Skip to main content

Full text of "Neus altes"

See other formats


Google 



This is a digital copy of a book that was prcscrvod for gcncrations on library shclvcs bcforc it was carcfully scannod by Google as pari of a projcct 

to make the world's books discoverablc online. 

It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 

to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 

are our gateways to the past, representing a wealth of history, cultuie and knowledge that's often difficult to discover. 

Marks, notations and other maiginalia present in the original volume will appear in this flle - a reminder of this book's long journcy from the 

publisher to a library and finally to you. 

Usage guidelines 

Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to 
prcvcnt abuse by commercial parties, including placing lechnical restrictions on automated querying. 
We also ask that you: 

+ Make non-commercial use ofthefiles We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for 
personal, non-commercial purposes. 

+ Refrain fivm automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machinc 
translation, optical character recognition or other areas where access to a laige amount of text is helpful, please contact us. We encouragc the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 

+ Maintain attributionTht GoogXt "watermark" you see on each flle is essential for informingpcoplcabout this projcct and hclping them lind 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 

+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are lesponsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other 
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can'l offer guidance on whether any speciflc use of 
any speciflc book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search mcans it can bc used in any manner 
anywhere in the world. Copyright infringement liabili^ can be quite severe. 

Äbout Google Book Search 

Google's mission is to organizc the world's Information and to make it univcrsally accessible and uscful. Google Book Search hclps rcadcrs 
discover the world's books while hclping authors and publishers rcach ncw audicnccs. You can search through the füll icxi of ihis book on the web 

at |http: //books. google .com/l 



Google 



IJber dieses Buch 

Dies ist ein digitales Exemplar eines Buches, das seit Generationen in den Realen der Bibliotheken aufbewahrt wurde, bevor es von Google im 
Rahmen eines Projekts, mit dem die Bücher dieser Welt online verfugbar gemacht werden sollen, sorgfältig gescannt wurde. 
Das Buch hat das Uiheberrecht überdauert und kann nun öffentlich zugänglich gemacht werden. Ein öffentlich zugängliches Buch ist ein Buch, 
das niemals Urheberrechten unterlag oder bei dem die Schutzfrist des Urheberrechts abgelaufen ist. Ob ein Buch öffentlich zugänglich ist, kann 
von Land zu Land unterschiedlich sein. Öffentlich zugängliche Bücher sind unser Tor zur Vergangenheit und stellen ein geschichtliches, kulturelles 
und wissenschaftliches Vermögen dar, das häufig nur schwierig zu entdecken ist. 

Gebrauchsspuren, Anmerkungen und andere Randbemerkungen, die im Originalband enthalten sind, finden sich auch in dieser Datei - eine Erin- 
nerung an die lange Reise, die das Buch vom Verleger zu einer Bibliothek und weiter zu Ihnen hinter sich gebracht hat. 

Nu tzungsrichtlinien 

Google ist stolz, mit Bibliotheken in Partnerschaft lieber Zusammenarbeit öffentlich zugängliches Material zu digitalisieren und einer breiten Masse 
zugänglich zu machen. Öffentlich zugängliche Bücher gehören der Öffentlichkeit, und wir sind nur ihre Hüter. Nie htsdesto trotz ist diese 
Arbeit kostspielig. Um diese Ressource weiterhin zur Verfügung stellen zu können, haben wir Schritte unternommen, um den Missbrauch durch 
kommerzielle Parteien zu veihindem. Dazu gehören technische Einschränkungen für automatisierte Abfragen. 
Wir bitten Sie um Einhaltung folgender Richtlinien: 

+ Nutzung der Dateien zu nichtkommerziellen Zwecken Wir haben Google Buchsuche Tür Endanwender konzipiert und möchten, dass Sie diese 
Dateien nur für persönliche, nichtkommerzielle Zwecke verwenden. 

+ Keine automatisierten Abfragen Senden Sie keine automatisierten Abfragen irgendwelcher Art an das Google-System. Wenn Sie Recherchen 
über maschinelle Übersetzung, optische Zeichenerkennung oder andere Bereiche durchführen, in denen der Zugang zu Text in großen Mengen 
nützlich ist, wenden Sie sich bitte an uns. Wir fördern die Nutzung des öffentlich zugänglichen Materials fürdieseZwecke und können Ihnen 
unter Umständen helfen. 

+ Beibehaltung von Google-MarkenelementenDas "Wasserzeichen" von Google, das Sie in jeder Datei finden, ist wichtig zur Information über 
dieses Projekt und hilft den Anwendern weiteres Material über Google Buchsuche zu finden. Bitte entfernen Sie das Wasserzeichen nicht. 

+ Bewegen Sie sich innerhalb der Legalität Unabhängig von Ihrem Verwendungszweck müssen Sie sich Ihrer Verantwortung bewusst sein, 
sicherzustellen, dass Ihre Nutzung legal ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass ein Buch, das nach unserem Dafürhalten für Nutzer in den USA 
öffentlich zugänglich ist, auch für Nutzer in anderen Ländern öffentlich zugänglich ist. Ob ein Buch noch dem Urheberrecht unterliegt, ist 
von Land zu Land verschieden. Wir können keine Beratung leisten, ob eine bestimmte Nutzung eines bestimmten Buches gesetzlich zulässig 
ist. Gehen Sie nicht davon aus, dass das Erscheinen eines Buchs in Google Buchsuche bedeutet, dass es in jeder Form und überall auf der 
Welt verwendet werden kann. Eine Urheberrechtsverletzung kann schwerwiegende Folgen haben. 

Über Google Buchsuche 

Das Ziel von Google besteht darin, die weltweiten Informationen zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen. Google 
Buchsuche hilft Lesern dabei, die Bücher dieser We lt zu entdecken, und unterstützt Au toren und Verleger dabei, neue Zielgruppcn zu erreichen. 
Den gesamten Buchtext können Sie im Internet unter |http: //books . google .coiril durchsuchen. 



I 






THE LIBRARY 

OF 

THE UNIVERSITY 

OF CALIFORNIA 

FROM THE LIBKAKY OP 

PROFESSOR 

MANFRED F. BUKOFZER 

I9IO-I955 




,. .• # 



!.5 



*■ — ^ m* 



t * ^ ,.Jt M f 






• ^ 



ii \. f 



' ' >: 






N e ue s Altes 



Peter A Itenber q 



S. Fischer, P'erlag^ Berlin 
1919 



Vierte und fünfte Auflage. 

Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten. 
Copyright 1911 S. Fischer, Verlag, Berlin. 



GffT 



Gewidmet Anna Konrad { ' 2. bö l 



Motto: 

»»Solche Männer und ihresgleichen sind einfach ge- 
niale Naturen, mit denen es eine eigene Bewandtnis 
hat; sie erleben nämlich eine wiederholte Puber- 
tät, während andere Leute nur einmal jung sind." 

Goethe, Gespräche mit Eckermann. 

PA: Aber wie glücklich zu preisen sind die, die 
nur einmal jung zu sein brauchen, und dann ruhig 
absterben dürfen, während jene anderen Unseligen 
von ewigen inneren Räuschen gefoltert werden . 

„J'ai de mes tourments multipli6 les causes 

d'innombrables liens vont de mon ämeauxchosesl" 

Baudelaire. 



031 



INHALT 

Seite 

Widmungen in meine Bücher 13 

Wesen der Freundschaft 17 

Was ist ein Dichter? 19 

Bekenntnis 20 

Entwicklung 21 

Sankt-Martins-Insel 23 

Konzert 25 

Buchbesprechung 26 

Ideale 30 

Ein Brief 31 

Vari^t^ 33 

Die abgelehnte Einladung 35 

Hypokrisie 37 

Strandbad „Gänsehäufel" 38 

Rückkehr vom Lande 39 

Krankenlager 41 

Hunde 43 

H. N 45 

Helga 46 

Das Telephon 47 

Die Lüge 48 

Plauderei 49 

LebensbUd 52 

Lebensbilder aus der Tierwelt ....*.. 54 

Brief an Mitzi von der „Lamingson-Tnippe" . 57 

Aphorismen 59 

Texte auf Ansichtskarten 60 

Heümittel* 67 

Der Nebenmensch 68 

Schutz 70 

9 



Brangäne 72 

Der Affe Peter 73 

Ungeziefer 75 

Mutter und Tochter 76 

Der Dichter 77 

Hysterie 78 

Weihnachten 80 

Der Tag des Reichtums 81 

So sollte es immer sein . 83 

Inschrift 85 

Tope 86 

Bekanntschaft 87 

Eifersucht 89 

Goethe 90 

Die Pflegeschwester Rosa Schweda 91 

Geschwister * 92 

Der Besuch 94 

Sommerabend in G munden 95 

Ästheten 97 

Erinnerung 99 

Vöslau loi 

Ein Brief 103 

Der Fortschritt 105 

Über Lebensenergien 107 

Strandbad 109 

Wesen der Religion 11 o 

Wie sie es glauben wollen, so ist es iii 

„Prodromos" 112 

Restaurant Prodromos 115 

Der Brand 117 

Rücksicht 118 

Myosa 119 

10 



Im Stadtpark 121 

Ehebruch 123 

Hamsun-Menschen 125 

Memoiren 129 

Widmimg an Anna Konrad 130 

Der Tod 131 

Eine ganz wahrhaftige Beziehimg 133 

Im Volksgarten 135 

Ansprüche einer Romantikerin 137 

Lebensweg 139 

Dienste 140 

Wie ich gestmdet bin 141 

Gottesgnadentum 143 

An einen \mmodemen Arzt 145 

Zynismus 147 

Nacht-Caf6 149 

Die Nerven 151 

Britische Tänzerinnen 152 

Der Trattnerhof 155 

Artistische Rtmdschau, Wien 157 

Parfüm 159 

Übers Schreiben . 161 

Angstschrei 163 

Juli-Sonntag 165 

Der Jagdherr 166 

Episode 169 

Josef Kainz 170 

Bettlerfrechheit 171 

Von meinem Krankenlager aus 172 

Krankheit 174 

An eine Elfjährige 177 

Krankenbesuch 179 

II 



Notiz i8i 

Rückkehr vom Lande 183 

Nichts Neues 185 

Das Dorf 187 

Gerichtsverhandlung in Wien 189 

Semmering Ende September 191 1 190- 

Peter Altenberg als Sammler 191 

Yvette Guilbert 193. 

Krankenpflege 195 

Herbst am Semmering . 197 

Herbstanfang 198- 

Eine Begebenheit 201 

Beschäftigimg 203 

Besuch im einsamen Park 205 

Tanz 209 

Peter Altenberg 2ii 



12 



WIDMUNGEN IN MEINE BÜCHER 

Fräulein H. M., immer und ewig werden die 
Dichter an dem fast absichtlichen „Unverständnis" 

geUebter, vergötterter Frauen zugrunde geh'n . 

Du allein brachtest mir die volle Sicherheit, daß 
mein sonst so oft mißverstandenes Dasein von 
dir erkannt wurde, in Weisheit imd in Milde, 

wie von Gott selbst ! Heißt man das Liebe ? ! 

Gleichviel. Es ist die „Erlösimg", die eben keine 
andere bringen kann ! 

An Frau D. M., in unzerstörbarer Freundschaft. 

Freundschaft, du immer und ewig mißbrauch- 
tes, geschändetes Wort! Du bist „Erkenntnis- 
kraft des Gehirnes", gemildert durch „des Herzens 
Wohlwollen"! 

An Maria Maraviglia, spanische Tänzerin. 

Leben, flüchtigstes, zerrinnendstes, kann ich dich 
nicht festhalten?! Ja! Durch Erinnerung, Melan- 
cholie und Ergebimg ins Schicksal . 

Frau M. B. in Aachen. 

Aus Femen kam ein begeisterter Gruß . 

Wie seUg war ich zwischen Aachen und Wien 

ist genügend Raum für die Enttäuschungslosigkeit 
zusammengehöriger Seelen geschaffen ! 

An die Gemahlin des Herrn J. S. 

Wie eine Aristokratin sehen Sie aus des i8. Jahr- 
hunderts — . Augen voll ernster Ruhe und 

Noblesse, und dennoch wieder Augen der Sphinx und 

13 



der Rheiimixen ! Die Nase wie von urältesten Adels- 
geschlechtem herstammend, sanft gebogen und den- 
noch stumpf abbrechend. Adlernase imd Stumpf- 
nase zugleich! So aus einer Zeit von vergangener 
Würde und Größe. Man sitzt neben Ihnen, betrachtet 
Sie, spricht ehrfurchtsvoll, wie mit keiner anderen. 
Man ist unter einem unerklärlichen Banne. Wie wenn 
man vorgestellt würde der „Kaiserin Marie Antoi- 
nette". Man möchte zu Ihnen sagen: „Votre Altesse 

Royale ". Aber man muß über die kleinen 

Ereignisse des Tages sprechen — . Und dabei 

blickst du wie eine traurige Fürstin ! 

Für P. H., die „Romantikerin". 

Sie erwünschen es sich, daß ich Ihnen von meiner 
einsamen Landpartie im Vorfrühling Blätter ins 
Haus sende, in die enge Gasse der Vorstadt ? ! Nun, 
ich befestigte alles einzeln vorsichtig an silbernen 
Drähten, zarte, gelbgrüne Blättchen. Wie gleicht 

Ihr Herz \ioch der Vorfrühlingslandschaft ! 

Man bedauert direkt, daß es bald zu greifbarer 
Blüte und Frucht ausreifen werde im Sonnenbrande 
des Lebens! 

Für Gertrude Barrison, Tänzerin. 

Kalt und hart scheinbar sind Sie im Leben, das 
alle zu leben, alle zu erleiden, alle zu ertragen haben! 
Aber hinter diesem „gewaltsamen Sein" schlmnmert 
den ewigen Schlaf, besiegt und längst abgestorben, 
die „vergrämte Idealistin"! Geschreckt von der 
Heimtücke des Daseins, traut sie sich nie mehr 
zum Vorschein • Und nur des Dichters Auge 

14 



blickt noch in Welten, über die der Sargschleier, 
alles verbergend, liegt . 

An Miß Bessie. 

Ich hatte dich irrsinnig heb und vergebüch 

man hat immer nur irrsinnig heb, wenn es ver- 
geblich ist! 

An Frau E. R. 

Eine Weit von zärtUchster Zärthchkeit mußte in 
mir ersterben, auf dein Geheiß! Auf deinen strengen 
unerbitthchen Wunsch! In späteren Tagen warst 
du sanftmütig und gütig zu mir ; in späteren Tagen ! 
Aber den „süßen Wahnsinn" hast du mir gemordet, 
wolltest durchaus meiner Seele endlose Welten auf 
ein erfaßbares Maß zurückführen; vergebUch! 
Stört euch „imser Wahnsinn", so' enttäuscht euch 
schüeßüch noch mehr die „normale Liebe" der 
anderen! Sind wir auch „übertrieben" in unserer 
Verehrung, sind die anderen allzu nüchtern in 
ihrer gesunden Gerechtigkeit! 

An Else Wiesenthal. 

Immer und überall im Leben vermißt man 
„Hoheit imd Würde" und „edle KindHchkeiten" 
zugleich! Aber in Ihrem Tanzen findet man es. 
Deshalb ist man o beglückt und erlöst und erleich- 
tert. Was man an seiner gehebtesten Gehebten 
schmerzhch-melancholisch vermißt, findet man, er- 
staimt, gerührt, bei Ihnen! Unerbittlich und stacr. 
wird immer naturgemäss sogleich die Seele des 
Mannes, falls ein wertvolleres Bild vor seine Seele 

15 



tritt! Ehebruch, Treuebruch, was seid ihr für 
nichtssagende Namen ! Das „Zulänglichere** löscht 
einfach stets das „Unzulängliche** aus! Soll man 
weiter verehren, was der Verehrung nicht mehr 
wert ist ? ! Gehet von hinnen. Schwerfällige, wenn 
die „idealere Tänzerin** naht! Die „Gleitende" 
besiegt die „Schleichende"! 



i6 



WESEN DER FREUNDSCHAFT 

Ich kenne nur zwei Menschen, die mir freund- 
schaftlich gesinnt sind, mein Bruder und A. R. Sie 
verstehen alles, was ich denke, empfinde, sage, 
geben allen Dingen die wohlwollendste Aus- 
legung. Sie sind ganz ohne „Fallen-stellen-wollen". 
Sie vernehmen nur das Wertvolle, überhören 
eventuelle Mißtöne, ohne zu zucken. Sie schöpfen vom 
gehebten Menschen den Rahm ab, beklagen sich nicht 
über die wässerige Milch, die darunter liegt, sondern 
erfassen es als ein Naturgesetz, daß der Rahm nicht 

bis zuunterst reichen kann . Sie erläutern 

uns nach unseren in uns verborgen liegenden 
Idealen, nicht nach unseren allen augenfäUigen 
alltäglichen Schwächen! Sie lauem auf imsere sel- 
tenen Höhepimkte, beachten nicht unsere Ver- 
kommenheiten. Sie sind noble Ausleger, Ausdeuter 
unseres wirklichen Wesens. Sie begreifen im- 
sere Schwächen, sie achten unsere Stärke! Sie sind 
mit uns, wie man mit edelrassigen Kanarienvögeln, 
Papageien, Staren, Hunden, Affen ist. Man achtet 
ihre Eigenart, fordert von ihnen nichts UnmögHches. 
Man hält sich an ihre „besonderen" exzeptionellen 
Eigenschaften. Diese wohlwollend-sentimentale Art 
von Nervengutmütigkeit heißt: Freundschaft. 
Jede andere ist tief verlogen. Diese edle „ewige 
Gutmütigkeit" ist von Gottes Gnaden! Man 
hat sie zumeist erst mit Verstorbenen. Da kommt 
man erst zur Besinnimg über besondere Werte, 
dringt tiefer ein in das Wesen desjenigen, dessen 
Lebendigsein uns nicht mehr stört. So lange er lebte, 

2 17 



beging er die störende Ungeschicklichkeit, ein an- 
derer zu sein an Denken und Empfinden als wir 
selbst t 



i8 



WAS IST EIN DICHTER? 

Er sah am ,,Gänsehäufer* ein fremdes jmiges 
Mädchen, ganz lang imd schlank, goldbraime 
wehende Haare, lange, schmale Hände imd Füße, 
em ockergelbes seidenes Trikot an dem mulatten- 
braunen Leibe.* 

Er konnte sie nie, nie, nie mehr vergessen. 

Er sah in einer japanischen Akrobatentruppe ein 
fünfjähriges Mäderl, gelber Teint, Stumpfnäschen, 
schwarze Haare wie eine Perücke. Lebendig ge- 
wordenes Kinderspielzeug! 

Er konnte sie nie, nie, nie mehr vergessen. 

Er las von einer wimderschönen Preisfechterin 
in Venedig, aus reicher, geachteter Familie, die ohne 
Grund, neimzehn jährig, sich aus ihrem Zimmer, drei 
Stockwerke hoch, aufs Pflaster stürzte und starb. 

Er konnte sie nie, nie, nie mehr vergessen. 

Er hatte neben sich eine, ganz, ganz neben sich, 
hart neben sich, bei Tag und bei Nacht. 

Die koimte er aber vergessen, vergessen, vergessen ! 



19 



BEKENNTNIS 

a 

Du gabst mir alles ■ und ich gab dir nichts ! 

Mein Aug', mein Ohr, mein Denken und mein 

Träumen 

gehörten vielleicht eher den dunklen Mädchen von 

den Sundainseln, Romantischen Gebilden fremder 

Welten, 

die ihre stillen Wege gehn nahe dem Urwald . 

Du gabst mir alles — und ich gab dir nichts! 

Wie Märtyrerinnen warst du aus der Vorzeit, 
oder wie Krankenpflegerinnen fremder Menschen, 
wie sie heut' noch sind in Krankenhäusern und in 

Klöstern . 

Belohnung war dein eigenes Gefühl in dir! 
Im Geben nahmst du tausendfach zurück, 
was du gespendet. Und davon lebtest du! 
Nun bist du in dem Dienste deiner heiligen Seele 

krank geworden -; 

der magische Schein der Selbstaufopferung ver-' 
lischt du kannst nicht -mehr grenzenlos er- 
geben sein! 
Und weinend siehst du nun zum ersten Male deines 

Lebens Not . 

Du gabst mir alles und ich gab dir nichts! 

Und dennoch traure ich verzweifelt am Sarge deiner 
armen Seele . Denn, glaube mir, sie starb! 



20 



ENTWICKLUNG 

Es gibt zwei Arten von Genies. Die, die eine neue 
naturgemäße Sache entdecken, und die, die es gläu- 
big erfassen und verwerten. Der Glaube an die 
Genialität des anderen ist die nächstfolgende 
Geniahtät. Glaube an neue Erkenntnisse ist bisher 
unterschätzt worden. Es ist ein zweiter Grad 
von Genialität. Die anderen sind Skeptiker, also 
ungenial. Dann gibt es noch die Mitläufer mit 
den Schwindlern und Hochstaplern. Das sind die 
ganz Ungenialen, die einem ebenso Ungenialen wie 
sie selbst sind, feige Kärrnerdienste leisten. Sie leben 
von der Hoffnung, man werde sie ernst nehmen, 
weil sie einem nicht ernst zu Nehmenden ernstlich 
Gefolgschaft leisten ! Aber in Gottes Buche ist alles 
verzeichnet, und dieser riesigen unerbittlichen Buch- 
führung über Reelles und Unreelles unterliegt 
schließlich alles ! Alles wird aufgedeckt, die reellen 
imd die gefälschten Ziffern, und man sollte eben 
deshalb schicksalsergeben sein. Entwicklungs- 
konjunkturen ausnützen ist jedoch eine der 
feigsten Gemeinheiten. Wenn man für die „Frauen- 
seele" zum Beispiel kämpft, muß man zeit seines 
langen schrecklichen Lebens in jeder Beziehung daran 
auch elend verblutet sein. Die jungen Gänseriche 
haben aber noch einfach ihre verfluchte Pflicht und 
Schuldigkeit, ohne psychologische Mätzchen das 
Ihrige wie eh und je zu leisten. Der Entdecker 
leidet, und der Gläubige an ihn leidet. Aber 
der geschickte Ausnützer von Konjunkturen macht 
dabei seinen Rebbach. 

21 



Dasselbe findet in der Kunst statt. Gottes Pläne 
sind niemandem heilig, sondern man erstrebt es 
einfach, seiner eigenen verfehlten Organisation zum 
Durchbruche zu verhelfen! Freaks sind noch lange 
keine Genies, obzwar Genies oft Freaks waren. 
Sie waren es eben doch nur scheinbar. Denn hinter 
ihnen thronte Gott und die Natur, wenn auch ein 
wenig in allzu grotesken Formen. Es gibt Räusche, 
in denen man Ssnnphonien dichtet; und es gibt 
Räusche, in denen man sich erbricht. Beides sind 
Räusche, Ekstasen, übertriebene Zustände. Aber 
Rausch und Rausch sind nicht gleich; und nicht 
jeder torkelnde Betrunkene schreibt dann in seinem 
einsamen Zimmer Schubert-Lieder I 



22 



SANKT-MARTINS-INSEL 

Als der Arzt ihr mitteilte, daß sie vor den dunklen 
Toren der Tuberkulose stehe, sagte sie: „Na, na, 
dös tun mer net, mit achtzehn Jahren?!" 

Und sie eilte nach Gravosa, und lag auf der 
Sankt-Martins-Insel mutterseelenallein, mit ihren 
Proviantvorräten, von sieben morgens bis sieben 
abends, und breitete splitternackt die Arme aus, um 
die Heilkraft der Natur zu empfangen. 

Sie ließ sich mit Mentholfranzbranntwein täglich 
zweimal eine halbe Stunde lang einreiben und nahm 
einen halben Liter Kakao mit sechs eingesprudelten 
rohen Eidottern. Femer Bouillons mit eingesprudelten 
rohen Eidottern und Seefischfilets in großen Mengen. 

Als sie gesund wurde, kam der Ehrgeiz und die 
Lebenslust über sie, und sie fand ein Engagement 
in einem ganz kleinen Theater. Ihre erste Rolle war 
die französische Gräfin Laborde-Vallais. Sie wußte 
durchaus nichts damit anzufangen, aber ein junger 
Herr schickte ihr in die Garderobe seine Visitenkarte. 

Sie hatte sich mutig dem Tode entzogen, und 
bemerkte nun bald, daß das Leben es nicht wert sei, 
sich so sehr darum bemüht zu haben. Sie war dieser 
Gefahr „Tod" entronnen — nun kam diese größere 
Gefahr „Leben"! Dem konnte man nicht mit 
Sonnenbädern, Kakao, gesprudelten Eidottern, Men- 
tholfranzbranntwein entrinnen ! 

Später temte sie zufällig den Dichter kennen. 
Sie verstand nicht, worin das bestehe, ein Dichtet 
zu sein. Man schreibt Bücher, und man ist ein Dichter. 
Aber was stellt es vor, und wozu ist es ? ! ? 

23 



Aber eines Tages sagte er zu ihr: „Wie war es 
auf der Sankt-Martins-Insel?!? Sie lagen da, gott- 
ergeben, und erwarteten von Wiese, Wald und Sonne 
Ihre Heilung ." 

Und jemand sagte zu ihr: „Hören Sie mir schon 
auf mit Ihrer faden Sankt-Martins-Insel! Jetzt sind 
wir Gott sei Dank hier!" 

Da blickte sie hilfeflehend zu dem Dichter, und 
sie fand einen hilfsbereiten Blick . 

Da wußte sie, was ein Dichter sei und wozu er 
da sei . 



24 



KONZERT 

Du kamst aus dem Konzert, erfüllt von Liedern 
und den Liedertexten, die von Dichtem waren wie 
Stefan George, Richard Dehmel, Jacobsen, dem ver- 
storbenen Dänen, der Musik in Worten machte. 

Du warst schön und prächtig, gelb und gold war 
dein Gewand, und deine geliebten Augen blickten 
noch in Femen, aus denen sie eben kamen. Ein 
Zwerg, ein Wurm, ein gekrümmtes armseliges 
Reptil erschien ich dir, ans Irdische dich feig ge- 
mahnend, die du aus hehren Femen kamst, und 
meiner Liebe allzu gewohnte Seufzer verhallten in 
den Tönen deiner neuen Musikwelten. 

Ich starb dahin vor Eifersucht auf das Konzert, 
und auf alles, was drum herum und dran hängt an 
Ablenkungen selbstverständlicher Art einer fana- 
tisch geliebten Seele — . Ich starb dahin. 

Du aber blicktest, gelb und goldig war dein 
romantisches Gewand, in Femen, aus denen du 
soeben kamst, gleichsam von einer langen, langen, 
langen Reise — . Wo. warst du, Frau?!? 

. Da senkte ich den Bück, der zuerst böse starrte, 
und ich ergab mich in das Schicksal . 

Du sagtest schlicht: „Es war sehr schön; man 
hat sehr viel gelernt ; man bUckte jedenfalls in Welten, 
die bisher verschlossen waren — ." 

Da saß ich denn da und getraute mich nicht mehr, 
deine geüebten Hände zu berühren wie eh und je — . 

Und du sagtest: „Was haben Sie?!?" Und ich 
sagte: „Nichts .^ 



25 



(( 



BUCHBESPRECHUNG 

Er hatte zu ihr gesagt: „Nun habe ich dich, 
über allen Kitsch der Künstler hinaus, den 
Kunstwerken der Natur und des Lebens 
selbst allmählich näher gebracht, habe dich müh- 
selig gelehrt, die Romantik des Daseins aus erster 
Hand zu genießen! Nun gebe ich dir einen aller- 
besten, spannendsten, aufregendsten, ergreifendsten, 
lehrreichsten Roman zu lesen: „Der Volkskrieg 
in Tirol 1809" von Oberleutnant Rudolf Bartsch. 

Und sie las es in einigen Stunden einer schlaflosen 
Nacht. Alle Menschen darin standen ihr nahe, und 
sie zitterte um eines jeden Schicksal! Erzherzog 
Johann, die Offiziere, die Diplomaten, die Bauem- 
führer wurden ihr zu vertrauten Freunden. Sie be- 
gann das Getriebe der Welt zu erkennen und Freunde 
und Feinde in gleicher Weise zu verstehen! Sie sah 
die Schlachten zwischen Intelligenz und Herz 
im Menschen, zwischen Vorurteil und Urteil, 
zwischen Fernsicht und Nahsicht! 

Sie gewann eine tiefe, tiefe Liebe zu Peter Mayr 
und Andreas Hofer, zu den reinsten der Reinen 
den eigentlichen Idealisten in dem Buche. 

Sie^ weinte bitterlich und stundenlang über ihre 
edle Art. Sie schrieb sich folgende Stelle auf ein 
Pergamentblatt heraus und ließ es einrahmen unter 
dem Titel: „So sind alle, die für die Kommenden 
von Wert sind!" 

Diese Stelle lautete: Der geniale Hormayr ver- 
scherzte sich das Zutrauen vieler, namentlich der 
Bauern. Als er nach dem Bankrott der österreichi- 

26 



sehen Invasion aus dem Lande floh, schob so recht 
das ganze Volk von Tirol den gegen Hormayr ein- 
fältigen, aber sittenreinen Sandwirt an die höchste 
Stelle ~ ohne dessen Zutun. 

Schob: dieses Wort bezeichnet viel in Hofers 
Wesen und Laufbahn! Der bedächtige Sandwirt war 
keine aggressive, ideenwälzende Natur wie Haspinger, 
kein genial tollkühner Unfried wie Speckbacher. 
Viele seiner Führer hatten weit größere Begabung 
als der bloß mit einem schHchten, gesunden Haus- 
verstand ohne weiten Blick ausgerüstete Hofer. 
Gedrängt, unwiderstehlich gedrängt wurde Hofer 
zu allem, was er tat. Eine äußere, aber geheime 
Macht, deren Walten er wohl ahnte, der er nie zu 
widerstehen suchte und die er verehrte, trieb ihn: 
der Volksgeist von Tirol! 

Diese Macht erhob ihn hoch — er blieb demütig 
und schlicht; diese Macht entriß ihm all seine Ent- 
schlüsse. Durch sie gedrängt, siegte er bei Sterzing, 
am Isel und bei Leonhard. Durch sie gehalten, ver- 
mochte er nicht zu fhehen, als die Besten des Landes 
das sinkende Schiff verließen — und geschoben, ja 
ganz verwirrt von dem Einfluß der Verzweifeltsten 
des ganzen Landes, brach er im Spätherbst 1809 
zum erstenmal in seinem Leben das Wort, ver- 
leugnete seine Unterwerfung, erhob von neuem den 
Ruf zum Aufruhr, xmd erst als sein KörperUches ge- 
fangen und dem Tode geweiht war, da befreite sich 
seine Seele, eine tiefe Erkenntnis seines ganzen 
Lebenslaufes durchzuckte ihn, und da wuchs er ins 
Übermenschliche. Dieser weichherzige Mann, der so 
leicht die gutmütigen Augen voll Wasser bekam, 

27 



nahm trockenen Auges Abschied von einer Welt, 
die sich schlechter erwiesen hatte als er. 

Daß man Hof er so oft verkannt und in ihm den 
Führer und Kommandanten des Aufstandes gesehen 
hatte! Er war weniger imd doch mehr. Er war 
seinem Volke, was dem Soldaten seine Fahne ist: 
Das Panier von Tirol! 

Selbst unbeweglich, aber von den Kühnsten 
und Besten getragen, allen voran. Unbefleckt, 
rein, verehrenswürdig, ja wahrhaft geheiligt! Von 
der Rehgion geweiht, vom Paten Johann mit einem 
Wahlspruch belebt, vom Kaiser ausgezeichnet und 
geschmückt. In der höchsten Not entfaltet, als alle 
Kommandanten versagten, siegt diese menschliche 
vorausgetragene Fahne Andreas Hofer, dann sinkt 

sie und mit ihr das Land Tirol. Er war eben der 

einfache, Mensch gewordene Idealismus, der embryonal 
in tausend Herzen, in tausend Gehirne, in tausend 
Willenskräften verborgen lag! 

Die edle Leserin machte die Hinrichtung Andreas 
Hofers mit, aber sie konnte nicht, wie er von sich 
selbst es sagte, sagen: „So leicht kommt mir sein 
Sterben an, daß mir die Augen davon nicht naß 
werden ." 

Sie aß wenig, sie sprach wenig durch viele Tage. 
Nur dem Freunde, der ihr diesen „Roman des 
wirklichen Lebens" anempfohlen hatte, blickte sie 
dankbarst in die Augen. Da sagte er denn zu ihr: 
„Dieser Oberleutnant Rudolf Bartsch ist vielleicht 
ein größerer Dichter als viele protokollierte 
Firmen dieser Branche. Denn er hat die in den 
Archiven des Lebens begrabene Poesie und Romantik 

^8 



der Menschheit zu lebendigem wirkendem Leben ge- 
bracht durch sein einfaches tiefes Buch!" Und die 
Dame reihte es ein in ihrer kleinen BibHothek neben 
ihre Götter: Hamsun, Strindberg, Maeterlinck, Ibsen, 
diese Vermehrer des Bestandes der allge- 
meinen menschlichen Seele! 



29 



IDEALE 

Ein fünfzehnjähriges wunderschönes Stuben- 
mädchen stahl ihrer Herrin zwanzig Kronen. 

Die Herrin schickte zur Polizei und machte die 
Anzeige von dem Diebstahl. Da nahm die Fünf- 
zehnjährige, die ihrer Mutter zum Namenstag ein 
Geschenk hatte machen wollen, eine Flasche mit 
Spiritus, trank die Hälfte aus, übergoß ihre Kleider 
mit der anderen Hälfte, zündete sie an. Nach elf 
qualvollen Stunden verstarb sie im Wasserbett. 

Einfache künftige Polizeivorschrift: 

Anzeigen gegen Untergebene unter zwanzig Jahren 
wegen Diebstahls unter loo Kronen werden zwar an- 
genommen aber, sobald es sich um einen ersten 
Fall handelt, in den Papierkorb geworfen! 

Man vertröste die anzeigende „Canaille", daß 
sich der Fall leider „verzögert" habe . 



30 



EIN BRIEF 

Liebes Fräulein Marion Kaulitz, ich habe gestern 
in der Wiener Werkstätte, erster Bezirk, Graben 15, 
die Puppenausstellimg besichtigt. Ich war ganz ge- 
rührt. Wie schrecklich sind doch diese Puppenge- 
spenster gewesen aus der Kindheit unsrer geüebten 
Schwestern und Cousinen! Wie starrten sie uns 
blöde herzlos an, erwiderten alle Liebe und Sorge 
mit einem nichtssagenden kretinartigen Grinsen, das 
unsre kleinen Herzen hätte Heblos machen müssen, 
wenn wir damals nicht so viel an selbstloser Liebe 
aufgespeichert hätten zu adehger Verschwendung! 

Aber nun schufen Sie, Fräulein, Puppen, die wie 
edle, zarte Menschenkinder bücken, träumerisch 
lächelnde, und solche, die sich anschicken zu weinen 
und es dennoch unterdrücken! Kleine, zarte Kind- 
chen schufen Sie, nicht Puppen! 

„Das Beste ist für unsre Kinder gerade noch gut 
genug", sei der Wahlspruch von verständnisvollen 
Eltern. Eine meiner kleinen zartfühlenden Freun- 
dinnen, zwölfjährig, hat am Lande im Garten einen 
Zentralkäfig aus spinnwebdünnem Stacheldraht. 
Innerhalb ein kleiner ovaler Teich von Quellwasser, 
und blühende kleine Gesträuche. Dieser Käfig ist 
bewohnt von siebzig herrlichen Vogelarten. Hier 
genießt sie die Märchen der mysteriösen Natur aus 
allererster Hand, hat einen kleinen bequemen Fau- 
teuil davor gerückt, sitzt stimdenlang, beglückt und 
entrückt . 

Geradeso könnte man mit Ihren Püppchen sitzen, 
stundenlang, Fräulein Marion KauUtz ! Ich denke mir 

31 



kinderlose zarte Damen, die dieselben sanft an ihr 
Herz drückten. Im Schlafzimmer sollten sie in Sofa- 
ecken kauern, wie kleine zarte Lebewesen! Es gibt 
einige darunter, die man direkt lieb gewinnt. Ich 
kann es mir vorstellen, daß eine alte Jungfer solche 
fünfzig ankaufte und so in ihrem Zimmer eine Welt 
erblühen ließe, die ihr im realen Leben versagt ge- 
blieben ist. Eine Welt von Poesie imd ohne die 
Enttäuschungen. Eine ist darunter, dreißig Kronen, 
von der man es sich vorstellen muß, daß sie unbedingt 
eine weltentrückte Dichterin werden würde. Ich 
sagte zu der wunderbar schönen bleichen Ver- 
käuferin mit den aschblonden Haaren und der sanft- 
mütigen Stimme: „Melden Sie es mir seinerzeit, 
welche Dame diese scheinbar unscheinbare Puppe 
erstanden habe! Es wird jedenfalls eine ,innerüch 
Adeüge* sein ." Die bleiche Verkäuferin er- 
rötete und sagte: „Ein fremder Herr hat sie heute 
bereits von selbst für mich erstanden ." 



32 



VARIETE 

„Sechs riesenstarke Männer und eine Sechzehn- 
jährige, wunderbaren verklärten Antlitzes, und ge- 
wachsen wie ein edler Knabe. Man warf sie wie 
einen Gummiball, fing sie nach zahllosen Um- 
drehungen auf herkulischen Schultern geschickt auf. 
Dennoch zitterte man jiedesmal für ihre edelzarten, 
unbeschreiblich rührenden, gebrechUchen Glieder. 
Sie blickte ekstatisch, ließ sich in die Luft wirbeln 
und auffangen und hätte, zufällig auf den Boden 
geschleudert und ermordet, zerbrochen, zerquetscht, 
keinen Laut von sich gegeben! Ekstatisch blickend 
wäre sie gestorben. Da dachte ein Graf: „Ich werde 
sie ihren Peinigem entziehen und ihrem Selbstmorde. 
Ich werde sie schützen, pflegen und behüten!" 
Aber das wunderbar verklärte Antlitz hätte sie 
dann sogleich verloren, und den edlen süßen Helden- 
blick wie in einer Schlacht, in der man gern vor dem 
Tode steht! Denn „leben ohne Ehre" ist da über- 
flüssig geworden! O, Fräulein, gedenken Sie eines 
armseligen Zeitungsreferenten, der es nicht drucken 
lassen darf, daß er vor Ihnen hätte hinknien mögen ! 
Sondern er mußte schreiben: „Einen wirkHchen 
Rekord in der Parterreakrobatik bot die jugendliche 
Tochter des Truppendirektors. Eine Vereinigung von 
Kraft und Anmut . Stürmischer Beifall be- 
lohnte aber auch ihre Leistung!" O, Menschheit, 
pfui über dich, die du noch immer die „spanische 
Stiergefechtsseele" hast, ohne Erbarmen und ohne 
Liebe, pfui! Fräulein M., Ihre edelzarten GHeder 
sind mehr wert als das begeisterte Gejohle einer herz- 

5 33 



losen Menge. Gott beschütze Sie, Allerzarteste, in 
Ihrem gefahrvollen Berufe ! Möge dennoch ein Graf 
Sie zuletzt erretten!'* 



34 



DIE ABGELEHNTE EINLADUNG' 



„Sie luden ihn ein auf ihre Besitzung. Er könne 
dort tun und lassen, was er wolle, niemand würde 
Ansprüche an ihn stellen. Er habe seine Freiheit 
garantiert. Er kam nicht. Er hatte zu tiefe Ach- 
tung vor dem Fernverkehr zwischen Menschen, 
die sich wenigstens teilweise verstehen, zu viel Ver- 
achtung für den Nahverkehr, der imter allen 
Umständen Abgründe öffnet, in denen die Seelen 
zerschellen. Welche Freiheit konnte man ihm garan- 
tieren, nachdem er als Gast von selbst infolge seiner 
inneren Kultur unwillkürlich den Gastgeber un- 
unterbrochen berücksichtigt hätte? Die großen Ab- 
gründe sind leicht mit Freundschaft zu überbrücken, 
unüberbrückbar sind die allerkleinsten ; was ist 
es, wenn der fanatisch geliebte Hund des Gastgebers 
dem Gaste als ein verwöhntes, ekelhaftes Beest er- 
scheint? Genügt das nicht, alle Werte umzuwerten 
und Verzweiflung in den Nerven zu erzeugen, wo früher 
edler Friede war ? Ich will von Speisen und Getränken 
gar nicht reden, von Tageseinteilungen. Der Gast 
wird zum „hysterisch-empfindsamsten" Menschen, 
weil er eben der „Gast" ist, der Gastgeber ebenfalls, 
weil er eben der „Gästgeber" ist! Es entsteht eine 
Beziehung von Verantwortlichkeit für das Glück 
des anderen. Man bemüht sich, ein anständiges 
aber ungeschicktes Kompromiß zu schließen zwischen 
zwei Nervensystemen. Nim gibt es aber auch noch 
tragischere Verwicklungen. Zum Beispiel „Lieb- 
lingsspaziergänge", oder „Lieblingsplätze im Garten", 
ja sogar „Liebüngsbäume und -blumen". „Gekränkt 

^* 35 



sein" ist eine von unserem guten, ja von unserem besten 
Willen unabhängige Emotion der Seele. Wodurch 
könnte man es besiegen ! ? Durch Entfernung ! Napo- 
leon kann bei seinem Kammerdiener zu Gaste sein, 
aber nicht bei einem Napoleon! Außerdem kann 
man sich auch noch zu allem anderen vielleicht in 
das Stubenmädchen der Hausfrau verlieben. „Distan- 
zen lassen" in jegUchem Verkehr ist die „Genialität 
der Bescheidenen", „Distanzen nicht einhalten" ist 
die „Stupidität der Größenwahnsinnigen"! Es gibt 
daher für einen „bescheidenen" Gast eine einzige 
Form der Einladung an ihn: „Liebster Freund, wir 
reisen heute abends ab, unsere Villa steht Ihnen 
daher zur Verfügung. Die Köchin wird kochen, was 
Sie anbefehlen; außerdem bekommen Sie Tages- 
diäten von zehn Kronen. Gedenken Sie unser in 
Liebe!" 



36 



HYPOKRISIE 

Ich möchte ein einziges Mal im Leben ein Liebes- 
paar, ein jmiges Ehepaar antreffen, bei dem der 
Mann nicht in überquellender sorgsamer ZärtUchkeit 
das Zigarettenrauchen der GeUebten bespräche! 
„Anna, du weißt, dein Pensum ist bereits über- 
schritten, ich habe drei Zigaretten täglich gestattet, 
eine nach dem Frühstück, eine nach dem Mittag- 
essen, eine nach dem Nachtmahl. Ich glaube, ich 

bin jedenfalls ein nachsichtiger Gatte ." Nein, 

das bist du nicht, du Hund ! Gerade hierin also willst 
du ihr helfen, hast nicht die geringste Ahnung, du 
Esel, wieviel Narkotika sie braucht, um deine Lang- 
weiligkeiten zu ertragen, oder sich zu betäuben ein- 
mal auf anständige Art! Keine Frau raucht mehr 
Zigaretten, als sie imbedingt braucht, denn in der 
Kontrolle ihrer Genußfähigkeiten sind die Frauen 
begabter als die Männer, da sie den Gesetzen der 
unbewußten Natur näher stehen, sie daher besser 
erlauschen ! Ich hasse die Männer, die ihre hypokrite 
zärtliche Fürsorge gleichsam auf das scheinbar über- 
triebene Zigarettenrauchen ihrer geliebten Frauen 
konzentrieren. Sie haben überhaupt nicht die ge- 
ringste Ahnung von der nünutiösen Hygiene des 
Frauenleibes, der Frauenseele! Aber vor der un- 
schuldig-betäubenden, ja oft erlösenden Zigarette 
wollen sie sie zärtüchst behüten! Der Anfang aller 
Ungezogenheiten einer Frau, die sich dann allmäh- 
lich und xmscheinbar entwickeln, ist, ihr ihre un- 
schuldigen Freuden zu mißgönnen! 



37 



t€ 



STRANDBAD „GÄNSEHÄUFEL 

Wie alt du wirst, Peter . Läßt dich deinen 

Idealen nicht mal mehr vorstellen?! 

Ich sah zwei Schwestern, sechzehn und fünfzehn, 
mit braunem Teint und dunklen Haaren, stumpf- 
nasig, edelhändig, edelfüßig. 

Wie von den Inseln Ceylon, Sumatra, waren sie. 

Die Sonne brannte auf den grauen mehligen 
Donausand des Strombades „Gänsehäufel^^ 

Ein buntes Treiben; und ich sah nur euch! 

Wie flügge Vögelchen im Neste, sah ich euch, 
von eurem Vater zart behütet . 

Finger, Zehen, zart zum Abbrechen. 

Und eure Augen schienen noch nie ängstlich ge- 
bückt zu haben . 

Ein buntes Treiben auf dem Strand, im Wasser! 

Familienglück mit plätschernden Bab}^, und 
Paare, denen man es ansah : „Ihr gehört zusammen !" 

Von Weidenbüschen kamen Duft und Kühle . 

Und als die beiden braunen Schwestern ihre 
weißen Strandkörbe verließen, um zu baden, hätte 
ich mich gern als Leibwache hinpostiert und zu jedem 
gesagt: „Die Körbe sind besetzt, ich hüte meiner 
geüebten Herrschaft ihre Ruheplätze 1" 



38 



RÜCKKEHR VOM LANDE 

Nun ist es wieder Herbst geworden, und die 
Grabenkioske füllen sich zur Abendzeit mit wohl- 
gepflegten und gebräunten Dam«n. 

Man hätte so viel zu erzählen, und man schweigt ! 

Man ist wieder in diesem Gefängnis ,,Großstadt". 

Man träumt von Licht und Luft und Wasser. 

Man war ein anderer, besser, menschlicher. 

Nun geht man seinen Trab wie eh imd je. 

Man fühlt sich altem, schwerfällig werden, klam- 
mert sich an dieses unglückselige Wort: „Verpflich- 
timgen" ! 

Die Wohnung will nicht in Ordnung kommen, und 
die Dienstboten kündigen. 

„Die gnädige Frau war am Land viel netter zu 
uns ." 

Ja, das war sie. 

Die Kellner in den Kiosken begrüßen alle Gäste 
wie Weltreisende, die vielfache Gefahren überstanden 
haben . 

Nun nehmen sie Soda-Himbeer im sicheren Port ! 

Die Deklassierten, die nicht fort waren, mischen 
sich in die Menge der Zurückgekehrten, als ob nichts 
vorgefallen wäre . 

Ja, sie haben sogar die naive Frechheit, zu be- 
haupten, Wien wäre am angenehmsten, wenn alles 
„auf den Ländern" weile . 

Damen, mit den veredelten gebräunten Ant- 
litzen, lasset euch nicht betrügen von dem Pnmk 
der Großstadt! Erschauet in den Spiegeln eurer 
Gemächer einen Zug auf eurem Antlitz, den Licht 

39 



und Luft und Wasser xmd Freiheit modelliert haben, 
und der nicht da war ehedem, imd der verschwinden 
wird im Wintertrubel! 

Komödie hier, Komödie dort vielleicht . 

Doch unter freiem Himmel ist das Theater 
schöner I 



40 



I i 

i I 



KRANKENLAGER 

Ich lag wieder einmal im Sterben. Einer sandte 
mir daher Kalbsfußgelee in Glasdose, statt mir seine 
jxmge, schöne Geliebte zu senden, die mich unbedingt 
eher hätte erretten können als Kalbshaxen! Das 
Kalbsfußgelee hatte einen geheimnisvollen, imer- 
öffenbaren Verschluß. Daher war es auch ganz 
gleichgültig, daß es vor dem Eröffnen zwei Stunden 
lang in Eis liegen sollte. Einer kam sehr teilnahms- 
voll und besprach es mit mir ziemlich eingehend, 
ob er seiner Mitzi den Laufpaß geben solle oder 
nicht, nachdem doch, wie ich wisse — . Wir berieten 
hin und her, und er meinte schließlich, er sehe, ich 
sei nicht ganz bei der Sache. Zum Schlüsse sagte er : 
„Hast du große Schmerzen? ! Merkwürdig, daß diese 
Anfälle in letzter Zeit so häufig wiederkommen. 
Vielleicht sieht man dich übrigens morgen im Gast- 
haus. Da können wir es weiter besprechen." Eine 
Dame kam, xmd ich teilte ihr mit, daß sie die schön- 
sten Ohren, Hände von der Welt habe. Sie meinte, 
ich bliebe noch in der Sterbestunde ein Dichter, ein 
wirklicher Künstler. Einer kam und legte seine 
Zigarettenasche auf mein Nachtkästchen aus Bam- 
bus, neben die große, tiefe Aschenschale. Einer trug 
mir ein Buch weg, imter dem Vorwande, ich könne 
in meinem jetzigen Zustande ohnedies nicht die 
Sanmüung finden, es zu lesen. Einer sagte mir, man 
dürfe sich nicht so sehr nachgeben, sondern müsse 
die Krankheit durch Energie überwinden. Gott, wo 
käme er selbst hin, wenn er sich immer gleich ins 
Bett legen wollte xmd sich pflegte I? Eine jxmge 

41 



Dame schrieb: „Verehrter Meister, ich höre, daß 
Sie schwerkrank sind. Darf ich um ein Autogranmi 
bitten?!" Als ich wieder genesen war, sagte man 
zu mir: „Nun, Peter, du ewig Unzufriedener, hast 
du es nicht jetzt wieder einmal erlebt, von wieviel 
Sympathie und echter Freundschaft du in schweren 
Zeiten dennoch umgeben bist ? !" Ich blickte gerührt 
vor mich hin — das heißt, ich dachte : Verbrecher und 
Schafsköpfe ! 



42 



HUNDE 

Ich hasse die Frauen nicht nur wegen der falschen 
Krawatten, die sie anhaben, wegen der falschen 
Schirmgriffe, der falschen Hüte, der falschen Man- 
schettenknöpfe und so weiter — ich hasse sie in 
neuerer Zeit wegen der „Pflanzhunde", die sie sich 
mit teuerm Gelde zulegen, um eine Art von ver- 
logener Tierromantik mit ihnen aufzuführen. 

Meine wunderbar schöne Schwester fand in ihrem 
fünfzehnten Lebensjahre ein schreckliches ver- 
hxmgertes Tier auf der Bergstraße nach Kaiser- 
brunn, direkt ein Scheusal. Aber sie betreute es 
fanatisch; und als sie es eines Sommermorgens im 
Bottich des kleinen duftenden Gemüsegartens er- 
tränkt fand, legte sie sich ins Bett und verweigerte 
acht Tage lang die Nahrung. 

Heutzutage aber kaufen sie sich für schwere 
Tausende prämierte Russische Windhimde, Springer 
erster Klasse, die zwar imerhört hohe Barrieren 
überspringen, aber nicht einmal den Seelengeruch 
aufbringen, die Wohnimg ihrer scheinbar gehebten 
Herrin allein wieder aufzufinden! 

Herzlose Idioten von äußerlich schönen Tieren 
favorisieren sie, schändHche Masken von Idealen, 
einen Abglanz ihrer eigenen leeren Persönlichkeiten, 
drapiert mit modernen Gewandungen ! Wie sie selbst ! 

Seinerzeit war der getreueste Freund des Men- 
schen favorisiert, der aufopferungsfähige weiße oder 
schwarze Pudel. # 

Heute aber hebt man den infam perfid treulosen 
Dackel, den grotesken Clown Foxterrier, und den 

43 



stupiden herzlosen und gleichgültigen Russischen 
Windhund. 

Heute geht man auf Farbe und Form. Aber das 
melancholisch-treuherzige Auge ist euch gleichgültig 
geworden! Es wird sich natürlich an euch rächen! 
Auch die „Ästhetik" kann nur aus den mysteriösen 
Tiefen des Herzens kommen ; sonst ist es eine Blüte, 
die an ihrer eigenen schamlosen Kälte verkommt, 
verdorrt ! Nur das Herz hat ewig belebende tropische 
Wärme. Schönheit allein mordet! 



44 



H. N. 

In deinen Augen lese ich dein Leben 

mehr brauch ich nicht zu wissen, es ist alles. 
Und deine Stimme ersetzt mir die Musik der Welt! 
Deine Hände zu schauen, macht dankbar gegen das 

Schicksal 

und sie berühren, macht mich tief erschauem! 

Wie eine geknickte Blume prangst du in der Welt, 

die trotzig starrt von harten Pflanzen! 

Nur du erzeugst mir Sehnsucht, Gottes edle Qual! 

Die anderen genießt man, wenn sie da sind, 

und die Entfernung legt sie zu den Toten! 

Von dir aus strömt des Dichters Leid und Not, 

an diesem Stoffe brennen seine Flammen! 

WennduvonLieblingsliedem sprichst,hörichsie tönen ; 

Wenn du von Lieblingsbüchem sprichst, so hab ich 

sie gelesen! 
Wenn du von schönen Frauen sprichst, so seh ich sie, 
wenn du von Männern sprichst, so sterb ich vor Ver- 
zweiflung! 

Und die Welt erdunkelt mir . 

Der Bann, der Bann, Bannsegen ohne Fluch! So 

bannst du mich! 
Du bist verstört, von tausend geheimnisvollen Kräften 

hin und her getrieben, 
die aber mir zu Tau und Sonne werden, 
indem ich sie gerührt betrachte und begreife, 

wie eine Mutter ihres geliebten Kindes Rätsel . 

Entfern dich nicht! Denn wenn du mich verläßt, 

erlischt für Dich dein eigener Zauber — ■— 

und eine Welt ersteht, die dich brutal genießen will ! 

45 



HELGA 

Helga, mein Leitstern, 
bist du mir erloschen?!? 
Leuchtest du mir nicht mehr in meinen Dxmkel- 

heiten ? ! 
Willst du meinen Verdüsterungen nicht mehr Klärung 

bringen ? I 
Die Nebel zerstreuen, die sich über meiner Seele 
lagern, wie die Sonnenkraft auf Bergesgipfeln beim 

Nebelreißen ? ! ? 
Wie ein Kindchen strecke ich die Arme 
nach dir aus. Hilf mir! 
Du gabst mir Kraft, du gabst mir Frieden! 

Sei ewig bedankt ! 

Nim kommen die Liebelosen und rauben mir alles! 
Düstere Nebel umwölken mein ehemals klares 

Gehirn . 

Sei wieder die Sonne, die Klarheit bringt 
und Licht und Wärme! 

Hilf mir, Helga ! 

Alle andern Frauen 

nehmen und plündern, die Seele, den Leib, die 

Kraft des Gehirnes — ! 

Du allein spendest und spendest und spendest! 

Kaum bist du fort, umdüstert sich alles . 

Die bösen Geister nehmen mich in Besitz 

Guter Geist, Helga, ich entbehre dich, 

wie ein krankes Kind seine Baba . 

Gütige Kinderfrau, Helga, 

ich gebe dir diesen Ehrentitel, 

Statt dieses schnöden, inhaltslosen Titels: Geliebte! 

46 



DAS TELEPHON 



„Hier Peter Altenberg ." 

— „Oh, Peter, guten Abend. Denken Sie, ich 
kann heute abend nicht an Ihren heben Stanuntisch 
im ,Löwenbräu* kommen. Ich habe mir erst vor 
einer Stunde die Haare gewaschen imd sie brauchen 
mindestens drei Stimden, um zu trocknen.** 

„Schluß", rief et und läutete rasend ab. — 

Das war eine Art von Genugtuimg. — Aber sehr 
bald darauf überkam ihn eine trübe Stimmung imd 
er dachte:. „Was, oh Fraue, was wirst du mir also 
noch alles antun, nachdem du dir nicht einmal recht- 
zeitig die Haare waschen konntest ." 



47 



DIE LÜGE 

Eine der schrecklichsten Verlogenheiten des 
kleinen Lebens ist es, daß so viele in liebenswürdig- 
korrekter Art fragen: „Ist es gestattet, ^n Ihrem 
Tische Platz zu nehmen? Stört man nicht!?" 

Welche verlogene Gemeinheit, eine solche perfid- 
jesuitische Frage zu stellen, nachdem man es doch 
sicher weiß, daß niemand daraufhin den Mut hat, 
zu antworten: „Nein!" 

Möge doch jeder in seiner Vereinsamung bleiben, 
bis man ihn „liebevoll" ruft! Wie viele. Feindseüge 
drängen sich scheinbar freundschaftlichst heran, weil 
man mit einer Dame sitzt, auf die sie „fliegen!" 
Eine horrende feige Gemeinheit. Schändliche Wölfe 
im Schafspelze. Wenn sie ihre Beute „gerissen" 
haben, verschwinden sie ! Niemand weiß, edle Distanz 
zu halten, weder im Gespräch, noch in Handlimgen. 
Eine falsche, feige Gutmütigkeit beherrscht alles, 
vom liebenswürdigen, scheinbar erfreuten Lächeln 
der Begrüßung an, bis in die ernsteren Komplika- 
tionen hinein, wo die Maske fällt! „Wie geht es 
Ihnen?!" Jeder denkt dabei: HoffentUch schlecht! 
Das Herz traut sich nirgends hervor; es keucht, er- 
stickt unter Lügebergen! Niemand kann „er selbst 
sein", schaut sich daher ängstlich um, nach dem 
Sukkurs der andern! 

Heldentum: „Ist es erlaubt, an Ihrem Tische 
Platz zu nehmen?!" 

„Nem!" 

Dann geht der feige, geprügelte Hund aber hin 
und rächt sich! 

48 



j 



PLAUDEREI 

Früher hat es naturgemäß Religionsstifter ge- 
geben für die Seelen. Der Körper war urkräftig, 
und die Seelen waren schwächlich. Da bedurfte 
es der Ärzte für die Seelen. Nun aber ist es um- 
gekehrt: die Seelen sind erstarkt, und die Körper 
sind schwächlich geworden. Da bedarf es der 
Religionsstifter für die Körper! 

Keuschheit zum Beispiel war früher eine „psycho- 
logische" Fordenmg, heute wird es zu einer „physio- 
logischen"! Einfachheit der Lebensweise war früher 
eine „psychologische Forderung", heute ist es eine 
„physiologische" geworden! 

Früher beschenkte man Arme aus „psycho- 
logischen" Gründen. Heute könnte man fast bereits 
sagen: „Ich gab einem Armen 50 Heller, denn ich 
fühlte es, daß mir mein Nachtmahl dann besser 
mimden würde und ich es leichter verdauen könnte — ." 

„Seelische Angelegenheiten" beginnen zugleich 
„physiologisch" aufgefaßt zu werden, also eine orga- 
nische Verbindimg von Selbstlosigkeit xmd Ichis- 
mus. Je mehr ich meinen Körper entwickle und 
schone, desto mehr kann ich seelisch für andere 
leisten! Ich bin von mir befreit! Für andere! 
Liebenswürdigkeit, Menschenfreimdlichkeit ist Sache 
des Verdauungsapparats. 

Mörder müssen Blähungen haben. Man kann 
nämlich auch unscheinbar morden; es muß nicht 
immer Messer und Kugel sein. Auch Worte können 
morden imd jegliche Ungezogenheit! Frauen müß- 
ten daher besonders vorsichtig sein in bezug auf ihren 

4 49 



gesamten Verdauungsapparat. Sie können leicht 
„seelisch morden", wenn sie unverdauliches Zeug 
essen, das sie belästigt und beschwert. Ich will 
von einer der wichtigsten Sphären im „physiologi- 
schen Organismus" gar nichts auch nur andeuten, 
in der man entweder zum „Übermenschen" oder 
zum „Mandrill" wird! Aber der kommende Reli- 
gionsstifter wird die Verbrechen, die „Höllen", 
ausschließlich in der „physiologischen" Sphäre 
erkennen, wenn auch der „Alkoholgenuß" nur selbst- 
verständlich den Prügelknaben vorstellt, der 
blöderweise für alle anderen Sünden herhalten soll ! 
„Falscher Ehrgeiz" zum Beispiel ist ein „physio- 
logischer" Mörder in uns, ein Krebs der Seele, 
eigentlich aber des Leibes ! Die Würmer werden mich 
fressen, früher aber muß ich noch Baron werden ! Sie 
sollen einen Baron also annagen ! Man verlästert immer 
die Dekadenz. Aber wann werden die Menschen end- 
lich nicht mehr essen, als sie benötigen, nicht mehr 
trinken, als sie benötigen?!? Bis sie es nicht 
mehr vertragen vor Schwäche! Dadurch aber 
werden sie dann allmählich wieder ganz stark 
werden ! 

Das ist der Werdegang! Zuerst völlern, auf 
seine überschüssigen Kräfte hin! Dann spar- 
sam leben, wegen seiner unterschüssigen 
Lebenskräfte. Und dann infolgedessen gesunden, 
reich werden und es bleiben! Dekadenz ist der 
organische Übergang zur Aszendenz! Zuerst 
vergeuden die Menschen ihre Kräfte, weil sie 
zu viel davon haben. Dann sparen sie damit, 
weil sie zu wenig haben. Und schließlich haben 

50 



sie wieder angesammelt und sparen wegen 
schlimmer Erfahrungen! Es gibt keinen anderen 
Weg! 

Es wäre denn, daß ein „physiologischer" Religions- 
stifter die persönliche Macht ausübte, daß .die 
Verschwender an Lebenskräften zu sparen be- 
gännen, ehe es unbedingt notwendig wäre! Dann 
könnte er „gottähnliche Menschen" züchten auf 
Erden! „Erkenntnisse aus Not" sind eigentlich den- 
noch lächerlich, sie haben keine „Verführungskraft". 
„Erkenntnisse" aus „Erkenntnis" allein haben Trieb- 
kraft. Sie zeitigen Blüten und Früchte am Baume der 
Erkenntnis ! Der ganze mögliche Fortschritt also : E r- 
kenntnisse haben und sie durchsetzen, ohne 
„physiologisch" dazu bereits genötigt zu sein! 
Zum Beispiel also, Krankenkost essen, ohne es 
nötig zu haben, keusch leben, ohne es nötig zu 
haben, zehn Stunden schlafen, ohne es nötig zu 
haben! Mit diesem gewonnenen Überschuß an 
Lebenskräften es versuchen, ein „höherer, besserer 
Mensch" zu werden! 



4* 



cc 

cc 



LEBENSBILD 

Die fünfjährige Marie Ch. mußte um 6 Uhr 
morgens, bei lo Grad Kälte, nur mit einem Hemd 
bekleidet, den Fußboden des Vorhauses reiben. Ein 
Adeliger, ein Geschäftsmann wollte ich sagen, der 
zufällig in das Haus trat, machte die polizeiliche 
Anzeige. Alle ämüichen Bewohner des weiten alten 
Hauses atmeten auf. Sie selbst hätten sich vor der 
Furie von Mutter nicht getraut, es zu tun. 

Der Richter zu der Mutter: „ und was ist 

es mit den blutigen Striemen auf dem Leibe dieses 
schwächhchen todbleichen Geschöpfes?! 

„Dös Menscherl hat eh zu viel Blut 

Der Richter war empört und verurteilte sie zu 
8 Tagen. Nach diesen acht Tagen wird sie also 
jedenfalls das „vollblütige Menscherl" nicht mehr 
den Boden des Vorhauses reiben lassen, da dort 
„Adelige" vorbeigehen und die Anzeige machen 
könnten. Im trauten Gemache, einen Knebel im 
Munde, gibt es verschwiegenere Martern für irgend 
etwas. Nun hat aber höchstwahrscheinlich diese 
„Mutter" eine Entschuldigimg. Denn sie nahm das 
Miderl von Bauersleuten weg am Lande, die es zwar 
sehr fürsorgUch behandelten, aber immerhin 6 bis 
10 Kronen monatlich erhielten. Grund genug, ein 
Kind als „unerträgliche Last" zu empfinden für durch 
Armut in einem ununterbrochenen Zustande von 
„reizbarer Schwäche" befindhche Nervensysteme. 
Grauen befällt den Allweisen erst in dem gar 
nicht seltenen Falle, wo Pflegeeltern ein abgöttisch 
geüebtes, edel gehegtes Kindchen ohne einen Kreuzer 

52 



Entschädigung ä tout prix behalten wollen, und die 
„Eltern" es nicht gestatten, sondern es nach 
Hause nehmen, um es der gerechten Strafe, geboren 
worden zu sein, unter unermeßlichen Qualen zu unter- 
ziehen, bis der Frevel seiner Geburt mit dem Tode 
gesühnt ist! 

Richter : „Ihr Kind hat es doch dort so gut gehabt, 
und Sie selbst haben in zwei engen Stuben acht 
Kinder zu ernähren?!" 

„Wo acht hungern, kann das neunte auch mit- 
hungem, soll sie's besser haben als mir, warum?!" 

Richter: „Der Bauer, der Ziehvater, hat erklärt, 
er setze es zur Erbin ein — ." 

„Nix, dös Kind g'hört zu seine Eltern, zu seine 
Geschwister ." 

Das Kind wurde später zu Tode gemartert. 

Ich stelle einen einfachen logischen Gesetzes- 
antrag: „Kinder, die nachweislich es bei Zieheltern, 
die keinerlei Entschädigung dafür verlangen, 
gut haben, dürfen den Eltern, falls sie in bedrängten 
Verhältnissen leben, unter keiner Bedingung 
wieder ausgefolgt werden!" 



53 



LEBENSBILDER AUS DER TIERWELT 

Ich habe mit Begeisterung diese Hefte angesehen, 
gelesen. Es ist endhch die Natur „aus erster Hand", 
unverfälscht durch den Künstler, der sich seit Jahr- 
hunderten verbrecherischerweise zwischen Gott 
und die Urromantik des Seins drängt, ein zwar not- 
wendiger, aber für unsereinen überflüssiger Ver- 
mittler und Erklärer der Schätze des Daseins! Wir 
sind selbst „Künstlermenschen" geworden! 

Dieser„Hochzeitstag"z.B. der Eber im dunklen 
alten Forste; ja, weshalb hat bis heute keiner von 
den protokollierten „Landschaftern" so etwas ge- 
malt?!? Diese schwarzen Ungetüme, in Liebe auf- 
gelöst, einer auf den anderen getürmt; die anderen 
schauen dumm zu, und der Forst ist voll riesiger 
schwarzer Stämme. Solche Dinge bringt heutzutage 
die „Kamera" fertig und beschämt den Maler, der den 
Eber „mit seinem Auge", also falschsieht! Der Ja- 
paner allein bemühte sich, der Natur mit unsäglichem 
Fleiße nahezukommen, beizukommen. Aber bei uns 
steht immer der Größenwahn des „Mensct;en" der 
einfachen schönen Wahrheit heimtückisch hin- 
derlich im Wege! Der Maler bringt überall „seine 
Seele" hinein, für diejenigen, die nicht einmal ,,ihre 
eigene dumme Seele" besitzen! Aber Gottes Seele, 
die aus jeglichem ausstrahlt, muß endlich ohne 
Vermittlung dieses Hofmeisters „Künstler" erfaßt 
werden können ! Wer eine Frau erst als wertvoll, als 
mysteriös, als Verhängnis empfinden, sehen, erfassen 
könnte, bis der geniale Maler ihre Werte gemalt, 
der Dichter ihre Werte besungen hätte, dem, dem 

54 



wird sie ihr Leben lang nur ein „unenträtselbares 
Sexualtierchen" bleiben ! Der Künstier ist ein Lehrer 
und Vermittler, und solange man seiner bedarf und 
er als wertvoll erscheint, ist man nur ein „Schüler 
des Lebens", ein nicht schauen und hören Könnender, 
in Gottes All hinein, ein Menschlein, fem dem Herzen 
tmd Gehirne, das in der Natur überall geheimnisvoll 
verborgen liegt, auf daß erst der zum wirkHchen 
Leben „Ausgereifte" es genießen dürfe auf seinem 
Weg zum Heile, zur GottähnHchkeit! Den anderen 
ist es wohlweislich verschlossen, und man schickt diese 
„Babies" in die „Lebensschule" zum Herrn Lehrer 
„Künstler", der ihnen primitiver weisedie Anfangs- 
gründe beibringen soll, mit leichtfaßlichen Beispielen, 
„Ktmstwerke" genannt! 

Wir aber entnehmen diesen mit der einfachen 
„Kamera" aufgenommenen „Lebensbildern aus 
der Tierwelt", R. Voigtländers Verlag, Leipzig, 
und diesen Texten, die nur klar und einfach berichten 
von den Ereignissen des Tierlebens bei Tag und 
Nacht und zu jeder Stunde, tmd von den „Homeri- 
schen Kämpfen" unter Grashalmen und Gebüschen 
verborgen, wir entnehmen ihnen alle Poesien, alle 
Romantik, alle Tragödien, alle Rätsel, die es hie- 
nieden gibt! Unsere Lehrer sind Gott imd Natur! 

Man müßte eigenthch einer gehebten Frau diese in 
Lieferungen erscheinenden „Lebensbilder aus der Tier- 
welt", R. Voigtländers Verlag, Leipzig, als Geschenk 
senden. Denn es ist ein absoluter Prüfstein für ihre 
„inneren Werte"; wie sie darauf nämlich reagierte!? 

Nun, ich habe das mit einer unbeschreiblich ver- 
ehrten Dame getan. 

55 



Sie schrieb mir zurück: „Lieber Freund, sein's 
mir nicht bös, aber dös interessiert mich leider gar 
nicht . . /* 

Nun, hat es meine Anhänglichkeit an sie aber 
zum Schwinden gebracht?!? Keine Spur! 



56 



BRIEF AN MITZI VON DER „LAMING- 
SON-TRUPPE", DÄNIN. 

Liebes, liebes Fräulein, Mitzi von der „Laming- 

son-Truppe" ! 

Ich weiß es nicht, wie lange Sie noch in Wien 
und hier im „Casino de Paris" bleiben werden, und 
eines Tages können Sie fort sein, fort auf Nimmer- 
wiedersehen, irgendwohin in die lustige oder traurige 
Welt der Künstler, der Artisten, tausend und tau- 
send merkwürdigen Schicksalen und Begebenheiten 
ausgesetzt ! 

Mögen Sie es daher wissen, daß ein alter armer 
glatzköpfiger uneleganter Dichter Ihnen nachweinen 
wird imd Ihre herrliche liebUche wundervolle Persön- 
lichkeit gleichsam im Innern seiner Augen aufbe- 
wahren wird, lange lange lange Zeit . 

Man vergleicht oft junge Mädchen mit schlanken 
Rehen im Walde ; aber niemals, niemals hat ein 
Vergleich so sehr gestimmt! Sie sind das schlanke 
rührende edelbeinige Reh, nicht ahnend, woher der 
Schuß eines grausamen Jägers kommen wird im 
Waldesfrieden 

Ihre lieben lieben, beim Lächeln zusammen- 
gezwickten Augen, werde ich nie nie vergessen, nie 
Ihre blondbraunen Haare, Ihre aristokratisch-noblen 
Glieder, Ihre edelgebogene und dennoch rechtzeitig 
abstumpfende Nase, Ihren süßen Mund ! 

Wenn Sie fort sind, Mitzi, Fräulein Mitzi, wird es 
mir sein, wie wenn mir jemand ungeheuer Liebes 
gestorben wäre, und ich werde Ihnen nachtrauern 
und um Sie besorgt sein! 

57 



Ihre außergewöhnliche Schönheit, Ihr Leib, der 
wie das zarte Gedicht eines Dichters ist, haben mich 
tief, tief gerührt; und ich möchte, daß junge, reiche 
elegante Männer mit derselben Ehrfurcht vor Ihrer 
lieblichen Herrlichkeit sich innerlich verneigen könn- 
ten wie ich alter Mann. 

Man müßte Sie betreuen und beschützen wie 
einen kostbaren lebendigen Gegenstand, man müßte 

für Sie sorgen bei Tag und bei Nacht. Mit 

liebevollster Fürsorge! 

Lächeln Sie nicht, wenn Sie diese Zeilen lesen, 
Ihre Härte könnte mich nicht verwunden, nicht 
verletzen . 

Ich bete zu Gott, daß Sie glücklich werden, Sie 
AllerliebUchste ! ! ! 

Peter Altenberg. 



58 



APHORISMEN 

Ich verstehe unter „Kultur einer Frauen- 
seele", einen Mann, dem man sich einmal gewidmet 
hat, nicht zu kränken, bevor man nicht aufrichtig- 
traurig zu ihm gesprochen hat: ,,Es ist Schluß!" 

Eine Frau kann ihr Schlachtopfer „Mannes- 
seele" grausam umbringen, wie Krebse in siedendem 
Wasser, oder in milder Form, mit einem Schnitt wie 
Kälber. Weshalb es ihnen also verzeihen, wenn sie 
es grausam tun?! 

Grausam bereits ist der „kokette Blick"!!! 

Sage also, Kanaille, lieber vorher: „Es ist 
Schluss!'* 



59 



1 



TEXTE AUF ANSICHTSKARTEN 

Rokoko 

In dieser 2Jeit lebten Menschen, die vom Leben 
nicht wußten, wie es wirklich und einfach ist! 

Sie lebten in einem „falschen Märchenlande" . 

Denn das „echte Märchenland" ist die Romantik 
des Kartoffelfeldes in einer wirklichen Mond- 
nacht! Solange die menschUch-kindischen Herzen 
noch nicht reif sind für die ernste „Romantik der 
Natur selbst", schaffen sie sich „kindische Spiele- 
reien"! Aber diese „Verirrten" waren wenigstens 
„Wege -Sucher", die sich nur kindisch ver- 
irrten! Das wollen wir ihnen also zugute halten! 

Frau E... R 

Schaffst du denn Symphonien, weibliches Beet- 
hoven-Antlitz ? ! ? 
Du bist ein Weib, kannst dich nicht austönen! 
Nicht dich erlösen! 

Ein Spiegelbild der Welt kannst du nicht sein! 
Zur Tagestat zu groß, zur ewigen zu klein! 
So bleibst du Weib und kannst 's dennoch nicht 

sein ! ! 

Fräulein Barbara von G. 
„Nichts ist gekommen, nichts wird kommen 

für meine Seele . 

Ichhabegewartet,gewartet, oh, gewartet— • 
Die Tage werden daliinschleicheu — • 

60 



Und umsonst wehen meine aschblonden sei- 
denen Haare um mein bleiches Antlitz ." 

(2/ Über die Grenzen des All blicktest du sinnend 
hinaus ; 

Hattest nie Sorge um Hof und Haus! 

Leben und Traum vom Leben 

plötzlich ist alles aus . 

Über die Grenzen des All blickst du noch sinnend 
hinaus ! 



Nach Jahren kommt eine unaussprechliche 
Dankbarkeit in ims für die Frau, die wir „un- 
glücklich liebten" — — — . Aus Bürgern des 
strengen Tages machte sie tms nämlich zu welt- 
entrückten Poeten, erschloß uns unseres eigenen 
Herzens Tiefen, erhöhte uns zu „inneren tragischen 
Helden"! Unsere Tränen gab sie uns, bannte das 
leere Lächeln! Sie sei also bedankt und gepriesen ! 

Schneesturm 

O Seele, wie bist du schöner, tiefer, nach Schnee- 
stürmen . 

Auch du hast sie, gleich der Natur . 

Und über beiden liegt noch ein trüber Hauch, 
wenn das Gewölk sich schon verzog! 

Bloß ein Feld voll Zwiebeln . 

Stillt es die Not dessen, der es bebaut. 
Stimmt es andächtig den, der es nur als 
Künstler beschaut! 

6i 



Gräber von berühmten Toten sollen uns streng 
ermahnen, den Tag und die Stimde wertvoll zu ge- 
stalten, da wir noch sind 1 

Helle Wolken und schwarze Bäume! 

Für Kinder zum Schrecken, Gespenster! 

Für Dichter zum Weinen! 

Und der gewöhnliche Mensch geht dran gelassen 
vorüber, sagt: „Das wäre etwas für Kinder zum 
Schrecken, und für Dichter zum Weinen! 

Wald im Winter 

Ein kleines Mäderl sagte: „Onkel, aber, nicht 
wahr, hinten ist die böse Hexe, die die Kinder 
stiehlt?!" — Ich sagte: „Natürlich"; und bat den 

friede vollen Wald um Entschuldigung . 

Gewisse Menschen wollen eben keinen Frieden . 

Sie suchen selbst im Walde die böse Hexe, die die 

Kinder stiehlt . Sonst hat er für sie gar 

keinen Reiz! 



Weg im Winter 

Geliebter verträumter verschneiter Weg! Ging 
ich hier mit Anita?!? Oder träumte ich nur, daß 
ich hier mit ihr gehen möchte?! Fußspuren im 
Schnee, ihr paßt nicht zu Anitas geliebten Schuhen — . 

Hie und da rauschen Schneeklumpen zur Erde. 
Wie wenn der Frühling es versuchte, den Winter 
bereits abzuschütteln! 

62 



„Das Betreten der Kulturen ist strengstens 

untersagt" ; man wird es dennoch ewig tun! 

Betreten, zertreten! — 

Zaun, wie machst du die Landschaft melancho- 
lisch! Im* Grenzenlosen etwas Abgegrenztes! 

(V) Hier ist Friede . Hier weine ich mich aus 

über alles. Hier löst sich mein unermeßUches im- 
faßbares Leid, das meine Seele verbrennt. Siehe, 
hier sind keine Menschen, keine Ansiedlungen. Hier 
tropft Schnee leise in Wasserlachen . 

Hier suchte sie die ersten Blüten, und fand nichts. 
Und ich sagte zu ihr: „Diese gelbgrünen feuchten 
Rasenflecke, die der zerrinnende Schnee bloßlegt, 

sind schöner als Blumen ." Da sah sie hin und 

erkannte! 

Hier bleibe stehen mit deiner geliebtesten Freun- 
din, und belausche ihr Antlitz ! Fühlt sie 

dasselbe wie du, dann kannst du beruhigt mit 
ihr weiterschreiten, in die Gelände des Lebens! 

Ich suchte eine Frau, die den Schnee wirklich 
liebte; und ich fand keine! Sie benützten nur 
den Schnee, für ihre Sheerns! — 

Junge Ochsen auf der Weide. Einst im Sonnen- 
brande, ziehend am allzu schweren Gespanne, könnt 
ihr euch nicht mehr der kühlen Weide erinnern. 
Aber in eurem traurig -dummen Auge spiegelt 
sich alles, und kein Gram geht verloren in der gram- 
vollen Welt . 

63 



Margeritteü im hohen Grase. Alles blüht und 
atmet Frieden! Auf dem Boden leben aber und 
sterben lautlos hunderttausend Insekten. Nur der 
Mensch erhebt seine Stimme imd beklagt sein Schick- 
sal. Kann er es ändern ? I Ja. Er kann wenigstens 
weinen und schreien. Und falls er es nicht-kann, tun 
es für ihn liebevoll die Dichter! 

Manche Frauen würden nicht elende „Treue- 
brecherinnen", „Ehebrecherinnen" werden, wenn sie 
stets imstande wären, an den Schätzen dei: friede- 
vollen mysteriösen Natur ihre zerfahrenen Seelen 
wieder und immer wieder aufzurichten! 

Natur und Frau sollten in gleicher Weise 
wirken, uns zu adeligen, all - verstehenden, sanft- 
mütigen Weltgeschöpfen zu transformieren ! Einer 
Frau diese geniale Aufgabe als süße Pflicht bei- 
bringen, heißt: sie glücklich machen! 

(^ Sahst du nach dem Gewitterregen den Wald ? ! ? 

Alles rastet, blinkt und ist schöner als zuvor . 

Siehe, Fraue, auch dubrauchst Gewitterregen! 

Portrait d'une jeune femme 

„Je suis venue pour donner prenez, 

prenez, prenez!!" 

C16o de M6rode 
Unzerstörbares Antlitz; Zeit und Erlebnis ver- 

64 



suchen es vergebens, in deinem edlen Erz sich ein* 
zugraben 1 

Prinzessin Ruprecht von Bayern 

„Und dein Antlitz ist die ,Materie gewordene* 
Seele selbst!!" 

Kronprinzessin 

Geboren, einem Kaiser Kinder zu gebären und 
zu Fürstlichkeiten zu erziehen im Leben! Aber der 
Dichter erschaut in dir dennoch nur die einfache 
Vollkommenheit ohne Zweck und Ziel! 

Kronprinzessin Maria von Rumänien 

Glockenblumen 

Umringt bist du von deinen Lieblingsblimien, 
hehre Fraue ! Aber du blickst imd stehst nicht in 
Frühlingsfroheit, sondern ermüdet imd enttäuscht. 
Vier aUerherrlichsten Kindern gabst du das Leben, 
deine eigenen Kräfte, behieltest dennoch deine 
heilige Mädchengestalt bei! Das Altem hat 
dich nicht verändern können; deshalb bückst du 
erstaunt und wehmütig!!! Du gabst imd gabst 
und kannst noch immer geben imd um Dich herum 
altert die alltägliche Welt ! 

Kaiserin Elisabeth von Österreich, Königin 

von Ungarn 

Wohin, träumerische Fraue, wandertest du, rast- 
los?!? 

— «Weg von der Lüge!" 

• 65 



Kaiserin Elisabeth 

Gott erschuf dich in Seiner tiefsten künstle- 
rischen Liebe: zuerst, in der Jugend, wie man sich 
auszudrücken pflegt, ein wildes Füllen in Berg und 
Tal, mit wirren Locken; und späterhin alle Leiden 
tragend von enttäuschten Dichtem; das innere 
ewige Klagen, und das Erschauen, daß Gottes 
Reich noch nicht gekommen sei für Seinesgleichen. 

Kaiserin-Elisabeth- Denkmal 

Ich hätte dich umringt mit dimklen Legföhren, 
Rhododendronbüschen, Edelweiß, Speik, und allen 
Blüten der Bergalmen I 

Ich hätte die Tiere der freien Berglüfte in sil- 
bernen Käfigen um dich herum gesteUt . 

Bergdohle und Murmeltier. 

Aber man stellte dich in einen Garten, gepflegt 
und gehegt, und wider die freie heilige Natur!!! 

Manöver: Feld -Telephon und Fernrohr 

„Fem von der Schlacht, und dennoch mitten 
drinnen! So wie die Dichter!" 

Mein Lebensleitmotiv: 

„Nie über einen Graben springen, eine Hürde, 
wenn man nicht ganz gesichert ist, hinüberzu- 
gelangen mit leichter Anmut!" 



66 



HEILMITTEL 

Ich habe in einer .Blumenhandlung in einer 
Kristallglaswanne zwei goldene japanische Zwerg- 
fische gesehen, mit riesigen durchsichtigen Flossen 
und dunklen hervortretenden Augen, mit der Anmut 
von modernen Tänzerinnen sich bewegend, und dabei 
doch reserviert gelassen ihrem Wärter, Pfleger an 
die Glaswand zuschwimmend. Ich begreife es absolut 
nicht, wieso reiche Damen sich diesen Schatz der 
Natur entgehen lassen können imd sich nicht eine 
kleine Herde dieser aUerentzückendsten Tiere an- 
schaffen. Einer kostet allerdings i6 Kronen. Der 
Boden muß aus kleinen Kieseln bestehen, die jeden 
zweiten Tag herausgenommen und in warmem 
Wasser gereinigt werden müssen. Die Nahrung ist 
ausschließHch das Pulver „Piscidin", das auf die 
Wasseroberfläche hingestreut wird. Man kann stun- 
denlang vor dieser goldenen Anmutpracht verweilen. 
Die Tiere lernen uns baldigst kennen und lieben. 
Viele Frauen würden dadurch vor ihren bösen Ge- 
danken, bösen Instinkten, und vor allem vor ihrer 
gefährlichen inneren Leere und vor Gelangweiltsein 
gerettet werden können. Gehet hin, Damen, und 
kaufet daher japanische Goldfische! 



67 



DER NEBENMENSCH 

Neunzig Prozent unsrer Lebensenergien raubt uns 
die Ungezogenheit, die Taktlosigkeit unseres Neben- 
menschen. Jedes falsch angebrachte Wort zerstört 
unser zart empfindliches Nervensystem. Nicht Di- 
stanzhalten von der Welt des andern, die man ja 
doch nicht begreifen kann, mordet die Nerven. Die 
unverständliche Welt des andern nicht achtungsvoll 
und scheu behandeln, ist eine bodenlose Feigheit. 
Es ist, wie wenn man jemandem, der imsäglich an 
Migräne litte, sagte, er bilde sich diese Leiden nur 
ein! Gläubig sein, ist aristokratisch; bezweifeln, 
ironisieren, ist plebejisch ! Durch Gläubigkeit erweitert 
man seinen Horizont um den des andern, durch Skep- 
tizismus bleibt man ewig in seine eigenen engen 
Grenzen eingebannt. 

Niemandem wehe tun, falls es nicht unbedingt 
notwendig wäre, ist die natürliche Wirkung geistiger 
Kultur. Jedermann werde erfrischt, ja erlöst durch 
deine Gesellschaft, ja, er suche sie auf, wie das be- 
drückte Menschenkind den Beichtstuhl. 

Aber unsre Nebenmenschen sind noch Satan, 
Jago, Mephistopheles, Franz Moor; selbst zu ewiger 
innerer Unruhe verdammt, drängt es sie, auch in 
xms nur böse Unruhe zu erzeugen, damit wir ja nicht 
besser, nicht vornehmer werden als sie selbst es sein 
können. Sie gönnen uns nicht höhere innere Ent- 
wicklungen, wollen uns absichtlich degradieren 
auf ihr eigenes erreichbares Niveau! Nur der 
Dichter erlebt träumend künftige Entwicklungen 
gläubigen Herzens, und die, die sich ihm anschließen, 

68 



tragen jedenfalls diese idealen Möglichkeiten kom- 
mender besserer Welten schweigend-demütig bereits 
in ihrem Herzen! Der Nebenmensch ist ein Gegen- 
mensch. Er will nicht helfen, sondern schädigen. 
Wäre er selbst ein Zufriedener, wünschte er nur Zu- 
friedenheit zu verbreiten ; als Unzufriedener wünscht 
er ims ebenfalls nur Friedlosigkeitl 



69 



SCHUTZ 

Unter Yellowstone-Park versteht man bei uns be- 
reits irgendeine wertvolle urwaldartige, mit allen ihren 
geheimnisvollen Schätzen an Pflanzen, Tieren, Steinen 
und Quellen erfüllte Gegend, die unt^r den Schutz des 
Staates gestellt wird, gegen die zerstörende unnach- 
sichtige Barbarei der Menschheit. Eine Art von 
idealer Menagerie der Natur selbst! Solch einen 
Yellowstone-Park wird man mm in der Schweiz im 
Scarltal und seinen Nebentälem errichten, um die 
kostbaren Alpenpflanzen, um Bär, Luchs, Wild- 
katze zu erhalten. Und alles, was da blüht, kreucht 
und fleucht. Solche Yellowstone-Parke sollte man 
nun auch endlich für Menschenerhaltung errichten, 
für exzeptionell herrliche Frauen, für exzeptionell 
herrliche Männergehime, die sonst verloren gingen 
in den zahlreichen Gefahren ! Oasen für Denker und 
Träumer, in der Wüste des Lebens, die versengt, imd 
verdorren macht. Oasen für wunderbar schöne Frauen, 
zu denen man pilgern dürfte, ihre schmalen schnee- 
weißen langen Finger an die Lippen zu drücken und 
daran zu genesen, mehr als an Guber-Quelle, Vir- 
chow-QueUe, Hofbrunne^ und Königsbrunnen, mehr 
als an den Mysterien Gasteins, Kissingens, Franzens- 
bads, Karlsbads. Männergehime, die man für die 
Menschheit schützen müßte vor dem Zugrundegehen, 
Frauenkörper, Frauenseelen, die man für die Mensch- 
heit schützen müßte vor dem Vemichtetwerden in 
zügellosen Orgien und Egoismen, in Treibjagden auf 
Seele und Leib! Yellowstone-Parke müßten ge- 
schaffen werden, Reviere, in denen wertvolle Ge- 

70 



hime, wertvolle Seelen, wertvolle Leiber, geschützt 
vor feigen Verfolgungen, die Ideale der Natur reprä- 
sentieren könnten für die verkommende Milliarde der 
Unzulänglichen ! 

Ein Mädchen zum Beispiel, zu dem man spräche : 
Pflege die Pracht deiner zarten, gebrechlichen, 
adeUgen Glieder, deinen Milchteint und deine Beweg- 
lichkeiten! Du sollst in einem Tempelchen hausen 
imd keinerlei Sorge haben ! Auf daß die andern hin- 
pilgerten imd, schamvoll in sich gekehrt, es verr 
suchten, dir nachzugeraten ein wenig! 

Aber bisher schützt man nur Edelexemplare unter 
den Pflanzen und Tieren, ja sogar heiße Springquellen 
mit Marmorbecken. Aber Menschen, Menschen 
schützt man noch nicht . 



71 



BRANGÄNE 

Ich kenne eine Sache im Leben, die mich am 
tiefsten ergreift von allen, die ich erlebt habe. Es 
ist in der Stille des nächtUchen Liebesgartens der 
Gesang der edlen Wächterin Brangäne. Es ist die 
tönend gewordene Selbstlosigkeit, inmitten der nächt- 
lichen Liebesgefahren. Es ist die Warnung an die 
Allzuirdischen, die in der Melodie des Herzens zugleich 
eigentlich von selbst ertönt; es ist die Klage der 
tiefsten, echtesten Freundschaft, hineingesungen in 
den dunklen Garten. In jedem Menschen sind solche 
Gefühle aufgespeichert, besonders in den alten Kinder- 
frauen, die man entläßt von ihren Liebhngen, wenn 
man sie nicht mehr braucht. Aber sie weinen sich 
im stillen aus, alle diese Herz vollen, während bei 
Brangäne das Leid imd die edle Sorge um einen 
geliebten Menschen helltönend wird, und in die 
dunkle, harte, grausame Welt hinaus stöhnt! 
Auch unsre alte Bedienerin Luise sang uns ein 
unvergeßUches Lied, als sie beim Abschiede mir 
xmd meinem Bruder schrieb: „Die sieben Jahre 
in Ihren Diensten, meine Herren, waren das Glück 

imd der Segen meines ganzen Lebens ." Alle 

diese versteckten, edel-tragischen Dinge der dienen- 
den Menschenherzen ertönen in Brangänens Gesang. 
Alle in der Menschheit bisher leider vergeblich aufge- 
stapelten Selbstlosigkeiten und Ergebenheiten wer- 
den da zu singender Klage; aber die Menschen der 
leidenschaftlich irrigen Stunden vernehmen nichts 
davon als ihre eigenen, zum Abgrund führenden 
Sündhaftigkeiten, deren Brausen alles übertönt— ^ • 

72 



DER AFFE PETER 

Der große Affe Peter ist wirklich ein Wunder der 
Natur. Denn ich bemerkte sogleich zu meinen Freun- 
den in meiner Loge, daß dieser Affe unmöglich zum 
Radfahren abgerichtet sein könne, sondern daß es 
eine Naturanlage sein müsse, und es dem Tiere ein 
leidenschaftUches Vergnügen bereite, wie einem Kind 
eine geUebte Spielerei, Hutschpferd oder Schaukel, 
Direktor Brill bestätigte mir auch diese meine An- 
sicht. Die Freudigkeit und Geschicklichkeit des 
Tieres, ein junges wunderliebes Mädchen mit dem 
Fahrrad zu verfolgen, erregt im Pubhkum Enthu- 
siasmus. Man wird jedenfalls viele brave Kinder 
hinführen müssen. Dieser Affe könnte unbedingt 
die allerschwierigsten Radfahrtricks spielend er- 
lernen. Nur sollte von selten des vorführenden Herrn 
eine menschUch-freundschaftüchere Beziehung vor- 
handen sein, wie sie bisher stets zwischen den Be- 
sitzern berühmter Schimpansen, Orangs stattgefim- 
den hat, ja direkt rührend zärtliche Anhängüchkeiten, 
wie zu edlen Pferden, edlen Hunden. Man braucht 
natürUch nicht die verlogene Komödie einer exal- 
tierten Freundschaft zu dem Tiere dem Pubhkum 
vorzimiachen, aber man muß Zuneigimg spüren 
beiderseits. Ein berühmter Affendresseur machte 
sich seinerzeit durch seine harte Nervosität, den 
Tieren gegenüber, fast unbeUebt, trotz der wimder- 
baren Kunststücke. Nicht was er dem Tiere ein- 
lernt, sondern was er sonst noch übrig hat an 
Liebe und Verständnis, das macht einem den Tier- 
dresseur sympathisch. Wie war die Beziehung de? 

73 



aristokratischen Severus Schaf fer zu seinen Hunden ! 
Wie ein jagender Landedelmann mit seiner LieblingST 
meute! Alle Dresseure müssen etwas von einem 
dilettierenden Aristokraten an sich haben. So ritt 
Direktor Schumann seine Pferde, nonchalant-vor- 
nehm-liebenswürdig. Ich glaube, daß er seine Pferde 
nie schlagen konnte. Oder wenigstens sah er danach 
aus. Mit einem der Menschenaffen wie Peter aber 
muß ein tiefes freundschaftliches echtes Verhältnis 
entstehen. Er speist nach der Vorstellung im Res- 
taurant wie ein wohlerzogener Mensch, Er gab mir 
die Hand, wollte sie sogar zart an seine Lippen 
drücken. Bei solchen Tieren spürt man es, daß man 
sie nur mit äußerster Zärtlichkeit und selten ange- 
wandter gerechter Strenge zu ihren eigenen erreich- 
baren Höhen bringen könne. Die wunderbare Schim- 
pansin Maja im Tiergarten, 1896, haßte jede Dame, 
die in meiner GeseUschaft oder gar in mich einge- 
hängt ihr Zimmerchen betrat, und drängte sie weg, 
umarmte mich absichtlich stürmisch und liebevoll. 
Ich glaube, es war das einzige weibliche Wesen, das 
an mir ernstlich Gefallen fand. Für edle Tiere ge- 
hört vielleicht em Phüosoph mit einem tiefen Her- 
zen ! Frauen geben es billiger und machen sich nichts 
daraus. Und Die, die sich wirklich etwas daraus 
machen, sind eben ganz so wie edle gutmütige Tiere, 
siehe A. R. 



74 



UNGEZIEFER 

Alle hatten sie gern, sie amüsierte, und war anders 
wie die meisten. Dg.her nützte man sie aus. 

Von Tag zu Tag sah sie schlechter aus, wie eine 
Besiegte in der Schlacht des Lebens, die sich ver- 
wundet wegschleicht, hinter einem Busche zu kre- 
pieren . 

Da sagte der Dichter: „Nun, können Sie es mir 
nicht klagen?!" 

„Ich wohne, bitte, in einem Zimmer, wo Wanzen 
sind. Man erträgt alles tagsüber von den Menschen, 
und nachts benehmen sich die Wanzen ebenso scham- 
los-feig und stören uns • Da bricht man halt 

zusammen." 

Der Dichter machte eine Kollekte, steuerte aber 
selbst vorsichtig ein Paket Insektenpulver bei. 

Er sagte: „Für diese Tiere gibt es Mittel; aber 
für die Menschenwanzen gibt es keine. Ihre 
Nachtruhe ist nunmehr gesichert, Fräulein; aber 
Tagesruhe gibt es nicht. Da sind die Menschen- 
wanzen unausrottbar an der Arbeit!" 



75 



MUTTER UND TOCHTER 

Ich sah eine Mutter tief verzweifelt, daß ihr ge- 
liebtes Töchterchen keine „gute Partie" machen 
wollte . 

Sie zankte mit ihr, aber in ihrem Innersten hatte 
sie dennoch Rührung und Anerkennung. 

Sie sagte zu ihr: „Das Leben ist nun einmal so, 
ich habe es auch einst auf mich nehmen müssen, 
meine Liebe, ." 

Die Tochter bückte die Mutter schief und bitter- 
böse an. 

Dann heiratete sie aber doch endüch einen reichen 
Mann, der sie betreute und beschützte. 

Da sagte sie zu der Mutter: „Ich hatte einst 
falsche Vorstellungen, Ideale. Ich bin nun ganz 
glücklich und zufrieden — ." 

Da blickte die Mutter ihre Tochter schief und 
bitterböse an * 



76 



DER DICHTER 

Du sagst mir, ich hätte so viele ewige Quellen der 
Begeisterung. Überall, auf allen Wegen blühe es 

doch auf, für mich Gesalbten ! ? ! 

Und gerade du sagst mir das kalt, die mir eben alle 

diese Wege verstellt, verrammelt hat?!? 

Gerade du, die sich fast heimtückisch an Stelle 

setzte aller Weltenprächte ? ! Durch deine eigene 

Pracht?!? 

Du schlössest mir, Geliebteste, die Pforten ; und nun 

verlangst du, ich solle wieder hingehn in das weite 

Land, woraus dein Zauber mich gerade verstoßen 

und vertrieben hat?!? Die Welt besingen, die für 

mich gestorben ist durch dich?! Auf deiner edlen 

Stime prangt mm die Weltenpracht, 

von deiner Stimme tönen die Weltenmelodien, 

du selbst vertriebst mich aus dem Paradies der 

Weltenschönheit durch deine eigene! 

Um mich nun aufzufordern, dahin zurückzukehren, 

woher ich stammte, fingst du mich also schnöde ein, 

jetzt, da ich Pfad und Mut und Kraft verloren 

hab' zimi Wandern ! ? Teufeline ! 

So nehm' ich Abschied denn von dem und jenem 

Wege, 

da du die Flügel mir beschnitten hast zu dem und 

jenem Pfad . 

Leb' wohl, geliebte Frau, 

du botest mir statt Weltenpracht die eigene 

ich zürn' dir nicht, daß du mich nun entläßt in eine 
Welt, die erst durch dich, und nur durch dich, mir 
leer geworden ist ! 

77 



HYSTERIE 

Sie stand hoch über allen anderen Frauen, die 
„wie in düsteren Nebeln dahintorkeln, schick- 
salstrunken und irre!" Sie aber, die Neunzehn- 
jährige, ging dahin bereits im Lichte der Wahrhaftig- 
keiten und hatte es gelernt, an ihren bittersten 
Tränen mehr zu lernen, als an den flachen Freu- 
digkeiten! Ihr Arzt hatte ihr die „Eitelkeit" 
exstirpiert, diesen „Krebs der Frauenseele", der 
alles, alles Bessere ihr wegfrißt. Bescheidenheit ist 
Göttlichkeit. Er hatte sie gelehrt, ein getreuer edler 
Hund zu sein! Sie hätte bei einer berühmten eng- 
lischen „Schau", um den berühmten „cup", unbedingt 
den ersten Preis erhalten für „getreueste Hunde- 
seele"! Sie konnte blicken wie ein „Leonberger", 
abstammend vom ersten „Bary", so ganz tief- 
traurig. Ihre Intelligenz war Hcht, tief und einfach. 
Sie war weder häßlich noch hübsch, aber manches- 
mal sah sie verklärt aus, entrückt, und ein Dichter 
würde in solchen Momenten über ihren rotgoldenen 
Haaren einen Heiligenschein erblickt haben! Jeden- 
falls fehlte wenig dazu. 

Aber die Damen der Gesellschaft sagten über sie : 
„Schade um das junge Geschöpf, sie hat gute An- 
lagen, aber sie gehört in eine ,feste Hand*, sie stellt 
sich das Leben noch anders vor, als es ist ; wir leben 
nicht in ,Wolkenkuckucksheim', sondern, bitte, auf 
der Erde!" 

Über ihrem Bette, an einer wunderbaren japa- 
nischen Matte hingen in schweren Mahagonirahmen 
die Photographien von Beethoven, Wagner, Maeter- 

78 



linck, Bismarck, diesem Deutschland gründenden 
Realidealisten. Da blickte sie denn oft vor dem 
Einschlafen hinauf zu ihren Helden imd dankte ihnen 
herzinnigst für alles, was sie ihr mitgegeben hatten in 
die strengen Tage des Lebens. Und daß sie gekämpft 
und gelitten hatten eigentUch für sie! 

Eines Tages erhielt sie Besuch von einer Dame. 
„Sind das Ihre Götter?!?" sagte die Dame. 

„Es sind meine Erzieher! Ich befinde mich hier 
in ,fester Hand*, man läßt mir nichts durchpassieren, 
was nicht menschlich ist!" 

Die Dame dachte beim Weggehen: „Es ist 
schade um das jtmge Geschöpf, ich wollte für meinen 
geliebten Sohn um ihre Hand anhalten, aber es gäbe 
unter solchen Umständen nur ein Unglück ." 

So blieb sie denn allein ! Allein ? ! ? Mit allen Ge- 
treuen, den Denkern und Idealisten, lebte sie in 
„Gemeinschaft", und niemals, niemals während 
ihres ganzen wahrheitsvollen Lebens beneidete 
sie die, die doch nur angeblich „glücklich und 
zufrieden" waren . 



79 



WEIHNACHTEN 

Er versenkte sich ganz in ihr Wunschleben, in 
diese Träumereien von unerfüllten kleinen Reali- 
täten. Nie äußert man es, außer durch ein imaufhalt- 
' sames Verweilen vor Schaufenstern oder in Geschäfts- 
läden, durch einen fast hysterisch-melancholischen 
BUck auf den geliebten Gegenstand, oder durch die 
schüchterne beklommene Frage, was er koste ? ! So 
erstand er denn für sie eine japanische Bettwand- 
matte, strohgelbes Geflecht mit braunen und rost- 
roten eingewebten Flecken. Femer einen bosnischen 
handgewebten Blusenstoff, kornblumenblau mit ma- 
lachitgrünen Fäden. Femer einen großen franzö- 
sischen Parfümzerstäuber aus Nickel, für Menthol- 
Franzbranntwein; ein kaltes Bad, ohne zu baden, 
wenn man den ganzen Leib danüt anstäubt! Femer 
eine Zigarettenschachtel aus sibirischer Birke, vier- 
eckiges Format, für fünfundzwanzig Zigaretten In- 
halt. Femer eine Schachtel Schreibfedem und zehn 
riesig dicke chinesische Rohrfederstiele dazu, feder- 
leichte. Und viele andere erfüllbare Träume ihres 
Daseins. Er schuf einen Einklang seiner eigenen 
Welt imd der ihren. Er schenkte ihr nur das, was 
in gleicher Weise sie erfreute, es zu bekommen, ihn 
erfreute, es zu geben! Es war also ein Akkord ver- 
doppelten Genießens! Und dann schrieb er: „In 
Deinem Namen zwanzig Kronen gespendet der Kin- 
derschutz- und Rettimgsgesellschaft für die miß- 
handelte zwölfjährige Maria B." Da fühlte sie: 
„Siehe, wir haben einen vollständigen Famihen- 
weihnachtsabend — ." 

80 



DER TAG DfeS REICHTUMS 

Ich wollte einmal einen halben Tag lang das 
Leben eines Reichen erleben. Ich ließ mich von einer 
reizenden Frau und ihrem Gatten in ihrem Merc^dÄs 
vom Hause aus abholen. Ich fuhr zu meinem Raseur, 
Teinfaltstraße, mich verjüngen zu lassen, besonders 
mit der Menthol-Franzbranntwein-Spritze auf den 
Kopf. Ein Ersatz für jedes kalte Bad! Pann fuhren 
wir nach Baden. Dort badeten wir in den Kurhaus- 
wannenbädem, vienmdzwanzig Grad Celsius. Dann 
ließen wir uns kühle Hotelzimmer aufsperren imd 
schliefen eine halbe Stunde lang. Dann aßen wir 
Solospargel, Hirn en fricass6. Dann fuhren wir 
weiter, nach Heiligenkreuz. In kühler Halle tranken 
wir duftenden Tee mit Zitrone. Abends zurück, in 
eiliger Fahrt. 

Die Wiesen dufteten, und die Wälder standen 
schwarz und unbewegUch-melancholisch unter dem 
Abendhimmel, der leise leuchtete. 

In Wien verabschiedete ich mich. 

Im Caf6 Ritz fand ich jene junge Dame, die schon 
lange meine Augen beglückte. Braunes Haar, blauer 
Strohhut, Stumpfnase. Ich wollte den Tag feierlich 
beschließen. Ich sandte ihr drei wunderbare ganz 
dunkle Rosen und einen Eierpunsch, dieses Lieblings- 
getränk der meisten solchen Damen. Sie nahm es 
huldvollst an, ausnahmsweise. 

Sie kam an meinen Tisch imd sagte: 

„Macht es Ihnen wirkUch eine so große Freude, 
mir Aufmerksamkeiten zu erweisen?!?" 

»Ja, gewiß, sonst täte ich es ja nicht!" 

6 8i 



,,Also, dann brauche ich ja nicht dankbar dafür 

zu sein !?" 

„Nein, keineswegs. Sondern ich Ihnen!" 
Das war der Tag des Reichtums . 



8a 



so SOLLTE ES IMMER SEIN 

Ein Herr trat auf mich zu im Caf6 und sagte: 
„Ich bin ein fanatischer Verehrer von Ihnen." 

„Bitte sehr", sagte ich. „Da werden Sie vielleicht 
gern einen edlen Champagner zahlen?!?" 

„Mit allergrößter Freude." 

Wir tranken drei Flaschen G. und H. Munrni, 
extra dry, süß. 

Es wurde sieben Uhr morgens. Ich ging ins Zen- 
tralbad, 27 Grad, Porzellanwanne. In der Kassa 
saß eine junge Dame mit edelzarten Händen. Ich 
sagte ihr mit meinen Augen: „Süßeste Kassierin — " 
Und: „Man sollte dich miterstehen dürfen ." 

Dann frühstückte ich in einer Charcüterie : kalten 
geräucherten Stör aus der Wolga, das Deka 12 Heller. 
Crevettes aus Ostende. Grüne große Oliven aus 
Spanien, zehn Stück 60 Heller. Prager Schinken, 
das Deka 6 Heller, 90 Heller. Zwei Bananen, gold- 
gelb-schwarz gefleckt, aus Afrika, das Stück 30 Heller, 
60 Heller. 

Dann kaufte ich mir eine blaue phototypierte An- 
sichtskarte: „Weg, am See entlang." In einer 
Winterlandschaft. 

Ich dachte sie mir eingerahmt in einem fünf 
Zentimeter breiten Eschenholzrahmen. 

Ich kam infolge dieser Träumereien um halb zehn 
Uhr morgens nach Hause. Da sagte das junge Haus- 
meistermädchen, die mich zum Aufzuge führte, zu 
mir: „Herr Altenberg haben gewiß wieder heute 
nacht umgeschmissen ." 

6* 83 



„Jawohl," sagte ich, „die Weltordnung der Phi- 
lister!" 

Sie dachte: „Nun, er hat 40 Heller bezahlt für 
den Aufzug, obzwar es im Zins bereits schon mit- 
eingerechnet ist : / 



cc 



84 



INSCHRIFT 

auf der Photographie eines Mädchens 

aus gutem Bürgerhause : 

Adelige schmale Hände hast du, adelige Füße 
und Zehen, müde edle Anmut ist in deinem Gehen 
und Sitzen und Kauern, und deines biegsamen Leibes 
eidechsenschlanke Linien sind wunderbar« Yolanthe 
Maria! 

Aber zum Zu-Grunde-gehen, zum langsamen, 
armseligen, bist du bestimmt! Zum Verfaulen bei 
lebendigem Leibe! 

Denn sicher willst du gehen, Unsichere! 

Auf geebnetem Pfade willst du'Gipfel er- 
klimmen?!? 

Schamlose, Feige! Willst du Lord B3n"ons 
edlen Feueratem spüren, mußt du bereit sein, 
eyentuell dich zu versengen! 

Willst du finden können, so mußt du suchen 
können, gleiten und stürzen können! 

Auf geebnetem Pfade kommt nur Herr Kohn 
daher, reicht dir die Hand, daß du nicht „f alles t^M 



85 



TOPE 

Ich dichte hie und da auch Toiletten. Immer nur 
für eine einzige Dame. Sie ist natürlich lang und ganz 
schlank, wie ein Marathonsieger, hat eine Stumpf- 
nase, Gott sei Dank großen Mund und starke Lippen, 
hechtgraue Augen, rotbraune Haare und anliegende 
papierdünne, edelgemuschelte Ohren. Hände und 
Füße sind lang-schmal. Sie sieht aus wie eine junge 
slowakische Bäuerin, an der der adelige Gutsherr 
mitgearbeitet hat. 

Ich entwarf die Toilette Tope (Der Maulwurf): 
Ein seidendünner maulwurfgrauer Samt (Pan), die 
Bluse ohne Naht, nur wie ein zusammengelegtes 
Tuch, aber lang. Ein Gürtel, riesig breit, aus dunkel- 
grauen und weißen Glasperlen, riesige Schließe aus 
oxydiertem grauen Silber. Riesige kugelige graue 
Perlmutterknöpfe. Der Rock vollkonunen bis hinab 
zum Zuknöpfen, mit denselben Riesenknöpfen. Grauer 
Sombrero mit grauem breiten Lederband und weißer, 
an der rechten Seite herabwallender Straußfeder. 
Grauer Seidenschirm mit grauem dicken Perlmutter- 
griff. Grauseidene Strümpfe, graue Antilopenhand- 
schuhe, graue Schuhe aus mattem dünnem Leder. 

Ich sagte zu der Dame: „Machen wir zusammen 
ein Gedicht — ." 

„?I?" 

„Ich komponiere eine Toilette, imd Sie tragen sie. 
Das ist das schönste Gedicht!" 



86 



BEKANNTSCHAFT 

Er sah sie zum erstenmal. Sie sah aus wie eine 
riesig hohe, schlanke, aschblonde russische Studentin, 
nur sehr müde von ungekämpften Kämpfen. Ein 
Königgrätz ohne Schlachtendonner. Tief verwundet 
ohne Bleigeschoß. Das Sein an und für sich besiegte 
sie. Das bloße Sein des Tages und der Stunde. Was 
sich jeweilig ergab, ereignete, verletzte, kränkte sie. 
Sahst du Fische aus dem Gebirgswasser in Wasser- 
bottichen ? ! In ihrem starren Gesichtsausdruck, wie 
eh und je, sucht man ihr Leiden zu erspähen, und 
findet nichts und findet dennoch alles I Er sagte : 
„Gehen Sie nicht in wohlgepflegte Gärten, gehen 
Sie in offene Felder, wo niemand etwas Besonderes 
findet; fem dem Getriebe. Gehen Sie spazieren, 
wo niemand spazieren geht, so zwischen brauner 
Erd' und blauem Himmel!" 

Und sie sagte: „Man verwehrt es mir!" 

„Kaufen Sie sich einen getreuen schwarzen Pudel, 
dem Sie manches Opfer bringen i^önnen an Zeit und 
Güte ." 

„Man verwehrt es mir .** 

Er schwieg. 

Und sie: „Weshalb raten Sie mir nicht, ich solle 
mich an einen Menschen klammem, anklammem ? !" 

„An einen Menschen ! Ja. Aber ich kenne keinen ! 
Die Tiefe der Natur, die Treue des Pudels, die kenne 
ich! Aber einen Menschen für Sie, den kenn' ich 
nicht r." 

Und später sagte sie: „Sie haben sich geirrt! 
Denn ich fand einen, der mich einsam meine Wege 

87 



wandern ließ, zwischen brauner Erd' und blauem 
Himmel, und der mir einen schwarzen Pudel kaufte 
und getreulich stets beiseite stand ." 

Er blickte sie tief freundschaftlich an . 

Da sagte sie: „Vielleicht verdanke ich es Ihnen, 
daß ich mir einen suchte, der so war !?" 

Dann neigte sie sich tief zu seiner Hand und 
küßte sie . 

Und dann kam der edle Jüngling, den sie erwählt 
hatte, und küßte sie auf ihre melancholische Stirn — • 

Und er sagte zu dem Dichter: 

„Ich folgte nur Ihrem Rate, Ihrer Weisung, 
danke .Es hat mir eine Seele gewonnen!" 

Da wandte sich der Dichter entrüstet und tief 
verzweifelt ab. 

Denn von Gott müssen solche Erkenntnisse 
direkt in unsere Herzen kommen, da die Wirkung 
sonst nicht von Dauer ist und unheilig 1 



88 



EIFERSUCHT 

Sie war sehr, sehr krank. — Der Arzt verordnete 
einen halben Liter heiße Zitronenlimonade, ein 
wollenes Tuch um den Kopf mid stmidenlang 
schwitzen. 

Sie war aber arm, und die Quartiersfrau, bei der 
sie wohnte, konnte ihr nur eine dünne Bettdecke 
geben. Da sandte ihr der Dichter seine grünrote 
Flanelldecke, die er selbst benötigte, und sein Freund, 
der Baron, sandte eine Pelzdecke aus selbstgeschos- 
senen Wildkatzenfellen, die er gar nicht gebrauchte. 

Als nun der Dichter sie besuchte, fand er die 
Pelzdecke direkt auf ihrem heißen, glühenden Leibe 
liegen, die Flanelldecke dagegen zuoberst. Er sagte 
es ihr sogleich ziemlich brutal, daß er dieses für einen 
„Treubruch" halte, wenn auch in den ersten Anfangs- 
stadien. 

Sie erwiderte: „Ich wollte deine Decke streicheln 
können, immer und immer mit meinen zärtlichen 
Fingern. Deshalb gab ich sie zuoberst. „Du Fal- 
sche ! " sagte der Dichter und ging zürnend weg. 

Später kam der Arzt und sagte: „Ich würde 
Ihnen vorschlagen, Fräulein, die schwere Pelzdecke 
zuunterst zu legen, und die leichtere Flanelldecke 
oben darauf; es ist zweckmäßiger!" * 

„Nein," sagte sie, „das tue ich nicht." Als sie 
endlich gesund war, sagte der Arzt von ihr: „Die 
Hysterie solcher Patientinnen erschwert den Hei- 
lungsprozeß ganz besonders. Selbst in nichtigen 
Kleinigkeiten müssen sie ihren lächerlichen eigen^ 
sinnigen Willen diurchsetzen. — " 

89 



I 



GOETHE 

Ein ungeheuer wichtiger und daher ganz unbe- 
kannter Ausspruch Goethes: 

„Man könnte erzogene Kinder gebären. 
Wenn die Eltern erzogen wären!" 

Dieser Satz allein ersetzt in der Entwicklungslehre 
ganze Bände und Studien. Deshalb erwünschen sich 
auch die meisten ungezogenen, eigenwilligen, herz- 
losen, dumm lebenslustigen Frauen unbewußt keine 
Kinder. Sie haben wenigstens davor Achtung, diesen 
unglückseligen Nachkommen nicht ihre eigenen Un- 
gezogenheiten und Lebenshärten mitvererben zu 
wollen auf dem schon ohnedies genug schweren 
Lebenswege — • 



90 



DIE PFLEGESCHWESTER ROSA 

SCHWEDA 

Ich habe viel erlebt und erlitten, natürlich, in 
meinem Pflegerinnenberufe. Aber die Nacht des 
5. März als Pflegerin des Peter Altenberg war die 
schrecklichste und merkwürdigste. Am Tage vorher 
hatte ich sein Buch „Bilderbogen des kleinen Lebens" 
gekauft und gelesen. 

Nun sah ich ihn da liegen, ganz verwahrlost, 
von Leiden zerfressen. Ich fühlte es, daß er über 
seinen eigenen Untergang tief verzweifelt sei. Sein 
Idealismus war imtergegangen, und es blieb die 
Ruine übrig. — Ich bemitleidete ihn nicht, sondern 
die vielen, vielen, denen so die Früchte seines 
Geistes, seines großen Herzens entgehen sollten. — 

Ich hatte die Empfindung: „Hund, du darfst 
noch nicht verrecken, du hast uns Ärmsten noch 
manches zu spenden, du hast uns noch aufzuklären, 
hast uns sogar besser zu machen ! Was schleichst du dich 
fort, Sünder, ehe du alles für ims ausgesprochen hast ? !" 

So schändlich egoistisch dachte ich über diesen 
sich windenden Wurm in diesen schreckUchen bangen 
Nachtstunden. Ich richtete ihm die Polster, wischte 
ihm den Angstschweiß ab, aber es geschah in einer 
verbissenen Bitterkeit gegen ihn! Den Helfer! 

Wer, wer hätte sich denn gesund imd ewig lebendig 
erhalten müssen als er ? Und indem ich an die Werke 
dachte, die er uns vorenthielt, pflegte ich mit 
Widerwillen einen unglückseligen Kranken, der zum 
vorzeitigen Sichfortschleichen aus der Welt gar nicht 
das Recht hatte uns gegenüber . 

91 



GESCHWISTER 

Meine Schwester, Sektionsrätin M., besuchte mich, 
und sagte an meinem Krankenlager: ,iDvi, diese so 
überaus wirksame Schlammbadkur in Bad X. wurde 
vollkommen um den Effekt gebracht durch einen 
merkwürdigen und schrecklichen Umstand, der meine 
Nerven einfach ermordete. Denke dir, dort stopft 
man noch die Gänse, diese allerunglücklichsten Ge- 
schöpfe einer ohnedies schon genug furchtbaren und 
unerbittlichen Welt! In dunklen Kellern, in den 
glühheißen Augustnächten, hocken diese Unglück- 
seligen in absichtlich zu eng gemachten Holzkäfigen, 
werden Tag und Nacht gewaltsam gefüttert, und 
es wird ihnen durch all diese grausigen Wochen 
hindurch das Trinken von Wasser verwehrt! Das 
entsetzliche Schicksal dieser Unglückseligen in den 
unterirdischen Folterzellen hat mich den Ort zu 
fliehen gezwungen. Mein Töchterchen Hilde, die 
die ganze Sache entdeckt hatte, ging täglich oftmals 
insgeheim mit einer Kindergießkanne in die Folter- 
kammer, und goß den gemarterten Gefangenen 
Wasser in die weit aufgesperrten Schnäbel. Die 
wunderschöne junge Slowakin Viktora aber lachte 
dazu aus vollem Halse, als sie das Samariterwerk sah, ^ 
und sagte : „Fräulein Hilde, wird sie auch eingesperrt 

werden so, wenn Frau sie erwischt ?" Aber 

unsere französische Gouvernante H^lÄne sagte: „Ma- 
dame, en Suisse cela ne se fait pas, on ne connait 
pas ces mart3n:s infames —." 

Ich erwiderte meiner Schwester: „Ich bin ganz, 
ganz erstaunt über deinen Bericht. Gerade von dir, 

92 



meiner Schwester, die ich jahrelang nicht sehe und 
spreche! Welcher merkwürdige Zusammenhang der 
Nerven ! Gerade vor einem Jahre schrieb ich nämlich 
folgende Skizze: 

Man führte die edle Zwölfjährige nach Berlin, 
um ihr alles zu zeigen, was es dort Herrliches gebe. 
Automobilfahrten zu allen Seen, Vari6t6, Theater ; man 
ließ ihr das Paradies „Berlin" erstehen, soweit es für 
eine Zwölfjährige seine Tore überhaupt öffnen konnte. 
Als sie wieder nach Wien zurückkehrte, fragte sie 
eine Dame: Nun, Lilly, wo ist es besser zu leben, 
in Deutschland oder in Österreich?! Und Lilly H. 
erwiderte : Nur in Deutschland kann man existieren I 
Da habe ich bemerkt, daß die armen Pferde an den 
Lastwagen viel geschickter und rücksichtsvoller an- 
gebrachtes Riemenzeug tragen als bei ims, das ihnen 
die Arbeit erleichtert und Torturen erspart. Und 
dann habe ich auch noch erfahren, daß es in ganz 
Deutschland bei strengster Strafe verboten ist, Tiere 
künstlich zu mästen, und daß geheime Agenten, in 
der Verkleidung von reichen Viehkäufem, sämtliche 
Bauemdörfer Jahr für Jahr daraufhin kontrollieren 
und für jeden entdeckten Fall hohe Belohnungen 
erhalten!" 

Meine Schwester nahm meine Hand und sagte 
ruhig: „Nun, was ist dabei, wir sind eben Ge- 
schwister !" 



93 



DER BESUCH 

Eine junge Frau, die ich seit lange als eine fast 
Heilige an Demut und Sanftmütigkeiten verehre, 
kam an mein Krankenbett, bleich und verstört. 

Sie erzählte mir, daß ihr Mann, der^sich für sie 
aufopfere, Gesichtsneurose habe und sich, mit ihrer 
Einwilligung, der Operation auf Tod und Leben 
unterziehen wolle. Sie wisse nicht, ob sie es gestatten 
solle. „Sollich, soll ich nicht, sollich?.! Ich werde es 
also an meinen Knöpfen abzählen — ." 

Ich lag da, von meinen Leiden zerfressen, und 
sie stützte den Kopf in die Hand. 

Da sagte sie: „Nicht, Peter, das Leben ist eigent- 
lich komisch — ." 

Und ich sah eine Träne, vielleicht die heißeste, 
verzweifeltste, die je geweint wurde. 

Drei Tage später saß sie an meinem Kranken- 
bette: „Peter, ich habe es ihm gestattet, und er ist 
daran gestorben. Peter, nicht wahr, die Welt ist 
komisch — ." 

Ich lag da. von meinen Leiden zerfressen . 

Ich zählte es an den Knöpfen ab, was, weiß ich 
nicht. Aber immerhin, an den Knöpfen — . Soll 
maft, soll man nicht, soll man?! 



94 



SOMMERABEND IN GMUNDEN 

Wir, die nicht genug haben an den Taten 
des Alltages, wir Ungenügsamen der Seele, wir 
wollen unseren rastlosen, enttäuschten und irrenden 
Blick richten auf die Wellensymphonien des Sees, 
auf den Frieden überhängender Weidenbäume und 
die aus düsterem Grunde steil stehenden Wasser- 
pflanzen! 

Auf die Menschen wollen wir unsem impassiblen 
Blick richten, mit ihren winzigen Tragödien und 
ihren riesigen Lächerlichkeiten; mit düsterer Ver- 
achtung wollen wir nichts zu tun haben, und mildes 
Lächeln soll der Panzer sein gegen ihre Armselig- 
keiten ! 

Dem Gehen edler anmutiger Menschen wollen 
wir nachblicken, dem Spiele adeliger Gebärden und 
der Noblesse ihrer Ruhe ! Ein Arm auf einer Sessel- 
lehne, eine Hand an einem Schirmgriff, das Halten 
des Kleides bei Regenwetter, süßes kindliches Bac- 
chantentum bei einem Quadrillefinale, wortloses Er- 
bleichen und wortloses Erröten, stummer Haß und 
stummes Lieben, und alles Auf und Ab der ein- 
geschüchterten und zagen Menschenseele das, 

das alles wollen wir Stunde um Stunde in uns hin- 
eintrinken und daran wachsen! 

Rastlos aber, vom Satan Gejagten gleich, stürmen 
die Anderen enttäuschungsschwangeren Zwecken ent- 
gegen, und ihre Seele bleibt ungenützt, verdirbt, 
schrumpft ein, stirbt ab! 

Jeder Tag bringt einen Abend, und in der Bucht 
beim Toscana-Garten steht Schilf, und Weiden, und 

95 



Hasektauden hängen über, ein Vogel flüchtet, und 
alte Steinstufen führen zu weiten Wiesen. Nebel 
zieht herüber, du lassest die Ruder sinken, und nie- 
mand, niemand stört dicht 



96 



ÄSTHETEN 

Ich habe zwei Ästheten erster Güte kennen ge- 
lernt, einen jungen Mann und seine junge Gattin. 
Sie schaut aus, wie man sich den siebzehnjährigen 
Dante vorstellt. Sie trägt arabischen und indischen 
Schmuck. Sie leben im Tessin, am Lago Maggiore, 
in einem alten Steinhaus inmitten eines Edelkasta- 
nienurwäldchens. Jeder Satz, den sie äußert, ist 
ganz tief aus deni Geiste der Menschheit herausge- 
schöpft. Was sind eigenthch Ästheten, die uns bru- 
taleren, Z3niischeren Naturen doch gänzlich ferne 
liegen?! Es sind Organisationen, bei denen sich die 
Urinstinkte völlig in Betrachtung und Genießen der 
zahllosen wertvollen Dinge der Welt aufgelöst, ja 
verflüchtigt haben. Alle Gemeinheiten, denen wir 
noch wie böse Tiere hie und da unterworfen sind, 
sind nicht mehr in ihnen. Der Friede ist in sie ein- 
gezogen, durch den ewigen AnbUck von Gottes Welten- 
schönheiten, Weltenmerkwürdigkeiten. Solche Frauen 
blicken verklärter als alle anderen, denn ihr Reich 
ist, trotz allen Anscheins, nicht hienieden. Sie werden 
erlöst von der Sünde in jeglicher Beziehung; deshalb 
blicken sie mystisch, in kommende Welten hinein — 

. Jeder Mensch kann sich aus eigener Macht zu 

einem geistig-seelischen Organismus hinaufgestalten ; 
und er und seine Umgebung hätten den Vorteil 
davon. Aber nur wenige unternehmen es. Ästheten 
sind, für brutale Organisationen betrachtet, wie ge- 
brechliche Spielzeuge des Lebens, in linden Lüften 
und linden Düften dahinschaukelnd, tödlich ver- 
wundet von jedem rauhen Wort sogar. Es gibt 

7 97 



Dinge, die man in ihrer Gegenwart nie auszusprechen 
wagte. Man muß durch sie von selbst ein fein- 
füUigerer Mensch werden im Aujgenblick, obzwar 
man sich natürlich dadurch beengt fühlt. Aber mit 
Jeanne d'Arc hätte man ja auch nicht ungezogen 
oder sexuell sein können. Um gewisse Organisa- 
tionen lagert eben die Atmosphäre Gottes, und da 
erlischt dann allmählich in den Augen des Lebens- 
z3nnLikers sein satanisch-ironisches Lächeln! Heil 
ihnen! Sie haben mehr gesegneten Frieden als wir 
anderen, wir Barbarischen . Sie sind „Natur- 
menschen" einer erhöhteren, erst anbrechenden Kul- 
tur, die dann nach langer Zeit zu einer zweiten Natur 
werden wird! Ästheten sind übertriebene Vorläufer 
einer gottgefälligeren Seelenentwicklung l 



98 



ERINNERUNG 

Der Rathauspark duftet nun von edlen Bäumen 
und edlen Sträuchem. Es ist kühl und schattig. Aber 
damals war es eine endlose graue Wiese mit einge- 
tretenen staubigen oder kotigen schmalen Fußwegen. 
Eines Tages stand eine grüne Bretterbude da, das 
erste Wandelpanorama in Wien, genannt „Der Rigi". 
Es roch nach öllämpchen, und mein Hofmeister und 
ich saßen in der ersten Reihe auf Strohsesselchen. 
Der Rigi und alle Seen und Bergesketten zogen an 
uns vorüber, zu den Klängen eines itahenischen 
Werkeis. Dann wurde es allmählich finster, und die 
Berghotelfenster beleuchteten sich, denn sie waren 
ausgeschnitten und dahinter Licht. Das gefiel mir. 
Später machten wir eines Tages die erste Pf erde- 
tramwayversuchsfahrt mit, vom Schottenring bis 
Dombach. Es fiel mir auf, daß es fortwährend 
klingelte, was bisher bei den Fuhrwerken nicht zu 
beobachten war. Man hielt das Ganze für gefährlich 
und unsicher und glaubte nicht recht daran, daß es 
sich einbürgern werde. 

Die Sonntage wurden in Hietzing bei „Domayer" 
verbracht. Es fiel uns angenehm auf, daß unser 
Vater dem Fiaker, der tms führte, d u sagte und sich 
in leutselige Gespräche mit ihm einUeß. Er kam uns 
vor wie ein milder Potentat. Die Trinkgelder waren 
enorm, gleichsam die Entschädigung für das vertrau- 
Uche du. Die Rückfahrten vom Lande abends sind 
das Schönste; da schläft man wie ein Toter. Man 
verflucht den Moment der Ankunft, der Wagen ist 
das wunderbarste Bett gewesen. Aber jetzt kommt 

f 99 



Stiegensteigen, Ausziehen, eine unsäglich beschwer- 
liche Arbeit. 

Gebratene Äpfel spielten bei uns eine große Rolle. 
Alles duftete in den Zimmern danach. Das ist ganz 
abgekommen. Auch gedünstete Kastanien, goldig- 
glänzend, auf schwarzgrünem Kohlpüree, waren eine 
Festspeise, die jetzt im Absterben begriffen ist. 
Die neue Generation macht sich nichts daraus. 

Wir vergötterten unsere Hofmeister und Gouver- 
nanten, und sie uns. Die Eltern spielten nur eine 
zweite diskretere Rolle, traten erst in Aktion bei 
außergewöhnlichen Ereignissen. Sie waren einfach 
der „Oberste Gerichtshof". Wir lebten „romantische 
Idyllen", deshalb fiel es uns später so schwer, dem 
realen Leben Genüge zu leisten . 



100 



VÖSLAU 

Vöslau, eigentümlicher Ort, einzige wirkliche Sen- 
timentalität, die ich habe. Deine grünbefranste 
Station ist geblieben wie eh und je. Nur meine wun- 
derschöne Mama, die nwch im Damenbade sorgsam 
auf ihren Armen wiegte, ist längst nicht mehr. Die 
Lindenblüten rochen wimderbar, und das sonnen- 
gedörrte Holz der Kabinen und die Wäsche der trie- 
fenden Schwimmanzüge. Der Kies brannte die 
zarten Kinder- und Frauensohlen. Vom Wald kam 
Tannenharzduft, und von den Hausgärten kamen 
Millefleursgerüche. Meine Mama hielt mich zärtlichst 
mitten im Teiche, der für mich ein Ozean war ! Sie ver- 
schwendete ihre romantische ZärtUchkeit an ein egois- 
tisches, verständnisloses Kindchen, das ihren Hals in 
Angst umklammerte. Wunderbar ist der eingedämmte 
Bach, von der Station aus bis zum Bade. Links un- 
geheure üppige Wiesen, die zu nichts zu dienen 
scheinen und herrliches, dichtes Unkraut produ- 
zieren, für nichts und wieder nichts. Der Wind 
rauscht eigentümlich in den Tannen. Man hält es 
für einen mysteriösen Aufenthalt für Rekonvales- 
zenten, für kleine zarte Mäderln. Es ist so ein Sana- 
torium für müde Menschen. Die graublaue Ur- 
sprungsquelle von vierundzwanzig Grad Celsius ist 
wie lebenspendend. Sie spricht nicht viel, sie mur- 
melt und gewährt! Viele Hausgärten sind voll von 
Frieden und Pracht. Im Caf^garten hart beim Bade 
ist es kühl vor Baumschatten wie in einem Keller. 
Daneben ein unbekannter Park wie ein Urwald. 
Niemand hat ihn vielleicht je betreten, ihn gestört 

loi 



in seinen überschüssigen Kräftespendungen! Wozu 
braucht man Brasilien und Lianenverstrickungen 
und Blütendunst und Geranke?!?' Dieser Park ist 
Urwald. Vöslau, immer noch, seit fünfundvierzig 
Jahren, ist deine Station grünbefranst, und in dem 
Bache plätschern lustig die Enten, die immittelbar 
darauf abgestochen werden, denn der murmelnde 
Bach ist nur ein letztes Reinigungsbad, gleichsam 
eine Vorleichenwaschung. Beim Bade duftet es nach 
Lindenblüten. Nichts hat sich verändert. Nur meine 
Mama ist nicht mehr« 



I02 



EIN BRIEF 

Lieber Stefan GroBmann, 
in meinen entsetzlichen Qualen habe ich heute soeben 
Ihren herrlichen Essay über und für Frau Tolstoi 
gelesen. Es ist großartig. Nur eines: Das männ- 
liche Genie geht eben in seinen langsamen Welt- 
entwicklungen zuerst vom gewöhnlichen allge- 
meinen irdischen Leben aus, völlert, bekehrt sich 
sodann, gründet Familiensegen, sucht Frieden wie 
ein jeder gewöhnhche Sterbüche. Dann, im Alter 
aber erschaut es die idealeren Welten, ist jedoch 
von seinen vorherigen Entwicklimgsstufen gebun- 
den, ja geknebelt, kann imd darf sie nicht los 
werden, und lebt doch bereits zugleich in Welten, 
die das bisherige althergebrachte irdische Sein über- 
flügelt haben. Wie wenn einem Heran- 
wachsenden noch immer die getreueste Mutterbrust 
ihre Milch anböte, während er längst iiber diese 
Periode seiner irdischen schwächlichen Kleinhchkeit 
hinausgewachsen ist!?! Der Träumer, der Denker, 
der Prophet, der Vorherseher, der Menschen - Er - 
höherschwingtsich von selbst, ohne es zu wissen, 
in Regionen einer anderen künftigen Konstellation, 
während er historisch-atavistisch noch mit den 
ehernen Klammem alltäglicher imd gewohnter 
Notdurften am bisherigen gebräuchlichen Dasein 
festverankert ist! Das ist seine Tragik! Daher seine 
organische Undankbarkeit gegen jene, die 
einem Stoffe in ihm dienen, den zu überwinden 
und immaterieller zu machen, er die ersten genia- 
len Versuche unternimmt. Man degradiert 

103 



ihn also in allerbester Intention, zu einer bereits 
geistig überwundenen Entwicklungsstufe seiner selbst. 
Preisen wir seine adeHgen Betreuerinnen, aber ver- 
gessen wir dabei zugleich nie, daß es in genialen 
Prophetengehimen Entwicklungsembryos gibt, 
4enen Frauen und Freunde ratlos, ja unbewußt 
feindselig, sich entgegenstemmen! Die Henne 
brütet ein Entlein aus, betreut es, sucht es vor allem 
vor der Gefahr „Bächlein" zu bewahren. Aber das 
Entlein strebt nach dem fließenden klaren Wasser, 
und die mütterliche Henne blickt in Todesangst 
den Schwimmkünsten des Entleins in seinem ihm 
organischen Elemente nach ! Henne, bescheide dich, 
Entlein, schwimme, tauche! Genie, du bist zwar 
undankbar, aber es ist eine organische, von Gott 
gesegnete Undankbarkeit, die den kommenden Men- 
schen zugute kommen muß. Die Frauen betreuen 
die Genies, aber die Genies betreuen die M-ensch- 
heit! Beide gehen zugnmde in ihrem merkwür- 
digen unentrinnbaren Lebenswerke, das in der Welt- 
entwicklung vorgesehen, vorbedacht und wohler- 
wogen wurde vom göttUchen, meist noch gänzlich 
unfaßbaren Willen ! 

Frau Tolstoi, du bist nicht minderwertig; Herr 
Tolstoi, du bist nicht mehrwertig; in allen lebt und 
webt die göttliche Seele, unerf orschlich, und dennoch 

geahnt und gespürt von einigen wenigen . 

Ihr Peter Altenberg. 



104 



DER FORTSCHRITT 

Es ist tragisch genug, daß die meisten Verbesserun- 
gen in jeglicher Sphäre des Lebens wie von einer heim- 
tückischen bösen Macht, vor allem vom bösen Zau- 
berer „Gewohnheit" hintertrieben, aufgehalten, zer- 
stört werden. Bei vielen Dingen kann man Gründe 
dafür finden, und sich daher wenigstens teilweise 
historisch-philosophisch über das Behammgsver- 
mögen des menschlichen Geistes beruhigen. Es gibt 
jedoch eine ganze Anzahl herrlicher Neuerungen, 
deren Nichtpopulärwerden man absolut nicht be- 
greift. Dazu gehört die amerikanische Schuhputz- 
maschine. Ich kenne eine einzige in ganz Wien, im 
Hausflur des Caffe am Mehlmarkt. Man wirft zehn 
Heller in den Spalt, und dein Fuß wird dir sanft 
hineingezogen in die Maschine, und der Schuh dabei 
von Staub und Kot gereinigt. Dann wird er ebenso 
sanft wieder herausgeschoben und dabei gewichst und 
glänzend gebürstet ! Man muß nur die Hose ein biß- 
chen hochheben, da diese weder gewichst noch auch 
glänzend gemacht zu werden wünscht. Auch muß 
dein Fuß der Maschine völlig nachgeben, denn sie 
allein weiß, was für deinen Schuh zweckmäßig ist, 
und sie entläßt ihn erst zur rechten Zeit. Weshalb 
sind solche herrlichen und gutmütigen Maschinen nicht 
schon längst in den Vestibülen von Hotels, Caf6s, 
Theatern aufgestellt?! Es ist fast eine Tragödie, 
es zu erleben, wie selbst in den allereinfachsten 
Dingen niemand das Herz imd den Sinn dafür hat, 
seinen Nebenmenschen das Leben ein bißchen zu 
erleichtem. Dabei wäre es noch ein Geschäft, natür- 

105 



lieh für beiäe Teile. Wie muß man da im vorhinein 
verzichten, in noch schwierigeren Lagen, unterstützt, 
betreut zu werden!? 

Jemand sagte zu mir: „Es paßt mir nicht, daß 
diese Maschine mir meine zarten Chevreauschuhe 
mit einer minderwertigen Creme putzt!" Ich er- 
widerte ihm, daß die Maschine nur Staub imd Kot 
entferne und dann glänzend bürste, also eigentUch 
mit jener Creme, die ein jeder Schuh schon von selbst 
habe. „Ach so," sagte er tief enttäuscht darüber, daß 
er der neuen Schuhputzmaschine, die bescheiden 
ihre Pfücht erfüllt, kein Klampfl anhängen konnte, 
ihr kein Bein stellen konnte, über das sie schmäh- 
lich stürzen müßte! 



zo6 



ÜBER LEBENSENERGIEN 

Die allerwenigsten Menschen haben auch nur die 
geringste Ahnung von dem Inhalt des Wortes 
„Lebensenergien". Es ist ein mysteriöses und ganz 
simples Wort zugleich: es bedeutet alle Kjraft, die 
unser Nervensystem enthält, zur Betätigtmg unsers 
Lebens. Diese Kraft erhalten, vermehren, heißt 
eigentlich: ein Kultivierter sein; sie schwächen, ver- 
ringern, heißt : ein Unkultivierter sein. Wir verlieren 
täglich, stündhch Tausende wertvollster Lebens- 
energien durch irrige Lebensführung jeglicher Art, 
und dann noch durch den Mangel an Rücksicht 
der Nebenmenschen auf imser Nervensystem. Tau- 
send Ungezogenheiten imd Taktlosigkeiten der Man- 
schen zerstören imsre angesanmielten Lebensenergien. 
Femer Sorge, Kummer, Eifersucht, Alkohol, schlech- 
tes Essen, ungezogene Kellner, ungezogene Friseure, 
ungezogene Freimde, alles, alles das frißt uns täg- 
Uch, stündhch imsre angesanmaelten Lebensenergien 
weg, und zwar auf eine merkwürdig schwächende, 
lähmende, Zuckerkrankheit vorbereitende Art ! Frauen 
besonders sind genial geschickte Zerstörerinnen 
unsrer aufgestapelten Lebensenergien, durch Er- 
zeugung von Eifersucht, diesem Krebsbazillus der 
Seele! Man wird plötzHch grün und gelb, und die 
Lebenselastizität läßt nach. Jeder Mensch ist eigent- 
lich ein feiger heimtückischer Mörder eines jeden, 
den er in Unruhe setzt ohne zwingendsten Gnmd! 
Einem Menschen seine Lebensenergien erhalten wol- 
len, sie schützen, ja, sie vermehren wollen, heißt 
allein : ihn wirküch heb haben f Alles andre ist Seelen- 

107 



mumpitz! Wer mich in irgendeiner Sphäre meiner 
Lebensbetätigungen schwächt, stört, lähmt, statt mich 
zu fördern, ist mir feindselig gesinnt, wie er sich auch 
sonst stellen möge! Die Erhaltung der Lebens- 
energien meines Organismus sei die Sehnsucht einer 
jeden ernstlich freimdschaftlichen Seele. „In meiner 
Gegenwart hatte sie einen unbeschreiblich elasti- 
schen Gang, alles an ihr schien leichter und von 

Erdenschwere befreiter zu werden " ; das wäre 

das ehrendste Zeugnis für eine wirklich liebevolle 
Mannesseele. Seine Verluste an Lebensenergien 
rechtzeitig spüren, seine Gewinne freudig buchen im 
Lebenskonto, würde viele der angenehmen Fähigkeit 
näherbringen, das hundertste Jahr, das Pfeifchen 
schmauchend, zu überschreiten. Ich bin einmal un- 
erbittlich gegen den göttüchen Leichtsinn, ich bin 
für die erdenschwere Bedenklichkeit. Ich glaube, 
wenn Franz Schubert mein Intimus gewesen wäre, 
ich hätte ihm noch weitere zweitausend Lieder ent- 
lockt, indem ich ihn beschworen hätte, sich der seiner 
bedürfenden Menschheit zu erhalten durch aller- 
sorgfältigste Schonung seiner Lebensenergien. „Ja, 

pardon, aber ein Typhus raffte ihn hinweg ." 

Aufgestapelte Lebensenergien nehmen hie und da 
sogar den erfolgreichen Kampf mit solchen Feinden 
wie Typhus, mit einer solchen Hunneninvasion, auf ! 
„Ja, aber, mein Herr Schreiber dieser Zeilen, weshalb 
nehmen Sie selbst so wenig Rücksicht auf diese 
immerhin beherzigenswerten Lehren, in Ihrem eigenen 
werten Dasein? ! ?" Weil ich dann vielleicht Lebens- 
energien entwickelte, um noch einige solcher Bücher wie 
bisher zu schreiben, und das muß imbedingt hinter- 
trieben werden durch imgeordnete Lebensführung. 

io8 



STRANDBAD 

Nun sah ich dich. Unbekannte, mit deiner bräun- 
lichen Haut und dem krebsroten nassen seidenen 
Schwimmtrikot, am „Gänsehäufel", und bin an dir 
vor Sehnsucht erkrankt. Immer, immer seh ich dich 
mit deinen unbeschreiblich edlen Gliedern an Wassers 
Rand entlanggehen mit weiten Schritten — . 

O, weshalb dürft' ich dir nicht sagen: „Kaiserin 
des Strandbads!" Dir hätte es nichts geschadet, und 
mich hätt' es erlöst , wie es müde enttäuschte Men- 
schen erlöst, wenn sie in stillen Kirchen vor einer 
heiligen Frau niederknien — . So aber wandle ich, 
krank an meiner fanatischen Zärthchkeit, dahin — . 
Kaiserin des Strandbads . 

An Unzulänglichem werden wir vorzeitig alt und 
müde, verlieren den Glauben an die Realisierbarkeit 
von Gottes Träumen. Da seh ich dich, Edelstge- 
gUederte, und fange wieder an zu glauben -! 

In Kleidern, geschützt durch Seide und Batist, 
oder im Bett , wo des Mannes Leidenschaft sein Auge 
trübt, wohlan! Da nehmen wir vorlieb, begnügen 
uns! 

Jedoch, aufrechten Ganges, in Licht imd Luft 
getaucht, in nassem Schwimmtrikot, da besteht keine 
außer dir diese zärtliche Prüfung ! Nun sah ich dich 
und wurde krank an dir, weil ich nicht wenigstens 
flüstern durfte: „Kaiserin!" 



X09 



WESEN DER RELIGION 

Der Pastor zu einer armen Frau, die bis dahin 
ziemlich ungläubig war, den Satzimgen der Religion 
gegenüber: 

„Ntm, liebe Frau, sind Sie durch meine Worte 
jetzt endlich gläubigem Sinnes geworden?!?" 

„Herr Pastor," erwiderte die Frau, „seitdem ich 
weiß, daß Gott alles sieht, wische ich in dem Hause, 
in dem ich bedienstet bin, den Staub auch unter 
den Teppichen auf ." 

Vielleicht ist auch dies gerade das tiefste Wesen 
der Liebe, einer Art von Realreligion : die Frau hält 
ihre Seele rein, sogar dort, wo niemand es mehr sieht 
und bemerken kann! 



HO 



WIE SIE ES GLAUBEN WOLLEN, SO 

IST ES I 

P. A. erhob sich von seinem Schmerzenslager, 
ging auf den Blumenmarkt, kaufte purpurrote 
Buchenzweige, schneeweiße Tazetten, zitronengelbe 
Nelken, dunkle Veilchen und riesig viele goldgelbe 
Mimosen nwt graugrünen gefiederten Blättchen. 

Und das ihre Dame vergötternde Stubenmädchen 
rief ihn an telephonisch: „Meine Gnädige schläft 
noch, Sie wird sich freuen beim Erwachen. Sie 
hat ein wunderschönes Bukett bekommen." 

Und er: „Von wem kann es denn sein?!?" 

„Hoffentlich von Herrn L. Das würde sie am 
meisten beglücken." 

„Ja, es ist richtig von Herrn L.! Aber bitte, 
sagen Sie nicht, daß Sie es durch mich erfahren haben, 
sondern nur als Ihre eigene Vermuttmg." 

Und am nächsten Tage sagte die Dame beglückt 
zu Herrn L. : „Ich habe wunderbare Blumen erhalten 
gestern . . *" 

Und Herr L. erfuhr durch das süße Stubenmädchen, 
wie die Sache sich eigentüch wahrscheinlich verhalten 
habe . • ". 

Sie fühlte es als ihre Pflicht, es ihm zu sagen. 

Da sandte er denn am nächsten Tage die herr- 
lichsten Blumen, unter dem Namen P. A. 

Und die Dame sagte zu ihrem Stubenmädchen: 
„Sieh, auch P. A. hat mir Blumen gesandt, sehr nett von 
ihm, man hätte es ihm nicht zugetraut. Nun, aber 
die von Herrn L. am Vortage waren schöner, so wirk- 
üch mit Geschmack und ZärtHchkeit ausgesucht . . ." 

XII 



„PRODROMOS" 

•Ich habe den Menschen, die im Tagesgeschäfte 
festgerannt waren, nie viel geben können, trotz 
meiner sogenannten Freiheit, die mir Gelegenheit 
gab, über die Dinge des Daseins rücksichtslos 

nachdenken zu dürfen . Aber es gibt 

dennoch wertvolle und höchst wichtige Dinge; vor 
allem: 

Sorge Tag und Nacht für die Edelfunktion deines 
Darmes! Das „Bauchherz" ist wichtiger wie das, 
was wir verhältnismäßig unnötigerweise unter der 
linken Brustwarze tragen. Von der Funktion des 
Darmes hängt unserganzes Denken, Fühlen und 
Sein ab, unsere Größe, unsereGüte,unsereMensch- 
lichkeit und unsere Weisheit! Wehe dem, der 24 
Stunden lang, also als Sünder imd Verbrecher, u n- 
purgiert dahin wandelt 1 Er wird miUionenmal mehr 
Schaden anrichten als ein Raubmörder und Kinder- 
schänder! Er wird in den kleinsten Dingen sein 
Menschentum verleugnen, das ihm Gott in seiner 
Gnade mitgegeben hat. Nur der äußerlich und 
innerlich purgierte Mensch kann auch geistig und 
seelisch purgiert sein! Existieren können, ohne 
Darmfunktion wie die Taube, die es im Fluge von 
sich läßt, ohne sich in ihren edlen Schwingungen 
auch nur Vioo Sekimde dadurch stören zu lassen, 
ist ein schändliches Verbrechen an sich und vor 
allem seinen Nebenmenschen, an denen man seinen 
Unmut, den man sich selbst gezüchtet hat, in heim- 
tückischer Weise dann Tag imd Nacht ausläßt. 

Abfühmüttel sind theosophische Geheim- 

112 



mittel, die imstande sind, den Menschen zu einer 
höheren Art hinauf zuentwickehi ! Im Moment, wo 
das Genie seine heiligen Darmfunktionen geschwächt 
fühlt, fühlt es sich degradiert zur „Herde der Ge- 
wöhnlichen"! Seine Schwingen sind ihm — wenn 
auch in anderer Weise — beschnitten imd gelähmt. 

Bauchherz, nervus S3mapathicus, plexus solaris, 
unbekanntestes Phänomen tmter den mysteriösen 
Phänomenen dieser Welt, möge dir die Forschung 
und die Arbeit der künftigen Genies geweiht sein! 
Unten frei, oben frei! Unten gebtmden, oben ge- 
bunden! So ist es! 

Es gibt fast keine Schädlichkeit, die wir unserem 
Organismus antun, die nicht durch eine absolut 
vollkommene Verdautmgskraft besiegt werden könnte ! 
Unsere Darmnerven sind wichtiger wie unsere Ge- 
samttätigkeiten unseres Organismus, als alle andern 
Organe zusanunen! Mit einem absolut leichten 
Stuhlgang müßte man sich theoretisch eine „ewige 
Jugend" verschaffen können. Der obstipierte Mensch 
ist kein menschliches Wesen! Beine Heiligkeit, 
seine GottähnHchkeit beginnt erst, wenn die Darm- 
fimktionen eine fast ideale Leistungsfähigkeit er- 
reicht haben. Die tiefste Genialität eines Organismus 
ist, mehr Rücksicht auf seine Darmnerven zu nehmen, 
als auf alle andern zusammen! Man schont damit 
vor allem Herz und Gehirn. 

Der Philister 

Ewige Rache, die Gott, Schicksal und Natur am 
Philister nehmen: Sie verhindern ihn, Tag und 
Nacht Tonika zu suchen, Belebungs- und Er- 



8 



113 



regungsmittel dieser Stoffwechselmaschine „Mensch" I 
Sie wollen immer glatt und beruhigt überall durch- 
konMnen; daher verlieren sie die einzige Kraft, die 
es für die menschliche Maschine gibt: den Stoff- 
wechsel! 

Genialität 

Das geniale Gehirn hat nie die kleinliche 
Todesangst des Philisters, sondern die absolute 
eines Bismarck, der wußte, daß bei einer verlorenen 
Schlacht von Königgrätz ihm nur mehr die Revolver- 
kugel übrig bliebe. — Selbst Goethe hatte ein Jahr 
lang den geladenen Revolver auf seinem Nachtkastei 
liegen. Sich schützen?!? Vor dem Altwerden, 
vor dem Sterben?!? Wozu also?! Das Genie 
bringt sich rechtzeitig um, wenn es seine Mission 
erfüllt hat, oder sie nicht erfüllen konnte! Aber 
diese andern paktieren mit dem Leben, das 
dann doch keines ist imd keinen Pakt zuläßt! 



114 



RESTAURANT PRODROMOS 

Ein Restaurant ersten Ranges, von einem moder- 
nen Archikten unerhört einfach-primitiv, aber zu- 
gleich aristokratisch-apart eingerichtet. Es wirken 
in der Küche in idealer Gemeinschaft ein franzö- 
sischer Koch und ein jimger Arzt, Diätetiker, Hygie- 
niker, imd der Dichter. Jede Speise ein unerhört 
leichtverdauHches Gedicht für den Verdautmgs- 
apparat ! Lauter Speisen, die in drei bis fünf Sttmden 
verdaut sind ohne Rückstände ! Reiche Stoffwechsel- 
kranke, Nervenkranke, Magenkranke, Dannkranke 
würden hier ein absolut sicheres Asyl finden! Die 
internationale Püreemaschine würde auf jedem Tische 
stehen. Einige Umdrehungen, und jede Speise hat 
die Konsistenz erhalten von Erdäpfelpüree, Erbsen- 
püree! Schöne Zähne sind eine ästhetische Ange- 
legenheit, aber man soll sie nicht gebrauchen! Den 
Speisen ihre Seele ausziehen, ihr Wertvollstes, und 
das Unverdauliche den Hunden, den Schweinen! 
Kein Essig, sondern Zitrone! Ganz, ganz neue Zu- 
sammenstellungen. Zum Beispiel durchpassiertes 
Kalbfleisch in Eiersauce. Pürees tmd Saucen in noch 
nie dagewesenen neuen Verbindungen ! Man kann sich 
krank essen und bleibt dennoch gesimd ! Die Diätetik 
eine reale Romantik geworden! Erfüllbare Ideale! 
Die Zähne haben ihre miserable dilettantische Zer- 
kleinerungstätigkeit einzustellen, sobald die inter- 
nationale Püreemaschine ihre Dienste ideal ersetzt. 
Man putze sie und halte sie als Kunstwerkchen in 
Ehren ! Der Edelmaschine darf- man nicht Lasten 
aufbürden, sondern muß sie ihr zu ersparen suchen! 



«• 



"5 



Das Kindchen saugt an der Mutterbrust, und die 
müde und nervös gewordene Menschheit will des- 
gleichen! Jeder komplizierten Maschine sucht man 
die Widerstände so viel als möglich zu ersparen; 
nur dieser unglückseligen und allerherrlichsten Ma- 
schine: „menschlicher Verdauungsapparat" nicht! 
Weshalb ? ! Gründet das Restaurant Prodromos ! Es 
soll eine Oase werden. Nach jeder Mahlzeit kann 
man sich hinlegen auf ideale Ruhestühle, was riesig 
wichtig ist! Es gibt Zimmerchen, in denen man, 
wenn auch nur für zehn Minuten schlafen kann! 
Eine Regenerationsanstalt, als Restaurant geführt. 
Ein Gasthaussanatorium! Teuer, aber fast kost- 
spieHge Kuren ersetzend! Weshalb warten mit der 
Ausführung?! Gibt es denn keine Idealisten, die 
dennoch verdienen möchten? ! Smd denn das Gegen- 
sätze, um Gotteswillen?! Was sollte denn reeller- 
weise eigentlich belohnt werden auf Erden als der 
wohlverstandene Idealismus ? ! ? Gründet das Restau- 
rant Prodromos ! Und gedenket meiner, des Urhebers ! 



Ii6 



DER BRAND 

Um zwei Uhr morgens kam die Nachricht in die 
American Bar, daß ein Palais nächst dem Stadtpark 
in Flammen stehe. Wir ließen misre wunderbaren 
Mischimgen sofort stehen, fuhren im Fiaker rasend hin. 

Auf dem Dache des fünfstöckigen Palastes leuch- 
teten die weißen Magnesiimifackeln der Feuerwehr, 
und goldgelbe und rote Funken fielen zur Erde. 
Unten im Finstem der Straßen leuchteten die Lam- 
pen der Feuerwehrautomobile wie getreue Wächter- 
hundeaugen! So besorgt-gutmütig I 

Der Stadtpark war schwarz tmd einsam. Auf 
einer Bank saßen Zwei, Hand in Hand. Sie betrach- 
teten den Brand des Palais, hörten die Feuerwehr- 
signale: „Wasser! Wasser! Wasser!", und sie waren 
imd sie blieben versimken in ihrem eigenen unent- 
rinnbaren Schicksal, Hand in Hand. 

Das Palais brannte, und man erließ für die obem 
Parteien bereits die Nachricht, sie möchten delo- 
gieren und herabkommen . 

Der Stadtpark war einsam und im Dunkeln . 



117 



RÜCKSICHT 

Sie trug ein wunderbares, stark dekolletiertes 
schulterfreies Kleid. Ihre Freunde bewunderten 
ihre herrlich modellierten Schultern. Da stand sie 
auf, ging in ihre Garderobe zurück und zog ein viel 
dezenteres Kleid an, das nur Hals und Arme frei ließ. 

Einige Augenblicke später kam ihr Bräutigam. 

„Natürlich," sagte er, „man muß sich für die 
fremden Männer dekolletieren!" 

„Herr Bräutigam," sagte ein Baron, „das ist 
doch gerade das Schöne an Ihrer Freundin, daß sie 
immer so einfach und dezent gekleidet ist und gar 
nichts aus sich macht. SchUeßlich und endlich muß 
es doch auch Ihnen schmeicheln, wenn andere Sie 
darum beneiden und sie be wundem!" 

„Anita," sagte der Bräutigam, „gehe doch in 
die Garderobe und ziehe dir mal das neue schulter- 
freie Kleid an, das ich für dich entworfen habe. 
Du bist ja nicht mehr im Sacr6 Coeur ." 

Die Dame stand auf und ging in die Garderobe, 
das noch körperwarme schulterfreie Kleid wieder an- 
zulegen . 

Die Freunde sagten hypokrit: „Das ist wirklich 

etwas gewagt und auffallend Aber wenn es 

Ihnen recht ist, Herr Bräutigam ?!?" 



Ii8 



MYOSA 

Mademoiselle Myosa, das Original mit dem tiefen 
wunderbaren Blick, in dem direkt eine Art von fana- 
tischer Tanzmission glüht imd fiebert, ist von un- 
beschreiblicher Anmut. Die übrigen Tänzerinnen 
tanzen, aber sie ist der Tanz selbst, sie versinkt, 
ertrinkt im Tanzen. Sie existiert nicht mehr. Sie 
kann sich, auch im Leben, in nichts anderm äußern. 
Man hat die Empfindung: sie ißt nicht, sie trinkt 
nicht, sie schläft nicht, sie will kein Geld und keine 
sonstigen scheinbar unentrinnbaren Leidenschaften 

sie will tanzen, tanzen, tanzen! Der Fisch 

will Wasser, nur Wasser; und sie will den Tanz, nur 
den Tanz! Sie ist das erste Tanzgenie, das ich je 
erblickt habe, wegen ihrer fast pathologischen Kon- 
zentration. Sie rührt imd macht erstaunen. Hat 
Gott die Welt nur erschaffen, damit Myosa sich darin 
austanze?! „Ja!" sagen ihre düstem Blicke. Sie 
hat Bewegungen, die man noch nie bei einer Tänzerin 
gesehen hat, wie wenn oft ihr wunderbarer kindücher 
Leib von einer inneren Macht gezwungen würde. 
Dabei ist sie ununterbrochen verzweifelt, daß es in 
diesem Vergnügungsetablissement nicht still und 
feierlich ist während ihres heiligen Tanzens wie in 
einer Kirche; sprechen, lachen, verletzt sie tödlich; 
ein Zug unaussprechüchen ergreifenden Leidens ist 
da mitten im Tanzen auf ihrem herrüchen Antlitz. 
Da haßt sie die Menschen und die Welt ! Sie ist eine 
tragische PersönUchkeit, feindselig und abhold dem 
leichten Dasein der Stimde. Sie ist ein Phänomen, 
eine Einzige, eine in sich Gekehrte, starre Unerbitt- 

119 



liehe des Tanzes! Und das alles dort« wo man sich 
bei uns amüsieren, zerstreuen will!? Arme, arme 
Myosa ! 



120 



IM STADTPARK 

Als Kinder saßen wir Abend für Abend mit 
unsem geliebten Eltern im Stadtpark, im Kursalon. 
Wir bekamen Eis und Hohlhippen und hatten keiner- 
lei Sorgen. Der Vater geht ntm seit Jahren nicht 
aus seinem bequemen Zimmer mehr heraus, und die 
Mutter nicht aus dem bequemen Totenschrein. Ich, 
glatzköpfig tmd sorgenvoll, komme nun in den Stadt- 
park, Kursalon, auf die Terrasse, an denselben Tisch, 
an welchem wir einst sorgenlos mit den geliebten 
Eltern saßen. Ich bestelle dasselbe Eis, Himbeer- 
schokolade, wie als Kind, mit recht vielen und 
knisternden, also frischen Hohlhippen. Vor mir die 
Gartenbeete wie einst, ein bißchen bunter, origi- 
neller. Ich sehe Eltern mit ihren Kindern. Sie 
zanken und schelten. Unsre Eltern zankten und 
schalten nie, nie. Vielleicht war es schlecht, daß sie 
es nie taten, aber sie hatten Achtung vor ihren 
eigenen Erzeugnissen, imd Zuversicht ! Wir haben sie 
enttäuscht; aber sie haben es hingenommen als 
Schicksal tmd Verhängnis. Wir haben ihre Tränen, 

die sie um uns weinten, nie gespürt . Nun 

sitze ich. Glatzköpfiger, Sorgenvoller, wieder im 
Stadtpark, im Kursalon, auf der Terrasse, an dem- 
selben Tisch wie einst mit den geliebten Eltern, 
esse dieselbe Portion Himbeerschokolade wie einst, 
mit vielen knisternden, also frischen Hohlhippen - 
— — . Die Gartenbeete, auf die ich herabblicke, 
sind ein wenig bunter, origineller. Aber sonst hat 
sich nichts verändert, in den Zeiten vom dummen 
Kind zum müden Mann! Ich sehe Eltern, die ihre 



Kinder im Park schelten; nnsre Eltern schalten uns^ 
nie ; sie erhofften es, daß wir sie einst belohnen würden 
für ihre Güte; aber wir taten es nicht. Wir hatten 
eine schöne Kinderzeit; so tauchen wir denn hinab 
in Erinnerungen, da wir vom seienden Tage nicht 
leben können. Wir hatten allzu sanftmütige, hoff- 
nungsfreudige, schicksalergebene Eltern. Es war ein 
Fluch und ein Segen ! Man kann nun an Zeiten zu- 
rückdenken, die paradiesisch waren — — . Nicht 
jeder, der vor sich das Dimkel sieht, kann liebe- 
vollen Herzens der lichten Zeiten dankbar sich er- 
innern . 



122 



EHEBRUCH 

Ich verzeihe dir ! Vier Tage und vier Nächte habe 
ich mich durchgerungen. Die Nächte besonders 
waren voll von Qual. Wenn du gewußt hättest, was 
du mir angetan hast an Leid, du hättest es wahrschein- 
Hch nicht getan. Aber ihr wißt es eben nicht, wollt, 
könnt es nicht wissen! Unser verstörtes AntUtz sagt 
euch nichts. Prügel sind der Ausbruch für euch unserer 
verletzten Eigenüebe. Und sogar Mord ist doch in 
Eueren Augen nur Rachgier ! Unsere ZärtHchkeit könnt 
ihr nicht ahnen, die wir für euer Leben haben, wie jedes 
Muttertier für seine Jungen, oder wie der Storch, 
der sich auf dem brennenden Dache niederläßt, um 
mit den Jungen, die er nicht mehr erretten kann vor 
Qualm und Hitze, selbst zu verbrennen! So sind 
wir mit euch! Mit euch verbrennen, wenns keine 

Rettimg gibt . Das zarte Nest ist in Gefahr, 

das wir euch errichtet mit allen Mühen unseres 

armen Lebens; das Nest ist in Gefahr . Ich 

will dich retten, doch der Qualm betäubt mich. 

Anita, oh Anita ^^ — ! Vier Tage und vier Nächte 

hab' ich mich durchgerungen. Die Nächte besonders 
waren voll von Qual. Ich will dich retten vor dir 
und vor den anderen! Ich liebe dich, es bleibt nur 

keine Wahl . In mir sind Gottes ZärtUch- 

keiten für jedes Geschöpf, konzentriert auf dich! 
Bis du es aber spürst, vergehen Jahre, Jahre. Mir 
ist die Kraft verheben, an deiner Bahre, in deinem 
toten Anthtz noch verständnisvollen Dank mir endlich 
zu erspähen ! Vier Tage und vier Nächte hab ich mich 
durchgerungen. Die Nächte besonders waren voll 

123 



von Qual. Ich liebe dich, es bleibt mir keine Wahl. 
Wir wollen den Schmerz begraben, der uns begrub 

. Ninam also dein neues Kleid, wir wollen zu 

fremden Menschen gehen, die fröhlich sind, Geliebte ! 



124 



HAMSUN-MENSCHEN 

Ich habe irgendwo einen geistreichen Essay ge- 
lesen — leider geist-reich, aber wahrheits-arm — 
über das Wesen der sogenannten Hamsun-Menschen, 
das heißt: jener Menschen, die Hamsun in seinen 
Romanen beschreibt. 

Es sind nämlich ganz einfach Menschen, die die 
Lächerlichkeit des menschlichen Geistes und der 
menschlichen Seele durchschaut haben und dahinter 
gekonmien sind, daß alles öder Mimipitz ist ! Ich bin 
überzeugt, daß Shakespeare die Eifersucht des 
Othello, den Ehrgeiz des Macbeth, die Liebe des 
Romeo für ebenso lächerliche tmd wertlose Dinge, 
für übertriebene Irrsinne, für groteske Stupiditäten 
von Monomanen oder Paralytikern gehalten habe; 
nur hatte er damals noch die sogenannte gesunde 
Kraft, aus diesen Irrsinnen scheinbar menschliche 
Dramen zu fabrizieren! Hamsun hingegen hält 
Markensammler, Münzensammler und Liebesleute 
für lächerliche Persönlichkeiten, tmd nichts in der 
Welt kann ihm ein Interesse abgewinnen als die 
schändUche tmd infame Lächerlichkeit, mit der alle 
Menschen die ihnen wichtig erscheinenden Dinge auch 
ernstlich für wichtig halten! Diejenigen Unglückse- 
ligen, die in der Mitte scliwanken zwischen der Be- 
jahung und Negierung des Daseins, machen sich ein 
Geschäft daratis, Hamsun -Menschen fälschlich er- 
klären zu wollen, indem sie selbst weder den Mut 
haben, bejahende Normalmenschen noch negierende 
Perverse zu sein. Der sogenaimte gesunde Mittelweg ist 
die Straße des feigen Idioten. Er allein ist der unge- 

. 125 



rechte und ewig mißtrauische Nichtsversteher! Sie 
wollen in den Abgründen des Daseins sich ein Pf ädchen 
herausschinden, auf dem sie scheinbar noch sicher 
dahin schreiten könnten ! Aber vergeblich ! Es handelt 
sich nur um einige Jahre, und auch sie werden zur 
Browningpistole innerUch greifen müssen. Hamsun 
erkannte die Nichtigkeit, die Lächerlichkeit, die 
Bösartigkeit, die Gemeinheit des Lebens in jeder 
Minute, in jeder Stunde, an jedem Tage; aber die, 
die noch nicht die Kraft haben, das ganz zu erfassen, 
klammern sich an irgend einen Popanz fest, der sie 
hoffentlich irgend einmal zugrunde richten wird. 

Hamsun-Menschen haben ganz einfach einen 
milliardenmal tiefem Einblick in die Lächerlichkeit 
und Wesenlosigkeit des Daseins, als die andern 
Menschen, und derjenige, der sich aus diesen unent- 
rinnbaren Wahrheiten herausretten will, beweist da- 
mit nur die Feigheit, daß er mit einem wertlosen 
Leben den wertlosen Kampf noch immer vergebüch 
aufnimmt. Alle Menschen sind Münzen- imd Marken- 
sammler, und wer ihre absolut wertlosen Irrsinne 
nicht erkennt, ist ein ebensolcher Idiot, wenn er 
auch in seelischer imd geistiger Beziehimg andre, 
aber ebenso wertlose Sammlungen anlegt! Sich über 
die letzten Erkenntnisse eines Hamsun-Gehirns hin- 
überschwingen zu wollen, ist die infamste Feigheit 
eines Menschen, der nicht imstande ist, eine Stunde 
lang ein wahrhei tsvolles Leben zu führen. 

Das Leben ist eine feige Lächerlichkeit, mit 
frechen Ambitionen, imd es gehören alle Verlogen- 
heiten der menschlichen Seele und des menschüchen 
Geistes dazu, um es auch nur eine Minute lang ernst 

126 



zu nehmen! Strindberg wußte, was er von Frauen 
zu halten hatte, die, statt ihn zu schützen und zu 
schonen, ihm seine göttlichen Kräfte auf allen Wegen 
und Stegen zu rauben suchten. Er hatte die Genialität, 
an die Anständigkeiten der Frau zu glauben, fand 
aber nur herzlose Tyranninnen, die die Schwächen 
selbst der genialen Organisation auf perfideste und 
heimtückischste Weise ausnutzten! Was August 
Strindberg dichtete und dachte, war ihnen eine 
nebensächliche Erscheinung, aber sein persönliches 
Liebesleben kontrollierten sie mit ihren unfähigen 
und niedrigen Sinnen! Alle Männer sollten wie 
Strindberg es erhoffen, daß man ihre edelsten Kräfte 
schonen imd schützen werde, und sie nicht aus- 
mxtzen werde zur gemeinen Bequemlichkeit des 
Tages- und Nachtlebens. Eine Frau, die auch nur 
eine Stunde lang einen August Strindberg quälte, 
wäre wert, von der ganzen Menschheit boykottiert 
und gefoltert zu werden, denn für ihre Glückseligkeit 
würde der Kommis einer Seidenfirma bessere Dienste 
leisten ! Sie rächt sich in ihrem ewigen Vier-Wochen- 
Tumus an den ewigen Entwicklungsfähigkeiten des 
Mannes, und das Genife Strindbergs bäumte sich für 
hunderttausend gequälte andre Genies auf gegen den 
Mangel an Respekt einer geliebten Frau vor der 
Geistigkeit des Mannes! 

Hamsun nahm die Sache nicht so tragisch, sondern 
mehr von der ironischen Seite, und selbst Shake- 
speare war ein Strindberg und ein Hamsun im Grunde 
seiner Seele, aber er hatte leider noch die gesunde 
Kraft, es in fünfaktige Dramen umzusetzen, deren 
eigentliche tiefe Ironie der Weltnieverständlich wurde ! 

127 



Der Änsichtskartensammler ist kein größerer Narr 
als alle andern, die sich an angeblich wichtigere 
Objekte Tag und Nacht anklammem, um ihr Leben 
damit auszufüllen und in kümmerlicher, armseliger, 
schamlos-feiger Weise zu fristen. Je weniger Spesen 
sie dabei haben, desto normaler sind sie. Es gibt 
Schriftsteller, die die Geschicklichkeit haben, einem 
Hamsun und Strindberg sogar ihre Irrsinne nach- 
zuweisen ! Ich selbst begnüge mich mit der Ansicht, 
daß sich außerhalb des Lebens zu bewegen und mit 
ihm keine anderen Zusammenhänge zu haben wie die 
eines satanischen Lächelns, die einzige Sache und 
Aufgabe eines genialen Menschen sei! 

Wer die Kraft hat, dem Leben mit aufgezogenem 
Visier ins Auge zu blicken, der wird das große Mauer- 
Oehling und Steinhof der Menschheit in Ernst und 
Ruhe erkennen, und seine Stunde, die ihn von dem 
Stumpfsinn und der Stupidität endgiltig befreit, mit 
Freude erwarten — . 



128 



MEMOIREN 

Ich lese die Geschichte vom Grafen von Lavalette, 
und sie interessiert mich gar nicht. Er war ein Ge- 
treuester Napoleons des Ersten. 

Aber ich habe bisher es nicht eingesehen, wodurch 
dieser „geniale Feuergeist", dieses „Ungetüm an 
Lebensenergien", der Gesamtmenschheit irgendwie 
geholfen habe !? ! Die Geschichte seiner „Getreuen" 
interessiert mich daher um so weniger. Aber als 
Lavalette, dieser „Tatendurstige" (ein schreckUches 
Wort für den Lebenskundigen) eingesperrt \md hin- 
gerichtet werden sollte, gab ihm seine Frau ihre 
Kleider, und er entfloh. Sie selbst wurde im Kerker 
derart mißhandelt, daß sie irrsinnig wurde. 

Da begann ich mich für die Gräfin von Lavalette 
zu interessieren, die in den Memoiren gar nicht er- 
wähnt ist. 

Ehre ihrer Seele! 



129 



WIDMUNG AN ANNA KONRAD 

O Fraue, 

Nicht was du bist, bist du! 

Das, was wir von dir träumen, das bist du! 

Was in der dunklen Wehmut unseres begeisterten 
Blicks erschimmert, das bist du! 

Der Duft deines Atems, der uns den Duft der ganzen 
blühenden geheimnisvollen Welt bringt, das bist du! 

Deine nicht erfüllten Sehnsuchten, die auf 
deinem lieblichen AntHtz kauern, und die wir mehr 
miterleben, miterleiden als du selber. 

Das bist du! 

Die Träne, die aus unsem Augen langsam herab- 
rieselt (wir selber wissen nicht, aus welchem Leid 
sie ihre Quellen hat) das, das bist du! 

Und unser Lächeln bist du, wenn du 
kommst ! 

Und unsere ernste Stille, wenn du von uns 
gehst ! 

Wenn du uns kränkst und wenn du uns ver- 
wundest. 

Nimmst du dir selbst die Pracht des eigenen 
Lebens, 

Denn was wir von dir fühlen, das bist du! 
Bleib darum nülde . 

Dreh' nicht der Nachtigall den Hals lun, wenn 
sie in die lichte Mondnacht schmettert. 

Denn ihr Lied macht erst die Mondnacht zu 
dem, was sie ist! 

O Fraue, laß uns singen, sagen, klagen . 

Was du von uns vernimmst, das erst bist du! 

130 



DER TOD 

Wann soll ich sterben, mich umbringen?! Es 
ist an der Zeit. 

Es ist fünf Uhr morgens. Man sieht noch nicht 
die großen braunroten Dächer der alten Wallner- 
straßenpaläste. Man hört die Uhren von fünf Kirch- 
türmen. Sie folgen einander so merkwürdig, wie mn 
sich nicht gegenseitig zu stören, lauschendes Men- 
schenohr nicht zu verwirren, das Ohr von Kranken, 
die dem heimlichem Tage bang entgegenlauschen 
"""" ""'^. 

Wann soll es sein?! 

Sie darf nicht geweckt werden aus ihrem mir 
heiligen Schlaf, durch eine Nachricht, die jedenfalls 
erregt und schadet . Wenns ihr auch schmei- 
chelt, daß es ihretwegen ist — . 

Ich muß also warten, bis die völlig Ausgerastete 
die merkwürdige Botschaft hört, 

daß ihr fanatisch getreuester Ritter sie dennoch 
verlassen mußte, mitten im Seelendienste, der 
ihn brach und sie nur störte, die einsam kranke 

Frau . 

Nach Hamburg wird die Kunde später dringen, 
und H. M. ist gewappnet mit Ergebenheiten! 
In ihrer Religion sind Kreuzigungen vorherge- 
sehen, und sie wird leben aus innem Kräften, 
durch Leid erhöht, betaut, befruchtet! 

Bessie wird in Leysin, im Paradies des Winter- 
sports am Genfersee, die Nachricht hören, und in 
meinen Briefen vielleicht kramen, die sie besitzt. 
Die Hauptsach' ist, daß meine vergötterte Frau 

9* 131 



in Wien nicht durch die Nachricht aus dem Schlafe 
kommt, den sie so nötig hat. 

Man muß sichs also einzuteilen wissen. Tag, 
brich an! 

Lebet wohl ! 

Der grelle Tag macht freilich den Abschied 
schwerer als des Wintermorgens düstre Dämme- 
rungen ! 

Jedoch die Frau darf's erst vernehmen, wenn sie 
ausgerastet ist von langem Schlafe . 



132 



EINE GANZ WAHRHAFTIGE 
BEZIEHUNG 

Sie saß an einem riesigen Parterrefenster, das fast 
den Boden der staubigen grauen elenden Dorf- 
straße berührte, und nähte an einer schönen blinken- 
den Nähmaschine Blusen, von morgens bis abends. 
Ihre Augen hatten einen Ausdruck von Verzweiflung. 
Aber sie selbst wußte nichts davon. Sie nähte, nähte 
und nähte. Sie war ganz mager, ungeeignet für den 
Sturm des Daseins, der Seelen und Körper schüttelt 
und hinwegfegt. Abends aß sie das kalte Gemüse 
vom Mittagstisch. Das sah ich alles durch das 
riesige Parterrefenster hindurch, und sie sah, daß ich 
alles sah. 

Eines Abends stand sie vor dem Haustor so an- 
gelehnt. Da sagte sie: „Ich habe eine Stellung ange- 
nommen in Mariahilf in einer Blusenfabrik, ich 
werde nicht mehr privat arbeiten müssen in diesem 
einsamen Zimmer." 

Da dachte iqji: „Dorfstraße, Dorfstraße, du hast 
deinen Glanz, du hast deinen Reichtum eingebüßt!" 

„Man muß sich seine Lage verbessern, nicht 
wahr!?" sagte sie, „ich habe Sie übrigens immer an 
meinem Fenster vorübergehen sehen, dreimal des 
Tages. Dreimal des Tages sind Sie freilich vorüber- 
gegangen. Aber in Mariahilf werden vierzig Mäd- 
chen sein, und man wird plaudern können, und ar- 
beiten wie in einem Ameisenhaufen ." 

„Sie, Fräulein, ich werde auch dreimal noch täg- 
üch an Ihrem Fenster vorübergehen, wenn Sie nicht 
mehr dasitzen ." 

133 



„Ja, werden Sie das?!? Da werde ich also doch 
auch zugleich zu Hause sein wie früher in meiner 
Heimat ." 

„Lassen Sie vielleicht Ihre blinkende kleine Näh- 
maschine am Fenster stehen, und dabei eine ihrer 
angefangenen Blusen ." 

„Ja, bitte, das werde ich ." 

Das war die einzige wahrhaftige Beziehung mit 
einer Frauenseele während meines ganzen ereignis- 
reichen Lebens . 

Dorfstraße, graue staubige Dorfstraße, du hast 
nun deinen Glanz, du hast deinen Reichtimi einge- 
büßt . Sie, sie geht nun in die Arbeit, in die 

Welt ! 



134 



IM VOLKSGARTEN 

• 

Juli im Volksgarten. Die holde Frische der Ge- 
wächse ist vorüber. Nur Rosa Crimson Rampler 
blühen als. dunkelrotes Gebüsch. Auf dem Teich vor 
dem Elisabethdenkmal sind die Seerosen verblüht. 
Nur die Blätter liegen papierflach auf grünschillem- 
dem Wasser. In den riesigen hellgrauen Tonkübeln 
blühen heUrosa Hortensien. Die marmornen Kinder- 
gesiebter an den Brunnen strahlen Lieblichkeit aus 
sondergleichen. Es sollen die Kinder des Bildhauers 
selbst sein. Heil ihm! Ein Mäderl von neun Jahren 
zeigt uns aUe ihre herrUchen Künste. Sie hat nur 
ein weiße$ Hemd an mit einer dicken roten seidenen 
Schnur. Sie läuft Springschnur wie ein griechischer 
Marathonläufer. Sie spielt Diabolo wie ein Cham- 
pion. Sie spielt zugleich mit zwei Raketts und 
zwei roten Gummibällen. Ich rufe: „Bravo, bravo!" 
als säße ich in einem Vari6t6. Sie hat nackte 
Gazellenbeine. Sie macht alles von nun an infolge 
des Applauses für mich und meine edle Freundin. 
Einmal heben wir ihr einen Ball auf. Sie weiß, sie 
befindet sich in imsrer Gunst. Sie hat fremde Men- 
schen für sich gewonnen, sie hat die enge Sphäre 
von Papa, Mama, Onkel, Tante überflogen, sie ist in 
das Land eingedrungen objektiver Anerkennungen. 

Und da sagte ihre Mama: „Spiele doch zu mir 
zu, ich will dich auch sehen, nicht immer nur deinen 
Rücken." 

Da wandte sich das Kind von uns ab imd spielte 
gegen die Mama zu. Nur hie und da blickte sie sich 
mn nach ihren fremden Verehrern. 

135 



Später kam der Papa, ermüdet vom Geschäfte, 
„Amüsierst du dich, Amia? ! ?" sagte er zu seinem 

Töchterchen. 

„Amüsieren, amüsieren — " dachte Anna, „man 

bewundert mich, man staimt mich an — .*' 



136 



ANSPRÜCHE EINER ROMANTIKERIN 

Wenn dir. Du angeblich Liebender, jeder Atem- 
hauch meines Mundes ebenso berauschend wäre wie 
meinem Peter, 

wenn dich mein Gehen, Stehen, Sitzen, und jede 
Linie meines Leibes ebenso entzücken könnte, 

wenn der dunkle IClang meiner Stimme, wie 
Peter sagt, aus dem Gaumen-Resonanzboden, 

dir ebenso lieblich tönen könnte, 

imd ebenso berauschend das Rauschen meiner 
seidenen Unterkleider wie ihm, 

wenn du in das Waschwasser meines Lavoirs, in 

dem ich badete, ebenso liebevoll deinen Kopf 

untertauchen könntest wie er, 

gleichsam um zu ertrinken in heiliger Flut; 

wenn du mich ebenso nähmest als überirdisches 
Wesen, das ich natürlich nicht bin imd nicht sein 
kann, bei Tag und Nacht, 

wenn du also gleich ihm aus meinen Armselig- 
keiten eine verklärte Dichtimg machen könntest, 
die dich beglückte und Leben spendete wie Tau und 
Sonne den zarten Pflanzen 

wer weiß, ob ich mich dann nicht verführen ließe, 
dir zu dienen gleich ihm . 

Aber du kannst, du wirst es nicht zusammen- 
bringen ! 

Es sind Mysterien, aufbewahrt von Gott den 
wirklich liebevollen Herzen!!! 

Das zu erkennen, ist unser einziger, unser bester 
Schutz ! 

Es gibt nur inamer einen, dem wir ein Verhängnis 

137 



werden! Den anderen sind wir Zitronen, die man 
auspreßt, und deren Schale man in die Latrine wirft ! 



138 



LEBENSWEG 

Der Ältere und der Jüngere waren anfänglich 
kolossal eifersüchtig aufeinander. Bis der Ältere ihr 
einen geläuterten Brief schrieb. Darin stand unter an- 
dern! : „Der Jüngere ist der Jüngere. Daher hat er den 
momentanen Sieg. Aber der Ältere ist der Ältere. Da- 
her hat er einen Vorsprung, welcher Art inmier. Es 
wird sich schon zeigen — ." Sie verstand kein Wort da- 
von. Infolgedessen versöhnten sich die beiden Rivalen. 

Dem Jüngeren ward sie aber zu einfach, zu ruhig 
mit der Zeit. Der Ältere ruhte bei ihr aus, von den 
Strapazen seiner Seelenweltreisen. Der Jüngere hatte 
sie lieb, solange sie nicht da war, der Ältere erst, wenn 
sie neben ihm dahinging wie ein verlorenes Kindchen. 
Er dachte dabei an die „Ludern", denen er unnützer- 
weise sein Denken, sein Dichten, sein Träumen ge- 
weiht hatte durch Jahre, imd die doch nur sich-über- 
hebende freche Püppchen gewesen waren zeitlebens. 

Aber auch er hatte bald genug von ihr, obzwar 
er sie brüderlich zärtlich lieb hatte und sie ganz 
verstand und achtete. Der Jüngere feierte hie und 
da dennoch immer wieder Orgien mit ihr und be- 
hauptete dann, sie sei doch die einzige von allen. 
Der Ältere brachte sie zum Chor der Operette. Eis 
begann ihr sehr gut zu gehen. Aber immer wieder 
kam sie zu dem Jüngeren zurück ohne Grund, und 
zu dem Älteren sagte sie sanft: „Wissen Sie noch, 
wie Sie mir die Pfirsiche geschenkt haben? !" Später 
fuhr sie im eigenen Automobil. Sie vergaß ganz des 
Jüngeren. Aber so oft sie den Älteren erblickte, sagte 
sie sanft: „Servus, Pfirsich-Herr!" 

139 • 



DIENSTE 

Man kann vielen Menschen riesige Dienste in den 
geringsten Kleinigkeiten leisten. Aber niemand tut 
es. Zum Beispiel einer Dame zu sagen: „Wenn Sie 
sich abends mit einem trockenen englischen Reib- 
handschuh, fleshglove, den ganzen Leib leicht rosig 
reiben lassen werden, ganz, ganz zart, ohne Reib- 
eisengefühl, so werden sie gegen Zugluft vollständig 
immun werden!" 

Ich trat einst auf eine wunderbar schöne Frau zu 
imd sagte zu ihr: „Gnädige Frau, ich könnte Ihnen 
einen wesentlichen Lebensdienst leisten, den Ihnen 
wahrscheinlich sonst niemand leisten würde — ." 
„Nun, worin besteht er?!" „Sie haben in Ihrem 
wunderbar modeUierten Ohr einen schwarzen Mit- 
esser, den ich auf die zarteste Weise mit einem ge- 
schickten Druck meiner zwei Finger entfernen könnte. 
Mancher Mann könnte daran enttäuscht werden, 
und es könnte Ihren edlen Lebensweg erschweren — ." 

Die Dame erbleichte, stand auf, ging mit mir 
hinaus. Ich entfernte ihr den schwarzen Mitesser 
aus dem rosigen Ohr. 

Dann sagte sie: „Sie, Herr, wie kommen Sie 
eigentlich zu solchen Unverschämtheiten?! Was 
gehen Sie denn meine Ohren an?!" 

„Nichts", erwiderte ich und entfernte mich be- 
friedigt. 



140 



WIE ICH GESUNDET BIN 

Ich bin nämlich gar nicht gesundet, sondern aus 
dem Grabe, wie ein Gespenst meiner selbst aufer- 
standen. Aber ich habe in Inzersdorf bei Wien 
einen schönen stillen Park gehabt mit Natnrwiesen, 
einen allerbesten Direktor Emil Fries, einen Gent- 
leman vom Kopf bis zu den Sohlen, seine edle 
französische Frau zu meiner idealen Gesellschaft, 
taktvoll imd herzlich vom Kopf bis zu den Sohlen ; 
Fräulein Herta, die in sich Gekehrte . . . Und die 
Gouvernante der Kinder war eine edle Melancho- 
likerin, die die Bürde des Lebens tragisch auf sich 
nahm. Der Park hatte eine Allee mit großen holz- 
geschnittenen Löwen, die Wappen trugen, und in 
den riesigen runden dunklen Gebüschen nisteten 
Vögel. 

In diesem MiUeu, wo nichts mich marterte, lugte 
ich noch einmal aus dem Grabe heraus, so ein letzter 
Blick auf wahre Werte der arg verworrenen Mensch- 
heit. 

In einem dunklen Gartenparterrezimmer sitzen 
seit Jahren Graf C. und Herr von D. hart nebenein- 
ander in alten Lederfauteuils, wortlos, ohne sich zu 
rühren, stunden- und stimdenlang wie Wachsfiguren, 
bis jemand kommt und sie zu Bette legt. Nie, nie, 
nie sprechen sie einen Wimsch aus, rauchen nicht, 
langweilen sich nie, warten auf die Tage, die Monate, 
die Jahre, wie alte Bäume im Frieden der Natur. 

Ich bin nicht gesundet ; meine Qualen haben sich 
ins Maßlose gesteigert, ich ringe um Tag und Stunde 
und um irgendeinen Lichtblick, wie es die englische 

141 



Tänzerin Esther war, die am ersten Abend zu mir ge- 
sagt hat: „I have been in the whole world, but I 
have leamed only one important thing : To hate the 
man! Was will er ewig von ims, während unsere 
Seelen noch kalt sind, und wir ihm doch schon unser 
Bestes, ja unser Liebstes, unser Tanzen spenden?!?" 
Esther, Esther, o Esther — Sie sagte : „Du, ich werde 
dich besuchen, aber nur wenn du ganz lorank bist, 
ganz, und mit geschlossenen Augen daUegst, denn da 
brauchst du nicht mit mir zu sprechen." 

Ich bin nicht gesundet und werde es nie, nie mehr 
wieder. Ich ringe nur noch irgendeinen Lichtblick 
ab, und dann adieu. — 



142 



GOTTESGNADENTUM 

Gott, der in der Natur geheimnisvoll thront, 
um Ideale abzuwarten, die sich endhch realisieren 
sollen, vdll für alle, alle, alle, leidenschaftlichst ihre 
Entwicklimg zu ihrer Vollkommenheit, zur Glück- 
seligkeit, zu ihrem eigenen inneren und äußeren 
Frieden ! Er überträgt daher vorerst den Herrschern 
diese zarte und schwierige Mission, solange das Volk 
noch unmündig ist. Aber später fühlt es leider 
der Herrscher nicht, daß seme Milliarde von Schütz- 
lingen aus eigener Kraft Gottes Wege zu wandeln 
bereits erstarkt sind! Wie wenn ein Achtzigjähriger 
noch immer von seinem fünfzigjährigen SprößHng 
sagte: „Karlchen hat sich verkühlt — er muß einige 

Tage das Bettchen hüten ". So behandeln 

die Monarchen ihr geliebtes Volk, haben keine 
Ahnung, daß es längst mündig geworden ist, sie 
selbst aber unterdessen greisenhaft. 

Gottes Gnade kann einem einzelnen verliehen 
sein, der für alle zugleich sorgt; sie kann aber 
später allen verliehen sein, die einzeln für sich 
selbst sorgen! Vom einzelnen und von der Ge- 
samtheit jedoch kann Gottes Gnadentum in gleicher 
Weise mißbraucht werden! Es kann emer für alle 
das Glück verschaffen oder verhindern; es können 
alle es für sich selbst ebenso! 

Gottes Gnade strömt aus Gottes Geist, aus Gottes 
Herzen; und ein kleiner zarter Knabe kann sie aus- 
üben, wenn er tausend Erwachsene vor einer Gefahr 
bewahrt, die sie selbst nicht ahnen in ihrer rast- 
losen Geschäftigkeit. Wenn der Herrscher die wir k- 

143 



liehe Gnade Gottes repräsentiert in bezug auf ein 
ganzes Volk, so hat er das Recht, von seinem Gottes- 
gnadentum zu sprechen! 

In diesem Falle aber wird selbstverständlich das 
ganze Volk diese Repräsentation auch unbedingt 
bis in die innersten Nerven hinem spüren, und daher 
aufjubeln und Dankgebete für ihn verrichten! 
Wenn das aber nicht geschieht, sondern Murren 
und bange Verzweiflung in den Landen los- 
brechen, dann ist es an der Zeit, für die Weisen der 
Nation, Einkehr zu halten, Ausschau, imd dem 
Bedenken ihre geistigen Tore weit zu öffnen! 

Es gibt kein Zurück, nach Gottes Ratschluß ! Es 
gibt nur em Vorwärts, Vorwärts, Vorwärts, in jeg- 
licher Sphäre menschlicher Betätigungen! Wer das 
imtemimmt, ein einzelner oder alle, steht unter 
Gottes Gnadentuml 



144 



AN EINEN UNMODERNEN ARZT 

Werde gläubig! Gehe doch endlich von deinen 
eingewurzelten Prinzipien ab, die für niemanden 
passen als eventuell für dich selbst, und siehe, für 
dich sogar vielleicht auch nicht! Denn du sogar 
bist besser als dein eigenes Wissen! 

Wolle neue, dir unbekannte, dir noch unver- 
ständliche Welten kennen lernen, öffne deine Augen 
und Ohren den neuen merkwürdigen Ereignissen ! 

Was du selbst weißt und erfahren hast, ist alt, 
vermodernd und tot! 

Was andere dir bringen aus anderen Welten, kann 
dich erneuern! 

Schaue mit ihren Augen, horche mit ihren Ohren, 
fühle mit ihren Seelen, denke mit ihrem Geiste! 

Wehe dir, wehe, wehe, der du deine eigene Welt 
den anderen aufoktroyieren willst! 

Solches durfte nur der Heiland . Denn er 

wußte es, wofür er sich kreuzigen ließ — — — . 

Aber du hast dich ewig zu bescheiden und den 
Welten der anderen zu lauschen, von denen du 
Töne vernehmen kannst, die dir bisher leider fremd 
waren ! 

Nicht was du bisher wußtest, kann dich be- 
reichem, sondern das, was du bisher nicht wußtest! 

Aus der Weltenwurzel ewig neuartige Säfte, 
Kräfte ziehen, heißt, ein feiner, nobler, kultivierter 
Mensch sein! 

Sein eigenes armseliges Weltchen den ungeheuren 
Komplikationen des Weltenalls entgegenstemmen 
wollen, ist eine feige Gemeinheit! 



to 



145 



Ergib dich den neuen, dir noch unverständlichen 
Wundem, und erhoffe es dir, durch neue Erfahrungen 
dich selbst endlich desavouieren zu dürfenl 



?46 



ZYNISMUS 

Ein neunzehnjähriger Gsonnasiast tötet eine Fünf- 
zehnjährige mit fünf Revolverschüssen. Er verteidigt 
sich in keiner Weise. Was hegt also vor? ! ? Es liegt 
vor das unbewußte Bewußtsein aller Höllenqualen, 
die einem liebenden Manne noch Zeit seines ver- 
danmitenDaseins bevorstehen imd die eine dmnme, ver- 
wöhnt werdende fünfzehnjährige Schöne den Männern 
bis zu ihrem 35. Lebensjahre unbedingtest allmähhch 
noch bereiten wird! Rettimg gibt es da nicht in 
diesem Höllenpfuhle. Die mörderische Schlacht ist 
vorzeitig, ist also rechtzeitig entbrannt, imd muß zu 
Ende gekämpft werden, von dem unbewußt vor- 
aussichtigen Desperado, mit fünf heimtückischen 
Todesschüssen, weil die 15 jährige Geliebteste, Aller- 
geliebteste, von einem Nachbar in „kindlicher 
Freude" fünf Rosen annahm, einen Don Juan von 
Kellner daran liebenswürdig-holder Weise riechen 
ließ, und dieselbe Gnade dem unglückselig Liebenden 
dann ironisch versagte ! Seine Voraussicht kommen- 
der grauenvoller Leiden war seine verbrecherische 
Genialität! Das Fräulein beginnt bereits, ganz 
geheimnisvoll, sich zu fühlen als Beherrscherin und 
2Jerstörerin dieser unglückseligen zarten Welt „männ- 
liche Zimeigung", imd der neunzehnj ährige Rüpel weiß 
nicht anders die schreckliche Gefahr zu bannen, als 
indem er fünf tödliche Schüsse auf die Schuldig- 
Unschuldige abgibt! Die Frau, die zartfühlende, 
menschenfreundlich-adelige hat eine Verpflich- 
tung ge^en an ihr erkrankte Männerseelen! Nicht 
gerade die Verpflichtung, endgültige Erlösungen ihnen 



M» 



147 



zu spenden, jedesf alls aber nicht mutwillig in eiternden 

Wunden herumzustochern . Es ist keine große 

Kunst imd keine Lebensaufgabe, Männer irrsinnig 
und seelenkrank zu machen; aber ihnen wenigstens 
wie ein milder, menschenfreundlicher Arzt die äußer- 
sten imd unnötigen Qualen zu ersparen, das wäre 
beginnendes, zartes, strahlendes, sich selbst vor allem 
belohnendes Menschentum! 



148 



NACHTCAF£ 

Was ist ein Nachtcaf^?! Etwas Unverlogenes. 
Die Mädchen wollen leben und nicht Frondienste 
leisten, nicht Schaffei reiben und Nachttöpfe fremder 
Menschen reinigen, solange sie noch entzückende 
Leiber haben. Sie wollen sich andererseits betrinken, 
um zu vergessen, daß das alles nicht so weiter geht, 
in infinitum. Sie stehen vor stündlichen Gefahren, 
müssen sich berauschen an irgend etwas, um sich 
Mut zu machen für die Schlacht des Lebens ! Niemand 
behandelt sie nach ihres jungen Herzens Wunsche! 
Infolgedessen rächen sie sich, wie sie es können, bald 
so, bald anders! Heimtückische, feige Marpdeure 
sind nur die Männer ! Eine, der ich in Briefen meine 
tiefste Sympathie, mein gerechtestes Verständnis be- 
wiesen hatte, sagte dennoch: „Du mußt mir die 

zwanzig Kronen im vorhinein bezahlen ! Wir 

haben es leider gelernt, selbst romantisch veranlagten 
Dichtem nicht mehr zu trauen !" 

Die Damenkapelle ist eine Oase. Sie sind ver- 
heiratet, Bräute, oder sonst treu irgend jemandem. 
Sie haben ein konsolidierteres Schicksal. Sie haben 
irgend etwas gelernt, wodurch man sich weiterbringt. 
Sie haben sich der Lebensordnung eingefügt. Ob 
sie glückhcher sind, nicht andern Enttäuschungen, 
Gefahren ausgeliefert?!? Zwei Welten, hart anein- 
ander, einander gleich in ihren schweren Kämpfen. 
Keine Damenkapelle ohne diese Hetären, keine 
Hetären ohne diese Damenkapelle! Nur die Männer 
sind das perfide Element. Sie möchten alle zusammen 
unglücklich machen, ihre ewig hungrigen Eitelkeiten 

149 



mästen mit den miglückseligen Blicken verliebter 
Frauen ! Damenkapelle oder Hetäre gilt ihnen gleich, 
ihre innere rohe Leere mit einem liebevollen dummen 

Frauenherzen auszufüllen ! Nachtcaf 6, du 

kleine miserable Welt, du Abbild der großen, noch 
viel miserableren! 



150 



DIE NERVEN 

Ich hatte einen Freund, einen höchst intelhgenten 
Menschen. Aber seine Nerven, oh, die waren gar 
nicht intelligent . . . 

Emes Abends im Caf6 sagte er zu mir: „Du, 
Peter, du könntest mir einen riesigen Freundschafts- 
dienst erweisen! Ich fühle mich heute wieder so 
greisenhaft, so ausgelöscht . . . Bitte sage mir nach 
fünf Minuten, daß ich heute besonders frisch und 
jugendlich aussehe ..." 

Ich nahm die Uhr, legte sie auf den Tisch, und 
sagte nach fünf Mmuten: „Du, sage mir, was ist 
heute los mit dir? So jugendlich frisch hast du 
wirklich schon lange nicht ausgesehen . . . !" 

Er wurde ganz rot vor Freude, ganz begeistert, 
und erwiderte: „Wirklich? Das freut mich! Solche 
angenehme Sachen sagt einem halt niemand auf der 
Welt wie du!" 



151 



I 



BRITISCHE TÄNZERINNEN 

Im Wiener Moulin Rouge ist jetzt eine Truppe 
von acht jungen Engländerinnen, die angeblich nicht 
viel tanzen können. Das ist aber grundfalsch und 
eine echt dilettantische Auffassung. Die Art, wie 
eine Frau ihre Persönhchkeit in Bewegung, in Tanz 
wiedergibt, ist das Wertvolle an ihr und an ihrer 
Darbietung ! Das allein ! Das SchreckHche an unsem 
frühem Tänzerinnen war eben, daß die Schulung 
und die Künsthchkeit ihre persönliche Grazie, ihre 
individuelle Bewegungsart auslöschen, vernichten 
mußten! In der modernen Welt wird aber die Per- 
sönlichkeit frei, und man verzichtet gerne auf die 
sogenannte hohe Schule! Diese jungen acht Eng- 
länderinnen, die angeblich nicht viel können, wie 
die Tanzmeister an den Tanzschulen behaupten, 
diese jungen acht Engländerinnen repräsentieren in 
Art und Gebärde dennoch die keusche, kindliche, 
merkwürdige Anmut aller englischen Mädchen und 
Frauen, die von Natur aus und ganz von selbst mit 
unbeschreiblichem Geschmack und Takt begabt sind 
und niemals mehr vorstellen wollen im Leben, als 
ihnen von Natur und Schicksal beschieden ist! Sie 
bleiben kindlich-herzig unter allen Umständen, in 
jeder Situation, in jeder Lebenslage; sie akkomo- 
dieren sich nicht feigerweise, wünschen lieber zu 
langweilen, als mit übertriebener Lustigkeit aufzu- 
warten! Sie tanzen, wie Kinder im Volksgarten, 
im Stadtpark tanzen würden; oder im Hofe bei einem 

Werkel, oder sonstwo für sich allein . Sie 

rühren, ergreifen, und ihre Tanznatürlichkeit besiegt 

152 



die entsetzliche xanzkunst, die sich eine jede fast in 
emsigem Bemühen erwerben kann ! Möchten wir uns 
doch endlich, in jeder Hinsicht, von der schrecküchen 
historischen Überlieferung emanzipieren, dieser Arte- 
rienverkalkung der menschüchen Seele! Es gibt 
heutzutage bereits einige Tänzerinnen, die nur ihr 
eigenes Wesen in Bewegung umsetzen, ihre persön- 
Hche Grazie allein wirken lassen! Mögen sie bei den 
Tanzmeistem durchfallen, bei den Meistern <fes 
lebendigen Lebens werden sie reüssieren. Diese acht 
jungen Engländerinnen tanzen wie die allerherzigsten 
Kindchen, sie rühren imd ergreifen, sie geben sogar 
eine Idee von Englands Frauen überhaupt! Seien 
wir ihnen vor allem dankbar, daß sie ims die manie- 
rierten, affektierten, berechnenden Frauen noch un- 
ausstehücher machen durch den Kontrast! 

„Ich hole mir eine arme englische Tänzerin zur 
Frau", sagte einmal ein genialer welterfahrener Mann 
zu mir. 

„Bravo," erwiderte ich, „aber wissen Sie auch, 
weshalb Sie das tun?!?" 

„Es sind kindliche und dankbare Geschöpfe, 
die es einem nie vergessen, daß man sie errettet 
hat vor dem und jenem, was immerhin passieren 
könnte. Außerdem ist ihnen der sichere Ehrentitel 
„Missis so und so" wertvoller als die flüchtigen 
Triumphe, denen Enttäuschimg auf dem Fuße folgt !" 

Ich glaube, die anständige, angebUch tempera- 
mentlose Engländerin macht das bessere Geschäft 
auf Erden, als die leichtsinnigen, lebensunkundigen 
andern. Anständigkeit ist Willenssache. Aber 
diesen Willen eben haben wollen, in allem und 

^53 



jedem, ist Kultur und Adel. Die Engländerin will 
eben anständig sein! Möge sie daher Frieden, 
Achtung und Sorglosigkeit einheimsen! Man gönne 
es ihr .. • 



154 



DER TRATTNERHOF 

Also dieser aristokratisch-einfache, zweckmäßig 
gegliederte alte Bau soD nun auch verschwinden! 

Statt dessen werden schreckliche Unnötigkeiten 
erstehen, Türmchen mit Kupferplatten versehen, 
oder eiserne schwarze, oder vergoldete ; riesige Email- 
platten in allen Farben; kleine Balkone, auf die 
niemand hinaustreten kann, mit Geländern wie irr- 
sinnig gewordene Schlänglein ! Ein Tohuwabohu von 
Unzulänglichkeiten! Ein architektonischer Hexen- 
sabbat alles Unnötigen, Unzweckmäßigen, blöd Ver- 
schwendeten auf Erden! In imseren geUebten Spie- 
lereischachteln einstens waren Häuser mit glatten 
edlen Wänden, breiten Fenstern, hohen Dächern» 
großen Haustoren. Da konnten wir ims weite, stille, 
abgeschiedene Zimmer hineindenken, in denen man 
ein Refugium fand vor den Stürmen des äußeren 
Lebens! Aber heutzutage ist man ehrlich; an der 
Schnickschnackfassade sollst du es nänüich sogleich 
zu spüren bekommen, daß du auch in deinem eigenen, 
von dir selbst bezahlten Zimmer, keinerlei klöster- 
lichen Frieden, Ruhe, Sicherheit, Vereinsamung, Abge- 
schlossenheit mehr finden könntest ! Die 

Menschen suchen Ornamente, Verschnörkelungen, 
Zieraten (ein ekelerregendes Wort), weil sie zu ihren 
eigenen, in sie von Gott gelegten Paradiesesein- 
fachheiten noch nicht vorgedrungen sind! 

Der alte, einfache, edle Trattnerhof hat diurch 
Jahrzehnte niemanden gestört, belästigt. Ich sehe 
nun schon alle Künsteleien ihre schändUchen Orgien 
feiern. Häuser werden zum Bewohntwerden errichtet, 

155 



meine Herren Architekten ; architektonische Knockr 
abouts gehören in den Wurstelpraterl 



156 



ARTISTISCHE RUNDSCHAU, WIEN 

D ] e 1 1 a h. Über diese Künstierin wollen wir einem 
berufenen Fachmann mid zwar dem Altmeister 
Peter Altenberg das Wort lassen, welcher folgendes 
schreibt : 

Es ist sehr schwer für mich, über den „Clou" des 
Etablissements „Tabarin" zu schreiben. Denn es ist 
geradeso, wie wenn man sein eigenes Kindchen zu 
loben hätte öffentUch. Und stets betrachtete ich 
diesen speziellen Typus von adeliger, schlankster 
braimer Frauenschönheit als meine geliebten ver- 
götterten Kindchen. Ich meine in diesem Falle die 
mala3dsche Tänzerin Djellah. Nicht was sie kann, 
was sie ist, ist ihr Besonderes ! Ihr Sein, die Form 
ihrer GHeder, der Ausdruck ihrer Augen, die Model- 
lierung von Stirn und Nase, die Farbe ihrer Haut, 
die Zartheit ihres Wesens ist ihr Besonderes. Man 
würde sie ebenso verehren, wenn sie langsam durch 
Lianenwälder schritte, oder in einem kleinen Rinden- 
boote säße, oder in einem Dorfe vor einer niederen 

Hütte kauerte Sie repräsentiert eine andere 

Welt, eine schlanke, biegsame braune Welt, erfüllt 
mit natürlicher Anmut und sanfter Bewegungs- 
freudigkeit. Die unbeschreibliche Schönheit ihrer 
gelbbraimen Beine zu schildern, wäre geschmacklos. 
Vor Idealen verstummt man, falls man nicht ein ganzes 
Feuilleton darüber zu schreiben den ehrenden Auf- 
trag erhalten hätte. Da freilich muß man loslegen, 
coute que coute. Djellah ist in der Richtung der 
herrlichen Ruth St. Denis ; nur leidenschaftsloser, 
weniger prunkvoll, selbstverständlich, ohne Cobra- 

157 



gif tdekoration. Um so edler und wertvoller. Bei uns 
kümmert man sich leider noch immer viel zu viel 
um das „Können" von Menschen, als ausschließlich 
tun ihr „Sein". Das Erlernbare ist „erlernbar", aber 
vor dem „Unerlembaren", in jeglicher Richtung, da 
müssen wir „Habt Acht" stehen und ehrfurchtsvoll 

salutieren. Heil Djellah ! Können, erlernen, 

ist gar nichts; aber es von Schicksals Gnaden mit- 
bekommen haben, Glieder, Hände, Füße, Gelenke, 
Teint usw. usw., das ist das wirklich Besondere auf 
Erden ! Da beginnt nämlich die physio- 
logische Aristokratiel 



158 



PARFÜM 

Als Kind fand ich in dem Schreibtisch meiner 
geliebten wimderbar schönen Mama, der aus Maha- 
goni war und geschliffenem Glase, in einer Lade 
einen leeren Flacon, der aber noch immer intensiv 
nach einem bestimmten, mir unbekannten Parfüm 
duftete. 

Oft schlich ich mich hin und roch daran. 

Ich verband dieses Parfüm mit aller Liebe, 
Zärtlichkeit, Freundschaft, Sehnsucht, Traurigkeit, 
die es überhaupt gibt. 

Aber alles bezog sich auf meine Mama. Später 
überfiel uns das Schicksal wie eine imvorhergesehene 
Hunnenhorde und bereitete uns allenthalben schwere 
Niederlagen. 

Und eines Tages zog ich denn von Parfümerie- 
handlung zu Parfümeriehandlung, um in kleinen 
Probefläschchen vielleicht das Parfüm zu entdecken 
aus der Mahagonischreibtischlade meiner geliebten 
verstorbenen Mama. Und endlich, endlich entdeckte 
ich es: Peau d'Espagne, Pinaud, Paris. 

Da gedachte ich der Seiten, da Mama das einzige 
weibliche Wesen war, das mir Freude imd Schmerz, 
Sehnsucht imd Verzweiflung bereiten konnte, das 
mir immer, immer wieder aber alles verzieh, und das 
um mich sich sorgte, und vielleicht sogar insgeheim 
abends vor dem Einschlafen für mein künftiges 
Glück gebetet hatte . . . 

Viele junge Damen sandten mir in kindlich- 
süßen Begeistenmgen später ihre Lieblingsparfüme, 
dankten mir herzlichst für ein von mir erfundenes 

159 



Rezept, jedes Parfüm nämlich mmiittelbar nach 
dem Bade direkt auf die nackte Haut des ganzen 
Leibes einzureiben, so daß es wie echte eigene Haut- 
ausdünstung wirke ! Aber alle diese Parfüme waren 
wie die Gerüche von wunderschönen, aber eher 
giftigen exotischen Blumen. Nur Essence Peau 
d'Espagne, Pinaud, Paris, brachte mir melancho- 
lischen Frieden, obzwar meine Mama nicht mehr 
vorhanden war und mir nichts mehr verzeihen 
konnte von meinen Sünden! 



i6o 



ÜBERS SCHREIBEN 

Ich bin durch einen Briet meines wirklichen 
Freundes und freundschaftlichsten (er schreibt un- 
erhört flink auf einer allerbesten Schreibmaschine) 
Fr. W. erst zur Erkenntnis gekommen, zur plötz- 
lichen einbrechenden einfachsten Erkenntnis, daß gut 
Briefe schreiben nur bedeuten könne, s o zu schreiben, 
als höre der Briefempfänger während des Lesens 
unmittelbar den neben ihm sitzenden Schreiber des 
Briefes laut und eindringhch mit ihm sprechen! 
Diesen Unterschied des schweigend Schreibenden 
und des tönend Sprechenden ausgleichen können, 
vollständig, in einem Briefe, heißt Brief schreiben 
können! Alles andere ist literarischer Mumpitz 
mit Lorbeeren gekrönt k la Schweinskopf. Tempera- 
ment, Ungezogenheiten, Eigenheiten, Frechheiten, 
Dummheiten, alles muß herausgellen, gellen,gellen ; 
sonst ist es eine gemachte, verlogene und daher en- 
n u y a n t e Sache ! Brief momentphotographie ! 

Zu mir kam einmal einer meiner Freunde, dei 
Uhrmacher Josef T. Er hatte seine wunderbare 
23 jährige Geliebte zu Grabe geleitet. 

„Peter, Sie kennen mich, helfen S' mir! Eine 
Grabschrift von Ihnen für meinen marmornen Ge- 
denkstein! Wann darf ich hoffen, daß Ihnen was 
Passendes einfallen dürfte?!?" 

„Sofort," erwiderte ich mitten auf der Straße, 
„oder nie!" 

Er riß sein Notizbuch heraus. 

Ich schrieb: 
„Ich war der Uhrmacher Josef T., 



Und dann war ich im Paradiese durch Dich . 

Und jetzt bin ich wieder der Uhrmacher 

Josef T. ." 

So rasch, so prompt muß man seine Menschlich- 
keiten ausschütten; denn später wird es eine fade 
Sauce ! Daher die vielen faden Saucen . 



762 



ANGSTSCHREI 

Es gibt nur einen einzigen, einen allereinzigsten 
Beweis einer Frau, ihrer echten, menschlichen, auf- 
richtigen, anständigen Beziehung zu uns: das ist, 
uns mit Absicht und heiligem Willen jegliche Eiferr 
suchtsqual zu ersparen, ja sie in jedem Augenblick 
einfach unmöglich zu machen! Dieser gütige Wille 
allein beweist uns ihre wirkUche Zusammengehörig- 
keit^mit uns! Diesen gütigen Willen kann sie sich 
zulegen! Sonst bekonunt imser Edelgehim den Ver- 
folgungswahn, gleich diesem adeligsten Gehirn Strind- 
bergs! 

Eine geliebte Frau muß luis schützen wollen zu 
jeglicher Stunde, da wir einmal in bezug auf ihren 
geliebten, vergötterten Leib in einer Art von mysteriö- 
ser Hypnose uns befinden ! Diese unsre schrecküche, 
durch sie allein erzeugte Krankheit muß sie behandeln 
wie ein Arzt einen unglückseligen schwer Erkrankten, 
der seiner Obhut sich gläubig überläßt ! Wehe, wenn 
sie diesen ohnedies schwer Leidenden auch noch ab- 
sichtlich schwächen wollte, statt ihm Heilung zu 
bringen, da es doch nur von ihrem edlen anständigen 
Willen abhängt, es zu erreichen! 

Diese Heimtücke, uns absichtlich unglückselig zu 
machen, ist die Schlange in ihr. Denn jede anständige 
Persönlichkeit hat den natürlichen Wunsch, ihren 
armen Nebenmenschen zu helfen imd zu dienen, 
soweit es nämlich möglich ist! Die Zerstönmgs- 
elemente sind eine gottlose infame Gemeinheit, die 
nur in teuflischen Organisationen liegt. Jede andre 
sucht zu schützen und zu helfen, soweit es möglich ist! 



II' 



i6s 



Eifersucht ist eine schwere Erkrankung des Ge- 
hirns, die von jeder menschenfreundüch gesinnten 
Frau gebannt, geheilt werden kann. Wenn sie es 
absichtlich unterläßt, so ist sie eine Teufeline, eine, 
die sich an der Zerstörung unsrer heiHgen Lebens- 
kräfte weidet, weil sie nur Böses überhaupt leisten 
kann und Zerstörendes, nicht aber Leben, Freudiges 
und Gedeihendes! 

Mögen die wertvollen, kultivierten Männer ein 
wenig genauer zusehen, wodurch ihnen der größte 
Teil ihrer wertvollsten Lebensenergien eigentlich voll- 
kommen grundlos täglich geraubt und vernichtet 
wird, und mögen sie endlich anfangen, sich ernstlich 
zu schützen vor dieser tiefsten Gef aJir : Ungezogenes, 
eitles, freches und sich überhebendes WeibI Teufe- 
line statt Schutzengel! 



164 



JULI-SONNTAG 

Fünf Uhr morgens. Alles ist gebadet in gelbem 
Sonnenlicht. Noch ist es frisch und kühl. Viele 
Touristen erheben sich aus dem Schlaf, unausge- 
schlafen, der Sonne entgegen. Leicht wird es ihnen, 
mit kaltem Wasser das Schlafbedürfnis zu bannen. 
Noch ist es kühl, und man schreitet dem heißen Tag 
entgegen, wie in die heiße Schlacht! 

Viel zu wenig bieten der Tag und die Stunde 
den meisten. Und auch das genügsamste Herz lechzt 
nach AußergewöhnUchem. Da kommt der Juü- 
Sonntag in grellem gelbem Licht! JuH-Sonntag, du 
sollst es bringen! 

Überallhin echappiert die unzufriedene Mensch- 
heit. Müde gelaufen fällt sie dann zurück in die 
Pflicht! Montag, wie wärest du sauer, wärest du 
nicht die Quelle imd Ursache sonntägHch kommenden 
süßen Glücks! Sonntags siehst du die Müden in 
Wiesen und Wäldern gelagert, rein gebadet vom 
Schmutz der vergangenen Woche, kommender Woche 
gefaßter entgegenharrend. 



165 



DER JAGDHERR 

„Herr Baron, weshalb sehen Sie heute so gedrückt 
und verstimmt aus?! Wenn Sie nicht froh und 
sorglos aussehen sollten, wer könnte es dann noch 
überhaupt?!?" 

„Sie scheinen es nicht zu wissen, daß jetzt der 
Herbst ist und die ,Hirschbrunft' anfängt. Nein, 
wie mir mein Oberförster gemeldet hat, daß die 
Hirsche bereits ,röhren', da begann meine Verzweif- 
lung. Ich hörte schon die stimdenlangen, endlosen 
Gespräche meiner geehrten Jagdgäste darüber, wes- 
halb und aus welchen komplizierten Gründen sie 
den Vierzehnender nicht getötet haben. Ich sage 
zu meinen Jagdgästen immer absichtlich ,getötet*, 
denn da giften sie sich am meisten; denn eigentlich 
müßte man sagen — , aber das stupide technische 
Wort kann ich mir, oder will ich mir vor allem, nicht 
merken. Meine Gäste wären so nette Menschen, 
wenn sie nicht jagen würden! Ich verstehe absolut 
nicht, weshalb ein Hirsch, der vierzehn Enden hat, 
interessanter sein sollte als einer, der überhaupt kein 
Ende hat. Jedenfalls, so viel Enden kann kein Hirsch 
haben, daß er für mich an Interesse gewänne! Ich 
esse nicht einmal sein Fleisch, da es schwarz, 
saftlos und meistens zäh ist. Einmal sagte mir ein 
Weiser : 

»Wissen Sie, Herr Baron, weshalb ich so gern 
Hirschbraten esse?!?* 

,Nein,' erwiderte ich, ,das kann ich mir ^ nicht 
denken .* 

, Wegen der Sauce Cumberland, die so gut 

i66 



dazu paBt, aus Hetschepetschfrüchten, Rosenfrucht, 
bereitet !* 

, Aber, lieber Freund, da essen Sie doch die Hetsche- 
petschsauce für sich alleine!?* 

,Ja, Herr Baron, wenn man das könnte; aber das 
kann man nicht 1 Sie gehört zum Hirsch- 
braten*. 

Ein Jagdgut ist sehr angenehm natürlich, aber 
nur wegen der Mühlen, Kalkbrennereien und so 
weiter, die dazu gehören. Die vielen Hirsche stören 
mich, sie lenken mich ab von einer anständigen, 
fruchtbringenden und sinnvollen Tätigkeit. Besonders 
die Vierzehnender hasse ich; über die wird nämlich 
am meisten und wichtigsten Blödsinn geredet. Am 
tragischsten aber ist es für mich, wenn dieses Tier 
nicht getötet, sondern nur angeschossen wird. Da er- 
reicht die Aufregung meiner Jagdgäste den Höhe- 
punkt. Man glaubt jedesmal, sie hätten die Schlacht 
von Sedan verloren oder wären plötzlich entthront 
worden. ,Man wird es schon finden, das arme Tier,* 
sage ich da jedesmal, um sie zu giften. ,Es wird in 
einem Gebüsch gestorben sein, etsch!* Beim Wort 
,gestorben' möchten sie mich alle ohrfeigen . 

Aber lieber ist es mir, das arme Vieh werde so- 
gleich ins Herz geschossen, damit es die Leiden er- 
spare imd ich meine Ruhe haben könne beim Souper. 
Nim werden Sie mich natürlich fragen, weshalb ich 
überhaupt eine Jagd habe und Jagdgäste dazu ein- 
lade. Da kann ich Ihnen nur mit dem mysteriös- 
philosophischen Satze, den noch kein Kulti- 
vierter je ergründet hat, antworten : ,MeinüeberHerr, 
das verstehen Sie nicht, es gehört einmal dazul 

167 



iii 



Der Baxon schwieg; dann sagte er: 

„Einer meiner geehrten Herren Hirschgeweih- 
jagdgäste lud mich aus Dankbarkeit wieder zu seiner 
, Wildschweinjagd* ein. Ich war gezwungen, irgendwo 
auf einem Balkon, der mit Reisig eingefriedet war, 
auf das gutmütige und häßliche Vieh zu warten. 
Endlich erschien es und knabberte schnauzend an 
einem Hügelchen von Kukuruz, das als Lockspeise 
eigens listig errichtet war. Da schoß ich es, pumps, 
ins Herz, und bekam als Trophäe die Stoßzähne, die 
ich in den Abort warf ." 



i68 



EPISODE 

Zwei elegante junge Leute stellen sich ver- 
legen vor: 

„Wir sind seit langem begeisterte Verehrer Ihrer 
Dichtungen und bitten Sie um die Ehre, an unserm 
Tische mit uns Champagner zu trinken .** 

„Meine Herren, ich bin sehr, sehr krank, und bitte 
Sie daher, mir vorher alle Garantien zu bieten, daß 
man sich in vollster Korrektheit benehmen werde!" 
^ „Aber Herr Altenberg, würden wir sonst um die 
Ehre Ihrer Gesellschaft zu bitten überhaupt wagen ? ! ? * ' 

Zwei Stunden später: „Sie, Peterl, mir san ganz 
gewöhnhche naive Menschenkinder, aber Sie haben 
doch das Raffinement, Sie verstehen doch diese 
Sachen aus dem ff. Sie, bitt' Sie, mir beide fliegen 
so kolossal auf dös Menscherl dort am dritten Tisch. 
Gehn's, kobem's es uns zu — spielen Sie den Ver- 
mittler!" 

Ich stand auf, S2^te: „Meine Herren, Sie ver- 
gessen Ihre zugesagten Garantien ! Ich muß Sie emst- 
Uch daran erinnern ." 

„Was Garantien — wir wollen ims für unser Geld 
amüsieren." 

'Darauf stand ich brüsk auf, ging zu der Dame hin 
und brachte sie an den Tisch. Eine Pause entstand 
beklommener Verlegenheit. Dann sagte ich: „Sie 
haben mm für Ihr Geld Ihr Vergnügen! Apropos, 
es gebühren mir aber noch für die Vermittlung zwei 
Flaschen Schampus! Also her damit! Ich werde 
sie aber allein an einem anderen Tische trinken!" 



169 



JOSEF KAINZ 

Habt ihr Wasser über Felsen donnern, krachen 

gehört ?. I 
Hagel aufschlagen in taubeneigroßen Körnern?! 
Wolkenbrüche auf Dächern niedersausen ? I 
Sturmwind durch Wälder fegen?! 
Felder gemäht werden vom Winde?! 
Seewellen an Land hingepeitscht werden ?1 
Und die Geräusche aller übrigen entfesselten 

Naturkräfte ? ! ? 
Seht, so, so war Josef Kainzens Stinmieü! 
So ähnlich muß Gottes Stimme getönt haben, 
Als er bei Erschaffung der Welt befahl: 
„So und so will ich es!!!" 



170 



BETTLERFRECHHEIT 

Es ist doch selbstverständlich, daß ein Bettler, 
der in einem palastartigen Zinshause im ersten 
Stocke schüchtern-bescheiden anklopft oder vielmehr 
auf den elektrischen Knopf kurz drückt und in 
äußerster Zerknirschung um ein Stückchen Brot 
bittet, es erwartet, daß man ihm ein Beefsteak mit 
Spiegelei und extra eine Krone bar hinausreiche. 

Sollte aber jemand naiverweise den Wunsch nach 
einem Stückchen Brot ä b. lettre erfüllen, so darf er 
sich über die vollständig korrekte Antwort nicht 
wundem: „Dös können's selber fressen!" 

Daher zeugt die Art, ohne demütig zerknirscht 
anzuklopfen, sondern ernst und in gerader Haltung 
1000 Kronen geborgt zu verlangen, von tieferer 
Menschenkenntnis; denn hier klammert sich das 
Opfer der „ungerecht verteilten Lebensgüter im 
Dasein" wenigstens an diese letzte Hoffnung: „Er 

wird zurückzahlen, falls er kann ." Nein, 

Esel, falls er will! Aber er will nie, nie, nie. Denn 
wenn er die Ejraft mitbekommen hätte von seines 
Gehirnes Gnaden, zurückzuzahlen, so hätte er auch 
vor allem die Kraft mitbekommen, so sparsam zu 
leben, daß er nie in eine so verzwickte, also bereits 
der Unanständigkeit und dem Betrüge nahe 
Lage gebracht worden wäre! 



171 



VON MEINEM KRANKENLAGER AUS 

Ich lese so viel wertlose Bücher annonciert, be- 
sonders die, deren Illustrationen ebenso unverständ- 
lich blöd wie die „Sand in die Augen streuenden" 
pathologisch-aufgeblasenen Texte dazu sind. Ich 
gelte selbst als unverständlich und verworren. Das 
ist aber ein großer Irrtum. Ich bin nämlich ganz 
einfach zu verstehen für Leute, die eine Seele haben 
und sogenannte „Hyperästhesien", wie wir Grie- 
chen uns auszudrücken beheben, danut das Volk 
uns nicht sogleich verstehe. Auf Deutsch heißt es: 
Überempfindlichkeiten. Und daran krankt 
oder, wie tiefer Denkende es auffassen, daran ge- 
sundet allmähhch unser, bisher ein bißchen zu 
brutales Zeitalter. Aber, um auf das Thema dieses 
Aufsatzes zu kommen, dessen Einleitung bisher ziem- 
lich verschroben imd unnötig gewesen ist , 

ich fühle mich eben in diesen verworrenen Zeit- 
läuften, wo schlecht von gut deshalb schwer zu unter- 
scheiden ist, weil so viele talentlose Idioten die Kon- 
junktur „Richard Wagner war auch einst verkannt 
und mißverstanden" frecher- und tölpelhafterweise 
ausnützen, ich fühle mich eben in diesen verworrenen 
Zeitläuften verpfUchtet, ein unbeschreibüch ein- 
faches, Eondem verständHches, herrUches, rührendes 
Buch öffenthch zu erwähnen: PhiHppe Monnier: 
Blaise, der Gymnasiast, übersetzt von Dr. Rudolf 
Engl imd Marie Döderlein, Verlag Albert Langen. 
Ich glaube, viele unserer Literatursnobs werden sich 
schämen, wenn sie die Wirkung dieses unerhört ein- 
fachen Buches verspüren werden in ihren, zu gor- 

172 



dischen Knötchen verschlungenen Gehimchenf Es 
ist keine sonderliche Kunst, sich, indem man andere, 
Contemporains, bewundert, den Erfolg eines adelig 
denkenden Unabhängigen, Vorurteilslosen zu er- 
gattern! Aber solche Manöver wird man dem 
todeskranken, bereits in lichteren Sphären befind- 
liehen Autor der ausgezeichneten Bücher „Wi€ ich 
es sehe" und „Was der Tag mir zuträgt" keineswegs 
zumuten können. Blaise, der Gymnasiast, versetzt 
feinfühlige Menschen in alle poetisch-romantisch- 
alltäglichen Vorkommnisse ihrer Jugend, deren Er- 
lebnisse niemand vor dem 40. Lebensjahr zu ge- 
nießen oder literarisch zu verwerten weiß! Jugend- 
zeit, du goldene Zeit , aber mit welchen 

tiefen Niaiserien ist sie in diesem Buche vorge- 
führt ! Man erholt sich von sogenannten talmimoder- 
nen Malern, Dichtem, Bildhauern und Frauen. Wenn 
ich einfach sein will, so muß ich es vor allem auch 
wirklich sein können. Nicht ein jeder darf nämlich 
als ,jhärener Pilger" ims belästigen! Etsch! 



173 



KRANKHEIT 

Wenn sogenannte Freunde einen Schwerkranken 
besuchen, haben sie ausschließlich die Absicht, alles 
schön. zu färben. Niemals hat er blühender ausge- 
sehen, ja direkt verjüngt. Man möchte es nicht 
glauben, in dieser kurzen Zeit! Die Hqfüiung, mit 
dem billigsten, was es auf Erden gibt, dem schönen 
liebenswürdigen Wort, sich aus der Affäre zu ziehen, 
ist größer al^ der Zwang der Anständigkeit, den die 
schlichte Wahrheit erfordert. Man findet sein Zimmer 
ganz einfach süperb, viel gemütlicher als sein ein- 
stiges Heim, obzwar man genau weiß, daß er mit 
allen Fasern seines Herzens an jedem Winkel seines 
geliebten Heimatzimmerchens hing. Man vermeidet 
es geschickt, zu fragen, wer denn alles bezahle, und 
fragt diskret an, ob die drei Kronen, die man einmal 
rekommandiert geschickt habe, auch wirklich ange- 
kommen seien. Bei bejahender Antwort verklärt 
sich das Antlitz des Spenders, imd er sagt: „No, 
siehst du, Peter, wie man dich nicht verläßt in deinen 
schweren Zeiten!?" 

Der Kranke wird plötzlich zu einem Verfemten, 
mit dem man geschickt lavieren muß. Den Gesunden 
konnte man auf verschiedene imd eigentümliche Art 
ausnützen imd verwerten: War er gescheiter, so 
konnte man seine eigene Stupidität hinter ihm be- 
quem verbergen; war er liebenswürdiger, so konnte 
man die eigene Roheit durch ihn geschickt kaschieren. 
Aber der Kranke ist zu nichts Rechtem mehr zu 
gebrauchen. Ihn den Würmern noch für längere Zeit 
vorzuenthalten, ist scheinbar eine schlechte Speku- 

174 



lation; aber ein gewisses Schamgefühl verhindert 
sie dennoch, den Unterschied zwischen der Be- 
ziehung zu dem Gesunden und zu dem Schwer- 
kranken allzu augenfällig zu machen. Außerdem 
könnte es ja doch unter der Million von Idioten einen 
geben, der die ganzen Manöver durchschaute. 

Man liebte den Gesunden selbstverständlich eben- 
sowenig vne den Kranken, aber man hatte damals 
wenigstens keine Gelegenheit, ihn als eine direkte 
Last zu empfinden, und infolgedessen hielt man die 
natürlichen Grausamkeiten ihm gegenüber in ge- 
wissen Schranken der sogenannten Wohlerzogenheit. 
Trotzdem gönnte ihm niemand Zeit seines Lebens 
Freude und Glück, und wenn er es sich trotzdem 
errang, so geschah es unter merkwürdig schwierigen, 
belastenden Umständen, die aus dem Neid der so- 
genannten besten Freunde entsprangen. Dem Ge- 
simden gönnte man nicht eine Stunde lang seine 
Kraft, zu leben, begeistert zu sein, zu lieben und 
aufwärts zu kommen, imd erst der Schwerkranke 
befreit die Freunde von der stündUchen Gefahr, 
daß er ihnen über den Kopf wachse. Wenn die Er- 
fahrungen, die der Kranke macht, dem Gesunden 
zugute gekommen wären, wäre er fast ein Genie 
geworden an Lebenskunst; so aber wurde er das 
selbstverständliche Opfer der heimtückischen Lüge 
des Lebens. 

Oscar Wilde starb, wie keiner von der Million 
der Enterbten je dahingestorben ist ; aber viele Jahre 
nach seinem Tode setzte ihm eine Pariser Dame 
einen Grabstein, der vierzigtausend Franken kostete. 
Könnte der Tote seine geniale Hand emporrecken, 

175 



So würde er die wertlosen steinernen und bronzenen 
Dekorationen zertrümmern, die eine Gans seinen 
vermoderten wertlosen Gebeinen gesetzt hat. Gebt 
dem Lebendigen die Kraft, alle Genialitäten seines 
Hirns, seines Herzens für euch Stumpfsinnige, Keu- 
chende, Kriechende zu verwerten und ausleben zu 
lassen, und überlasset die Sorge tun die sechs Rap- 
pen, die den Leichenwagen des zu Tode Gemarterten 
ziehen werden, der Entreprise des pompes funßbres ! 



176 



AN EINE ELFJÄHRIGE (f) 

Hilde, Elfjährige, ich wußte nichts bis dahin über 
dich . 

Nun aber habe ich deine Stimme vernommen, 
deine wimderbar klare tönende Stimme, 

wie Seelenglocken so hinaustönend in die dumpfe 
stumpfe Welt! 

Und diese Stimme wird alles viel deutlicher, viel 
tiefer, viel erhabener, viel verzweifelter einst spre- 
chen, was das Leben des Tages und der Stimde uns 
zu sagen zwingt! 

Wie wird diese Stimme einst sagen: „Bleibe bei 
mir!?*, 

Wie wird sie es sagen: „Du liebst mich nicht 
mehr!?" Und: „Adieu, adieu ."!? 

Diese Stimme ist so klar und r^n wie Gottes 
Träume über das Leben der Menschen! 

Aber das Leben der Menschen selbst ist unklar 
imd schmutzig-trübe! Diese Stimme wird hinein- 
tönen wie eine Seelenglocke, ernst, erhaben, liebevoll, 
feierlich, rührend, in das dumpfe Gebrause der Mensch- 
heit, sie wird verklingen, übertönt werden imd aus- 
gelöscht . Sie wird ihren tönenden Glocken- 
klang verlieren und dumpf werden wie die Um- 
welt . 

Aber ein alter Dichter auf dem Sterbebett hat 
sie noch vernommen und nimmt den Klang mit aus 
einer dumpfen stumpfen Welt, tief gerührt und er- 
griffen . 

Stimme der elfjährigen Hilde, klare tönende 



x< 



177 



Seelenglocke, läute, töne, solange, solange es irgend- 
wie geht . 

Und wenn sie dumpf wird im Brausen des Lebens- 
getriebes, dann gedenke, Hilde, des unglückseligen 
Dichters, der noch die Seelenglocke deines edlen 
elfjährigen Herzens im Ohre mit hinübemahm . 



178 



KRANKENBESUCH 

m 

Die Freunde wollten dem todkranken Dichter 
eine nach ihrer Ansicht ganz exzeptionelle voll- 
kommene Schönheit, eine Künstlerin aus München, 
vorführen. Sie nahmen daher ein Auto und fuhren 
hinaus zu ihm in das Sanatorium. 

Die Dame war ganz einfach angekleidet, ganz in 
Schwarz. Sie hatte ungefähr die Gestalt der Kaiserin 
Elisabeth, ein bleiches Gesicht, aschblonde, fast hell- 
graue Haare. 

Die freiwillige Pflegerin des Dichters begrüßte 
vor der Zimmertür die Ankommenden und warf 
einen flüchtigen, merkwürdigen Blick auf das un- 
beschreiblich schöne PerlenkoUier an dem nackten 
Hals der fremden jungen Dame. 

Darauf sagte einer der Freunde des Dichters: 
„Sie, Fräulein, der Dichter befindet sich immer in 
schweren ökonomischen Krisen. Wenn er dies herr- 
liche Kollier an Ihnen sieht, wird es ihn bei seinen 
sowieso zerrütteten Nerven aufregen, daß es Künstler 
gibt, die anders bezahlt werden als er." 

„Oh," sagte sie, „glauben Sie wirklich, daß ihn 
das aufregen wird? Dann will ich es ablegen." Sie 
nestelte an der Goldschließe, nahm das KoUier in 
die hohle rechte Hand . 

„Sie sind eine liebe, feine Person!" sagte einer 
der Freunde. „So etwas Takt- und Geschmackvolles, 
diesen halb irrsinnigen Dichter so zu schonen! Ich 
muß wirklich sagen, ich könnte Ihnen die Hand 
dafür küssen." 

Die Dame trat als erste ruhig in das Kranken- 

"• 179 



zimmer an das Bett des Dichters, nannte ihren Namen, 
gab ihm ihre wunderschöne rechte Hand mid ließ 
ihm das darin befindliche Perlenkollier in der seinen. 

Beim Abschied sagten die Freunde: „Jetzt ist 
keine Gefahr mehr. Jetzt können Sie Ihr herrliches 
Perlenkollier schon wieder anlegen." 

„Ich will es Ueber in der Tasche behalten", er- 
widerte ruhig die Dame . 



tSo 



NOTIZ 

Die Polizei hat die Vorführang einer Reihe von 
Filmen in den Kinematographentheatem, diesen 
modernsten, theoretisch wenigstens einzig mög- 
lichen Bildungsstätten für das Volk, verboten, weil 
sie Tiermißhandlimgen (Ausreißen der Straußen- 
federn auf Farmen, Stopfen, Mästen der Gänse in 
Pistyan usw. usw.) selbstverständlich in der- 
selben schamlos krassen Art zur Darstellung ge- 
bracht haben, in der sie aber tatsächlich ausgeübt 
werden. Die Entrüstungsrufe des Publikums 
sollen zu dieser polizeilichen Verordnung den Anstoß 
gegeben haben. Die Menschen sollen es also nicht 
erfahren, welche Schändlich keiten aus Erwerbs- 
zwecken begangen werden. Das erinnert allzu sehr 
an die alte Anekdote, in der ein MiUionär seinen 
Kammerdienern befahl: „Werft's mir diesen alten 
unglücklichen Hausierer hinaus, er zerbrecht mir das 
Herz!" 

l^ur ein unerbittlicher Einblick in das Un- 
glück, das so viele Wesen schtddlos trifft, kann die 
stumpfen, trägen Herzen der Menschen aufrütteln, 
zu Verbesserungen und wahrhaftiger Menschlich- 
keit! Ich füge ein Erlebnis hinzu, das zwar nicht 
daher paßt, aber immerhin einen Einblick gewährt 
in die in Vertiertheiten schlunMnemde Seele der 
heutigen Menschen. Einer meiner Bekannten, ein 
fanatisches Mitghed des Tierschutzvereines, stellte 
einmal einen brutalen Kutscher zur Rede, und als 
dies nur nachteilige Folgen für die armen Pferde 
hatte, machte er die Anzeige gegen den Kutscher. 

l8i 



Vor der Verhandlung sagte der edle Rechtsanwalt 
Dr. Kr. meines Bekannten zu ihm: „Sagen Sie nicht 
allzu schroff imgünstig gegen den Kutscher aus, und 
verlangen Sie besonders nicht seine Bestrafung, weil 
er drohend gegen Sie den Peitschenstiel erhob. Es 
geht nur an den armen Pferden aus! ,Wart's, 
Ludern, dös sollt's mir büßen' 1" 

In Deutschland ist das künstliche Stopfen, 
Mästen von Geflügel strengstens biei hoher Strafe 
verboten. „Friß, so lang' du fressen kannst und 
magst!" ist ein humaneres Prinzip als: „Friß, ob 
du magst oder nicht !" 

Ein bisserl Anständigkeit, meine Herrschaften, 
man verlangt ja eh nicht viel! Die Gansleber wird 
auch schmackhaft nach sechs Monaten, laßt's doch 
dem armen Vieh Zeit, seine Leber dem nieder- 
trächtigen, wollüstig-feigen Gaumen der Menschen 
zuHebe maßlos zu vergrößern! Man muß ja nicht 
mit den verbrecherischen Fingern und Federkielen 
nachhelfen; Tiere wie Menschen fressen sich ja 
eh zu Tode, wenn man sie nur laßt! 



182 



RÜCKKEHR VOM LANDE 

Nun ist es wieder Herbst geworden, und die 
Graben-Kioske füllen sich zur Abendzeit mit wohl- 
gepflegten und gebräunten Damen. 

Man hat sich so viel zu erzählen, und man 
schweigt ! 

Man ist wieder in diesem Gefängnis „Großstadt". 

Man träumt von Licht und Luft imd Wasser. 

Man war ein anderer, besser, menschhcher, mit 
einem Wort „beweglicher". 

Nun geht man seinen Trab wie eh und je. 

Man fühlt sich altem, schwerfällig werden, klam- 
mert sich an dieses unglückselige Wort : VerpfHch- 
timgen ! 

Die Wohnung will nicht in Ordnung kommen, 
und die Dienstboten kündigen. 

„Die gnädige Frau war am Lande viel netter zu 
uns — ." 

Ja, das war sie. 

Die Kellner in den Kiosken begrüßen alle Gäste 
wie Weltreisende, die vielfache Gefahren überstanden 
haben . 

Nun nehmen sie Soda-Himbeer im sichern Port! 

Die Deklassierten, die nicht fort waren, mischen 
sich in die Menge der Zurückgekehrten, als ob nichts 
vorgefallen wäre . 

Ja, sie haben sogar die naive Frechheit, zu be- 
haupten, Wien wäre am angenehmsten, wenn aUes 
„auf den Ländern" weile . 

Damen, nüt den veredelten gebräunten Ant- 
litzen, lasset euch nicht betrügen von dem Prunk der 

183 



Großstadt! Erschauet in den Spiegeln eurer Ge- 
mächer einen Zug auf eurem Antlitz, den Licht und 
Luft und Wasser und Freiheit modelliert haben, 
und der nicht da war ehedem, und der verschwinden 
wird im Wintertrubel! 

Komödie hier, Komödie dort vielleicht . 

Doch imter freiem Himmel ist das Theater 
schöner I 



184 



NICHTS NEUES 

So viele Menschen, man könnte sieStrindberg- 
Organisationen nennen, nach ihrer Art, physio- 
logisch-psychologisch zu reagieren, erwarten immer 
und immer von der geliebten Frau etwas ganz 
Besonderes, als ob sie die Verpflichtung hätte, 
plötzlich die Seele eines indischen Theosophen zu 
bekommen, der Gott um MiUiarden Kilometer 
näher steht als alle anderen nur sogenannten 
Menschen ! 

Da erinnere ich mich immer imd immer wieder 
dieses Franz Schubert, Liederdichters, zu dem seine 
vierzehnjährige Schülerin Komtesse Esterhazy ein- 
mal bei der Klavierlektion gesagt hat: „Das ist 
aber gar nicht schön, Herr Schubert, daß Sie mir 
nie eines Ihrer Lieder widmen !" 

Da erwiderte der gottbegnadete Mann: „Aber 
sie sind ja eh alle nur für Sie geschrieben ." 

Ja, ist das nicht das Höchste, einem Franz Schubert 
mitgeholfen zu haben zu seinen Liedern, wie Sonne, 
Tau und Regen mithelfen zum Wachsen von Pflanzen ! ? 

Was braucht sie also an und für sich zu sein, 
diese Vierzehnjährige, unter dem öden Mikroskop 
herzloser verständnisarmer Menschen ? ! ? Sie verhalf 
ihm zu seinen Liedern, und ohne sie wären sie nicht 
entstanden ! 

Ich formulierte das später in die Verse: 

„Oh Fraue, nicht was du bist, bist du!" 

Das bist du, was wir von dir träumen! 

Unsere durchweinten Nächte um deinet- 
willen, das bist du! 

185 



Gelassen nimmst du unsere Huldigung und 
imseren Schmerz entgegen 

Denn ninouner weißt du, wie es kam, weshalb, 
woher, wozu, zu welchem Ende!?!" 



i8d 



DAS DORF 

Ich hatte eine unglückliche Liebe zu einer Drei- 
zehnjährigen, deren BUck allein aus den hechtgrauen 
Augen mit den schwarzen Wimpern, allen Blicken 
gleichkam der Heiligen in den Kirchen. Sie hatte 
keine rechte Freude am Leben, als ob sie die Wirr- 
nisse des irdischen Jammertales vorausahnte, die 
eigentlich allen so schwermütig Blickenden in Aus- 
sicht stehen. •— Ich machte ihre Tragödien mit, 
die noch nicht vorhanden waren, und vor dem Leben 
beschützen konnte ich sie dennoch nicht. Sie war die 
Tochter eines Schuhmachers m dem kleinen, arm- 
seligen, felderumrankten Orte J . . Er hatte ii Kin- 
der. Die, die schon verdienten, verdienten. Aber 
die Kleinen mußten von meiner Dreizehnjährigen be- 
treut werdei^. Wie liebevoll wurden sie betreut ! Da- 
rüber kann man gar nichts schreiben. Sie mußte die 
15 Enten hüten, die Schweine füttern, imd die kleinen 
Kinder brauchten dies und jenes. Ich liebte Anna, 
aber selten kam sie in meine Nähe, und auch dann 
glitt mein BUck von freundschaftlichster Zärtlichkeit 
an ihren Augen ab, wie öl über Wasser. 

Eines Abends saß ich allein auf der Bank, in der 
alten verstaubten Lindenallee und wartete auf Anna 
vergebens. Da kam ihre siebenjährige Schwester 
Josefa, die für mich immer und immer einen Blick 
von tiefer Menschenfreimdlichkeit hatte, aus ihren 
zwei verschieden blickenden Nachtfalteraugen, so 
reell-gutmütig, so leichtverständlich, so wie das a-b-c 
des Menschenherzens . Sie hatte mich lieb! 

Ich führte sie in die nahegelegene Meierei, ließ ihr 

187 



Schlagsahne geben und Bikuits. Immer lächelte sie 
mich an, wie von edler Liebenswürdigkeit getrieben. 
Da küßte ich sie auf Stime, Haare, Augen. Sie 
rührte sich nicht, empfand es als Pflicht der Dank- 
barkeit, sich küssen zu lassen . 

Da vergaß ich meiner Leiden um Anna, die mein 
gequältes Herz stets ruhig aus ihren geliebten hecht- 
grauen schwarzbewimperten Augen betrachtet hatte. 
Da sagte Josef a: „Schenkens mir noch zwei Biskuits, 
ich trag' sie nach Haus für die Annerl. Sie darf net 
komimen mit Ihnen, weil sie schon zu groß ist. Was 
kann sie dafür, daß sie schon zu groß ist?!?" Da 
gab ich ihr 20 Biskuits mit für ihre Schwester, die 
wirklich nichts dafür konnte, daß sie dem BUcke 
eines unermeßUch liebevollen Menschenherzens mit 
mißtrauischer Gleichgültigkeit bereits begegnen 
mußte, wie im vorhinein gepanzert gegen die hinter- 
listige Männerwelt 1 



188 



GERICHTSVERHANDLUNG IN WIEN 

Fräulein Str., eine axme Klavierlehrerin, kannte 
alle Schandtaten ihres Herrn Bruders. Aber sie 
schickte Geld und Geld, wenn er darum schrieb. 
Und Geld und wieder Geld. Immer galt es ihr, ein 
wertvolles Leben noch zu retten, das aber wertlos 
war. Und übrigens, wer könnte das entscheiden?! 

Der Richter sagte: „Ihr Vorgehen, Frätdein, ist 
strafbar, aber es macht Ihrem Herzen alle Ehre ." 

Das Fräulein erwiderte: „Für irgend etwas muß 
man sich doch abplagen. Nur seinen armseligen 
Hunger stillen ? ! ? Wenn er nicht war', no, so wärs halt 

was ander% die Kirche oder eine Leidenschaft . 

Für irgend etwas muß man sich doch abplagen." 

Man verurteilte sie wegen Vorschubleistung. 

Als die Blicke der beiden verurteilten Geschwister 
sich begegneten, begaimen einige Menschen im Audi- 
torium zu weinen . 



t6(j 



SEMMERING, ENDE SEPTEMBER 1911 

Immer noch dieses Nachtgebrause im Göstritz- 
walde, immer noch um 7 morgens diese silbergrauen 
Nebekchleier. Aber meine Seele ist krank, weil Du 
nicht da bist, Anna Konrad! Du gehst, imausge- 
schlafen, müde, in die Schule, lernst mechanisch, 
daß Hannibal den Giftbecher trinken mußte aus 
irgendeinem Dir unverständlichen Grunde. Du 
kannst nicht mehr abends beim Abschiede zu mir 
sprechen: „Also schicken Sie mir bestimmt heute 
noch ,halb imd halb*; das hieß: Für 20 Heller 
Extrawurst, und für 20 Heller Zuckerln als Dessert!" 
Ich kam mir da jedesmal vor wie Kai^ Josef in 
den Volksstücken, der Leute beglückte, indem er 
einfach sagte : „Was braucht Ihr zu Eurem Glücke ? ! 
10 000 Gulden? Da habt Ihr sie!" Nun bist Du 
ferne, Anna Konrad! Immer noch dieses herrUche 
Nachtgebrause im Göstritzwalde, immer noch imi 
7 morgens die dichten silbergrauen Nebelschleier um 
Berg tmd Wald . 

Anna, Anna, Anna Konrad, ich liebe Dich! 

Peter Altenberg. 



190 



PETER ALTENBERG ALS SAMMLER 

Die „Internationale Sammlerzeitung" veröffent- 
licht in ihrer eben erschienenen Nr. 13 eine inter- 
essante Rundfrage über den Wert des Sammeins. 
Die Zeitschrift bringt unter anderem Beiträge vom 
Unterrichtsminister Grafen Stürgkh, Alfred Licht- 
wark, Alma Tadema, Harden, Paul Heyse, Max 
Kalbeck, Eduard Pötzl, Felix Saiten, Balduin 
Groller, Ginzkey. Peter Altenberg gab auf die 
Frage nach seiner Sanmielliebhaberei die folgende 
interessante Antwort: „Es ist ganz merkwürdig, 
daß Sie sich gerade an mich wenden in dieser 
Angelegenheit. Denn Sie können es absolut nicht 
wissen, daß ich, ein ganz Armer, seit vielen Jahren 
ein einfach fanatischer Sammler bin, und mir, gleich 
den MiUiardären, eine heißgeliebte, gehegte und mit 
vielen Opfern zustande gebrachte herrlichste Bilder- 
galerie verschafft habe : 1500 Ansichtskarten, 20 Hel- 
ler das Stück, in zwei herrlichen japanischen Käst- 
chen mit je sechs Fächern. Es sind ausschUeßlich 
photographische Aufnahmen von Landschaften, 
Frauen, Kindern, Tieren. Ich fand vor einigen 
Wochen, daß der wirklich Ausgebildete des Lebens 
sich seiner Schätze entäußern müsse, um das 
tiefste einzige Glück des„Gebens", des „Spendens" 
auch noch bei seinen Lebzeiten miterleben zu 
können an seinen „Beschenkten". Daher sandte ich 
beide japanische Kästchen mit den seit 1897 ge- 
sammelten 1500 Ansichtskarten nach Hamburg an 
die junge Dame, die allein von allen Frauen dieses 
Geschenk zu werten weiß. Seitdem sammle ich desto 

191 



eifriger, desto leidenschaftlicher, um nun die Samm- 
lung meiner Freimdin zu komplettieren. Hier 

also sind gleich zwei heilsamste Ablenkimgen von 
dem gefährlichen Bleigewicht des eigenen Ich : erstens 
das Glück des Sammeins selbst, zweitens das Glück, 
es für einen anderen, ebenso Verständnisvollen 
tun zu können! „Sammeln" heißt, sich auf etwas 
außerhalb der eigenen Persönlichkeit Liegendes kon- 
zentrieren können, das aber nicht so gefahrvoll und 
undankbar ist wie eine geliebte Frau ." 



I9i 



YVETTE GUILBERT 

Sie ist das Wunder des Chansons, das, an und 
für sich nichtig, farblos, leblos, durch sie eine Fülle 
von Tragik, grotesken Dingen, Lieblichkeit, Koket- 
terie erhält. Ihre Augen bereits drücken alles aus, 
was es an seelischen Dingen überhaupt gibt, aber 
auch ihre Arme und Hände sprechen überaus ein- 
dringlich. Ihre Wirkui^gen grenzen an das Wimder. 
Und diese nur andeutende Art, diese wechselnden 
Nuancen, der clin d'oeuil, der alles sagt, was zu sagen 
ist. Sie allein von allen hat die Macht, ein Lied aus- 
zuschöpfen, ja, es erst in seiner Fülle zu dichten! 
Ganze Schicksale bringt sie in einen sinnlosen Re- 
frain, tmd man statmt über das Außerordentliche, 
das sich da ereignet. Aus einem Nichts ein Alles 
machen, darin könnten alle von ihr lernen, wenn es 
erlernbar wäre. Le minimum d*effort et le maximum 
d'effet ist auch ihre Devise. Den Höhepunkt ihrer 
Chansons bildet imbedingt „Les cloches de Nantes". 
Wie ein düsteres Schicksal erdröhnen von allen Seiten 
die großen Glocken in den alten Kirchentürmen. 
Da gibt sie sich ganz aus, bricht los, bewirkt 
Enthusiasmus! Die Guilbert gehört zu den weni- 
gen Erscheinimgen, die einen als etwas nie wieder 
in die Welt Kommendes ergreifen. Man darf es nie 
versäumen, sie wieder tmd wieder zu sehen, zu 
studieren, so oft sich die Gelegenheit bietet. Für 
mich gehören zu solchen Erscheinimgen Mitter- 
wurzer, Girardi, Hermann Winkelmann. Es sind 
Menschen, die nicht ersetzt werden! Ihre Macht ist 
nicht zu definieren, da sie irgend etwas Rätselhaftes 

13 193 



hat. Man befürchtet stets, daß sie ehimal sterben 
werden, und geschieht es, ist man untröstlich, hat 
ein persönliches Leid erfahren. Man möchte in 
Trauer gehen um sie. So eine Organisation ist auch 
Yvette Guilbert. Diseusen, ach, lernet doch von ihr 
das leider ünerlembare! 



194 



KRANKENPFLEGE 

Eine Frau, die, während ihr Geliebter im Sterben 
liegt, sich ebenso pflegt, wäscht, mit hundert Salben 
salbt, wie eh' und je, und keinerlei Bedenken hat, sich 
ebenso zu pflegen und zu hegen, wie sie es gewohnt 
war, hat ihn nie, nie wirklich lieb gehabt ! Sie müßte 
plötzlich alles aufgeben, sich schmutzig werden 
lassen, sich verkommen lassen, auf ihre adelige 
Körperpflege vollkommen verzichten können, sich 
Hände und Gesicht nicht mehr waschen wollen, ja 
sogar die schönen Haare nicht mehr pflegen, sich 
in einen Abgrund stürzen lassen, wo das reale Leben 
zerschellt und aufhört . 

Es müßte alle ihre weibliche Eitelkeit plötzlich 

ersterben, nicht mehr sein . Sie müßte zu 

einem Aschenbrödel werden, ganz in. sich zurück- 
gezogen und unbeachtet, nur in der edlen Pflege 
aufgehend und unscheinbar werdend vor Aufmerk- 
samkeiten ! Sie müßte imwillkürlich aus einer Dame 
zu einer „Pflegerin" werden, sich degradieren, um 
sich zu erhöhen! 

Ihre Fingernägel müßten ihre Edelpolitur ver- 
lieren, ihre Strümpfe müßten Löcher bekommen und 
Knöpfe müßten ihr ander Bluse fehlen. Ihre werdende 
Ungepflegtheit müßte ihre Ehre sein! Ihre Freun- 
dinnen müßten zu ihr sprechen: „Du siehst gealtert 
aus, meine Liebe, schließlich muß man doch auch 
ein bißchen auf sich schauen, solange man jung und 
hübsch ist ." 

„Dazu habe ich jetzt, Gott sei Dank, keine Zeit 
mehr übrig ." 

13* 195 



„Gott sei Dank?!" sagten die Freundinnen und» 
kicherten: „Sie muß immer apart sein .** 



196 



HERBST AM SEMMERING 

Müde schleichen die Stunden dahin. Noch einmal 
ist es mir Zähestem vergönnt, die herbstliche Pracht 
meines Kindheitsparadieses (damals gab es nur Gast- 
hof „Nedwall") zu erschauen! Brennesselgebüsche 
und dunkelbraune vertrocknete Sträucher. Ein 
kleines Mäderl in Lederhöschen, mit dicken, rost- 
braunen Zöpfen, in die grellrote Seidenbänder ein- 
geflochten sind, repräsentiert mir die „Schönheit 
der ganzen Welt". Die Eltern nennen sie, tief ent- 
zückt, schlimm und übermütig. Wie wenn die 
Saharet, Ruth St. Denis, Grete Wiesenthal, schlimm 
und übermütig sein könnten ! ' Der Schneeberg trieft 
von zerrinnendem Schnee, und das Elisabethkirch- 
lein ragt in graue Wolken. Ein Direktor reitet, 
kranke Frauen fajiren langsam durch den Fichten- 
wald. Lila Enzian, kurzstengelig, und Löwenzahn. 
Aber meine „heilige Stunde" ist von 3 bis 4. Da spielt 
nach dem Essen die Amerikanerin mit ihrem großen 
schlanken Freunde im Caf6 Karambol. Er belehrt 
sie natürlich väterlich, die doch alles bereits mit- 
bekommen hat vom Schicksal, Anmut und Beweg- 
lichkeit und Gazellenglieder und Feenhände. Jede 
ihrer Bewegungen ist vollkommen. Das ist meine 
„heilige Stunde", da ich menschliche Vollkommenheit 
erbUcke. Da vergesse ich, daß Gottes Träume sich 
noch nicht realisiert haben • 



197 



HERBSTANFANG 

Freitag nachts, Marien-Feiertag, 8. September. 
Eine verzweifelte Stimmung ist in mir, ich fühle es, 
ich spüre es, alles geht zu Ende. Die dunklen 
Herbstabende kommen, Deine Schule, A. K., fängt an, 
imd böse, heimtückische, neidische, lieblose Menschen 
zerstören mir mein Paradies, das ich in meiner 
alten, kranken, dem Untergange geweihten 
Dichterseele für Dich, einzig und fast irrsinnig ge- 
liebtes Geschöpf, errichtet habe unter Tränen, 
Du, Du allein bist auf dieser traurigen Erde in 
meinem gefolterten Herzen, und Du weißt nichts 
davon, kannst, wirst davon, willst davon nichts 

wissen . Nie wirst Du meine Anhänglichkeit 

ahnen. Dein Blick, Deine Stimme, alles, alles 
an Dir ist der Balsam meines todeswiinden, todes- 
müden Herzens. Ich habe Dich lieb, lieb, wie nie- 
mand Dich je lieb haben wird . Und nun spüre 

ich das Ende heranschleichen, sonst könnte ich nicht 
so traurig, so lebensmüde sein, imd beim Erwachen 
am Morgen so bitter weinen und weinen, obzwar 

mir eigentlich nichts Böses geschehen ist . 

Ich verlange nichts von Deiner kindlichen dreizehn- 
jährigen Seele, Anna K., als daß Du es mir glaubst 
in Deinem tiefsten Herzen, daß schon im Anfang 
Deines ins ungewisse gefahrvolle Leben hinein 
aufblühenden Lebens^ ein Mann in unbeschreibr 
lieber Zärtlichkeit an Deiner geliebten, merk- 
würdigen, kindlichen und dennoch bereits tief melan- 
cholischen Persönlichkeit, mit ergebenster liebe- 
vollster Seele gehangen ist, imd viel, viel um Dich 

198 



getrauert hat, weil die anderen Menschen alles 
mißverstehen und böswillig, heimtückisch 
deuten! 

Ich wollte Dir mit der kleinen Uhr eine besondere 
Freude bereiten, Dir meine vollkommen selbst- 
lose Anhänglichkeit zu verstehen geben, aber 
auch das haben die hartherzigen, mißtrauischen 
Menschen nicht Dir, nicht mir gegönnt! 

Bleibe mir gütig gesinnt, Anna, lasse Dich 
von niemandem auf falsche Gedanken bringen! 
Ein Atemzug Deines Mimdes, ein Blick Deiner Augen, 
ein Schritt Deines müden kranken Fußes bedeuten 
mir die Schönheit, die Traurigkeiten der 
ganzen Welt! 

Dein Peter Altenberg. 

„Annerl, hast du den Brief heute Samstag erhalten, 
den ich noch gestern Freitag nachts an dich ge- 
schrieben habe?!? Und hast du ihn verstanden?!" 

„Selbstverständlich. Was soll ich daran nicht 
verstehen?! Ich kenn' Ihnen doch auswendig und 
inwendig ." 

Pause. 

•„Sie, nächste Woche fangen die Schtden an. Da 
brauch' ich schöne Schulrequisiten. Also zwei solche 
schöne dicke Tonking-Bambus-Federstiele, wie Sie 
sie immer benützen, dann 20 von Ihnere Stahl- 
federn, Kuhn 201, aber wirklich 20, oder wissen S' 
was, 25, daß es eine gerade Zahl gibt. Und dann ein 
schönes Zeichenheft. Und dann einen Radiergummi. 
Und dann, no, Sie werden doch wissen, was ich sonst 
noch in der Schtde brauche. Ja, richtig, einen Blei- 

199 



stiftspitzer, wie Sie einen haben, in einem kleinen 
Schachterl. Gott, die Schul', na wenigstens is ma 
in der Schul'. Was haben S' denn, Sie, Herr Peter? ! ?" 
„Nichts •", erwiderte ich. 



200 



EINE BEGEBENHEIT 

Ich lernte eine junge, sehr, sehr empfindsame 
Frau kennen, die Martyrien durchmachte wegen 
der Ruhe und Gleichgültigkeit ihres entzückenden 
Gatten. Sie sah Gespenster von fünfzehnjährigen, 
sechzehnjährigen Mädchen, lebte in unglückseliger 
innerer Hast dahin, verzehrte sich selbst. In dieser 
schweren Krankheit ihrer süßen kindlichen Seele 
entwickelte sich in ihr der Plan, für dieses endlose 
Martyrium Strafe, eventuell Erlösung zu haben. Sie 
begann daher, einem netten gutmütigen Manne 
Avancen zu machen. Der Gatte rührte sich nicht. 
Das machte sie noch kranker. Sie trieb sich kopf- 
über hinein. Der Gatte rührte sich nicht. Als ich 
diese gefährliche Situation überblickte, las ich eines 
Abends nach dem Nachtmahle den beiden mein 
Gedicht „Das Bangen" vor. 

Das Gedicht lautet: 

Das Bangen 

Mir bangt um dich, Anna . 

Weshalb mir bang ist, weiß ich nicht, 
Ich weiß nur, daß nur bang ist. 
Mir ist bang! 
Wie einer Mutter bang ist ohne Grund, 

Noch sind sie alle mimter und gesund ! 

Und wie dem Schiffer bang ist, bange, bange, 

Während die anderen noch lange 

Den wolkenlosen Himmel blöd betrachten, 

Und den Warner ob seiner Weisheit nur verachten. 

Mir bangt, wie einem bangt, 

201 



Der Kinder auf dem Meer-Sand-Htigel spielen sieht. 
Und weiß, daß nun die Flut vom Land sie abtrennt — 

flieht! 
Mir bangt, wie einem bangt. 
Der weiß, er wird gehenkt um sieben Uhr früh. 

So, so bangt mir um dich 

Du bist mein Leben, es bangt mir um mich 
Du aber, du gehst deinen Weg* von mir. 
Nicht bangt vor meinem bangen Bangen dir 

Dem neuen Schicksal treibst du jach entgegen — 

Und perlt mein Todesschweiß auf deinen Pfad her- 
nieder. 
Nimmst du*s als Tau auf neuen Morgenwegen 1 

Ich las es langsam imd eindringlich vor. 

Pause. 

Der Mann erhob sich, trat langsam auf mich zu, 
nahm meine Hand in seine beiden Hände, sah mich 

lange, lange, lange an . Die Frau starrte hin, 

starrte hin, schrie auf: „Er liebt mich, erleidet, oh, 
er Hebt mich! Ich UnglückHche !" und fiel hin. 

Ich hatte das Gedicht um vierundzwanzig Stunden 
zu spät vorgelesen. 

In das Gedenkbüchlein einer Amerikanerin: 

„It's inside in the human nature, to hate all 
those, who are better speaking, better dancing, better 
thinking, better feeling as we seif!" 

Wintersport am Semmering: 

„Schneeglöckchen, immer sangen die Dichter von 

dir, du läutest den Frühling ein . 

Für mich begräbst du den herrlichen Winter!" 

2oa 



BESCHÄFTIGUNG 

Ich erfinde nichts, daher bin ich kein Schrift- 
steller und kein Dichter. Das Leben trägt mir alles 
zu, ich habe nichts dabei zu verrichten, als das Zu- 
getragene nicht zu verfälschen oder den anderen 
absichtlich plausibler machen zu wollen, denn man 
hilft ihnen ja doch nicht dadurch. 

Ich kannte vor vielen Jahren die Frau eines 
Iriteraturprofessors an der Universität W. Eines 
Tages sagte sie zu ihm: „Ich liebe diesen jungen 
Schauspieler, den wir vor vier Tagen (so lange 
brauchen nämlich die Reizungen des Nervus sym- 
paticus, um dringend zu werden in der Seele) ge- 
meinsam im Theater genossen haben " 

„Lade ihn aber vorerst zu uns zu einem Souper 
ein, damit man sehen könne, ob er dieselbe Wirkung 
auf dich ausübt außerhalb seines Idealterrains " 

Nach dem Souper sagte sie zu ihrem Gatten: 

„Es ist nichts mit diesem Manne. Oh, du, du, 
du einziger ." 

Als ihr Mann in jungen Jahren gestorben war, 
sprach sie einst einen fremden Herrn vormittags. 
Ecke Kämtnerstraße und Graben an: „Ich ersuche 
um Ihren Namen und Ihre Adresse ." 

Seitdem arbeitete sie tagelang an Dingen der 
sogenannten Nadelmalerei, wobei man mit ver- 
schiedenfarbiger Seide die zarten Nuancen von Ge- 
genständen nachzuahmen versucht. Alle diese Dinge 
schickte sie dem fremden Manne und war glückhch 
dabei und vor allem friedvoll, seelisch beschäftigt. 
Später unterrichtete sie Dorfkinder umsonst im 

203 



Französischen, ihrer Muttersprache. Und dann hörte 
ich nichts mehr über sie 35 Jahre lang. Aber stets 
gedenke ich ihrer, besonders wenn ich an die modernen 
Tennisspielerinnen denke ! Die suchen sich auch „die 
Zeit zu vertreiben" !? I . 



204 



BESUCH IM EINSAMEN PARK 

Wie wenn die müde Seele noch einmal auf längst 
gesprungenen Saiten ihre begeisterten Klagen singen 
dürfte, so ist es, weim du zu mir kommst, Helene N. ! 

Der Alltag weicht da wie ein böser Zauber, der uns 
gefangen hielt, in einem Leben, das nicht die Stunde 
wert ist, die es bringt ! Man lebte dem Tode entgegen ! 

Das alte Zauberreich von melanchoHschen Zärt- 
lichkeiten erblüht durch dich, und der fade Park 
wird zum mysteriösen Urwald, wenn dein geliebter 
Schritt die alten öden Wege wandelt . 

Dein Sprechen wird wieder zu Musik, der Hauch 
des Atems wird wieder zum Wehen von Frühlings- 
Gebirgsalmen mit Kohlröschen imd Seidelbast und 
Knieholz. 

Dein Sitzen beglückt und dein Stehen und dein 
Wandeln . 

Alles, was dich unglücklich macht, wird zugleich 
mein Unglück, und deine Klage trifft ein exaltiertes 
Bruderherz; indem ich leide und dir die Last ab- 
nehme unverstandenen Kummers, jauchzt meine 
Seele, daß sie mit dir leiden darf! 

Ich möchte dich ins Zauberreich entführen, 

wo du mein Kindchen wirst, gewiegt, getragen, 
beschützt, in überzärtHchen Armen, an einem für 
dich bebenden Herzen , 

weg von den Ungetümen „Menschen", die dich 
nüt ihrem feigen Unverständnis morden! 

Bist du denn ein Distelstrauch am Wege, ein 
Unkraut oder Brennesselgebüsch?! Bist du dem 
Tritt des schweren frechen Fußes ausgesetzt?! 

205 



Bist du nicht eine zarte Blüte Gottes, die behütet 
werden muß vor jedem rohen Hauche?! 

Bist du nicht die, die unser totes Herz zum Leben 
wieder zaubert?!? 

und deren zarte, edle Gliederpracht aus unseren 
gUtzemden, stieren Fischaugen ein gerührtes Künst- 
lerauge wiederzaubert?!? 

In welche Welt bin ich geraten, pfui ! ? ! Wo alles 
sich in schnöder Ordnung abhaspelt!? Du bist die 
andere! Anders wie die andern! Wie Ambrosia 
anders war als Rumpsteak mit Salat! Göttliche 
Kräfte bringst du, ohne es zu wissen! Und pflicht- 
los sinken wir zu deinen Füßen hin ! Nur eine Pflicht 
erkennend, vor dir hinzuknien! 

Das zugeschnittene Maß, das alle fördert, ist 
uns verächtlich und vergiftet uns! Der ekle 
Friede sorgenlosen Daseins macht unsere Kräfte 
stocken imd vertrocknen. Wir müssen brennen, 
glühen imd vergehen! 

Und unsere innere Träne, wenn du beim Scheiden 

rms ruhig die Hand reichst, 

macht uns erst wieder leben, leiden und ver- 
zweifeln, und auf eine Stunde hoffen, da du. 

Gebenedeite, wiederkehrst! Für diese Stimde leben 

wir in Not! 

Die da sind, morden uns; 

doch die da kommen, um von uns zu scheiden, 
bringen uns das Glück des abgrundtiefen Seelen- 
schmerzes wieder! 

Wir wollen rauschen, brausen imd zerschäumenl 
Des Lebens eingedämmte Ordnung ist unser 

206 



heimtückischer Feind, für dumpfes Erdenleben ganz 
geeignet, das uns, imter der feigen Maske der Rettung, 
nur lahmlegt und vernichtet imd vorzeitigem Tod 
entgegentreibt. 

Helene N., komme, auf daß ich hundert Stunden 

lang in Fieberzehrung dich erwarten könne • 

In Fieber mich verzehren, ist mein Leben! 

Und scheide von mir, auf daß ich tausend Stunden 
dir nachtrauern könne . 

Mein Geist lebt nicht vom Sein, das lahm macht 
und gebrechlich ; 

mein Geist lebt nur vom Hoffen und Verzweifeln! 

Du kamst, Helene N., und alles ward belebt und 
blühte auf. . 

Du gingst, und Trauerflore hingen über der 
dtmklen ausgestorbenen Welt . 

Die Welt der Pflichten ist vielleicht gesünder und 
fordert manches Wertvolle in kleinerem Kreise . 

Wir aber wollen lieber an unseren inneren Sym- 
phonien elend scheitern ; des Alltags Werkelton mordet 

uns ebenso, nur langsamer und qualvoller . 

Wie stumpfe Messer gegen scharfe Klingen! 

Der Folter wollen wir entgeh'n des leeren Lebens, 
das unseren Organen ihre Kraft entzieht; 

und in der Schlacht trifft rücksichtsvoller uns 
der Tod, und herrlich plötzlicher, 

als vorbereitet zu jeder Stunde eines Lebens, 
das weniger als nichts für uns bedeutet! 

Helene N., komm' wieder in den Park, 

wo Irre ihre irren Träume träumen . 

Du wirst hier doch vielleicht mehr Menschlich* 
keiten finden, 

207 



als in der Welt, die sich frech fälschlich für 
die normale hälttll 



208 



TANZ 

Elsa Wiesenthal, schlichte, rätselhafte Natur- 
kraft, wie Rittner, Mitterwurzer, Girardi, bringst du 
uns nun wieder den Geist, der geheimnisvoll, diskret 
verborgen in den Dingen lebt?! Bringst du uns 
wieder Hoheit, Ruhe und Würde in deinem adeligen 
Tanzen?! Oder hast du dich vom „Geist" verführen 
lassen wie alle, die der geistvollen, geistleeren Herde 
sich verständUch machen wollen?!? Gib uns nicht 
mehr, als was du kannst und deine Kunst! Sei 
eine schweigende Fürstin des Lebens, die lieber un- 
verstanden dahingleitet, als scheinbar verständlich 
Leidenschaft markiert! Sei du mit deiner süßen 
merkwürdigen Schwester Berta, wie einst ein edles 
Beispiel, wie man aus einem Nichts ein Alles macht ! 



'* 209 



PETER ALTENBERG 

Von Hans Franck (Hamburg) 

Es gibt viele, die ^seiner lachen. 

Und wir, denen er mit wenigen inhaltsschweren 
Worten die Märchen des Lebens gedeutet, die „Bil* 
derbogen des kleinen Lebens" koloriert, die er die 
Erlebnisse des Tages anders sehen gelehrt hat, wir 
können ihnen nichts dawider. sagen. Müssen ihnen 
Recht geben, müssen zugestehen : Was ihr in Händen 
habt, was ihr seht, sind Lächerlichkeiten. Es ist, 
wie ihr es seht! Ihr! 

Es ist, wie die Spötter sagen. Aber es ist zugleich 
anders. Die Kunst Altenbergs kann, wie das viel- 
farbige Leben, wie die widerspruchsvolle Natur — 
nach Fr. Th. Vischers Wort — an einem Ende gemein, 
am andern seelisch fein, nicht mit einem so oder so 
umgrenzt werden, sondern nur mit einem so und so. 

Sie ist voller Lächerlichkeiten und Schönheiten, 
voller Gequältheiten und Feinheiten, voller Leer- 
heiten und Vollheiten, voller nichtssagender Gewollt- 
heiten und vielsprechender Gekonntheiten. 

Sie ist — um wieder Vischers Wort von der 
Natur aufzunehmen — ein seltsam Ding. 

Für die Formung der tausendfältigen kleinen 
und kleinsten Gaben, die so ein Buch Peter Alten- 
bergs birgt, wurde der bewußte Gegensatz zu der 
Kunst der vielen klingenden Worte maßgebend. 
Die Wortkünstler sind dem Dichter Lügner imd 
Charlatane. Sind ihm gewöhnliche Menschen, die 
ihre Geistesblöße mit dem wallenden Wortmantel 
zuzudecken suchen, die ihre Empfindungsarmut 

'4» 211 



durch einen bloßen Wortreichtum auszugleichen 
glauben. „Ich hasse und verachte sie — ruft Peter 
Altenberg in seinen Märchen des Lebens — Wort- 
reichtum ist Seelen- und Geistesarmut! Man ver- 
kriecht sich, versteckt sich dahinter, wie wenn man 
verzweifelt wäre, daß man nichts Wichtiges mitzu- 
teilen hätte! Zwei und drei ist fünf kann nicht 
wortreich gesagt werden ! Und dennoch verläßt man 
sich darauf, daß es eine Herde von Idioten gibt, 
die an dem „Wortklang" sich berauschen. — — 
Wehe, wehe denjenigen, die die Fähigkeiten dazu 
hätten, und nur ihrem Geisteswahne, ihrer Eitelkeit 
dienen! Auf einer Stradivariusgeige spielen sie, aber 
keine einfachen Adagios, die zu Tränen rühren, 
sondern verblüffende Passagen, die kalt lassen!^* 

Altenberg ist der Virtuose der Wortskizze. Ist 
es, weil er dem Reichtum des Lebens dienen will. 
Einem, kleinen Ausschnitt sich willenlos hinzugeben 
und in unendUchem geduldigem Mühen nach höchstei 
vollkommener Bildwirkung sich vor dem übrigen 
zu verschließen, daran hindert ihn die drängende 
Fülle, die ihm nicht Ruhe läßt. So springt er von 
einem zum andern, immer auf der Spur des schnell- 
fliehenden Lebens. Zur BeschauUchkeit ist keine Zeit. 
Nicht zum Schwelgen. Es gilt zu erjagen, zu erraffen, , 
gilt, flüchtiger als das füehende Geschehen zu sein. 

Daß diese Eigenart Altenbergs ihren Wert imd 
Unwert in Einem hat, daß ihre Stärke die Mutter 
ihrer Schwäche ist, versteht sich. Es zu beweisen» 
wird man mir erlassen. 

Dem Leben gilt Altenbergs Kunst. 

212 



Diesem Wunder aller Wunder, mit dem wir 
täppisch, wie wir sind, auf Du und Du stehen. Das 
wir hinnehmen mit großen, blöden, dummdreisten 
Augen. Das wir zu kennen wähnen, imd das doch 
von tausend Schleiern bedeckt ist. Das Wimder, 
das uns zum kahlen Alltag wurde, wird hier wieder 
ein blühendes Märchen, dem wir mit gläubigen 
Kinderaugen aus der Feme zuschauen. Wunder des 
Alltags. Um sie geht es. Oder wie es der schönste 
unter allen Buchtiteln Altenbergs faßt, um die 
9,Märchen des Lebens". Unermüdlich trachtet der 
Dichter, die kleinen Dinge des Alltags besonders zu 
sehen, die Perlen am flachen Strand zu finden. 
Himdertmal mag er wertlose Kiesel auflesen und bei 
den kalten Besserwissern höhnisches Lächeln dafür 
ernten : plötzlich funkelt ein winziges Ding in seinen 
Händen und läßt uns die Augen übergehen. 

Mitten hinein in die zarten Wortskizzen drängt 
sich plötzlich eine breite, schwerwiegende Unter- 
suchung mit einer Überzahl unterstrichener Worte. 
Der Dichter wandelt sich in einen Propheten. Der 
Mann der zarten Worte in einen glaubensstarken 
Prediger, der lauthallende Straf- und Mahnreden 
auf die sündige Menschheit herabschleudert. Der 
eben noch ein ganz Besonderer, ein starker Ein- 
zelner, ein Außenseiter war, wird plötzlich zum 
Bruder Schultze-Naumburgs, des Kunstwartmannes, 
des Vaters des Reformkleides imd der Reformstiefel. 

Mit eindringlichen, treffsicheren Worten predigt 
er von seinem Ideale: der naturgemäßen Körper- 
kultur. Anbetend neigt er sein Haupt vor dem 
großen Gotte Gesimdheit. Worte fallen, die der Un- 

213 



natur die gleißnerischen Kleider Vom Leibe reißen 
und doch nichts bessern werden. Wann hätte diese 
Dame und ihr lästerUches Töchterlein Mode, je die 
Scham gekannt ? Sie kann noch Stärkeres ertragen, 
als Altenbergs fanatische Predigten und seine gut- 
gemeinten Insultierungen . 

Darum ist es, schauen wir zurück auf die leiden^ 
schaftlichen Bekenntnisse zur Göttin Gesimdheit, 
letzten Endes nicht das Gegenständliche, der Inhalt 
der Rede, der ims in den Bann der Worte zwingt, 
sondern die Persönlichkeit, die ungehinderter als in 
den formgewordenen Dichtungen, innerstes Sein und 
Meinen offenbart. Auch hier steht Alteriberg im 
Dienste des großen, göttlichen, uneingezwängteh 
Lebens. Auch hier will er jedem Pulsschlag freie 
Bahn schaffen. Auch hier erlösen von dem Drucke, 
den Steifheit und Gutmeinen, Enge und Schwer- 
fälligkeit dem Wunder aller Wunder zufügten und 
bis in die Undenkbarkeit zufügen werden. 

So geht auch diese Besonderheit mit dem Allge- 
meinen zusammen. In das Werk des Schöpfers der 
„Märchen des Lebens", des Suchers im Alltag, des 
eigenwilligen Sehers fügt sich das Prodromosbuch 
ein, das Glied einer Kette. Der Unmittelbarkeit des 
unverfälschten Lebens trachtet der Dichter so gut 
wie der Prediger nach. Und die sprunghafte, das 
Wortemachen hassende Form eint beides auch nach 
außen hin. 

(Königsberger Hartungsche Zeitung) 



214 



Werke von Peter Altenber 



g 



Wie ich es sehe 

FQnfzehnte vermehrte Auflage. Geh. 6 M. 50 Pf., geb. 9 M. 

Was der Tag mir zuträgt 

Achte vermehrte Auflage. Geh. 6 M. 50 Pf., geb. 9 M. 

Prodromos 

Sechste Auflage. Geheftet 5 Mark, gebunden 7 Mark 50 Pf. 

Märchen des Lebens 

Sechste vermehrte Auflage. Geh. 5 M. 50 Pf., geb. 8 M. 

Neues Altes 

Vierte und fünfte Auflage. Geh. 5 Mark, geb. 7 Mark 50 Pf. 

„Semmering 1912" 

Siebente vermehrte Auflage. Geh. 6 M., geb. 8 M. 50 Pf. 

Fechsung 

Sechste Auflage. Geheftet 6 Mark, gebunden 8 Mark 50 Pf. 

Nachfechsung 

Fünfte Auflage. Geheftet 7 Mark, gebunden 9 Mark 50 Pf. 

Vita ipsa 

Zehnte Auflage. Geheftet 6 Mark, gebunden 8 Mark 50 Pf. 

Mein Lebensabend 

Achte AuÜage. Geheftet 6 Mark 50 Pf., gebunden 9 Mark 



Druck der Spimericben Bachdruckerei in Leiptig 



14 DAY USE 

RETURN TO DESK FROM WHICH BORROWED 

LOAN DEPT. 

This book is due on the last date stamped below, or 
on the date to which renewed. 

Renewed books are subject to immediate recall. 

mm MAY2 1W0, 



2lKpr'58CS 



^trC'D LD 



^■f"? ^11950 



liaf'6 8 Kg 



• — ■ ' A f ' ^ ^ ■ Q 




B 2 1 ieo3 






IwAY 3 1 &ii 



ITTi» 



jfi@» 



V-'i^ 





LD 21A-50»»i-8,'57 
(C8481sl0)476B 



General Library 

Universicy of California 

Berkeley 



U.C. BERKELEY UBRARII 



LD9-20m-4, 




CQSMaSbMSS 



\r-« 



/i»'*/>