. 9. Ein experimenteller Beitrag zur Frage
r peripheren degenerativen Nenritia bei Tabercolose, von Hammer. 10. Zar Lehre von der
ihtischen Nenritns, von Epstein. 11. Pressure nenritis caosed doring sorgical operations,
Pershing. 12. Ueber einen in ätiologischer Beziehnng unklaren Fall von Polynearitis
ronioa mit spinalen Veranderangen, von Winkler. 13. The diagnosis and treatment of
dtiple nearitis, by Allen. 14. Käckenmarksveränderangen bei mnltipler Neuritis der Trinker,
9 Melibronner. 15. Ueber Nearitis gonorrhoica, von Naunyh. 16. Ueber alkoholische Para*
e and infectidse Nearitis multiplex, von Tlling. 17. Die Beri'Beri-Krankbeit, von Dinkler.
. Ein Fall von Lepra anaestbetioa mit Sectioosbefnnd, von Samglni 19. Znr Lehre von
’ Lepra; Contagion and Heredität, von OUring. 20. Ueber die Behandlung der Lepra auf
1 Fidschi-Inseln, von LewIn.
Hi. Aus den Gesellschaften. Versammlung deotsober Natnrforsober und Aerzte zu
sseldorf am 19. und 20. September 1898.
IV. Bibliographie. Allgemeine Elektrotherapie, von Dr. Leopold Laquer.
V. Mlttheiiung an den Herausgeber. — VI. Vermischtes.
1. Originalmittheilungen.
Neue Untersuchungen über die Markbildung in den
menschlichen Grosshirnlappen.
Von Prof. Dr. Faul Fleohaig.
Ich habe durch Untersuchung einer grösseren Anzahl früher von mir nicht
ücksichtigter Entwickelungsstadien einen betrachtlidien Theil der Lücken aas¬
en können, welche in Bezug auf den zeitlich-örtlichen Gang der Markscbeiden-
62
,, vGooglc
978
bildüng noch verblieben waren und verfüge nunmehr über Befunde an 48 Hemi¬
sphären, welche insgesammt 28 Gehirnen augehöreu. Es sind fast alle Alters¬
stufen vertreten, vom 7 monatlichen Fötus bis zum alten Kinde. Die
hierbei zum Theil neu gewonnenen Resultate sind folgende:
1. Die Entwickelung der Markscheiden folgt in den Grosshirnlappen io
räumlich-zeitlicher Hinsicht denselben allgemeinen Gesetzen, wie in Kückenmark,
Oblongata, Kleinhirn, Mittelhim.^
2. Das Fundamentalgesetz lässt sich etwa so formuliren, dass gleichwerüiige
Fasern annähernd gleichzeitig Markscheiden erhalten (nur mit der Einschränkung,
dass Collateralen ausnahmslos später sich entwickeln als die Stammfasem), ver-
schiedenwerthige Systeme in gesetzmässiger Reihenfolge sich ausbildeu.
3. Hieraus geht hervor, dass Fasersysteme, welche zeitlich grosse Unter¬
schiede zeigen (z. B. Radiarfasem der 2. Parietalwindung [29, Fig. 1] und der
hinteren Gentralwindung um 3 Monate und mehr) nicht von übereinstimmender
Bedeutung sein können.
4. Das Fundamentalgesetz tritt am schär&ten hervor an Frühgeburten,
welche relativ lange Zeit gelebt haben, z. B. 7monatlichen Föten, welche 1 bis
2 Monate alt geworden sind.
Hier tritt auch der anatomische Charakter der sich sondernden Faserzüge
am deutlichsten in die Erscheinung, deutlicher als bei reifen todtgeborenen
Früchten.
Meine bisherigen Mittheilungen über die Sinnesleitungen gründen sich ganz
wesentlich auf die Untersuchung von Frühgeburten mit längerer Lebensdauer.'
5. Die Neubildung in den Grosshirnlappen b^nnt 2Vt—3 Monate vor
der normalen Geburt, bezw. vor der Reife. Die ersten Systeme sind die
„Schleifenstrahlung“ und der Tractus olfactorius, also zweifellos sensible
Leitungen; zerstreute markhaltige Fasern finden sich daneben nirgends in
den Grosshirnlappen.
Untersucht man ältere Früchte, so kann man leicht zu der Ansicht ge-
lai^n, dass auch Associationsfasem sich gleichzeitig mit jenen Projections&seni
' Dieser Satz ist eigentlich selbstverständlich; ich hebe ihn hier nor hervor, weil ntas
nenerdings von verschiedenen Seiten her den Versneh gemacht hat. den Ablauf des Proeesee«
als regellos hinzostellen. Ungenflgendes (wichtige Entwickelnngsstadien nicht enthaHend«)
Material, schlechte Präparate und Dufähigkeit, sieh im verwickelten Ban des Hirns znrecht*
znflnden, nicht aber Qesetzlosigkeit der Natur sind die eigentlichen Ursachen solcher An-
schanongen.
* Es liegt hier offenbar das Gegenstfick zu den OcDDur’schen fixpeiimenten vor, die
Sinnesoi^^e neugeborener Tbiere ausser Function zu setzen und hierdurch die Entwickelnsg
der zugehörigen Leituogsbahnen zu hemmen. Vorzeitige Function wirkt demgegenfiber
besonders stark beschleunigend — soweit ich sehe — im Wesentlichen auf die eigenÜkbeB
Sinnesleitungen (ProJectionssjstenie), nicht so sehr auf die Associationssysteme. Ich habe
solcher Frühgeburten im Ganzen 10 untersucht, wovon 5 im Alter von 7—T'/i Monatea. 1
von 8 '/i> I von O'/t nnd 8 , welche ohne specielle Angabe des Alters einfach als ,.FVäh-
gebürten“ bezeichnet sind — reifgeborene Kinder im Alter von 4 Tagen bis zu 2 Monaten 7,
&ber 2 Monate bis IV 4 Jahr 11.
ig.'.'/cd Google
979
entwickeln. Bei soi^iUltiger Berücksichtigung des Alters kann ein solcher Irr-
thnm nicht aufkommen; er beruht auf leicht vermeidlichen Beobachtungsfehlem.
Die Markeutwickelung in der Rinde beschränkt sich von vorn¬
herein auf ganz distincte Stellen; die übrigen Abschnitte sind ganz
frei, aneh von ganz vereinzelt verlaufenden markhaltigen Fasern. Das
Weiterschreiten erfolgt felder- bezw. bündelweise,
6. Die Rinde zerföllt so entwickelungsgescbicbtlich in eine grosse Anzahl
besonderer Zonen, welche ich hinfort als „entwickelungsgeschichtliche
Rindenfelder“ bezeichnen werde. Es sind transitorische Erscheinungen von
dauernder Bedeutung; jedes Feld ist durch eine besondere Entwickelungszeit
seiner Nervenfasern au^ezeichnet und jedem einzelnen kommen Besonderheiten
in Bezug auf die leitenden Verbindungen zu.
Die Zahl dieser Felder ist weit grösser als ich früher annahm,
die (rliederung der Rinde eine viel feinere, die örtlichen Unterschiede viel zahl¬
reicher.
Ich unte^heide jetzt vierzig entwickelungsgeschichtliche Rindenfelder,
während ich früher nur 9 (5 Sinnes- und 4 Associationscentren) nachweisen
konnte. Die Vermehrung ist hauptsächlich bedingt durch eine weitere Zer¬
legung meiner Associationscentren und das Auffinden zweier weiterer
Sinnescentren. Ich halte aber die Zahl 40 noch nicht für definitiv, da es sich
uothwendig erweisen könnte, gelegentlich mehrere zusammenzulegen, bezw. neue
abzugrenzen. So lange ich hierfür triftige Gründe nicht habe, verbleibe ich
zunächst bei dieser Zahl, welche sich aus den Untersuchungen unmittelbar er¬
geben hat. Offenbar ist der Reichthum der inneren Gliedemng viel grosser, als
man es sich bisher überhaupt vorgestellt hat.
Der Him-Anatomie ist mit diesen Feldern ein fester Halt für weitere Unter¬
suchungen gegeben, da es sich, wenigstens zumeist, um natürliche, nicht künst
liehe Trennungen handelt Für einen Theil derselben lässt sich schon jetzt
die Bedeutung als besondere Functionsgebiete nachweisen, wie ein Blick auf
Figg. 1 und 2 zeigt Deckt sich doch Feld Nr. 1 mit der motorischen Zone
Chaecot’s, Feld Nr. 5 mit der Sehsphäre, wie sie Vialet richtig abg^enzt
hat, u. A. m. Von allen Feldern ist die Eigenschaft als besondere Functions¬
gebiete der Rinde, als Bindenorgane (etwa gar im Sinne Gall’s) nicht zu er¬
weisen; wenn hierfür überhaupt die Zahl derselben verdächtig gross erscheint,
so muss doch betont werden, dass weitaus die meisten Grenzlinien, welche Fi^. 1
und 2 andeuteu, als typische fötale Markgrenzen, d. h. als Grenzlinien markhaltiger
und zeitweilig marklöser Gebiete aufzufassen sind, welche nicht rein zuföUige
einmalige Befunde darstellen, sondern über eine gewisse Entwickelungsperiode
persistiren. Jedenfalls hat vorläufig die grosse Zahl den Nutzen, den Gang der
Markentwickelung bis ins Einzelne darzustellen, während die von mir früher
abg^enzten Associationscentren zu umfänglich sind, um hier klare Vorstellungen
zu gewähren. Auch macht eine nähere Untersuchung der Säugethierhime, ins¬
besondere mittelst der snccessiven Markbildung (vgl. unten die betreffenden
Mittheilungen des Herrn Dr. Döllkbn), es sehr wahrscheinlich, dass die Rinden-
62 *
^ ...i oyGoogIc
980
felder, mit wenigen klar nachweisbaren Ansnahmen^ in der Thierreihe (phylo-
genetisch) sncceesiv heirortreten in derselben Reihenfolge wie am menschlichen
Fig. 1 meoscbliches Gehirn von aoBsen, Fig. 2 von mnen unten. Die Nommem beteichnee
die Reihenfolge, in welcher die Rinde niarkbaltige Faeerbündel in geschloeBener oder mehr
zeratrentcr Form erkennen lässt. Die Bochstsben dienen znr Harkimng besonderer Ab¬
schnitte in ein nnd demselben Feld, Ober deren Bedentnng erst nein ansfhhriiohee Wert
Mittheilangen bringen wird. Nr. 26. 26*. 26*’ bilden ein einziges .iRindenfeld*^, des¬
gleichen Nr. 38, 33 o. B. w.
:vr:.yGOOglC
981
Fotos und Neugeborenen. Hier erschliesst sich der vergleichenden Anatomie
ein Feld, welches an Fruchtbarkeit, wie mir scheint, mit jeder anderen Methode
wetteifern kaniL
Ich theile die Felder nach der Entwiokelungszeit in drei Gruppen ein;
diese Gruppen geben in einander über und bilden streng genommen eine Reihe,
da grössere Pausen zwischen Gruppe 1 und 2, 2 und 3 nicht nachweisbar sind.
Die Eintheilung ist besonders vergleichend anatomisch von grossem Interesse.
a) Primordialgebiete, schon vor der Reife sich r^elmässig ausbildend
(1—8, Figg. 1 und 2).
b) Intermediärgebiete, bis 1 Monat nach der völlig reifen Geburt mit
der Markentwickelung b^innend (9—32).
c) Terminalgebiete, später als 1 Monat nach der normalen Geburt
Mark bildend (33—40).
Die Frimordialgebiete decken sich sämmtlich mit Sinnescentren meiner
älteren Eintheilung. Die Terminalgebiete ausschliesslich mit Theilen (den Central¬
gebieten) meiner Associationscentren. Die intermediären Gebiete sind theils
Sinnescentren, theils Associationscentren.
Die Markbildung in den Tenninalgebieten setzt 47^—4 Monate später
ein7 als die in den Primordialgebieten. Die letzteren sind schon überwiegend
markbaltig, bevor in den Terminalgebieten auch nur eine^ markhaltige Faser
nachweisbar ist.
Die Sinnescentren zerfallen also in primordi^e und secundäre.
* Abgesehen von pathologischen Entwickelnngsverhältnissen, worQber in der Folge
mehr. Gesetzmässige Beziehungen lassen sich naturgemäss nur an einer grossen Reihe
gleichalterigef Individuen gewinnen. Ich bin in der glöcklichcn Lage. z. B. über 8 annähernd
gleichentwickelte Fröhgeburten von etwa T’/t Monat und vier 7 Wochen alt gewordene reif-
geborene] Individuen zu verfQgen, und es zeigen sich hier Variationen von weittragender
Bedeutung.
* Ich habe die ersten markbaltigen Fasern in den Terminalgebieten Nr. 38—40 bei
7 Wochen alt gewordenen, angeblich reifgeborenen Kindern gefunden. Wenn Herr
SmcsBLiNO (nach dem Referat io der letzten Nummer d. Ceutralbl. S. 962) behauptet, in
den Veratandescentren seien schon von vornherein eine respectable Menge von Projections-
fasem naohweisbar, so ist dies eine so plumpe Entstellung des Tbstbestandes, dass ich sic
kaum noch mit einer äusserst flüchtigen üntersuchnng und mangelnder Orientirungsiahigkeit
in Zusammenhang bringen kann. Von meinen Gehirnen zeigen die 6 jüngsten ausnahmslos
in lückenlosen gntge&bten S^hnittreiben auch nicht eine einzige markhaltige Faser,
geschweige denn „Projeotionsfasem in respectabler Menge“ ausserhalb der Primordialgebiete.
Nackte Axencylinder sind hier natürlich schon lange vorher angelegt, aber um diese handelt es
sich ja gar nicht. Nach dem Referat zu schliessen, beginnen SiBUBULmo’s Uatersachungen mit
einer Entwickelungsstufe, welche etwa 2*/*—2 Monat nach Beginn der Markbildung im
Stabkranz erreicht wird. Alle Anfangsstadien bat er demnach ausser Acht gelassen, alle
die Stadien, wo Ober den Charakter der markbaltigen Fasern (als centripetale Projections-
fasem) ein Zweifel gar nicht anfkommen kann. Oder sind nach Herrn Sishbbluto etwa
der Tractus ol&otorins and die Schleifeobahn auch „vielleicht“ nur Projectionssysteme?
Ich würde mich nicht wundem, auch einen solchen Aosepruch von ihm zu hören; denn
falls das Referat richtig ist, stehen seine Anschauungen Ober den Himban keinesfalls
auf einer höheren Stufe. Wie mag wohl ein Intellect beschaffen sein, der sich nach den
VorateUongen des Herrn Sibkekudg entwickelt?
DiQ'iii’od
Google
982
Primordiale Sinnescentren sind: die Gentralwittdungen (besonders die hin¬
tere), die Lippen der Fissura calcarina und die 1. Occipitalwindung, Gyruü
uncinatus und innere Riechwindung, Ammonsbom, Subiculum oomu Ammonk
Oyrus fomioatus (besonders das mittlere Drittel) und die Querwindungen des
Sohläfenlappeos.
Terminalgebiete unterscheide ich ebenfalls acht; sie vertheilen sidi ins¬
besondere auf die 1. und 2. Stirnwindung, die untere Parietalwindung, die 2.
und 3. Schläfenwindung und ein Stück des Gyrus fornicatus. Se sind die¬
jenigen Rindenalrachnitte, bezüglich deren das menschliche Gehirn sich am
meisten von dem der Anthropoiden unterscheidet. Sie sind auch wesenükh
formbestimmend für den menschlichen Schädel (unter dessen Höckern sie ge-
l^n sind). Die 3. Stimwindung gehört nu^ends zu den Tenninalgebieten.
Die Intermediärgebiete entwickeln sich in der Periode zwischen den Pri¬
mordial- und Terminalgebieteu. Beim reifen Kinde sind sie zum Tbeil bereits
markhaltig, doch vermisse ich hier ganz regelmässige Befunde, vielleicht nur,
weil die genaue Altersbestimmung der betreffenden Früchte nicht immer gelang.
Die zuerst entwickelten Intermediäi^ebiete sind sämmtlich Sinnescentren („secnn-
däre Sinnescentren“), die späteren nenne ich „Bandzonen von Sinnescentren“.
Letztere liegen immer je einem Sinnescentrum an, mit welchem sie besonders
innig verknüpft sind, während sie directe Verbindungen mit mehreren Sinnes-
centren nicht sicher erkennen lassen, wenn schon solche nicht sidier aus¬
geschlossen sind. Projectionsfasem kommen in den Bandzonen vereinzelt vor,also
weit spärlicher als in den Sinnescentren, und sind, wie mir scheint, auch znebr
individuellen Schwankungen au^esetzt; die Mehrzahl derselben ist oorticofiigaler
Natur. Secundäre Sinnescentren sind der Fuss der 1. Stimwindung (Nr. 9), der
orbitale Tbeil der 3. Stirnwindung (Nr. 10), der Fuss der 3. Stimwindung (Nr. 12).
der Gyrus subangularis (Nr. 13) u. a. Bandzonen sind das hintere Drittel der
1. Temporalwindung (Nr.23), das vordere Drittel (Nr. 21), Nr, 29, Nr. 22 u.am.
Die 1. Stimwindung zerfallt in vier entwickelnngsgeschichtlidie Bindeo-
felder, die 3. in drei In der 3. Stirnwindung bildet die Pars triangularis in
Bezug auf die Markentwickelung eine von der Pars orbitalis und opercolahs
scharf geschiedene Abtbeilimg; die Pars triangularis gehört zu den spätreifendeD
Intermediärgebieten, die Pars orbitalis schliesst sich den primordialen Sümes-
centren dicht an.
Die 2. Parietalwindung zerfällt in 4 Felder, ein vorderstes kleines im Oper-
culum gelegenes (Nr. 15) secundäres Sinnesoentrum, ein hinteres, den lieber-
gang zur 2. Occipitalwindung vermittelndes (Nr. 22), ein dem mittleren Drittel
der hinteren Centralwindung anliegendes, welches den Gyrus supramargin^'
grösstentheils bildet (Nr. 29) und das Scheitelhöckerläppchen (Nr. 39). Nor
letzteres ist Terminalgebiet, doch entwickelt sich auch Nr. 29 erst kurz vor den
Terminalgebieten.
Nr. 22 und 29 sind allem Anschein nach im Gyrus angularis niederer
Affen vorhanden, bei den Anthropoiden, ist nach makroskopischen Vergleichen ZQ
schliessen, Nr. 29 sehr erheblich ausgeprägt Nr. 39 bing^en fehlt entweder
Google
983
ganz oder ist uur rudimentär angelegt. Den Uebergang vun Feld Nr. 22 zu
dem mittleren Tbeil der 2. Temporalwindung (Uieils Randzone der Hörspbäre
Nr. 25) bildet ein Windungsabscbnitt (Nr. 33), welchen ich im Gehirn der
Anthropoiden gleichfalls vermisse. An schlecht entwickelten menschlichen Ge¬
hirnen ist derselbe mit dem Gyrus subangularis und der ersten Temporalwin¬
dung mehr oder weniger verschmolzen.^ Da der Gyrus subangularis sich durch
l'ligenthämlichkeiten seines Baues auch beim Cbimpansen auffinden lässt, so
lässt sich auch mikroskopisch die Annahme stützen, dass Nr. 33 den Anthro¬
poiden fehlt oder bei ihnen nur ganz rudimentär angelet ist. Nr. 33 und 39
sind pathologisch insofern von hohem Interesse, als in allen Fällen reiner Alexie
(ohne Hemianopsie, also eine reine Associationsstöruug) die Rindenverletzungen
in dieselben hineinragten, oder ausschliesslich auf sie beschränkt waren.^ Ver-
mnthlich können die Afien schon deshalb nicht eine Sprache bilden, weil sie
Nr. 33 und 39 nicht besitzen — nach Herrn Weenigke’s Theorie des Him-
baoes ist nicht abzuseben, weshalb sie der Sprache entbehren.
Der Praecuneus wird gebildet durch vier Kindenfelder, von welchen nur
eines Terminalgebiet ist (meist dem Gyrus fumicatus angehörig Nr. 34), die
übrigen Felder sind Randzonen (Nr. 23 und 31); der vorderste Abschnitt der
1. Parietalwindnng ist individuell wechselnd Sinnessphäre oder Randzone, je nach¬
dem der Sulcns oalloso-marginalis weiter nach vorn oder hinten in die Mantel¬
kante einschneidet Er enthält demgemäss auch bald Eiesenzellen, bald nicht
Die Entwickelungsgeschichte zeigt speciell am Praecuneus, dass die Kandzonen
wie die Terminalgebiete (34*!) an Grösse individuell hochgradig variiren.
Die Insel zerfällt gleichfalls in vier Felder, von denen eines (Nr. 32) den
Uebei^ng der Intermediärgebiete zu den Terminalgebieten bildet; dasselbe li^
io der untern Hälfte der Insel mehr nach hinten zu. Von den übrigen drei
ist eines (Nr. 1 ein Primordialgebiet mit spärlichen Projectionsfasern (dicht
neben den Centralwindungen gelegen).
Die Primordialgebiete zeigen jedes eine besondere Stmctur, so dass ein ge¬
übter Beobachter Schnitte aus jedem derselben sicher unterscheiden kann.^
Im KntwidEelungsgang der Fasern eines Feldes zeigt sich das Gesetz, dass
die verschiedenen Kategorieen nacheinander in gesetzmässiger Reihenfolge auf-
i Am Gehirn von Hslmholtz sind speciell Nr. 39 and Nr. 83 nosgezeicbnet differenziit.
Hier schieben sich zwischen die 1. Schläfen Windung (in welcher auch die Randznne Nr. 23
der Hönphäre sehr gut ansgebildet ist) und den Gyrus subangularis zwei deatUob ge¬
sonderte Windnngen ein, während an schlecht entwickelten Hirnen kaum eine deutlich
nachweisbar ist. Freilich finde ich aach am Gehirn einer einfachen, aber ehemals sehr
tfichtigen Frau ans dem Volke die doppelte Windungsanlage angedeatet.
* Nach einer demnächst za veröffentlii'hciiden Untorsuchnng von Salzboko. welcher
alle bekannten Fälle von Älezie kritisch gesichtet und mit einigen neuen Fällen zusammen'
gestellt hat. In der Mehrzahl der Fälle findet sich neben der Alexie amnestische Aphasie,
woranf schon Naumyn die Aufmerksamkeit gelenkt bat.
* Diejenigen, welche ininier noch an die Gleichheit der Rindeostractur in allen Feldern
glauben (ein Köhlerglaube), möchte ich auf die Bilder verweisen, welche die Rinde z. B.
eines Hundts oder Kaninchens darbietet, welchem in vivo Methylenblau (nach Sam Hbtsr)
injieirt worden ist (e. n.).
Diy
Google
984
treten, ln der einen Beibe der Felder beginnen Projectionsfoaem aicfa mit
Mark za umhüllen, in der anderen Associationsfasem, so dass man sdion daiaof-
hin die Felder in Projections* und Associationscentren scheiden könnte. Ich
bezeichne die zuerst reifenden Fasern als Primärsysteme ^ und unterscheide von
ihnen die Secundär-, Tertiär-, Quartärsysteme je nach der Reihenfolge, in wd-
cher sie auftreten. Die Primäisysteme sind bald Projecüons-, bald Associations-
(insbesondere Balkenfaser-) Systeme; in keinem Felde vermochte ich bei Unter¬
suchung hinreichend früher Perioden die gleichzeitige Entstehui^ bdder Kate-
gorieen nachzuweisen.
Die Leitungsrichtung ist mit grosser Sicherheit zu erschliessen ans der
Entwickelungsrichtung. Die Primärsysteme der Primordialgebiete entwickeln
sich ausnahmslos von den Stammganglien gegen die Binde, was besonders an
der primären Sehstrahlung berrortritt, welche z. B. bei einem 1 Vs—2 Monate zu
früh geborenen Kinde von 12 Ti^n extrauterinen Alters nur bis zur Mitte
zwischen äusserem Kniehöcker und Rinde markhaltig ist. In dieser Yerfolgtuig
der Entwickelungsrichtung ist ein unschätzbares Hülfsmittel für die Bestimmung
der Leitungsrichtung selbst einzelner Fasern gegeben.
Alle Primärsysteme der Primordialgebiete sind in Anbetracht
ihrer Entwickelungsrichtung als corticupetale Leitungen anzusehen.
ln den Terminalgebieten tritt in der Regel an den Rindenfasem Mark zu¬
erst in unmittelbarer Nähe der Rinde auf. Die Primärsysteme leiten hier also
cortioofugal. Es handelt sich aber keineswegs xun motorische Projectionsfasem,
da solche nirgends primär sich entwickeln, sondern soweit sich wirklich sichere
Aufschlüsse gewinnen lassen, nur von Rindengebieten aaswachsen, bis zu welchen
sensible bezw. oortico-petale Leitungen markhaltig geworden sind. Es handelt
sich vielmehr um Balkenfasem, was indess nur an besonderen Schnittebenen
nachweisbar ist.
Die entwickelungsgeschichtlichen Rindenfelder sind im Allgemeinen bei der
Mehrzahl der Individuen in gleicher Yertheilung wiederzufinden. Doch kommen
individuelle Differenzen vor, deren weitere Yerfolgung u. a. wichtige Anfschlns«
über die cerebralen Gmndl^^n der Individualität in Aussicht stellt Yon
Interesse ist besonders, dass die spät entstehenden Intermediär- und Terminal-
gebiete am meisten variiren, wie insbesondere Feld Nr. 33 und 34*, 37 u. a. w.
Hierdurch wird z. B. bedingt, dass man bei einzelnen Individuen zwischen Nr. 23
und 13 eine ganze Windung von besonderer Entwickelungszeit (d. h. mit aus¬
schliesslich spät reifenden Fasern) nicht nacbweisen kann, dass sich hier viel¬
mehr ausnahmsweise überall zwischen die spät entstehenden Fasern einzelne
frühreifende einschieben. Im vorderen Stimhim finden sich mitunter geradem
Yerwerfungen im geologischen Sinne, so dass z. B. Nr. 40 fest ganz in die
' Ich werde in meinem unter der Presse befindliohen ausführlichen Werke den Venoeb
machen, für die Felder und Faserznge einfach Nummern und Buchstaben als Bezeichniug
einzuführen. Es bedarf ja nur der Verständigung unter den Forschem, um die auf &
Enwickelungszeit (Nummer in der Entwickelnngsfolge) gegründete Zählung zur aUgemeinei
Annahme zn bringen.
l)ig':vod o/
Google
985
1. StirnwinduDg rückt In der Kegel beginnt im Feld Nr. 37 ein Faserbündel
markhaltig zu werden, welches vom entsprechend dem mit + bezeichneten
Kreis Fig 2 endet und nach rückwärts gegen die innere Riechwindung zu ver¬
folgen ist (vermuthlicb ein Associationssystem der Biecbsphäre, welches kurze Zeit
nach der reifen Geburt markhaltig wird). Vorher gelangen vom Primärsystem
des Gyros fornicatus markhaltige Fasern bis an die 1. Stimwindung, welche
hier spitzwinklig umbi^en, wie an gutgefärbten Präparaten leicht zu de-
monstriren ist; ich finde sie besonders deutlich an Frühgeburten (ca. 8 Monate
alte), welche mindestens 1 Monat gelebt haben. Es ist das zuerst reifende System des
vorderen Sehhügelstieles (System s meiner Benennung, d. h. das überhaupt an 5. Stelle
kommende Stabkranzbündel). Das erstgenannnte Associationsbändel und System e.
vermischen sich gelegentlich, so dass es den Anschein gewinnt, als reichten die
Fasern von e bis in den Stimpol — was nur bei ungenauer Untersuchung
unterläuft ln der Folge zeigen sich mannigfaltige Verschiedenheiten dadurch,
dass ein regelrecht in der Hauptsache zur 3. Stimwindung ziehender Theil des
vorderen Stieles sich gelegentlich (und zwar rechts eventuell anders als links)
auf 3. Stirn- und 1. Stimwindung vertheilt — zufällig habe ich eine solche Un¬
gleichheit bereits 1876 in meinen Leitungsbahnen Taf. VII, Fig. 9 al^ebildet.
Das eigentlich gesetzmässige Verhalten hier zu finden, fällt keineswegs leicht;
man muss eben m^ere gleichaltrige Individuen an completen Schnittreihen
vergleichen — 27 x Fig. 5 bezeichnet die Punkte, welche mitunter gleich¬
zeitig mit bezw. kurz vor Nr. 27 Mark erkennen lassen, während der Haupttheil
von Nr. 37 weit später in die Entwickelung eintritt).
Die individuellen Variationen steigern sich noch dadurch, dass in einzelnen
Fällen auch ein wahrer Typus inversus der Markentwickelung auftritt; wäh¬
rend bei der Mehrzahl der nicht reifen Kinder im Stabkranz die Sehstrahlung
weiter fortgeschritten ist als die Hörstrahlung, während hier mehrfach neben
einer markhaltigen Sehstrahlung eine marklose Hörstrahlung (Strahlung des
inneren Kniehöckers) gefiinden wird, zeigt ein Individuum, welches der Grösse
des Gehirns nach im letzten Fötadmonat geboren war und 20 Tage gelebt
hatte, Markscheiden in der Hörstrahlung und eine mark lose Sehstrahlung. Da¬
neben treten hier einzelne markhaltige Fasern auf in Gebieten, welche in der
Kegel noch marklos sind. Dass es sich hier um pathologische Verhältnisse han¬
delt^ ist mehr als wahrscheinlich; inwiefern dieselben geeignet sind, auf die
psychische Entwickelung modificirend einzuwirken, darf wohl erwogen werden.
Findet man demgemäss ein von dem oben beschriebenen Gang der Mark-
entwickelnng abweichendes Verhalten, so wird man sich vor allem die Frage
vorzulegeu haben, inwiefern hier anomale Zustände g^eben sind. Es kann
leicht geschehen, dass einem Untersucher zunächst ein derartiger atypischer Fall
unter die Hände kommt; ein Beweis gegen ein streng gesetzmäßiges Verhalten
der Markentwickelung ist darin nicht gegebeur
Hierzu kommt aber als weiterer Factor die ii^dividuelle Variabilität des
Faserverlaufs. Wie hochgradig dieselbe in den Centralorganen ist, beweisen vor
aUem Befunde an der Fussschleife. Durch meine neueren Untersuchungen
Google
986
in Verbindung mit den vun Hochs ^ gemachten werthvollen Mittheilnngen,
sowie einem von Qübnsbl untersuchten Fall bin ich hier zu folgenden An¬
schauungen gekommen.
Die Fussschleife besteht ans einem doppelten Bündel: 1. Starke Fasern
der Hauptechleife, welche sich mit den Hinterstrangfasern derselben ent¬
wickeln, in die Substantia nigra eindringen und hier enden, zum Theil auch
zum Linsenkem Vordringen, loh finde sie schon bei 7 monatlichen Fötus voll¬
entwickelt; vermuthlich gehört (in Anbetracht der gleichzeitigen Entwickelung
u. s. w.) die MsYNEBT'sche Gommissur dazu als gleichwerthiges aber gekreuzt
verlaufendes Bündel.’
2. Einem weit später sich entwickelnden Faserbündel, welches mit der
Pyramidenbahn aus der inneren Kapsel austritt und im Hirnschenkelfass an¬
gelangt, sich in der Regel nach hinten wendet, an die Hauptschleife anl^ und
mit derselben verschmilzt’ Ich will sie von nun an Pyramiden-Schleifen-
bahn nennen. Mit der Schielte gelangen die Fasern in die Brücke und hier
theils nach Kreuzung in der Raphe, zum Theil ungekrenzt in die motorischen
Kerne des Quintus, Facialis und Hypoglossns; die Pyramideu-Schleifenbabn ist
also motorisch. Ausnahmsweise kann sie die Pyramideubahn bis io die
Brücke, ja bis zum oberen Theil des verlängerten Markes b^leiten und bitt
dann erst hier in der Gegend der oberen Olive in die Formatio reticularis bezw.
diu Riiphe ein, um sich zu den motorischen Nervenkerneu zu begeben.
In einer weiteren Reihe von Fällen läuft die Pyramiden-Bchleifenbahn im
Himschenkelfuss an dessen Oberfläche nach innen, kommt medial vom Abmold’-
scheu Bündel (meiner frontalen Grosshimrinden-Brnckenbahn) zu liegen und
tritt als Bündel vom Fuss zur Haube zwischen den Hauptechleifeu in die Brücke
ein. Sie liegt dann hier vor der medialen Schleife an Stelle von Fasern, welche
in der Kegel vom innersten Theil der AnMOLD’schen Bündel geliefert werden.
Beide zu unterscheiden fallt nicht schwer, da sich letztere erst nach Ende des
1. Lebensmonats mit Mark umhüllen, die Pyramiden-Schleifenbahn schon vor der
völligen Reife.
Die CompUcation der Verhältnisse vergrössert sich aber noch dadurch er¬
heblich, dass sich die drei Verlaufsweisen einseitig oder doppelseitig finden
können, so dass es im Ganzen 9 Variationen der Anordnung der Pyramiden-
Schleifenbahn giebt Man findet demgemäss auch an der medialen Schleife
scheinbar zahlreiche Irregularitäten bezüglich der Zeit der Markeutwickelung;
schaut man tiefer, so gewahrt man, dass es sich um Irregularitäten im Ver¬
laufe der Leitungen handelt
Die Pyramiden-Schleifenbahn variirt also in ihrem Verlaufe ganz wie die
Pyramidenbahnen des Rückenmarks,^ für welche eigentlich nur die Regel gilt,
‘ Arch. f. pBjeh. Bd. XXX. S. 103.
* Diese Fasern hängen, wie Tsoubrmak gezeigt iist, mit den Hinterstraiigkenien u*
eammen (Arch. f. Anat. and Psyeb. 1898. Anat. Abth. 8. 291).
’ Laterale pontine Bündel Schlbsuiosb.
* Als ioh ii) meinen Leitangsbabnen a. s. w. (1876) dies damit erklärte, dass die Pjn-
niidonfascm von oben nach abwärts sieb vorsi'liieben als ZellenfortMtse, wurde diese .\nsicbt
Google
987
dass ihr Verlauf variabel ist Charakteristisch ist, dass alle diese Bündel, welche
sich durch hochgradige Variabilität auszeichnen, direct von der Binde kommen.
Die verschiedene Verlaufsweise, speciell der Pyramidensohleifenbahn erklärt
eine ganze Anzahl von Variationen des Faserverlaufs an der Oberfläche des
Himschenkelfusses und der Brücke, welche schon von Henle u. A. bemerkt
worden sind.
Bei solchen Variationen wird es keineswegs überraschend sein, wenn auch
in den Orosshimlappen einmal ein Faserzug anders verläuft, als ich ihn ge¬
schildert habe, und wenn in Regionen* welchen ich eine erhebliche Menge
Projectionsfasem abspreche, auch gel^entlich einmal ein kräftiges Stabkranz¬
bündel-gefunden wird.
Meine neuen Untersuchungen erm^lichen auch ein entscheidendes
Urtheil darüber, inwiefern die Furchen regelmässig in gleichwerthige Ab¬
schnitte der Orosshimrinde einsohneiden. Es zeigt sich, dass gewisse Furchen
stets in einem bestimmten Bindenfeld zu Anden sind, z. B. die Centralfurche^
stets im primordialen Sinnesceutrum Nr. 1 (Centralwindungen), die Fissura
ealcarina stets in der primären Sehsphäre Feld Nr. 5 (= Lippen der Fissura
calcarina). Ofienbar trägt speciell die Bildung der Fasersysteme, welche in
diese Rindengebiete eintreten, dazu bei, dass sich die Furchen entwickeln.
Andere Furchen schneiden bald in dieses bald in jenes entwickelungsgeschicht-
licbe Bindenfeld ein. Der Sulcus calloso-marginalis z. B. bildet in seinem
Mittelstück meist den Rand des Feldes Nr. 8, selten schneidet er in Feld Nr. 1
ein; an seinem hinteren Ende liegt er bald mitten im Feld Nr. 18 drinnen,
bald trennt er genau Nr. 1 und Nr. 18. Für die Frage, inwiefern man aus
dem Flächeninhalt eines zwischen zwei bekannten Furchen gel^nen Windungs-
gebietes, also mittels der einfachen äusseren Besichtigung feststellen könne, ob
ein g^ebenes Functionsgebiet, z. B. die motorische Zone stark oder gering ent¬
wickelt ist, sind diese Befunde entscheidend. Sie zeigen, dass z. B. der Prae-
cuneus äusserlich klein erscheinen kann, während in Wirklichkeit das Feld
TOD der GuDDBir'schen Schale wie ein schlechter Witz behaodelt Heute zweifelt wohl
NiemaDd mehr an der Richtigkeit derselben; ich war meines Wissens der Erste, welcher
die Entstchnng der centralen Lcitnngen als Anslänfer von GangHenzellen an einem langen
System direct naebgewiesen hat, erntete zunächst aber nur Hohn und Spott für diese Ent¬
deckung! Die heutigen Angriffe auf die Associationscentren stehen kaum anf einem höheren
Nirean als jenes ürtheil über meine Theorie der Pyraniidenentwiokelnng. — Dass Faserzüge,
welche so weit von ihrer Normalspnr abgewicheo sind, wie die an die Anssenfläche der
Brücke geratbene FnssBoblcife, doch immer wieder ihr normales Endorgan erreichen, ist rein
mechanisch sicher nicht zn erklären. Liegen hier vielleicht ehernotactische Wirkungen
vor, dergestalt, dass die Endorgane (z. B. die Zellen des Facialiskems) anziehend anf die
heranwachseoden Fasern (z. B. der Fnssschleife) wirken?
* Uotersneht man die Bildung dieser Furche an Schnittreiben, so gewinnt man
wenigstens an einzelnen Gehirnen entschieden den Eindrnck, dass nicht die Furche sich in
die Tiefe senkt, sondern die Windungen sich emporheben über das umgebende Niveau. Es
badet eine Ansstfilpang der Gebirnobertläche statt, nicht eine Einstülpung — vermntblich
dnreh wachsende Foaersysteme! VermnthUch giebt cs in Bezug anf die Ursacben mehrere
verschiedene Arten von Sulci.
D g I ,:od oy GOO^ Ic
Nr. 18 sehr entwickelt ist — falls dasselbe mehr oder weniger vor den
Salcus callu8o*maiginalis zu liegen kommt Oder umgekehrt der Praecimeos ist
gross, die Kindenfelder desselben aber nur von mittlerer Grosse, weil das Plus
dem Feld Nr. 1 augehört. Berücksichtigt man diese Variationen nicht um¬
sichtig, so kommt man leicht zur Annahme eines atypischen Entwickelung^anges
der Markanlage. In diesen Befanden sind zweifellos die Anfänge einer wirklich
individuell vergleichenden Anatomie der menschlichen Gehimoberfläcbe und die
Grundlagen einer exacten Phrenologie gegeben. Die secundären Degenerationen
verm^en hier die Entwiokelang^:e8cliiohte nicht zu ersetzen, da kein Forscher
jemals über hinreichendes Material verfügen wird, um an der Hand der secun-
daren Degenerationen die Flächenentwickelung eines beliebigen Gentrums ver¬
gleichend zu bearbeiten.
Ich komme nun zu einem Punkt, welcher gegenw^g besonders lebhaft
die Gemüther beschäftigt und zu literarischen E^^sen geführt hat, die man
kaum anders denn als „Radau-Neurologie“ bezeichnen kann, da sie mit
der wissenschaftlichen Himlehre nichts gemein haben. Es scheint, dass der
Gedanke, meine Associationscentren könnten sich allgemein Bahn brechen, in
diversen Köpfen eine geradezu sinnlose Wuth entfacht hat, so dass in derem
Interesse eine baldige Lösung der Fragen dringend zu wünschen wäre.
Giebt es unter den entwickelungsgeschichtlichen Rindenfeldem auch solche,
welche eines Stabkranzes entbehren? Ich habe in dieser Hinsicht bekanntlich
in meinen früheren Publicationen keineswegs einen gleichbleibenden Standpunkt
eingenommen. Die äusserst aphoristische Fassung in meiner ersten vorläufigen
Mittheilung^ bezog sich auf den Stabkianz sensu strictiori, d. h. Projections-
fasern in Form von Stäben also mehr oder weniger stärkeren Bündeln. Solche
hatte ich bei meinen ersten Untersuchungen vermisst, nicht aber einzelne zer¬
streut verlaufende Projectionsfasem, welche ich zahlreichen Bachem meines
Laburatoriums demonstrirt habe. In meiner ersten ausführlichen Mittheilung’
habe ich sogar die Vermuthung ausgesprochen, dass möglicherweise alle Theile
meiner Associationscentren durch Collateralen mit dem Stabkranz in Ver¬
bindung stehen, was doch zweifellos dasselbe besagt, wie „mit Projectionsfasem
ausgestattet sind“. Da ich nun, als ich diese Vermuthung ausspracb, die Asso-
ciationscentren keineswegs fallen liess, hätte mau doch wohl hinreichend ersehen
können, dass das Nichtvorhandensein von Projectionsfasem für mich keines¬
wegs das einzige Merkmal der Associationscentren bildete. Es ist in der
That nur ein taktischer Kniff meiner Gegner, wenn man glauben mach«)
will, meine Associationscentren stehen und fallen mit dem Nachweis einiger Stab-
kranzbündel in denselben. Dieser Gesichtspunkt ist freilich so einfach, dass sich
mit Rücksicht darauf selbst die ungeübtesten Anfänger an der Debatte betbeiligen
zu können glauben. Ich habe seit Langem schon betont: ln Bezug mif die Pn>-
jectiousfasern handelt es sich um die Frage: Treten dieselben in gewissen Feldern
Dig ti/cn'i
Google
* Neorolog. Centralbl. 1894. Nr. 19.
* Ebeada. 1896. Nr. 28.
989
g^enüber den AssooatioDsfasem um vieles mehr zurück, als in den Sinnea-
eentren? Man übersieht ferner ganz, dass ich meine alten Associations-
centren gar nicht mehr in dem Sinne für einfache ung^liederte Centren halte,
wie es nach m^en ersten Mittheilnngen scheinen konnte. Es sind zwei ganz
renohiedene Fragen: Existiren sie überhaupt und: habe ich die Grenzen völlig
genau angegeben? Die Argumente meiner Gegner beziehen sich auf Irr>
thümer, welche ich schon lange selbst corrigirt habe? Ich habe thatsäch’
lieh, den fortgesetzten Untersuchungen entsprechend, die Grenzen
aller Centren mehrfach geändert, wie ich auch heute es für keineswegs
ausgeschlossen halte, dass ich in Zukunft noch weitere Modificationen vor-
zonehmen gezwungen sein könnte. Untersuchungen von dem Umfang der
Mer vorll^nden können vor dem Ablauf von Jahrzehnten nicht zum Abschluss
gelangen! Nachdem ich meine alten Associationscentren weiter habe zerlegen
können (in Randzonen und Centralgebiete), auch im Bereich derselben einige
deutlich mit Projectionsfasem ausgestattete Feldchen (z. B. Nr. 13) auf-
gefunden habe, bin ich gar nicht mehr in der Lage, einfach die Frage zu
formuliren: Haben die Associationscentren einen Stabkranz oder nicht? sondern
zunächst vor allem: Wie gross ist der Umfang derselben, welche Bindenfelder
der neuen Eintheilung gehören dazu, welche nicht? Hierbei ist aber be¬
sonderes Gewicht darauf zu legen, dass nicht allein der geringe Gehalt
an Projectionsfasem, sondern auch noch ganz andere Momente
mich bewegen haben, die Abgrenzung vorzunehmen, vor allem die Beziehungen
jener Felder zu den langen Associationssystemen, also auch positive Befunde,
nicht rein n^ative, worüber unten mehr. Den Ausschlag hat aber ein ganz
anderer Gesichtspunkt gegeben, welchen man völlig ausser Acht gelassen hat,
obwohl er für mich thatsächlich immer den hauptsächlichsten, den pri¬
mären Grund für die Unterscheidung gab: die Rücksicht auf die allgemeinen
Entwickelung^fesetze der Markscheiden in topisch-chronologiscber Hinsicht.
Die Fasers^teme im grössten Theil meiner älteren Associationscentren ent¬
wickeln sich mindestens drei Monate später als jene der Sinnescentren bezw.
als die Primärsysteme der primordialen Sinnescentren.* Fasersysteme von so
grossen Zeitdifferenzen der Entwickelung können niemals gleicbwerthig sein. Sind
die Primär^steme der Primordialgebiete die eigentlichen Sinnesleitungen, so können
es die Radiärfasem insbesondere der Termialgebiete nicht auch sein. Da nun die
Function einer grauen Masse ausschliesslich bestimmt wird durch die Art der
Faserverbindung, durch die Herkunft, das Ende der Leitungsbahuen, so müssen
auch Abschnitte der grauen Rinde verschiedenwerthig sein, welche mit
‘ Die TOD der hinteren Centralwindang aasgebenden langen AesociationseTsteme ent¬
wickeln eich annähernd gleichzeitig mit den späteren Terminalgebieten! Es entwickeln eich
thatsächlich innig zasammenwirkende Elemente, wie die Zellen der Tenninalgebiete und die
langen AssociatioDBsyBteme der Sinnescentren annähernd gleichzeitig. — Die ABsociations-
systeme der Centralwindungen entwickeln sich etwa in 8 Absätzen! Hier kommen Ge¬
heimnisse der phylogenetischen Entwickelung znm Vorschein, welchen hoifentlieh bald einmal
TOD wiasenschaftlicheD Forschem nachgegangen wird.
c,-.,Google
990
Faserzügen Ton so grossen zeitlichen Entwickelungsdifierenzen Zusammenhängen.
Zu dieser Ansicht hat jeder wissensohaitUche Forscher Stellung zu nehmen,
welcher auf dem Gebiete der Hirnanatomie arbeitet
Dass das, was ich Sinnescentren nenne, von den übrigen Bindenbezirken fono
tionell verschieden sein müsse, erschloss ich also zunächst aus meinen allgemeinen
Erfahrungen über die Faserentwickelung in Kückenmark, Oblongata u. s. w., und
lediglich die feste Zuversicht in die allgemeine Gültigkeit der Ent-
wickelung^fesetze war es, welche mich unentw^t in der Ansicht bestärkte, dass
hier verschiedenwerth^ Kronen vorliegen. Andernfalls hätte ja jeder An^nger
meine Lehre von der besonderen Stellung der Associationscentren umst&rzen
können, falls es ihm geglückt wäre, an irgend einem leidlich geförbten Schnitt
Projectionssysteme in irgend einem derselben nachzuweisem Kleide ich jenen
Satz in meine neue Terminologie, so heisst er:
Nach den Entwickelung^^tzen müssen insbesondere die Tenninalgebiete
eine ganz andere Stellung im Gesammtmechanismus einnehmen, als die Ftimor*
dialgebiete. Um diesen Satz voll zu würdigen, muss man freilich die Gesammt-
summe der Ersdieinungen auf diesem Gebiete beherrschen; das landläufige
Wissen über die Gehimentwickelung, welches in den gangbaren Lehrbüchern zu
finden ist, genügt hier bei weitem nicht!
Indem ich den Besonderheiten der Entwickelung nachging, bemerkte idi
alsbald, dass sich annähernd gleichzeitig mit dem Gros der Fasermassen besonders
der Terminalgebiete die langen Associationssysteme entwickeln (die kurzen sdron
viel eher, je nachdem sie verschiedene Theile eines Primordialgebietes unter
einander, oder Sinnescentren mit ihren Bandzonen verknüpfen) und dass über¬
dies die langen Associationsbahnen besonders ausgiebige Beziehungen zu den
Terminalgebieten eingehen.*
Zu alledem gelang es mir, das Zusammentreffen von Leitungen ans mehreren
„Sinnescentren“ z. B aus der Körperfiihl- und Sehsphäre im Gebiete Nr. 39, aus
der Hör- und Sehsphäre im Gebiet Nr. 38 direct nachzuweisen — während sieh
der Nachweis directer Verbindungen der Sinnescentren nicht führen
liess; denn der famose Fasdculus longitudinalis inferior^ auf dessen associattve
Natur die WEBNiCRB’sche Schule ihre Vorstellungen vom Himbau ganz w^ent-
lieh gründet, erwies sich alsbald mit aller Sicherheit als primäre Sehstrahlung,
also als Projeotionssystem — und schliesslich musste ich erkennen, dass auch
das Cingnlum, in welchem ich selbst ursprünglich ein directes Associationssystem
verschiedener Sinnessphären vermuthete, in der Hauptsache ein Projectionssystem^
' leb hab« leider die Bezieboag za den langen ÄHaociatiooBsystemea nicht ao ent-
schieden hervorgeboben, wie es zweckdienlich gewesen wäre; dass sich die korzen Rbrae
arenatae überall in derJUnde finden, war so allgemein bekannt, dass ich es für Qbeiüfiang
hielt darauf noch besonders hintoweisen.
* Die Darstellnng desselben bei vom Homakow — Himpathologie Fig. 121 — ist rdn
phaiitastiscb,
' Dessbalb ist das Cingnlnm sehr gnt ansgebildet auch bei niederen Sängern, wo
man sonst vergeblich nach langen Associationssjstemen, ja überhaupt nach Aasociatioos-
systeoien ansserhalb der Hirnrinde sacht
Google
991
darstellt. Schon hiernach blieb keine andere Wahl, als die Verknüpfung ver-
schiedener Sinuessphären entweder dem Thalamus opticus zu übertragen, oder
besonderen Bindengebieten, die eben die Eigenschaft haben, mit allen oder der
Mehrzahl der Sinnescentren in leitender Verbindung zu stehen.
Bei Prüfung dieser Frage an der Hand klinischer Erfahrungen ergab sich
nun alsbald, dass nur die Verletzung derjenigen B^onen Sensibilitats*^ bezw.
Motilitatsstorui^en regelmässig bedingt, in welche sich beim Fötus und Neu¬
geborenen die Sinnesleitungen verfolgen lassen, während die Erkrankung der
anderen Gebiete besonders häufig Associationsstörungen erkennen lässt Doch
habe ich in kritischer Würdigung des unvollkommenen Zustandes der topischen
Diagnostik hierauf nie das Hauptgewicht gelegt, obschon mir eine soi^ltige
Durcharbeitung auch der Litteratur mehr und mehr Belege für die Bicbtig-
keit der Hypothese ei^b, dass insbesondere die Terminalgebiete im Wesentlichen
nur mit associativen Verrichtungen zu thun haben.
Jedenfalls sprach die Klinik mehr für die Bichtigkeit der anatomisch ge¬
wonnenen Anschauungen als gegen dieselbe, was auch yon Monakow anerkennt
Ob nun die fin^lichen Associationscentren auch mit dem Thalamus opticus
durch Stabkranzbündel verknüpft sind, ist für die Benrtheilung dieser allgemeinen
Leistnngen durchaus secuudärer Natur; es sei denn, dass es sich hier um
echte Sinnesleitungen gleich den Primärsystemen der unzweifel¬
haften Sinnescentren handelt
Hierfür fehlt aber thatsächlich jeder Beweis! Die Frage lässt sich gar
nicht beantworten, ohne dass festgestellt ist:
1. die Leitungsrichtung in den vereinzelt zwischen Terminalgebieten und
Sehstrahlung u. s. w. verlaufenden Fasern, und
2. die Bedeutung des Sehhügels im Allgemeinen; die Leitungsverhältnisse
in demselben im Speciellen. Sind denn überhaupt alle Stabkranzfasem als Pro-
jeotionsfasem in dem Sinne au&ufassen, dass sie in Leitungen zwischen periphere
Endorgane und Grosshimrinde eingeschaltet sind? Der Sehhügel unterscheidet
sich von den anderen Internodien von Sinnesleitnngen wie äusserer Kniehöcker,
Bulbus olfactorius etc. ganz wesentlich. Er ist ein viel complicirterer Apparat,^
welcher entwiokelungsgeschichtlich sechs, durch die Zeit der Markumhöllung
au^^eichnete, somit verschiedenartige Gebiete enthält, während z. B. der Globus
* leb &ehe io den Sinnesoentren in erster Linie lUndeofelder, io welchen die
Sinnesleitnngen in die Rindenorganisation zanäebst eintreten nnd von welchen ans sich
Sinoeseindrücke Ober engere oder weitere Bindenfelder verbreiten. Inwiefern die Sinnes¬
centren aelbat&ndig die Sinneseindrheke verarbeiten, ist eine secundäre Frage.
' Die Frage, ob vom Tbalamns opticus her associirte Sinneseindrücke (Gesiebt-
MoBkelsioQ, Hoskel-Tastsinn) im Gegensatz za den einlbrmigen Erregungen des äusseren
Knieböekers a. s. w. znr Binde gelangen, scheint mir besonders wichtig. — Aach
ist von recht beaebtenswertber Seite betont worden, dass der Tbalanios insbesondere zu den
emotiven Vorgängen oäbere Beziehangen hat, so dass auch bierfbr ein Mechanismiis getänden
werden könnte, welcher mit dem Projectionssj'stem f&r Sinneseindrücke nnd WUlkürbewegongen
nichts gemein bat
Google
— 992
palUdas bis auf ein System sich einheitlich entwickelt. Die Scbleifenkerne bilden
nur einen kleinen Theil des SehbugeLs, auch strahlen in ihn zweifellos viele
corücale Fasern ein, wdche sich in ihm in Endbäumchen auf lösen, also cortico'
fugal leiten, was insbesondere auch vok Köllikeb entschieden hervo^hoben
hat. Die Entwickelungsri(ditnng der z. B. aus Nr. 39 hervo^ehenden Fasern
zur Sehstrahlung ist eine oorticofugale; man könnte somit zunächst nur daran
denken, dass dieselben g^n den Thalamus leiten, wie sie auch mit der Region
der Scbleifenkerne nachweisbare Verbindungen nicht eingehen.
Da nun auch die isolirte Erkrankung z. B. des Feldes Nr. 39 Sensibilitäts¬
störungen, insbesondere Störungen des Muskelsinns nicht setzt, so liegt nicht
der geringste Grund vor, Nr. 39 irgend wie den Sinnescentren an die Seite m
stellen. Wie, wenn der Thalamus ein Oigan wäre, welches unter Anderem eine
Einwirkung z. B. der Sehspbäre oder ihrer Bandzone auf die motorische
Zone erm^licht (wofür eine ganze Anzahl Grunde sprechen!). Soll man dann
die Leitungen ans jenen Gebieten als Projectionsfasem auffassen? Hier sind
also noch eine ganze Anzahl Vorfragen za erledigen, ehe man den Befand
selbst zahlreicher Tbalamusfasem in den Terminalgebieten für deren Natur als
Sinnescentren ins Feld führen könnte.
An dem sehr gut gefärbten Gehirn eines im 9. Lebensmonat verstorbene
lündes fand ich aber nur ganz vereinzelte Fasern, welche man als Stabkranz-
fasem des Sehhögels ansprechen könnte; ich schätze sie kaum auf Vt«
ßalkenfasem. Meine Gegner werden nun wahrscheinlich den Unterschied 20:1
nicht erheblich Enden; da aber in den Sinnescentren das Verhältniss etwa 20:40
ist, so ist die Differenz doch höchst beachtlich.
Man wird demg^enuber wohl auch einwenden, ich habe die erstere Procentzahl
viel zu niedrig bemessen; man sehe ja zahllose Fasern aus dem Gyros parietalis
inferior in die Sebstrahlung eintreten.^ Hier aber liegt eine grobe Täuschung vor,
welche man sofort vermeiden kann, wenn man geneigte Horizontalschnitte zor
Untersuchung verwendet Man bemerkt hier, dass die Fasern, welche von der
»Seite her in die Sehstrahlung eintreten, zwar zum Theil in der secundären
Sehstrahlui^ (Fleghsio — nach aussen von der Balkenlage) eine Strecke g^en den
Thalamus verlaufen, dass aber auch diese wie die Mehrzahl direct in das Tapetum
übertreten und theils Balken, theüs Associationsfasem darstellen. Ganz unmög¬
lich ist es, an erwachsenen normalen Gehirnen, den Procentgehalt derer, welche
in der Sehstrahlung verbleiben, festzustellen. Der Schluss vieler wenig kritischer
Gegner der Associationscentren: Weil Faserböndel aus dem Gyros angularis m
die Sehstrahlung eintreten, muss es sich um Projectionsfasem handeln, ist »o
Fehlschluss. Ich habe dieser Frage von Anfang an die grösste Au&ierksämkeit
gewidmet, da ich diese Fasern selbstverständlich schon am ersten Präparat
sah, welches sie erkennen Hess, zumal meine ersten Untersuchung^ ausschliess¬
lich an 3—dmonatUcben Kindern angestellt wurden.
* Ich habe diese Fasern anf dem Schema (Taf. V) in „Oehim and Seele'* at^bddet
— nnr soweit sie direct bindnrebziehen — nicht die streckenweise mit der echtes
Sehstrahlung verlaufenden!
i: Google
993
Es bieibeD thatsachlich als entscheidende Befunde nur die secundären
Degenerationen übrig, aber nur solche, welche mit den nöthigen Cauteleu
{sichere Umgrenzung der primären Herde!) gewonnen werden. Es sind Tor allem
nur Herde in Betracht zu ziehen, welche sich auf die Binde und die nächst-
anliegende R^on der Markleisten beschränken. Nähern sich Zerstörungen dem
Isthmus (Verbindungsstück der Markleiste mit dem Centrum semiovale) einer
Windung, so können an vielen Stellen schon Easerzüge zerstört werden, welche
an der betreffenden Windung nur vorüberziehen.
Bei einer sorgfölrigen Durchsicht der Literatur habe ich auch nicht einen
Fall aufgefunden, der annähernd sicher den Beweis lieferte, dass die Terminal¬
gebiete und eine Anzahl lutermediärgebiete einen erheblichen Antheil am
Stabkranz haben. Dejebine berichtet zwar, er habe „oberflächliche“ Herde im
mittleren und vorderen Theil des Stimhims beobachtet mit secundären Degene¬
rationen im vorderen Sehhügelstiel und medialen Sehhügelkem, er will auch
einen Fall von reiner Erkrankung der Gjrus angularis^ mit Stabkranzdegeneration
gesehen haben; indess geht aus seiner Beschreibung nicht einmal hervor,
welches oder welche meiner Rindenfelder erkrankt waren (Nr. 17 enthält viele
Projectionsfasern!). Solange hier nicht Mittheilungen in extenso vorliegen, so dass
man ersehen kann, inwiefern Fälle und Methodik einwaudsfrei sind, möchte ich
auf diese Angaben entscheidendes Gewicht nicht legen — zumal sich bei Herrn
Dejerine auch eine Bemerkung findet, die sofort Misstrauen in die Zuver¬
lässigkeit seiner Angaben ^ erwecken muss. Er sagt, es sei „allgemein bekannt“,
dass der Schläfenlappen in seiner ganzen Ausdehnung überall Projectionssysteme
führe; soweit meine Kenntniss reicht, ist eine derartige Behauptung einfach
aus der Luft gegriffen, da bisher in der Literatur eine wissenschaftlichen An¬
forderungen entsprechende Behandlung dieser Frage überhaupt noch nicht statt¬
gefunden hat. Was von den Angaben der Autoren hier zu halten ist, lehrt ein
‘ Herde im Felde Nr. S9 haben in der Regel die Form eines schlanken Kegels, dessen
Spitze in die Sehstrahlnng hereinreicht. Hat Herr Dejebimb vielleicht diese primäre Degene¬
ration für eine eecnndäre gehalten? Die Sehstrahlang degenerirt hier, weil sie primär
durchbrochen wird. Vergl. im Uebrigen meine Bemerkungen in Nr. 7 Jahrg. 1897 dieses
Blattes.
* Zumal die Anatomie des centres nervenz des Ehepaars Dejbsinb von Irrthümern
in Bezug auf den Faserverlanf geradezu etrozt. Die graphische Darstellnng der langen
AssociationsBjsteme z. 6. anf 5 grossen Figuren ist derart, dass ich in Zweifel bin ob auch
nur ein Böndel von Anfang bis zu Ende richtig ist. Nur 2 Beispiele hiervon: Das
Cingnlnm, welches in seinem Haupttheil, der allein den Namen Cingnlnm verdient, wesent¬
lich Projeotionssjstem ist, wird hier als reines Associationssystem dargestellt, und der
nnterste l'beil der GBaTioLBT'scben Sehstrahlang, welcher ansschliesslich Projectionsfasern
)fhr die Macula Intea) f&hrt, als reines Assooiationssystem (Traitä etc. S. 778) zwischen
Occipitalpol, Schläfenpol. Insel u. e. w. vorgef&hrt. Unter diesen Umständen erscheint es
mir doch gewagt, auf die blosse Versicherung des Herrn Dbjerinb hin auf anatomischem
Gebiete alles mögliche fQr glaubhaft zu halten. — Das DBJBBiME’sche Himwerk zeigt nor
zu deatlicb, auf einem wie niedrigen Niveau eine Hirnforschnng steht, welche auf die Mark-
entwickelnng keine Rücksicht nimmt. Die einfachsten and sichersten Thatsaohen fehlen,
während ein Wnst unsicherer Vermuthnngen and obsoleter, gänzlich werthloser Angaben
gewissenhaft Anfnahme gefunden hat. Malta eed non mnltnrn!
68
D g oy Google
994
eiufacbes Beispiel, von Monaxow erblickt in den TJntersuohungen Dbjbbxme’s
einen Beweis daMr, dass das TüBK’sche Bändel (äusseres Viertel des HirO'
scbenkelfusses) vorzüglich aus dem Gyrus occipito-temporalis hervo^bt (Him-
patbologie. S. 261), Dbjerinb selbst dafür, dass es aus der Mitte der 2. und
3. Scbläfenwindung entspringt. Welche dieser Versionen ist nun „allgemein än>
erkannt“? Ich meine, es sind beide falsch, da der wesentliche Ursprung des
TüBK’schen Bündels in der 1. Temporalwindung zu suchen ist Bei diesem geradezu
traurigen Zustand^ der Lehre von den secundären Degenerationen, sollte es doch
Jedermann einleuchten, dass die Ausbreitungsweise des Projectionssystems, der
Prooentgehalt der Terminalgebiete insbesondere noch viel zu wenig sichergestellt
ist, als dass man auch nur mit einiger Wahrscheinlichkeit, geschweige denn
mit solch’ apodictlscher Sicherheit, wie Herr Wbknicke behaupten könnte, der
Stabkranz sei über alle Windungen gleichmässig ausgedehnt Hierzu bedarf es
thateächlich nur einer gehörigen Dosis von Kritiklosigkeit!
Die Consequenzeu eines derartigen Verfahrens zeigen sich denn auch nur
zu deutlich an den Früchten, welche sie zeitigen. Wie stellt sich z. B. Herr
VON Monakow die Functionsvertheilung über die Grosshimoberfläche eigentUch
vor? Da Associationscentren fehlen, müssen die Sinnesceutren sich natürlich
über die ganze Fläche ausbreiten. Herr von Monakow vertheüt demgemäss
z. B. den Scbeitellappen zwischen Muskelsinn und Sehsphäre. Die Methode, mit
deren Hülfe er dies fertig bringt, ist kein^wegs neu. Er verrenkt einfach
pathologische Erfahrungen so lauge, bis sich das Hirn seinem Vorurtheil fugt
Dass der Gyrus angularis^ zur Sehsphäre gehört, wird damit bewiesen, dass angeb*
lieh bei Zerstörung beider Hiuterhauptslappen an der ganzen inneren Fläche,
am Fol u. s. w. die Maculae luteae noch functions^hig bleiben, dass nur eine Ge>
Sichtsfeldseinengung stattfindet — er vergisst nur, dass die Fälle, welche er zum
Beweis anführt, sämmtlich noch intacte Stellen meiner Sehsphäre (Cuneus, Gyi.
lingualis, occipit 1) in recht erheblicher Ausdehnung zeigen, dass andererseits
ein Fall doppelseitiger totaler Zerstörung der Hinterhauptslappen ohne totale
Amaurose gar nicht existirt — Der Muskelsinn wird in den Farietalwindungeu
untergebracht mit einer noch einfacheren Methode. Die Schleife, als eigentliche
Trägerin des Muskelsinns soll sich im ganzen Scheitelbirn ausbreiteo.
Beweis: im Falle Hösel-Flechsig ist die Hauptschleife fast total d^nerirt,
nicht weil die hintere Gentralwindung zerstört war, sondern weil „das ganze
* Han vergleiche doch in dieser Hinsicht die Uebersicht der gesicherten Erfahrungen
dieser Art (von Menschen!), welche von Mohakow S. 259 seiner Hirnpathologie giebt!
So gering die Zahl hier ist, so ist sie doch noch sn h.och gegriffen! Wie kommt es wohl,
dass VON Monakow hier secondäre Degeneration von Stabkianzbündeln kaum ^ die Hälfte
der Windungen kennt, welche insbesondere nach seinen mündlichen Aussagen in Frank*
furt a./M. in Betracht kommen?
^ Wenn man aus experimentellen Beobachtungen auf die Functionen des „Gjrus an¬
gularis“ beim Menschen Rücksoblttsse macht, sollte man nicht unberücksichtigt lassen,
was oben über die Unterschiede der 2. Parietalwindung des Menschen und des Gpus so-
gnlaris der Äffen gesagt wurde. Beide haben znm Theil miteinander nichts gemein.
Diy
Google
995
Mark des Parietallappens mitei^rifren war“ (Himpathologie S. 260). Da ich den
Fall persönlich untersucht habe und auch Präparate davon besitze, kann ich,
wie alle vorurtheilslosen TJntersucher desselben versichern, dass die Parietalwin*
düngen kaum im vordersten halben Centimeter Yeränderangen zeigten.
Die Hanptsohleife endet thatsächlich nur in den Centralwindungen ^ und
ausnahmsweise im oberen vorderen Abschnitt der ersten Parietalwinduug
(x Fig. 1). Storungen des Muskelsinns sind dementsprechend am regelmässigsten
bei Erkrankungen in der Centralgegend zu finden, von Monaxow, der dies
anerkennt, will aber auch drei Fälle von Erkrankang der Parietal Windungen
aufgefunden haben, wo bei Störung des Muskelsinns „die Centralwindungen
als gesund bezeichnet wurden“ und Femwirkungen auf dieselben aus¬
geschlossen waren („Hirnpathologie“ S. 423). Hören wir, wie der eine dieser
Fälle wirklich beschaffen war! Es handelt sich um den Fall Vetter.* Hier
lautet der Bericht über den Sectionsbefund:
„Erweichimgsherd: Derselbe reichte von der Marksubstanz bis unmittelbar
unter die Pia, die graue Substanz der ersten Parietalwindung völlig einnehmend, sich
ferner über die obere Hälfte der zweiten Parietalwindung und zum Theil auch in die
zweite Centralwiudung und die derselben entsprechende Marksubstanz erstreckend!“
Nach Monakow sind hier die Centralwindungen „als gesund bezeichnet“.
Also nicht durch gewissenhafte ,Sichtung, sondern durch Verzerrung der
pathologischen Erfahrungen kommt ton Monakow zu dem Ergebniss, dass die
Sinnescentren sich über die gesammte Oberfläche der Scheitel-Hinterhaupts¬
lappen ausdehneu, anderweitige Bezirke dazwischen aber nicht existiren.
Bezüglich der Hörsphäre giebt von Monakow allerdings zu — entg^eu
Wernioke —, dass dieselbe nicht im ganzen Temporallappen, sondern nur in
der 1. Schläfen Windung zu suchen ist, was ja auch angesichts der Thatsache,
dass bei Erkrankung der 2. und 3. Temporalwindung und des Gyrus occipito-
temporalis „auch nicht eine leichte“ secundäre Degeneration des Corpus genic.
internum gefunden wird, nicht anders möglich erscheint
Bei Beurtheilung der Einwände gegen die Existenz von Associationscentren
mit geringer Entwickelung des Projectionssystems darf man nicht ausser Acht
lassen, dass die grosse Mehrzahl der Forscher ihre Ansichten Über die Him-
faserung gegenwärtig auf nach Weioebt gefärbte Schnittreihen insbesondere
von Thiergehimen aufbaut und die Befunde bierselbst ohne weiteres auf den
Menschen überträgt, ohne zu bedenken, dass derselbe seine ganz besonderen
‘ Die Existenz einer corticopetalen Leitong in der „motorificben Zone“ ist so sieber-
gestellt, dass aoch negative Erfabrnngen beim Experiment (SchXfsb contra Mokk) sie niobt
nmstüTzen können. Nnr muss man berücksichtigen, dass beim Menschen die vordere Central-
windnng weit weniger Fssem der sensiblen Scbleifenstrahlong erhält als die hintere, and
dass z. B. beim Hand die Scbleifenstrahlong, wie die Markbildnng gleich den se*
enndären Degenerationen (Tscbebmak) lehrt, haoptsächlicb in den Gyros corooarias,
weniger in den Oyros sigmoideos eingeht. Hier giebt es nicht eine vordere and hintere*
sondern eine äussere und innere Ceotralwindong.
^ Nothnagel, Topische Diagnostik. 1898. S. 397.
63*
üigiVrcd oy Google
996
Eigenthümliohkeiten besitzt Aber schon die aufmerksame Betrachtung eines
Nagerhims, z. B. vom Hamster zeigt, dass die auf den ersten Blick überall gleich-
massige Yertheilung des Stabkranzes in Wirklichkeit nicht besteht Man ünd^
hierzwischen stabkranzreiohen, offenbar Sinnescentren darstellenden Bindenflächen,
kleine Bezirke, welche durch ihren enormen Beichthum an Ganglienzellen einer¬
seits, durch den fast vollständigen Mangel an Radiärfasem andererseits ausge¬
zeichnet sind. Die Zellen sind hier viel zahlreicher als anderswo, und jeder dieser
Haufen ist durch intracorticale Associationsfasem mit mindestens 2 Sinnescentren
verbunden. Hier zeigt sich auch, wie absurd geradezu die Lehre ist, dass die
Hirnrinde überall gleichmassig gebaut sei.
Je höher man in der Säugethierreihe aufkteigt desto deutlicher, bezw.
grösser werden die stebkranzarmen, wenn nicht freien Gebiete, wennschon sie
bei weitem weniger in die Augen fallen als beim Mensch.
Herr Muke, dessen Anschauungen nach vielen Richtungen hin in der
Entwickelungsgeschichte eine kräftige Stütze finden, ist denn auch im wesent«
liehen nur durch das Bestreben, überall Sinnessphären finden zu wollen, auf
Abwege gerathen. Mau vergleiche nur die unverhältnissmässige Grosse seiner
Föhlsphären des Auges und Ohres! Die Theorie der Zusammensetzung der
Himoberfläche ausschliesslich aus Sinnessphären droht der Wissenschaft mit
denselben Gefahren, wie seinerzeit die Lehre vom punktförmigen Seelensitz und
der üntheilbarkeit der Seele.
Und nun zum Schluss noch einen Befund an den Sinnesleitungen:
ln Bezug auf die Hörleitung haben die neueren Untersuchungen ergeben, dass
dieselbe bei 2 Individuen (die anderen konnten wegen der angewandten Schnitt¬
richtung nicht verglichen werden) die linke Hörstrahlung (zwischen Kniehöcker,
SehhQgel und Querwindungen des Schläfenlappens) etwa doppelt so stark
erscheint als die rechte; die Entscheidung darüber, ob hierin ein Schlüssel
für die Benutzung der linken Hörsphäre zum acustischen Erfassen der Worte
gegeben ist, muss weiteren Untersuchungen Vorbehalten blühen. Auffällig war
auch, dass in beiden Fällen die Raudzone No. 25 links markhaltig war, rechts
nicht Au der Sehstrahlung habe ich deutliche Asymmetrien nie beobachtet
[Aus der psychiatrischen und Nervenklinik der Universität Leipzig.]
2. Die Reifung der Leitungsbahnen im Thiergehirn.
[Vorläufige Mittheilung.]
Von Dr. Döllken,
Assistenzarzt der Klinik.
Ich untersuchte etwa 45 lückenlose Schnittreihen, die ich frontal, horizontal
oder sagittal durch Gehirne von Hunden und Katzen l^te. Die Färbung
ig |i.:od oy CjOO^Ic
997
der einzelnen Schnitte erfolgte nach Weigert-Pal. Bearbeitet ist systematisch
eine Reihe Ton Gehirnen vom neugeborenen bis 35tägigen Thier, ferner zwei¬
monatliche, dreimonatliche und erwachsene Gehirne.
Es ei^b sich, dass im Grosshim dieser Thiere eine successire Markentwickelung
der Leitungsbahnen stattfindet. Mir ist es nicht gelungen vereinzelte, zerstreute,
markhaltige Fasern an h^end einer Stelle des Grosshims zu entdecken, auch
nicht bei ganz tadellos gefärbten Präparaten. Stets war mit grosser Sicherheit
naohzuweisen, dass die Umhüllung der Fasern mit Mark bündel- oder lamellen¬
weise geschieht.
Vor dem 8.—9. Tage habe ich im Grosshirn meiner Thiere keine mark-
haltige Faser gesehen. Gegen den 8.—9. Tag werden markhaltig bei der
Katze;
1. Bändel aus der inneren Kapsel zum Gyrus coronalis und Gyrus cruciatus
anterior und posterior (entsprechend den Centralwindungen des Menschen);
2. Tractus olfactorius;
3. Fomii longus;
4. der obere Theil der Commissur der Ammonshömer;
5. eine Lamelle vom Ammonshorn in den Gyrus hippocampi {Theil des
Alveus).
Es folgen am 10.—11. Tage:
6. ein Theil des Cingulum;
7. ein dünnes Bündel aus der inneren Elapsel in den Gyrus ectosylvius
posterior.
8. der vorderste Theil der 4. und 3. Bogenwindung.
Am 13.—14. Tage traten auf;
9. eine schmale Lamelle in dem mittleren Theil des Gyrus marginalis;
10. Bündel aus der inneren Kapsel in dem Gyrus ectosylvius posterior.
Etwa am 15.—16. Tage gelangt ein markhaltiges
11. Bündel aus dem Corpus geniculatum externum in den hintersten Theil
des Gyrus marginalis und Gyrus postsplenialis.
Am 19. T^e ungefähr beginnen zu reifen;
12. das mittlere Drittel des Balkens;
13. der dunkle Äntbeil der vorderen Commissur.
Beim Hund ist am 9. Tage weiter nichts markhalüg im Grosshim wie der
Gyms coronalis, sowie der Gyrus cruciatus anterior und posterior und die Bahn
zu denselben aus der inneren Kapsel.
Es beginnt am 11.—12. Tt^e die Reife des Fomix longus, des oberen
Theiles der Ammonscommissur, einer Bahn aus der inneren Kapsel in den
hinteren unteren Theil des Gyrus marginalis, des oberen Theils der 4. und
3. Bogenwindung.
Am 14. Tage etwa sind Bündel sichtbar, die vom Corpus geniculatum ex-
ternum in den Gyrus marginalis und postsplenialis ziehen.
Google
998
Vom 17.—20. Tage werden markhaltig das mittlere Drittel des Balkens
(zuerst) und das vordere Drittel (etwas später). Die Balkenfosem stammen vor-
wi^end aus der Frorea (mediale Seite), aus dem Gyrus cruciatus anterior und
posterior und aus dem Gyros coronalis.
Im Uebrigen sind die Verhältnisse
denen bei der Katze analog, nur erfolgt
die Markentwickelung der einzelnen
Bahnen beim Hund meist 1—2 Tage
später, wie der entsprechenden bei
der Katze.
Die aofgezählten Bändel lassen
sich völlig isolirt verfolgen. Markhaltige
Associationsfasem zwischen zwei VTin*
düngen finden sich bis etwa zum 18.
bis 20. Tage ausschliesslich in einem
Theile der Körperfuhlsphäre (Gyr. coron.
etc.) spärlich und vielleicht noch in der
Sehstrahlung.
Dass nicht alle Stellen des Hunde*
gehims Frojectionsfasem haben, glaube
ich ganz bestimmt nachweisen zu
können, doch muss die Darstellung
Schema dea Hnndegehirns.
M FoBsa Sylvii, pr Fissnra praesylvia, er
Fisaara craciata, ot Fissora occipito • tem*
poralis, gen Fiasara genualia, l Gyros coro*
nalia, 2 Qyroa emeiatoa posterior, 3 Gyros
crociatos anterior, o Lobos olfaotorios, t Gyros
sylviaeos (ant. o. post) =: 1. Bogenwindong,
e Gyros ectosylrius, m Gyros soprasylvioB,
m G 3 rraB marginalis, f>ro rrorea, ec Corpos
callosam, f Gyros fomicatos, h Gyros hippo-
campi, » UncuB, ep Gyros splenialis, pr^
Gyros praesplenialis, up Gyros soprasplenialis,
app Gyros postspleoiaiis.
dieser Verhältnisse ebenso wie die ge¬
naue Abgrenzung der Bindenfelder der
ausfährlichen Mittheilung Vorbehalten
bleiben.
Zeitlich anders, doch im Frincip
gleich, erfolgt die Markentwickelung
beim windungslosen Thiergehim —
Kaninchen, Ratte, Maus, Meerschwein¬
chen. Meine diesb^glichen Unter¬
suchungen sind nahezu abgeschlo^n.
Nicht bei allen Thieren derselben Species tritt genau am gleichen Tage
Reifung bestimmter Bündel ein. So ist das eine meiner Hundegehime von
17 Tagen weiter entwickelt, wie ein anderes von 20 Tage, und ein Katzengebim
von 15 T^n weiter, wie ein anderes von 16 Tagen.
Immer aber sind vom 8. bis etwa 18. Tage nur isolirte Fasersysteme im
Grosshim sichtbar. Die Reifung geschieht, soweit ich bisher feststellen konnte,
für die einzelnen Bündel immer in derselben Reihenfolge.
Google
999
[Aus dem patbolc^isoh-anatomiscben Institut in Lemberg.]
3. Die Phylogenese des Pyramidenvorderstranges.
Von Dr. G. Bikeles.
M. y. LenhossAk fasst in seinem bekannten Werke: „Der feinere Bau des
Nervensystems“ 1895 (S. 390—392), den Pyramidenvorderstrang als eine Snb*
stitution für ursprünglicb im Seitenstrange verlaufende und nicht-gekreuzte
Pyramidenfasem auf. Dieser Autor beruft sich auf Beobachtungen von Sheh-
BiKOTON, wonach auch im Rückenmarke derjenigen Säugethiere, wo nur seit¬
liche Pyramidenbahnen bestehen, die Kreuzung keine totale, sondern eine par¬
tielle ist „Nun erst“, führt v. Lenho8s£e weiter aus, „fallt ein Licht auf den
Zusammenhang der Erscheinungen. Die Semidecussation der Pyramidenbündel
und damit die Möglichkeit der Einwirkung der motorischen Rindenspbäre auf
beide Körperhälften scheint eine durchgreifende Regel zu sein, aber w^rend bei
den Camivoren alle Fasern, die gekreuzten wie die ungekreuzten, im Seitenstrang
untergebracht werden können, schliessen sich beim Menschen die ungekreuzten
nicht an die gekreuzten an, sondern ziehen für sich allein als Pyramidenvorder-
strangbahn in der direoten Fortsetzung ihres cerebralen Verlaufs herunter.“
In den Fällen, in denen die Pyramidenvorderstrangbahnen fehlen, „muss man
annehmen“, bemerkt y. LenhossAe, „dass die Fasern, die sonst diese Bahnen
bilden würden, nicht der gekreuzten, sondern der gleichseitigen Fyramiden-
aeitenstraugbahn zugetheüt sind.“
Es wäre demnach also zu erwarten, dass beim Fehlen der Pyramiden-
vorderstrangbahn eine Läsion in der Capsula interna der einen Himhemispbäre
im Bückenmarke ausser der Degeneration im gekreuzten Seitenstrange noch
eine solche in bedeutend beträchtlicherem Grade als sonst im Seiten¬
strang derselben Seite hervorrufe. Allein diese Erwartung traf bei der ana¬
tomischen Untersuchung eines entsprechenden Falles nicht ein. In einem Falle
von frischer Hemiplegie in Folge von Embolie in der Arteria fossae Sylvii mit
consecntiver Erweichung der motorischen Bahn innerhalb der Capsula interna
wurde nämlich das Halsmark nach Mabchi gefärbt Es zeigte sich nun eine
sehr beträchtliche Degeneration im gekreuzten Seitenstrang; im Vorderstrang
derselben Seite in der Nähe der Fissura anterior einige wenige (4—6) schwarze
Schollen, die man als minimale Andeutung eines Pyramidenvorderstranges an¬
zusehen hat; im Seitenstrang derselben Seite selbst im obersten Kalsmark
nur wenige auf die Gegend der Pyramidenbahn zerstreute schwarze
Schollen, deren Anzahl keine grössere ist als in Fällen mit gut ent¬
wickelten Pyramiden vordersträngen.
Dieser Umstand dürfte darauf hinweisen, dass der Pyramidenvorderstrang
keine Substitution für nicht-gekreuzte Pyramidenseiteustrangfasern und somit
bloss eine Verlagerung derselben darstelle. Man ist vielmehr berechtigt, die
Google
1000
FTramidenTorderstrange als neue Formation, als eine neue, lange, Hirn- und
BQckenmark verbindende Bahn anzusehen. Phylogenetisch könnte man diese
Bahn auf die absteigend degenerirenden Fasern im Yorderstrang vieler Sänge*
thiere (MAniE’s Faisceau sulco-mai^nal, Löwenthal’s Faisceau marginal antä*
rieur) zuräckführen. In Präparaten, welche von Hunden mit lädirtem Halsmark
herrähren, konnte ich bei Färbung nach Mabghi in dem Gebiet, in welchem
beim Menschen ebenfalls bei Färbui^ nach Mabghi die Pyramidenvorderstrang*
degeneration sich zeigt, eine sehr intensive absteigende D^nerataon constaüren,
der gegenüber die daselbst anfsteigend degenerirenden Fasern unbeträchtlich
sind. Es ist daher m^lich, dass diese Intersegmentalbahnen beim Menschen
und ^ vielleicht auch andeutungsweise bei manchen Säugethieren ^ wenigstens
theilweise sich zu langen Bahnen umgestalten.
II. Referate.
Anatomie.
1) Ueber die Stirnnaht und den SÜmfontanellknoohen beim Uensoh^
von Springer. (Inang.'Dissert 1897. Königsberg.)
Nach einer eii^ehenden historischen Einleitnng giebt Verf. seine Resultate ao
804 Schädeln Erwachsener der Königsberger anatomischen Sammlung und fasst äe
selbst folgendermaassen am Schlüsse zusammen:
1. Eine Sutura frontalis kommt durchschnittlich in vor.
2. Eine unregelmässige Krenznng der zusammentreffenden Nähte: Sutura üddI.
und sagittalis und Sntura coronalis ist sehr selten, unter 64 Fällen nur 9 Hai (14 *^' 0 ).
3. Es findet sich häufig eine Unregelmässigkeit in der Verbindung der beides
Seitenhälften des Stirnbeins mit den beiden Scheitelbeinen.
Unter 64 Schädeln stiessen alle 4 Knochen nur 4 Hai in einem Punkte zu¬
sammen. 47 Mal verband sich das rechte Scheitelbein aosser mit dem rechten, auch
mit dem linken Stirnbein, 13 Mal das linke Scheitelbein ausser mit dem linken, auch
mit dem rechten Stirnbein. Der Grund dieser Unregelmässigkeit ist zu snchmi in
dem Auftreten von accessorischen Knochenkemen im Bereiche der Stimfontanelle.
Letztere fand Verf. in l,47o> iu verschiedener Grösse, Gestalt und Lage. Der
Schloss der Stimfontanellgegend mnss durch mindestens einen Knochenkem entstehen,
wie das Bestehen des Stimfontanellknochens beweist. Näcke (Hubertusburg).
2) Contributo alle etudio aziatozno*>fl8iologioo del oentii dei nervi ooulo-
motori deir uomo, per G. Fanegrossi. (Bicerche fatte nel laboiator. di
Anatomia normale della B. Univers. di Borna. 1898. Yl. 2 e 3.)
An 6 Fällen chronischer Ophthalmoplegie nntersnehte Yerf. das Verhalten der
Kerne der Augenmuskelnerven. Da sich die zahlreichen Einzelheiten der sehr so^*
Google
’ VergL Ksdlice, Neorolog. Centralbl. 1897.
1001
ftltigen Arbeit der Wiedergabe im Referat eutzieben, seien hier nur die Äugen-
Symptome and der anatomische Befund der einzelnen Fälle, sowie die Schlussfolge¬
rungen, zu denen Verf. auf Grund seiner Untersuchungen und der einschlägigen
Litteratur gelangt, zusammengestellt.
Fall 1. Dementia paralytica post tabem. Geringer functioneller Defect der
Convergenz der Bnlbi und des Rectus eztemus, links stärker als rechts. Ungleich¬
heit der Pupillen 1. > r. Zweifelhafte Lichtreaction. Eem und Wurzelfasern des
Abducens beiderseits erkrankt, rechts stärker als links. Hinteres LängsbQndel normal,
ebenso der Trochlearis. Leichte yei‘ändernngen des distalen Abschnittes der Lateral-
keme, des VI. Rdinger-Westpharschen, Centralkem and die medio-ventrale Zell-
gruppe gesund. Die seitlichen Wnrzelfasem des Oculomotorins verschmälert, in den
distalen Abschnitten besonders rechts. Normal die medialen und die Bogenfasem,
ebenso der Darkschewitsch’sche Kern and die hintere Commissur. Das Nerven-
fasergeSecht und die Zellen des centralen Böhlengrau fast gänzlich geschwunden.
Fall 2. Progressive Paralyse. Linkes Äuge normal. Rechts: vollkommene
Ptosis, jedoch vermag der Kranke bei Bedeckung des gesunden Auges das Lid zu
heben. Bulbus unbeweglich, nach aussen unten abgewichen. Beide Pupillen licht¬
starr; die rechte auch auf Accommodation nicht reagirend. Anatomisch Befund:
Beiderseits Kern und Wurzelfasem des Abducens schwer geschädigt, rechts noch
stuker als links. Hinteres Längsb&ndel normal. Trochleariskem pathologisch rechts
wiederum stärker, ferner Stamm- und Wurzelfasern in ihrer ganzen Ausdehnung er¬
krankt Schwere Veränderungen des distalen Theiles der lateralen Hanptkerne des
Ocolomotorius. Edinger-Westpharscber und Centralkem normal. Der medio-
ventrale Kern beiderseits erkrankt Wurzelfasern des Oculomotorins rechts fast voll¬
kommen geschwunden, links nur auf den distalen Schnitten durch den Kern ver¬
ändert. Darkschewitsch’scher Kern beiderseits erkrankt; normal die hintere
Commissur. Im centralen HShlengrau die Zellen und das Nervengeflecht fast gänzlich
geschwunden.
Fall 3. Melancholie. Beide Äugen nach aussen abgewichen. Ausfall der
Convergenz (angeborener Strabismus divergens). Pupillenreaction normal. Anatomisch:
der accessonsche Abducenskem vorhanden. Beiderseitige Agenesie des distalen Ab¬
schnittes der dorsalen Zellgruppe des Ocolomotorius. Höhlengrau normal.
Fall 4. Dementia paralytica post tabem. Leichte Ptosis rechts. Rechter
Bulbus nach aussen abgewichen und nach dieser Richtung unbeweglich. Links:
leichte Ptosis bei monoculärer Untersuchung, Convergenz- und Divergenzbewegungen
eingeschränkt; bei monoculärer Untersuchung das linke, amaurotische Auge fast ganz
unbeweglich. Papillen ungleich, rechte grösser als die linke, und lichtstarr. Ana¬
tomisch: Trochleariskem, Stamm- und Wurzelfasern beiderseits erkrankt, rechts stärker
als links. Schwere Läsionen der Lateralkeme, der Central-, der Edinger-West-
phal’schen, der medio-ventralen Keme und der Wurzelfasem des Oculomotorius,
alles rechts mehr wie links, gut erhalten die Fibrae rectae. Darkschewitsch’scher
Kern fast normal rechts, links verändert; hintere Commissur stark pathologisch.
Fast vollkommen geschwunden Fasemetz und Zellen des centralen Höhlengrau.
Fall 5. Tabo-paralyse. Linkes Auge normal. Pupillen leicht ungleich und
träge reagirend. Rechts: leichte Ptosis, Augapfel nach aussen abgewichen, stark
eingeschränkt. Die Bewegungen nach innen und oben. Anatomisch: Abducens- und
Trochleariskem und Wurzeln normal. Der Stamm des Trochlearis beiderseits ver¬
ändert. Erkrankt der distale Abschnitt der Lateralkeme stärker in seinen dorsalen,
als in den ventralen Zellgruppen und die lateralen Wurzelfasem beide rechts aus¬
gesprochener als links. Normal der Centralkem, der Westphal-Edinger’sche,
der Nucleus medianus anterior, die medialen Wurzelfasem, der Darkschewitscb’-
sche Kern und die hintere Commissur. Im centralen Höhlengrau Nervenfasergeflecht
und Ganglienzellen fast ganz verschwunden.
.,Googlc
1002
Fall 6. Dementia paralytica post tabem. Rechts Ptosis, Balbos nach aussen
abgewichen, die Conrergenz beider Ängen fast ganz aufgehoben, stark eingeschränkt
die Rotation nach aussen oben and unten. Pupillen gleich, lichtatarr. Anatomisch:
Beiderseits erkrankt Kern und Wurzelfasem des Äbducens links stärker als rechts;
hinteres Langsbündel normal. Pathologisch verändert der Trochleariskem rechts
mehr wie links. Normal die Wurzelfasem des Trocblearis. Erkrankt die Lateral-
keme des Oculomotorius, und zwar ausgesprochener die dorsalen Gruppen und die
rechte Seite. Normal Edinger-WestphaTsche, Centralkeme und Noclei medianl
anteriores. Verändert rechts starker als links die lateralen Wurzelfasem, die medi'
alen auf Schnitten durch das distale Keragebiet geschwunden. Darkschewitsch’-
scher Kern und Commissura posterior normal Fast vollkommen geschwunden Faser*
netz und Zellen des centralen Höhlengraues.
Die Schlussfolgerungen des Verf.’s sind:
FQr den N. äbducens:
1. Oie Fibrae arciformes superficiales stehen in einfacher Contiguität mit dem
Abducenskem, die Yerbindungswege zwischen diesem Fern und seiner motorischen
Rindenzone oder dem Occipitallappen sind noch ganz unbekannt.
2. Es ist noch zweifelhaft, ob das hintere LängsbQndel Yerbindongen eingeht
mit den Kernen der Angenmnskelnerven. Die Annahme, dass dieses Bflndel ein
Yerbindongsweg zwischen Abducenskem der einen Seite mit dem Oculomotorinskem
der entgegengesetzten Seite sei, ist nnb^Qndet.
3. Es ist zweifelhaft, ob der accessorische Abducenskem (Pacetti) znm YI.
oder VII. Hiranervenpaar gehört.
N. trocblearis:
1. Der Kern des Trocblearis sind die Zellen, die in einer Einbuchtung des
Fascicul. longitud. post, liegen. Die Westpharscben und Boettiger'schen Zell*
gruppen haben nichts mit dem Trocblearis zn thun, gehören vielmehr znm centralen
Höhlengrau.
2. Der Trochleariskem kommt klar zur Anschauung nur auf proximal geführten
Schnitten. Seine distale Partie wird oft von einer kleinen Zellgmppe gebildet, die
nicht immer in einer kleuien Ausbuchtung des hinteren Längsbündels liegt, an
Localisation und Grösse starken Schwankungen unterliegt und in ihrem sagittalen
Verlauf häufig unterbrochen ist.
3. Da eine anatomische Grundlage für die Existenz directer oder doppelt ge¬
kreuzter Fasern nicht vorhanden ist, muss man an der Annahme einer totalen
Kreuzung des Trocblearis festhalten.
4. Der Trochleariskem setzt sich direct in den Oculomotoriuskem fort
N. oculomotorius:
1. Die von Pertia gegebene Eintheilung des Oculomotorinskemes stimmt am
besten zu unseren heutigen Kenntnissen vom morphologischen Bau dieses Nerven*
centrums, wenn sie auch zu schematisch und noch nicht in allen Punkten be*
stätigt sind.
2. Man kann sicher eine partielle Kreuzung der Wurzelfasem des Ocalomotorius
nacbweisen, und namentlich der aus den distalen Abschnitten stammenden. Die
medialen Wurzelfasem, besonders diejenigen, welche von der dorsalen Gruppe ihren
Ursprung nehmen, sind die gekreuzten.
3. Eine genaue nucleäre Localisation der vom Oculomotorius versoigten Muskeln
entbehrt der motorischen Grundlage.
Den Darkscbewitsch'scben Kern muss man als Kern der hinteren Commissur
ansehen.
Es scheint ausgeschlossen, dass der Edinger*Westphal’scbe Kern und die
Nuclei mediani anteriores Centren für die Innervation der inneren Muskulatur des
Dig :i^cd cy Google
1003
Ai^^es sind; wabrsclieiQÜcher ist es, wenn auch noch aicht bewiesen, dass sie zu
den äusseren Äugenmuskeln in Beziehung stehen.
Viele WahrscheinlichkeitsgrQnde sprechen dafür, das Centrum für das obere
Augenlid in den proximalen Theil des Trochleariskems zu verlegen. Es ist nicht
unmöglich, dass dieses Centmm sieb auch unter dem Einfluss des oberen Facialis
befindet
Es ist wahrscheinlich, dass das Centrum für den M. rectos internus seinen
Sitz im distalen Ende des Dorsalkems des Oculomotorius hat. Seine Fasern hätten
mithin einen gekreuzten Verlauf.
Der M. obliquus inferior, dessen Thätigkeit oft synergetisch zu der des Bectus
intemuB ist, hat höchst wahrscheinlich mit diesem eine gemeinsame Localisation.
Wenn dies richtig ist, kommt man per exclnsionem zu dem Schluss, dass der
M. rectus snperior und inferior im vorderen Theil des Hauptkems des Oculomotorius
ihr Centrum haben.
4. Die Fasern, die in den proximalen Ebenen zu beiden Seiten der Medianlinie
verlaufen (Fibrae rectae), gehören wahrscheinlich nicht den Wurzeln des Oculo*
motorius zu, sondern haben eine andere Bedeutung. Valentin.
3) Contributo allo Studio del nuoleo del n. faoiale dell uomo, per G. Pardo.
(Ricerebe fatte nell Lab. di Anatom, norm, della R. Univ. di Borna. 1898. VI.)
Der Fall, an dem Verf. die Anatomie des Facialiskerns studirte, betraf einen
46jährigen Schuhmacher, der 26 Jahre vor seiner wegen Dementia paralytica erfolgten
Aufnahme in die psychiatrische Klinik zu Born sich durch einen Pistolenschuss das
Leben zu nehmen versucht und dabei die rechte Eiefergegend verletzt batte. Es
war rechtsseitige Taubheit und rechtsseitige complete Facialislähmung zurückgeblieben.
Die faradisebe und galvanische Erregbarkeit des rechten Facialis war herabgesetzt,
die von ihm versoi^n Muskeln zeigten partielle Entartungsreaction.
Auf Serienschnitten durch das verlängerte Mark erschien am distalen Ende des
VII. Kerns das Gebiet des rechten Facialis erheblich kleiner, sein Nervenfasemetz
spärlicher, die Zellen besonders in der dorsalen und medialen Partie an Zahl ver*
riugert, an die Peripherie gedrängt und geschrumpft; der aufsteigende Schenkel der
Wurzel auf den dritten Theil seines Volumens reducirt. Weiter nach oben wird der
Unterschied zwischen den beiderseitigen Kernen zuerst geringer, dann nimmt noch
weiter proximalwärts die Atrophie des rechten wieder zu. Der absteigende Schenkel
der VII. Wurzel ebenfalls stark verkleinert.
Auch linkerseits ist im Vergleich zu normalen Präparaten der Facialiskem an
Grösse reducirt, die Zahl seiner Zellen vermindert, diese selbst theils gut erhalten,
theils sehr klein, blass und geschrumpft Alle diese Veränderungen betreffen in der
Hauptsache nur den ventro>lateralen Abschnitt des linken Kerns.
Der geschilderte anatomische Befund führt den Verf. zu dem Schloss, dass beim
Menschen die Fasern des unteren Facialis grösstentheils ihren Ursprung nehmen aus
dem gleichseitigen Kern, und zwar aus dessen dorso'medialer Partie und zum
lüeineren Theil aus dem ventro'lateralen Theil des Korns der Gegenseite. Stimmt
diese Annahme einer partiellen Kreuzung des Facialis mit den bei niederen Sänger
thiereu erhobenen Befunden und mit den für den Menschen von Obersteiner ge¬
machten Angaben fiberein, so ist doch die Atrophie des Kerns der contralateralen
Seite bisher in keinem pathologischen Fall beobachtet worden; hauptsächlich wohl
deshalb weil meist zwischen dem Eintritt der Facialislähmung und dem Exitus letalis
eine relativ zu kurze Zeit verstrichen war. Valentin.
Google
1004
EiperimenteUe Physiologie.
4) Beiträge sur Kexxntniss der Lymphoiroalation in der Groashimrinde,
von Prof. 0. Binswanger und Dr. H. Berger. (Virchow’s Archiv. Bd. CLII.)
Die Verff. konnten im Anschluss an die Autopsie eines Falles von progressiver
Paralyse, bei welchem sich gleichzeitig Erebsknoten in beiden Himhemisphären,
sowie grosse Blnteztravasate unter der Subarachuoidea und im rechten Seitenventrikel
fanden, die zum Tbeil noch unklaren Verhältnisse der Lymphcirculation in der Gross*
hirnrinde stndiren. Die Resultate ihrer (Tntersuchuugen decken sich theilweise mit
den diesbezüglichen Anschauungen von Key und Betgius, Schwalbe, Ober¬
steiner, Bevan Lewis u. A. Danach sind die Bindengeßsse von einem doppelten
Lymphraum, einem intra- und einem extraadventltiellen, umgeben, die beide nicht
miteinander communiciren. Der letztere steht in Verbindung mit den pericelluliren
Lymphräumen und mit den Aroold'schen Lymphspalten der Pia, während der Intra-
adventitielle Lymphraum mit den subarachnoidalen Lymphbahnen, sowie mit den
Ventrikeln in freier Communication steht. Die VerCf. konnten nun feststellen, dass
ein wesentlicher Tbeil des letzteren Lymphsystems durch die Gliazellen der MolecuUr-
schiebt der Kinde und deren bis an die Himoberfläche reichende Ausläufer dargestellt
wird. Es ei^b sich dies unzweifelhaft daraus, dass bei der mikroskopischen Unter¬
suchung dieser Zellen im obigen Fall sich dieselben, gleich den iutraadventititilen
Lymphräumen, mit grossen Mengen Blotpigment angefOllt, zeigten, das nur ans den
subarachnoidalen bezw. ventricularen Blutextravasaten durch den Lymphsaftstrom
dorthin gelangt sein konnte. Bestätigt wurde diese Thatsache durch Thierexperi-
mente, welche Verff. in der Weise anstellten, dass sie Hunden feingepulvertee Carmia
in den Subarachnoidalraum injicirten, das sich dann nach Tödtung der Thiere eben¬
falls in den Gliazellen der Molecularschicht leicht nachweisen Uess. — Sonach war
also im obigen Falle das in den Seitenventrikel ergossene Blut zuerst in den Sub-
arachnoidalranm gelaugt und hatte von hier seinen Weg in die intraadventitieUes
Lymphspalten einerseits und in die Gliazellen der Molecularschicht andererseits ge- .
nommen, während die Bahnen des extraadventitiellen Lymphsystems sich voUkoauna
frei sowohl von Blutpigment als auch in den Thierexperimenten von Cvmin er¬
wiesen, somit in keinerlei Verbindung mit dem anderen System stehen. Di^egea
Dessen dieselben deutliche Stauungserscheinungeo — Erweiterung der Lymphspaltsn
und Ausfüllung derselben mit Leukocyten — erkennen, offenbar eine Folge der in
dem intraadventitiellen Lymphsystem erheblich gesteigerten Druckes.
Nach Anschauung der Verff. ist das Veutrikelsystem mit den mit ihm commiuü-
cirenden subarachuoidalen und intraadveutitiellen Lymphspalten kein eigenüichä j
Lympbgefasssystem im engeren Sinn, sondern es dient dasselbe scheinbar nur der
Begulirung des hydrostatischen Druckes im Gehirn, während das extraadventitielie ^
Lympbgefässsystem seiner ganzen Beschaffenheit nach als ein den übrigen Lymph¬
bahnen des Körpers analoges, echtes Geiasssystem angesehen werden muss. i
Lilienfeld (Gr. Lichterfelde}. '
6) Ueber tetanusantitoxlsohe Eigenaohaften des normalen Centralnerven-
Systeme, von Wassermann und Tabaki. (BerUner klin. Wochensebr. 1S9S.
Nr. 1.)
Mischt man eine selbst zehnfach tödtliche Dosis einer durch Ceutralvnsache
als wirksam erwiesenen Lösung des Tetaousgiftes mit einer Emulsion von DonDalen).
tbierischen BOckenmark oder Gehirn und spritzt diese Mischung Mäusen unter die
Bückenhaut, so lässt sich ausnahmslos nachweisen, dass das normale Gehirn usd
Rückenmark stets tetanusantitoxisebe Wirkung hat. Kein anderes Organ hat dieselbe
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1005
Wirkung, wie vergleichende Yersache lehrten. Das Rückenmark ist in seiner anti*
toxischen Wirkung schwächer als das Gehirn. Die tetanusgiftbindende Kraft des
Centralnervensystems äussert sich sogar nicht nur bei directer Mischung mit dem
Gifte, sondern auch dann, wenn man die beiden Substanzen nacheinander selbst in
Intervallen von Stunden dem Yersucbstbiere einverleibt. Geprüft wurde das Central*
nervensystem des Meerschweinchen, der Taube, des Kaninchens, Pferdes und des
Menschen. Bei allen diesen Arten wurde in gleicher Weise die antitosische Wir¬
kung des Gehirns oder Rückenmarkes nachgewiesen. Die antitoxische Kraft wohnt,
wie das Experiment ergeben, den Zellen nnd nicht etwa einer in dem Central*
nervensystem vorhandenen wasserlöslichen Substanz inne.
Bielschowsky (Breslau).
6) Ueber die psyohiachen Wirkungen des Hungers, von Dr. W. W ei g an dt,
Assistenzarzt an der psychiatrischen Klinik zu Heidelbei^. (Münchener med.
Wochenschr. 1898. Nr. 13.)
Es handelte sich zunächst darum festzustellen, ob und inwieweit durch Nahrungs*
enthaltung bez. Unterernährung auf experimentellem Wege eine Aenderung der
psychischen Leitungen hervorgerufen werden kann und dadurch Rückschlüsse für
gewisse Psychosen erlaubt sind. Es wurden verschiedene geistige Functionen zuerst
an normalen Tagen, dann nach einer Hungerzeit von 12—72 Stunden und schliess¬
lich wieder an den darauf folgenden normalen Tagen geprüft. Zunächst wurde die
Anffassung, dann die Vermischung zweier Vorstellungen durch das associative Denken,
nachher die Auslösung einer Willenshandlung und schliesslich das Festhalten von
Vorstellungen im Gedächtniss untersucht. An 6 Personen, sämmtlich jüngeren Aerzten,
wurden 9 Versuchsreihen angestellt, welche unter 75 Versuchstagen 12 Hungertage
aufwiesen. Dadurch kamen etwa 451 einzelne Versuchsabschnitte zu Stande. Unter
Hungern ist die vollständige.Enthaltung von irgendwelchen Nahrungsmitteln bei aus¬
schliesslicher Zufuhr von Wasser zu verstehen; an 2 Tagen fiel auch diese fort.
Es fand sich eine nur geringe Beeinträchtigung der Äufiassung, während die
Associationen qualitativ herabgesetzt und die Wahlreaktionen etwas verlangsamt
waren und zu Feblerreactionen wurden. Das Gedächtniss war deutlich ver¬
schlechtert, die Ablenkbarkeit erhöht und somit die Aufmerksamkeit verringert. An
den Tagen mit Wassereuthaltung waren ihre Associationen noch weiter verschlechtert.
Am Wichtigsten ist, dass der Hungerzustand nicht allgemein schädlich wirkt, son¬
dern dass er electiv vorgeht. Der Grundzug im Bild der Meynert'schen Erschöpfungs*
Psychose, die Auffassungsstörung, die Verwirrtheit, findet sich bei diesem künstlichen
Zustande nicht wieder. Die übrigen Befunde treten auch bei den Erschöpfungs¬
psychosen auf. E. Asch (Frankfurt a./M.).
Pathologie des Nervensysieins.
7) Om Propagation med nervus opticus af Sarkomes, opstäede indenfor
bulbua oculi, af Aage A. Meisling. (Nord. med. ark. N. F. 1897. VII. 1.
N. Z.)
Verf. theilt 3 Fälle mit, in denen Chorioidealsarkome auf dem Wege des
Nervus opticus und seiner Scheide durch das Chiasma hindurch auf den Opticus
oder die Orbita der anderen Seite übergeführt wurden. Eis wurde zwar in keinem
Falle der anatomische Nachweis dieses Vorganges geliefert, aber die klinische Beob¬
achtung und die Analogie früher veröffentlichter Fälle erwies die endocraniale Ver-
breitungsweise der Geschwülste. Die Fälle zeigen, wie wichtig es ist, bei Cblorioidal-
Google
1006
Sarkomen eine sorgfältige {JntersQcbQng der Fanction des anderen Auges vorzunehmen,
die sich nicht allein auf die Sebstärke beschränken darf, sondern auch das Sehfeld
umfassen muss und, wenn die centrale Sebstärke herabgesetzt ist, auch nach cen¬
tralen Skotomen soeben muss. Es gebt daraus hervor, w^cbe Bedeutung die
Ophthalmoskopie für den Nachweis der Atrophie des Opticus haben kann, und
schliesslich ist eine eingehende, auch mikroskopische Untersuchung des Sehnerven des
wegen Ohorioidealsarkoms entfernten Auges von ausserordentlicher Bedentung, da
dessen Intervaginalraum der Weiterverhreitung in der Schädelhdhe als Weg dient.
Walter Berger (Leipzig).
8) Een geval van spheno-lordose ten gevolge van konstmatige schedel-
misvorming. Akad. proefschr. door Hendrik Christian Folmer. (’s Graven-
bagen 1897. C. P. B. ten Hagen. 8. 97 blz. en 4 plaaten.)
Die vom Yerf. angestellten Untersuchungen betreffen den Schädel eines bei
Schaphalster Zijl in der Gemeinde Winsum in der Prov. Qroiiingen au^egrabenen
Skeletts, der Missbildungen zeigt, wie sie auf kflnstliche Weise durch Umschnfirongen
an Schädeln von Kindern hervorgebracht werden. Am Hinterhanpte finden sich drei
flache Stellen, die als Wirkung von durch steife Platten ausgeübtem Drucke au&u-
fassen sind, eine gleiche flache Stelle flndet sich an der rechten Seite des Yorder-’
kopfes, wo auch schwache Spuren des Bandes zu sehen sind, durch das die Platten :
befestigt waren. In Folge des Zosammendrückens ist der Schädel in der Längsrieh- |
tung sehr verkürzt, während die Diagonalmittellinie eine enorme Grösse erreicht hat, j
mit Verschiebung hinter den höchsten Punkt, der vor der Lambdanaht liegt. Da- j
durch ist der Schädel cuneiform geworden. Die grösste Breite des Schädels liegt
tiefer als gewöhnlich und fällt unterhalb der Tnbera parietalia. Die Sntora coronaria j
ist eigenthOmlich geformt und schliesst sich rechts weiter nach hinten an die Sntora ;
sagittalis an als links. Der Clivus ist hernntergerückt und liegt in gleicher Ebene
mit dem Foramen magnum, das Basion steht tiefer, wie auch das Keilbein, das Sieb-
bein und der Oberkiefer. Dadurch, dass die Pars basilaris des Clivus bedeutend |
mehr herabgerückt ist als die Pars sphenoidalis, sodass beide einen Winkel von
192*^ (bei normalen Schädeln 156^) bilden, entstand ein an einen Cretinenschädel
erinnernder Prognatismus, obwohl die Nasenknocheo nicht dem Cretinenschädel ent¬
sprechen. In Folge der Senkung der Schädelbasis und der Vorragong der Schläfen-
theile musste der Unterkiefer nach hinten verschoben werden. Aus allem gebt her¬
vor, dass die Veränderungen in frühester Jugend, und zwar anmittelbar nach der
Geburt, auf künstliche Weise erzeugt worden sein müssen. Nach VerL’s weiteren
Nachforschungen musste der Schädel von einem belgischen Kriegsknecht stammen;
nach Vesalins (De corporis humani fabrica. Ausg. von Boerpave. Lngd. BaUv.
1725. Lib. I, Cap. V. p. 16) war bei den Belgiern damals thatsächlich eine künst¬
lich Formveränderung des Schädels durch Einwickelung gebräuchlich.
Walter Berger (Leipzig).
8) Ein experimenteller Beitrag zur Frage der peripheren degenerativen
Neuritis bei Tuberoolose, von Dr. Carl Hammer, Oberarzt an der medk.
UniversitätskUnik in Heidelberg. (Deutsche Zeitschr. flir Nervenheilk. 1898.
Bd. XII.)
Die Anregung zu dieser sehr werthvollen Untersuchung empfing Yerf. durch
einen rein zufälligen Befund. Bei 2 Meerschweinchen, welche intraperitoneal tuber-
culös infleirt wurden und die in Folge davon an allgemeiner MUiartuberculose zu
Grunde gingen, Hess sich an den Nn. peronei eine Über den ganzen Nerven ver¬
breitete Degeneration nachweisen. Nach dieser Beobachtang wollte sich Verf. davon
Dig ti/cn'i
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1007
Tergewissern, ob diese DegeneratioDserscheinuDgen in den peripberen Nerven bei
experimentell erregter Taberculose regelmässig auftreten, und wenn dies nicht der
Fall, unter welchen Bedingungen sie hervorgemfen werden kOnnpn.
Die E^ebnisse der sehr mühevollen, vermittelst der Nissl’schen Methode an
Meerschweinchen angestellten Untersuchnngen sind folgende: Die motorischen Zellen
des Bückenmarks erkranken bei der experimentell erzeugten Taberculose regelmässig.
Die Intensität der Zellveränderungen ist eine sehr verschiedene; es kann bis zn einem
Untergange der Zellen kommen. Wurden mehrere Thiere unter sonst gleichen Be*
dingungen inficirt, so lässt sich die Zunahme der Zellverändemngen je nach der
Krankheitsdauer feststellen. Wahrscheinlich ist die directe Ursache dieser Zellver*
ändernngen nicht infectiCser, sondern toxischer Natur, also nicht auf die Thätigkeit
der Bacillen zurückzuführen, sondern eher durch giftige Stoffwechselproducte bedingt.
Diese und vermuthlich auch andere, nach Infectionskrankheiten auftretenden Neuri*
tiden sind offenbar secundärer Natur, d. h. von den primären Veränderangen der
Ganglienzellen abhängig. E. Asch (Frankfurt a./M.).
10) Zur Lehre von der giohtisohenNeuritis, von Wilhelm Ebstein. (Deutsche
med. Wochenscbr. 1898. Nr. 31.)
Bei der sehr untergeordneten Rolle, welche die Neuritis in der Gichtlitteratur,
besonders der deutschen, spielt, ist es erforderlich, klinische Belege dafür zu sammeln,
dass „bei der Gicht Neuritisformeu Vorkommen, welche mit den aus anderen ätio*
logischen Ursachen vorkommenden vollkommen übereinstimmen und wofür sich andere
ätiologische Momente als die Gicht trotz sorgfältigster Uotersucbung nicht finden
lassen“. Als Anregung hierfür theilt Yerf. eine eigene Beobacbtang mit: Ein 48jähr.
Holzhändler mit typischen, alljährlich wiederkehreuden Gichtanfällen und Tophi an
beiden Ohren zeigte eine Neuritis im Gebiete des rechten Plexus brachialis (Parese
und Atrophie des rechten Armes, besonders ausgesprochen am M. deltoideus, Biceps
und Interosseus 1; Parästhesieen). Eine Abmagerung des linken Armes war nicht
nachweisbar, in der letzten Zeit sollen sich jedoch ziehende Schmerzen auch in dieser
Extremität eingestellt haben. Die auf Yerf.’s Bath vom Hausarzte vorgenommene
galvanische Behandlung beseitigte die Beschwerden am linken Arme, der rechte zeigte
keine Besserung, aber auch kein Fortschreiten des Processes. Ein ätiologisches
Moment ausser der Gicht war nicht zu eruiren, insbesondere fehlten die Symptome
eines chronischen Potatoriums; die Möglichkeit eines zufälligen Zusammentreffens, die
Anffassung der Neuritis als eine Complication besteht natürlich zu Recht.
R. Pfeiffer (Cassel).
11) Pressure neuritis oaused during surgioal operaüons, by Howell T. Pers*
hing. (Medical News. 1897. 11. Sept.) ^
Yerf. berichtet über 3 Fälle von Narkoseulähmung, von denen der eine den
Plexus brachialis, die beiden anderen den N. pero.neus betrafen, alle drei entstanden
durch Druck der Extremität gegen einen scharfen Rand des Operationstisches. Die
Fälle an sich bieten keine Besonderheiten. Martin Bloch (Berlin).
12) Ueber einen in ätiologischer Beziehung unklaren Fall von Polyneuritis
ohronioa mit spinalen Veränderungen, von Dr. S. Winkler. Aus dem
Laboratorium von Prof. H. Oppenheim in Berlin. (Deutsche Zeitschrift für
Nervenheilkunde. 1898. Bd. XII.)
Nach einer — nur im zeitlichen Sinne — prophylactischen Heilseruminjection
war bei einem jugendlichen Patienteu eine bald vorübeigehende Nierenentzündung
Google
1008
constAtirt worden. Mehrere Monate später setzten Symptome ein, welche, an Schwere
und Zahl zunehmend, allmählich das Bild einer multiplen Neuritis darboten. Ausser*
dem Hess eine gleichzeitig bestehende Parese der Blase auf eine complicirende Myelitis
lumbalis schliessen. Die wichtigsten Erscheinungen wurden vom Yerf. selbst folgender*
maassen zusammengefasst:
1. Doppelseitige periphere Facialislähmung;
2. doppelseitige Taubheit mit dem Zeichen der galvanischen Hyperästhesie;
3. leichte Äffection des linken sensiblen Trigeminus;
4. beiderseitige, leichte Neuritis optica;
5. fast vollständige Lähmung beider unteren Extremitäten mit dem Zeichen der
peripheren Lähmung und Störung der Sensibilität, beträchtliche Druckschmerzhaftigkeit
der Nerven und Muskeln.
Bei der Section fand sich einmal in der That eine myelitische Degeneration der
Lendenanschwellung. Die weiteren wichtigsten Befunde waren;
1. Ein ausgedehnter alter Degenerationsprocess in deu peripheren Nerven der
unteren Extremität und im peripheren Facialis;
2. alter Process in den Goirschen Strängen, frischer in den Burdacb’scben
Strängen, KleinhimseitenstrangbahD, vorderen und hinteren Wurzeln des Bückenmarks:
3. eitrige Meningitis spiualis, am stärksten im Lendenmarke;
4. Degeneration der beiderseitigen spinalen Trigeminuswurzeln;
5. Degeneration der intracorticalen Markstrahlen in der Rinde der motoriscbcD
Region.
üeber die ans dem Falle sich ergebenden streitigen Punkten spricht sich der
Verf. in der Frage nach der Aetiologie der multiplen Neuritis dahin aus, dass wohl
eine Reibe von Ursachen zusammengewirkt haben mögen. So die Nephritis, eine nicht
manifest gewordene Diphtberieinfection und vor Allem die Alkoholintoxication, auf
welche die Anamnese hinweist. Zur Deutung der Röckeumarksbefunde fasst Yerf. be¬
sonders den Zeitpunkt der Entstehung der einzelnen Degeneration ins Auge. Da skh
nun der Process in den GoH’scben Strängen als ein alter präsentirt, so wird er
auf die nämlichen Ursachen wie die Erkrankung der peripheren Nerven zurflckgefflbn.
Dagegen werden die obengenannten frischen Yoranderungen in Abhängigkeit von der
Meningitis gebracht. Diese selbst wird mit einem starken Kreuzbein* Decubitus in
Beziehung gesetzt und als die Ursache der zum Tode föbrenden Yerschlimmenmg
dos Zustandes angesehen.
Während sich der Yerf. gegenüber der pathologischen Bedeutung gewisser, nur
durch Marchi deutlich gemachter Degeuerationsbilder au den vorderen Wurzeln und
Vorderhörnern skeptisch verhält, zweifelt er nicht an der Wichtigkeit des obee*
erwähnten Befundes in der Grossbimrinde. E. Asch (Frankfurt &./JL).
13) The diagnosis and treatment of multiple neuritis, by Ch. Lewis Allen.
(Medical Record. 1897. 24. April.)
A. bespricht Aetiologie, Symptomatologie, Diagnose, Prognose und Therapie d«
Neuritis multiplex. L. führt vier eigene Beobachtungen an:
1. Eine Arsenikneuritis an den unteren Extremitäten nach längerem Qebnoebe
von Fowler'scher Lösung gegen Chorea bei einem 14jähr. Mädchen. Dauer 4 bis
6 Wochen.
2. Bei einer Qljäbrigen Imbecillen, anscheinend nach Erkältung, nenritische
Lähmung aller 4 Extremitäten, mit nur quantitativen, elektrischen Ydränderunges
und fraglicher Sensibilitätsstörung. Nach ca. 3 Monaten Heilung.
3. 19jähriger, kräftiger Manu, bekommt nach einer Fingerverletznng leicht«
Septikämie, die langsam heilt. Zur Schule zurückgekehrt, bemerkt er: Doppeltaebeo,
■' vGoogIc
1009
StÖroD^ der Articolation, Farästbeaieen in den Fingern, Armachväche, dann geringe
Bompfmoakelpareee nnd ap&ter Beinpanplegie. Nach ?orflbergebender Beaaernng ein
Bflckfail, bei dem aber Angen«, Qeeicbts* nnd Znngenmaslnilatar Terschont blieben.
Geringe SensibilitätsstCrnngen, nur qnantitatiTe elektrische Yer&ndemngen in einzelnen
Muskeln. Nach Jahre Heilnng.
4. Ein 50jähriger Mann, mäesiger Potator, .der schon ror 5 Jahren eine ähn¬
liche Krankheit flberstanden hat, bekommt eine zunehmende doppelseitige Bein« nnd
Annparese mit SensibilitätseUrnngen, wozn sich Blaaenstörnngen gesellen. Elektrisch
geringe Veränderungen. — A. nimmt an, dass sich BflckenmarksTe^ndernngen zu
der Neuritis alcoholica gesellt haben, (w^n der BlasenstSrnng). — Nach 6 Monaten
war der Zustand noch unverändert Toby Cohn (Berlin).
14) Bttokenmarksveranderungen bei multipler Neuritis der Trinker, von
Karl Heilbronner. (Monatsschr. f. Psychiatrie n. Neurologe. 1898.)
Terf. hat mit Hülfe der neneren Untersnchnngsmethoden in mehreren Fällen von
multipler Alkoholneuritis Nervensystem nnd Mnskniatnr untersucht Der erste Fall
betrifft eine 37jähr^ Frau mit dem typischen Bilde einer schweren, in 6 Wochen
zum Ezitns führenden Trinkerneuritis, verbunden mit einer Korsakow’schen Psychose.
In allen betroffenen Nerven besteht starker Faseransfall und frische Oegeneration;
auch im Muse, temporalis finden sich degenerirte Nervenästchen. Die Mnsculatur
zeigt Atrophie, Kernvermehruiig und fiindegewebswuchernng, bei meist gut erhaltener
Queistreifung und fettiger D^neration einzelner Muskelfasern. Im Bückenmarke lassen
sich mit der Marchi’schen Methode feststellen: Degeneration der intramedullären
Abschnitte der vorderen Wurzeln im Lendenmarke und schwächer im Halsmarke,
Degeneration der hinteren Wurzeln mit Einstrahlung in Hinterhümer uud Hinter-
stränge, im Halsmarke stärker als im Lendenmarke, aufsteigende Degeneration in den
Hiutersträngen. Eine acute, dem psychischen Processe entsprechende Schädigung der
Qehirnsubstanz ist nach Marchi nicht nachweisbar. — Der zweite Fall einer 61 jähr.
Frau Hess intra vitam die Diagnose zwischen Rflckenmarksaffection und Nenritis
schwanken; der Befund an Nerven, Muskeln nnd Bückenmark entspricht dem des
ersten Falles. Dem intra vitam bestehenden tiefen Stupor entspricht starke Degene¬
ration der verschiedensten Abschnitte der Hirnrinde. Im dritten Falle bei einem
48jährigen Phthisiker ist das Erhaltenbleiben der Patellarrefiexe trotz neuritischer
Symptome und einer Degeneration der hinteren Wurzeln in den unteren Bflekenmarks-.
sbechnitten bemerkenswerth. Dasselbe ist vielleicht mit der in diesem Falle zu con-
statirenden Seitenstrangsaffection in Beziehung zu bringen. Die Veränderungen der
Wurzeln sind auf die unteren Bflekenmarkaabsohnitte beschränkt Es besteht aus¬
geprägte Faserdegeneration in den Vorderbürnern. In einem weiteren Falle sind
nach Nissl die für Alkoholismns charakteristischen Zellveränderut^en der motorischen ^
(HngHenzellfn im Lendenmarke zu constatiren. Derselbe beweist ferner, dass die
Worzelveränderungen auch ohne Fieber und ohne allgemeinen Marasmus festzustellen
sind. Im letzten Falle endlich, bei einer im acuten Delirium zu Grunde gegangenen
36jähr. Frau, ist eine der intra vitam vorhandenen Beflexsteigerung entsprechende
Degeneration der Pyramidenbahn zu constatiren, während Veränderungen der Wurzeln
und secundäre Hinterstrangsdegeneration fehlen.
Verf. betont, dass bei der Alkoholneuritis die interstitiellen Veränderungen g^en-
über dem parenchymatösen Ausfälle ganz in den Hintergrund treten. Die Muskel-
affection stellt sich dar als eine partielle fettige Degeneration der functionirenden
Muskelsubstanz, die elektiv Faser um Faser ezgreift; erst um die atrophisch ge¬
wordenen Fasern erfolgt eine Kernvermehning. Die Veränderungen der Ganglien¬
zellen nach Nissl bestehen in feinkörnigem Zerfall der Nissl-Körper, zunächst um
den Kern, dann peripher, excentriseber Lagerung des Kerns und Vaenolisimng der
64
1010
Zellen. Die y«ränderongen sind nicht so schwere, am eine Bestitution völlig suä-
loschliessen. Wae die nach Marchi erhobenen Bfickenmarksbefande betrifft, so
kommt Yerf. zu dem Schlüsse, dass die hier oenstatirten Ver&nderangen zu denen
der peripheren Nerven nicht im Verh&hnisse von Ursache und Wirkung stehen,
sondern der Ausdruck einer an verschiedenen Stellen — unabhing^ von einander —
wirksam gewordenen Schädigung ^ind. Diese Soh&digumg ist eine toxische, ohne
dass der Alkohol dabei aussohliesslich in Betracht kommt Yerf. wendet sieh gegen
eine principielle Absonderung der Affection der hinteren Wurzeln und Hinterstrsnge
bei Neuritis von den als tabische bezeichneten Affbctionen der gleichen Abschmtte.
Es kann sich wahrscheinlich aus einer toxischen Hintertrangserkrankung bei Nenritis
eine alle Charakter der Tabes aufweisende Affection entwickeln.
H. Kothmann (Berlin).
16) Ueber NeorltlB gonorrhoioa, von B. Nannyn. (Zeitsehr. f. prakt Aerzte.
1898. Nr. 11.)
Bei einem 17 J&hrigen entwickelte sich einige Wochen nach einer gonorrhoischen
Infection eine Arthritis im linken Bllenbogengelenke und Knie. Fast gleichzeitig trat
im rechten Beine eine Nenritis auf mit sehr heftigen continuirlichen Schmerzen nnd
eigenthflmlicher Hyperästhesie fhr Berfihrung. Unter Anwendung von Natr. salicfl.
and Leiter’schen Böhren schwanden die Schmerzen; jedoch zeigte sich nun eine
beträchtliche Atrophie des rechten Beines mit Herabsetzung der activen Bewe^ch-
keit und Paresen, vor Allem des Quadriceps. Der Fatellarreflex war beiderseits
gesteigert, Dorsalclonus vorhanden.
Yerf. giebt einen historischen Ueberblick Aber diese sicher in Beziehung znr
Gonorrhoe stehende nervöse Erkrankung. Es kommen neben den Neuritiden auch
spinale Erkrankungen mit transversale Symptomencomplexe vor, Aber die einige
genauere auatomische Untersuchungen vorliegen. Alle diese nervösen Zufälle sind
Folgen der im Anschlüsse an Gonorrhoe anftretenden Allgemeinerkrankung. Sie Anden
sich vorwiegend bei jungen Leuten. Zur Therapie empfiehlt Yerf. 3—4 g Natr.
salicyl. in einer Dosis einige Tage nacheinander Abends und Kälte auf die erkrsnkt«i
Nervenstämme, besonders in Form der Leiter’schen Röhren.
M. Bothmano (Berlin).
16) Üeber alkohoUsohe Paralyse und InfeotiSse Neuritis multiplex, von
Director Dr. Th. Tiling, Anstalt Bothenbe^. (Harhold. 1897. Halle a./S.)
Bei der sogenannten Alkoholparalyse ist die p^chiscbe Störung durch primfa-en
Schwachsinn charakterisirt, deren Haupteymptom eine bedeutende Gedächtniss*
Störung ist. Die Kranken haben Erinnerungstäuscbungen nnd schmAcken wirkliche
Erlebnisse phantastisch aus; Geschichten, die sie im Moment der Erzählung erfindra,
ersählen sie gleich darauf in anderem Sinne wieder. Wahnideeen sind nicht vor¬
handen. Nachdem schon eine Zeit lang psychische Krankheitssymptome bestandeo
haben, gesellen sich somatiscfa-nervöse Anomalieen zu ihnen. Dieselben bestehen in
Herabsetzui^ der motorischen Kraft, Paresen der Extensoren, Yennindemng des
Tastsinns, namentlich an der Peripherie, Schmerzen in den Extremitätra, Yerisng-
samung der Schmerzempfindung, BAckempfindung, subjectivem KältegefAhL Die
Patellareehnenreflexe fehlen, Atropbieen bilden sich ans, die elektrische Beaction ist
herabgeeetct, Entartungsreaction wird beobachtet. Die Muskeln fühlen sich teigig an.
Der Puls kann beechleunigt werden und anssetzen, Athembeschwerden können anf-
treten. Tremor manuum besteht Bei geebneter Behandlung gehen die nenritischMi
Symptome weg, die psychische Störoi^ ist jedoch nach den ErAüirangen des Terf.'8
nur relativ reparabel, meistens verbleibt psychische Invalidität. Die Hauptsache der
•iQ'h/.OÖ Dy
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1011
Bebandlang ist Alkoholabstinsnz; ausserhalb der Aostaltspfl^e trinken die Kranken
immer wieder — zam Theil deswegen, weil sie in Folge ihrer Oedächtnissstörung
vergessen, dass sie soeben erst getrunken haben. Ref. hat zwei sehr schwere F&Ue
von sogenannter Alkoholparaljse körperlich und psychisch heilen sehen und 1^ im
Gegensatz zum Verf. der electrischen ßebandlung Werth bei. Die Krankheit w&hrte
in den beiden vollständig geheilten Fällen im Ganzen 1—2 Jahre.
Ausser dem Alkohol können non noch verschiedene andere Intoxicationen (Auto*
intoxicationen) das Bild der multiplen Neuritis mit amnestischer Geistesstörung her*
vormfen. Festgestellt ist dies nach Typhös, Puerperium, Gangrän, Bnteritis und
Aebnlichem. Hier gehen psychopathologische Anomtdieen der Krankheit nicht voraus,
nenritiscbe und psychische Störungen setzen zu gleicher Zeit ein. Psychische Ge¬
nesung ist häufiger als bei Alkoholparalyse. Die Krankheit ist aber viel seltener
als die zuerst skizzirte. Fieber ist bei beiden Affectionen in der Regel nicht vor*
banden. G. Ilberg (Sonnenstein).
17) Sie Beri'Beri-Krankheit, von E. Däukler. Nach einem Vortrag, gehalten
aof der 60. Versammlung deutscher Naturforscher n. Aerzte in Frankfurt a./H.
(Virchow’s Archiv. Bd. CLXU.)
Verf. schildert auf Grund zahlreicher eigener klinischer und pathologisch-anato*
mischer Beobachtungen und unter BerUcksichtigung der einscblä^en Litteratur in
zusammenfassender Weise das Krankheitsbild der Beri-Beri. Er geht namentlich auf
die noch unklaren ätiologischen Verhältnisse ein und betont, dass er der Auffassung
anderer Autoren, welche die Beri'Beri in nahe ätiologische Beziehung zur Malaria
bringen, nicht beitreten kann. Der Vortrag enthält im Uebrigen nichts wesentlich
Neues. Lilienfeld (Gr.-Lichterfelde).
18) Hin Fall von liepro onaestbetios mit Saotionsbefond, von Bamgin.
Aus dem I. Stadthospital in Moskau. (Deutsche med. Wochenschr. 1898. Nr. 30.)
Die Uebertragung geschah wahrscheinlich durch Beschäftigung mit Rohseide,
bezogen ans den asiatischen Provinzen Russlands und aus Bnchara, wo die Lepra
endemisch ist. Die Krankheit begann bei dem ÖOjUirigen Manne mit chronischer
Rhinitis und Schmerzen, verbunden mit Anästhesieen, an den Extremitäten. Bei der
ersten Untersuchnug durch Verf., 6 Jahre nach den Initialsymptomra, war schon der
grösste Theil des Körpers anästhetisch, kurz vor dem Tode die Sensibilität nur an
einer 17 cm breiten und 20 cm langen Stelle im Interscapnlarraum erhalten. An
den meisten anästhetischen Stellen, welche genau den atrophischen, von einem pigmen*
tirten Saum umgebenen, leprösen Flecken entsprachen, befand Thermoanästhesie und
Analgesie bei annähernd normaler tactiler Empfindung. Die leprösen Flecke flössen
g^en Ende des Lebens zusammen, der pigmentirte Saum wurde undeutlich, die
Haut zwischen den Schulterblättern blieb normal An den Fingern Narben in Folge
von Panaritium analgicum, keine Mutilationen. Lähmung des N. fadalis, links com*
plett, rechts nur im oberen Theil, des N. nlnaris und peronei. Intra vitam Lepra*
bacUlen in der Hant nicht nachweisbar (im Nasenschleim? Ref.). Exitus. Die
histologische Untersuchung der Hant ergab Abplattung der Papillen, Verdflnnnng des
Stratum Malpighii, Atrophie der Drüsen und Haare, zerstreute Infiltrationen von
runden oder spindelförmigen Zellen in der Umgebung der Gefässe und Drüsen, keine
Riesenzellen. An früher betroffenen Stellen trat die Infiltration zu Gunsten der
Atrophie nnd bindegewebigen Umwandlung zurück. Leprabacillen wurden nur spär*
lieh gefunden nnd nur in frischen Infiltrationen beobachtet; sie sassen in den Zellen,
aber auch in den Gefösswänden und waren in den älteren Hm^ieD in Detritus um*
gewandelt, der aber noch die Ziehl’sche Färbung annahm, während die ganz alten
Infiltrationen weder Bacillen noch Detritus zeigten. Die peripheren Nervenäste nnd
grösseren Stämme wiesen interstitielle Neuritis auf; Peri*, Epi* und Bndoneurium
64*
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1012
waren betroffen, aeigten specifiscbe Infiltration mit Bundzellen und bind^ewebige
Umwandlung. Das Hjelin war nur in KlQmpcben erhalten oder ganz rerscbwanden,
die sp&riicben Bacillen lagen in den LeprazeÜen oder auch zerstreut im Bindegewebe
des Kerven. Es bestand ferner in den hinteren Wurzeln secundäre aufsteigende
Degeneration ohne specifiscbe Infiltration, Sclerose der Goll'schen Stränge, besonders
im Halstheil; die Zellen der Vorder- und Hinterhömer waren intact. In den Spinal¬
ganglien fand sich theilweise Degeneration der Nervenfasern, Hyperplasie des Binde¬
gewebes mit Kernveroiehrung und starke Pigmentation der Zellen. — Bacillen waren
weder im Rückenmark, noch in den Spinalganglien, noch in der Hirnrinde oder den
untersuchten inneren Organen zu constatiren.
Bei der rein anästhetischen Lepra finden sich die Bacillen nicht nur in den
Nerven, sondern auch in den Hautiufiltrationen. Die specifiscbe Infiltration, an den
peripheren Enden der Hautnerven bannend, schreitet sehr weit centralwärts fort,
hoher hinauf folgt dann mit dem Anfhören der Infiltration die secundäre D^ene-
ration, welche sich ancb auf die Wurzeln ansdebnt Die Degeneration der GolTschen
Stränge ist daher secundär.
Die bindegewebige Umwandlung der Infiltrate bedingt den raschen Schwund der
Bacillen in der Haut und den Nerveniufiltratdn und die Sclerose der Nervenstämme.
Diese bindegewebige Organisation ist charakteristisch ffir Lepra anaethetica, gegen-
Aber der L. tnberosa, beide Formen unterscheiden sich ferner durch die Qualität
bezw. verschiedene Lebensbedingungen der Bacillen. Nur so lässt sich erklären,
warum bei der Lepra tnberosa trotz zahlreicher Bacillen die Nerven anatomisch und
fnnctionell intact bleiben, während bei der anästhetischen Form wenige Bacillen voll¬
ständige Nervensclerose bedingen können. B. Pfeiffer (Cassel).
19) Zur Lehre von der Lepra; Ckmtagion und Heredität, von Prof. £. v.
Dfiring in ConstantinopeL (Deutsche med. Wochenschr. 1898. Nr. 20 o. 21.)
Verf. unterzieht die Arbeiten von Kaposi (Wiener klin. Wochenschr. 1897.
Nr. 47) und Zambaco (Lettre ä Hr. le prdsident de la SocidtO Impdriale de Alddeciiie,
Moniteur Oriental. Novembre 26 und De la confdrence sn la lOpre, tenue rdcemment
ä Berlin. Bevue mddico-pharmatiqne. 1897. Nr. 11. Novembre 16.), ferner den Auf¬
satz von Baeltz (Berliner klin. Wochenschr. 1897. Nr. 46£) einer eingehenden
Kritik, deren Details im Originale nacbznlesen sind. Gestützt anf die bacill&’e Katur
der Krankheit, das Freibleiben der in Constantinopel lebenden Griechen und Türken,
die Verbreitung der Krankheit bei den Spaniolen, das Freibleiben der Nachkommen
der Norweger in Amerika und die Abnahme der Lepra in Norwegen durch die Iso¬
lation hält Verf. die Lepra Rir eine contagiOse Infectionskrankbeit Die Uebertrag^og
geschieht nur von Mensch zu Mensch durch Contagion in einer bisher nicht sbsolnt
sicher festzustellenden Weise, sie kommt in unserem Erdtheile nicht sehr leicht und
nicht sehr häo^ vor. — Die Verbreitung der Lepra durch Heredität ist, wenn über-
haupt vorhanden, gering. B. Pfeiffer (Cassel).
20) Ueber die Behandlung der I<epra auf den Fidschi-Inseln, von Prof.
L. Lewin (Berlin). (Deutsche med. Wochenschr. 1897. Nr. 21.)
Das Verfahren ist nach dem Berichte des Missionars Moore folgendes: In einer
kleinen Hütte wird der nackte Körper des Leprösen mit grünen Blättern gerieben
und mit diesen ganz bedeckt, dann ein kleines Feuer entzündet und auf dasselbe
einige Stücke des giftigen Sinubaumes gelegt. An Händen und Füssen gefesselt,
wird der Lepröse mit einem an seinen Hacken befestigten Tan über das Feuer ge¬
zogen, so dass sein Kopf, ca. 15 Zoll vom Boden entfernt, mitten im giftigen Rauch
sich befindet. Die Thür wird geschlossen, der Kranke bleibt oft Stunden lang in
der Hütte; erst wenn er genügend durcbräuchert ist, kratzt man den „Schleim** vom
Google
Dk; i-
1013
Körper und schneidet tiefe Wunden in die Haut, bis das Blut flieset — alsdann
legt man den Kranken auf eine Matte. In vielen F&Ilen folgt Genesong von der
Lepra, ln einzelnen der Tod.
Der Sinnbaum ist die Euphorbiacee Exeoecaria Aggallocha L.' und flndet sich
auch in Indien, dem malayischen Archipel, Keu-Guinea und den Inseln des stillen
Oceans bis zu den Freundschaftsinseln. Der Stamm des Baumes liefert bei der Ver-
wondong einen reichlichen, welssen Milchsaft, der eingetrocknet eine kautschukähn¬
liche Hasse darstellt, welche zu 0,06—0,12 g von den Bootsleuten der vorderindischen
Westk&ste als Furgans gebraucht wird. Der Saft hat ferner eine local entzfindungs-
erregende Eigenschaft und zweifellos einen wesentlichen Antbeil an der behaupteten
Wirkung der oben geschilderten Behandlung. Die Grundbedingungen der letzteren:
Wärme, möglichst langes Wirkenlassen des Milchsaftes der Exeoecaria bezw. deren
Scbmelzproducte und tiefe Scarificationen, Hessen sieb bei eventuellen Versuchen leicht
erfüllen. Lepraforsebem erschliesst sich hier eine, wie Verf. glaubt, aussichtsvolle
Arbeit. R. Pfeiffer (Cassel).
111. Aus den Gesellsohaften.
Versammlung deutscher Naturforscher und Aerste zu Düsseldorf am
18. und 20. September 1898.
Section für Neurologie und Psychiatrie.
Sitzung vom 19. September, Nachmittags.
Herr Prof. Dr. Hirt (Breslau): Ueber chronischen Morphinismus und
dessen Behandlung ausserhalb einer Anstalt.
Vortr. bespricht nacheinander:
die Ursachen des Morphinismus (in erster Linie körperliche Erkrankungen
mit sehr heftigen Schmerzen — Tic doulonreux, Intercostalneur.ügie, Ischias, Tabes
n. 8. w.), ferner psychische Abnormitäten, Depresssions- und Angstzostände, psychische
Impotenz, geistige Ueberanstrengnng n. s. w).,
die Applicationsweise des Morphiums (in 907o
Spritze gebraucht und zwar werden nach seiner Erfahrung in erster Linie der linke
Vorder- und Unterarm, der linke Oberschenkel, dann der rechte Arm, seltener die
Wade und ganz ausnahmsweise der Baach zn den Injectionen benutzt),
die Höhe der verbranchten Dosen (unterliegt enormen Schwankungen),
die Wirkung des Morphiums bei einzelnen and bei fortgesetzten Injectionen,
die Erscheinungen des inveterirten Morphinismus (fahles gelbgraues
Aussehen, pergamentartige Beschaffenheit der Haot, enge Papillen, profuse Tag- und
Nachtsebweisse, Sinken und völliges Erlöschen der Libido sexualis, Verschwinden der
Spermatozoen aus dem Sperma, Unfähigkeit zu geistiger und körperlicher Arbeit,
Abnahme des Gedächtnisses und endlich völlige Kachexie),
die mit der Morphiumentziebnng verbundenen qualvollen Erschei¬
nungen,
nnd schliesslich
die von ihm geübte Behandlung der Fälle, die weniger wie 3—4 dg
auf den Tag spritzen.
Während Vortr. bei Kranken, die höhere Dosen injiciren, den Aufenthalt in
einer Anstalt für die ersten Tage der Abstinenz für unentbehrlich hält, glaubt er
bei diesen die Entziehung ausserhalb einer Anstalt durchführen zu können und zu
müssen, da der Morphinismus zu den Leiden gehört, die man wegen des anf ihnen
lastenden Odiums der Oeffentlichkeit möglichst zu entziehen sacht und sein Bekannt-
Google
1014
werden durch den Anstaltsaofenthalt nicht selten die sociale Existenz dee Kranken
geföbrdet, ja vernichtet.
Da bei diesen Kranken von einer sogenannten Luxus« und Arbeitadosis im
Sinne Erlenmeyer’s nicht die Bede sein kann, so gilt Tortr. bei ihrer Behandlung
als Suprema lex: „Fort mit dem Morphium, ohne vorherige Herabminde*
rung der Dosen, gänzlich und augenblicklich bei Beginn der Behänd«
lung!“
Während ihrer Dauer, besonders aber in den ersten Tagen, muss der Kranke
scharf überwacht und darf niemals ohne Begleitung sein. Hierzu eignet sich
am b^ten das weibliche Geschlecht, nnr ein Weib ist nach der Erfahrung des Vorü*.
„absolnt zuverlässig und am besten verwendbar in den Stunden der Gefahr, wenn es
den Patienten fost unwiderstehlich in die Bande des Morphiums zurfickzieht.“
Um den Kranken Ober die ersten 3—5 Tage, die die schlimmsten sind, hinweg-
zuhelfen, giebt es nur ein Mittel, das ist der Schlaf; der vielfach vorgescblagene
Alkohol in seinen verschiedenen Formen nützt nichts. Der Kranke muss nach Entziehung
des Giftes 2—3 Mal 24 Stunden möglichst ununterbrochen schlafen; die Nahrungs¬
aufnahme ist in dieser Zeit Nebensache. Vortr. erzielt den Schlaf am 1. und
2. Tage durch 3—3*/* g Chloral, am 3. und 4. Tage durch 2—3 g Trional, event
auch mehr auf den Tag.
Sind die ersten 4 Tage vorüber, so verordnet Vortr. laue Bäder mit kühlen
Uebergiessungen 2—4 Mal täglich, giebt in Eis gekühlte Milch, Eefjr, Sodawasser,
brausendes Bromsalz und wenn Patient darnach verlangt, Alcoholica. Auch femerhis
muss wochenlang die Ernährung des Kranken auf das Peinlichste geregelt und
überwacht werden. Die eigentliche Behandlung des Morphinisten beginnt am
6. Tage mit systematisch vorgenommenen Suggestionen 3 Mal am Tage je eine
Stunde.
Da Vortr. seine Stellung zur Snggestioustherapie wiederholt öffentlich, zuletzt als
Sachverständiger in dem bekannten Process Czynski dargelegt hai^ geht er nicht
weiter auf Details ein, sondern bemerkt nur noch, dass zur Herbeiführung der be¬
friedigendsten Erfolge nie ein tiefer Schlaf, viel mehr nnr ein leichte Dämmer¬
zustand erforderlich ist, eine sogenannte Wachsng^estion, deren ricbtige Herbei¬
führung allerdings nur durch viele Uebung erlernt werden kann.
Zum Schluss giebt der Vortr. eine Uebersicbt Ober die von ihm in den letzten
Jahren behandelten Fällen. Die Dauer der Behandlung schwankte zwiacbeu 3 Wochen
und 9 Monaten. Von 35 Morphinisten (24 Männer — 11 Aerzte, 7 Juristen, 3 Philo¬
logen, 3 Apotheker —,11 Frauen — 3 Krankenpfi^erinnen, 3 Lehrerinnen, 5 Familien«
mütter ans den besten Ständen —) wurden 27 (777o0 füllig geheilt, 6 entzogen
sich der Behandlung, 2 endeten durch S^bstmord. Völlige Genesung nimmt Vortr.
erst dann an, wenn IV 2 —^ Jahre nach der letzten Injection ohne Rückfall ver«
floasen sind. Von den Aerzten, die Morphinisten gewesen, verlangt er als conditio
sine qna non, die absolnte Enthaltung von jeder subcntanen Einspritzung in der
Praxis, da eine einzige Injection bei einem anderen einen Rückfell herbeiführen kann.
(Der Vortrag erscheint in extenso in den Thera^tischen Monatsheften.)
In der Uiscussion nimmt zunächst Herr Brlenmeyer (Bendorf) das Wort:
Die hauptsächlichste Aufgabe, die bei der Leitung einer Horphiumentziebung
zu lösen ist, ist die Durchführung einer Ueberwachung, die absolut sidier ist, die
vor allem verhütet, dass der Kranke sich heimlich, hinter dem Bücken des Antes
Morphium veraebafft. Deshalb muss die Ueberwachung sowohl in Bezug auf die
Räumlichkeiten und ihre Einrichtung, in denen der Kranke behandelt werden soll,
als auch iu Bezug auf das Personal durchaus vollendet sein. Unter diesem Gesichts¬
punkte ist das Vorgehen des Vortr. Morphinisten in einem Hotel einer plötzlichen
Entziehung zu unterwerfen, als sehr gewagt zu bezeichnen und muss bezweifelt
werden, dass diese Methode bei allen Kranken durchführbar ist- Auch die Scheidung
K.Googlc
1015
der KranVen in zwei Klaseen — in solche, die unter 0,5 g, and solche, die mehr
spritzen — ist nicht gerechtfertigt, denn wichtiger als die Ursache des Morphinismus
und die Dosis ist filr die Behandlung die Zeit, welche der Patient an das Morphium
gewöhnt ist; von ihr hängt die Prognose ab, sowohl die Prognose der Entziehung,
wie die des Becidivs.
Der Behauptung des Yortr., dass in dem Sperma des Morphinisten keine Sper*
matozoen gefunden würden, steht die Beobachtung entg^en, dass sehr viele ver*
heirathete Morphinistea während der Zeit der Morphiumzufnhr Kinder gezeugt haben.
Unbedingt ist aber dem Yortr. darin beizupflichten, dass er für die Entziehungskur
weibliches Pflegepersonal empfiehlt und während der Kur wenig Alkohol giebt. Am
beeten verlaufen nach E.'s Erfahrung die Kuren, in denen gar kein Alkohol ge¬
reicht wird.
Herr Mann (Breslau) kann sich für die Suggestionsbehandlung nicht begeistern,
da er io den Ausfflhrungen des Vortr. einen Beweis für die Wirksamkeit der
Si^gestionsbehandlung nicht findet Auch er hält, wie Erlenmeyer, die Ueber*
wachong für die Hauptsache in der Behandlung der Morphinisten.
Herr Höstermaon (Boppard) spricht sich für die allmähliche Entziehung aus,
da sie das Nervensystem doch wesentiich schone.
Herr Jolly (Berlin) bemerkt, dass im Gegensatz zu den Mittheilungen des
Yortr. nach seiner Erfahrung die Injectionen sehr häufig auch am Bauch, reichlich
BO häufig wie an den unteren Extremitäten gemacht worden.
Herr Hirt (Breslau) (Schlusswort): Abgesehen davon, dass die gut geleisteten
Anstalten für viele zu thener sind, muss man auch daran denken, dass semper
aliqnid haeret, wenn jemand in einer Anstalt gewesen ist Daher soll man, wenn
es sich irgendwie durchführen lässt einen Morphinisten, der mittlere Dosen (bis zu
0,4 auf den Tag) spritzt, ausserhalb einer Ans^t behandeln, und dass dies möglich
ist zeigt seine ^fahrung. Für die Behandlung ist nicht sowohl die Ursache, Dosis,
Zeit, als vielmehr der Zustand des Kranken von Wichtigkeit Die allmähliche
Entziehung nützt nichts, verlängert nor die Qualen.
Herr Gramer (Göttingen): Ueber moralisohe Idiotie.
Die Aufnahme des B^i& der moralischen Idiotie in den § 2 des Schweizer
lirengesetzentwurfs, sowie ein gegen seine Kritik der Kölle’schen Gutachten ge¬
richteter Artikel Forel’s über die moralische Idiotie haben Yorb:. veranlasst noch
einmal auf dies alte Thema einzngehen.
Nachdem er des längeren die Unmöglichkeit der Annahme des Begriffes der
moralischen Idiotie sowohl vom wissenschaftlichen, wie vom praktischen Standpunkte
nachgewiesen, kommt er zu folgenden Schlusssätzen:
1. Die moralische Idiotie kommt in foro nur dann in Betracht 4ie sie
veranlassende Krankheit nachgewiesen ist
2. Die moralische Idiotie ist in der Praxis nnr verwendbar, wenn eine Gesetz¬
gebung in deterministischem Sinne vorhanden ist.
3. Ich halte mich nicht für competent darüber zo enteoheiden, ob es zweck¬
mässig ist solche Gesetzgebung einzufflhren, glaube aber, dass es noch lange
dauern wird, bis alle Schwierigkeiten, welche sich der praktischen Durchführung
en^genstellen, beseitigt sind.
4. Die moralische Idiotie kann bei den verschiedensten Geisteskrankheiten als
ein am meisten in die Augen fallender Sjmptomencomplex Vorkommen.
5. Der Nachweis der ethischen und moralischen Perversität allein genügt zum
Nachweis der Krankheit nicht.
6. Es kann desshalb, so lange die heutige Gesetzgebung besteht in ^oro nicht
von einer moraliscben Idiotie als Krankheit im Siune des § 51 des Str.-Q.-B. ge¬
sprochen werden.
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1016
7. Bei dem heotigen Stande der Wissenscbaft ist es änsserst schwierig, in
praktisch dQrchfQhrbarer Weise in einer zu schaffenden Gesetzgebung die moralische
Idiotie im Sinne der „Neuen“ zu beräcksichtigen.
8. Es ist nicht statthaft, ein Gutachten im Sinne einer noch zu schaffenden
Gesetzgebung abzugeben.
9. Die Fälle mit im Vordei^und stehenden ethischen und moralischen Defecteu,
bei denen man auch nach genauer Untersuchung im Zweifel sein muss, ob Krank*
heit vorliegt oder nicht, sind selten.
10. Das praktische Beddrfniss fflr solche Fälle eine besondere Gesetzgebung zn
schaffen, ist nicht so gross, wie es auf den ersten Anblick scheint Es deckt rieh
diese Frage ungefähr mit der Frage nach der geminderten Zurechnungsfähigkrit;
vielleicht könnte die Ausdehnung der bedingten Strafaussetzung auf Erwachsene hier
noch Erleichterungen schaffen.
11. Wird der Begriff der moralischen Idiotie heute schon in die Geset^^ung
eingefflhrt, so wird die Zahl der Individuen, welche in dieses Gebiet fallen, in vöUig
ungerechtfertigter Welse enorm ansteigen.
Discussion:
Herr Mendel (Berlin) kann sich mit den Anschauungen des Vortr. im grossen
und ganzen nur einverstaiiden erklären; betrefEs der Frage der verminderten Zu*
rechnungsfähigkeit erinnert er daran, dass dieser Begriff in den Entwurf zum Straf*
gesetzbuch fOr den norddeutschen Bund aufgenommen war, von der Commission dee
Reichstags aber nach längerer Debatte gestrichen wurde, da die mildernden Umstände
ihn hinreichend ersetzten. Auch jetzt liegt nach seiner Ansicht ein Bedflrfniss zur
EinfQhrung der verminderten ZurechnungsAhigkeit in das Strafrecht nicht vor, viel*
mehr besteht fär den Fall ihrer EinfQhrung die Gefahr, dass dann mancher un¬
zweifelhaft Geisteskranke, der jetzt auf Grund des § 61 freigesprochen, unter An*
nähme der verminderten ZnrechnungsAhigkeit verurtheilt wird; d^egen hält er die
bedingte Yerurtheilung mit Annahme mildernder Umstände für manche Fälle, wie
auch schon der Vortr. ausgefbhrt, für sehr zweckmässig. Der Schwerpunkt fOr die
fQr die sogen, verminderte Zurechnungsfähigkeit in Betracht kommenden Fälle li^
nicht darin, dass die Dauer der Strafe eine kürzere ist, sondern darin, dass für
diese Fälle der Strafvollzug ein anderer, als bei geistig normalen Verbrechern sein
muss. Auf ein Beichsgesetz für den Strafvollzug warten wir aber bisher vergeblich.
Herr Gramer hält die von M. erwähnte Gefahr, dass für den Fall einer Auf¬
nahme der verminderten ZurechnungsAhigkeit in das Strafrecht Geisteskranke als
gemindert zurechnungsAhig verurtheilt werden könnten, ebenfalls für sehr nahe¬
liegend.
Herr Nissl (Heidelbei^): Sind wir im Stande, aus dem pathologisoh*
anatomlsohen Befunde die Diagnose der progressiven Paralyse su steUmP
Vortr. hat die Ueberzeogung gewonnen, dass seine vor 2 Jahren aufgestellte
Hypothese, die paralytische Bindenerkrankung sei eine primäre Erkrankung der
Bindenneurone sich nicht mehr aufrecht halten lässt, da es keine sogenannten Nerven*
einheiten giebt. Das leitende Element im Nerven und in der Nervenzelle, wie fest
steht, ist die Primitivfibrille, aber ihr Schicksal jenseits der letzteren ist unbekanst
„Han weiss nur, dass zwischen den Nervenzellen sich die graue Substanz befindet,
die ein specifischer Bestaudtbeil des nervösen Gewebes ist.“ Dagegen ist ihre
Arcbitectonik, ihre Beziehungen zu den Nervenzellen, den Azencylindern und den
Markfasem, zu den Gliazellen, ihren protoplasmatischen Ausläufern und den Weigert’*
sehen Gliafasern, zu dem Blut- und LympbgeAssapparat, bisher ^nzlich onbekannt;
ebensowenig kennt man die Bedeutung der mit den heutigen Hülfsmitteln nimhweis*
Google
1017
baren krankhaften Veränderongen der NervenzelleD; aicher sind sie nicht der Aus-
drack von nervösen Functionsstömngen.
Da nun ganz abgesehen von anderen Hypothesen Aber das Wesen der Paralyse
nicht einmal die am grflndlichsten atudirte Erscheinung derselben, die paralytische
Bindenerkrankung ihrem Wesen nach bekannt ist, so ist es klar, dass, wenn eine
pathologisch-anatomische Diagnose der Paralyse Überhaupt möglich ist, sie auf
Grand rein empirischer Anhaltspunkte gestellt werden kann.
Bei seinen diesbezüglichen Untersuchungen der Leichenbefunde in den chronisch
verlaufenden, d. h. sich auf mehrere Jahre erstreckenden, klinisch unzweifelhaften
Fällen von Paralysen ist Vortr. zu dem Ergebniss gelangt, dass folgende Yierzahl
der Erscheinungen die Diagnose der chronisch verlaufenden Paralyse äusserst wahr¬
scheinlich macht, vielleicht sogar sicher stellt:
1. nachweisbarer Schwund der Diploö,
2. eine nicht durch ihre Intensität, sondern nur durch die Art ihrer Ausdehnung
charakteristische Verdickung und Trübung der weichen Häute — sie erstreckt sich
Über die Convexität und die Innenfläche des Stirn- und Scheitelhirns, lässt aber den
Occipitalpol frei; die milchige Trübung ist nicht constant und häußg nur stellen¬
weise angedeutet, der Accent ist daher auf den Nachweis der Verdickung zu legen,
3. Hydrocephalus internus und extemns,
4. eine nachweisbare Atrophie des Stirn- und Scheitelhirns über der Convexität
ond Innenseite des Hirnmantels.
Nicht daranf kommt es an, dass diese 4 Erscheinungen intensiv oder in
gleicher Intensität anftreten, sondern daranf, dass alle 4 Erscheinungen zu
gleicher Zeit überhaupt nachweisbar sind.
Wenn nun auch das gleichzeitige Vorhandenseüi aller 4 Erscheinungen die
Diagnose der chronischen Paralyse äusserst wahrscheinlich macht, vielleicht sogar
sicher stellt, so ist man aber auf der anderen Seite nicht berechtigt, sie in Abrede
zu stellen, wenn die genannte Vierzahl nicht gleichzeitig nachzuweisen ist.
Die Ependymgranulationen, starre, klaffende Gefässe n. s. w. gehören nicht zu
den di^nostisch-verwerthbaren Befanden.
Was die mikroskopischen Befunde anbetrifft, so sind weder die Verändernngen
der Nervenzellen und markhaltigen Fasern, noch der Gefässe und Lymphbahnen, noch
der Stützsubstanz für die Paralyse charakteristisch.
Eine Diagnose auf Grund des mikroskopischen Befundes ist ohne weiteres nur
möglich in den seltenen schweren Fällen von Paralyse, in denen in grosser Aus¬
dehnung die Grundsnbstanz faserig umgewandelt, die Schrumpfung ohne Weiteres
erkennbar und die mit Kernen übersäte Markleiste auf einen kleinen Bruchtheil ihres
Umfanges reducirt ist, in denen ferner ein anormaler Ausfall von Markfasem, und
statt der Tangentialfasem ein mächtiger Wall eines dichten Gliafilzes gefunden wird,
in denen endlich reichliche, znm Tbeil förmlich gemästete Sptnnenzellen neben fast
durchweg sklerosirten Nervenzellen und ausserdem noch die schwersten Gefäss-
erkrankungen aller Art in Verbiudung mit hochgradigen PiaverändernngAn u. s. w.
coQstatirt werden können. Aber auch hier sind die gefundenen Veränderungen an
und für sich nichts für die Paralyse charakteristisches — ähnliche Bilder finden
sich stellenweise auch bei anderen Erkrankungsprocessen —, sondern nur die
luteusität und Ausdehnung der geschilderten Veränderungen ist für die
Paralyse charakteristisch.
ln den weniger schweren Fällen ist eine sichere Diagnose auf Grund des mikro¬
skopischen Befundes schon nicht mehr möglich.
Die sichersten Kriterien für das Vorhandensein einer paralytischen Rinden-
erkrankung sind nach des Vortr. Erfahrung:
Abweichung in der Lagerung und Vertheilung der Rindenelemente,
sowie damit Hand in Hand gehend ein Undeutlicherwerden oder gar
D g : 7cd / G OOglC
1018
eine Verwischung des Schichtenbildes^ npd eine Verkleinerang der
Zwischenräme zwischen den Nervenzellen.
Diese Merkmale hat er nur bei der klinisch unzweifelhaften chronisch ver>
laufenden Paralyse gefunden und sie hier in keinem Falle vermiast.
Daher ist bei ihrem Vorhandensein nach seiner Ansidit die Diagnose der para«
lytischen Kindenerkrankung ausserordentlich wahrscheinlich.
Zum Schloss seines Vortrages erörtert Vortr. die Frage, ob die letzt erwähnten
Merkmale mit dem Wesen der paralytischen Bindenerkraukung zusammenhängoi, und
ist geneigt, sie zu bejahen, da er sie bei keiner anderen Erkrankung, trotz Binden«
atrophie, trotz Gliawucherung, trotz AnsfalJs von Markfasem gefunden hat und darin
dennoch die Ursache ihres Vorkommens bei der Paralyse nicht zu suchen ist. Er
spricht die Vermuthung aus, dass sie auf eine Veränderung bezw. auf das zu Grunde
gehen der grauen Substanz znrOckzufQhren seien; dennoch wäre die paralytische
Bindenerkrankung als ein pathologisch-anatomischer Process aufznfassen, bei dem die
graue Rinde schwindet bezw. zu Grunde geht.
Sitzung vom 20. September 1898, Vormittags.
Herr Sander (Frankfurt a./H.): Die Hirnrinde bei multipler Sklerose
(mit Demonstrationen).
Ausgehend von der Erwägung, dass die Bindenberde bei mnltipler Sklerose
besonders geeignet sein mflssten zur Entscheiduog der Frage nach Entstehen nnd
Fortschreiten des Krankheitsprocesses, da in der Rinde die verschiedenartigen ner¬
vösen Elemente dicht beieinander liegen und pathologische Veränderongen in der
StQtzsubstanz schon im frfihesten Stadinm deutlich za erkennen sind, hat Vortr. bei
Untersuchung eines Falles von multipler Sklerose (10 jähriger atypischer Veriauf mit
spastischer Lähmung der unteren fotremitäten, Inteutionszittem und mässiger De¬
menz) speciell sein Augenmerk auf die Veränderungen in der Hirnrinde gerichtet
Der makroskopische Obduetionsbefund war der gewöhnliche.
Die mikroskopische Untersuchung (Markscheiden- und GanglienzellenfärbnogeB
nach Wolters, Marchi, Nissl, Weigert'sche Nenrogliamethode, Robertson'-
sehe Methode, Comhination der Marchi-Hothode mit anderen Markscheidenßrbnngn)
ergab Folgendendes;
Ueber das ganze Centralnervensystem zerstreut, sowohl in der graoen wie weissen
Substanz, finden sich zahlreiche grössere, wie kleinere und kleinste Herde älteren,
jüngeren und jüngsten Datums, in denen je nach ihrem Alter die Markscheiden
tbeils zn Grunde gegangen, theils erheblich gelichtet, theils in frischem Zerfall be¬
griffen sind.
Die Achsencylinder sind m den älteren Herden des Markee vereinzelt aus¬
gefallen, in den jüngeren, sowie in den Bindenberden sind sie erhalten und ohne
nachweisbare Veränderungen.
Die Ganglienzellen zeigen in den Herden, die schon makroskopisch sichtbar
sind und offenbar die älteeten Krankheitsprocesse in der Binde darstellra, zuweUen
Degenerationsorscheinungen bis zu völligem Ausfall.
’ Vortr. unterscheidet 4 Schichten:
1. einen Nervcnzcllen-freien Rindensaam,
2. die Schicht der Pyramidenzellen, die sich häufig in zwei Lagen, in die Schicht der
kleinen (2. MBvNBRT’sche Schicht) und iu die Schicht der grossen PyramidenzeUen (8. Mzt-
MS&T’scbe Schicht) trennen lässt,
3. die kleinzellige Schicht,
4. die Markfaeerscbicht, die sich ebenfalls in zwei Schichten zerlegen lässt, in eine
äussere, die meist g^^ssere Pyramidenzellen enthält, and eine innere, die vorzugsweise ans
spindelartigen Zellen besteht.
DiQ'iii’od
Google
1019
Die Veränderungen der Glia in den Markherden entsprechen deren Alter. Auf
der einen Seite finden sich Herde, in denen die Gliawucherung durch Auftreten von
Deiters'scben Zellen, durch Kemvennehrung und Kemtheilungsfigoren im Bereiche
derselben eben angedeutet ist — während der Markscbeidenzerfall bereits einen er¬
heblichen Grad erreicht hat! — auf der anderen Seite Herde, in denen ein dichter
Filz von Gliafibrillen das nervöse Gewebe ersetzt hat, und dazwischen alle Ueher-
gange.
Anders dagegen verhält sich die Glia in der Binde. „Hier sieht man trotz der
zahlreichen Herde keine Spur einer herdförmigen Sklerose. Selbst im Bereich offen¬
bar älterer Krankheitsherde erscheint die Glia meist noch völlig normal. Nur ganz
selten finden sich Stellen, an denen eine Vermehrung der Gliakeme, zahlreichere
Fasern und vereinzelte Spinnenzellen nachzuweisen sind. Diese als beginnende Sklerose
anfzufaasenden Stellen waren meist in den tieferen Rindenschichten, da, wo die
Nervenfasern noch dichter zusammenliegen und demgemäss durch den Erankbeits-
process auch zahlreichere Fasern gleichzeitig ausgefallen waren. Solche Herde, in
denen von einer Gliawucherung gesprochen werden kann, sind aber änsserst spär¬
lich im Vei^leich zu den zahlreichen anderen Herden, in denen selbst bei totalem
Markscheidenausfall noch keine Spur einer pathologischen Glia erkennbar ist Auch
da, wo Herde aus der Markleiste in die untersten Bindenschicbten sich fortsetzen,
hört die Gliawucherung an der Grenze von Hark und Binde ziemlich schnell auf.
Nur selten sieht man vom Harkberd aus einzelne stärkere Fasern und Spinnenzellen
in die Rinde einstrablen. Ausserdem findet sich in der Binde eine diffuse und überall
deutlich ausgesprochene Gliavermehrung in den äussersten Schichten in gleicher
Weise, wie wir sie auch bei anderen atrophischen Processen in der Hirnrinde sehen.
Stärkere Grade scheint diese Bandskleroae namentlich da zu erreichen, wo in der
Tiefe ein beträchtlicher Faserausfall stattgefundeu bat'*
Entzündliche Frocesse an den Gefässeu sind auch im Bereich frischer Herde
nicht deutlich nachzuweisen und selbst in zahlreichen älteren Herden findet sich
keine Spur einer pathologischen Gefässveränderung, nur io den älteren Herden des
Markes sind die Gefösswandungen oft deutlich verdickt.
Auf Grund dieser Befunde, die er durch zahlreiche Mikrophotographien er¬
läutert, bekämpft Vortr. in längerer Ausführung die Anschauung Goldscheider’s,
dass die multiple Sklerose nur eine Form der disseminirten Myelitis sei, sowie die
Ansicht anderer Antoren, dass der Ausgangspunkt der sklerotischen Herde im Inter-
stitium zu suchen sei, er hat vielmehr die Ueberzeuguog, die er des näheren be¬
gründet, gewonnen, dass der als multiple Sklerose bezeichnete Krankheitsprocess rein
degenerativer Natur ist, der seinen Ansgang im Parenchym nimmt.
Das Brgebniss seiner Untersuchungen fasst Vortr. znm Schluss in folgenden
Sätzen zosammen:
Die multiple Sklerose ist in ihrem anatomischen Befunde charakterisirt durch
einen berdartigen Zerfall der Markscheiden in der weissen wie grauen Substanz des
Centralnervensystems. Die Gliawucherung ist secundär durch den Zerfallprocess be¬
dingt und wird durch die Örtlichen Verschiedenheiten der Glia beeinfiusst; Achsen-
cylinder und Ganglienzellen fallen erst spät und hauptsächlich in Folge der reak¬
tiven Gliawucherung dem Untergange anheim. Der Ausgangspunkt des Processes ist
im Paremchyro zn suchen.
Im Anschluss an seinen Vortrag demonstrirt Vortr. eine grössere Anzahl mikro-
photographischer Aufnahmen aus der pathologischen Anatomie des Centralnerven¬
systems und empfiehlt wann die Anwendung der Photographie bei mikroskopischen
Präparaten des Centralnervensystems wegen der grossen damit verbundenen Vortheile
(Uöglichkeit des gegenseitigen Austausches der einzelnen Befunde, des Vergleiches
identischer Stellen aus normalen und pathologischen Gehirnen u. s. w.).
Dig i'/od Zj Google
1020
Discussioj).
Herr Nissl (Heidelberg) wendet sieb gegen die Anffaseung des Yortr. von der
Genese der multiplen Sklerose; er führt aas: Die PrimitiTfibrillen sind das leitende
Element im Axencylinder und stellen den parenchymatösen Gewebstheil in dem nerTsn«
leitenden Gewebe dar. Die Bolle der Markscheide ist nns unbekannt, nach einer
von Weigert aasgesprochenen Yermothung gehört'ihre Bildnng zu den katabioti'
sehen Zellfunctionen. Da wir nun zur Zeit keine genügend feine Unterauebungs*
methoden besitzen, um Yer&ndernngen an den Axencylindern naehzuweisen, so konnte
sich Yortr. über den Zustand der Frimitivfibrillen (des Parenchyms) auch nicht onter*
richten; und ist daher seine Behauptung, dass die multiple Sklerose im Parenchym
ihren Ausgang nehme nicht bewiesen.
Herr Eräpelin (Heidelberg) macht für die Wiedei^be von Mikrophotographieen
auf die sog. Eilometerphotograpbie der Keuen Pbotc^raphischen Gesellschaft n
Seböneberg bei Berlin aufmerksam, die recht gute, freilich zun&chst noch ziemlich
theure Bilder liefert.
Herr Sander (Scblosswort) rechnet die Markscheiden ohne Berücksichtigung
ihres Ursprunges zum Parenchym, wie es auch bisher stets Üblich war, im Gegen*
Satz zum interstitiellen Gewebe und bestreitet, dass es, wie Herr Nissl behaeptst,
zur Zeit nicht möglich sei, von einer Erkrankung der Axeni^linder zu sprechen.
Denn wenn man bei demselben über Jahre sich erstreckenden pathologischen Process
in einem Tbeile der Erkrankungsherde einen Ausfall von Axencylindern findet, io
anderen aber keine Spur davon sich zeigt, so ist man nach seiner Ansicht berechtiigt
anzunebmen, dass es sich im ersten Falle nm einen Erkranknngsprocess und hier¬
durch bedingten Ausfall der Axen^linder gebandelt hat, im letzteren dagegen nicht
Herr Nonne hat im Laufe der lotsten 2 Jahre von Neuem in 12 Füllen
von letalen An&mieen das Büokenmark untersuoht. In 3 Fällen handelte
es sich um Verblutungsanämieen, in 8 Fällen um primäre pernieiöse Anämie, in
1 Falle um secundäre Anämie bei chronischer Nephritis.
Bei den Fällen von Verblutungsanämieen war der mikroskopische Befand ein
nativer, in den 8 Fällen von pemieiöser Anämie faud sich zweimal das Bflekoh
mark normal, dreimal fanden sich incipiente and dreimal weiter vorgeschrittene Yer-
änderungen. Die Untersuchungen wurden auch mittels der Marchi-Methode und
nach Nissl vot^enommen.
N. untersuchte ferner das Hückenmark in 9 Fällen von Endocarditis ulceroa
beziehungsweise Sepsis, in 5 Fällen gelang es ihm, herdweise Hyelitis-Yeränderongm
in der weisson Substanz naehzuweisen. Die Localisation dieser Herde, sowie die
Morphologie derselben entsprach den Bildern der Rückenmarksdegenerationen in des
Frühföllen der pemieiösen Anämie, ein locales Yerhältniss der Myelitisherde zu des
Gefässeu liess sich ebenfalls nachweisen.
In 9 Fällen von Seniumrückenmarken zeigte sich eine exquisite herdiÖ^oig^
sich stets an ein erkranktes Gefäss anscliliesseude, chronische Degeneration.
N. resQmirt:
1. Die KückenmarkserkrankUDgeD bei letalen Anämieen sind, wie Hinnicb ond
ich dies in unseren ersten Untersuchungen bereits dargestellt haben, herdweise.
Sie sind nicht systematischen Charakters im Sinne der combinirten System-
Erkrankungen, sondern sind als acute, dissemiuirte Myelitis aufzufassen.
2. Die Localisation dieser Myelitis zeigt einen localen Zusammenhang mit dm
Blutgefässen.
3. Ein ätiologischer Zusammenhang in dem Sinne, dass die supponirte Noxe
vom Blut tran.sportirt wird, wird sehr wahrscheinlich durch die Ergebnisse der Rfickn-
,Google
1021
marksunterfiuchungen an einer BeiLe von Fällen von Sepsis. Der Befand auf dem
B&ckenmarksqnerschnitt gleicht in einigen dieser Fälle dem Bfickenmarksbefund in
den Frühfallen von letalen Anämieen. Eine Analogie auf dem Gebiete der chroni¬
schen Bflckenmarksdegenerationen bieten die ebenfalls vascalär entstehenden Degene¬
rationen des Greisenalters.
4. Die graue Substanz kann in weit vorgeschrittenen Fällen auch erkrankt
sein; diese Erkrankung ist jedoch keine primäre, die Erkrankung der weissen Btlcken-
markssubstanz secuudär prodncirende, sondern eine scbliessliche Miterkrankung; in
Frühfallen fehlt sie, resp. ist auch mit der Nissl- und Harchi-Methode nichts
nachweisbar.
5. Die mittels der Harchi-Methode bei schweren Anämieen und bei letal
verlaufenen Fällen von Sepsis im Bfickenmark neben den herdfürmigen Erkrankungen
nachweisbaren diffusen Degenerationen erlauben nur den Schluss auf das Bestehen
einer trophischen Alteration, nicht aber einer functioneilen Schädigung der Nerven-
elemente. Für die Harchi-D^enerationen stellen die einstrahlenden hinteren Wurzeln
and die vordere Commissur einen Prädilectionsort dar. (Autorreferat.)
Herr Mann (Breslau): Zur Physiologie und Pathologie der motorischen
Neurone.
Herr Hann erörtert in seinem Vorträge die Frage, in welcher Abhängigkeit
steht das periphere motorische Neuron (periphere Nerv + Spinalzelle) vom centralen
(P^ramidenbabn -f- Bindenzelle), — Er gebraucht hier den Ausdruck Neuron nur
als eine bequeme Bezeichnung, ohne damit iigend wie Stellung zu der jetzt vielfach
angefochtenen Neuroulehre zu nehmen — und kommt auf Grund seiner diesbezüg¬
lichen Untersuchungen und Beobachtungen, nach denen beim Menschen Zerstörung
des centralen Neurons einerlei an welcher Stelle die Willkürbewegungen, die Sehnen-
nnd Haotreflexe, wie den Hnskeltonus und den normalen trophischen Zustand der
Uaskeln aufhebt, zu dem Schlosse: Die von Pierre Harle aufgestellte Hypothese,
nach der das periphere Neuron das eigentlich treibende und bewegende Element ist
und eine unter hohem Drucke arbeitende Maschine darstellt, die durch das centrale
Neuron fortwährend gehemmt werden muss, entspricht nicht den Thatsachen. Gerade
das Gegentheil trifft zu, das periphere Neuron ist im Gegensatz zu seinem Ver¬
halten bei Thieren, besondere bei niederen Thieren, beim Menschen ein vollständig
nnselbstständiges Gebilde; diese „Maschine", das periphere Nenron leistet für sich
allein gar nichts, sondern steht sofort still, sobald ihre eigentliche Kraftquelle, das
centrale Neuron, gestört ist. (Ist das auch beim Neugeborenen der Fall? Bef.)
Discussion.
Herr Krapelin (Heidelbeig) erinnert an die Beobachtungen von Goltz bei
Hunden mit theilweise entferntem Bückenmark.
Herr v. Monakow (Zürich) ist der Ansicht, dass man erst noch mehr Material
sammeln müsse, bevor man die Frage nach der Abhängigkeit des peripheren vom
centralen motorischen Neuron entscheiden kann. Denn die von Gerhardt und
Senator mitgetheilten Fälle, in denen trotz vollständiger Continuitätstrennung die
Haut- und Sehnenreflexe nahezu bis zum Tode erhalten waren, und ein von ihm
beobachteter Fall, in dem trotz totaler Pyramidendegeneration eine ziemlich aus¬
gesprochene Contractur auf der entsprechenden Seite bestand, sprachen g^en die
Bichtigkeit der Schlussfolgerungen des Vortr.
Herr Mann (Schlusswort) bemerkt gegenüber Herrn v. Monakow, er habe
den Stand der Frage, die allerdings auch nach seiner Ansicht noch nicht völlig ge¬
klärt sei, nach seinen Erfahrungen und den in der Literatur bekannten Beobach¬
tungen gekennzeichnet; er habe jedenfalls niemals unter seinem Material bei Fällen
von totaler Unterbrechung der Pyramidenbahn Contracturen beobachtet; bei den
Google
1022
gegentbeiligeu Beobachtungen sei immer an die H^^cbkeit rein mechanischer Muskel-
retraction zu denken. Die Fälle von Gerhardt und Senator seien nicbt ein-
wandtfrei und daher nicht beweiskräftig.
Herr v. Monakow (Zfirich): Ueber die seoundären Veränderungen im
RüokenmarM nsoh altem Defeot eines Plexus braohialis beim MensohexL
Vortr. berid)tet Aber die Befunde im Centralnervensystem eines Sdjäbrigen
Mannes, der im 13. Lebensjahre eine starke Zerrung des rechten Plexus bracbnla
mit nachfolgender, anfänglich vollständiger, schlaffer atrophischer Lähmung der
rechten Schulter und des rechten Armes, erlitten hatte. Während die Extensores
des Vorderarmes, sämmtliche Oberarm* und Schultermuskeln dauernd gelähmt blieben,
stellten sich in der Hand einzelne Bewegungen (Beugung der Hand und der Finger)
wieder ein und war auch geringe Pro* und Supination des Vorderarmes mOglicb.
Trotz der hochgradigen Bewegongsstärung war Pat im Stande mit der rechten Hand
Gegenstände zu greifen und längere Zeit festzuhalten, wenn er vorher mit der linken
die rechte Hand geöffnet hatte; so konnte er sogar beim Holzspalten das Holzstäck
mit der rechten festhalten. Dio Sensibilität im rechten Arme war nicht gestört
In der linken Armregion, die besonders in der hinteren Centralwindong
leicht atrophisch war, erschienen namentlich die beiden oberen Rinden-
schichten krankhaft verändert, während die Biesenpyramidenzellen erhalten
resp. nur wenig atrophisch waren. Der linke SebhGgel war etwas kleiner als der
rechte. Die linke Pyramide zeigte eine geringe Volnmsreduktion und allgrawine
Verschmälerung einzelner Nervenfasern, aber keine degenerativen Veränderungen.
Die rechten vorderen Wurzeln vom 4.—8. Cervicalnervenpaar bestanden
ans bindegewebigen Fädchen, in denen keiue normale Nervenfaser mehr zu findet
war; die 1.—3. Cervical- und die 1. Dorsalwurzel waren ziemlich intaci
In den entsprechenden hinteren rechten Wurzeln war der Umfang der
Degeneration in den verschiedenen Höhen verschieden; es fanden sich hier und da
Bändel normaler Nervenfasern.
Im rechten Vorderhorn bestand eine hochgradige Degeneration (NerTm-
zellenschwnnd und 'Atrophie), die ihre grösste Ansdehnnng zwischen der 5. und
7. Wurzel hatte; nur die mediale vordere Zellengrappe (CommissorenzeUen-
gruppe) war durchw^ ziemlich gut erhalten, ln den lateralen Gruppen fanden
sich normale Zellen caudalwärts erst von der Mitte der 8. Cervicalwnrzel und fronUl-
wärts vom 3. Cervicalnervenpaare an.
Im Mittelhorn waren ebenfalls degenerative Veränderungen vorhanden.
Im rechten Hinterhorn fand sich Schwund der hinteren Wurzeln (Reflex-
collateraien) und der Subst gelatinosa Bolandi.
Von den B&ckenmarkssträngen waren entsprechend der Ausdehnni^ der
Degeneration des rechten Vorderhoms bauptsäcbiich die Vorderstrangbündel und
Seitenstrangreste, in der nächsten Umgebung des rechten Vorderhoms total
degenerirt Ferner zeigen die lateralen Felder der Bnrdacb’sehen String«
(äussere Wurzelzone) einen bemerkenswerthen Faserausfall.
Vorstehender Befand lehrt, wie Vortr. in der epikritiscfaen Beepreehung da
Falles zum Tbeil unter Heranziehung der experimentellen Untersnchungen toi
Gudden, Mayser, Mott, Sherrington des näheren »isfOhrt:
1. dass schon einfache starke Zerrung des Plexus brachialis nahezu voUständigM
Untergang seiner Wurzeln und der entsprechenden Partieen des BAokenmarks nr
Folge haben kann,
2. dass die dem Vorderhorn anliegenden FaserbOudel der Vorderstrax^gmodbAndei
and der Seitenatrangreete kurze Etagenverbindungefasem sind,
3. dass den medialen vorderen Zellengrappen des Vorderhoms grösstaüi^
CommisBurenfasera entstammen,
1023
4. dass die Nerven fdr die Schulter und Ärmmnskulatar hauptsächlich den
lateralen Zellengroppen entstammen und dass bezüglich ihres Höhennrsprungs die
Angaben Starr’s zutreffeo,
5. dass unvollständige Zerstörung der hinteren Cervicalwurzeln die Sensibilität
nicht beeinträchtigt.
Discnssion:
Herr Schmitz (Bonn) ist der Ansicht, dass der vorgetragene Fall die 6ynä*
hologen mahnen müsse, mißlichst schonend bei eingreifenden Operationen vorzugehen-
Herr Mann (Breslau) fragt an, wie die Beweglichkeit der Hand beschaffen war,
)b die Hand beim Händedruck umklappte und ob ein wirklich kräftiges Zufassen
nöglich war.
Herr v. Monakow (Schlusswort) kann darüber nichts näheres mittheilen, da er
len Fall klinisch selbst nicht beobachtet bat. Orthmann (Grrafenberg.)
(Schloss folgt)
IV. Bibliographie.
Allgemeine Slektrotherapie, von Dr. Leopold Laquer, Nervenarzt in Frank*
fort a./M. (Aus Enlenbnrg and Samuel’s Lehrbuch der Allgemeinen Therapie.)
[Urban n. Schwarzenberg. 1898. Wien u. Leipzig.]
Verf. geht, nachdem er die physiologischen Grundlehren, die ärztliche Elektro*
echnik und die Elektrodiagnostik klar und anschaulich unter Beifügung zahlreicher,
ehr gelungener Abbildungen erörtert, zu den elektrotberapeaüscheo Erfahrungen
her, welche die grössere Hälfte des vorliegenden Bnches aasmachen.
Er zeigt sich hier überall als ein Praktiker mit reicher Erfahrung, welcher
benso fern dem Nihilismus, wie der kritiklosen Verwertbung angeblicher Heil*
rfoJge steht.
Es werden nacheinander die Krankheiten der peripheren Nerven, des Bücken*
larks, des Gehirns und die Neurosen besprochen, das, was bei den einzelnen Er-
ronkungen von der Anwendung des elektrischen Stromes zu erhoffen und wie der*
ilbe zu appliciren sei. Dabei fehlt es nicht an eingestreuten wichtigen praktischen
emerkungen über die verschiedenen Erkrankungen, welche die Lection des Buches
i einer anziehenden machen.
So polemisirt der Verf. z. B. mit Recht gegen den „charakterlosen Miscbbegriff:
eurasthenie**, ein „diagnostisches Faulheitspolster“, wenn er auch den Ausdruck
cht ganz verbannt wissen will. Er hebt die mangelnden Erfolge der elektrischen
)handlung, wie jeder anderen physikalischen, bei ünfallkranken, hervor, and bringt
) in Zusammenhang mit dem hartnäckigen, unbeugsamen, krankhaft gereizten
larakter der Verletzten.
Wir fügen das Scblussergebniss, zu welchem der Verf. auf Grund seiner lang*
irigen Erfahrung kommt, wörtlich hier auf, weil es uns den augenblicklichen
ind der Frage der Elektrotherapie treffend zu kennzeichnen scheint.
„Der galvanische und der faradische Strom gehören zu den wichtigsten Heil*
bteln bei Hnskel* und Nervenerkrankungen, vorausgesetzt, dass sie unter strenger
achtuDg physikalischer und anatomisch*pbysiologischer Grundlehren und unter ge*
aer Einhaltung schwacher oder mässig starker Stromdosen Verwendung finden.
3 Methodik ihrer Anwendung stützt sich zumeist auf exacte Beobachtungen ärzt*
her Wissenschaft und Erfahrung.
Neuralgieen und periphere Lähmungen, denen schwere degenerative Processe
Nerven^stems nicht zu Grunde liegen, werden durch Einwirkung des Stromes
leilt.
■' Google
1024
Subjective Beschwerden and FunctionsstöraDgen, welche durch Erkrankutga
der nenrfiscn Centralorgane bedingt sind, können dnrch Elektricit&t gemildert ond
beseitigt werden. Auf den Verlauf der diesen Störungen za Grunde übenden am*
tomischen Processe scheint der Strom einen Einäass nicht za besitzen.
Bei der Bebaodlung der sogen, functionellen Neirenerkrankangen (Keurosen)
kann sich der elektrische Strom in erster Reihe als ein geeignetes Hfllfsmittel zur
seelischen Beeinflossong des Kranken erweisen; er übt aber aach von der Haut aos
gleich den anderen physikalischen Heilmitteln der Uassage und der Hydrotherapie
einen Beiz aas, der die Erregbarkeit des Nervensystems in gflnstiger Weise b^
einflusst.
Zur Erkl&rnng der Heilerfolge der Elektricität bei Nervenstörungen ist weniger
die Lehre von der durch elektrische Vorgänge etwa bedingten Regeneration an^
mischer Veränderungen als die der biologischen Wirkung von Beizen auf die FnnctioD
eines jeden Neuron heranzuzioheu.‘'
Die Arbeit des Verf.’s wird sicher neben anseren bereits vorhandenen vonfig*
liehen Werken aber Electrodiagnostik and Elektrotherapie seinen wohlverdienten
Platz einnebmen. M.
V. Mittheilung an den Herausgeber.
Herr Dr. L. Stembo (Wilna) macht darauf aafmerksam, dass der von Hem
Dr. Holzinger in Nr. 19 d. Centralbl. beschriebene „Hypothenarreflex“ von iln
bereits als „PalmarreQez“ in Nr. 15 der Berliner klin. Wochenschr. 1894 beschriebai
worden ist.
Es heisst dort n. A.:
„Bekanntlich gehen vom Ulnarrande der Aponearosis palmaris drei bis ri«
dOnne quergerichtete Moskelbandel, die sich in der Haut am Ulnarrande der Ennd
verlieren. Dieser Muskel ist es, der bei Druck auf das Os pisiforme sich refleo-
torisch contrabirt und die Haut am Ulnarrande der Hand in Falten legi
Normalerweise kommt die Thätigkeit dieses Muskels daun zur Aeusserung, wenn
wir unsere Hand zur Faust ballen. Eine isolirte Contraction dieses Muskels siod
wir gewöhnlich nicht im Stande hervorznrufen, sondern es mOseen noch viele ander«
Muskeln in Thätigkeit versetzt werden, besonders der Palmaris longus, um dk
Palmaraponeurose zu fixiren.
Dieser Reflex kommt am leichtesteu zu Stande und ist viel anschaulicher, wenn
die Finger in leichter Flexlons* und die Hand in Adductionsstellang sich befinden.“
VI. Vermischtes.
Am 1. October d. J. ist die Leitung der Heil- und Pflege-Anstalt f&r Gem&tbs- ood
Nervenkranke zu Endeuicb bei Bonn von Sauitätsratb Dr. Heyden, der von seiner Thlög-
keit an der Anstalt znrQcktritt, auf Dr. von der Helm nbergegangen, der vorher äk
9 Jahre an der Anstalt als Arzt fnngirte.
Die SteUnng von Geh. Rath Dr. Oebeke als regelmässig consnltirender Arxt kleiU
nngeändert.
Ausserdem ist ein Assistenzarzt angestellt.
Dm Einsendung von SeparatabdrCcken an den Herausgeber wird gebeten.
Einsendungen fOr die Bedaction sind zn richten an Prof. Dr.E. Hendel,
Berlin, KW. Schiffbanerdamm 18.
Verlag von Vsrr & Comf. in Leipzig. — Druck von Uwrobb & Wittiq in Leipzig-
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UoD&tlicb «r.icheinen zwei Nammern. Freie des Jahrganges 24 Mark. Zu beziehen durch
lUe Buchhandlungen des In- und Änslandee, die Postanetalten des Deutschen Keicbe, sowie
direet von der Verlagsbuchhandlung.
1898. 15. November. Nr. 22.
Inhalt: t. OriginalziHthelizngen. 1. Ueber frahzeitige Verkalkung der mmgefäese
ils Ursache Ton EpUe^e, von Prof. Dr. Hochhaat. 2. Ueber Störungen des Stoffwechseb
»ei Neurasthenie, von Prof. Dr. W. v. Bechterew in St. Petersburg. S. Das elektrische Tricho-
istbesiometer und die sog. Haarempfindlichkeit des Eöipers, von Prof. Dr. W. v. Bechterew
n St. Petersburg. 4. Wäche Äenderungen hat das klinuohe Bild der progressiven Paralyse
ler Irren in den letzten Deoennien erftmren ? von Prof. Dr. E. Mendel.
II. Referate. Anatomie. 1. Experiments in ezamination of the peripheral distribution
f tbe fibres of the posterior roots of some spinal nervee. by Sherrington. — Pathologie
les Nervensystems. 2. Ueber Beri-Beri, von Orimm. 8 . A note on the etiology of Mri-
eri, by Hunter. 4. Casnistiache Beiträge zur MyopaUbologie, von Herzog. 5. Sur les formes
ivereea de la psyohose polynövritique. par Soukhanefl. 6 . Beitrag zur Lehre von den sog.
■olyneoritischen Psycboeen, von Schultze. 7. Congenital ptosis with anormal associated
lovement of the affeeted lid, by Miller. 8. Ophths^oplegia exterior completa mit Paralyse
ee Augenfacialis, von v. Fragiteln und Kempner. 9. Un cas d'opbtalmopl^e externe d’ori-
ine nueldaire ehez une flUette de vingt-deux mois ä la suite de varieelle. par Marfan.
0. Ophthalmoplegia externa with impeirment of tbe orbicularis oculi, by Taylor. 11. Myo-
iris ossificans pr(^easiva mxiltiplez, von Matthes. — Psychiatrie. 12. Die Bedeutung
er Katatonie, von llberg. 13. Zur Pathologie der katatonen Symptome, von Lehmann.
4. Beiträge zur Eenntniss der Katatonie, von Miicha. 15. Ueber gewisse mychisohe
törusj^n nach Selbstmordversuchen durch Erhängen, von Wollenberg. 16. lieber die
osolc^Bche Auffassung und die Therapie der periodiMben Geistesstörungen, von Hitzig.
7. A propos de la revision de la classmcation officielle, par Francotte. 18. Psychiatry in
je Southern states, by Powell. 19. Notes of some cases of folie ä deux io seveiM members
f the same family, by Woods. 20. Zoophilie et zoopbobie, par F4rd. 21. Ein Fall von
wangsiTorstellongen und BerflhrungsAircht im Kindesalter, von Kalitcher. 22. Zur Lehre
t>m Gedankenlautwerden, von Jzlliitbiirgor. 23. Diabetes und Geistesstörung, von Laudon-
simor. 24. Osservazioni oliniche ed anatomiche solle demeoze post-apopletticbe. par Min-
izzlni. 25. Blood-pressure in the insane, by Cralg. 26. La demenza precoce, per Hnzi e
sdranl. 27. La paralipemania, per Roncoronl. 28. Sexual Inversion, by Ellls. 29. La pena
ei reati sesnnali, per Vlazzi. 80. Lage und Stellung der Aerzte an ^ Öffentlichen Irren-
Dstalten des deutocben Reiohea, von Hoppe. 31. Zar f^age: Moralisches Irresein, von Bogdan.
Hl. Aut den Goaollsehaften. Versammlung deutscher Naturforseher nud Aerzte zu
Qsseldorf am 19.—22. Septembw 1898. (Schluss.)
IV. Porzonallen.
65
Dig Ii7cd c,' Google
1026
1. Originalmittheilungen.
[Aus der mediciniscben Klinik zu Eiei.]
1. lieber frühzeitige Verkalkung der Hirngefäase als Ursache
von Epilepsie.
Ton Prof. Dr. H. Hoohhaof.
Der anatomisohe Befund bei der genuinen Epilepsie ist bekanntlich ein
sehr mannigfacher: Verundeningen an den Himhänten, an der Himsobstaoz
and an den Oefassen and dabd gefunden worden, ohne dass es allerdings
möglich gewesen, im Einzelfalle mit Sicherheit zu sagen, ob die constatirte Er¬
krankung auch wirklich die directe Ursache der Epilepsie gewesen sei oder
nicht.! Immerhin erscheint mir der nachstehende, in der Kieler mediciuisch^
Klinik beobachtete Fall w^en seines bemerkenswerthen Obductionsbefundes oner
kurzen Beschreibung werth.
Krankengeschichte:
Anamnese (4./yiII. 1896): Fr. Wölhk, Branereiarbeiter, 28 Jahre alt, ludet
seit l!/, Jahren an Kr&mpfen, die in mehrmonatlidien Intervallen anftraten, dw
letzte in voriger Woche. Die Anfälle beginnen mit Kribbeln am ganzen Körper,
dann stOrzt Pat bewusstlos hin and hat Znckongen in den Armen and Beines;
mehrmals hat er sich dabei auch in die Zange gebissen. Gleich nachher nnkUree
Bewnsstsein, Schlafsucht ond Eingenommenheit des Eopfee. Beit etwa 9—10 Jahres
besteht eine Schwerfälligkeit der Sprache. Keine Lues, angeblich ancb kein Potatoriam.
Status: Ziemlich grosser, kräftig gebauter Hann.
Schädel normal gebaut, Sensorinm frei, Intelligenz normal, Cerebralnerven intad
Zange zittert etwas beim Vorgtrecken, am vorderen Bande ein grosses flacbm
UlcQS, links eine tiefe Narbe.
Innere Organe normal, Pols voll nnd kräftig.
im Urin weder Eiweiss noch Zucker.
Therap.: Bromkali 4 Mal 1,0 g.
8./VI1I. Seit gestern und heute Angstgefthl, wie ee früher den Anfällen häufig
voranging.
lO./Vni. Sehr nnmhiger Schlaf.
14./yill. Heute früh ein Anfall. Der Kranke fiel plötzlich bewn^os bis,
bekam Krämpfe zuerst in den Armen, dann anch in den Beinen, die etwa 10 Mts.
gedauert haben sollen. Nachher schlief Pat. noch eine knrze Zeit, gab dann, nachdeo
er zn sich gekommen war, an, dass er vorher wieder das Kribbeln am ganzen Körper
verspürt habe.
22./1X. Seit dem 14./VI11. kein Anfall mehr, nur ab and zu noch Kribb^
am ganzen Körper, das in letzter Zeit aber auch weniger geworden ist Da der
^ Blooq et MAunrasco, Semaine mödicaie. 1892.
Wynnb, liSncet 1898.
1027
Kranke sich andauernd wohl fhhlt, wird er entlasseo mit der Anweisung, Bromkali
weiter au nehmen.
Trots dee fortwährenden Bromgebranchs erfolgten am 30./IX. und 6./X. wieder
Anfälle, so dass der Kranke am 6./X. wieder aufgenommen wnrde.
Kurz nach der Anfiiahme im Erankenhause ein typischer, epileptischer Anfall.
In der Fo^zeit bis znm 12./X1I. waren die Anfalle im allgemeinen selten, im
ganzen 4—6. Dag^en spürte der Kranke ein taubes Gefühl und Kribbeln am
Kdrper fast täglich.
Vom Id./XlI. ab wurde eine Opinmkur eingeleitet Der Kranke bekam zuerst
3 Mal 10 Tropfen Tci opii simpl. t^lich, die bis znm 23./XII. auf 3 Mal 35 Tropfen
langsam gest^gert worden. — Die An^e wurden bei dieser Kur zusehends zahl¬
reicher und heftiger, wiederholten sich zuletzt fast täglich mehrmals. Die seelischen
Kräfte verfielen mehr und mehr und am 3./L 1897 kam es zum Ausbruch einer
acuten Manie, so dass der Kranke isolirt werden musste. Das Opium wnrde nun
abgesetzt nnd wieder Brom gegeben. Am 7./I. war die Tobsucht wieder geschwunden
und der Kranke verständig. Die Anfälle dauerten aber in der Folgezeit fort nnd
wiederholten sieh am Tage häufig mehrmals, so dass sowohl der geistige wie der
kün>erliehe Zustand des Kranken erheblich verschlechtert erschien.
Am 17./L moigens war der Kranke benommen, ohne dass ein Anfall voran¬
gegangen war, am Kachmittag erfolgte ein kurzer Anfall, abends Ansteigen der
Temperatnr, die bis dahin stets normal gewesen wm-. Am anderen Tage hohes
Fieber, sehr kleiner nnr^lmässiger Puls, tiefes Coma, g^en Abend unter zunehmender
Herzschwäche Exitus letalis.
öbduction:
Scbädeldecke sehr dünn, an der Innenfläche mit ziemlich tiefen Qefässfurcben
and Pacchioni'schen Gruben.
Im liängssinns ein dunkelrothes Bln^erinsel und wen^ flüssiges Blut
Dura dünn, gespannt
Innere Häute zart weisslicb, getrübt
Die Windungen breit die Sulci eng.
Auf dem Durchschnitt die Binde sehr dunkel, hortensiafarben, das Mark rosig.
Scheck^, mit zahlreichen, stachelartig Über die Schnittfläche vorstehenden, feinen,
starren Gefässen, nnd zwar auf der rechten Hemisphäre weniger als auf der linken.
Seitenventrikel eng, wenige Tropfen Flüssigkeit enthaltend.
UI. Yentrikel weit, ohne mittlere Commissur.
Flexns chorioidens stark gerüthet
Centralganglien dunkelroth.
Kleinhirn normal, derb, sehr blutreich; anch hier in der weissen Substanz ver¬
kalkte Gefässe.
An der Basis Häute zart Geßsse zartwandig, stark mit Blut gefüllt
Brücke ziemlich dunkel gerötbet nuf der Schnittfläche keine verkalkten Gentsse.
Mednlla oblongata blass.
Becbtes Hinterhom obliterirt
Ausgedehnte ältere nnd frischere pneumonische Infiltrate, besonders in dem
linken Unterlippen.
Hyperämie der Leber.
Sti^e Trübung der Niereu.
Weiche Schwellung der atrophischen Milz.
. Starke hämorrhagische Sprenkelong des Hagmis.
Von allen Gehirnpartieen von dem Sfäm-Central-, Parietal- und OccLpitallappen,
sowie vom Ammonshom, vom Kleinhirn, der Brücke, der Mednlla oblongata habe ich
zuerst kleine Stückchen zerzupft und frisch untersucht gleichzeitig aber auch solche
66 *
■' Google
1028
in Alkohol gehärtet und mit Hämatoxylin und Eosin, sowie nach Kissl geHirbi
Das Resultat dieser üntersnchong war folgendes:
In allen den untersuchten Himpartieen fanden sich verkalkte kleinere Geßsse.
Im Stirn-, Parietal- und Occipitallappen, sowie im Kleinhirn indess nur in ganz ge¬
ringer Menge, so dm»« auf einem Schnitt nur 1—2 erkrankte Oe&sse zu sehen
waren. Im Occipitallappen waren fast gar keine. Erheblich bedeutender war die
Anzahl der verkiükten Oefässe in den Centralwindongen; auch hier waren es meist
die allerkleinsten Gefässe, die Capillaren; von den etwas grösseren waren nur einige
wenige befallen. Am ausgedehntesten war
diese Gefässveränderung in der Ammons-
Windung, und besonders in der linken.
Innerhalb dieser letzteren waren fast die
gesammten Capillaren in ihren Wandungen
mit Kalk infiltrirt, wenigstens der weissen
Substanz, wie das die nebenstehende Zeich¬
nung eines Gljcerinpräparates sehr deutlich
zeigt — Der Grad der Kalkinfiltratioo
war bei den einzelnen Gefässen ein sehr
verschiedener. Bei den meisten war die
Wand fast ganz continuirlich mit gröberen,
dicken Ealkstflckchen besetzt, so dass von
der eigentlichen Geßsswand gamicbts mehr
zu erkennen war; bei anderen dagegen war
sie nur hier und da mit einzelnen feinen,
durch die bekannten Beactionen als Kalk zu erkennenden Pünktchen bedeckt Ton
den etwas grösseren Gefässen waren auch einzelne, sowohl Arterien wie Venen, be¬
troffen. Alle grossen Geßsse waren frei, ebenso konnte weder an den Ganglien¬
zellen (NissTsche Färbung), noch an der Neuroglia irgend eine Anomalie entdeckt
werden.
Pons nnd Mednlla oblongata waren frei
Gljceriiipiäparat bei schwacher Ver-
grösaernng.
Als Ursache für die beobachtete schwere Form der Epilepsie fand sich also
eine weitverbreitete Verkalkung der kleinsten Gefässe des Gehirns, and zwar
vorzugsweise der linken Oentralwindang and Ämmonswindung.
Dass diese thatsachlich den Grand for die Epilepsie abg^eben, scheint
ans nicht zweifelhaft, da wohl anzunehmen ist, dass eine so ausgedehnte Ver¬
änderung der Gefässe auch eine schwere Störung der GehimemähruDg bedingt
Vasculäre Veränderungen, meist allerdings anderer Natur als die von uns be¬
schriebenen, sind ja nicht so selten auch von anderen Antoren als Ursachen der
Epilepsie gefrmden worden. Das vorwiegende Befalleuseiu der Ammonswindung
ist auffallend, und erinnert an die zahlreichen Fälle, bei denen auch eine Er¬
krankung gerade dieser Gehimpartie, meist sclerotischer Natur, angetrofifen
wurde.*
Eine andere Frage ist nun die, wie sich in so jagendlichem Alter eine
solch starke Verkalkung der Gefässe überhaupt, und zwar gerade im Gehirn
entwickeln konnte. Im höheren Alter ist dieselbe im Anschluss an Arterio-
sclerose ein relativ häufiges Breignias, im jugendlichen wenigstens in ähnlicher
Ausdehnung sehr selten.
These de Coulbant Paris 1881.
1029
In der Litteratur finde ich derartige au^^ehnte Verkalkungen der Gehirn*
gefasse zuerst’von Vibohow^ beschrieben als sogenannte Kalkmetastasen, wobei
an irgend einer Stelle des Knochensjstems eine krankhafte Einschmelzung statt¬
fand und die fireigewordenen Eaiksalze, da die Nieren sie nicht ausscheiden
konnten, sich an anderer Steile ablagerten, und zwar im Magen, im Darm, in
den Nieren oder auch in den Himgefassen. Unter die letzte Kategorie gehört
besonders der Fall VI Viechow’s*, der einen 26jährigen Mann betraf, welcher
an ausgedehnter Caries der Brust und Lendenwirbelsäule litt, und bei dem sich
bei der Obduction eine Verkalkung der feineren Himgefässe fand mit normaler
Beschaffenheit der Basa^ßsse. Auch der von ihm im IX. Bande beschriebene
Fall, sowie der von Smorr im LV. Bande desselben Archivs erwähnte Fall
zeigen einen ähnlichen Befund, ohne dass indess das Erankheitsbild der Epilepsie
daW beobachtet worden ist Einen Hinweis auf die hier in Betracht kommenden
ätiologischen Momente giebt eine interessante Beobachtung von Hubeb, der
bei der Obduction eines 22jährigen luetischen Mädchens eine ausgedehnte Ver¬
kalkung fast der gesammten Eörperarterien fand mit Ausnahme allerdings der
Gehimgefasse. Da irgend ein anderer Grund für diesen auffälligen Beffind
nicht vorhanden war, zweifelt Hubeb nicht, dass derselbe auf die Lues zurück-
gefuhrt werden müsse.
In unserem Falle war ausser den ffischen Veränderungen an Lunge und
Niere sonst keine Erkrankung zu constatiren, so dass wir es hier sicher mit
einer primären Verkalkung der kleinsten Himgefässe zu thun haben. Einen
Fingerzeig für die Aetiol(^e giebt uns das Gewerbe des Patienten; derselbe war
Brauer und da ist es ja wohl möglich, dass durch die gewohnheitsmässige starke
Flüssigkeitsaufnahme, dem Gefasssystem häufig zu viel Arbeit zugemnthet wurde
und es in Folge dessen eine Schäd^ng seiner Elemente erlitten, die die Ealk-
infiltration b^ünstigt hat Dass der Alkohol dabei in gleichem Sinne mitgewirkt
bat, ist wohl sicher anznnehmen.
Wie es kam, dass nur die feineren Himgefösse davon betroffen wurden,
ist schwer mit Sicherheit zu sigen; möglicherweise waren dieselben von Haus
ans weniger widerstandsfähig.
2. Ueber Störungen des Stoffwechsels bei Neurasthenie.
Von Prof. Dr. W. v. Bechterew in St Petersburg.
Die Frage nach dem Verhalten des Stoffwechsels bei den allgemeinen
Neurosen und speciell bei der Nenrasthenie ist nicht neu in der Wissenschaft
Doch scheint das, was in dieser Beziehung vorliegt, noch nicht zum Gemein-
> Virchow’B Archiv. Bd. VIII.
* Virchow’s Archiv. Bd. LXXIX.
- Google
1030
gute der Aerzte geworden zu sein. So erklärt es sich, dass Biebnacd* mit
Hülfe der Sedimentirungsmethode des Blutes neuerdings wieder zu bewäsea
sucht, dass die sc^en. allgemeinen functioneilen Neurosen (Hjsterie und Keor*
asthenie), welche von Einigen nicht mit Unrecht zu den psychischen ErkraulniDgeB
gezählt werden, nicht primäre Affectionen des CentralnerTensystemes darstdleo,
sondern secundäre Symptomencomplexe bilden, bedingt durch primäre Stönu^
der Oxydationsprocesse und durch Einwirkung so entstandener Stoffwechsel-
producte auf das Nerrensystem. Hjsterie und Neurasthenie erscheinen in diesem
Lichte als zu derselben Kategorie gehörig, wie Diabetes mellitus, Bheumatismus,
pathol<^;isohe Fettsucht und überhaupt Krankheiten, die auf Altaati<»en da
normalen OzydatiousTorgänge beruhen.
Können diese Ergebnisse des genannten Autors axuih nicht als ganz nea
gelten, da die Ansid)!, die Ursache der Neurasthenie und Hystoie liege io
abnormen Ozydationsprocessen, schon früher in der Litterator vertreten wordeo
ist, so bleibt immerhin der Umstand beachtenswerth, dass jene auf Blut-
Untersuchungen gestützten Schlüsse mit den Ei^bnissen der Hamuntersoohnng
bei den nämlichen Krankheiten sich gut decken.
Ueber das Verhalten des Harns im Verlaufe der allgemeinoi Neurosen sind
von der Schule der Salpötriöre besonders werthToUe Befunde zu Tage geimdert
worden. Gestüfrt auf solche Befunde verficht Vioousoux schon seit vkleo
Jahren Storungen der Ozydationsvoi^änge als Ursache der allgemeinen Neurom
und kommt bei (Gelegenheit der erwähnten Mittheilui^n von Biebha«]
neuerdings wieder auf diese Angelegenheit zurück.^ Bezüglich der Neurasthaiie
ergaben ihm seine Hamanalysoi, wie er hervorhebt, ungenügenden Zerfall und
sehr merkliches Sinken des Stickstoffooeffiaenten.
ln seinem bekannten Werke „La neurasthönie et rarthritisme“ (Paris 1893)
setzt ViQOCBOux Nenrasthenie auf gleiche Stufe mit hamsaoier Diatbess.
„Neurastheniker sind Arthritikeri', schliesst er. „Dieser Satz ist nicht mehr
neo, konnte aber bisher nur durch klinische, also strittige Beobachtangen ge¬
stützt werden. Die Urologie verleiht dieser Vermuthung die Objectivität und
die Klarheit einer chemischen Thatsaohe“ (S. 23). An einer anderen Stelle
nUirt er fort: „Arthritismus ist notbwendige Vorbedingung der Neuiastfaenie.
Um weiter zu gehen, muss man den Boden der Hypothese betreten. Von Leb-
teren ist eine der annehmbarsten diejenige über Autointoiioation“ (S. 39).
Nach ViGOUBoux’s Ansicht kann zur Quelle solcher Autointozication Mago-
erweiterung werden. Bei der Heilung der Neurasthenie sollen vor Allem anti-
dyscrasische und nicht symptomatische Methoden in Anwendui^ kommen.
Von anderen französischen Forsdiem wird auf anal<^ Veränderungoi
neurasthenischen Urins bingewiesen. Schon Huchabd fand bei Neurasthenikeni
constant Vermehrung der Urate, in Folge dessen er diese Krankheit als ar-
tritische Neurose aufzufassen sich veranlasst sah.
' Hittbeilang io der Qesellschaft der Äerste zu Warschau 1897. — VargL Oboireqe
psichiatrii. 1898. Nr. 6 und Neurolog. Ceotralbl. 1898.
* Neurolog. Ceutralbl. 1898. Nr. 8.
Dig :i^cd cy Google
1031
Da die Frage nach dem Zustande des Stoffwechsels bei den allgemeinen
Neurosen fffr die Aetiologie und das Wesen dieser Erkrankungen von hoher
Bedeutung ist, so habe ich schon seit langer Zeit über das Verhalten des Harnes
dabei Au^chnungen gesammelt und die betreffenden Harnanalysen, Dank der
Liebenswürdigkeit von Prof. Foebl, io dessen Laboratorium ausfffhren lassen.
Die jetzt nach dieser Bichtung mir vorliegenden Ermittelungen deuten, wenig*
stens was die Neurasthenie, von der allein hier zunächst die Bede sein soll,
betrifft, ebenfalls auf Unregelmässigkeiten der Oxydation hin. In sämmtliohen
Fällen, besonders aber bei den schweren Formen der Neurasthenie, fand sich
mehr oder minder beträchtliche Abnahme des Harnstoffes und grösstentheils
eine gewisse Zunahme der Harnsäure. Das Verbältniss des Gesammtstickstoffes
des Urins zu der Stiokstoffquantität des Harnstoffes (der Coefficient der Oxy¬
dationsenergie und der Ausdruck der Gewebsathmung nach Poehl) wies con-
stant hin auf merkliches Sinken der Intensität der Stickstoffoxydation. Das
Verbältniss der Hamsäuremenge zu der Quantität der Pbosphor^ure in Form
ihres Dinatriumsalzes zeigte oonstant nach Zeeneb erhöhte Abspaltung von
Harnsäure an, liess also auf Vorhandensein mehr oder weniger ausgesprochener
bamsaurer Diatbese zurücksobliessen.
Eine weitere Besonderheit der Hamzusammensetzung, welche ich oft in
schweren Fällen von Neurasthenie beobachtet habe, besteht darin, dass das
Verhältniss des Gesammtstickstoff^ im Harn zu der Menge der Pbosphorsäure,
d. h. jener Goefffcient, welcher nach Zülzeb die Zerfallsenergie des Nerven¬
gewebes angiebt, gesteigert erschien. Manchmal war das Verhältniss der
Gesammtphosphorsäure zu der Quantität der Glycerinphosphorsäure, welches
nach Lepin den Lecithinzerfall anzeigt, höher als normal Letztere Erscheinung
zeichnete sich jedoch durch geringere Constanz aus. In vielen Fällen endlich
erschien das quantitative Verhältniss der Schwefelsäure zu den gepaarten
Sdiwefelsäuren, was als Index der Danniaulniss dient, mehr oder weniger stark
gesteigert
Dem wäre noch binzuzufügen, dass in einzelnen Fällen Besserung des
Krankbeitszustandes mit Abnahme oder Verschwinden der arthritischen Er¬
scheinungen zusammenfiel. Es ist also auch nach meinen Beobachtungen Neur¬
asthenie zweifellos verbunden mit Unregelmässigkeit der Oxydation der Stick-
stoffsnbstanzen. Sie kann und muss daher mit den übrigen, auf dem Boden
von Stoffwechselabnormitäten sich entwickelnden Erkrankungen zu der gleichen
Gruppe gerechnet werden.
Was die nächste Ursache der in Rede stehenden Unregelmässigkeiten der
Oxydation betrifft, so erscheint mir am allerwahrscheinlichsten der Einfluss der
Darmfäulniss hier wirksam zu sein, was in meinen Fällen durch specielle Ana¬
lysen nachgewiesen ist Im Darme ist also wesentUch die Wurzel der Neur¬
asthenie in der Mehrzahl der Fälle zu suchen. Selbstverständlich präjudicirt
dies in keiner Weise einen primären Ursprui^ der fr^lichen Darmstömngen
und sohliesst zugleich den Einfluss anderer zu Neurasthenie prädisponirender
ätiologischer Factoren (übermässige geistige Anstrengung u. s. w.) nicht aus,
■ig: /od üy
Google
1032
doch wäre zu prüfen, ob diese Momente, wenn auch nur indirect, nicht auf
die Fänlnissrorgänge im Darme zurückwirken. Bezüglich geistiger lieber-
anspannung z. B. Hesse sich an den FünfliMR dauernder Ablaoknng des
Blutes von den Baucheingeweiden auf die Functionen des Darmes denken und
in noch höherem Grade ist hier vielleicht die mit geistiger Arbeit T^ondene
sitzende Lebenswöse und die so entstehenden Stauungen im Gebiete der Leber
wirksam. Zur Erklärung des Einflusses von Erschütterungen auf die Ent¬
wickelung der Neurasthenie können gewisse vasomotorische Störungen von Be¬
deutung sein. Vielleicht kommt auch die Zusammensetzung der Nahrung hi«'
mit in Frage, doch sind alle diese Factoren zunädist durch ganz spedelle
Untersuchungen auf ihren Werth zu prüfen.
3. Das elektrische Trichoästhesiometer und die sog. Haar¬
empfindlichkeit des Körpers.
Von Prof. Dr. W. ▼. Beohtetww in St. Petersboif.
. Unlängst sind in meiner Klinik von den Drr. E. J. Noisohewski und
B. F. Ossipow an gesunden Individuen und an Nervenkranken Untersuchungen
über die sogen. Haarempfindlichkeit der Haut angestellt wurden. Man versteht
darunter jene eigenthümliche Empfindung, welche gewöhnlich bei sehr zarter
Berührung behaarter Hautpartieen auftritt und an die Empfindung des Kitzd-
reizes sehr lebhaft erinnert^ Zur Untersuchung dieser Art von Sensibilität, die
zweifellos bedingt ist durch mechanische, bei Bewegungen der Haare auftretende
Beizung besonderer Nervenendigungen an den Haarbälgen, eignen sich am besten
so zarte Beize, welche die Haare der Hautoberfläche in Bewegung setzen, ohne
gleichzeitig die geringste Empfindung der Berührung auszulösen. Es kann hierzu
z. B. ein Haar von der Kopfhaut des Menschen benutzt werden. Dodi hat die
Anwendung eines solchen Beizmittels eine Beihe rein technischer Schwierigkdten
bei der Prüfung der Haarempfindlichkeit. Dr. K. J. NoaoHswBKi hat bereits
bei sdnen früheren Untersuchungen über diesen Gegenstand ‘ in verdienstvoller
Weise zu diesem Zwecke eine zarte Uhrfeder oder ein sogen. UhrhäroheD io
Anwendung gebracht und einen besonderen Apparat construirt, bestehend sos
einem zwischen den Spitzen einer Pinoette eingeklemmten gewöhnlichen Uhr*
barchen.’ Berührt man eine haarbedeckte Hautstelle mit solch einer Haarfeder,
‘ Beide dtlrfen nicht mit einuder verweeheelt werden. KitselgeflUü entsteht darrfa
gröbere Hnntreizting and pflegt an den Fnsssohlen nnd in den Äefaselgraben am intenaintN
za sein, während Haarempfindlichkeit an ersteren, wie wir sehen werden, voUatändig fehlt,
in letzteren sehr schwach ist.
* Vortrag, gehalten in der Gesellschaft der Aerzte za Dflnabarg (Dwinsk) am 2. April
1896 and am 28. November 1896.
* K. Noucbbwsxi, Trichoästhcsiometr. Nowing lekarskie. 1896. Nr. 6.
1033
so empfindet man thatsachlich etwas, was lebhaft an Kitzelgefuhl erinnert, wäh¬
rend Berührung der Elant mit diesem Instrument auch in solchen G^nden,
wo das Xastverm^en am schärfsten ausgepr^ ist, wie z. B. an den volaren
Flächen der Finger gänzlich empfindungslos verläuft. Mit Hülfe dieses ein¬
fachen und zugleich sinnreichen Apparates hat Dr. K. J. Noisohewsei seine
ersten Untersuchungen über Haarsensibilitat des Menschen
angeführt und den Apparat selbst als Trichoasthesiometer
bezeichnet
Die praktische Handhabung des Apparates hat aber
einige Schwierigkeiten. Der Beobachter muss bei der
Prüfung der Haarempfindlichkeit, um den erforderlichen
Beiz ansnlösen, die Uhrfeder den Haaren entluig hin¬
führen und da dies aus freier Hand geschieht, so wird
in Folge der unvermeidlichen Ungleichmässigkeit einer
solchen Bew^ung auch die Haarempfindlichkeit keine
gleichbleibende sein können. Ein anderer wesentlicher
Nachtbeil des Histrumentes besteht darin, dass das Tricho-
ästhesiometer Noisohewski’s kein exactes Maass der Haar¬
sensibilität angiebt
Als daher Dr. Ossipow und darauf Herr Noischewski
in meiner Klinik an die Untersuchung der Haarempfiud-
lichkeit herantraten, veranlasste ich die Genannten, ein
vollkommeneres Trichoasthesiometer mit gleichmässigen
Schwankungsamplituden zu oonstruiren und sich dabei der
Mitbülfe des Elektromagneten zu bedienen. Es bestand an¬
fangs der Plan, ein solches Trichoasthesiometer nach dem
Principe der elektrischen Stimmgabel einzurichten, doch
wurde bei der praktischen Verwirklichung des Instrumentes
den Schwankungen des Trichoästhesiometers der Mecha¬
nismus des NsEP’schen Hammers zu Grunde gel^
Ein solcher Apparat wurde nach den Angaben von Dr.
K. J. Koisohbwbki von der Firma Urlaub in Peters¬
burg helgestellt, leider aber zu einer Zeit, als K. J. Noi-
scHEWBKi und W. P. Ossipow ihre Untersuchungen mit¬
telst des gewöhnlichen Trichoästhesiometers bereits ab¬
geschlossen hatten.
Das elektrische Trichoasthesiometer hat fo^nde Anordnung. Ein Metall¬
stab a (s. nebenstehende Abbildung), an dessen Ende mittelst Klammem eine
Haarspirale h befestigt ist, steht mit einem im Innern des Griffes c verborgenen
Elekrom^neten so in Berührung, wie der NEEP’sche Hammer in den gewöhn¬
lichen elektrischen Apparaten. Die Begulirung der Schwankungen des Stabes o,
sowie die Grösse der Excarsionsamplitude des die Uhrfeder tragenden Aufsatzes
geschieht, wie bei dem NEBP’schen Hammer mit Hülfe einer Schraube d. Zur
Verbindm^ des Elektromagneten mit dem Elemente dienen Oeffiiungen in den
a\
, ^ i.vGoogIc
1034
am £nde des Apparatss befindlichen metallischen Vorsprüngen ee, an weldien
Scbianben znr Befestigung der Drähte f,f angebradit sind. Zu erwähnen ist
ansserdem, dass an dem Griff eine besondere bew^liche Metallplatte g Tor-
hmiden ist, welche nach vorne bew^t den Strom in dem Elektromagneten
schliesst, rückwärts geschoben ihn auf hebt Der Apparat kann daher aowchl
als elektrisches, wie auch als ein&ches Tricholsthesiometer benutzt werden.
In beiden Fällen ist seine Anwendung aus der Beschreibung leicht ersichtlich.
Zn bemerken wäre hier nur das eine, dass es bei der Untersuchung vor Allem
darauf ankommt, die Hantoberfiäche in änsserst zarter Weise zu berühren, da
andernfalls das Ende des Stabes selbst die Haut träfe und anstatt einer Haar¬
empfindung einen Tastreiz hervorriefe.
Zum Schlüsse will ich hier die Ergebnisse der Untersuchungen über Haar¬
sensibilität bei Gesunden und Kranken, welche in meiner Elinik von E. J. Noi-
BOHEW8KI und W. F. OssiFOW im Wintersemester 1897/98 mittelst des gewöhn¬
lichen (nicht elektrischen) Trichoästhesiometers ausgefuhrt wurden, kurz zn-
sammenfassen.
Eine Vergleichung der Intensität der Haarempfindlichkeit in den verschie¬
denen Körpergegenden eigiebt, dass diese Empfindlichkeit am schärfsten ist
an der Haut der vorderen Stimgegend, besonders in der Region der Glabella
und an der Haargrenze des Kopfes, sowie an der Wangenbaut über der Naso-
labialfalte. Ungewöhnlich fein ist die Haarempfindlichkeit auch auf der Innmi-
fläche der Nase, deren Beizung mittelst des Trichoästhesiometers häufig Kiesen
anslöst In zweiter Reihe folgt die Schamg^nd und die Umgebung des Ani^
In den genannten, bei weitem empfindlichsten Theilen ruft Beizung mit dem
Trichoästhesiometes nicht selten so intensive Empfindungen hervor, dass gleich¬
zeitig ein allgemeines reflectorisches Erzittern des Körpers auftreten kann („wahrer
Haarreflez^^. Etwas schwächer ist die Haarempfindlichkeit der Gesichtshant;
die mit Bart und Schnurbart bedeckten Gruden sind weniger empfindlich als
die übrigen Theile. Weiter schliesst sich nach der Intensität der Haarempfind¬
lichkeit an: die G^nd des Halses, des Schultergürtels, des Rumpfes bis zu
den Ingninalfalten vorne und dem Gesässe hinten, die dorsale Fläche der Hände,
die hintere Fläche der Oberschenkel, die oberen Theile der Innenfläche der
letzteren, die Haut des Vorderarmes, die vordere Fläche der Füsse und die
hintere der Unterschenkel Die Haarsensibüität fehlt gänzlidi an der Vcdi
manus, an der Planta pedis, an der Hacke, an der volaren und plantaren hläche
der Finger bezw. Zehen, an den Flächen der Endphalai^en der Finger und so
der Glans penis, also in jenen Körpergegenden, die der Haare völlig entbehren
und gleichzeitig ein äusserst scharfes Tastvermögen besitzen.
Die Intensität der Haarempfindlichkeit steht augens<dieinlich in Conelatii»
mit der Grösse und Dichtigkeit der die Haut bedeckenden Haare: je fein«
und dichter diese, desto intensiver jene und umgekehrt, je länger und späriicber
diese, desto schwächer jene.
Dass die in Rede stehenden Empfindungen in der Tbat durch Schwingung^
der Haare hervorgerufen werden, wird dadurch bewiesen, dass, w^m man das
1035
Thoboästhesiometer zart zwischen den Haaren einwirken lässt, was an den Ober*
Schenkeln leicht ausfahrbar ist, überhaupt keinerlei Empfindung auftritt Narben-
fläohen sind ebenfalls empfindungslos.
Die Yertheilung der Intensität der Haarempfindlichkeit entspricht in be*
merkenswerther Weise durchaus nicht der tactilen Sensibilität
Unter pathologischen Verhältnissen geht nach den Ermittelungen derselben
Beobachter die Haarsensibilität manchmal verloren bei noch erhaltener Tast*
empfindlichkeit In anderen Fällen erscheint sie dagegen auffallend gesteigert,
während das Tast* and Schmerzgefühl im Wesentlichen unverändert bleiben.
Dies scheint mir entschieden darauf hinznweisen, dass die Haarempfindlichkeit
eine ganz besondere Qualität der Hautsensibilität daistellt, die völlig verschieden
ist von dem Tast- und Schmerzgefühl. Die ganze Frage der Haa^mpfindlich-
keit verdient daher meines Erachtens in sorgfältigster Weise geprüft zu werden.
4. Welche Aenderangen
hat das klinische Bild der progressiven Paralyse der Irren
in den letzten Decennien erfahren?'
Von B. HendeL
Dass manche Krankheiten im Laufe der Zeit und zu verschiedenen Zeiten
ihr klinisches Bild verändern, ist eine Erfahrung, welche vielfach bestätigt
worden ist
Die Cholera, die Pest und andere Infectionskrankheiten haben zu ver-
»hiedenen Zeiten sehr verschiedene klinische Bilder daigeboten, am auffallendsten
st jene Thatsache für den Neuropathologen bei der Diphtherie. Hier giebt es
ind gab es Epidemieen, in welchen nervöse Kachkrankheiten kaum zur Beo-
)aohtang kamen, während in anderen in anfallender Häufigkeit leichtere und
chwerere Formen von Lähmungen au die diphtherische Afiection des Rachens
der anderer Eörpertheile sich anschliessen.
Auf der anderen Seite d^gen verlaufen die verschiedenen Erkrankungen
es Herzens, der Nieren, die BBioHT’sche Erkrankung, wie die Schmmpfniere
anz in derselben Weise, ohne jede wesentliche Veränderung des klinischen
lildes in den Decennien, in welchen wir diese Krankheiten zu diagnostioiren
n Stande sind.
Mit Rücksicht gerade auf diese letztere lliatsache muss es auffallend er*
3heinen, dass bei einer Oehirnkrankhdt, welche wir den letzteren Erkrankungen
‘ Nach einem in der Versammlang dentecher Natnrforseher ond Aerzte zn Dfissddorf
shaltenen Vorträge.
D g I ,:od oy GOO^ Ic
1036
an die Seite zn stellen gewohnt sind, der progressiven Paralyse der Irren, irgend
wie wesentliche Veränderungen in dem klinischen Bilde eingetTeten sein sollten
Nichts destoweniger scheint an der Thatsache, dass eine solche Veränderong
eingetreten ist, kein Zweifel zu sein. Bereits in meiner monographischen 6^
arbeitung der progressiven Paralyse^ sagte ich: ,.Änch die Zeit bringt unzw^d-
hafte Aenderungen und Transformation der verschiedenen Formen hervor.^ Ich
stdtzte mich dabei auf die Angaben Calmcl’s, welcher 1826 die grosse Selten«
heit melancholischer Delirien bei der Paralyse hervorgehoben, während er 1859
äusserte, dass die melancholische Form der prc^ressiven Paralyse seit etwa
10 Jahren fast ebenso häufig, wie der Grössenwahn auftrete, und auch Lükieb
hatte eine Aenderung bemerkt, insofern als die langsam verlaufende Panl^
und die deprimirte Form häufiger zur Beobachtung käme.
ln den 30 Jahren, in welchen ich selbst mich mit dem Stadium der pro¬
gressiven Paralyse beschäft^, erscheint mir non vor allem eine Thatsadie
auffallend: das Zurncktreten der typischen Form der Paralyse gegen¬
über der dementen Form.
Aus den älteren Beobachtungen eigiebt sich, dass die typische Form der
Paralyse — melancholisches oder hypochondrisches oder hypochondrisch-melu-
cbolisches Stadium, maniacalisches und dementes Stadium — über die Hüfte
oder annähernd die Hälfte aller Fälle betrug: Beiebbe de Boismoht fand 1859
unter 100 Beobachtungen 64 Mal die typische Form, Calheil unter 62 Pülen
25 Mal, Batlb unter 85 Fällen 52 Mal
Camuset’ fand unter 173 Paralytikern nur in 25,4‘*/o die demente Foim.
Ich selbst fand 1880 unter 180 Fällen eigener Beobachtung 55 Ual die
typische Paralyse verzeichnet
Herr Dr. Soholinub, der jetzige Leiter meiner firüheren Anstalt, hat die
Güte gehabt, die Fälle von Paralyse, welche in den letzten 8 Jahren in die
Anstalt angenommen wurden, nach ihren Formen zusammenzustellen. Ünta
den 194 Fällen von Paralyse bei Männern fanden sich nur 24 Fälle von dee
typischen Form — sie ist also bei im Wesentlichen gleichem Material um etn
die Hälfte in ihrer Häufigkeit herabgegangen.
Abgesehen aber von der grösseren Seltenheit der typischen Form, treten in
dieser selbst speciell die Grössenwahnvorstellungen im Allgemeinen nidit
so excessiv hervor, wie dies früher der Fall war.
Zwar fehlt es auch jetzt nicht an jenem „blühenden“ Grössenwahn, welche
für die progressive Paralyse charakteristisch gilt, aber die Intensität desselb«
bat im Allgemeinen abgenommen.
Während ich unter jenen Fällen im Jahre 1880 37 Mal die demente Fom
verzeichnete, erscheint dieselbe unter den 194 Fällen der neuen Zusammenstellosf
70 Mal, ist also etwa auf die doppelte Zahl gestiegen.
Das Yerhältniss zu Gunsten der Häufigkeit der dementen Form der PirÜT^
' Mbhdkl, Die progressive Paralyse der Irren. 1880. S. 2 '.>
* Anna!. m4d.'pBych. 1888. Hai.
1037
wird aber noch evidenter, wenn man die nicht kleine Zahl der dementen Para*
Ijtiker hinzurechnet, bei welchen wegen ihres ruhigen und ungefährlichen Ver¬
haltens nicht die Nothwendigkeit eintritt, sie in eine Anstalt zu bringen, und
liie entweder als poliklinische Kranke oder bei privaten Gonsultationen zur
Kenntniss des Psychiaters kommen.
Auf dieses jetzt hervortretende Vorwiegen der dementen Form der Paralyse
st übrigens, wie ich sehe, auch an anderen Orten und in anderen Landern
lereits die Aufmerksamkeit gelenkt worden.
Akgioletto^ fand unter 84 Paralytikern 40 die demente Form.
CoLLiNS^ hebt die Zunahme der dementen Form mit ihren motorischen
jähmungen hervor, endlich hat auch Bbuks bei Gelegenheit der Versammlung
les Vereins der Irrenärzte Nieder-Sachsens und Westfalens* die Frage auf¬
geworfen, ob nicht auch in den Anstalten, wie ausserhalb derselben, die auf-
[eregten Formen der Paralyse gegenüber der progressiv dementen Form seltner
'eworden seien, eine Fr^e, welche in der Versammlung bejaht wurde.
Dass im Uebrigen nicht etwa eine bessere Erkenntniss, speciell die Unter-
nchong der Sehnen- und Fupillenreflexe und ihre Bedeutung för die Di^ose,
itzt eine Di^nose der prcgressiven Paralyse da erleichtert, wo sie früher
erkannt wurde, und dadurch gerade die Zahl der dementen Paralytiker sich
ermehrt hat, braucht mit Rücksicht auf die verhältnissmässige Kürze der hier
Q Frage kommenden Zeit, in welcher die diagnostischen Mittel im Wesent-
chen dieselben blieben, kaum hervoi^ehoben zu werden.
Eine zweite Thatsache, welche in Bezug auf den Verlauf der prc^essiven
'aralyse in der neueren Zeit auffällt, ist das verhältnissmässig häufige
lOftreten erheblicher Remissionen.
Dass solche Remissionen und zwar in einem Grade sich zeigen, dass sie
en Eindruck von Heilungen der Krankheit machen, ist eine alt bekannte That-
MJhe. Ich würde nichts Neues bringen, wenn ich Ihnen hier solche Fälle mit-
teilen wollte.
Ziffermässig und procentualiter lässt sich das häufigere Auftreten von
emisaionen gegen früher schon deswegen nicht beweisen, weil aus der früheren
eit genaue Z^enai^ben über die Häufigkeit erheblicher Remissionen fehlen.
Die Remissionen zeigen sich in einer Anzahl von Fällen, nachdem geistige
nd körperliche Symptome eine solche Höhe erreicht haben, dass an der Diagnose
^r pr(^ressiTen Paralyse kein Zweifel ist, nach schweren hypochondrischen oder
iftigen maniacalischen Stadien.
Die Remission erlaubt dem Kranken, in seinen Beruf zurückzukehreu. Der
itimere Verkehr lässt eine gewisse Veränderung, welche seine Psyche erlitten,
icht verkennen, nach aussen hin erscheint er aber gesund, und solche Remissionen
tuem 1, 2 Jahre imd länger, ehe ein wiederholter Ausbruch in der R^el
' 11 maDieomio. 1897. S. 82S.
* Medical reoord. 1898. Febr. 5.
* Neorolog. CeotralbL 1898. S. 606.
D g ii/od oy GOO^ Ic
I0S8
dann die Krankheit progressiv entwickelt. Aber ancb dann kommen in einzelnen
Fällen nochmals Remissionen vor.
In einer Anzahl anderer Fälle zeigen sich die initialen Symptome der pro¬
gressiven Paralyse in reflectorischer Pupillenstarre, Mangel der Sehnenrefleze
oder erheblicher Stärke derselben, in Analgesie der Unterschenkel, in gewissen
Veränderungen des Charakters und in Andeutung von Sprachstörung und Stö¬
rungen der Schrift, dazu treten hypochondrische Verstimmungen — die Diagnosp
auf progressive Paralyse wird gestellt, aber die Progression tritt nicht ein, ja
die hypochondrischen Verstimmungen, die Exaltationen verschwinden, der Etankp
ist wieder thätig im Beruf —, es ve^hen zuweilen Jahre, ehe es zu aiier
fortschreitenden Entwickelung der Kraiüüieit kommt
Die Böcksichtnahme auf diese nicht allzu seltenen Fälle hat eine besondere
praktische Bedeutung. Bei der Diagnose der progressiven Paralyse wird auf
die „Progression“ bei Aerzten und Angehörigen der Kranken hau^ der Haupt-
werth gel^ Das Ausbleiben der Progression lässt dann die geeilte Diagnose
unrichtig erscheinen. Man thut demnach gut, bei der gescherten Diagnose der
progressiven Paralyse doch auf die mehr und mehr sich häufenden Beobach¬
tungen von Remissionen und längerem Stillstehen des Prooeeses hinzuweiaeiL
Dass auf der anderen Seite auch ebenso wie früher im Gegensatz dacu
die Fälle nicht selten sind, in welchen die Demenz sieb ungemein rapid oit-
wickelt, und sehr schnell dazu führt, dass der eben noch im Beruf tbitige
Paralytiker zu jeder Arbeit unfihig wird, mag hier nur angedentet werden, ln
der Mehrzahl dieser Fälle steht dies im Zusammenhang mit apoplectifonueo
Anfällen, welche, nicht beachtet, als Schwindel bezeichnet weiden oder ancb in
der Nacht unbemerkt aulgetreten sind.
Wenn nach den eben geschilderten Bichtangen hin die Paralyse in den
letzten Decennien milder in ihrem Verlauf geworden zu sein scheint, so ist anf
der anderen Seite nicht zn verkennen, dass ihre Ausbreitung eine grössere
worden ist
Ziffemmässig lässt si<b zwar mit Sicherheit die relative Zunahme «kr
Häufigkeit, d. h. eine procentoal grössere Häufi^eit, als sie der Zunahme <kr
Bevölkerui^ entspri<fiit, nicht nachweisen, wenn auch immerhin diese Zunsho«
wahrscheinlich ist, — aber bei dem weiblichen Gesrfiüechtj ist äne stfidte Zu¬
nahme ganz evident.
Ich erinnere daran, dass Neuhakn noch im Jahre 1859 behaupten konnte,
dass die progressive Paralyse nur eine dem männlichen Oeechledit eigenthöm-
liehe Krankheit ist, jetzt ist die Häufigkeit der Erkrankung bei den Frauen m
gestiegen, dass jetzt auf etwa 3,5—4 Männer 1 paralytisdie Frau kommt
Ich weise in dieser Beziehung anf Obeidenbbbo’s Aufsatz* hin, in welcbes
sich die diesbezügliche Litteratnr findet Nach den Zusammenstellungen ins
* Nearolo^. Centralbl. 1898. Nr. 8.
Dig'Uzcd Dy Google
1089
meiner Poliklinik' ist das VeriüUtniss der Paralyse der Männer zu den Frauen
wie 3,9; 1,
An dieser Stelle sei auch auf die zunehmende Häufigkeit der Erkrankung
von Eh^tten an Paralyse, bezw. an Paralyse und Tabes, hingewiesen.
loh habe, wie ich glaube, zuerst auf das Vorkommen von Paralyse bei
Eh^tten aufmerksam gemacht*
Meine Erfahrungen erstrecken sich jetzt auf 20 Ehepaare.
In 7 Fällen entwickelte sich bei beiden Ehegatten progressive Paralyse.
In dem einen Fall inficirte der Mann in der Hochzeitsnacht seine Frau, er er¬
krankte nach 16jähriger Ehe an Paralyse und ging 3 Jahre später duan zu
Qmnde.
Schon etwa Jahr vor dem Tode des Ehemanns begannen die Erschei¬
nungen der prc^ressiven Paralyse bei der Frau, welche nach 6 jähriger Erkrankung
ebenfalls derselben «‘lag.
ln 6 f^len erkrankte der Mann an progressiver Paralyse, die Frau an
Tabes, in 3 Fällen der Mann an Tabes, die Frau an pr<^;ressiver Paralyse, und
in 4 anderen Fällen erkrankten beide Ehegatten an Tabes.
Von besonderem Interesse erscheint 1 Fall, in welchem ein Mann seine
Frau inficirte. Der Mann geht an Paralyse zu Grunde, die Frau verheirathet
sich wieder, der zweite Mann erkrankt an Tabes, und jetzt erkrankte die Frau
selbst unter den Erscheinungen einer organischen Erkrankung des Gentral-
nervensystems (reflectorische Pupillenstarre, Mangel der Patellarreflexe), wobei
es augenblicklich noch zweifelhaft ist, ob mch Paralyse oder Tabes ent¬
wickeln wird.
Während ich in Bezug auf den Durdischnitt des Alters, in welchem die
Paralyse am häufigsten auftritt, kaum eine wesentliche Difierenz g^n früher
finden kann, hat sich doch die Zahl der Fälle von progressiver Paralyse bei
Kindern in auffallender Weise gehäuft
Baillabobb fand im Jahre 1850 unter 400 Fällen von IWalyse nur
1 Fall onter 20 J^iren, jetzt werden in rascher Aufeinanderfo^ zahlreiche Fälle
von Paralyse im jugendlichen Alter veröffentlicht*
Hierbei tritt uns die mit Rücksicht auf das Verhältniss der Häufigkeit der
Paralyse bei Männern und Frauen auffallende Thatsache entg^n, dass die
Paralyse im jugendlichen Alter zum mindesten in derselben Häu^keit beim
weiblichen Geschlecht auftritt, als beim männlichen. Nach meinen eigenen £r-
fahmngen ist sie bei ersterem sogar häufiger.
Die hereditäre Syphilis als ätiologisches Moment dieser Paralyse im jugend¬
lichen Alter ist nach den vorliegenden Erfahrui^en nicht zu bestreiten.
Vielleicht gelingt es in der Zukunft, durch genaue anatomische Unter-
snohnnngen gerade dieser ji^ndlichen Fälle zusammen mit dei^jenigen Fällen,
* DiBsertotion tod Hdusoh.
* Neorolog. Ceotralbl. 1888. S. 884; cf. aach Litterator bei LüHBMAmr, ebenda. 1895.
632.
* cf. Guddui, Äroh. f. Peycb. 1894. XZVI. S. 480 (ZoBamineDsteUnng von 20 Fällen).
D:, .- vGOOgIC
1040
welche HouAn als familiäre progressiTe Demenz beschrieben hat, die Bröcka
za finden, welche die syphilitischen Erkrankungen des Neiren^stems mit deooi
der progressiTen Paralyse Terbiuden.
Fragt man nach der Ursache der eben gesdülderten VeränderangeD des
klinischen Bildes und der Zunahme der progressiTen Paralyse, speciell auch be
Frauen, so dürfte in Bezug auf die letztere, die Ausbreitung der Paralyse,
die Erklärung nicht allzu schwer sein.
Sieht man die Prädisposition zur Paralyse in der grossen Mehrzahl da
Fälle gegeben in der Syphilis (über 75 ^/ 0 ), und die Ursache in dem Kampfe
ums Dasein, in getäuschten J&fiüiangen, in ungezügelten Etu^^ bei nicht
entsprechender Begabung für die Ziele desselben, so wird die Ausbreitung der
Krankheit bei Erwachsenen bei der unleugbaren Zunahme der ^hilis, wie
jener psychischen Schädlichkeiten zu verstehen sein.
Sie wird bei dem weiblichen Geschlecht mit der zunehmenden Hmmnztänng
desselben in den socialen Kampf zunehmen müssen, und würde dasselbe be
der Durchführung der sogenannten „Emancipation'' der Frauen noch in skt
steigerndem Grade thun.
Schwierig d^^n und zur Zeit wohl unlösbar erscheint die Aufgabe, die
Veränderung der Form zu erklären.
Dass nicht etwa die vorang^angene antisyphilitisdie Behandlung im Stande
ist, das klinische Bild zu ändern, lässt sich leicht durch Vergleich derjenign
Paralytiker, welche antisyphilitisch behandelt, mit denjenigen, welche nidit s»
behandelt worden sind, beweisen.
Ebensowenig kann etwa die „friihere Intemirung und die bessere Bebind*
lang** zur Erklärung herangezc^n werden.
Ich glaube nicht, dass seit 20 Jahren ein wesentlicher Unterschied,
speciell in Bezug auf die wohlhabenden Stände, aus denen meine eigene oben
g^bene Statistik, wie die des Herrn Dr. Sohounub, stammt, eii^treteo ist
Da^ unsere Gehirne in den letzten 25 Jahren weniger widerstands&hg
geworden sind, dass sie nicht mehr im Stande sind, rieh zn znaniacaliscbmi Exil-
tationen in ezeessiver Weise zn erheben, dies werden wohl die Anh&ng pr der
zunehmenden „Degenerescenz“ annehmen; ich halte eine solche Annahme für
nicht erwiesen, bezweifle sie und glaube nicht an die Degenerescenzen io des
Umfange, wie sie jetzt als Schlagwort, spedell in der P^chiatrie, gebiaocbt
werden.
Man könnte daran denken, dass das syphilitische Gift gewisse Aendemogei
erfahren hat So viel ich weiss, ist auch die Syphilis der übrigen inneren Oigur
milder geworden, wobei es dahingestellt bleiben mag, ob die Behandlung slkiD
dies hervorgebracht Aber auch für jene An nahm e fehlt es bisher an iigend-
welch sicheren Anhaltspunkten.
Es muss demnach der Zukonft Vorbehalten bleiben, jene eigenthämlkbrn
Thatsachen zu erklären.
,gGoogle
1041
U. Referate.
Anatomie.
1 ) Bxperiments in examinstion of the peripheral diBtribntioxi of the
flbres of the posterior roots of some spinal nerres, by C. S. Sher rington.
Part U. Philosoph. Trans, of tbe roy. sociely of London. Series B. 1898.
Vol CXC. S. 45—186.
Die Arbeit des Yerf.’e enthält viel mehr als der Titel Tersprichi Anaser ge*
naaen experimentellen Untersnchnngen Aber die Yertheilnng der Hals* und obersten
Brnstnerrenwurzeln in den Haut* and Muskelgebieten, speciell beim Affen, bringt
der Yerf. noch gleiche Untersnchnngen Aber den Trigeminns, ferner auch fAr die
menschliche Pathologie sehr wichtige Untersnchnngen Aber das Yerhalten von Affen
nach totalen Qnertrennnngen des BAckenmarks, mit specieller BAcksicht auf das
Verhalten der Sehnenreflmce, and schUesslich sehr ansAhrliche Hittheilnngen Aber
die Abrigen spinalen Beflexe nach Trennung des BAckenmarks ?om Oehim. Die
Arbeit verdient ein eingebendes Beferat, vielleicht sogar ein noch eingebenderee als
der verfAgbare Ranm leider an geben gestattet.
Die experimentellen Methoden des Yerf.’s, znnächst im ersten Theile der Arbeit,
bei der Untersuchung Aber die Yertheilnng der hinteren und vorderen Kervenwnrzeln
in Haut und Muskeln waren die folgenden: Zar Feststellung der Hantgebiete der
einzelnen hinteren Wurzeln benutzte Verf. die Methode der „remaining aesthesia'';
es wurden die der zu prAfenden Wurzel proximal und distsd zunächst gelegenen
4—5 hinteren Wurzeln intravertebrai durchschnitten und nun festgestellt, in welchen
Hauttheilen noch gefühlt vrurde. FAr die Beurtheilung der Yertheilnng der vorderen
Wurzeln in den Muskeln wandte Yerf. zwei Methoden an: erstens die elektrische
Beizung derselbeni zweitens ihre Durchschneidung, proximal vom Intravertebral*
ganglion; nach Entritt der absteigenden Degeneration wurde das Thier dann ge*
tCdtet, die betreffenden Kerventbeile in Osmium fixirt und die Plexus und Kerven
aofgeÄisert, und die degenerirten Fasern in die einzelnen Muskeln verfolgt Diese
letztere Methode gab besonders genaue Besnltate.
Auf di^ Weise bat der Yerf. nun zunächst den Trigeminus, Yagos, Hypo*
glossus, die 8 cervicalen und die ersten beiden dorsalen Nervenwurzeln untersucht
Es kann hier natürlich nicht auf alle Einzelheiten der Besoltate dieser Experimente
eingegangen werden, dazu muss Bef. auf die Experimentberichte, die Schemata und
Tabellen, speciell 8. 66 und 67, 8. 119, 121 und 127 verweisen. Es stellt sich
vor allem auch hier heraus, dass die Hantgebiete der einzelnen sensiblen Wurzeln
sehr erheblich ineinander Abergreifen, „overlap“; und dass die einzelnen Muskeln von
sehr vielen verschiedenen Wurzeln Fasern beziehen. Im ganzen stimmen die Besnltate
am Affen, auch in ihren Varietäten, Aberein mit den klinischen Erfahrungen, die
durch Thorburn, Allen Starr, Makenzie, Head, Kocher und dem Bef. an
Menschen gemacht sind (8. 91). Yon iuteressanten Einzelheiten mag folgendes er*
wähnt werden. Nach Durchschneidung des Trigeminns fehlt beim Affen der Qeschmack
an den vorderen der Zunge, ebenso wie das GefAhl; hinten und an Tbeilen des
Gaumensegels fühlt und schmeckt der Affe (Glossopharyngeus). Theile des Ohres
werden von oberen Cervicalnerven, vom Trigeminus und auch vom Yagos versorgt
Die einzelnen Aeste des Trigeminus verhalten sich nicht vrie gesonderte spinale
Nervenwnrzeln, sie greifen nur in dem geringen Maasse ineinander Aber, vrie es die
peripheren Nerven thun; ein starkes Uebergreifen findet erst zvrischen 2. cervicalen
Nerven und Trigeminus statt. Der Hypoglossus und die 1. Cervicaiwurzel haben
66
■' Google
1042
kein sensibles Oeblet, die 2. entspricht erst dem eccipitalis nmjor. Das Gebiet
der 5. hinteren Cerricalirorzel kann sich nach unten am Bnmpfe bis an die Brost*
Warze erstrecken, was einen Fall des Bef. erkl&ren würde. Das Zwerchfell wird tod
der 4.. 5. nnd 6. Cerricalwnrzel yersorgt; von der 4. vom, yon der 6. hinten. Die
2. dorsale Worzel versorgt sensibel die obere innere Seite des Oberarms, motorisch
kleine Uandmoskeln, wohl auch meist beim Menschen. Kor ist der Cervicalplexos
beim Menschen im G^ensatz znm Affen praefixirt nnd betheiligt deshalb nicht immer
motorisch die 2. dorsale Wurzel. Die Angenfasem für Dilatator pupillae und glatte
Muskulatur der Orbita kommen nicht nur aus der 1., sondern auch noch ans tiefem
Dorsal wurzeln.
Capital II handelt über das segmentale Schema der Innervation der
Glieder. Bei oberfl&chlicher Betrachtung scheinen in der Anordnung der Ansbreitunga*
gebiete der motorischen nnd der sensiblen Wnrzeln an den Gliedern sehr erhebliche
Differenzen zu bestehen. Die motorischen Felder bilden oootinnirliche Strahlen, die
alle an der Medianlinie des Bnmpfes beginnen and mehr oder weniger weit in die
Bxtremit&t bineinreichen: mit anderen Worten, aoch die Wurzeb, die die Mnskein
an den äuseersten Extremit&tenenden innerviren, innerviren doch zngleich solche am
Bnmpfe. Die sensiblen Felder scheinen dagegen znm Theil vom Bnmpfe losgritet;
die Hantgeblete der 7. und 8. cervicalen nnd 1. dorsalen Wurzel z. B. erreichen
nirgends den Bnmpf. Doch besteht diese Differenz nnr zwischen Haut» und moto*
rischen Muskelnerven, nicht zwiechen sensiblen and motorischen Wnrxelo im all¬
gemeinen; denn da, wo die betreffenden hinteren Wnrzeln die Hant in der Mittel¬
linie nicht erreichen, erreichen sie die Mittellinie doch in den Hnskeln — als
sensible Hoskelnerven — und in anderen sabcntanen Gebilden, sie bilden also such
vollkommene Strahlen. Die sensiblen Moskelnerven entaprii^en immer genan aus
dem Spinalganglion des Segments, ans dem auch der betreffende motorische Mnskel*
nerv stammt; als Beispiel dient das Diaphr^ma S. 94.
Das 3. Capitel hüidelt von der „segmentalen Architectnr der Glieder“,
speciell der oberen Extremit&t Die nervösen Elemente eines Gliedes bilden den
besten Führer, am znm Yerst&ndniss seinw segmentalen Architectnr zu kommen.
Vorher beantwortet Verf. aber noch einige andere Fragen. 1.: Ist der Grad des
Ineinandergreifens der Uantgebiete der einzelnen benachbarten hin¬
teren Wurzeln überall gleich gross? Das ist nicht der Fall. Am Bumpfe
z. B. betheiligt sich beim Äffen an einem Hantgeblete neben der Hauptwnrzel nur
je eine halbe darüber nnd darunter gelegene Wurzel; an den Extremitäten erhält
jede Hantatelle 3 volle Wurzeln; an einzelnen Stellen ist die Versoigang sogar ebe
4 fache, z. B. am äusseren Ohr — Trigeminns, V^os, 2. and 3. Cervicalwnrxel
Die 2. Frage ist die: Ist das Ineinandergreifen der Felder der sensibleo
Wurzeln grösser oder kleiner als das der peripheren Kervenatämm»?
Es ist viel grösser, selbst an Hand und Fuss. Hedianus, Ulnaris und Badialü
greifen hier nnr sehr wenig ineinander Ober; dagegen werden grosse mittlere Par*
tieen der Hand und der Finger dorsal und ventral zugleich von der 1. dorsalen, 7.
und 8. cervicalen Wurzel innerviri Topographisch bestehen zwischen beiden „Overlap“
keine Beztebnngen. Die 3. Frage ist: Geht das Ineinandergreifen der Uaat-
bezirke der verschiedenen hinteren Kervenwnrzeln parallel der Ani-
stomosirnng verschiedener Wurzeln in einzelnen Muskeln? Diese Fngs
ist mit Ja zn beantworten. Es giebt 2, 3, 4 und mehr segmentäre Muskeln, an
den Gliedern nnr ganz wenige nnisegmentäre, d^egen werden die Intercostalmuskelo
nur von einer Wurzel versorgt. Die Hand- and Fussmoskeln zeigen die stärkste
Vermischnug von motorischen Wnrzeln verschiedener S^mente. Die 4. Frage ist die:
Was hat das „Overlapping*' fonctioneli zu bedeuten? Das sensible könnt«
ein besonders gutes and feines Gefühl bedingen sollen. Dagegen qnicht aber, dass
es am Handrücken ebenso stark ist, wie an der Volarüäche. Auf der anderen Seit«
Google
1043
sieht man in einzelnen Muskeln oft so wenige Fasern eines einzelnen motorischen
Segments gehen, dass diese fnnctionell kaum eine Bedeutung haben können. Die
Anastomosirung hat eben eine morphologische, keine functionelle
Grundlage.
Im Verhältniss der einzelnen Wurzeln zu Muskeln und Haut kommen
grosse indiridnelle Unterschiede vor. Es giebt prae- und postfixirte Typen;
auch geringe bilaterale Äsymmetrieen kommm vor. Am Beine sind die Varietäten
noch grösser, als am Arme. Sie bieten der Segmentdiagnose die grössten
Schwierigkeiten; man darf, wie auch Bef. stets hervorgehoben hat, diese nicht
auf die Schneide des Messers stellen, muss sich einrnr gewissen Spielraum
lassen.
Nach Erledigung dieser Praeliminarfn^en kommt Verf. wieder auf die segmentale
Arcbitectnr der Glieder, speciell des Armes, zurtick. Die Hautgebiete der einzelnen
Wurzeln des Plexus brachialis sind um eine dorsale und ventrale Mittellinie
am Arme gruppirt, welche Linien sich als seitliche Ausbuchtungen der gleichen
Linien des Rumpfes ansehen lassen und senkrecht auf diesen letzteren stehen. Die
einzelnen Wurzeln betheiligen also alle sowohl dorsale wie ventrale Theile der Haut
des Armes. Besser als eine Beschreibung zeigen diese Anordnung die Schemata auf
S. 66 und die Tafeln. Die nach vom (oral) von diesen Mittellinien gelegenen
Theile verbrauchen sowohl am Arme wie am Beine mehr Segmente, als die nach
hinten (aboral) gelegenen — sowohl die Muskeln wie die Haut. Zwischen einzelnen
Wurzeln der Arme und der Beine bestehen merkwOrdige Uebereinstimmui^en. So
versorgen die 8. cervicale und 6. lumbale Wurzel beide die Haut des ganzen freien
Endes vom Arme oder Beine und eines Theiles vom Unterschenkel oder Unterarme
und ihre motorischee Fasern erstrecken sich Über die ganze Länge des Gliedes; sen<
sibel erreichen dagegen beide den Bumpf nur in subcutanen Geweben. Ebenso
merkwürdig ist die Uebereinstimmnng zwischen 2. dorsaler und 8. postthoracicaler
Wurzel. Beide innerviren motorisch die äussersten Muskeln an Hand und Fuss;
ihre Hautgebiete sind weit davon getrennt, liegen am Oberarm und Oberschenkel.
Die motorischen Felder der einzelnen Wurzeln des Plexns brachialis bilden Strahlen,
die im rechten Winkel znm Kumpfe stehen und parallel miteinander verlaufen. Der
am weitesten nach hinten gelegene Strahl, der aus der 1. oder 2. dorsalen Wurzel
kommt, ist der längste, gebt am weitesten am Eztremitätenende; der am weitesten
nach vom gelegene ist der kürzeste — alle gehen sie aber vom Kumpfe aus (siehe
Tabelle S. 119 und Diagramm 120). Dass die Ansicht von Krause und van der
Kolk, welche annehmen, dass die Muskeln von denselben Wurzeln versorgt werden,
wie die sie bedeckende Haut, nicht stimmt, zeigt am besten die 2. dorsale Wurzel
(siehe oben).
Auf 8.123 und den folgenden bringt Verf. eine tabellarische Uebersicbt über
die Erfolge der elektrischen Beizung der einzelnen Wurzeln des Plexus brachialis.
Seine Besultate stimmen mit Ferrier und Yeo überein. Man beachte besonders das
Schemas. 127, das auch hier das „Overlapping“ zeigt. Jedes einzelne Wurzel«
bOndel enthält schon Fasern für eine ganze Anzahl von Muskeln.
Damit schliesst der erste grosse Abschnitt der Arbeit des VerL’s. Der zweite
beschäftigt sich mit den Beflezen im vom Hirn abgetrennten, also isolirten Bücken¬
mark. Der Schnitt wurde meist über der 1. cervicalen Wurzel gemacht, manchmal
weiter unten, einige Male in praepontinen Niveaus. Es wurden dann erst — mit
Bficksicht auf Prae- oder Fostflxation — die einzelnen Wurzeln gereizt; die so er¬
folgten Beflexe sind in einer Tabelle S. 130 n. f. znsammengestellt Die Natur
macht solche Experimente nie; die Tabelle ist also nur zu gebrauchen im Vergleich
mit den bei Beizung einzelner peripherer Nerven oder Hantstellen erfolgenden Reflexen:
in letzterem Falle geht die Bahn immer durch mehrere Wurzeln.
66 *
,Google
1044
Der n&chste Abschnitt ist einer von den wichtigsten der ganzen
Arbeit wegen der Aosblicke, die er anf die menschliche BflckenmarkB*
Pathologie gestattet Verf. geht davon ans, dass die Untersnchongen Aber die
Befleze im at^etrennten BQckenmarke des Affen wesentlich gestört werden, zanächst
durch die Shokwirkung dieser Operation. Diese Shokwirknng erstreckt sich nur nscli
unten, nie nach oben vom Schnitte, was bei der grossen Menge aufsteigend leitender
Bahnen sehr merkwürdig ist. Sie ist nahe am Schnitte — also meist in den Armen —
grösser und andauernder als in den Beinen. Die Shokwirkung ist beim Affen eine
sehr grosse. Einige Secunden nach der Durchschneidung hängen bei ihm die Beine
schlaff herab — selten kommt es au ganz schwachen Muskelzncknngen —, alle
Befleze fehlen. Kach etwa 20 Minuten kommen Hantrefleze wieder, nmnchmal zoerst
der sogenannte gekreuzte Kniereflez, dann Plantarreflez, dann allmählich andere.
Die Knierefleze fehlen nach der Dnrchschneidung Tage und Wochen;
nur in sehr seltenen Fällen kehren sie sehr früh wieder. Der Blasenreflez erholt
sich bald — suerst muss manchmal katheterisirt werden. Der Tonne des Sphincter ani
bleibt erhalten, die Defäcation geht normal von Statten. Alles in allem bleiben
beim Affen auch nach Smonatlicher Beobachtung nach totaler hoch-
sitzender Durchscheidnng der Mednlla die Befleze schwach und spär¬
lich, doch herrschen hier auch grosse individuelle Verschiedenheiten.
Vor allem ermüden die Befleze auch leicht Jedenfalls unterscheidet
sich der total paraplegiscbe Affe sehr erheblich von Hund und Katze,
wo nach gleicher Operation die Sehnen« und Hautrefleze sofort enorm stark sind
und starke Spasmen eintreten. Der Hund unterscheidet sich in dieser Be¬
ziehung weniger vom Frosch als von dem ihm viel näher stehenden
Affen. Doch sind die Unterschiede nnr quantitative, nicht qualitative; von den
Nervenwurzeln ans kann man auch beim Affen nach totaler Dorchschneidung alle
Befleze hervorrnfen.
Uebrigens bleibt es beim Affen nach der totalen Durchschneidung nicht bei der
Shokwirkung — einer Art Hemmung —, sondern es bleiben, wie erwähnt,
dauernde Ausfallserscheinungen zurück, auch wenn der Shok vorüber Ist
Diese beruhen anf „Isolirungsveränderungen" — „isolation alt eration“ ^
des abgetrennten Bückenmarks. Auch diese Ausfallserscheinung en sind sIsd
beim Affen viel grösser als bei allen anderen geprüften Thieren; der anfhörende
Effect des Shoks geht allmählich io den zunehmenden der Isolimngsalteration über.
In der That ähnelt der ganze Status des total paraplegischen Affen
sehr dem des Menschen, wie ihn neuere Untersnchongen — Bastian,
der Bef. und Ändere —, speciell was die Mangelhaftigkeit der Befleze und der Coo-
tracturen anbetrifft, festgestellt haben. Nur ist die Shok- und Isolirungswirkung b^
Menschen noch stärker und andauernder als beim Affen, was, wie Verf. sagt, bei
dem noch feineren Ban und der feineren Function des menschlichen Bückwmarts
nur natürlich ist Anch sind die Verletznngen hier meist gröber. Deshalb
kommen beim Menschen nach totaler Durchtrennnng die Sehnenreflexe
ttberhanpt nicht wieder, selbst die Hautrefleze können in seltenen Fällen dauernd
fehlen. Auf die Möglichkeit und Natürlichkeit solcher Unterschiede in
diesen Dingen zwischen Hund und Mensch hat Bef. schon in seiner Be¬
sprechung der Arbeit Bischofs (d. Centralbl. 1897. S. 77) hingewieaen
Seine Annahmen finden hier eine sehr erwünschte Bestätigung.
Erwähnt mag noch werden, dass beim paraplegischen Affen schliesslich Beoge-
contractnr der Beine entsteht; Verf. meint, beim Menschen trete, wenn überhaupt.
Streckcontractnr ein; doch ist gerade bei schweren Paraplegieen such
beim Menschen Bengecontractur nicht selten; allerdings vor allem in
den Fällen, wo alle sonstigen Erscheinungen auf totale Qaerläsion
hinweisen,dieSebnenrefleze aber wenigstens sehr lange erhaltenbleibea.
Google
1045
Der letzte ^osse Theil der Arbeit des Yerf.'s, der sich mit den Gesetzen der
knnen und langen Beflexe am isolirten Bflckenmark befasst, bat ein mehr rein
physiologisches Interesse. Unter kurzen Reflexen versteht der Verf. solche Beflexe,
die in einer sogenannten spinalen Region ablaofen, ohne in andere flberzngehen.
Als solche Regionen führt er beim Affen an: Schwanz, untere Extremit&t, Bampf,
Arm and Nacken. Als 1. Gesetz für die kurzen Beflexe führt er an, dass Beflexe
Ton einem Segment sich am leichtesten in benachbarte Segmente aus-
breiten; man beachte aber hier, was er S. 145 über den Begriff eines Segmentes
im Allgemeinen sagt. Der geringste Widerstand (2. Gesetz) steht der Ausbreitung
der Reflexe in den Segmenten gegenüber, dessen Wurzeln gerade gereizt werden,
doch ist er manchmal kaum grösser gegen die Ausbreitung auf benachbarte Seg¬
mente. Am Rumpfe breiten sich die Reflexe leichter aboral- wie oraiw&rts aus, was
im Widersprach zu Pflüger steht Ein 3. Gesetz sagt, dass ein Beiz von einer
einzigen zuführenden Wurzel oder auch nur eines Bündels derselben
reflectorisch durch mehrere Wurzeln austritt; der Reflex ist pluri-
segmentaL Functionell zusammengehörige ZeUgroppen senden ihre Ausl&ufer durch
mehrere Wurzeln. Namentlich ist das an den Extremitäten so, wo jeder Muskel
TOD mehreren Wurzeln versorgt wird, weniger am Rumpfe, da die Intercostalmnskeln
oni8^;mentär sind. Die spinalen Nervenwurzeln sind morphologische Einheiten, ihre
Fasern vertheilen sich in Muskeln ganz differenter Function; die peripherischen
Nerven sind physiologische Einheiten. Die Flexas sind dazu da aus den mor¬
phologischen Einheiten durch ümlagerung functionelle zu machen; sie
sind deshalb an Arm und Bein nötbig, weil hier eine functionell einheitliche Function,
z. B. eine Beugung, die peripher in einem Nerven verläuft, von Fasen) aus einer
ganzen Anzahl von Wurzeln aasgelöst wird; am Rumpf sind sie nicht nöth^, weil
der periphere Intercostalnerv nnisegmentär ist
Ein 4. Gesetz S{^, dass wenn der Reflex auch den geringsten Wider¬
stand findet, doch der Widerstand der einzelnen Zellgrnppen dieses
Segmentes noch ein verschiedener ist Auf einzelne 2iel^ruppen desselben und
auch benachbarter Segmente geht der Reflex leichter über als auf andere; die meisten
Reizni^en führen z. B. zu reflectorischer Beugung der unteren Extremitäten, kaum
welche zur Streckung. Deshalb gerathen auch die Beuger leichter in Contractnr, da
jeder Hantreflex am Beine Beugung in allen Gelenken hervorruft, so wird ^ese
Stellung schliesslich fixirt (Bef. glaubt, dass auch beim Menschen in den Fällen
paraplegischer Bet^econtractur diese Stelluog auf Hautreflexen beruht — auch hier
fllbrt jeder Hautreiz zu reflectorischer Beugung.)
Diejenigen Zellengruppen eines Segmentes, die bei Auslösung eines Reflexes Be¬
wegungen nicht auslösen, versorgen die Antagonisten derjenigen Muskeln, die dabei
in Bewegung gerathen. Bei einer bestimmten Bew^ng gerathen also die Anta¬
gonisten nicht gleichzeitig in Bewegung, wie Winslow und Duchenne glaubten.
Gehen die Reflexbewegungen von einem Gelenke auf ein anderes über, so führen sie
in allen stets zu combinirten Bewegungen, die zu einer gemeinsamen Function ge¬
hören, z. B. zu Beugung aller Gelenke eines Beines, eine Stellung die beim Schritt
nöth^ ist
Die langen intraspinalen Beflexe verlaufen von einer spinalen Region
(siebe oben) zu anderen. Auch sie gehen meist candalwärts (g^en Pflüger), doch
kommt auch das umgekehrte vor. Die Armreflexe, die näher am Schnitt liegen,
sind deshalb überhaupt schwer auszulösen; auch in Folge dessen ist ein aufsteigender
Yerlanf der Beflexe seltener. Streckung in EUenbogen und Enie kommt leichter als
langer, wie als kurzer Reflex vor. Der lange Reflex von Arm zu Bein tritt leichter
ein als der von einem Arm zum anderen quer durch das Mark; überhaupt sind die
primären langen Reflexe uugekreuzt.
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1046
Das Gaeetx PflQger’a, dass gekreaste Reflexe symmetrisch mit deo angekreazteo
sind, stimmt nicht Als gekremter Reflex an den Beinen tritt z. B. h&ofig Streckung
ein, die auf der gleichen Seite so schwer sn erreichen ist; wir haben dann auf der
gereizten Seite ^Beogung, anf der gekremten Streckung des Beines (Gan^w^ng).
Auch kann entgegen Pflflger der gekremte Reflex der stärkere sein. Scheinbare
gekreuzte Reflexe, die bei Sehligen auf die Glieder n. s. w. eintreten, z. B. Addnction,
gekreuzter Kniereflex, sind keine echten Kreuzungen; sie entstehen dnrch Brschflttenmg
der Wurzeln selbst auf der anderen Seite.
Alle diese verschiedenen Reflexgeeetze werden durch reichliche Beispiele illustrirt
Der Aufsatz enthält das Resultat einer enormen Arbeitsleistung; das
Referat, obgleich lang, konnte nnr die Hauptzflge hervorheben. Jeder, den es an*
gebt, muss das Original doch selber lesen. L. Bruns.
Pathologie des Nervensystems.
2) XTeber Beri-Beri, von F. Grimm in Berlin. (Deutsche med. Wochmischrift.
1898. Nr. 29.)
Die nicht an tropisches Klima gebundene Krankheit „Beri*Beri“ beruht
nach der Ansicht der meisten Autoren anf peripherer Neuritis. Bin einheitliches
Krankheitsbild ist bisher nicht geschaffen; Terf. findet in der Litteratur bezflglich
der Symptomatolc^e vielfach widersprechende Ansichten und führt diese Thatsache
zurück auf Nichtbeachtung des Momentes der Entwickelnngsperiode der
Krankheit und der Möglichkeit wiederholter Infectionen während des
Verlaufes. Verf. unterscheidet zunächst Initialsymptome: Zunahme der Puls*
frequenz, gesteigerte Erregbarkeit des Herzens, Gefühl vcm Schwere im Epigastrium,
Beklemmungen, Parästbesieen, Druckschmerz der befallenen Muskeln (vorwiegend an
den Unterextremitäten), stellenweise herabgesetzte Hautsensibilität, fast constaot
Steigerung des Patellarreflexes und der elektrischen Err^barkeit, hartes Oedem flbtf
der vorderen Tibiafläche, gedunsenes Gesiebt, regelmässige Temperaturstdgemng, in
schweren Fällen als böses Omen Nausea. Die genannten Symptome können an Inten*
sität in weiten Grenzen schwanken. — Das einfache, uncomplicirte Beri*Beri lässt
drei, allerdings nicht sehr scharf getrennte Perioden unterscheiden. Im ersten, kaum
eine Woche überschreitenden Zeiträume Temperaturerhöhung, Steigerung sämmtUcher
Initialsymptome; die zweite Periode kann einige Wochen währen, die Temperatur fällt
ab, es bleibt aber eine gewisse Unruhe in der Fiebercurve, Pareeen treten anf mit
Entartungsreaction bezw. völligem Schwinden der elektrischen Err^barkeit und
Atrophie, das Kniephänomen wird träge und baumelnd bei starkem Ausschläge —
das Schlnssstadinm, die Reconvalescenz kann einige Tage, in schweren Fällen einige
Monate anhalten, bei den Ueberlebenden ist Heilung die Regel Die Temperaturen
sind normal, der Pstellarreflex, anfangs meist völlig fehlend, kehrt allmählich zurück.
Das einfache Beri*Beri macht keine Encerbationen, Becidive und intermittirende
Fieberbewegungen, diese Elrscheinongen zeigen sich dag^n bei dem dnrdi Neu*
infection während des Verlaufes entstehenden Beri*Beri accumulatum. Dieses führt
im Gegensatz zum einfachen Beri*Beri sehr häufig zum Tode. Oie patholog^ische
Anatomie hat bisher zu selten die erste Periode des Beri*Beri, die Zeit der actnellen
Erkrankung, berücksichtigt und ist keineswegs abgeecblossen. Die Annahme einer
Neuritis ist nach Verf. bisher nicht sicher fnndirt Die Therapie ist rein sjrmpto*
matisch. Obwohl das Virus unbekannt, haben sich, besonders in Japan, bestimmte
prophylactische Anhaltspunkte ergeben: Freibleiben von Europäern in Japan, wenn
sie bei europäischer Küche bleiben, Säuberung der japanischen Marine von Beri-Beri
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1047
durch consequente Regelung der NahrungsaufnaliiDe der Uaunschaften im Sinne eure»
päischer Di&t, Befreiung der japanischen Gefangenanstalten von Beri«Beri durch
strenge Regelung der Zubereitung der Speisen und Em&hmng. Vieles spricht dafür,
dass die Beri*Ben-Koxe mit Seetiren in Zusammenhalt xn bringen ist und durch
Zubereitung, z. B. Garkochen, unschädlich gemacht werden kann. — Die „Reistheorie“
isttsufzugeben, ziemlich allgemein wohl schon anfgegeben. — Eine Raseenimmunität
ezistirt nicht, dagegen absolute Immunität im jüngeren B^desalter.
Es partidpirten an der Erkrankung von 10—16 Jahren 1,3 von 15—20
21,8 Ton 20—30 41,8«/o. von 30—40 20,7 °/o von 40—60 10®/o, von 50—60
37o> waren über 60 Jahre alt — 79,4^0 Patienten waren männlich, 20,6
weiblich. R. Pfeiffer (Cassel).
3) A note on the etiology of bezi*berl, by W. K. Hunter. (Lancet 1898.
26. Juni.)
Verf. bat in 2 Fällen von Beri-Beri wiederholt frische Blutproben bacteriologisch
untersucht. Die Cnlturen ergaben stets den weissen „Staphylococcus beri>beri“ von
Fekelbaring und Winkler. Impfversnche bei Kaninchen ergaben wenigstens in
einem Falle Lähmungssymptome und in allen Fällen peripherische neuritische Ver*
ändernitan. Hit dem Staphylococcus pyogenes albus ist der weisse Staph. beri-beri
nicht identisch. Die Nahrung der beiden Kranken hatte in Reis, Erbsen und ge*
dörrten Fischen bestanden. Das Culturverfahren ergab für den Reis die Anwesenheit
desselben Staphylococcus. Uebeigeimpfte Culturen ergaben bei einem Kaninchen
gleichfalls peripherisohe Nervenfaserdegeneration. Th. Ziehen.
4) Casxdstiaohe Beiträge aor Myopathologie, von Dr. Herzog (Mainz).
(Deutsche med. Wochenscbr. 1898. Nr. 37 u. 38.)
A) Ein Fall von Neuromyositis.
Der 22jährige, nervös belastete Pat. war früher im Wesentlichen gesund-und
neigt in den letzten Jahren zur Obstipation. Im Anschluss an eine Erkältung —
Fat. batte mehrere Stunden im Nassen gestanden und nasse Füsse bekommen —
stellten sich am folgenden Tage, anscheinend ohne Keber, Schwächezustände an den
unteren und oberen Extremitäten ein. Die Symptome nahmen zu, Ankleiden, Gehen,
Drehen des Kopfes, Lageverändemngen des Rumpfes fielen schwer, Aufrichten ohne
Zuhfllfenahme der Arme wurde unmöglich, zugleich das Schlucken mühsam (keine
Schmerzen). Das Schlucken besserte sich, die übrigen Symptome blieben zunächst
bestehen und erst in der 3. Woche b^nn Hebung der Kräfte. In der 2. Woche
traten in Kreuz, Bücken, Beinen, zuweilen in Armen und Schultern Schmerzen auf,
dieselben bestanden spontan im Krenz und an der hinteren Fläche des Oberschenkels
bis zum Knie, in den anderen Muskeln nur auf Druck oder bei bestimmten Stellungen.
Keine Veränderung der Haut, kein Ameisenlaufen u. s. w. Seit der 2. Woche Ab¬
magerung an Extremitäten, Brust und Rücken, Gewichtsabnahme von 14 Pfund.
Ca. 3 Wochen nach Beginn des Leidens ei^b die Untersuchung Atrophie der Mus¬
kulatur an den Extremitäten, an Brust, Schultergürtel, Bücken und Gesäss; der rechte
Ana ist stärker atrophisch als der linke. Insnfficienz des linken M. internus. Druck¬
schmerzhaftigkeit des I. Trigeminusastes beiderseits und des II. linken Astes an der
Durchtrittsstelle, beider Plexus in der Fossa supraclavicularis, der N. radiales an der
Umschlagstelle, der M. snpinatores, pectorales und vasti intemi. Grobe Kraft der
Extremitäten sehr gering, keine Spasmen, keine Störungen der Sensibilität, keine
Hautveränderung. Zittern der hervorgestreckten Zunge und der gestreckten Hände.
Eefiexe an der Tricepssehne und dem Processus styl, radii erhalten, Fatellarrefiexe
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1048
Tent&rki ICilxtamor. Starke Herabeetsong der elektrischoi Erregbarkeit an d»
Oberextremit&ten flkr bade Stromeaarten bei direeter und indireeter Beizong,
Zacknngen. Ord.: Arsenik, Oalvanisation nnd warme Bftdw. — Billige Tage sp&ter
fibrUl&re Zncknngen in den Terschiedensten Mnskelpartieen, starker Tremor beim
Spreiien der Finger bezw. Äasstreeken der Beine, wenig«* bei intendirt«i Bewegnngm;
Beflexe wie {rfthm-, dazu normale Unterkiefer«, Bancb«, CremastoreSexe, kein Achülee«
sehnen«, kein Patellarrefiex, kein Foseolonos. ^brill&re Zacknngen, Tremor und
Moakelsohmerzen dominiren fortan im Erankhdtsbilde, Beflexe nnTer&ndert Im
Jannar 1898 vdllige Genesnng.
Verf. hält die Diagnose Nearomjocdtis für sicher (Bef. kann sich dieser Ansieht
nicht anschliessen), da gegen reine NeoritU die Schmerzhaftigkeit der Mnskeln,
die einfache Herabsetznng der elektrischen Erregbarkeit und die dauernd normale
bezw. gesteigerte Intensität der oben genannten Sehnenreflexe sprächen (? Bef.). Als
Ursache der Erkrankung betrachtet Verf. die rheamatische Schädlichkeit.
B) Ein Fall von intermittirender Myositis interstitialis.
Der SOjähr., laotisch nicht inficirte OraTenr 0. T. hatte im Alter von 15 Jahno
nach einer Qaetschong der änsseren Seite des rechten Oberschenkels heftige Schmsrea
daselbst und Schwellang der aiflcirten Stelle, so dass er 4 — 5 Monate bettl^erig
war. 5 Jahre später an der gleichen Stelle nach einer Dnrchnässang wiedemm
Schwellang nnd heftige Schmerzen, Fat wurde 15 Wochen aofs Krankenlager ge¬
worfen, hinkt seither and batte oft an dem Verletzungsorte heftige Schmerzen. Das
rechte Bein magerte ab und die Bewegungsfähigkeit im Eni^elenke verringute sieb.
Nach einer Behandlong durch einen Naturarzt Zanahme der Beschwerden am reehtoi
Beine, gleichzeitig Schmerzen in der linken Brostseite, Husten and Atbemnoth. Die
Untersuchung ergab neben Pleuritis exsudativa sinistra eine Myositis am rechteo
M. vastas extemus. Dem unteren Theile des Muskels entsprechend sieht man eine
ovale, ca. 15 cm lange und 6 cm breite, leicht geröthete, geschwellte, nicht scharf
begrenzte Partie, die anf Druck schmerzhaft ist Druck auf die Haot erzeugt keine
Delle, Femur anscheinend nicht auigetrieben. Keine Sensibilitätsstdrungen. Hfift-
and Kni^elenk frei. Oesteigerte Fatellarreflexe — Umfang des Oberschenkels 28 cm,
über dem Capitolum fibulae rechts 44,8 cm, links 44,4 cm, der Wade rechts 33,5 cm,
links 36 cm. Active and passive Flexion beschränkt und schmerzhaft. Temperatar
in den msten Tagen nicht gemessen, später bis 37,8. In der Folgezeit Abmtiime
der Schwellang und Schmerzen, später geringe Schwellung im oberen Theile dee
VastuB und Biceps femoris mit Herabsetzung der elektrischen Erregbarkeit Dnrdi-
leuchtui^ des Oberschenkels ergiebt überall glatten Knochen. — Gel^entlich anek
Bdthnng der Haut des rechten Kniees und geringe Schwellong desselben. — Patient
geht seinem Berufe nach, die afficirten Muskeln sind härter als normal and dru^-
empfindlich, zeitweise heftige Schmerzen. Umfang des Oberschenkels 15 cm, fther
dem Capitolum flbnlae rechts 36,2 cm, links 37,0.
Der Fall erinnert an die Beobachtung Laquer’s und ist wahrscheinlich dureb
Infection mit dem abgeechwächten Gift des acuten Gelenkrheumatismus bedingt —
Symptomatolc^iscb interessant ist das Wandern der Entzflndung nnd das ephemere
Auftreten gewisser Entzündungserscheinungeo, auffallend das Erfaaltensein des Fatellsr-
reflexes. B. Pfeiffer (Cassel).
6) Sur los formea diverses de la psyohose polyndvritique, par Dr. Sook-
hanoff, clinique psychiatrlque de Moscon. (Bevue de Mddedne. 1897. Hai.
8. 317.)
Ansftlhrliehe werthvolle Arbeit, die sowohl sine vollständige Litteraturfiberslcbt
über den in Bede stehenden Gegenstand, als anch zehn neue, mm Tfaeil recht gsun
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1049
beobachtete F&Ue von polTnenritischer Psychose enthält. Das aaf^endste Symptom
derselben ist stets die Qedächtnissschwäche. Zuweilen vei^^t der Kranke schon
nach wenigen Secanden, zuweilen erst nach 5 Minuten das soeben Oesehene und
QebOrte. Dazu gesellt sich eine retrograde Amnesie, die sich verschieden weit
zurflck erstreckt (manhmal auf viele Jahre). Zur Gedächtnissschwäehe gesellen sich
zuweilen Erinnerungstäuschungen hinzu. Dieselben sind nie systematisirt und
fizirt, sondern regellos und sich widersprechend. Oft knüpfen die Qedäcbtniss*
ftlschnngen an äussere Eindrücke an: im Anschluss an Schmerzen im Bein erzählen
die Kranken von einem angeblichen Oberen Beinbruch u. dgl. In manchen Fällen
zeigt sich einfache Amnesie ohne alle Gedächtnisstänschungen. Das geistige Interesse
und der Ideeenkreis der Kranken ist sehr eingeengt Sie machen oft einen kindisch*
naiven Emdruck. Ihr Gemüthsznstand ist meist heiter, ruhig, zu Scherz geneigt
trotz ihres oft hülflosen Zustandes. In ihren Fragen und Antworten sind sie stereotyp.
Yerf. hält an der engen Beziehung zwischen Polyneuritis nnd Psychose fest
Die Ursache ist in tozisohen Einflüssen zu suchen. Weitaus die meisten Fälle kommen
bei Alkofaolisten vor. Zuweilen treten die Erscheinui^n der Polyneuritis gegenüber
den Cerebralerschmnungen fast ganz in den Hintergrund, so dass man sorgsam nach
ihnen suchen muss. Besteht gleichzeitig Tnbercnlose, so ist die Prognose meist un*
günstig. Strümpell (Erlangen).
6) Beitrag zur Lehre von den sogen, polyneuritlsohen Psychosen, von
Dr. Ernst Schultze. (Berliner klin. Wochenschr. 1898. Nr. 24 u. 25.)
Ganz eigenartig ist der Symptomencomplez der bei Folyneuritis vorkommenden
nnd zuerst von Korsakow eingehend beschriebenen Psychosen. Die Kranken be*
nehmen sich ganz geordnet, erfassen schnell nnd sicher den Sinn gestellter Fragen,
antworten formell immer richtig darauf, befolgen ihre tägliche Arbeit, aber sie haben
keine Erinnerung für ihre letzte Vergangenheit. Nichte, was die Kranken zur Zeit
erleben, was sie selbst in ganz geordneter Weise erledigen, wird dem Gedächtniss
einverleibt Dies absolute Versagen des Gedächtnisses, was natürlich den Eindruck
der Verwirrtheit hervorruft, ist von Strümpell als „actuelle Gedächtnissschwäehe**
bezeichnet worden. Neben diesem Ausfall des Gedächtnisses stellt sich noch eine falsche,
perverse Thätigkeit desselben ein. Es treten Erinnemngstäuschungen nnd Erinne*
mngs^sebnngen auf; Sully bat die ersteren Hallucinationen, die letzteren Illusionen
des Gedächtnisses genannt Die Erinnerung an manche Begebenheiten, die die
Kranken früher in Wirklichkeit erlebt haben, ist vorhanden, aber es bestehen grobe
Irrthümer über die örtlichen und zeitlichen Beziehungen. So erzählt ein Kranker
von der Schlacht bei 8t Privat, verlegt sie aber in den Feldzug von 1866. —
Br hatte beide Kriege mitgemacht Ein anderer Kranker, der im Jahre 1870 im
Felde gewesen, giebt häufig, wenn er von der Feldarbeit kommt, an, er komme gerade
ans einer Sohlscbt zurück. Die Kranken leben gewissermaasseo in den Tsg hinein,
machen sich wenig Sorge um die Zukunft, empfinden das Vers^en des Gedächtnisses
nicht, sind im Gegentheile meist guter Stimmung. Zn einem neuen Gedanken schwingen
sie sich kaum auf, sie arbeiten nur mit den alten Elementen, die sie freilich in einer
oft geradezu kühnen Weise untereinander nnd mit der Gegenwart combiniren. Verf.
führt drei Krankengeschichten an, die hinsichtlich der psychischen Symptome ein¬
ander ansserordentlicb ähneln. Während aber bei einem Fall gleichzeitig eine
Polynenritis vorlag, liess sich bei den beiden anderen trotz mebrmonatlicher Beob¬
achtung kein Zeichen derselben feststellen. Verf. muss daher die Behauptung
Korsakow’s, dass in allen Fällen der von ihm beschriebenen Psychose Zeichen von
Nenritis zn finden seien, als nicht zu Recht bestehend znrückweisen. Er glaubt, dass
alle lufectiouen und Intoxicationen und ganz besonders der Alkohol, die eine Poly¬
neuritis zn verursachen im Stande sind, auch das aetiologische Moment für die be«
:,Googlc
1050
scbriebeDe Psychose abgeben könnexL Warum dieselbe Bcbädlichkeit einmal eoe
periphere Erkrankung, ein andermal eine Psychose oder drittens eine Combinahon
beider hervorroft, entzieht sich vorl&nfig unserer Eenntniss. Verf. h< daher dii
Bezeichnung „polyneuritische Psychose“ für unrichtig und schl^ vor dieselbe dorct
Korsakow’sche Psychose zu ersetzen. Bielschowsky (Breaian).
7) Ck>iigeiütal ptosis witb anormal aeaoolated movmnent of the aflbeted
lid, by Victor Miller. (Brit. med. Joum. 1898. May 14. 8. 1259.)
Verf. stellte einen 9j&hrigen Patienten mit congenitaler linksseitiger Ptoaii
vor. Wenn Pat. den Mund Othet, da hebt sich das Lid plStxlich nnd unbeabsichtigt;
also bei Contraction der M. digastrici entsteht die ungewöhnliche Mitbeweging.
Das gehobene Lid zeigt nach einer oder zwei Secunden wieder die Neigung a
&llen. Dieselbe Mitbewegnng erfolgt bei Bew^ung des Dnterkiefas von einer Seiti
zur anderen, so dass in diesem Falle die Contraction des Pterygoideus extern, du
Veranlassung der Mitbew^ung ist — ln dem voigeetellten FWe ist der Beetu
super, gel&hmt; die linke Pupille grosser, als die rechte; Fundus normal, jedoct
hochgradige Hypermetropie.
Die von der ophthalmologischen Gesellschaft ernannte Commission zur Unter
suchung eines analogen Falles stellte die Ansicht auf, dass der Levator palpebne
sup. auch vom Kern des 3. Nerven innervirt wird, oder dass der Kern des Ocolo-
motoriuB auf dem Wege Aber den Trigeminus erregt werden kann.
L. Lehmann I (Oeynhausen).
8) Ophthalmoplegia ezterior oompleta mit Paralyse dee Angenibotalla,
von Dr. von Fragstein und Dr. Kempner in Wiesbaden. (Deutsche eud
Wochenschr. 1898. Nr. 36.)
Der miigetheilte Fall betrifft einen 47j&hrigen Winzer L. B. mit rechtsamtigea
Spitzencatarrh und completer doppelseitiger Lähmung sämmtUcher äusseren Auges*
muskeln, incl. der vom rechten otraren Facialisaste versorgten Muskeln: das ftbrigi
Nervensystem vollkommen intaci Fötus und Lues negirt, keine vorhergegaogeM
Diphtherie, kein Nicotinmissbraacb, keine Bleiintoxication, kein Trauma. Das Leidm
entwickelte sich allmählich im 15. Lebensjahre; ob Doppelbilder bestanden babea,
weiss Pat nicht Die Autoren nehmen eine Kemlähmung an, bedingt dnrdi primire
Eemd^neration oder eine Sklerose, entsprechend der Bnlbärparalyse, oder emm
tubercnlOsen Process und sehen in ihrem Fälle eine Stütze der Mendel’schen Thenic
ober den Ursprung des Augenfacialis, dessen so seltenes Betroffensein bei der nudearwi
exterioren Ophthalmoplegie allerdings auffallend bleibt Bei der 32jährigea Dauer
des Leidens ist natflrlich von einer erfolgreichen Therapie nicht die Bede.
K. Pfeiffer (Cassel).
9) XTn oas d*ophtalmopl4gie externe d’origine nuoläalre ohez una lUlette
de vingt-denx mois ä la suite de varloelle, par A. 6. Marfan. (Ardiivm
de Mddecine des Enfants. 1898. März. Bd. I.)
Ein 22 Monate altes Kind weist beiderseits Lähmung sämmtUcher änssmm
Augenmuskeln mit Ausnahme dee Abducens auf. Das Kind hatte vor 8 Monatca
VariceUen durchgemacbt, an welche sich ein Uautabscess hinter einem Ohr augeechlossm
hatte. Bevor der Abscess gespalten wurde, traten ein mnziges Mal ConvulsioQm
auf; von diesem Zeitpunkt an will die Mutter das Herabhängen der Lider, die Ub*
beweglichkeit der Bulbi bemerkt haben. Auf Grund dieser Anamnese und differeohal*
diagnostischer Erwägungen steUt Verf. die Diagnose auf medulläre Eemerkrankuug
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ä
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im Sione einer PolioencephalitlB soperior, für welehe die Varicellen die Veraniasanng
gegeben haben sollen. Nach dem sobacnten Verlaufe des Leidens glaubt sich Verf.
za einer recht günstigen Prognose berechtigt. Zapperi
10) Ophthalmoplegis externa wlth Impeirment of the orbloularis oouli,
bj James Taylor. (Brit med. Joom. 1898. May 14. S. 1264.)
Verf. stellte der ophthalmologischen Qesellsobaft einen Fall vor, der neben
Ocalomotorinsl&bmnng Schwäche des Orbicnlaris zeigte. Hendel habe behauptet,
dass die eigentliche Innervation des Orbicnlaris vom 3. Nerven geschehe, wie es auch
in dem hier vorgestellten Falle sich erzmge. Eine Analogie dieses Verhaltens be*
stehe bei Paralyse des Orbicolaris oris und des Hypoglossus. — Die Discussion
(Beevor, Flemming), welche sich an die Vorstellung schloss, ist hier nicht wieder«
gegeben worden. L. Lehmmann I (Oeynhausen).
11) Myooltla oasifloans progresaWa multiplex, von Hatthes. (Centralbl. f.
d. Grenzgebiete der Med. n. Chir. Bd. I.)
Verf. bringt nach kritischer Siebtang und genaner Mittheilnng des gesammten
Torli^enden Materials feilende Schlusssätze: Die Myositis ossificans progressiva ist
ein klinisch wohl abgegrenztes Krankheitsbild, das sieb durch seinen Verlauf von
der multiplen Osteombildung unterscheidet und dessen Aufstellung deswegen be*
rechtigt ist. Allerdings finden sich Uebergangsformen im klinischen Verlaufe zu dem
Bilde der multiplen ExostosenbUdung. Pathologisch-anatomisch betrachtet, kann die
Myositis ossificans progressiva schwer bestimmt eingereiht werden, sie kann mit
ziemlich gleich gutem Grunde zu den Geschwülsten wie zu den chronischen recur«
rirenden Entzündungen gerechnet werden. Aetiologisch steht nur die häufige Com«
bination mit Missbildungen sicher. H. Schlesinger (Wien).
Psychiatrie.
12) Die Bedeutung der E^atatonie, von Georg Ilberg (Sonnenstein). (AUgem.
Zeitschr. f. Fsych. Bd. LV. 8. 417.)
Verf. macht auf das ausserordentlich häufige Vorhandensein katatonischer
Symptome, besonders des Negativismus und der Stereotypie bei alten Geisteskranken
auftnerksam. Bei vielen dieser — und nur diese rechnet er zur Katatonie — zeigt
sich eine eigenartige Entwickelung der Krankheit in Gestalt wechselnder Znstands«
bilder. Die Einlmtung bildet gewChnlich eine mehr oder weniger depressive Phase,
der ein Erregungszustand von verschieden langer Dauer und Form nachfolgt Von
diesen Stadien fehlt zuweilen eines, am r^elmässigsten noch findet sich der nun
folgende Stupor. Der Ausgang ist stets der in Schwachsinn geringeren oder stärkeren
Grades. Krampfzustände (auch epileptoider Art) und körperliche Erscheinungen
(Weite der Pupillen, Neigung zu Schweiss u. s. w.) sind sehr häufig. Verf. bat
beobachtet, dass die Symptome oft sich zurückbildeten, allerdings nicht ohne leichte
Budimente zurückzulassen, theilt aber durchaus die Meinung von Kraepelin, dass
es sich dabei in der B^el um Bemissionen handle. Der Beginn der Erkrankung
liegt durchschnittlich bei seinen Männern im 25. Lebensjahre. Die Veranlagung der
Kranken war theils gut, theils auch nur gering. Oft waren die Patienten von Kind¬
heit an still, verschlossen, reizbar. 45% erbliche Belastung scheint mir im Ver¬
gleich zu meinen Kranken sehr wenig; ich fand 60"/^ erbliche Belastung bei Frauen,
71^/o bei den Männern.
’iQ'h/.OÖ Dy
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1052
4 Katatonikergehirne zeigten keine Atrophie; der Himstamm war normalen Tot*
h<aissen gegenflber eher etwas zn schwer. Nerrenfasem und Oefösse erschienen
normal; neben vielen normalen Ganglienzellen fanden sich auch atrophische, in deren
Nähe der aosserordentliche Beichthnm der Gliazellen, der sogenannten Trabantzellen
auffiel. Die Behandlang erstreckt sich im wesentlichsten auf Pflege nnd, wegen der
Gefahr der Lnngentuberculose, Anr^ung der Athmung.
Verf.'s Anschauung, dass die Stadien etwas fär die Krankheit charakteristisches
sei — obgleich schon allein das gelegenüiche Pehlen einzelner oder das mehrfache
Wiederkehren dersriben Phase dagegen spricht —, macht ihn natnigemäss zum
Gegner der von mir vertretenen Anschannng der vollständigen Einheitlichkeit der
Krankheitaformen Katatonie nnd Hebephrenie. Es wird ja die Beantwortnng diee«
nicht unwichtigen Frage dm* weiteren Forschung Qberlassen werden mflssen. Dagegm
glaube ich, die Bebauptung, dass katatonische Symptome ausser bei Katatonie, auch
bei Imbedllen, bei Schwachsinn nach Melancholie, Paranoia, Amentia n. s. w. vor*
kommen, nicht unwidersprochen lassen zu dürfen. Damit würde bei der Unzuverlässig*
keit, den Verlauf in Phasen als charakteristisch anzusehen, die Berechtigung hinfällig
werden, in der Katatonie eine specifische Krankheitsform zu erkennen. Meiner auf
Grund von über 200 Fällen gewonnenen Ansicht nach ist der Ausgang in die
charakteristische Demenz voller Absurditäten, Tics im Denken und Handeln der
gleiche, ob nun das Bild der Erkrankung anfangs mit oder ohne Wahnideeeo, mit
oder ohne depressive Vorstellungen einheiging. Aschaffenbcrg (Heidelberg).
13) Zur Pathologie der fcatatonen Symptome, von P. Lehmann (Wemeck).
(AUgem. Zeitecbr. f. Psyeh. Bd. LV. S. 276.)
Der Verf. hat sich seit mehreren Jahren mit der Symptomengruppe beschäftigt,
die als Stereotypen, Äutomatismen bezeichnet werden, die motorischen Hemmun^-
und Beizerscheinungen, die nach seiner Ansicht im Verlaufe fast aller anderen Psy*
chosen episodisch oder dauernd Vorkommen können, bezeichnet Verf. als „katatone
Symptome*'. Zu diesen rechnet er den Stupor, Katalepsie, Mutacismus, pathetische
oder rhythmische Bedesucht, andere eigenartige Sprech* und Schreibweisen, Vtfbi-
geration, Bewegungs* nnd Haltungsstereotypen, st^ee, gewohnheitsmässiges Thun,
ficholalie, Ecbopraxie, negativistisches Gebahren, nnmotivirtes impulsives Handeln,
automatischer Bewegungsdrang. Diese Symptome, die alle der Ausdruck eines ganz
bestimmten Seelenzustandes sind, hält der Verf. für den Ansdruck einer herabgesetzte
Energie des Bewusstseins. Er glaubt nicht wie Schüle, dass die einzelnen katatoneu
Erscheinnogsformen verschiedenwerthig sind, dass aber die Prognose in sonst gleiches
Krankheitsfällen nm so trüber sei, um so zahlreicher und dauerhafter dieee katatones
Symptome sich zeigen, dass schon das Auftreten auch nur eines derart^mi Symptoms
ein Anzeichen für die Verzögerung der Heilnng sei. Demnach hält er die Pn^oee
der Kahlbaum'echen Katatonie für ungünstig.
An zwei Beispielen zeigt er die anscheinende Berechtigong der prognostisdiea
Verwendung der Zahl der katatonischen Symptome; der erste heilte, der zweite nicht
Ich möchte nun dem gegenüberhalten, dass die Heilnng erst 1 Jahr dauert; ausserdem
aber traten oft verblüffend weitgehende Bemissionen gerade in den Fällen auf, in
denen die Menge der katatonischen Erscheinnngen nnd deren Intensität am aller¬
grössten ist. Ich muss deshalb leider befürchten — leider, denn der prognostisch«
Merkmale sind nicht allzn viele —, dass der Verf. mit seinen Kriterien nodi off
grosse Ehittäuschungen erleben wird.
Mit Becht wahrt sich der Verf. gegen die Erklärung katatonischer Brechemangen
durch Befiele aus Sensibilitätsstörungen oder als Wirkung von Hallucinationeo auf
im Beizznstande befindliche motorische Centren. Zar Erklärung der Symptome geht
Diy
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1058
er TOD Meynert’s Ansicht ans, dass der Cortez and die intracorticalen Ganglien
im WecbseWerhältniss stAnden, dass also der corticaleo Schw&che eine subcorticale
ReüQDg entspräche. Die katatonischen Eracbeinungen liegen als fertiger Nerven-
mecbanismus vor; wird dieser nicht genügend von im Cortez sich abspielenden Vor-
stellangen und Hemmnugen regnlirt, so kommt es bei Beizung der snbcorticalen
Centren zu den Erscheinungen, die wir als katatonisch bezeichnen. Es wird, wie
der Verf. selbst bemerkt, bei dem Widerstreben und der Demenz sehr schwer, auch
nur die einfachsten Ezperimente mit den Kranken zu machen; so bleibt die An¬
schauung des Verf.'s vorläufig eine Hypothese, der mir manche klinische Erfahrungen
tu widersprechen scheinen, vor allem, dass viele der Bewegungen durchaus gewollte
sind, also ohne lebhafte Mitwirkung des Cortez nicht denkbar sind.
Aschaffenbnrg (Heidelberg).
14) Beiträge zur Kenntnlsa der Katatonie, von Hucha '(^osw^). (AUgem.
Zeitscbr. f. Fsych. Bd. LV. S. 429.)
Verf. steht durchaus auf dem Boden der Kahlbanm-Neisser’schen, von
Kraepelin wesentlich erweiterten Anschauung, in der Katatonie eine eigene
Krankheitsform zn sehen; er warnt aufs entschiedenste vor der von SchOle
vertretenen Auffassung, dass die katatonischen Erscheinungen in allen möglichen
Krankheitsbildem Vorkommen können, und führt besonders aus, dass die Melancholia
attonita, die Schflle wieder vertheidige, keine Melancholie sei, worauf auch schon
Kahlbanm aufmerksam macht. Hysterie, mit der übrigens nicht allzu oft eine
Verwechselung möglich ist, scheidet vor allem der Nachweis des constitutionellen
Zustandes von der Katatonie und der Ausgang der letzteren in Verblödung leichteren
oder schwereren Grades. Diesen Ausgang nahmen alle Fälle, die der Verf. beobachtet
hat. Auch der Verf. betont die Analogie der Hebepbrenie und Katatonie nicht nur
in zahlreichen Symptomen, sondern vor allem im Ausgange und nähert sich fast völlig
meinem Standpunkte, beide Krankheiten für identisch zu erklären, nicht nur für
verschieden gefärbte Bilder deseiben Krankheitsproceeses, sondern für eine Krankheits-
form. Aschaffenbnrg (Heidelberg).
15) Heber gewisse psyohlsohe Störungen nach Selbstmordversuchen durch
Erhängen, von Privatdocent Dr. B. Wollenberg, Oberarzt der psychischen
und Nervenklinik zu Halle a./S. (Festschrift anlässlich des öOjähr. Bestehens
der Frovinzial-Irren-Anstalt zu Nietlebeo. 1897. Verlag von F. C. W. Vogel.)
Verf. berichtet Über 4 Patienten, welche kurz vor ihrer Aufabme Selbstmord
durch Erhängen versucht batten und nach der Wiederbelebung eigenartige Störungen
im Gebiet des Centralnervensystems boten. Allerdings handelt es sich nur in einem
dieser 4 Fälle am einen vor der Strangulation relativ gesunden Menschen, während
in den 3 übrigen Fällen eine Complication mit Epilepsie bezw. Alkobolismus und
Hysterie vorlag. Ans den ausführlichen Krankengeschichten geht hervor, dass
Krämpfe während oder nach der Wiederbelebung nicht als constantes Symptom an-
Zusehen sind. Becbt constant scheint hingegen nach Brbängungsversuchen die retro-
active Amnesie vorzukommen, wie diese aocb den 4 beobachteten Fällen ihr eigen¬
artiges Gepräge verlieh. Die retroactive Amnesie scheint gerade nach Erhängungs-
versuchen sich vorzufinden, während sie nach andersartigen Selbstmordversuchen sehr
selten ist Han muss zur Erklärung der nach Strangulation beobachteten Zustände,
speciell der retroactiven Amnesie, physische Schädigungen des Gehirns annehmen,
und zwar kommen hierbei als ätiologische Momente die Asphyzie und die acute
Himanämie in Betracht. Deshalb nimmt auch mit der Dauer der Strangulation die
Schwere der Folgezustände zu. Der Hysterie ist die Bolle eines complidrenden,
Dig :i^cd cy Google
1064
Dicht eines ätiologischen Momentes zaznsehreiben, wie ja Qbm-haapt das Vorkoniaett
der Hysterie neben organischen Krhrankangen des Nerrensystems häofig beobachtet
wird. Kart MendeL
16) Ueber die nosologisohe Anf&aaaiig and die Therapie der periodiaohea
OeistesstÖrangen, von Prof. Eduard Hitzig (Halle). (Berliner klin. Wochen*
Schrift. 1898. Nr. 1—3.)
Verf. Tersteht anter periodischen Psychosen aasschliesslicb soldke Krank*
heitsformen, welche in ihrer eigenthflmlichen Ersebeinangsweise regelmässig
periodisch wiederkebren and nnterscheidet 3Onmdformen: Bxaltaüons-, Depressüms*
znstände and circoläre Ponnen. Heynert hat den melancholischen Syinptomm*
complex aaf eine gesteigerte Thätigkeit des basalen, vasomotorischen Centrains mit
consecotiver vermehrter Contraction der Gehimarterien gurQckgeffihrt, das Zostande*
kommen des manischen Krankheitsbildes aber dadurch zn erklären versucht, dass er
eine Erschlaffung der Vasomotoren mit secundärer Oe&ssdUation annahm. Da das
Morphium die Eigenschaften hat, die Henthätigkeit und den Blutdruck herabzusetzen,
das Atropin aber eine Beschleunigung der Herzthät^keit und eine Entspannung der
Kärperarterien bei gleichzeitiger Steigerung des Blutdrucks bewirkt, so entspräche
nach den Voraussetzungen Meynert's die Atropinwirkung den bei der Manie, die
Morphiumwirkung den bei der Melancholie herrschenden Gefässzuständen. Es lag
daher die Schlussfolgerung nahe, dass das Morphium ein Heilmittel f&r die Manie,
das Atropin ein solches für die Helandiolie sei. Die Praxis hat diesen thecwetisehen
Erwägungen nicht Recht gegeben. Das Morphium hat sich als fast ganz unwirksam
erwiesen, das Atropin dagegen hat einen unverkennbar gftnstigen Einfluss, aber in
anderer Weise, als die theoretische Voraassetzung erwarten lassen sollte. Eis bat
sich nämlich bei den therapeutischen Versuchen gezeigt, dass das Atropin im Stande
ist, beim einfach periodischen und beim circulären Irrsein sowohl die
maniakalische Err^ung, wie den melancholischen Depressionszustand zu coupiren
oder wenigstens abzukflrzen und zu mildem. Obwohl Verf. versucht hat, durch die
Trepanation einen Einblick in die Circnlationsverhältuisse der Gehirne morphinisirter
und atropinisirter Thiere zu erlangen, ist es ihm nicht mägUch, eine Erklärung für
die gleiche Wirkung des Atropins bei ganz verschiedenen Zuständen zu geben. Ge*
meinschaftlich ist diesen verschiedenen Krankheitsformen nur die Feriodicität
Verf. warnt vor zu grossen therapeutischen Hofbungen, giebt aber nach seinen Er-
fahmngen zn, dass wir in dem Atropin ein Mittel besitzen, durch welches eine An*
zahl von Fällen aus einer Grappe von bisher für unheilbar gehaltenen Geistes*
krankheiten zu heilen oder doch zn bessern ist. Die Indication und die Anwendni^
des Atropins präeisirt er zum Schluss folgendermaassen:
1. Anwendung nur bei periodischen P^chosen.
2. Beginn der Behandlung knrz vor Eintritt des zn erwartenden Anfalls.
3. Snbcutane Anwendung. B^inu mit sehr kleinen Dosen und vorsichtiges An*
steigen.
4. Allmähliches Hernnteigehen mit dem Mittel.
_ Bielschowsky (Breelau).
17) A propos de la revision de la olaasifloation offiolelle, par Franeotte.
(Bull, de la sociätd de m^decine mentale de Belgique. 1897. Sept)
In Belgien soll eine neue, sagen wir, Zählkartenbezeichnung eingeführt werden;
Verf. schlägt folgende vor:
1. Manie, I 3. acute hallucinatorische Verwirrt*
2. Melancholie, i heit.
,Google
8. P^cbose aaf der Basis einer
Neurose (Neurasthenie, Hysterie,
Epilepsie),
9. toxische Psychose,
10. Folie morale (?l),
11. d^enerirtes Irresein (?),
12. Entwickelongshemmungen.
Lewald.
18) Payohlatry in the soathem statee, by Powell. (American Journal of
insanity. 1897. Joni.)
Tor dem Kriege, der die Emancipation der Sclaven znr Folge hatte, gab es
wenig geisteskranke Neger; seitdem begann ihre Zahl zu wachsen, und sie ist jetzt,
wie viele statistischen Berechnungen zeigen, beängstigend hoch und wächst an¬
scheinend noch weiter; auf eine Million Neger kamen 1860 169, 1890 886 Geistes¬
kranke. Ans „socialen'* Orftnden hat man in deti Anstalten fOr die schwarzen
Geisteskranken eigene Abtheilungen, zwei Shdstaaten haben sogar vollkommen getrennte
Irrenanstalten.
Merkwtlrdig berflhrt uns der Wunsch des Verf.'s, es möge die Politik aus den
Anstalten entfernt werden; „nur dann können die Anstalten Centren wissenschaft¬
licher Arbeit und treuer Krankenflege sein, wenn ihre Aerzte dauernd angestellt
werden.** Bis jetzt wechseln mit jedem politischen Systemwechsel auch die Aerzte
der Irrenanstalten. Der Staat Indiana ^ein hat eine Ausföhrungsbestimmung er¬
lassen, die Behörden sollen in Erwägung ziehen (1), dass Tflchtigkeit und Fähigkeit,
nicht die politische Stellung ausschla^ebend sei. Lewald.
4. periodische Psychosen,
5. Paranoia,
6. Dementia [a) essentielle Demenz,
senil und organisch, b) secundäre
Demenz, c) Dementia paranoides
Kraepelin],
7. Paralyse,
19) Notee of some caees of folle 4 denx in eeveral membera of the same
family, by 0. Woods. (Joum. of Ment Science. 1897. Octob.)
1. Vater (50 Jahre alt), Hutter (ebenso alt), Sohn (21 Jahre alt), Tochter
(19 Jahre alt) wurden an einem in die Anstalt eingeliefert. Der Sohn, etwas
schwachsinnig und mit Kropf behaftet, war 4 Tage zuvor in der Kirche ohnmächtig
geworden und seitdem leidend; es wurde weiterhin nichts Besonderes Ober die Familie
bekannt, bis der Schutzmann sie in der Wohnung verbarrikadirt und beim Erbrechen
der Thür in so wildem Kampf untereinander vorfand, dass er mehrerer Männer be¬
durfte, um sie auseinander zu bringen. Die Mutter hatte versucht, eines der kleineren
Kinder zu verbrennen, weil es „ein Geist sei**. Als Ursache dieser gemeinschaftlichen
Erkrankung vermuthete man in der Umgebung den Genuss von faulem Fleisch oder
dem eines an Hundswuth gestorbenen Schafes. Die Kranken, am Meisten die weib¬
lichen, waren verwirrt, incohärent in ihren Aeusserungen, schrieen, warfen sich zu
Boden, hatten Gesichtstäuschungen und glaubten alle zum Tode verurtbeilt zu sein.
Nach 14 Tagen konnten sie geheilt entlassen werden. („Hysterische Tobsucht".)
2. 5 Geschwister, im Alter von 24—45 Jahren, wurden innerhalb zweier Tage
intemirt; zuerst erkrankten die beiden Aeltesten (Brüder) unter Symptomen der Tob¬
sucht, dann die übrigen Drei (Schwestern). Der ältere Bruder, welcher in Folge
Tuberculoee schon sehr heruntergekommen und geschwächt war, starb bald an Er¬
schöpfung; der andere folgte bald. Die Schwestern erlangten ihre Gesundheit wieder.
Eine der letzteren war vor Jahren schon einmal in einer Irrenanstalt gewesen; in
der entfernteren Verwandtschaft (Vettern) ist Geisteskrankheit mehrfach vorgekommeii.
Auch hier wurde von der Umgebung als Ursache der Geistesstörung Genuss entweder
von amerikanischem Zinnbüchsenfleisch oder, wie Andere wissen wollten, von Fleisch
eines von einem tollen Hunde gebissenen Huhnes angegeben. Geber die psychotischen
,Google
lOM
^rmptome dor 3 Schwestern wird benerkt: „Sie waren sämmtiüeh, in gleich« Wüse,
unrabig, sangen religiCiee Lieder and l^ten, ideeenflOchtig and incohärent» «ahlreirfia
religiöse Wahnrorstellongen an den Tag^; sie hielten o. A. die fokrankong der
beiden Brflder für eine Heimsuebong der Yorsehnng.
Yerf. bemerkt, dass er in Irland Terb<nissm&ssig oft diese familiären
Geistesstörongen zo beobachten Gelegenheit bat. Meist handelt es sieb
am Hereditarier, gewöhnlich aacb am Scrofolöse and Nearotisebe and awar Familien,
deren Glieder, fern ab Tom Yerkehr, ihre ganze GedankentiiätigkeH nnr auf sieh
selbst and ihren Erwerb richten. Religiöse and dSmonomanische VorsteUongen
spielen in der Krankheit eine grosse Bolle and unter ihrem mächtigen Rmfln« er>
eignen sich dann auch bei solchen Zuständen die Morde, wie ein solcher bei Cuüliären
Irrsinn Tom Yerf. selbst 1889 (Joom. of Hent Sdence) berichtet and erst im rer*
flossenen Jahr wieder in Irland beobachtet worden ist
_ Bresler (Fr^bnrg L/SdiL).
20) Zoophiiie et soophoUe, par Fdrö. (Belgique mödicale. 1897.)
Das was ein Gefühl krankhaft erscheinen lässt, ist weniger seine Abnormität,
als seine Hartnäckigkeit So kann es eine wahre fixe Idee bilden, besondms wenn
es pervers ist Je nachdem es sich um heilbare Formen (Nenrasthenie a. B.) oder
am congenitale oder hereditäre Disposition handelt, kann Heilong eintretmi odw
nicht Za den anormalen Gefühlen gehört mit die übeigroese Liebe zu Thierai,
oder die krankhafte Furcht oder Graosamkeit ihnen g^enüber. Die Fardit vor
Thieren ist das primitive Gefühl beim Menschen, das sich nicht später reetificiri
Bei Kindern wandelt sich dieselbe bisweilen in Grausamkeit am, besonders bei solchea,
die der „famille ndvropathiqae“ angehören. Zorn, Hass, Graosamkeit sind im Grande
nar secundäre, asthenische Leidenschaften mit einer primären unangenehmen, die
zomeist eben die Furcht ist Dies sieht man auch bei Thieren, wie verschMdaee
Beispiele beweisen. Dies ist psychologisch wichtig bei Degenerirten, die oft graosan
gegen geliebte Personen verfahren, Graosamkeit oder Heftigkeit kann aber auch so»
Machtliebe entstehen. Immer finden sich aber anormale Gefühle Thieren gegenüber
nar auf pathologischem Boden (angeboren oder erworben). Die Zoophiiie kann öA
Haasthieren gegenüber bethätigen, einem oder mehreren, derselben oder verschiedener
Basse, gesunden, wie kranken und hässlichen, oder aber abstossenden gegenüber, wir
Spinnen, Mäusen a. s. f. Der Hand ist hier von alters her bekannt Mode, reli^öee,
philosophische Ideeen a. s. w. spielen hierbei eine Bolle. Es kann zur reinen Manie
ansarten and oft ist damit Gleichgültigkeit gegen die Familie and die sodalen
Pflichten verknüpft Zoophiiie ist besonders bei Frauen anzntreSen, oft schon Mb
oder in der Pubertät Die Degenerirten adoptiren sich eher an die Gesellschaft von
Thieren (bisweilen auch Pappen), als von Menschen. Oft besteht zugleich Irrsisn.
Oft bei Ledigen and sterilen Fraoen. Antivivisectionnisten gehören gern zo thoen,
auch manche Yegetarianer. Die Sodomie dagegen beraht weniger in Zoophiiie
in einer Sexaalperversion. Als Zoophobie ist die Furcht vor Wanzen (Sdgain) and
neuerdings die Äcarophobie (Thibierge), d. h. die Forcht vor Parasiten, oft mit
heftigem Jacken and Tasthallucinationen verbunden, beschrieben worden. Zoophili«
und Zoopbobie können sich vergesellschaften, auch mit anderen krankhaften Gefühlen
verbanden. Zuletzt beschreibt Yerf. einen hierhergehOrigen Fall, and zwar war bei
der Matter Zoophiiie, bei der Tochter Grausamkeit and Zoophiiie vorhanden.
Näcke (Babertosborg)
Google
— 1057
21) Ein Fall von Zwangsvorstellungen und Berührungsfuroht im Kindes¬
alter, TOQ Dr. S. Kalischer, Arzt fhr NerTenkraakheiten. (Archiv f. Kinder*
heük. Bd.XXIV.)
Ein erblich nicht belasteter, 8j&hriger Knabe, der durch verschiedene Krank¬
heiten körperlich geschwächt war, geistig aber normale B^bnng zeigte, erkrankte
ziemlich plötzlich an Zweifelsucht, Bertührnngsforcfat, Angst und deprimirter Stimmung.
Er äuaserte hypochondrische Klagen, Vei^iftungsideeen nnd litt an Zwangszuständen
mannigfacher Art. Alle krankhaften Empfindungen nnd Vorstellnngen beurtheilte er
als Zwang nnd blieb sieh des unnatfirlichen Yoi^ngs in seinem Inneren klar bewusst.
Verf. erörtert im Anschluss an die Schilderung dieses Falles den Unterschied
zwischen Zwangsvorstellung und Wahnidee, und erinnert daran, dass Zwangsersehei-
DDDgen im Verlaufe von Hysterie und Neurasthenie verkommen, aber auch Symptome
einer eigenartigen selbständigen Krankheitsform des Irreseins mit Zwangsvorstellungen
auftreten können. Das Zwangsvorstellungsirresein geht anefa bei Kindern nicht in
Verrflektheit Aber. G. Ilberg (Sonnenstein).
22) Zur Iiehre vom Gedankenlautwerden, von Dr. Otto Jnliusburger
(Berlin). (AUgem. Zeitschr. f. Psych. Bd. LV. S. 29.)
Bei einem 37 Jahre alten, nicht belasteten Tabiker besteht neben Opticnsatropbie
Ptosis und erhebliche Einschränkung der Augenbewegnngen, besonders nach rechts,
eine völlige Taubheit, die sich später als das Augenleiden entwickelt hatte. Der
Kranke hat ausserdem Wahnideeen, erscheint aber noch leidlich intelligent. Wenn
er mit den Augen Bewegungen nach rechts oder links macht, hört er einen hellen
Ton, beim Geradeanssehen oder nach Obenschauen nichts. Später beobachtete er bei
Markirung des Bhythmus eines Liedes durch Angenbewegungen, dass die Glocken die
Melodie ertönen Hessen. Ebenso gaben sie den Bhythmus eines Hexameters genau
wieder, allerdings im gleichen Tone bleibend. Alle diese Klät^^e traten nnr bei
horizontalen Angenbewegungen auf.
Der Verf. stellt sich als Ursache dieser Erscheinungen eine „eigenartige Asso¬
ciation zwischen den centralen acustischen Projectionsfeldem und den centralen
Projectionsfeldem der Augenmuskelbewegungsempfindungen“ vor; ferner eine Steigerung
der Err^barkeit der Elemente in den centralen acustischen Projectionsfeldem.
G. Asebaffenburg (Heidelbei^).
23) Diabetes und Geistesstörung, von Landenheimer. (Berliner klin. Wochen¬
schrift. 1898. Nr. 21—24.)
In einer mit zahlreichen Krankengeschichten belegten, sehr kritischen Arbeit,
die sich zum Beferat nicht eignet, bespricht Verf. den Zusammenhang der Psychosen
und des Diabetes und stellt folgende Möglichkeiten auf;
1. Zuftll^e Coincidenz von Diabetes und Geistesstörung ohne causale Beziehung.
2. Diabetes als Folge der Geisteskrankheit.
3. Diabetes als Ursache des Irreseins.
4. Diabetes und Psychose coordinirt als Folgeerscheinungen einer gemeinsamen
(cerebralen) Ursache.
Die essentiell diabetogene Natur einer Psychose wird am Oberzeugensten durch
ihre Heilbarkeit in Folge antidiabetiseber Haassregeln erwiesen.
Bielsohowsky (Breslau).
67
D g ii/od oy GoOg IC
1058
S4) OMorradonl oUniohe ad »natomlohe solle demenie post>apoplettiolie,
p«r G. MingassinL (BIt. sperimeDt. di Fteniatria. XXUl. B o. 4.)
Das Ergebniss von 19 Uioisch and anatomisch untersachten Fallen.
Die st^en. post-apoplectisehen Dementen, die bisweilen das Bild wahrer Pejchosen
bieten, entstehen nur nach Erweichungsherden im Gehirn; nach Himhämorrbagieen
entwickeln sich nnr Znst&nde von Geistesschwäche, nie aber wirkliche Demenz. Verf.
hält ee deshalb fOr richtiger, statt von post-apoplectischer, von post-encephalomala-
cischer Demenx zu sprechen. Nach den Forschnngen Bonchard’s and Charcot's
sind die Hftmorrhagieen Folge miliarer Aneorysmen and nicht einer ao^etweiteten
Atheromatose, so dass durch einen Blatnngsherd nur Commuoicationswege nnter>
broohen werden, während die Qbrige Himsubstanz intact bleibt; Erweichungaherde
di^egen entstehen immer nar im Gefolge allgemeiner Atheromatose der Himgefäsee,
and es bestehen in Folge dessra schon Atrophieen der Windangen; ein Krankheits»
herd wird deshalb nicht nnr die Verbindung zwischen zwei oder mehreren Centren
anfheben ond die Symptome dieser gestörten Commnnication hervorrufen, sondmn in
noch höherem Grade die anderen Centren fanctionell schädigen.
An einigen der obigen und vier weiteren Beobachtungen konnte Verf. anf die
Function des Linsenkerns und die Symptome seiner Erkrankung Schlflsse ziehen.
Motorische Fasern verlaufen im Nucleos lentiformis in bestimmten Abschnittoi, so
dass Herde selbst von geringerer Ansdehnang entweder keine motorischen Störungen
verursachen oder aber Parese der Extremitäten, des unteren Facialis und oft des
Hypoglossus der entgegengesetzten Seite bedingen. Der Patellarsehnenreflex ist auf
der der Läsion en^^engesetzten Seite gesteigert; der Puplllenlichtreflex ist träge
und die Scbmerzempfindlichkeit herabgesetzt. Fast immer ist auf der contralateraleu
Seite die Papille enger. Dysarthrische Storungen entwickeln eich beinahe aus¬
schliesslich bei Erkrankungen des linken Linsenkems. Die Fasern für die Spracb-
bewegungen verlaufen in umscbriebenen Abschnitten des Kucleus lentiformis.
In den Fällem mit acustischer Aphasie lag der Erweichungsherd im mittleren
Theile des Gyms temporalis snperior et medius sinister.
Das Articulationscentmm verlegt Verf. nach seinen Beobachtungen in den hinteren
oberen Abschnitt der Pare opercularis der 3. Stimwindung; und das Centrum für die
Hebung des oberen Augenlids in die vordere Centralwindung, nicht in den Gyros
ai^nlaris, der einige Male erreicht war, ohne dass Ptosis bestand. Valentin.
26) Blood'preasnre in the Inasne, by M. Craig. (Lancet 1898. 25. JonL)
Verf. hat mit dem Sphygmometer von Barnard und Hill gearbeitet. Alle
Untersuchungen fanden am linken Arme zwischen 11 und 12 Uhr statt. Fflr den
Gesunden ergab sich der bezügliche Blutdruck zu 120—125 mm Hg. Bei err^baren
Individuen ist er niedriger, bei apathischen hoher. Bei 21 weiblichen, an acuter
Melancholie leidenden Kranken betrag der Blntdmck 140—160 mm, bei 15 mäun-
liehen, an derselben P^choee leidenden Kranken 155—160 mm. Je geringer die
Depression war, om so geringer war auch die Blatdrucksteigerong, Bei 33 Kranken,
welche an „acuter Manie'* litten, betrug er uur 95—110 mm. In einem Falle von
circulärem Irresein (?) betn^ er in der depressiven Phase stets ca. 150 mm, im
Intervall 125 mm, in der Excitation 106 —110 mm. Bef. hat selbst mit dem
Basch’schen Sphygmomanometer zahlreiche Kranke untersneht und stets gefonden,
dass bei agitirter Melancholie der Blutdruck gleichfalls — entsprechend der durch
meine sphygmographischen Untersuchungen nachgewiesenen Verengernng der pni-
pherischen Arterien — der Blutdruck steigt. Verf. hat bei diesen Formen „etwas
schwankende" Ergebnisse gehabt In zwei Fällen von „Stupor" war der Blutdruck
geeteigert. Bei „seeuudärem Stupor nach Manie" soll er niedrig sein, ebenso bei
Dig'H^cd Dy Google
1059
Depressionssnetftnden nach acuter Manie. Bei intellectuellen Geistesstörungen ist er
etwa normal, nur bei effectiver Err^ung steigt er. In den Erregungszuständen der
Dementia paraljtica ist er niedrig, nur bei sehr starker Erregung hoch, ln den
Schlnssstadien sinkt er beträchtlich. Uebrigens sind die auf diese Psychose bezQg*
liehen Angaben zum Theil zweifelhaft, zum Theil geradezu widersprechend.
Terf. sucht weiterhin nachzuweisen, dass wahrscheinlich sehr oft die Blutdruck-
Veränderung die Ursache der Psychose ist und nicht umgekelirt. Seine Ai^umentaÜon
ist allerdings keineswegs einwandfrei. Dementsprechend empfiehlt er ffir die Thwapie
bei beginnender Melancholie Bittersalz, bei schwererer Depression, namentlich bei
starkem Scbeiteldruck, ausser der Aperitiva Nitroglycerin oder — behufs nachhaltiger
Wirkung — das dem Bef. praktisch nicht bekannte Erythrol »s Tetranitrai Bei sehr
geringer Füllung der Arterien ist eine reichliche Flössigkeitsauftiahme neben Wasser-
eingiessungen in das Bectum und eventuell Infusionen angezeigt. Bei subnormalem
Blutdruck scheint sich das prolongirte Bad zu bewähren. Th. Ziehen.
26) La demensa preoooe, per J. Finzi e A. Vedrani. (Ferrara. 1898.)
Verff. besprechen kurz Erscheinungen, Verlauf und Differentialdi^ose der
Dementia praecox. Sie unterscheiden 3 Formen: die hebephrenische, die catatonische
und die paranoide. Erstere giebt im Anfangsstadium leicht zur Verwechslung mit
Neurasthenie Anlass. Nach der Initialperiode stellen sich dann Aufkegungszustände
mit motorischer Erregtheit und Logorrhoe oder än^tliche Unruhe mit Mutismus und
Oehörshallucinationen ein. Die catatonische Form zeichnet sich durch das Hervor¬
treten psychomotorischer Symptome aus. Bei der paranoiden Form der Dementia
praecox treten aus HallucinaÜonen oder Augenblickseindrficken entstandene Wahn-
ideeen in den Vordergrund, die durch Absurdität und Labilität charakterisirt sind,
sich jedoch auch für einige Zeit fixiren können. Valentin.
27) La parallpemania, per Boncoroni. (Annali di freniatria. 1898. S. 50.)
Unter dem Namen Paralypemanie beschreibt Verf. Fälle von Paranoia, in denen
ein ganz au^eprägtes Stadium der Melancholie sich einschiebt. Als differentiell
von der gewöhnlichen Melancholie werden folgende Punkte gegeben:
1. In der Paralypemanie ist der Ernährungszustand ein besserer;
2. die „paraphysiologischen“ Ursachen (Ueberarbeitui^, Elend, Soi^n u. s. w.)
Laben gerii^ere Bedeutung, d^egen mehr die pathologische Belastung;
3. die körperlichen Entartungszeichen sind häufiger nnd schwerer;
4. der Tastsinn ist feiner, der Schmerzsinn abgestumpfter;
5. die Delirien der Unwürdigkeit (der Sünde, der Verdammung u. s. w.) beruhen
weniger auf verändertem Gefühle, als auf verändertem Denken;
6. die hypochondrischen Ideeen, die Zweifelsucht, Zwangsideeen, Verfolgungsideeen
sind hier deutlicher;
7. Hemmung oder Verlangsamung des Ideeengangs sind seltener;
8. das Gefühlsleben ist gestörter, und
9. neigt sie nicht zu Ausgang in Blödsinn oder Heilung. Scheinbare Heilungen
bringen stets Becidive.
Verf. giebt von dieser Varietät der Paranoia 9 Fälle. Ob es uötbig ist, die¬
selben mit einem eigenen Namen zu bezeichnen erscheint um so fraglicher, als diese
Fälle von den nicht so selten im Verlaufe der Paranoia zu beobachtenden Depressions-
zoständen mit melancholischem Anstriche nur quantitativ sich abbeben. Der Sucht,
immer neue Namen zu erfinden, sollte man möglichst steuern!
Näcke (Hubertusbuig).
67*
D,.,Google
1060
28) Sexual inveraioii, b; Havelock Kllis. (London the univerBithy press.
1897. Wathard. 199 Seiten.)
Von dem dorcb Bef. an anderer Stelle schon aosffthrlich besprochenen Buche
des Verf.’8, welches derselbe vor kurzem deutsch hat durch Kurella berausgeben
lassen, bat Verf. jetzt ebeu eine englische Ausgabe veranstaltet, die viele Zusätze,
aber auch Abstreichungeu enthält, und auch in dieser Gestalt hoch willkommen ist.
Weggelassw ist unter Anderem der grosse Abschnitt Ober die Geschichte der
griechischen Liebe durch Symouds, was Bef. eigentlich bedauert, da gerade dieses
Kapitel glänzend geschrieben war und nicht nnr den Philologen, sondern deo
Historiker und Sociol<^n lebhaft interessirte. Als sehr schätzenswerther Zusatz ist
jetzt eine eingehende Darlegung der Ansichten von Ulrichs Ober Homosexualität
g^eben. Han sieht jetzt erst, wie klar dieser Manu schon damals sah, wie er die
Hanptcat^rieen der Homosexuellen richtig au&tellte, theoretisch das Problem
auf die Bmbryologie verwies, weiter auch schon die richtigen Linien zog, die das
Gesetz beobachten sollte. Bndlich möchte Bef. noch hervorheben, dass Verf. sehr
recht hat, die hohe Wichtigkeit der Homosexualität und der Untersuchungeu hierftber
wiederholt zu betonen, da leider so Manche mit vornehmem Lächeln Ober diese
Dinge aburtheilen und von „Bordellgescbiehten** reden.
Käcke (Hnbertusburg).
29) lia pena nei reati seasuali, per ViazzL (Arcbivio di psichiatria. 1897.
S. 501.)
Nach einigen allgemeinen Bemerkungen handelt Verf. erst von den sexaellen
Delicten, die als offenbarer Ausfluss psychischer Abnormität Unzurechnungafähigkeit
und daher Straflosigkeit verlangen, wobei er sich gegen die „verminderte“ Zurechnongs*
ßhigkeit ausspricbt. In der 2. Hälfte der Arbeit werden d^^en die sexuellen
Beate betrachtet, die bestraft werden müssen, da Verf. nicht der Ansicht huldigt,
dass jeder Verbrecher krank sei. Die hänfigen sexuellen Verbrechen bei Dementia
paralytica, bei Manie, seniler Demenz, Idiotismus und Imbecillität werden kurz be*
rflhrt, die bei Epilepsie nicht weiter erwähnt. Nicht unrichtig erscheint die Be*
merkui^ (die freilich nicht vom Verf. herrflhrt!), dass die Stupra alter Leute an
Kindern am häufigsten nicht aus Perversität ausgefOhrt werden, sondern, weil der
Ooitus an Erwachsenmi schwer zu erlangen ist. Nach Grimaldi fehlt in dem
Altersirresein das Schamgefühl in 100 7o» gewiss zu hoch ge¬
griffen ist Ferner sind oft heftige Stnpra, besonders wenn von Lustmord begleitet
pathologisch als Ausfluss von Sadismus, ebenso der Exhibitionismus (der den Ma¬
sochismus verdecken kann), Fetischismus n. s. w. (Bef. meint aber, dass es sieb oft
nur une rouäs handelt also nicht pathologische Personen). Zu bestrafen sind dag^mi
alle Wollüstlinge, Lasciven, ferner gewisse Fälle von NoUizneht Baub, Ehebmcb,
Bigamie u. s. f., also bei Gelegenheitsverbrechen. Verbrechen muss man immer da
anuehmen, wo Gewalt oder Tötung gegen eine Person (also namenüicb gegen Kinder)
in Anwendung kam. Bei Frauen ist das strafbare Alter tiefer zu verlegen, als bei
Männern. Straflos sollte die sexuelle Handlang zwischen Personen unter der straf¬
baren Altersgrenze sein. Die Strafen müssen abgestuft werden, da viele Handlungoi
viel verwerflicher sind, als der normale Coitus. Blit Puglia verlangt Verf. Be¬
strafung der Päderastie, wenn sie für gewöhnlich an allgemein zngänglichen Orten
geschieht (Wenn es sich nm eine Art Bordelle handelt so meint Bel, wäre die
Strafe ungerecht) Auch Attentate auf das Schamgefühl in der Privatwohnung sollen
bestraft werden, ebenso der Incest nicht aber jeder Baub oder jedes Kupplerthum,
nur wo letzteres namenlos oder gewohnbeitsmässig geschieht. Bei Ehebmch und
Concubinat soll für gewöhnlich nur der ungetreue Gatte bestraft werden, nicht die
3. Person (? Hef.). Nur wo Obeönitäten in Schrift oder Bild Speculationsaache ist
Google
1061
soll Strafe eintreten. Yerf. glaubt ferner, dass das uovollendete Delict weniger hnrt
*a ahnden sei, als das vollendete (? Ref.). Der Strafort soll kein Verbrecher-Irren*
hans sein; ein Krankenhans mit unbestimmter Dauer fOr den „Delinquente nato";
kurze Strafen sollen bei Minorennen fortfallen und dnrcb Strafgelder ersetzt werden.
Näcke (Hubertusbnrg).
30) Lage und Stellung der Aerate an den öffentliohen Irrenanstalten des
deutschen Beiohes, von Hugo Hoppe (Allenberg). (Ällgem. Zeitschr. f.
Psych. Bd. LIY. S. 429.)
Die ausserordentlich dankenswerthen Zusammenstellungen und Ausführungen
des Verf.’s Aber die Glebalts- und Befbrderungsverhältnisse der Irrenärzte sind leider
den Behörden nicht so zoganglich, wie gewflnscht werden muss. Die Besoldung der
Aerzte lässt an Verschiedenheit jedenfalls viel weniger zn wQnschen als an Höbe;
die Gehälter sind theilweise geradezu empörend niedrig. Die Oberärzte (II. Aerzte)
haben zur Zeit ein Durchschnittsalter von 36 Jahren 9 Monaten und beziehen bei
10 Jahren und 7 Monaten durchschnittlicher Dienstzeit als Irrenärzte im Mittel
3550 Mark Qehalt, eine Summe, die hauptsächlich durch die städtischen Anstalten
nach oben zn verschoben wird. Die 111. Aerzte und Anstaltsärzte mit Familien-
Wohnungen haben 2850 Hark Qehalt bei 7jähriger Dienstzeit und 33 Jahren 8 Hon.
Durchschnittsalter. Die Aussichten auf Vorwärtskommen erscheinen nicht allzu gross,
wenn man bedenkt, dass in 56 Anstalten 56 Directoren, 75 Oberärzte, 113 Assistenz¬
ärzte und 27 Volontärärzte thätig sind. Da non jedes Land und jede Provinz mög¬
lichst frei werdende Stellen aus dem eigenen Nachwuchs besetzt, so ist es ganz
selbstverständlich, dass ein grosser Theil der Irrenärzte, und sicher nicht der un-
tächtigste, es vorzieht, statt den Tod der Vordermänner abznwarten, den Irrendienst
zu verlassen. Aber nicht nur die materielle Seite der irrenärztlicben Misöre wird
vom Verf. dai^estellt, er verlangt auch eine Reihe anderer Maassregeln, ohne deren
Schaffung ein Gedeihen der Psychiatrie nicht erwartet werden kann. 100 Kranke
anf einen Arzt ist das Maximum dessen, was in einer Pflegeanstalt dem Arzte zo-
gemuthet werden dürfte. Bei der dienstlichen Anspannung muss jeder mindestens
6 Wochen Urlaub beanspruchen können. Unter der Ueberlastung der Directoren mit
Yerwaltungstechnik, der Oberärzte mit Kranken, leidet am meisten die fachmännische
und klinische Ausbildung des Nachwuchses. Von 121 Irrenärzten an preussischen
Provinzialirrenanstalten hatten nur 65, von 103 an anderen deutschen Anstalten an-
gestellten Aerzten 45, im Ganzen 44,47a psychiatrische Vorlesungen und Kliniken
auf der Universität besucht!
Wer nnbeflingen die Arbeit des Verf.’s liest, muss sich sagen, dass die Lage
der Irrenärzte eine unwürdige ist, deren Schaden — es sei hier nur an die mangel¬
hafte Ausbildung und die zu grosse Krankenzahl erinnert — unbedingt zum Tbeil
von den Kranken mi^etragen werden muss. Wenn sich dieser Einsicht aber das
Gros der Irrenärzte verschliesst, wird eine Abhfllfe kaum erwartet werden können.
Ascbaffenburg (Heidelbei^).
31) Zur Frage: Horallsohes Irresein, von Dr. T. Bogdan in Langenlois. (Wiener
med. Wochenschr. 1897. Nr. 30 n. 31.)
Durch eine Reihe von Beispielen sucht Verf. die Anschauung zu begründen,
dass ein ethisch depravirtes Individonm, weichem gesellschaftlichen Stande es auch
angehöre, selbst wenn es die Erscheinungen der angeborenen Imbecillität snfweise,
im eigenen und im Interesse der Allgemeinheit, nicht in eine Irrenanstalt, sondern
in eine Beasemngsanstalt abzugeben sei.
D g !i.:od oy GOO^ Ic
1062
Den forensischen F&Uen gegenflber hält er an dem Stuidponlrte Mejnert’s
fest, dw ethische Defectuosität nur dann als krankhaft anzosehen sei, wenn sie als
Änsfloss einer klinisch begründeten Erkrankung des Gehirns, namentlich des Vorder*
hims, nachgewiesen werden könne. J. Sorgo (WieaX
in. Aus den Oesellsohaften.
Versammlnng deutscher Kstorforsoher and Aente zu Düsseldorf vom
19.—22. September 1898.
(Schloss.)
Oem^sohaftliohe Sitsung mit der Abtheilung für innere Medicln.
Sitzung Tom 20. September, Kachmittags.
Herr Stintzing (Jma): Heber Wesen und Behandlang des Tetanus
traumatious.
Nachdem Vortr. kurz die Äetiologie und Diagnose des Tetanus traumaticus ge*
streift, bespricht er eingehend an der Hand eigener, wie fremder Beobachtungen und
Untersuchungen die Anatomie und Pathogenese des Tetanus. Die daraus sich er¬
gebenden, theils feststehenden, theils hypothetischen Anschauungen über die Anatomie
und Pathogenese des Tetanus fasst er am Schlüsse seiner Aosföhrnngen in folgenden
Sätzen zusammen:
Der Tetanasbacillus erzeugt an dem Orte seiuer Ansiedelung (Wunde od^
Impfstelle) Toxine. Diese gelangen theils in die Blutbabn (bei Thieren) und können
Ton dieser aus wirksam werden. Im wesentlicben aber werden sie längs der nahe
gelegenen Nerven, vermotblich in den Haschen des Perineurium, deren Flüssigkeit
eine besondere Attractionskraft eigen zu sein scheint, zum Böckenmarke fortgeleitet.
In den Subarachnoidealrauro oder unmittelbar in das Böckenmark gelangt, entfalten
sie — bei Thieren — ihre toxische Wirkung zunächst von der EinmOndui^sstcUe
aus und erzeugen somit zunächst den örtlichen Tetanus. Wird Gift in genOgender
Menge weiter producirt und zugeleitet, so erzeugt es regionär (bis zum allgemeinen
Tetanus) fortschreitende Krämpfe. Beim Menschen kann der Vorgang der gleiche
sein. Meist jedoch breiten sich bei diesem die Krämpfe ohne Begel aus, vermuthlicfa
weil die Toxine in den weiteren, mit Flüssigkeit angefüllten Bäumen rascher diffun-
diren. Den ÄngrifEspunkt für das Tetanusgift bilden jedenfalls die motorischmi
Ganglienzellen in den Vorderbömem, die unter der Einwirkung des Giftes in einen
Zustand erhöhter Erregbarkeit gerathen. Dass die neuerdings gefundenen, morpho¬
logischen Veränderungen dieser Zellen einen dem Tetanus eigenartigen Befund dar¬
stellen, ist noch fraglich.
Bezüglich der Behandlung des Tetanus führt Vortr. aus, dass die Serum-
therapie selbst bei frühzeitiger Anwendung die in sie gesetzten Hoffhongen bisher
nicht erfüllt bat, und empfiehlt daher auch fernerhin neben dem Antitoxin die alten
Behandlun^methoden anznwenden, vor allem die möglichst frühzeitige Excision und
Kautherisation der Wunde; in zweiter Linie Narcotica (Chloral, Morphium).
Discnssion:
Herr Nissl (Heidelberg): Bezüglich der Beziehungen zwischen MerTensellm-
Veränderungen und nervösen Fonctionsstörungen steht es wohl fest, dass die zur Zeit
ig i'7cö c/ Google
1068
Bsebweisbaren ZellTer&Ddenuigen sicherlich nicht in erster Linie der Ansdrack ner-
Theer FnnctionsstQrungen sind. Die en^egei^^esetzte Ansicht fand ihre Stfltze in
den Ei^ebnissen der sogenannten snbacaten maximalen Vergiftnngsweise. Hier treten
je nach der Art des Giftes specifische und so charakteristische Ver&nderangen an
den Kerrenzellen aof, dass man ans der Yerändening der Zelle auf das jeweilig an¬
gewandte Gift schliessen kann. Dagegen kann bei der acnten und noch mehr bei
der chronischen Yer&riftang von specifischen Yerfindeningen der Nervenzelle keine
Bede sein. Gegen die Auffassni^, dass die heute nachweisbaren Zellverändernngen
der Ausdruck nervöser Fnnctionsstömngen sind, spricht, abgesehen von anderen Er-
fahrnngen, vor allem die sogenannte acnte Zellerkranknng, eine Erkrankungsform,
die ausserordentlich charakteristisch und nicht zu verwechseln ist, und bei der, wenn
sie in der menschlichen Binde auftritt, stets alle Nervenzellen der ganzen Binde
in gleicher Weise erkrankt sind. Trotzdem findet man sie bei ganz verschiedenen
Krankheitsznständen, wie die Herkunft der (von N.) ansgestellten Photogramme von
sogenannter acuter Zellerkrankung zeigt. Die eine Zelle stammt von einem auf-
geraten Paralytiker, die andere von einem Fall von Typhus, die dritte ebenfalls
▼on einem nicht-geisteskranken M&dchen, das in Folge von Brandwunden zu Grunde
gegangen ist.
Herr von Jaksch (Frag) weist darauf hin, dass es Fälle von Tetanns trau-
maticns giebt, die ihrem klinischen Yerlaof nach unzweifelhaft Tetanus sind, in denen
jedoch weder die Eingangspforte, noch Gift, noch Bacillen gefunden werden. Fflr
die Behandlung empfiehlt er Urethan in grossen Dosen (20—25 g pro die).
Herr Nannyn (Strassburg): Bei einer Erörterung der Pathogenese des Tetanus
muss auch der Bose’sche Eopftetanus mit seiner Facialislähmung berflckaichtigt
werden.
Herr von Jaksch (Frag) bemerkt, dass der Eopftetanus dieselbe Aetiolc^e
wie die anderen Fälle von Tetimus traumatica habe, er habe nämlich in einem von
ihm beobachteten Falle von Eopftetanus Tetannsbacillen nachweisen können. In
einer Epidemie von Tetanns puerperalis sei es ihm nnr vereinzelt gelungen.
Herr Stintzing (Jenaj hat den Tetanus puerperalis nicht in den Ereis seiner
Betrachtung gezogen, da seine Zugehörigkeit znm Tetanns traumaticns noch nicht
erwiesen sei.
Herr Blumenthal (Berlin) betont, dass der Tetanns puerperalis uud der
Tetanns traumaticns zweifellos durch dieselbe Ursache bedingt seien, wie er und
Stabsarzt Heyse schon vor mehreren Jahren nachgewieaen habe. 6. spricht weiter
an der Hand seiner neuesten Untersuchungen über das Yerhältniss des Tetannsgiftee
zu den Nervenzellen und zum Antitoxin.
Herr Epstein (Göttingen): Schon vor einer Reihe von Jahren hat Prof. Ni-
colaier in einem Fall von Eopftetanus den Tetanusbacillus nacl^ewiesen. Die in
diesem Falle vorhanden gewesene periphere Facialislähmung spricht für die von
Stintzing behauptete Fortleitung des Tetanusgiftes längs der Nerven.
Herr Weber (Uchtspringe): Obdnotionsbefimde beim Tod im Sta^ epi-
leptiouB.
Ausgehend von der Ansicht, dass nur ein genaues Studium der von den Einzel-
äussemngen der Epilepsie geseteten Gewebsverändernngen eine Lösung der Frage
nach der Natur der epileptischen Schädlichkeit, der Art ihrer Wirkung und der
Genese der durch sie hervorgemfenen, klinischen Erscheinungen der Epilepsie bringen
kann, hat Yortr. die in den letzten 4 Jahren in Uchtspringe an Status epilepticns,
„der acutesten Aeusserung der Epilepsie", Yerstorbenen einer eii^^eheuden anatomischen
Untersoohang unterworfen.
Google
1064
Die makroskopUehen Befunde: ÄasserordenÜiche BlotftberfQUang eänuntlicher
inneren Organe, besonders der Lungen, Leber, Mils, Kieren, in fiut allen FÜIcd;
constant Blutaastritte in den serösen Häuten der Lunge, des Herzens, im Ben-
mnskel und Lnngenparencbym selbst; häufig grössere blutig-angeschoppte Herde m
fester Consistenz in den Lungen, manchmal wirkliche In&rcirungen. ln den meisten
Fällen frische Verfettungen des Herzmuskels, der Leber und der Hiermi; fettige
Usor und atheromatöse Veränderungen (auch bei sehr jugendlichen Individuen) an
den Herzklappen, in der Aorta und den grösseren Ärtehenstämmoi. Oleichm&aage
starke BlutftberfQllung des Gebims und seiner Häute mit einzelnen Extravasaten io
der Dura, Pia und dem Bpendjm des 3. und 4. Ventrikels — nur selten bestand
Anämie der Himsubstanz — decken aidi im grossen und ganzen mit den in der
Litteratur veröffentlichten Obductionsbefunden bei Todesfällen im Status epilepticoB.
Die mikroskopische üntersuchung, Ober deren Technik man die VerhandlnDg»-
berichte nachlesen m{^, ei^b als wichtigsten Befund in allen Fällen mehr odM
minder hochgradige, frische Veränderungen am Qefässsystem: Starke FfiUm^ der
Capillaren und der mittleren Gefässe, Entzfindung der Gefltsswandungen, Sebwellnng
und Wucherung der Endothelien der perivascnlären Ljmphscbeiden bis zu dmn Bilde
lebhafter Zellinfiltration der Gefässwandung und ihrer nächsten Umgebung; in den
erweiterten Ljmphränmen bei schneller Härtung eine homogene farblose Masse, ln
einzelnen Fällen beginnende hyaline Entartung der ganzen Wandung kleinerer
Gefässe.
Des weiteren ei^b die mikroskopische Untersuchung bei fast allen Fällen aaU*
reiche Blutaastritte in die perivasculären Bäume und das umliegende Gewebe unter
theilweiser Zerstörung desselben von wechselnder In* und Extensität in der Binde,
der Harkstrahlung im Himstamm (in der MeduUa oblongata, besonders unter den
Ependym des 4. Ventrikels und im Bereich der Kerne der Himnerven), manchmal
auch im BQckenmark. An den Ganglienzellen fanden sich in vielen Fällen schwere
Veränderungen; bei jugendlichen Individuen abnorm grosser Pigmentgehalt der
Zellen, nicht selten frische kleinzellige Infiltration in den periganglionären Bäomm.
Vortr. führt dann des längeren aus, dass diese Befunde nicht nur die klinischeo
Erscheinungen des Status epilepticus unschwer erklären, sondern auch die von
Schröder van der Kolk beobachtete Tbatsache, dass in der Mehrzahl der secirtm
Epileptiker chronische Gefässverändemngen in der Hedulla oblongata geftmden werdo,
eine Beobachtung, die seiner Zeit zu der falschen Theorie von der medullären Eot*
stehnng der Epilepsie geführt hatte.
Betreffs der Genese der von ihm gefundenen GeAssverändemngen weist er auf
die analogen Veränderungen in der Hirnrinde und Vedulla oblongata bei acutes
Vergiftungen und schweren acuten Infectionskrankheiten hin und spricht im Anschloss
an eine namentlich von den Franzosen vertretene Anschauung die Vermutung sos,
dass die acuten Aeusserungen mancher Epilepsiefonnen die Wirkung eines jeweils im
Körper selbst entstebeuden, das Centralnervensystem schädigenden Giftes amen, du
wie jede chemische Noxe zunächst die Gefösse — von der einfachen Beizung and
Hyperämie bis zu Blutaustritten in das umliegende Gewebe — und dadurch weitvhin
die nervösen Elemente schädige. (Diese Hypothese würde auch eine Erklärung für
das häufige Vorkommen von atheromatösen Veränderungen bei den Epileptikern selbst
bei sehr jugendlichen Individuen geben, da man ja neuerdings immer mehr die»
Qefässerkrankuug auf infectiöse und toxische Wirkungen zurfickfOhrt. Bel)
Zum Schluss bezeichnet Vortr. als sicheres Resultat seiner Untersoefanngea:
1. In den meisten Fällen von Tod nach schweren epileptischen Attaquen fioda
sich in der Hirnrinde und MeduUa oblongata frische Geftseerkrankungen nnd Extra*
vasate mit theilweiser Zerstörung der benachbarten nervösen Elemente.
2. Diese Veränderungen sind, falls sie in der MeduUa oblongata liegen, in vieleo
FäUen die directe Todesorsache, in anderen Fällen verursachen sie, je nach ihrer
g : /cd oy CjOO^Ic
1065
Lage zu den betreffenden nervösen Elementen, Circnlationsstöningen und Blafcnngen
in den grossen Eörperorganen, schädigen den Bespirationsapparai, machen transitorische
Paresen der Extremitäten and psychische Störungen.
Herr Hoffmann (DAsseldorf): Durch Badiographie naobgewiesene Fremd¬
körper als Ursache von spinaler und peripherer liähmung. (Kranken-
Torstellong.)
Ein 34jähr^er Mann warde vor 2 Jahren durch einen Pistolenschuss aus an¬
mittelbarer Nähe vom am Halse neben dem Schildknorpel verletst Die Kt^el drang
in die Tiefe and blieb im Halse stecken. Sofort nach dem Schuss Bewusstlosigkeit
und Lähmung aller 4 Extremitäten; nur die Finger der rechten Hand konnten ein
wenig bewegt werden. Allmähliche Besserung zunächst der Beweglichkeit des rechten
Armes, der nach 10 Wochen schon wieder bis zum Hunde geführt werden konnte,
dann der beiden Beine, wobei das rechte sich schneller besserte, wie das Unke.
Na<di einem halben Jahr konnte Patient wieder gehen. Jetzt sind rechter Arm und
beide Beine, abgesehen von geringem Schwächegeffihl, wieder ganz in Ordnung, nur
der Unke Arm ist noch sehr unbeweglich.
Durch die Untersuchung lässt sich eine fast complette Lähmung der Hm. del-
toides, sopra- und infraspinatos, ferner Schwäche in den verschiedenen Muskeln des
Annes, besonders in den Strecfannskeln und Muskeln des Daumens feststellen. Die
Lähmung zeigt keinen bestimmten Typus, auch fehlt überall Yeränderung der elek¬
trischen Eir^barkeit Störungen der Sensibilität fehlen. Die Reflexe sind erhöbt
Durch Untersuchung mit Röntgen-Strahlen und Photographie wurde der Sitz der
etwa erbsengroBsen Kugel im linken Wirbelb<^en des 4. Halswirbels fes^estelit, wo
sie, da sie seit einem Jahr sich unverrückt an derselben Stelle befindet, offenbar im
Knochen fest eingedrungen haftet
Aus den kUnischen Symptomen muss auf eine ursprüngliche Compression des
ganzen Rückenmarks, sei es durch die Kugel, sei es durch Bluteiguss, geschlossen
werden. Die jetzt noch bestehenden Lähmungen müssen als Beste derselben angesehen
werden. Nervenwurzeln scheinen nicht durchtrennt zu sein, da Entartungsreaction
fehlt Ebenso kann mne Durchtrennung eines Theiles des Rückenmarks nicht statt-
gefunden haben.
Der zweite Fall betrifft einen Arbeiter, dem vor 4 Jahren beim Nietben ein
Hammer zersplitterte. Yon einem abspringenden Stück desselben erlitt er eine
blutige Yerletzung am Yorderarm rechts. Es trat Schwäche in der Rand ein und
taubes Gefühl im Bereich des 4. und 5. Fingers. Trotz eiMgen Nachsuchens wurde
seitens des Operateurs — wie in einem von seiner Hand geschriebenen Gutachten
niedergetegt ist — kein Fremdkörper in der Wunde gefunden. Die Schwäche der
Hand besserte sich nicht.
Es besteht jetzt Atrophie der kleinen Handmuskeln, Schwäche der Opposition
des Daumens, Unmöglichkeit die Finger ganz gerade zu strecken und dieselben weit
zu spreizen. Dabei Herabsetzung aller Gefüblsqualitäten an der ulnaren Seite der
Hand und den beiden letzten Fingern.
Auf dem Badiogramm, wie am Leuchtscbirm sieht man 6 cm oberhalb des
distalen Endes der Ulna einen unregelmässig geformten Schatten eines etwa pflaumen-
kemgrossen Fremdkörpers ganz dicht der Ulna anliegen, der offenbar durch Com¬
pression und Yerwacbsung Ursache der Lähmung des N. ulnaris ist. (Der Vortrag
erscheint ausführlich mit Abbildung in „Fortschritte der Böntgen-Strablen“.)
(Autorreferat)
Herr Mendel (Berlin): Welche Aenderung hat dsa klinische Bild der
progreaaiven Paralyse der Irren in den letzten Deoennlen erfhhrenP (siehe
Original-Hittheiluug 4 in dieser Nummer).
Hig i'/od D/ Google
1066
Ducosrion:
Herr Stintsing (Jens) spricht die Yermnthnng ans, dass Yieileioht die snt
Foornier häufiger und energischer dorchgefflhrte mercorielle Behandlang der SjpbUis
einen Einfluss auf den Charakter der Paralyse ausgefibt bat, da nach eemer Er*
fabrang die schwere Form der Syphilis nicht abgenommen hat.
Herr Kräpelin (Heidelberg) ist der Ansicht, dass die Zunahme der Häufigkeit
der dementen Fälle, die auch er beobachtet hat, eher eine Verschlimmerung als eine
Milderung des Krankheitscharakters bedeutet, da bei der grossen Hasse der demeotw
Fälle die Demenz sehr schnell einzutreten pflegt. Ueber die Hrsacbett der Zumüme
der dementen Form der Paralyse wisseu wir nach seiner Ansicht durchaus gar nichts,
insbesondere nichts über den Einfluss der Behandlung. Dagegen ist eine Ton ihai
beobachtete Aenderung im Krankheitsbilde der Paralyse, die Abnahme der Hänfi^nt
der paralytischen An^le auf die in den letzten Jahren systematisch dorchgeführte
Bettbehandlung der Paralytiker zurfickzuführen.
Herr Leppmanu (Berlin) hat in den letzten Jahren die Beobachtung gemacht,
dass die Exaltation bei der Paralyse häufig in der Form der drculären Psychose
auftritt. Ferner macht er anf die bisher nicht ^klärte Thatsache aufmerksam, dass
in den Straf* und Gefangenen^Anstalteu die Paralyse so selten ist
Herr Ortbmann (Grafenberg) hält es auf Grund der Geschichte der Syphilis
und der Er&hmngen der Aerzte in den Hafenstädten (in den Tropen erworbeue
Syphilis verläuft viel schwerer als die einheimische) nicht für ausgeschlossen, dass
der Charakter des Syphiiisgiftes in den letzten Jahrzehnten sich geändert haben kann.
Eine Erklärung für die behauptete Zunahme der dementen Form der Paralyse findet
er darin, dass eine ganze Beibe von Krankheiten in den grossen Topf der Paralyse
geworfen werden, die klinisch unter einem ähnlichen Bilde wie die demente Form d«
Paralyse verlanfen, die aber ein ganz anderes anatonüsches Substrat haben. Br
erinnert an die arteriosklerotische Himentartung (Binswanger, Alzheimer), die
Encephalitis subcorticalis chronica progressiva (Binswanger), die perivasculsn
Gliose (Alzheimer).
Herr Mendel (Schlosswort): Hach seiner Erfahrung sind weder die paralytisdiso
Anßlle seltener geworden, noch hat die circnläre Form eine Aenderung äfahreo,
noch hat die vorgenommene antisyphilitische Behandlung einen Einfluss auf die eat*
stehende Form der Paralyse. „HÜd‘* hat H. den Verlauf bei der dementen Fom
bezeichnet gegenüber dem stürmischen Auftreten der Paralyse im maniakalischin
Stadium. Die schnell dement werdenden Paralytiker hat er nicht erwähnt, da diese
Form, längst bekannt nnd beschrieben, eine Aenderung gegen fküher nicht erfohrei
hat. Die Seltenheit der Paralytiker in den Strafanstalten hat wohl seinen Grund
darin, dass sie meist schon während der Untersuchungshaft oder in der «sten
Zeit der Strafverbüssung als solche erkannt, den Heimathsbehörden bezw. den Imo-
anstalten überwiesen werden. Mit den verschiedenen anatomischen Befunden bei
dem klinischen Bilde der Paralyse lässt sich zur Zeit noch nichts anfangen, und
muss man sich, da man während des Lebens eine specielle anatomische Diagnose
nicht stellen kann, vorerst mit dem „grossen Topf der Paralyse'^ begnügm.
Der Vortrag von Herrn Schrdtter jnn. (Wien): Zur Aetiologie und Patho¬
logie der Bogenaimten Kaissonkrankheit musste w^en vorgerückter Zeit zorflek-
gestellt werden; er wurde am 22. September, Nachmittags, in der Abtheilong Ar
innere Hedicin gehalten.
An der Hand zahlreicher Abbildungen nnd Präparate tr^ Vortr. die Ergebnis»
seiner diesbezüglichen an Hunden angestellten Untersuchungen vor. Nach plötzlicher
Decompressioii kam es bei den Tbieren zu asphyctischen und Läbmangserscheioungeo.
Gingen sie rasch zu Grunde, so ergab die ^ction Luftblasen (Stickstoff) im Blote.
Einen gleichen Befund hatte er Gelegenheit beim Menschen zu erheben; in diesem
Falle war das Herzblut dennaassen mit Luft gemischt, dass Percussion des Herzens
InyGOOgl
c
1067
tympanitiscben Schall gab. Gelang es, die Thiere längere Zeit am Leben zn erhalten,
so fanden sich im BQckenmarh sowohl in der weissen wie grauen Substanz Erweichungs-
herde, wie sie nach Qe^verstopfung durch die Anämisirung und Ischämie des be¬
treffenden Gebietes zu Stande kommen, aus denen durch weiteren Zerfall secundär
theilweise Höhlen hervoi^egangen waren. Damit ßllt die Ton Leyden vertretene
Ansicht, dass es sich bei den Höhlen um Spaltbildung im BQckenmark handelt, sowie
die, dass die Herde das Besultat primärer Blutungen sind.
Nachdem Yortr. dann noch an der Hand eigener wie fremder Beobachtungen
die klinischen u. s. w. Erscheinungen der Caissonkrankheit beim Menschen besprochen
hat, kommt er zn dem Schluss: Die sogenannte Caissonkrankheit wird dadurch
hervoi^erufen, dass bei plötzlicher Decompression Luft aus dem Blut, die unter der
Compression aufgesangt worden war, frei wird. Diese fährt zn LuftemboUeen in den
EOckenmarksgefässen, die dann Nekrose der betreffenden Partieen zur Folge haben.
BezQglich der Therapie empfiehlt Yortr. sofort die Becompression auszufOhren, ein
Mittel, das absolut sicher sei. Er konnte bei den Hunden dadurch alle Erscheinungen
sofort znm Schwinden bringen. Entsprechende Erfahrungen liegen auch beim
Menschen vor.
Sitzung vom 21. September, Nachmittags.
Herr Böder (Heidelberg): tJeber die Anwendung einer neuen Methode
der Untenuohung bei nervösen Erkrankungen nach tTnfall.
Da die Anschauungen Ober die Häufigkeit und die Beurtheilung nervöser
Storungen nach Unfall zum grossen Theil deshalb weit auseinandei^ehen, weil es
an Methoden fehlt, ihren Werth oder Qnwerth objectiv festzustellen, veranlasste
Yortr. eine Beobachtung des Dr. Groos (früher in Heidelberg) — G. konnte in
einem Falle von nervöser Erkrankung nach Unfall mit körperlich nahezu negativem
Befund mittels psychophysischer Untersncbungsmethoden (ausser anderen benutzte er
einfache rechnerische Aufgaben: Addiren, Subtrahiren, Zählen) nachweisen, dass die
Klagen des Kranken, die sich haoptsäcblich auf verminderte Leistung in seinem
Geschäft nud schnelles Mödewerden bei seiner Thätigkeit bezogen, begründet waren;
denn seine Gesammtleistnng in einer bestimmten Zeit verglichen mit der eines Ge¬
sunden desselben Alters und derselben socialen Stellung war auffallend niedrig, und
zu einer Zeit, in der ein Gesunder noch keine Abnahme seiner Leistung zeigte, trat
bei ihm eine solche dentlich zu Tage — durch weitere Anwendung dieser Methode
in ähnlichen Fällen die Frage zu prüfen, ob und wie weit sie sich für die Unter¬
suchung derartiger Kranker allgemein verwerthen lässt.
Für eine allgemeine Anwendung muss der zu benntzende Apparat möglichst
einfach und die Aufgaben so leicht sein, dass keiner sich ihrer Lösung entziehen
kann, unter dem Yorwande, er könne sie nicht leisten. Der Apparat bestand dem¬
entsprechend in Heften, in denen einstellige Zahlen in Reihen übereinander gedruckt
waren and in einer Secundenuhr zur Beobachtung der Zeiten; die Aufgaben bestanden
darin, dass die betreffenden Personen an mehreren anf einanderfolgenden Tagen unter
möglichst gleichen Bedingungen hintereinander möglichst rasch von 1—100 and 100—1
zählen, Vz Stunde addiren, fortlaufend 7 von 100 subtrahiren und schliesslich die
Zählungen wiederholen mussten. (Empfehlenswerth ist, wie sich im Yerlanf der
Untersuchungen heransgestellt bal^ vor das Addiren noch Subtrabireu einzuschieben.)
Von den 7 Unfallverletzten, die er nach dieser Methode nntersnchte, konnte Yortr.
auf Gmnd ihres Ergebnisses einen bisher als Neurose aufgefassten Fall als solchen
ausscheiden — die weitere Untersuchung eigab dann als Ursache seines schlechten
Allgemeinbefindens chronischen Magencatarrb in Folge Zabnmangels —, in einem
anderen Fall, der Lues überstanden und deutliche Arteriosklerose hatte, mnsste qt
ein non liquet anssprechen.
Google
1068
Bei den übrigen fünf aber zeigten die gewonnenen Ergebnisse, die sowohl unter
sieb, wie mit dem bei dem Oross’sche Patienten gefandenm in weitestem Umhngt
ftbereinstimmten: das Zählen erforderte Terhältnissmässig grosse Zeit; in der htibei
Stunde worden wenig Additionen gerechnet, and zwar zunehmend weniger in der
Zeiteinheit; die Sobtraetion fortlaufend 7 ?on 100 geschah langsam; das zweite Zahleo
erfordert noch mehr Zeit als das erste; die Leistungen besserten sieh mit dw
Wiederholung (Uebongszuwaehs) zor Evidenz, — d asR geringe Leistungsßbigheit imd
grosse Ermüdbarkeit bei ihnen bestand.
Um zu prüfen, ob und wie weit eine Simulation möglich ist, stellte Vortr. is
3 Oruppen von Qeeunden ControUantersnebangen an:
druppe 1 waren 2 Aerzte, „die einerseits die Besultate des Dr. Gross kannten,
andererseito mit den in Betracht kommenden Prflfungsmethoden durch viel&cbee
eigenes Experimentiren vollständig vertraut waren.“
Gruppe II 2 Aerzte, „denen das klinische Bild der Erkrankung geläufig war;
Beide überlegten sich vorher den Weg, den sie einschlagen wollten, um die Täuschong
durchzufübren.“
Gruppe III 2 intelligente Pfl^r, denen Vortr. möglichst eingehend beschrieb,
„sie sollten einen Mann darstellen, der eine Rente zn erlangen sucht, unter der Be¬
hauptung, er könne wenig leisten und ermüde rasch.“
Die Ergebnisse waren folgende:
Gmppe I gelang es ziemlich gut, sich als leicht erschöpfbar hinznstellw ood
den UebnngBzawachs za markiren, aber nicht die Differenz zwischen Anfangs* and
Endleistung in der Zeiteinheit nachznmachen. Die Verschlecbternng betrag bei ihnen
150 und 60°/o gegen 15—33^/o bei den Unfallverletzten.
Gruppe II und III vermochte nnr beim Addiren die ErmOdnng vorzntäoscba,
aber nicht beim Zählen wie Subtrabireo and ebensowenig den Uebnngsznwacbs vor-
zuspiegeln.
Demnach konnte Vortr. dorch seine Untersnehnngsmetbode bei allen 6 Dach-
weisen, dass sie zu tänseben versucht batten.
Anf Grund dieser Ergebnisse steht Vortr. nicht an, „seine Methode als eine
brauchbare ßereicbemng fllr die Untersuchnng Unfallskranker zu bezeichnen“ and
ist der Ansicht, dass sie in vielen Fällen eine objective Beurtbeilung der nervösoi
Klagen Unfallverletzter ermöglichen werde.
Als einen nicht zu unterschätzenden Vorzug seiner Methode führt Vortr. nocli
an, dass sie Gelegenheit giebt, den Kranken anbemerkt zn beobachten, ob die «tn
geklagten nervösen Erscheinungen (Zittern, Schiritzen, Herzklopfen u. s. w.) beio
Arbeiten wirklich eintreten, was sich für die Beurtheilang des in Frage stebendst
Falles verwerthen lässt. Hierbei ist jedoch zn berücksichtigen, dass Vortr. auch bei
den Gesunden während des Arbeitens leichte Pnlsbeschleunigung, Bothwerden nad
motorische Unruhe auftreten sah.
Discussion:
Herr Gross (Alt*Scherbitz) warnt davor, derartige üntersnehnngen vorzanebnes,
wenn man mit den einschlägigen Methoden nicht völlig vertrant sei, weil man sooft
zu leicht Trugschlüssen ansgesetzt sei Unbedingt erforderiieh sei weiter, dass die
betreffende Person während der Lösung der Aufgaben ständig Überwacht wode.
Herr Kräpelin (Heidelberg) empfiehlt die Methode, und bemerkt dazu, diss
es ja, da nach heutiger Aoffassung das Erankheitsbild bet Unfallverletsten weseotiiti
psychisch bedingt sei, nabe liege, sie mit psychischen Methoden zn nnteisoclim
Dies sei bisher deshalb unterblieben, weil man die Gesetzmässigkeiten anf disssD
Gebiete nicht genügend gekannt habe.
Herr Göbel (Bielefeld) glaubt, dass die neue Methode höchstens zur Bst*
Scheidung der Frage, ob Krankheit oder Simnlation vorliege, nicht aber znr Be¬
stimmung des Grades der Erwerbsunfähigkeit zu verwerthen seL
yGoogIc
1069
Herr Kräpelin (Heidelbei^) erwidert dem Yorredner, dass die aagegebene
üntersDchang nar die Feststellung der Ermüdbarkeit, nicht die der bernflicben
Leistongsßbigkeit bezwecke, die von ganz anderen praktischen Qesichtsponkten ab-
hänpg sei.
Herr Oebecke (Bonn) verspricht sich nicht viel von der nenen Methode, da
die Qrenze zwischen physiologischer und pathologischer Ermüdbarkeit schwer zu
ziehen sei.
Herr Rüder schliesst sich in seinem Schlusswort den Ansfübrungen von Gross
nnd Kräpelin an.
Sitzung vom 22. September, Vormittags.
Dr. A. Schmitz (Bonn): Was haben die deutsöhen Aerzte gethan und
was können sie thun im Kampfe gegen den Uissbrauoh geistiger Ge¬
tränke?
Die Geschichte des Alkoholismus ze^ dass man zu allen Zeiten und bei allen
Vülkem wegen der mit dem Missbrauch geistiger Getränke verbundenen Gefahren in
g^ondheitlicher und socialer Beziehung nach Mitteln nnd Wegen gesucht hat, dem
Missbrauch geistiger Getränke vorzubeugen. In diesem Kampf gegen den Alkoholismus
sind die Aerzte nicht die letzten gewesen; unter ihnen war es besonders der ver¬
storbene Bonner Psychiater Werner Nasse, der 1876 im Verein der deutschen
Irrenärzte zu Hamburg in seinem Vortrage: „Wie können die deutschen Irrenärzte
zur Beseitigung des Schadens, den der Alkoholmissbrauch in unserem Volke anrichtet,
mitwirken?“ auf die erschreckendste Zunahme der alkoholistischen Geistesstörungen
hinwies und die deutschen Aerzte mit beweglichen Worten zum Kampf gegen den
Alkoholismus, dies grösste Uebel der menschlichen Gesellschaft, aufrief. Das auf-
genommene Thema liess er nicht mehr fallen, und gelang es seinen unausgesetzten
Bemühungen endlich, im Jahre 1883 den deutschen Verein gegeu den Missbrauch
geistiger Getränke ins Leben zu rufen. Derselbe zählt zur Zeit ungefähr 10000 Mit¬
glieder, unter denen sich jedoch verbältnissmässig wenig Aerzte befinden. Dies ist
um so mehr zn bedauern, da sie in erster Linie die verwüstenden Wirkungen des
Alkoholismus kennen lernen und vermöge ihrer Wissenschaft, in ihrem Berufe und
in ihrer gesellschaftlichen Stellung nicht nur dazu berufen, sondern auch in der Lage
sind, dem socialen and gesundheitlichen Eiend, welches der Missbranch geistiger
Getränke nach sich zieht, zu steuern. Es ist daher Pflicht der Aerzte, wenn sie
etwa die Ausgabe von 3 Mark, um Mitglied des Vereins zu werden, scheuen, wenig¬
stens die Bestrebungen des Vereins thatkräftig zn unterstützen. Das können sie
einmal dadurch thun, dass sie nicht nur im eigenen häuslichen Kreise, sondern auch
in der Gesellschaft ein gutes Beispiel der Nüchternheit and Hässigkeit geben, was
leider heutzutage nicht immer der Fall ist, da manche Aerzte glauben, den Strapazen
ihres Berufes am besten gewachsen zu sein, wenn sie reichlich geistige Getränke zu
sich nehmen, and zweitens dadurch, dass sie den alten Schlendrian fahren lassen,
ihren Kranken nicht mehr die grossen Mengen geistiger Getränke verordnen oder
gestatten, weil nach Erfahrung des Vortr. nicht selten auf solche Weise die Kranken
dem Alkoholismus in die Arme geführt werden.
An der Discussion betheiligten sieb die Herren v. Muralt (Zürich), Bayer¬
thal (Worms), Steiner (Köln), Leppmann (Berlin), Oebecke (Bonn), Schäfer
(Leugericb).
V. Muralt and Bayertbal treten für totale Abstinenz ein, da sich der Begriff
der Mässigkeit wissenschaftlich nicht definiren lasse und nnr die , totale Abstinenz
Erfolge gegen das Trinkerelend erziele.
Die anderen Herreu stimmen ihnen darin bei, dass Kinder keinen Alkohol be¬
kommen sollen, dass Trinker nur durch totale Abstinenz zu heilen sind, wenden sich
aber entschieden gegen die Forderung der Abstinenzler; „weg mit dem Alkohol auch
Dil; .■ 'jJ
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1070
f&r Q«SQnde“ als weit über das Ziel hinaosscbiesseQd, da der Alkohol zu den Lebens*
reizen gehöre, und sein mässiger Genoss dem Gesunden nichts schade.
In seinem Schlusswort schliesst sich Herr Schmitz diesen Aasführongen an,
definirt den Begriff der Massigkeit dahin, dass jemand, der nur solche Quantitäten
geistiger Getränke zu sich nehme, bei und nach deren Genuss er sich wohl fühle,
mässig ZQ nennen sei und betont gegenüber v. Muralt und Bajerthal, dass der
deutsche Verein gegen den Missbrauch geistiger Getränke in den letzten Jahren
grosse Erfolge erzielt habe.
Steiner (Köln): Ueber einige besondere Fälle von Hirnftbscees mit
Seotionsbefünd.
Vortr. giebt die Krankengeschichten und Sectionsbefunde dreier von ihm beo¬
bachteter Fälle von Gehimabecess und knüpft daran epikritische Bemerkungen.
Die betreffenden Fälle sind:
I. Sch., Schlosser, 24 Jahre, Vater f an Phthise, er selbst vor einem Jahre an
Lungencatarrh gelitten, es wurde am 13. Hai bei der Arbeit plötzlich die rechte Hand
lahm. Bei der Aufnahme ins Hospital am 14. Mai klagte er fl^r heftige Kopfschmerzen
and Mattigkeit ln den Gliedern. Die Untersnchong ergab: rechtsseitige Hemiparrae
incl. des Mundfacialis, Steigerung beider FateUarrefleze, Fussclonns rechterseits.
Pols etwas unregelmässig 60—70 p. M., Temperatur 37,9^ Uebrige Befand normal.
Diagnose trotz des negativen Lungenbefundes mit BOcksicht auf die Anamnese: Em¬
bolus an der klassischen Stelle des Gehirns, herrflhrend aus einem in der Tiefe
sitzenden Lungenberd. In der Folge allmählich Rückgang der Erscheinungen; im
Juni die Kopfschmerzen vollkommen, die Hemiparese bis auf eine ganz geringe
Schwäche geschwunden. 26. Juni Wiederauftreten der Kopfschmerzen; 28. Juni,
morgens, todt im Bett gefunden.
Bei der Section fand sich im Gehirn eine das ganze hintere Drittel der linken
Hemisphäre einnehmende Höhle mit klarem, dünnflüssigem, nicht riechendem Eiter;
in der rechten Lunge ein etwa kirschgrosser Eiterherd, in seiner Nachbarschaft
eine alte Narbe und sonst nichts Pathologisches.
II. Frau S., 50 Jahre alt, keine Erblichkeit, 1894 Fall auf den Binterkopf, sei:
Mitte November 1896 intensive Kopfschmerzen. Ende November linksseitige Hemi¬
parese incl. des Mundfacialis. Bauschen im Kopf, Glockengeläute im rechten Ohr,
ab und zu Erbrechen.
Erste Untersuchung durch Vortr. am 9. December 1896: Starke Kopfschm«T«3x
rechts mehr wie links. Drockempfindlichkeit der Höhe des Kopfes, des Kacken,
beider Occipitalnerveu, der Rflckenwirbelsäule zwischen den Schulterblättern und des
Kreuzes. Linksseitige Hemiparese, im übrigen normaler Befund. Diagnose mit
Rücksicht auf den Fall vor 2 Jahren: Himabscess in der Gegend der inneren Kapsel.
Daneben bestand zugleich Hysterie. Im Hospital schneller Nachlass der BescBweH^
so dass Pat. knrz vor Weihnachten entlassen werden konnte. Bei einer Untersuchung
nm 11. Februar 1897 war von allen Erscheinungen nur noch eine unbedeoteude
Schwäche links vorhanden. Diagnose: Hysterie, kein Äbscess.
3 Wochen darauf Fractur des linken Oberschenkels. Als Vortr. sie 14 Tag?
später sah, waren die heftigen Kopfschmerzen und das Erbrechen wiedergekehk
Der linke Arm stand in Beugecontractur, ab und zu Incontinentia urinae. Pols 120.
Keine Temperatarsteigerung. Fat. lamentirte sehr viel. Diagnose: Organisch?
Affection des Gehirns, wahrscheinlich Abscess.
In der nächsten Woche kam Incontinentia alvi hinzu. Von Anfang April an
wurde Fat. ruhiger, lamentirte nicht mehr so viel und gab auf Fragen nicht immer
Antwort. Ende April doppelseitige Stauungspapille, Puls 152, ziemliche Apathie.
Unter Zunahme aller Erscheinungen Exitus Ende Juni. Die Section, die sich
auf den Kopf beschränken musste, ergab, dass das hintere Drittel der rechten Him-
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1071
hemisphäre in eine scbmierige, käsige Masse verwandelt war, in deren vorderem,
inneren Winkel sich ein vollkommen runder, brannrotber, harter, kirscbgrosser Körper
mit eitrigem Inhalt fand.
III. S., Postanterbeamter. 33 Jahre alt Knde October Ohrenschmerzen und
Schwerhörigkeit auf dem linken Ohr, kein Aosflnss. Nach Paracentese des Trommel«
felis schwanden die Schmerzen, aber nicht die Schwerhörigkeit. Am 3. December
intensive Kopfschmerzen, an den folgenden Tagen ausserdem GefQhl von Benommen¬
heit, Schirindel und Erbrechen. Bei der Aufnahme ins Hospital am 7. December
leicht benommen, starke rechtsseitige Kopfschmerzen. Abgesehen von schwacher
Fupillenreaction fiel die Untersuchung, auch die des linken Ohres und Warzen-
fortsatzee, sowie eine Lumbalpunction am 12. December absolut negativ aus. Am
13. December Njstagmus, Parese des linken Armes und Beines — die Parese war eine
Schwäche und zugleich eine Ataxie —, Patellarrefiez beiderseits schwach. An einem
der nächsten Tage linke Fnpille > als rechts, Strabismus convergens links. Am
24. December plötzlicher Exitus. Bei der Section fand sich ein Abscess, der die
ganze linke Kleinhimhemisphäre einnahm; ferner ein Thrombus im linken Sinns
transversus nnd ganz leichte Caries des linken Felsenbeins.
Discussion:
Herr Nonne (Hamburg) berichtet Ober zwei interessante Fälle von Hirntumor.
I. Bei einer jungen Frau mit doppelseitiger Otorrboe traten cerebrale Allgemein-
sjmptome auf. Da der linke Warzenfortsatz druckempfindlich war, wurde er eröfhiet,
aber weder hier, noch in dem sodann aufgemeisselten rechten Warzenfortsatz Eiter
gefunden. Unter Zunahme der Allgemeinsjmptome in den nächsten 3 Tagen rechts¬
seitige Convulsionen mit nachfolgender Hemiparese. Trepanation auf den linken
Temporallappen gerichtet. Probepnnction ei^b nnr Hydrocephalns internus. Exitus
eine Woche nach der Operation. Seetionsbefund: Doppelseitige eitrige Otitis media,
h&bnereigrosser Tumor (Gliosarcom) dicht nach aussen von der linken inneren Kapsel,
Dirgends Meningitis oder Abscess.
n. ln dem zweiten Falle trat ln vollem Wohlsein plötzlich eine typische rechts¬
seitige apoplectiscbe Hemiplegie mit leichter atactischer Aphasie ein. Bäckgang
aller Erscheinungen bis auf unbedeutende Beste. Nach einigen Wochen neue apo-
plectische Attaque, Exitus. Niemals Stauungspapille, ganz kurz vor dem Tode
leichte Pnlsverl^gsamung. Seetionsbefund: Weicher Tumor im linken Frontallappeu.
Herr Oestreicher (Nieder-Schönhausen) fragt Yortr., ob in Fall II der Inhalt
des kirscl^rossen Abscesses auf Tuberkelbacilleu untersucht sei.
Herr Steiner erwidert, dass dies aus äusseren Gründen nicht möglich ge¬
wesen sei
Herr Orthmann (Grafenberg): Ueber Geisteastörozigeii bei Arteriosklerose.
Yortr. schildert und bespricht zunächst die von Yoisin, Ffirstner, Bins-
wanger, Alzheimer, Beyer bei Arteriosklerose beobachteten psychischen Krank-
hüitsbilder, die auch ihm nicht selten zu Gesicht gekommen sind. Während es sich
aber in den von ihnen veröffentlichten Fällen um Leute, die im reifen Alter, an der
Grenze des Greisenalters, oder im Greisenalter selbst standen, bandelte, batte Yortr.
mehrfach Gelegenheit eine durch Arteriosklerose hervorgerufene Geistesstörung bei
Individuen Ende der zwanziger und Anfang der dreissiger Jahre zu beobachten. Der
Verlauf in seinen Fällen war folgender:
Nachdem kürzere oder längere Zeit Kopfschmerzen, Kopfdruck, Neigung zu
Schwindel, Gefühl von Beklemmung in der Herzgegend, Herzklopfen, Frieren und
fliegende Hitzeerscheinungen, die seiteus der Angehörigen bei Erhebung der Anam¬
nese als schleichendes Nerven- oder Wechselfieber bezeichnet wurden, vorangegangen
sind, treten plötzlich Erregungszustände ein, in denen die Kranken unter den Zeichen
grosser Angst laut schreiend umherlaufen, sich mit den Fäusten gegen den Kopf
Dig ti/cn'i
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1072
schufen, die Haare raufen, mit dem Kopf g^n die Wand reimeD, sich uf der
Erde beromwälzen, in den Boden za beiseen Tersuchen n. 8. w., Selbetmordversuebe
macben, gevaltth&tig gegen ihre Umgebung werden, Qberbanpt ^ Bild ToUkommener
Verworrenbeit nnd Deeorientirnng bieten. Das Gesicht ist stark geröthet, mit
klebrigem Scbweiss bedeckt, die Uerztb&tigkeit colossal gesteigert, der erste Mitralton
nicht selten unrein, der Puls sehr bescbleonigt» bis zu 140 Schien in der Hinute,
in jeder Beziehung ■ unregelmässig, manchmal nicht zählbar. Dieser Zustand geht
das erste Mal gewöhnlich ziemlich schnell vorüber, die Herzthätigkeit beruhigt sich,
der Puls wird regelmässig, die motorische Unrnhe lässt nach, die Angst schwindet
und das Bewusstsein kehrt zurück. Für das, was sie während eines derartigen An*
falles gemacht, haben die Kranken nur eine summarische Ermnerung. Entstehnng
und Verlauf schildern intelligentere Kranke etwa folgendermaassen: Mitten in ihrer
Thätigkeit sei plötzlich — manchmal unter Frieren — ein Gefühl von grosser Be¬
klemmung in der Herzgrube aufgetreten — häufig mit heft^em, stechendem Sdimerz
an der gleichen Stelle verbunden —, ein Gefühl, als ob das Herz aufhöre in
schlagen und sie im nächsten Augenblick sterben müssten. Dann habe sie eine
furchtbare Angst Überfallen, die sich gar nicht beschreiben lasse, dass sie nicht aoe
noch ein gewusst Dazu seien massenhafte Gehörstäuschungen schreckhaften Inhalts
gekommen; schliesslich seien sie ganz verwirrt geworden und hätten nicht mehr ge¬
wusst, was sie getban. ÄUmählicb habe dann die Angst nachgelassen, die Stimmen
seien weniger geworden und schliesslich ganz ausgeblieben. Nach BOckkehr des
Bewusstseins sei es ihnen gewesen, als ob sie aus einem wüsten Traum aufgewacbt
seien und hätten sich an allen Gliedern wie zerschlagen gefühlt.
Bei der körperlichen Untersuchung dieser Kranken fand Vortr. beginnendmi
Arcus corneae, geschlängelte Temporalarterien, einen barten, gespannten Puls, starr-
wandige Cubitalarterien, die Herztöne sind rein, die zweiten klappend, mit metallischem
Anklang, der Spitzenstoss hebend.
Derartige Anfälle kehrten nun in kürzeren oder längeren Zwiscbenräumui, io
denen die Kranken bei klarem Bewusstsein waren, wieder, die damit verbundene Be¬
wusstseinsstörung hielt immer länger an und schliesslich entwickelte sich entweder
ein paranoischer Zustand mit massenhaften Hallncinationen und mit vorwiegend Vw-
folgungsideeen, oder es resultirte ein geistiger Scbwäcbezustaod.
Die geschilderte Form der Geistesstörung zeigt grosse Uebereinstimmang mit
der von Ffirstner beschriebenen, durch Arteriosklerose bedingten Geistesskörung du
Seniums, nur dass bei ihr die Prognose absolut ungünstig war, während von des
Fürstner'schen Kranken über 50*’/^ genasen, nnd ist Vortr. der Ansicht, dass sie
durch die bestehende Arteriosklerose bedingt und für sie charakteristisch ist Br
weist dann noch kurz auf die gerichtsärztlicbe Bedeutung der geschilderten Anfälle
hin, da er es nicht für au^eschlossen hält, dass sie auch isolirt bleiben köniMD,
wenn bald genügende Compensation seitens des Herzens eintritt nnd spridit die
Vermuthung aus, dass eine nicht geringe Zahl der als Mama oder Melancholiz
traositoria beschriebenen Fälle wohl hierhin gehören. Orthmann (Qrafenberg).
IV. Personalien.
Herr Prof. Dr. Obersteiner in Wien wurde zum ordentlichen Professor für Phjiw-
logie und Pathologie des CeDtralnervensysteinB eraannt.
Unser verehrter Mitarbeiter Herr Dr. Samuel (Stettin) bat die Leitung der Wawr-
heilanstalt Eckerberg bei Stettin übernommen.
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1898. 1. Deoember. Nr. 23.
Inhaltt I. Orlfllnalmitthellzngsn. 1. Der Alkohol in Irrenanstalten, von Dr. Hugo
Hoppe (Allenberg). 2. Sin Beitrag znr Eenntni** der Bemhardt’scben Sendbilitätsstörang,
Tun Dr. WoelslaM von NariowtU, Nerrenaizt in Kraluui.
H. Rofortl*. Anatomie. 1. A new Niasl Uethod, b; Lord* 2. Znr Anatomie nnd
Physiologie des Phrenionskems, von KohnsUfflm. — Experimentelle Physiologie.
8. Beiträge znr Physiologie des Centrslnerrensystems. I. Die sc^nannte Hypnose der
'niiere, von Vorwem. — Patbologisehe Anatomie. 4. Contribations to tbe stndy of
some of the afferent and efferent tracts in tbe spinal cord, by Rüssel. 5. Unilateral des*
oending atrophy of the fiUet, areiform flbres and posterior oolnmn nnelei resnlting from an
ezperimmital Irnion in the monkey. by Mott. 6. 'ne cerebral eortioal ceU nnder the inflnenoe
of Misonons doe^ of potossii bromidam. by Wrlght. 7. 'The morbid anatomy in a oase of
lead paralysis; condition of the nerree, mnscles, mnscle spindles and spinal cord, by Laslett
and Warrln|toii. 8. Les malformations oräniennes ohez les häddo*8yphilitiqne8, par Fonrnler. —
Pathologie des NerTensystems. 9. Beitrag znr sogenannten Pseodopsmysis hereditär*
syphilitisäker Sänglinge, von Zappsrt. 10. Cerebral syphilis with wide spread involTment
of tbe ontnial nerves, by Protton. 11. Lagophtbalmns im Schlafe bei vollständi^m Lid*
smnsse im wachen Ziutande als Tbeilb^nd multipler HimDerrenlähmang in Fol^
luetischer Baealmeningitis, von Hanke. 12. Contribnto allo stndio clinico ed anatomico deUa
meningite nfilitiea cerebro-spinale, per Qlannnll. 18. lieber die Besiehnngen der Qlykosnrie
and des Diabetes mellitns zur Syphilis, von Manohot. 14. Zur liSbre von der syphilitischen
Bpinalparalyse (Erb), von Pick. 15. Over syphilitische spinaalparalyse. door Mnskeus.
16. Nenrosen in Fo^^e von Syphilis, von DomblUb. 17. Uebw die chinrgische Bebandlnng
der Himsyphili^ von Friodll^or und $cliloslngsr. 18. Osserraziom clinicbe tendenti a
dimonstrare l’esistenza di fibre assodative tra il nervo facciale e il nervo oculo*motore comune
del medesimo lato, per Nsgro. 19. An unoanal form of facial paralysis, hy Moltone.
20. Diplegia facialis, per Siidnik. 21. Herpes zoster mit gleichzeitiger Faoialisläbmung, von
Sratsmann. 22. Ün cas de paralysie &ciale p6riph4rique dite rbumatismale ou „a fngore“
suivi d'autopsie, par Oijdrioo et Tbaokari. 28. Interpretation d’nn phenombne rdcemment
ddcrit dans la panlysie fociale pdripherique, par Campos. 24. Das Cn. Bell'sche Phänomen
bei peripherischer Fadalislähmung, von Bernhardt. 25. Ist das sogen. Beli’sche Phänomen
ein ^ die Lähmung des N. faciaUs pathognomonisobet Symptom? von KBstor. 26. üeber
SensibilitätBstbrungen bei rheumatischer FaciaUslähmung, von Adler. 27. KUoische Stadien
über die Qeschmackslähmungen darch Zerstbrnng der Chorda tympani und des Plezos
tympanieos, von Schliehttng. — Psychiatrie. 28. Die Onanie im Kindesalter, von
gchmucklor. 29. Das Wesen der Paranoia-Yerrficktheit, von Breslor.
I|l. Ans den Bosollochzfton. Berliner Qesellschaft fOr Psycbiatne upd Nervenkrank*
beiten. — IV. Versammlong mitteldentscber Psychiater nnd Neurologen in Dresden am
22. und 23.'October 1898.
68
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I. Originalmittheilungen.
1. Der Alkohol in Irrenanstalten.'
Von Dr. Hugo Hoppe (AUenbeig).
Der Alkohol gehört seiner Wirkung nach dgentlich zn den Narkotios und
wird in manchen Anstalten auch als solches verwendet. Ich habe über den
Alkohol als Schlafmittel keine Erfabmi^n. Wenn er in dieser Beziehung und
bei gewissen melancholischen Zuständen einen Werth besitzt, was ich durchaas
nicht bestreiten will, so gehört er ebenso wie in seiner Eigenschaft als Analep-
ticnm in die Anstaltsapotheke. Ich will aber über den Werth des Alkohols
als Heilmittel hier nicht reden. Ich will hier nur die Frage erörtern: Hat der
Alkohol als tägliches Genussmittel für Geisteskranke eine Berechtigung? Ist
derselbe hier als solches zweckmässig oder gar nothwendig? Man mag die
Zweckmässigkeit und Unentbehrlichkeit des Alkohols als tägliches Gennssmittel
für normale Menschen zugeben. Gilt das dann in derselben Weise audi iur
die Insassen der Irrenanstalten?
Sehen wir uns einmal die Kategorieen von Kranken, welche unsere Irren¬
anstalten bevölkern, genauer an. Da bilden, wenigstens unter den männlichen
Kranken, die hier vorzugsweise in Betracht kommen, die Trinker einen ganz erheb¬
lichen Procentsatz. Nach den Veröffentlichungen des E^aiserl Gesundheitsamtes
litten von 82068 Geisteskranken, die von 1886—1889 in öffentliche und private
preussische Irrenanstalten kamen, 3531 ss lio/^ allein an Del trem. (1895 sogar
12,6°/o), und von allen den Geistesstörungen bei Männern, bei denen nberbaapt
eine Krankheitsursache ermittelt werden konnte, bildeten die durch Alkohol¬
missbrauch entstandenen 1886: 34°/o, 1887: 36°/^ und 1880: 40°/^. Besonders
gross ist die Procentzahl der Trinker in den städtischen Anstalten, ln der
Königl. Chsritö zu Berlin wurden von 1889—1891: 4784 Geisteskranke ern-
geliefert, von denen 2660 =2 45^/^, durch Trunk erkrankt waren. 1893 hstt^
die Stadt Berlin 4398 Geisteskranke in Anstalten untei^bracht, darunter vraren
g^en 50^/o notorische Trinker. 1895—96 bildeten in Herzberge die Trinker
46,4 der männlichen Aufnahmen. In der städtischen Irrenanstalt zu Dresdeo
litten 1892: 32,4“/^, 1893: 32®/o und 1894: 30,4®/(, der Männer an Trinker-
p^chosen, und unter 1900 von 1889—1894 verpfl^:ton geisteskranken Männern
litten 500 s: 26,3*’/o an Geistesstörungen, die lediglich durch Trunk bedingt
waren. Rechnet man aber auch die Fälle, welche die Trunksucht im Verein
mit anderen Einflüssen die Geisteskrankheit nachweislich verursacht haben, so
kommen im Jahre 1894 bei den Männern 56,2'’/o und bei den Frauen litVjt
‘ Nach einem Vortrage aof der JafaresverBammlung dee Vereine deutscher Irrenänte
zu UannoTer am 19. September 1697.
Dig.'.vcd-o/
GoogJ
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1076
anf Bechoang des Alkohols. — Aber auch in den ländlichen Anstalten ist die
Anzahl der Trinker noch immer gross genug, ln üokermünde zählte Kkeoht
von 1890—1895 unter 279 MännerauOiahmen 77 = 27,6®/(„ bei denen Trunk¬
sucht die Krankheitsursache war. Stabk fand in Stephansfeld 29,4"/o Potatoren
unter den aufgenommenen Männern. In Alt-Scherbitz war 1896 der Trunk bei
24,3^0 (iei* Männer die Ursache der Geistesstörung, in Hildesheim 1895—96
bei 20“/ß, in Neustadt W./Pr. in demselben Jahre bei 20,5®/o. Nach meinen
Berechnungen bUden die Potatoren in Allenberg ca. 85 der geisteskranken
Männer. Vom 1. Januar bis Ende August 1897 waren unter 62 Männern, die
zur Äufhahme kamen, nicht weniger als 31, also genau die Hälfte, Gewohn¬
heitstrinker.^ Für ganz Deutschland berechnen Stabk sowie Jollt die Zahl der
durch Trunk geisteskrank gewordenen Männer im Durchschnitt auf 257o> und
es ist sicher eher zu niedrig als zu hoch gegriffen, wenn man annimmt, dass
die Potatoren den vierten Theil der männlichen Anstaltsinsassen bilden. Im All¬
gemeinen sind jetzt wohl Alle darüber einig, dass Trinker nur durch völlige
Abstinenz geheilt werden können, und dass bei den in Folge des Trunkes geistes¬
krank gewordenen Irren die völlige Entziehung des krank machenden Agens,
des Alkohols, den obersten Grundsatz der Behandlung bilden muss. So lange
sie in der Anstalt sind, müssen sie abstinent leben, und es ist ärztliche Pflicht,
wenigstens den Versuch zu machen, sie dadurch zu dauernder Abstinenz zu
erziehen. Der vierte Theil unserer männlichen Anstaltsinsassen muss also vom
Alkohol fern gehalten werden, weil sie durch Alkohol krank geworden sind.
Dazu kommen aber noch mehrere andere Erankenkategorieen, für die er-
fabmngsgemäss der Alkohol durchaus schädlich ist. Dabin gehören in erster
Linie die Epileptiker. ‘ Nach den in dem Jahresbericht der Irrenanst^t Neu¬
stadt in Westpr. angegebenen Daten über die Jahre 1883—1896 bildeten die
männlichen Epileptiker 7,8 aller Männeraufioahmen (bei den Frauen etwas
weniger, 7,6°/o). In Allenberg bilden die Epileptiker augenblicklich 7®/o des
Bestandes. In Herzberge waren 1895—96 unter den männlichen Aufnahmen
Epileptiker. Nach der im Jahre 1891 erschienenen amtlichen Statistik
über die preussischen Irrenanstalten berechnet sich in denselben die Procentzahl
der männlichen Epileptiker in den Jahren 1880—1888 auf 10 —ll°/j, des Be¬
standes und auf 7 —des Zuganges; 1895 betrug sie 9,7 des Zuganges.
Man wird also annehmen dürfen, dass die Epileptiker im Durchschnitt ungefähr
10°Iq der Anstaltsinsassen bilden.
* Im g&nzen Jahre 1897 worden 107 Männer anfgenommen, von dicaen waren 49=45,8*/,
Potatoren. Im Jahre 1896 waren unter 134 Hänner-Aafnahmen 48=85,87o Potatoren. AU
lediglich dorch 'I'mnk bedingt nmssten 18*/, der OeUteestörongen gelten.
* cf. K&azPBLiN, Psychiatrie. 5, Aofl. 1896. S. 726: Von ganz besonderer Wichtig¬
keit ist die dauernde und vollständige Enthaltsamkeit gegenfiber dem Alkohol
auch in jenen Fällen, in denen es sich nicht um eine eigentliche Alkoholepilepsie handelt.
Jeder Epileptiker ist in höherem oder geringerem Orade intolerant gegen Alkohol und ist,
wie ich glauben muss, dazu disponirt, durch denselben in schwerere geistige Störung zu
verfallen, sich selbst und Anderen in höherem Grade gefihrlich zu werden.
68 *
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1076
Der ungünstige Einfluss alkoholischer Getränke auf eine w^tere grosse
Krankengruppe, die Paralytiker, düi^ ebenfalls allgemein anerkannt sein. Uao
madit fortwährend die Erfahrung, (l aw Paralytiker keine Alcoholica Tertr^m
und dass oft schon nach ganz geringen Alkoholmengen Goi^estionen, Sdiwindel*
anfalle, stärkere Sprachstörungen und Ataxien eintreten. In AUenbe^ leiden
die Paralytiker bei den Männern augenblicklich lO^/g des Bestandes, in Nra-
Stadt bildeten sie 1893—96 22,3 des Zuganges, in Heizberge 1895—96
16,1% des Zuganges und 16% des Bestandes, in allen prenssisc^n Irren¬
anstalten in den Jahren von 1880—88 in steigender pK^ression 15—19%
des Zuganges und 7—8^0 des Bestandes. Nach der preussischen Statistik für
das Jahr 1896 waren 18,4% der Männeraufnahmen Paralytiker. Nimmt man
dazu die sowohl in anderen Beziehungen als auch hinsichtlich der Besistem
gegen Alkohol in dieselbe Categorie gehörigen Fälle mit oiganischen Himleideo,
Hirntumoren, Himlues, senilen Himveränderungen, so kann man im Duitdischnitt
mindestens auf diese Kranken rechnen.
Idiotie und Imbecillität wird man, meine ich, auch für Erankhaitsfonna
erachten, bei denen Alcoholica wenig angebracht sind; Imbeoille nammitlicb
vertr^n alkoholische Getränke gewöhnlich sehr schlecht In Neustadt bildete
diese Categorie 1883—96 10% des Zuganges, in Herzberge April 1895 14^1^
und April 1896 13 des Bestandes, nach der preussischen Statistik in d»
preussisdien Irrenanstalten von 1880—88 18,37o Bestandes und 9%
Zuganges, 1895 11,1 des Zuganges (bei den Frauen lO^/^). Man wird daher
wohl im Durchschnitt 13 7o ^ Gruppe rechnen können.
Wenn ich ganz von den tobsüchtig erregten und verwirrten Kranken ab¬
sehe, bei denen maTi doch sicher Alkohol für nicht indidrt halten wird, so ist
schliesslich noch die Gruppe der Periodiker zu erwähnen, welche wenigstens naeb
meinen Erfahrungen g^n Alcoholica wenig tolerant sind. Oft genug schliesss
sich bei diesen Eianken ein Anfall direct an einen kleinen Ezcess. So habe kdz
bei einem Periodicus, der viele Jahre lang von AnßÜlen verschont geblieben war,
auf das Stiftungsfest, hei dem er viel Bier getrunken hatte, einen heftigen Er-
regnngsanfall folgen sehen, der sich seitdem alle Jahre 2 oder 3 Mal wiederboh
hat Ueher die Zahl der Periodiker findet sich leider in den Anstaltsberichtn
und sonst wenig verwerthbares Material, ln Allenberg beträgt augenblicklicä
die Ziüil der Periodiker bei den Männern 4,5 7o- haben aber schon viel mehr
gehabt. Im Durchschnitt wird man wohl die Zahl mindestens auf 5 7o vena-
schlagen dürfen.
Von den letzten Categorieen, den Epilektikem, Paralytikern, Idioten und
Periodikern, die zusammen ungeßhr 437o Kranken bilden, redme ich aber
noch 10°/o ah, da ich annehmen will, dass der vierte Tbeil von ihnen ni deo
Trinkern gehört und bei denselben bereits in Rechnung gekommoi ist Wir
hätten mit den 25 der Alkoholiker zusammen also mindestens 56 oder &
grössere Hälfte unter den männlichen Kranken, welche keine alkoholischen Ge¬
tränke geniessen dürfen. (Bei den Frauen dürfte sich die Zahl am 20— 25*;^
ermässigen, da Alkoholiker und Paralytiker unter ihnen selten sind.) Ob der
Google
Alkohol den übrigen 44^0, welche sich yorzugsweise aus Paranoikern und
obronisch yerwirrten Kranken znsammensetzen, dienlich ist, will ich dahingestellt
sein lassen. Aber angenommen selbst, dass er für alle diese harmlos und un¬
schädlich ist — wird man es als zweckmässig bezeichnen können, in Irren¬
anstalten der kleineren Hälfte w^en den Alkohol als r^lmässiges Genussmittel
zu verabreichen, oder dürfte es nicht rationeller sein, der grösseren Hälfte wegen,
die keine Alcoholica bekommen darf, dieselben yoUständig aus den Irrenanstalten
zu verbannen? Und muss dies nicht schon der 25 *’/q Alkoholiker w^n ge¬
schehen, die in der Anstalt zur Abstinenz erzogen werden sollen? Dass aber
an eine strenge Durchführung der Abstinenz nicht zu denken ist, wenn der
Trinker mitten unter Kranken lebt, welche täglich ihre alkoholischen Getränke
bekommen, liegt klar auf der Hand, und darüber wird sich auch Niemand einer
Dloaiott hingeben. In dem letzten Jahresbericht yon Wuhlgarten bei Berlin
heisst es: „Ein massiger Genuss ist selbst in der Anstalt nicht zu gewährleisten.
Trotz der peinlichsten Aufeicht war es imm erhin einzelnen Kranken, so lange
Bier zur ^köstigung gewährt wurde, möglich, durch Zusammentragen und
Tauschgeschäfte sich reichlichere Mengen als die jedem Einzelnen zagescluiebenen
zu verschaffen; ja selbst das Wartepersonal missbrauchte sein ihm gewährtes Bier
zur Belohnung för Dienstleistungen an Kranke, und dadurch wurde manche
Verschlechterung im Befinden letzterer hervoigerufen und befördert“
Nun bat man in einzelnen Irrenanstalten in neuerer Zeit zu dem Aasweg
gegriffen, besondere Trinkerabtheilungen einzurichten, von welchen alle alkoho¬
lischen Getränke femgebalten werden. Dass auch das Wartepersonal auf solchen
Abtbeilungen dann abstinent leben muss, ist selbstverständlich. Wie Möiu in
seiner Broschüre: „Die Irrenanstalt Heizberge“ berichtet, hat er in Herzbeige
zwei solcher Häuser für Trinker eingerichtet, die in Kranken und Personal ab¬
stinent gehalten werden. Mir will es jedoch nicht besonders zweckmässig
scheänen, die Trinker, welche zum grossen Theil aus den degenerirtesten und
unangenehmsten Elementen bestehen, alle auf eine Abtheilung zusammenzulegen
(ganz abgesehen davon, dass man dieselben bei Err^fungszuständen doch wieder
auf andere Abtheilungen bringen muss). Bel der UnverträgUobkeit, Unzufrieden¬
heit und Nöigelsnoht der Trinker, bei ihrer Ne^ng zum Räsonniren, Hetzen,
Intriguiren und Komplottiren kommt mir die Anhäufung der Trinker auf ein oder
zwei grossen Abtheiluugen bedenklich vor. Mir wenigstens hat sich die mög¬
lichste Auseinanderlegung gewisser Elemente unter den Trinkern als eine Noth-
wendigkeit erwiesen. Bei den meisten Irrenanstalten kommt noch dazu, dass
sie mehrere Klassen von Kranken verpflegen. Es müssten also für die Pensionäre
und für die Kranken der gewöhnliohen Stände besondere Trinkerabtheilungen
eingerichtet werden, und dieser Abtheilungen müsste es für jeden der beiden
Stände mehrere geben, um eine genügende Sonderung der Elemente vrie bei den
übr^en Geisteskranken zu ermöglichen.
Aber selbst, wenn man über solche Trinkerabtheilungen verfügt, so ist
damit doch nicht die gänzliche Abstinenz der in denselben unteigebrachten
Trinker gewährleistet, da sich, wie die Verhältnisse in den Irrenanstalten li^en,
Dig t'/od
Google
1078
eine vollkommene Abschliessung derselben von den übrige Ermiken der Anstatt
nicht durchfuhren lässt Bei den mannigfaltigen Arbeiten kommen die Kranken
aller Categorieen doch überall zusammen. Nun nehmen manche Kranke ihr
FrübstQcksbier mit in die Werkstätten, die Handwerksmeister trinken auch ihr
Bier bei der Arbeit Bei den Feldarbeiten wird den Kranken in Allenberg
sogar während der Erntezeit das Bier hinaus auä Feld gebracht Wie kann
man da die Trinker vom Bier femhalten, wenn man nicht gerade für dieselben
besondere Werkstätten mit besonderen abstinenten Werkmeistern einrichtet and
ihnen bei den Garten- xmd Feldarbeiten besondere Arbeitsterrains zuweist, wo
sie unter abstinenten Wärtern arbeiten. Das hieese aber in der Irrenanstalt
eine streng gesonderte, womöglich durch einen hohen Zaun abzutrenneode
Trinkeranstalt errichten.
Den vollen Zweck erfüllen also die Tiinkerabtheilungen in IrrenanstalteD
sicher nicht, immerhin nähern sie sich diesem Zwecke. Bei den gewöhnlidieii
Verhältnissen, wo wie in Allenbei^ die Trinker auf den verschiedensten Ab¬
theilungen mit anderen Kranken Zusammenleben, ist an eine Durchfuhmi^ der
Abstinenz erst recht nicht zu denken. Ich erstrebe dieselbe wenigstens, indem
ich den Potatoren Milch statt Bier verschreibe. Kann ich aber verhüten, dass
dieselben sich nicht Bier, vielleicht auch in grösseren Mengen von ihimi Mit¬
kranken verschaffen, von denen sie es gegen Lebensmittel, Cigarren oder Ge-
ßlligkeiten anstausohen? Dabei habe ich beständig mit der bei jeder Gelegenheit
sich kundgebenden Unzufriedenheit der Trinker zu kämpfen, dass ihnen das
Bier entzogen wird, während es alle Kranken um sie herum bekommen. Sie
sollen gegen die übrigen Kranken zurückgesetzt werden, denen sie sich geistig
und z. Th. nicht mit Unrecht bedeutend überlegen fühlen; sie, die früher soviel
getrunken, sollen nicht mehr das Bier vertragen können, das doch den Geistes¬
schwachen und den Schwerkranken in ihrer Umgebung gestattet wird! Das
können die meisten nicht verstehen, soviel mRn es ihnen auch klarzul^en sucht
Ebenso bringen die Epileptiker, die Paralytiker und andere Kranke, welche kein
Bier erhalten, ihren Missmuth und Aerger darüber allenthalben zum Ausdruck
Alle sind sie unzufrieden, räsonniren, stellen gelegentlich die Arbeit ein und
suchen auch andere von der Arbeit zurückzuhalten.
Besonders fühlbar aber machen sich die Schwierigkeiten bei den Anstalts¬
festen, wo wenigstens bei den Männern Bier in grösseren Mengen fliessen mii^
Dabei kommt es stets, da man die Zügel der Disciplin, um die allgemeiue
Festesfreude nicht zu stören, nicht so straff ziehen will, bei emzelnen Krankeo
zu Eicessen. Auch die übrigen trinken meist mehr, als ihnen gut ist, was um
so bedenklicher ist, als sie an grössere Quantitäten nicht gewöhnt sind. Irii
habe bereits oben erwähnt, dass bei einem Feriodioos die Anfalle, welche Jahre
lang ansgeblieben waren, im Anschluss an ein solches Fest wieder einsetzten.
Bei einem Hallucinanten, welcher schon ziemlich frei von SümestäuschungeQ
schien und sich bereits fleissig auf der Abtheilong beschützte, erfolgte noch am
Abend des Festtages der Aosbmcb eines heftigen, Wochen lang andauemdea
Erregungsanfalles mit massenhaften Sinnestäuschungen und VerfolgungsideeeiL
Google
1079
Bei Epileptikern sind epileptische AnAlle oder epileptische Aequivalente oft
genug die Folgen solcher Feste. Wir hatten übiigens früher in Allenberg bei
den Anataltafesten nur für die Pensionäre bayerisches Bier, für die übrigen
Kranken aber Braunbier verzapft Das gab jedoch stets zu solcher Dnzufheden-
beit und Yerstiminung Anlass, dass seit einigen Jahren bei diesen Festen allen
Kranken bayerisches Bier verabreicht wird, wobei die Gefahr allerdings noch
grösser ist, da die meisten an das wesentlich schwerere Bier nicht gewölmt sind.
Es ist ferner, um eine Controle zu haben, einige Male der Versuch gemacht
worden, an die Kranken Marken in massiger An7Ahl zu vertheilen, welche sie
sich am Büffet gegen die entsprechende Anzahl von Gläsern Bier Umtauschen
sollten. Auch das gab zu soviel Reibereien und zu soviel Unzufriedenheit An¬
lass, ohne doch den Zweck zu erfüllen (da sich Tauschgeschäfte entwickelten
und viele Kranke, welche weniger tranken, ihre Marken anderen für Cigarren
und dergL abtraten), dass man dieses System der Controle vrieder au^b. ln
dieser Beziehung eine genaue Controle durchzufflhren, ist bei dem Festtrubel
schlechterdings unm^lich, ebenso wie es unmöglich ist, die an dem Feste theil-
nehmenden Alkoholiker, Epileptiker, Paralytiker u. s. w. vom Trinken ganz fern
zu halten. Will man bei diesen Kranken die Abstinenz auch bei den Anstalts¬
festen durchführen, so bleibt entweder nur übrig, denselben die Tbeilnahme zu
versagen, was aber, wenn sie sonst geeignet sind und sich das Jahr über fleissig
beschäftigt haben, für dieselben eine grosse Härte wäre, oder aber, was mir
naturgemässer und naheliegender scheint, die alkoholischen Getränke ganz von
den Anstaltsfesten zu verbannen. Dazu müsste schon der oberste Grundsatz
ärztlichen Handelns: „Nihil nocere“ führen.
Will man diesen Grundsatz gelten lassen, so muss man aber noch weiter
gehen, man muss die alkoholischen Getränke überhaupt von der Beköstigungs¬
liste der Anstalt streichen. Das ist der einzige W^, auf welchem alle die
zahlreichen Schwierigkeiten, die ich Ihnen auseinandeigel^ habe, gelöst und mit
einem Schlage gelöst werden können. So und nur so lässt sich die völlige
Abstinenz der Trinker und der übrigen Krankencat^orieen, welche keine alko¬
holischen Getränke bekommen dürfen, durchführen, und am einfachsten
durchführen, während zugleich ein fortwährender Quell der Unzufriedenheit und
des Streites damit verstopft vrird. Ist man überzeugt, dass für Alkoholiker die
Abstinenz das oberste Behandlungsprincip bilden muss, so muss man dieselbe
auch mit allen zu Gebote stehenden Mitteln durchzuführen suchen und dazu ist
die unumgängliche Vorbedingung, dass alle Alkoholica aus der Umgebung ent¬
fernt werden. Nothwendig oder werthvoll sind doch die alkoholischen Getränke
für Niemanden. Nagee rühmt zwar in seinem Aufsatze: „Der Alkohol in
Irrenanstalten“^ den erzieherischen Einfluss des Bieres als werthvoUe Unter¬
stützung der psychischen Therapie, indem dasselbe Fleissigen als Belohnung ge¬
geben, Faulen aber entzogen wird. Dabei fugt er ausdrücklich hinzu, dass unter
Umständen ganz notorische Säufer in Hnbertusburg so behandelt werden (auch
‘ Zeitschrift ftr ErankcDpflege. 1895. Juni.
Google
106 Ö
Epileptikern trerden in Hnbertosborg anstandslos AlcoboUca veAibracht). Was
die notorischen Säofer betrifft, so will ich mit ihm daraber nicht rechten. Wa
da glaubt, notorischen Sänfem, welche der Missbraach alkoholischer Getränke in
die Anstalt geführt hat, solche weiter rerabrächen zu dürfen, mit dem ist eben
in dieser Frage eine Discnssion unmöglich, ich meine auch, daa er sich da mit
der allgemeinen ärztlichen Anschaonng in Widerspruch setzt Was mm da
erzieherischen Werth des Bieres betrifft, so will ich gar nicht leugnen, das mao
damit Kranke psychisch beeinflussen kann. Ahet gilt denn dies ausschlieslidi
roD alkoholischen Getränken? Ist dieser erzieherische EinfluM mdit in
gleicher Weise durch jede Zulage, jede Ve^&nstigung zu errielen, welche da
Kranken fflr Fleiss gewährt und für Faulheit entzogen wird? In Allenberg z. B.
bekommen die arbatenden Kranken ausser der Flasche Braunbier riennil
wöchentlich Bntterbrot mit Belag und ausserdem Tabak und Cigarren als Zu¬
lagen. Ich gebe, wie gesagt, Potatoren ond vielen anderen Kranken Milch stitt
des Braunbieres. Aber es ezistiren noch manche andere Zulagen, welche ebenso
erzieherisch wirken würden. Limonaden, Obstsfffte u. dergl. leisten dasselbe.
(Ich habe Alkoholikern, Epilepükem, Paralytikem zu den Anstaltsfeeten Himbeer¬
saft in Wasser oder Gitronenlimonade geten lassen, was von den meisten such
gern getrunken wurde.) Obst wird den Kranken unserer nordischen Anstalta
viel zn wenig als Zulage verabreicht, in Allenberg bekbmmen die Kranken Otst
nur an den Anstaltsfeeten. Sicher würde dasselbe von den meisten Kraokoi
als angenehme Abwechselung freudig b^Tüsst werden, und die Frauen besondos
würden dasselbe gern für das Bier eintausoben, an dessen täglichen Genuss die
meisten von Hause aus, wenigstens in Norddeutschlond, gar nicht gewöhnt and.
Für die bedeutenden Summen, die von den Anstalten fOr Bier iüBgegeim
werden, Hesse sich in dieser Beziehung schon ganz Erhebliches leisten. Io
Allenberg (ca. 750 Kranke) wurden z. B. im Jahre 1896 83,000 Liter Biaon-
bier im Werthe von 7250 Mk. und 26,000 Liter bayerisches Bier für 4160 Hk^
oder im Monat durchschnittlich fOr 600 Mk. Braunbier und für 350 Mk. bsje-
risches Bier consumirt Dabei ist zn bemerken, dass bayerisches Bier nur den
Pensionären und den von der Anstalt verpflegten Beamten verabFei<dit wird.
Die Pensionäre bekommen täglich eine Flasche, die höheren Subaltembeamteo
täglich zwei Flaschen und die Aerzte täglich drei Flaschen bayrisches Bier m
ihrer Beköstigung. Ausserdem giebt es hier, besonders im Sommer, sehr häofig
zum Abendbrot eine Flasche bayerisches Bier statt der Suppe; von den Kranken
der dritten Klasse bekommen nur die Arbeiter täglich eine Flasche Braosbia,
im Sommer die meisten eine zweite statt des Nacbmittagscafö’s, die Mäher scgar
noch als Extrazul^e eine dritte, ln den Sommermonaten steigert sich daher
der Bierverbrauch ganz bedeutend. So wurden im Monat Juli 1897 9744 Liter
Braunbier im Werthe von 855 Mk. und 2400 Liter bayerisches Bier im Weitbe
von 384 Mk., zusammen für über 1200 Mk. Bier verbraucht
Einen Naohtbeil der ßierverabreichung in Anstalten habe ich noch gar nicht
erwähnt. Es wird dadurch, wie schon BiiBULss hervoigeboben bat, von den
Anstalten, welche als Wohlthätigkeitsanstalten sonst ihre Leistongmi sof das
-.VcrinyGOOglC
1081
Notfatreodigste beschränken, die Gewöhnang der Kranken an den t^liohen Ge*
ntuB eines Genassmittels herbeigeffibrt, der bei den meisten von Haus aus
wenigstens in dieser Begelmässigkeit nicht vorhanden ist, and es wird ihnen
gleichsam von autoritativer Seite die Ueberzeugong eii^impft, dass alkoholische
Getränke zum täglichen Leben notbwendig seien. Ob nicht gerade die Irren*
anstalten, die einen nicht unbeträchtlichen Theil ihrer Kranken dieser immer
mehr sieh aasbreitenden üeberzengung verdanken, die Pflicht hätten, gegen diese
Ueberzeugong Front zu machen, anstatt derselben Vorschub zu leisten?!
Seit Beginn dieses Jahrzehntes hat sich denn alioh an den Irrenanstalten
eine Bewegung gegen die Alcoholica geltend zu machen begonnen, die, wenn
ich mich nicht täusche, im Zunehmen begriffen ist Den Anfang haben englische
Irrenanstalten gemacht Im Jahre 1890 besohlws das Comitö für die vier Irren¬
anstalten Londons (welche fast alle ihre eigenen Brauereien hatten) mit zusammen
7890 Kranken, alle Alcoholica abzuschaffen; die Brauereien wurden abgebrochen
und die Utensilien verkauft Die 600 Wärter und Wärterinnen bekommen statt
des früher verabreichten Bieres eine Geldentschädigung (die Wärter 60, die
Wärterinnen 50 sh. pro Jahr). Das Subcomitä sowohl wie die ärztlichen Leiter
der Inenanstalten heben nun übereinstimmend den wohlthätigen Einfluss hervor,
welchen die Abschaffung des Bieres auf den ganzen Geist der Anstalten und auf
die Ruhe und den Frieden im Allgemeinen wie für die Alkoholiker und Epilep¬
tiker im Besonderen au^übt hat^ Soweit mir bekannt, ist dieses Beispiel auf
* So beriobtot d«8 Sabcomit^ von Banstead: Dieae Aeodenrag ist von wohlthätiger
WirktiDg gewesen, besobdera bei solchen Patienten, deren Krankheit durch fibermässigen
Alkoholgennss hervorgerafen war. Dr. Shaw, der Director der Anstalt schreibt: „Die neue
DiätTorscbrift, deren wichtigste Aendemng der Ersatz des Bieres dnroh Hilch war, erzielte
eine volle nnd erfolgreiche Wirkung. loh bin ganz sicher, dass den Patienten die Ab-
Bohaffnng des Bieres sehr grosse Dienste leistete, nnd ich möchte keinesfalls die alte Gewohn¬
heit wieder angenommen sehen. .. . Ein sehr grosser Vortheil ist der, dass die Patienten,
deren Krankheit gerade doreh Alkoholezoesse hervorgerafen war, die aber noch heilbar sind,
dadoreh einsehen lernten, dass sie viele Monate ganz ohne Alkohol leben konnten, and dass
sich ihr Zostand dabei inunerw&hrend besserte. Diese Thatsaohe ist für dieselben somit ein
entscheidender Beweggrund, ihre neaerworbene Lebensweise später wieder fortzasetzen, was
aaf frgend eine andere Weise ihnen kaum hätte beigebracbt werden können.“
Der Director von Colne; Efatsch, Dr. Sswakd, berichtet: „In Anbetracht der grossen
Zahl von Kranken, deren Krankheit doicb Alkoholmissbranoh verorsacht war, hat das Sab-
coxnitö besehloBsen, das Bier ganz wegzolassen. Patienten dieser Art hatten also eine
gflnatige Qel^enheit einsehen za lernen, wieviel besser sie sich ohne dieses toxische Getränk
befinden, and es steht zu hoffen, dass viele eich diese Erfehrang nach ihrer Entlaesnng ans
der Anstalt zn Natzen ziehen werden. Statt des Bieres bekommen die Kranken, welche
aioh an der Arbeit betheiligten, Milch znm Lanoh, and znm Abendessen alle Kranken irgend
eine Zasatsspeise.“
Für Hanwell heisat es im Bericht des Sabconitös: „Wir können die Anstalt bezQg-
Hch der eingefOhrten Neaemng in allen Beziebnngen nur beglflokwönsohen.“
Und Dr. ALBZAimaB, Leiter der Männerabthellong, berichtet: ,Jch möchte sagen, dass
diese Aendenxng in der Diät von dem glfieklichsten Erfolge gekrönt war, welcher aas der
zunehmenden Znfriedenheit and der ganz merklichen Abnahme von Streit and Zänkerei
unter den Kranken hervorlenohtete. Die wohlthätigen Erfolge der Eioföbrang der EnthaltBam*
- Google
1082
dem FesÜande zuerzt in Borghdlzli bei Zürich von Fobbl nachgeahmt worden.^
Von deutschen Anstalten hat sodann die Irrenklinik in Heidelberg den Alk<^l
als Genussmittel verbannt; den Wärtern wurde hier, wie in den anderen An¬
stalten, eine entsprechende Geldvergutung gewahrt ln allemeuester Zeit md-
lieh sind in der Epileptikeranstalt Wuhlgarten bei Berlin die alkoholischen Ge¬
tränke aus der Krankenkost ganz entfernt worden. Im letzten Jahre8ben<dite
dieser Anstalt heisst es: „Es zeigten sich auch hier nach der Durchfuhinng der
Entziehung sichtlich die wohlthätigen Wirkungen der gänzlichen Enthaltong.
An Stelle des Bieres, welches den Kranken zur Anünuntemng und Belohnong
gegeben wurde, wird ihnen jetzt eine Zulage von Wurst, K^ u. AebnL zum
Frühstück und an bestimmten Abenden zur Aufbesserung der abendlichen Kost
gewährt, was sich mit Rücksicht darauf dass Arbeiter eine kräftigere Kost be¬
dürfen, von selbst ergab.^*
Ueberall also hört man nur die günstigsten Folgen rühmen, welche sich
nach Abschaffung der Alcoholica geltend gemacht haben. Zwar sind es bis jetet
nur wenige Anstalten, die damit vorg^angen sind, andere aber werden noch
folgen, und die Ueberzeugung wird sich immer mehr Bahn brechen, dass der
Alkohol als Genussmittel in Irrenanstalten keine Stelle bat.
2. Ein Beitrag
zur Kenntnis» der Bernhardt'schen SensibiiitätsstÖrung.
Von Dr. Uieoislans von Nartowski,
Nerreoarst in Erakao.
Seit dem Jahre 1895, in welchem Prof. Bebnbabdt die Aufmerksamkeit auf
eine eigenthümliche Stömng der Sensibilität im Gebiete des Nervns catanem
femoris extemus lenkte, sind schon einige Arbeiten und Beobachtungen pnblicäit
keit vom Alkohol rind ganz besonders bei den Epileptikern bemerkenswerth gewesei,
deren fatale Cbaraktereigenthfimlicbkeiten viel weniger anfallend waren als früher und
deren Neignng za Anfällen in maneben Fällen geringer worde.'* Ancb hier wnrde die
KrankenkoBt nach dem Wegfallen des Alkobob durch Speiseznsätze verbessert.
In der 4. Anstalt Cane Hill war das Bier bereits vor 1890 at^eeobafft worden.
Wie DavgDALE in seinem auf dem internationalen Congress in Basel 1895 gehaltenen
Vortrage: „Tberapentics witboot aloobol“ mittheilte, gaben nach einem Bericht von JoBn
Lobs Qber 100 städtische and ländliche Irrenanstalten Englands die Hälfte an, dass bei
ihnen Alkohol in keiner Form ansser als Medidn gebraucht würde.
‘ FoasL bat darüber in einer kurzen im Correspondensblatt f. Schweizer Aerste 1893
erBchionenen Notiz: „Der Alkoholgenoss in Irrenanstalten'*, welche mir erst naehtn^ch
zugegangen ist, berichtet. Er weist darin anf die üblen, den meinigen entsprechenden Er
fahniDgen bin, die er bei der Verabreichnng von alkobolischeo Getränken in München and
in Burghölzli gemacht bat und lenkt die Aufinerksamkeit anf die in den Londoner Inea-
anstalten mit der Absohaffung der Alcoholica gewonnenen Resultate.
_a-:. Google
1083
worden, in welchen die veischiedenen Autoren Verschiedenes hinsichtlich des
Charakters der ganzen Krankheit und ihrer Symptome, dann der Aetiologie,
der Prc^ose und Therapie angeben.
Die £[rankheit, die als „BsBNHABDT’sche Sensibilitatsstömng^^ bekannt ist,
ist ein Leiden, welches nicht gefährlich, jedenfalls aber sehr unangenehm und
schmerzhaft ist.
Die Schmerzen, welche an der Aussen* oder Vorderfläche des Oberschenkels
äuftreten, sind heftig oder ganz massig. Es handelt sich aber öfter nur um
eigenthümliche Parästhesieen, wie z. B. um Kribbeln, Taubsein, Pelzigsein u. s. w.
Die Hautempfindung ist mehr oder minder beeinträchtigt und manchmal
finden wir keine Sei^bilitatsstörungen.
Der Verlauf der ganzen Krankheit ist nach Angabe der verschiedenen
Äntoren ein sehr langwieriger, es kommt aber zu erheblichen Besserungen oder
relstiTen Heilungen.
Von der Aetiologie der Affection werden. von den Autoren verschiedene
Angaben gemacht; z. B. beschuldigt Bernhardt als ätiol(^isches Moment
die verschiedenen Infectionskrankheiten und von diesen vor allem Typhus, dann
Bleivergiftung, Erkältung. Die anderen Autoren ein Trauma, dann schlechten
Sitz von Kleidungsstficken und nämlich das Benutzen eines fest anschliessenden
Riemens um die Hüften, weicher den Reizzustand unterhält; Köster und
Adler die körperliche Ueberanstrengung und vor allem ein zu langes Stehen,
dessen Wirkungsweise Adler in dem anatomischen Verhalten des Nervus cutaneus
femoris exteruus erblickt, welches er in folgender Weise charakterisirt; „Der
Nerv läuft nach seinem Durchgang unter dem PoupARx’schen Bande einige
Centimeter in einer straffen von Fascia lata gebildeten Scheide, welche mit dem
Ligamentum ileo-tibiale in Zusammenhang steht, das von der Spina 11. ant. sup.
nach der Tuberositas tibiae zieht Während beim Sitzen dieser Fascienstreifen
entspannt ist, tritt beim Stehen eine Spannung derselben ein; hierdurch kommt
es zu einer Druckwirkung auf den in der Fascienscheide eingeschlossenen Nerven
und in dem liegt das schädigende Moment des Stehens.“
Es ist sicher, dass bei der ganzen Affeotiou die Ueberanstrengung der unteren
Gliedmaassen eine sehr wichtige Rolle spielt, und dass in dieser Ueberanstrengung
das ätiologische Moment der meisten bis jetzt veröffentlichten Fälle dieser Seu-
sibilitätsstörung liegt
Der geringen Zahl der Veröffentlichungen über diese Affection halber,
welche nur deswegen so selten vorzukommen scheint, weil viele Aerzte keine
genaue Untersuchung bei den Kranken, die wegen verschiedener Parästhesieen
an den Beinen ihre Hülfe brauchen, machen, und schon ganz zufrieden sind,
wenn sie Rheumatismus diagnosticiren und dem Kranken ganz einfach Salicyl
geben, glaube ich berechtigt zu sein, einige Fälle, welche von mir selbst beob¬
achtet wurden, anzuführen.
1. Fall Ein Förster im Alter von 51 Jahren, der von seinem Hausarzt wegen
Bheumatismus nach Trencsin-Teplitz geschickt war, ist am 16. Juli 1897 zu irir
n,Googlc
1Ö84
gekommen, am sich za berathen and zu fragen, ob er von seinen Beschwerden ni«
befreit werden kOnne.
Er empfindet seit 26 Jahren ein sehr unangenehmes Kribbeln, Taubsein and
Stechen an der Vorderfl&che des rechten Oberschenkels, weiche beim Heromgehen
sehr unangenehm und schmerzhaft sind. Beim Liegen und Sitzen verschwinden sie,
aber im Ganzen fühlt sich der Kranke gesund.
Der Patient, der ganz kräftig gebaut ist, und bei welchem die genaue Onte^
Buchung der inneren Organe nichts Krankhaftes ergiebt, ist ein mässiger Alkoholiker.
Die Untersuchung des rechten Oberschenkels ei^iebt anscheinend nichts Krank¬
haftes. Die Prüfung der Berührur^sempfiudung und Ortswabmelimung ergiebt aber
eine sehr bedeutende Herabsetzung an der ganzen Yorderfläche des Oberschenkels.
Die Untersuchung der Temperatur* und Schmerzempfindong zeigt eine deutliche
Beeinträchtigang, auch die electrocutane Sensibilität ist etwas herabgesetzt
Starker Druck auf das Gebiet des Nervus cutaneus femoris extemus wurde als
unangenehm empfunden.
Ich habe dem Kranken gesagt, dass ich überzeugt bin, dass hier von keinen
Rheumatismus die Rede sein kann, dass ihm die Bäder nichts nützen werdra
und dass man das lieiden mit Massage und Blektricität beeinflussen kann. Er
willigte ein.
Nach 7 Wochen, in welchen dem Kranken der faradiscbe Einsel und die Massage
an der beeinträchtigten Fläche applicirt und innerlich eine Solotio Kalii jodati grobes
wurde, sind die Schmerzen, welche der Kranke beim Gehen durch 26 Jahre gespOit
hatte, im Ganzen verschwanden, auch von Kribbeln und Taubsein war der Krank«
ganz frei and am 5. September 1897 ist er nach Hanse gefahren.
Der Beobachtung Kösteb’s gemäss, glaubte ich, dass das Leiden noch zorflck-
kehren wird, im Jnli dieses Jahres aber hat mich der Kranke besucht und zufneden
erzählt, dass er jetzt so wie „neo geboren“ ist, dass er keine Beschwerden ond
Schmerzen spüre, obwohl seine Beschäftigung dieselbe wie früher ist
Ich glaube also, dass, wenn die Affection nach einem Jahre nicht zurflckkehrt«,
kann ich gewiss annebmen, dass das der einzige Fall ist, in welchem die volle
Heilung erzielt wurde, und ich glaube, dass die gleichzeitige Anwendung der Elek-
tricität and Massage und innerliche Darreicbnng von Kalii jodati von grosseai
Nutzen gewesen ist.
2. Pall. Ein 45jähriger, sehr stark ond kräftig gebanter Mann, Ontsbesits«
in Ost'Galizien, ist seit 8 Jahren an eigenthümlichen'Schmerzen, die er als „taub“
bezeichnet, am linken Oberschenkel leidend. Er muss, nm die Arbeiter zn betuf-
sichtigen, sehr viel stehen; im Sommer bei der Ernte und im Winter beim Dre8di«a
Der Patient hat keine Veränderungen in den inneren Organen, war immer ge-
sond und mit keiner Heredität belastet Die Schmerzen an der linken AnssenflidK
des Oberschenkels sind zwar nicht gross, sie sind aber onangenehm, and der KiaDk«
ist verhindert die linke Seite während des Schlafes zn benntzen, da er gleich m
unangenehmes Gefühl, dann Kribbeln nnd Schmerzen bekommt. Dies alles wiederholt
sich immer, wenn der Pat anf dieser Seite zu liegen sacht nnd verschwindet dum
allmählich im Ganzen. Manchmal erwacht er dieser Schmerzen w^en, wenn er skk
unbewusst auf diese Seite wendet
Er war schon von vielen Aerzten untersucht, keine Behandlung aber lindeil«
ihm diese Beschwerden, welche seit 8 Jahren immer zunehmen.
Bei der genauen Untersuchung konnte ich Tast-, Schmerz*, Kältegefühl
elektrocutane Empfindlichkeit an der Anasenfläche des linken Oberschenkels in um-
lieh hohem Grade gestürt, constatiren.
Alle Symptome, welche ich also vom Kranken erzählt bekomme, und welche icb
selbst gefunden habe, zeigten mir, dass wir es hier mit einer Stürnng der Sensibilitit in
Ijiq :i/üd Dy
Google
1085
Oebiete des Nervus cutaneus femoris extemus zu thnn fasbeu uud als ätiologisches
Momeut habe ich 7u langes Stehen (Köbtxb, Adlsb) angenommen und dem Kranken
eine Solutio Kalii jodati und die far^iscbe Pinselung, welche der Kranke, trotzdem
dass ich ihn von dem abziehen wollte, sich selbst durch die Zeit vom 10. September
1897 bis 25. Harz 1898 einmal täglich appUcirte.
Am 20. November 1897 habe ich den Kranken zum 2. Mal gesehen und er
bat mir erzählt, dass die Eüektricität ihm sehr gut thut, und dass er eine kleine
Linderung seiner Affection spüre.
Dann habe ich den Kranken noch im Januar 1896 gesehen, und er erzählte
mir, dass er dieses unangenehme Gefühl und das Kribbeln, welches er früher beim
Liegen an der linken Seite immer gespürt, schon fast ganz verloren habe; es be¬
stehen von der ganzen Affection nur die Schmerzen, welche erst nur etwas gelindert
und dem Kranken unangenehm sind.
Ich verordnete dem Kranken noch eine leichte Massage, und als ich ihn zum
letzten Mal am 6. April 1898 gesehen hatte, bestanden noch leichte Schmerzen, aber
nur dann, wenn der Kranke durch längere Zeit auf der linken Seite liegt und es
kommt niemals der Schmerzen wegen zum Erwachen.
3. Fall. Eine 63 Jahre alte Frau, die 4 Mal nonsai entbunden hatte, hat
die heft^ren Schmerzen an beiden Oberschenkeln und nämlich an der Vorderfläche
derselben, die manchmal so stark waren, dass sie nicht gehen konnte. Es kommt
sehr oft auch zu Stechen an der ganzen Vorder- und Seitenfläche der beiden Ober¬
schenkel, und nämlich vom Becken bis zum Aussenrande der Kniescheibe herab.
. Sie ist von der Heredität nicht belastet und von den Krankheiten bat die
Patientin vor 33 Jahren einen Typhus dnrchgemacht and, wie sie erzählt, ist sie seit
dieser Zeit niemals gesund, sie litt immer an verschiedenen unangenehmen Empfin-
dongen in den Beinen; die ersten Schmerzen hat sie einen Monat nach dem Typhus
bekommen.
Die ganz genau dnrehgefübrte Untersnehong bat gezeigt, dass die Motilität
and Befiexe ganz normal sind, dass das Aussehen der Haut nichts Krankhaftes zeigt,
dass die einzelnen Muskeln an den Beinen nur etwas, aber dem Älter gemäss atro¬
phisch sind, dass die grobe Kraft gut erhalten und dass nur die Empflndung der
Berührung der Haut mit einem weichen Pinsel, dann Ortswahmebmung, elektrocutane
Sensibilität, Temperatur- und Schmerzempflndung sehr deutlich herabgesetzt sind.
Bei starkem Druck auf eine Stelle, 8 cm oberhalb der Kniescheibe und
von der Mittellinie des Oberschenkels nach aussen gelegen, treten die unerträglichen
Schmerzen anf; es kommt aber zn einer Lindernng derselben, wenn der Druck
länger danert.
Ich behandelte die beiden Vorderflächen der Oberschenkel mit dem faradischen
Pinsel, innerlich verordnete ich Kali jodatnm 1,50 pro die und nach 2 Monaten der
Bebandlong waren die nnaogenehmen EmpfindangeD, welche die Patientin durch
33 Jahre gequält batten, and weshalb sie antirbeumatisch behandelt wurde, im
Ganzen verschwunden; es sind aber die Schmerzen geblieben, sie sind jedoch nicht
so gross wie früher and machen der Patientin keine Behinderung im Gehen.
4. Fall. Bin 53jähriger Mann, Hauswäcbter, ist seit 15 Jahren an Schmerzen
in beiden Füssen, an den Ober- und Unterschenkeln leidend.
Der Patient trinkt viel, hatte Lues vor 30 Jahren.
Von der Heredität ist nichts hervorzuheben, auch die inneren Organe sind ziem-
ich normal und geben ihm keine Ursache zum Klagen.
Das erste Gefühl, welches er bemerkte, war nach einer Lungenentzündung,
irelcbe er vor 15 Jahren dnrchgemacht hatte.
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1086
Br bemerkte zuerst ein leicbteR Brennen, dann Kribbeln am rechten Obeiechenkil,
dann am linken, später gleichzeitig an beiden Unterschenkeln, und sowohl auf de
Vorder* wie auf der Aossenseite.
Die Schmerzen waren oft so gewaltig, dass der Kranke keine Bohe b«a
Gehen, Stehen oder Liegen finden konnte, er warf sich im Bett hin nnd her uid
seit 7 Jahren sind dazu noch die Empfindongen der Taubheit gekommen. Jetzt
kann der Kranke weder viel gehen, noch stehen, denn sonst kommen gleich die
gewaltigen Schmerzen — sie entstehen manchmal aoch dann, wenn der Kranke in
Bett liegt nnd sich erheben will.
Bei der Untersnchnng konnte ich keine Verändemng der Haut, keine Vermis«
derong der groben Kraft und keine Veränderung in den Befiezen constatiren. Die
Sensibilitätsempfindnng aber, die Ortswahmebmnng and die elektrocntane Sensibilität
waren im hohen Grade beeinträchtigt Temperstnrgeffibl war ganz nonnaL Qoetscbn
von Hantfalten zwischen den Fingern war an den beiden Oberschenkeln gut
schmerzlos.
Die Muskeln an beiden Ffissen sehen ziemlich gut aus, und die Erregbarkeit
der Muskeln nnd Nerven anf den galvanischen, wie auch auf faradischen Strom,
ist normaU
Ich verordnete dem Kranken innerlich Kalii jodati and applicirte durch 9 Wocheo
den faradiscben Pinsel. Von der 2. Woche der Behandlung an waren die SchmerzeB
von einem Ti^e znm anderen immer etwas vermindert nnd nach 9 Wochen ist es dun
gekommen, dass der Kranke, zwar nicht geheilt war, aber doch liegen, stehen vii
anch geben konnte, ohne grosse Schmerzen zu sp&ren.
5. Fall. Ein 48jähriger Mann ist seit 8 Jahren an verschiedenen Parästbesiaet
an der Aussenfiäche der beiden Oberschenkel leidend. Er erzählt, dass ihm vw
9 Jahren einer Krankheit wegen der Arzt kalte Bäder nnd Donchen verordnet bat Die»
haben ihn ganz bergestellt Nach 1 Monate aber begann er beim langen Geben
die Schwäche in beiden Füssen und gleichzeitig Kribbeln und Tanbheit zu sp&ren.
Br wandte sich von dieser Zeit an vielmals an die Aerzte; sie haben Bhec-
matismos diagnosticirt and der Kruike hat immer Salicjl nnd verschiedene Salb«
bekommen. Von diesen sind, wie er erzählt, noch in den letzten Wochen die
Schmerzen an beiden Oberschenkeln entstanden, weshalb er zn mir gekommen ist
Er stammt von einer ganz gesunden Familie and war bis vor 9 Jahren immer
gesund; er ist kein Alkoholiker and hat keine venerische Krankheit gehabt Die
Untersnchnng des Kranken zeigte die Vermindening des Dmck-, Schmerz- and Taet-
gefübls, die verminderten Hautrefieze und eine ziemlich starke Vennindernng d«
elektrischen Erregbarkeit der Muskeln im Gebiete der beiden Nervi cntanei femoris
ezteml
Ich verordnete dem Kranken eine Solotio Kalii jodati and den faradiscben Pinsel
welchen ich dem Kranken durch 10 Wochen applicirte.
Die erste Bessemng und zwar das Verscbwinden der verschiedenen ParästhesiMi
habe ich in der 3. Woche der Behandlung gesehen, dann war die Schwäche, wdcbe
der Kranke beim Geben in den beiden Füssen spürte, verschwunden, und kam eiw
Linderang der Schmerzen, zur Heilung aber ist es im Ganzen nicht gekommen; ucli
einem längeren als Spazierengehen oder beim zo langoi Stehen iübltt
er wieder sein Kribbeln, Schmerzen nnd Taubheit in den Füssen.
Ich glaube, dass man hier nach einer noch längeren Behandlung nnd nach
Massage noch mehr hätte erzielen können, der Kranke aber wollte sich dazn nkbt
entschliessen, indem er sagte, dass er schon mit dieser Linderui^ der ganz« ACeo*
tion zofrieden sei.
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1087
Wir sehen dso, dass es sich in diesen Fällen, welche ich beobachten konnte,
um die rerschiedenen Parästhesieen im Gebiete des Nervns cutaneus femoris
exteroas handelt; einmal haben wir diese Affection, welche als BEBNHASDT’sche
Sensibilitätsstörnng bekannt ist, dann aber auch, wenn die Schmerzen nicht
nur an der Aussenfläche des Oberschenkels, sondern auch am Unterschenkel
rerspflrt worden, den Uebe]^;ang zn solchen Fällen, in welchen die Bbsn-
HABDT’sohe Sensibilitätsstörnng nur als eine Theilerscheinung, als Symptom
emm* au^breiteten Erkrankung und zwar einer Neuritis oder Nennte des
Plexus Inmbalis auftritt
Wenn wir zn den einzelnen Fällen übeigehen, so sehen wir, dass der
erste und fünfte Fall hinsichtlich der Aetioiogie zur Erkältung gehört. Der
Förster, welcher grösstentheils im Walde herumzugehen hat, ist immer ver¬
schiedener Temperatur au^esetzt; im Sommer ist der Boden fast immer feucht,
im Winter geht er durch Schnee u. s. w.
Im 5. Falle entstand die Affection nach einer Krankheit, zu deren
Beeinträchtigung der Arzt kalte Bäder und Douchen nehmen Hess, es ist also
auch hier zu einer localen Erkältung gekommen.
Diese beiden Fälle sind also nach Erkältung entstanden, was auch Bebm-
HABDT und Fbbüd als die ätiologische Ursache annehmeru Im ersten Falle
ist das Leiden nur am rechten Oberschenkel entstanden, trotzdem, dass die
beiden Fnsse des Beranken der Erkältung ausgesetzt waren; dies ist aber keine
Ursache, um etwas anderes zu diagnosticiren, da ^e Symptome des Leidens
und Erfolg der Therapie dafür sprechen, dass wir mit einer BEONBABDT’schen
Sensibilitätsstörung zu thun haben.
Der 5. Fall, in welchem die Affection nach kalten Douchen entstand,
macht einen G^nsatz zu den Erfahrungen Bebmhabdt’s, Näcke’s und
y. Ldzeebebgeb’s, da das Leiden doppelseitig, also ganz ähnlich wie in einem
Falle, welcher von Fbeud mitgetheilt ist, auftritt
Die Affection im 3. and 4. Falle ist nach einer Infectionskrankheit, das ist
einmal nach Typhus und zweitens nach einer Lungenentzündung entstanden.
Diese beiden Fälle stimmen also hinsichtlich der Aetioiogie mit Bebnhabdt's
Angaben, dass diese eigenthümüche Sensibilitätsstörung nach einer lufections-
kiankheit entstehen kann, da im 3. Falle sich das Leiden gleich nach einem
Typhös entwickelte, im 4. unmittelbar nach Lungenentzündung.
Die Affection im 2. Falle ist nach dem vielen Stehen entstanden, das ätio-
Ic^iscbe Moment ist also dasselbe, welches zum 1. Male Köbteb bei einem
Kranken, welcher bei der Besichtigung von Museen und Ausstellungen durch
längeres „Umherstehen“ und dann in kurzer Zeit Adleb bei einem Postbeamten,
dessen Beschäftigung die Ordnung der Briefe in einem Eisenbahnwagen war,
und welcher bei dieser Beschäftigung nur wemge Schritte hin und her geht,
hervorgehoben batten.
Oer Kranke in meinem Falle musste auch sehr viel stehen, um die Leute
beau&ichtigen zu können. Bemerkenswerth ist in diesem Falle, dass der Kranke
oyGoogIc
— 1088 —
beim Gehen keine Sohmenen hat, daaa sie aber beim Stehen and Benatun dei
linken Seite beim Schlafen entstehen.
ln der Beseitigang der Krankheit und der renchiedensten Rmpgndnng an habe
ich Tiel erreicht In 4 Fallen war das Leiden erträglich gemacht die Kranket
wie sie selbst angaben, fast geheilt und in einem Falte erhielt ich afasolnte
H^ong, was noch keiner von den Beobaohtem bei diesem Leiden erzi^te.
BnaNHARDT hat eine Beseitigung der Eisoheinongen, höchsteng
nur eine Linderung erzielt Käckb hat auch nur eine annähernde Heihug
der Parästbeeieen erzielt und Fubcb macht aufmerksam, dass die Natur «tes
Leidens auch sehr r^ressiT werden k^nn.
Den guten Erfolg und die Beseitigung der Krankheit in diesem einzigen
Falle verdanke ich dem, dass der Kranke geduldig war und sich im Ganzen
auf meine tberapeutisoben Maasflnahmen und speciell anf die Biassage mul
Elektridtat einzugehen entschlossen batte.
Litterntnr.
BnKHAXDT, Kenrolog. Ceotnibl. 1895. Nr. 6. N^ou, Ebenda. 1895. Nr. 8
Fbsitd, Ebenda. 1895. Nr. 11. t. LnzvKBaRau, Ebenda. 1896. Nr. 22. Köstib, Ebnida
1897. Nr. 6. Bbxda. Ebenda. 1897. Nr. 6. Adia, Ebenda. 1897. Nr. 15. TBAoeon,
Monatuebr. f. Piyoh. n. Nenrolog. 1898. Bd. Ul
U. Beferste.
Anatomie.
1) 4 nsw NisSl Method* by J. B. Lord. (Jonmal of Mental Scienea. 189B.
October.)
Von der Uedico’Psyebologkal Association of Great Britain and (reland pit d«r
Broncemedaille nnd dem 10 Quineen-Preise an^^eichnet
Ein Stöck ganz friscben Gehirnes, je frischer, desto besser, etwa 2 ccm, i(s
der Centralwiodong nebst adb&renter Pia bringt man euf dem Mikrotome snm An-
frieren, so dass die Pia nach dem Beobachter geriohtet ist. Etwas Gnmmi erieiobtMt
das Frieren. Die angefertigten Schnitte werden sofort ins Wasser gebrachi, dariof
mit einem Objectträger anfgenommen and etwas Pikroformol darüber gegoesen, so dssi
der Schnitt auf dem Fixatir schwimmt; 5—15 Secnnden bleibt der Schnitt d«
letzteren ausgesetzt und wird dann ins Wasser zurfickgebracht Mit einem Object*
träger wieder anfgenommen, wird er mittelst mner Pipette mit ein«r 0,5% wässert I
Nissl'soben Methylenblanltonng (Methytenhlso Patent B) betränfelt in denelboi Wmm ,
wie vorher mit Pikroformol. Darauf Erwärmung bis die erste Blase aufsteigt, da&o |
Abkohlung. Der Ueberscbuss der Farbe wird abgewaschen und eine LOeung vog ,
Anilinöl in absolutem Alkohol — 10 — Ober den Schnitt grossen, bis kein« |
Farbe mehr aus demselben beraustritt Abtrooknen mit Fliesspapier, deoeen Ober* I
fläche glatt sein muss. Origanumöl wird alsdann nur Äofbellang anfgeträntelt ssd '
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1089
in gleicher Weise entfernt Benzin entfernt die letzten Reste des Oels. Die Ein-
bettong in Colophoniom geschieht folgendermaassen: Etwas Colophonium wird in
eioer Porzellanschale geschmolzen unter Zufügung einer nur geringen Menge von
Benzin. Das geschmolzene Colophoniom wird mittelst eines Qiasstabes anf den
Schnitt geschmiert, ein Deckglas darauf gelegt und so lange erwärmt, bis es eine
befnedigende Lage hat (über einer dünnen Asbestplatte, welche auf einem Draht¬
geflecht auf einem Dreifuss Über einer Bunsenflamme ruht). — Bei der Benutzui^
der Qefriermethode wird die beim Härten erfolgende Schrumpfung der Kervenzelle
Termieden, das Fett derselben wird nicht aufgelüst wie beim Gebrauch von Alkohol;
die fettige Degeneration lässt sich daher genauer Terfolgen. Innerhalb 30 Minuten
nach dem Tode kann ein Präparat anf diese Weise fertiggestelllt werden. Der Inhalt
des Gewebes lässt sich mit dieser Modiücation eingehend studiren. Keoroglia und
Blutgefässe sind deutlich ge^bt, — Die Fixationsflüssigkeit besteht aus einer ge¬
sättigten wässei^n Losung von Pikrinsäure 60 7o FormoUOsung in
Wasser 50®/q.
Diese Mischung eignet sich überhaupt gut für fixative Processe; von Präparaten,
die einige Wochen darin gelegen, kann man Gefrierschnitte machen und färben; für
manche Methoden kann man dieselbe auswaschen. — Bei der Methode Ton Lewis
kann man zur Fixirung statt Osmiumsäure auch Pikroformol, wie oben angegeben,
rerwenden.
Verf. hat mit seiner Methode u. a. die fettige D^eneration der Nervenzellen
— ein bei Psychosen häufig anzutreffender Process — genau studirt; die der 7er-
fettong anheimfallende Substanz färbt sich erst dunkelblau, dann dunkelgrün, dann
hellgrün und schliesslich gelb. Pettsubstanz befindet sich aber auch in normalen
Zellen als Zeichen des gewöhnlichen Stoffumsstzes oder eines natürlichen Verfalls
der Zelle. Die erstgenannten Erscheinungen pathologischer Verfettung finden sich
jedoch nicht ausschliesslich bei Psychosen, sondern auch bei anderen Krankheiten.
Man kann die Fettsubstanz auch zur Darstellung bringen, wenn man ein Stück
Gehirn in Pikroformol härtet (3 Tage), schneidet und die Schnitte für 12 Stunden
in 0,25 Osmiumsäure legt und mit Methylenblau nachfärbt.
Bresler (Freibui^ L Schl.).
2) Zur Anatomie und Physiologie des Phrenlouskems, von Oscar Eohn-
stamm. (Fortschritte der Medicin. XVI. 1898. Nr. 17.)
Dm die Lage des Phrenicuskems anatomisch festzul^n, bediente sich Verf.
des Nissl’schen Ver&hrens. Er resedrte bei ausgewachsenen Kaninchen einseitig
den Phenicus in der Hohe der oberen Brustapertur und tötete nach 2—4 Wochen
das Versuchsthier, nachdem er sich überzeugt hatte, dass die entsprechende Zwerch¬
fellhälfte nur noch passive Bewegungen zeigte und auch hinsichtlich ihrer Blut-
Versorgung eine deutliche Abweichung gegenüber der ungelähmten Seite aufwies. —
Es zeigte sich nun bei der Untersuchung nach Nissl constant, dass sich eine be¬
stimmte, spindelförmig nach oben und unten sich verjüngende, von der Hohe des
4. bis zum 6. Halswirbels reichende Zellgruppe im Zustande der Chromatolyse
befand. Andere Zellen, insbesondere die entsprechende Zellgruppe der anderen Seite,
wurde niemals ähnlich verändert gefunden. Die chromatolyti^hen Veränderungen
waren die typischen und erstreckten sich sowohl auf die Form der Conturen, als
auch auf die Auflösung des Tigroids und die Verlagerung des Kerns.
Eine zweite Reihe von Experimenten, in welcher der Versuch gemacht wurde,
phasiach-functionelle Veränderungen der Zellstmctur aufzudecken und wobei zu diesem
Zwecke die Zwerchfellthätigkeit durch doppelseitige Vagotomie excessiv gesteigert
wurde, hatte nativen Erfolg. Die Phrenicoszellen zeigten keinerlei Abweichung
von der Norm. W. Cohnstein (Berlin).
69
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1090
Experimentelle Physiologie.
3) Beitrftge sur Physiologie des Centrslnervensystems. I. Die sogenannt«
Hsrpnose der Thiere, von Max Verworn. (1898. Jena, Gustav Fischer.)
Verf. hat sich die Aufgabe gestellt» den Zustand der Bew^nngsloägkmt, ia
welchen viele Thiere dadurch versetzt werden können, dass man sie in abnomei
Körperlagen an LagecorrecÜons* oder Fluehtbewegungen verhindert (fixpttimentniB
mirabile de imaginatione gallinae des Pater Kircher 1646), physiologisch zn ergrOndn.
Den Aasdmck „Hypnose der Thiere“, welchen man vi^fach für diese Erscheinnng
vorgeschl^en hat, hält Verf. nicht fär zweckmässig und er erklärt das PhüiomeB
vielmehr als die Resultante aus zwei Componenten, einer tonischen Erregong d«e
Lagereflezgebietes (Kleinhirn?) und einer Hemmong der cortico*motorischeD Sphäre.
Die tonische Erregung der Zellen cerebralen oder cmbellaren Lagereflezgebietes ist die
Folge der angestrengten and erfolglosen Lagecorrectionsbewegungen, und man si^t
daher das Thier stets in. tonischer Contractur der am Lagereflez meist betbeiligtea
Muskeln bewegungslos werden. Das Grosshim ist an der firscbeinong nur durch
Hemmaug der willkürlichen motorischen Impulse betheiligt und es kann daher das
Phänomen auch an grossbimlosen Thieren in typischer Weise bervorgemfmi werden.
— Das „Erwachen“ der Thiere und ihr spontanes Aufsteben aus der abnormen Lage
erfolgt entweder durch vom Grosshim her eingeleitete innere Beize oder aber
häufiger durch äussere, auf dem Wege des Reflexes zu dem Lagereflexcentnus
fortgeleitete Reize, welche den Tonus des letzteren plötzlich zu einer gröesem
Err^ungshöhe steigern. Hierdurch erhalten die tonisch contrahirten Muskeln plötzlich
einen Contractionszuwachs und es wird eine rasche Lagecorrectionsbewegung ans*
gelöst
Die Hemmung der corticalen motorischen Centren ist ve^leichbar der Hemmuag
von spontanen Bew^nngen oder Handlungen, wie sie auch heim Menschen durch
plötzliche Sinneseindräcke bervoigebracht wird. Der plötzliche Sinneeeindruck wird
dort bewirkt durch das energische, plötzliche und erschreckende Zufassen dee Ex¬
perimentators.
Grosshirolose Thiere bleiben daher im allgemeinen länger in dem bewegungs¬
losen Zustande als Thiere mit intactem Grosshim. Denn bei ersteren ist die eine
Quelle des die endliche Lagecorrection berbeiführenden Reizes, nämlich die spontanes
vom Grosshirne zu dem tonisch erregten Lagereflezcentrum strömenden Impuls«
au^eschaltet W. Cohustein (Bo-lin).
Pathologische Anatomie.
4) Contributions to tbe study of some of the afferent and efferent txmoti
in the spinal oord, by Risien RusseL (Brain. 1898. Summer.)
Verf. hat eine Anzahl interessanter pathologisch-anatomischer Präparate, ^wciell
in Bezog auf die secundären Degenerationen im Bäckenmarke nntersucht.
Im 1. Falle handelte es sich um eine Degeneration der 1. Sacralvmrxel z
Folge von Alkoholneuritis. Die Hinterstrangsdegeneration lag zunächst dicht hinta
am Hinterbom an, verbreitete sich aber in den nächsten Segmenten Ober das ev-
sammte Hinterstrangsgebiet, auch das ventrale und ovale Feld nicht ffei la^od:
später ging sie in bekannter Weise in den Goirschen Strang Aber. Collatenla
waren in die gleichseitige Hinter- und Vordersäole und in die Substantia gebtia«
Bolandi in der Höhe des Eintrittes der Wurzel und in den nächst oberen Segmeita
zu verfolgen; dingen nicht in die gekreuzte graue Substanz und auch nicht sidiff
in die weisse Substanz derselben Seite.
Dig :vcd:
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1091
Im 2, Falle hatte ein intra* und eztravertebrales Sarcom die 7. cervicale
Wonel and einen anliegenden Thexl der rechten Seitenh&lfte des Halsmarkes zerstört
Die Degeneration im rechten Hinterstrange lag im 3. Cervicalsegment im Bardach’*
sehen Strange, dicht am Septam intermedinm, als schmaler, nar in seinem hinteren
Fünftel and am hinteren Bande des Markes breiter werdender Streifen. Sie drang
nicht in den Ooll’schen Strang ein. Äosaerdem war die Kleinhirnseitenstrangbahn
aofsteigend and die Seitenstrangpyramide absteigend d^enerirt
Im 3. Falle handelte es sich am einen intramedallären Tumor, der am Conus
terminalis begann and bis zum 4. Lnmbalsegmente reichte. Unten betraf er beide
Seiten ^mmetrisch; im 4. Lombalsegmente war eine Seite bis auf Hinter* und
theilweise Vorderstr&nge frei. Das 3. Lumbalsegment war anf der einen Seite noch
erweicht. Es fand sich eine aufsteigende Degeneration der Hinterstr&nge beiderseits
und eine solche der Oowers’schen Bahn dicht am Bande des Markes aaf der Seite,
wo der Tumor bis ins 4. Lombalsegment gereicht hatte.
Im 4. Falle handelte es sich am eine totale Qoerschnittszer^rang im 6. and
7. Cerricals^ment. Das Hinterstrangsbild Ober der Läsion war das bekannte; im
4. Halssegmente waren die äusseren Theile der Bnrdach’sohen Stränge wieder normal,
die inneren Theile aber blieben bis oben hin degenerirt; die Fasern von der 5. cervi*
calen Wurzel an blieben also in den äusseren Theilen des Bnrdach’schen Stranges.
Die autsteigende Qowers'sche D^eneration lag nicht am Bande des Markes. Ab-
eteigend waren die Pyramidenbahnen, das Schultze’sche Comma und der absteigende
Tractus ventrolateralis degenerirt. Das Comma konnte mit Pal 6 Segmente weit
nach unten verfolgt werden; der absteigende Tractus ventrolateralis lag ganz am ^
Bande (doch nicht so ganz mit seinem dorsalen Ende. Bef. — Dieses entfernt sich
vom Bande gerade so, wie in einem Falle des Bef. Ärch. f. Psych. Bd. XXV).
Im 5. Falle war bei einer Tnmoroperation ein grosser Theil der rechten
Hemisphäre — speciell im Gebiete der Centralwindnngen — entfernt Genaueres
muss im Original nachgesehen werden. Es fand sich im Hirnstamm Degeneration
der Pyramiden, einzelner Fasern in der Zwiscbenolivengegend und eines anterolateralen
Sfranges aussen nnten an der Olive. Bei der Krenznng gingen einzelne Fasern in die
gleichseitige Seitenstrangspyramide; ausserdem fand sich ein compactes degenerirtes
Böudel am dorsalen Theile der nicht degenerirten Pyramide — also später dem gekreuzten
Vorderstrange entsprechend. Im Bflckenmarke und speciell im Halsmarke waren
beide, besonders natürlich die gekreuzte Seitenstrangspyramide, die gleichseitige
Vorderstrangspyramide, ein gleichseitiger Faserzug am ventralen Bande des Markes
g^nOber dem Vorderhim und Fasern im gekreuzten Vorderstrange degenerirt Die
Degeneration der gekreuzten Seitenstrangspyramide hatte eine viel grössere Äus-
dehnnng als man bisher annahm — sie betraf besonders auch die Grenzschicht der
grauen Substanz bis in den Vorderstrang und theilweise ancb die Kleinhirnseiten*
stränge. Die gleichseitige Vorderstrangspyramide krenzte sich im Sacralmarke.
Im 6. Falle handelte es sich um einen cystisch erweichten Tumor in der
rechten Hemisphäre, der theilweise auch die Centralganglien afficirt hatte. Es fehlte
hier die Degeneration im nngekrenzten Pyramidenseitenstrang, im gekrenzten Vorder*
Strange, in der Zwischenolivenschicbt am dorsalen Theile der intacten Pyramide und
im ventrolateralen Theile des Seitenstranges; im Röckenmarke waren also nnr die
gekreuzte Seiten- und die ungekreuzte Vorderstrangspyramide degenerirt.
Anf die Schlüsse des Verf.’s kann nnr zum Theil eing^ngen werden. Die
hinteren Wurzeln im Sacralmarke sind bald nach ihrem Eintritte so über die der Hinter*
stränge vertheilt, dass sie auch das ventrale Feld and das ovale Feld betheiligen;
diese Gebiete enthalten also nicht nur endogene Fasern, wie auch Ddjdrine and
Spüler gefunden haben. Die Bedexcollateralen der hinteren Wurzeln erreichen
nnr die Gebiete, die oben im Fall 1 angegeben sind; speciell für eine Bahn in dem
gekreuzten Vorderseitenstrang (Edinger) ist also kein Beweis vorhanden (Ddjd-
69»
üia't'^ÖLi uv Google
1092
rine and Spiller, Mott). Von der 7. cervicalen Wurzel ausgehende Hinterstrang»-
fasern gelangen nicht in die GoU’schen Stränge. Der Gowers’sche Strang muss,
wie Fall 3 beweist, schon im 4. oder 8. Lumbalsegmente beginnen; er liegt in
Lumbal- und Dorsalmarke dicht am Bande des Markes, im Cervicalmarke von dieeea
durch normale Fasern, die offenbar dem Tractus anterolateralis descendens entsprecheo,
getrennt Das ist bisher Qbersehen. Dieser letztere Tractus liegt überall dicht &a
Rande des Markes (doch s. die Bemerkung oben bei Fall 4). Die in dmn gläch-
seitigen Seitenstrange verbleibenden Pjramiden^m verlassen die sich sonst kFenzeode
Pyramide bei der Kreuzung am unteren Ende der MeduUa oblongata — sie g^eo
bis ins Sacralmark; ebenso geht die angekreuzte Vorderstrangspyramide bis iss
Sacralmark, wo sie sich kreuzt Das Qebiet der gekreuzten Seitenstrangspynmi-
den ist ein viel grösseres, als man bisher annahm (s. o.). Bei partiellen Läsioan
der motorischen Gebiete des Grosshims kann die Degeneration der homoUtenla
Seitenstrangspyramide fehlen. Die im gekreuzten Vorderstrange befindlichen Faaeni
in Fall 5 sind wohl auch Pyramidenfasem, sie stehen mit der Degeneration an
dorsalen Theile der intacten ^ramide in der Höhe der Kreuzung in Zasammmhanz;
es giebt also gekreuzte und ungekreuzte Vorder- und Seitenstrangspyramiden.
Im Allgemeinen stimmen die Besultate des Autors mit den bisher bekanntee.
namentlich mit den neuesten durch Marchi’s Methode gewonnenen Resultatea fibereia;
das, was ganz neu ist, ist besonders hervoigehoben. L. Brnna
5) Unilateral desoending atrophy of the flUet, aroiform flbres and poeteriot
oolumn nnolei reaultlng from an experimental leaion in the monkey.
by F. W. Mott. (Brain. 1898. Summer.)
Durch das Experiment war eine leichte Läsion des linken Thalamus optiens,
eine schwere des linken unteren Vierhügels und Corpus geniculatum eztemum erfolgt;
ebenso waren alle drei Eleinhirnarme lädirt; in der Hauptsache war aber
die laterale Schleife dicht über dem Pons durchschnitten. Es fand sick
eine absteigende Degeneration der Schleife besonders in ihren mittleren Partieea,
eine solche des Corpus trapezoides und des Stratum interolivare linke, rechts ein»
solche der inneren Kbrae arciformes und der Hinterstrangskeme; keine Degenoatioa
der Pyramiden und überhaupt im Bückenmarke nichts trotz der Läsion aller Kleis-
himschenkel.
Der Affe war im Anfang rechts hemianopisch (Läsion des linken Corpus gesi-
culatum extemum), ferner zeigte er Nystagmus nach links; links Tremor nach Art ds
Intentionstremors und Schwäche (Läsion der linken Kleinhimschenkel). Ferner beetaad
redits Anästhesie (Läsion der linken Schleife) und Schwäche; letztere wohl indireet
durch die Sensibilitätsstömng bedingt. Zuletzt war alles mit Ausnahme der rechtes
Hemianopsie wieder verschwunden. Der Äffe lebte 3 Jahre nach der OperatiMi.
L. Brnos.
6) The cerebral oortioal cell under the Influenoe of poisonoua doaee of
potaseii bromidum, by Hamilton E. Wright. (Brain. 1898. Summer.)
Verf. bat das Gehirn eines Epileptikers untersucht, der offenbar in Folge eia«
mehrtägigen Gebrauchs enormer Bromdosen gestorben war; zur ControUe diotm
KaDiuehengebinie nach Anwendung grosser Bromkalidosen. Br hat ausser leidktm
Veränderungen im Zwischengewebe besonders Veränderungen an den BindenganglM»’
zellen gefunden, die nach seiner Ansicht an den peripbersten Theilen da* Proti-
plasmafortsätze begannen, da diese immer erkrankt waren, wenn sich am Zellk«kpir
etwas fand, aber sich unter Umständen auch schon erkrankt fand«), wenn der
" Google
1093
körper Docb normal war. Die Erkläroogen der psychischen Wirkung des Broms
aus dieser Erkrankung gerade der periphersten ^den der Protoplasmafortsätze
sind wohl psychophysiologische Zukunftsmusik. L. Bruns.
7) The morbid anatomy in a case of lead paralysis; condition of the
nerves, mosoles, musole spindles and spinal cord, by Laslett and
Warrington. (Brain. 1898. Summer.)
Fall von ansgebreiteter Bleilähmung der Arme und der Beine; an den Armen
waren auch der Supinator longns, Triceps und die Schnltermuskolatur, ferner die
Interossei betheiligt. Es fand sich erhebliche Degeneration in den peripheren Nerven
und Muskeln, doch hatten die letzteren ihre Querstreifung bewahrt. Die Muskel*
Spindeln waren erhalten. Hintere Wurzeln am Halsmarke normal, vordere atrophisch.
In den entsprechenden Torderhomzellen des Halsmarkes Verändemngen, die die Yerff.
als retrograde auffassen. L. Bruns. '
8> Los malformatlons oräniennes ohes les hörddoosyphilitiques, par
Edmond Fonrnier. (Nonv. Iconographie de la Salpetridre. 1898. XL S. 288.)
Charakteristische Schädeldeformationen finden sich bei erblich Syphilitischen an
der Stirn als sog. Olympierstim (HervorwAlbung der ganzen Stirn) oder als Pro*
minehz beider Stimhöcker, oder als mediale Leistenbildnng: an den seitlichen
Tbeilen des Schädels als Prominenz der Scheitelbeinhöcker, als Terbreiterung des
Schädels in transversaler Bildung, oder als sog. cräne natiforme, bei dem die
Scheitelbeine so nach oben vorgewölbt sind, dass eie in der Mittellinie eine Binne
zwischen sich bilden, wodurch der Schädel das Aussehen der Nates erhält
Eingehender bespricht Yerf. dann die folgenden bei erblich Syphilitischen häufig
beobachteten Missbildungen: 1. Asymmetrieen des Schädels, 2. Synostosen der
Knochennähte, 3. Anomalieen der Schädelform als Acrocephalie, Dolichocepbalie,
Scaphocephalie, 4. Mikrocephalie (besonders häufig), 5. Hydrocephalie. (Den Hydro*
cephalus will Yerf. als ein besonders wichtiges Stigma fflr erbliche Syphilis be¬
trachtet wissen, das in jedem Fall den Yerdacht auf hereditäre Syphilis lenken
sollte. Er hat allein 170 Fälle gesammelt, wo hydrocepbalische Kinder von syphi¬
litischen Eltern stammten. Er theilt 17 betreffende Krankengeschichten mit, von
denen 10 bisher unveröffentlichte Beobachtungen seines Yaters A. Fonrnier sind.)
Zum Schluss lässt er seinen Yater Ober ein eigenthflmliches Symptom sprechen,
welches letzterer oft bei erblich syphilitischen Kindern beobachtet bat und das in
der Erweiterung gewisser Yenen am Schädel besteht, so dass ein prall gefälltes
Venennetz unter der Haut sichtbar wird, besonders im Bereich der Vena temp.
superf., der Yena angularis und der Frontalvenen. (Circulation cränienne suppld-
mentaire.) Facklam (Lübeck).
Pathologie des Nervensystems.
9) Beitrag rar aogenannten Pseudoparalysis heredltär-ayphUltisoher Säug¬
linge, von Dr. J. Zappert. (Jahrbuch Äir Kinderheilkunde. Bd. XLYl.)
Die als Psendoparalysis syphilitica (Farrot’sche Krankheit) bezeicbnete vor^
übergehende Unbeweglichkeit einer oder mehrerer Extremitäten, wie man sie bei
hereditär-lnetischen Neugeborenen hie and da beobachtet, hat meistens ihre Ursache
in einer Osteochondritis, deren Schmerzhaftigkeit den Säugling von Spontanbewegungen
abhält. — Der vom Yerf. nntersnchte Fall bot klinisch das Bild einer solchen
Google
1094
Psendoparaljae dar, welche den rechten und in schwächerem Qrade noch den Unku
Arm betraf. Bei der Autopsie zeigte sich der Knochen, wenigstens für die makn-
shopiscbe Untersncbong intact, bing^en bestand eine nnr auf das Cenricalmarlt be¬
schränkte Meningitis spinalis mit beträchtlicher Degeneration der hinteren Bflckeo-
markewurzeln. Aach die vorderen Wurzeln waren im Baismarke stärker degenerirt,
als dies YerC. sonst bei kindlichen Kflckenmarken zu finden pflegt. Der Umstand,
dAM diese Bückenmarkaveränderungen nur das Halsmark betrafen, dass dieselben
ebenso wie die klinischen Erscbeinungen rechts stärker ausgeprägt waren als links,
endlich das Fehlen einer erklärenden Knochenaffection veranlasst den Verl, in den
spinalen Veränderungen die Ursache fftr diesen Fall von Psendoparalyse zu erblicken.
Vielleicht liessen sich durch weitere Untersuchungen des Centralnervensystems maoebe
Fälle dieses Leidens, bei welchen eine Enochenerkrankung unauffindbar ist, emar
Erklärung zufQhren. H.
10) Cerebral ayphUia with wlde spread involvment of the oraoial nervM,
by George T. Preston, H. D. (Alienist and Keurologist Si liouis. 189S.
Jannary. XIX. Nr. 1.)
Verf. berichtet Ober einen 37jährigen Patienten, welcher mit 27 Jahren einen
Schanker and secundäre Erscheinungen hatte; mit 34 Jahren heftige Eopfschmenm:
2 Jahre später rechtsseitige Lähmung, Schwindel ohne Bewusstlosigkeit, aber an¬
scheinend mit vorfibergehender Aphasie. Objectiv fand sich rechtsseitige Hemiasopeie
ohne hemianopische Pupillenstarre, linksseitige Anosmie, Augenbewegungen frei; auf¬
gehobene Tast' und Scbmerzempfindung bei erhaltener Wärmewahmehmong in der
Umgebung des linken Auges und an der Unken Schläfe; mangelnde Tastempfindimr
an der linken Zungenhälile, linksseitige Taubheit, Lähmung des rechten Faeialk.
Sprache artikulatorisch etwas gestört, Zunge weicht nach rechts ab, keine Schling-
b^hwerden. Lähmung der rechten oberen und unteren Extremität mit leicbts
Atrophie ohne qualitative electrisehe Veränderungen. PateUarreflex rechts gesteigmt
rechts Fussclonus. Verf., welcher besonders das auffällige Freibleiben der soosi
häufig bei Lues cerebri betroffenen Augenmuskeln betont, nimmt an, dass es mcb
um eine ausgedehnte gummöse Leptomeniugitis handele, die sich besonders nach d<f
linken Seite erstrecke und wahrscheinlich zu einer Thrombose der linken nittlereD
Himarterie gefObrt habe. Kaplan (Herzberge). ,
11) liagopbthalmua im Schlafe bei wollatändigem Udaohluase im waohes
Zuntande ala Theilbefond multipler Himnervmilähmuiig ln Folge
loetiaoher BasalmeningitU, von Dr. Victor Hanke. (Wiener kUniecb«
Wochenschr. 1898. Nr. 16.)
Eine ö7jährige, vorher stets gesunde, hereditär nicht belastete Frau, der»
Mann an einer venerischen Erkrankung gelitten haben soll und daran auch stut,
bekam im Februar 1895 nach einer aufregenden Nachricht einen „Schlagsn&ü“:
Kopfschmerzen, Erbrechen, Krämpfe am ganzen Körper und binnen wenigen Stund»
eine vollständige Lähmung des Unken Auges. Die linke Gesichtshälfte war stair
und gefühllos, der Mund nach rechts verzogen, das Kauen links nicht beeinträchügt. '
Bewnsstsein nicht alterirt.
Elektrische Behandlung; nach Jahren Besserung der Lidlähmung und Ft- i
cialislähmang, aber Auftreten von Doppeltsehen; seit 8 Monaten tbeüweise Wieder¬
kehr des Gefühles ün Unken Trigeminusgebiet, im Uetuigen der Zustand seit 3 Jahres
stationär.
Der Sohn iet Patientin gab spontan an: die UnmögUchkait der PaUMÜn, auf
dem linken Auge zu weinen, weder auf psychische Erregungen lech refiecteriseh ui
das Offenbleibmi der linken Lidspalte ün Schlafe.
1095
Seit dem Schlagani&lle auCbllende Schl&Mgkeit und sanehmende Vergeeslicbkeit,
Yom Auge in die linke Oesichts* und Sohläfenseite aoaetrahlande Schmerzen nnd
hänfige, in kurzer Zeit ohne Behandlung wieder schwindende EntzAndangen des
linken Auges. Anlässlich einer solchen kam Patientin ins Spital, wo folgender
Status praesens aofgenommen wurde:
Auffallende Apathie uud Schläfrigkeit, intacte aber sehr langsame Sprache.
Arteriosklerose, Hypertrophie des linken Ventrikels; starke Accentuation des II. Aorten¬
tones, leichtes systolisches Geräusch Ober der Spitze, normaler ürinbefund. Normaler
Nerrenbefund an Stamm und Extremitäten sowie an den rechtsseitigen Himnerven.
Herabsetzung der Taat- und Scbmerzempfindung im linken Trigeminus, am stärksten
im 1., am schwächsten im 3. Aste. Motorisches Gesichtsfeld frei. Geruch links etwas
besser als rechts. Auf NU 3 links keine reflectorische Thränensecretion. Linksseitige
Facialisparese mit Ausnahme des Stirntheiles. Gehör links normal, rechts seit Jugend
bestehende Affection des schallleitenden Apparates. Leichte aber deutliche Herab¬
setzung der Empfindlichkeit der Zungen-, Lippen-, Wangen- nnd Gaumenschleimhaut,
sowie der Epiglottis links. Herabsetzung der Geschmacksempfindung an der ganzen
linken Zungenhälfte. Gaumen- und Wtlrgreflex links herabgesetzt, motorisebe Inner¬
vation des Schlund- und Kehlkopfes normal. Ptoais links; der Lidsehluss ist links
vollkommen, reflectorisch sowohl von der linken als von der rechten Seite aus er¬
folgend; totale linksseitige Oculomotorius- nnd Trocblearislähmung. Linke Cornea
getrübt, im Centrum ein graugelbes ulcerirendes Infiltrat; Anästhesie dm: Cornea.
J odkalibehandl ung.
Vom weiteren Verlaufe sei hervoigeboben, dass nach etwa 4 Monaten nunmehr
im 1. Trigeminusaste eine geringe Hyperästhesie bestand; die Facialisparese hatte
sich gebessert, der Lidschluss im Schlafe war rollständiger wie früher, der Geschmack
normal, die Schleimhautsensibilität beiderseits gleich, sonst Status idem.
Verf. begründet die Diagnose „luetische Basalmeningitis der linken mittleren
Schädelgrobe“; der Beginn der Erkrankung unter Allgemeinsymptomen, Kopfschmerz
und Erbrechen, vereinzelten Krampfanfällen, Beklommenheit und Schlafsucht, und
hierauf folgende Lähmung der Angenmuskelnerven sind das typische Bild der in
Bede stehenden Krankheit. Das Freibleiben des 3., 4. und 7. Hirunerven, sowie des
motorischen Gesichtsfeldes spricht nicht g^en die Diagnose; die Einseitigkeit des Pro-
cesses gegen eine oucleare Affection. Dazn kommt die auf Lues positive Anamnese
und die Erfolge der specifischen Therapie.
Die Herabsetznng des Geschmackes auch im hinteren Drittel der Zunge kann
Folge der Trigeminoserkranknng sein (Bruns, Gowers).
Das Fehlen psychischer nnd reflectorischer Thränensecretion auf Seite der
Lähmung scheint im vorliegenden Falle mehr die Rolle des Trigeminus als Erreger
der Thränendrüse (Tepliacbine) zu sprechen, als für die des Facialis (Gold¬
zieher); denn erstens war die Störung der Thränenseeretion vollständig und bei
Weitem anSallender als die Lähmongserscheinnngea des Facialis, nnd dann änderten
sieb die Facialissymptome fast gar nicht, während zi^leicb mit dem Bflekgange der
sensiblen Trigeminuslähmong das psychische und reflectorische Weinen sich wieder
einstellte.
Die Erscheinung, dass im wachen Zustande die Lider des linken Auges sowohl
willkürlich als reflectorisch vollständig geschlossen werden können, während im
Schlafe der reflectorische Lidsehluss fehlt, erklärt sich aus der Schwäche des Muskels
und der Anästhesie der Cornea und Bindehaut. Im Momente des Einschlafens wurden
beide Angen gleiohmässig geschlossen, links wegen der erwähnten Anästhesie nicht
direct, sondern consensuell mit der grannden rechten Seite. Der paretische Orbicul.
oc. sin. ist aber nicht im Stande, seinen Contractionszustand lauge Zeit festznhalteo.
-ri., Google
1096
das Auge Cffnet sicli wieder und bleibt gedffioet, da w^en der Anästhesie dei
Cornea und ConjonctiTa die Beize zu erneuter Contraction fehlen.
J. Sorgo (Wien).
12) Contributo allo Studio oUnioo ed onatomioo della meningito sifllitica
oerebrO'Spinale, per F. Giannuli. (Biv. sperim. di Freniatria. XXIII.)
Der Tom Yerf. beobachtete Kranke bot einen sehr seltenen Complex von Sjm*
ptomen dar: linksseitige Lähmung und Hemiatropbie der Zunge zusammen mit rechts»
seitiger schwerer Hemiplegie, und Abducenslähmnng rechts mit linksseitiger Hemi¬
parese. Die erste Combination ist die Millard-Gubler’scbe, die zweite zuerst tmi
G oukowsky beschrieben worden. Das Leiden hatte sich sprungweise entwickelt
Die Abducenslähmung war der des Hypoglossos voraufgegangen. Anatomisch bestand
gummöse Meningitis, charakterisirt durch necgebildetes, kleinzelliges, ge&ssrmdLes
Gewebe in der Pia mater, namentlich stark im BQcken- und Lendenmark an der
Anstrittsstelle der hinteren Wurzeln. An der Basis des Himstammes zwei Gummata.
Die Pyramiden-Seitenstränge rarificirt rechts stärker als links, Hinterhömer rer-
schmälert, io der Bolando’schen Substanz und den Clarke'sehen Säulen die Z^ea
ergriffen und das feine fibrilläre Netzwerk geschwunden. Die Degeneration des
Goll’schen Stranges nach oben bin abnehmend, weiter aufwärts nur den hinteren
medianen Abschnitt nabe der Mittellinie einnehmend.
Yerf. knflpfte an seinen Fall einige anatomische Betrachtungen über die Lage
der Kerne im Bulbus. Valentin.
13) lieber die Besiehungeu der Olykoaurie und des Diabetes mellitcB
sur Syphilis, von Dr. med. C. Manchot. (Monatshefte ffir prakt Dermatologie.
1898. Bd. XXVU.)
Der erste (historische) Theil der Arbeit beschäftigt sich mit einer kritischei
Sichtung der diesem Thema gewidmeten Arbeiten. Eine ganz specielle Berücksichti¬
gung findet hierbei die von Leyden angeregte Arbeit Scheinmann's (Deutsche
med. Wochenschrift. 1884.)
Yerf., der am alten allgemeinen Krankenhaus zu Hamburg unter Engel-
Beimers arbeitet, Terwertbet im II. Theil das grosse Material dieses Krankenhauses,
um die Beziehungen der Glykosurie bezw. des Diabetes mellitus zur Syphilis festsc-
stellen. Die Schlussfo^erungen des Yerf.’s sind im Wesentlichen die fo^nden:
Im Verlaufe der secundären und tertiären Syphilis kommt eine Torübergehend«
Glykosurie vor. Unter 359 syphilitischen Individuen konnten 12 Fälle tranä-
toriseber Glykosurie festgestellt werden (3,3 ^/q), deren luetische Aetiologie absolut
sicher ist.
Bei der Lues congenita wurde niemals Zucker im Urin gefunden. Auch bei
2 Fällen von Lues hereditaria tarda war der Urin stets zuckerfrei. Die Glykosurie
liess in keinem Falle einen auffälligen Zusammenhang mit der Schwere der Infecb«
erkennen.
Die transitorische Glykosurie der Syphilitischen ist eine Theilerscbeinnng dw
syphilitischen Erkrankung des Gesammtorganismus. Als directe Ursache la^en siet
vorflbergehende, reparable Störungen des Pankreas, vielleicht auch der Leber
vermuthen.
Die transitorische Glykosurie der Syphilitischen ist als ein weiteres Glied ü
der Kette jener Erscheinungen aufzufassen, welche die Betheiligung der ümeni
Organe an dem Ausbruch der constitutionellen Syphilis doenmentiren (Albunünuria
Icterus, Gelenk- und Sehnenscheidenaffectionen, acute Herzschwäche der Luetiker).
Moritz Fürst (Hamburg).
Google
1097
14) Ztir Lehre von der Byphilitisohen Spinalparalyse (Erb), von Frivatdoc.
Dr. F. Pick. (Prager med. Wochenschr. 1898. Nr. 18—20.)
Verf. spricht sich fOr die Existenzberechtigung einer syphilitischen Spinalparalyse
im Sinne von Erb aus anf Grand eines ansfhhrlich mitgetheilten Falles. Er betrifft
einen Mann, der mit 30 Jahren ein Ulcas mit Secandärerscheinangen acquirirte.
1 Jahr später plötzlich Unvermögen aafzustehen, wegen Schwäche and Spasmen der
Beine, Stnhlverhaltnng. Anf Jodkali Besserung. Becidive der Erscheinongen nach
iVa Jahren. 4 Jahre nach der syphilitischen Infection im Jahre 1888, also vor
dem Erscheinen der Arbeit von Erb, wurde bereits die Diagnose anf Paralysis
spinalis spastica e lue gestellt. Damals bestanden bloss Erscheinungen von Seite
der unteren Extremitäten; ansgesprochen spastischer Gang ohne soustige auffällige
Maskelspannnngen oder Paresen, gesteigerte Reflexe, Sensibilität kaum nennenswerth
gestört, keine BlasenstÖmng, Wirbelsäule im 4.—6. Brust- und 3. Lendenwirbel
etwas druckempfindlich. In den folgenden 10 Jahren zeigten die Erscheinungen
wohl einige Schwankungen in der Intensität, blieben aber sonst unverändert; nur
reflectorische Pnpillenstarre trat hinzu.
Abweichend von dem Erb’schen Typus ist in diesem Falle bloss der plötzliche
B^inn der Erscheinungen. Verf. weist aber nach, dass unter den in der Litteratur
beschriebenen Fällen Erb’scher syphilitischer Spinalparalyse eine ganze Reihe diesen
plötzlichen Beginn zeigen. Er bringt in dieser Beziehung einen zweiten eigenen
Fall mit plötzlichem Beginn der Erscheinungen bei:
Er betrifft einen Kranken, der mit 26 Jahren Syphilis acquirirte. 1 Jahr später
plötzlich Harnverhaltung und bald darauf vollständige Lähmung der unteren Extre¬
mitäten, Verlust der Sehnenreflexe, totale Anästhesie. Nach 7 Wochen Besserung.
Bei der Untersuchung 3 Jahre später an den unteren Extremitäten geringe Spasmen,
keine auffällige Lähmungserscbeinungen, ausgesprochen spastischer Gang, leichte
Hyperästhesie, starke Steigerung der Sebnenreflexe, Parese der Blase. Spasmen des
Sphincter ani. In der weiteren Folge blieben die Eracheinungen stationär.
Es zeigt sich also, dass nicht so selten die syphilitische Spinalparalyse mit den
Erscheinungen einer totalen Querschnittläsion beginnt, ohne dass man nach Verf.
eine Berechtigung hätte, diese Fälle von denen mit allmählichem Beginne zu trennen,
da ja die Fälle im weiteren Verlaufe sich vollkommen gleichen. Als charakteristisch
fOr die syphilitische Spinalparalyse hält Verf. den ausgesprochen spastischen Gang
bei relativ geringen Huskelspannungen. Blasenstörung, geringe noch am meisten
fQr den Temperatursinn ausgesprochene Sensibilitätsstörungen.
Man könnte höchstens die chronisch beginnenden Fälle als primäre oder ge¬
meine syphilitische Spinalparalyse, die acut einsetzenden als secundäre bezeichnen.
Als anatomischer Befund ergab sich in vereinzelten Fällen (Nonne) primäre System¬
degeneration, andererseits solche im Verein mit einer Transversalmyelitis. Ftlr die
Fälle mit plötzlichem Beginn dürften insbesondere Gefässerkrankungen eine
Rolle spielen.
Aetiologisch ergeben sich nebst der Lues als wichtig Eälteeinwirkungen und
körperliche Ueberanstrengung; auch sah Verf. Verschlimmemng nach Darreichung
von Abführmitteln. Redlich (Wien).
15) Over syphllitlaohe Bplnaalparalyse, door Dr. L. J. J. Huskeus. (Psychiatr.
en neurol. Bladen. 1897. Sept. Nr. 4. blz. 328.)
Ein Soldat zog sich in Ostindien im Jahre 1886 Syphilis zu und wurde mit
Schmierkur und Jodkalium behandelt. Im Jahre 1891 kehrte er nach Holland
zurück. Im Jahre 1894 bemerkte er Schwierigkeit bei der Hamentleerang, wozu
sich bald Krämpfe, Schwäche und Vertaubung in den Beinen gesellte, dann Zittern
in den Beinen, später bestanden deutliche Blasenstörungen, besonders Insufficienz des
Dig ü^cd Dy Google
1098
Detrasor. PareM beidw Baine, stark geateigerte Selmenraflexe, die aidi sUrend in
jede wiUkarliche Bevegung miachten, da der leicbteate Stoaa an das Bein eine Streck-
bewegang aosldste. Becbta waren diese Erscheinungen stärker und rechts fand äck
auch der Muskeltönus stärker, als links. Ausserdem bestanden Sensibilitätsstönug«!
in den Unterschenkeln. Seit 2 Jahren bestand der Zustand so ziemlich unveränden
Yerf. diaguosticirte syphilitische spastische Spinalparalyse.
Walter Berger (Leipzig).
16) Neurosen ln Folge von Syphilis, von Dr. Otto DornblQth, Nerveiiant
in Rostock. (MQnchener med. Wochenschr. 1897. Nr. 42.)
Verf. betont die ätiologische Bedeutung der Syphilis fllr Neurasthenie, Hysterie
und Epilepsie, wie sie schon ez juvantibus hervoigeht, und zwar ist es der Ifercnr,
von welchem in solchen Fällen prompter Erfolg zu constatiren ist. Während die
Neurasthenie ohne gleichzeitige, deutliche Syphilissymptome aufzntreten pflegt,
die Hysterie häufig in die Periode der secundären Lues (Charcot). Yon syphi¬
litischer Epilepsie werden mehrere Fälle angeführt und zwar handelte ee sich einmal
um eine Frau mit besonderer Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten neben den
mehrmals täglich anftretenden Anfallen (petit mal). Quecksilberbehandlung in Fons
von Sublimatinjectionen batte auffallende Besserung des Intellects, sowie Yermindenii^
der Anfälle zur Folge. In einem weiteren Fall wurde die in Form von Abseacss
anftretende Epilepsie bei einer Frau unter Gebrauch von Hydraig. tannicum bedeoteod
gebessert. Auch hereditäre Syphilis kann die Ursache von Epilepsie sein, wie zwei
weitere Fälle zeigen, ferner können durch sie Zustände von Idiotie and angeboresrai
Schwachsinn veranlasst werden, welche der Ug-Behandluog gleichfalls zugänglich mod.
E. Asch (Frankfurt a./'M.).
17) lieber die obinu^;lsobe Behandlung der HimsyphUle, von Dr. F. von
Friedländer und Dr. H. Schlesinger. (Hittheiiungen aus den Qrenzgebieteo
der Medicin und Cbiruigie. Bd. III.)
43jähriger, vor längerer Zeit schon luetisch inflcirter Hann erkrankte 2 Jshif
vor der Operation an linksseitigen, Nachts ezacerbirenden Kopfschmerzen. Seit
3 Honaten häufige Anfälle von Bindenepilepsie, die in der Zungenspitze beginnen,
und sich rasch auf das Gebiet des rechten Facialis, die rechte Hand und den rechte
Arm erstrecken. Yor dem Krampfanfalle zeigen sich sensible Beizerscheinungen, die
sich in derselben Weise ausbreiten.
Das Bewusstsein ist während der AnßUe erhalten, nach denselben findet skb
öfters eine vorübeigehende motorische Aphasie. Die Sprache verschlechterte adi,
mehrfache luetische Kuren brachten keine Besserung.
Bei der Aufnahme ins Hospital zeigte Patient: Rechtsseitige Hypogloasuslähmoi^,
rechte Facialisparese, später Lähmung des rechten Armes nnd Ataxie in demselben.
Die Berührnngsempfindung ist erhalten, hing^eo das Localisationsvermögen, der
Temperatur*, Schmerz* und stereognostische Sinn gestört Doppelseitige Stauongs-
papiUo. Am linken Scheitelbein findet eich eine dmckempfindliche Stelle.
Die Haut in der rechten oberen Extremität ist livid verübt und tuigesceot
Da von einer weiteren antisyphilitiscben Behandlung kein Nutzen zo enrartei
war (Patient hatte bereits mehrmals sich einer Inunctionskur nnterzc^en), so ent*
schloss man sich zum chiruigischen Eingriffe. Es fand sich in der G^esd d«
nnteren Tbeiles der Unken Oentralwindangen ein von der Dnra ao^bendw Tomv.
der entfernt wurde und sich bei mikroskopischer Untersuchnng als Gumma erviM-
Beaetionslose HeUung der Wunde. Die Lähmungen an oberer nnd nnterer ExtreoH^
bildeten eich gänzlich lurfick, ebenso die Facialislähmung. Hingegen blieb die richts-
Digi; zed by
1099
seitige UypoglossoBlähmang bestehen. Diese isolirte corticale Uypoglossusläbmimg
spricht fflr das Torhandensein eines besonderen Bindencentmms für den N. hypo*
glossns beim Menschen, etwa im untersten Viertel der vorderen Centralwindung.
Ferner war in der Beconvalescenz eine ausgesprochene Verspätung der Schmerzempfindung
rechts zu conatatiren, sowie Hyperalgesie und schmerzhafte Nachempfindung. Von
Wichtigkeit ist, dass in vorliegendem Falle die Verspätung der Schmerzempfindung
rein corticaler Natur war und auch hier wie bei spinaler und peripherer Mhmung
als eine Art von Summationsvorgang anzuseben ist
Zugleich mit dem operativen Eingriff trat die schon vorher bestehende und für
einige ^it verschwundene vasomotorische Störung auf der gelähmten Eörperhälfte
wieder auf, eine Beobachtung, die für den corticalen Ursprung derselben spricht.
Verff. stellen als Indicationen für den chirurgischen Eii^rif^ der wie in dem
beschriebenen Falle lebensrettend wirken kann: 1. Stationärer Tumorbefund nach
antiloetiscber Behandlung bei leichter Zugänglichkeit und vermnthlich geringem Um¬
fange. 2. Progredienz der Erscheinungen trotz eingeleiteter specifischer Behandlung,
wenn eine Indicatio vitalis besteht 3. Trotz antiluetischer Behandlung bestehende
Jackson’sche Epil^sie, auch wenn die fHlheren Tumorsymptome inzwischen ge¬
schwunden sind. A. Doberenz (Leipzig).
18) Oeservazionl oUziiohe tendenti a dimonstrare PealsteiuEa di flbre asao-
oiative tra ü nervo foooiale e U nervo ooulo-motoM oomune del
medeaimo lato, per C. Negro. (Boilettin, del policlin. gen. di Torino U.)
Ist bei Oesichtelähmungen der obere Ast des Facialis mitbetroffen, so macht der
Kranke eine Botationsbew^ng des Bulbus oculi der gelähmten Seite nach oben
und aussen, seltener nach oben innen, jedes Mal, wenn er versucht, das Auge
zu schliessen. Das Auge behält diese Steilung bei, so lange die willkfirliche Con-
traction des orbicolaris oculi andauert. Das Ai^e der gesunden Seite vollführt eine
associirte aber weniger ausgiebige Excnrsion nach oben innen, bezw. oben aussen.
Auf die diagnostische Wichtigkeit dieses Phänomens bat Verf. in einer früheren
Arbeit (Bollett. del policlin. gen. di Torino. 1896. Nr. 3) hingewiesen. Zu seiner
Erklärung war Verf. von den Untersuchungen Mendel’s (d. Centralbl. 1887) aus¬
gegangen, nach denen der obere Facialis im Ocnlomotoriuskem entspringt und im
hinteren Längsbündel zum Eniee des Facialis zieht. Eine gleiche physiologische
Verbindung nahm Verf. vom Facialis zum Oculomotorins derselben Seite an, so dass
ein Willenreiz, der anf der Bahn des ersteren Hindernisse findet letzteren
zufiiesst. Erfolgt die Bewegung des Auges nach oben und aussen, so ist es der
Husculus obliques inferior, erfolgt sie nach oben innen, der Beetns superior, der
innerviert wird. Dass die erstere Bewegung bei der Facialislähmung die häufigere
ist liegt an der auch anatomisch wahrscheinlich gemachten Dissociation im Kerne
des Oculomotorins.
Besteht die vom Verf. angenommene Verbindong zwischen Facialis und Oculo-
motorioB, so muss, wenn amgekehrt die Bahn zum Hueeulas obliqous inferior unter¬
brochen ist eine Contraotion der vom oberen Facialis versorgten Muskdn eiotreten,
wenn der Kranke den gelähmten Augenmuskel willkfirtich bewegen will. Unter
6 Fällen, 5 Tabikern und einem Kranken mit ebroniseber speoifiseber BasUarmeuingitis,
bei denen unter anderra der Husculue obliquns inferior einer oder beider Seiten
gelähmt war, traf dies 4 Hai zu.
Wie erklären sich die beiden Ausnahmeai? Verf. antwortet: aus dem Sitee der
Erkrankung. Nur wenn die Lähmung des Musculns obliques inferior eine periphere,
kann der Beiz auf den Faoialts weiteigeleitet werden. Ist der Kot des betreffeuden
Nerven erkrankt, so ist auch diese Bahn untorbroeben. Valentin.
Google
1100
19) An nnnanal form of Ibolal paralysis, by W. S. Helsome. (Pediatricft.
1898. Vol. V.)
Das anfälligste Symptom in diesem Falle einer nach Ohroperation aufgetreienen
rechtsseitigen Facialisl&hmung bestand darin, dass das 5jährige Kind während dee
Schlafes das rechte Ange völlig mit dem Oberlide zu bedecken im Stande war,
während wUlkÖrlich eine vollkommene Schliessong des Auges unmöglich etachieo.
Der Fall ging rasch in Heilung Über. Zappert
20) Diplegla faoiaÜBt per Dr. Sudnik in Buenos*Aires. (Semana Hedica Buoioe*
Aires. 1897. Sept. 30.)
Yerf. berichtet über einen interessanten Fall von Diplegia facialis bei einem
jungen Hanue von 17 Jahren, der kürzlich vorher Syphilis acquirirt hatte. Er litt
an heftigen Schmerzen der rechten Seite des Qesichts und 3 Tage nachher tritt eine
Paralyse der Gesichtshälfte ein. Einige Tage nachher stellte sich eine Paralyse da
linken Seite des Gesichts ein, aber olme vorai^^angenen Schmerzen.
Die üntersuchung der Ohren ist negativ.
Gehörsinn ist unverletzt; Pharynx zeiget mehrere Plaques moqueuses: Ge*
schmackssinn ist vermindert; Yelum Palati ist nicht abweichend; Reflex vermindert;
keine Störung der Sensibilität
Die elektrische Untersuchung ergiebt Entartungsreaction für beide Seiten des
Gesichts.
Yerf. glaubt, die Diplegia bängt mit der Syphilis zusammen.
W. C. Erauss.
21) Herpea loater mit gleiohaeltiger FaoialiBlähmang, von Qrassmann.
(Deutsches Archiv f. klin. Hedicin. 1897. Bd. LIX.)
81jährige Dame erkrankte mit Schmerzen im rechten Plexus cervicalis unter
Auftreten von Herpes zoster im Gebiet dieses Plexus, sowie des 3. Astes des Trige*
minus und des Facialis. Daneben war eine Schwellung der rechten Wange und
vollständige Facialislähmung der rechten Seite zu beobachten. Nach Abheilung des
Herpes blieben noch beträchtliche Störungen der Hautsensibilität im Bereich dee
Plexus cervicalis zurück. E. Grube (Neuenahr).
22 ) Un oaa de paralyaie Iboiale perlphdrique dite rhumatlamale ou
„a frigore** suivi d'autopaie, par J. Döjärine et A. Theohari. (Comptee
rendns de la Soc. de Biolog. 1897. 4. Däc.)
Die Yerff. beobachteten einen Fall von rheumatischer Facialisparalyse bei einer
81jährigen dementen Frau, welche einem Utemscarcinom erlag. & zeigte sich bei
der Section keine Spur von irgend einer Elrkrankung des Schläfenbeins oder dee
Fallopi’schen Canals, dagegen erwiesen sich die terminalen Endigungen des Facialis
bei der mikroskopischen Dntersncbung als hochgradig degenerirt: das Mark war
schollig zerfallen, der Axencylinder nicht mehr nachweisbar; auch die von den be*
treffenden Nerven versorgten Muskeln befanden sieb im Zustande der Degeneration
und zeigten eine undeutliche Querstreifung und reichliche Eemanhäufung. — ln
Facialiskeru fanden sich zahlreiche degenerirte Zellen.
Der vorliegende Fall ist nach zwei Richtungen bin interessant Einmal lehn
derselbe, ähnlich wie der früher von Minkowski beschriebene Fall, dass die „rbeo*
matische Facialisparalyse“ augenscheinlich eine infectiöse Ursache hat, bei welcher
die „Erkältung“, wenn überhaupt nur einen auslösenden Effect hat Ferner war es
auffallend, dass die unteren Facialisäste, deren Function bekanntlich sich am
Dig: /od oy
schwersten wieder einstellt, am weitaus heftigsten erkrankt befunden wurden, indem
hier nur auf etwa je 10 erkrankte Kervenfasem eine normale kam, ein Verhältniss,
das bei den oberen Facialisftsten gerade umgekehrt beobachtet wurde.
W. Cohnstein (Berlin).
23) Interprdtstiozi d’on pbdnomöne reoemment ddorlt dans la paralysie
faoiale pdriphdrique, par M. Campos. (Progr^s mddical. 1898. S. 97.)
Vergangenen Herbst beschrieben Bordier und Frenkel bei der peripher be¬
dingten Facialisl&hmang folgendes von ihnen neabeobachtetePh&nomen: eine Bew^ung
des Augapfels nach oben und aussen bei geschlossenen Augenlidern. Sie hielten
dieses Zeichen ftlr prognostisch sehr wichtig, und zwar in ungQnstigem Sinne, indem
das Symptom eine schwere Erkrankung bezeichne. Bonnier theilte einige Wochen
später mit, er habe dieses Symptom sehr häufig beobachtet und könne nicht der
Autoren Ansicht theilen.
Terf. erklärt in vorliegendem An&atz das Phänomen als ein ganz einfaches
nnd phy8iol<^isch bedingtes. Im Zustande der Bube stellte sich der Augapfel be-
kanntermaassen stets nach oben und aussen ein, wie dies bei Oeffoen der Lider
eines Schlafenden zu beobachten sei. Er bringt des ferneren als Stfltze für seine
Behauptung physiologische, normal wie experimentell anatomische und pathologische
Facta und bespricht des näheren die Functionen der Augenmuskeln, die bei diesem
physiologischen Vorgänge in Betracht kommen. Es sei hierdurch auf die Abhandlung
hingewiesen. Adolf Passow (Strassbn^ i./E.).
24) Das Ch. Bell’sohe Phänomen bei peripherisoher Faoialislähmung, von
Bernhardt (Berlin). (Berliner klin. Wochenscbr. 1898. Nr. 8.)
Bordier nnd Frenkel haben in der Semaine Häd. (Sept. 1897) behauptet,
bei der Facialislähmung ein Phänomen beobachtet zu haben, welches bisher noch
nicht beschrieben sei. Fordert man den Kranken auf, die Augen fest zu schliessen,
so gelingt dies leicht auf der gesunden Seite. Auf der gelähmten Seite kommt aber
nnr eine geringe Verkleinerung der Lidspalte zu stände; der sichtbar bleibende Aug¬
apfel bewegt sich zuerst nach oben und dann leicht nach aussen, während sich das
obere Lid etwas senkt.
B. und F. ziehen aus dieser Erscheinung und der event. Besserung mehrere
diagnostische nnd ätiologische Folgerungen. Verf. weist nach, dass letztere nicht zu
fiecht bestehen, und da «« das sogen, neue Phänomen schon vor 75 Jahren Ch. Bell
bekannt war und seitdem oft beschrieben worden ist.
Bielschowsky (Breslau).
26 ) Ist das sogen. Bell’sobe Phänomen ein für die Lähmung des K. faoialis
patbognomonisohes SymptomP von Dr. Oeorg Köster. (HOnchener med.
Wochenscbr. 1898. Nr. 28.)
Eine Reihe von Forschem, wie Oowers, Möbius, Strümpell u. A., haben
das BeU’sche Phänomen, d. h. die Drehung des Bulbus ocoli nach oben innen und
dann nach aussen, als ein für Facialislähmung patbognomonisches Symptom angegeben.
Seil selbst hingegen hält das Aufwärtskehren des Augapfels nicht für pathologisch,
sondern erachtet es als einen bei jedem Lidschluss auftretenden physiologischen Vor¬
zug. Dieser Ansicht schliesst sieh Verf. vollständig an. Er bat an Hunderten
von Gesunden den Weg verfolgt, welchen die Bolbi bei activem oder passivem Lid-
scblnss nehmen, und stets gesehen, dass sich die Augäpfel nach oben innen und dann
nacb aussen bewegen. Natuigemäss kann man dies Phänomen am besten studiren,
1102
wenn die Lider darch eine L&hmong am Schliesses Terhindert werden. Patbognomooiseh
für eine Facialislfchmnng ist ee aber entscbieden nicht
Ebenso kann Terf. die Bonnier’sche Beobachtang nicht beetätigeD, dass
n&mhch bei Facialielähmang das obere Lid sich bebe, wenn Pat. dasselbe zo seblieasai
rersnche. Yielinebr hat Terf. in jedem einzelnen Falle eine leichte Senkung des
Lides bei intendirtem Schlosse sehen können. Kort Mendel
36) üeber Bensibilltätsstörungen bei rheomatinoher FaolaliaUUimiuig, roo
Dr. Adler. (AUgem. med. Centralzeitong. 1898. Nr. 22.)
1. 47jähr. Frau erwacht eines Morgens mit einer rechtsseitigen Gemchtslähoimg
und TaubbeitsgefQhl auf der rechten Zongenhälfte. Die Dntersnchung ergab neben
einer tjpiscben Facialisl&hmong deutliche Termindemng des Tast«, Schmen« ond
Temperatorgeffthls auf der Oberfläche der rechten Zungenhälfte und der Schleimbnat
der rechten Unterlippe. OeschmacksTermögen der rechten Zangenhälfte yollkomm«]
aufgehoben. Einige Tt^^e später Schmerzen in der rechten Warzenfortsatzg^eod
und der Tiefe des GehOrgaoges, die etwa 2 Wochen anbielten. Nach 4 Wochen
Heilung.
2. Bei einem 47jähr. Manne stellte sich onter Scbmerzen in den Zähnen der
rechten Mundhälfte und hinter dem rechten Ohr, die etwa 14 Tage anhielten, eioe
rechtsseitige Gesichtslähmung mit totaler Entartungsreaction ein. Geschmack der
rechten Zongenhälfte aufgehoben, Tast-, Schmerz- und Temperatnrempfindung wie
elektro-cutane Sensibilität auf der rechten Zongenhälfte an Ober- and Unterseite,
sowie an der Schleimhaut der rechten Oberlippe erheblich yennindert. Nach 4 Wocbeo
noch Status idem.
Verf. yerweist auf die den seinen ähnlichen Beobachtungen yon Bernhardt
und y. Frankl-Hochwart; ob es sich in solchen Fällen um ein Mitergriffenseb
von Trigeminosfasem handelt, oder ob die Annahme statthaft ist, dass im Facialis
auch sensible Fasern yerlanfen, ist zur Zeit noch fraglich.
Martin Bloch (Berlin).
27) KUnlsohe Studien über die Oesolimsokelähmungen duroh Zerstömsg
der Chorda tympani und des Flexas tympanious, yon Dr. H. Schlich-
ting in Gflstrow. (Zeitschr. f. Ohrenbeilk. Bd. XXXII.)
Es ist zwar ein physiologischer Pnndamentalsatz, dass die Chorda tympani die
yorderen Zangenpartieen mit Geschmacksfasem versoi^, allein der weitere centri-
petale Verlauf nnd der schliesslicbe Verbleib ist zweifel^ft
Für den Verlauf der Geschmacksfasem im Trigeminus sprechen sowohl physio¬
logische Versuche, als auch Ergebnisse der Pathologie, doch fand sich andererseits
auch bei Trigeminnsresection nnd bei Erweichung des Gasser’scfaen Enotens nur
Herabsetznng, einmal sogar yöUige Intactheit der Gescbmacksempfindlicbkeit.
Noch mehr Differenzen bestehen bei der Frage, welchen Weg die Chordafiseii
zom Trigeminus nehmen, ond welcher Ast des letzteren sie centralwärts ßhit
Uebrigens haben einige Autoren den Facialis, andere den Glossopharyngeus als Oo*
schmacksnery bezeichnet; für letztere Hypothese hat Carl aof Grund einer Selbst¬
beobachtung einen Beweis zu erbringen geglaubt, welcher jedoch yom Verf. widw-
legt wird.
Dass für das hintere Zungendrittel der Glossopharyi^^os der GeacbmacksnerT
ist, wird fast abereinstimmend behauptet Zor weiteren Erörterung der Frage nach
der Gescbmacksinneryatiun geht Verf. von der Tbatsache aus, dass man bei Eranka
mit chronischer Pankenböhleneiterung fast stets GeschmackslähmuDg findet, allerdings
Google
1108
TOD sehr wechselndor Ausdehnang; in solchen geeigneten F&llen entscheidet die Fest«
stellong, ob die Chorda oder der Plexns tympanicos oder beide zerstört bezw. erhalten
sind, welchen die Qeschmacksempfindung cerebralwälia za nehmen hat Yorf.
beschreibt ansfübrlich die Qrftnde, nach welchen bei Erkrankongen der Paakenhöhle
auf eine Zerstönmg des Plexns tympanicos oder der Chorda oder beider zu scbliessen
ist nnd hat eine Beihe so Erkrankter auf ihre Geschmacksfähigkeit untersacht
Danach ergiebt sich, dass allein die Chorda den vorderen Theü der Zunge mit Ge-
schmacksfasem versorgt geschieht jedoch in einer individoell sehr verschiedenen
Ansdehnung von Vs ‘*/g der Zange. Es stand nnr ein Fall zur Verfligung, bei
welchem die Chorda erhalten, der Plexus aber verletzt war, hierbei ergab sich eine
Gescbmackslähmnng in den hinteren Tbeilen der Zunge nnd am weichen Gaamen.
Bei Zerstörung der Chorda nnd des Plexus tympanicus fehlt die GescUmacksempfin-
dang fast immer vollständig, diese Thatsache kann bei Berücksichtigung der Inner¬
vation des vorderen Theiles der Zunge durch die Chorda als Beweis dienen, dass
der hintere Theil der Zunge und der weiche Gaumen die Geschmacksinnervation
durch den Plexus tympanicus erhält.
Die Geschmacksleitung geht also in jedem Falle durch die Paukenhöhle.
Samuel (Eckerberg).
Psychiatrie.
28) Die Onanie im Kindesalter, von Dr. J. E. Schmnckler in Kiew. (Archiv
für Einderheilk. 1898. Bd. XXV.)
Entgegen der verbreiteten Ansicht welche in der Schule die Ursachen für das
Entstehen der Onanie sucht, tritt Yerf. dafür ein, dass im Hanse viel mehr Anlass
zum Zustandekommen des üebels gegeben sei. Schon das warme Säoglingsbett, das
durch mangelnde Reinlichkeit bedingte Hautjucken in der Qenitalgegend veranlassen
die Kinder zu wollüstigen Bewegungen. Später könne das Kriechen, die Art unserer
Kleidung, der Genuss alkoholischer nnd gewürzter Nahrungsmittel, fernerhin das
Tanzen, Reiten u. s. w., die Anwesenheit bei erotischen Scenen oder Gesprächen,
endlich das Yorbandensein von Erkrankungen der Hant oder Genitalorgane einen
geschlechtlichen Beiz auf die Kinder ansüben; in vielen Fällen sei 'natürlich das
Uebel durch directe Nachahmung bedingt. Yerf. sieht in der Ausbreitung der Onanie
eine beängstigende sociale Erscheinung, welche dem Staat und der Gesellschaft wohl
die Verpflicbtnng zn Gegenmaassregeln auferlegt.
Zum Schlüsse formulirt Yerf. seine Vorschläge in einigen Sätzen, in denen er
namentlich für zweckmässige Belehrung der Eltern und für ärztliche Beaufsichtigung
der Schulkinder eintritt. Zappert (Wien).
29) Das Wesen der Faranoia-Verrüokthelt, von Oberarzt Dr. J. Bresler in
Freihuig i/Schl. (Deutsche med. Wochenschr. 1898. Nr. 41.)
Das Wort „Paranoia“ bezieht sich nnr auf chronische Zustände: das Charak¬
teristische. derselben liegt in einem Antagonismus von Nervenerregungen, der sich
klinisch in dem Nebeneinander von Grössen- und Verfolgongswahn documentirt. Das
körperliche — primäre — Ich ist verrückt, die Persönlichkeit eine andere geworden. Von
der Paranoia in diesem Sinne trennt Yerf. als „chronischen Verfolgungswahn“ oder
..chronischen Wahnsinn“ jene zahlreichen Fälle, bei welchen die antagonistische
Gegenüberstellung von Fördernng und Beeinträchtigung fehlt, das primäre Ich un¬
versehrt ist, das normale Bewnsstsein des Körpers, Namens, Standes nnd der socialen
Beziehungen erhalten bleibt. Yerf. betont die Nothwendigkeit der hier gemachten
Trennang nnd hofft von weiterer klinischer Forschung nene Anhaltsponkte zur früh-
eeiiigen Erkennung der Paranoia. Zeitig ist bei der Entseheidnug der Frage: wird
Google
1104
bei einem Kranken mit Verfolgnngswabn später aach Qrfesenwahn sieh entvickeb,
d. h. liegt Paranoia vor? das von Beginn des Leidens gesteigerte Selbstbewosstneii
sicherlich das erste Merkmal daf&r. B. Pfeiffer (Cassel).
HX Aus den Gesellschaften.
Berliner OesellBohaft für Psyohiatrie und XTervenkrankheiten.
Sitzni^f am 13. November 1898.
Vor der Tagesordnang stellt Herr Levj'Dom eine Patientin vor, vrelche vor
8 Jahren nach einem Typhus eine rechtsseitige Serratoslähmung bekam; später int
zu dieser rechtsseitigen eine gleiche auf der linken Seite hinzu. Um die ans dieser
Lähmung resultirenden Störungen der Stellung und Bewegung der Schulterblätter n
verbessern, wurde Patientin von einem Chirurgen 6 Mal operirt. Das Besnltat dieser
Operationen ist, dass Patientin die Arme jetzt noch schlechter bewegen kann, als
vorher und bei Bewegungen Schmerzen hat, welche von einer handbreiten, zwisehea
den Schulterblättern befindlichen Narbe herrQhren. Yortr. demonstrirt eine von diss«
Patientin aufgenommene Böntgen-Photographie.
Herr M. Bloch stellt einen 42jähr. Patienten aus Prof. Mendel’s Poliklinil
vor, der im Jahre 1879 ein Ulcus dumm acquirirt hat und damals mit Suhlimt*
injectionen behandelt worden ist. Pat. ist erblich nicht belastet, kein Trink« ofd
hat ein gesundes Kind. Seit etwa Vs leichte lancinirende Schmerzen in da
Beinen; der Gang soll, besonders im Dunkeln, unsicher geworden sein, Potenz beiüh
gesetzt, bisweilen geringe Incontinentia vesicae. Pat sucht die Poliklinik wee«
einer Erkrankung der Nägel sämmtlicher Finger und Zehen auf. Seit etwa 4 Moosta
besteht eine allmählich auf sämmtliche Nägel sich erstreckende Yerändemng, die
mit einer Gelbförbung derselben beginnt Diese Yerßrbung wird allmählich duokkr
und dunkler bis zu völligem Schwarzwerden der Nägel. Gleichzeitig tritt öu
stärkere Langsriffung des Nagels, sowie erhöhte Vulnerabilität der Nagelsabetaa
auf. Schon bei geringen Insulten, aber auch spontan, treten Bisse und SprOnge ii
der Querrichtung des Nagels auf, denen entsprechend ganze Stücke des Nagels t»
zum völligen Verschwinden desselben sich abstossen. Die ganze Äffection v«Uq^
absolut schmerzlos, sowie ohne jede Eiterung. Seit Beginn der Erkrankung Par-
ästhesieen in den Fingern und in der Haut der Vorderarme.
Objectiv besteht Fupillendifferenz, träge Beaction der Pupillen, Andeutung da
Bomberg’schen Symptoms, tiefe Analgesie der Vorderarme, Ataxie der
Analgesie am linken, stellenweise auch am rechten Unterschenkel, Westpharseke«
Zeichen, kurz die Symptome der Tabes.
Vortr. demonstrirt die Nagelerkrankung, deren sämmtliche Stadien sich zur Tm
an dem Pat. präsentiren und macht darauf aufmerksam, dass, während ErkiaokBOz
einzelner Nägel, besonders der grossen Zehe, schon öfter bei Tabes beechrieben ir«
die Äffection in derartiger Extensität wohl noch kaum zur Beobachtong gekoawa
ist. Eine andere gleichzeitig mit Nagelerkrankungen auch schon beschriebene trc-
phische Störung, nämlich Atrophie des Zahnfleisches, ist bei dem Pat gleich&Us z:
constatiren.
Irgend welche Symptome, die auf das Bestehen einer multiplen Neuritis odw
von Syringomyelie hinweisen, sind nicht zu constatiren, insbesondere besteht kö«
Druckempfindlichkeit der peripheren Nerven; der Temperatorsinn ist normal.
Herr Bemak: Erankenvorstellang.
Vortr. stellt eine ööjähr. Frau vor, welche, bis auf Anßlle von Hersbeechwwda
bis dabin gesund, am 24. October 1897 plötzlich mit Schwindel, Versiehimg ia
Google
1105
Gesiebte, Uebelkeit, Erbrecben, Unßhigkeit zu schlacken, erkrankt sein will, and,
seitdem sie wieder anf den Beinen ist, wegen Doppelsehen eine linksseitige Äogen-
klappe tr>. Sie kam im Äagost d. J. mit fol^nden noch bestehenden Änsfalls-
erscheinangen zar Beobachtung:
1. einer linksseitigen schweren degenerativen Facialisparalyse,
2. absolnter Lähmn:^ des linken N. abdneens (das Auge steht im inneren
Winkel),
3. einer Parese des rechten Bectas intemos bei dem Versuche nach links zu
blicken, nicht aber bei der ConTei^enz.
Andere Stömngen fehlen. Es ist die Diagnose auf eine Herderkrankung
(Blntnng oder Erweichnng) im linken dorsalen Poosabschnitt in der (Hegend
des Facialis* und Äbdacenskems za stellen.
Hit der theilweisen B&ckbildung der Facialislähmong haben sich Zuckungen
eingestellt, durch welche der linke Mundwinkel nach oben und aussen geschnellt
wird. Ganz wie in einem 1887 vorgestellten Falle von geheilter traamatischer
Facialisl&hmnng sind diese Zuckungen synchron dem Lidschlag und hören auf, wenn
leerer unterdr&ckt wird. Bei willkürlichem Angenscbloss beider oder auch nor
des rechten Aages tritt tonische Mitbewegung der den linken Mundwinkel hebeuden
Uuskeln und Vertiefung der Nasolabialfalte ein. Es sind die clonisclien Zuckungen
nichts als Hitbewegungen des Lidschlages (des reflectorischen Augenschlosses).
Zo denselben Resultaten gelangt man bei der Analyse der Zuckungen einer
zweiten vorgestellten 39jährigen Patientin mit geheilter recidivirender Facialis*
lähmong. Sie hat 1887 in einem Jahre eine linksseitige, 1897 innerhalb von
5 Monaten eine mittelschwere rechtsseitige Facialislähmung flberstanden. Links sieht
man Zuckungen im Bereiche der Waiden, rechts in den Uoterlippenmuskeln. Auch
diese sind synchron dem Lidschlage und hören auf, so lange die Kranke starr
blickt Bei forcirtem Augenschluss treten Hitbewegungen in denselben Muskeln anf,
welche auch anscheinend spontan sonst zucken.
Während im ersten Fall ein Beizungszustand des Facialiskems, soweit er sich
restituirt hat, angenommen werden könnte, ist nach peripherischer Lähmung an retro>
grade Degeneration desselben zo denken.
Eine Irradiation der motorischen Innervation des peripherischen Keurons des
Facialis bei willkürlicher Bewegung erklärt die Hitbewegungen, bei cloniscber an*
willkflrlicher die „Spontanzuckungen*' nach abgelaufenen degenerativeii Facialis*
lähmungen.
Bernhardt bemerkt, dass ja bekanntlich bei ganz gesunden Menschen eine
Reihe von Hitbewegungen auftreten. Weniger bekannt ist, dass bei einfachem Blinzeln
eine Mitbewegung in den Dilatatores narium eintritt.
Herr Henneberg: Ueber einen Fall von Ueningomyelitis mit Er*
Kränkung der SpinalgangUen und intrameduUftrer Degeneration einseiner
hinterer Lumbalwurseln.
Patientin, ein SOjäbriges Fräulein, erkrankte ziemlich plötzlich an einer totalen
Lähmung der Arme nnd Beine, nachdem längere Zeit vorher Schmerzen and Schwäche
in den Extremitäten bestanden hatten. Bei der ersten Dntersuchung wurde constatirt:
Stauungspapille und Abdneensparese beiderseits, schlaffe Lähmung der Arme und
Beine, Fehlen der Patellarreflexe, Fnssclonus, normale elektrische Err^barkeit der
Muskulatur, hochgradige LagegefQhlsstömug in allen (Helenken der Extremitäten, im
übrigen normale Sensibilität.
Im Verlaufe der weiteren Beobachtung erschienen die Patellarrefiexe wieder,
die Lähmung blieb danemd eine schlaffe, es brat eine constante Verengernng der
linken Lidspalte and Papille sowie anfallsweise Dyspnoe und Pulsbeschleunigung
anf. Tod nach 8 wöchentlicher Beobachtung durch Bapirationslährnnng.
70
üigiVrcd oy Google
no6
Sectionsbefund: MeningoniyeHtis des Cervical- und Dorsalmarkee, Uebergreifen
des EntzQQdung.sproeessee auf die SpinalgaDglien, Deceneration der linkes 4. snd U
sowie der rechten 3. und 2. hinteren Lombalwurzeln und ihrer intramedoUaren Fort¬
setzungen. Die Degenerationsfelder der erkrankten Lnmbalwurzeln liegen im Lumbal-
marke, sowie im 12. und 11. Dorsalsegment, im wesentlichen unTermengt neben¬
einander, sie überschreiten im Lumbalmarke nicht wesentlich das Gebiet der mitttereo
Wurzelzone, greifen insbesondere nicht wesentlich in die hintere mediale Wnrzelsooe
über. Vortr. bespricht die Bedeutung dieser Thatsachen für die BeartheUosg
der Degenerationsbilder im Lendenmarke bei der Tabes, die sich durch die Ännabme
einer summarischen Wurzelerkranknng erklären lassen. — Trotz der Degeneratite
in der Westphal’schen Stelle waren die Patellarreflexe erhalten, da ein Theil der
Lumbalwurzeln intact war. Das Schwinden der Patellarreflexe bei DegeoeraUon der
Westphal’schen Stelle, die die Fasern der 1. Lnmbalworzel enthält, setzt eine Er¬
krankung der tieferen Lumbalwnrzeln voraus. Eine besondere Bedeutung für die
Localisation des Patellarreflexes kommt derselben anscheinend nicht zu. Die Ursache
der Wurzeldegeneration ist in der Erkrankung der Spinalganglieu und io peri-
neuritischeo Yeränderumgen an der Nageotte’schen Stelle zu suchen. Die Lage-
gefühlsstörung und die Schlaffheit der Lähmung trotz Vorhandensein der Reflexe dürfte
durch Läsionen der das Lagegefühl bezw. den Muskeltonns vermittelnden Bahnen im
Eückenmarke selbst zu erklären sein.
Herr Oppenheim glaubt, dass man in diesem Falle eine syphilitische Grund¬
lage annehmen könne. Sowohl das klinische Bild, als auch die Verdickungen d«
Meningen weisen darauf hin. Von klinischen Erscheinungen deuten z. B. das Doppel¬
sehen darauf hin, dass hier sowohl cerebrale als auch spinale Symptome vorhzödeo
waren, dass also eine mehr allgemeine Erkranknng Vorgelegen ^be. O. hat eineii
ähnlichen Fall beobachtet und beschrieben, wo diese Hinterstrangs- und Seitenstnngs-
erkranknng zu beobachten war und fragt an, ob eine specifische Behandlmig statt-
gefunden bat.
Henneberg. Klinische Symptome können niemals beweisen, dass eine ^hi-
litische Erkrankung voriiegt. Alles, was sonst als bezeichnend für Lues aosgeflihrl
wird, läge hier nicht vor. Sowohl das negative Resultat bezüglich der Aimmneee,
als auch der anatomische Befand widersprächen der Annahme einer Loes.
Herr L. Jacobsohn: Ueber die Qesetamässigkeit secundftrer Degene¬
ration der Elemente des NervenayatemB ala Prü&tein der ITeurontheorie.
Nachdem nach Jahre langer Forschnng die Nenrontheorie so gut wie befestigt
zn sein schien, ist diese Lehre durch nene Thatsachen, besonders durck die voa
Betbe gefundenen, wieder stark erschüttert worden. Ans diesen nenen Thatsadia
scheint zu resultiren, dass die Nervenzellen in ähnlicher Weise, wie es schon flüher
angenommen wurde, continuirlich mit einander verbunden sind and ferner könne man
aus Bethe’s Experimenten folgern, dass die Nervenzellen znr directen Fortleitunr
des Stromes nicht erforderlich seien, sondern nnr ein trophisches Centrum für dit
Nervenfasern darstellen. Da vorläufig eine genaue Nachprüfung der Bethe’schoi
Befonde nicht möglich sei, insofern deesen Methode noch nicht pnblicirt wäre, e»
bleibe nnr ein Weg übrig, nämlich der, nachzusehen, wie sich die geeetzmäasig ntd
Leitungsunterbrechung auftretende secnndäre Degeneration zur einen bezw. aadens
Theorie stelle, ob der Gang derselben mehr in den Rahmen des einen bezw. andvn
Gebäudes hineinpasse. An der Hand der bis jetzt bekannten Thatsachen erläutert
Vortr. darauf die sich jedes Mal einstellende secundäre D^eneration zuerst an eineai
Schema der motorischen und sensiblen Bahnen, wie man sich diese Bahnen nach dw
Neuronentheorie anfgebant zn denken hat. Der Aasfall der Degeneration h&ng^ «ie
Monakow es in anatomischem Sinne richtig erklärt, im Wesentlichen davon ab, oh
ein Neuron Coilateraie besitzt oder nicht, oder wie es physiologisch von Marinesco,
Google
107
Nissl, öoldscheider, Flatau a. A. Übereinstimmend formalirt wurde, ob die
FoDctioD des Nervenelementes erhalten bleibt oder gestOrt ist. Nach der Nearon-
theorie lasse sich der Q^ang der secondären Degeneration in der motorischen
Bahn sowohl ihrer Art als auch ihrer jedesmaligen Äusdehnnng nach gut und präcis
erklären, hingegen nach der Netztheorie nicht so gnt, insofern sich schwer die Grenze
augeben lasse, wo die Degeneration einer bestimmten Bahnstrecke aufh^ren soll, oder
mit anderen Worten, wie weit sich der tropbische Einfluss einer Nervenzelle erstreckt.
Andererseits sei man bei den Degenerationen sensibler Bahnen, wenn man letztere
nach dem Schema der Neurontheorie auf baue, oft genöthigt, zur Erklärung sich
Hülfsbrficken zu bauen, während dies nach der Netztheorie weniger nöthig sei; nach
letzterer lasse es sich auch leichter vorstellen, warum die secundären Degenerationen
im sensiblen Gebiete im Allgemeinen weniger schnell und weniger stark auftreten,
als im motorischen.
Diese Ergebnisse regen bei der wiederum acut gewordenen Fr^e nach dem
feineren Aufbau des Nervensystems den Gedanken an, dass das letztere nicht nach
einem einheitlichen Plane constrnirt sei, sondern dass das motorische Gebiet sich
vom sensiblen in seinem feineren Baue wesentlich unterscheide. Ersteres enthalte
wahrscheinlich Elemente, die entweder vollkommen isolirt sind, wie es die Neuron«
theorie annehme, oder die hüchstens in kleineren Gruppen durch ein Netzwerk ver*
bunden sind, letzteres dagegen bestehe aus Elementen, die möglicher Weise sämmt-
lich durch ein continuirliches Netz im Zusammenhang standen.
Für dieses Doppelsystem sprächen auch sehr gut physiologische Thatsachen.
So könne man es sich sehr gnt bei Annahme eines Netzes erklären, wie ein kleiner
Beiz allmählich dieses Netz dnrchlanfend das ganze motorische Gebiet reflectoriscb
in Erregung zu versetzen vermag; dagegen müsste man, wenn man auch im
motorischen Gebiete ein solches continnirlich über das ganze Gebiet sich erstreckende
Netz annähme, nach Isolation eines kleinen motorischen Centmm, (also z. B. des
Gebietes des oberen Falialisastes) von dieser isolirten Stelle ans alle übrigen distal
gelegenen motorischen Gebiete io Erregung versetzen können, was wohl nicht
möglich sei.
Aber auch einzelne mit der G o lg i'sehen Methode gefundene Thatsachen lassen
sich zu Gunsten obiger Annahme anführen. Diese Methode hat schon früh die
interessante Thatsache erkennen lassen, dass an manchen Zellen (den Zellen des sog.
zweiten Golgi’schen Typus) der Ächsencylinder sich in ein ausserordentlich feines
Netzwerk aufsplittert. Es sei nun merkwürdig, dass die Zellen, bei welchen sich
der Ächsencylinder in dieser Weise zu einem Netze nmforme, ausschliesslich dem
sensiblen Gebiete angehören, während man im motorischen nur Zellen findet, bei
denen alle Fortsätze isolirt verlaufen.
Schliesslich könne zur Stütze dieser Hypothese auch noch der verschiedene Bau
des motorischen und sensiblen Endapparates an der Körperperipberie angeführt
-werden. Während der motorische Endapparat aus einzelnen, distinct abgegrenzten,
isolirten Theilen, nämlich den einzelnen Muskeln besiehe, stelle der sensible Apparat
eine sich über den ganzen Körper gleichmässig erstreckende continuirlich ineinander
-Qbeigehende Ebene dar. Es sei wohl möglich, dass im Centralorgan dieses Doppel-
System als Projection zum Ausdruck komme, so dass es in dieser Hinsicht ein
Spiegelbild der Peripherie darstelle.
Herr M. Bothmann: Ueber Bückenmarkaveränderungen naoh Verschluss
der Aorta abdominalis. (Erscheint als Originalmittheilung in d. Centralbl.)
Die Disenssion Ober die beiden letzten Vorträge wurde auf die nächste Sitzung
7 erschoben. Jacob soh n.
70*
Dig'H^cd Dy Google
1108
IV. Venammlnag inlttald«ataoher PsyohlAter und Neurologen in Dr oodon
am 22. und 23. Ootober 1898.
An der Verummlang n^men 76 Herren Theil. Nach der Begrfissnng der
YersammloDg darch Renn Ganser (Dresden) eröffnete der Vorsitzende der VomüttaKS*
Sitzung (Herr Hitzig-Halle) dieselbe. Zum Vorsitzenden der Nachmittagssitzong
wurde Herr MObios (Leipzig) gew&hlt Bevor die Vortr&ge begannen, beschloss die
Versammlong nur ein Mal im Jahre, im Herbste, zu tagen. Als n&chster Ort der
Zusammenkunft wurde Leipzig ausersehen; zu Gesch&ftsftthrem der V. Versammlung
wurden Hr. Flechsig und Hr. Windseheid gew&hlt Es folgten sodann die Vorbige.
Herr Weber (Sonnenstein): Ueber die Aufüahme von Bestimmungen
über verminderte ZureohnungsAhigkeit ins Straflgeaetzbuoh.
Die Ansicht dass es psychische Zust&nde giebt, die nicht in den Rahmen des
§ 51 passen, aber doch im Gesetze aufgenommen werden sollten, ist ziemlich all¬
gemein, doch fehlte es immer an bestimmt formulirten Antiken. Einem Vorsdüage
des Justizministers, die verminderte Zurechnungsfähigkeit in das Gesetz aufsunehmen,
stimmten fast alle Autoritäten bei, aber der bezügl. Passus wurde bereits in da
Bondestagscommission begraben. 1887 trat der Verein deutscher Irren&rzte auf
Grund eines Vortrages Jollj’s der Frage wieder näher; es wurde eine CommissioD
gewählt und erstatteten dann Hendel und Grashey 1888 das Referat
Hendel hielt den g^enwärtigen Zeitpunkt nicht ffir gee^et, an die Behörda
heranzotreten, und rieth, abzuwarten, bis neue Momente und Tbatsachen eine ge¬
eignete Handhabe bieten wflrden.
Grashey vertrat die Ansicht, dass der § 51 ausreiche.
Hendel’s Ansicht wurde ziemlich allgemein anerkannt und hierauf der Antrag
Schfile’s angenommen, dass das Material bearbeitet werden und von v. Erafft-
Ebing alle Fälle „verminderter Zurechnungsfähigkeit*' gesammelt werden sollten.
Weiteres wurde nicht bekannt Vortr. ist non der Ansidit dass der § 51 des
Gutachtern oft die Hände binde. Es gäbe eben viele Fälle, in denen die freie
Willensbeetimmung nicht ausznschliessen sei und in denen wir die Angeklagten nicht
völlig straflos ansgehen sehen möchten, bei denen wir aber eine normale Bestixnmongs-
fähigkeit nicht annehmen können. Vortr. hat im Auge, Zustände mässigen intellec-
tnellen Schwachsinns und mässigen moralischen Schwachsinns bei Individuen, die
ohne wirklich zu erkranken, doch dauernd normale Beaction auf äussere Vorgänge
vermissen lassen. Weiter allgemeine Neurosen, Epilepsie, Hysterie und Neurasthenie
in leichteren Formen, Uebergänge zum senilen Schwachsinn, Alkobolismns, der noch
nicht zu schwerer Degeneration fflhrte, u. a. m. Bei vielen oben genannten Krank¬
heiten werden wir den § 51 nicht immer anznwenden in der Lage sein und dock
werden wir nicht von normaler Bestimmnngsfähigkeit sprechen können. Es wurde
oft die Einwendung gemacht, dass der Passns der „mildernden Umstände" üniner
genfige. Vortr. bekämpft diese Anschauung und weist unter anderem darauf hia,
dass ffir den Mord mildernde Umstände nicht existirten; mr beantragt daher die An¬
nahme des § 61*:
Bat sich der Thäter zur Zeit der That in einem Zustande befunden, in den
seine freie Willensbestimmoi^ zwar nicht ao^eschlossen, aber erheblich beschränkt
war, so sind gegen ihn die Stntfvorschriften in § 57, Absatz 1, Ziffer 1—7, an-
zowenden.
1. Besteht dieser Zustand der verminderten Zurechnungsfähigkeit zur Z«t to
Beginns der Strafvollstreckung noch fort, so ist, wenn nicht alsbaldige Aendouug
des Zustandes in Aussicht steht, eine erkannte Freiheitsstrafe in besonderen, zer
Vollstreckung von Strafen an Personen verminderter Zurechnungsfähigkeit bestimDtmi
Anstalten oder Bäumen zu vollziehen.
Google
1109
2. Dieselben Yorscbriften sind anzowenden, wenn nach Begehung der Thai ein
zur Zeit des B^nns der Strafrollstrecknng noch rorhandener Zustand der rer-
misderten Zurechnungsfähigkeit eingetreten ist.
3. Der Strafvollzug an Personen verminderter Zurechnungsfähigkeit hat nach
besonderen, dem Zustande entsprechenden, insbesondere auf Besserung des Zustandes
berechneten Vorschriften zu erfolgen.
4. Ist der Zustand der verminderten Zurechnungsfähigkeit ein andauernder oder
seiner Natur nach wiederkehrender, und hat der Tbäter durch wiederholte Bestrafungen
Anlass zu der Befftrchtung gegeben, dass er nach Terbflssung der erkannten Strafe
weitere Strafthaten begehen werde, so kann neben einer Freiheitsstrafe zugleich er*
kannt werden, dass der Verortheilte nach Terbflssung der erkannten Strafe dem
Yormundschaftsgerichte zu flberweisen sei. Durch die Ueberweisnng erhält das
Yonnundschaftsgericht die Befugniss, ihn so lange in einer besonderen, zur Aufnahme
von Personen verminderter Zurecbnungsßhigkeit bestimmten Anstalt unterzubringen,
als die Befflrcbtung, dass er wieder Strafthaten begehen werde, fortbestebi Gegen
Ausländer kann statt der Ueberweisnng an das Tormondschaftsgericht auf Ueber*
Weisung an die Landespolizeibehörde erkannt werden. Diese erhält dadurch die
Befngniss, die Verweisung ans dem Bundesgebiete zu verfügen.
Zum Absatz 4 des § 51* bemerkt Vortr. erläuternd, dass derselbe sich ins*
besondere auf Individuen beziehe, die immer wieder dieselben oder ähnliche Straf*
tbaten begeben, und dadurch sich oder die Gesellschaft schädigen; fflr solche wäre
eine längere Intemimng im Sinne des § öl * zwecks Besserung oder Heilung gewiss
ebenso human, als nutzbringend. Eine solche könne aber der Richter nach den
gegenwärtigen Gesetzen nicht anssprechen.
Discussion:
Herr Pick (Prag) meint, dass die heutige Versammlung kaum in der Lage sei,
die Frage zum Abschluss zu bringen; dieselbe wäre gewiss eingehenden Studiums
werth und wäre jetzt vielleicht die Zeit gekommen zu untersuchen, wie sich die
Juristen anderer Länder als Sachsen zum § 51* verhielten.
Herr Moeli (Herzberge) kritisirt den Entwurf des § 51* und glaubt den wich¬
tigsten Punkt in der Frage zu sehen, welchen Charakter die in § 51* vorgeschlagene
Anstalt ti^en solle. Soll dieselbe eine Strafanstalt oder eine Krankenanstalt sein?
Redner fflhrt diese Frage näher aus.
Herr Ganser (Dresden) sieht den grossen Werth obiger Ausfflhrungen darin,
dass zum ersten Hai praktische Vorschläge gemacht wurden.
Herr Hitzig (Halle) stimmt Herrn Hoeli bei und findet gleich diesem eine
grosse Schwierigkeit in der Einreihung der sogen. Affectivverbrecher.
Herr Weber sagt in seinem Schlusswort, dass ursprflnglich nur solche Indi¬
viduen der Wohlthat des § 51* theilhaftig gemacht werden sollten, die eine krank¬
hafte Veranlagung darböten, die Juristen aber verlangten, dass auch die Affectiv¬
verbrecher mit aufgenommen werden sollten. Redner meint, dass eine Trennui^ der
Zurechnungsföhigen, der minder Zurechnungsfähigen und der im Sinne des § 51
Kranken nach dem §51* wohl möglich wäre. Stellt sich nach der Beobachtung im
Gefängnisse heraus, dass der Inculpat pathologisch ist, dann soll er eben den ge¬
dachten Anstalten zugewiesen werden, in welchen ein Psychiater die Hauptaufsicht
führt Wer sich der Thatsache erinnert, dass ein grosser Procentsatz der in den
Strafhänsem Intemirten geisteskrank, schwachsinnig oder irgendwie belastet erscheint,
der wird in dem § 51* gewiss eine Bereicherung des Gesetzes finden.
Herr Windscheid (Leipzig): Das Vorkommen und die Bedeutung der
sogen. Ovarie.
Vortr. sieht die Berechtigung, die Ovarie als selbständiges Thema zu behandeln,
in ihrer grossen Häufigkeit und dem Umstande,^ dass seiner Erfahrung nach die
Diy
Google
1110
Äerzte dieses wiubt^e Symptom zam Tbeil uicbt kennen oder seine Bedeutung nicht
würdigen. Vortr. giebt die von Cbarcot aufgestellte Definition der Ovarie wieder,
nach der wir als solche bezeichnen: den Schmerz, den man bei Hysterischen dnrch
Druck auf eine bestimmte Stelle der Unterbauchgegend hervorrufen oder auch unter¬
drücken kann, andererseits aber auch eine rein subjeetive Empfindung schmerzhafter
Art, welche an der genannten Stelle localisirt wird. Beides bezog er aaf das
Ovarium als veranlassende Ursache. Vortr. will sich auf die objectiv hervorznrufeode
Ovarie beschränken; er beschreibt den hysterischen Anfall, wie er in typischen Fällen
vorkommt und erwähnt die verschiedenen Abstufungen, bei denen aber immw ein
Zustand vorhanden ist, den er mit dem Namen der nervösen Exaltation belegen
möchte. Zu den Ursachen der Ovarie fibergebend, bekennt sich Vortr. zu der
ziemlich allgemeinen Ansicht, dass das Ovarium nicht in allen Fällen mit Ovarie
etwas zn thun habe und gelang es dem Vortr. auch von anderen Stellen des Ab¬
domens aus, z. B. vom Kpigastrium, dann von einer Stelle oberhalb der Symphyse,
neuerdings auch vom Stelssbein aus einen der Ovarie sehr ähnlichen Symptomen-
complex zu erzeugen. Vortr. giebt einige Hypothesen verschiedener Autoren aber
die Ovarie wieder und möchte seinerseits die Haut als die mögliche Ursache des
Auftretens der Ovarie ansprechen, und erscheint ihm der Einwand, dass gerade bei
Hysterie oft eine Analgesie der ^ucbhaut bestehe, nicht richtig, da trotz Analgesie
erhöhte Druckempfindlichkeit bestehen könne. Er erklärt also die Ovarie lediglich
für eine durch Reizung der Bauchhaut bedingte bysterogene Zone, die allerdings
ungemein viel häufiger gefunden wird, wie andere derartige Zonen und darin liegt
auch ihre Bedeutung; dabei dürfte jedoch das Ovarium nicht absolut ausser Acht
gelassen werden, wenn es auch nicht der ganzen Erscheinung ihren Namen geben
solle. Zur Frage, was wir aus dem Auftreten der Ovarie folgern können, äossert
sich der Vortr. dahin, dass man aus der Civarie allein niemals eine Hysterie TUtd
aus dem Fehlen der Ovarie nie die Abwesenheit einer Hysterie di^osticiren dfirfe.
(Eine Ansicht, die wohl alle Neurologen thoilen.) Vortr. sieht in der bei der
Hysterie auftretenden Ovarie nur ein weithvolles Ergänzungssymptom für die Diagnose
und stellt eine Symptomentrias auf, aus der er die Diaguose Hysterie ableiteo
zu können glaubt: Verlust oder hochgradige Abscbwüchung der Conjunctival-, Er¬
höhung der Patellarreflexe und Ovarie. Vortr. theilt mit, dass er diesen Symptomen-
complex ebenso bei rein neurastbenischen Zuständen gefunden habe. Fär die Be¬
hauptung, dass die Ovarie nicht bloss bei Hysterie und Neurasthenie, sondern ancb
bei anderen Erkrankungen vorkomme, spräche auch eine Statistik, welche Herr
Teichmüller (Leipzig) auf Anregung des Vortr. hin aufgestellt hat, aus der hervor¬
geht, dass die Ovarie häufig auch bei nicht nervösen Erkrankungen vorkomme. Id
dieser Statistik finden sich die Männer in bedeutender Ueberzahl; die Erfahrung»
des Vortr., die sich nur auf Nervenkranke erstrecken, gehen dahin, dass die Ovarie
bei Frauen häufiger sei. Ueberdies habe Vortr. typische Fälle der Ovarie auch bei
Kindern gefunden. Was das Vorkommen der Ovarie bei nicht Nervenkranken an¬
belange, so glaubt Vortr. recht wohl annehmen zu dOrfeo, dass wir die Symptome
einer erhöhten Reizbarkeit, und das ist die Ovarie, sehr gut auch in (infolge von
anderen Krankheiten als secundäre Erscheinung finden können, doch habe die Ovarie
als solche mit der Grundkrankheit nichts zu thun. Vortr. schliesst mit einigen Be¬
merkungen Ober die Diagnose der Ovarie und möchte zur Vermeidung von dia¬
gnostischen Irrthümem hinweisen auf die Verbindung des allgemeinen nervös»
Exaltatiooszustandes mit der Ovarie.
Discossion:
Herr Oppenheim vermisst die Berücksichtigung des psychogenen Momentes
nnd äussert starke Bedenken gegen die vom Vortr. aufgestellte Trias, insbesondere
könne er die Steigerung der Kniepbänomeue nicht als typisches Merkmal der Hys(«te
oyGOOgIC
1111
gelten lassen nnd müsse er sich besonders gegen ihre Schnollverwerthung bei Unfalls*
kranken, wie Vortr. empfiehlt, aussprecheu, da gerade bei diesen oft eine luomentune
Steigerung in Folge von Aufregung u. s. w. vorkomme. Mehr noch trage er Be*
denken gegen die Verwendung des Symptoms der Herabsetzung des Conjunctival*
reflexes, der oft wechselnd, herabgesetzt, fast aufgehoben auch bei gesunden
Leuten sei.
Herr Ziehen (Jena) begrüsst mit Freuden die strenge Unterscheidung der
einfachen Druckemp^dlichkeit mit Schmerzreaction und diejenige, bei der ein Anfall
eintritt Er mßchto von diesem Gesichtspunkte aus 3 Gruppen hysterischer Störungen
unterscheiden:
1. Einfache, halbseitige Druckempfindlichkeit und cutane Sensibilitätsstöningen;
2. Oppressionsgefühl und Constrictionsempfindungen;
3. direct bysterogene Funkte, von denen aus Anfalle zu erzeugen sind.
Die von Oppenheim geäusserten Bedenken gegen die vom Vortr. aufgestellte
Symptomentrias theile er auch. Den Coroealreflex habe er bei Gesunden nie vermisst
Herr Möbius (Leipzig) betrachtet auch umschriebene Schmerzhaftigkeit des
Abdomens meist als hysterisches Stigma. Da jeder Mensch seiner Ansicht nach mehr
oder minder hysterisch sei, Gesundheit nnd Hysterie oft ineinander Qbei^ingen, so
könne man den einzelnen hysterischen Symptomen wenig Werth zumessen und solle
daher Hysterie nur unter Berücksichtigung des Gesammtbildes diagnosticiren.
Herr Windscheid weist in seinem Schlusswort darauf hin, dass er als für
die Hysterie patbognomonisch nur das Zusammenvorkommen der drei erwähnten Er*
scheinnngen betrachtet wissen wolle.
Herr Vogt (Berlin): Zur Fsyohopathologie der Hysterie.
In sehr beschränkten Krankheitsfällen kann die Selbstbeobachtung im Zustand
des suggestiv erzielten systematischen partiellen Wachseins die intellectuellen Sub*
strate aller derjenigen hysterischen Phänomene aufdecken, welche Gefühlserscheinungen
oder Suggestionswirkungen darstellen.
Eine in dieser Welse vorgenommene Analyse zahlreicher hysterischer Erscheinungen
bat stets eine psychische Aetiologie aufgedeckt.
Dabei handelt es sich in der einen Gruppe um reine Gefühlswirkungen.
Es ging dem hysterischen Symptom keine Vorstellung von seinem Auftreten voran.
Entweder das intellectuelie Substrat des pathogenen Gefühls, dieses selbst oder dessen
secundäre Innervationsveränderungen bildeten den Inhalt des hysterischen Phänomens.
Die pathogenen GefOhlstöne waren theils an reale Erlebnisse, theils an Froducte der
Phantasie geknüpft! Niemals schuf ein einziges Erlebniss ein hysterisches Symptom,
sondern vorhergegangene affectbetonte Erlebnisse hatten bereits eine Disposition ge*
schaffen. Alle Beobachtungen weisen darauf hin, dass bei Hysterischen die Tendenz
zur associativen Erregung gefühlsstarker Erinnerungsbilder besteht: eine Tendenz,
die Bof besonders geffihlsstarke Erlebnisse und weiterhin auf eine pathologisch ge*
steigerte gemüthliche Erregbarkeit zurückzuführen ist.
In den anderen Fällen ging dem hysterischen Phänomen die Vorstellung von
seinem Auftreten voran. Zuweilen geschah dieses nur als Erinnerung an frühere
pathologische Phänomene ohne die Idee von deren eventueller Wiederkehr. Dann
kamen einzelne pathologisch starke Willensleistungen vor. Meist aber handelte
es sich um Suggestionen. Das Moment, das diese verschiedenen Vorstellungen
als pathologische Erscheinungen auslösen liess, war ihre starke GefOblsbetonung, die
hinwiederum wesentlich auf associative Elemente und damit — wie in der ersten
Gruppe — schliesslich auf eine pathologische gemüthliche Erregbarkeit zurück*
zufflhren war.
, ^.yGooglc
1112
Herr Oppenheim (Berlin): KerrenkrsnUiaiten und I«eot&re.
Vortr. fuhrt aus, dass die Lectfire eine grosse Bedeutung flir das Wohlbefinden
hat und die Gesundheit auf verschiedene Weise schädigen kann. Besonders npricht
er sieh .gegen die sich immer mehr verbreitende Sucht nach der DarsteUong dee
Krankhaften in der Presse und Litteratur aus. Er ist der Meinung, dass auch ans
den äratUchen Vereinigungen, Gesellschaften und Congressen noch zu viel in die
Tagespresse gelange, mehr als nötbig und gut sei. Ferner verweist er auf die Ge¬
fahren der sexuellen Litterator, deren Gebiet sich immer mehr erweitere.
Schliesslich macht er den Versuch, die Lecttire zu kennzeichnen, welche als
gut und heilsam im sanitären Sinne zu betrachten sei. Weun er dabei auch den
Factor des ästhetischen Genusses eine besonders grosse Bedeutung zuzuschrnben
geneigt ist, muss er doch zugeben, dass die individuelle Empßinglichkeit hier ein
ausschlaggebendes Moment ist, so dass sich allgemeingflltige Satzungen kaum aufstoUeo
lassen. (Der Vortrag wird ausführlich veröffentlicht werden.) Autorreferat
Herr Mucha (Lindeohof): Bemerkungeo. aur Lehre von der Xatatonie.
Vortr. giebt zuerst die bekannte Schüle’sche Ansicht über die Katatonie
wieder („es giebt keine essentielle Katatonie, sondern katatonische Znstände u. a v.“).
Dann skizzirt Vortr. Aschaffenbnrg, der zu ganz entgegengesetzten Anschauungen
kam und eine selbständige Krankheiteform Katatonie und Hebephrenie annimmt Kr
beide mOchte Aschaffenburg den gemeinsamen Namen Dementia praecox vorschlagen.
Vortr. giebt non seine Erfahrungen, die er in Bezug auf die fraglichen Funkte ge¬
macht hat, wieder. Er habe während der letzten 3 Jahre in SO Fällen katatone
Symptome gefunden, d. b. motorische Hemmungs« nnd Reianngserschemungen, Stupor,
N^ativismos, Mntacismus, dauerndes Festhalten der gleichen Muskelspannong, Kata¬
lepsie, Haltnngs- und Bew^ngsstereotjpen, pathetische Redesucht, Verbigeration.
In allen Fällen sah Vortr. denselben Verlauf der Erkrankung; dieselbe setzte zienalicli
acnt ein, durchlief in manchen Fällen ein depressives und expansives, ein vervorme»
nnd stnporbses Stadium; in anderen Fällen wechselten Affecte, Wahnvurstellangm
und Sinnestäuschungen regellos miteinander ab; der Ausgang war jedes Mal, zoveil«
nach wenigen Monaten, meist nach 1—2 Jahren, der in geistige Schwäche, in welcher
sich einige der früheren katatonen Symptome erhielten. Vortr. glaube klinisch nicht
anders vergeben zu können, als alle diese Fälle einer und derselben Krankheit tu-
znweisen. Mit Bezog auf die Bebaoptongeo Schüle’s nnd anderer Antoren, das
die katatonen Erscheinui^en bei den meisten Geisteskrankheiten in grösserer odw
geringerer Anzahl verkommen, möchte Vortr. die Ansicht vertreten, dass dieselbe
vereinzelt gewiss auch bei anderen Formen von Geisteskrankheit verkommen könMu,
dass aber, wenn sie in grösserer Anzahl und danemd auftreten, die Krankheit jedes
Mal den gleichen Verlaufstypns ionehält, der für die Katatonie, bezw. für die De¬
mentia praecox charakteristisch ist Vortr. möchte mit Aschaffenbnrg die Hebe-
phrenie und Katatonie als einheitlichen Krankheitsprocess und den von jenem vor-
geschlagenen Sammelnamen der Dementia praecox fAr durchaus zutreffend halteo und
führt er zur Stütze dieser Ansicht u. a. einen Fall vor, bei dem sich bei eueo
19jährigen Mädchen aus einer Hebephrenie eine Katatonie entwickelte.
Zur Frage der Belastung übergebend citirt Vortr. zunächst Kahlbanm, der
unter 50 Fällen nur 4 Mal hereditäre Belastung fand, Ilberg giebt 45°/o>
hoff ÖO^/q an; letzterer rechne die Katatonie nicht zu den degenerativen Psyebooeo.
Mucha fand Übereinstimmend mit Kraepelin welche Zahl wohl noch u
niedrig gegriffen sein dürfte. Zar Besprechung der Prognose übei^hend, tbcili
Vortr. 3 Fälle von Katatonie mit, die sich in ihrem Verlaufe wesentlich von da
anderen unterscheiden. Dieselben zeigten einen dentlicben circularen Typus uod
verschieden langdauemde (zum Tbeil heute noch bestehende) Remissionen. Vortr.
glaubt die schwere erbliche Belastung für diesen atypischen Verlauf versntwortlicb
machen zu müssen and weist auf ähnliche Verhältnisse bei anderen Geisteskrsuklieita,
1113
z. B. \m der Paralyse hin. (Ob die Zahl der Katatonien nicht eingeschränkt vftrde,
wenn wir an der Uaasischen Schilderung Kahlbanm’s festhielten? Fälle, wie die
drei von Mucha beschriebenen, scheinen mir eher die Züge der von Magnan in
Frankreich, von Binswanger in Deutschland aufgestellten Form der „erblich dege-
nerativen Geistesstörung'', gerade wegen der schweren Belastung und ihres wechsel-
vollen atypischen, circulären Yerlaufes zu tragen. Bef.)
Zum Schlüsse macht Vortr. auf einen differential-diagnostischen Punkt auf¬
merksam; derselbe betrifft die Unterscheidung der Katatonie von der Hysterie. Gr
weist auf die Autoren hin, diealleFälle vonKatatonie (Bevau, Lewis, Wille u. A.)
oder zumindest einen Theil derselben (Scbfile) der Hysterie bezw. dem hysterischen
Irresein zuweisen wollten. Mucha läugnet nicht, dass gewisse Erscheinungen des
hysterischen Irreseins und der Dementia praecox sehr ähnlich seien und kommen bei
der letzteren auch Krampfanfälle vor. Für ihre Unterscheidung sei massgebend das
Fehlen hysterischer Stigmata bei der Dementia praecox, dann die vollständige Ver¬
schiedenheit der Entstehung und des Verlaufes beider Krankheitsformen.
Discussion:
Herr llberg verlangt strenge Scheidung der Hebephrenie und Katatonie.
Herr Hitzig ist auch der Ansicht, dass bei unzweifelhaften Fällen von Dementia
praecox — wie er sagen möchte — Krämpfe hysterischen Charakters auftreten.
Herr Möbius (Leipzig): Ueber die Operation bei Morbns BasedowU.
Vortr. berichtet zunächst über einen Fall von Morbus Basedowii bei einer
48 jährigen Patientin, der nach verschiedenen Bichtungen hin interessant erscheint.
Während dieselbe schon seit mehr als 5 Jahren an nervösen Beschwerden und Herz¬
klopfen leidet, bemerkte sie die Anschwellung des Halses erst seit einem Jahre; im
Verlaufe einer Thyreoidinkur trat rasche Verschlechterung ein; Vortr. Hess das
Thyreoidin fort und verordnete Bromkalium und Galvanisation. Mit dem Aufhören
der Schilddrüsenbehandlung trat eine vorübergehende Besserung ein, bald aber ver¬
schlechterte sich der Zustand und es trat ein neues überraschendes Symptom auf.
Pat. erschien paraphasisch (sie sagte z. B. statt „Mutter“: Luftballon u. a. m., die
Störung trat nur zeitweise auf bei ungetrübtem Unheil und keiner Spur einer
geistigen Störung). Auf Bath des Vortr. wurde zur Operation geschritten und die
rechte Hälfte der Struma (adenoiden Charakters) entfernt Die Durchtrennung erfolgte
mit dem Thermokauter. Trotz ungünstiger äusserer Verhältnisse (gemüthliche Er¬
regungen) trat unverkennbare Besserung ein. Pat. nahm um 20 Pfund zu, die ner-
YÜsen und sonstigen Erscheinungen waren zwar nicht behoben, doch waren sie
geringer und Pat leistungsfähiger geworden. Vortr. weist auf die eigenthümliche
Paraphasie, sodann darauf hin, dass die Operation, obwohl sie eine nur massige
Besserung bewirkte, zweifellos den Wendepunkt der Krankheit darstellt; des weiteren
macht er darauf aufmerksam, dass vielleicht gerade der zurückgelassene linke Lappen
d«D eigentlichen Herd der Krankheit bedeute, woraus sich der geringere Erfolg der
Operation erklären Hesse. Nicht bezweifelt könne mehr werden, dass im Allgemeinen
die Operation bei Morbus Basedowii die erfolgreichste Therapie bedeute.
Sorgo berichtet über 174 Fälle. In 2 Fällen ist der Ausgang der Operation
nicht bekannt. 48 (27,9®/o) wurden geheilt 27 (15,2®/o) wurden bedeutend, 62
(36^/o) deutlich gebessert. Nicht gebessert oder schlimmer wurden 11 (6,4%)
und 24 (13,9^/o) starben nach der Operation.
Für die Operation spächen 3 Gründe:
1. Die Unzulänglichkeit der medicinischen Behandlung.
2. Die Langwierigkeit der Krankheit
3. Die Gefahren der Krankheit
Ad 1 betrachtet Vortr. die gewöhnliche Therapie als unzulänglich und die An¬
wendung der Schilddrüsen- und Jodpräparate im activen Stadium der Krankheit als
.od.vGooglc
1114
Konstfehler. Wirklichen Kotxen (symptomatisch, und aach da nur bei leichta
Fällen) sah Yortr. nor von den Bromsalzen. Eine verständige Wasserbehandloog
kann manchmal ntitzen, die elektrische wirkt wohl nor rein soggestiT.
Ad 2 weist Yortr. aof die lange Däner der Krankheit hin mit ihren Exa«
cerbationen nnd Remissionen, and anf die, wenn auch seltenen Fälle mit tädtUehen
Ausgang.
Ad 3 mOssen wir immer an die Gefahren der plötzlichen Herzlähmnng denken,
an die schweren Erkrankungen der Aogen (Yereiterong der Balbi), GehimafFectionen
u. a. m.
Gegen die Operation spricht ein Grnnd. and das sind die Gefahren der Operation,
die Thatsache, dass die Operation relativ oft den Tod bewirkt, nnd zwar starben
die Kranken entweder darch Herzlähmnng, wobei die Operation nor die Gelegenheits*
Ursache abgiebt oder in den meisten Fällen durch Yei^ftong in Folge der Ueber-
schwemmung des Körpers mit dem Safte der kranken Schilddrüse. Bezüglich der
Frage, ob wir im Stande sind, die Gefahren der Operation zu vermeiden, äusaeri
sich Yortr. dahin, dass es gegen die Vermeidung der Herzlähmni^ nur den Ausweg
gäbe, zu operiren, so lange das Herz noch widerstandsfähig ist. Was die Nareoee
anbelangt, so ist die von Kocher vorgeschlagene Cocalnisirung zu beachten, da
wohl manche Todesfälle aof die allgemeine Narcose zoröckzoführen sein dürften.
Gegen die acute Basedow^Yergiftung empfiehlt Yortr. grosse Yorsicht bei da
Exstirpation der Drüse, Yermeidong dieselbe anzuschneiden, welche Cautelen dorch
Kauterisation wohl am besten durchgefüfart werden könnten. Zum Schlosse gedenkt
Yortr. noch der io Frankreich anfgekommenen SympathicuaresectioQ. Ihre Erfolge
müsse man abwarten, Gefahren birgt auch diese Operation in sich, da auch nach
dieser mehrere Todesfälle zu verzeichnen sind.
Discussion:
Herr Oppenheim ist der Ansicht, dass die Franzosen die SympathieusreeectioB
schon verlassen hätten.
Herr Moosdorf berichtet Über 2 Fälle von Morbus Basedowii, von denen einer
nach der Operation vollständig geheilt wurde, einer nngeheilt blieb. Einen anderen
Fall habe er mit Elektricität geheilt nnd möchte er hier die SaggestivwirkuDg aos-
schliesseo, da auch die Drüsen kleiner worden. Schliesslich berichtet er Ober einen
Fall, bei welchem die Struma geschwunden, die anderen Basedow'Symptome aber
geblieben waren.
Herr Ziehen macht anf die Möglichkeit der zweizeitigen Operation und leichte
Karcoee bei Herzschwäche aufmerksam.
Herr Matthes (Jena) nimmt denselben Standpunkt wie der Yortr. ein; er
empfiehlt vor der Operation eine Mastknr vorznnehmen.
Herr Möbius sagt in seinem Schlusswort, dass die Sympathicosresection nicht
verlassen und die Ansichten über ihren Werth getbeilt seien; ein Pall von Morbus
Basedowii, der ohne Struma fortbestand, habe er noch nicht gesehen, die zweizeitife
Operation könne von Yortheil sein, zur Vornahme einer Mastknr, die an und für sich
gewiss empfehlenswertb sei, fehle in vielen Fällen die Zeit
Herr Banniger (Sonnenstein): üebür Sprachstörungen bei Katatonie.
Yortr. greift ans der katatonischen Gruppe die Sprachstörungen heraos, dk
hierher gehörigen krankhaften Erscheinnngen seitens der Sprache sind der Mntisnu,
die Echolalie, die pathetische verschrobene Ansdrncksweise, die Wortneubildnngou
die Yerbigeration, endlich die eigenthOmliche Sprachverwirrtheit (Wortsalat). Wzs
den Mntismus aobelangt, so unterscheidet Yortr. den als Theilerscheinung eines all¬
gemeinen Stnpors auftretenden und den mehr willkürlichen, dorch Wnhnideeen und
Sinnestäuschungen bedingten. Rin Beispiel für letzteren erhalten wir in einem sehr
interessanten Falle eines seit 10 Jahren völlig stummen Katatonikers. ln der Scbo*
1115
lalie sieht Tortr. mit Recht kein der Katatonie allein zakommendes Symptom. Was
die eigenthamlich verschrobene pathetische Anadrucksweise der Katatoniker anbelangt,
so ist sie sowohl in der Laut- als namentlich auch in der Schriftsprache deutlich
zu erkennen. Den Grund zu dieser haben wir hauptsächlich im gehobenen Selbst¬
gefühl der Kranken zu suchen. Wir finden diese eigenthQmiiche Sprach- und Schreib¬
weise nicht ausschliesslich bei der Katatonie, sondern auch bei der Paranoia. Hierher
gehören auch die Wortneubildungen der Katatoniker, und ist das Zustandekommen
derselben wohl mit dem Bestreben der Kranken zu erklären, für den neuen Gedanken-
inbalt, der ihnen durch die Wahnvorstellungen gegeben wird, auch neue Ausdrücke
zu bilden. Ein gleiches finden wir auch bei der Paranoia. (Wenn der Vortr. als
Beispiel von Wortneubildung von einem Kranken erzählt, dass er den Kopf; „Frucht“,
die Arme und Beine: „Wurzeln“ u. s. w. nenne, so können wir hierin eine Wort¬
neubildung nicht erkennen, höchstens eine Transposition bekannter Worte im Sinne et¬
waiger Wahnvorstellungen. Bef.) Zu der wichtigsten katatonischen Sprachstörung, der
Verbigeration, übergehend, betont Vortr. seine abweichende Ansicht bezüglich zweier
Funkte; im Gegensatz zu Kablbaum und Kraepelin kann Vortr. die Verbigeration
nicht als ein der Katatonie bezw. Dementia praecox ausschliesslich zukommendes
Symptom anerkennen, da er das gleiche Symptom auch bei einem Paralytiker und
einem Epileptiker gefunden hat. Was den zweiten Punkt anbelangt, so möchte
Vortr. den Begriff der Verbigeration enger gefasst sehen. Die mehrfache nicht vom
Willen abhängige Wiederhoinng uns unverständlich oder zosammenhangslos erscheinender
Worte möchte er als Verbigeration sensu strictiori von der Pseudoverbigeration, die
der Willkür unterworfen ist, und als die bewusste Beaction auf die verschiedensten
Hallncinationen anfgefasst werden darf, geschieden wissen.
Herr Friedländer (Jena): Neue Erfahrungen über die Anwendung
von Bakteriengiften bei Fsyobosen.
Vortr. berichtet über den For^ang der therapeutischen Impfungen mit Bakterien¬
giften bei Psychosen, wie sie auf der psychiatrischen Klinik in Jena seit einer Seihe
von Jahren angestellt werden. Nach einer kurzen Uebersicht über die bisher^en
Veröffentlicbui^en macht er von einem neuen fiebererregenden Mittel Mittheilnng,
mit welchem er g^enwärtig bei 10 Kranken Erfahrungen gesammelt hat. Dieses
Mittel sind abgetödtete Beinculturen des Typhusbacillns. Vortr. bespricht die Her¬
stellung der Cnlturen, die Versuche an Tlüeren und legt sodann die Methode der
Injectionen dar. Bei Hunden und Kaninchen konnte selbst durch Dosen von 40 ccm
Dacterium coli and 10 ccm Bacterinm typhi der Tod nicht herbeigeführt werden,
gleichwohl empfiehlt Vortr. nur ausnahmsweise über 1 ccm hinauszngehen, da bei
einem Falle nach der Injection von 2 ccm bedrohliche Erscheinnngen anfgetreten
waren, die allerdings ohne Folgen zu hinterlassen schwanden (Temperatur 41,7 ^
paroxysmale Glykosorie und Albnminnrie, die nach 36 Stunden vorfibeiging). Die
ersten Impfungen wurden an absolut verlorenen, unheilbaren chronischen Psychosen
vorgenommen, um die Wirkung des neuen Präparates zu stndiren. Bei der Mehrzahl
dieser Fälle zeigte sich die ans der Litteratnr wohl bekannte Erscheinang, dass
während des Fiebers eine mehr oder minder vollständige Klärung eintrat Mit dem
Verschwinden des Fiebers trat natürlich der frühere Zustand wieder ein. Was die
einer Therapie flberhanpt zugänglichen Fälle anbelangt, so kann von zwei Besserungen,
zwei sicheren und einer wahrschmnlichen Heilung berichtet werden. Zur Auswahl
der für die therapeutische Impfung tauglichen Psychosen bemerkt Vortr., dass am
geeignetsten hierzn wohl jeiu^Fälle von Erschöpfnngsalienationen und schwere
MelanchoUeen mit dem drohenden Uebergange in secnndäre Demenz erscheinen, bei
denen wir durch das Fieber und die elektive Einwirkung der Bakterientoxine eine
heftige Anregung des StoffwedlMls in dem torpiden indolenten Organismus erzeugen
wollen. Besonderes Gewicht legt Vortr. darauf, dass nicht frische Fälle (von Amentia
'Q :./cd
Google
1116
beispielsweise), sondern lang^aaernde, die eine Neigang in Schwacbsinn fibenugebea
zeigen, der therapeutischen Impfnng zogewiesen werden, damit Selbstt&oscbai^
vermieden werden. (Der Vortrag wird in extenso nebst den einschligigen frbheren
Beobachtungen an anderer Stelle verCffentlicht werden.)
Discossion:
Herr Windscbeid spricht sich gegen die Zulftssigkeit der tberapeutischeD
Impfung ans; er habe sich schon bei dem voijährigen Vorträge Binswanger’e ia
Halle eines nnangenebmen QefQhls nicht erwehren können. Dasselbe sei heute io
verstärktem Maasse aufgetreten, und wäre es sehr zn bedauern, wenn solche Be*
Strebungen durch die Presse in die Oeffentlichkeit drängen. Es ginge doch toM
nicht an, somatisch gesunde Menschen mit solchen Mitteln zu behandeln.
Herr Pick (Prag) möchte die Befürchtungen Herrn Windscheid’s zerstreDeo,
indem er ihn auf die auch von Herrn Friedländer erwähnten üntersuchoogn
Wagner’s (Wien) hinweist, die ancb in die Oeffentlichkeit drangen. Dieselbe be*
ruhigte sich bald. Principiell sind diese Versuche ebenso berechtigt, wie andere,
und die von dem Vortr. gemachten Hittheilungen aus der Utteratnr, die Pick seihet
durch eigene Erfahrnngen vermehren könne, erweisen zur Genüge die wissenschaft¬
liche Futtdirnng der therapeutischen Impfnng.
Herr Hitzig pflichtet den letzten Ausführungen dee Herrn Pick vollständig
bei und würde er seinerseits die therapentische Impfung mit Freuden begrflssen, so¬
fern es sich erweisen sollte, dass durch dieselbe dauernde Erfolge zn erzielen seien.
Herr Möbius meint, dass Herr Windscheid sich nicht g^n die Zoläs^keit
der therapeutischen Impfung erklärt habe, sondern nur vermieden sehen wolle, dass
Mittheilungen hierüber in die Tagespresse gelangen.
(Wenn Herr Windscheid erklärte, dass es nicht angii^e, somatisch gesunde
Menschen mit Bakteriengiften zu behandeln, so liegt hierin wohl eine Verurtbeiluitg
aller derartigen Bestrebungen, die seit vielen Jahren durchaus nicht erfolglos an-
gestellt wurden. Zudem dürfte die somatische Gesundheit, deren sich beispielswüM
eine in secundären Schwachsinn fibeigebende Amentia erfreut, keine Contraindicatioo
zu einem letzten Versuche ihr möglicherweise psychische Genesung zu verschaffen
abgeben. Bef.)
Herr Margnliös (Prag): Ueber die sogenannte Fseudodlpsomanle
Legraln’s.
Vortr. giebt in grossen Zügen die Wandlang wieder, die die klinische Auf¬
fassung der Dipsomanie seit ihrer ersten Beschreibung durch Salvatori im Jahre
1817 durcbgemacht bat Von diesem und anderen Antoren (Hufeland, Brfihl-
Kramer) als eine durch übermässigen Alkobolgenuss hervoi^emfene Psychose an¬
gesehen, wurde sie später als Monomanie der Trunksucht beschrieben (Esqoirol,
TrÖlat D. A.). Die Engländer nnterscheiden nach Hutchinson eine acute, cbronisdie
und periodische Form; die Franzosen folgen heute in der Mehrzahl Morel, der dir
Dipsomanie als ein Symptom seines Dölire ömotiv beschreibt Die Lehre Horel's
hatMagnan zur vollsten Entwickelung gebracht Ball unterscheidet eine hereditäre
und acquirirte Form, Skaö eine impulsive und recidivirende Varietät der Dipso¬
manie. Da sich der Begriff der klassischen Dipsomanie im Laufe der Zeit vanrisclit
hat und nicht zum Vortbeile einer genauen kUniscben Abgrenzung mit anderoi
Krankheitsbiidem identificirt wurde, betrachtet Vortr. es als ein Verdienst LegrziD's
die zuletzt genannten Krankheitsformen unter dem Kamen der Pseudodipsomanie der
wahren Dipsomanie gegenübergestellt zu haben. Vortr. giebt zwei intwessute
Erankheitsfelle wieder. Es bandelt sich um zwei Kranke, die in Intervallea eos
verschieden langer Dauer alkoholische Bxcesse verübten. In ihren freien Periodeo
waren sie sieb ihres Znstandes wohl bewusst; bei irgend einer Gelegenheit ^
1117
Widerstand berabsetzt, nahmen sie eine kleine Qnantit&t Alkohol, woranf der peendo*
dipsomanische Anfall eintrat. Nachdem Vortr. einen wahren dipsomanisohen and
die bei einem Kranken aufgetretenen AnßUe beschrieben hat, kritisirt er die Yer*
schiedenbeit beider Erankheitsfonnen. Die Psendodipsomaneo, die Legrain als
moralische Schwächlinge bezeichnet, leiden zwar auch unter ihrem Znstand, doch
haben sie eine aasgesprocbene Liebe fbr Alkohol und schwanken zwischen dem
Wunsche, ihm zu widerstehen und dem geheimen Verlangen ihrer Leidenschaft Genüge
zu thun. Yortr. hebt den Umstand besonders hervor, dass diese Kranken eine ganz
besondere Intoleranz gegen Alkohol besitzen, und dass schon ein Glas Bier oft genüge,
die Kranken, wie Legrain sagt, wahre AnföUe von Moral insanitj durchleben zn
lassen. So e^ebt sich die Aehnlicbkeit der Dipso* und Pseudodipsomanie, die ja
beide auf dem Boden der erblich degenerativen Belastung entstehen, zugleich aber
auch der Unterschied beider Zustände. Der wahre Dipsomane erliegt seinem Schicksal
einem spontan anftretenden unwiderstehlichen Zwange nachgebend, der Pseudodipso*
mane ver^t in seinen Anfall, indem er bei irgend einer Gelegenheit seine Vorsätze
und die Folgen seiner Schwäche vergessend, denselben sozusagen provocirt. (Der
Vortrag wird ausführlich veröffentlicht werden.)
Herr Gebhardt (Jena) demonstrirt ein Uikroekop, speoiell lur Unter-
sTichnng und Projeotion sehr ausgedehnter Präparate (a. B. Gehimeobnitte),
welches io mehreren Punkten von den gebräuchlichen Modellen abweichi Diese
Abweichungen betreffen sämmüich den Oberbau des Mikroskopes, während Fuss und
Abbä’scher Beleuchtungsapparat dieselben sind wie bei allen grösseren Modellen
der optischen Werkstätte von Carl Zeiss, der auch das demonstrirte Instrument
entstammt Das Anfßlligste an diesem ist der 25 X 25 cm grosse Objecttisch, der
sich ausser für sehr ausgedehnte Präparate, auch noch für physiologische Versuche
unter dem Mikroskop als sehr geeignet erweisen dürfte. Derselbe ist am freien
vorderen Bande kreisbogenförmig ausgeschnitten, um auch bei senkrechter Stellung
des Mikroskopes das Licht bequem zum Spiegel des Beleuchtungsapparates gelangen
zu lassen. Die 7 cm grosse centrale Tiscböfhinng lässt sich durch ringförmige Ein*
lagen beliebig verkleinern. Neu an dem Mikroskop sind auch die Mikrometer*
bewegung und die Einrichtung des groben Triebes. Die neue Bewegung erreicht
durch Verwendung eines Schneckengetriebes bei leichtestem Gang die Möglichkeit
minimal dosirbarer Verstellungen. Der Tubus ist ein extra weiter, wie bei dem
neuesten mikrophotographischen Stativ von Zeiss (vei^l. Zeitschr. f. Instrumentenk.
Max Berger: Ein neuer Mikroskopoberbau). Es lassen sich an ihm sämmtlicbe
Mikroplanare ohne wesentliche Beschränkung ihres grossen ebenen Feldes verwenden,
das sind die Brennweiten von 20, 35, 50, 70, 100 mm mit Gesichtsfeldern im
Object von bezw. 10, 17—20, 25—30, 35—40, 50—60 mm Durchmesser. —
Das Stativ dürfte daher für Beobachtui^, Projectiou und Mikrophotographie, auch
für schwächste Ve^össerungen mit ausnahmsweise grossem Felde, Universalität der
Anwendnngsfähigkeit darbieten. Bezüglich näherer Details sei auf die oben citirte
Publication hingewiesen.
Georg llberg (Sonnenstein): HirBgewiohtaveränderuiigen bei Dementia
paralytioa^
Das Gewicht des nnzerschnittenen Gehirns ist bei Geisteskranken um eine un¬
gleiche Grösse verschieden von dem Gesamm^ewicht der bei der Section entstehenden
Tbeile. Das grösste Quantum dieser Differenz, die bei Paralytikern bis zu 165, ja
bis zn 215 g gew(^n worden ist, kommt auf die in den erweiternden Ventrikeln
befindliche Himflüssigkeit. Vortr. hat das Gewicht des nnzerschnittenen Gehirns
daher einstweilen vernachlässigt und nur das Gesammtgewicht der bei der Meynert’-
sehen Himsection entstehenden Theile berücksichtigt Da es ihm an entsprechenden
Yergleichszahlen fehlt, hat er die Himtheile ohne weiche Hirnhäute bei Paralyse
,Google
1118
und geistiger Gesundheit noch nicht verarbeiten können, eondmi nur die mit ireichen
Hirnhäuten.
Ohne das Gehirn eines makrocephalen Paralytikers, das nnzersehnitten 1649
wog und ein aus den Theilen berechnetes Gesammtgewicht von 1567 g repräsenürt«,
und ohne diejenigen Gehirne, die von Personen unter 150 cm Körperlänge, sowie
mit längerer Dauer der Paralyse als 79 Monate stammten, bestand sein Material
aus 63 männlichen Paralytikei^ehimen. Diese 63 Gesammthime und ihre Theüe
wurden mit den von Ludwig Ptleger 1881 in den Jahrbüchern für Psycbiathe
festgestellten Normalzahlen verglichen und zwar rficksichtlich des Verhäitaissee
zwischen absolutem Gewicht und Körperlänge, sowie relativem Gewicht der Theüe
des = 1000 gesetzten Gehirns und Körperlänge und rücksichtlich des Verhältnisses
zwischen absolutem und relativem Gewicht und der Dauer der Dementia paraiytica.
Tortr. vermied es, Zahlen zu nennen, veranschaulichte vielmehr seine Untersucbongs*
resultate durch Demonstration von 4 Ourventafeln, die später veröffentlicht werden.
Eine 5. Curventafei demonstrirte, wieviel Gramm Gesammthim, Himmantel, Sümbim,
Schläfen«, Scheitel«, Hinterhanptshim, Himstamm + Kleinhirn, Himstamm allein und
Kleinhirn allein beim Normalen und beim Paralytiker auf 100 cm Körperlänge bei
150—187 cm Gesammtlänge kommen. Eine letzte Curve stellte die Zunahme der
VentrikelflÜssigkeit bei zunehmender Dauer der Paralyse fest.
Die Pfleger’scben Zahlen beweisen, dass bei Geistiggesunden das absolute
Gewicht des Gesammthims, sowie dasjenige des Himmantels mit zunehmend«
Körperlänge (von 150—189 cm) steigt; Himstamm -|- Kleinhirn und Kleinhirn allein
werden hier ebenfalls schwerer, aber in geringerem Maasse; eine Zunahme des Him-
stammes allein findet nicht statt. Zwischen dem absoluten Gewicht des Gesammt«
bims und Himmantels der Paralytiker und demjenigen der Geistiggesunden sind bei
allen Körperlängen sehr bedeutende Unterschiede; im Mittel beträgt die Differenz
zwischen den Gesammthiraen 152 g, zwischen den Hiromänteln 142 g (= 93*^/g) zu
Ungunsten der Paralytiker. Kleinhirn -|- Himstamm sind bei Paralytikern, abgesehen
von denjenigen, die länger als 180 cm waren, leichter als bei Normalen. Das
Kleinhirn wog im Durchschnitt bei Paralytikern sogar etwas mehr als bei Pfleger's
Normalen; das Stammhim der Paralytiker jedoch war um durchschnittlich 14 g
leichter.
Was das relative Gewicht der Theile des — 1000 gesetzten Ge«
sammthirns anbetrifft, so nimmt bei geistig gesunden Individuen bei zunehmender
Körpergrösse das relative Gewicht des Himmantels mässig zu, das des Kleinbims +
Himstammes, sowie des Himstammes allein mässig ab, das relative Gewicht des
Kleinhirns bleibt etwa gleich. Ein Vergleich der betreffenden Curven Geistiggesond«
und Paralytischer lehrt, dass der Himmantel Paralytischer relativ leichter. Klein*
hira + Himstamm und Kleinhirn allein relativ schwerer sind. Das relative Gewicht
des Himstammes allein war bei Paralytikern mit 150—159 cm leichter, bei solcheo
von 160—169 cm gleichschwer, bei solchen von 170—189 cm schwerer als bei
Geistiggesunden. Die Betrachtung der relativen Wertbe ist namentlich auch deshalb
wichtig, weil die absoluten Werthe des Gesammthims, z. B. zwischen 869 und
1890 g, also zwischen weiten Grenzen li^en.
Auf 100 cm Körperlänge kommt bei Geisti^esunden mit zunehmender
Körpenn'össe immer weniger Gesammthim; auch alle Uimtheile nehmen bei dieser
Berechnung mit zunehmender Körpeigrösse ab. Es ist dies deshalb sehr interessant,
weil — wie erwähnt — das absolute Gewicht des Gesammthims mit zanehmender
Körpergrösse zunimmt. Bei Paralytikern sind auch bei der Berechnung auf 100 co
Körperlänge das Gesammthim und der Himmantel um vieles leichter, HimstaiDin +
Kleinhirn und Himstamm allein um weniges leichter, das Kleinhirn di^^en «i
klein wenig schwerer als bei geistig Gesunden. Mit längerer Dauer der Dementia
paraiytica nimmt das absolute Gewicht des Gesammthims, des Himmantels, des
1119
Stirnhiros tmd des Schl&fenseheitelliinterhaDpthinis ganz bedeutend ab. Bei Klein*
birn + Hinistamm und Hirnstamm allein zeigte sich auch eine Gewichtsabnahme,
doch in geringerem Maasse. Das Kleinhirn blieb im grossen und ganzen trotz
längerer Dauer gleichschwer.
Das absolute Gewicht der Tentrikelfl&ssigkeit nahm mit zunehmender
Däner der Krankheit wesentlich zu.
Was endlich das relative Gewicht des = 1000 gesetzten Gesammt*
hirns im Verhältniss zur Dauer der Paralyse anbelangt, so konnte zwar ein
geringeres relatives Gewicht des Himmantels und dementsprechend ein höheres
relatives Gewicht des Hirnstammes + Kleinhirns allein ermittelt werden; die Abnahme
des Himmantels stieg aber bei längerer Dauer der Krankheit nur um weniges; diesem
Befund entsprach eine nur geringe Zunahme des relativen Gewichts von Kleinhirn +
Himstamm, die am meisten auf einer Znnahme des Kleinhirns allein beruhte.
Von einer Berechnung des Verhältnisses zwischen Hirngewicht und
Leichengewicbt verspricht sich Yortr. bei der Dementia paralytica keine Aufklärung.
Charakteristisch für die Paralyse ist die oft sehr bedeutende Gewichts¬
differenz zwischen rechter und linker Hemisphäre. Das Gewicht der
Hemisphären differirte um durchschnittlich 19 g, im tlaximum um 77 g; nur wenige
Hemisphären waren gleichschwer. Bei Hirnwägnngen von Fällen von Dementia
senilis ohne Brweichungsherde fand Vortr. trotz bedeutender Abnahme des Gesammt-
gewichts oft kleine, oft sehr geringe Differenzen zwischen den Hemisphären. Bei
der Paralyse waren Insel 4- Corpus striatum 4- Thalamus opticus der leichteren Hirn*
mantelhälfte in der Begel ebenfalls leichter.
Die Capacität des Schädels und das specifische Gewicht des Gehirns
worden nicht berficksichtigi (Autorreferat)
Discussion:
Herr Hitzig erinnert daran, dass doch ausser der Flüssigkeit in den Ventrikeln
diejenige in den Maschen der weichen Hirnhäute zu berftcksichtigen sei. Er
zweifelt daran, ob die Hemisphären bei Gesunden stets gleich schwer sein mflssten.
Herr Pick empfiehlt statt der von Meynert vorgeschriebenen Durchtrennung
des Himmantels in der Centralfurche diejenige hinter dem Gyros postceotralis.
Herr Ganser hält es im Gegensatz zu Heim Pick fOr praktischer, bei der
Heynert’schen Technik zu bleiben.
Herr llberg bat den Hydrocephalus exteraus nur bei den mitgetheilten Hirn«
Wägungen, die sich auf Himtheile incl weichen Hirnhäuten beziehen, ausser Acht
gelassen; aus der Differenz zwischen diesen und den Theilen excl. weichen Hirn*
bäoten kann er den Hydrocephalus exteraus berechnen. Bei Geistesgesunden ohne
Rhachitis and ohne Degeneration, auch bei einem nach kurzer Krankheit gestorbenen
racereinen Neger fand er die Hemisphären und die beiden Stimlappen mit und ohne
weiche Hirnhäute völlig gleichschwer, wenn nicht etwa Erweichungsberde, Arterien-
verstopfung, Blutungen oder dergleicW Vorlagen.
Herr Lfihrmann (Dresden): Ueber die Vortäusobung verschiedener
Krankheiten durch Hysterie.
Der vielgestaltige Symptomencomplex der Hysterie kann bekanntermaassen eine
Reihe organischer Krankheitsbilder Vortäuschen oder sich auch denselben zugeselien,
eo dass es selbst för den ge&bten Untersncher manchmal nicht leicht ist, in kurzer
Zeit die richtige Diagnose zu stellen.
Weniger besprochen ist, wie die Durchsicht der einschlägigen Litteratur zeigt,
die Vortäuschung von Psychosen (im engeren Sinne) und der Simulation durch
Hysterie.
An der Hand von einschlägigen klinischen fieobachtnngen und unter Hinweis
auf einige fremde Angaben zeigt der Vortr., dass die Neurose Krankheitsbilder
Dig i'/od c/ Google
1120
BcbaffeD kann, die der Katatonie, der acuteu Melaucbolie, der pn^raasiTeo Fataljae
and der Simulation sebr ähnlich sehen.
Zngegeben ist allerdings, dass die längere Beobachtong banpteächlkh nnter
BerQcksichtignng der Unbeständigkeit and Lannenhaftigkeit der einaelBen Symptome
die Diagnose anf den richtigen Weg bringt; es darf andererseits aber aoch bebaoptet
werden, dass selbst der Fachmann ohne Kenntniss der Anamnese and bei den erst«)
B^egnungen mit dem Kranken in die Gefahr gerathen kann, Katatonie, Melancboli«,
progressive Paralyse, bezw. Simalation anzonehmen, wo es sich lediglich am Hysterie
handelt, was dann der Terlaaf aasweist (Der Vortrag wird ansfOhrlich verbffentlkbt
werden.) (Aatorreferat)
Herr Stoubell (Jena): Ueber Syphilis der Büokenmarkshäiite.
Vortr. spricht Uber einen seltenen Fall von Syphilis der Bftckenmarkshäate:
Eine 86 jährige Frau bekam plötzlich Ober Nacht eine Paraplegie beider Beine mit
Anästhesie bis zum Nabel; Patellarrefiexe waren erloschen, kein Fossclonos. Ezitoa
27) Wochen später an Pneumonie. Bei der Obdoction fand sich Zerfall des 3. bis
6. ßrustwirbelkörpers mit starker Verdickang der Meningen in dieser Höbe. Mikro*
skopisch stellte sich heraus, dass die Affection der Wirbel weder auf Tubercoloee,
noch auf Carcinom beruhte. Die meningeale Geschwulst nahm von der Aassenääche
der Dura ihren Ausgang, griff auf das extradurale Fettgewebe Aber and war vom
mit dem Periost des Wirbelcanals verwachsen. Sie bestand ans Ideinzelligem Grana*
lationsgewebe, das um die Gefäsee inselförmig angeordnet war und central Tendenz
zur Verwachsung zeigte. Die GeAsse boten die von Heubner u. Ä. beschriebeneo.
für Lues charakteristischen Veränderungen dar. Vortr. hält aas dem Gesammtbilde,
bei Abwesenheit von Tuberculose anderer Organe, die Diagnose Laes fflr höchst
wahrscheinlich.
Die Pachymeningitis externa(Penpachjmeningiti8) syphilitica ist äosserst
selten (Fälle von Vircbow, Heubner o. A.). Differentialdiagnostische Unterscheidung
von Pachymeningitis cervicalis hypertrophicai anatomisch leicht, da letztere eine
Pachymeningitis interna ist (kommt auch am Brastmark vor). Vortr. wendet skb
gegen die Bezeichnung Meningomyelitis cervicalis chronica (Wieting, Köppen)
statt Pachymeningitis cervicalis hypertrophica. Die älteren Fälle von Charcot und
Joffroy sind gut beobachtet und gehen von der Dura aus, die von Wieting and
Köppen sind Leptomeningitiden. Schliesslich nennt man alles Heningomyelitis. —
Zum Schluss erwähnt Vortr. das Fehlen der Fatellarreflexe bei hohem Sitz der Ge¬
schwulst und intactem Lendenmark. Cbok ist hier ausgeschlossen. Der Fall passt
nicht in das alte Schema von den Reflexen und scheint fflr die BrunS'Bastian'sche
Theorie zu sprechen. (Aatorreferat.)
Discussion unterblieb w^en Zeitmangel.
Herr Ganser: Ueber die nearaetlienieohe Getsteaetörimg. (Der Vortrag
erscheint in ausfflbrlicher Form.)
Friedländer (Joia).
üm Einsendung von Separatabdrflcken an den Herausgeber wird gebeten.
Einsendungen f&r die Redoction sind zu richten au Prof. Dr. £. Mendel,
Berlin, NW. Schiffbanerdamm 18.
Verlag von Vsm & Comp, in Leipzig. — Druck von Manen & Wittm in Lcspsig.
Dr. med. Haupt, Tharandt
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Kurhaus für Nervenkranke.
Dr. J. Waldschmidt’s Kurhaus 1
für Nerven-, Alkohol- und Morphium-Kranke.
Westend bei BerliO} XJlmen-Aliee 37.
Dr. Waldsohmidt
Dr. Weller.
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’ rrnnHii
teOLOGISCHES CmTRALBLATT.
Uebersicht der Leistungen auf dem Gebiete der Anatomie, Pl^iologie, Pathologie
und Therapie des Nervens^tems einschliesslich der Geisteskrankheiten.
HeraoBge^beD toh
Professor Dr. E. Mendel
Sjebsehnter " Jahrgang.
Uonatlioh ersoheioen zwai Nammern. Preis des Jahrganges 84 Hark. Zn beziehen dnrcb
alle Bnohhandinngen des In* and Aoslandes, die Postanstalten des Dentsoben Beiebs, sowie
direct von der Yerlagsbachhandlang.
1898. iF. December. Nr. 24.
Inhalt: I. Orlglnalmlttballangeii. 1. Epileptische nnd epileptoide AnftUe in Form
von Angstznständen, von Prof. Dr. W, v. Bechterew in St. Petersbarg. 8. Ein Fall von
Hemiplegia hysterica, von Dr. euttmaiui , Nervenarzt io BiUberstadt.
II. Referate. Anatomie. 1. Note on a modiflcation of the Weigert-Pal method for
puafiin sections, by Laslett. 8. Die mikroskopischen Untersnchangsmethoden des Aages,
von Seligmana. — Experimentelle Physiologie. 3. 1. Le mdoanisme et la signification
de rdtat moniliforme des neorones, par Demoer. IL Le sommeil hibemal et les modiflcations
des neorones cdrdbranx, par Querton. 4. Die Wirkang der Narcotica anf die motorischen
Vorderhomzellen des Bhckenmarks, von Frlnkel. — Pathologische Anatomie. 5. Non*
veiles recherches sar les Idsions des centres nerveax consdontifs a l’arrachement des ner&,
par Marlnesce. 6. Salle alterazioni del sistema nervoso centrale nella inanizione, per Daddi.
7. Naove ricerche sperimentali sol potere batteridda del sangae dwli animali in rappoito
alle aato*infezioni degli alienati, per Cenl. 8. Sol comportarsi delF mcalinita del sangae in
alcnne forme psicopatiche e nelF epilessia, per Lul. — Pathologie des Nervensystems.
9. Night terrors, par Saltmann. 10. lieber Epilepsia choreica, von v. Bechterew. 11. Ein
Fall von ^ilepsie nach lange danemder Doncoe anf den Eopf, von Breltlng. 12. Zar Aetio*
l(^e der Epilepsie, von Wildermuth. 18. Hereditary nearotic condition and acqoired insta*
bility and disease associated with crime, by Winter. 14. Der Werth der Beseotion des Hals*
s^pathicns bei gemeiner Epilepsie, nebst einigen Beobacbtnngen and physiologischen
Versnchen über Sympathicnslähmang, von Donath. 16. Beneficial effeots of we withdrawal
of bromides in the treatment of epilepsy, by Petereon. 16. Zar Opiam*Brombehandlang der
Epilepsie, von Linke. 17. Essai sar le traitement chirargioal de rdpilepsie, pu Rellay. —
Psychiatrie. 18. Die Untersachnng and Behandlong gmstig zorückgebliebener Kinder, von
Uebnann. Therapie. 19. Tetanus facialis, mit Antitoxin Behring behandelt, von Erdheim.
III. Aus den fieeeilschaften. Aerztlicher Verein zn Hamborg. — Biologische Abtheilong
des ärztlichen Vereins za Hamborg.
IV. Register.
I. Originalmittheilungen.
1. Epileptische und epileptoide Anfälle in Form von Ängste
Zuständen.
Von Prof. Dr. W. v. Beohterew in S. Petersburg.
Anfälle von Beängstigung sind bekanntlich eine gewöhnliche Begleit¬
erscheinung der Neurasthenie. Die Angstzustände erscheinen bei dieser Neurod
häufig unter ganz bestimmten Verhältnissen als Topophobie, Anthropophobie
71
DiQ'iii’od
Google
1122
Astrophobie a. s. w. Es ist aber zweifellos, dass Beängstigimgen in einigen
Fällen als Ansdrnok einer viel schwereren nervösen Affection, nämlich der
Epilepsie anftreten können. Anfälle von Angst sind nach meinen Beobaditongot
bei Epileptischen dnrebaas nichts Seltenes, do<di ist dieser Umstand bish^ noch
wenig beachtet worden. Erst in ganz jüngster Zeit meldet Cb. FArB drei
von Epilepsie, wo Angst als epileptisches Aeqoiralent auftrat In allen diesoi
Fällen knüpften sich die Angstanfalle anscheinend an bestimmte Ideeen. So
bestanden bei einer Patientin FnnA’s ausser epileptischen Analen als Aequi-
valente derselben schwere Angstznstände, die mit der Vorstellung ewiger Ver*
dammniss in Verbindung standen. Bei dem zweiten Kranken stellten 8i<h,
während die epileptischen Anfälle unter dem Einflüsse therapeutischer Maass¬
nahmen seltener >mrden, plötzlich Beängstigungen ein, welche sich an den Ge¬
danken, die Oeschlechtstheile zu entblössen, anschlossen. Der dritte Kranke,
ein schwachsinniger Onanist, litt ausser Kopfecbwindel, zu Zeiten an dem Angst¬
gefühl, von einem Lastwagen erdrückt zu werden.
Was meine eigenen Beobachtungen betrifft, so geht aus denselben hervor,
dass bei einer Reibe von Epileptikern neben den gewöhnlichen Erscheinungoi
dieser Krankheit von Zeit zu Zeit Anfälle unwillkürlicher, undefinirbarer und
qualvoller Angst auftreten, wobei das Bewusstsein nicht verloren gebt oder dodt
nur schwach getrübt erscheint Kopfschwindel ist für gewöhnlich ebenfalls nicht
vorhanden. Der Zustand geht manchmal als Aura einem starken epileptischen
Anfall vorauf oder besteht als epileptisches Aequivalent für sich. Irgend einen
Gedanken, der sie in diesem Zustande gequält und mit dem Gefühle der Angst
verbunden gewesen, konnten die Kranken trotz genauester Befragung nicht
angeben.
Seine Angstanfälle schildert einer meiner Epileptiker folgendennaassen:
„Ich habe einmal gelesen, dass der Mensch zur Zeit eines Erdbebens ein be¬
sonderes Gefühl empfindet. Wenn er sieht und fühlt, dass die Erde unter ihm
bebt, jene Erde, welche er sein ganzes Leben lang gewohnt war, als „uner¬
schütterlich“ anzusehen, ergreift ihn ein grenzenloses, ein ganz besonderes Ekit-
setzen, wie es sonst unter keinen anderen Verhältnissen empfanden wird. Eine
ebenso schwere und eigenartige Angst muss den Menschen sicherlich auch dann
überkommen, wenn in seinen Kopf, wo er doch allein zu herrschen gewohnt
ist, irgend eine dritte Person eindränge und sich dort nach Belieben zu geberden
anschickte.
Dieser Vergleich kommt mir fast immer zuerst in den Sinn in Augen¬
blicken, wenn mich jenes unfassbare Entsetzen ergreift, jene qutdvollste
und zugleich alltägliche Ausgeburt meines kranken Kopfes.
Während geräuschvoller Unterhaltungen oder auch in Augenblicken vöU^
Einsamkeit gebe ich mich plötzlich jenem grossen rückhaltlosen Entsetzen hin,
ich erwache davon aus tiefstem Schlafe, ich wälze mich und werfe mich von
einer Seite auf die andere, ich biete meine ganze Willenskraft auf, mich der
* Les pliobies ^piUptiqoes. La medecine moderne. 1898. Nr. 24.
Digilized by Google
1124
5. Mftnfl hmal werden sie auch im Verlaufe epileptiformer AnMe der
Dementia paralytica beobachtet
6. Zorn Unterschiede von den neurasthenischen Beängstigungen knüpfen
sich die epileptischen AngstzufaUe nicht an ii^nd welche bestimmte äussere
Bedingungen (Oertlichkeiten, Donner, Menschenmassen n. s. w.), wie dies bei
der Pathophobie beobachtet wird.
2. Ein Fall von Hemiplegia hysterica.*
Von Dr. Outtmuin,
NerreDajTSt in Halbentedt
M. H.I Hemipl^een, d. h. halbseitige Körperlähmnngen, theilt Stbükpell
nach der Natur ihrer Entstehungsursachen in zwei Dmppen: in Lähmungen
aus anatomisch nachweisbaren Ursachen und in sogenannte functicmelle. Die
ersteren entstehen hauptsächlich durch Entzündungen, Neubildungen, Degene>
laüonen und die Folgen ron Circulationsstömngen, nämlich: Erguss, Embolie
oder Thrombose. Die letzteren beruhen auf p^chischen Störungen, unter
welche auch die Hysterie zu rechnen ist, da diese als eine Erankheitserachdnung
au&ufassen ist, bei der die normalen Beziehungen zwischen den Vorgängen des
Bewusstseins und der Körperlichkeit in Unordnung gerathen sind.
Sehen wir von den erstgenannten drei pathologisch-anatomischen ürsachsi
ab, indem auf Grund derselW die Hemiplegieen sich langsam entwickeln, und
betrachten wir die Folgen der CirculatioDSstörungen, und zwar nur die im
Gehirn, die meist ein plötzlicdies Auftreten der Hallmteiilähmnng herbeifuhren,
so finden wir als deren Symptome, je nadi der Intenatät des Anfalles stärker
oder schwächer ausgebildet: Bewusstlosigkeit, Conia, stertoröse Athmung, unregä-
mastigen, meist verlangsamten Puls, Incontinentia orinae et alvi, Aufhebung der Be¬
fiele, auch desjenigen der Pupillen. Die betroffenen Gliedmaassen fallen aufgehoboi
und losgelassen wie todt zurück, sind activ mehr oder weniger unbeweglich und
kraftios und zeigen Hyp-, häufig auch Anästhesie, mitunter auch Parästhesieen.
Es besteht unter Umständen Aphasie. Stets findet man Verzerrung des Ge-
tichts, Ptosis, Abweichen der herausgestreckten Zunge, schlafferes Herabhängcn
des Gaumens mit geringerer Beweglichkeit beim Phoniren; und einige andere
feinere Störungen noch. Alle diese Erscheinungen sind in den häufigsten Fällen
einseit^, und zwar betreffen die meisten von ihnen die dem Herd entg^^
gesetete Körperhälfte.
Wichtig ist, dass diese Symptome alle unter einander eine bestimmte
typische Zusammengehörigkeit haben, obzwar sie wechselnd und ungleichmästig
stark hervortreten, oder auch einzelne ganz ausfallen können.
^ Vortrag mit KrankeDTorstelluog. gehalten in der medioiniacheo Geaellacbaft n
Halberstadt.
j „Google
1125
Anders die auf hysterischer Basis entstandenen Hemiplegieen, die möglicher¬
weise die gleichen und auch fast alle genannten Erscheinungen zeigen können,
bei denen sich aber fast immer eine Störung in der typischen Zusammen¬
gehörigkeit nadiweisen lässt, ein Widerspruch zwischen den einzelnen Sym¬
ptomen sich finden and dadurch die hysterische Grundlage sich dooumen-
tiren wird.
Bevor wir näher darauf eingehen, wollen wir erst unsere Patientin be¬
trachten:
B. Earoline, Schafmeistersfrau, 62 Jahre alt, erblich nicht belastet, die Lnes
und Fotos in Abrede stellt, als Kind kräftig herangewachsen ist, mit 17 Jahren
menstmirt, hat mit 23 Jahren geheirathet und 3 Partus und 2 Abortos geleistet.
Ansser an einem Typbus mit 24 Jahren, ist sie nie ernstlich krank gewesen, mit
56 Jahren ins Climacterinm eingetreten, und war zwar nicht mit schwerer Körper-
arbeit, doch immer in häuslicher und landwirthschaftlicher Thätigkeit fleissig be¬
schäftigt Dieselbe fiel vor 2 Jahren eine steinerne Treppe von 10 Stufen herunter,
wobei sie sich eine kleine SuggUlation an der Stirn und eine grosse im linken
Oberarm, sowie eine Verstauchong des rechten Danmens zuzog. Diese Schädigungen
waren nach kurzer Zeit geheilt und Patientin wieder vollkommen arbeitsfähig, nur
glaubt sie einen Schmerz im Genick und Hinterkopf, den sie öfter verspürt, auf
jenen Unfall znrflckführen zu müssen.
Vor ca. einem Jahre nun wurde sie ans ihrem Hittagssehlaf durch ein Kind,
welches geräuschvoll zur Thür hereinkam, anfgeschreckt, wollte dieses zur Buhe
weisen, vermochte aber nicht zu sprechen; erst nach ungeAhr 2—3 Minuten kam
ihr die Sprache zunächst lallend and st(ttswei6e, dann allmählich sich bessernd,
wieder, so zwar, dass nach ca. Stunde dieser Torfall erledigt war. Im Yerlaufe
desselben Nachmittags merkte sie darnach eine langsam zunehmende Schwäche im
linken Arm und nach einigen Tagen auch im linken Bein, welches sie seitdem nach¬
schleppe. Diese Schwäche in den linken Extremitäten habe im Verlaufe mehrerer
Wochen eine gewisse Höhe erreicht und sei dann stehen geblieben, nicht mehr ge¬
wachsen, habe aber auch trotz angewandter Einreibungen nicht abgenommen. —
BewnssÜos sei sie damals nicht gewesen, auch habe sie weder Athemnoth, noch
Uebelkeit oder Erbrechen gehabt; auch seien ihr Stuhl nnd Urin nicht unfieiwillig
abgegangen. — Oer Arzt habe , dies damals für einen Nervenanfall erklärt
Seitdem habe sie zwar ihre Wirthschaft mühsam versoigen können, aber die
Arbeit sei ihr mit dem linken Arm und Hand ongemein erschwert gewesen; da sie
zwar die einzelnen Bew^ungen habe aasführen können, aber die Hand im Zufassen
und Festbalten kraftlos sei Nachdem sie nun auch in den letzten Monaten be¬
merke, dass ihr linker Arm und linkes Bein „schwinden“, nämlich an Umfang, und
sie im linken Bein, nicht in der Hand, ein nnangenehmes Kältegefühl und Kribbeln
empfinde, so ängstige sie sich sehr, nnd käme nun hierher zur Untersuchung nnd
eventuellen Behandlung.
Dies war vor etwa 16 Tagen. Auf Befragen gab sie weiter an, dass ihr Ge-
iächtniss und ihre Sehkraft auch stark nachliessen; sowie dass sie weder vor 2 Jahren
oei dem Sturz die Treppe herab, noch vor 1 Jahre bei dem Anfall oder sonst je
Blut durch die natürlichen Kopföffnungen verloren habe; auch sei das Gesicht nie
rerzerrt gewesen.
Die Untersnchnng der wohlgenährten, mit gutem Fettpolster versehenen, kleinen
Person von untersetzter Statur and kräftigem Knochenbau ergab, dass die Muskulatur
les rechten Armes etwa nm 1,6 cm, des rechten Beines um ca. 3 cm grösseren Um-
ang anfwies als der linken Extremitäten; doch fühlte sich das Unke Bein nicht
cühler an, als das rechte, auch fand sich keine Cyanose, ebensowenig konnte an den
oy Google
1126
Armen und Händen ein Temperatnrnnterachied feetgestellt werden. Während sich
die Kraft der Beine bei Widerstandsbewegnngen als gleich nnd hinreichend erwies»
wurde der Druck mit der rechten Hand kräftiger ao^Qbt» sobald man mit beiden
Händen gleichzeitig je eine Hand sich drücken Uess; sobald man aber den Dmek
einzeln hintereinander prüfte, war der Drnck beiderseits ziemlich gleich and mittel-
kräftig; Widerstandsbewegongen der Arme ergaben eine leichte, kaum messbare
Differenz in den Kräften za Ungunsten der linken Seite; bei passiven Bew^nngen
zeigten sich im linken Arm und Hand mittlere Uoskelspasmen, kanm merkbare im
linken Bein, gar keine in den rechten Extremitäten; active Bewegungen wurden in
allen Gelenken aller 4 Extremitäten gleichmässig und mit gleicher Ausgiebigkeit aoa-
geffibrt, erwiesen sich nur linksseitig etwas ungeschickter in der Ausführung, be¬
sonders im linken Fus^elenk. Die passiv bew^ten Extrenütäten blieben in jeder
g^ebenen Lage und Stellung und wurden auf Befehl activ in jede beliebige Lage
und Stellung verbracht — Hinsichtlich des Ganges lieas sich ein Unterschied
zwischen dem rechten und Unken Bein nicht wahmehmen, doch machte es bei deo
hänflg wiederholten Beobachtungen „einmal** den Eindruck, als ob der Kürper vom
rechten Bein etwas rascher auf das Unke hinübeigelegt werde.
Während sich die HantempfindUchkeit bei Prüfung mit Pinaelstriehen als
durchweg intaet erwies, ei^b die Prüfung der SensibiUtät mit Kadelsticben sehr
verschiedene Resultate, bei den öfters wiederholten Untersuchungen wechselnd swiscbmi
den rechten und linken Extremitäten, und schwankend in der Intensität, so dass
eben nur eine Hypästhesie als solche mit Sicherheit fes^esteUt werden konnte. —
Die Triceps-, Kniesehnen« und Perioetreflexe zeigten sich erhalten. — Es bestand
Tremor der Fii^er der Unken Hand beim Vorstrecken und bei Bewegni^en, keiner
in der Buhe, ebensowenig ein solcher des Beines. — Contracturen konnten nirgends
festgesteUt werden.
Die elektrische Prüfung ergab für beide Stromesarten nnd für aUe 4 Extremi¬
täten gleich gute Erregbarkeit, nur für die Finger der linken Hand war sie für den
galvanischen Strom herabgesetzt; die elektrische Empflndlichkeit dagegen war flbeiall
die gleiche.
Im Uebrigen konnte an dem Körper nichts Patholi^iscbes nächgewiesen werden.
Insbesondere waren die Himnerven absolut frei; Popillarrefleze, sowie Augenbewegungmi
in Ordnung; Trigeminus rein empfindUch. Der Facialis erwies sich in allen seinen
Theilen und beiderseits vollkräftig und gleichmässig, so dass keine Spor einer
Qesichtsverzermog zu bemerken war; die Zunge wurde gerade heraasgestreckt und
zeigte fibrilläres Hnskelzittem; die Sprache war ohne Besonderheiten; Geschmack
und Geruch wurden als in Ordnung befindUch ai^egeben; Schwindel, Doppelsehen
und etwaige darauf beruhende Unsicherheit in den Bewegungen in Abrede gestellt
Bewegungen und Drehungen des Kopfes auf dem Halse geschahen activ und posrnv
ganz fret — Am Herzen Hess sich nichts Pathologisches nachweisen; die Gefaas-
Wandungen waren ohne abnorme Härte.
Die IntelUgenz konnte dem BUdungsgrade entsprechend geachtet werden, doch
Hess das Rechnen Lücken erkennen, die fiUber nicht vorhanden gewesen sein soUea;
obzwar die Sprache keine Abnormitäten aufwies, konnten doch die berühmten Para¬
digmata nicht glatt naehgesprochen werden; aUerdings macht die Frau im aUgemeinen
einen etwas altersschwachen Eindruck, von körperUchem und geistigem TerfalL
Wir haben also kurz zusammengefasst:
Snbj.: Alter von 62 Jahren; Sturz vor 2 Jahren eine Treppe herab; &•
schrecken vor I Jahre ohne nennenswerthe Veranlassung; Aphasie von minuteo-
langer Dauer; wenige Stunden später eintretende Unksseitige Parese des Armes
und der Hand; nach einigen Tagen auftretende Parese des Unken Beines, mit
1127
Käit^ffthl und Kribbeln in demselben; Schmerz und ein gewisses Steihgkeits*
gefuhl im Hinterkopf und Genick; Abnahme des Gedächtnisses und der Sehkraft
Obj.: HimnerTen durchweg frei; Atrophie der Muskulatur des linken Armes
and Beines; Spasmen im linken Arm, jedoch keine Gontracturen; Tremor der
linken Hand; vielleicht leichte Herabsetzung der Kraft im linken Arm und Bein;
Sensibilität in den Extremitäten herabgesetzt und wechselnd; Reflexe durch*
gehende in Ordnung; am Gange höchstens eine geringe Schwäche des linken
Beines, die ofienbar nicht immer vorhanden ist; passive und active Bew^ungen
in sämmtlichen Gelenken aller 4 Extremitäten ausgiebig möglich, mit geringer
Einschränkung der linken Hand; gleichmässige galvanische und faradische Er*
r^barkeit in gleicher Ausdehnung wie eben; — Imbecillitas senilis leichteren
Grades (unter Herabsetzung der Denkkraft und der Spraohfahigkeit).
ln diesem Bilde könnte fast jedes Symptom einzeln für sich, manche davon
auch miteinander vereint als Folge eines vor 1 Jahre eingetretenen apoplectischen
Insnltes gelten; besonders in Berücksichtigung des hohen Alters, der „gewissen“
Plötzlichkeit des Auftretens und der in psychischer Err^fung bestehenden
Ursache.
Gegen die Annahme eines solchen aber sprechen folgende hochbedeutende
Erwägungen:
1. Aphasie tritt nur ein, wenn der Erkrankungsherd die „linke“ 3. Stirn-,
die sogen. BnooA^sche Windung triflt Nehmen wir nun an, der Herd liege
linksseitig, so müsste bekanntlich die Lähmung die rechten Extremitäten be¬
treffen; anderen Falles müssen wir bei linksseitiger Extremitätenlähmung, wie
solche hier vorliegt, den Herd in die rechte Himhälfte verlegen, und dann wäre
die Aphasie nicht zu erklären.
2. Aphasie nach Apoplexie verschwindet nie nach wenden Minuten, sondern
braucht im besten Falle einige Tage; wohl aber wissen wir, dass das „Versagen“
der Sprache auf psychischer Ursache — wie im vorli^enden Falle — meist
nach kurzer Zeit wieder behoben zu sein pflegt.
3. Wenn es zwar nicht das Gewöhnliche ist, dass die Hemiplegie der
Extremitäten nach Apoplexie so langsam anftritt, und allmählich sich erst aus¬
bildet, so finden wir doch derartige Erscheinungen in der Litteratnr veizeidmet
Aber haben wir denn hier bei unserer Patientin überhaupt eine Halbseiten¬
lähmung, wie solche nach Bluterguss ins Gehirn oder Bückenmark stets ge¬
funden wird? oder auch nur vorliegen gehabt? Ich glaube nicht, dass dies der
Fall gewesen ist, denn Patientin spricht nur von einer allmählich aufgetretenen
„Schwäche“ in den linken Extremitäten, giebt jedoch auf Befrt^en an, dass sie
„alle“ Bewegungen damit habe ausführen können, nur eben habe die eigentliche
Kraft zur Arbeit gefehlt. (Während des Vortrages bestätigt der damals bdian-
delnde Arzt diese Angaben.) Es fehlt also durchaus die „schlaffe“ Lähmung,
das sogenannte „Abgestorbensein“ der Gliedmaassen, wie der Volksmund es be¬
zeichnet.
4. Ganz besonders auffallend ist das Fehlen jeglicher Gesichtsverzerrung,
d. h. der Lähmung der Gesichtsmuskulatur, sowie des Gaumens und der Zunge,
D g : 7cd / G OOglC
1128
die doob bisher noch nie nach einem apoplectisdien Insult noch so gmingei
Art — der aber doch Aphasie bezw. Gliedmaassenschwäche mit sich geführt
hat — an^blieben ist
5. Als Folge Ton apoplectiscben Läbmnngen sehen wir wohl ContiactareD
auftreten, welche die Freiheit der Extremitätenbew^nngmi in den Gelenken
einsohränken; im vorhanden Falle ist nichts derartiges vorhanden. — Nie aber
sehen wir, wie hier, leichte Mnskelspasmen, die wohl eine Sohwerfalligkät in
der Bewegung, nicht aber eine Behinderong erzeogen, und wahrscheinlich auch
die Schuld an der Yermindemng der Kraft tr^n.
6. Endlich müssen wir Doch die Herabsetzung der Sensibilität berück*
sichtigen; dieselbe ist nach einer Apoplexie auf der gelähmten Seite zunächst
herabgesetzt, erholt sich aber im Laufe der Zeit wieder; bei unserer Patientin
aber ist sie heute noch unterwertiiig, vor allen Dingen aber wird sie wechselnd
bald auf der gesunden, bald auf der kranken ^te als schwächer erklärt,
während Apoplectiker ihre Angaben immer sicher machen, und stets die ge¬
lähmte Seite als die minderempfindliohe bezeichnen.
Alle anderen Erscheinungen, wie der Tremor manns sinistr., die Parästiie-
sieen, die Atrophia mnsculorum sinist, sind differential-diagnostisch nur uratcher,
also für uns gar nicht zu verwwthen. Denn der Trem. man. und die Par*
ästhesieen finden sich in sehr vielen Erankheitsbüdem; die Muskelatropbie ist
höchstwahrscheinlich auf die Inaotivität zurüokzuführen, worauf auch die für
beide Seiten gleicbgebliebene elektrische Err^barkeit hinweist. — Intellectuelle
Schwäche endlich, wie wir solche an unserer Patientin fratstellen, kann öfters
als Folge von Apoplexie beobachtet werden. In unserem Falle jedoch glaube
ich dieselbe gerade entg^engesetzt auffassen, sie für den Ausgangspunkt des
vorhanden Sjmptomencomplexes halten, und das Krankheitsbild folgender-
maassen deuten zu müssen:
Die Pat, vor 2 Jahren bereits 60 Jahre alt, und in Folge Arbeit und des
Lebens Lasten altersschwach, stürzt eine steinerne Treppe herab, ohne besondermi
sichtbaren Schaden zu nehmen; dennoch ti^ dieser Dnfoll doch zweites
dazu bei ihre p^chische Kraft zu verringern. 1 Jahr später tritt eine plötzliche
psychische Erregung an ihr durch das vorbenannte Trauma geschwächtes Nerven¬
system heran und erzeugt jene vorhanden Erscheinungen, die sich unter der
Diagnose der hysterischen Neurose, bezw. hysterischen Hemiplegie sehr gut ver¬
einigen lassen.
Denn das mit diesem Namen bezeichnete Erankbeitsbild gestattet ein
Zusammenauftreten einer Aphasie, die Minuten lang dauert und sich dann
langsam löst mit einer linksseitigen Extremitätenschwäche; in ihm nimmt jene
Schwäche Monate lang zu, um dann lange Zeit auf gleidier Höhe stehen zn
bleiben; in ihm tritt plötzlich GUedmaassenlähmnng „ohne“ FaciaUspareee auf;
in ihm finden wir Muskelspasmen oder spastisch-paretische Bew^fongen wa
Arm und Bein zur Erscheinung kommen; und vor sdlem ist gerade ihm eigen-
thümlich jene Unsicherheit und Schwankungen in den Sensibilitätsempfindungec
und Angaben. Nehmen wir noch die Angaben der Patientin hinzu — und
iT, vGoogIc
1129
wsnun sollten wir an denselben zweifeln —, dass sie ihre Kraft sich heben
bemerke, seitdem sie Ton mir elektrisirt wird, dass ihr manche Arbeiten jetzt
schon möglich seien, die sie das ganze Jahr hindnrch nicht habe Terricbten
können (m. R! es geht doch Nichts über die elektrische Suggestion!), so meine
ich, dass im vorliegenden Falle die Diagnose: Hemipl^a hjsterica, nicht aber
apopleotica, voUberecht^ sei
Zum Schluss möchte ich noch erwähnen, dass differential-diagnostisch auch
vieUeioht die Forme fruste der multiplen Sklerose, die auch in spateren Jahren
auftreten kann, in Erwägung zu ziehen wäre, besonders wenn wir die V^er-
ändemngen berücksichtagen, welche die senile Involution im Gehirn hervorbringt,
dass mir aber der Mangel jeglidier Augen- und Augenmuskelerscheinungen, das
Fehlen der scandirenden Sprache und b^nders die Art der Sensibilitätsstörungen
g^n diese Annahme zu sprechen scheinen.
II. Referate.
Anatomie.
1) N’ote on a modifloatlon of tbe Welgert-Fal method for paraffin seotions,
by E. Laslett (Lancet. 1898. 6. Angnsi)
Verf. schlägt folgende Methode vor:
1. Zweiwöchentliche Härtung in Mflller’scber Flüssigkeit.
2. Einlegen kleiner Stücke von 2 mm Dicke in Harchi’sche Flüssigkeit für
1 Woche.
3. Aaswaschen nnd Paraffineinbettnng in üblicher Weise.
4. Schneiden, Aufkleben der Schnitte auf den Objectträger mit Wasser, Ent¬
fernung des Paraffins.
5. 12stflnd^e8 Färben in Essigsäorehämatoxylinlösung.
6. Weiterbehandlang nach der Pal’schen Methode. Th. Ziehen.
3) Die mikroskopiaohen Untersuohungemethoden des Auges, von Dr.
8. Seligmann in Berlin. (Karger. Berlin. 1899.)
Das vorliegende Bach wird den Ophthalmologen and Neurologen in gleicher
l^eise willkommen sein. Die Leitffiden der histologischen Technik behandeln im
allgemeinen das Sehorgan in einer für den selbständigen Untersacher nnzoreichenden
Peise. Diesem Mangel sollte die Arbeit des Verf.’s abhelfen. Sein Bach zerfällt
i einen allgemeinen nnd einen speciellen Theil. In dem ersten wird nach den ein-
»iienden Capiteln über die erforderliche Beschaffenheit and Gewinnnng des Materials,
le Orientirong am Augapfel, die Präparation und Conservirung desselben, die Her-
ellung des mikroskopischen Präparates, die Darstellnng der nervösen Elemente und
hliesslich die Darstellung besonderer normaler and pathologischer Zell- und 6e-
sbsbestandtheile behandelt, ln dem Capitel Über die Herstellang des mikroskopischen
-äparates giebt der Verf. nicht allein eine specielle Färbetecbnik des Auges, sondern
ig |i/od oy CjOO^Ic
1130
schildert auch die in der mikroskopischen Technik flir die Beretellung ge&bUr
Dauerpräparate allgemein geltenden Procednren (Fixiren, Einbetten n. s. w.). Daducli
macht er demjenigen, welcher sich seines Buches bedient, den Gebrauch anderw
technischer Leitfaden vollkommen entbehrlich. Die eingehende Behandlung der
Oolgi’schen Imprägnationsmetbode und der Ebrlich’schen vitalen MethylenUan-
methode wird dem Neurologen besonders angenehm anffallen. In dem 2. Theil wird
für jeden Organtheil des Auges (Cornea, Sclera u. s. f.) die Darstellung seiner einielnen
Bestandtheile genau erörtert. An Ausführlichkeit und Klarheit der Schilderung lässt
das Buch nichts zu wünschen Übrig. Sein Werth wird dadurch noch erhöht, das
jedem Capitel eine sehr sorgßltige Zusammenstellnng der einschlägigen LiUeratur
angefögt ist. Uax Bielschowsky (Berlio).
Experimentelle Physiologie.
3) l. Le mäoanlsme et la slgnifloatlon de Pätat monlUfbnne des neuronee,
par Jean Demoor. (Travaox du laboratoire de Tinsbitut Solvay. II.) —
II. Le sommeil hibernal et les modifloations des neurones ^rdbranx,
par Louis Querton. (Ebenda.)
Die beiden vorliegenden Arbeiten behandeln die Frage nach der „amoeboidm
Beweglichkeit“ der Neurone und beide beantworten sie in bejahendem Sinne. Qenan
ebenso, so etwa deduciren die Verff., wie wir einen einzelligen Organismus (Amoebe,
Lenkocyt) auf einen jeden Beiz, der denselben trifft, durch Einziehung seiwr
Pseudopo^en reagiren sehen, so muss auch der „einzell^e Organismus emes
Neurons“ auf Beize, die ihn treffen, durch Veränderungen in der Vertheilaog
seines Protoplasmas reagiren können. Und wirklich behaupten die Verff. (wie sncb
schon vor ihnen manche Autoren) gewisse Veränderungen im Protoplasma der
Ganglienzellen und ganz besonders in deren Protoplasmafortsätzen und den Appen*
dices piriformes beobachtet zu haben, welche auf Beize, die das betreffeode
Neuron trafen, sich entwickelten. Diese Beize konnten non sehr mannigfaltigw
Natur sein: bald waren es Gifte (Morphin, Chloroform n. s. w.), bald waren tß inswe
Beize (Schmerz, Ermüdung), bald waren es Temperaturscbwankungen (Abkühlung).
Je nach der Intensität des einwirkenden Reizes waren die VerändemDgen owbr oder
weniger stark entwickelt: bald handelte es sich nnr um leichte Verdickungen (dtat
monoliforme) der äussersten Ausläufe der Protoplasmafortsätze, bald waren die leMsm
stärker afficirt, kugelig aufgetrieben oder sogar in eine Beihe von perlenart^en obne
Zusammenhang flottirenden Gebilden zerfallen. In diesen fortgesc^ittensten Stadien
war eine Bestitutio in integrum natürlich ausgeschlossen, die leichteren Veränderangeii
aber, insbesondere z. B. nach Morphinvergiftung, gingen mit Nachlassen des Beo«
wieder zurück. — Was die physiologische Bedeutung dieser Veränderungen, welch«
Übrigens die Verff. auch durch Photograpbieen deutlich zu machen sich bemBhoi.
anlangt, so liegen dieselben noch völlig auf dem Gebiet der Hypothese. Insbesondere
moBs der Versuch, den natürlichen Schlaf und den Winterschlaf durch eine Lösufig ,
der „associativen Verbindung zwischen den verschiedenen Neuronen“ zu erkläna '
als verfrüht bezeichnet werden. — Erwähnt sei noch, dass die geschilderten Vv- j
ändemngen sich ansschliesslich im Gehirn and in den Sinneszellen (Olfactoiiv) j
nach weisen Hessen; die Zellen des Rückenmarks wurden stets unverändert befund«
und auch im Gehirn zeigten sich die verschiedenen Zellenlagen nnd die verschied»«
Centren in sehr wechselndem Maasse befallen. W. Cohnstein (Berlin)-
Google
1131
4) Die Wirkung der Narootioa auf die motorieohen Vorderhomzellen des
B&okenmarks, von Dr. Arthur Fränkel in Berlio. (Aas einer von der
Berliner ined. Facultät gekrönten PreisachrifL Berlin. 1898.)
Verf. will durch seine an Kaninchen nnd Hunden angestellten Versuche ent¬
scheiden, ob die Narcotica auf die' motorischen Vorderhomxeller des BQckenmarks
wirken. Bei geringer Dosiruog ist entsprechend der klinischen Erfahrung, nach
welcher keine fnnctionelle Störung des Bfickenmarks beobachtet wird, auch anatomisch
eine Einmrkong von Tomherein nicht zu erwarten. Für die Arbeit des Verf.’s
kommen also nur die schwereren Vergiftungen mittelst der Narcotica in Betracht.
F&r die mikroskopische Untersnchnng hat Verf. sich ansschliesslich der Nissl’schen
Methode bedient Er stellte fest, dass Strychnin, Brncin, Tbebain nnd Pikrotozin
deutliche and constante Veränderungen an den motorischen Vorderhomzellen erzeugen;
dagegen ergaben Morphin, Chloralhydrat, Chloroform, Aether nnd Carare solche Ver¬
änderungen nicht.
Das Endergebnis ist: Die motorischen Vorderboruzellen des Bflekenmarks werden
durch die Narcotica auch in starker Dosis nicht gelähmt
Moritz Fürst (Hambnrg).
Pathologische Anatomie.
5) Nouvelles reoherches sur les lÖBions des oentres nerveux oonsdoutiAi
A rarraohement des nerfs, par Marinesco. (Bulletins et mömoires de la Soc.
mdd. des Uöpitauz de Paris. 8öance du 10 jnin 1898.)
Verf. riss Hunden sowohl Hlm- wie Bückenmarksnerven vollständig aus und
beobachtete dann nach 10 Tagen an den Zellen der betroffenen Seite theils partielle,
tbeils totale „Achromatose*' (d. b. Fehlen cbromatophiler Elemente). Der Kern ist
in einzelnen Zellen geschwollen, in anderen ist seine Form nnd sein Volumen ge¬
ändert Bei vorgeschrittener Ächromatose ist der Kern atrophirt, er liegt im Centrum
oder an der Peripherie der Zelle. Der Nucleolns bewahrt im Beginn der Aehro-
matose Form nnd Tinctionsfähigkeit später ist er atrophirt nnd von unregelmässiger
Form, schliesslich — bei absolnter Ächromatose — kann er vollständig schwinden.
Neben diesen Zellveränderongen findet man auf der Seite des ausgerisseuen Nerven
Degeneration der Wurzeifasera und locale Entzündung der Pia. Die chromatischen
Qrannlationen, welche man in einzelnen nncleolusfreien Zellen beobachtet, scheinen
von der Auflösung des Nucleolns in seine Elemente, wenigstens zum grössten Theile,
herznrühren. Es würde sich demnach um eine Cbromatolyse des Nucleolus bandeln,
für welche allerdings ein so starkes Trauma, wie es die Nervenausreissung ist, notb-
wendig erscheint Die Forschungen des Verf.’s zeigen, dass der Nncleolus aus einer
Menge von Granulationen gebildet ist, welch’ letztere eine homogene Substanz zu-
sammenhält Ferner bestätigen sie die Ansicht, dass das Volumen des Nncleolus
Veränderungen znlässt. Kart Mendel.
6) Sülle alteraslonl del sistema nerroso centrale nella inanieione, per
L. Daddi. (Bivist di patolog. nerv, e ment III.)
Die Verändernngen des Nervensystems durch Hangern sind keine sehr schweren
und stellen sich erst nach längerer Zeit ein. Bei einem nach 9 tägigem Hungern
getödteten Hunde, dem jedoch täglich mittelst Scblandsonde Wasser eingeführt wurde,
fand Verf. die Nervenzellen ohne nennenswerthe Erkrankungen. Letztere entwickeln
sich langsam, wenn der Inanitionsprocess ein langsamer ist; schnell, wenn dies^
rascher vor sich geht
■' Google
1182
Hauptsits der Yerftndenragen waren die SpinalgangUen, Klein* and GroesUn;
sehr wenig oder gar nicht hetroffen Bflokenmark und Bnlbos. Die Iiäsionen bestudeo
in Chromatoljse und leichter Bareficimng bis Vacaolenbildong in der achromatieden
Substanz. Kern und Hocleolos blieben normal
Die gefundenen Läsionen fähi» Verf. auf die allgemeine Unteremährong. Zur
Annahme einer Autointoxieation siebt er keinen Gmnd. Dass das Chromitin fflr
die Zelle eine Nährsnbstans sei, glaubt Terf. ans seinen Befanden nicht mit ächv*
beit schliessen sn können. Wenn dem so wäre, mflsste es proportional dem allge¬
meinen Yerfall schwinden und deshalb ansgiebiger geschädigt s^ als es der Fall war.
Yalentin.
7) ITuowe rioerohe sperlmentall sul potere batterioida del sangoe degU
animali in rapporto alle auto-infezioni degli alienatt, per C. Ceni.
(Bit. speriment di Freniatria. XXIY.)
Beim acnten Deliriom and anderen mit grosser motorischer Unmhe tinhw-
gebenden Geisteskrankheiten hatte Yerf. pyogene Bakterien im Blnte gefnndmi. Er
reizte nun Thiere dnreb stark faradische Ströme bis znr Erschöpfong und fand, da«
die bakterientödtende Kraft des Blntes dieser Thiere nach korzem Ansteigen in dw
Periode der Ermfldung bis znm G^entheil des Normalen sinkt, so dass das Blot
dieser Thiere ein gnter Nährboden Ar l^phosbacillen wird. Es kann die Yerminde'
mng des baktericiden Yermögens des Blnt^ den Zeichen der Brscböpfnng des Thieree
Toransgehen. Und auch bei der Autoinfection der Geisteskranken kann man oft
pathogene Keime im Blnte finden, ehe der Kranke Symptome der Depreemon oder
des Oollapses zeigt Yalentin.
8) Sol oompoTtarsl dell’ alo^initi del songue in alonne forme psioopatiohe
e neu* epilessla, per A. Lni. (Bi?, speriment di Freniatria. KXIY.)
Die Untersnchnngen des Yerf.’s erstrecken sich auf Fälle von acnter nnd chro¬
nischer Manie, Melancholie, Dementia paralytica, Pellagra, Alkoholismns und Epilepsie.
In den normalen Grenzen schwankte die Blutalkalescenz bei der Melancholie und bei
der acuten Manie, während sie bei der chronischen meist geringer war. Niedrige
Ziffern erhielt Yerf. anch bei Paralytikern in allen Stadien; während epileptiformer
Anfölle sank der Alkaligefaalt vorftbergehend. Das Blut chronischer Alkoholiker
ergab eine ziemlich hohe Alkalescenz. Bei Geisteskranken, in Folge Pellagra, saat
diese unter das normale Mittel bei den gewöhnlichen Formen, noch stärker bei F&Ueo,
die starke Intoxicationserscheinnngen zeigten, während sie bei den der Heilung uhen
sich wieder hob. Das Blut reagirte ferner während oder unmittelbar nach einen
epileptischen Anfall weniger alkalisch, als in den fteien InterTallen; eine constanU
Herabsetzung der Alkalescenz fand sich zur Zeit gehäufter Anfälle. In der Zeit
zwischen zwei Anfällen schwankte der Alkaligehalt um die unteren DonDsieo
Grenzen.
Die Herabsetzung der Blutalkalescenz ist im Yereine mit anderen SymptooH
ein Zeichen der Yerlangsamung des Stoffwechsels, nnd bei der Wichtigkeii ^e d«
Alkaligehalt des Blotes Ar die Besorption hat, und bei den Beziehungen, waldie
zwischen Intoxication und Aendenmg der Blutalkalescenz bestehen, vielleicht getigiwt,
ein Licht auf die Pathogenese mancher Fälle, namentlich von Epilepsie und PellagiZi
zu werfen. Yalentin.
1133
Pathologie des NerTensjstems.
9) Night terrors, par Prof. Soltmann. (Änaales de Mddecme et Chirurgie in-
faotUes. 1898. 15. Sept.)
Terf. giebt eine kurze Darstellung der Symptomatologie, Pathogenese, Pri^ose
und Therapie des Pavor noctnmns. ln der viel umstrittenen Frage nach den Ur¬
sachen dieser jBLrankheit citirt Terf. die verschiedenen Meinungen der Autoren, ohne
sich nach einer bestimmten Richtung hin zu entscheiden. Die Entstehung des An-
hüles seltmt erkl&rt Terf. durch periodisch wiederkehrende Reizungen im Verlauf der
Sehbahnen. Oie Prognose ist, wenn kein anderes Leiden (z. B. Epilepsie) dahinter¬
steckt, gdnstig. Bei der Therapie bevorzugt Verf. allgemeine Eräftigung, namentlich
warme Seeb&der, während er Brompräparate in zweite Linie stellt, Opiate ganz ver¬
meidet (Die neuere Arbeit von Rey, welcher den Pavor noctnmus neuerdings auf
adenoide Vegetationen im Nasenrachenraum und dadurch entstehende weitergehende
Kohlensäureintozication zorftckftlhrt, ist im vorliegenden Aufsatz noch nicht ber&ck-
sichtigt Ref.) Zappert (Wien).
10) Ueber EpUepsis ohoreioa, von Prof. W. v. Bechterew in St. Petersburg.
(Deutsche Zeitschrift fflr Nervenheilkande. 1898. XIL)
In dem mitgetheilten Fall handelt es sich um den wahren Zusammenhang
zwischen Epilepsie und choreaartigen Oliederconvulsionen und nicht um eine Goin-
cidenz beider Krankheiten. Bei dem Herannahen des epileptischen Anfalls nehmen
die Zuckungen an Stärke zu und setzen nach Ablauf desselben eine Zeit lang ans.
Verzögert sich der Eintritt des epileptischen Anfalls, so werden die Zuckungen sehr
stark. Der Anfall selbst stellt sich nur als eine mit Bewusstseinsverlust einher-
gehende Steigerung der Choreaconvulsionen dar. Stärkere epileptische Anfälle ver¬
mögen die Intensität der Zucknngen erheblich herabzusetzen. In dem beobachteten
Falle bildete die Epilepsie das Ornndleiden, war dann eine Zeit lang latent nnd
brach später von Neuem ans, nachdem kurz vorher, veranlasst durch einen stärkeren
Affect, zum ersten Male krampfartige Zuckungen und Stösse des Körpers hinznge-
kommen waren. Mit Rflcksicht auf die nahen Beziehungen zwischen diesen Convul-
sionen und dem epileptischen Anfall, schlägt Verf. fflr diese Kninkheitsform den
Namen Epilepsia choreica vor. E. Asch (Frankfurt a./H.).
11) Bin Fall von Bpilepaie naoh lange dauernder Donohe auf den Kopf^
von M. Breiting in Coburg. (Deutsche med. Wochensehr. 1898. Nr. 39.)
Der 16jährige Knabe H., hereditär nach keiner Richtung belastet und bis anf
leichte Masern stets gesund, nahm im Jahre 1892 nach starker Erhitzung durch
Laufen eine Douche nnd zwar -Stand er wenigstens Stunde unter der Brause nnd
Hess sich dieselbe so recht gerade anf den Kopf prasseln. Heimgekehrt, war der
Knabe sehr aufgeregt und bekam am nächsten Morgen einen typisch-epileptischen
Anfall, dieser blieb nicht vereinzelt, es entwickelte sich vielmehr Epilepsie. Verf.
fand bei der .Untersuchung im April 1898: weite, träge reagirende Pupillen, Herab-
aetzong der Hörfäh^keit links fflr Ton- und Sprachgehör, Abweichung der Zungen¬
spitze nach rechts, Beeindnssung der Intelligenz in malam partem, keine ausgesprochenen
Hjperästhesieen oder Hypalgesieen.
Die Anfälle binnen mit Kribbeln und Jucken der linken Hand. Verf. fasst
die Epilepsie als traumatisch auf, bedingt durch die anhaltende Douche, und hält es
f&r dringend nothwendig, mindestens durch Plakate in den Badezellen darauf hinzu-
weisen, dass es gesundheitsschädlich ist, sich den Strahlen der Douche so auszu-
1134
setzen, dass sie den Kopf senkrecht treffen, and dass flberbanpt einzig und aHeis
richtig das Wasser den oberen Tbeil des BQckens und der Bmst peitschend n
treffen bat B. Pfeiffer (Cassel).
12) Zur Aetiologle der Epilepsie, von Dr. Wildermntb. (Festschrift des
Stuttgarter ftrstllcben Vereins. X897.)
Verf. bespricht in dieser Arbeit die Bedeutung des chronischen Alkoholisaos
und der ScbädeUerletsnogen für das Zostandekommen der echten Epilepsie. Unter
210 Epileptikern, die er in den letzten 6 Jahren behandelt bat und von denen er
eine zoTerlSssige Anamnese erbeben konnte, sind 6 Alkoholiker, die zweifellos Trink«
waren, ehe sie epileptisch wurden. Bei 3 von diesen 6 war indessen dem Alkohol¬
missbrauch ein schweres Schädeltrauma roraufgegangen, so verbleiben demnach nur
1,4 von reinem Alkoholismus. Diese 3 Fälle gehören zu den 48 Kranken, bei
denen die Epilepsie nach dem 20. Lebensjahre aufgetreten ist; legt man diese Zahl
zu Qronde, so erhält man 6,2 Alkoholismus als Ursache d« Epilepsie.
Wesentlich anders sind die Ergebnisse, wenn man von einem wegen des Alkoholismus
in ärztliche Behandlung und Beobachtung tretenden Krankenmaterials au^ht (wie
die Statistiken von Westpbal, Fflrstner, Moeli und Siemerling). Wir m&ssen
daher die Alkobolepilepsie und die echte Fallsucht grundsätzlich trennen, sell^ wenn
es nicht gelingen sollte, scharfe klinische Unterschiede zwischen der einen und d«
anderen zu finden. Andererseits wird nicht geleugnet, dass wiriitige mannig¬
fache Beziehung zwischen Alkoholismus und Epilepsie bestehen; so kann ein mn-
maliger Alkoholexcess, gleichsam als agent provocateur bei einem Veranlagten die
Epilepsie zum Ausbruch bringen. Weit wichtiger ist die Thatsache, dass die Trunk¬
sucht eines der Eltern oder beider bei den Kindern Epilepsie erzeugen kann. Bei
146 Patienten fand sich erbliche Belastung in 49 ^/g. uäbei stellt sieh für eine
procentaale Berechnung der belastende Moment heraus, dass die Trunksucht d«
Eltern mit 21^/g an zweiter Stelle rangiil
Scbädelverletzungen Hessen sich unter 210 Kranken 8 Mal, d. h. in 3,8
nachweisen. 2 andere Beobachtungsreihen ergaben dem Verf. 2, bezw. 47o- Ib
allen Fällen bestand das Trauma in Schlag oder Fall auf den Kopf. In der Mefa^
zahl waren unmittelbar nach der Verletzung Erscheinungen von Himerschfitterung
vorhanden. Die Zeit des Auftretens der ersten epileptischen Zustände nach dem
Trauma betrog in 6 von 8 Fällen nicht mehr als 1 Jahr. 4 Fälle waren sich«
erblich belastet; bei dreien nur wies der weitere Verlauf typische Anfälle anf, bei
den anderen nur verschiedene Formen der epileptischen Bewusstseiusstörong. Auch
hier wird in der Mehrzahl der Fälle die Verletzung nur als Gelegenheitsuisadie fBr
den Ansbruch des latenten Leidens anzusehen sein. Martin Bloch (Berlin).
13) Hereditary nenrotio condition and aoqnired inatabUlty and diaoaee
aaaoolated wlth crime, b; Hen; Ljle Winter. (New York Medical Joom.
1897. Vol. LXVL 8. 621.)
Im Anschluss an die Beschreibung eines Patienten mit schwerer nervöser Be¬
lastung, zahlreichen Degenerationszeichen und psychischen Attaquen betont Verf. die
hohe forensische Wichtigkeit der psychischen Epilepsie, den Mangel unser« die»-
bezQglichen Kenntnisse and die Unzulänglichkeit des Qericbtsverfahrens im gegebenee
Falle, z. B. bei Anklage wegen Mordes. Es sollte die Begutacbtung zunädist Sache
einer ärztlicbeu Commission sein, diese könnte dann nach eingehender UDtersuebunr
dem Gerichtshof eine wissenschafUiche Grundlage Bir die Leitung der Verhandlongea
and die Fällung des Urtbeils an die Hand geben. B. Pfeiffer (Cassd).
1185
14) Der Werth der Beseotion des Halssyxnpathicua bei gemeiner Epilepsie,
nebst einigen Beobachtungen und physiologischen Versuchen über
Bympathlouslähmung, von Dr. Julius Douath, Universitätsdocent in Buda¬
pest. (Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 16.)
Yerf. Hess in 3 Fällen von gemeiner Epilepsie and in 1 Falle von Hirntomor,
welcher gemeine Epilepsie vortanscbte, die Besection des Balssjmpathicos vornehmen.
1. Fall: 20jähriger Maschinenmeister. Seit 2 Jahren epileptische Anfälle.
Geringer Grad von Demenz. Bromkalibehandlung erfolglos. Am 20. Jnli 1897
beiderseitige Exstirpation des Ganglion sup. des Halssympathicus. Am 8. August
4 starke AnföUe; weiterhin nach mehrwöchentlichen Intervallen immer durch mehmre
Tage häufige Anfölle.
2. Fall: 22jähriger Tagelöhner, seit dem 3. Lebensjahre nach einem Schreck
anfangs täglich, später allwöchentlich epileptische* Anßlle. Bromkallbehandlnng er¬
folglos. Rechte Papille etwas abgeblasst, Gesichtsfelder temporalwärts eingeschränkt.
Seh' und Hörschärfe links herabgesetzt, ebenso der Geruchssinn. Leichtes Stottern.
Am 7. August 1897 beiderseitige Excision des Gangl. sup. und eines Stückes des
zwischen diesem und dem Ganglion medium liegenden Stückes des Grenzstranges.
Kach 4—5 Wochen Wiederkehr der Anfälle in derselben Häufigkeit, wie vor der
Operation.
3. Fall. ISjähriger Fleischeigehülfe, seit dem 8. Lebensjahre epileptische An¬
fälle in steigender Häufigkeit, in letzter Zeit mitunter 50 täglich. Normaler Nerven-
Status bis anf beiderseitige Herabsetzung der Hörschärfe. Operationen wie im
2. Fall; kein Einfiuss auf die Häufigkeit der Anfälle.
4. Fall. 23jähriger Geschäftspraktikant. Seit dem 9. Jahre Krämpfe nach
einem Schrecken, in 3—4 monatlichen Intervallen, später in zunehmender Häufigkeit,
oft von Erbrechen begleitet. Als Verf. im Jahre 1892 Pat. zum ersten Male sah,
bestand seit 6 Wochen rechtsseitige Hemiplegie mit Betbeilignng des ganzen Facialis
derselben Seite. Unter Boraxbehandlung verschwand die Lähmung rasch und er blieb ein
Jahr frei von Anfällen. Zeitweise Benommenheit oder Schmerz in der Scheitelg^end.
Die Hemiparese kehrte dann vorübergehend wieder, und es betrafen auch die epilep¬
tischen Anfälle vorwiegend die rechte Seite. Die Aogenuntersuchung ergab: Myopie,
Atrophia nervi opt. o. u., Strabismus divergens o. s., starke coucentrlsche Gesicbts-
feldeinscbränkung beiderseits, centrales Scotom links. Im September 1893 Haaraus¬
fall und entzündliches allgemeines Hauterythem, ersterer auf Faradisation der
Schädelhaut, letzteres auf Aussetzen der Boraxmedication schwindend. Anfälle bis
Jani 1896 oft in mehrmonatlichen Intervallen. In diesem Monate Besection eines
3 cm langen Stückes aus dem oberen Theile des rechten Halssympathicus und des
Ganglion fusiforme. Anfälle persistiren; nach 2 Wochen erliegt Patient einem
Status epilepticus.
Obduction: Osteom in der Seiten wand des linken Vorderhomes, beginnend 3 cm
hinter dem Polos frontalis nnd endigend entsprechend dem Sulcus frontalis.
Interessant sind bei diesem Falle das epileptische Moment (Schreck), das Fehlen
bleibender motorischer Lähmungserscheinungen trotz des 14jährigen Bestandes der
Epilepsie, und der Mangel aller Symptome, welche für Stimhirngeschwülste angegeben
werden: Ataxie, Schwäche der Kopfbewegungen oder der Rumpfmuskulator und Witzei-
encbt I)ie vorübergehende Hemiplegie war offenbar ein Nachbarscbaftssymptom,
bedingt durch rascheres Wacbstbum des Tumors. Die Abwesenheit von Uerderscfaei-
nnngen dürfte in der Einübung compensatoriscfaer Bahnen begründet sein.
Diese 4 Fälle beweisen die völlige Wirknngslosigkeit der beiderseitigen Besection
des oberen Halsganglions nnd des zwischen diesem nnd dem Ganglion medium ge¬
legenen Stückes des Grenzstranges auf die epileptischen Anfälle. Der Grund liegt
darin, dass die Gefässlähmung in den nächsten Tagen wieder schwindet, da die
,Googlc
nse
Bla^ef&ase des Kopfes wahrscheinlich nicht nur vom Sjmpathicns, sondern auch
direct vom Gehirn durch intracraniell verlaufende Fasern versoi^ werden» welche
fUr erstere vicariirend eintreten können. Bei einseitiger Operation meht man nn«
mittelbar danach lebhafte Böthung der betreffenden Gesichtsh&lfte, Injeetion der
Conjunctiva, lebhafte Temperaturerhöhung und stärkere Schweissabsondemng» die aber
schon nach 4 T^en wieder schwanden. Bei den beiderseitig Operirten waren Ptoms
und Hiosis mitunter auf beiden Seiten ungleich» Iiieht>, Accommodations- und Con*
vergenabewegungen der Pupille waren gut erhalten, desgleichen das Yerhalten gegen
Hiotiea und Mydriatica.
Bei anseitiger Besection fand Terf. den elektrischen Leitnngswiderstand der
betreffenden Wangenhant vermindert, offenbar wegen Hyperämie und gesteigerter
Schweissabsondenmg, ein Befhnd, der auch das Vigouroux’scbe Phänomen bei
Morb. BasedowU erklärt. J. Sorgo (Wien).
16) Beneflolal efiBsots of the withdrawal of bromidea in the treatment of
epUepsy, bj F. Peterson. (New York medical JoumaL 1897. September.)
Terf. besträtet, daaa die plötzliche Entziehung des Broms bei Epileptikern,
welche dasselbe lange Zeit In hohen Dosen genommen haben, in der Begel einen
Status epilepticus oder Vermehrung der An^e zur Folge habe, sondern sdirabt
derselben gerade einen gOnstigen Einfluss zu. Er stfltzt sich hierfür auf 5 Fälle,
in welchen nach plötzlicher Entziehung ein erheblicher Nachlass der Eramp&n&Ue
und wesentliche Besserung in körperlicher wie psychischer Hinsicht eintrat und
6 andere Fälle, in welchen nach plötzlicher beträchtlicher Herabsetzung der Brom*
dosis ähnliche günstige Wirknim;en zu constatiren waren.
Leonhardt (Freibarg L/SchlX
16) Zur Oplam*Brombeha]idltmg der Epilepsie, von Linke. (Allg. Zehschr.
für Psych. Bd. LV. 8. 260.)
„Denn wir Anden bei jedem Heilmittel, dass es zu Anfang seines Gebrauches
unübertreffliche Wirkungen zeigt und alle gegen früher gegen dieselbe Krankheit ange*
wandten Mittel ganz und gar entbehrlich macht, sobald es aber eine Zeit lang im
Hedicinkasten der Materia medica gelegen hat, zur verlegenen und kraftlosen Waare
wird." Die schönen Worte von Fecbner*Mise6 in seiner Satire über die Jodine
könnte man als Motto Über einen Bückblick setzen, der als Grabrede für die
Brom-Opiombehandlung dienen könnte. Anfangs mit B^eistemi^ gepriesen, viel*
fach anerkannt, dann bald wegen der Gefahren gemieden, wird jetzt in Ooet, wie
Verf. schreibt, die Opium-Bromkur bei der Behandlung EpileptiMher nicht mehr
in Anwendung gezogen. Verf. batte vor 3 Jahren bei 4 von 7 nach Flechsig
behandelten Fällen leidliche Erfolge erzielt Wie er nun jetzt berichtet, hat der
Erfolg absolut nicht Stand gehalten. Das Ausbleiben der Krampfanfälle nach dem
Aussetzen des Broms ist nicht von Dauer, die physischen Anfälle und der epilep*
tische Charakter werden nicht beeinflusst, das körperliche Befinden verschleditert
in einzelnen Fällen (nicht in denen des Verf.'s) traten bedrohliche Zustände, ja sogar
der Exitus ein. Äschaffenburg (Heidelberg).
17) Sssiti nur le traitement ohirorgioal de rdpilepsle, par P. Bellay.
(Felix Alcan. Paris. 1898.)
Verf. berichtet zunächst über das definitive Besnltat der Cranieetomie bezw.
Trepanation in 6 Fällen von idiopathischer Epilepsie. Abgesehen davon, dass in 2
derselben anfangs die Krämpfe 3 bezw. 12 T^e ausblieben, war in sämmtlicben
Fällen nach der Operation eine Zunahme der AnflUle an Frequenz wie Intensität
1137
UDd ferner Auftreten von psychischen Störnngen bezw. schnelle Abnahme der Intel¬
ligenz zu verzeichnen. Verf. geht hierauf auf die Hypothese ein, dass die gemeine
Epilepsie ebenso wie die Idiotie auf einer Compression des Gehirns in Folge präma*
tnrer Verknöcherung der Sch&deloähte beruhe, und dass die Compression durch die
Craniectomie beseitigt werde. Er weist diese Annahme als unhaltbar znräck auf
Grund des Befundes an 5 trepanirten Schädeln von Idioten, an welchen sich keine
prämature Synostose fand und sich andererseits eher eine Verstärknng der Com*
preesion durch die anatomischen Veränderungen io Folge der Operation ergab.
Leonhardt (Freibarg i./Schl.).
Psychiatrie.
18) Die Untersuohimg und Behandlung geistig snrückgebllebener Kinder,
von Dr. med. Alb. Liebmanu. (Berlinische Verlagsanstalt. 1898.)
Wie leicht es auch im Allgemeinen ist, festzustellen, dass ein Kind in seiner
geistigen Entwickelung zurückgeblieben ist, so schwer ist es nach Verf., bei den
bisher bekannten Untersuchnngsmethoden ein bestimmtes Urtheil über den Grad and
die Prognose der Störung abzugeben. Nach der Ansicht des Verf.’s wird die Prognose
in den meisten Fällen zu un^nstig gestellt, und Kinder als idiotisch bezeichnet,
die es nicht sind; dieser diagnostische Fehler würde um so schwerer ins Gewicht
fallen, als die Eltern dadurch bewogen werden, von einer weiteren Fürsorge für die
geistige Entwickelnng des Kindes abzuseben. Da man unter Idiotie ein definitive,s
Stehenbleiben der psychischen Entwickelung im Eindesalter versteht, so spitzt sich
die Frage dahin zu, ob die psychische Entwickelung des betreffenden Kindes in der
That unwiderruflich abgeschlossen ist Zur Entscheidung dieser Frage hält Verf.
doo somatischen Befund nicht für durchaus beweisend, da er selbst bei schweren
körperlichen Complicationen, z. 6. starke Hikrocephalie, Epilepsie. Lähmungserschei*
nungen öfters ein gutes Resultat gesehen hat Er macht vielmehr die Prognose
von einer detaillirten Untersuchung sämmtlicher centralen Fähigkeiten abhängig.
Anf die Details dieser Untersuchung, deren Darstellung die vorliegende Arbeit ge¬
widmet ist, und die recht mühsam zu sein scheinen, kann im engen Bahmen eines
Referates nicht eingegangen werden. Lewa Id (Obemigk).
Therapie.
19) Tetanus facialis, mit Antitoxin Behring behandelt, von Dr. Sigmund
Erdheim. (Wiener klin. Wochenschr. 1898. Nr. 19.)
Fall I. öBjähriger Gerber; vor 13 Tagen kleines Knötchen mit rothem Hofe
in der Gegend des linken .lochbeines, das 8 Tage später aufbrach. Zi^leich be¬
standen Kopfschmerzen, Mattigkeit und Ziehen in den Gliedern. 5 Tage später
Krampfe im rechten Masseter. Die Untersuchung ergab: Temperatur 36,5, Puls 66,
Respiration 30, freies Sensorinm; links Über dem Jochbogen ein von Krusten be¬
decktes Geschwür mit gerötheter und infiltrirter Umgebung; Facialisparalyse links,
linke Papille etwas weiter, reagirt prompt; der rechte Masseter krampfhaft contrahirt,
der linke etwas geringer; Krampf der Hals- und Nackenmuskeln, Erhöhung der
Söhnen- und Muskelredexe; keine Sensibilitätsstörung im Gesicht. Während der
Reinigung des Geschwüres 2 Anfälle von allgemeinen Krämpfen mit Aussetzen der
Athmong, Cyanose in der Dauer von je 20 — 25 Secunden. Injection von Behring's
Antitoxin (10 g Trockensubstauz mit 500 NormalantitoxineinWten) unter Cocaln-
72
- K, Google
1138
anästhesie am 12 Uhr Mittags. 3 Uhr Nachtnittags neuer Anfall von allgememeD
clonischen Krämpfen mit starker Betheiligang der Tborazmnskeln. Nach 2 StuDden
2 weitere Anfälle; Patient verliert das Bewusstsein und bleibt nach dem Anfalle mit
weiten, reactionslosen Pupillen liegen. Trotz Chloralhydrat und Morphininjectiooeu
Häufung der Anfälle, das Bewusstsein kehrte nicht wieder, in der Nacht um 4 Uhr
frflh Exitus letalis.
Obduction: Umschriebene Phlegmone mit Nekrose der Haut io der Regio zygo*
matica. Hyperämie und Oedem der inneren Hirnhäute, sowie beider Lungen; paren*
chymatöse Degeneration der Leber und Nieren; umschriebene Hyperämieen und
Ecchymosen der Hagen' und Darmschleimhaut 2 Hause, welchen StQcke der vom
QeschwQre entfernten Kruste unter die Haut eingeimpft wurden, gingen an typischem
Tetanus zu Grunde.
Fall II. 48jähriger, früher immer gesunder Bauer; am 11. August Schnitt*
wunde beim Ackern, 5 Tage später Trismus. Die Untersuchung ergiebt: Hassetereo'
krampf, Risus sardonicus, Temperatur 39,0, Puls 120, Respiration 24. Reflexsteigerung;
Ober dem Fersenbein quere, die Achillessehne durchtrennende Schnittwunde. Abends
am 17. der 1. allgemeine tetaoische Anfall; danach Bewusstlosigkeit Unmittelbar
nach dem Anfall Injectaon von 10 g Antitoxin (— 500 Antitoxineinbeiten); Des-
infection der Wunde. Fortdauernde Häufung der Anfälle, nach iVt Stunden Exitns
im Anfalle. Postmortale Temperatorsteigerung von 41,8*^ C.
Die Injection des Antitoxins war im 1. Falle intravenös, im 2. subcutan aas-
geführt worden. J. Sorgo (Wien).
UL Aus den Oesellsohaften.
Aerztliober Verein zu Hamburg.
Sitzung vom 14. Juni 1898.
Herr Grisson demonstrirt eine Patientin nach erfolgreicher Operation einer
Gehirn'Cyste. Dieselbe ist auf dem rechten Ohre taub seit ihrer Jugend. Aof
dem linken Obre besteht seit 4 Jahren Otitis media suppurativa. Vor IV, Jahren
wurde der Proc. mastoid. aufgemeisselt Seitdem herrschten Schwindel« Sehstörungen.
Faeialisparese. Im Februar 1898 war eine radicale Aofmeisselung gemacht, es waren
Sequester aus dem Felsenbein entfernt, die Dura mater eröffnet und mehrfache Func¬
tionen des Scbläfenlappeds gemacht worden. Seitdem bestehen rasende Kopfschmerzen,
die grosse Morphiumdosen erfordern.
Als die 27jähnge Kranke am 26. April 1898 ins Freimaurer-Krankenhaos auf-
genommen wurde, bot sie das beklagenswerthe Bild schwersten lieidens, doch waren
Anfangs cerebrale Symptome nicht vorhanden; auffallend war die hohe Intelligent
der Kranken. Es b^tand von vonrherein die Vermutbong eines Himabscesses. Erst
allmäblicb entstand Polsverlangsamung. Stauungspapille war nie vorhanden. Am
26. Mai wurden zuerst clonische Zuckungen des rechten Armes, dann auch des rechten
Beines beobachtet Am 27. Mai wurde von Dr. Säuger die Patientin ontersueht.
Derselbe constatirte hochgradige Empfindlichkeit der linken Scbädelhälfte (speciell
des linken Schädelbeina), eine Sensibilitätsstörung in der rechten oberen ExVemitst
ohne Störung des Lagegeffihla oder des stereognostiscben Vermögens; ferner eine Sen*
sibilitatsstömng im 2. und 3. linken Quintosast. Ansser einer leichten Parese im
rechten Arm und geringe Ataxie der rechten oberen und unteren Extremität war
nichts nachweislich afficirt Stauungspapille war nicht vorhanden, dagegen öfter
Pulsverlangsamung.
Von Herrn Sänger wurde die Diagnose gestellt, dass entweder im Schläfen-
lappen, oder io der Nähe der vorderen Centralwinduug, wahrscheinlich in der hinteren
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1140
Alkohols fOr bestimmte Organe bei bestimmten Individuen; Nonne möchte diese
Falle als „Polyneuritis alcoholica insontium“ bezeichnen.
In 6 Fällen aus dem Krankenhansmaterial, die, mit Ausnahme eines Falles,
intra vitam keine unzweifelhaften spinalen Symptome geboten hatten, untersuchte
Nonne das R&ckenmark. Diese 6 Fälle stammten von ganz besonders
schweren Potatoren, die seit laugen Jahren Stammgäste der Alkoholistenabtbei*
lang des Krankenhauses gewesen waren und bei der Sectioti mannigfache Zeichen
des chronischen Älkoholismus boten: Arteriosclerose, Lepto- und Puchymeningitis,
Lebercirrhose, interstitielle Nephritis, allgemeinen Marasmus u. s. w. Nur in einem
Fall fand sich eine geringe Sclerose der Goll’schen Stränge — wie es von Vier-
ordt zuerst beschrieben worden ist — in einem anderen Fall, der wegen Pupillen-
anomalien, lancinirender Schmerzen in den unteren Extremitäten und schwer anslös¬
barer Patellarrellexe, bei früherer Lues, schon intra vitam auf Tabes verdächtig
gewesen war, fand sich eine für beginnende Tabes charakteristische Hinterstrangs¬
veränderung; in den anderen 4 Fällen fand sich das Rückenmark normal. Nach
diesen Erfahrungen giebt Nonne der Ansicht Ausdruck, dass auch ein protrahirter
und schwerer Alkoholmissbrauch das Rückenmark in der Regel
verschont.
Herr Nonne stellt einen 12jährigen Knaben vor, der an Dementia
paralytica leidet. Derselbe war ca. 2 Monate zu früh zur Welt gekommen, war
in den ersten Lebensjahren körperlich schwächlich gewesen, hatte sich dann aber
geistig und körperlich noch im Bereich der Norm entwickelt. Vor 3 Monaten begann
das Kind, ohne dass eine Ursache dafür nachweisbar war, speciell ohne dass er ein
Kopftrauma oder sonst ein Trauma erlitten hatte, unaufmerksam, zerstreut, vergesslich
zu werden; dann entwickelte sich eine rasch zunehmende Demenz. Als Nonne das
Kind zuerst sah, constatirte er erhebliche Intelligenz- and Qedächtoissdefecte, es
bestand ein mittelgrobschlägiger Tremor der rechten oberen Extremität, cbarakte-
ristiscbe articulatorische Sprachstörung, Mydriasis und reSectoriscbe Pupillenstarre bei
Erhaltung der Accommodationsßhigkeit (Dr. Frauke). Die Sehnenredexe der nnteren
Extremitäten waren lebhaft. Ungefähr 2 Wochen später Hess sich eine Parese der
rechten Facialis- und der rechten Zungenhälfte constatiren. Die weitere Beobachtung
im Krankenhanse ergab das Vorhandensein einer einfachen progressiven Demenz ohne
Orössenideeen und ohne Erregungszustände.
Die Mutter gab an, ungefähr 1 Jahr vor ihrer Verheirathuug extrageoital —
durch Pflege einer wegen florider secundärer Syphilis in ärztlicher Behandlung be-
flndlichen Kranken — inficirt worden zu sein und damals eine Schmierkur durch-
gemacht zu haben. Ihre erste Schwangerschaft endete mit einem Äbortus im
6. Monat; das 2. Kind kam einen Monat zu früh zur Welt und bekam im 5. Lebeus-
monat einen universellen Äusschl^, starb im 5. Jahre an „GehimeotzOndung**; die
3. Gravidität endete mit der Geburt unseres Patienten, ebenfalls einen Monat zu früh,
als 4. Kind wurde ein jetzt 10 Jahre altes Mädchen — rechtzeitig — geboren,
das seit dem 4. Lebensjahre an Albuminurie mit zeitweiligen hämorrhagischen
Schüben leidet; das 5. Kind war gesund und starb im 2. Lebensjahre an Brecb-
durcfafall.
Potus war bei den Eltern mit Sicherheit auszuschliessen, ii^end welche uennens-
werthe Belastung mit Neuropathieen lag weder in der Mutter, noch in des Vaters
Familie vor, beide Eltern sind zur Zeit körperlich und geistig rüstig; die eingehende
Untersuchung beider Eltern auf Lues bezw. Residuen von Lues und auf Anomalien
am Nervensystem ergab ein negatives Resultat.
Herr Nonne betont, dass dieser Fall in besonders incomplicirter Rein¬
heit die Dignität der hereditären Lues für die infantile Paralyse
demonstrire und bespricht den Fall unter Vergleichung derselben mit den bisherigen
Fällen aus der Litteratur.
1141
Sitzung vom 25. October 1898.
Herr Luce demonstrirt- ein Schrumpfnierenpräparat, das einem 23jährigeii, auf
der Abtheilung von Dr. Nonne beobachteten Manne, mit Lues und excessivem,
chronischen Äbusus spirituosorum in der Anamnese, angehört. Unter statbtischen
Belegen und unter Hinweis auf die differenten Aetiologieen wird das Vorkommen der
Grannlaratrophie in den verschiedenen Lebensaltern, insbesondere die relative Selten¬
heit derselben io so jugendlichem Alter erörtert. Das vorgelegte Herz zeigt sehr
ausgesprochen die bekannten secundären Veränderungen der concentrischen Hyper*
trophie beider Ventrikel.
Der Kranke war im April a. c. im Status apoplecticus mit completer links¬
seitiger Hemiplegie und mit den Symptomen der subacuten parenchymatösen Nephritis
aufgenommen. Im Laufe der nächsten Monate entwickelte sich klinisch das Bild
der progredienten Schrumpfniere. Als Herdsymptome der erlittenen Apoplexie hinter*
blieben linksseitig: eine spastische Hemiparese incl. der N. N. VII und XII, eine
Heraiataxie, Hemihyperalgesie und Hemianopsie von streng halbseitigem Charakter.
Ophthalmoskopisch war Retinitis albuminurica mit diffusen Hämorrhagien vorhanden.
Der Kranke ging schliesslich im October a. c. an einer acuten, Zweimarkstück-
grossen, bei der Höhe des Trigeminusaustrittes unmittelbar unterhalb der Schleife
und central gelegenen BrQckenblutung zu Grunde. (Demonstration des Präparate.)
Klinisch verlief die Brflckenblutnng unter allgemeinsten clonischen
Convulsionen der Muskulatur der Zunge, des Mundbodens, des Gaumensegels, des
Pharynx, Laryiix, des Kopfes, des Nackens, sämmtlicher Rumpfmuskeln und der
hlxtremitäten. Es bestanden intensive klonische Krampfe in den Levatores
palpebrarum, sowie im Gebiet der N. N. III. und IV., bestehend in klonisch
hebenden und senkenden, rotirenden (besonders nach unten und innen) Zuckungen
der Bulbi; die Pupillen waren myotisch, lichtetarr, die Cornealreflexe erloschen.
Die beiden einzigen Muskelgebiete, welche in auffälligem Contrast an
diesem wahrhaft allgemeinen Mnskeldelirium sich nicht betheiligten,
waren das Gebiet der Faciales und Abducentes. Patient war absolut
comatös, der Puls war sehr frequent und voll, die Athmung beschleunigt, vertieft,
geränschvoll. Rin Frontalschnitt durch die Hemisphären am occipitalen Ende des
Paracentrallappens ergab in der Höhe der 1. rechten Schläfenwindung hart an der
Ventrikelwand im Marklager die Anwesenheit von zwei bräunlich'gelben encephalo*
malaciscben kleinen Herden.
Zur Erklärung des Freibleibens der Facialis- und Abducensgebiete im Krampf*
aofall wird angenommen, dass die Ponshämorrhagie distalwärts die Kern*
gebiete der N. N. VI. und VII. zerstört hat.
Der Pall wird nach der mikroskopischen und theoretischen (Nothnagel’s
Krampfcentrum) Seite später eingehend bearbeitet werden. (Autorreferat.)
Biologische Abtheilung des ärstlichen Vereins su Hamburg.
Sitzung vom 8. November 1898.
Herr Nonne zeigt Rückenmarkspräparste von 5 Fällen von multipler
solerose.
Die beiden ersten stammten — Abtheilung von Nonne im Eppendorfer Kranken¬
haus — von einem 22jährigen jungen Manne, bezw. von einer 40jähr. Frau. Beide
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1142
/
hatten durch 4 bezw. 3 Jahre hindurch das reine Bild der „Hjelitis spastica dor>
sal is“ mit mehr oder weniger schweren BlaaenstörongeD and finalem Decnbitus geboten;
in beiden Fällen war neben ausgedehnten Veränderungen im Hals*, oberen Dorsal*
und Lendenmark, die in der bekannten irregulären Yertheilung die verschiedensten
Theile des Querschnitts betroffen hatten, im unteren Dorsalmark je ein grosser, fast
den ganzen Querschnitt betheiligender Herd nachzuweisen. Der 3. Fall — Äbtheilong
von Könne im Neuen Allgemeinen Krankenhanse — betraf einen 36jäbrigen Mann,
welcher 10 Jahre im Neuen Allgemeinen Krankenhause in Beobachtung gewesen
war, und bei dem eine spastische Parese der oberen, spastische Parese der unteren
Extremitäten neben einer Intentionsstörung der Extremitäten und doppelseitiger neu-
ritischer Opticusatrophie bestanden hatte; während bis vor 4 Jahren ab und zo sehr
erhebliche Remissionen ftlr mehrere Monate eintraten, so dass Patient am Stock
wieder geben und die oberen Extremitäten zu gröberem Hantiren gebrauchen konnte,
wurden seitdem die spastisch-paralytischen Symptome constant. Dazu kam ein
schwerer Decubitus am Kreuzbein und Sphincterenlähmung.
Der Befund im R&ckenmark war im Wesentlichen derselbe wie in den ersten
beiden Fällen.
In einem 4. FaU — derselbe wurde vom Yortr. vor 4 Jahren im „Vereins*
hospital“ beobachtet und betraf eine fiOjährige Frau — entwickelte sich, nachdem
die Kranke schon seit ca. 3 Jahren spastisch-paralytische Symptome der unteren
Extremitäten geboten hatte, subacut eine schlaffe motorische Paraplegie der
unteren Extremitäten, deutliche aber nicht sehr starke SensibilitätsstÖrungen
an denselben, Sphincterenlähmungen und Kreuzbeindecubitus. ln diesem Falle fand
sich ebenfalls eine in der ganzen Länge des Rückenmarks disseminirte, fleckweise
multiple Sclerose, deren „transversaler“ Herd im mittleren Lendenmark sass.
In allen 4 Fällen fanden sich im Grosshim im frischen und gemöllerten Prä¬
parat nur sehr spärliche kleine Herde; das Kleinhirn, die Pons und Hedulla oblongata
waren in allen 4 Fällen frei.
ln einem 5. Fall, der ein SOjähriges Mädchen betraf, war vor 4 Jahren wegen
einer wechselnden motorischen Schwäche in der rechten oberen Extremität, die mit
ausstrahlenden, die ganze Extremität betreffenden Schmerzen verbunden war — die
ebenfalls wechselten — die Diagnose auf Hysterie — Mangels objectiver Symptome
— gestellt worden. 2 Jahre später kam Patientin wieder zur Aufnahme im Neuen
Allgemeinen Krankenhaus und bot zunächst das Bild einer Kleinhimaffection: cere*
bellare Ataxie, Taumeln nach links, Kopfschmerzen, Erbrechen, Neuritis optica duplex,
Parese des linken Facialis. Im weiteren Verlauf trat Nystagmus, wechselnde Pareeen
im Oculomotorius*, Trochlearis*, Abducensgebiet, scandirende Sprache und Intentions¬
tremor auf. Während die früher vorhandene linksseitige Facialislähmung sich zurflck-
gebildet hatte, wurde ca. Vs ante mortem rechts die Nothnagel’sche Form der
Facialislähmung constatirt und blieb constant: Lähmung des rechten Facialis bei
unwillkflrlichen mimischen Bewegungen, bei Erhaltensein der willkürlichen Inner¬
vation; dabei bestand exquisites Zwangslachen und Zwangsweinen; den Schluss
bildeten Bulbärerscheinungen: Schluck- und Kaustörung, sowie eine erhebliche
Demenz.
Die Untersuchung ergab, neben dem gewöhnlichen Bild der im Rückenmark
bunt vertbeilten Herde: verschiedene kleinere Herde im Harklager beider Hemisphären,
einen grossen Herd im linken Thalam. opticus, einen grossen Herd im
linken Kleinhirnstil, grosse Herde in der Oculomotorius-, Trochlearis-,
Abducens-Kernregion, sowie in der Höbe des Vaguskems, neben multiplen
Herden in der Pons.
Vortr. betont, dass dieser letzte Fall ein für die Sclerosis multiplex selten
reines Beispiel der Congruenz zwischen klini.'^chen Symptomen und anatomischem
Befund bietet.
1143
'Ferner ist Vortr. geneigt, in diesem Falle eine Bestätigung der Noth-
nagel’schen Lehre zu finden, dass der Thalamus opticus ein Centrum ffir
den Ausdruck der Affectbewegungen darstellt
Die atypischen, vom ursprünglichen Charcot’scben Bilde abweichenden
Fälle kommen heute Überwiegend häufig zur Beobachtung: So sah Nonne
in den letzten 3 Jahren nur eine Section eines Falles von multipler Sclerose, die
das klassische Charcot’sche Bild intra vitam geboten hatte — Vortr. demonstrirt
die Bückenmarkspräparate dieses Falles —, und gegenwärtig hat Vortr. auf seiner
Krankenhaosabtheilung neben 2 Fällen multipler Sclerose vom „typischen“ Bilde 2
solche vom hemiplegischen, 4 vom chroniBch>„myelitischen“ Charakter in Be>
obachtnng.
Des Weiteren berichtet Vortr., dass er vor 6 Jahren einen Fall von Dr. Gläser’s
Äbtheilung obdncirt und mikroskopisch untersncht hat, der intra vitam das letzte
Jahr im Wesentlichen das Bild der amyotropbischen Lateralsclerose gezeigt hatte,
sowie dass ein Fall, der vor 3 Monaten im Neuen Allgemeinen Brankenhause —
Abtheilung von Prof. Rumpf — zur Obduction kam, über Va •^**^*’
falls als amyotrophische Lateralsclerose imponirt hatte, bis hinzutretende spastische
Symptome der oberen Extremitäten, Sphincterenlähmungen, Decubitus und Opticusver«
ändemngen die Auffassung veränderten.
Endlich beobachtete Vortr. eine 26jährige, sonst ganz gesunde Frau, bei der
sich ohne irgend eine nachweisbare Ursache subacut eine schlaffe motorische Para'
plegie der oberen Extremitäten, deren Grad sehr wechselt, mit nicht constanten
Sensibilitätsstörungen, neben spastischen Paresen der unteren Extremitäten und ge«
ringen und wechselnden Blasenstörungen entwickelt hat; später wurde eine Neuritis
optica dextra incipiens festgestellt. Auch in diesem Falle handelt es sich offenbar
um eine atypische Form einer multiplen Sclerose.
In keinem der obducirten Fälle — das muss gegenüber der neueren Tendenz,
Traumen ätiologisch verantwortlich zu machen, betont werden — war anamnestisch
ein verantwortlich zu machendes Trauma nachweisbar.
Auf die mikroskopischen Befunde will Nonne zur Zeit nicht eingehen.
Dieselbe Erfahrung, dass die atypischen Formen der „multiplen Sclerose“, in
specie die unter dem Bilde der „chronischen Myelitis“ mit und ohne Opticusverände*
rungen, sowie die als hemiplegische Form auftretenden die überwiegende Häufigkeit
darstellen, hat Vortr. auch in der Privatpraxis gemacht.
Sitzung vom 22. November 1898.
Herr Saenger demonstrirt einen geheilten Myxödemfbll.
Die 47jähr. Gastwirthsfrau fühlte sich seit 3 Jahren auffallend elender werden,
klagte Über grosse Mattigkeit und sah sehr blass ans. Sie bekam innerlich Eisen,
doch ohne irgend welchen Nutzen.
Am 25. Juli d. Jahres sah Vortr. sie zuerst und fand das Gesicht blass ge*
dunsen aussehend und von blödem Ausdruck. Die Haut war an der Stirn, den
oberen Extremitäten und den Händen hart, verdickt und besonders trocken, und
schilferte ab. Au den unteren Extremitäten zeigte sich ausser myxödematöser Ver*
Änderung der Haut auch richtiges Oedem.
Die Untersuchung eigab, dass die Pat in den letzten Jahren theilnahmsloser
geworden sei, nicht mehr schwitze, die Haare gingen ihr aus und hauptsächlich
klagte sie Über sehr lästiges Thränen der Augen und spannendes Gefühl in den
Armen und Händen, die gleich den Füssen geschwollen waren.
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1144
Yortr. verordoet der Fran 2 Thyreoidintabletten (Borrough, Welcome u. Cie.),
doch koDDte sie diese Dosis Dicht vertragen, es stellten sich Mattigkeit, Henklopfeo,
Angst und Hitzegefflhl ein; aber die Hände waren weniger steif als früher.
Pat erhielt non täglich nur eine Tablette and vertrag diese ohne Neben*
erscheinungen, ansserdem gab Vortr. ihr noch innerlich Eisen.
Am 29. September hatte die Pat 16 Pfund an Gewicht abgenommen and war
kaum wiederzoerkennen. Ausgenommen an der Stirn, war die Hant sonst an allen
Stellen wieder weich geworden. Die Fran fühlte sich wieder gesund wie vormals,
ist wieder froh und lebhaft wie ehedem, auch das Thränen hat anfgehört.
Vorfibergefaend hatte Pat Polyurie, der Urin war stets frei von Zucker und
Eiweiss.
Vortr. stellt noch einen Pall vor, einen Tischler von 35 Jahren mit ankylo-
sirender Entaündung der gansen Wirbelsäule (Arthritis deformans).
Fat. bat seit 6 Jahren heftige Schmerzen im Nacken, der Brust und dem
Bücken. Zuerst ze^te sich Steifigkeit im Genick, die sich jedoch besserte. Bald
darauf wurden Bücken und Genick wieder steif. Seit 3 Jahren ist der Mann arbeite*
unfähig. Lues, Tuberculose oder Alkobolismus sind nicht nachweisbar. Es ist noch
hervorzuheben, dass der Kranke schwere Lasten (Holz) auf dem Rücken getragen hat
Vortr. weist darauf hin, dass die ganze Wirbelsäule von oben bis unten stock*
steif ist. Der Kopf ist vornüber gebeugt und kann nnr wenig bewegt werden. Die
Wirbelsäule ist im oberen Brustabschnitt gleichmäasig nach hinten convex verbogen.
Wenn der Pat. Wendungen nach der Seite machen will, so thut er es mit dem
ganzen Rumpf auf einmal, sich nach rückwärts zu biegen ist ihm nicht möglich,
wohl aber nach vorwärts, doch geschieht die Beugung nur in den nicht afficirteo
Hüftgelenken. Der Tiefendurcbmesser des Brustkastens hat abgenommen und die
Vorderfläche ist flacher geworden. Das Athmen ist abdominaler Natur, die Rippen
nehmen nicht daran theil. Die Pectorales, Intercostalmuskeln, oberen Cucullares und
Bhomboidei sind abgemagert. Unter den beiden Brustwarzen findet sich eine Zone,
in der eine Hyperästhesie gegen Nadelstiche nachznweisen ist. Qualitativ ist die
elektrische Erregbarkeit in den atrophischen Muskeln nicht verändert. Am Unken
Kniegelenk ist eine ganz leichte Veränderung.
Vortr. bespricht den vorliegenden Fall an der Hand einer Böntgen-Aufnahme,
an welcher man knöcherne AufU^erungen an den Bippen sieht, und eines Knochen*
Präparates von einem ähnlichen Falle. Es handelt sich hier um Arthritis deformans
der Wirbelsäule, mit knöchernen Ankylosen der Wirbelkörper.
Gegen die Bechterew'sche Behauptung, dass Steifigkeit und Verwachsnng
der Wirbelsäule eine Krankheitsform für sich sei, spricht sich Vortr. ans und stimmt
der Ansicht Oppenheim’s zu, das besprochene Leiden als Arthritis deformans der
Wirbelsäule anznsprechen, wie besonders die Chirurgen es schon lange beschrieben
haben. Quoad valetndinem ist die Prognose ungünstig. In der Therapie sind warme
Bäder, Massage, Elektricität und innerlich Jod anzuwenden. (Autorrefrai).
Nonne (Hamburg).
Um EiuBendung von Separatabdrüoken an den Heraosgeber wird gebeten.
Eineendungen für die Redaction sind zu richten an Prof. Dr.E. Hendel,
Berlin. NW. Sobiffbanerdamm 18.
Verlag von Ysit & Coitp. in Leipzig. — Druck von ManoBB & Wittig in Leipzig.
Register 1898.
I. Originalaufsätze.
Belt«
1. Das Verhalten der Spinalganglienzellen bei Tabes auf Grand Nissl’s Färbtmg, von
Docent Dr. Karl Schaffer. 2
2. Geber Zwangsvorstellangen. von E. Mendel. ^
3. Geber einen Fall von traamatischer Lähmang des Pleins bracbialis (sug. Grb’scber
eonbinirter Scbnlterarmlabmung), von Dr. med. Chr. Rasch.50
4. Zar Elektrodiagnostik der Ocalomotorinslähiunngen, von Dr. J. K. A. Wertheim
Salomonson.54
5. Ein Fall von Rernhardt’scher Sensibilitätsstömne am Oberscbcnkel, von Dr. A. Good 57
6. Zar Localisation des Hnskelbewnsstseins auf Grund eines Falles von traamatischer
Kopfverletzang. von Dr. Wladimir Muratow.59
7. Zar Frage von den Lähmangserscheinnngen bei PastenPseben iropfangen, von
Prof. L. 0. Darkschewitsch .9K
8. Beiträge znr absteigenden Hinterstrangsdegeneration, von Dr. Julias Zappert . 102
9. Geber angeborenen Maskelkrampf and Hypertrophie an der linken oberen Extre¬
mität. von Dr. S. Kalischer.107
10. Historische Notiz zar Lehre vom Kopftetanns (Tetanus hydrophobicas, Tetanus
facialis. BMm. Bosel. von Prof. M.Bernhardt.146
11. Geber die Erregbarkeit der Grosshirnrinde nengeborener Tbiere, von Prof. Dr. W.
V. Bechterew . 148
12. Beitrag zur Pathologie der Spinalgauglienzelle, von Dr. Otto Jnliasbnrger und
Dr. Ernst Meyer.151
13. Notiz betrelFs dos Rindenfeldcs der Hinterstrangbabnen, von Dr. med. Armin
Tschermak.159
14. Von der Bedeatnng der Associationscentren von Flechsig zar Erforschong der Eot-
wickelang des Geistes, der Sprache, der Psychologie der Sprache, wie auch der
1.5. Geber Localisation innerhalb des äusseren Knieganglions, von S. E. Henschen . 194
16. Die partielle Kreozang der Sehnerven in dem Chiasma höherer Sängethiere, von
Prof. Dr. W. V. Bechterew.199
17. Ein Fall von Hirngeschwnlst in der linken motorischen Sphäre, linksseitiger Läh¬
mang, Abwesenheit der Pyrnmidenkreazang, von Dr. Philip Zenner .... 202
18. Geber den Markfasergehalt der Centralwindnngen eines normalen männlichen Indi-
vidaams. von Dr. Adolf Passow.242
19. Zar Casaistik der Kleinhimtomoren, von Dr. A. Boettiger.244
20. Zar Äetiologie der faoctionellen Nearoaen (Hysterie and Neorastbenie), von Dr.
E. Biernacki.250
21. Geber die Bedeatnng der Cardiaca bei der Behandlang der Epilepsie, von Prof.
Dr. W. V. Bechterew . 290
22. Der Blntschntz des verlängerten Markes, von Prof. Albert Adamkiewicz . . 295
28. Eine Verbindung candaler Himtbeile der Taube mit dem Striatam (Tractus isthmo-
striatuB oder balbo-striatos?), von Dr. Adolf Wallenberg.800
24. Zwei Fälle von Friedrcich’scber Ataxie, von Dr. Paul Cohn.302
25. Zur Äetiologie der fanctionellen Nenrosen (Hysterie and Nearasthenie), von Dr.
R. Vigouroui.338
26. Geber die allgemeine progressive Paralyse der Irren bei Frauen, von Dr. med.
B. Greidenberg.341
D g : 7cd / G OOglC
27. UntersacliQDgen Ober das ßttckenmark und das Kleinhirn der Vögel, von Dr.
nr ä
28. Üeber Phosphorlähmnng, von Prof. Dr. S. E. Henachen.3S6
29. Ein Fall von Neuritis optica mit 4wöcheDtl. doppelseitiger, in complete Boilang
ausgegangener Blindheit, von H. Higier.389
30. Beitrag zum Faserverlanf der Hiuterwurzeln im Cervicalmarke des Menschen, von
Docent Dr. Karl Schaffer.434
31. Nervenendigung in den Centralorganen, von Dr. med. Leopold Auerbach . . 445
32. Ein Fall von Saroom der Dura spinalis. Beitrag zur Kenntniss der secundären
Degenerationen nach Rfickenmarkscompression, von Dr. F. Quensel.4:^S
33. Experimenteller und pathologisch'anatomischcr Beitr^ zur Jjehre von der chronischen
Schwefelkohlenstoffvergiftnng, von Dr. Georg Köster.493
34. Uebcr das innere Ohr bei der Anencephalie, von Dr. 0. Veraguth.530
35. Das mediale Opticnsbändel der Taube, von Dr. Adolf Wallenberg.533
36. Syringomyelitiscbe Dissooiatiun der Sensibilität bei transversalen Myelitiden, von
Privat-Docent Dr. L. Minor.53'
37. lieber Magen-, Darm- und Harnblasencontractionen während des epileptischen An¬
falls, von Dr. W. Ossipow.539
38. Ein mit den Svmptomen des Malum snboccipitale cinborgehender Fall von Gehim-
geschwnlst nud Hemiatrophia lingnae, von Dr. Johann Wenbardt.541
39. BemerkuDgen Qber den Bau der Spinalganglienzellen, von Prof. Dr. M. v. Lenbossek 577
40. Zur Frage von den centralen Verbindungen der motorischen Himnerven. Vorläufige
M Mittheilnng, von stud. M. P. Bomanow.593
41. Hysterie bei einer Katze and einem Kanarienvogel, von H. Higier.597
42. Zur Histologie and Pathologie der inselformigen S^klerose, von Dr. Sigmnnd Erben 636
43. Mnskelatrophie bei moltipler Sklerose, von Priv.-Doc. Dr. L. Braoer .... 635
44. Znr Färbung der Ganglienzellen, von Dr. Friedrich Lnithlen und Dr. Josef
Sorgo.et*}
46. Zur Härtung des Centralnervensystems in situ, von Dr. Hermann Pfister . . 64'
47. Die Arteriosklerose des Gehirns, von Prof. P. J. Kovalevsky.674
48. Ueber nervöse und pmhische Störungen bei Gummiarbeitem (Schwefelkohlenstoff-
ver^ftang), von Dr. Kudolf Landenheimer.691
49. Badialislähmung nach epileptischen Anfällen, von Dr. Adler.691
ÖO. Ein Fall von spinaler Monoplegie des rechten Beines, von Dr. Julius Weil . . 6£i
51. Ueber bämorrbs^che Encephalitis, von Dr. Deiters.7£
52. Ein Fall von Worttaubheit nach Basisfraetnr, von Dr. M. Bloch and M. Biel-
schowsky.739
53. Nervenendigung in den Centralorganen, von Dr. med. Leopold Anerbach . . 734
54. Zwei Fälle von Hirntumor mit ^nauer Localdi^oose, von Dr. L. Brnns . 770. 84*
55. Ueber die elektrische Erregbarkeit des N. radialis, von Dr. Karl Gumpertz . . 788
56. Ueber die Struetnr der Spinalganglienzellen. Eine Erwidemng, von Dr. Ernst
Heimann. 797
57. Ueber eine eigenartige psychopathische Form der Retentio nrinae, von Prof. Dr.
W. V. Bechterew.SS4
58. Meningitis ventrienlaris chronica adnltomm. Plötzlicher Tod bei derselben, von
Oberarzt Dr. Bresler.840
59. Veränderungen der Nervencentren nach Ansreissung der Nerven mit einigen Er-
wagnngen betreffs ihrer Natur, von G. Marinesco.883
60. Zur Histotechnik ganz beginnender Strangdegenerationen, von Privat-Docent Dr.
Karl Schaffer.SW
61. üeber einen Hypothenarreflex, von Dr. F. Holzinger.8SM
62. Znr Pathologie des Myxödems, von W. Mnratow.939
68. Ueber den centralen Verlauf des Gowers’scben Bändels, von G. J. Bossolimo . 935
64. Ein Fall von doppelseitiger Ischias bei aenter parenchymatöser Nephritis, tob
Michael Lapinsky.940
65. Nene Untersnehungen Qber die Markbildnng in den menscbUcheD Grosshirnlappen,
von Prof. Dr. Pani Flechsig.97T
66. Die Reifung der Leitungsbahnen im Thiergebim. von Dr. Döllken. 9^
67. Die Phylogenese des Pyramidenvorderstranges, von Dr. G. Bikeles.wv
68. Ueber mbzeitige Verkalknng der Himgeßsse als Ursache von Epilepsie, von Prof.
Dr. H. Hochhane.. . . U>ä6
69. üeber Störungen des Stoffwechsels bei Neurasthenie, von Prof. Dr. W. v. Bechterew 103?
70. Das elektrische Trichoästhesiometer ond die sog. Haarempfindlichkeit des Körpers,
von Prof. Dr. W. v. Bechterew.1033
71. Welche Aendemngen hat das klinische Bild der progressiven Paralyse der Irren in
den letzten Decennien erfahrenP von Prof. Dr. E. Hendel.l(l$5
I^iQit'7Cd C'7 Google ^
1147
T2. Der Alkohol io IrrenanstalteD, von Dr. Hugo Hoppe.1074
73. Ein Beikrag zur Konntoiss der Bernhardt’scbeQ SeDsibilitätsatdruDg, von Miecis-
lans von Nartowgki.1082
74. Epileptische and epileptoide Anfälle in Form von Ängstznstanden, von Prof. Dr.
W. T. Bechterew.1121
75. Ein Fall von Hemiplegia hyaterica, von Dr. Guttmann.1124
IL Namenregister.
(Die in Parenthesen eingeklammerten Zahlen bedeuten: Bemerkung in der Discnssion.)
Abadie: Baeedow’sche Krank¬
heit 269.
Abrahams: Hemiplegie 230.
d’Abondo: Entwickelung des
Nervensystems 68.
Progress. Muskeldystrophie
706.
Adamkiewicz: Blutschutz des
verlängerten Markes 295.
Qebimcompression 810.
Pathologische Schwere 862.
Adler: Himgesehwfilste nach
Kopfverletzung 866.
Badialislähmung nach epi¬
leptischem Anfall 691.
Facialislähmung 1102.
Agostini: Autointozication und
Nervenkrankheiten 920.
Schlaflosigkeit 949.
Akopenko: Schilddrüse 137.
Aleiander: Tetanie 953.
Allen: Multiple Neuritis 1008.
Almtz: Kältepnnkte 411.
Hitze 411.
Perverse Kalteempfindnng
412.
Alt: (606).
Coiticale Hürcentmm 807.
Angioletts: Paranoischer Ver¬
brecher 702.
Anth^anme: Kleinhimgliom
227.
Antomivi: Akromegalie 123.
Anton: Herderkrankungen des
Gehirns 803.
AntonelU; AQgen8törttogen466.
Amaud: Progressive Paralyse
25.
Arndt: (334).
Amsperger: (44). (47).
Aschaffenburg: Katatonie 86.
( 88 ).
Entmündigung Geisteskran¬
ker 618.
Ascher: Kngelperiroeter 463.
Aatid: Kyphose 367.
d'Astros: ^drocephalie 460.
Auerbach: Hysterische Hemi-
plegieen 877.
Nervenendigung in den Gen-
tralorgancn 445 n. 734.
Erythromclalgie 513.
Babes: Infcotion und Nerven¬
zellen 413.
Babinski: Zehenphinomen 649
n. 866.
MuskelersohlaATung b. Hemi¬
plegie 867.
Associirte Bewegungen bei
Hemiplegie 867.
Barr: Echolalie 655.
Bartels: Offene Anstalten 606.
v. Basch: (973).
Bastian: Mutismus 220.
Battlehner: (44). (47).
Banmgärtner:Lumba]panction
621.
Bäumler: Entzündung der
Wirbelsäule 708.
Bayerthal: Meningocele spuria
213. (1069).
Baylac: Spina bifida 898.
Beadles: Hyx5dcm 950.
v. Bechterew: (138). (1891.
Corticale Centra 139. (140).
(141). (143).
Kleinhimgeschwülste 144.
Grosshirnrinde neugebore¬
ner Tbiere 148.
Chiasma h5herer Sänge-
thiere 199.
Cardiaca u. Epilepsie 290.
Ijeitnngsbahnen 360.
Verwachsung der Wirbel¬
säule 366. (716). (717).
(718). (719).
Tetanus 718.
Himreizung bei Affen 720.
Retentio nrinae 834.
Stoffwechsel b. Neurasthenie
1029.
Trichoästhesiometer 1032.
Angstzustände 1121.
Epilepsia oboreica 1133.
B4dart: Thyreoidin und Ar¬
senik 947.
Beevor: Tabes mit Analgesie
554.
Benda: Tabes 555.
Neurasthenischer Hunger
921.
Berger: Augenstörungen 464.
Vorderhomzellen bei De¬
mentia paralytica 551.
Berger: Theorie des Schlafes
860.
Lymphcirculation in Hirn¬
rinde 1004.
Bernhardt: (40). (85).
Kopftetanus 146. (602).(603),
Hemianaesthesia alternans
868 .
Bell’scbe Phänomen 1101.
(1105).
Bernstein: Zwangssuebt 829.
Berze: Hallucinarionen 276.
Beselin: (332).
Bethe: Ganglienzellen 614.
Primi tivfibrillen in(janglien •
zellen 944.
Beyer: Delirien nach Atropin
91.
Bianchi: Hysterische Arthral¬
gie 914.
Bickel: Rückonmarksphysio-
logie der Amphibien und
Reptilien 737.
Bidlot: Hysterischer Trismus
903.
Bieberbach: (45). (90).
Biedl: Cerebrale Gefässe 975.
Bielsohowsky: W orttanbbeit
729.
Biemacki: Functionelle Neu¬
rosen 250.
Bijl: Thjrreoideabehaudlung
bei Psychosen 711.
Bikeles: Pyramidenvorder-
Btrang 999.
Bing: Menibre'sobe Affection
460.
ßinswanger: (525). (570).
Demonstration 571.
Hysterischer Dämmer¬
zustand 915.
Lymphcirculation in Hirn¬
rinde 1004.
Biro: Ischias n. Hysterie 913.
Biseboff: Sprachstörungen 216.
Urämische Psychosen 826.
Bisping: (jerebrale Kinder-
lähmuug 704.
Bitot: Tabes 16.
Blancbard: TnmorderRücken-
markspia 757.
Blaschko: Lepra anaesth. 35.
Dig uroci oy Google
1148
Bleoler: (87).
Bl'K'b, R.-. Sjrmnictriscbe Atro¬
phie des Scbädeldacbes
416.
Bloch. M.: Worttaubbeit 715.
729.
Tabes 1104.
Blomenau: Kindliche Hysterie
899.
Blamenthal: (1063).
Rlumreich: Multiple Sklerose
177.
de Boeck: Alcoholismos 130.
Bödeker: Augenmaskenäb-
mang und progr. Para¬
lyse 21.
ßoettiger: Hysterie (Hittbei*
lang) 477.
Hypochondrie 760. (762).
Kleinhirnturooren 244.
Neuritis 329. (326). (331).
Bogdan: Moralisches Irresein
1061.
Röhm: Histologie 736.
Boissier: Pacbymeningitis hä¬
morrhagica 23.
Bolton; Härtungsmethode
Bonar: Tabes 18.
Bondurant: Beri-Beri 82.
Bonhoeffer: Hirnchirurgie 813.
Bonne: Cerebro-medulläre
Symptome 416.
Alkoholfrage 1139.
Bonney: S^iftdem 950.
V. Bonsdorn: |2S9).
Borda: Prognose bei Geistes¬
krankheiten 959.
Borischpolski: Vibration 141.
Sinnesreize und Rlntcircu-
lation im Hirn 719.
Borowikow: Varolsbrflcke
22 «.
Borst: Facnilienstammbaum
956.
Bouilly: (659).
Boulogne: Mult. Skier. 176.
Bourneville: Alkoholi8maBl27.
Pareso-Analgesie 186.
Myzödem 276.
Tbyreoidin 286.
Alkoholismos-Epilepsic 315.
Hemisphärengewiebt 645.
Epilepsie naoD Typhus 654.
HimsVerose 878.
Boyer: Stummheit 218.
Brain: Hämatorrhaebis 183.
Bramwell: Friedreioh’sche
Krankheit 27.
Brasch: (335).
Blutung im Pons 519.
Hypoglossuslähmung 601.
(603).
Bratz: Ämmonshorn bei Epi¬
lepsie 36. (37).
Opiumbehandlung bei Epi¬
lepsie 323.
Brauer: Quecksilber 456.
Multiple Sklerose 576.
Mttskelatrophie 635. i
Br^maun: Hämatomyelic
182.
Brehm: Irrenanstalt Burgbölzli
117.
Brciting: Epilepsie 1133.
Bremer: Cyclonkatastrophe
914 u. 958.
Brcsler: Regpirationsapparat
bei Epilepsie 318.
Meningitis ventriculari6840.
Paranoia 1103.
Breuer: Bogengänge 457.
Brisaaud: Myx^em 275.
Briia: Pupillarreaction 15.
Brooks: Akromegalie 121.
Cerebrale Hämorrhagie
864.
Brown: Hereditäre Ataxie
561.
Bruce: Sacralmark 170.
Brnnet: Aphasie 219.
Bruns: Geschwülste des Ner¬
vensystems 94.
(525). (526).
Cerebrale Kinderlähmung
603.
Hirntumor 604. (606).
Hirntumor 770 und 848.
Buchholz: liUes cerebri 571.
I Multiple Sklerose 618.
Chronische Paranoia bei
Epilepsie 656.
de Buck: Tremor nach In- i
flnenza 468.
Vorderhorn nach Exsrticu-
lation 739.
Bum: Ataxiebehandlnng 572
u. 969.
Bauch: Bewegungendes Dünn¬
darms 500.
Burgbart: Myxödem 271.
Landry^scho Paralyse 506.
j Barr: Hemiplegie 872.
I Burzio: Hysterie und Syringo-
I myelie 755.
I Busch: Färbungsmethode476.
I Bozzi: Lepra 505.
Cabitto: Schweiss der Epi¬
leptiker 320.
Heisse Luftbäder bei Epi¬
lepsie 321.
Campo: Sarcom iu der hin¬
teren Scbädelgmbe 460.
Campos: Facialislähmung
1101.
Cappelletti: Dementia para-
lytica 558.
Cappie: Circulation im Gehirn
801.
Carrara: Neurogliom nach
Trauma 708.
Cassel: (39).
Lnmbalpunctiun bei Kindern
827.
Cavaxzani: Spinalganglien69T.
Ceni: Röckenmarksdegenera-
tionen 173.
Acutes Delirium 711.
lÄsion ini Pedaueuius 816 .
Bakterien im Blut Geistes¬
kranker 1132.
Cervesato: Ependymitis 228.
Cestan: Littlc’sebe Krankheit
861.
Chadbournc: Akromegalie u.
Diabetes 951.
CbapQs: Hysterische Scoliose
905.
Cbiezzi: Nerreneleuiente bei
loanition 71.
Chipaalt: Tabes 19.
Mal perforant 555.
Epilepsie 656.
Osteomyelitis vertebralis
709.
Christiani: Lobus praefrontalis
224.
Cladek: Rnckeumarkstuinor
179.
('tark: Bewusstsein bei Epi¬
lepsie 314.
Epilepsie 314.
Epileptische Aura 317.
(’ohn, Paul: Priedreich’scbo
Ataxie 302 u. 333.
Cohn, Toby: Myasthenia
useudo-paralytica 426.
Atbetose 715.
Collins: Tumor der Röcken-
markspia 757.
Colman: Farbcuempfinduo:;
.361.
Arsenikneuritis 507.
Consiglio: Vasomotoren 171.
Courmout: Experimenteller
Tetanus 647.
Hirntumor 811.
Totanische Ck>Dtractor 860.
Craig; Blutdruck bei Geistes-
tranken 1056.
Gramer: Hysterisches Stottern
378.
Horalische Idiotie 1015.
j Crespi: Himchirui^e 235.
Crisriani: Cretinismos 276.
Sitopbobie 516.
Cron: (520).
Cunningham: Gehirn des
Opossum 311.
V. Cyon: Hypophyse 948.
Baddi: Schlaflosigkeit 502.
Inanition 1131.
Dablborg: Tranmalasche Hy¬
sterie 375.
Daland: Dysphagie 816.
1149
Dambacher: Hintere Wurzeln
bei Tabes 548.
Damsch: Psychose bei Icterus
516.
Dana: p8ychro>Ae8the8ie 469.
Dänkler: Beri>Beri 1011.
Dardel-. Epilepsie nach Typhus
654.
Darkschewitscb: Pasteur'schc
Impfungen 98.
T. Daridoll', Histologie 736.
Davidsohn: M'yxödom 271.
D^j^rine: Polyneuritis 81.
Alkoholische Paralyse 128 .
Beine Wortstammbeit 215.
CoDipression des Halsmarks
755.
Worttaabheit 808 .
Heroiple^e 869.
Facialialähmung 1100.
Deiters: Hämorrhagische En*
eepbalitis 722.
Delore: Neuroßbromatose 78.
Demoor: Neurone 1130.
Deniges: Lumbalpunction
134.
Dercum: Syringomyelie 179.
Cerebrale Diplegie 416.
Deutschmann: (765).
Devay: Melancholie u. Base¬
dow 270.
Devic: Hirntumor 811.
Dexler: Chiasroa des Pferdes
115.
Schweiflähmnng d. Pferdes
173.
Dietz: Simulation von Geistes¬
störung 383.
Dinfcler: Neuropathologie 228.
Basedow'sche KranUieit
617.
Tuberculöse Compressions-
myelitis 758.
Dollinger: Tubercul. Wirbel-
entzQndung 662.
DöUken: Leitangsbahnen iui
Thierhim 996.
Donaggio: Spastische Spinal¬
paralyse 457.
Wirkung des Ag. nitr. 699.
Exstirpation der Qlaud.
parathyreoideac 266.
Dooath: Bernhardt-Botb'scbc
Farästbesie 77.
Sympatbicuslähmung 1135.
Domblütb: Neurosen in Folge
Ton Syphilis 1098.
Doyon: Experimenteller Teta¬
nus 647.
Tetanische Contractur 860.
Dräsche: Luftdrucklähuiung
878.
Dabois: Galraniscber Beiz
170.
Dafoar: Hinterstrange 546.
Düring: Lepra 1012.
j Eberson: Colorirter Ge*
I scbmack 361.
Ebstein: Epilepsie und Dia¬
betes 319.
Ohrenschwindel 459.
Gichtische Neuritis 1007.
(1063).
Eckhard: (45).
Edgar: (>steo-arthropathie125.
j Edinger: Erzeugung tabes-
I äbnlicherKrankneiten 429.
Batten-Bflckenmark 617.
Egger: Nervenbeilkundo 71.
Eijkmann: Beri-Beri 82.
Eliot: Hysterische Dysphagie
902.
Ellis: Sexuelle Perversion
1060.
Elsohnig; Augenmuskelläh*
mungen 464 u. 574.
Elzholz: Caroinompsyebosen
667 u. 823.
Emminghaus: (43). (44). (45).
Engelmanu: (332).
Euslin; Tabes- und Aorten-
erkrankungen 555.
Epstein: Irrenwesen in Ungarn
923.
Erb: Unhülserkrankungen des
Bückenmarks 870.
Paralysis agitans 466.
Artcrienerkrankung 574.
Erben: Reßexc 362. (572).
Inseiföruiige Sklerose 626.
Pulsphänomen bei Neur-
ostbenie 669. 919.
Erdbeim,Tetanus focialisllST.
Erlenmcyer: (1014).
Erlitzki: (139).
Neuro^iazellen 141.
van Erp Taalman Kip: Acute
Manie 30.
Periodische Imbecillität 472.
Eschle; (90).
Esteroc: Acromegalie 952.
Eulenburg: Tabesbehandlung
20 .
Myasthenia pseudopara-
lytica gravis 425.
Kinderlähmungen 879.
Eurich: Nenroglia 800.
Eve: Sehnenverpüanzung bei
Kinderlähmungen 879.
Ewald: Epilepsie 619.
Exner: Schilddrüse 265.
van Byk: Epilepsie 652.
Falk: Psychoneurosen 118.
Falkenbcrg: (41). (334).
Faure Sympa^icusresection
bei Basedow 286.
F4re: Prabemipleg. Schmerzen
233.
Toxicomanie 234.
Sexueller Act 281.
Fcre: Epilepsie 314.
Melanodermie bei Epilepsie
319.
Träume bei Epileiuie 321.
Hautreflexe bei Epilepsie
658.
Metbylenblauausscbeidung
bei Epilepsie 653.
Betraction der Paluiarfascie
904.
Zoophilie u. Zoophobie 1056.
Ferrari; Ergograpb 897.
Ferrier: StimrindeDfaserzfige
67.
Hysterie 900.
Fieschi: Embolie in den Hirn*
gefässen 801.
Filbry: Spinale Kinderlähmxmg
705.
Finkelstein: Folie par trans-
formation 281.
Finzi: Spastische Spinalpara¬
lyse 420.
Dementia praecox 1059.
Firgau: MuHkelscbwand Un¬
fallverletzter 7on.
Fischer: Irrenfürsorge 42.
Klinische Mittheilungcu 743.
Flatau: Pathologie d. Nerven¬
zellen 413.
Nervenzellenforschuug 455.
Flechsig: Markbildung in
Grussbirnlappen 977.
Fleming, A.; Aufsteigende De¬
generation 14.
Kleiner: N. auricularis mag-
nus beim Kaninchen 456.
Gliosarcom d. Bückenmarks
756.
Folmer: Schädelmisabildougen
1006.
Forwell: Basedow'sche
Krankheit 270.
Foumier: Heredo-Syphilis
1093.
Fragstein: Ophthalmoplegie
1050.
Francotte: Somnambulismus
130.
Verwirrtheit 428.
Hysterischer Trismus 903.
Zählkarten 1054.
Franke: (332).
Poliomyelitis nach Unfall
370.
Fränkel: (89). (41).
Narcotioa 1131.
V. Frankl-Hocbwart: Nervöse
Erkrankungen der Blase
671.
Fridenberg: Wahrnehmung der
Farben 502,
Friedländer: Kückenmark und
Kleinhirn der Vögel 351
u. 397.
Psychosen 1115.
:!d ov
Googl
c
1150
T.Friedländer: Hirntaraor 974.
Hirosypbilis 1098.
Friedmano: Uirnerschfitteranff
365.
EocepbalitU 610.
Fries: Psoriasis 923.
Froeliob: Eocepbnlocelcn 949.
Frv: Leptomeniugitis 186.
Paralysis agitans 468.
FÜrbringcr: (39).
Plirstner: (44). (46). (47). (48).
UerediL Erkraoktingen des
Nervensystems 473.
Urämie 607. (960).
Zarechnungsnbigkeit der
Hysteriscben 961.
(964). (965).
dad: Neoronlebre 480.
Gaofini: Inanition 468.
Ganser: Hysterischer Dämmer*
zostand 916.(961). (964).
(966). (1109). (1119).
Neorastbeniscbe Geistes-
stömng 1120.
Garnier: Akromegalie 961.
Gebhardt: Aoflösang von Gold
in Wasser 669.
Mikroskop 1117.
Gee: HämorrhagieimPons 863.
Geelvink: (34).
Alimcnt^ Glycosurie 383.
van Gebuchten: Reilezbewe-
gangen 184.
Vorderhorn nach Exartica-
lation 739.
Gerard'Marohant: Sympatbi*
casresection bei Basedow
285.
Gerhardt: (86).
Paralysis agitans 468.
Behexe bei Rückenmarks*
läsion 612.
Gerwer: ächilddrflsenpräpa*
rate bei Geisteskrankheit
712.
CentraderassociirtenAagen*
bewegungen 716.
Gessler: Progr.Maskelatrophie
75.
Gianni: HirncysUcercos 224.
Giannuli: Meningitis syphi¬
litica 1096.
Gibson: Ocnlomotorins*
läbmung 80.
Angionearotisches Oedem
512.
Giese: Neuroglia 139.
Glaeser: Casoistische Mil*
tbeilangen 907.
Glorieux: Copa'ivabalsam bei
Ischias 84.
Hysterie 910.
Globardieci: Hemiplegie 232.
(luebel: Suprascapularis-
läbmung 73.
Landry’scbe Paralyse 324.
Tetanus 949. (1068).
Goldberg: Traumatische amyo-
tropbiscbe Lateralsklerose
708.
Goldflam: Paroxysmale fami¬
liäre Lähmung 417.
(^idscbeider; Spinalpunction
32. (39). (135).
Multiple Sklerose 174.
Nervenzellen bei Fieber
335.
Patfaolc^ie der Nervenzellen
413.
Nervensellenforschang 466.
(600). (603).
Bewegongstberapie 664.
Neoronlebre 669.
Hautsinnesnerven 880.
Ooldschmidt: Tranmatische
Hnterie 376.
Gonzalez: Tetanus 657.
Good; BernbardPsche Sensi-
bilitätsstörung 57.
Goodliffe: Hirntumor bei Irren
562.
Goodner: Typhus und Psy¬
chosen 426.
Gordon: Encephalopathie nach
Influenza 862.
Gorscbkow: Nervenkrankheit,
in der russischen Armee
922.
Gould: Hirntumor 811.
Graanboom: Traumatische
Porencepbalie 707.
Grafd: Farbenempflndnng
361.
Grassmann: Herpes zoster bei
Facialislähmung 1100.
Gräupner: Tabesbehandlung
560.
Greidcnberg: Progr. Paralyse
bei Frauen 841.
Mc. Grew: Epilepsie 822.
Grimaldi: Zellvcrändemngen
an der Hirnrinde 549.
Grimm: Beri*Beri 1046.
Grisson: Doppelseitige Obr¬
eiterung 767.
Gebimcyste 1138.
Gross: (1068).
Gmnbanm; Paralysis psendo*
bypertropbica 603.
Griitzner: Muskelerregbarkeit
620.
Guicciardi: Hallucinationen
132.
Guisy: Hysterische Anarie912.
Guizzetti:Himerweiobang211.
Qntnpertz: (602).
Elektrische Erregbarkeit des
N. radialis 788.
Gutbrie: Idioglossia 706.
Guttmanu: Heroiplegia byste*
rioa 1124.
Habel: Lepra 505.
Tic convulsif bei Hemiplegie
870.
Hackney: Multipl. Sk)erosel77.
Haenel: Tumor der Dura 371.
Uagelstam: Akromegalie 120.
Hahn: Ciliamerven 11.
Syringomyelie 181.75.3.966.
Hamburger: Myelitis 181.
Hammer: Neuritis bei Tnber*
culose 1006.
Handford: Tumor im Poes
Varoü 817.
Hanke: Lagophtbalmus 1094.
Hanszel: Tbyreoidin 284.
Harris*. Hemianopsie 221.
Reflexepileprie 317.
Hartmann: Psychose nach
Operation 659.
Haäkovec: Akroparästhesie 78.
Haynes: Angioneuroais 512.
Heilbronner: Mnltipl. Neuriüi
1009.
Heimann, C.: Epilepsie bei
Morphiumentziehang
Heimann, Bmat: Spinal^g-
lienzellen 797.
Heimann, M.: Erytfaromelalgie
514.
Heise: (40).
Heller: Hydrocepbalns 421.
Henneberg: Quemlantenwabs-
sinn 388.
Meningomyelitis 1106.
(1106).
Henscheo: Aeusseres Knie¬
ganglion 194.
Phoepborlähmung 386.
Rönt^nstrahlen nnd Hin-
chimwe 812.
Hering: Reizung der Hirn¬
rinde 3l2.
Herzog: Myopatbologie 1047.
Hees: Hemiplegie 1^. (829).
Heubner: DifRiM Himaklaose
877.
Heymann. B.: Röckenmarks*
compreasion 172.
Hiebei: Tbyreoidin 284.
Higier: Kenritia optica 339.
Hyaterie bei Thieren 597.
Hill: Blutdruck 502.
Hinabelwood: Wortblindheit
805.
Hirsch: üofallkrankbeit 374.
Hirschbeig: Tabesbehandioog
21 .
Hiracfafeld: (384).
Hirt: Morplüniamus 1013.
(1015).
Hitecbmann: At^enunter*
Buchung bei Crctiiiismas
825.
Anenrysma cirsoidenm 9T5.
Hitzig: (135).
Rjintgen-Photographie SOS.
Google
1151
Hitzig: Periodische Geistes-
storaBgen 1054. (1109).
(1113). (1116). (1119).
Hoche: BäckeDmarksTerände -1
ruQgeo bei HirndruckSlO.
HochbaBB; Arteriosklerose und
Epile^ie 1026.
Hodgaon:Phimosea. Epilepsie
818.
Hodge: Friedreieb’sche Krank¬
heit 27.
Hofbaoer: Interferenz zwiscb.
Impnlsen 361.
Hoffmann: Fremdkörper bei
Lähmung 1065.
V. Hülst: Hysterie 898.
Holz: Bhckenmarkstu^rkel
179.
Holzinger: Nerrenkrankbeiten
in Abessinien 137.
Latyrismos in Abessinien
142.
Hypothenarreäez 894.
Homen: Gekreuzte Anästhesie
287.
Bakterien u. Nervensystem
237.
BulbärafFection 239.
Güose im Cervicalmork 754.
Epilepsie 927.
Hydrocephalus 928.
Progressive Demenz 957.
Hoppe: Stellnng der Irrenärzte
1061.
Alkohol in Irrenanstalten
1074.
Horsley: Kervenendigungen
503.
Hösel: (524).
Insel- u. Thalamus opticus-
Herde 570.
Höstermann*. (1016).
Hoyer: Hemiatrophia linguae
509.
Haobzermeyer:Hemipiegie285.
Hudson: Fractur des 5. Hals¬
wirbels 755.
Hunter: Akromegalie 951.
Beri-Beri 1047.
Hutchinsoo: Wirbelfortnahme
bei Paraplegie 758.
Höter: Carcinom-Metastasen
des peripheren Nerven¬
systems 766.
Jaboolay: Sympatbicusresec-
tion bei Basedow 286.
Jacob: (480).
Doraliofosion 431.
Tabesbehaudlung 665.
Jacobi: Traumatische Hystero-
EpUepsie 710.
Jacobsobn: (34). (334).
Neurontbeorie 1106. |
Jatfö: Infantiles Myxödem 767. |
Jakob: (335). I
Jakoby: Multiple Sklerose 177.
V. Jakscb: (1063).
Janet: Hysterische Contractur
904.
Jastrowitz: Neuralgia occipi-
talis 335.
Jelgersmo: Augenoerven 454.
Sinnesorgane 644.
Jellinek: Hirnblutung 230.
Jendrässik: Paralysis spastica
418.
Jlberg: Katatonie 569 n. 1051.
(1113).
Dementia paralytica 1117.
(1119).
Jnfeld: Muskelkrämpfe 578.
Tabes 667.
Jobannessen: Locale Asphyxie
514.
Johnson: Perniciöse Anämie
267.
Jolly; (135).
Polyueuritis 508. (519).(600).
(960). (964). (1015).
Jones: Agoraphobie 516.
Josias: Psendu-Meningocele
861.
Jnliusbnrgcr: Zellen der Cen¬
tralwindungen 37.
Spinalganglienzelle 151.
Ganglienzelle 550.
Oculomotoriuslähmung 712.
Gedankenlautwerden 1057.
Juscbenko: Ganglion mesen-
tericum inferius 141.
Jwanoff: Gliomatose 830.
Kaes: Markfasergehalt der
Grossbirnrinde 267.
Kaestermann: Hemianopsie
222 .
Kalischer: Muskelkrampf 107.
Tetanie 273. (522).
Erbliche Tabes 556.
Infantile Tabes 556.
BerührungafurcbtimKindes-
alter 1057.
Kaplan :Krankenvor8tenung40.
Trauma und Paralyse 41.
(601).
Oculomotoriuslähmung 712.
Karplus: Hysterische An^le
906.
Eassirer; Poliomyelitis anter.
134.
Kattwinkel: Wörgreflez und
Sprache bei Hemiplegie
231.
Eaaffmann; Akromegalie 951.
Kaufmann: (331).
Kellner: Opium - Behandlung
324
Kemmler: (43). (45).
Kempner: Ophthalmoplegie
1050.
Kienböck: Syringomyelie 966
0. 968.
Böntgen-Photographieen
973.
Eiernau: Hysterische Ptosis
911.
Kirscbgässer: Böckenmarks-
erscbötteruDg S6S.
Ktrstein: Simulation 383.
Kisch: Herzbeschwerden in
Folge Cobabitation 80.
Klemperer: (335).
Klinpel: Tabes 18.
Neurone 69.
Hirnbemispbären 455.
Tabes 553.
Knapp: Traumatische Neur¬
asthenie n. Hysterie 874.
Knauer: Husikalisches Aus¬
drucksvermögen 216.
Psychosen mit Chorea 279.
Köbner: Cbinininiectionen 284.
Koenig: Cerebrale Kinder*
ImimuDg 876.
Kofend: Syringomyelie 752.
Kublrauscb: rhotographieen
vom Gange 432,
Kobnstamm: Phrenicoskern
615 u. 1089.
König: (519).
Cerebrale Kinderlähmung
520. (522).
Köppeo: (87). (41).
Kornfeld: Trional 957.
Korniloff: (474). (829).
Korolkow: Nervenendigungen
141.
KoshewnikolF: (92).(474).(565).
(567). (829). (831). (882).
Köster: Aphasie 217.
Schwefelkuhlenstoffvergif*
tung 493. 568.
Dermatomyositis 510.
Neurotische Gangrän 515.
Snbdurales Hämatom 810.
BelTsches Phänomen 1101.
Kovaievsky: Arteriosklerose d.
Gehirns 674.
T. Krafft-Ebing: (574).
Paralysia agitans 574.
Eemnesie: 667. (668).
Athetosis biiateralis 869.
Kramer: Psychose bei Icterus
516.
Kräpelin: (48). (44).
Imnfürsorge in Baden 46.
(88). (90). (966). (1020).
(1021). (1066). (1068).
(1069).
Kratz: (43).
Kraus: Septische Polyneuritis
81.
Krause: Cbron. Paranoia 29.
Spondylitis 188.
Krauss: Hirnsyphilis 428.
Hirntumor 811.
c,-.,Google
1152
Kreidl: N. glossophai^ngeas.
Vagus u. Accessorias 262.
Kreaaer: (46). (45). (ciH). (90).
Krogioa: Lingaali-snearalgi«
238.
Krön: Arbeitspareses 74 a. 85.
HypuglosHQsiähtnuDg 601.
(602). (712).
Krönig: (38). (39).
Kuqq: Multiple äklerose 178.
Kunze: Scbädelläson 365.
KüatenxiaDD: Beri-Beh 504.
I*aehr: (35). (41).
Hfickenverletzungen 371.
Lepra 713.
Laeae: SjriDgomjelie 764.
liUgreffe: Spina bifida 898.
I<amacq: Hotorisohe Centren
311.
Laoiberta: Traumatiaohe
Hjatero-Epilepaie 710.
Langer: lofantilePoliomyelitia
704.
Langlej: Nervenregeoeration
12 .
Lapinakj: lacbiaa bei Nephri¬
tis 940.
Laquer: Hemicranie 517.
Elektcrotberapie 1023.
Larionow: GebÖracentra bei
Hunden 137.
l>aalett: Bleilabmung 1093.
Weigert-Pal-Mutbode 1129.
Ijiobr;: Methylenblau-
auaacbeiduug bei Epilepaif
653.
Laudenbeimer: Qummiarbeiter
568 u. 681.
Diabetes und Geiateaatöning
1057.
Lanpts: Geachlechtatrieb 282.
Lax: Traumatische Kücken-
markserkrankuni^ 750.
Lazarus: MinenkraDkheit379.
Lea: Apoplexie 872.
Ledderboae: Unfallfolgen 750.
Lebuiann: Katatonie 1052.
Lenhartz: (331).
lienhoBs^k: Spinalganglien-
zellen 577.
Lenoander: Röntgen-Strahlen
u. üimchirurgie 812.
iiennnialm: Cerebrale Ataxie
560.
Leppuiann: (520).(961).(1066).
Leven: Dermatoaia linearis
neuropathica 78.
Levi: Leichenveränderung an
Nervenzellen 504.
Kariokineaia 897.
Levi-Dorn: l'remor 522.
Serratualähmung 1104.
Lewald: (41).
Lewandowskj: (520).
Lcwin: Leprabehandlung 1012.
Lewis: Angiuneurosis der
Zunge 514.
V. Leyden: (39). (335).
v. Liebig: Pneumatische Kam¬
mer 379.
Liebmann: Payehische Taub¬
beit 806.
(Geistig zurückgebliebene
Kinder 1137.
Liebrecht: (330).
Liepmann: Himchirurgie8I4.
Lilienthal: (519).
Lindän: Meningitis 238.
Halswirbelfractur 928.
Lindh: Subdnrales Hämatom
810.
Linke: Epilepsiebehandlung
1136.
Litten: (335).
Lloyd: Wirbelvcrletzung an
der Halswirbelsänle 745.
Fioewy: llieoric des Schlafes
860.
Looibroso: Progress. Muakel-
atropbie 706.
Lord: Nene Nissl-Methode
1088.
Lorenz: OaloPaches Brisement
236.
Lurraio: Spastische Paraplegie
955.
L5w: Morbus Basedowii 269.
Löwenthal, S.: Biechhirn der
Saugethiere 409.
Lubarscb: Kückenmark bei
Carcinoiuatösen 173.
Ltibbers: Disseminirte Herd-
Sklerose 175.
Luce: Combinirte Syatem-
erkrankungen im Kindes-
alter 469.
Hemiplegie 871.
Schrumpfniere 1141.
Lüderitz: Progressive Paralyse
621.
Logari: Canaliculi semioirco-
lares 457.
Lugaro: Nervenelemente bei
Inanition 71.
Spinalganglienzellen 548.
Nervenzellenveränderung
698.
Lübrmaun: Stadtasyle 965.
Hysterie 1119.
Lui; Blutalkalescenz 1132.
Lnisaela: Amyotrophie 706.
Luithlen: GangUenzellen-
farbung
Lnntz: Syringomyelie 564.
Luienburg: Vorderhornzellen
während Thätigkeit 737.
de Luzenberger: Trooblearis-
lähmung 73.
Nervensystem und Trauma
362.
de Luzenberger: Ganglien¬
zellen und Trauma 363.
Maasa: Spina bifida occulta
663.
Mabille: Tbyreoidln und Ar¬
senik 947.
Maclachlan: (^eistesktunk-
beiten 661.
Manan: Manie 31.
M^nert: HerzepUepsie 318.
le Maire :Hemiatropl^ facialis
509.
Maloljetttoff: Rückenmarks-
abseess 881.
Manebot: Diabetes u. Syphilis
1096.
Manicatide: Nervenzellen bei
magendarmkranken Säug¬
lingen 313.
Hann: Hemiplegie 232.
Hemiplegische Contractor
867. (1015).
Motorische Neurone 1021.
(1023).
Manz: Hemianopsie 809.
Marcus: Tabeasjmptome 558.
Marfan :Ophthaliuopl^el050.
Margulids: Hinterstringe beim
Afien 465.
Psendodipsomanie 1116.
Marie: Syringomyelie 181 .
Kyphose 367.
Reugiöse Psychosen 427.
Syringomyelie 752.
Entwickelung der Sprache
804.
Marineseo: Tabes 553.
Paraplegieen 818.
Nervencentren 882.
Nervenaosreissung 1131.
Martin: StichverletsuDg der
linken Hemisphäre 806.
Intraeranielle Blutung 806.
Massalongo: Osteo-artl^
patbie 125.
Diplegieen bei Kindern 873.
Matthes: Poliomyelitis acuta
571.
Myositis ossifioans 1051.
(1114).
Maylard: Tetanus 659.
Hayser: Manie 525.
Medin: Kinderlähmung 703.
Meijer: Hallucinatoriscber
Wahnsinn 472.
Meinert: Tetanie 953.
Meisling: Hemianopsie 222.
Sarcome im Opticus 1005.
Mcisowitx: Tabes 560.
Melsome: Faciaiislähmung
1100 .
Melzer: Scblockact 646.
Keizversuche am Thier¬
magen 646.
1153
Mendel: ZwangsvorstellmigeD
7. (S34). (519).
Doppel8eitig;erErweichaogB*
herd im Sehläfenlappen
713. (1016).
ProgrMsive Paralyse 1035
u. 1085.
Meschede: (960). (964). (965).
Meyer,Adolh HereditareAtaxie
561.
Meyer, £.: Zellen der Central- I
Windungen 37. '
Spinalganglienselle 151.
GsnglienzeUe 550.
Meyer, L. S.; Angenbefond bei
Epilepsie 649.
Micbell: Melancholie 880.
Miller: Congenitale PtosislObO.
.Mingazzini: Aagenmuskelläh-
mnng 468.
Dementia postapoplectiea
1058.
Minor: (474).
Krenzschmerz und Ischias
474.
TransTeraale Myelitis 587.
567. (829).
Mirallie: Polyneuhtis 81.
HysteilBcbe Scoliose 906.
Ekzem bei Hysterie 912.
Mitchell: Oesichtshallnoina-
tionen 881.
Möbina: (525). (526).
Qoethestndien 527.
Nervenheilst&tten 608. -
(ini).
Morbus Basedowii 1118.
(1114). (1116).
HueÜ: Atrophie an den Seh-
nerren 82. (41). (1109).
M5Uers MyiSdem 272.
Lo Monaco: Corpus eallosum
801.
T. Monakow: Seh8trahlung609.
Mikrocephalie 609. (1021).
Defeet eines Plexus brachia-
lis 1022.
Mondio: Demenz 881.
Hongour: Ehwotümus 515.
Monnier: Muskelbesobäftigung
l^i Nervenkrankheiten
922.
Hontesano: Psychischer Reflex-
schmerz 75.
Beschäfti^gskrampf 75.
Cerebrospinalflfissigkeit bei
Paralyse 549.
Montesson: Cerebrospmal-
flAssigkeit bei Paralyse
649.
Montcvirdi: Akromegalie 122.
Montfort: Ekzem bei Hysterie
912.
de Montyel: Pbarynxreflex 24.
Alkoholismus 188.
Verwirrtheit 471.
de Montyel: Patellarreflex 648.
de Moor: Tremor nachlnfluenza
468.
Moore? Familiäre Lateral¬
sklerose 956.
Moosdorf: (1114).
Mopurgo: Activitätehypertro-
phie 508.
Morat: Hinterwurzeln 547.
MottsHimläsionbeiAffen 1092.
Mucba: Katatonie 1058. 1112.
Mühsam: Quecksilberbehand-
Inng bei multipL Sklerose
666 .
Müller, Erich: Nervenzellen
bei magendarmkranken
Säufflingen 318.
Müller, L. R.: Traumatische
Sückenmarkserkrankungen
760.
Solitäre Tuberculose des
Rückenmarks 757.
Munk: Schilddrüse 264.
V. Muralt: (1069).
Muratow: Huskelbewnsstsein
59. (94). (190).
Zwangsbewegnngen 478.
(476). (829). (881).
Myxödem 980.
Mnrawjeff: (94). (474).
StreptokoÜen u. diphtheri-
tisohes Toxin 475.
Murri: Brb’scbeKraokheit424.
Murro: Pubertät 288.
Muskens: Traumatische Hy¬
sterie 376.
Syphilit. Spinalparalyse422.
1097.
Mya: Amyotrophie 706.
HTäcke: BemhardPsche Par-
ästhesie 77.
Chirurgische Thätigkeit des
Irrenarztes 133.
Zerstreuungen für Oeistes-
kranke M8.
NsmI: Multiple Sklerose 178.
Nalbandoff: 8yringomyelie567.
V. Nartowski: BmnhardPsche
SenaibilitätsstÖrung 1082.
Nauhdmer: Hysterie 912.
Naumann: Jackson’sohe Epi¬
lepsie 652.
Nannyn*. Neuritis gonorrhoica
1010. (1063).
Nebelthau: Clehimdurch-
schnitte 476.
Negro: Muskelreflexbei Ischias
79.
Rindenreizung 547.
Hysterie 905.
N. facialis et oculomotorins
1099.
Nehrkom: Meningeale Perl-
geschwolst 18.
Neumann (Königsberg): Ner¬
venmark- u. Axencylinder-
tropfen 696.
Neumann, Max: Alkoholismos
und Epilepsie 315.
Nissl: Psychiatrie und Hirn-
anatomie 89.
Rindenbefund bei Vergif¬
tungen 618.
Anatomisches Material in
Irrenanstalten 964.
Progressive Paralyse 1016.
(1020). (1062).
Nonne: Leukämie 182. (325).
Pseadospastisohe Parese mit
Tremor 827.
Maladie des tics 827.
Rhythmische Bewegungs¬
störung 327. (329).
Erwiderung 478.
Fadalisläbmung von Ceburt
an 762.
Myelogener Tumor 764.(765).
(766).
Rückenmark bei letaler An¬
ämie 1020. (1071). (1139).
Infantile Panüyse 1140.
Multiple Sklerose 1141.
Nnmford: Bew^ungeu bei
Neugeborenen 171.
Oddo: Tetanie 278.
Odise: Nervenzellenbewegung
647.
Oebeke: Rheinisches Irren¬
wesen 968. (1069).
Oestreicher: (1071).
Oliva: Bindenreiznng 547.
Önodi: Lautbildende Centren
218.
van Oordt: Tabes mit Hysterie
622.
O^nheim: (86). (37). (88).
Tumor oerebri 186.
Braohialgie 524. (526). (528).
(1106). (1110).
Nervenmnkheiten und Leo¬
türe 1112. (1114).
Oppenheimer: Urticaria 512.
Orlowsky: Saroomatose des
Rücxenmarks 92. (191).
Orthmann: (1066).
OeistesstSmng bei Arterio¬
sklerose 1071.
Ortner: Recurrensläbmung 73.
Oster: Baynaud'sehe Krank¬
heit 515.
Ossipow: XL Nervenpaar 188.
Bettbehandlung 142.
Epileptischer An&ll 589.
Epilepsie nach Absynth 646.
719.
N. vsgi 697.
Centra des Dickdarms 700.
Ostankow: Tabes 17.
Hautrefleze bei Tabes 140.
73
Google
1154
Ottolenghi: NemoelenieDte
bei Urimie 70.
Otaazewski: AuoeiAtiooseen*
treo 168 a. 803.
Fftcetti: Beeohäftigiiiigs-
krunpf 74.
Pal: Primire oombinirte Sy*
■temerkrankaog 470.
PaoegroBii: Oealomotorios*
kern 1000.
Paraaeandolo: TranmeD auf
Thorax n. Abdomen 707.
Pardo: Tabes 558.
Facialiskem 1008.
Pariot: Experimenteller Teta>
DOS 674.
Paris: Progress. Paraljse 85.
Pascbelee: Himblntong 880.
Passow: Harkfasergehalt der
Centralwindongen 848.
Anstalt f&r Geisteskranke
288.
Markfhsergebalt der Central-
windooMn 616.
Pasteurs In^tile Lihmnng
419.
Patriks Tabes 17.
Pariot: Tetanisehe Contraetnr
860.
PatÜT: Cerebello-medolläre
Symptome 416.
Paosini: Akromegalie 188.
P4aa: Neorone 79.
Fdchontre: Experimenteller
Tetanus 948.
Feeters: Qdsteskranke in Bel¬
gien 87.
Pelman: (964).
Pershing: Neoritis 1007.
Peters: Lumbalponction 887.
Feterson: Bromentsiebang bei
BpUensie 881 n. 1136.
Petr4n: llkromboae in den pi-
alen Qefimsen des R&cken-
marke 759.
P&nneDstill: Myxödem 871.
Pfister: Härtung des Central-
nerrensTstems 648.
Pflflger: Opnthalmoplegie465.
Philippe: Tabes 551.
Little'sohe Krankheit 861.
Pianetta: Dementia paralytiea
659.
Piodaino: Landry'sche Para¬
lyse 507.
Pick: Hittheilong betreffs
Qnersohnittsmyelitis 684.
Syphilitisobe Spinalparalyse
1097.(1109).(1116).(1119).
Pinali; Gedächtniss 116.
Pineies: Akromegalie 121.
Tetanie 968.
Cerebrale Kioderläbmang
971.
Pipping: Epilepsie 987.
Pisenti: Fnpillenreflex 811.
Pitres: Erenthopbobie 488.
Planat: Krämpfe mit Stottern
220 .
Politzer: Faemliaparalyse naoh
Tranina 628.
Fontoppidan: Retrograde Am-
neue 84.
Hemianopsie 823.
Potts: Tomor der Rheken-
marksdora 756.
Powell: Psychiatrie im Süden
1055.
Preston: Cerebralsyphilis 1094.
Pribytkoff: Kuna^yelia oen-
tralis 91.
Rflokenmarkstomor 568.
Gliomatose 830.
BQckenmarksabsoess 881.
pQgliese: Rindenoentren des
oberen Faoüdis 815.
Pognat: Nerrenzellenzerstfi-
rang doreb Leokoeyten
818.
%aeDsel: Sarcom der Dora
spinalis 482.
Qnerton: Winterschlaf 1180.
Bi^ohline: Dermographie bei
Tabes 555.
Ramon y Cajal: NerreosTstem
des Mensehen onc dw
Wirbelthiere 896.
Banniger: Katatonie 1114.
Basch: Lähmong des Plexxu
braohialis 50.
Tropenklima 808.
Baven: Myxödem 887.
Raymond: Tabes 20.
Bedas: Sympathionsresectaon
bd Basedow 286.
Redlich: Senile Atrophie 668.
701.
R&ckenmarksmissbildang
669.
B^is: Ereuthophobie 488.
Rmchel: Streifenhügel and
Linsenkem 815.
Bdchenbe^: Central entstan¬
dene Sehmerten 870.
Rdmers: Bückenmarksdegene-
rationen 148.
Reinhard: Neoritische Moskel-
atrophie 511.
Rellay: AlkohoUsmos 127 a.
815.
Epilepsie 815.
Epilepsiebebandlnng 1186.
Remak: (86).(185).(580). (602).
(608). (712).
Krankenvorstellang 1104.
Renda: Appendicitis bd Hy¬
sterie 911.
Benton: ^ilepsie 880.
Repond: Tranxenheit 129.
Bey: Schädel bei Gdsteskras-
ken 14.
Pavor noctamos 820.
Reynolds: PolynearitU 83.
Riditer: Porencephalie 135.
(522).
Biasmann: Osteomalaeie 510.
Bitti: Alter^tsychosen 659.
B5der: ünteisachang bd teaa-
matischen Nearosen 1067.
Rollern: Erythromelalgie512.
Hemiplegie bd Typhös 866.
Romanow: Motorische Hin-
nerven 598.
BonoMoni: Paialiponanie
1059.
Bosenbaeh: 148. (717).
Rosin: (87).
Myelitis n. Syphilis 428.
Nerventeilen 600 (601).
V. Rosittky: Schilddrüse 865.
Bossi: Nervenldtang bd Ef»-
lende 313.
RoBBOumo: Maltiple Sklerose
176. (190). (191). (474).
(566).
Hereditäre Ataxie 566.
Gowen’scbes Bündel 831.
985.
Both: Pytamidon 31. (191).
(889). (881).
Botbmann: (519).
Versdilnss der Aorta 1107.
Bot^cÜld: Linkshändigkdt
268.
Boatier: (659).
Boox: Pseodo-Meningocele 861.
Badis-Jloina^: Tetanos 658.
^dnieor: Erkrankong des
Tractos optioos. Pedon-
oalas a. K. oeolomot. 817.
lUiffini: Sensorisohe Nerven¬
endigungen 508.
Roneberg: Aphade 838.
Optiere Aphade 839.
Bassel: Bahnen in der Med.
oblong. 858.
Oeeophagosstrictor 902.
Secondäte Degenerationen
im Rückeniaarke 1090.
Baysch: Tranksneht 128.
Sabraies: Tabes 16.
Lombalpanction 184.
Saoerdotti: Nervenelementebd
Urämie 70.
Sachs, B.: Idiotie 480.
Sachs, Morits: Aagenmtxd;d-
lähmangen 464.
Seiler: Aseptische Himter-
reissang 458.
Salomonson: Oeolomotorios-
lähmongen 54.
Goo< le
1155
S&lomoDBon: Atrophie bei Dia-
mutBohoeidem 511.
Saloscbin: P^ohose bei Sali-
c^isaore-lDtoxioatioo S82.
SamgiD: Lepra aDaeathefeiea
555 0 . 1011 .
Sander: Poeteclamptiaobea
Irresein 284.
Farslysis aptans 467.
Holt Sclerose 1018. (1020).
Sfaiger: PoiTOeoritda 83.
Operirter Basedow 286.
Asthenisohe Bolbärpatalyse
287.
Hrsterisebe Hemiple^e mit
Mntismos 288. (826).
Ponetionell'neiTbse Erkran*
kuDgen beim Kind 827.
(332).
UnfaUkiankheiteD 878.(525).
Hysterische Angenmnskel*
8t5nu«enö25.(527).(761).
BdokenmarksgUom 768.
HirDabBce88768.(765).(767).
Tefantilfls Myxödem 767.
Myxödem 1148.
Arthritis deformans 1144.
Sanjoaa: Hallacinationen bei
Tanbstomraen 28.
Sante de Sanetis: (See&nge der
Epileptiker 317.
Traom bei Hysterie und
^Uepme 651.
Santenoise: Aeromegalie 951.
Saabö: Pniritas 24.
Lass bei Tabes and pro-
gressiTer Paralyse 559.
Soaguoei: Acate Anämie 702.
Schäfer: (960).
Schaffer: Spinalganglienxellen
bei Tabes 2.
Hinterwnrzeln im Cerrioal-
mark 434.
Yorderbom bei Tabes 550.
Bäumende StrangdegenO'
rationen 890.
Jcbataloff: Entztindong der
Wirbelsänle 828.
Ichech: Neiröser Husten 905.
lehlagenhaofer: Mikrotom 574.
ichlapp: Qrosshimrinde 384.
Ichleringer, H.: Harnblase 18.
Syringomyelie 174.
BQokenmarksabscess 182.
Rückenmarks- and Wirbel-
tomoren 820.
Cireamsoriptes Oedem 954.
(966). (969).
Stimhuntumor 970.
Mnak^trophie 972.
Hirntumor 974.
Himsyphilis 1098.
phli ahting ; Qescbmaokstäb-
mungen 1102.
shloffex: Traomatische Apo¬
plexie 742.
Schmidt: (41).
Schmidt, Ottomar: Progressive
Paralyse 557.
Schmitz: (1023).
Alkoholmissbraaeh 1069.
Sobmaokler: Onanie bei Kin¬
dern 1108.
Schnabel: Lnee cerebrospinalis
967.
Traomatisohe Neorose 967.
Schön: Liflantilismus 565.
Schöndorff: Schilddrüse 263.
Schröter: Wartepersonal 427.
Schrötter: Caissonkrankheit
1066.
Schokowski: Hirnrinde and
Atbmang 143.
Schfile: Katatonie 181. (960).
(964). (966).
Schalte: Maskein 210.
Schnitze: Akromegalie 119.
Leukämie 182.
Bürgerliches (}eeetzbach
279.
BewasstseinsstSrangen 964.
Polyneuritiscbe Psychosen
1049.
Scholz, Bichard: Unfallerkran-
kangea 868.
Scboster: BOckenschmeri bei
Üniallpatienten878. (602).
Schwartz: Lähmung nach Nar-
cose 910.
Schwan, Otto: Aogenstömn-
gen 462. (586).
SeeliCTann: Yerwacbsang der
Hirnhemisphären 898.
SeeligmöUer: Beflexepilepsie
655.
Seligmann: Auge 1129.
Semldaloff: Deuriom acatom
188.
Senator: Querschnittserkran-
kong des Halsmarkee 746.
Serbsky: (190). (474).
SMeox: l^e W ortstommheit
215.
Melancholie 287.
Worttaiü>heit 808.
Sharp: Xerostomie 918.
Shaw: Parästhesieen am Bein
76.
Sherrington: Exstirpation der
Hirnhemisphären 811.
Beizung der Hirnrinde 818.
Nerveaworzeln 1041.
Shdarow: Paerperale
Psychosen 278.
Sibelias: Yordeihom naoh Am¬
putation 266.
Sick: Besection des N. radia-
lis 85.
Siegentbaler: Puerperal-
psyohoeen 926.
Sieletskij: Elektrioität bei
Hemiplegie 873.
Siemerling: Angenmuskelläh-
mnng und progr. Para¬
lyse 21.
Multiple Sklerose 575.
Markscbeidenentwickeiong
961. (966).
Sievers: Brown • Söquard’scbe
Lähmung 288.
Sikoisld: Alkoholismns 562.
Silvagni: Schwindel 458.
Simmonds: (766).
Simon: Friedrei<^’scbe Krank¬
heit 26.
Simpson: Tabes 554.
80jähriger ^ileptiker 656.
Hysterische Paraplegie 907.
Sioh: Fürsorge fu (Geistes¬
kranke 965.
Siven: Traumatische Epilepsie
381.
Smith: Alkohologene Epilepsie
90.
Snell: Hypothermie 606.
T. Sölder: Syringomyelie 571.
Polyneuritis 572.
In^tile Pseodobolbärpara-
iyse 573.
Hirnge&saneurysmeu 666.
Mitbewegnng eines Ober¬
lides 667.
Koprostsse: 924.
Solmsen: Kopftetanus 659.
Solowzeff: Missgestaltungen
des Qrosshirns 190. 880.
Soltmann: Pavor nooturnus
1183.
Sommer: (88).
Motoris(^e Symptome 91.
Sorgo: Ganglienzellenfirbang
640 u. 978.
Soukhanoff: Neurontheorie
69.
Polyneurit. Psychose 1048.
SourT: Qehim 262.
Spallitta: Vasomotoren 171.
Spüler: Tabes 15.
Syringomyelie 179.
äeinnimerkrankung 226.
BüokenmarkaerschQtterung
368.
Bückenmarkssypbilis 421.
LitUe’sohe Krankheit 662.
Muskelknospen 860.
Hemiplegie 866.
Spina: Bückenmarksdurcb-
trennung 738.
Springer: Stimaabt 1000.
Stedelmann: Eisenbahnunfätie
868 .
Stanley: Epilepsie mit ünter-
Ideferluxation 656.
TabM bei Knaben 956.
Stansiale: Hims]rphilis 213.
Steckei: Migräne 517.
Stefimowska: Dendriten 116.
Stein: Syringomyelie 752.
73*
D g I ,:od oy GOO^ Ic
1156
Steinach: Hintere Spinal-
nervenwnneln 699.
Hinterwnrzeln 699.
Steiner: Tetanns 668.
Hysterie 901.
Himabscess 1070.
Stepp: BisenbabnunfiUe 369.
Stemberg: Akromegalie 124.
AecessoriasUUunang 4S2.
( 668 ).
Neoroeen 917 a. 978.
Steven: Spastisehe Hemiplegie
872.
Osteo-arthropathie 952.
Stewart: Kinderparalvee 746.
Stiotzing; (525). (586>
Tetanns 569.
Tetanus tranmaticus 1062.
/I
Stoddart: Melancholie 928.
Stolper: Rfickeomarksblntan*
gen 869.
StooMll: Syphilis der Rflcken-
marksUnte 1120.
T. Stranskj: Phosphorrergif*
tnw mit Tetanie 278.
Strelzoff: Fremdkörper im
Magen Geisteskranker 94.
Stricker: (480).
v. Strhmpell: Akrom^faUell9.
Entzflndnng der Wirbel*
sftnle 867.
Hvelitis 611.
Anomalie 612.
Peendoskleroee 877.
Stummer: Mal perforant du
pied 554.
Snddutb: Epilepaiebehandlung
828.
Sndnik; Diplegia facialis 1100.
8utfaerland:Hjdroceplialna461.
Takiki: Tetanusantitozische
Sgensohaften des Central*
nervensystems 1004.
Tallermann: Heiseluftapparat
622.
Tambroni: Spastische Spinal*
pard^ 420.
Tambnrini: Autosadismus 182.
Automasochismus 182.
Tantsen: Apoplexie im Seh*
hOgel 865.
Taylor: Ophthalmoplegie 1051.
Tekntiew: Adonis vemalis bei
Epilepsie 140.
Teljatnik: BluUreislauf im
Gehirn 715.
Sinneereixe o.61otcireulation
im Gehirn 719.
Teoscber: Suggestion 526:
Theodor: ^ina biflda 789.
Tbeohari: Hemiplegie 869.
Facialisl&bmung 1100.
Tbieme: ünfallerkrankuogen
740.
Thiemich: Popillenweite bei
Che 7 ne*Stoke 8 ’schemAth*
men 818.
Tbomann: Irrenf&rsorge 90.
Thomas: Endigung des N.
aeustaons 810.
Thomsen: Hydrotherapie 960.
Thomson: Geeichtsfelddefect
214.
Acute Ataxie 916.
TiÜng: Alkoholische Paralyse
1010 .
Tilling: Alkoholische Paralyse
127.
Tokarsky: (880).
Tooth: Alkoholismns 127.
Himorrhagie im Pons 863.
Tordens: Temnie 272.
Torracchi: Akromegalie 122.
de la Tourette: TaoM 19.
Toumier: Osteo'-arthropathie
958.
Trapesnikow: Bettbehandlung
142.
Trapp: Chiru^e des Röcken*
markes 187.
Trönel: Kleinhimgliom 227.
Trevelyan: Tabes 557.
Trömmer: Traumatische Tabes
519. (601).
Tschermak: Hioterstrang*
bahnen 159.
Tfimianzew: SympathieusbOl.
Tumpowski: Tabes 16.
Turner: Himrindenfsserzfige
67.
Ocnlomotoriuslibmung 80.
Nervenzellenuntersncbung
800.
IJhthoff: Sebstörungen bei
intracraniellen Erkrankun*
gen 461.
Ullmann: Arthropatbia tabioa
623.
Ursio: Hirntumoren 212.
Talenfon: Morbus Basedow
269.
Vallon: Religiöse Psychosen
427.
Vaschide: Schlaf n. Erwachen
950.
Vassale: Exstirpationd.(Hand,
parathywldea 266.
Vedrani: Dementia praeeoz
1059.
T elichJ:Nebenniereneztraeti 17.
Yeragntb: Anencepbalie 580.
di Veroe: Pellagra, Alkoholis*
muB und Selbstmord 959.
Terga: Dementia paralytica
559.
Verhoogen: Masseterencontrac-
tnr 710.
Verhoogen: Hysterie 922.
Verwom: Hypnose der Thioe
1090.
Viassi: Sexuelle Deliete 1060.
Vigouroux: Fusctionelle Neo*
roeen 388.
Vires: Hystero-Tabes 17.
Virsiola: Spastische Pars*
plegie 879.
Voegele: StimbeinerkrankoD-
gen 225.
Vogt: Hysterie 1111.
Vorster: (48). (88).
Aphasie 89.
Wagner: Combinirte Striog*
erkranknng 188. (669).
Wablfors: (289).
Wallenbe^: Tractus isthiocK
striatus 800.
Spinale Trigeminuswuml
409.
Mediale Opticnsböndel der
Taube 582.
AcuaticosbahB der Taobe
786.
W alton: Kopfverletsungen S66.
(Derebiale Hämorrha^e 964,
Warda: Opinm-Brombebud*
lung 324.
Obrfonnen 526.
Warrington: NerTenzd]ea549.
Nerven seUenvcriodeniig
701.
Bleilähmung 1098.
Wartmann: Amoholiamus ud
Epilepaie 816.
Waaaennaon: TetaouMntitoi.
ihgenachaften deeCeatnl*
nervensystemB 1004.
Waters: Kropf 268.
Weber, Leonbard: Sklero¬
dermie 186.
Weber (üecbtspringe): Eioeo*
halt GangliMÜellen 605.
Demonstrationspiipante
606.
Eiseninfiltration der (Hs-
glienzellen 740.
Tod im Status epileptie«
1068.
Weber (Sonoenstein): Zuech*
nungsfähigk. 1106.(1109).
Weidenhaimme: (568). 564).
Weigandt: Hungn 1005.
Weif: Monoplegie 693 u. 113.
Paralysis agitans 718.
Hysterische Sehstörungei
899.
Weinleehner: Schädelfractorcs
628.
Weiss: Paraple^spastica970.
'Pachymeningitisiaetifli970.
Wenhardt: Himge^wnlit a
Hemiatrophia lingusaMl-
Werbitzky: Tabes 21.
1157
Weniloff: Haematomyeliaceo-
tralis 91.
Hyelitia caotralis 191.
KäokenmarkscompresMon
563.
Westpbal: Intoxications-
psyehoseo 382.
Knmpfaiifille 517.
Tabes a. Herpes zoster 556.
'Wetteodorfer: Tetanie 272.
WeydeDhammer: Deliriam
acatnm 188.
WeygaDdt: Schulhygiene 622.
Wic^w: Böntgeoscbe Aof-
nahmen 138.
'Wiener*. BiDtereSpinalnerTen>
wurzeln 699.
Hämorrhagische Encephali¬
tis 862.
Wildermutb: Pflege bei Epi¬
leptischen 657.
Ueberbflrdong 920.
Epilepsie 1134.
Willard: RQckenmarkserschüt-
terang 868.
Wille: Sebweizerisebes Irren-
gesetz 191.
Williamson: Himblutong 865.
Windsebeid: Ovarie 1109.
(1111). (1116).
Winkler: Epilepsie 650.
Polyneuritis chron. 1007,
Winter: Psychische Epilepsie
1134.
Woblgemuth: Infantile Hemi-
m^e 871.
Wolff: (48).
WollenWg: <762).
Selbstmordversuche durch
Erhängen 1053.
Wood: Lobus suboccipitalis
501.
Woods: Folie ä deuz 1055.
Wormser: Schilddr&se 264.
Wright: Bindenzelle nach
Bromdosen 1092.
Wyrubow: Geschwulst an der
HimbaM 718.
Wyss: Bämorrbagisebe Mye¬
litis 431.
Zamazal: Endometritis und
Herznenrose 80.
Zander: Hautnerven des Kopfes
261.
Zappert: Hinterstrangsdegene-
ratioD 102.
Pseudoparalyae syphili¬
tischer Kinder 572. (978).
Pseudoparalyse bei Säug¬
lingen 1093.
V. Zeism: Himdmck 971.
Zenner: Himgeschwulst 202.
Ziehen: Periodische Psychosen
380. (525).
Simulation 570.
^hasie 809.
mmtumor 812.
Neurasthenie 916. (1111).
(1114).
Zingerle: Balkenmangel 802.
Zuckerkandl: NervSse Erkran¬
kungen der Blase 671.
Abdneenskem, Verbindung
mit Oculomotoriuskern 864.
1002. —-Ursprung 454. —
•LäbrouDff 464.
Abessinien, Nervenkrankhmten
dort 187.
Acceesorins, centrale Endi¬
gungen 138. — -Lähmung
des änsseren Astes 432. 602.
712.
Acnsticus. centrale Endigung
310. — seoundäre Bahn 736.
Acnstiensbahn 68.
Adonis vemalis bei Epilepsie
140. 290.
Aequivalente cf. Epilepsie.
Agoraphobie 516.
Agrapnie 714. 805.
Agrypnie cf. Schlaflosigkeit
Akromegalie 119 (2). 120.121.
123. 124. 612. 951 (2). 952.
— u. Diabetes 121. 951. —
u. Hemianopsia bitemporalis
122. — pj^ielle 123. —
Manie dabei 951.
Akroparaesthesie 78.
Alezie 714. 805. 988.
Alkohol in Irrenanstalten 1074.
u. ärztliche Praxis 1189.
Alkoholepilepsie 90. 315. 816
(2). 1134.
Alkoholismus 562. 1069. cf.
Trunksucht, Dipsomanie. —
u. Nerrendegeneration 127.
in. Sachregister.
Alkobolismus im Alter von
4 Jahren 127. — u. Paralyse
127. — u. Somnambulismus
130. — in Italien 959.
Alkobolneuritis cf. Neuritis.
Alkoholparalyse 1010.
Alkobolpsychosen 1074.
Alpdrücken bei Epilepsie und
Hysterie 651.
Amaurose u. Idiotie 420. —
u. Läsion des Seheentruma
461. — hysterische mono-
euläre 466. — vorüber¬
gebende 856.
Ammonshom bei Epileptikern
86 .
Amnesie, retregrade 670. —*
nach Erhängen 84. ■— bei
posteolampti^em Irresein
284.
Amputation, Rückenmark da¬
nach 266. 888.
Amusie, sensorische 216.
Amyloidkö^erchen 759.
Amyotrophische Lsteralskle-
rose CI. Lateralsklerose.
Ai^otrophisohe paretische
fermen der oombin. System¬
erkrankung 470.
Anämie, pemieiöse 267. — cf.
Lenkihnie. — path. Anat. d.
Centralnervensyst bei acut
702. — Rückenmark dabei
1020.
Anaestbesie, gekreuzte 237.
Anencepbalie u. inneres Obr
580.
Angstneurose, sexnelle 919.
Angstzustände and Epilepsie
1121 .
Anarie bei Hysterie 912.
AortenerkrankuDgo. Tabes555.
Aphasie 136. 204. 804. — op¬
tische 289. — optische u.
tactile 89. — functionelle
220. — motorische 219. —
bei Linkshändern 866. —
amnestische 216. 217. —
sensorische 214. 215. 704.
729.804.808. — hysterische
866. — u. linksseitige Hemi¬
plegie 238. ■— Zuverlässig¬
keit der Angaben 809.
Apoplexia cerebri 863 (2). 864.
865 (2). 866. 867. 868. 869.
870. 871. 872. — voran¬
gehende Schmerzen 233. —
traumatische 792. — De¬
mentia danach 1058. — spi-
nalis 693.
Appendioitis bei Hysterie 911.
ArMitsparesen 74. 85.
Arsenik, Neuritis 607. n.
Thyreoideaanweodung 947.
Artena basilaris, Aneurysmen
derselben 666.
Arter. foBs. Sytvii syph. Er¬
krankung 229.
Diy
Google
1158
Alter, ueeeotericft eaper., Em>
bolie217. — magDvepiDaUs
297.
Artoriotkleroaea. Epüepaie818.
— TL OeUteMtdroog 1071.
— des Gehirns 674. — Tbe^
rapie 680.
Arthralgie bei Hysterie 914.
Arthritis, Neoritis 1007. —
o. Neorastbenie 1090.
Arthritia deformans d. Wirbel*
siiüe 1144.
Arthropathie bei STriDgomyelie
181. 966. — bei TSbm 623.
Asphyxie, loeale ef. Raynand’*
sehe Krankheit
Assodationsoentren 168. 208.
Asthenische Bnlbftrparalyse cf.
diese.
Ataxie, Behandlung mit der
Frenkel'scheo iMthode 21.
860.572.969. of. Priedieieht
Khe Krankheit, Hdvddo-
Ataxie, cerebellare Tabes. —
frontiüe 780. — aonte eines
Beines 916. — heredo-cere*
bellare 227.
Atbetosis 678. 603. 715. ~
bilateraUs 869. 875.
Athmong TL Hirnrinde 148.
Atropin, Delirien nach Ter*
ffiftnng 91. *•> bei perio-
oisefaen Psychosen 1054.
Ange, mikroskopische Unter*
sachnngametboden 1129.
AngebdCretinismns, Zwerg*
wachs 825. — im Sehlsle
860.
Aagenbewegnngen, associirte
Centr. 7)6. 720. 864.
AngenmaskeUibmnngen of.
Abdaeens a. s. w. — progr.
bei progr. Paralyse 21. —
bei mnltipler Sklerose 176.
178. ~ nei Dystr. mnse.
706. — altonuende 468.
— doTcb Geschwnlstmeta*
stasen 464.
Aagenmnakelstörongen, by*
^risobe 525.
Angenstörangen bei Hysterie
380. 464. — TL Bmi* TL
Rücken markskrankheiten
462.
Aora bei foilepsie 317. 650.
1128 cf. Epilepsie.
Anricnlaris ma^os, gefliss*
▼erengende Fasern in dem¬
selben 456.
Antosadisrnns 182.
Axencylindertropfen 696.
Axillsra, Lfthmong desselben
71.
Balken of. Conms callosTim.
Basedow'sche Krankheit 269
(2). 270. 271. — Oedeme
ubei 269. — Helanobolie
270. — Path. Anatomie 270.
— Operation am Halasym-
pathicTU 269 (2). 285. 286
(2). — Scbilddräsenexetir*
ptöon 286. — mit Hemi¬
plegie a. psychischen 8t5*
rongen 617. >*• Operation
1118.
Bell'sches Ph&nomen bei Fa*
wfciuiiahtriTing cf, diese.
Beri-Beri 82. 504. 1011. 1046.
— Bekftmpfang derselben
82. — Aetiologie 1047.
Bemhardt’scbe Senribilitits-
stOmng cf.CntanJ’emor.extr.
Berührangsfnreht im Kindes¬
alter 1057.
Beschiftigongsmaakelatrophie
75.
BeeehtfkigTUigsneiirose cf. Ar-
beitsparesen 74. 75 (2).
BesebUtigangBpareee of. Ar¬
beitsparesen.
Bettbehandlnng 142 (2). 287.
Bewegangsttierapie 664 — of.
Tal^
Bewoastseln bei Epilepsie 814.
Bewasotseinsstömngen 964.
Bier in Irrenanst^ten 1060.
Blase, nerrbse Erkranknngen
671.~Entleerang derselben
888 .
Bleilähmang, path. Anatomie
1093.
Blnt, baetericides Vermögen
1182. — bd Psychosen a.
Epilepsie 1182.
Blnrnrack im Schlaf 502. —
in Carotis 715. — bei Psy¬
chosen 1058.
Blntdroeksteigerang, darob
Nebennierenextr^ 117.
Blntkreislaaf im Gehirn 715.
801. ~ Wirkung ron Sinnes¬
reizen 719. — ranfloss Ton
Rfickenmark 788.
Bogengänge tl Raamsinn 457
( 2 )-
Brachialgie 524.
Frombehandlnng bei Epilepsie
821. 1186. — Tod dadarch
1092.
Brown - SdqTiard'seher Sym-
ptomenoomplex 757.967. —
0. Syphilis 288. — a. Disso-
cianon des Sensibilität 755.
Balbäraffeotionen mit gekreuz¬
ter Lähmng 289.
BTilbärparalyse, asthenische
287. — pseado 578.
Bulbiu olnctorius 409.
Csissonkrankheit 378. 1066.
Calot’scbesBrisement 188.286.
Oanalis semicircularis ct Bo¬
gengängen.
Capsula interna, (>ite 816.
Carrasquilla'scbes bd
Lepra 505.
Carctnom u. Psychose 667.82S.
Carcinomatose 178. — der
Wirbel 172.
Cardiaca bei Epilepsie 290.
Csstratiou bei Geisteekrsnka
und Verbrechern 48.
Cataraetextraetion u. Psyebose
472.
Cauda equina, Läsion deiselb.
nach Unfall 364.
Centmm d Hirnrinde, Loes*
lisatioD.
Cerebelliun cf. Kleinhirn.
Cerebrospinalfltieaigkeit bei
Paralysis progr. 549.
Charcotrsche Kiukheit ef. A^
thropathie.
Cheyne-Stokes’aohes Athnen
818.
Chiasma optienm ct Optiest.
Chlorose 256.
Chinin snbcntan gegen Ken-
r^gieen 284.
Cholesteatom ef. Perigesebw.
Chorda ^mpani 1102.
Chorea u. Psychose 279. — o.
Athetose 876. — u. Epi¬
lepsie 1188.
Chorea ehron. progr. 573. —
congenita spastica 876. -
rhyvunica hysteriea 910.
Ciliamerren. Ban 11.
Cocirinismas von der Hm*
blase aus 918.
Coitus 282. — intermptns 281.
CompressionsmyeÜtus 17S.I84.
187. 563 (2). 758. 818.
Conjunetiralräex 1110.
Contracturen 282. — hemi*
plegiBChe867. — bysterisriie
904.
.Copaivabalsam bei Ischias 84.
Corpus calloaum, Physiologie
801. — Mangel desselb. 802.
enieulatrun extersTuo,
isation in demselb.194.
Craniectomie 662 ct Trepa
natioD.
Cremastorreflex bd Paratjie
648.*
, CretinismTu u. Glandula tbj-
I reoidea 276. — u. Arige 825.
I Criminalanthropdogie ef. Fo¬
rensische P^ebi^e.
Cms eerebri ef. HimsebenkeL
Cntanens femoiis extenUi
SendbUitätastbmng 57. 7A
77 (2). 1082.
Cyclon 0. Neurosen n.
chose 914.
CystieercTu des Hirns 224.
1159
SämmerSQstaod, hjstoriBoher
915. 916.
Darm, Eiowirkang der Med.
oblong. 699. — eort. Centren
700.
Danneontraetionen. während
des epUept. Anfalls 589.
D^nention, absteigende der
mntarstrftnge 108. — ab*
steigende nnd anfsteigende
im Köckenmark 144. 407.
440. 442. 487. 1090. — se*
cnndäre, Färbemethode 476.
— Cbarakterisimng 890. ~
Nenrontheorie 1106. — se-
condäre nach Herden in Insel
n. Thal, opt 570.
D^eneratiooBzeiohen cf. Ohr.
D^rinm acntnm 188.^88. —
Bakteriologie 711. 1182. —
doreh intee^ale Antointozi*
cation 924.
— haUndnatoriom ef. Ver*
wirtbeit 428. 472.
— tremens of. Alkobolismns.
Dementia paraljtica d Paral.
progr.
— poetapopleoboa 1058.
— praecox 87. 1059.
— progr. hereditäre 957.
— secondäre 881.
— senilis 660. 662. 668. 676.
701.
Dennatomjoeitis 510.
DermatoeU linearis nenro-
pathica 78.
Dermographismns bei Tabes
555.
Diabetes u. Akromegalie 119.
121. — n. Epilepsie 819.
n. Geistesstbrong 1067. —
a. Syphilis 1096.
DiamantBcbneider, Mnskel-
atrophie 511.
Diastematomyelie 789.
Dickdarm, corticale Centren
700.
Digitalis bei ^ilepsie 292.
Diphtherie o. Hemipl^e 871.
— «Toxin, Einwirkung anf
Nervensystem 475.
Dipleg^ cerebralis 416. 578.
— ef. Kinderlähmnng, Little*
sehe Lähmung.
Diplegia facialis cf. Fadalis.
Dipsomanie 1116.
Dora mater cerebr., Tumor
571. — Fungus 788. 854.
— cf. Hämatom. — spinalis.
Sareom derselben 482. —
Geschwulst 756.
Durahnfosion 481.
Dyskineeen 474.
I^Bphagie 816. 902 (2).
Dysphade 816
Dystrophia muscuL progr. o.
Muskelspindel 508. 860. ~
u. Poliomyelit. ant. 184.
Keholalie bei Epilepsie 655.
Eclampsie, Amnesie darnach
284.
Ecmneeie 667.
Eczema palmaris bei Hj^terie
912.
Euenbahnunfalle 868 (2). 869.
Elektrodianostik der Ooolo*
motorindähmungen 54. —
gdvanisober ^iz 170. —
Erhöhung der Erregbarkeit
bei Schwefslkohlensto^er*
mftui^ 494. ~ Badialia788.
BeizTersuebe am Thier*
magen 646.
Elektrotherapie 1028. — bei
M^enaffectionen 647. —
bei Hemiplegie 878.
Embolie der C^tis 801.
EtteephalitiB haemorrba^ea
u. Delirium acutum 189. —
path. Anatomie 212. — hae*
morrhagioa acuta 228. 722.
862. — nicht eitrige 610 .
Bncephaloeele, angeborene 949.
Encephalopathia nach ln*
fluenza 862.
Endarteriitis obliterans cf.
Hirnarterien.
Sntfernungsreaction 882.
Endm&ndigung 618.
Entm&ndigangBveifabren 280.
Ependymitis acuta 228.
Epilepsie of. Eclampsie, Jack«
Bon’scbe Epilepsie, Status
epilepticns.
— Mnstlich erzeug 619.
Symptomatologie 814.
psychiscbe 1184. — Spiaoh-
störungen 216.—Gesdwin*
digkeit der Nervenleitui^
313. — Angstzustände 1121.
— Bewusstseinsstörung im
Anfiül 814. — Melanodermie
recurrirende 819.—Diabetes
mellitus 819. — u. Jackson**
sehe Epilepsie 320. — Schlaf
651. — oohweiBS 820. —
Träume 321. 651. — und
Tabes 556. — Luxation des
UnterkieferB 656. — An^*
spiegelbefnnd 649. •* alter*
nans 650. — proonniva
650. — mit choreaartigen
Bewegungen 1188. — Haut-
redexe 658.— Ausscheidung
von Methylenblau 658. —
Paranda chronica 656. —
Aura of.diese: Erinnernn|;B*
anra 650. — Aetiologio:
Mb eintretende 66. — Al*
kohol 90. — 815 (2). 816.
1075. — Absinth 646. —
nach Eopfdonehe 1183. —
AlkohoUsmus und Schädel*
Verletzungen 1184. — Herz*
krankb. 818. — Herzoon*
Tulsionen 818. — Beflex*
epilepsie cf. diese. — tarda
656. — Trauma 821. 822.
650. — Typhus 654. — als
Abstmenzerscheinung bei
Moiphiumentziehung 655.
— Blutbeechaffenheit 1132.
— Path. Anatomie. Am-
monshomveränderungSO. —
bei Cysticercus ccrebri 224.
— btt Meningocele spnria
214. — senile arterioscle*
rotische 818. — frfihzeitige
Terkalkung der Himgefässe
1026.—SeraonBbefandl064.
— bei enormen Bromdosen
1092.—Diagose: Spillen*
starre 906. — Therapie.
Adonis vemalis 140. 290.
— Digitalis 292. — heisses
Luftbad 821. — Brompräpa«
rate 821.1186. — Operation
822 (2). 652.1186. — Opium*
behandlung 328.824(2). 927.
1 186 . — BMectiondes oberen
Ganglion des Halssympatiii*
ous 656. 1135. — Pflege*
personal 657.
Epileptiforme AnföUe, alko*
bologene 90. — aus hoch*
^pamger Phimose 318.
Epdeptiseber Aequivalent, mn*
sikaliscbes 317.
Epileptische AnBUle, Absinth
646. 719. — Bewusstsein
314. — Einfluss von Hirn*
affection 814. — Aura 817.
— musikalische 817. —
Erinnerungsaura 650. —
Bespirationsapparat 818. —
Magen u. s. w.*Contractionen
539. — Augenhintergrund
649. — B^alislähmung
danach 691.
Epileptogeae Zone 817.
Epileptoide Anfille n. Angst*
Zustände 1121.
Erb'sche oombinirte Schulter«
armlähmnng 50. — doppel«
seitige 72.
Erenthophobie 428.
Ergographie 897.
Eigotin und locale Asphyxie
515.
Erhängen, retrograde Amnesie
danach 84. 1058. — psy«
chische Störungen dana^
1058.
Erröthen ef. Erenthophobie.
Erythromelalgie 512.518. 514,
L'
Google
im
Faci&ÜB, oberer, bilaterale
fHioctioD 816.—Verbindung
mit Ocnlomotorina 1099. —
Diplegia nach Paetear’icbeD
Impfongen 101. — naeb
Sypbilie 1100. — traoma'
Uoa 628. — Krampf bei
Hemiplegie 870. — Lab*
mang von der Gebart an
762. — Bell'echee Symptom
1099. 1101 (8). — naeb
Operation 1100. — Herpee
zoster 1100. — path. Ana¬
tomie 1100. — Hitbewegnng
1106. — Sennbilitätsstb-
rangen 1102. —Qeschmaeka-
stbmngen 1102. — recidi-
▼irende 1105.
FWiiüiskem 1008.
Firbemethoden 476. 500.640.
978. 1088. 1129.
Familiftre Krankheiten cf.
Friedreieb ’sobe Krankheit.
416 (3). 417. 418. 419. 420
(2). 478. 511. 566. 954. 955.
956 (2). 957. — Qeistes-
kranueiten 1055.
Familienpfle« cf. Irrenpflege.
Farben, Wanmehmang &i-
selben 502.
Fascia palmaris ef. Palmar-
faseie.
Folie a deox cf. indaeirtes
Irresein.
Fontanelle der Stimknoohen
1000.
Forensische Psychiatrie 279.
618. 1015. 1060. 1108. 1184.
Formolbärtnng 500. 648.
Fremdkörper als ürsaebe spi«
naler n. peripherer Lbbmang
1065.
Friedreioh’sohe Krankheit 20.
802. 561. — n. Autopsie 26.
27. — 0. Deformiät der
Fflsse 27.
Fnnioalos solitarius 409.
Clanff, photomphiscbe Auf-
nimme a. rrojeetion 482.
Ganglienzellen ef. Nerren-
zdlen.
Ganglion cerricale nerr. vagi,
Verletznng deeBelben874. —
meeenterieam infer. n. Ham*
blase 141.
Gaomenmaskulator, Inner¬
vation 262.
Ge^htniss 116. — nach
Kopfverletzon^n 809. —
bei polyneant. Peydiosen
1049 (2). — nach Erhängen
cf. dieses.
Oedankenlantwerden 1057.
Gefiissnerven cf. vasomotor.
. Nerven.
Gehör mit Farbenbildern 861
( 2 ).
Gelenkaffection cf. Arthro¬
pathie.
G^ch bei Tabes 18. — cf.
Bieehhim.
Geschmack bei Tabes 18. —
colorirter 361.
Geschmacks&sem,VerlaQf410.
1041. 1102.
Gesetzbach, bötgerliobes 279.
Geaichtsfeldanomalieen bei
Hysterie 831.
Qesichtsmoskelschwand, Ent-
wickelangshenimung 66.
Glandula parathyreoidea, Ent-
femang bei Händen 266.
— thyreoidea 264. 265. —
ef. Struma, Basedow'sehe
Krankheit, Myxödem. — u.
Knoebensystem 187. — Ez-
tract gegen Sklerodermie
186. — u. Stoffwechsel 268.
— experimentelle Beiträge
264. — Jodgehalt 265. —
Aktinomykose 271. — Cre-
tinismas 276. — gegen
Psychosen 711. 712. — u.
AiMiik 947.
GUose of. Syringomyelie. — a.
multiple Sklerose 170. —
einseitige des Bttckenmarks
754. — path. Anatomie 830.
Qlataeusreflez 79.
Glyoosurie u. Epilepsie 320.
— alimentäre bei Nerven¬
krankheiten 888. — 0. Sy¬
philis 1096.
Goethestadien, psyehiatiische
527.
Gonorrhoe, Neuritis dabei 1010.
Cbwers’sches B&ndel 489.490.
491. 492. 935. 1092.
Graves’sohe Krankheit cf. Ba-
sedow*Bcbe Krankheit.
Gummiarbeiter, nervOse and
payehisebe Stömngen 568.
681.
Gyms cf. Lobus. — centralis,
Mark&sergehalt 242. 616.
— Tumor 748. 812. —
Gliom 818. — oentralia
posterior und Hinterstrang¬
bahnen 161.
Maarempflndlichkeit cf. Tri-
eboäsmeBiometer.
Haematom, subdarales 810. —
der Dora mater bei Con-
vezitätameningiUs 909.
Haematomyelie 750. — cen¬
trale 91. 182.
Haematorhaohis 188.
Haemorrb^een cf. Apoplexie.
HaUncinationen cf. Oedanken¬
lantwerden. — bei Geistes¬
kranken a.bciTaabstunimeo
28. — einseit^e (links) 40
— bei KleinbimerkiankuDg
227. — Bewusstsdn dabei
276. — bei Hemicranie 391
Halsmark. QaerschnittserkraD
knng 746.
^^o^'^aseiben b. Basedov’
scher Krankheit 269 (2).285
286 (2). — bei Idiotie 656
— bei Epilepsie 1135.
Ham cf. Urin.
Harnblase, Physiologie 13. —
Innervation 141. — Contne-
tionen während des epilept
Anftül» 589.
Haube of. Hiruscbmikel.
Haut ef. Melanodermie, Sklero¬
dermie.
Hautgefllhl, Bahn 68-
Hantreflexe cf. Reflexe, Zehen-
reflex.—im Anfangsstsdiom
d. Tabes 140. — b. Röcken-
markscompresaioD 185. —
bei Epilepsie 658.
Hautsinnesnerven 880.
Hebepbrenie 86. 1112.
Heisaiuftapparat 622.
Heaiianaestnesia aleemansSSS.
Hemianopsie 221. 222. 817. —
bitemporale 122. 228. —
Akromegalie bei Affeetäon
des Corp. gen. ext. 197. 201.
— homonymer sectoren-
förmig Defeot 214. —
doppweitige homonyme 222.
809. — homonyme 462.
Hemiatrophie 66. — des Ge¬
sichts 509. — der Zange
509. 641.
Hemiballismos 603.
Hemiohorea 603.
Hemikranie 221. 517. — mit
Gesiobtshallacination38l.—
Therapie 517.
Hemiplene, infantile 66. 715.
— bei 5jä!^. Knaben 188.
— bei 2jähr. Kinde 230. —
Pvramidsnkreuznng 202. —
Wörgreftez, Sprache und
B^lntition 281. — Sehoen-
refleze 282. Zehenreflei
649. 867. — Contraetnren
282. 867. — praehemipleg.
Schmerzen 288. — Bstua
dabei 865. — hystmsebe
288. 877. 866. 867. 872 (2).
907.1124.— bei Typhös 866.
Zwangsbewegungen 474. —
MoskelersohlaSong 867. —
Assodationsbewegong. 867.
Knocheoatrophie 669. -
Fortbestehen von Tic coo-
vulsif 870. — SchmeneD
1161
dabei 870. ~ nach Keach*
hnaten 871. — nach Diph¬
therie 871. — Eiektrioität
dabei 878. — nrämiache 908.
— Therapie 285.
Hemisphären des Orossbirns,
Aeqnivalens derselben 455.
Ungleichheit des Giewichte
645. — Verwaohsong 898.
Hereditäre cerebeUare Ataxie
227. 560. 561. 666.
Heredität bei Psychosen cf.
diese. — bei Tabes cf. diese,
bei Syphilis of. diese. —
cf. Fai^enktankheiten.
Herpes zoster bei Tabes 556.
—bei Facialislähmnng 1100.
Herzkranksten n. Epilepsie
818.
Herznenrose bei Endometritis
80. — d. Cobabitation 80.
HinkeD, intermittirendee 574. .
Hinterstränge of. Worzeln, !
hintere 107. 484. — abstei¬
gende Degeneration 102. —
Rindenfeld 159. 802. —
Aufbau derselben 546. 547.
552. — nach schwerer An¬
strengung 617. — bei pro-
gress. Paralyse 621.
Himanatomie262.—Leitnngs-
bahnen 860. — Faserrerlauf
476. — Mikroskop 1117. —
Markscheiden cf. diese.
Hirn, Missgestaltnngen nod
spinale Veränderungen 190.
— antitoxische Wirkung
gegen Tetanie 1004.
Himabscess 767. 814. 1070.
— im Lob. ocoip. 768. —
Entstehung 801.
Himarterien cf. die einzelnen
Arterien, Blutkreislauf.—
syph. Affeot. 213. 815.
Himolatnng, Varietäten 230.
— plötzucb tödtliche bei
9jäu. Knaben 280.
Himcyste, Operation 1188.
Himdmok 78a 810. 971. — I
cf. Blutdruck. — u. Ver¬
änderungen im BSckenmark
810.
Himerkrankung, Herde 808.
Himerweichung, Histogenese
211 .
Uimgefisse, rasoconstricto-
risches Centrum 975. —
frühzeitige Verkalkung 1026.
HimgesohwUste of. Cysticer¬
cus 95. 186. 202. 223. 608.
718. 811. 848. 970. 974 (2).
1071. — nach Kopfver¬
letzungen 364. 866. — bei
Psychen 562. — Bücken-
marksbefdnde dabei 212.810.
— u. Trauma 743.
Hirngewioht 1117.
Himhemisphären cf. Hemi¬
sphären.
Himnerven, motorische, cen¬
trale Verbindung 593.
Hirnnervenlähmung, multiple
syph. 1094.
Bimphysiologie 262.
Hirnrinde cf. Localisation 262.
— Centren beim Affen 189.
— Erregbarkeit bei neu¬
geborenen Thieren 148. —
Lympbcirculation 1004. —
motor. Centren des Opos¬
sum 811. — des Menschen
311. — elektr. Reizung n.
Hemmung der Contraction
willk&rli^er Muskeln 812.
—OrttiebeVerschiedenheiten
884. — miliare Sklerose668.
701. — Läsion 462. — bei
Vergiftungen 618. — bei
multipler Sklerose 1018.
Himscbenkel, Haube, hämor-
rhag. Herd 816. — Erkran¬
kung 817.
Hirnsklerose 877 (2). 878.
Himsyphilis cf. Syphilis 428.
Himventrikel, Ependymitis cf.
diese.
Histologie 786.
Hoden, Anästhesie b. Tabes 16.
Hörapparat ef. Aousticus.
Hörcentra, oorticale bei Hun¬
den 187. — bei Menschen
807.
Hörstummheit 806.
Hunger, nenrastbenischer 921.
— psyobiscbe Wirkungen
1005.
Hnntington’scbe Chorea of.
Chorea.
Husten, nervöser 905.
Hydrocephalus 460. 880. 928.
n. Symiilis 421. — Therapie
mit Drainage 461. — n.
Sarcom d. Schädelgmbe 460.
idiopathischer 842.
Hyoscin bei Manie 81.
Hypnose der Thiere 1090.
Hypochondrie 760.
Hypoglossuslähmuug, trau¬
matische 601 (2).
Hypophysistumor cf. Akro-
m^ane. — Physiologie 948.
119. 120. 121. 122. 225.
Hypotiienarreflez 894. 1024.
Hypothermie bei Geisteskrank¬
heiten 606.
Hysterie 477. 478. 761. 898.
— Symptomatologie u.
Tabes 17. — rechtsseitige
lAbmnng u. Mutismus 288.
— Trismus 908. — Con-
tractur 904. — pseudo-
spastische Parese 327. —
Dysphame 902 (2). — Pto-
sis cf. diese. — Augenstö-
rangen 380. 881. 464. —
Amaurose 466. — Augen¬
muskelstörungen 525. —
Tachypnoe 876. — Respi-
rationsneuron 973. — Sen-
stömngen 899. — Popillen¬
starre 906. — Parapl^e
907. — Hemipl^e cf.
diese. — Husten 905. —
Stottern 878. — o. Tetanie
518. — Chorea 910. —
Skoliosis 905. — Schlaf u.
Traum 651. — Dissociation
der Empflndnngslähmung
755. — Ovarie 1110. -
Conjnnetivalrefleze 1110. —
Sehnenreflexe 1110. — Psy¬
chopathologie 1111. — Re-
traction der Palmarfascie
904. — Radialisneuralgie
905. — Nennt, isohiad. 913.
— Appendicitis 911. — Ec¬
zema palmaris 912. — An-
nrie 912, — vasomotorische
Störungen 912. — Oelenk-
erkranknngen 914. — acuter
Gelenkrheumatismus 918.—
Dämmerzustand 915. 916.
— Zurecboungslähigkeit
961. — Aetiologie 250.
888. — Trauma 72. 288.
827. 880. 374. 876. 376 (2).
877. 878. 914. — im Kindes¬
alter 827. 329. 899 (2). 900.
901 (2). 907. — bei Katze
n. Kanarienvogel 597. —
Cyelon 914. — Diagnose
1110. 1119. — Therapie,
prophyiactische 922.
Hystero’Epilepsie 710.
Icterus n. Psychose 516.
Idic^lossie 706.
Idiotie 876. — Markfaser¬
gehalt der Hirnrinde 267.
— Hirnsklerose 87S. —
familiäre mit Amaurose 420.
— Paraplegie 879. — Aetio¬
logie 1076. — Ungleichheit
des Gewichts der Hemi¬
sphären 645. — Echolalie
655. — moralische 1015. —
Besection des oberen Hals-
ganglioo 656. — Craniec-
tomie 662. — myzoedema-
tosa 275. 276. 767. — The¬
rapie 285.
ImbMillitas u. cerebrale Diple-
gie 416. — u. progr. Paralyse
558. — Untersuchung und
Behandlung 1187.
Impulse, Interferenz derselben
861.
Google
1162
Inanitioo q. NemDMlleo 71.
458. 1131.
locontiDentia ariiiAe 672.
Indaoirtes ImBein 281. 1055.
iDfantilümoB, nyxOdematöser
275.
laäaeoza: EDcephalopathiean
862.
loBQla Beilii 205. ~ Herde
deneiben o. seeandäreDege-
neratioB 570.
loterfereBZ Ewiaeheo Impalaen
im CeBtr^errenaystem S61.
IrreBftrxte, Verein 768.
Irrenanitalten, BadeB 46. —
AnforderoBgen 28S. — ebi-
rargiaeba Tbitigkeit 188. —
ZeratreBiingen 288. — Stal*
lang der Aerste 1061 cf.
offene Anatalen,
pencmal.
IrraDfbraorge 90. — Bfirger*
lichea Geaetsbaeb 279.
Irrengeaetz, aohweiseriaehes
191.
Irrenpfl^e in Gbeel 27. —
Familienpflege 28. 41. —
anaaerhalb Anetolten 42. —
Warteperwnal 48. 240. 427.
Irrenweeen in üagam 928. —
in den Bheinlanden 968. —
in dentaeben Groaaatftdten
965. - Stadtaayie 965.
lacbia^ena, Taaomotor. Faaem
172.
lacbiaa. Uoskelreflex 76. —
Djekineaie 474. — n. Hy-
8terie918. ^Cop^rabalaun
dagegen 84. — bei aonter
parencbymatöaer Nepbritia
940.
Jackaon’acbe Epilepaie 652.
— 0. Diabetc« 820. — a*
Tranma 821. 652.
Jodgebalt der Scbilddrflae 265.
Jodotbyrin 264.
KältegefQbl, perreraea 412.
Kälteainn 411 (2).
Katalepsie n. Ict^e 516.
Katatonie 86. 181. 569. 1051.
1052.1058.1112.—Sprach-
atdmnMD 1114.
Eeblkopraerren cf. Laryngeoa.
n. Fonctionen der Thyreoidea
265.
Kencbbaaten et Pertaaaia.
KinderUhmnng 419. 708. —
cf. Poliomyeutia, Paraplegia
spaati(^ Spioalpand;^ ap.,
Dipl^a eerebralis, Little’-
aebe L&hmong. — cerebrale
520. 603. 715. 876. 971. —
Therapie 879.
Kinddaalter, fQDctioneU>ner>
rSae Erkrankong 827.
Kindbeitaepocbe d. Henachen-
geacblecbta, Bewegungen
171.
Kleinhirn der 851. 897.
Kleinhirn-Anatomie 817. —
centrifngale Bahnen 859. —
Blutung 868.
Kleinhimbahnen 408.
Eleinbimeitoankune 226. —
Gliom 227. — Geaebwolat
244.
Klimacterium 661.
nomnke’ache L&bmnng 568.
KniepUnomen cf. Pa^Uar*
renexe, Sebnenreflexe.
Knochen bei Hemiplegie der
Erwaehaenen 869.
KOmcbenxellen 750.
Körpeivewiebt, Abnahme
doreb Tbyreoidin 285.
Kopf, Hautnenren deaaelb. 261.
Kopftetanoa 146.
K^fTcrletsung cf. Scbidel,
Trauma Un^ — Gedieht*
nias danach 809.
Kyphoae, hereditire tranma*
tiache 867.
liaetopbenin 517.
Lähmnonn et Paralyae.
Lagophualmna 1094.
Lamiiiectomie 187. 486. 758.
Landry'aobe Paralyse 506. —
pat^ Anatomie 824. 507.
— bnlbire Form 326.
Laryngeoa inferior, Urapmng
262. — Superior, Ursprong
262.
Lateralakleroae, amyotroph.
nach Trauma 708.
La^riamoe 187. 142.
Laotbildung 218.
Leber bei Psycbonenrosen 118.
— Nerrenendigungen 141.
Lepra 505. 1012. — anaeethe*
tica 85. 565. 1011. — ner*
Töte Eracheinungen 718. —
Therapie 505. 1012.
Leukämie, Degenerationsherde
im Rhckenmark 182 (2).
Lingualia, Keuralgie 288.
Linke Hand, KraftTeistangSO?.
Linkshindigkeit, Uraaehender*
selben 268.
Linaenkem cf. Nnel. lentifor*
mis 815.
Little'ache Lähmung 417. 662.
873.876. — Pyramidenbahn
dabei 861.
Lob. frontalia ct Gyr. eientr.
224. 225. 970. — Inetiache
Erknnl^g 229. — Trauma
235. — ^rcom 604. 778.
Lob. frontalia bei Affen 720.
— Gliom 811 (2).
— oocipitalis 2^. — Et-
weiehnngsherd 222. — beim
Kinde 501. — Glioaareom
744. — AbaeeM 763.
— parietalis, Sareom 605.
— Fnngus 788. 854.
— temporalia 217. — und
Wortrtummbeit 215.
Localisation in Hirnrinde
beim Affen 139. — ftr Atb-
mung 148. — Ar IjOT. palp.
sup. 857. — ftr BOren IST.
215. 807. 995. — ftr Sehen
222. 228 (2). - ftr Hnakel-
gefUil 69.856.—ftr Sprache
216.220.—derHintnatiug-
bahnen 16t. — für Senai-
bOitit 547. — ftr Blase 8S9.
ftr Darm 700. — für aaso*
eibteAngenbew^nngenTlO.
720. — ftr PnpiUen 720. —
anbcerebral t Lanttnldno;
218
Luftbad bei BpUepne 821.
Loftdmcklihmniigen 378.
LumbalponetioD 82. 38. 1S4.
621.827(2). 481.—d Dnnl-
infuaioo
Lymphbahnen io der Gehirn¬
rinde 1004.
Magen, Fremdkörper bei Gei-
nteakranken 94.
Uagencontraotionen im epil^
Anfall 539.
Halum perforann 554. 5^
— suDooeipitale 541.
Manie 525. — acute 80. —
Behandlung 81. — n. Akro-
mee^ie 961.
MarkbUdung im Gromhin-
lappeu 977. 996.
Markmaergehalt der Ceshal-
Windungen 242. — dwHim-
rinde bd IdiotMi 267.
Markacbeidenbildung 68. -
Bedeutung für LoeahmkioB
961.
Hasocbismua 188.
Maseeterenoontractur 710.
Mednlia oblongata ef. Bnlbw
S atalyae. — Vuenliiiaahon
erselben 176. — Blu^nti
295. — Hemmnngswnkn^
auf Darm 699. — Uiafffvif
Ton afferirenden und
renden Fasern 858. — CHkmi
909
Melancholie 880. — u. Baa^
dow’sche Krankheit 270. -
Bettbdiandhuig 287. -
körpertiehe Zeiebea 923. **
Blutdruck 1058. — o- P«>-
Boia 1059.
Google
1163
Melanodermie, recarrirende
319.
HeDi^soherSjmptomeacom-
plex 459. 460.
Meningen, Perlgeschwnlst cf.
diese.
Meningitis cerebralis, Chole¬
steatom im inneren Ohr 288.
— n. Hämatom 909. —
syphilitica 1094.
— oerebrospinalis syphi¬
litica 1096.
— poralenta 909.
— serosa 840.
— spinalis pumlenta 186.
— tabercnloea n. Hysterie
899.
— Tentricnlaris chron. ad¬
ult 840.
Meningocele sporia (Billroth’-
sehe Krankheit) 213. — cf.
Psendo-Menint^le.
MeningoeneepbaStis, syphili-
tisebe 424.
Meningomyelitis 1105.
Hethylenbian, Ausscheidung
im epUept Anfall 658.
Migräne cf. Hemikianie.
Milrocephalie 609.
Minenk^kheit 879.
Monoplegie, spinale 698.
Moral inaanity 1015. 1061.
Morphinisrnna 234. 882. 888.
1018. — Abstinenzersohei-
nnng 655.
Morran’scbe Erankh. 186.567.
Musikalisches AnsdmeksTer-
m5gen cf. Amusie.
Muskelatonie 710. 867.
Muskeln, queigestreifte und
länmestreifto 210. — Pa-
ciorsche Körperchen in den¬
selben 508. — Aendemng
der Erregbarkeit nach Aus¬
schaltung oder Hnrchschnei-
düng seiner Nerven 620. —
Associationebewegangen
867.
Muskelatrophie cf. Amyotro-
phie, Hemiatrophie 972. —
nei Goldpolirennnen 75. —
bei Diamantschneidem 511.
— bei multipler Sklerose
576. 685. — u. infantile
Poliomyelitis 704. 705. —
nenriti^e 511.
Muskelcontraeturen cH Con-
tracturen. — Hemmung bei
elektr. Reizung der Gross-
himrinde 812.
Hnskeldystrophie 705. — nach
cerebialer Kinderlähmung
704. — n. Augenmuskel-
lähmung 706. — u. Idio-
glossie 706. — mit rapidem
Verlauf 706.
Muskelgefhhl, Localisation 59.
Huskelhypertiophie 107. 508.
715.
Muskelkrämnfe, progr. 578.
Huskelpseuaohy^rtrophie cf.
Dystrophie.
Huskelreflez 79. 812.
Huskelrigidit 811.
Muskelspasmen, angeborene
107.
Huskelspindeln 502. 860.
Huskelstarre 874. 875.
Muskelthätigkeit in pneumat
Kammer 879.
Mntismns mit normalem Ge¬
hör 218. — hysterischer 220.
— mit rechtsseitiger Hemi-
pl^e 288.
Myasthenia psendoparalytiea
424. 425. 426.
Myelin 696.
Myelitis beim Pferde 181.
Myelitis, acute hämorrhagische
4SI. ~ centralis aeuta 191.
n. Syphilis 422. — Disso-
ciation der Sensibilität 587.
— transversa u. multiple
Sklerose 575. — acute u.
chron. 611.
Myositis interstitialis 1048. —
cf. Nenromyositis. ~ ossi-
fleans pre^reasiva 1051.
Myotonie 418.
Myxödem 271. 272. 287. 980.
950 (2). 1148. — TL Base-
doVscheKrankheit270.271.
~ cf. Idiotie, Thyreoidin. —
TL Infantilismus 275.
Magelerkrankung bei Tabes
1104.
Nahmngsverweigenmg, Ur¬
sache derselben 516.
Narootica u. Vorderhomzellen
1181.
Narcosenlähmnng 910. 1007.
Nebennierenextract, Einwir¬
kung auf Blutcirci^ation 117.
Nephntis n. Jsebias 940.
Nervencentren, Veiändening
nach Aosreissen der Nerven
882. 1181.
Nerven, peripherische cf. die
einzelnen Nerven, Abduoens
u. B. w. — Ausreisseo der¬
selben u. Entfemungsreac-
tion cf. diese. — Carcinom-
metastasen 766. ~ Degene¬
ration bei Alkoholismus 127.
— Begeneration sympath.
Fasern 12.—nachATisreissen
885. 888.
Nervenendigungen in Central¬
organen 445. 784.
Nervengeschw&lste 96.
Nervenheilstätten 608.
Nervenkrankheiten cf. Neu¬
rosen u.s.w. — nach Bücken¬
verletzungen 371. — und
Unfall S7S (of. Tranma). —
in der russischen Armee 922.
Nervenmwk 696 cf. Mark-
bildung u. s. w.
Nervenstrom, Geschwindigkeit
desselben bei Epileptikern
818.
Nervensystem, individuelle
Entwickelung 68. — ange¬
borene Missbüdimg 880. —
Anatomie 896.—Einwirkung
von Toxinen 287. — von
Quecksilber 456. — von
.^gent nitr. 699. — von
Streptokokken-u.Diphtberie-
toxin 475. — Einfluss von
Tropenklima 808.
Nervenzellen 455. 600.800. —
Aebromatose 1181. — Fär¬
bung 640. 978. — Granula
87. — Karyokinese 897. —
bei Urämie 70. — bei An¬
ämie 702. — bei Inanition
71. 458.1181. - Absterben
derselben SIS. — nach asep¬
tischen Verletzungen 458. —
Dendriten 116. — bei magen¬
darmkranken Sänglingen
818. — bei fiebernden Men¬
schen 835. — bei Hyper¬
thermie 698. — Einnnss
von Infectionen anf diese
418. — Pathologie 418.414.
549.550. — Schwefelkohlen-
sto^eigiftnng496.—Brom-
Vergiftung 1092. — Endi¬
gung der Nerven in diesen
445. — Grundsubstanz 458.
— Veränderungen durch
Qaecksilber 456. — durch
i^ent. nitr. 699. — bei
Schlaflosigkeit 502. —
Leicbenveränderungen 504.
eisenhaltige 605. 740 —
Primitivfibrillen 614.944.—
des Rückenmarks, Bewe¬
gungen desselben 647. —
m. Vorderhomzellen. — bei
Tetanus 647.— nach Durch-
schneidnng der vorderen u.
hinteren Wurzeln 701. —
nach Herausreissen von
Nerven 1181.
Neuralgie, Cbinininjectionen
dabei 284.
Neurasthenie 477. 478. 916,
— Aetiologie 250. 368. —
Trauma 874. — im Eindes¬
alter 827. 329. — TL Puls
669. 919. — u. Antointoxi-
catiOD 920. — Störungen des
Stoffwechsels dabei 1029.
g : /cd oy CjOO^Ic
1164
Neonsthooie, Uongfer 921. —
B«haodlnDg 922.
Neuritis haemorrhAgica des
Oeolomotorioa 80. — bei
Beri'Beri (of. diese) 504. •»
bei Osteomalaeie cf. diese.
— bei OoDorrboe 1010. —
bei Qicbt 1007. — dorcb
Arsenik 507. 1008. ~ bei
Schwefelkohlenstoff • Veigif-
tnng 68S. — iscbiadiea 918.
— bei Narkosen lähmnng
1007. — bei Bleillhmong
1093.
— mnitiplez ef. Beri>Beri,
Lepra, Landrj'sobe Para-
IjM. — mit Oedemen 61.
— septiea 81. — bei Kindern
708. — bei Tnberonlose
1006. — aloohoL 187 (2).
128. 1007. 1009.1010. 1189.
pboepborica 888. — pner-
MraUs 83 (2). ~ bei swei
Brüdern 511. — mit {wy*
cbischen Stömngea 506.
1048. 1049. mit spinalen
Verandemngen 1007. 1009.
—Dia^osen. TberapielOOB.
— optica dnplez 289. —
Heilnng 889.
— retro'bnlbaris 891. 895.
Nenrofibromatosis 78.
Neoroganglioma mjelinienm
571.
Nennwlia 800. — im B&eken*
mark 139.
Neorogliasellen, Ür8pnmgl89.
141.
Nenrogliom des Hirns nach
Trauma 708.
Kenrobjaloplasma 451.
Nenrome, aUgemeine 79.
Nenromjositis 1047.
Neorone 28. 69 (8). 480. 614.
644. 669. 964. 1021. 1106.
— amöboide Beweglichkeit
1180.
Nenrosen, fnoctionelle Aetio*
lo«e850. durch Schwefel-
konlenstoffrer^ung 683.—
n. örtliche Erkrankungen
917.— TL Antointoxicationen
921. — traumatische 968.
— durch Syphilis 1098.
Nierenkrankheiten bei PsychO'
nenrosen 118.
NissPscbe Methode 1088. —
ef. Färbemethoden.
Nucleus candatus, Erkrankung
815.
— lentiformis, Erkrankung
815. — Function 1058.
Nystagmus bei malt. Sklerose
175. 178.
tfculomotorins. Ursprung 455.
OoTÜomotorinslähmangen cf. I
ATigenmuskellshmang. —
ElMtrodiagnostik 54. —
Neuritis hMmorrhagica 80.
— einseitige 712.
Oculomotoriuskem 1001. 1008.
—Verbindung mitAbducens-
kem 864.
Oedem, angioneurotisohes 512
(2). 514. — bei Basedow'-
scher Krankheit 269. —
circumseriptes familiäres
954.
Oesophaguskraropf cf. Dys-
O^en’^Anstaltan 606.
Ohr, I^fonnität 526.—inneres,
bei Anencephalie 530.
Ohreusehwinoel 459 cf. He*
niere'sche Krankheit
Olfactoriiu cf. Geruch, Bnlb.
olfaet.
Onanie im Kindesaltar 1108.
Ophthalmoplegie 1000 cf. Oon-
lomotorius il Abducens. —
bei HyasÜienia pseudopara*
Ijtiea 425. — u. Hemian*
op8ie462. — durch Carcinom
im Siniu caTemosTU 465. —
doppelseitige, oongenitale,
ezt^e 465. — mit Para¬
lyse des Augenfacialis 1050.
1051. — in Folge ron Tari-
oellen 1050.
Opimn bei Epilepue cf. diese
828. 824 (8). 1186.
Opticus. Pupillen tl Sehfasem
in demselben 15. — atro¬
phische Zustände 32. — Ver¬
lauf 88. — -Kreuzung 84.
115.199. — -Bahn 67. 194.
— mediales Bündel 582. —
Tind Sebstrahlung 609. —
Atrophie bei ^edrdch'-
scher Krankh. 307. — neuro-
tisebe 975. ~ Saroom und
I^pagation auf andere
Seite 1005.
Osteoarthropathis hypertroph,
pneumica 125 (2). 958. 958.
OsteomaUoie 510.
Orarie 1109.
Pachymeningitis oeirioalis
bypertrophica nach Traama
288. — tuberoulöse 485. —
u. Tumor 757. — haemor-
rfaag. und Paralyse 28. —
eztm. syphilitica 1120.
Falmar&scie, Betiiaetlon 904.
Paialypemanie 1059.
Paralyse, alkoholische 127.128.
— nach PasteuFscben Im-
phingen 98. — durch Fremd¬
körper 1065. — paroxysmale
familiäre 417. — periodUchc
des TrocblearU 73.
Paralysis agitans 468.574. -
Zittern 468. — u. Senilitit
467. — und Tabes 713. —
Therapie 466.
Par^yaislabio-glosso-Iarriiges
ef. Bulbärparalyse.
Paralysis prcm., oymptoms-
tologie: Shna. fortsebreit
A ngenmusketlähmong 21.-
Pruritus 24. — Puuynz-
reflez 24. — bei Imbecillen
558. — hypocbondriscbeöSS.
— bei Pellagra 559. — Ee-
flexe 648. — Blase 671 -
Aenderung des klin. Bildes
1085. 1066. — Blutdruck
1058. — Blutbesdiaffenheit
1182. — Aetiologie-. 1076.
Trauma 41. — M Fraueo
841. 1038. — bei Coden
746.1140.—Alkohol 847.-
Lnea347.559.1140.— beiSbe-
paaren 1089. — im jugead-
uchen Alter 1089. — V er¬
lauft Endperiodeo 25. —
Bemissiouen 1037. — Dia¬
gnose: hämonhag. Psekj-
meningitis 28. — n. Ärterio-
sklerosis 676. — anstom.
Befitnd 1016. — Patho¬
logische Anatomie: 153.
557. 1017. — Kemverind»-
ruD^n in den cortiealeo
Zellen 549. — Cerebrospiual-
d&aaigkeit bacteriolog.Dnter-
snchungen 549. — Vorder-
homzelTen 551. — HiDter-
stränge 621. — Himgefnebt
1117.
Paralysis spastica cerebnüi
cf. Diplegia cerebr. — 418.
Paranoia cf. Qaemlantmiwibn-
sitto. — Wesen derselbeo
1108. — u. Tsbes 554. -
TL Epilepme 656. ^ Hirn¬
rinde 708. — ebronies 29.
— rudimentaria 11. —
riod. 880. — luligiöas 427.
— mit Melancholte 1059.
Paiaparesia spastica in Abes¬
sinien 187.
Paiapl^iia spastica total» 469.
— &miliäre 955. — infutile
879.970. — hysterische 907.
Parese, peendo-epastische 327-
Pasteurisehe Impfni^ea 96.
Patellarreflexe, Localis^
1106. — bei Hysterie lUO-
— cf. Sehinenräeze.
Pavor nootumTis 320. 1133.
Pedoncolua cf. Himseheiikel.
Pellagra 559. 959.
Perimeter, KTigelperiueter aas
Celloid 468.
1165
Periodische Fsycbosen cf. diese.
Perlgescbwnlst der Meningen
IS. — im inneren Obr 288.
— in der Gegend des 3. Ven¬
trikels 718.
Peronensläbmnng 74. 86.
Pertnssis n. Hemiplegie 280t
871.
Pflegepersonal 667.
Phaj^xreflex cf. Wflrgreflex.
Phoephor. Lähmnng 886.
Pbrenicnskem 615. 1089.
Pia mater spinalis, Spindel-
zellensareom 767.
Platzangst cf. Agoraphobie.
PlexDBbrachialiB,Defecte 1022.
— Hantgebiet 1048.
Plexnslähmnng des PI. brach,
cf. Erb’sche Lähmung.
Pneumatische Kammer. Hns-
kelthatigkeit in derselb. 379.
Polioeneemialitis 703.
Poliomyelitis ant. 708. — u.
Dystropbiel84.— a.Traaina
370 (2). — u. spinaleHaskel-
atropnie 704. — Bficken-
marKsTeränderungen 671.
Pollakinrie 672.
Polynenritis cf. Nenritis multi¬
plex.
Pone Varolii, Tumor 226. 817.
^ Blutung 619. 868. 869.
1141.
Porencephalie 186. — trauma*
tische 623. 707.
Praecuneus 988.
PrimitiTflbrillen 614, 944.
Pruritus tt. Paralyse 24.
Psendodipsomanie 1116.
Pseudohypertr. der Muskeln
cf. Dystrophie.
Psendomeningocele, tammat
861.
PseudoparalysiB, syphiL 1098.
P^ohiatrieu. Himanatomie86.
PsTchische Störungen l^i Er-
Kränkung des Stimhims 224.
— durcn Scbwefelkohlen-
stoffrergiftuDg 684.
Psychosen, Neurone 69. —
Bintheilung 1064. — Brrn-
ptomatologie: Haflnci-
nationen 28. — Fremdkörper
im Magen 94. — religiöse
Vorstellungen 427. — Nah-
rungsTerwe^erung 616. —
Hypothennie606.—Zwangs-
sucnt zur Einfabmng von
Fremdkörpern 829. — Blut-
druekl066. — Aetiologie
cf. AlkoboL — puerpe^e
278. 926. — Chorea 279. —
indncirtes Irresein cf. dieses.
_ durch Transformation
281. — Salieylsaureintoxi-
cation 882. — durch Intoxi-
cationen 882. — Typhus
426. — Greisenalter 659. —
Typus erolutionis et inro-
lutaonis 661. — Carcinom
667.828. —Urämie 826.—
Cataractextraction 472.
bei Neurit. multipl. cf. diese.
— Diabetes 1067. — Icterus
516. —Tabee664. — Gummi-
arbeiter 668. — nach Ope¬
rationen 669. — nach Apo¬
plexie 1068.—Arteriosolerose
1071. — Koprostase 924. —
bei Negern 1065. — Blut¬
beschaffenheit 1132.—P at b.
Anatomie: Nieren o.Leber
118.—Strangdegenerationen
des Böokenmarkes 457. —
Bimgeschwülste 662. —
Verlauf: periodische 880.
472. 923. 1064. — Einfluss
des Typhus 924. — acute
924. — Prognose 969.—
Ansgänge: Todesfälle in
Bn^hölzli 117. — Dia¬
gnose: Simulation 888 (2).
— Therapie: Bettbehand¬
lung cf. diese. — Chinin-
imectioa 284. — Thyreoidea-
benandlnng 711. 712. —
Hydrotherapie und Balneo¬
therapie 960. — Baoterien-
gifte 1115.
Psychroästheaie 469. — alrie
469.
Ptoeis hyeteriea 626. 526. 901.
911. — congenita 1050. —
n. Mitbew^ung 667. 1060.
— u. Lob. (arietal. 867.
Pubertät 288. 661.
Pnerpe^psychosen 278. 926.
Puls nei Neniastheale669.919.
PupiUenreaotion bei vorhan-
aener Lichtempfindung 16.
—Beflexe vom Obr ana211.
— bei Hysterie 880. —
Sympatbienseinfluse 601. —
bm Urämie 608. — period.
Schwankungen bei Cneyne-
Stokee - Athmen 818. —
-Starre im hyct Anfall 906.
Pyramidenbahn 986. — bei
Little'seher Erankhdt 861,
— -Kreuzung, Abwesenheit
derselben 202. — 'Vorde^
sträng 999.
Pyramiuon 81.
%uärulanten-Wabnsinn 888.
Quecksilber, Einfluss auf Ner-
Tensystem 466.
Bachenmusknlatur, Inner¬
vation 262.
Badialis, Beeection desselben
85. — elektr. Erregbarkeit
768. — -Lähmung nach epi-
lept An&Uen 691. —Neur¬
algie. hyst. 905.
Baumsion n. Bogengänge 467.
Baynand'sche Rankheit 512.
514. 515 (8).
BeonrrensläfarouDg 78.
Beflexe ef. Haut-, Muskel-,
Sehnenreflexe. — Verlauf
derselben 787. — Aufhebung
derselben 184. — Leitnngs-
bahnen 862. — bei Urämie
608. — Bückenmarksläsiou
612. — bei progr. Paralyse
648. — bei abgetrennum
Bflckenmark 1044. — lange
u. kurze 1046. — gekreuzte
1046.
Beflezepilepsie 817. 818. 655.
Befleiechmerz 75.
Beflexübeitragung, Ort der¬
selben 862.
Begeneration, sympathische
Nenrenfimem 12.
Bespirationsstömng bei epi¬
leptischen Krämpfen 818.
Betina, Veränderung bei Apo¬
plexie 665.
Biecbhim der Säogethiere
409.
Bundität nach Entfemong dw
Grosshimhemiaphäre 811.
Bindencentren cf. Hirnrinde^
B5ntgenbilder 188. 812. 978.
Bolando’sche Zone u. sensible
Centren 547.
Böokeomark cf. Hinterstränge,
Vorderbom u. s. w. — der
Vögel 851. 897. — Leitunge-
babnen 860. — Sehnltze^-
schesCommalO?.— Gowers*«
aehes fiOndel of. dieses. —
Neuroglia 189, — D^en^
rationen nach Durehacnnei-
dong der vorderen u. hin¬
teren Wurzeln 148. — nach
Amputationen 266. — Lage
der Fasern in Lnmbo-saem-
g^end 170. — bei Defect
des Plexus brachialis 1022.
— bei Missbildungen des
Groeshims 190. — M Him-
gesohwnlst 212. — nach
Entfernung der Gland. para-
thyreoid. 266. — Missbil¬
dung 669. — Spina bifida
cf. meee. — traumatische
Blutungen um und in das¬
selbe 869. — bei Anämie
cf. diese.
Bückenmarksabsoess 182. 881.
Böckenmarkscompreasion ef.
CompressioDsmyelitis. —
pstb. Anatomie 172. — se-
cundäre Degeneration 482.—
schlaffe Lähmungen 818.
'g ,'/eü
Google
1166
Bttekeomarksdegtnerationen
cf. StrangermakriDg. —
sjatematüiche 113. — bei
Leukämie 182 (2). — bei
pernici&eer Anämie ef. dieee.
BQokeDmarkMrkrankuDgen of.
Hämatomjelie. HaUmark
o. a. w. mit beaonderer
Betheilirag der Blaae 18.
— bei CaroioomatÖeeD 178.
— bei PboBphorrergiftong
889. — cf. Trauma. —
Sjphilia et. diese. — Beflexe
dabei ef. dieee. ~ Throm-
boeen 759. — Chinugie 167.
^ et Tiepanaticn. ~ et
Lamioeetomie.
BäokeDmarkaeraebflttaniiig,
experimentelle 868. — nach
Eüamiba^anAUen 868. 869.
Bflokeomarkageachwfilste 18
^). 96. 668. 820. — ct
Dura und Pia apinalis. —
Saeromatoee 98. — Tuberkel
179. 757. » Saroom 179.
~ QUosaroom 756. ~ Qliom
763. 764.
BBekenmarkahäute, Sarooma-
tose 92.
BaokenmarittTeränderungen
bei multipler Neoiitis 1008.
1009.
Bfiokeneehmerxen bei Un&U-
patienten 872.
BflokeoTerletsungeu u. Nerven«
krankheiten 871.
Sadiamns 132.
SalieylsänreintoxioatioQ und
' Fsvcfaoee 388.
Sobädel bei Geisteskranken 14.
— des Gesichts 66. — Yer«
letiung 865. 866. — und
Epilepsie 1184. ~ bei here¬
ditärer S^hilis 1098. —
Fraoturen im ersten Lebens¬
jahr 628. — der Basis 729.
Sobädeldaeh, sjmmetr. Atro¬
phie 416.
Schädeldeformationen 1093.
Schädelgrube, Sarcom dersel¬
ben 460.
Schädelknooben ct Stironabt
^hädelmiaebildung 1006.
^hilddrüse ct Glandula th;-
reoidea.
Schlaf, üisaohe desselben 502.
647. 860. — bei Epilepsie
n. Hvsterie 651. — Augen
dabei 860. — Auftnerksam-
keit dabei 950.
Schlaflosigkeit, Veränderungen
der Nervenzellen dabei 502.
950.—psychische Störungen
949.
Schleife 816. 986. abstei¬
gende Degeneration 1092.
ScÜucken cf. Deriutitioo.
Schmerzen, centnlentstehende
870.
Schreiben 804.
Sehnig Hyfläene derselben 622.
Sehnl^scnes Kommaböndel
547. 552. 564.
Sohwefelkohlenstoffvergiftung
et Gununiarbeiter 681. ~
chron. 493.
Sehweiflähmung des Pferdes
178.
Sobweiss bei Epileptikern 880.
Schwere, pathologische 862.
Schwindel 456. 674. — ct
Ohrenschwindel, Heniöre*-
sehe Krankheit.
Secundäre Sinnesempflndnng
861.
Sehaotbinocnlarer beim Pferde
115.
Sehbahn ct Oticus.
Sehcentrum, Läsion 462. —
phytioL Untennehnng 720.
SenhOgel ct Thal opt.
Sehnerv ct Opticus.
Sehnen, Transplantation bei
in&AtUer Pamyse 879.
Sehnenreflex bei Tabes 140.
bei Baekenmarkseompres«
slon 185. ~ cf. Beflexe u.
Patellarreflexe. ~ bei Hemi-
pU$^u 882. — bei BQoken-
marksläsionen 618. — bm
Pmmlyse 648. — bei Qner-
sehnittläsionen des Hals¬
markes 746. 819. — bei
BOckenmarksdnrohsehnei-
dnng 1044.
Sebstörungen, hysterisehe
899*
SaKat wüilnng of. Optious 609.
Seitenstaangsklerose, femiliäre
956.
Selbstmord in Frankreich 660.
in Italien 959.
Sensibilität. Dissociation
ct Syringomyelie. — bei
Hvelitis 587. — bei Brown-
Sequard’Mhen Affisction 755.
— Mi Hysterie 755. — bei
Brttckenherd 869.
Serratnslähmung 1104.
Sexuelle Perversion 182. 282.
1060 ](2).
Simulation von OeistesstOrang
888. — von Taubheit und
Blindheit 570.
Sinus cavernosus, Thrombose
909.
Sinusthrombose 807.
Sitophobie ct Nahmogsver-
weigeroDg.
Sklerodermie, Thyreoidea-
behandlnng 186.
Sklerose ct SeitCDStrangikle-
rose, Hirnsklerose. — mol-
tiple 177.575.626.877.1141.
— Aetiologie 177. — p^L
Anat 174.1141. - Aogn-
veraaderungen 175.178(8).
— apoplectifonner Beginn
176. — u. GUose 176. -
n. BQckeomarkstnberkel 178.
_ Mnskelatrophie 576. 635.
~ QueckaillmbefaaBdlang
666 . — miliare 668.701. -
Hirnrinde 1018.
Skoliose, hysteriscbs 905.
Solitäres BQndel ct Funknlu
aolitarius.
Somnambulismus btt Alkeko-
UsmuB 180.
Spasmus gtottidis 956.
Speieheldrtseu, Nenrenesdi-
S 141.
»lähmnng b. Pferde
'178.
Spina bifida ooculta 663.669.
898. ^ mit Doppeltbeilong
das B&ckenmarD 789.
^inalgan^easellen, Bau 577.
697. 797. » bei Tsbei 2.
— nach Durohsehneidiug
der hinteren Wuridn li
156. — Pathologie 151. -
u. Leukocyto 312. —ned
Durobschiiridnng des cen¬
tralen Fortaatsee 548.
Spinalparalyse, spastische 417.
420. — syphUiL 421. 48t
1097 (2).
Spinalponetion of. lAinbil-
pnoetion.
Splanehnicos, Einfluss sei
Darmbewegungen 500.
Spondylitis et Calofsdi«
Briaement. — tidtercolost
188.
Sprache 169.206. — bei Hemi¬
plegie 281. — bei Eat^nie
1114. — ct Aphsttc, Lsq^
bildnng, Idiopostie, Verbi*
geratiou.
Statna epileptieus, Obduetions-
befand 1068.
8 tauangspi 4 >ill 6 781.
StimnsAt 1000 .
Stoffwechsel, Störungen bei
Neurasthenie 1029.
Stottern, hysterisches 878.
*neiSe* 8 W.
Strangerkranknngen des
Ba&enmarkee. combiiirtc
primäre 183. 612. " ba
functionellen Psyehoett) 457 .
StieifeahOgel ct NocL eandst.
Struma, endemische 266.
1167
Strama, Thyreoidinbehand*
lang: 284 (2). 285.
Stryohain tt Blotdraek 738.
Stommfaeit 218 of. Matumos.
Stapor boi Paranoia 29.
Sn^estioiubohaDdlQDg 1014.
Soprasoapnlaria, Lahmaog 73.
Sympathiona des Halses of.
Halssynipathieiis, Splanch*
nicns, Oedem. — o. Papille
501. — L&hmoi^ 1185. —
cf. Qanglioo mesenteiioaiD, |
Vasoeoiutriotoren and Vaso* j
motoren. I
STphilis cf. Tabes, Paralyse |
progr. — des Hirns 813. |
438. 974.1094. ~ des Stirn*
bims 229. — Ge&serkran*
kruig of. Himarterien. —
Brown'Sdqoard’scbe Uh*
inaog238. — Hydrocephalns
421. — des B&okenmarkes
421. 422 (2). — der Bflokeii*
inarkBbäatell20.— d.Him8
n. Rackenmarkee 558. 967.
*— Pachymeningitis oerri*
cali8960.— Basumeningitis
1094. — Heningit. oerebro*
spinalis 1096. ~ bered. 421.
556. 572. 1144. — Sobidel*
formen 1093. — Psendo*
paralysis dabei 1098. —
Tberapie 1098. — Glycoi*
arie 1096. — Neurosen 1098.
— ^inalparaWse 1097 (2).
— Diplegia Cialis 1100.
Syringomyeue of. Morran’sobe
Kimnkheit, GUose 174. 179.
181 (2). 571. 754 (2). 755.
968. n. Saroomatose 92.
>- Tborazbildong 181. 752.
— mit akromegaliscben Er*
seheinungen 564. — Trans
Morran cf. Morvan'acbe
Krankheit and Tranma
752. a. tranmat. Böcken*
markser^nkong 745. —*
mit totaler Hemianüthesie
752. a. Spontanfractor
752. — a. Arthropathie cf.
diese. — Form o. Ansbrei*
tang der SenaibUitätsstöran*
gen 758. — Sensibilit&t 966.
Syatemerkranknngen, combi*
nirte 469. 470. 955.
^^bes 551.554.— experünent
Eneogang 429. — Sym*
ptomatologie 17.555.—
Frühsymptome 560.— srahi-
litiscbe 295. — Anästnesie
553. 554. — Analgesie der
Testikel 16. — Oeracb and
Geschmack 18. — Arthro-
f »athie ef. diese. — Sensibi*
ität 17.18. — des Kampfes.
17. — im Gesicht 667. —
Dermographismoa 555. —
Patellorrraexe 17. 140. —
Haatrefiexe 140. — Blase
671. — gastr. Krisen 17. —
Herpes zoster 556. — Nagel*
erktraknng 1104. — and
Hysterie 17. 622. — a. Epi¬
lepsie 555. — o. Paranoia
554. — Biernactd’eohes Sym¬
ptom 18. 141. — Gtmg*
stSningen 560. — Aetio*
logie. Syphilis 16. 559. —
Heridit&t 20.556. — jagend*
Alter 80. 556. — in Abis-
sinien 137. — Trauma 519.
— Aortenerkranknng 555.
— bei Hann o. Fraa 657.
— XL Paralys. agitans 718.
— im jagendUohen Alter
956. — Pathologische
Anatomie 15. — Spinal*
ranglienzellen 2. — Hintere
Warzein 548. — Vorder-
hornzelleo 550. — o. Para¬
lyse 621. — Verlaaf gut¬
artig und bösartig 553. —
Therapie 20. — Dehnung
des RQokenmarkes 19. —
Frenkel'sohe Methode 21.
480. — Sperminom Poehl
21. — Bewegungstherapie
664. 665.
Tachypnoe, hyster. 876.
Taubnelt anMwasste 808. —
psychische 806.
TaaMomme, Halludnationen
28.
Temperator of£ilte* mW irme-
sinn, Hj^tbermie.
Testis of. Hoden.
TeUnie 272. 876. 968. — im
Kindesalter 273 (2). — xmd
Phospborrergiftang 273. —
mit javenilem Totwtar 272.
— o. Hysterie 518. 600. —
XL Schwangersohaft 953. —
Tbyreoidinbehandlxing 953.
Tetanos 657. 658. 718. —
hydrophob. 146. 659 (2). —
AntitozinbebandL 569. 658.
1137. — traumaticxu 1062.
— rheumatischer 658. —
ZelleoTe^derang 860. —
BflokenmarksTeränderaagen
948. - pathoL Anatomie
949. —anntoxische Wirkxing
des Centralnerrensystems
1004.
Tetanus fiunatis 1187.
Tbalamxu optioxu, Endigxing
Ton ffinterstrangfasern 160.
— Herd m secundäre De¬
generation 570. — 0 . Seh-
strahlnng 609. — Apoplexie
865. — Physiologie 1148.
Tbomsen’sche Krankheit cf.
Myotonie.
Thorax bei Syringom. 181.752.
Tbyreoidin 271 (2). 284 (2)
of. Gland. thyreoid., Bom*
dow^sche Knuikheit, Myx¬
ödem, Tetanie.
Tic durch • Trauma 327. —
—conTulsif ef. Facialiskrampf.
Torticollis, hysterischer 905.
Toxieomanie 234.
Toxine, Einwirkxing auf Ner-
rensystem 237.
Trabs cf. Corp. callosum.
Traotus isthmo-striatos 300.
Tract opt. cf. Opticus 817.
Traxun bei Epileptikern 321.
651. — bei Hysterie 651.
Traxima of. Hysterie (Aetio*
logie), Eisen^nunfÜle. —
und pr(^. Paralyse 41. —
T.&hmnT>g desPlex. brachialis
50. — XL Enoephalitis 868.
— u. Apoplexie 742. — xl
HirogesäiwalBt743.—Kopf-
Terletzung 63.224.235.322.
827. 364. 865 (2). 366 (2).
707. 708. 806 (2). 809. 812.
u. Porencephalle 623.
707. — u. multiple Sklerose
977. — XL Läsion der Cauda
eqxxina 864. — u. Nerven*
kmkheiten 878. — XLamyo*
troph. Lateralsklerose 708.
— u. PachymeningiÜs cer*
vical. hraertr. 238. — des
Vagus hypoglossxis xl Sym*
pamons 874. — u. Brown*
Söqnard’sche Lähmxing 288.
Foüomyelitis ant 870 (2).
— XL Bxübäraffection 239. —
XL Nexxrasthenie u. Hysterie
874. 914 ef. auch diese. —
XL Epilepsie 821. 322. 650.
652. — XL Hystero-Epilepsie
710. — hysterische Tachy¬
pnoe 376. — hyst. Hemi*
plegieen 877. — hyst. Stot*
mra 878. — n. Masseteren*
contractur 710. — u. Tic¬
krankheit 827. — n. alimen¬
täre Glycosxirie 888. — ex¬
perimentelle path. Anatomie
des Nenrensystems 862. —
Alterationen der Ganglien¬
zellen 363. — des Thorax
u. Abdomen 707. — RQcken-
marksenchtttterung 368. —
des Böckens 864. 367. 371.
— der Wirbelsäule 366.928
cf. diese. — Rfiokensohmer-
zen 372. — Dyskinesen 474
— des Rfickenmarks 369.
745. — Hämatomyelie 750.
751.—STOUgomyelie 752. —
Pseudo-Heningocele 861.
Dig : /cd 3y CjOO^Ic
1168
Tretaor bei Paraljsis agit&ns I
468. — Dach Inflneoza 468.
— Pbjrsiolone 522.
TrepanaöoD cf. Craniectomie.
— des Rflckenmarkea ef.
Lamioectomie. — des Schä¬
dels 224. 236. 810. 811 (2).
812 (2). 818. 814. — bei
Ej^ilepsie 821. 822.1186. —
bei HirDbiatoDgen 864.—bei
Hiro^bilia 974. 1098. —
bei BirDgesehw&lsten 979.
— bei Himeyste 1188.
Trichoästbesiometer 1082.
XrigemioTis cf. Liognalis. —
spinale Wnrsel 4^. 754. —
VerUnf 1041.
Trinker cf. Alkohol.
Trional 957.
Trismus, compUeirt mit Ge-
8iohtal&bmnng146. ~ bjate-
riens 908.
Trocblearis, period. Paralyse
78. — Ursprung 454.
Trochleariskem 1002.
Tropenklima u. Nenrensystem
808.
Tr^hisebe Fasern a. hintere
worzeln 547.
Tronkaneht 128. 129. 180. 284
cf. AlkohoUsrons. — Thera¬
pie 183.
TnWeulose, Neuritis 1006.
Typhös n. Epilepsie 654. —
u. Hemiplepe 866.
Veberbflrdnng 920.
Unfallgesetsgebong 740.
Unfallskranke 73. 868. 740.
7.50.1067. — MnskeUchwnnd
709. — cf. Trauma.
Urämie und Nervenzellen 70.
— nervbse Symptome 607.
— Psychosen 826.
Urin ct Annrie and Inconti¬
nentia. — Betention psjeho-
S athoL Form 884. ^ bei
reurasthenie 1081.
Vagus d Aceeseorins. cen¬
trale Endigungen 697.
Vaguskem 188.
Vasoconstrictoren im Aorieu-
laris luagnns 456.
Vasomotorische Fasern der
oBteren Extremitäten 171.
— StOrongen bei Hysterie
912.
Verbigeration 1115.
VerrQekthdt cf. Paranoia.
Verwirrtheit 428. 471.
Vibrationstberapie 141.
Vorderhomzellen 549 cf. Ner-
venzellen. ^ während der
Thätigkeit 737. — bei Wir¬
kung Ton Nareotids 1181.
bei Geisteskranken 550.
~ bei Tabes 550. — bei
Chromatolyse 789.
Wärmesinn 411 (2).
Wandertrieb 964.
Weigert-Pal’sche Färbung cf.
Fammethoden.
Winterschlaf 1180.
Wirbelearies 818.
Wirbelentsflndnng, tuberculOse
662.
Wirbelfractur ef. Trauma,
Wirbelsäule.
WirbelgeschwUlste 820.
Wirbelsäule cf. Kyphose. -
Verwaebsongeo 366.367. -
hereditär traomat Terinde-
mngen 867. — ankylonrende
Entsfindung 706.828.1144.
— Osteomyelitis 709. -
Bruch 755. 928.
Wortblindheit 219.714.805(2).
Wortetammbeit 215.
Worttaubbeit ef. senaoriKlie
.Aphasie 729. 808.
Wflrgreflex bei Paralyse 24.
-> bei Hemiplegie 231.
WarxclD.hintere,Darcbseboei-
düng deraelben 14. 547. -
Veriauf im CerTMahDark4S4.
— bei Tabes 548. — bei
schwerer Anstrengui^ 617.
— motor. FuDctMDen 699.
— Tiscero-motor.Funetioseo
699. — peripberisebe Vv-
zweigung 1041.
üümthom 78.
Zeroetomie 913.
Behenreflez 649. 866.
Zelle cf. NerrenzeUe.
Zittern cf. TVemor.
Zoophilie 1056.
Zoophobie 1056.
Zureehnongsfthigkeit der Hj'
sterischra 961. » Tsmu-
derte 1016. 1108.
Zwangsbeweguogen 473.
Zwaogsudht 829.
ZwangsTontellungen im Eia
deealter 7. 144. 1067 d
EreuthopfaoUe.
Zwei^rwuc^, Auge dsbei tSi.
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