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THE LIBRARY
OF
THE UNIVERSITY
OF CALIFORNIA
FROM THE LIBKAKY OP
PROFESSOR
MANFRED F. BUKOFZER
I9IO-I955
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N e ue s Altes
Peter A Itenber q
S. Fischer, P'erlag^ Berlin
1919
Vierte und fünfte Auflage.
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten.
Copyright 1911 S. Fischer, Verlag, Berlin.
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Gewidmet Anna Konrad { ' 2. bö l
Motto:
»»Solche Männer und ihresgleichen sind einfach ge-
niale Naturen, mit denen es eine eigene Bewandtnis
hat; sie erleben nämlich eine wiederholte Puber-
tät, während andere Leute nur einmal jung sind."
Goethe, Gespräche mit Eckermann.
PA: Aber wie glücklich zu preisen sind die, die
nur einmal jung zu sein brauchen, und dann ruhig
absterben dürfen, während jene anderen Unseligen
von ewigen inneren Räuschen gefoltert werden .
„J'ai de mes tourments multipli6 les causes
d'innombrables liens vont de mon ämeauxchosesl"
Baudelaire.
031
INHALT
Seite
Widmungen in meine Bücher 13
Wesen der Freundschaft 17
Was ist ein Dichter? 19
Bekenntnis 20
Entwicklung 21
Sankt-Martins-Insel 23
Konzert 25
Buchbesprechung 26
Ideale 30
Ein Brief 31
Vari^t^ 33
Die abgelehnte Einladung 35
Hypokrisie 37
Strandbad „Gänsehäufel" 38
Rückkehr vom Lande 39
Krankenlager 41
Hunde 43
H. N 45
Helga 46
Das Telephon 47
Die Lüge 48
Plauderei 49
LebensbUd 52
Lebensbilder aus der Tierwelt ....*.. 54
Brief an Mitzi von der „Lamingson-Tnippe" . 57
Aphorismen 59
Texte auf Ansichtskarten 60
Heümittel* 67
Der Nebenmensch 68
Schutz 70
9
Brangäne 72
Der Affe Peter 73
Ungeziefer 75
Mutter und Tochter 76
Der Dichter 77
Hysterie 78
Weihnachten 80
Der Tag des Reichtums 81
So sollte es immer sein . 83
Inschrift 85
Tope 86
Bekanntschaft 87
Eifersucht 89
Goethe 90
Die Pflegeschwester Rosa Schweda 91
Geschwister * 92
Der Besuch 94
Sommerabend in G munden 95
Ästheten 97
Erinnerung 99
Vöslau loi
Ein Brief 103
Der Fortschritt 105
Über Lebensenergien 107
Strandbad 109
Wesen der Religion 11 o
Wie sie es glauben wollen, so ist es iii
„Prodromos" 112
Restaurant Prodromos 115
Der Brand 117
Rücksicht 118
Myosa 119
10
Im Stadtpark 121
Ehebruch 123
Hamsun-Menschen 125
Memoiren 129
Widmimg an Anna Konrad 130
Der Tod 131
Eine ganz wahrhaftige Beziehimg 133
Im Volksgarten 135
Ansprüche einer Romantikerin 137
Lebensweg 139
Dienste 140
Wie ich gestmdet bin 141
Gottesgnadentum 143
An einen \mmodemen Arzt 145
Zynismus 147
Nacht-Caf6 149
Die Nerven 151
Britische Tänzerinnen 152
Der Trattnerhof 155
Artistische Rtmdschau, Wien 157
Parfüm 159
Übers Schreiben . 161
Angstschrei 163
Juli-Sonntag 165
Der Jagdherr 166
Episode 169
Josef Kainz 170
Bettlerfrechheit 171
Von meinem Krankenlager aus 172
Krankheit 174
An eine Elfjährige 177
Krankenbesuch 179
II
Notiz i8i
Rückkehr vom Lande 183
Nichts Neues 185
Das Dorf 187
Gerichtsverhandlung in Wien 189
Semmering Ende September 191 1 190-
Peter Altenberg als Sammler 191
Yvette Guilbert 193.
Krankenpflege 195
Herbst am Semmering . 197
Herbstanfang 198-
Eine Begebenheit 201
Beschäftigimg 203
Besuch im einsamen Park 205
Tanz 209
Peter Altenberg 2ii
12
WIDMUNGEN IN MEINE BÜCHER
Fräulein H. M., immer und ewig werden die
Dichter an dem fast absichtlichen „Unverständnis"
geUebter, vergötterter Frauen zugrunde geh'n .
Du allein brachtest mir die volle Sicherheit, daß
mein sonst so oft mißverstandenes Dasein von
dir erkannt wurde, in Weisheit imd in Milde,
wie von Gott selbst ! Heißt man das Liebe ? !
Gleichviel. Es ist die „Erlösimg", die eben keine
andere bringen kann !
An Frau D. M., in unzerstörbarer Freundschaft.
Freundschaft, du immer und ewig mißbrauch-
tes, geschändetes Wort! Du bist „Erkenntnis-
kraft des Gehirnes", gemildert durch „des Herzens
Wohlwollen"!
An Maria Maraviglia, spanische Tänzerin.
Leben, flüchtigstes, zerrinnendstes, kann ich dich
nicht festhalten?! Ja! Durch Erinnerung, Melan-
cholie und Ergebimg ins Schicksal .
Frau M. B. in Aachen.
Aus Femen kam ein begeisterter Gruß .
Wie seUg war ich zwischen Aachen und Wien
ist genügend Raum für die Enttäuschungslosigkeit
zusammengehöriger Seelen geschaffen !
An die Gemahlin des Herrn J. S.
Wie eine Aristokratin sehen Sie aus des i8. Jahr-
hunderts — . Augen voll ernster Ruhe und
Noblesse, und dennoch wieder Augen der Sphinx und
13
der Rheiimixen ! Die Nase wie von urältesten Adels-
geschlechtem herstammend, sanft gebogen und den-
noch stumpf abbrechend. Adlernase imd Stumpf-
nase zugleich! So aus einer Zeit von vergangener
Würde und Größe. Man sitzt neben Ihnen, betrachtet
Sie, spricht ehrfurchtsvoll, wie mit keiner anderen.
Man ist unter einem unerklärlichen Banne. Wie wenn
man vorgestellt würde der „Kaiserin Marie Antoi-
nette". Man möchte zu Ihnen sagen: „Votre Altesse
Royale ". Aber man muß über die kleinen
Ereignisse des Tages sprechen — . Und dabei
blickst du wie eine traurige Fürstin !
Für P. H., die „Romantikerin".
Sie erwünschen es sich, daß ich Ihnen von meiner
einsamen Landpartie im Vorfrühling Blätter ins
Haus sende, in die enge Gasse der Vorstadt ? ! Nun,
ich befestigte alles einzeln vorsichtig an silbernen
Drähten, zarte, gelbgrüne Blättchen. Wie gleicht
Ihr Herz \ioch der Vorfrühlingslandschaft !
Man bedauert direkt, daß es bald zu greifbarer
Blüte und Frucht ausreifen werde im Sonnenbrande
des Lebens!
Für Gertrude Barrison, Tänzerin.
Kalt und hart scheinbar sind Sie im Leben, das
alle zu leben, alle zu erleiden, alle zu ertragen haben!
Aber hinter diesem „gewaltsamen Sein" schlmnmert
den ewigen Schlaf, besiegt und längst abgestorben,
die „vergrämte Idealistin"! Geschreckt von der
Heimtücke des Daseins, traut sie sich nie mehr
zum Vorschein • Und nur des Dichters Auge
14
blickt noch in Welten, über die der Sargschleier,
alles verbergend, liegt .
An Miß Bessie.
Ich hatte dich irrsinnig heb und vergebüch
man hat immer nur irrsinnig heb, wenn es ver-
geblich ist!
An Frau E. R.
Eine Weit von zärtUchster Zärthchkeit mußte in
mir ersterben, auf dein Geheiß! Auf deinen strengen
unerbitthchen Wunsch! In späteren Tagen warst
du sanftmütig und gütig zu mir ; in späteren Tagen !
Aber den „süßen Wahnsinn" hast du mir gemordet,
wolltest durchaus meiner Seele endlose Welten auf
ein erfaßbares Maß zurückführen; vergebUch!
Stört euch „imser Wahnsinn", so' enttäuscht euch
schüeßüch noch mehr die „normale Liebe" der
anderen! Sind wir auch „übertrieben" in unserer
Verehrung, sind die anderen allzu nüchtern in
ihrer gesunden Gerechtigkeit!
An Else Wiesenthal.
Immer und überall im Leben vermißt man
„Hoheit imd Würde" und „edle KindHchkeiten"
zugleich! Aber in Ihrem Tanzen findet man es.
Deshalb ist man o beglückt und erlöst und erleich-
tert. Was man an seiner gehebtesten Gehebten
schmerzhch-melancholisch vermißt, findet man, er-
staimt, gerührt, bei Ihnen! Unerbittlich und stacr.
wird immer naturgemäss sogleich die Seele des
Mannes, falls ein wertvolleres Bild vor seine Seele
15
tritt! Ehebruch, Treuebruch, was seid ihr für
nichtssagende Namen ! Das „Zulänglichere** löscht
einfach stets das „Unzulängliche** aus! Soll man
weiter verehren, was der Verehrung nicht mehr
wert ist ? ! Gehet von hinnen. Schwerfällige, wenn
die „idealere Tänzerin** naht! Die „Gleitende"
besiegt die „Schleichende"!
i6
WESEN DER FREUNDSCHAFT
Ich kenne nur zwei Menschen, die mir freund-
schaftlich gesinnt sind, mein Bruder und A. R. Sie
verstehen alles, was ich denke, empfinde, sage,
geben allen Dingen die wohlwollendste Aus-
legung. Sie sind ganz ohne „Fallen-stellen-wollen".
Sie vernehmen nur das Wertvolle, überhören
eventuelle Mißtöne, ohne zu zucken. Sie schöpfen vom
gehebten Menschen den Rahm ab, beklagen sich nicht
über die wässerige Milch, die darunter liegt, sondern
erfassen es als ein Naturgesetz, daß der Rahm nicht
bis zuunterst reichen kann . Sie erläutern
uns nach unseren in uns verborgen liegenden
Idealen, nicht nach unseren allen augenfäUigen
alltäglichen Schwächen! Sie lauem auf imsere sel-
tenen Höhepimkte, beachten nicht unsere Ver-
kommenheiten. Sie sind noble Ausleger, Ausdeuter
unseres wirklichen Wesens. Sie begreifen im-
sere Schwächen, sie achten unsere Stärke! Sie sind
mit uns, wie man mit edelrassigen Kanarienvögeln,
Papageien, Staren, Hunden, Affen ist. Man achtet
ihre Eigenart, fordert von ihnen nichts UnmögHches.
Man hält sich an ihre „besonderen" exzeptionellen
Eigenschaften. Diese wohlwollend-sentimentale Art
von Nervengutmütigkeit heißt: Freundschaft.
Jede andere ist tief verlogen. Diese edle „ewige
Gutmütigkeit" ist von Gottes Gnaden! Man
hat sie zumeist erst mit Verstorbenen. Da kommt
man erst zur Besinnimg über besondere Werte,
dringt tiefer ein in das Wesen desjenigen, dessen
Lebendigsein uns nicht mehr stört. So lange er lebte,
2 17
beging er die störende Ungeschicklichkeit, ein an-
derer zu sein an Denken und Empfinden als wir
selbst t
i8
WAS IST EIN DICHTER?
Er sah am ,,Gänsehäufer* ein fremdes jmiges
Mädchen, ganz lang imd schlank, goldbraime
wehende Haare, lange, schmale Hände imd Füße,
em ockergelbes seidenes Trikot an dem mulatten-
braunen Leibe.*
Er konnte sie nie, nie, nie mehr vergessen.
Er sah in einer japanischen Akrobatentruppe ein
fünfjähriges Mäderl, gelber Teint, Stumpfnäschen,
schwarze Haare wie eine Perücke. Lebendig ge-
wordenes Kinderspielzeug!
Er konnte sie nie, nie, nie mehr vergessen.
Er las von einer wimderschönen Preisfechterin
in Venedig, aus reicher, geachteter Familie, die ohne
Grund, neimzehn jährig, sich aus ihrem Zimmer, drei
Stockwerke hoch, aufs Pflaster stürzte und starb.
Er konnte sie nie, nie, nie mehr vergessen.
Er hatte neben sich eine, ganz, ganz neben sich,
hart neben sich, bei Tag und bei Nacht.
Die koimte er aber vergessen, vergessen, vergessen !
19
BEKENNTNIS
a
Du gabst mir alles ■ und ich gab dir nichts !
Mein Aug', mein Ohr, mein Denken und mein
Träumen
gehörten vielleicht eher den dunklen Mädchen von
den Sundainseln, Romantischen Gebilden fremder
Welten,
die ihre stillen Wege gehn nahe dem Urwald .
Du gabst mir alles — und ich gab dir nichts!
Wie Märtyrerinnen warst du aus der Vorzeit,
oder wie Krankenpflegerinnen fremder Menschen,
wie sie heut' noch sind in Krankenhäusern und in
Klöstern .
Belohnung war dein eigenes Gefühl in dir!
Im Geben nahmst du tausendfach zurück,
was du gespendet. Und davon lebtest du!
Nun bist du in dem Dienste deiner heiligen Seele
krank geworden -;
der magische Schein der Selbstaufopferung ver-'
lischt du kannst nicht -mehr grenzenlos er-
geben sein!
Und weinend siehst du nun zum ersten Male deines
Lebens Not .
Du gabst mir alles und ich gab dir nichts!
Und dennoch traure ich verzweifelt am Sarge deiner
armen Seele . Denn, glaube mir, sie starb!
20
ENTWICKLUNG
Es gibt zwei Arten von Genies. Die, die eine neue
naturgemäße Sache entdecken, und die, die es gläu-
big erfassen und verwerten. Der Glaube an die
Genialität des anderen ist die nächstfolgende
Geniahtät. Glaube an neue Erkenntnisse ist bisher
unterschätzt worden. Es ist ein zweiter Grad
von Genialität. Die anderen sind Skeptiker, also
ungenial. Dann gibt es noch die Mitläufer mit
den Schwindlern und Hochstaplern. Das sind die
ganz Ungenialen, die einem ebenso Ungenialen wie
sie selbst sind, feige Kärrnerdienste leisten. Sie leben
von der Hoffnung, man werde sie ernst nehmen,
weil sie einem nicht ernst zu Nehmenden ernstlich
Gefolgschaft leisten ! Aber in Gottes Buche ist alles
verzeichnet, und dieser riesigen unerbittlichen Buch-
führung über Reelles und Unreelles unterliegt
schließlich alles ! Alles wird aufgedeckt, die reellen
imd die gefälschten Ziffern, und man sollte eben
deshalb schicksalsergeben sein. Entwicklungs-
konjunkturen ausnützen ist jedoch eine der
feigsten Gemeinheiten. Wenn man für die „Frauen-
seele" zum Beispiel kämpft, muß man zeit seines
langen schrecklichen Lebens in jeder Beziehung daran
auch elend verblutet sein. Die jungen Gänseriche
haben aber noch einfach ihre verfluchte Pflicht und
Schuldigkeit, ohne psychologische Mätzchen das
Ihrige wie eh und je zu leisten. Der Entdecker
leidet, und der Gläubige an ihn leidet. Aber
der geschickte Ausnützer von Konjunkturen macht
dabei seinen Rebbach.
21
Dasselbe findet in der Kunst statt. Gottes Pläne
sind niemandem heilig, sondern man erstrebt es
einfach, seiner eigenen verfehlten Organisation zum
Durchbruche zu verhelfen! Freaks sind noch lange
keine Genies, obzwar Genies oft Freaks waren.
Sie waren es eben doch nur scheinbar. Denn hinter
ihnen thronte Gott und die Natur, wenn auch ein
wenig in allzu grotesken Formen. Es gibt Räusche,
in denen man Ssnnphonien dichtet; und es gibt
Räusche, in denen man sich erbricht. Beides sind
Räusche, Ekstasen, übertriebene Zustände. Aber
Rausch und Rausch sind nicht gleich; und nicht
jeder torkelnde Betrunkene schreibt dann in seinem
einsamen Zimmer Schubert-Lieder I
22
SANKT-MARTINS-INSEL
Als der Arzt ihr mitteilte, daß sie vor den dunklen
Toren der Tuberkulose stehe, sagte sie: „Na, na,
dös tun mer net, mit achtzehn Jahren?!"
Und sie eilte nach Gravosa, und lag auf der
Sankt-Martins-Insel mutterseelenallein, mit ihren
Proviantvorräten, von sieben morgens bis sieben
abends, und breitete splitternackt die Arme aus, um
die Heilkraft der Natur zu empfangen.
Sie ließ sich mit Mentholfranzbranntwein täglich
zweimal eine halbe Stunde lang einreiben und nahm
einen halben Liter Kakao mit sechs eingesprudelten
rohen Eidottern. Femer Bouillons mit eingesprudelten
rohen Eidottern und Seefischfilets in großen Mengen.
Als sie gesund wurde, kam der Ehrgeiz und die
Lebenslust über sie, und sie fand ein Engagement
in einem ganz kleinen Theater. Ihre erste Rolle war
die französische Gräfin Laborde-Vallais. Sie wußte
durchaus nichts damit anzufangen, aber ein junger
Herr schickte ihr in die Garderobe seine Visitenkarte.
Sie hatte sich mutig dem Tode entzogen, und
bemerkte nun bald, daß das Leben es nicht wert sei,
sich so sehr darum bemüht zu haben. Sie war dieser
Gefahr „Tod" entronnen — nun kam diese größere
Gefahr „Leben"! Dem konnte man nicht mit
Sonnenbädern, Kakao, gesprudelten Eidottern, Men-
tholfranzbranntwein entrinnen !
Später temte sie zufällig den Dichter kennen.
Sie verstand nicht, worin das bestehe, ein Dichtet
zu sein. Man schreibt Bücher, und man ist ein Dichter.
Aber was stellt es vor, und wozu ist es ? ! ?
23
Aber eines Tages sagte er zu ihr: „Wie war es
auf der Sankt-Martins-Insel?!? Sie lagen da, gott-
ergeben, und erwarteten von Wiese, Wald und Sonne
Ihre Heilung ."
Und jemand sagte zu ihr: „Hören Sie mir schon
auf mit Ihrer faden Sankt-Martins-Insel! Jetzt sind
wir Gott sei Dank hier!"
Da blickte sie hilfeflehend zu dem Dichter, und
sie fand einen hilfsbereiten Blick .
Da wußte sie, was ein Dichter sei und wozu er
da sei .
24
KONZERT
Du kamst aus dem Konzert, erfüllt von Liedern
und den Liedertexten, die von Dichtem waren wie
Stefan George, Richard Dehmel, Jacobsen, dem ver-
storbenen Dänen, der Musik in Worten machte.
Du warst schön und prächtig, gelb und gold war
dein Gewand, und deine geliebten Augen blickten
noch in Femen, aus denen sie eben kamen. Ein
Zwerg, ein Wurm, ein gekrümmtes armseliges
Reptil erschien ich dir, ans Irdische dich feig ge-
mahnend, die du aus hehren Femen kamst, und
meiner Liebe allzu gewohnte Seufzer verhallten in
den Tönen deiner neuen Musikwelten.
Ich starb dahin vor Eifersucht auf das Konzert,
und auf alles, was drum herum und dran hängt an
Ablenkungen selbstverständlicher Art einer fana-
tisch geliebten Seele — . Ich starb dahin.
Du aber blicktest, gelb und goldig war dein
romantisches Gewand, in Femen, aus denen du
soeben kamst, gleichsam von einer langen, langen,
langen Reise — . Wo. warst du, Frau?!?
. Da senkte ich den Bück, der zuerst böse starrte,
und ich ergab mich in das Schicksal .
Du sagtest schlicht: „Es war sehr schön; man
hat sehr viel gelernt ; man bUckte jedenfalls in Welten,
die bisher verschlossen waren — ."
Da saß ich denn da und getraute mich nicht mehr,
deine geüebten Hände zu berühren wie eh und je — .
Und du sagtest: „Was haben Sie?!?" Und ich
sagte: „Nichts .^
25
((
BUCHBESPRECHUNG
Er hatte zu ihr gesagt: „Nun habe ich dich,
über allen Kitsch der Künstler hinaus, den
Kunstwerken der Natur und des Lebens
selbst allmählich näher gebracht, habe dich müh-
selig gelehrt, die Romantik des Daseins aus erster
Hand zu genießen! Nun gebe ich dir einen aller-
besten, spannendsten, aufregendsten, ergreifendsten,
lehrreichsten Roman zu lesen: „Der Volkskrieg
in Tirol 1809" von Oberleutnant Rudolf Bartsch.
Und sie las es in einigen Stunden einer schlaflosen
Nacht. Alle Menschen darin standen ihr nahe, und
sie zitterte um eines jeden Schicksal! Erzherzog
Johann, die Offiziere, die Diplomaten, die Bauem-
führer wurden ihr zu vertrauten Freunden. Sie be-
gann das Getriebe der Welt zu erkennen und Freunde
und Feinde in gleicher Weise zu verstehen! Sie sah
die Schlachten zwischen Intelligenz und Herz
im Menschen, zwischen Vorurteil und Urteil,
zwischen Fernsicht und Nahsicht!
Sie gewann eine tiefe, tiefe Liebe zu Peter Mayr
und Andreas Hofer, zu den reinsten der Reinen
den eigentlichen Idealisten in dem Buche.
Sie^ weinte bitterlich und stundenlang über ihre
edle Art. Sie schrieb sich folgende Stelle auf ein
Pergamentblatt heraus und ließ es einrahmen unter
dem Titel: „So sind alle, die für die Kommenden
von Wert sind!"
Diese Stelle lautete: Der geniale Hormayr ver-
scherzte sich das Zutrauen vieler, namentlich der
Bauern. Als er nach dem Bankrott der österreichi-
26
sehen Invasion aus dem Lande floh, schob so recht
das ganze Volk von Tirol den gegen Hormayr ein-
fältigen, aber sittenreinen Sandwirt an die höchste
Stelle ~ ohne dessen Zutun.
Schob: dieses Wort bezeichnet viel in Hofers
Wesen und Laufbahn! Der bedächtige Sandwirt war
keine aggressive, ideenwälzende Natur wie Haspinger,
kein genial tollkühner Unfried wie Speckbacher.
Viele seiner Führer hatten weit größere Begabung
als der bloß mit einem schHchten, gesunden Haus-
verstand ohne weiten Blick ausgerüstete Hofer.
Gedrängt, unwiderstehlich gedrängt wurde Hofer
zu allem, was er tat. Eine äußere, aber geheime
Macht, deren Walten er wohl ahnte, der er nie zu
widerstehen suchte und die er verehrte, trieb ihn:
der Volksgeist von Tirol!
Diese Macht erhob ihn hoch — er blieb demütig
und schlicht; diese Macht entriß ihm all seine Ent-
schlüsse. Durch sie gedrängt, siegte er bei Sterzing,
am Isel und bei Leonhard. Durch sie gehalten, ver-
mochte er nicht zu fhehen, als die Besten des Landes
das sinkende Schiff verließen — und geschoben, ja
ganz verwirrt von dem Einfluß der Verzweifeltsten
des ganzen Landes, brach er im Spätherbst 1809
zum erstenmal in seinem Leben das Wort, ver-
leugnete seine Unterwerfung, erhob von neuem den
Ruf zum Aufruhr, xmd erst als sein KörperUches ge-
fangen und dem Tode geweiht war, da befreite sich
seine Seele, eine tiefe Erkenntnis seines ganzen
Lebenslaufes durchzuckte ihn, und da wuchs er ins
Übermenschliche. Dieser weichherzige Mann, der so
leicht die gutmütigen Augen voll Wasser bekam,
27
nahm trockenen Auges Abschied von einer Welt,
die sich schlechter erwiesen hatte als er.
Daß man Hof er so oft verkannt und in ihm den
Führer und Kommandanten des Aufstandes gesehen
hatte! Er war weniger imd doch mehr. Er war
seinem Volke, was dem Soldaten seine Fahne ist:
Das Panier von Tirol!
Selbst unbeweglich, aber von den Kühnsten
und Besten getragen, allen voran. Unbefleckt,
rein, verehrenswürdig, ja wahrhaft geheiligt! Von
der Rehgion geweiht, vom Paten Johann mit einem
Wahlspruch belebt, vom Kaiser ausgezeichnet und
geschmückt. In der höchsten Not entfaltet, als alle
Kommandanten versagten, siegt diese menschliche
vorausgetragene Fahne Andreas Hofer, dann sinkt
sie und mit ihr das Land Tirol. Er war eben der
einfache, Mensch gewordene Idealismus, der embryonal
in tausend Herzen, in tausend Gehirne, in tausend
Willenskräften verborgen lag!
Die edle Leserin machte die Hinrichtung Andreas
Hofers mit, aber sie konnte nicht, wie er von sich
selbst es sagte, sagen: „So leicht kommt mir sein
Sterben an, daß mir die Augen davon nicht naß
werden ."
Sie aß wenig, sie sprach wenig durch viele Tage.
Nur dem Freunde, der ihr diesen „Roman des
wirklichen Lebens" anempfohlen hatte, blickte sie
dankbarst in die Augen. Da sagte er denn zu ihr:
„Dieser Oberleutnant Rudolf Bartsch ist vielleicht
ein größerer Dichter als viele protokollierte
Firmen dieser Branche. Denn er hat die in den
Archiven des Lebens begrabene Poesie und Romantik
^8
der Menschheit zu lebendigem wirkendem Leben ge-
bracht durch sein einfaches tiefes Buch!" Und die
Dame reihte es ein in ihrer kleinen BibHothek neben
ihre Götter: Hamsun, Strindberg, Maeterlinck, Ibsen,
diese Vermehrer des Bestandes der allge-
meinen menschlichen Seele!
29
IDEALE
Ein fünfzehnjähriges wunderschönes Stuben-
mädchen stahl ihrer Herrin zwanzig Kronen.
Die Herrin schickte zur Polizei und machte die
Anzeige von dem Diebstahl. Da nahm die Fünf-
zehnjährige, die ihrer Mutter zum Namenstag ein
Geschenk hatte machen wollen, eine Flasche mit
Spiritus, trank die Hälfte aus, übergoß ihre Kleider
mit der anderen Hälfte, zündete sie an. Nach elf
qualvollen Stunden verstarb sie im Wasserbett.
Einfache künftige Polizeivorschrift:
Anzeigen gegen Untergebene unter zwanzig Jahren
wegen Diebstahls unter loo Kronen werden zwar an-
genommen aber, sobald es sich um einen ersten
Fall handelt, in den Papierkorb geworfen!
Man vertröste die anzeigende „Canaille", daß
sich der Fall leider „verzögert" habe .
30
EIN BRIEF
Liebes Fräulein Marion Kaulitz, ich habe gestern
in der Wiener Werkstätte, erster Bezirk, Graben 15,
die Puppenausstellimg besichtigt. Ich war ganz ge-
rührt. Wie schrecklich sind doch diese Puppenge-
spenster gewesen aus der Kindheit unsrer geüebten
Schwestern und Cousinen! Wie starrten sie uns
blöde herzlos an, erwiderten alle Liebe und Sorge
mit einem nichtssagenden kretinartigen Grinsen, das
unsre kleinen Herzen hätte Heblos machen müssen,
wenn wir damals nicht so viel an selbstloser Liebe
aufgespeichert hätten zu adehger Verschwendung!
Aber nun schufen Sie, Fräulein, Puppen, die wie
edle, zarte Menschenkinder bücken, träumerisch
lächelnde, und solche, die sich anschicken zu weinen
und es dennoch unterdrücken! Kleine, zarte Kind-
chen schufen Sie, nicht Puppen!
„Das Beste ist für unsre Kinder gerade noch gut
genug", sei der Wahlspruch von verständnisvollen
Eltern. Eine meiner kleinen zartfühlenden Freun-
dinnen, zwölfjährig, hat am Lande im Garten einen
Zentralkäfig aus spinnwebdünnem Stacheldraht.
Innerhalb ein kleiner ovaler Teich von Quellwasser,
und blühende kleine Gesträuche. Dieser Käfig ist
bewohnt von siebzig herrlichen Vogelarten. Hier
genießt sie die Märchen der mysteriösen Natur aus
allererster Hand, hat einen kleinen bequemen Fau-
teuil davor gerückt, sitzt stimdenlang, beglückt und
entrückt .
Geradeso könnte man mit Ihren Püppchen sitzen,
stundenlang, Fräulein Marion KauUtz ! Ich denke mir
31
kinderlose zarte Damen, die dieselben sanft an ihr
Herz drückten. Im Schlafzimmer sollten sie in Sofa-
ecken kauern, wie kleine zarte Lebewesen! Es gibt
einige darunter, die man direkt lieb gewinnt. Ich
kann es mir vorstellen, daß eine alte Jungfer solche
fünfzig ankaufte und so in ihrem Zimmer eine Welt
erblühen ließe, die ihr im realen Leben versagt ge-
blieben ist. Eine Welt von Poesie imd ohne die
Enttäuschungen. Eine ist darunter, dreißig Kronen,
von der man es sich vorstellen muß, daß sie unbedingt
eine weltentrückte Dichterin werden würde. Ich
sagte zu der wunderbar schönen bleichen Ver-
käuferin mit den aschblonden Haaren und der sanft-
mütigen Stimme: „Melden Sie es mir seinerzeit,
welche Dame diese scheinbar unscheinbare Puppe
erstanden habe! Es wird jedenfalls eine ,innerüch
Adeüge* sein ." Die bleiche Verkäuferin er-
rötete und sagte: „Ein fremder Herr hat sie heute
bereits von selbst für mich erstanden ."
32
VARIETE
„Sechs riesenstarke Männer und eine Sechzehn-
jährige, wunderbaren verklärten Antlitzes, und ge-
wachsen wie ein edler Knabe. Man warf sie wie
einen Gummiball, fing sie nach zahllosen Um-
drehungen auf herkulischen Schultern geschickt auf.
Dennoch zitterte man jiedesmal für ihre edelzarten,
unbeschreiblich rührenden, gebrechUchen Glieder.
Sie blickte ekstatisch, ließ sich in die Luft wirbeln
und auffangen und hätte, zufällig auf den Boden
geschleudert und ermordet, zerbrochen, zerquetscht,
keinen Laut von sich gegeben! Ekstatisch blickend
wäre sie gestorben. Da dachte ein Graf: „Ich werde
sie ihren Peinigem entziehen und ihrem Selbstmorde.
Ich werde sie schützen, pflegen und behüten!"
Aber das wunderbar verklärte Antlitz hätte sie
dann sogleich verloren, und den edlen süßen Helden-
blick wie in einer Schlacht, in der man gern vor dem
Tode steht! Denn „leben ohne Ehre" ist da über-
flüssig geworden! O, Fräulein, gedenken Sie eines
armseligen Zeitungsreferenten, der es nicht drucken
lassen darf, daß er vor Ihnen hätte hinknien mögen !
Sondern er mußte schreiben: „Einen wirkHchen
Rekord in der Parterreakrobatik bot die jugendliche
Tochter des Truppendirektors. Eine Vereinigung von
Kraft und Anmut . Stürmischer Beifall be-
lohnte aber auch ihre Leistung!" O, Menschheit,
pfui über dich, die du noch immer die „spanische
Stiergefechtsseele" hast, ohne Erbarmen und ohne
Liebe, pfui! Fräulein M., Ihre edelzarten GHeder
sind mehr wert als das begeisterte Gejohle einer herz-
5 33
losen Menge. Gott beschütze Sie, Allerzarteste, in
Ihrem gefahrvollen Berufe ! Möge dennoch ein Graf
Sie zuletzt erretten!'*
34
DIE ABGELEHNTE EINLADUNG'
„Sie luden ihn ein auf ihre Besitzung. Er könne
dort tun und lassen, was er wolle, niemand würde
Ansprüche an ihn stellen. Er habe seine Freiheit
garantiert. Er kam nicht. Er hatte zu tiefe Ach-
tung vor dem Fernverkehr zwischen Menschen,
die sich wenigstens teilweise verstehen, zu viel Ver-
achtung für den Nahverkehr, der imter allen
Umständen Abgründe öffnet, in denen die Seelen
zerschellen. Welche Freiheit konnte man ihm garan-
tieren, nachdem er als Gast von selbst infolge seiner
inneren Kultur unwillkürlich den Gastgeber un-
unterbrochen berücksichtigt hätte? Die großen Ab-
gründe sind leicht mit Freundschaft zu überbrücken,
unüberbrückbar sind die allerkleinsten ; was ist
es, wenn der fanatisch geliebte Hund des Gastgebers
dem Gaste als ein verwöhntes, ekelhaftes Beest er-
scheint? Genügt das nicht, alle Werte umzuwerten
und Verzweiflung in den Nerven zu erzeugen, wo früher
edler Friede war ? Ich will von Speisen und Getränken
gar nicht reden, von Tageseinteilungen. Der Gast
wird zum „hysterisch-empfindsamsten" Menschen,
weil er eben der „Gast" ist, der Gastgeber ebenfalls,
weil er eben der „Gästgeber" ist! Es entsteht eine
Beziehung von Verantwortlichkeit für das Glück
des anderen. Man bemüht sich, ein anständiges
aber ungeschicktes Kompromiß zu schließen zwischen
zwei Nervensystemen. Nim gibt es aber auch noch
tragischere Verwicklungen. Zum Beispiel „Lieb-
lingsspaziergänge", oder „Lieblingsplätze im Garten",
ja sogar „Liebüngsbäume und -blumen". „Gekränkt
^* 35
sein" ist eine von unserem guten, ja von unserem besten
Willen unabhängige Emotion der Seele. Wodurch
könnte man es besiegen ! ? Durch Entfernung ! Napo-
leon kann bei seinem Kammerdiener zu Gaste sein,
aber nicht bei einem Napoleon! Außerdem kann
man sich auch noch zu allem anderen vielleicht in
das Stubenmädchen der Hausfrau verlieben. „Distan-
zen lassen" in jegUchem Verkehr ist die „Genialität
der Bescheidenen", „Distanzen nicht einhalten" ist
die „Stupidität der Größenwahnsinnigen"! Es gibt
daher für einen „bescheidenen" Gast eine einzige
Form der Einladung an ihn: „Liebster Freund, wir
reisen heute abends ab, unsere Villa steht Ihnen
daher zur Verfügung. Die Köchin wird kochen, was
Sie anbefehlen; außerdem bekommen Sie Tages-
diäten von zehn Kronen. Gedenken Sie unser in
Liebe!"
36
HYPOKRISIE
Ich möchte ein einziges Mal im Leben ein Liebes-
paar, ein jmiges Ehepaar antreffen, bei dem der
Mann nicht in überquellender sorgsamer ZärtUchkeit
das Zigarettenrauchen der GeUebten bespräche!
„Anna, du weißt, dein Pensum ist bereits über-
schritten, ich habe drei Zigaretten täglich gestattet,
eine nach dem Frühstück, eine nach dem Mittag-
essen, eine nach dem Nachtmahl. Ich glaube, ich
bin jedenfalls ein nachsichtiger Gatte ." Nein,
das bist du nicht, du Hund ! Gerade hierin also willst
du ihr helfen, hast nicht die geringste Ahnung, du
Esel, wieviel Narkotika sie braucht, um deine Lang-
weiligkeiten zu ertragen, oder sich zu betäuben ein-
mal auf anständige Art! Keine Frau raucht mehr
Zigaretten, als sie imbedingt braucht, denn in der
Kontrolle ihrer Genußfähigkeiten sind die Frauen
begabter als die Männer, da sie den Gesetzen der
unbewußten Natur näher stehen, sie daher besser
erlauschen ! Ich hasse die Männer, die ihre hypokrite
zärtliche Fürsorge gleichsam auf das scheinbar über-
triebene Zigarettenrauchen ihrer geliebten Frauen
konzentrieren. Sie haben überhaupt nicht die ge-
ringste Ahnung von der nünutiösen Hygiene des
Frauenleibes, der Frauenseele! Aber vor der un-
schuldig-betäubenden, ja oft erlösenden Zigarette
wollen sie sie zärtüchst behüten! Der Anfang aller
Ungezogenheiten einer Frau, die sich dann allmäh-
lich und xmscheinbar entwickeln, ist, ihr ihre un-
schuldigen Freuden zu mißgönnen!
37
t€
STRANDBAD „GÄNSEHÄUFEL
Wie alt du wirst, Peter . Läßt dich deinen
Idealen nicht mal mehr vorstellen?!
Ich sah zwei Schwestern, sechzehn und fünfzehn,
mit braunem Teint und dunklen Haaren, stumpf-
nasig, edelhändig, edelfüßig.
Wie von den Inseln Ceylon, Sumatra, waren sie.
Die Sonne brannte auf den grauen mehligen
Donausand des Strombades „Gänsehäufel^^
Ein buntes Treiben; und ich sah nur euch!
Wie flügge Vögelchen im Neste, sah ich euch,
von eurem Vater zart behütet .
Finger, Zehen, zart zum Abbrechen.
Und eure Augen schienen noch nie ängstlich ge-
bückt zu haben .
Ein buntes Treiben auf dem Strand, im Wasser!
Familienglück mit plätschernden Bab}^, und
Paare, denen man es ansah : „Ihr gehört zusammen !"
Von Weidenbüschen kamen Duft und Kühle .
Und als die beiden braunen Schwestern ihre
weißen Strandkörbe verließen, um zu baden, hätte
ich mich gern als Leibwache hinpostiert und zu jedem
gesagt: „Die Körbe sind besetzt, ich hüte meiner
geüebten Herrschaft ihre Ruheplätze 1"
38
RÜCKKEHR VOM LANDE
Nun ist es wieder Herbst geworden, und die
Grabenkioske füllen sich zur Abendzeit mit wohl-
gepflegten und gebräunten Dam«n.
Man hätte so viel zu erzählen, und man schweigt !
Man ist wieder in diesem Gefängnis ,,Großstadt".
Man träumt von Licht und Luft und Wasser.
Man war ein anderer, besser, menschlicher.
Nun geht man seinen Trab wie eh imd je.
Man fühlt sich altem, schwerfällig werden, klam-
mert sich an dieses unglückselige Wort: „Verpflich-
timgen" !
Die Wohnung will nicht in Ordnung kommen, und
die Dienstboten kündigen.
„Die gnädige Frau war am Land viel netter zu
uns ."
Ja, das war sie.
Die Kellner in den Kiosken begrüßen alle Gäste
wie Weltreisende, die vielfache Gefahren überstanden
haben .
Nun nehmen sie Soda-Himbeer im sicheren Port !
Die Deklassierten, die nicht fort waren, mischen
sich in die Menge der Zurückgekehrten, als ob nichts
vorgefallen wäre .
Ja, sie haben sogar die naive Frechheit, zu be-
haupten, Wien wäre am angenehmsten, wenn alles
„auf den Ländern" weile .
Damen, mit den veredelten gebräunten Ant-
litzen, lasset euch nicht betrügen von dem Pnmk
der Großstadt! Erschauet in den Spiegeln eurer
Gemächer einen Zug auf eurem Antlitz, den Licht
39
und Luft und Wasser xmd Freiheit modelliert haben,
und der nicht da war ehedem, imd der verschwinden
wird im Wintertrubel!
Komödie hier, Komödie dort vielleicht .
Doch unter freiem Himmel ist das Theater
schöner I
40
I i
i I
KRANKENLAGER
Ich lag wieder einmal im Sterben. Einer sandte
mir daher Kalbsfußgelee in Glasdose, statt mir seine
jxmge, schöne Geliebte zu senden, die mich unbedingt
eher hätte erretten können als Kalbshaxen! Das
Kalbsfußgelee hatte einen geheimnisvollen, imer-
öffenbaren Verschluß. Daher war es auch ganz
gleichgültig, daß es vor dem Eröffnen zwei Stunden
lang in Eis liegen sollte. Einer kam sehr teilnahms-
voll und besprach es mit mir ziemlich eingehend,
ob er seiner Mitzi den Laufpaß geben solle oder
nicht, nachdem doch, wie ich wisse — . Wir berieten
hin und her, und er meinte schließlich, er sehe, ich
sei nicht ganz bei der Sache. Zum Schlüsse sagte er :
„Hast du große Schmerzen? ! Merkwürdig, daß diese
Anfälle in letzter Zeit so häufig wiederkommen.
Vielleicht sieht man dich übrigens morgen im Gast-
haus. Da können wir es weiter besprechen." Eine
Dame kam, xmd ich teilte ihr mit, daß sie die schön-
sten Ohren, Hände von der Welt habe. Sie meinte,
ich bliebe noch in der Sterbestunde ein Dichter, ein
wirklicher Künstler. Einer kam und legte seine
Zigarettenasche auf mein Nachtkästchen aus Bam-
bus, neben die große, tiefe Aschenschale. Einer trug
mir ein Buch weg, imter dem Vorwande, ich könne
in meinem jetzigen Zustande ohnedies nicht die
Sanmüung finden, es zu lesen. Einer sagte mir, man
dürfe sich nicht so sehr nachgeben, sondern müsse
die Krankheit durch Energie überwinden. Gott, wo
käme er selbst hin, wenn er sich immer gleich ins
Bett legen wollte xmd sich pflegte I? Eine jxmge
41
Dame schrieb: „Verehrter Meister, ich höre, daß
Sie schwerkrank sind. Darf ich um ein Autogranmi
bitten?!" Als ich wieder genesen war, sagte man
zu mir: „Nun, Peter, du ewig Unzufriedener, hast
du es nicht jetzt wieder einmal erlebt, von wieviel
Sympathie und echter Freundschaft du in schweren
Zeiten dennoch umgeben bist ? !" Ich blickte gerührt
vor mich hin — das heißt, ich dachte : Verbrecher und
Schafsköpfe !
42
HUNDE
Ich hasse die Frauen nicht nur wegen der falschen
Krawatten, die sie anhaben, wegen der falschen
Schirmgriffe, der falschen Hüte, der falschen Man-
schettenknöpfe und so weiter — ich hasse sie in
neuerer Zeit wegen der „Pflanzhunde", die sie sich
mit teuerm Gelde zulegen, um eine Art von ver-
logener Tierromantik mit ihnen aufzuführen.
Meine wunderbar schöne Schwester fand in ihrem
fünfzehnten Lebensjahre ein schreckliches ver-
hxmgertes Tier auf der Bergstraße nach Kaiser-
brunn, direkt ein Scheusal. Aber sie betreute es
fanatisch; und als sie es eines Sommermorgens im
Bottich des kleinen duftenden Gemüsegartens er-
tränkt fand, legte sie sich ins Bett und verweigerte
acht Tage lang die Nahrung.
Heutzutage aber kaufen sie sich für schwere
Tausende prämierte Russische Windhimde, Springer
erster Klasse, die zwar imerhört hohe Barrieren
überspringen, aber nicht einmal den Seelengeruch
aufbringen, die Wohnimg ihrer scheinbar gehebten
Herrin allein wieder aufzufinden!
Herzlose Idioten von äußerlich schönen Tieren
favorisieren sie, schändHche Masken von Idealen,
einen Abglanz ihrer eigenen leeren Persönlichkeiten,
drapiert mit modernen Gewandungen ! Wie sie selbst !
Seinerzeit war der getreueste Freund des Men-
schen favorisiert, der aufopferungsfähige weiße oder
schwarze Pudel. #
Heute aber hebt man den infam perfid treulosen
Dackel, den grotesken Clown Foxterrier, und den
43
stupiden herzlosen und gleichgültigen Russischen
Windhund.
Heute geht man auf Farbe und Form. Aber das
melancholisch-treuherzige Auge ist euch gleichgültig
geworden! Es wird sich natürlich an euch rächen!
Auch die „Ästhetik" kann nur aus den mysteriösen
Tiefen des Herzens kommen ; sonst ist es eine Blüte,
die an ihrer eigenen schamlosen Kälte verkommt,
verdorrt ! Nur das Herz hat ewig belebende tropische
Wärme. Schönheit allein mordet!
44
H. N.
In deinen Augen lese ich dein Leben
mehr brauch ich nicht zu wissen, es ist alles.
Und deine Stimme ersetzt mir die Musik der Welt!
Deine Hände zu schauen, macht dankbar gegen das
Schicksal
und sie berühren, macht mich tief erschauem!
Wie eine geknickte Blume prangst du in der Welt,
die trotzig starrt von harten Pflanzen!
Nur du erzeugst mir Sehnsucht, Gottes edle Qual!
Die anderen genießt man, wenn sie da sind,
und die Entfernung legt sie zu den Toten!
Von dir aus strömt des Dichters Leid und Not,
an diesem Stoffe brennen seine Flammen!
WennduvonLieblingsliedem sprichst,hörichsie tönen ;
Wenn du von Lieblingsbüchem sprichst, so hab ich
sie gelesen!
Wenn du von schönen Frauen sprichst, so seh ich sie,
wenn du von Männern sprichst, so sterb ich vor Ver-
zweiflung!
Und die Welt erdunkelt mir .
Der Bann, der Bann, Bannsegen ohne Fluch! So
bannst du mich!
Du bist verstört, von tausend geheimnisvollen Kräften
hin und her getrieben,
die aber mir zu Tau und Sonne werden,
indem ich sie gerührt betrachte und begreife,
wie eine Mutter ihres geliebten Kindes Rätsel .
Entfern dich nicht! Denn wenn du mich verläßt,
erlischt für Dich dein eigener Zauber — ■—
und eine Welt ersteht, die dich brutal genießen will !
45
HELGA
Helga, mein Leitstern,
bist du mir erloschen?!?
Leuchtest du mir nicht mehr in meinen Dxmkel-
heiten ? !
Willst du meinen Verdüsterungen nicht mehr Klärung
bringen ? I
Die Nebel zerstreuen, die sich über meiner Seele
lagern, wie die Sonnenkraft auf Bergesgipfeln beim
Nebelreißen ? ! ?
Wie ein Kindchen strecke ich die Arme
nach dir aus. Hilf mir!
Du gabst mir Kraft, du gabst mir Frieden!
Sei ewig bedankt !
Nim kommen die Liebelosen und rauben mir alles!
Düstere Nebel umwölken mein ehemals klares
Gehirn .
Sei wieder die Sonne, die Klarheit bringt
und Licht und Wärme!
Hilf mir, Helga !
Alle andern Frauen
nehmen und plündern, die Seele, den Leib, die
Kraft des Gehirnes — !
Du allein spendest und spendest und spendest!
Kaum bist du fort, umdüstert sich alles .
Die bösen Geister nehmen mich in Besitz
Guter Geist, Helga, ich entbehre dich,
wie ein krankes Kind seine Baba .
Gütige Kinderfrau, Helga,
ich gebe dir diesen Ehrentitel,
Statt dieses schnöden, inhaltslosen Titels: Geliebte!
46
DAS TELEPHON
„Hier Peter Altenberg ."
— „Oh, Peter, guten Abend. Denken Sie, ich
kann heute abend nicht an Ihren heben Stanuntisch
im ,Löwenbräu* kommen. Ich habe mir erst vor
einer Stunde die Haare gewaschen imd sie brauchen
mindestens drei Stimden, um zu trocknen.**
„Schluß", rief et und läutete rasend ab. —
Das war eine Art von Genugtuimg. — Aber sehr
bald darauf überkam ihn eine trübe Stimmung imd
er dachte:. „Was, oh Fraue, was wirst du mir also
noch alles antun, nachdem du dir nicht einmal recht-
zeitig die Haare waschen konntest ."
47
DIE LÜGE
Eine der schrecklichsten Verlogenheiten des
kleinen Lebens ist es, daß so viele in liebenswürdig-
korrekter Art fragen: „Ist es gestattet, ^n Ihrem
Tische Platz zu nehmen? Stört man nicht!?"
Welche verlogene Gemeinheit, eine solche perfid-
jesuitische Frage zu stellen, nachdem man es doch
sicher weiß, daß niemand daraufhin den Mut hat,
zu antworten: „Nein!"
Möge doch jeder in seiner Vereinsamung bleiben,
bis man ihn „liebevoll" ruft! Wie viele. Feindseüge
drängen sich scheinbar freundschaftlichst heran, weil
man mit einer Dame sitzt, auf die sie „fliegen!"
Eine horrende feige Gemeinheit. Schändliche Wölfe
im Schafspelze. Wenn sie ihre Beute „gerissen"
haben, verschwinden sie ! Niemand weiß, edle Distanz
zu halten, weder im Gespräch, noch in Handlimgen.
Eine falsche, feige Gutmütigkeit beherrscht alles,
vom liebenswürdigen, scheinbar erfreuten Lächeln
der Begrüßung an, bis in die ernsteren Komplika-
tionen hinein, wo die Maske fällt! „Wie geht es
Ihnen?!" Jeder denkt dabei: HoffentUch schlecht!
Das Herz traut sich nirgends hervor; es keucht, er-
stickt unter Lügebergen! Niemand kann „er selbst
sein", schaut sich daher ängstlich um, nach dem
Sukkurs der andern!
Heldentum: „Ist es erlaubt, an Ihrem Tische
Platz zu nehmen?!"
„Nem!"
Dann geht der feige, geprügelte Hund aber hin
und rächt sich!
48
j
PLAUDEREI
Früher hat es naturgemäß Religionsstifter ge-
geben für die Seelen. Der Körper war urkräftig,
und die Seelen waren schwächlich. Da bedurfte
es der Ärzte für die Seelen. Nun aber ist es um-
gekehrt: die Seelen sind erstarkt, und die Körper
sind schwächlich geworden. Da bedarf es der
Religionsstifter für die Körper!
Keuschheit zum Beispiel war früher eine „psycho-
logische" Fordenmg, heute wird es zu einer „physio-
logischen"! Einfachheit der Lebensweise war früher
eine „psychologische Forderung", heute ist es eine
„physiologische" geworden!
Früher beschenkte man Arme aus „psycho-
logischen" Gründen. Heute könnte man fast bereits
sagen: „Ich gab einem Armen 50 Heller, denn ich
fühlte es, daß mir mein Nachtmahl dann besser
mimden würde und ich es leichter verdauen könnte — ."
„Seelische Angelegenheiten" beginnen zugleich
„physiologisch" aufgefaßt zu werden, also eine orga-
nische Verbindimg von Selbstlosigkeit xmd Ichis-
mus. Je mehr ich meinen Körper entwickle und
schone, desto mehr kann ich seelisch für andere
leisten! Ich bin von mir befreit! Für andere!
Liebenswürdigkeit, Menschenfreimdlichkeit ist Sache
des Verdauungsapparats.
Mörder müssen Blähungen haben. Man kann
nämlich auch unscheinbar morden; es muß nicht
immer Messer und Kugel sein. Auch Worte können
morden imd jegliche Ungezogenheit! Frauen müß-
ten daher besonders vorsichtig sein in bezug auf ihren
4 49
gesamten Verdauungsapparat. Sie können leicht
„seelisch morden", wenn sie unverdauliches Zeug
essen, das sie belästigt und beschwert. Ich will
von einer der wichtigsten Sphären im „physiologi-
schen Organismus" gar nichts auch nur andeuten,
in der man entweder zum „Übermenschen" oder
zum „Mandrill" wird! Aber der kommende Reli-
gionsstifter wird die Verbrechen, die „Höllen",
ausschließlich in der „physiologischen" Sphäre
erkennen, wenn auch der „Alkoholgenuß" nur selbst-
verständlich den Prügelknaben vorstellt, der
blöderweise für alle anderen Sünden herhalten soll !
„Falscher Ehrgeiz" zum Beispiel ist ein „physio-
logischer" Mörder in uns, ein Krebs der Seele,
eigentlich aber des Leibes ! Die Würmer werden mich
fressen, früher aber muß ich noch Baron werden ! Sie
sollen einen Baron also annagen ! Man verlästert immer
die Dekadenz. Aber wann werden die Menschen end-
lich nicht mehr essen, als sie benötigen, nicht mehr
trinken, als sie benötigen?!? Bis sie es nicht
mehr vertragen vor Schwäche! Dadurch aber
werden sie dann allmählich wieder ganz stark
werden !
Das ist der Werdegang! Zuerst völlern, auf
seine überschüssigen Kräfte hin! Dann spar-
sam leben, wegen seiner unterschüssigen
Lebenskräfte. Und dann infolgedessen gesunden,
reich werden und es bleiben! Dekadenz ist der
organische Übergang zur Aszendenz! Zuerst
vergeuden die Menschen ihre Kräfte, weil sie
zu viel davon haben. Dann sparen sie damit,
weil sie zu wenig haben. Und schließlich haben
50
sie wieder angesammelt und sparen wegen
schlimmer Erfahrungen! Es gibt keinen anderen
Weg!
Es wäre denn, daß ein „physiologischer" Religions-
stifter die persönliche Macht ausübte, daß .die
Verschwender an Lebenskräften zu sparen be-
gännen, ehe es unbedingt notwendig wäre! Dann
könnte er „gottähnliche Menschen" züchten auf
Erden! „Erkenntnisse aus Not" sind eigentlich den-
noch lächerlich, sie haben keine „Verführungskraft".
„Erkenntnisse" aus „Erkenntnis" allein haben Trieb-
kraft. Sie zeitigen Blüten und Früchte am Baume der
Erkenntnis ! Der ganze mögliche Fortschritt also : E r-
kenntnisse haben und sie durchsetzen, ohne
„physiologisch" dazu bereits genötigt zu sein!
Zum Beispiel also, Krankenkost essen, ohne es
nötig zu haben, keusch leben, ohne es nötig zu
haben, zehn Stunden schlafen, ohne es nötig zu
haben! Mit diesem gewonnenen Überschuß an
Lebenskräften es versuchen, ein „höherer, besserer
Mensch" zu werden!
4*
cc
cc
LEBENSBILD
Die fünfjährige Marie Ch. mußte um 6 Uhr
morgens, bei lo Grad Kälte, nur mit einem Hemd
bekleidet, den Fußboden des Vorhauses reiben. Ein
Adeliger, ein Geschäftsmann wollte ich sagen, der
zufällig in das Haus trat, machte die polizeiliche
Anzeige. Alle ämüichen Bewohner des weiten alten
Hauses atmeten auf. Sie selbst hätten sich vor der
Furie von Mutter nicht getraut, es zu tun.
Der Richter zu der Mutter: „ und was ist
es mit den blutigen Striemen auf dem Leibe dieses
schwächhchen todbleichen Geschöpfes?!
„Dös Menscherl hat eh zu viel Blut
Der Richter war empört und verurteilte sie zu
8 Tagen. Nach diesen acht Tagen wird sie also
jedenfalls das „vollblütige Menscherl" nicht mehr
den Boden des Vorhauses reiben lassen, da dort
„Adelige" vorbeigehen und die Anzeige machen
könnten. Im trauten Gemache, einen Knebel im
Munde, gibt es verschwiegenere Martern für irgend
etwas. Nun hat aber höchstwahrscheinlich diese
„Mutter" eine Entschuldigimg. Denn sie nahm das
Miderl von Bauersleuten weg am Lande, die es zwar
sehr fürsorgUch behandelten, aber immerhin 6 bis
10 Kronen monatlich erhielten. Grund genug, ein
Kind als „unerträgliche Last" zu empfinden für durch
Armut in einem ununterbrochenen Zustande von
„reizbarer Schwäche" befindhche Nervensysteme.
Grauen befällt den Allweisen erst in dem gar
nicht seltenen Falle, wo Pflegeeltern ein abgöttisch
geüebtes, edel gehegtes Kindchen ohne einen Kreuzer
52
Entschädigung ä tout prix behalten wollen, und die
„Eltern" es nicht gestatten, sondern es nach
Hause nehmen, um es der gerechten Strafe, geboren
worden zu sein, unter unermeßlichen Qualen zu unter-
ziehen, bis der Frevel seiner Geburt mit dem Tode
gesühnt ist!
Richter : „Ihr Kind hat es doch dort so gut gehabt,
und Sie selbst haben in zwei engen Stuben acht
Kinder zu ernähren?!"
„Wo acht hungern, kann das neunte auch mit-
hungem, soll sie's besser haben als mir, warum?!"
Richter: „Der Bauer, der Ziehvater, hat erklärt,
er setze es zur Erbin ein — ."
„Nix, dös Kind g'hört zu seine Eltern, zu seine
Geschwister ."
Das Kind wurde später zu Tode gemartert.
Ich stelle einen einfachen logischen Gesetzes-
antrag: „Kinder, die nachweislich es bei Zieheltern,
die keinerlei Entschädigung dafür verlangen,
gut haben, dürfen den Eltern, falls sie in bedrängten
Verhältnissen leben, unter keiner Bedingung
wieder ausgefolgt werden!"
53
LEBENSBILDER AUS DER TIERWELT
Ich habe mit Begeisterung diese Hefte angesehen,
gelesen. Es ist endhch die Natur „aus erster Hand",
unverfälscht durch den Künstler, der sich seit Jahr-
hunderten verbrecherischerweise zwischen Gott
und die Urromantik des Seins drängt, ein zwar not-
wendiger, aber für unsereinen überflüssiger Ver-
mittler und Erklärer der Schätze des Daseins! Wir
sind selbst „Künstlermenschen" geworden!
Dieser„Hochzeitstag"z.B. der Eber im dunklen
alten Forste; ja, weshalb hat bis heute keiner von
den protokollierten „Landschaftern" so etwas ge-
malt?!? Diese schwarzen Ungetüme, in Liebe auf-
gelöst, einer auf den anderen getürmt; die anderen
schauen dumm zu, und der Forst ist voll riesiger
schwarzer Stämme. Solche Dinge bringt heutzutage
die „Kamera" fertig und beschämt den Maler, der den
Eber „mit seinem Auge", also falschsieht! Der Ja-
paner allein bemühte sich, der Natur mit unsäglichem
Fleiße nahezukommen, beizukommen. Aber bei uns
steht immer der Größenwahn des „Mensct;en" der
einfachen schönen Wahrheit heimtückisch hin-
derlich im Wege! Der Maler bringt überall „seine
Seele" hinein, für diejenigen, die nicht einmal ,,ihre
eigene dumme Seele" besitzen! Aber Gottes Seele,
die aus jeglichem ausstrahlt, muß endlich ohne
Vermittlung dieses Hofmeisters „Künstler" erfaßt
werden können ! Wer eine Frau erst als wertvoll, als
mysteriös, als Verhängnis empfinden, sehen, erfassen
könnte, bis der geniale Maler ihre Werte gemalt,
der Dichter ihre Werte besungen hätte, dem, dem
54
wird sie ihr Leben lang nur ein „unenträtselbares
Sexualtierchen" bleiben ! Der Künstier ist ein Lehrer
und Vermittler, und solange man seiner bedarf und
er als wertvoll erscheint, ist man nur ein „Schüler
des Lebens", ein nicht schauen und hören Könnender,
in Gottes All hinein, ein Menschlein, fem dem Herzen
tmd Gehirne, das in der Natur überall geheimnisvoll
verborgen liegt, auf daß erst der zum wirkHchen
Leben „Ausgereifte" es genießen dürfe auf seinem
Weg zum Heile, zur GottähnHchkeit! Den anderen
ist es wohlweislich verschlossen, und man schickt diese
„Babies" in die „Lebensschule" zum Herrn Lehrer
„Künstler", der ihnen primitiver weisedie Anfangs-
gründe beibringen soll, mit leichtfaßlichen Beispielen,
„Ktmstwerke" genannt!
Wir aber entnehmen diesen mit der einfachen
„Kamera" aufgenommenen „Lebensbildern aus
der Tierwelt", R. Voigtländers Verlag, Leipzig,
und diesen Texten, die nur klar und einfach berichten
von den Ereignissen des Tierlebens bei Tag und
Nacht und zu jeder Stunde, tmd von den „Homeri-
schen Kämpfen" unter Grashalmen und Gebüschen
verborgen, wir entnehmen ihnen alle Poesien, alle
Romantik, alle Tragödien, alle Rätsel, die es hie-
nieden gibt! Unsere Lehrer sind Gott imd Natur!
Man müßte eigenthch einer gehebten Frau diese in
Lieferungen erscheinenden „Lebensbilder aus der Tier-
welt", R. Voigtländers Verlag, Leipzig, als Geschenk
senden. Denn es ist ein absoluter Prüfstein für ihre
„inneren Werte"; wie sie darauf nämlich reagierte!?
Nun, ich habe das mit einer unbeschreiblich ver-
ehrten Dame getan.
55
Sie schrieb mir zurück: „Lieber Freund, sein's
mir nicht bös, aber dös interessiert mich leider gar
nicht . . /*
Nun, hat es meine Anhänglichkeit an sie aber
zum Schwinden gebracht?!? Keine Spur!
56
BRIEF AN MITZI VON DER „LAMING-
SON-TRUPPE", DÄNIN.
Liebes, liebes Fräulein, Mitzi von der „Laming-
son-Truppe" !
Ich weiß es nicht, wie lange Sie noch in Wien
und hier im „Casino de Paris" bleiben werden, und
eines Tages können Sie fort sein, fort auf Nimmer-
wiedersehen, irgendwohin in die lustige oder traurige
Welt der Künstler, der Artisten, tausend und tau-
send merkwürdigen Schicksalen und Begebenheiten
ausgesetzt !
Mögen Sie es daher wissen, daß ein alter armer
glatzköpfiger uneleganter Dichter Ihnen nachweinen
wird imd Ihre herrliche liebUche wundervolle Persön-
lichkeit gleichsam im Innern seiner Augen aufbe-
wahren wird, lange lange lange Zeit .
Man vergleicht oft junge Mädchen mit schlanken
Rehen im Walde ; aber niemals, niemals hat ein
Vergleich so sehr gestimmt! Sie sind das schlanke
rührende edelbeinige Reh, nicht ahnend, woher der
Schuß eines grausamen Jägers kommen wird im
Waldesfrieden
Ihre lieben lieben, beim Lächeln zusammen-
gezwickten Augen, werde ich nie nie vergessen, nie
Ihre blondbraunen Haare, Ihre aristokratisch-noblen
Glieder, Ihre edelgebogene und dennoch rechtzeitig
abstumpfende Nase, Ihren süßen Mund !
Wenn Sie fort sind, Mitzi, Fräulein Mitzi, wird es
mir sein, wie wenn mir jemand ungeheuer Liebes
gestorben wäre, und ich werde Ihnen nachtrauern
und um Sie besorgt sein!
57
Ihre außergewöhnliche Schönheit, Ihr Leib, der
wie das zarte Gedicht eines Dichters ist, haben mich
tief, tief gerührt; und ich möchte, daß junge, reiche
elegante Männer mit derselben Ehrfurcht vor Ihrer
lieblichen Herrlichkeit sich innerlich verneigen könn-
ten wie ich alter Mann.
Man müßte Sie betreuen und beschützen wie
einen kostbaren lebendigen Gegenstand, man müßte
für Sie sorgen bei Tag und bei Nacht. Mit
liebevollster Fürsorge!
Lächeln Sie nicht, wenn Sie diese Zeilen lesen,
Ihre Härte könnte mich nicht verwunden, nicht
verletzen .
Ich bete zu Gott, daß Sie glücklich werden, Sie
AllerliebUchste ! ! !
Peter Altenberg.
58
APHORISMEN
Ich verstehe unter „Kultur einer Frauen-
seele", einen Mann, dem man sich einmal gewidmet
hat, nicht zu kränken, bevor man nicht aufrichtig-
traurig zu ihm gesprochen hat: ,,Es ist Schluß!"
Eine Frau kann ihr Schlachtopfer „Mannes-
seele" grausam umbringen, wie Krebse in siedendem
Wasser, oder in milder Form, mit einem Schnitt wie
Kälber. Weshalb es ihnen also verzeihen, wenn sie
es grausam tun?!
Grausam bereits ist der „kokette Blick"!!!
Sage also, Kanaille, lieber vorher: „Es ist
Schluss!'*
59
1
TEXTE AUF ANSICHTSKARTEN
Rokoko
In dieser 2Jeit lebten Menschen, die vom Leben
nicht wußten, wie es wirklich und einfach ist!
Sie lebten in einem „falschen Märchenlande" .
Denn das „echte Märchenland" ist die Romantik
des Kartoffelfeldes in einer wirklichen Mond-
nacht! Solange die menschUch-kindischen Herzen
noch nicht reif sind für die ernste „Romantik der
Natur selbst", schaffen sie sich „kindische Spiele-
reien"! Aber diese „Verirrten" waren wenigstens
„Wege -Sucher", die sich nur kindisch ver-
irrten! Das wollen wir ihnen also zugute halten!
Frau E... R
Schaffst du denn Symphonien, weibliches Beet-
hoven-Antlitz ? ! ?
Du bist ein Weib, kannst dich nicht austönen!
Nicht dich erlösen!
Ein Spiegelbild der Welt kannst du nicht sein!
Zur Tagestat zu groß, zur ewigen zu klein!
So bleibst du Weib und kannst 's dennoch nicht
sein ! !
Fräulein Barbara von G.
„Nichts ist gekommen, nichts wird kommen
für meine Seele .
Ichhabegewartet,gewartet, oh, gewartet— •
Die Tage werden daliinschleicheu — •
60
Und umsonst wehen meine aschblonden sei-
denen Haare um mein bleiches Antlitz ."
(2/ Über die Grenzen des All blicktest du sinnend
hinaus ;
Hattest nie Sorge um Hof und Haus!
Leben und Traum vom Leben
plötzlich ist alles aus .
Über die Grenzen des All blickst du noch sinnend
hinaus !
Nach Jahren kommt eine unaussprechliche
Dankbarkeit in ims für die Frau, die wir „un-
glücklich liebten" — — — . Aus Bürgern des
strengen Tages machte sie tms nämlich zu welt-
entrückten Poeten, erschloß uns unseres eigenen
Herzens Tiefen, erhöhte uns zu „inneren tragischen
Helden"! Unsere Tränen gab sie uns, bannte das
leere Lächeln! Sie sei also bedankt und gepriesen !
Schneesturm
O Seele, wie bist du schöner, tiefer, nach Schnee-
stürmen .
Auch du hast sie, gleich der Natur .
Und über beiden liegt noch ein trüber Hauch,
wenn das Gewölk sich schon verzog!
Bloß ein Feld voll Zwiebeln .
Stillt es die Not dessen, der es bebaut.
Stimmt es andächtig den, der es nur als
Künstler beschaut!
6i
Gräber von berühmten Toten sollen uns streng
ermahnen, den Tag und die Stimde wertvoll zu ge-
stalten, da wir noch sind 1
Helle Wolken und schwarze Bäume!
Für Kinder zum Schrecken, Gespenster!
Für Dichter zum Weinen!
Und der gewöhnliche Mensch geht dran gelassen
vorüber, sagt: „Das wäre etwas für Kinder zum
Schrecken, und für Dichter zum Weinen!
Wald im Winter
Ein kleines Mäderl sagte: „Onkel, aber, nicht
wahr, hinten ist die böse Hexe, die die Kinder
stiehlt?!" — Ich sagte: „Natürlich"; und bat den
friede vollen Wald um Entschuldigung .
Gewisse Menschen wollen eben keinen Frieden .
Sie suchen selbst im Walde die böse Hexe, die die
Kinder stiehlt . Sonst hat er für sie gar
keinen Reiz!
Weg im Winter
Geliebter verträumter verschneiter Weg! Ging
ich hier mit Anita?!? Oder träumte ich nur, daß
ich hier mit ihr gehen möchte?! Fußspuren im
Schnee, ihr paßt nicht zu Anitas geliebten Schuhen — .
Hie und da rauschen Schneeklumpen zur Erde.
Wie wenn der Frühling es versuchte, den Winter
bereits abzuschütteln!
62
„Das Betreten der Kulturen ist strengstens
untersagt" ; man wird es dennoch ewig tun!
Betreten, zertreten! —
Zaun, wie machst du die Landschaft melancho-
lisch! Im* Grenzenlosen etwas Abgegrenztes!
(V) Hier ist Friede . Hier weine ich mich aus
über alles. Hier löst sich mein unermeßUches im-
faßbares Leid, das meine Seele verbrennt. Siehe,
hier sind keine Menschen, keine Ansiedlungen. Hier
tropft Schnee leise in Wasserlachen .
Hier suchte sie die ersten Blüten, und fand nichts.
Und ich sagte zu ihr: „Diese gelbgrünen feuchten
Rasenflecke, die der zerrinnende Schnee bloßlegt,
sind schöner als Blumen ." Da sah sie hin und
erkannte!
Hier bleibe stehen mit deiner geliebtesten Freun-
din, und belausche ihr Antlitz ! Fühlt sie
dasselbe wie du, dann kannst du beruhigt mit
ihr weiterschreiten, in die Gelände des Lebens!
Ich suchte eine Frau, die den Schnee wirklich
liebte; und ich fand keine! Sie benützten nur
den Schnee, für ihre Sheerns! —
Junge Ochsen auf der Weide. Einst im Sonnen-
brande, ziehend am allzu schweren Gespanne, könnt
ihr euch nicht mehr der kühlen Weide erinnern.
Aber in eurem traurig -dummen Auge spiegelt
sich alles, und kein Gram geht verloren in der gram-
vollen Welt .
63
Margeritteü im hohen Grase. Alles blüht und
atmet Frieden! Auf dem Boden leben aber und
sterben lautlos hunderttausend Insekten. Nur der
Mensch erhebt seine Stimme imd beklagt sein Schick-
sal. Kann er es ändern ? I Ja. Er kann wenigstens
weinen und schreien. Und falls er es nicht-kann, tun
es für ihn liebevoll die Dichter!
Manche Frauen würden nicht elende „Treue-
brecherinnen", „Ehebrecherinnen" werden, wenn sie
stets imstande wären, an den Schätzen dei: friede-
vollen mysteriösen Natur ihre zerfahrenen Seelen
wieder und immer wieder aufzurichten!
Natur und Frau sollten in gleicher Weise
wirken, uns zu adeligen, all - verstehenden, sanft-
mütigen Weltgeschöpfen zu transformieren ! Einer
Frau diese geniale Aufgabe als süße Pflicht bei-
bringen, heißt: sie glücklich machen!
(^ Sahst du nach dem Gewitterregen den Wald ? ! ?
Alles rastet, blinkt und ist schöner als zuvor .
Siehe, Fraue, auch dubrauchst Gewitterregen!
Portrait d'une jeune femme
„Je suis venue pour donner prenez,
prenez, prenez!!"
C16o de M6rode
Unzerstörbares Antlitz; Zeit und Erlebnis ver-
64
suchen es vergebens, in deinem edlen Erz sich ein*
zugraben 1
Prinzessin Ruprecht von Bayern
„Und dein Antlitz ist die ,Materie gewordene*
Seele selbst!!"
Kronprinzessin
Geboren, einem Kaiser Kinder zu gebären und
zu Fürstlichkeiten zu erziehen im Leben! Aber der
Dichter erschaut in dir dennoch nur die einfache
Vollkommenheit ohne Zweck und Ziel!
Kronprinzessin Maria von Rumänien
Glockenblumen
Umringt bist du von deinen Lieblingsblimien,
hehre Fraue ! Aber du blickst imd stehst nicht in
Frühlingsfroheit, sondern ermüdet imd enttäuscht.
Vier aUerherrlichsten Kindern gabst du das Leben,
deine eigenen Kräfte, behieltest dennoch deine
heilige Mädchengestalt bei! Das Altem hat
dich nicht verändern können; deshalb bückst du
erstaunt und wehmütig!!! Du gabst imd gabst
und kannst noch immer geben imd um Dich herum
altert die alltägliche Welt !
Kaiserin Elisabeth von Österreich, Königin
von Ungarn
Wohin, träumerische Fraue, wandertest du, rast-
los?!?
— «Weg von der Lüge!"
• 65
Kaiserin Elisabeth
Gott erschuf dich in Seiner tiefsten künstle-
rischen Liebe: zuerst, in der Jugend, wie man sich
auszudrücken pflegt, ein wildes Füllen in Berg und
Tal, mit wirren Locken; und späterhin alle Leiden
tragend von enttäuschten Dichtem; das innere
ewige Klagen, und das Erschauen, daß Gottes
Reich noch nicht gekommen sei für Seinesgleichen.
Kaiserin-Elisabeth- Denkmal
Ich hätte dich umringt mit dimklen Legföhren,
Rhododendronbüschen, Edelweiß, Speik, und allen
Blüten der Bergalmen I
Ich hätte die Tiere der freien Berglüfte in sil-
bernen Käfigen um dich herum gesteUt .
Bergdohle und Murmeltier.
Aber man stellte dich in einen Garten, gepflegt
und gehegt, und wider die freie heilige Natur!!!
Manöver: Feld -Telephon und Fernrohr
„Fem von der Schlacht, und dennoch mitten
drinnen! So wie die Dichter!"
Mein Lebensleitmotiv:
„Nie über einen Graben springen, eine Hürde,
wenn man nicht ganz gesichert ist, hinüberzu-
gelangen mit leichter Anmut!"
66
HEILMITTEL
Ich habe in einer .Blumenhandlung in einer
Kristallglaswanne zwei goldene japanische Zwerg-
fische gesehen, mit riesigen durchsichtigen Flossen
und dunklen hervortretenden Augen, mit der Anmut
von modernen Tänzerinnen sich bewegend, und dabei
doch reserviert gelassen ihrem Wärter, Pfleger an
die Glaswand zuschwimmend. Ich begreife es absolut
nicht, wieso reiche Damen sich diesen Schatz der
Natur entgehen lassen können imd sich nicht eine
kleine Herde dieser aUerentzückendsten Tiere an-
schaffen. Einer kostet allerdings i6 Kronen. Der
Boden muß aus kleinen Kieseln bestehen, die jeden
zweiten Tag herausgenommen und in warmem
Wasser gereinigt werden müssen. Die Nahrung ist
ausschließHch das Pulver „Piscidin", das auf die
Wasseroberfläche hingestreut wird. Man kann stun-
denlang vor dieser goldenen Anmutpracht verweilen.
Die Tiere lernen uns baldigst kennen und lieben.
Viele Frauen würden dadurch vor ihren bösen Ge-
danken, bösen Instinkten, und vor allem vor ihrer
gefährlichen inneren Leere und vor Gelangweiltsein
gerettet werden können. Gehet hin, Damen, und
kaufet daher japanische Goldfische!
67
DER NEBENMENSCH
Neunzig Prozent unsrer Lebensenergien raubt uns
die Ungezogenheit, die Taktlosigkeit unseres Neben-
menschen. Jedes falsch angebrachte Wort zerstört
unser zart empfindliches Nervensystem. Nicht Di-
stanzhalten von der Welt des andern, die man ja
doch nicht begreifen kann, mordet die Nerven. Die
unverständliche Welt des andern nicht achtungsvoll
und scheu behandeln, ist eine bodenlose Feigheit.
Es ist, wie wenn man jemandem, der imsäglich an
Migräne litte, sagte, er bilde sich diese Leiden nur
ein! Gläubig sein, ist aristokratisch; bezweifeln,
ironisieren, ist plebejisch ! Durch Gläubigkeit erweitert
man seinen Horizont um den des andern, durch Skep-
tizismus bleibt man ewig in seine eigenen engen
Grenzen eingebannt.
Niemandem wehe tun, falls es nicht unbedingt
notwendig wäre, ist die natürliche Wirkung geistiger
Kultur. Jedermann werde erfrischt, ja erlöst durch
deine Gesellschaft, ja, er suche sie auf, wie das be-
drückte Menschenkind den Beichtstuhl.
Aber unsre Nebenmenschen sind noch Satan,
Jago, Mephistopheles, Franz Moor; selbst zu ewiger
innerer Unruhe verdammt, drängt es sie, auch in
xms nur böse Unruhe zu erzeugen, damit wir ja nicht
besser, nicht vornehmer werden als sie selbst es sein
können. Sie gönnen uns nicht höhere innere Ent-
wicklungen, wollen uns absichtlich degradieren
auf ihr eigenes erreichbares Niveau! Nur der
Dichter erlebt träumend künftige Entwicklungen
gläubigen Herzens, und die, die sich ihm anschließen,
68
tragen jedenfalls diese idealen Möglichkeiten kom-
mender besserer Welten schweigend-demütig bereits
in ihrem Herzen! Der Nebenmensch ist ein Gegen-
mensch. Er will nicht helfen, sondern schädigen.
Wäre er selbst ein Zufriedener, wünschte er nur Zu-
friedenheit zu verbreiten ; als Unzufriedener wünscht
er ims ebenfalls nur Friedlosigkeitl
69
SCHUTZ
Unter Yellowstone-Park versteht man bei uns be-
reits irgendeine wertvolle urwaldartige, mit allen ihren
geheimnisvollen Schätzen an Pflanzen, Tieren, Steinen
und Quellen erfüllte Gegend, die unt^r den Schutz des
Staates gestellt wird, gegen die zerstörende unnach-
sichtige Barbarei der Menschheit. Eine Art von
idealer Menagerie der Natur selbst! Solch einen
Yellowstone-Park wird man mm in der Schweiz im
Scarltal und seinen Nebentälem errichten, um die
kostbaren Alpenpflanzen, um Bär, Luchs, Wild-
katze zu erhalten. Und alles, was da blüht, kreucht
und fleucht. Solche Yellowstone-Parke sollte man
nun auch endlich für Menschenerhaltung errichten,
für exzeptionell herrliche Frauen, für exzeptionell
herrliche Männergehime, die sonst verloren gingen
in den zahlreichen Gefahren ! Oasen für Denker und
Träumer, in der Wüste des Lebens, die versengt, imd
verdorren macht. Oasen für wunderbar schöne Frauen,
zu denen man pilgern dürfte, ihre schmalen schnee-
weißen langen Finger an die Lippen zu drücken und
daran zu genesen, mehr als an Guber-Quelle, Vir-
chow-QueUe, Hofbrunne^ und Königsbrunnen, mehr
als an den Mysterien Gasteins, Kissingens, Franzens-
bads, Karlsbads. Männergehime, die man für die
Menschheit schützen müßte vor dem Zugrundegehen,
Frauenkörper, Frauenseelen, die man für die Mensch-
heit schützen müßte vor dem Vemichtetwerden in
zügellosen Orgien und Egoismen, in Treibjagden auf
Seele und Leib! Yellowstone-Parke müßten ge-
schaffen werden, Reviere, in denen wertvolle Ge-
70
hime, wertvolle Seelen, wertvolle Leiber, geschützt
vor feigen Verfolgungen, die Ideale der Natur reprä-
sentieren könnten für die verkommende Milliarde der
Unzulänglichen !
Ein Mädchen zum Beispiel, zu dem man spräche :
Pflege die Pracht deiner zarten, gebrechlichen,
adeUgen Glieder, deinen Milchteint und deine Beweg-
lichkeiten! Du sollst in einem Tempelchen hausen
imd keinerlei Sorge haben ! Auf daß die andern hin-
pilgerten imd, schamvoll in sich gekehrt, es verr
suchten, dir nachzugeraten ein wenig!
Aber bisher schützt man nur Edelexemplare unter
den Pflanzen und Tieren, ja sogar heiße Springquellen
mit Marmorbecken. Aber Menschen, Menschen
schützt man noch nicht .
71
BRANGÄNE
Ich kenne eine Sache im Leben, die mich am
tiefsten ergreift von allen, die ich erlebt habe. Es
ist in der Stille des nächtUchen Liebesgartens der
Gesang der edlen Wächterin Brangäne. Es ist die
tönend gewordene Selbstlosigkeit, inmitten der nächt-
lichen Liebesgefahren. Es ist die Warnung an die
Allzuirdischen, die in der Melodie des Herzens zugleich
eigentlich von selbst ertönt; es ist die Klage der
tiefsten, echtesten Freundschaft, hineingesungen in
den dunklen Garten. In jedem Menschen sind solche
Gefühle aufgespeichert, besonders in den alten Kinder-
frauen, die man entläßt von ihren Liebhngen, wenn
man sie nicht mehr braucht. Aber sie weinen sich
im stillen aus, alle diese Herz vollen, während bei
Brangäne das Leid imd die edle Sorge um einen
geliebten Menschen helltönend wird, und in die
dunkle, harte, grausame Welt hinaus stöhnt!
Auch unsre alte Bedienerin Luise sang uns ein
unvergeßUches Lied, als sie beim Abschiede mir
xmd meinem Bruder schrieb: „Die sieben Jahre
in Ihren Diensten, meine Herren, waren das Glück
imd der Segen meines ganzen Lebens ." Alle
diese versteckten, edel-tragischen Dinge der dienen-
den Menschenherzen ertönen in Brangänens Gesang.
Alle in der Menschheit bisher leider vergeblich aufge-
stapelten Selbstlosigkeiten und Ergebenheiten wer-
den da zu singender Klage; aber die Menschen der
leidenschaftlich irrigen Stunden vernehmen nichts
davon als ihre eigenen, zum Abgrund führenden
Sündhaftigkeiten, deren Brausen alles übertönt— ^ •
72
DER AFFE PETER
Der große Affe Peter ist wirklich ein Wunder der
Natur. Denn ich bemerkte sogleich zu meinen Freun-
den in meiner Loge, daß dieser Affe unmöglich zum
Radfahren abgerichtet sein könne, sondern daß es
eine Naturanlage sein müsse, und es dem Tiere ein
leidenschaftUches Vergnügen bereite, wie einem Kind
eine geUebte Spielerei, Hutschpferd oder Schaukel,
Direktor Brill bestätigte mir auch diese meine An-
sicht. Die Freudigkeit und Geschicklichkeit des
Tieres, ein junges wunderliebes Mädchen mit dem
Fahrrad zu verfolgen, erregt im Pubhkum Enthu-
siasmus. Man wird jedenfalls viele brave Kinder
hinführen müssen. Dieser Affe könnte unbedingt
die allerschwierigsten Radfahrtricks spielend er-
lernen. Nur sollte von selten des vorführenden Herrn
eine menschUch-freundschaftüchere Beziehung vor-
handen sein, wie sie bisher stets zwischen den Be-
sitzern berühmter Schimpansen, Orangs stattgefim-
den hat, ja direkt rührend zärtliche Anhängüchkeiten,
wie zu edlen Pferden, edlen Hunden. Man braucht
natürUch nicht die verlogene Komödie einer exal-
tierten Freundschaft zu dem Tiere dem Pubhkum
vorzimiachen, aber man muß Zuneigimg spüren
beiderseits. Ein berühmter Affendresseur machte
sich seinerzeit durch seine harte Nervosität, den
Tieren gegenüber, fast unbeUebt, trotz der wimder-
baren Kunststücke. Nicht was er dem Tiere ein-
lernt, sondern was er sonst noch übrig hat an
Liebe und Verständnis, das macht einem den Tier-
dresseur sympathisch. Wie war die Beziehung de?
73
aristokratischen Severus Schaf fer zu seinen Hunden !
Wie ein jagender Landedelmann mit seiner LieblingST
meute! Alle Dresseure müssen etwas von einem
dilettierenden Aristokraten an sich haben. So ritt
Direktor Schumann seine Pferde, nonchalant-vor-
nehm-liebenswürdig. Ich glaube, daß er seine Pferde
nie schlagen konnte. Oder wenigstens sah er danach
aus. Mit einem der Menschenaffen wie Peter aber
muß ein tiefes freundschaftliches echtes Verhältnis
entstehen. Er speist nach der Vorstellung im Res-
taurant wie ein wohlerzogener Mensch, Er gab mir
die Hand, wollte sie sogar zart an seine Lippen
drücken. Bei solchen Tieren spürt man es, daß man
sie nur mit äußerster Zärtlichkeit und selten ange-
wandter gerechter Strenge zu ihren eigenen erreich-
baren Höhen bringen könne. Die wunderbare Schim-
pansin Maja im Tiergarten, 1896, haßte jede Dame,
die in meiner GeseUschaft oder gar in mich einge-
hängt ihr Zimmerchen betrat, und drängte sie weg,
umarmte mich absichtlich stürmisch und liebevoll.
Ich glaube, es war das einzige weibliche Wesen, das
an mir ernstlich Gefallen fand. Für edle Tiere ge-
hört vielleicht em Phüosoph mit einem tiefen Her-
zen ! Frauen geben es billiger und machen sich nichts
daraus. Und Die, die sich wirklich etwas daraus
machen, sind eben ganz so wie edle gutmütige Tiere,
siehe A. R.
74
UNGEZIEFER
Alle hatten sie gern, sie amüsierte, und war anders
wie die meisten. Dg.her nützte man sie aus.
Von Tag zu Tag sah sie schlechter aus, wie eine
Besiegte in der Schlacht des Lebens, die sich ver-
wundet wegschleicht, hinter einem Busche zu kre-
pieren .
Da sagte der Dichter: „Nun, können Sie es mir
nicht klagen?!"
„Ich wohne, bitte, in einem Zimmer, wo Wanzen
sind. Man erträgt alles tagsüber von den Menschen,
und nachts benehmen sich die Wanzen ebenso scham-
los-feig und stören uns • Da bricht man halt
zusammen."
Der Dichter machte eine Kollekte, steuerte aber
selbst vorsichtig ein Paket Insektenpulver bei.
Er sagte: „Für diese Tiere gibt es Mittel; aber
für die Menschenwanzen gibt es keine. Ihre
Nachtruhe ist nunmehr gesichert, Fräulein; aber
Tagesruhe gibt es nicht. Da sind die Menschen-
wanzen unausrottbar an der Arbeit!"
75
MUTTER UND TOCHTER
Ich sah eine Mutter tief verzweifelt, daß ihr ge-
liebtes Töchterchen keine „gute Partie" machen
wollte .
Sie zankte mit ihr, aber in ihrem Innersten hatte
sie dennoch Rührung und Anerkennung.
Sie sagte zu ihr: „Das Leben ist nun einmal so,
ich habe es auch einst auf mich nehmen müssen,
meine Liebe, ."
Die Tochter bückte die Mutter schief und bitter-
böse an.
Dann heiratete sie aber doch endüch einen reichen
Mann, der sie betreute und beschützte.
Da sagte sie zu der Mutter: „Ich hatte einst
falsche Vorstellungen, Ideale. Ich bin nun ganz
glücklich und zufrieden — ."
Da blickte die Mutter ihre Tochter schief und
bitterböse an *
76
DER DICHTER
Du sagst mir, ich hätte so viele ewige Quellen der
Begeisterung. Überall, auf allen Wegen blühe es
doch auf, für mich Gesalbten ! ? !
Und gerade du sagst mir das kalt, die mir eben alle
diese Wege verstellt, verrammelt hat?!?
Gerade du, die sich fast heimtückisch an Stelle
setzte aller Weltenprächte ? ! Durch deine eigene
Pracht?!?
Du schlössest mir, Geliebteste, die Pforten ; und nun
verlangst du, ich solle wieder hingehn in das weite
Land, woraus dein Zauber mich gerade verstoßen
und vertrieben hat?!? Die Welt besingen, die für
mich gestorben ist durch dich?! Auf deiner edlen
Stime prangt mm die Weltenpracht,
von deiner Stimme tönen die Weltenmelodien,
du selbst vertriebst mich aus dem Paradies der
Weltenschönheit durch deine eigene!
Um mich nun aufzufordern, dahin zurückzukehren,
woher ich stammte, fingst du mich also schnöde ein,
jetzt, da ich Pfad und Mut und Kraft verloren
hab' zimi Wandern ! ? Teufeline !
So nehm' ich Abschied denn von dem und jenem
Wege,
da du die Flügel mir beschnitten hast zu dem und
jenem Pfad .
Leb' wohl, geliebte Frau,
du botest mir statt Weltenpracht die eigene
ich zürn' dir nicht, daß du mich nun entläßt in eine
Welt, die erst durch dich, und nur durch dich, mir
leer geworden ist !
77
HYSTERIE
Sie stand hoch über allen anderen Frauen, die
„wie in düsteren Nebeln dahintorkeln, schick-
salstrunken und irre!" Sie aber, die Neunzehn-
jährige, ging dahin bereits im Lichte der Wahrhaftig-
keiten und hatte es gelernt, an ihren bittersten
Tränen mehr zu lernen, als an den flachen Freu-
digkeiten! Ihr Arzt hatte ihr die „Eitelkeit"
exstirpiert, diesen „Krebs der Frauenseele", der
alles, alles Bessere ihr wegfrißt. Bescheidenheit ist
Göttlichkeit. Er hatte sie gelehrt, ein getreuer edler
Hund zu sein! Sie hätte bei einer berühmten eng-
lischen „Schau", um den berühmten „cup", unbedingt
den ersten Preis erhalten für „getreueste Hunde-
seele"! Sie konnte blicken wie ein „Leonberger",
abstammend vom ersten „Bary", so ganz tief-
traurig. Ihre Intelligenz war Hcht, tief und einfach.
Sie war weder häßlich noch hübsch, aber manches-
mal sah sie verklärt aus, entrückt, und ein Dichter
würde in solchen Momenten über ihren rotgoldenen
Haaren einen Heiligenschein erblickt haben! Jeden-
falls fehlte wenig dazu.
Aber die Damen der Gesellschaft sagten über sie :
„Schade um das junge Geschöpf, sie hat gute An-
lagen, aber sie gehört in eine ,feste Hand*, sie stellt
sich das Leben noch anders vor, als es ist ; wir leben
nicht in ,Wolkenkuckucksheim', sondern, bitte, auf
der Erde!"
Über ihrem Bette, an einer wunderbaren japa-
nischen Matte hingen in schweren Mahagonirahmen
die Photographien von Beethoven, Wagner, Maeter-
78
linck, Bismarck, diesem Deutschland gründenden
Realidealisten. Da blickte sie denn oft vor dem
Einschlafen hinauf zu ihren Helden imd dankte ihnen
herzinnigst für alles, was sie ihr mitgegeben hatten in
die strengen Tage des Lebens. Und daß sie gekämpft
und gelitten hatten eigentUch für sie!
Eines Tages erhielt sie Besuch von einer Dame.
„Sind das Ihre Götter?!?" sagte die Dame.
„Es sind meine Erzieher! Ich befinde mich hier
in ,fester Hand*, man läßt mir nichts durchpassieren,
was nicht menschlich ist!"
Die Dame dachte beim Weggehen: „Es ist
schade um das jtmge Geschöpf, ich wollte für meinen
geliebten Sohn um ihre Hand anhalten, aber es gäbe
unter solchen Umständen nur ein Unglück ."
So blieb sie denn allein ! Allein ? ! ? Mit allen Ge-
treuen, den Denkern und Idealisten, lebte sie in
„Gemeinschaft", und niemals, niemals während
ihres ganzen wahrheitsvollen Lebens beneidete
sie die, die doch nur angeblich „glücklich und
zufrieden" waren .
79
WEIHNACHTEN
Er versenkte sich ganz in ihr Wunschleben, in
diese Träumereien von unerfüllten kleinen Reali-
täten. Nie äußert man es, außer durch ein imaufhalt-
' sames Verweilen vor Schaufenstern oder in Geschäfts-
läden, durch einen fast hysterisch-melancholischen
BUck auf den geliebten Gegenstand, oder durch die
schüchterne beklommene Frage, was er koste ? ! So
erstand er denn für sie eine japanische Bettwand-
matte, strohgelbes Geflecht mit braunen und rost-
roten eingewebten Flecken. Femer einen bosnischen
handgewebten Blusenstoff, kornblumenblau mit ma-
lachitgrünen Fäden. Femer einen großen franzö-
sischen Parfümzerstäuber aus Nickel, für Menthol-
Franzbranntwein; ein kaltes Bad, ohne zu baden,
wenn man den ganzen Leib danüt anstäubt! Femer
eine Zigarettenschachtel aus sibirischer Birke, vier-
eckiges Format, für fünfundzwanzig Zigaretten In-
halt. Femer eine Schachtel Schreibfedem und zehn
riesig dicke chinesische Rohrfederstiele dazu, feder-
leichte. Und viele andere erfüllbare Träume ihres
Daseins. Er schuf einen Einklang seiner eigenen
Welt imd der ihren. Er schenkte ihr nur das, was
in gleicher Weise sie erfreute, es zu bekommen, ihn
erfreute, es zu geben! Es war also ein Akkord ver-
doppelten Genießens! Und dann schrieb er: „In
Deinem Namen zwanzig Kronen gespendet der Kin-
derschutz- und Rettimgsgesellschaft für die miß-
handelte zwölfjährige Maria B." Da fühlte sie:
„Siehe, wir haben einen vollständigen Famihen-
weihnachtsabend — ."
80
DER TAG DfeS REICHTUMS
Ich wollte einmal einen halben Tag lang das
Leben eines Reichen erleben. Ich ließ mich von einer
reizenden Frau und ihrem Gatten in ihrem Merc^dÄs
vom Hause aus abholen. Ich fuhr zu meinem Raseur,
Teinfaltstraße, mich verjüngen zu lassen, besonders
mit der Menthol-Franzbranntwein-Spritze auf den
Kopf. Ein Ersatz für jedes kalte Bad! Pann fuhren
wir nach Baden. Dort badeten wir in den Kurhaus-
wannenbädem, vienmdzwanzig Grad Celsius. Dann
ließen wir uns kühle Hotelzimmer aufsperren imd
schliefen eine halbe Stunde lang. Dann aßen wir
Solospargel, Hirn en fricass6. Dann fuhren wir
weiter, nach Heiligenkreuz. In kühler Halle tranken
wir duftenden Tee mit Zitrone. Abends zurück, in
eiliger Fahrt.
Die Wiesen dufteten, und die Wälder standen
schwarz und unbewegUch-melancholisch unter dem
Abendhimmel, der leise leuchtete.
In Wien verabschiedete ich mich.
Im Caf6 Ritz fand ich jene junge Dame, die schon
lange meine Augen beglückte. Braunes Haar, blauer
Strohhut, Stumpfnase. Ich wollte den Tag feierlich
beschließen. Ich sandte ihr drei wunderbare ganz
dunkle Rosen und einen Eierpunsch, dieses Lieblings-
getränk der meisten solchen Damen. Sie nahm es
huldvollst an, ausnahmsweise.
Sie kam an meinen Tisch imd sagte:
„Macht es Ihnen wirkUch eine so große Freude,
mir Aufmerksamkeiten zu erweisen?!?"
»Ja, gewiß, sonst täte ich es ja nicht!"
6 8i
,,Also, dann brauche ich ja nicht dankbar dafür
zu sein !?"
„Nein, keineswegs. Sondern ich Ihnen!"
Das war der Tag des Reichtums .
8a
so SOLLTE ES IMMER SEIN
Ein Herr trat auf mich zu im Caf6 und sagte:
„Ich bin ein fanatischer Verehrer von Ihnen."
„Bitte sehr", sagte ich. „Da werden Sie vielleicht
gern einen edlen Champagner zahlen?!?"
„Mit allergrößter Freude."
Wir tranken drei Flaschen G. und H. Munrni,
extra dry, süß.
Es wurde sieben Uhr morgens. Ich ging ins Zen-
tralbad, 27 Grad, Porzellanwanne. In der Kassa
saß eine junge Dame mit edelzarten Händen. Ich
sagte ihr mit meinen Augen: „Süßeste Kassierin — "
Und: „Man sollte dich miterstehen dürfen ."
Dann frühstückte ich in einer Charcüterie : kalten
geräucherten Stör aus der Wolga, das Deka 12 Heller.
Crevettes aus Ostende. Grüne große Oliven aus
Spanien, zehn Stück 60 Heller. Prager Schinken,
das Deka 6 Heller, 90 Heller. Zwei Bananen, gold-
gelb-schwarz gefleckt, aus Afrika, das Stück 30 Heller,
60 Heller.
Dann kaufte ich mir eine blaue phototypierte An-
sichtskarte: „Weg, am See entlang." In einer
Winterlandschaft.
Ich dachte sie mir eingerahmt in einem fünf
Zentimeter breiten Eschenholzrahmen.
Ich kam infolge dieser Träumereien um halb zehn
Uhr morgens nach Hause. Da sagte das junge Haus-
meistermädchen, die mich zum Aufzuge führte, zu
mir: „Herr Altenberg haben gewiß wieder heute
nacht umgeschmissen ."
6* 83
„Jawohl," sagte ich, „die Weltordnung der Phi-
lister!"
Sie dachte: „Nun, er hat 40 Heller bezahlt für
den Aufzug, obzwar es im Zins bereits schon mit-
eingerechnet ist : /
cc
84
INSCHRIFT
auf der Photographie eines Mädchens
aus gutem Bürgerhause :
Adelige schmale Hände hast du, adelige Füße
und Zehen, müde edle Anmut ist in deinem Gehen
und Sitzen und Kauern, und deines biegsamen Leibes
eidechsenschlanke Linien sind wunderbar« Yolanthe
Maria!
Aber zum Zu-Grunde-gehen, zum langsamen,
armseligen, bist du bestimmt! Zum Verfaulen bei
lebendigem Leibe!
Denn sicher willst du gehen, Unsichere!
Auf geebnetem Pfade willst du'Gipfel er-
klimmen?!?
Schamlose, Feige! Willst du Lord B3n"ons
edlen Feueratem spüren, mußt du bereit sein,
eyentuell dich zu versengen!
Willst du finden können, so mußt du suchen
können, gleiten und stürzen können!
Auf geebnetem Pfade kommt nur Herr Kohn
daher, reicht dir die Hand, daß du nicht „f alles t^M
85
TOPE
Ich dichte hie und da auch Toiletten. Immer nur
für eine einzige Dame. Sie ist natürlich lang und ganz
schlank, wie ein Marathonsieger, hat eine Stumpf-
nase, Gott sei Dank großen Mund und starke Lippen,
hechtgraue Augen, rotbraune Haare und anliegende
papierdünne, edelgemuschelte Ohren. Hände und
Füße sind lang-schmal. Sie sieht aus wie eine junge
slowakische Bäuerin, an der der adelige Gutsherr
mitgearbeitet hat.
Ich entwarf die Toilette Tope (Der Maulwurf):
Ein seidendünner maulwurfgrauer Samt (Pan), die
Bluse ohne Naht, nur wie ein zusammengelegtes
Tuch, aber lang. Ein Gürtel, riesig breit, aus dunkel-
grauen und weißen Glasperlen, riesige Schließe aus
oxydiertem grauen Silber. Riesige kugelige graue
Perlmutterknöpfe. Der Rock vollkonunen bis hinab
zum Zuknöpfen, mit denselben Riesenknöpfen. Grauer
Sombrero mit grauem breiten Lederband und weißer,
an der rechten Seite herabwallender Straußfeder.
Grauer Seidenschirm mit grauem dicken Perlmutter-
griff. Grauseidene Strümpfe, graue Antilopenhand-
schuhe, graue Schuhe aus mattem dünnem Leder.
Ich sagte zu der Dame: „Machen wir zusammen
ein Gedicht — ."
„?I?"
„Ich komponiere eine Toilette, imd Sie tragen sie.
Das ist das schönste Gedicht!"
86
BEKANNTSCHAFT
Er sah sie zum erstenmal. Sie sah aus wie eine
riesig hohe, schlanke, aschblonde russische Studentin,
nur sehr müde von ungekämpften Kämpfen. Ein
Königgrätz ohne Schlachtendonner. Tief verwundet
ohne Bleigeschoß. Das Sein an und für sich besiegte
sie. Das bloße Sein des Tages und der Stunde. Was
sich jeweilig ergab, ereignete, verletzte, kränkte sie.
Sahst du Fische aus dem Gebirgswasser in Wasser-
bottichen ? ! In ihrem starren Gesichtsausdruck, wie
eh und je, sucht man ihr Leiden zu erspähen, und
findet nichts und findet dennoch alles I Er sagte :
„Gehen Sie nicht in wohlgepflegte Gärten, gehen
Sie in offene Felder, wo niemand etwas Besonderes
findet; fem dem Getriebe. Gehen Sie spazieren,
wo niemand spazieren geht, so zwischen brauner
Erd' und blauem Himmel!"
Und sie sagte: „Man verwehrt es mir!"
„Kaufen Sie sich einen getreuen schwarzen Pudel,
dem Sie manches Opfer bringen i^önnen an Zeit und
Güte ."
„Man verwehrt es mir .**
Er schwieg.
Und sie: „Weshalb raten Sie mir nicht, ich solle
mich an einen Menschen klammem, anklammem ? !"
„An einen Menschen ! Ja. Aber ich kenne keinen !
Die Tiefe der Natur, die Treue des Pudels, die kenne
ich! Aber einen Menschen für Sie, den kenn' ich
nicht r."
Und später sagte sie: „Sie haben sich geirrt!
Denn ich fand einen, der mich einsam meine Wege
87
wandern ließ, zwischen brauner Erd' und blauem
Himmel, und der mir einen schwarzen Pudel kaufte
und getreulich stets beiseite stand ."
Er blickte sie tief freundschaftlich an .
Da sagte sie: „Vielleicht verdanke ich es Ihnen,
daß ich mir einen suchte, der so war !?"
Dann neigte sie sich tief zu seiner Hand und
küßte sie .
Und dann kam der edle Jüngling, den sie erwählt
hatte, und küßte sie auf ihre melancholische Stirn — •
Und er sagte zu dem Dichter:
„Ich folgte nur Ihrem Rate, Ihrer Weisung,
danke .Es hat mir eine Seele gewonnen!"
Da wandte sich der Dichter entrüstet und tief
verzweifelt ab.
Denn von Gott müssen solche Erkenntnisse
direkt in unsere Herzen kommen, da die Wirkung
sonst nicht von Dauer ist und unheilig 1
88
EIFERSUCHT
Sie war sehr, sehr krank. — Der Arzt verordnete
einen halben Liter heiße Zitronenlimonade, ein
wollenes Tuch um den Kopf mid stmidenlang
schwitzen.
Sie war aber arm, und die Quartiersfrau, bei der
sie wohnte, konnte ihr nur eine dünne Bettdecke
geben. Da sandte ihr der Dichter seine grünrote
Flanelldecke, die er selbst benötigte, und sein Freund,
der Baron, sandte eine Pelzdecke aus selbstgeschos-
senen Wildkatzenfellen, die er gar nicht gebrauchte.
Als nun der Dichter sie besuchte, fand er die
Pelzdecke direkt auf ihrem heißen, glühenden Leibe
liegen, die Flanelldecke dagegen zuoberst. Er sagte
es ihr sogleich ziemlich brutal, daß er dieses für einen
„Treubruch" halte, wenn auch in den ersten Anfangs-
stadien.
Sie erwiderte: „Ich wollte deine Decke streicheln
können, immer und immer mit meinen zärtlichen
Fingern. Deshalb gab ich sie zuoberst. „Du Fal-
sche ! " sagte der Dichter und ging zürnend weg.
Später kam der Arzt und sagte: „Ich würde
Ihnen vorschlagen, Fräulein, die schwere Pelzdecke
zuunterst zu legen, und die leichtere Flanelldecke
oben darauf; es ist zweckmäßiger!" *
„Nein," sagte sie, „das tue ich nicht." Als sie
endlich gesund war, sagte der Arzt von ihr: „Die
Hysterie solcher Patientinnen erschwert den Hei-
lungsprozeß ganz besonders. Selbst in nichtigen
Kleinigkeiten müssen sie ihren lächerlichen eigen^
sinnigen Willen diurchsetzen. — "
89
I
GOETHE
Ein ungeheuer wichtiger und daher ganz unbe-
kannter Ausspruch Goethes:
„Man könnte erzogene Kinder gebären.
Wenn die Eltern erzogen wären!"
Dieser Satz allein ersetzt in der Entwicklungslehre
ganze Bände und Studien. Deshalb erwünschen sich
auch die meisten ungezogenen, eigenwilligen, herz-
losen, dumm lebenslustigen Frauen unbewußt keine
Kinder. Sie haben wenigstens davor Achtung, diesen
unglückseligen Nachkommen nicht ihre eigenen Un-
gezogenheiten und Lebenshärten mitvererben zu
wollen auf dem schon ohnedies genug schweren
Lebenswege — •
90
DIE PFLEGESCHWESTER ROSA
SCHWEDA
Ich habe viel erlebt und erlitten, natürlich, in
meinem Pflegerinnenberufe. Aber die Nacht des
5. März als Pflegerin des Peter Altenberg war die
schrecklichste und merkwürdigste. Am Tage vorher
hatte ich sein Buch „Bilderbogen des kleinen Lebens"
gekauft und gelesen.
Nun sah ich ihn da liegen, ganz verwahrlost,
von Leiden zerfressen. Ich fühlte es, daß er über
seinen eigenen Untergang tief verzweifelt sei. Sein
Idealismus war imtergegangen, und es blieb die
Ruine übrig. — Ich bemitleidete ihn nicht, sondern
die vielen, vielen, denen so die Früchte seines
Geistes, seines großen Herzens entgehen sollten. —
Ich hatte die Empfindung: „Hund, du darfst
noch nicht verrecken, du hast uns Ärmsten noch
manches zu spenden, du hast uns noch aufzuklären,
hast uns sogar besser zu machen ! Was schleichst du dich
fort, Sünder, ehe du alles für ims ausgesprochen hast ? !"
So schändlich egoistisch dachte ich über diesen
sich windenden Wurm in diesen schreckUchen bangen
Nachtstunden. Ich richtete ihm die Polster, wischte
ihm den Angstschweiß ab, aber es geschah in einer
verbissenen Bitterkeit gegen ihn! Den Helfer!
Wer, wer hätte sich denn gesund imd ewig lebendig
erhalten müssen als er ? Und indem ich an die Werke
dachte, die er uns vorenthielt, pflegte ich mit
Widerwillen einen unglückseligen Kranken, der zum
vorzeitigen Sichfortschleichen aus der Welt gar nicht
das Recht hatte uns gegenüber .
91
GESCHWISTER
Meine Schwester, Sektionsrätin M., besuchte mich,
und sagte an meinem Krankenlager: ,iDvi, diese so
überaus wirksame Schlammbadkur in Bad X. wurde
vollkommen um den Effekt gebracht durch einen
merkwürdigen und schrecklichen Umstand, der meine
Nerven einfach ermordete. Denke dir, dort stopft
man noch die Gänse, diese allerunglücklichsten Ge-
schöpfe einer ohnedies schon genug furchtbaren und
unerbittlichen Welt! In dunklen Kellern, in den
glühheißen Augustnächten, hocken diese Unglück-
seligen in absichtlich zu eng gemachten Holzkäfigen,
werden Tag und Nacht gewaltsam gefüttert, und
es wird ihnen durch all diese grausigen Wochen
hindurch das Trinken von Wasser verwehrt! Das
entsetzliche Schicksal dieser Unglückseligen in den
unterirdischen Folterzellen hat mich den Ort zu
fliehen gezwungen. Mein Töchterchen Hilde, die
die ganze Sache entdeckt hatte, ging täglich oftmals
insgeheim mit einer Kindergießkanne in die Folter-
kammer, und goß den gemarterten Gefangenen
Wasser in die weit aufgesperrten Schnäbel. Die
wunderschöne junge Slowakin Viktora aber lachte
dazu aus vollem Halse, als sie das Samariterwerk sah, ^
und sagte : „Fräulein Hilde, wird sie auch eingesperrt
werden so, wenn Frau sie erwischt ?" Aber
unsere französische Gouvernante H^lÄne sagte: „Ma-
dame, en Suisse cela ne se fait pas, on ne connait
pas ces mart3n:s infames —."
Ich erwiderte meiner Schwester: „Ich bin ganz,
ganz erstaunt über deinen Bericht. Gerade von dir,
92
meiner Schwester, die ich jahrelang nicht sehe und
spreche! Welcher merkwürdige Zusammenhang der
Nerven ! Gerade vor einem Jahre schrieb ich nämlich
folgende Skizze:
Man führte die edle Zwölfjährige nach Berlin,
um ihr alles zu zeigen, was es dort Herrliches gebe.
Automobilfahrten zu allen Seen, Vari6t6, Theater ; man
ließ ihr das Paradies „Berlin" erstehen, soweit es für
eine Zwölfjährige seine Tore überhaupt öffnen konnte.
Als sie wieder nach Wien zurückkehrte, fragte sie
eine Dame: Nun, Lilly, wo ist es besser zu leben,
in Deutschland oder in Österreich?! Und Lilly H.
erwiderte : Nur in Deutschland kann man existieren I
Da habe ich bemerkt, daß die armen Pferde an den
Lastwagen viel geschickter und rücksichtsvoller an-
gebrachtes Riemenzeug tragen als bei ims, das ihnen
die Arbeit erleichtert und Torturen erspart. Und
dann habe ich auch noch erfahren, daß es in ganz
Deutschland bei strengster Strafe verboten ist, Tiere
künstlich zu mästen, und daß geheime Agenten, in
der Verkleidung von reichen Viehkäufem, sämtliche
Bauemdörfer Jahr für Jahr daraufhin kontrollieren
und für jeden entdeckten Fall hohe Belohnungen
erhalten!"
Meine Schwester nahm meine Hand und sagte
ruhig: „Nun, was ist dabei, wir sind eben Ge-
schwister !"
93
DER BESUCH
Eine junge Frau, die ich seit lange als eine fast
Heilige an Demut und Sanftmütigkeiten verehre,
kam an mein Krankenbett, bleich und verstört.
Sie erzählte mir, daß ihr Mann, der^sich für sie
aufopfere, Gesichtsneurose habe und sich, mit ihrer
Einwilligung, der Operation auf Tod und Leben
unterziehen wolle. Sie wisse nicht, ob sie es gestatten
solle. „Sollich, soll ich nicht, sollich?.! Ich werde es
also an meinen Knöpfen abzählen — ."
Ich lag da, von meinen Leiden zerfressen, und
sie stützte den Kopf in die Hand.
Da sagte sie: „Nicht, Peter, das Leben ist eigent-
lich komisch — ."
Und ich sah eine Träne, vielleicht die heißeste,
verzweifeltste, die je geweint wurde.
Drei Tage später saß sie an meinem Kranken-
bette: „Peter, ich habe es ihm gestattet, und er ist
daran gestorben. Peter, nicht wahr, die Welt ist
komisch — ."
Ich lag da. von meinen Leiden zerfressen .
Ich zählte es an den Knöpfen ab, was, weiß ich
nicht. Aber immerhin, an den Knöpfen — . Soll
maft, soll man nicht, soll man?!
94
SOMMERABEND IN GMUNDEN
Wir, die nicht genug haben an den Taten
des Alltages, wir Ungenügsamen der Seele, wir
wollen unseren rastlosen, enttäuschten und irrenden
Blick richten auf die Wellensymphonien des Sees,
auf den Frieden überhängender Weidenbäume und
die aus düsterem Grunde steil stehenden Wasser-
pflanzen!
Auf die Menschen wollen wir unsem impassiblen
Blick richten, mit ihren winzigen Tragödien und
ihren riesigen Lächerlichkeiten; mit düsterer Ver-
achtung wollen wir nichts zu tun haben, und mildes
Lächeln soll der Panzer sein gegen ihre Armselig-
keiten !
Dem Gehen edler anmutiger Menschen wollen
wir nachblicken, dem Spiele adeliger Gebärden und
der Noblesse ihrer Ruhe ! Ein Arm auf einer Sessel-
lehne, eine Hand an einem Schirmgriff, das Halten
des Kleides bei Regenwetter, süßes kindliches Bac-
chantentum bei einem Quadrillefinale, wortloses Er-
bleichen und wortloses Erröten, stummer Haß und
stummes Lieben, und alles Auf und Ab der ein-
geschüchterten und zagen Menschenseele das,
das alles wollen wir Stunde um Stunde in uns hin-
eintrinken und daran wachsen!
Rastlos aber, vom Satan Gejagten gleich, stürmen
die Anderen enttäuschungsschwangeren Zwecken ent-
gegen, und ihre Seele bleibt ungenützt, verdirbt,
schrumpft ein, stirbt ab!
Jeder Tag bringt einen Abend, und in der Bucht
beim Toscana-Garten steht Schilf, und Weiden, und
95
Hasektauden hängen über, ein Vogel flüchtet, und
alte Steinstufen führen zu weiten Wiesen. Nebel
zieht herüber, du lassest die Ruder sinken, und nie-
mand, niemand stört dicht
96
ÄSTHETEN
Ich habe zwei Ästheten erster Güte kennen ge-
lernt, einen jungen Mann und seine junge Gattin.
Sie schaut aus, wie man sich den siebzehnjährigen
Dante vorstellt. Sie trägt arabischen und indischen
Schmuck. Sie leben im Tessin, am Lago Maggiore,
in einem alten Steinhaus inmitten eines Edelkasta-
nienurwäldchens. Jeder Satz, den sie äußert, ist
ganz tief aus deni Geiste der Menschheit herausge-
schöpft. Was sind eigenthch Ästheten, die uns bru-
taleren, Z3niischeren Naturen doch gänzlich ferne
liegen?! Es sind Organisationen, bei denen sich die
Urinstinkte völlig in Betrachtung und Genießen der
zahllosen wertvollen Dinge der Welt aufgelöst, ja
verflüchtigt haben. Alle Gemeinheiten, denen wir
noch wie böse Tiere hie und da unterworfen sind,
sind nicht mehr in ihnen. Der Friede ist in sie ein-
gezogen, durch den ewigen AnbUck von Gottes Welten-
schönheiten, Weltenmerkwürdigkeiten. Solche Frauen
blicken verklärter als alle anderen, denn ihr Reich
ist, trotz allen Anscheins, nicht hienieden. Sie werden
erlöst von der Sünde in jeglicher Beziehung; deshalb
blicken sie mystisch, in kommende Welten hinein —
. Jeder Mensch kann sich aus eigener Macht zu
einem geistig-seelischen Organismus hinaufgestalten ;
und er und seine Umgebung hätten den Vorteil
davon. Aber nur wenige unternehmen es. Ästheten
sind, für brutale Organisationen betrachtet, wie ge-
brechliche Spielzeuge des Lebens, in linden Lüften
und linden Düften dahinschaukelnd, tödlich ver-
wundet von jedem rauhen Wort sogar. Es gibt
7 97
Dinge, die man in ihrer Gegenwart nie auszusprechen
wagte. Man muß durch sie von selbst ein fein-
füUigerer Mensch werden im Aujgenblick, obzwar
man sich natürlich dadurch beengt fühlt. Aber mit
Jeanne d'Arc hätte man ja auch nicht ungezogen
oder sexuell sein können. Um gewisse Organisa-
tionen lagert eben die Atmosphäre Gottes, und da
erlischt dann allmählich in den Augen des Lebens-
z3nnLikers sein satanisch-ironisches Lächeln! Heil
ihnen! Sie haben mehr gesegneten Frieden als wir
anderen, wir Barbarischen . Sie sind „Natur-
menschen" einer erhöhteren, erst anbrechenden Kul-
tur, die dann nach langer Zeit zu einer zweiten Natur
werden wird! Ästheten sind übertriebene Vorläufer
einer gottgefälligeren Seelenentwicklung l
98
ERINNERUNG
Der Rathauspark duftet nun von edlen Bäumen
und edlen Sträuchem. Es ist kühl und schattig. Aber
damals war es eine endlose graue Wiese mit einge-
tretenen staubigen oder kotigen schmalen Fußwegen.
Eines Tages stand eine grüne Bretterbude da, das
erste Wandelpanorama in Wien, genannt „Der Rigi".
Es roch nach öllämpchen, und mein Hofmeister und
ich saßen in der ersten Reihe auf Strohsesselchen.
Der Rigi und alle Seen und Bergesketten zogen an
uns vorüber, zu den Klängen eines itahenischen
Werkeis. Dann wurde es allmählich finster, und die
Berghotelfenster beleuchteten sich, denn sie waren
ausgeschnitten und dahinter Licht. Das gefiel mir.
Später machten wir eines Tages die erste Pf erde-
tramwayversuchsfahrt mit, vom Schottenring bis
Dombach. Es fiel mir auf, daß es fortwährend
klingelte, was bisher bei den Fuhrwerken nicht zu
beobachten war. Man hielt das Ganze für gefährlich
und unsicher und glaubte nicht recht daran, daß es
sich einbürgern werde.
Die Sonntage wurden in Hietzing bei „Domayer"
verbracht. Es fiel uns angenehm auf, daß unser
Vater dem Fiaker, der tms führte, d u sagte und sich
in leutselige Gespräche mit ihm einUeß. Er kam uns
vor wie ein milder Potentat. Die Trinkgelder waren
enorm, gleichsam die Entschädigung für das vertrau-
Uche du. Die Rückfahrten vom Lande abends sind
das Schönste; da schläft man wie ein Toter. Man
verflucht den Moment der Ankunft, der Wagen ist
das wunderbarste Bett gewesen. Aber jetzt kommt
f 99
Stiegensteigen, Ausziehen, eine unsäglich beschwer-
liche Arbeit.
Gebratene Äpfel spielten bei uns eine große Rolle.
Alles duftete in den Zimmern danach. Das ist ganz
abgekommen. Auch gedünstete Kastanien, goldig-
glänzend, auf schwarzgrünem Kohlpüree, waren eine
Festspeise, die jetzt im Absterben begriffen ist.
Die neue Generation macht sich nichts daraus.
Wir vergötterten unsere Hofmeister und Gouver-
nanten, und sie uns. Die Eltern spielten nur eine
zweite diskretere Rolle, traten erst in Aktion bei
außergewöhnlichen Ereignissen. Sie waren einfach
der „Oberste Gerichtshof". Wir lebten „romantische
Idyllen", deshalb fiel es uns später so schwer, dem
realen Leben Genüge zu leisten .
100
VÖSLAU
Vöslau, eigentümlicher Ort, einzige wirkliche Sen-
timentalität, die ich habe. Deine grünbefranste
Station ist geblieben wie eh und je. Nur meine wun-
derschöne Mama, die nwch im Damenbade sorgsam
auf ihren Armen wiegte, ist längst nicht mehr. Die
Lindenblüten rochen wimderbar, und das sonnen-
gedörrte Holz der Kabinen und die Wäsche der trie-
fenden Schwimmanzüge. Der Kies brannte die
zarten Kinder- und Frauensohlen. Vom Wald kam
Tannenharzduft, und von den Hausgärten kamen
Millefleursgerüche. Meine Mama hielt mich zärtlichst
mitten im Teiche, der für mich ein Ozean war ! Sie ver-
schwendete ihre romantische ZärtUchkeit an ein egois-
tisches, verständnisloses Kindchen, das ihren Hals in
Angst umklammerte. Wunderbar ist der eingedämmte
Bach, von der Station aus bis zum Bade. Links un-
geheure üppige Wiesen, die zu nichts zu dienen
scheinen und herrliches, dichtes Unkraut produ-
zieren, für nichts und wieder nichts. Der Wind
rauscht eigentümlich in den Tannen. Man hält es
für einen mysteriösen Aufenthalt für Rekonvales-
zenten, für kleine zarte Mäderln. Es ist so ein Sana-
torium für müde Menschen. Die graublaue Ur-
sprungsquelle von vierundzwanzig Grad Celsius ist
wie lebenspendend. Sie spricht nicht viel, sie mur-
melt und gewährt! Viele Hausgärten sind voll von
Frieden und Pracht. Im Caf^garten hart beim Bade
ist es kühl vor Baumschatten wie in einem Keller.
Daneben ein unbekannter Park wie ein Urwald.
Niemand hat ihn vielleicht je betreten, ihn gestört
loi
in seinen überschüssigen Kräftespendungen! Wozu
braucht man Brasilien und Lianenverstrickungen
und Blütendunst und Geranke?!?' Dieser Park ist
Urwald. Vöslau, immer noch, seit fünfundvierzig
Jahren, ist deine Station grünbefranst, und in dem
Bache plätschern lustig die Enten, die immittelbar
darauf abgestochen werden, denn der murmelnde
Bach ist nur ein letztes Reinigungsbad, gleichsam
eine Vorleichenwaschung. Beim Bade duftet es nach
Lindenblüten. Nichts hat sich verändert. Nur meine
Mama ist nicht mehr«
I02
EIN BRIEF
Lieber Stefan GroBmann,
in meinen entsetzlichen Qualen habe ich heute soeben
Ihren herrlichen Essay über und für Frau Tolstoi
gelesen. Es ist großartig. Nur eines: Das männ-
liche Genie geht eben in seinen langsamen Welt-
entwicklungen zuerst vom gewöhnlichen allge-
meinen irdischen Leben aus, völlert, bekehrt sich
sodann, gründet Familiensegen, sucht Frieden wie
ein jeder gewöhnhche Sterbüche. Dann, im Alter
aber erschaut es die idealeren Welten, ist jedoch
von seinen vorherigen Entwicklimgsstufen gebun-
den, ja geknebelt, kann imd darf sie nicht los
werden, und lebt doch bereits zugleich in Welten,
die das bisherige althergebrachte irdische Sein über-
flügelt haben. Wie wenn einem Heran-
wachsenden noch immer die getreueste Mutterbrust
ihre Milch anböte, während er längst iiber diese
Periode seiner irdischen schwächlichen Kleinhchkeit
hinausgewachsen ist!?! Der Träumer, der Denker,
der Prophet, der Vorherseher, der Menschen - Er -
höherschwingtsich von selbst, ohne es zu wissen,
in Regionen einer anderen künftigen Konstellation,
während er historisch-atavistisch noch mit den
ehernen Klammem alltäglicher imd gewohnter
Notdurften am bisherigen gebräuchlichen Dasein
festverankert ist! Das ist seine Tragik! Daher seine
organische Undankbarkeit gegen jene, die
einem Stoffe in ihm dienen, den zu überwinden
und immaterieller zu machen, er die ersten genia-
len Versuche unternimmt. Man degradiert
103
ihn also in allerbester Intention, zu einer bereits
geistig überwundenen Entwicklungsstufe seiner selbst.
Preisen wir seine adeHgen Betreuerinnen, aber ver-
gessen wir dabei zugleich nie, daß es in genialen
Prophetengehimen Entwicklungsembryos gibt,
4enen Frauen und Freunde ratlos, ja unbewußt
feindselig, sich entgegenstemmen! Die Henne
brütet ein Entlein aus, betreut es, sucht es vor allem
vor der Gefahr „Bächlein" zu bewahren. Aber das
Entlein strebt nach dem fließenden klaren Wasser,
und die mütterliche Henne blickt in Todesangst
den Schwimmkünsten des Entleins in seinem ihm
organischen Elemente nach ! Henne, bescheide dich,
Entlein, schwimme, tauche! Genie, du bist zwar
undankbar, aber es ist eine organische, von Gott
gesegnete Undankbarkeit, die den kommenden Men-
schen zugute kommen muß. Die Frauen betreuen
die Genies, aber die Genies betreuen die M-ensch-
heit! Beide gehen zugnmde in ihrem merkwür-
digen unentrinnbaren Lebenswerke, das in der Welt-
entwicklung vorgesehen, vorbedacht und wohler-
wogen wurde vom göttUchen, meist noch gänzlich
unfaßbaren Willen !
Frau Tolstoi, du bist nicht minderwertig; Herr
Tolstoi, du bist nicht mehrwertig; in allen lebt und
webt die göttliche Seele, unerf orschlich, und dennoch
geahnt und gespürt von einigen wenigen .
Ihr Peter Altenberg.
104
DER FORTSCHRITT
Es ist tragisch genug, daß die meisten Verbesserun-
gen in jeglicher Sphäre des Lebens wie von einer heim-
tückischen bösen Macht, vor allem vom bösen Zau-
berer „Gewohnheit" hintertrieben, aufgehalten, zer-
stört werden. Bei vielen Dingen kann man Gründe
dafür finden, und sich daher wenigstens teilweise
historisch-philosophisch über das Behammgsver-
mögen des menschlichen Geistes beruhigen. Es gibt
jedoch eine ganze Anzahl herrlicher Neuerungen,
deren Nichtpopulärwerden man absolut nicht be-
greift. Dazu gehört die amerikanische Schuhputz-
maschine. Ich kenne eine einzige in ganz Wien, im
Hausflur des Caffe am Mehlmarkt. Man wirft zehn
Heller in den Spalt, und dein Fuß wird dir sanft
hineingezogen in die Maschine, und der Schuh dabei
von Staub und Kot gereinigt. Dann wird er ebenso
sanft wieder herausgeschoben und dabei gewichst und
glänzend gebürstet ! Man muß nur die Hose ein biß-
chen hochheben, da diese weder gewichst noch auch
glänzend gemacht zu werden wünscht. Auch muß
dein Fuß der Maschine völlig nachgeben, denn sie
allein weiß, was für deinen Schuh zweckmäßig ist,
und sie entläßt ihn erst zur rechten Zeit. Weshalb
sind solche herrlichen und gutmütigen Maschinen nicht
schon längst in den Vestibülen von Hotels, Caf6s,
Theatern aufgestellt?! Es ist fast eine Tragödie,
es zu erleben, wie selbst in den allereinfachsten
Dingen niemand das Herz imd den Sinn dafür hat,
seinen Nebenmenschen das Leben ein bißchen zu
erleichtem. Dabei wäre es noch ein Geschäft, natür-
105
lieh für beiäe Teile. Wie muß man da im vorhinein
verzichten, in noch schwierigeren Lagen, unterstützt,
betreut zu werden!?
Jemand sagte zu mir: „Es paßt mir nicht, daß
diese Maschine mir meine zarten Chevreauschuhe
mit einer minderwertigen Creme putzt!" Ich er-
widerte ihm, daß die Maschine nur Staub imd Kot
entferne und dann glänzend bürste, also eigentUch
mit jener Creme, die ein jeder Schuh schon von selbst
habe. „Ach so," sagte er tief enttäuscht darüber, daß
er der neuen Schuhputzmaschine, die bescheiden
ihre Pfücht erfüllt, kein Klampfl anhängen konnte,
ihr kein Bein stellen konnte, über das sie schmäh-
lich stürzen müßte!
zo6
ÜBER LEBENSENERGIEN
Die allerwenigsten Menschen haben auch nur die
geringste Ahnung von dem Inhalt des Wortes
„Lebensenergien". Es ist ein mysteriöses und ganz
simples Wort zugleich: es bedeutet alle Kjraft, die
unser Nervensystem enthält, zur Betätigtmg unsers
Lebens. Diese Kraft erhalten, vermehren, heißt
eigentlich: ein Kultivierter sein; sie schwächen, ver-
ringern, heißt : ein Unkultivierter sein. Wir verlieren
täglich, stündhch Tausende wertvollster Lebens-
energien durch irrige Lebensführung jeglicher Art,
und dann noch durch den Mangel an Rücksicht
der Nebenmenschen auf imser Nervensystem. Tau-
send Ungezogenheiten imd Taktlosigkeiten der Man-
schen zerstören imsre angesanmielten Lebensenergien.
Femer Sorge, Kummer, Eifersucht, Alkohol, schlech-
tes Essen, ungezogene Kellner, ungezogene Friseure,
ungezogene Freimde, alles, alles das frißt uns täg-
Uch, stündhch imsre angesanmaelten Lebensenergien
weg, und zwar auf eine merkwürdig schwächende,
lähmende, Zuckerkrankheit vorbereitende Art ! Frauen
besonders sind genial geschickte Zerstörerinnen
unsrer aufgestapelten Lebensenergien, durch Er-
zeugung von Eifersucht, diesem Krebsbazillus der
Seele! Man wird plötzHch grün und gelb, und die
Lebenselastizität läßt nach. Jeder Mensch ist eigent-
lich ein feiger heimtückischer Mörder eines jeden,
den er in Unruhe setzt ohne zwingendsten Gnmd!
Einem Menschen seine Lebensenergien erhalten wol-
len, sie schützen, ja, sie vermehren wollen, heißt
allein : ihn wirküch heb haben f Alles andre ist Seelen-
107
mumpitz! Wer mich in irgendeiner Sphäre meiner
Lebensbetätigungen schwächt, stört, lähmt, statt mich
zu fördern, ist mir feindselig gesinnt, wie er sich auch
sonst stellen möge! Die Erhaltung der Lebens-
energien meines Organismus sei die Sehnsucht einer
jeden ernstlich freimdschaftlichen Seele. „In meiner
Gegenwart hatte sie einen unbeschreiblich elasti-
schen Gang, alles an ihr schien leichter und von
Erdenschwere befreiter zu werden " ; das wäre
das ehrendste Zeugnis für eine wirklich liebevolle
Mannesseele. Seine Verluste an Lebensenergien
rechtzeitig spüren, seine Gewinne freudig buchen im
Lebenskonto, würde viele der angenehmen Fähigkeit
näherbringen, das hundertste Jahr, das Pfeifchen
schmauchend, zu überschreiten. Ich bin einmal un-
erbittlich gegen den göttüchen Leichtsinn, ich bin
für die erdenschwere Bedenklichkeit. Ich glaube,
wenn Franz Schubert mein Intimus gewesen wäre,
ich hätte ihm noch weitere zweitausend Lieder ent-
lockt, indem ich ihn beschworen hätte, sich der seiner
bedürfenden Menschheit zu erhalten durch aller-
sorgfältigste Schonung seiner Lebensenergien. „Ja,
pardon, aber ein Typhus raffte ihn hinweg ."
Aufgestapelte Lebensenergien nehmen hie und da
sogar den erfolgreichen Kampf mit solchen Feinden
wie Typhus, mit einer solchen Hunneninvasion, auf !
„Ja, aber, mein Herr Schreiber dieser Zeilen, weshalb
nehmen Sie selbst so wenig Rücksicht auf diese
immerhin beherzigenswerten Lehren, in Ihrem eigenen
werten Dasein? ! ?" Weil ich dann vielleicht Lebens-
energien entwickelte, um noch einige solcher Bücher wie
bisher zu schreiben, und das muß imbedingt hinter-
trieben werden durch imgeordnete Lebensführung.
io8
STRANDBAD
Nun sah ich dich. Unbekannte, mit deiner bräun-
lichen Haut und dem krebsroten nassen seidenen
Schwimmtrikot, am „Gänsehäufel", und bin an dir
vor Sehnsucht erkrankt. Immer, immer seh ich dich
mit deinen unbeschreiblich edlen Gliedern an Wassers
Rand entlanggehen mit weiten Schritten — .
O, weshalb dürft' ich dir nicht sagen: „Kaiserin
des Strandbads!" Dir hätte es nichts geschadet, und
mich hätt' es erlöst , wie es müde enttäuschte Men-
schen erlöst, wenn sie in stillen Kirchen vor einer
heiligen Frau niederknien — . So aber wandle ich,
krank an meiner fanatischen Zärthchkeit, dahin — .
Kaiserin des Strandbads .
An Unzulänglichem werden wir vorzeitig alt und
müde, verlieren den Glauben an die Realisierbarkeit
von Gottes Träumen. Da seh ich dich, Edelstge-
gUederte, und fange wieder an zu glauben -!
In Kleidern, geschützt durch Seide und Batist,
oder im Bett , wo des Mannes Leidenschaft sein Auge
trübt, wohlan! Da nehmen wir vorlieb, begnügen
uns!
Jedoch, aufrechten Ganges, in Licht imd Luft
getaucht, in nassem Schwimmtrikot, da besteht keine
außer dir diese zärtliche Prüfung ! Nun sah ich dich
und wurde krank an dir, weil ich nicht wenigstens
flüstern durfte: „Kaiserin!"
X09
WESEN DER RELIGION
Der Pastor zu einer armen Frau, die bis dahin
ziemlich ungläubig war, den Satzimgen der Religion
gegenüber:
„Ntm, liebe Frau, sind Sie durch meine Worte
jetzt endlich gläubigem Sinnes geworden?!?"
„Herr Pastor," erwiderte die Frau, „seitdem ich
weiß, daß Gott alles sieht, wische ich in dem Hause,
in dem ich bedienstet bin, den Staub auch unter
den Teppichen auf ."
Vielleicht ist auch dies gerade das tiefste Wesen
der Liebe, einer Art von Realreligion : die Frau hält
ihre Seele rein, sogar dort, wo niemand es mehr sieht
und bemerken kann!
HO
WIE SIE ES GLAUBEN WOLLEN, SO
IST ES I
P. A. erhob sich von seinem Schmerzenslager,
ging auf den Blumenmarkt, kaufte purpurrote
Buchenzweige, schneeweiße Tazetten, zitronengelbe
Nelken, dunkle Veilchen und riesig viele goldgelbe
Mimosen nwt graugrünen gefiederten Blättchen.
Und das ihre Dame vergötternde Stubenmädchen
rief ihn an telephonisch: „Meine Gnädige schläft
noch, Sie wird sich freuen beim Erwachen. Sie
hat ein wunderschönes Bukett bekommen."
Und er: „Von wem kann es denn sein?!?"
„Hoffentlich von Herrn L. Das würde sie am
meisten beglücken."
„Ja, es ist richtig von Herrn L.! Aber bitte,
sagen Sie nicht, daß Sie es durch mich erfahren haben,
sondern nur als Ihre eigene Vermuttmg."
Und am nächsten Tage sagte die Dame beglückt
zu Herrn L. : „Ich habe wunderbare Blumen erhalten
gestern . . *"
Und Herr L. erfuhr durch das süße Stubenmädchen,
wie die Sache sich eigentüch wahrscheinlich verhalten
habe . • ".
Sie fühlte es als ihre Pflicht, es ihm zu sagen.
Da sandte er denn am nächsten Tage die herr-
lichsten Blumen, unter dem Namen P. A.
Und die Dame sagte zu ihrem Stubenmädchen:
„Sieh, auch P. A. hat mir Blumen gesandt, sehr nett von
ihm, man hätte es ihm nicht zugetraut. Nun, aber
die von Herrn L. am Vortage waren schöner, so wirk-
üch mit Geschmack und ZärtHchkeit ausgesucht . . ."
XII
„PRODROMOS"
•Ich habe den Menschen, die im Tagesgeschäfte
festgerannt waren, nie viel geben können, trotz
meiner sogenannten Freiheit, die mir Gelegenheit
gab, über die Dinge des Daseins rücksichtslos
nachdenken zu dürfen . Aber es gibt
dennoch wertvolle und höchst wichtige Dinge; vor
allem:
Sorge Tag und Nacht für die Edelfunktion deines
Darmes! Das „Bauchherz" ist wichtiger wie das,
was wir verhältnismäßig unnötigerweise unter der
linken Brustwarze tragen. Von der Funktion des
Darmes hängt unserganzes Denken, Fühlen und
Sein ab, unsere Größe, unsereGüte,unsereMensch-
lichkeit und unsere Weisheit! Wehe dem, der 24
Stunden lang, also als Sünder imd Verbrecher, u n-
purgiert dahin wandelt 1 Er wird miUionenmal mehr
Schaden anrichten als ein Raubmörder und Kinder-
schänder! Er wird in den kleinsten Dingen sein
Menschentum verleugnen, das ihm Gott in seiner
Gnade mitgegeben hat. Nur der äußerlich und
innerlich purgierte Mensch kann auch geistig und
seelisch purgiert sein! Existieren können, ohne
Darmfunktion wie die Taube, die es im Fluge von
sich läßt, ohne sich in ihren edlen Schwingungen
auch nur Vioo Sekimde dadurch stören zu lassen,
ist ein schändliches Verbrechen an sich und vor
allem seinen Nebenmenschen, an denen man seinen
Unmut, den man sich selbst gezüchtet hat, in heim-
tückischer Weise dann Tag imd Nacht ausläßt.
Abfühmüttel sind theosophische Geheim-
112
mittel, die imstande sind, den Menschen zu einer
höheren Art hinauf zuentwickehi ! Im Moment, wo
das Genie seine heiligen Darmfunktionen geschwächt
fühlt, fühlt es sich degradiert zur „Herde der Ge-
wöhnlichen"! Seine Schwingen sind ihm — wenn
auch in anderer Weise — beschnitten imd gelähmt.
Bauchherz, nervus S3mapathicus, plexus solaris,
unbekanntestes Phänomen tmter den mysteriösen
Phänomenen dieser Welt, möge dir die Forschung
und die Arbeit der künftigen Genies geweiht sein!
Unten frei, oben frei! Unten gebtmden, oben ge-
bunden! So ist es!
Es gibt fast keine Schädlichkeit, die wir unserem
Organismus antun, die nicht durch eine absolut
vollkommene Verdautmgskraft besiegt werden könnte !
Unsere Darmnerven sind wichtiger wie unsere Ge-
samttätigkeiten unseres Organismus, als alle andern
Organe zusanunen! Mit einem absolut leichten
Stuhlgang müßte man sich theoretisch eine „ewige
Jugend" verschaffen können. Der obstipierte Mensch
ist kein menschliches Wesen! Beine Heiligkeit,
seine GottähnHchkeit beginnt erst, wenn die Darm-
fimktionen eine fast ideale Leistungsfähigkeit er-
reicht haben. Die tiefste Genialität eines Organismus
ist, mehr Rücksicht auf seine Darmnerven zu nehmen,
als auf alle andern zusammen! Man schont damit
vor allem Herz und Gehirn.
Der Philister
Ewige Rache, die Gott, Schicksal und Natur am
Philister nehmen: Sie verhindern ihn, Tag und
Nacht Tonika zu suchen, Belebungs- und Er-
8
113
regungsmittel dieser Stoffwechselmaschine „Mensch" I
Sie wollen immer glatt und beruhigt überall durch-
konMnen; daher verlieren sie die einzige Kraft, die
es für die menschliche Maschine gibt: den Stoff-
wechsel!
Genialität
Das geniale Gehirn hat nie die kleinliche
Todesangst des Philisters, sondern die absolute
eines Bismarck, der wußte, daß bei einer verlorenen
Schlacht von Königgrätz ihm nur mehr die Revolver-
kugel übrig bliebe. — Selbst Goethe hatte ein Jahr
lang den geladenen Revolver auf seinem Nachtkastei
liegen. Sich schützen?!? Vor dem Altwerden,
vor dem Sterben?!? Wozu also?! Das Genie
bringt sich rechtzeitig um, wenn es seine Mission
erfüllt hat, oder sie nicht erfüllen konnte! Aber
diese andern paktieren mit dem Leben, das
dann doch keines ist imd keinen Pakt zuläßt!
114
RESTAURANT PRODROMOS
Ein Restaurant ersten Ranges, von einem moder-
nen Archikten unerhört einfach-primitiv, aber zu-
gleich aristokratisch-apart eingerichtet. Es wirken
in der Küche in idealer Gemeinschaft ein franzö-
sischer Koch und ein jimger Arzt, Diätetiker, Hygie-
niker, imd der Dichter. Jede Speise ein unerhört
leichtverdauHches Gedicht für den Verdautmgs-
apparat ! Lauter Speisen, die in drei bis fünf Sttmden
verdaut sind ohne Rückstände ! Reiche Stoffwechsel-
kranke, Nervenkranke, Magenkranke, Dannkranke
würden hier ein absolut sicheres Asyl finden! Die
internationale Püreemaschine würde auf jedem Tische
stehen. Einige Umdrehungen, und jede Speise hat
die Konsistenz erhalten von Erdäpfelpüree, Erbsen-
püree! Schöne Zähne sind eine ästhetische Ange-
legenheit, aber man soll sie nicht gebrauchen! Den
Speisen ihre Seele ausziehen, ihr Wertvollstes, und
das Unverdauliche den Hunden, den Schweinen!
Kein Essig, sondern Zitrone! Ganz, ganz neue Zu-
sammenstellungen. Zum Beispiel durchpassiertes
Kalbfleisch in Eiersauce. Pürees tmd Saucen in noch
nie dagewesenen neuen Verbindungen ! Man kann sich
krank essen und bleibt dennoch gesimd ! Die Diätetik
eine reale Romantik geworden! Erfüllbare Ideale!
Die Zähne haben ihre miserable dilettantische Zer-
kleinerungstätigkeit einzustellen, sobald die inter-
nationale Püreemaschine ihre Dienste ideal ersetzt.
Man putze sie und halte sie als Kunstwerkchen in
Ehren ! Der Edelmaschine darf- man nicht Lasten
aufbürden, sondern muß sie ihr zu ersparen suchen!
«•
"5
Das Kindchen saugt an der Mutterbrust, und die
müde und nervös gewordene Menschheit will des-
gleichen! Jeder komplizierten Maschine sucht man
die Widerstände so viel als möglich zu ersparen;
nur dieser unglückseligen und allerherrlichsten Ma-
schine: „menschlicher Verdauungsapparat" nicht!
Weshalb ? ! Gründet das Restaurant Prodromos ! Es
soll eine Oase werden. Nach jeder Mahlzeit kann
man sich hinlegen auf ideale Ruhestühle, was riesig
wichtig ist! Es gibt Zimmerchen, in denen man,
wenn auch nur für zehn Minuten schlafen kann!
Eine Regenerationsanstalt, als Restaurant geführt.
Ein Gasthaussanatorium! Teuer, aber fast kost-
spieHge Kuren ersetzend! Weshalb warten mit der
Ausführung?! Gibt es denn keine Idealisten, die
dennoch verdienen möchten? ! Smd denn das Gegen-
sätze, um Gotteswillen?! Was sollte denn reeller-
weise eigentlich belohnt werden auf Erden als der
wohlverstandene Idealismus ? ! ? Gründet das Restau-
rant Prodromos ! Und gedenket meiner, des Urhebers !
Ii6
DER BRAND
Um zwei Uhr morgens kam die Nachricht in die
American Bar, daß ein Palais nächst dem Stadtpark
in Flammen stehe. Wir ließen misre wunderbaren
Mischimgen sofort stehen, fuhren im Fiaker rasend hin.
Auf dem Dache des fünfstöckigen Palastes leuch-
teten die weißen Magnesiimifackeln der Feuerwehr,
und goldgelbe und rote Funken fielen zur Erde.
Unten im Finstem der Straßen leuchteten die Lam-
pen der Feuerwehrautomobile wie getreue Wächter-
hundeaugen! So besorgt-gutmütig I
Der Stadtpark war schwarz tmd einsam. Auf
einer Bank saßen Zwei, Hand in Hand. Sie betrach-
teten den Brand des Palais, hörten die Feuerwehr-
signale: „Wasser! Wasser! Wasser!", und sie waren
imd sie blieben versimken in ihrem eigenen unent-
rinnbaren Schicksal, Hand in Hand.
Das Palais brannte, und man erließ für die obem
Parteien bereits die Nachricht, sie möchten delo-
gieren und herabkommen .
Der Stadtpark war einsam und im Dunkeln .
117
RÜCKSICHT
Sie trug ein wunderbares, stark dekolletiertes
schulterfreies Kleid. Ihre Freunde bewunderten
ihre herrlich modellierten Schultern. Da stand sie
auf, ging in ihre Garderobe zurück und zog ein viel
dezenteres Kleid an, das nur Hals und Arme frei ließ.
Einige Augenblicke später kam ihr Bräutigam.
„Natürlich," sagte er, „man muß sich für die
fremden Männer dekolletieren!"
„Herr Bräutigam," sagte ein Baron, „das ist
doch gerade das Schöne an Ihrer Freundin, daß sie
immer so einfach und dezent gekleidet ist und gar
nichts aus sich macht. SchUeßlich und endlich muß
es doch auch Ihnen schmeicheln, wenn andere Sie
darum beneiden und sie be wundem!"
„Anita," sagte der Bräutigam, „gehe doch in
die Garderobe und ziehe dir mal das neue schulter-
freie Kleid an, das ich für dich entworfen habe.
Du bist ja nicht mehr im Sacr6 Coeur ."
Die Dame stand auf und ging in die Garderobe,
das noch körperwarme schulterfreie Kleid wieder an-
zulegen .
Die Freunde sagten hypokrit: „Das ist wirklich
etwas gewagt und auffallend Aber wenn es
Ihnen recht ist, Herr Bräutigam ?!?"
Ii8
MYOSA
Mademoiselle Myosa, das Original mit dem tiefen
wunderbaren Blick, in dem direkt eine Art von fana-
tischer Tanzmission glüht imd fiebert, ist von un-
beschreiblicher Anmut. Die übrigen Tänzerinnen
tanzen, aber sie ist der Tanz selbst, sie versinkt,
ertrinkt im Tanzen. Sie existiert nicht mehr. Sie
kann sich, auch im Leben, in nichts anderm äußern.
Man hat die Empfindung: sie ißt nicht, sie trinkt
nicht, sie schläft nicht, sie will kein Geld und keine
sonstigen scheinbar unentrinnbaren Leidenschaften
sie will tanzen, tanzen, tanzen! Der Fisch
will Wasser, nur Wasser; und sie will den Tanz, nur
den Tanz! Sie ist das erste Tanzgenie, das ich je
erblickt habe, wegen ihrer fast pathologischen Kon-
zentration. Sie rührt imd macht erstaunen. Hat
Gott die Welt nur erschaffen, damit Myosa sich darin
austanze?! „Ja!" sagen ihre düstem Blicke. Sie
hat Bewegungen, die man noch nie bei einer Tänzerin
gesehen hat, wie wenn oft ihr wunderbarer kindücher
Leib von einer inneren Macht gezwungen würde.
Dabei ist sie ununterbrochen verzweifelt, daß es in
diesem Vergnügungsetablissement nicht still und
feierlich ist während ihres heiligen Tanzens wie in
einer Kirche; sprechen, lachen, verletzt sie tödlich;
ein Zug unaussprechüchen ergreifenden Leidens ist
da mitten im Tanzen auf ihrem herrüchen Antlitz.
Da haßt sie die Menschen und die Welt ! Sie ist eine
tragische PersönUchkeit, feindselig und abhold dem
leichten Dasein der Stimde. Sie ist ein Phänomen,
eine Einzige, eine in sich Gekehrte, starre Unerbitt-
119
liehe des Tanzes! Und das alles dort« wo man sich
bei uns amüsieren, zerstreuen will!? Arme, arme
Myosa !
120
IM STADTPARK
Als Kinder saßen wir Abend für Abend mit
unsem geliebten Eltern im Stadtpark, im Kursalon.
Wir bekamen Eis und Hohlhippen und hatten keiner-
lei Sorgen. Der Vater geht ntm seit Jahren nicht
aus seinem bequemen Zimmer mehr heraus, und die
Mutter nicht aus dem bequemen Totenschrein. Ich,
glatzköpfig tmd sorgenvoll, komme nun in den Stadt-
park, Kursalon, auf die Terrasse, an denselben Tisch,
an welchem wir einst sorgenlos mit den geliebten
Eltern saßen. Ich bestelle dasselbe Eis, Himbeer-
schokolade, wie als Kind, mit recht vielen und
knisternden, also frischen Hohlhippen. Vor mir die
Gartenbeete wie einst, ein bißchen bunter, origi-
neller. Ich sehe Eltern mit ihren Kindern. Sie
zanken und schelten. Unsre Eltern zankten und
schalten nie, nie. Vielleicht war es schlecht, daß sie
es nie taten, aber sie hatten Achtung vor ihren
eigenen Erzeugnissen, imd Zuversicht ! Wir haben sie
enttäuscht; aber sie haben es hingenommen als
Schicksal tmd Verhängnis. Wir haben ihre Tränen,
die sie um uns weinten, nie gespürt . Nun
sitze ich. Glatzköpfiger, Sorgenvoller, wieder im
Stadtpark, im Kursalon, auf der Terrasse, an dem-
selben Tisch wie einst mit den geliebten Eltern,
esse dieselbe Portion Himbeerschokolade wie einst,
mit vielen knisternden, also frischen Hohlhippen -
— — . Die Gartenbeete, auf die ich herabblicke,
sind ein wenig bunter, origineller. Aber sonst hat
sich nichts verändert, in den Zeiten vom dummen
Kind zum müden Mann! Ich sehe Eltern, die ihre
Kinder im Park schelten; nnsre Eltern schalten uns^
nie ; sie erhofften es, daß wir sie einst belohnen würden
für ihre Güte; aber wir taten es nicht. Wir hatten
eine schöne Kinderzeit; so tauchen wir denn hinab
in Erinnerungen, da wir vom seienden Tage nicht
leben können. Wir hatten allzu sanftmütige, hoff-
nungsfreudige, schicksalergebene Eltern. Es war ein
Fluch und ein Segen ! Man kann nun an Zeiten zu-
rückdenken, die paradiesisch waren — — . Nicht
jeder, der vor sich das Dimkel sieht, kann liebe-
vollen Herzens der lichten Zeiten dankbar sich er-
innern .
122
EHEBRUCH
Ich verzeihe dir ! Vier Tage und vier Nächte habe
ich mich durchgerungen. Die Nächte besonders
waren voll von Qual. Wenn du gewußt hättest, was
du mir angetan hast an Leid, du hättest es wahrschein-
Hch nicht getan. Aber ihr wißt es eben nicht, wollt,
könnt es nicht wissen! Unser verstörtes AntUtz sagt
euch nichts. Prügel sind der Ausbruch für euch unserer
verletzten Eigenüebe. Und sogar Mord ist doch in
Eueren Augen nur Rachgier ! Unsere ZärtHchkeit könnt
ihr nicht ahnen, die wir für euer Leben haben, wie jedes
Muttertier für seine Jungen, oder wie der Storch,
der sich auf dem brennenden Dache niederläßt, um
mit den Jungen, die er nicht mehr erretten kann vor
Qualm und Hitze, selbst zu verbrennen! So sind
wir mit euch! Mit euch verbrennen, wenns keine
Rettimg gibt . Das zarte Nest ist in Gefahr,
das wir euch errichtet mit allen Mühen unseres
armen Lebens; das Nest ist in Gefahr . Ich
will dich retten, doch der Qualm betäubt mich.
Anita, oh Anita ^^ — ! Vier Tage und vier Nächte
hab' ich mich durchgerungen. Die Nächte besonders
waren voll von Qual. Ich will dich retten vor dir
und vor den anderen! Ich liebe dich, es bleibt nur
keine Wahl . In mir sind Gottes ZärtUch-
keiten für jedes Geschöpf, konzentriert auf dich!
Bis du es aber spürst, vergehen Jahre, Jahre. Mir
ist die Kraft verheben, an deiner Bahre, in deinem
toten Anthtz noch verständnisvollen Dank mir endlich
zu erspähen ! Vier Tage und vier Nächte hab ich mich
durchgerungen. Die Nächte besonders waren voll
123
von Qual. Ich liebe dich, es bleibt mir keine Wahl.
Wir wollen den Schmerz begraben, der uns begrub
. Ninam also dein neues Kleid, wir wollen zu
fremden Menschen gehen, die fröhlich sind, Geliebte !
124
HAMSUN-MENSCHEN
Ich habe irgendwo einen geistreichen Essay ge-
lesen — leider geist-reich, aber wahrheits-arm —
über das Wesen der sogenannten Hamsun-Menschen,
das heißt: jener Menschen, die Hamsun in seinen
Romanen beschreibt.
Es sind nämlich ganz einfach Menschen, die die
Lächerlichkeit des menschlichen Geistes und der
menschlichen Seele durchschaut haben und dahinter
gekonmien sind, daß alles öder Mimipitz ist ! Ich bin
überzeugt, daß Shakespeare die Eifersucht des
Othello, den Ehrgeiz des Macbeth, die Liebe des
Romeo für ebenso lächerliche tmd wertlose Dinge,
für übertriebene Irrsinne, für groteske Stupiditäten
von Monomanen oder Paralytikern gehalten habe;
nur hatte er damals noch die sogenannte gesunde
Kraft, aus diesen Irrsinnen scheinbar menschliche
Dramen zu fabrizieren! Hamsun hingegen hält
Markensammler, Münzensammler und Liebesleute
für lächerliche Persönlichkeiten, tmd nichts in der
Welt kann ihm ein Interesse abgewinnen als die
schändUche tmd infame Lächerlichkeit, mit der alle
Menschen die ihnen wichtig erscheinenden Dinge auch
ernstlich für wichtig halten! Diejenigen Unglückse-
ligen, die in der Mitte scliwanken zwischen der Be-
jahung und Negierung des Daseins, machen sich ein
Geschäft daratis, Hamsun -Menschen fälschlich er-
klären zu wollen, indem sie selbst weder den Mut
haben, bejahende Normalmenschen noch negierende
Perverse zu sein. Der sogenaimte gesunde Mittelweg ist
die Straße des feigen Idioten. Er allein ist der unge-
. 125
rechte und ewig mißtrauische Nichtsversteher! Sie
wollen in den Abgründen des Daseins sich ein Pf ädchen
herausschinden, auf dem sie scheinbar noch sicher
dahin schreiten könnten ! Aber vergeblich ! Es handelt
sich nur um einige Jahre, und auch sie werden zur
Browningpistole innerUch greifen müssen. Hamsun
erkannte die Nichtigkeit, die Lächerlichkeit, die
Bösartigkeit, die Gemeinheit des Lebens in jeder
Minute, in jeder Stunde, an jedem Tage; aber die,
die noch nicht die Kraft haben, das ganz zu erfassen,
klammern sich an irgend einen Popanz fest, der sie
hoffentlich irgend einmal zugrunde richten wird.
Hamsun-Menschen haben ganz einfach einen
milliardenmal tiefem Einblick in die Lächerlichkeit
und Wesenlosigkeit des Daseins, als die andern
Menschen, und derjenige, der sich aus diesen unent-
rinnbaren Wahrheiten herausretten will, beweist da-
mit nur die Feigheit, daß er mit einem wertlosen
Leben den wertlosen Kampf noch immer vergebüch
aufnimmt. Alle Menschen sind Münzen- imd Marken-
sammler, und wer ihre absolut wertlosen Irrsinne
nicht erkennt, ist ein ebensolcher Idiot, wenn er
auch in seelischer imd geistiger Beziehimg andre,
aber ebenso wertlose Sammlungen anlegt! Sich über
die letzten Erkenntnisse eines Hamsun-Gehirns hin-
überschwingen zu wollen, ist die infamste Feigheit
eines Menschen, der nicht imstande ist, eine Stunde
lang ein wahrhei tsvolles Leben zu führen.
Das Leben ist eine feige Lächerlichkeit, mit
frechen Ambitionen, imd es gehören alle Verlogen-
heiten der menschlichen Seele und des menschüchen
Geistes dazu, um es auch nur eine Minute lang ernst
126
zu nehmen! Strindberg wußte, was er von Frauen
zu halten hatte, die, statt ihn zu schützen und zu
schonen, ihm seine göttlichen Kräfte auf allen Wegen
und Stegen zu rauben suchten. Er hatte die Genialität,
an die Anständigkeiten der Frau zu glauben, fand
aber nur herzlose Tyranninnen, die die Schwächen
selbst der genialen Organisation auf perfideste und
heimtückischste Weise ausnutzten! Was August
Strindberg dichtete und dachte, war ihnen eine
nebensächliche Erscheinung, aber sein persönliches
Liebesleben kontrollierten sie mit ihren unfähigen
und niedrigen Sinnen! Alle Männer sollten wie
Strindberg es erhoffen, daß man ihre edelsten Kräfte
schonen imd schützen werde, und sie nicht aus-
mxtzen werde zur gemeinen Bequemlichkeit des
Tages- und Nachtlebens. Eine Frau, die auch nur
eine Stunde lang einen August Strindberg quälte,
wäre wert, von der ganzen Menschheit boykottiert
und gefoltert zu werden, denn für ihre Glückseligkeit
würde der Kommis einer Seidenfirma bessere Dienste
leisten ! Sie rächt sich in ihrem ewigen Vier-Wochen-
Tumus an den ewigen Entwicklungsfähigkeiten des
Mannes, und das Genife Strindbergs bäumte sich für
hunderttausend gequälte andre Genies auf gegen den
Mangel an Respekt einer geliebten Frau vor der
Geistigkeit des Mannes!
Hamsun nahm die Sache nicht so tragisch, sondern
mehr von der ironischen Seite, und selbst Shake-
speare war ein Strindberg und ein Hamsun im Grunde
seiner Seele, aber er hatte leider noch die gesunde
Kraft, es in fünfaktige Dramen umzusetzen, deren
eigentliche tiefe Ironie der Weltnieverständlich wurde !
127
Der Änsichtskartensammler ist kein größerer Narr
als alle andern, die sich an angeblich wichtigere
Objekte Tag und Nacht anklammem, um ihr Leben
damit auszufüllen und in kümmerlicher, armseliger,
schamlos-feiger Weise zu fristen. Je weniger Spesen
sie dabei haben, desto normaler sind sie. Es gibt
Schriftsteller, die die Geschicklichkeit haben, einem
Hamsun und Strindberg sogar ihre Irrsinne nach-
zuweisen ! Ich selbst begnüge mich mit der Ansicht,
daß sich außerhalb des Lebens zu bewegen und mit
ihm keine anderen Zusammenhänge zu haben wie die
eines satanischen Lächelns, die einzige Sache und
Aufgabe eines genialen Menschen sei!
Wer die Kraft hat, dem Leben mit aufgezogenem
Visier ins Auge zu blicken, der wird das große Mauer-
Oehling und Steinhof der Menschheit in Ernst und
Ruhe erkennen, und seine Stunde, die ihn von dem
Stumpfsinn und der Stupidität endgiltig befreit, mit
Freude erwarten — .
128
MEMOIREN
Ich lese die Geschichte vom Grafen von Lavalette,
und sie interessiert mich gar nicht. Er war ein Ge-
treuester Napoleons des Ersten.
Aber ich habe bisher es nicht eingesehen, wodurch
dieser „geniale Feuergeist", dieses „Ungetüm an
Lebensenergien", der Gesamtmenschheit irgendwie
geholfen habe !? ! Die Geschichte seiner „Getreuen"
interessiert mich daher um so weniger. Aber als
Lavalette, dieser „Tatendurstige" (ein schreckUches
Wort für den Lebenskundigen) eingesperrt \md hin-
gerichtet werden sollte, gab ihm seine Frau ihre
Kleider, und er entfloh. Sie selbst wurde im Kerker
derart mißhandelt, daß sie irrsinnig wurde.
Da begann ich mich für die Gräfin von Lavalette
zu interessieren, die in den Memoiren gar nicht er-
wähnt ist.
Ehre ihrer Seele!
129
WIDMUNG AN ANNA KONRAD
O Fraue,
Nicht was du bist, bist du!
Das, was wir von dir träumen, das bist du!
Was in der dunklen Wehmut unseres begeisterten
Blicks erschimmert, das bist du!
Der Duft deines Atems, der uns den Duft der ganzen
blühenden geheimnisvollen Welt bringt, das bist du!
Deine nicht erfüllten Sehnsuchten, die auf
deinem lieblichen AntHtz kauern, und die wir mehr
miterleben, miterleiden als du selber.
Das bist du!
Die Träne, die aus unsem Augen langsam herab-
rieselt (wir selber wissen nicht, aus welchem Leid
sie ihre Quellen hat) das, das bist du!
Und unser Lächeln bist du, wenn du
kommst !
Und unsere ernste Stille, wenn du von uns
gehst !
Wenn du uns kränkst und wenn du uns ver-
wundest.
Nimmst du dir selbst die Pracht des eigenen
Lebens,
Denn was wir von dir fühlen, das bist du!
Bleib darum nülde .
Dreh' nicht der Nachtigall den Hals lun, wenn
sie in die lichte Mondnacht schmettert.
Denn ihr Lied macht erst die Mondnacht zu
dem, was sie ist!
O Fraue, laß uns singen, sagen, klagen .
Was du von uns vernimmst, das erst bist du!
130
DER TOD
Wann soll ich sterben, mich umbringen?! Es
ist an der Zeit.
Es ist fünf Uhr morgens. Man sieht noch nicht
die großen braunroten Dächer der alten Wallner-
straßenpaläste. Man hört die Uhren von fünf Kirch-
türmen. Sie folgen einander so merkwürdig, wie mn
sich nicht gegenseitig zu stören, lauschendes Men-
schenohr nicht zu verwirren, das Ohr von Kranken,
die dem heimlichem Tage bang entgegenlauschen
"""" ""'^.
Wann soll es sein?!
Sie darf nicht geweckt werden aus ihrem mir
heiligen Schlaf, durch eine Nachricht, die jedenfalls
erregt und schadet . Wenns ihr auch schmei-
chelt, daß es ihretwegen ist — .
Ich muß also warten, bis die völlig Ausgerastete
die merkwürdige Botschaft hört,
daß ihr fanatisch getreuester Ritter sie dennoch
verlassen mußte, mitten im Seelendienste, der
ihn brach und sie nur störte, die einsam kranke
Frau .
Nach Hamburg wird die Kunde später dringen,
und H. M. ist gewappnet mit Ergebenheiten!
In ihrer Religion sind Kreuzigungen vorherge-
sehen, und sie wird leben aus innem Kräften,
durch Leid erhöht, betaut, befruchtet!
Bessie wird in Leysin, im Paradies des Winter-
sports am Genfersee, die Nachricht hören, und in
meinen Briefen vielleicht kramen, die sie besitzt.
Die Hauptsach' ist, daß meine vergötterte Frau
9* 131
in Wien nicht durch die Nachricht aus dem Schlafe
kommt, den sie so nötig hat.
Man muß sichs also einzuteilen wissen. Tag,
brich an!
Lebet wohl !
Der grelle Tag macht freilich den Abschied
schwerer als des Wintermorgens düstre Dämme-
rungen !
Jedoch die Frau darf's erst vernehmen, wenn sie
ausgerastet ist von langem Schlafe .
132
EINE GANZ WAHRHAFTIGE
BEZIEHUNG
Sie saß an einem riesigen Parterrefenster, das fast
den Boden der staubigen grauen elenden Dorf-
straße berührte, und nähte an einer schönen blinken-
den Nähmaschine Blusen, von morgens bis abends.
Ihre Augen hatten einen Ausdruck von Verzweiflung.
Aber sie selbst wußte nichts davon. Sie nähte, nähte
und nähte. Sie war ganz mager, ungeeignet für den
Sturm des Daseins, der Seelen und Körper schüttelt
und hinwegfegt. Abends aß sie das kalte Gemüse
vom Mittagstisch. Das sah ich alles durch das
riesige Parterrefenster hindurch, und sie sah, daß ich
alles sah.
Eines Abends stand sie vor dem Haustor so an-
gelehnt. Da sagte sie: „Ich habe eine Stellung ange-
nommen in Mariahilf in einer Blusenfabrik, ich
werde nicht mehr privat arbeiten müssen in diesem
einsamen Zimmer."
Da dachte iqji: „Dorfstraße, Dorfstraße, du hast
deinen Glanz, du hast deinen Reichtum eingebüßt!"
„Man muß sich seine Lage verbessern, nicht
wahr!?" sagte sie, „ich habe Sie übrigens immer an
meinem Fenster vorübergehen sehen, dreimal des
Tages. Dreimal des Tages sind Sie freilich vorüber-
gegangen. Aber in Mariahilf werden vierzig Mäd-
chen sein, und man wird plaudern können, und ar-
beiten wie in einem Ameisenhaufen ."
„Sie, Fräulein, ich werde auch dreimal noch täg-
üch an Ihrem Fenster vorübergehen, wenn Sie nicht
mehr dasitzen ."
133
„Ja, werden Sie das?!? Da werde ich also doch
auch zugleich zu Hause sein wie früher in meiner
Heimat ."
„Lassen Sie vielleicht Ihre blinkende kleine Näh-
maschine am Fenster stehen, und dabei eine ihrer
angefangenen Blusen ."
„Ja, bitte, das werde ich ."
Das war die einzige wahrhaftige Beziehung mit
einer Frauenseele während meines ganzen ereignis-
reichen Lebens .
Dorfstraße, graue staubige Dorfstraße, du hast
nun deinen Glanz, du hast deinen Reichtimi einge-
büßt . Sie, sie geht nun in die Arbeit, in die
Welt !
134
IM VOLKSGARTEN
•
Juli im Volksgarten. Die holde Frische der Ge-
wächse ist vorüber. Nur Rosa Crimson Rampler
blühen als. dunkelrotes Gebüsch. Auf dem Teich vor
dem Elisabethdenkmal sind die Seerosen verblüht.
Nur die Blätter liegen papierflach auf grünschillem-
dem Wasser. In den riesigen hellgrauen Tonkübeln
blühen heUrosa Hortensien. Die marmornen Kinder-
gesiebter an den Brunnen strahlen Lieblichkeit aus
sondergleichen. Es sollen die Kinder des Bildhauers
selbst sein. Heil ihm! Ein Mäderl von neun Jahren
zeigt uns aUe ihre herrUchen Künste. Sie hat nur
ein weiße$ Hemd an mit einer dicken roten seidenen
Schnur. Sie läuft Springschnur wie ein griechischer
Marathonläufer. Sie spielt Diabolo wie ein Cham-
pion. Sie spielt zugleich mit zwei Raketts und
zwei roten Gummibällen. Ich rufe: „Bravo, bravo!"
als säße ich in einem Vari6t6. Sie hat nackte
Gazellenbeine. Sie macht alles von nun an infolge
des Applauses für mich und meine edle Freundin.
Einmal heben wir ihr einen Ball auf. Sie weiß, sie
befindet sich in imsrer Gunst. Sie hat fremde Men-
schen für sich gewonnen, sie hat die enge Sphäre
von Papa, Mama, Onkel, Tante überflogen, sie ist in
das Land eingedrungen objektiver Anerkennungen.
Und da sagte ihre Mama: „Spiele doch zu mir
zu, ich will dich auch sehen, nicht immer nur deinen
Rücken."
Da wandte sich das Kind von uns ab imd spielte
gegen die Mama zu. Nur hie und da blickte sie sich
mn nach ihren fremden Verehrern.
135
Später kam der Papa, ermüdet vom Geschäfte,
„Amüsierst du dich, Amia? ! ?" sagte er zu seinem
Töchterchen.
„Amüsieren, amüsieren — " dachte Anna, „man
bewundert mich, man staimt mich an — .*'
136
ANSPRÜCHE EINER ROMANTIKERIN
Wenn dir. Du angeblich Liebender, jeder Atem-
hauch meines Mundes ebenso berauschend wäre wie
meinem Peter,
wenn dich mein Gehen, Stehen, Sitzen, und jede
Linie meines Leibes ebenso entzücken könnte,
wenn der dunkle IClang meiner Stimme, wie
Peter sagt, aus dem Gaumen-Resonanzboden,
dir ebenso lieblich tönen könnte,
imd ebenso berauschend das Rauschen meiner
seidenen Unterkleider wie ihm,
wenn du in das Waschwasser meines Lavoirs, in
dem ich badete, ebenso liebevoll deinen Kopf
untertauchen könntest wie er,
gleichsam um zu ertrinken in heiliger Flut;
wenn du mich ebenso nähmest als überirdisches
Wesen, das ich natürlich nicht bin imd nicht sein
kann, bei Tag und Nacht,
wenn du also gleich ihm aus meinen Armselig-
keiten eine verklärte Dichtimg machen könntest,
die dich beglückte und Leben spendete wie Tau und
Sonne den zarten Pflanzen
wer weiß, ob ich mich dann nicht verführen ließe,
dir zu dienen gleich ihm .
Aber du kannst, du wirst es nicht zusammen-
bringen !
Es sind Mysterien, aufbewahrt von Gott den
wirklich liebevollen Herzen!!!
Das zu erkennen, ist unser einziger, unser bester
Schutz !
Es gibt nur inamer einen, dem wir ein Verhängnis
137
werden! Den anderen sind wir Zitronen, die man
auspreßt, und deren Schale man in die Latrine wirft !
138
LEBENSWEG
Der Ältere und der Jüngere waren anfänglich
kolossal eifersüchtig aufeinander. Bis der Ältere ihr
einen geläuterten Brief schrieb. Darin stand unter an-
dern! : „Der Jüngere ist der Jüngere. Daher hat er den
momentanen Sieg. Aber der Ältere ist der Ältere. Da-
her hat er einen Vorsprung, welcher Art inmier. Es
wird sich schon zeigen — ." Sie verstand kein Wort da-
von. Infolgedessen versöhnten sich die beiden Rivalen.
Dem Jüngeren ward sie aber zu einfach, zu ruhig
mit der Zeit. Der Ältere ruhte bei ihr aus, von den
Strapazen seiner Seelenweltreisen. Der Jüngere hatte
sie lieb, solange sie nicht da war, der Ältere erst, wenn
sie neben ihm dahinging wie ein verlorenes Kindchen.
Er dachte dabei an die „Ludern", denen er unnützer-
weise sein Denken, sein Dichten, sein Träumen ge-
weiht hatte durch Jahre, imd die doch nur sich-über-
hebende freche Püppchen gewesen waren zeitlebens.
Aber auch er hatte bald genug von ihr, obzwar
er sie brüderlich zärtlich lieb hatte und sie ganz
verstand und achtete. Der Jüngere feierte hie und
da dennoch immer wieder Orgien mit ihr und be-
hauptete dann, sie sei doch die einzige von allen.
Der Ältere brachte sie zum Chor der Operette. Eis
begann ihr sehr gut zu gehen. Aber immer wieder
kam sie zu dem Jüngeren zurück ohne Grund, und
zu dem Älteren sagte sie sanft: „Wissen Sie noch,
wie Sie mir die Pfirsiche geschenkt haben? !" Später
fuhr sie im eigenen Automobil. Sie vergaß ganz des
Jüngeren. Aber so oft sie den Älteren erblickte, sagte
sie sanft: „Servus, Pfirsich-Herr!"
139 •
DIENSTE
Man kann vielen Menschen riesige Dienste in den
geringsten Kleinigkeiten leisten. Aber niemand tut
es. Zum Beispiel einer Dame zu sagen: „Wenn Sie
sich abends mit einem trockenen englischen Reib-
handschuh, fleshglove, den ganzen Leib leicht rosig
reiben lassen werden, ganz, ganz zart, ohne Reib-
eisengefühl, so werden sie gegen Zugluft vollständig
immun werden!"
Ich trat einst auf eine wunderbar schöne Frau zu
imd sagte zu ihr: „Gnädige Frau, ich könnte Ihnen
einen wesentlichen Lebensdienst leisten, den Ihnen
wahrscheinlich sonst niemand leisten würde — ."
„Nun, worin besteht er?!" „Sie haben in Ihrem
wunderbar modeUierten Ohr einen schwarzen Mit-
esser, den ich auf die zarteste Weise mit einem ge-
schickten Druck meiner zwei Finger entfernen könnte.
Mancher Mann könnte daran enttäuscht werden,
und es könnte Ihren edlen Lebensweg erschweren — ."
Die Dame erbleichte, stand auf, ging mit mir
hinaus. Ich entfernte ihr den schwarzen Mitesser
aus dem rosigen Ohr.
Dann sagte sie: „Sie, Herr, wie kommen Sie
eigentlich zu solchen Unverschämtheiten?! Was
gehen Sie denn meine Ohren an?!"
„Nichts", erwiderte ich und entfernte mich be-
friedigt.
140
WIE ICH GESUNDET BIN
Ich bin nämlich gar nicht gesundet, sondern aus
dem Grabe, wie ein Gespenst meiner selbst aufer-
standen. Aber ich habe in Inzersdorf bei Wien
einen schönen stillen Park gehabt mit Natnrwiesen,
einen allerbesten Direktor Emil Fries, einen Gent-
leman vom Kopf bis zu den Sohlen, seine edle
französische Frau zu meiner idealen Gesellschaft,
taktvoll imd herzlich vom Kopf bis zu den Sohlen ;
Fräulein Herta, die in sich Gekehrte . . . Und die
Gouvernante der Kinder war eine edle Melancho-
likerin, die die Bürde des Lebens tragisch auf sich
nahm. Der Park hatte eine Allee mit großen holz-
geschnittenen Löwen, die Wappen trugen, und in
den riesigen runden dunklen Gebüschen nisteten
Vögel.
In diesem MiUeu, wo nichts mich marterte, lugte
ich noch einmal aus dem Grabe heraus, so ein letzter
Blick auf wahre Werte der arg verworrenen Mensch-
heit.
In einem dunklen Gartenparterrezimmer sitzen
seit Jahren Graf C. und Herr von D. hart nebenein-
ander in alten Lederfauteuils, wortlos, ohne sich zu
rühren, stunden- und stimdenlang wie Wachsfiguren,
bis jemand kommt und sie zu Bette legt. Nie, nie,
nie sprechen sie einen Wimsch aus, rauchen nicht,
langweilen sich nie, warten auf die Tage, die Monate,
die Jahre, wie alte Bäume im Frieden der Natur.
Ich bin nicht gesundet ; meine Qualen haben sich
ins Maßlose gesteigert, ich ringe um Tag und Stunde
und um irgendeinen Lichtblick, wie es die englische
141
Tänzerin Esther war, die am ersten Abend zu mir ge-
sagt hat: „I have been in the whole world, but I
have leamed only one important thing : To hate the
man! Was will er ewig von ims, während unsere
Seelen noch kalt sind, und wir ihm doch schon unser
Bestes, ja unser Liebstes, unser Tanzen spenden?!?"
Esther, Esther, o Esther — Sie sagte : „Du, ich werde
dich besuchen, aber nur wenn du ganz lorank bist,
ganz, und mit geschlossenen Augen daUegst, denn da
brauchst du nicht mit mir zu sprechen."
Ich bin nicht gesundet und werde es nie, nie mehr
wieder. Ich ringe nur noch irgendeinen Lichtblick
ab, und dann adieu. —
142
GOTTESGNADENTUM
Gott, der in der Natur geheimnisvoll thront,
um Ideale abzuwarten, die sich endhch realisieren
sollen, vdll für alle, alle, alle, leidenschaftlichst ihre
Entwicklimg zu ihrer Vollkommenheit, zur Glück-
seligkeit, zu ihrem eigenen inneren und äußeren
Frieden ! Er überträgt daher vorerst den Herrschern
diese zarte und schwierige Mission, solange das Volk
noch unmündig ist. Aber später fühlt es leider
der Herrscher nicht, daß seme Milliarde von Schütz-
lingen aus eigener Kraft Gottes Wege zu wandeln
bereits erstarkt sind! Wie wenn ein Achtzigjähriger
noch immer von seinem fünfzigjährigen SprößHng
sagte: „Karlchen hat sich verkühlt — er muß einige
Tage das Bettchen hüten ". So behandeln
die Monarchen ihr geliebtes Volk, haben keine
Ahnung, daß es längst mündig geworden ist, sie
selbst aber unterdessen greisenhaft.
Gottes Gnade kann einem einzelnen verliehen
sein, der für alle zugleich sorgt; sie kann aber
später allen verliehen sein, die einzeln für sich
selbst sorgen! Vom einzelnen und von der Ge-
samtheit jedoch kann Gottes Gnadentum in gleicher
Weise mißbraucht werden! Es kann emer für alle
das Glück verschaffen oder verhindern; es können
alle es für sich selbst ebenso!
Gottes Gnade strömt aus Gottes Geist, aus Gottes
Herzen; und ein kleiner zarter Knabe kann sie aus-
üben, wenn er tausend Erwachsene vor einer Gefahr
bewahrt, die sie selbst nicht ahnen in ihrer rast-
losen Geschäftigkeit. Wenn der Herrscher die wir k-
143
liehe Gnade Gottes repräsentiert in bezug auf ein
ganzes Volk, so hat er das Recht, von seinem Gottes-
gnadentum zu sprechen!
In diesem Falle aber wird selbstverständlich das
ganze Volk diese Repräsentation auch unbedingt
bis in die innersten Nerven hinem spüren, und daher
aufjubeln und Dankgebete für ihn verrichten!
Wenn das aber nicht geschieht, sondern Murren
und bange Verzweiflung in den Landen los-
brechen, dann ist es an der Zeit, für die Weisen der
Nation, Einkehr zu halten, Ausschau, imd dem
Bedenken ihre geistigen Tore weit zu öffnen!
Es gibt kein Zurück, nach Gottes Ratschluß ! Es
gibt nur em Vorwärts, Vorwärts, Vorwärts, in jeg-
licher Sphäre menschlicher Betätigungen! Wer das
imtemimmt, ein einzelner oder alle, steht unter
Gottes Gnadentuml
144
AN EINEN UNMODERNEN ARZT
Werde gläubig! Gehe doch endlich von deinen
eingewurzelten Prinzipien ab, die für niemanden
passen als eventuell für dich selbst, und siehe, für
dich sogar vielleicht auch nicht! Denn du sogar
bist besser als dein eigenes Wissen!
Wolle neue, dir unbekannte, dir noch unver-
ständliche Welten kennen lernen, öffne deine Augen
und Ohren den neuen merkwürdigen Ereignissen !
Was du selbst weißt und erfahren hast, ist alt,
vermodernd und tot!
Was andere dir bringen aus anderen Welten, kann
dich erneuern!
Schaue mit ihren Augen, horche mit ihren Ohren,
fühle mit ihren Seelen, denke mit ihrem Geiste!
Wehe dir, wehe, wehe, der du deine eigene Welt
den anderen aufoktroyieren willst!
Solches durfte nur der Heiland . Denn er
wußte es, wofür er sich kreuzigen ließ — — — .
Aber du hast dich ewig zu bescheiden und den
Welten der anderen zu lauschen, von denen du
Töne vernehmen kannst, die dir bisher leider fremd
waren !
Nicht was du bisher wußtest, kann dich be-
reichem, sondern das, was du bisher nicht wußtest!
Aus der Weltenwurzel ewig neuartige Säfte,
Kräfte ziehen, heißt, ein feiner, nobler, kultivierter
Mensch sein!
Sein eigenes armseliges Weltchen den ungeheuren
Komplikationen des Weltenalls entgegenstemmen
wollen, ist eine feige Gemeinheit!
to
145
Ergib dich den neuen, dir noch unverständlichen
Wundem, und erhoffe es dir, durch neue Erfahrungen
dich selbst endlich desavouieren zu dürfenl
?46
ZYNISMUS
Ein neunzehnjähriger Gsonnasiast tötet eine Fünf-
zehnjährige mit fünf Revolverschüssen. Er verteidigt
sich in keiner Weise. Was hegt also vor? ! ? Es liegt
vor das unbewußte Bewußtsein aller Höllenqualen,
die einem liebenden Manne noch Zeit seines ver-
danmitenDaseins bevorstehen imd die eine dmnme, ver-
wöhnt werdende fünfzehnjährige Schöne den Männern
bis zu ihrem 35. Lebensjahre unbedingtest allmähhch
noch bereiten wird! Rettimg gibt es da nicht in
diesem Höllenpfuhle. Die mörderische Schlacht ist
vorzeitig, ist also rechtzeitig entbrannt, imd muß zu
Ende gekämpft werden, von dem unbewußt vor-
aussichtigen Desperado, mit fünf heimtückischen
Todesschüssen, weil die 15 jährige Geliebteste, Aller-
geliebteste, von einem Nachbar in „kindlicher
Freude" fünf Rosen annahm, einen Don Juan von
Kellner daran liebenswürdig-holder Weise riechen
ließ, und dieselbe Gnade dem unglückselig Liebenden
dann ironisch versagte ! Seine Voraussicht kommen-
der grauenvoller Leiden war seine verbrecherische
Genialität! Das Fräulein beginnt bereits, ganz
geheimnisvoll, sich zu fühlen als Beherrscherin und
2Jerstörerin dieser unglückseligen zarten Welt „männ-
liche Zimeigung", imd der neunzehnj ährige Rüpel weiß
nicht anders die schreckliche Gefahr zu bannen, als
indem er fünf tödliche Schüsse auf die Schuldig-
Unschuldige abgibt! Die Frau, die zartfühlende,
menschenfreundlich-adelige hat eine Verpflich-
tung ge^en an ihr erkrankte Männerseelen! Nicht
gerade die Verpflichtung, endgültige Erlösungen ihnen
M»
147
zu spenden, jedesf alls aber nicht mutwillig in eiternden
Wunden herumzustochern . Es ist keine große
Kunst imd keine Lebensaufgabe, Männer irrsinnig
und seelenkrank zu machen; aber ihnen wenigstens
wie ein milder, menschenfreundlicher Arzt die äußer-
sten imd unnötigen Qualen zu ersparen, das wäre
beginnendes, zartes, strahlendes, sich selbst vor allem
belohnendes Menschentum!
148
NACHTCAF£
Was ist ein Nachtcaf^?! Etwas Unverlogenes.
Die Mädchen wollen leben und nicht Frondienste
leisten, nicht Schaffei reiben und Nachttöpfe fremder
Menschen reinigen, solange sie noch entzückende
Leiber haben. Sie wollen sich andererseits betrinken,
um zu vergessen, daß das alles nicht so weiter geht,
in infinitum. Sie stehen vor stündlichen Gefahren,
müssen sich berauschen an irgend etwas, um sich
Mut zu machen für die Schlacht des Lebens ! Niemand
behandelt sie nach ihres jungen Herzens Wunsche!
Infolgedessen rächen sie sich, wie sie es können, bald
so, bald anders! Heimtückische, feige Marpdeure
sind nur die Männer ! Eine, der ich in Briefen meine
tiefste Sympathie, mein gerechtestes Verständnis be-
wiesen hatte, sagte dennoch: „Du mußt mir die
zwanzig Kronen im vorhinein bezahlen ! Wir
haben es leider gelernt, selbst romantisch veranlagten
Dichtem nicht mehr zu trauen !"
Die Damenkapelle ist eine Oase. Sie sind ver-
heiratet, Bräute, oder sonst treu irgend jemandem.
Sie haben ein konsolidierteres Schicksal. Sie haben
irgend etwas gelernt, wodurch man sich weiterbringt.
Sie haben sich der Lebensordnung eingefügt. Ob
sie glückhcher sind, nicht andern Enttäuschungen,
Gefahren ausgeliefert?!? Zwei Welten, hart anein-
ander, einander gleich in ihren schweren Kämpfen.
Keine Damenkapelle ohne diese Hetären, keine
Hetären ohne diese Damenkapelle! Nur die Männer
sind das perfide Element. Sie möchten alle zusammen
unglücklich machen, ihre ewig hungrigen Eitelkeiten
149
mästen mit den miglückseligen Blicken verliebter
Frauen ! Damenkapelle oder Hetäre gilt ihnen gleich,
ihre innere rohe Leere mit einem liebevollen dummen
Frauenherzen auszufüllen ! Nachtcaf 6, du
kleine miserable Welt, du Abbild der großen, noch
viel miserableren!
150
DIE NERVEN
Ich hatte einen Freund, einen höchst intelhgenten
Menschen. Aber seine Nerven, oh, die waren gar
nicht intelligent . . .
Emes Abends im Caf6 sagte er zu mir: „Du,
Peter, du könntest mir einen riesigen Freundschafts-
dienst erweisen! Ich fühle mich heute wieder so
greisenhaft, so ausgelöscht . . . Bitte sage mir nach
fünf Minuten, daß ich heute besonders frisch und
jugendlich aussehe ..."
Ich nahm die Uhr, legte sie auf den Tisch, und
sagte nach fünf Mmuten: „Du, sage mir, was ist
heute los mit dir? So jugendlich frisch hast du
wirklich schon lange nicht ausgesehen . . . !"
Er wurde ganz rot vor Freude, ganz begeistert,
und erwiderte: „Wirklich? Das freut mich! Solche
angenehme Sachen sagt einem halt niemand auf der
Welt wie du!"
151
I
BRITISCHE TÄNZERINNEN
Im Wiener Moulin Rouge ist jetzt eine Truppe
von acht jungen Engländerinnen, die angeblich nicht
viel tanzen können. Das ist aber grundfalsch und
eine echt dilettantische Auffassung. Die Art, wie
eine Frau ihre Persönhchkeit in Bewegung, in Tanz
wiedergibt, ist das Wertvolle an ihr und an ihrer
Darbietung ! Das allein ! Das SchreckHche an unsem
frühem Tänzerinnen war eben, daß die Schulung
und die Künsthchkeit ihre persönliche Grazie, ihre
individuelle Bewegungsart auslöschen, vernichten
mußten! In der modernen Welt wird aber die Per-
sönlichkeit frei, und man verzichtet gerne auf die
sogenannte hohe Schule! Diese jungen acht Eng-
länderinnen, die angeblich nicht viel können, wie
die Tanzmeister an den Tanzschulen behaupten,
diese jungen acht Engländerinnen repräsentieren in
Art und Gebärde dennoch die keusche, kindliche,
merkwürdige Anmut aller englischen Mädchen und
Frauen, die von Natur aus und ganz von selbst mit
unbeschreiblichem Geschmack und Takt begabt sind
und niemals mehr vorstellen wollen im Leben, als
ihnen von Natur und Schicksal beschieden ist! Sie
bleiben kindlich-herzig unter allen Umständen, in
jeder Situation, in jeder Lebenslage; sie akkomo-
dieren sich nicht feigerweise, wünschen lieber zu
langweilen, als mit übertriebener Lustigkeit aufzu-
warten! Sie tanzen, wie Kinder im Volksgarten,
im Stadtpark tanzen würden; oder im Hofe bei einem
Werkel, oder sonstwo für sich allein . Sie
rühren, ergreifen, und ihre Tanznatürlichkeit besiegt
152
die entsetzliche xanzkunst, die sich eine jede fast in
emsigem Bemühen erwerben kann ! Möchten wir uns
doch endlich, in jeder Hinsicht, von der schrecküchen
historischen Überlieferung emanzipieren, dieser Arte-
rienverkalkung der menschüchen Seele! Es gibt
heutzutage bereits einige Tänzerinnen, die nur ihr
eigenes Wesen in Bewegung umsetzen, ihre persön-
Hche Grazie allein wirken lassen! Mögen sie bei den
Tanzmeistem durchfallen, bei den Meistern <fes
lebendigen Lebens werden sie reüssieren. Diese acht
jungen Engländerinnen tanzen wie die allerherzigsten
Kindchen, sie rühren imd ergreifen, sie geben sogar
eine Idee von Englands Frauen überhaupt! Seien
wir ihnen vor allem dankbar, daß sie ims die manie-
rierten, affektierten, berechnenden Frauen noch un-
ausstehücher machen durch den Kontrast!
„Ich hole mir eine arme englische Tänzerin zur
Frau", sagte einmal ein genialer welterfahrener Mann
zu mir.
„Bravo," erwiderte ich, „aber wissen Sie auch,
weshalb Sie das tun?!?"
„Es sind kindliche und dankbare Geschöpfe,
die es einem nie vergessen, daß man sie errettet
hat vor dem und jenem, was immerhin passieren
könnte. Außerdem ist ihnen der sichere Ehrentitel
„Missis so und so" wertvoller als die flüchtigen
Triumphe, denen Enttäuschimg auf dem Fuße folgt !"
Ich glaube, die anständige, angebUch tempera-
mentlose Engländerin macht das bessere Geschäft
auf Erden, als die leichtsinnigen, lebensunkundigen
andern. Anständigkeit ist Willenssache. Aber
diesen Willen eben haben wollen, in allem und
^53
jedem, ist Kultur und Adel. Die Engländerin will
eben anständig sein! Möge sie daher Frieden,
Achtung und Sorglosigkeit einheimsen! Man gönne
es ihr .. •
154
DER TRATTNERHOF
Also dieser aristokratisch-einfache, zweckmäßig
gegliederte alte Bau soD nun auch verschwinden!
Statt dessen werden schreckliche Unnötigkeiten
erstehen, Türmchen mit Kupferplatten versehen,
oder eiserne schwarze, oder vergoldete ; riesige Email-
platten in allen Farben; kleine Balkone, auf die
niemand hinaustreten kann, mit Geländern wie irr-
sinnig gewordene Schlänglein ! Ein Tohuwabohu von
Unzulänglichkeiten! Ein architektonischer Hexen-
sabbat alles Unnötigen, Unzweckmäßigen, blöd Ver-
schwendeten auf Erden! In imseren geUebten Spie-
lereischachteln einstens waren Häuser mit glatten
edlen Wänden, breiten Fenstern, hohen Dächern»
großen Haustoren. Da konnten wir ims weite, stille,
abgeschiedene Zimmer hineindenken, in denen man
ein Refugium fand vor den Stürmen des äußeren
Lebens! Aber heutzutage ist man ehrlich; an der
Schnickschnackfassade sollst du es nänüich sogleich
zu spüren bekommen, daß du auch in deinem eigenen,
von dir selbst bezahlten Zimmer, keinerlei klöster-
lichen Frieden, Ruhe, Sicherheit, Vereinsamung, Abge-
schlossenheit mehr finden könntest ! Die
Menschen suchen Ornamente, Verschnörkelungen,
Zieraten (ein ekelerregendes Wort), weil sie zu ihren
eigenen, in sie von Gott gelegten Paradiesesein-
fachheiten noch nicht vorgedrungen sind!
Der alte, einfache, edle Trattnerhof hat diurch
Jahrzehnte niemanden gestört, belästigt. Ich sehe
nun schon alle Künsteleien ihre schändUchen Orgien
feiern. Häuser werden zum Bewohntwerden errichtet,
155
meine Herren Architekten ; architektonische Knockr
abouts gehören in den Wurstelpraterl
156
ARTISTISCHE RUNDSCHAU, WIEN
D ] e 1 1 a h. Über diese Künstierin wollen wir einem
berufenen Fachmann mid zwar dem Altmeister
Peter Altenberg das Wort lassen, welcher folgendes
schreibt :
Es ist sehr schwer für mich, über den „Clou" des
Etablissements „Tabarin" zu schreiben. Denn es ist
geradeso, wie wenn man sein eigenes Kindchen zu
loben hätte öffentUch. Und stets betrachtete ich
diesen speziellen Typus von adeliger, schlankster
braimer Frauenschönheit als meine geliebten ver-
götterten Kindchen. Ich meine in diesem Falle die
mala3dsche Tänzerin Djellah. Nicht was sie kann,
was sie ist, ist ihr Besonderes ! Ihr Sein, die Form
ihrer GHeder, der Ausdruck ihrer Augen, die Model-
lierung von Stirn und Nase, die Farbe ihrer Haut,
die Zartheit ihres Wesens ist ihr Besonderes. Man
würde sie ebenso verehren, wenn sie langsam durch
Lianenwälder schritte, oder in einem kleinen Rinden-
boote säße, oder in einem Dorfe vor einer niederen
Hütte kauerte Sie repräsentiert eine andere
Welt, eine schlanke, biegsame braune Welt, erfüllt
mit natürlicher Anmut und sanfter Bewegungs-
freudigkeit. Die unbeschreibliche Schönheit ihrer
gelbbraimen Beine zu schildern, wäre geschmacklos.
Vor Idealen verstummt man, falls man nicht ein ganzes
Feuilleton darüber zu schreiben den ehrenden Auf-
trag erhalten hätte. Da freilich muß man loslegen,
coute que coute. Djellah ist in der Richtung der
herrlichen Ruth St. Denis ; nur leidenschaftsloser,
weniger prunkvoll, selbstverständlich, ohne Cobra-
157
gif tdekoration. Um so edler und wertvoller. Bei uns
kümmert man sich leider noch immer viel zu viel
um das „Können" von Menschen, als ausschließlich
tun ihr „Sein". Das Erlernbare ist „erlernbar", aber
vor dem „Unerlembaren", in jeglicher Richtung, da
müssen wir „Habt Acht" stehen und ehrfurchtsvoll
salutieren. Heil Djellah ! Können, erlernen,
ist gar nichts; aber es von Schicksals Gnaden mit-
bekommen haben, Glieder, Hände, Füße, Gelenke,
Teint usw. usw., das ist das wirklich Besondere auf
Erden ! Da beginnt nämlich die physio-
logische Aristokratiel
158
PARFÜM
Als Kind fand ich in dem Schreibtisch meiner
geliebten wimderbar schönen Mama, der aus Maha-
goni war und geschliffenem Glase, in einer Lade
einen leeren Flacon, der aber noch immer intensiv
nach einem bestimmten, mir unbekannten Parfüm
duftete.
Oft schlich ich mich hin und roch daran.
Ich verband dieses Parfüm mit aller Liebe,
Zärtlichkeit, Freundschaft, Sehnsucht, Traurigkeit,
die es überhaupt gibt.
Aber alles bezog sich auf meine Mama. Später
überfiel uns das Schicksal wie eine imvorhergesehene
Hunnenhorde und bereitete uns allenthalben schwere
Niederlagen.
Und eines Tages zog ich denn von Parfümerie-
handlung zu Parfümeriehandlung, um in kleinen
Probefläschchen vielleicht das Parfüm zu entdecken
aus der Mahagonischreibtischlade meiner geliebten
verstorbenen Mama. Und endlich, endlich entdeckte
ich es: Peau d'Espagne, Pinaud, Paris.
Da gedachte ich der Seiten, da Mama das einzige
weibliche Wesen war, das mir Freude imd Schmerz,
Sehnsucht imd Verzweiflung bereiten konnte, das
mir immer, immer wieder aber alles verzieh, und das
um mich sich sorgte, und vielleicht sogar insgeheim
abends vor dem Einschlafen für mein künftiges
Glück gebetet hatte . . .
Viele junge Damen sandten mir in kindlich-
süßen Begeistenmgen später ihre Lieblingsparfüme,
dankten mir herzlichst für ein von mir erfundenes
159
Rezept, jedes Parfüm nämlich mmiittelbar nach
dem Bade direkt auf die nackte Haut des ganzen
Leibes einzureiben, so daß es wie echte eigene Haut-
ausdünstung wirke ! Aber alle diese Parfüme waren
wie die Gerüche von wunderschönen, aber eher
giftigen exotischen Blumen. Nur Essence Peau
d'Espagne, Pinaud, Paris, brachte mir melancho-
lischen Frieden, obzwar meine Mama nicht mehr
vorhanden war und mir nichts mehr verzeihen
konnte von meinen Sünden!
i6o
ÜBERS SCHREIBEN
Ich bin durch einen Briet meines wirklichen
Freundes und freundschaftlichsten (er schreibt un-
erhört flink auf einer allerbesten Schreibmaschine)
Fr. W. erst zur Erkenntnis gekommen, zur plötz-
lichen einbrechenden einfachsten Erkenntnis, daß gut
Briefe schreiben nur bedeuten könne, s o zu schreiben,
als höre der Briefempfänger während des Lesens
unmittelbar den neben ihm sitzenden Schreiber des
Briefes laut und eindringhch mit ihm sprechen!
Diesen Unterschied des schweigend Schreibenden
und des tönend Sprechenden ausgleichen können,
vollständig, in einem Briefe, heißt Brief schreiben
können! Alles andere ist literarischer Mumpitz
mit Lorbeeren gekrönt k la Schweinskopf. Tempera-
ment, Ungezogenheiten, Eigenheiten, Frechheiten,
Dummheiten, alles muß herausgellen, gellen,gellen ;
sonst ist es eine gemachte, verlogene und daher en-
n u y a n t e Sache ! Brief momentphotographie !
Zu mir kam einmal einer meiner Freunde, dei
Uhrmacher Josef T. Er hatte seine wunderbare
23 jährige Geliebte zu Grabe geleitet.
„Peter, Sie kennen mich, helfen S' mir! Eine
Grabschrift von Ihnen für meinen marmornen Ge-
denkstein! Wann darf ich hoffen, daß Ihnen was
Passendes einfallen dürfte?!?"
„Sofort," erwiderte ich mitten auf der Straße,
„oder nie!"
Er riß sein Notizbuch heraus.
Ich schrieb:
„Ich war der Uhrmacher Josef T.,
Und dann war ich im Paradiese durch Dich .
Und jetzt bin ich wieder der Uhrmacher
Josef T. ."
So rasch, so prompt muß man seine Menschlich-
keiten ausschütten; denn später wird es eine fade
Sauce ! Daher die vielen faden Saucen .
762
ANGSTSCHREI
Es gibt nur einen einzigen, einen allereinzigsten
Beweis einer Frau, ihrer echten, menschlichen, auf-
richtigen, anständigen Beziehung zu uns: das ist,
uns mit Absicht und heiligem Willen jegliche Eiferr
suchtsqual zu ersparen, ja sie in jedem Augenblick
einfach unmöglich zu machen! Dieser gütige Wille
allein beweist uns ihre wirkUche Zusammengehörig-
keit^mit uns! Diesen gütigen Willen kann sie sich
zulegen! Sonst bekonunt imser Edelgehim den Ver-
folgungswahn, gleich diesem adeligsten Gehirn Strind-
bergs!
Eine geliebte Frau muß luis schützen wollen zu
jeglicher Stunde, da wir einmal in bezug auf ihren
geliebten, vergötterten Leib in einer Art von mysteriö-
ser Hypnose uns befinden ! Diese unsre schrecküche,
durch sie allein erzeugte Krankheit muß sie behandeln
wie ein Arzt einen unglückseligen schwer Erkrankten,
der seiner Obhut sich gläubig überläßt ! Wehe, wenn
sie diesen ohnedies schwer Leidenden auch noch ab-
sichtlich schwächen wollte, statt ihm Heilung zu
bringen, da es doch nur von ihrem edlen anständigen
Willen abhängt, es zu erreichen!
Diese Heimtücke, uns absichtlich unglückselig zu
machen, ist die Schlange in ihr. Denn jede anständige
Persönlichkeit hat den natürlichen Wunsch, ihren
armen Nebenmenschen zu helfen imd zu dienen,
soweit es nämlich möglich ist! Die Zerstönmgs-
elemente sind eine gottlose infame Gemeinheit, die
nur in teuflischen Organisationen liegt. Jede andre
sucht zu schützen und zu helfen, soweit es möglich ist!
II'
i6s
Eifersucht ist eine schwere Erkrankung des Ge-
hirns, die von jeder menschenfreundüch gesinnten
Frau gebannt, geheilt werden kann. Wenn sie es
absichtlich unterläßt, so ist sie eine Teufeline, eine,
die sich an der Zerstörung unsrer heiHgen Lebens-
kräfte weidet, weil sie nur Böses überhaupt leisten
kann und Zerstörendes, nicht aber Leben, Freudiges
und Gedeihendes!
Mögen die wertvollen, kultivierten Männer ein
wenig genauer zusehen, wodurch ihnen der größte
Teil ihrer wertvollsten Lebensenergien eigentlich voll-
kommen grundlos täglich geraubt und vernichtet
wird, und mögen sie endlich anfangen, sich ernstlich
zu schützen vor dieser tiefsten Gef aJir : Ungezogenes,
eitles, freches und sich überhebendes WeibI Teufe-
line statt Schutzengel!
164
JULI-SONNTAG
Fünf Uhr morgens. Alles ist gebadet in gelbem
Sonnenlicht. Noch ist es frisch und kühl. Viele
Touristen erheben sich aus dem Schlaf, unausge-
schlafen, der Sonne entgegen. Leicht wird es ihnen,
mit kaltem Wasser das Schlafbedürfnis zu bannen.
Noch ist es kühl, und man schreitet dem heißen Tag
entgegen, wie in die heiße Schlacht!
Viel zu wenig bieten der Tag und die Stunde
den meisten. Und auch das genügsamste Herz lechzt
nach AußergewöhnUchem. Da kommt der Juü-
Sonntag in grellem gelbem Licht! JuH-Sonntag, du
sollst es bringen!
Überallhin echappiert die unzufriedene Mensch-
heit. Müde gelaufen fällt sie dann zurück in die
Pflicht! Montag, wie wärest du sauer, wärest du
nicht die Quelle imd Ursache sonntägHch kommenden
süßen Glücks! Sonntags siehst du die Müden in
Wiesen und Wäldern gelagert, rein gebadet vom
Schmutz der vergangenen Woche, kommender Woche
gefaßter entgegenharrend.
165
DER JAGDHERR
„Herr Baron, weshalb sehen Sie heute so gedrückt
und verstimmt aus?! Wenn Sie nicht froh und
sorglos aussehen sollten, wer könnte es dann noch
überhaupt?!?"
„Sie scheinen es nicht zu wissen, daß jetzt der
Herbst ist und die ,Hirschbrunft' anfängt. Nein,
wie mir mein Oberförster gemeldet hat, daß die
Hirsche bereits ,röhren', da begann meine Verzweif-
lung. Ich hörte schon die stimdenlangen, endlosen
Gespräche meiner geehrten Jagdgäste darüber, wes-
halb und aus welchen komplizierten Gründen sie
den Vierzehnender nicht getötet haben. Ich sage
zu meinen Jagdgästen immer absichtlich ,getötet*,
denn da giften sie sich am meisten; denn eigentlich
müßte man sagen — , aber das stupide technische
Wort kann ich mir, oder will ich mir vor allem, nicht
merken. Meine Gäste wären so nette Menschen,
wenn sie nicht jagen würden! Ich verstehe absolut
nicht, weshalb ein Hirsch, der vierzehn Enden hat,
interessanter sein sollte als einer, der überhaupt kein
Ende hat. Jedenfalls, so viel Enden kann kein Hirsch
haben, daß er für mich an Interesse gewänne! Ich
esse nicht einmal sein Fleisch, da es schwarz,
saftlos und meistens zäh ist. Einmal sagte mir ein
Weiser :
»Wissen Sie, Herr Baron, weshalb ich so gern
Hirschbraten esse?!?*
,Nein,' erwiderte ich, ,das kann ich mir ^ nicht
denken .*
, Wegen der Sauce Cumberland, die so gut
i66
dazu paBt, aus Hetschepetschfrüchten, Rosenfrucht,
bereitet !*
, Aber, lieber Freund, da essen Sie doch die Hetsche-
petschsauce für sich alleine!?*
,Ja, Herr Baron, wenn man das könnte; aber das
kann man nicht 1 Sie gehört zum Hirsch-
braten*.
Ein Jagdgut ist sehr angenehm natürlich, aber
nur wegen der Mühlen, Kalkbrennereien und so
weiter, die dazu gehören. Die vielen Hirsche stören
mich, sie lenken mich ab von einer anständigen,
fruchtbringenden und sinnvollen Tätigkeit. Besonders
die Vierzehnender hasse ich; über die wird nämlich
am meisten und wichtigsten Blödsinn geredet. Am
tragischsten aber ist es für mich, wenn dieses Tier
nicht getötet, sondern nur angeschossen wird. Da er-
reicht die Aufregung meiner Jagdgäste den Höhe-
punkt. Man glaubt jedesmal, sie hätten die Schlacht
von Sedan verloren oder wären plötzlich entthront
worden. ,Man wird es schon finden, das arme Tier,*
sage ich da jedesmal, um sie zu giften. ,Es wird in
einem Gebüsch gestorben sein, etsch!* Beim Wort
,gestorben' möchten sie mich alle ohrfeigen .
Aber lieber ist es mir, das arme Vieh werde so-
gleich ins Herz geschossen, damit es die Leiden er-
spare imd ich meine Ruhe haben könne beim Souper.
Nim werden Sie mich natürlich fragen, weshalb ich
überhaupt eine Jagd habe und Jagdgäste dazu ein-
lade. Da kann ich Ihnen nur mit dem mysteriös-
philosophischen Satze, den noch kein Kulti-
vierter je ergründet hat, antworten : ,MeinüeberHerr,
das verstehen Sie nicht, es gehört einmal dazul
167
iii
Der Baxon schwieg; dann sagte er:
„Einer meiner geehrten Herren Hirschgeweih-
jagdgäste lud mich aus Dankbarkeit wieder zu seiner
, Wildschweinjagd* ein. Ich war gezwungen, irgendwo
auf einem Balkon, der mit Reisig eingefriedet war,
auf das gutmütige und häßliche Vieh zu warten.
Endlich erschien es und knabberte schnauzend an
einem Hügelchen von Kukuruz, das als Lockspeise
eigens listig errichtet war. Da schoß ich es, pumps,
ins Herz, und bekam als Trophäe die Stoßzähne, die
ich in den Abort warf ."
i68
EPISODE
Zwei elegante junge Leute stellen sich ver-
legen vor:
„Wir sind seit langem begeisterte Verehrer Ihrer
Dichtungen und bitten Sie um die Ehre, an unserm
Tische mit uns Champagner zu trinken .**
„Meine Herren, ich bin sehr, sehr krank, und bitte
Sie daher, mir vorher alle Garantien zu bieten, daß
man sich in vollster Korrektheit benehmen werde!"
^ „Aber Herr Altenberg, würden wir sonst um die
Ehre Ihrer Gesellschaft zu bitten überhaupt wagen ? ! ? * '
Zwei Stunden später: „Sie, Peterl, mir san ganz
gewöhnhche naive Menschenkinder, aber Sie haben
doch das Raffinement, Sie verstehen doch diese
Sachen aus dem ff. Sie, bitt' Sie, mir beide fliegen
so kolossal auf dös Menscherl dort am dritten Tisch.
Gehn's, kobem's es uns zu — spielen Sie den Ver-
mittler!"
Ich stand auf, S2^te: „Meine Herren, Sie ver-
gessen Ihre zugesagten Garantien ! Ich muß Sie emst-
Uch daran erinnern ."
„Was Garantien — wir wollen ims für unser Geld
amüsieren."
'Darauf stand ich brüsk auf, ging zu der Dame hin
und brachte sie an den Tisch. Eine Pause entstand
beklommener Verlegenheit. Dann sagte ich: „Sie
haben mm für Ihr Geld Ihr Vergnügen! Apropos,
es gebühren mir aber noch für die Vermittlung zwei
Flaschen Schampus! Also her damit! Ich werde
sie aber allein an einem anderen Tische trinken!"
169
JOSEF KAINZ
Habt ihr Wasser über Felsen donnern, krachen
gehört ?. I
Hagel aufschlagen in taubeneigroßen Körnern?!
Wolkenbrüche auf Dächern niedersausen ? I
Sturmwind durch Wälder fegen?!
Felder gemäht werden vom Winde?!
Seewellen an Land hingepeitscht werden ?1
Und die Geräusche aller übrigen entfesselten
Naturkräfte ? ! ?
Seht, so, so war Josef Kainzens Stinmieü!
So ähnlich muß Gottes Stimme getönt haben,
Als er bei Erschaffung der Welt befahl:
„So und so will ich es!!!"
170
BETTLERFRECHHEIT
Es ist doch selbstverständlich, daß ein Bettler,
der in einem palastartigen Zinshause im ersten
Stocke schüchtern-bescheiden anklopft oder vielmehr
auf den elektrischen Knopf kurz drückt und in
äußerster Zerknirschung um ein Stückchen Brot
bittet, es erwartet, daß man ihm ein Beefsteak mit
Spiegelei und extra eine Krone bar hinausreiche.
Sollte aber jemand naiverweise den Wunsch nach
einem Stückchen Brot ä b. lettre erfüllen, so darf er
sich über die vollständig korrekte Antwort nicht
wundem: „Dös können's selber fressen!"
Daher zeugt die Art, ohne demütig zerknirscht
anzuklopfen, sondern ernst und in gerader Haltung
1000 Kronen geborgt zu verlangen, von tieferer
Menschenkenntnis; denn hier klammert sich das
Opfer der „ungerecht verteilten Lebensgüter im
Dasein" wenigstens an diese letzte Hoffnung: „Er
wird zurückzahlen, falls er kann ." Nein,
Esel, falls er will! Aber er will nie, nie, nie. Denn
wenn er die Ejraft mitbekommen hätte von seines
Gehirnes Gnaden, zurückzuzahlen, so hätte er auch
vor allem die Kraft mitbekommen, so sparsam zu
leben, daß er nie in eine so verzwickte, also bereits
der Unanständigkeit und dem Betrüge nahe
Lage gebracht worden wäre!
171
VON MEINEM KRANKENLAGER AUS
Ich lese so viel wertlose Bücher annonciert, be-
sonders die, deren Illustrationen ebenso unverständ-
lich blöd wie die „Sand in die Augen streuenden"
pathologisch-aufgeblasenen Texte dazu sind. Ich
gelte selbst als unverständlich und verworren. Das
ist aber ein großer Irrtum. Ich bin nämlich ganz
einfach zu verstehen für Leute, die eine Seele haben
und sogenannte „Hyperästhesien", wie wir Grie-
chen uns auszudrücken beheben, danut das Volk
uns nicht sogleich verstehe. Auf Deutsch heißt es:
Überempfindlichkeiten. Und daran krankt
oder, wie tiefer Denkende es auffassen, daran ge-
sundet allmähhch unser, bisher ein bißchen zu
brutales Zeitalter. Aber, um auf das Thema dieses
Aufsatzes zu kommen, dessen Einleitung bisher ziem-
lich verschroben imd unnötig gewesen ist ,
ich fühle mich eben in diesen verworrenen Zeit-
läuften, wo schlecht von gut deshalb schwer zu unter-
scheiden ist, weil so viele talentlose Idioten die Kon-
junktur „Richard Wagner war auch einst verkannt
und mißverstanden" frecher- und tölpelhafterweise
ausnützen, ich fühle mich eben in diesen verworrenen
Zeitläuften verpfUchtet, ein unbeschreibüch ein-
faches, Eondem verständHches, herrUches, rührendes
Buch öffenthch zu erwähnen: PhiHppe Monnier:
Blaise, der Gymnasiast, übersetzt von Dr. Rudolf
Engl imd Marie Döderlein, Verlag Albert Langen.
Ich glaube, viele unserer Literatursnobs werden sich
schämen, wenn sie die Wirkung dieses unerhört ein-
fachen Buches verspüren werden in ihren, zu gor-
172
dischen Knötchen verschlungenen Gehimchenf Es
ist keine sonderliche Kunst, sich, indem man andere,
Contemporains, bewundert, den Erfolg eines adelig
denkenden Unabhängigen, Vorurteilslosen zu er-
gattern! Aber solche Manöver wird man dem
todeskranken, bereits in lichteren Sphären befind-
liehen Autor der ausgezeichneten Bücher „Wi€ ich
es sehe" und „Was der Tag mir zuträgt" keineswegs
zumuten können. Blaise, der Gymnasiast, versetzt
feinfühlige Menschen in alle poetisch-romantisch-
alltäglichen Vorkommnisse ihrer Jugend, deren Er-
lebnisse niemand vor dem 40. Lebensjahr zu ge-
nießen oder literarisch zu verwerten weiß! Jugend-
zeit, du goldene Zeit , aber mit welchen
tiefen Niaiserien ist sie in diesem Buche vorge-
führt ! Man erholt sich von sogenannten talmimoder-
nen Malern, Dichtem, Bildhauern und Frauen. Wenn
ich einfach sein will, so muß ich es vor allem auch
wirklich sein können. Nicht ein jeder darf nämlich
als ,jhärener Pilger" ims belästigen! Etsch!
173
KRANKHEIT
Wenn sogenannte Freunde einen Schwerkranken
besuchen, haben sie ausschließlich die Absicht, alles
schön. zu färben. Niemals hat er blühender ausge-
sehen, ja direkt verjüngt. Man möchte es nicht
glauben, in dieser kurzen Zeit! Die Hqfüiung, mit
dem billigsten, was es auf Erden gibt, dem schönen
liebenswürdigen Wort, sich aus der Affäre zu ziehen,
ist größer al^ der Zwang der Anständigkeit, den die
schlichte Wahrheit erfordert. Man findet sein Zimmer
ganz einfach süperb, viel gemütlicher als sein ein-
stiges Heim, obzwar man genau weiß, daß er mit
allen Fasern seines Herzens an jedem Winkel seines
geliebten Heimatzimmerchens hing. Man vermeidet
es geschickt, zu fragen, wer denn alles bezahle, und
fragt diskret an, ob die drei Kronen, die man einmal
rekommandiert geschickt habe, auch wirklich ange-
kommen seien. Bei bejahender Antwort verklärt
sich das Antlitz des Spenders, imd er sagt: „No,
siehst du, Peter, wie man dich nicht verläßt in deinen
schweren Zeiten!?"
Der Kranke wird plötzlich zu einem Verfemten,
mit dem man geschickt lavieren muß. Den Gesunden
konnte man auf verschiedene imd eigentümliche Art
ausnützen imd verwerten: War er gescheiter, so
konnte man seine eigene Stupidität hinter ihm be-
quem verbergen; war er liebenswürdiger, so konnte
man die eigene Roheit durch ihn geschickt kaschieren.
Aber der Kranke ist zu nichts Rechtem mehr zu
gebrauchen. Ihn den Würmern noch für längere Zeit
vorzuenthalten, ist scheinbar eine schlechte Speku-
174
lation; aber ein gewisses Schamgefühl verhindert
sie dennoch, den Unterschied zwischen der Be-
ziehung zu dem Gesunden und zu dem Schwer-
kranken allzu augenfällig zu machen. Außerdem
könnte es ja doch unter der Million von Idioten einen
geben, der die ganzen Manöver durchschaute.
Man liebte den Gesunden selbstverständlich eben-
sowenig vne den Kranken, aber man hatte damals
wenigstens keine Gelegenheit, ihn als eine direkte
Last zu empfinden, und infolgedessen hielt man die
natürlichen Grausamkeiten ihm gegenüber in ge-
wissen Schranken der sogenannten Wohlerzogenheit.
Trotzdem gönnte ihm niemand Zeit seines Lebens
Freude und Glück, und wenn er es sich trotzdem
errang, so geschah es unter merkwürdig schwierigen,
belastenden Umständen, die aus dem Neid der so-
genannten besten Freunde entsprangen. Dem Ge-
simden gönnte man nicht eine Stunde lang seine
Kraft, zu leben, begeistert zu sein, zu lieben und
aufwärts zu kommen, imd erst der Schwerkranke
befreit die Freunde von der stündUchen Gefahr,
daß er ihnen über den Kopf wachse. Wenn die Er-
fahrungen, die der Kranke macht, dem Gesunden
zugute gekommen wären, wäre er fast ein Genie
geworden an Lebenskunst; so aber wurde er das
selbstverständliche Opfer der heimtückischen Lüge
des Lebens.
Oscar Wilde starb, wie keiner von der Million
der Enterbten je dahingestorben ist ; aber viele Jahre
nach seinem Tode setzte ihm eine Pariser Dame
einen Grabstein, der vierzigtausend Franken kostete.
Könnte der Tote seine geniale Hand emporrecken,
175
So würde er die wertlosen steinernen und bronzenen
Dekorationen zertrümmern, die eine Gans seinen
vermoderten wertlosen Gebeinen gesetzt hat. Gebt
dem Lebendigen die Kraft, alle Genialitäten seines
Hirns, seines Herzens für euch Stumpfsinnige, Keu-
chende, Kriechende zu verwerten und ausleben zu
lassen, und überlasset die Sorge tun die sechs Rap-
pen, die den Leichenwagen des zu Tode Gemarterten
ziehen werden, der Entreprise des pompes funßbres !
176
AN EINE ELFJÄHRIGE (f)
Hilde, Elfjährige, ich wußte nichts bis dahin über
dich .
Nun aber habe ich deine Stimme vernommen,
deine wimderbar klare tönende Stimme,
wie Seelenglocken so hinaustönend in die dumpfe
stumpfe Welt!
Und diese Stimme wird alles viel deutlicher, viel
tiefer, viel erhabener, viel verzweifelter einst spre-
chen, was das Leben des Tages und der Stimde uns
zu sagen zwingt!
Wie wird diese Stimme einst sagen: „Bleibe bei
mir!?*,
Wie wird sie es sagen: „Du liebst mich nicht
mehr!?" Und: „Adieu, adieu ."!?
Diese Stimme ist so klar und r^n wie Gottes
Träume über das Leben der Menschen!
Aber das Leben der Menschen selbst ist unklar
imd schmutzig-trübe! Diese Stimme wird hinein-
tönen wie eine Seelenglocke, ernst, erhaben, liebevoll,
feierlich, rührend, in das dumpfe Gebrause der Mensch-
heit, sie wird verklingen, übertönt werden imd aus-
gelöscht . Sie wird ihren tönenden Glocken-
klang verlieren und dumpf werden wie die Um-
welt .
Aber ein alter Dichter auf dem Sterbebett hat
sie noch vernommen und nimmt den Klang mit aus
einer dumpfen stumpfen Welt, tief gerührt und er-
griffen .
Stimme der elfjährigen Hilde, klare tönende
x<
177
Seelenglocke, läute, töne, solange, solange es irgend-
wie geht .
Und wenn sie dumpf wird im Brausen des Lebens-
getriebes, dann gedenke, Hilde, des unglückseligen
Dichters, der noch die Seelenglocke deines edlen
elfjährigen Herzens im Ohre mit hinübemahm .
178
KRANKENBESUCH
m
Die Freunde wollten dem todkranken Dichter
eine nach ihrer Ansicht ganz exzeptionelle voll-
kommene Schönheit, eine Künstlerin aus München,
vorführen. Sie nahmen daher ein Auto und fuhren
hinaus zu ihm in das Sanatorium.
Die Dame war ganz einfach angekleidet, ganz in
Schwarz. Sie hatte ungefähr die Gestalt der Kaiserin
Elisabeth, ein bleiches Gesicht, aschblonde, fast hell-
graue Haare.
Die freiwillige Pflegerin des Dichters begrüßte
vor der Zimmertür die Ankommenden und warf
einen flüchtigen, merkwürdigen Blick auf das un-
beschreiblich schöne PerlenkoUier an dem nackten
Hals der fremden jungen Dame.
Darauf sagte einer der Freunde des Dichters:
„Sie, Fräulein, der Dichter befindet sich immer in
schweren ökonomischen Krisen. Wenn er dies herr-
liche Kollier an Ihnen sieht, wird es ihn bei seinen
sowieso zerrütteten Nerven aufregen, daß es Künstler
gibt, die anders bezahlt werden als er."
„Oh," sagte sie, „glauben Sie wirklich, daß ihn
das aufregen wird? Dann will ich es ablegen." Sie
nestelte an der Goldschließe, nahm das KoUier in
die hohle rechte Hand .
„Sie sind eine liebe, feine Person!" sagte einer
der Freunde. „So etwas Takt- und Geschmackvolles,
diesen halb irrsinnigen Dichter so zu schonen! Ich
muß wirklich sagen, ich könnte Ihnen die Hand
dafür küssen."
Die Dame trat als erste ruhig in das Kranken-
"• 179
zimmer an das Bett des Dichters, nannte ihren Namen,
gab ihm ihre wunderschöne rechte Hand mid ließ
ihm das darin befindliche Perlenkollier in der seinen.
Beim Abschied sagten die Freunde: „Jetzt ist
keine Gefahr mehr. Jetzt können Sie Ihr herrliches
Perlenkollier schon wieder anlegen."
„Ich will es Ueber in der Tasche behalten", er-
widerte ruhig die Dame .
tSo
NOTIZ
Die Polizei hat die Vorführang einer Reihe von
Filmen in den Kinematographentheatem, diesen
modernsten, theoretisch wenigstens einzig mög-
lichen Bildungsstätten für das Volk, verboten, weil
sie Tiermißhandlimgen (Ausreißen der Straußen-
federn auf Farmen, Stopfen, Mästen der Gänse in
Pistyan usw. usw.) selbstverständlich in der-
selben schamlos krassen Art zur Darstellung ge-
bracht haben, in der sie aber tatsächlich ausgeübt
werden. Die Entrüstungsrufe des Publikums
sollen zu dieser polizeilichen Verordnung den Anstoß
gegeben haben. Die Menschen sollen es also nicht
erfahren, welche Schändlich keiten aus Erwerbs-
zwecken begangen werden. Das erinnert allzu sehr
an die alte Anekdote, in der ein MiUionär seinen
Kammerdienern befahl: „Werft's mir diesen alten
unglücklichen Hausierer hinaus, er zerbrecht mir das
Herz!"
l^ur ein unerbittlicher Einblick in das Un-
glück, das so viele Wesen schtddlos trifft, kann die
stumpfen, trägen Herzen der Menschen aufrütteln,
zu Verbesserungen und wahrhaftiger Menschlich-
keit! Ich füge ein Erlebnis hinzu, das zwar nicht
daher paßt, aber immerhin einen Einblick gewährt
in die in Vertiertheiten schlunMnemde Seele der
heutigen Menschen. Einer meiner Bekannten, ein
fanatisches Mitghed des Tierschutzvereines, stellte
einmal einen brutalen Kutscher zur Rede, und als
dies nur nachteilige Folgen für die armen Pferde
hatte, machte er die Anzeige gegen den Kutscher.
l8i
Vor der Verhandlung sagte der edle Rechtsanwalt
Dr. Kr. meines Bekannten zu ihm: „Sagen Sie nicht
allzu schroff imgünstig gegen den Kutscher aus, und
verlangen Sie besonders nicht seine Bestrafung, weil
er drohend gegen Sie den Peitschenstiel erhob. Es
geht nur an den armen Pferden aus! ,Wart's,
Ludern, dös sollt's mir büßen' 1"
In Deutschland ist das künstliche Stopfen,
Mästen von Geflügel strengstens biei hoher Strafe
verboten. „Friß, so lang' du fressen kannst und
magst!" ist ein humaneres Prinzip als: „Friß, ob
du magst oder nicht !"
Ein bisserl Anständigkeit, meine Herrschaften,
man verlangt ja eh nicht viel! Die Gansleber wird
auch schmackhaft nach sechs Monaten, laßt's doch
dem armen Vieh Zeit, seine Leber dem nieder-
trächtigen, wollüstig-feigen Gaumen der Menschen
zuHebe maßlos zu vergrößern! Man muß ja nicht
mit den verbrecherischen Fingern und Federkielen
nachhelfen; Tiere wie Menschen fressen sich ja
eh zu Tode, wenn man sie nur laßt!
182
RÜCKKEHR VOM LANDE
Nun ist es wieder Herbst geworden, und die
Graben-Kioske füllen sich zur Abendzeit mit wohl-
gepflegten und gebräunten Damen.
Man hat sich so viel zu erzählen, und man
schweigt !
Man ist wieder in diesem Gefängnis „Großstadt".
Man träumt von Licht und Luft imd Wasser.
Man war ein anderer, besser, menschhcher, mit
einem Wort „beweglicher".
Nun geht man seinen Trab wie eh und je.
Man fühlt sich altem, schwerfällig werden, klam-
mert sich an dieses unglückselige Wort : VerpfHch-
timgen !
Die Wohnung will nicht in Ordnung kommen,
und die Dienstboten kündigen.
„Die gnädige Frau war am Lande viel netter zu
uns — ."
Ja, das war sie.
Die Kellner in den Kiosken begrüßen alle Gäste
wie Weltreisende, die vielfache Gefahren überstanden
haben .
Nun nehmen sie Soda-Himbeer im sichern Port!
Die Deklassierten, die nicht fort waren, mischen
sich in die Menge der Zurückgekehrten, als ob nichts
vorgefallen wäre .
Ja, sie haben sogar die naive Frechheit, zu be-
haupten, Wien wäre am angenehmsten, wenn aUes
„auf den Ländern" weile .
Damen, nüt den veredelten gebräunten Ant-
litzen, lasset euch nicht betrügen von dem Prunk der
183
Großstadt! Erschauet in den Spiegeln eurer Ge-
mächer einen Zug auf eurem Antlitz, den Licht und
Luft und Wasser und Freiheit modelliert haben,
und der nicht da war ehedem, und der verschwinden
wird im Wintertrubel!
Komödie hier, Komödie dort vielleicht .
Doch imter freiem Himmel ist das Theater
schöner I
184
NICHTS NEUES
So viele Menschen, man könnte sieStrindberg-
Organisationen nennen, nach ihrer Art, physio-
logisch-psychologisch zu reagieren, erwarten immer
und immer von der geliebten Frau etwas ganz
Besonderes, als ob sie die Verpflichtung hätte,
plötzlich die Seele eines indischen Theosophen zu
bekommen, der Gott um MiUiarden Kilometer
näher steht als alle anderen nur sogenannten
Menschen !
Da erinnere ich mich immer imd immer wieder
dieses Franz Schubert, Liederdichters, zu dem seine
vierzehnjährige Schülerin Komtesse Esterhazy ein-
mal bei der Klavierlektion gesagt hat: „Das ist
aber gar nicht schön, Herr Schubert, daß Sie mir
nie eines Ihrer Lieder widmen !"
Da erwiderte der gottbegnadete Mann: „Aber
sie sind ja eh alle nur für Sie geschrieben ."
Ja, ist das nicht das Höchste, einem Franz Schubert
mitgeholfen zu haben zu seinen Liedern, wie Sonne,
Tau und Regen mithelfen zum Wachsen von Pflanzen ! ?
Was braucht sie also an und für sich zu sein,
diese Vierzehnjährige, unter dem öden Mikroskop
herzloser verständnisarmer Menschen ? ! ? Sie verhalf
ihm zu seinen Liedern, und ohne sie wären sie nicht
entstanden !
Ich formulierte das später in die Verse:
„Oh Fraue, nicht was du bist, bist du!"
Das bist du, was wir von dir träumen!
Unsere durchweinten Nächte um deinet-
willen, das bist du!
185
Gelassen nimmst du unsere Huldigung und
imseren Schmerz entgegen
Denn ninouner weißt du, wie es kam, weshalb,
woher, wozu, zu welchem Ende!?!"
i8d
DAS DORF
Ich hatte eine unglückliche Liebe zu einer Drei-
zehnjährigen, deren BUck allein aus den hechtgrauen
Augen mit den schwarzen Wimpern, allen Blicken
gleichkam der Heiligen in den Kirchen. Sie hatte
keine rechte Freude am Leben, als ob sie die Wirr-
nisse des irdischen Jammertales vorausahnte, die
eigentlich allen so schwermütig Blickenden in Aus-
sicht stehen. •— Ich machte ihre Tragödien mit,
die noch nicht vorhanden waren, und vor dem Leben
beschützen konnte ich sie dennoch nicht. Sie war die
Tochter eines Schuhmachers m dem kleinen, arm-
seligen, felderumrankten Orte J . . Er hatte ii Kin-
der. Die, die schon verdienten, verdienten. Aber
die Kleinen mußten von meiner Dreizehnjährigen be-
treut werdei^. Wie liebevoll wurden sie betreut ! Da-
rüber kann man gar nichts schreiben. Sie mußte die
15 Enten hüten, die Schweine füttern, imd die kleinen
Kinder brauchten dies und jenes. Ich liebte Anna,
aber selten kam sie in meine Nähe, und auch dann
glitt mein BUck von freundschaftlichster Zärtlichkeit
an ihren Augen ab, wie öl über Wasser.
Eines Abends saß ich allein auf der Bank, in der
alten verstaubten Lindenallee und wartete auf Anna
vergebens. Da kam ihre siebenjährige Schwester
Josefa, die für mich immer und immer einen Blick
von tiefer Menschenfreimdlichkeit hatte, aus ihren
zwei verschieden blickenden Nachtfalteraugen, so
reell-gutmütig, so leichtverständlich, so wie das a-b-c
des Menschenherzens . Sie hatte mich lieb!
Ich führte sie in die nahegelegene Meierei, ließ ihr
187
Schlagsahne geben und Bikuits. Immer lächelte sie
mich an, wie von edler Liebenswürdigkeit getrieben.
Da küßte ich sie auf Stime, Haare, Augen. Sie
rührte sich nicht, empfand es als Pflicht der Dank-
barkeit, sich küssen zu lassen .
Da vergaß ich meiner Leiden um Anna, die mein
gequältes Herz stets ruhig aus ihren geliebten hecht-
grauen schwarzbewimperten Augen betrachtet hatte.
Da sagte Josef a: „Schenkens mir noch zwei Biskuits,
ich trag' sie nach Haus für die Annerl. Sie darf net
komimen mit Ihnen, weil sie schon zu groß ist. Was
kann sie dafür, daß sie schon zu groß ist?!?" Da
gab ich ihr 20 Biskuits mit für ihre Schwester, die
wirklich nichts dafür konnte, daß sie dem BUcke
eines unermeßUch liebevollen Menschenherzens mit
mißtrauischer Gleichgültigkeit bereits begegnen
mußte, wie im vorhinein gepanzert gegen die hinter-
listige Männerwelt 1
188
GERICHTSVERHANDLUNG IN WIEN
Fräulein Str., eine axme Klavierlehrerin, kannte
alle Schandtaten ihres Herrn Bruders. Aber sie
schickte Geld und Geld, wenn er darum schrieb.
Und Geld und wieder Geld. Immer galt es ihr, ein
wertvolles Leben noch zu retten, das aber wertlos
war. Und übrigens, wer könnte das entscheiden?!
Der Richter sagte: „Ihr Vorgehen, Frätdein, ist
strafbar, aber es macht Ihrem Herzen alle Ehre ."
Das Fräulein erwiderte: „Für irgend etwas muß
man sich doch abplagen. Nur seinen armseligen
Hunger stillen ? ! ? Wenn er nicht war', no, so wärs halt
was ander% die Kirche oder eine Leidenschaft .
Für irgend etwas muß man sich doch abplagen."
Man verurteilte sie wegen Vorschubleistung.
Als die Blicke der beiden verurteilten Geschwister
sich begegneten, begaimen einige Menschen im Audi-
torium zu weinen .
t6(j
SEMMERING, ENDE SEPTEMBER 1911
Immer noch dieses Nachtgebrause im Göstritz-
walde, immer noch um 7 morgens diese silbergrauen
Nebekchleier. Aber meine Seele ist krank, weil Du
nicht da bist, Anna Konrad! Du gehst, imausge-
schlafen, müde, in die Schule, lernst mechanisch,
daß Hannibal den Giftbecher trinken mußte aus
irgendeinem Dir unverständlichen Grunde. Du
kannst nicht mehr abends beim Abschiede zu mir
sprechen: „Also schicken Sie mir bestimmt heute
noch ,halb imd halb*; das hieß: Für 20 Heller
Extrawurst, und für 20 Heller Zuckerln als Dessert!"
Ich kam mir da jedesmal vor wie Kai^ Josef in
den Volksstücken, der Leute beglückte, indem er
einfach sagte : „Was braucht Ihr zu Eurem Glücke ? !
10 000 Gulden? Da habt Ihr sie!" Nun bist Du
ferne, Anna Konrad! Immer noch dieses herrUche
Nachtgebrause im Göstritzwalde, immer noch imi
7 morgens die dichten silbergrauen Nebelschleier um
Berg tmd Wald .
Anna, Anna, Anna Konrad, ich liebe Dich!
Peter Altenberg.
190
PETER ALTENBERG ALS SAMMLER
Die „Internationale Sammlerzeitung" veröffent-
licht in ihrer eben erschienenen Nr. 13 eine inter-
essante Rundfrage über den Wert des Sammeins.
Die Zeitschrift bringt unter anderem Beiträge vom
Unterrichtsminister Grafen Stürgkh, Alfred Licht-
wark, Alma Tadema, Harden, Paul Heyse, Max
Kalbeck, Eduard Pötzl, Felix Saiten, Balduin
Groller, Ginzkey. Peter Altenberg gab auf die
Frage nach seiner Sanmielliebhaberei die folgende
interessante Antwort: „Es ist ganz merkwürdig,
daß Sie sich gerade an mich wenden in dieser
Angelegenheit. Denn Sie können es absolut nicht
wissen, daß ich, ein ganz Armer, seit vielen Jahren
ein einfach fanatischer Sammler bin, und mir, gleich
den MiUiardären, eine heißgeliebte, gehegte und mit
vielen Opfern zustande gebrachte herrlichste Bilder-
galerie verschafft habe : 1500 Ansichtskarten, 20 Hel-
ler das Stück, in zwei herrlichen japanischen Käst-
chen mit je sechs Fächern. Es sind ausschUeßlich
photographische Aufnahmen von Landschaften,
Frauen, Kindern, Tieren. Ich fand vor einigen
Wochen, daß der wirklich Ausgebildete des Lebens
sich seiner Schätze entäußern müsse, um das
tiefste einzige Glück des„Gebens", des „Spendens"
auch noch bei seinen Lebzeiten miterleben zu
können an seinen „Beschenkten". Daher sandte ich
beide japanische Kästchen mit den seit 1897 ge-
sammelten 1500 Ansichtskarten nach Hamburg an
die junge Dame, die allein von allen Frauen dieses
Geschenk zu werten weiß. Seitdem sammle ich desto
191
eifriger, desto leidenschaftlicher, um nun die Samm-
lung meiner Freimdin zu komplettieren. Hier
also sind gleich zwei heilsamste Ablenkimgen von
dem gefährlichen Bleigewicht des eigenen Ich : erstens
das Glück des Sammeins selbst, zweitens das Glück,
es für einen anderen, ebenso Verständnisvollen
tun zu können! „Sammeln" heißt, sich auf etwas
außerhalb der eigenen Persönlichkeit Liegendes kon-
zentrieren können, das aber nicht so gefahrvoll und
undankbar ist wie eine geliebte Frau ."
I9i
YVETTE GUILBERT
Sie ist das Wunder des Chansons, das, an und
für sich nichtig, farblos, leblos, durch sie eine Fülle
von Tragik, grotesken Dingen, Lieblichkeit, Koket-
terie erhält. Ihre Augen bereits drücken alles aus,
was es an seelischen Dingen überhaupt gibt, aber
auch ihre Arme und Hände sprechen überaus ein-
dringlich. Ihre Wirkui^gen grenzen an das Wimder.
Und diese nur andeutende Art, diese wechselnden
Nuancen, der clin d'oeuil, der alles sagt, was zu sagen
ist. Sie allein von allen hat die Macht, ein Lied aus-
zuschöpfen, ja, es erst in seiner Fülle zu dichten!
Ganze Schicksale bringt sie in einen sinnlosen Re-
frain, tmd man statmt über das Außerordentliche,
das sich da ereignet. Aus einem Nichts ein Alles
machen, darin könnten alle von ihr lernen, wenn es
erlernbar wäre. Le minimum d*effort et le maximum
d'effet ist auch ihre Devise. Den Höhepunkt ihrer
Chansons bildet imbedingt „Les cloches de Nantes".
Wie ein düsteres Schicksal erdröhnen von allen Seiten
die großen Glocken in den alten Kirchentürmen.
Da gibt sie sich ganz aus, bricht los, bewirkt
Enthusiasmus! Die Guilbert gehört zu den weni-
gen Erscheinimgen, die einen als etwas nie wieder
in die Welt Kommendes ergreifen. Man darf es nie
versäumen, sie wieder tmd wieder zu sehen, zu
studieren, so oft sich die Gelegenheit bietet. Für
mich gehören zu solchen Erscheinimgen Mitter-
wurzer, Girardi, Hermann Winkelmann. Es sind
Menschen, die nicht ersetzt werden! Ihre Macht ist
nicht zu definieren, da sie irgend etwas Rätselhaftes
13 193
hat. Man befürchtet stets, daß sie ehimal sterben
werden, und geschieht es, ist man untröstlich, hat
ein persönliches Leid erfahren. Man möchte in
Trauer gehen um sie. So eine Organisation ist auch
Yvette Guilbert. Diseusen, ach, lernet doch von ihr
das leider ünerlembare!
194
KRANKENPFLEGE
Eine Frau, die, während ihr Geliebter im Sterben
liegt, sich ebenso pflegt, wäscht, mit hundert Salben
salbt, wie eh' und je, und keinerlei Bedenken hat, sich
ebenso zu pflegen und zu hegen, wie sie es gewohnt
war, hat ihn nie, nie wirklich lieb gehabt ! Sie müßte
plötzlich alles aufgeben, sich schmutzig werden
lassen, sich verkommen lassen, auf ihre adelige
Körperpflege vollkommen verzichten können, sich
Hände und Gesicht nicht mehr waschen wollen, ja
sogar die schönen Haare nicht mehr pflegen, sich
in einen Abgrund stürzen lassen, wo das reale Leben
zerschellt und aufhört .
Es müßte alle ihre weibliche Eitelkeit plötzlich
ersterben, nicht mehr sein . Sie müßte zu
einem Aschenbrödel werden, ganz in. sich zurück-
gezogen und unbeachtet, nur in der edlen Pflege
aufgehend und unscheinbar werdend vor Aufmerk-
samkeiten ! Sie müßte imwillkürlich aus einer Dame
zu einer „Pflegerin" werden, sich degradieren, um
sich zu erhöhen!
Ihre Fingernägel müßten ihre Edelpolitur ver-
lieren, ihre Strümpfe müßten Löcher bekommen und
Knöpfe müßten ihr ander Bluse fehlen. Ihre werdende
Ungepflegtheit müßte ihre Ehre sein! Ihre Freun-
dinnen müßten zu ihr sprechen: „Du siehst gealtert
aus, meine Liebe, schließlich muß man doch auch
ein bißchen auf sich schauen, solange man jung und
hübsch ist ."
„Dazu habe ich jetzt, Gott sei Dank, keine Zeit
mehr übrig ."
13* 195
„Gott sei Dank?!" sagten die Freundinnen und»
kicherten: „Sie muß immer apart sein .**
196
HERBST AM SEMMERING
Müde schleichen die Stunden dahin. Noch einmal
ist es mir Zähestem vergönnt, die herbstliche Pracht
meines Kindheitsparadieses (damals gab es nur Gast-
hof „Nedwall") zu erschauen! Brennesselgebüsche
und dunkelbraune vertrocknete Sträucher. Ein
kleines Mäderl in Lederhöschen, mit dicken, rost-
braunen Zöpfen, in die grellrote Seidenbänder ein-
geflochten sind, repräsentiert mir die „Schönheit
der ganzen Welt". Die Eltern nennen sie, tief ent-
zückt, schlimm und übermütig. Wie wenn die
Saharet, Ruth St. Denis, Grete Wiesenthal, schlimm
und übermütig sein könnten ! ' Der Schneeberg trieft
von zerrinnendem Schnee, und das Elisabethkirch-
lein ragt in graue Wolken. Ein Direktor reitet,
kranke Frauen fajiren langsam durch den Fichten-
wald. Lila Enzian, kurzstengelig, und Löwenzahn.
Aber meine „heilige Stunde" ist von 3 bis 4. Da spielt
nach dem Essen die Amerikanerin mit ihrem großen
schlanken Freunde im Caf6 Karambol. Er belehrt
sie natürlich väterlich, die doch alles bereits mit-
bekommen hat vom Schicksal, Anmut und Beweg-
lichkeit und Gazellenglieder und Feenhände. Jede
ihrer Bewegungen ist vollkommen. Das ist meine
„heilige Stunde", da ich menschliche Vollkommenheit
erbUcke. Da vergesse ich, daß Gottes Träume sich
noch nicht realisiert haben •
197
HERBSTANFANG
Freitag nachts, Marien-Feiertag, 8. September.
Eine verzweifelte Stimmung ist in mir, ich fühle es,
ich spüre es, alles geht zu Ende. Die dunklen
Herbstabende kommen, Deine Schule, A. K., fängt an,
imd böse, heimtückische, neidische, lieblose Menschen
zerstören mir mein Paradies, das ich in meiner
alten, kranken, dem Untergange geweihten
Dichterseele für Dich, einzig und fast irrsinnig ge-
liebtes Geschöpf, errichtet habe unter Tränen,
Du, Du allein bist auf dieser traurigen Erde in
meinem gefolterten Herzen, und Du weißt nichts
davon, kannst, wirst davon, willst davon nichts
wissen . Nie wirst Du meine Anhänglichkeit
ahnen. Dein Blick, Deine Stimme, alles, alles
an Dir ist der Balsam meines todeswiinden, todes-
müden Herzens. Ich habe Dich lieb, lieb, wie nie-
mand Dich je lieb haben wird . Und nun spüre
ich das Ende heranschleichen, sonst könnte ich nicht
so traurig, so lebensmüde sein, imd beim Erwachen
am Morgen so bitter weinen und weinen, obzwar
mir eigentlich nichts Böses geschehen ist .
Ich verlange nichts von Deiner kindlichen dreizehn-
jährigen Seele, Anna K., als daß Du es mir glaubst
in Deinem tiefsten Herzen, daß schon im Anfang
Deines ins ungewisse gefahrvolle Leben hinein
aufblühenden Lebens^ ein Mann in unbeschreibr
lieber Zärtlichkeit an Deiner geliebten, merk-
würdigen, kindlichen und dennoch bereits tief melan-
cholischen Persönlichkeit, mit ergebenster liebe-
vollster Seele gehangen ist, imd viel, viel um Dich
198
getrauert hat, weil die anderen Menschen alles
mißverstehen und böswillig, heimtückisch
deuten!
Ich wollte Dir mit der kleinen Uhr eine besondere
Freude bereiten, Dir meine vollkommen selbst-
lose Anhänglichkeit zu verstehen geben, aber
auch das haben die hartherzigen, mißtrauischen
Menschen nicht Dir, nicht mir gegönnt!
Bleibe mir gütig gesinnt, Anna, lasse Dich
von niemandem auf falsche Gedanken bringen!
Ein Atemzug Deines Mimdes, ein Blick Deiner Augen,
ein Schritt Deines müden kranken Fußes bedeuten
mir die Schönheit, die Traurigkeiten der
ganzen Welt!
Dein Peter Altenberg.
„Annerl, hast du den Brief heute Samstag erhalten,
den ich noch gestern Freitag nachts an dich ge-
schrieben habe?!? Und hast du ihn verstanden?!"
„Selbstverständlich. Was soll ich daran nicht
verstehen?! Ich kenn' Ihnen doch auswendig und
inwendig ."
Pause.
•„Sie, nächste Woche fangen die Schtden an. Da
brauch' ich schöne Schulrequisiten. Also zwei solche
schöne dicke Tonking-Bambus-Federstiele, wie Sie
sie immer benützen, dann 20 von Ihnere Stahl-
federn, Kuhn 201, aber wirklich 20, oder wissen S'
was, 25, daß es eine gerade Zahl gibt. Und dann ein
schönes Zeichenheft. Und dann einen Radiergummi.
Und dann, no, Sie werden doch wissen, was ich sonst
noch in der Schtde brauche. Ja, richtig, einen Blei-
199
stiftspitzer, wie Sie einen haben, in einem kleinen
Schachterl. Gott, die Schul', na wenigstens is ma
in der Schul'. Was haben S' denn, Sie, Herr Peter? ! ?"
„Nichts •", erwiderte ich.
200
EINE BEGEBENHEIT
Ich lernte eine junge, sehr, sehr empfindsame
Frau kennen, die Martyrien durchmachte wegen
der Ruhe und Gleichgültigkeit ihres entzückenden
Gatten. Sie sah Gespenster von fünfzehnjährigen,
sechzehnjährigen Mädchen, lebte in unglückseliger
innerer Hast dahin, verzehrte sich selbst. In dieser
schweren Krankheit ihrer süßen kindlichen Seele
entwickelte sich in ihr der Plan, für dieses endlose
Martyrium Strafe, eventuell Erlösung zu haben. Sie
begann daher, einem netten gutmütigen Manne
Avancen zu machen. Der Gatte rührte sich nicht.
Das machte sie noch kranker. Sie trieb sich kopf-
über hinein. Der Gatte rührte sich nicht. Als ich
diese gefährliche Situation überblickte, las ich eines
Abends nach dem Nachtmahle den beiden mein
Gedicht „Das Bangen" vor.
Das Gedicht lautet:
Das Bangen
Mir bangt um dich, Anna .
Weshalb mir bang ist, weiß ich nicht,
Ich weiß nur, daß nur bang ist.
Mir ist bang!
Wie einer Mutter bang ist ohne Grund,
Noch sind sie alle mimter und gesund !
Und wie dem Schiffer bang ist, bange, bange,
Während die anderen noch lange
Den wolkenlosen Himmel blöd betrachten,
Und den Warner ob seiner Weisheit nur verachten.
Mir bangt, wie einem bangt,
201
Der Kinder auf dem Meer-Sand-Htigel spielen sieht.
Und weiß, daß nun die Flut vom Land sie abtrennt —
flieht!
Mir bangt, wie einem bangt.
Der weiß, er wird gehenkt um sieben Uhr früh.
So, so bangt mir um dich
Du bist mein Leben, es bangt mir um mich
Du aber, du gehst deinen Weg* von mir.
Nicht bangt vor meinem bangen Bangen dir
Dem neuen Schicksal treibst du jach entgegen —
Und perlt mein Todesschweiß auf deinen Pfad her-
nieder.
Nimmst du*s als Tau auf neuen Morgenwegen 1
Ich las es langsam imd eindringlich vor.
Pause.
Der Mann erhob sich, trat langsam auf mich zu,
nahm meine Hand in seine beiden Hände, sah mich
lange, lange, lange an . Die Frau starrte hin,
starrte hin, schrie auf: „Er liebt mich, erleidet, oh,
er Hebt mich! Ich UnglückHche !" und fiel hin.
Ich hatte das Gedicht um vierundzwanzig Stunden
zu spät vorgelesen.
In das Gedenkbüchlein einer Amerikanerin:
„It's inside in the human nature, to hate all
those, who are better speaking, better dancing, better
thinking, better feeling as we seif!"
Wintersport am Semmering:
„Schneeglöckchen, immer sangen die Dichter von
dir, du läutest den Frühling ein .
Für mich begräbst du den herrlichen Winter!"
2oa
BESCHÄFTIGUNG
Ich erfinde nichts, daher bin ich kein Schrift-
steller und kein Dichter. Das Leben trägt mir alles
zu, ich habe nichts dabei zu verrichten, als das Zu-
getragene nicht zu verfälschen oder den anderen
absichtlich plausibler machen zu wollen, denn man
hilft ihnen ja doch nicht dadurch.
Ich kannte vor vielen Jahren die Frau eines
Iriteraturprofessors an der Universität W. Eines
Tages sagte sie zu ihm: „Ich liebe diesen jungen
Schauspieler, den wir vor vier Tagen (so lange
brauchen nämlich die Reizungen des Nervus sym-
paticus, um dringend zu werden in der Seele) ge-
meinsam im Theater genossen haben "
„Lade ihn aber vorerst zu uns zu einem Souper
ein, damit man sehen könne, ob er dieselbe Wirkung
auf dich ausübt außerhalb seines Idealterrains "
Nach dem Souper sagte sie zu ihrem Gatten:
„Es ist nichts mit diesem Manne. Oh, du, du,
du einziger ."
Als ihr Mann in jungen Jahren gestorben war,
sprach sie einst einen fremden Herrn vormittags.
Ecke Kämtnerstraße und Graben an: „Ich ersuche
um Ihren Namen und Ihre Adresse ."
Seitdem arbeitete sie tagelang an Dingen der
sogenannten Nadelmalerei, wobei man mit ver-
schiedenfarbiger Seide die zarten Nuancen von Ge-
genständen nachzuahmen versucht. Alle diese Dinge
schickte sie dem fremden Manne und war glückhch
dabei und vor allem friedvoll, seelisch beschäftigt.
Später unterrichtete sie Dorfkinder umsonst im
203
Französischen, ihrer Muttersprache. Und dann hörte
ich nichts mehr über sie 35 Jahre lang. Aber stets
gedenke ich ihrer, besonders wenn ich an die modernen
Tennisspielerinnen denke ! Die suchen sich auch „die
Zeit zu vertreiben" !? I .
204
BESUCH IM EINSAMEN PARK
Wie wenn die müde Seele noch einmal auf längst
gesprungenen Saiten ihre begeisterten Klagen singen
dürfte, so ist es, weim du zu mir kommst, Helene N. !
Der Alltag weicht da wie ein böser Zauber, der uns
gefangen hielt, in einem Leben, das nicht die Stunde
wert ist, die es bringt ! Man lebte dem Tode entgegen !
Das alte Zauberreich von melanchoHschen Zärt-
lichkeiten erblüht durch dich, und der fade Park
wird zum mysteriösen Urwald, wenn dein geliebter
Schritt die alten öden Wege wandelt .
Dein Sprechen wird wieder zu Musik, der Hauch
des Atems wird wieder zum Wehen von Frühlings-
Gebirgsalmen mit Kohlröschen imd Seidelbast und
Knieholz.
Dein Sitzen beglückt und dein Stehen und dein
Wandeln .
Alles, was dich unglücklich macht, wird zugleich
mein Unglück, und deine Klage trifft ein exaltiertes
Bruderherz; indem ich leide und dir die Last ab-
nehme unverstandenen Kummers, jauchzt meine
Seele, daß sie mit dir leiden darf!
Ich möchte dich ins Zauberreich entführen,
wo du mein Kindchen wirst, gewiegt, getragen,
beschützt, in überzärtHchen Armen, an einem für
dich bebenden Herzen ,
weg von den Ungetümen „Menschen", die dich
nüt ihrem feigen Unverständnis morden!
Bist du denn ein Distelstrauch am Wege, ein
Unkraut oder Brennesselgebüsch?! Bist du dem
Tritt des schweren frechen Fußes ausgesetzt?!
205
Bist du nicht eine zarte Blüte Gottes, die behütet
werden muß vor jedem rohen Hauche?!
Bist du nicht die, die unser totes Herz zum Leben
wieder zaubert?!?
und deren zarte, edle Gliederpracht aus unseren
gUtzemden, stieren Fischaugen ein gerührtes Künst-
lerauge wiederzaubert?!?
In welche Welt bin ich geraten, pfui ! ? ! Wo alles
sich in schnöder Ordnung abhaspelt!? Du bist die
andere! Anders wie die andern! Wie Ambrosia
anders war als Rumpsteak mit Salat! Göttliche
Kräfte bringst du, ohne es zu wissen! Und pflicht-
los sinken wir zu deinen Füßen hin ! Nur eine Pflicht
erkennend, vor dir hinzuknien!
Das zugeschnittene Maß, das alle fördert, ist
uns verächtlich und vergiftet uns! Der ekle
Friede sorgenlosen Daseins macht unsere Kräfte
stocken imd vertrocknen. Wir müssen brennen,
glühen imd vergehen!
Und unsere innere Träne, wenn du beim Scheiden
rms ruhig die Hand reichst,
macht uns erst wieder leben, leiden und ver-
zweifeln, und auf eine Stunde hoffen, da du.
Gebenedeite, wiederkehrst! Für diese Stimde leben
wir in Not!
Die da sind, morden uns;
doch die da kommen, um von uns zu scheiden,
bringen uns das Glück des abgrundtiefen Seelen-
schmerzes wieder!
Wir wollen rauschen, brausen imd zerschäumenl
Des Lebens eingedämmte Ordnung ist unser
206
heimtückischer Feind, für dumpfes Erdenleben ganz
geeignet, das uns, imter der feigen Maske der Rettung,
nur lahmlegt und vernichtet imd vorzeitigem Tod
entgegentreibt.
Helene N., komme, auf daß ich hundert Stunden
lang in Fieberzehrung dich erwarten könne •
In Fieber mich verzehren, ist mein Leben!
Und scheide von mir, auf daß ich tausend Stunden
dir nachtrauern könne .
Mein Geist lebt nicht vom Sein, das lahm macht
und gebrechlich ;
mein Geist lebt nur vom Hoffen und Verzweifeln!
Du kamst, Helene N., und alles ward belebt und
blühte auf. .
Du gingst, und Trauerflore hingen über der
dtmklen ausgestorbenen Welt .
Die Welt der Pflichten ist vielleicht gesünder und
fordert manches Wertvolle in kleinerem Kreise .
Wir aber wollen lieber an unseren inneren Sym-
phonien elend scheitern ; des Alltags Werkelton mordet
uns ebenso, nur langsamer und qualvoller .
Wie stumpfe Messer gegen scharfe Klingen!
Der Folter wollen wir entgeh'n des leeren Lebens,
das unseren Organen ihre Kraft entzieht;
und in der Schlacht trifft rücksichtsvoller uns
der Tod, und herrlich plötzlicher,
als vorbereitet zu jeder Stunde eines Lebens,
das weniger als nichts für uns bedeutet!
Helene N., komm' wieder in den Park,
wo Irre ihre irren Träume träumen .
Du wirst hier doch vielleicht mehr Menschlich*
keiten finden,
207
als in der Welt, die sich frech fälschlich für
die normale hälttll
208
TANZ
Elsa Wiesenthal, schlichte, rätselhafte Natur-
kraft, wie Rittner, Mitterwurzer, Girardi, bringst du
uns nun wieder den Geist, der geheimnisvoll, diskret
verborgen in den Dingen lebt?! Bringst du uns
wieder Hoheit, Ruhe und Würde in deinem adeligen
Tanzen?! Oder hast du dich vom „Geist" verführen
lassen wie alle, die der geistvollen, geistleeren Herde
sich verständUch machen wollen?!? Gib uns nicht
mehr, als was du kannst und deine Kunst! Sei
eine schweigende Fürstin des Lebens, die lieber un-
verstanden dahingleitet, als scheinbar verständlich
Leidenschaft markiert! Sei du mit deiner süßen
merkwürdigen Schwester Berta, wie einst ein edles
Beispiel, wie man aus einem Nichts ein Alles macht !
'* 209
PETER ALTENBERG
Von Hans Franck (Hamburg)
Es gibt viele, die ^seiner lachen.
Und wir, denen er mit wenigen inhaltsschweren
Worten die Märchen des Lebens gedeutet, die „Bil*
derbogen des kleinen Lebens" koloriert, die er die
Erlebnisse des Tages anders sehen gelehrt hat, wir
können ihnen nichts dawider. sagen. Müssen ihnen
Recht geben, müssen zugestehen : Was ihr in Händen
habt, was ihr seht, sind Lächerlichkeiten. Es ist,
wie ihr es seht! Ihr!
Es ist, wie die Spötter sagen. Aber es ist zugleich
anders. Die Kunst Altenbergs kann, wie das viel-
farbige Leben, wie die widerspruchsvolle Natur —
nach Fr. Th. Vischers Wort — an einem Ende gemein,
am andern seelisch fein, nicht mit einem so oder so
umgrenzt werden, sondern nur mit einem so und so.
Sie ist voller Lächerlichkeiten und Schönheiten,
voller Gequältheiten und Feinheiten, voller Leer-
heiten und Vollheiten, voller nichtssagender Gewollt-
heiten und vielsprechender Gekonntheiten.
Sie ist — um wieder Vischers Wort von der
Natur aufzunehmen — ein seltsam Ding.
Für die Formung der tausendfältigen kleinen
und kleinsten Gaben, die so ein Buch Peter Alten-
bergs birgt, wurde der bewußte Gegensatz zu der
Kunst der vielen klingenden Worte maßgebend.
Die Wortkünstler sind dem Dichter Lügner imd
Charlatane. Sind ihm gewöhnliche Menschen, die
ihre Geistesblöße mit dem wallenden Wortmantel
zuzudecken suchen, die ihre Empfindungsarmut
'4» 211
durch einen bloßen Wortreichtum auszugleichen
glauben. „Ich hasse und verachte sie — ruft Peter
Altenberg in seinen Märchen des Lebens — Wort-
reichtum ist Seelen- und Geistesarmut! Man ver-
kriecht sich, versteckt sich dahinter, wie wenn man
verzweifelt wäre, daß man nichts Wichtiges mitzu-
teilen hätte! Zwei und drei ist fünf kann nicht
wortreich gesagt werden ! Und dennoch verläßt man
sich darauf, daß es eine Herde von Idioten gibt,
die an dem „Wortklang" sich berauschen. — —
Wehe, wehe denjenigen, die die Fähigkeiten dazu
hätten, und nur ihrem Geisteswahne, ihrer Eitelkeit
dienen! Auf einer Stradivariusgeige spielen sie, aber
keine einfachen Adagios, die zu Tränen rühren,
sondern verblüffende Passagen, die kalt lassen!^*
Altenberg ist der Virtuose der Wortskizze. Ist
es, weil er dem Reichtum des Lebens dienen will.
Einem, kleinen Ausschnitt sich willenlos hinzugeben
und in unendUchem geduldigem Mühen nach höchstei
vollkommener Bildwirkung sich vor dem übrigen
zu verschließen, daran hindert ihn die drängende
Fülle, die ihm nicht Ruhe läßt. So springt er von
einem zum andern, immer auf der Spur des schnell-
fliehenden Lebens. Zur BeschauUchkeit ist keine Zeit.
Nicht zum Schwelgen. Es gilt zu erjagen, zu erraffen, ,
gilt, flüchtiger als das füehende Geschehen zu sein.
Daß diese Eigenart Altenbergs ihren Wert imd
Unwert in Einem hat, daß ihre Stärke die Mutter
ihrer Schwäche ist, versteht sich. Es zu beweisen»
wird man mir erlassen.
Dem Leben gilt Altenbergs Kunst.
212
Diesem Wunder aller Wunder, mit dem wir
täppisch, wie wir sind, auf Du und Du stehen. Das
wir hinnehmen mit großen, blöden, dummdreisten
Augen. Das wir zu kennen wähnen, imd das doch
von tausend Schleiern bedeckt ist. Das Wimder,
das uns zum kahlen Alltag wurde, wird hier wieder
ein blühendes Märchen, dem wir mit gläubigen
Kinderaugen aus der Feme zuschauen. Wunder des
Alltags. Um sie geht es. Oder wie es der schönste
unter allen Buchtiteln Altenbergs faßt, um die
9,Märchen des Lebens". Unermüdlich trachtet der
Dichter, die kleinen Dinge des Alltags besonders zu
sehen, die Perlen am flachen Strand zu finden.
Himdertmal mag er wertlose Kiesel auflesen und bei
den kalten Besserwissern höhnisches Lächeln dafür
ernten : plötzlich funkelt ein winziges Ding in seinen
Händen und läßt uns die Augen übergehen.
Mitten hinein in die zarten Wortskizzen drängt
sich plötzlich eine breite, schwerwiegende Unter-
suchung mit einer Überzahl unterstrichener Worte.
Der Dichter wandelt sich in einen Propheten. Der
Mann der zarten Worte in einen glaubensstarken
Prediger, der lauthallende Straf- und Mahnreden
auf die sündige Menschheit herabschleudert. Der
eben noch ein ganz Besonderer, ein starker Ein-
zelner, ein Außenseiter war, wird plötzlich zum
Bruder Schultze-Naumburgs, des Kunstwartmannes,
des Vaters des Reformkleides imd der Reformstiefel.
Mit eindringlichen, treffsicheren Worten predigt
er von seinem Ideale: der naturgemäßen Körper-
kultur. Anbetend neigt er sein Haupt vor dem
großen Gotte Gesimdheit. Worte fallen, die der Un-
213
natur die gleißnerischen Kleider Vom Leibe reißen
und doch nichts bessern werden. Wann hätte diese
Dame und ihr lästerUches Töchterlein Mode, je die
Scham gekannt ? Sie kann noch Stärkeres ertragen,
als Altenbergs fanatische Predigten und seine gut-
gemeinten Insultierungen .
Darum ist es, schauen wir zurück auf die leiden^
schaftlichen Bekenntnisse zur Göttin Gesimdheit,
letzten Endes nicht das Gegenständliche, der Inhalt
der Rede, der ims in den Bann der Worte zwingt,
sondern die Persönlichkeit, die ungehinderter als in
den formgewordenen Dichtungen, innerstes Sein und
Meinen offenbart. Auch hier steht Alteriberg im
Dienste des großen, göttlichen, uneingezwängteh
Lebens. Auch hier will er jedem Pulsschlag freie
Bahn schaffen. Auch hier erlösen von dem Drucke,
den Steifheit und Gutmeinen, Enge und Schwer-
fälligkeit dem Wunder aller Wunder zufügten und
bis in die Undenkbarkeit zufügen werden.
So geht auch diese Besonderheit mit dem Allge-
meinen zusammen. In das Werk des Schöpfers der
„Märchen des Lebens", des Suchers im Alltag, des
eigenwilligen Sehers fügt sich das Prodromosbuch
ein, das Glied einer Kette. Der Unmittelbarkeit des
unverfälschten Lebens trachtet der Dichter so gut
wie der Prediger nach. Und die sprunghafte, das
Wortemachen hassende Form eint beides auch nach
außen hin.
(Königsberger Hartungsche Zeitung)
214
Werke von Peter Altenber
g
Wie ich es sehe
FQnfzehnte vermehrte Auflage. Geh. 6 M. 50 Pf., geb. 9 M.
Was der Tag mir zuträgt
Achte vermehrte Auflage. Geh. 6 M. 50 Pf., geb. 9 M.
Prodromos
Sechste Auflage. Geheftet 5 Mark, gebunden 7 Mark 50 Pf.
Märchen des Lebens
Sechste vermehrte Auflage. Geh. 5 M. 50 Pf., geb. 8 M.
Neues Altes
Vierte und fünfte Auflage. Geh. 5 Mark, geb. 7 Mark 50 Pf.
„Semmering 1912"
Siebente vermehrte Auflage. Geh. 6 M., geb. 8 M. 50 Pf.
Fechsung
Sechste Auflage. Geheftet 6 Mark, gebunden 8 Mark 50 Pf.
Nachfechsung
Fünfte Auflage. Geheftet 7 Mark, gebunden 9 Mark 50 Pf.
Vita ipsa
Zehnte Auflage. Geheftet 6 Mark, gebunden 8 Mark 50 Pf.
Mein Lebensabend
Achte AuÜage. Geheftet 6 Mark 50 Pf., gebunden 9 Mark
Druck der Spimericben Bachdruckerei in Leiptig
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