N&w Qermai
Review
nal of Germanic Studies
Vol. 20 : 2004-2005 ;
Celebrating Twenty Years ofNfeR *
New German
Review
A Journal of Germanic Studies
Volume 20
2004 - 2005
Pedro Tivadar. 2005. Photograph.
New German
Review
Volume 20, 2004-2005
Executive Editors
Victor Fusilero Corina Lacarus
Assistant Editors
Jonathan Jones
Andrea Kindler
Alina Romo
Editorial Board
Eric Kristensson
Eva Schmidt
Charlton Payne
Cover Art
Pedro Tivadar
New German Review is published by graduate students of the Department of Ger-
manic Languages at UCLA. Views expressed in the journal arc not necessarily those of
the Editors, the Department of Germanic Languages, or the Regents of the Univer-
sity of California. Subscription rates arc $8.00 for individuals, $14.00 for institutions.
Please make checks payable to Regents-UC. Manuscripts should be prepared in accor-
dance with the 2003 MLA Handbook Sixth Edition (parenthetical documentation)
and should not exceed 20 typed pages at approximately 250 words per page, including
documentation. Please direct inquiries regarding orders, subscriptions, submissions,
and advertising information to:
New German Review
Department of Germanic Languages
212 Roycc Hall, Box 951539
University of California, Los Angeles
CA 90095-1539
ngr@humnet.ucla.edu
Printed by DcHART Printing Services, 3265 Scott Blvd, Santa Clara, CA 95054
Funding provided by the UCLA Graduate Students' Association and the UCLA Depart-
ment of Germanic Languages
ISSN 0889-0145
Copyright (c) 2005 by the Regents of the University of California.
All rights reserved.
Table of Contents
FT
1
v.ZO
Foreword
1985-2005: Twenty Years of New German Review
Hans Wagener 7
Articles
Sein im Untergang: Rainer Maria Rilkes Schreibblockade und
seine letzten poetologischen Dichtungen
Gerhard Oberlin 8
A Tiger's Leap into the Past: On the Unhistorical, the Historical
and the Suprahistorical in Walter Benjamin's Theses on the
Philosophy of History
KarstenPiep 41
Physician or Svengali? Sigmund Freud and Arthur Schnitzler on
the Ethics of Hypnotic Therapy
Anne Stiles 60
Das Spiel als Inbegriff des Menschen? Kritik an einer
konservativen Schiller-Rezeption
Clemens Stepina 74
Psychiatric Philosophy in Nietzsche's Der Fall Wagner and
Nietzsche contra Wagner
James Kennayyay 84
A Lamentable Conquest? Intertextual Disparagement of the
Heroic Ideal for the Didactic Ideal of Sainthood in Willehalm
Karina Marie Ash 96
Behind the German Narrative of Guilt: Two Perspectives
Jaroslava Gajdosova 120
Art and Modern Malaise in Keller's Der grime Heinrich
Martin Potter 135
"Ich hatte sie geliebt": Probleme der allegorischen Darstellung in
Leonhard Franks "Deutsche Novelle,,
Nina Sylvester 145
Macht und "Ohn"-Macht der Konig von Spanien in Friedrich
Schillers dramatischem Gedicht Don Carlos, Infant von
Spanien
Christina Wegel 160
Saamische Literatur durch ihre Schriftstellerinnen gesehen
JOHANNA DOMOKOS 171
Die Berliner Republik als Mahagonny
Alexandra Ludewig 183
Book Reviews
Elena Agazzi. Erinnerte und rekonstruierte Geschichte.
Gottingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2005.
Alfonsina Scarinzi 202
Christiane Kuchler Williams. Erotische Paradiese: Zur
europaischen Siidseerezeption im 18. Jahrhundert.
[Das achtzehnte Jahrhundert. Supplementa. Bd. 10]. Gottingen:
Wallstein Verlag, 2004.
YombMay 205
Contributors 209
PREFACE
1985-2005: Twenty Years of New German Review
Hans Wagener
Acting Choir
UCLA Deportment of Germonic Longuoges
The first issue of the New German Review: A Journal of Ger-
manic Studies appeared in 1985. An exceptionally active group of gradu-
ate students at the Department of Germanic Languages, UCLA had de-
cided to try their hand at editing and publishing what first looked like a
graduate journal for the graduate students of the Department. In the course
of its twenty years in existence, the journal has developed into a very well-
edited, professional journal. The mere increase in size is testimony to its
success: Whereas the first issue had only 76 pages with a total of six
articles, the current one has over 200 with twelve articles and several book
reviews. The journal has become a journal for graduate students from
various departments at multiple universities in the United States and abroad.
Greater professionalism is evident in the fact that from the second issue
on book reviews were included. Furthermore, the journal has featured
interviews with important German writers who visited UCLA: Christoph
Hein (vol. 3) Martin Walser (vol. 4), Wolf Biermann (vol. 9), Irina Liebmann
and Matthias Politycki (vol. 12) as well as Marcel Beyer (vol. 13). Volume
19 constitutes a Festschrift for UCLA's Professor Ehrhard Bahr. Many of
the papers presented were delivered by former students of his in honor of
his retirement in 2004.
I would like to thank our former and current graduate students
for devoting their time and energy to this venture. I congratulate them for
having created a truly professional journal.
Sein im Untergang:
Rainer Maria Rilkes Schreibblockade
una1 seine letzten poetologischen
Dichtungen
Gerhard Oberlin
"denk: es erhdlt sich der Held, selbst der
Untergang war ihm nur ein Vorwand,
zu sein: seine letzte Geburt. "
Rilke, "Erste Duineser Elegie" {Werke II 202)
Wohl jede kiinstlerische Arbeit ist eine Selbstbehandlung und
entspringt einem narzisstischen Heilungswunsch. Fur das Werk Rainer
Maria Rilkes gilt das ebenso wie fur die Werke Georg Buchners oder Tho-
mas Manns. Es ist ein Kosmos fur sich, die autonome Sprachwelt eines
melancholischen Ingeniums, das sich explizieren, sich finden, sich
bespiegeln will. Das Terrain des "Saglichen" umfasst grundsatzlich das
ganze, in der C.G. Jung'schen Definition welthaltige, Selbst. Die Zonen des
Ich-Bewusstseins darin sind schmal. Aber gerade der sprachschopferische
Kunstler lotet Bereiche aus, die ihm fremd und unbekannt, dennoch 'wahr'
erscheinen, und er wird bestrebt sein, noch groBere Flachen und noch
tiefere Tiefen zu vermessen, um den Ozean der — wiederum welthaltigen —
Psyche zu kartographieren. Das lebenslange Streben nach dem
narzisstischen Gleichgewicht vorausgesetzt, ist alle kiinstlerische
Produktion letztlich nichts anderem gewidmet als der Herstellung des
Selbstgefuhls, ja man konnte sagen: Kunst ist Selbst-Produktion.
Dabei geht es nicht etwa um Selbsterkenntnis im Sinne einer
verstehenden Objektivierung. Gerade bei einem narzisstischen Personlich-
keitsprofil, wie es bei Rilke unubersehbar ist, iiberwiegt, unter Vorzeichen
kreativer Sublimierungszwange, der Wunsch, sich im Medium der
psychischen Konflikt- oder allgemein: Konstellationsdarstellung
wiederzufinden. Das dabei zu substituierende Selbstgefiihl soil ein
identifikatorisches Integral uber alle inneren Spannungen und Paradoxien
bilden und dadurch eine freudvolle Daseinsgewissheit ermoglichen.
Seelische Spaltungs- oder Ambivalenzkonflikte im Bereich der
narzisstischen Pathologien mit ihrer Atiologie entlang der biografischen
Zeitachse vom friihesten Lebensalter, ja sogar intrauterinen Stadium an
haben unzugangliche oder besonders schwerzugangliche intrapsychische
Wurzeln und bringen obendrein Tabus zur Tarnung, Urn- oder Gesund-
deutung hervor bzw. rufen sie aus der kulturellen Umwelt ab, die festlegt,
was als 'normal' zu gelten hat. Dies erschwert vor allem auch den
sprachkiinstlerisehen Zugang zum Unbewussten, setzt sich die 'Norm1
doch in der Sprache ab, wo sie durch Einschrankung der innovativen
Ausdruckskraft die heuristische Hervorbringungsleistung und damit auch
den Spiegelungseffekt schmalern kann. Das ist desto gravierender, als zur
kiinstlerischen Gestaltung konfliktreicher Seelenlagen in der Regel kein
spezialistisches Psychologiewissen, so iiberhaupt vorhanden, nutzbar
gemacht werden kann, so dass der Kunstler in jedem Fall auf sein
Intuitionswissen — Rilke sprieht von seinem "eingeborenen Wissen"
(Briefwechsel 98f.) — angewiesen ist. So paradox es klingen mag: "Wirkliche
Kunst — so sagt auch Freud — beginnt mit der Verhiillung des Un-
bewuBten" (Mitscherlich-Nielsen 79). In diesem Sinne befindet Rilke iiber
die Prosa Paul Valerys, sie sei "gerade dort am klarsten, wo sie das Geheime
aufweist, das offene Geheimnis, das geheim ist seiner Natur nach und also
weder imstande, sich zu verbergen, noch sich selbst zu erlautera"
(Briefwechsel 495). An anderer Stelle schreibt er: "Im iibrigen gehort es zu
den ursprunglichen Neigungen meiner Anlage, das Geheimnis alssolches
aufzunehmen, nicht als ein zu Entlarvendes, sondern als das Geheimnis,
das so bis in sein Innerstes, und iiberall, geheim ist. . ." (Briefe VI 282f.).
Rilke teilt hier die Meinung Thomas Manns, der den Dichter in
ausdriicklicher Gegenfunktion zur Psychologie als "Schutzer des Mythus"
bezeichnet und konstatiert: "Die Kunst wird unmoglich, wenn sie
durchschaut ist" (zit. n. Wysling 224).
Gerade dieser 1 875 in Prag geborene Autor ist sein Leben lang zu
einer Sprache unterwegs, die fur den VorstoB in die Welt des individuell
und kollektiv Unbewussten Pionierarbeit leisten kann. Ahnlich wie Kafka
den Aktionsraum seiner Geschichten braucht — "Kafka war ein
Autobiograph wie Rilke" (Mitscherlich-Nielsen 62) — , muss er eine
symbolische Arena schaffen, in der die seelischen und kulturellen Konflikte,
die es darzustellen gilt, sich ausagieren konnen, zumindest aber beschauen
lassen. Dieser Raum wird ihm die Poesie, und es lasst sich verfolgen, wie
er gefunden, umhegt, eingerichtet, immer wieder verteidigt und manchmal
auch verloren wird, einmal sogar iiber ein Jahrzehnt lang.
Es handelt sich ja wirklich oft um das Schwierigste,
in einem »Grenzstreif« des eben noch Sagbaren
Belegene, manchmal ringe ich selbst um den Sinn, der
sich meiner bedient hat, um sich menschlich durch-
zusetzen, und das Licht einzelner Stellen besitze auch
ich nur in einzelnen begnadeten Augenblicken.
(BriefeSizzo66f.)
"Der Trieb zur Kunst", schreibt Rilke im Jahr seines Todes, "ist ja
nichts als eine fortwahrende Neigung, die Konflikte auszugleichen, die
unser, aus so verschiedenartigen oft widerstebenden Elementen sich immer
neu bildendes »Ich« gefahrden und spannen" (Briefe Sizzo 1 1 If.). Stets
ging es ihm darum, "einen heileren Zustand in der Mitte des eigenen
Wesens zu gewinnen" (Briefe VI 48).
Auf Modelle kann Rilke bei dieser "Selbstbehandlung" (Briefe
IV 1 69f. ), wie er seine kiinstlerische Arbeit nennt, nicht zuruckgreifen, so
wenig er sich, bei aller — iiberwiegend durch Dritte vermittelten —
Kenntnisnahme, der noch revolutionar-jungen Psychoanalyse zur Klarung
und gegebenenfalls Heilung seiner narzisstischen Neuroseleiden
anvertrauen mochte. Am 24. Januar 1912 schreibt er an den fur eine Analyse
optierenden Arzt Emil von Gebsattel: "So viel, wie ich mich kenne, schien
mir sicher, daB wenn man mir meine Teufel austriebe auch meinem Engel
ein kleiner, ein ganz kleiner (sagen wir) Schrecken geschehe, — und — fuhlen
Sie — gerade darauf darf ich es auf keinen Preis ankommen lassen" (Briefe
IV 1 82f). Am gleichen Tag schreibt er an Lou Andreas-Salome:
Ich weiB jetzt, daB die Analyse fur mich nur Sinn hatte,
wenn der merkwiirdige Hintergedanke nicht mehr zu
schreiben, den ich mir wahrend der Beendigung des
Malte ofters als eine Art von Erleichterung vor die Nase
hangte, mir wirklich ernst ware. Dann diirfte man sich
die Teufel austreiben lassen (...) und gehen die Engel
moglicherweise mit aus, so miiBte man auch das als
Vereinfachung auflfassen und sich sagen, daB sie ja in
jenem neuen Beruf (welchem?) sicher nicht in Ver-
wendung kamen. (Briefe IV 180f.)
In jenem Brief an Grafin Sizzo vom 9. Mai 1 926 heiBt es:
Wars noch eine mit einer ausdriicklichen lateinischen
Oberschrift zu bezeichnende Krankheit, so diirfte der
arztliche Fachmann ruhig mit mir wirtschaften; ihn in
das vielfaltige halb physische, halb psychische
Verhangnis eingreifen zu lassen, aus dem meine
10
Bedrangnisse hervorgehen, ist schwer und ist gewagt,
denn alles, worunter ich leide, ist eine Aufgabe an mich
selbst, so rein und genau meiner eigenen Arbeit und
Losung zugedacht, daB ich fast Beschamung empfinde
und etwas wie schlechtes Gewissen, wenn ich den Arzt
ins Mittel ziehe. (Briefe Sizzo 1 1 If.)
Vor diesem Hintergrund wird unmittelbar verstandlich, weshalb
Rilke selbst noch als Verfasser der Duineser Elegien trotz stilistischer
Klassizitat nichts von einem Klassiker haben konnte. Nicht nur fehlte ihm
dazu das Baumeisterliche, die Pose des Stilbildners und Weltarchitekten;
es fehlte ihm auch das homogene, unspaltbare Material. Sein kiinstlerischer
Typus, seine ganze Zeitgenossenschaft, sein asthetisches Arbeits-
verfahren weist, wie es in den Aufaeichnungen des Malte Laurids Brigge
heiBt, in "die Zeit der anderen Auslegung", wenn "kein Wort auf dem
anderen bleiben, und jeder Sinn ... wie Wolken sich auflosen [wird]" (Werke
III 490). Damit ist ein Weg eingeschlagen, der die esoterische
Neuschopfung der Welt im Sinne einer creatio ex nihilo zur unfreiwilligen
Sisyphosaufgabe macht. "Aber bei mir ist es anders", schreibt er am 10.
Dezember 1903 an Lou Andreas-Salome, "gegen alles Ererbte muB ich
feindselig sein und mein Erworbenes ist so gering; ich bin fast ohne Kultur"
( Briefe 1 120f).
Sibylle Becker-Griill, die als erste die Ergebnisse der jungeren
Narzissmusforschung in den Siebzigerjahren fur die Rilke-Interpretation
resiimierte und exemplarisch auf die "Vokabeln seiner Not" (Briefe VI 320)
anwandte, nimmt zurecht an, "daB die Ablehnung der iiberlieferten Welt
der Vater und Mutter eine verstarkte Ausrichtung auf die eigene
ungeordnete Phantasiewelt zur Folge hat und die Gestaltungskraft sich
vor allem an der Artikulation dieses 'eingeborenen Wissens' erprobt. Dies
ware eine zusatzliche Erklarung fur die Kuhnheit der Rilkeschen
Wortschopfungen, sein zeitweiliges Verstummen und sein standiges
Ringen urn Ausdruck" (Becker-Griill 25). Der souverane Weltdeuter, Herd-
ers "Sanger, der vom Olymp kommt" und "Schopfer eines Volkes urn sich"
(zit. n. Wysling 20) gehort unter den Bedingungen seelischer Abhangigkeit
endgiiltig der Vergangenheit an. Dem Dichter, nun Zeit- und Leidens-
genosse par excellence, bleibt nichts anderes ubrig, als — moglichst
niichtern — urn sich selbst zu kreisen, statt eine Welt aus Klagebausteinen
zu schaffen, die ihm den gesuchten Seinsgmnd nicht bieten kann noch
seine eigene seelische Not prazise genug vor Augen fuhrt, geschweige
denn lindern hilft. Nach Lutz Walther, der diese "selbstreferentielle
11
Daseinshaltung" als Derivat der Melancholie beschreibt, "verdeutlicht . . .
die melancholische Selbsterfahrung, die beispielsweise in den Dichtungen
von Gottfried Benn, Rainer Maria Rilke oder Georg Trakl zum Ausdruck
kommt, ein zur reflexiven Schau gewandeltes Leiden am Dasein" ( Walther
25). Wenn auch fur Rilke die Klage (wie die Verzweiflung) das zentrale
Medium dichterischer Initiation und als solches unabdingbare Vor-
aussetzung seines Schaffens ist, so muss sie doch iiberwunden werden
und, wie das Ineinander von elegischem und hymnischem Gestus in den
E/egien asthetisch exemplifiziert, zum "Riihmen" fuhren. Ob man deshalb
im Sinne der biblischen Offenbarungsdialektik von Rilke als "Apokalypse-
Dichter" sprechen kann (Koch 171), lasse ich dahingestellt.
Nietzsche hatte in dem zuerst bewunderten, dann vernichtend
kritisierten Richard Wagner den "Proteus-Charakter der Degenerescenz"
und "modernen Kiinstler par excellence" ausgemacht, "weil nichts
moderner ist als diese Gesammterkrankung, diese Spatheit und
Uberreiztheit der nervosen Maschinerie" (Nietzsche VIII 18). Den Kiinstler
in seiner Sonderform des "Artisten" ordnete er im Willen zur Macht dem
"Neurotisch-Psychiatrischen" zu (Nietzsche XV 4 1 6f. ) und sah seine Arbeit
als Bestreben, die Krankheit zu iiberwinden. In der kompensatorischen
Selbstbespiegelung erreicht auch Rilke in seiner Kunst die fur ihn hochste
und einzige Form der Selbstgewissheit, die er als temporare Seins-
gevvissheit verzeichnen kann. "Das Kunstwerk ist Ausgleich, Gleich-
gewicht, Beruhigung", halt der Autor 1902 fest(SW V606).
Nicht umsonst im Bild der "Fontane", das fur Rilke den gegliickten
Augenblick des Selbst-Besitzes innerhalb der hochprekaren narzisstischen
Daseinsform symbolisiert — "c'est la tienne, / fontaine, qui en toi-meme
retombes" (SW II 530) — , beschreibt er den Charakter der Kunst und ihren
Stellenwert fur ihn selbst: "Das Kunstding kann nichts andern und nichts
verbessern; sowie es einmal da ist, steht es den Menschen nicht anders
als die Natur gegeniiber, in sich erfiillt, mit sich beschaftigt (wie eine
Fontane), also, wenn man es so will, teilnahmslos" (zit. n. Becker-Grull 89).
Dass dies vor allem fur den Augenblick der Entstehung des Kunstwerks
und kaum mehr dariiber hinaus gilt, erklart Heinz Kohut im Rahmen seiner
Kreativitatstheorie:
Im Moment des Schaffens ist das Selbst seiner
narziBtischen Besetzungen beraubt ... die auf das Werk
iibergegangen sind (...) mit dem Ergebnis, dafi das
Selbst vom Schaffenden weder als Urheber oder
Gestalter des Produkts erlebt wird, noch er sich in der
Erinnerung als solchen sieht. (zit. n. Becker-Grull 89)
12
Rilke durchlebt und durchleidet die decadence des Fin-de-Siecle
und damit die Klimax des Biirgerlichen Zeitalters nicht einfach nur als
intellektuell 'Betroffener', sondern als involvierter ICranker, an dessen
paradigmatischem narzisstischen Stoningsprofil sich erahnen lasst, mit
welch enormer Durchschlagskraft die okonomische Pragmatisierung des
Menschenbilds bzw. die Deklassierung der humanen Primarwerte in die
sozialen Lebensvollziige hineinwirkte und die individuelle Entwicklung
vom friihesten Lebensalter an beeintrachtigte. Sein kiinstlerischer
Alleingang ist nicht zuletzi auch symptomatisch fur AusmaB und Charakter
der geistigen, seelischen und sozialen Beziehungsnot der Menschen in
der Zeit der Wende vom 1 9. zum 20. Jahrhundert in Europa bis hinein in die
Zwanzigerjahre. Er geschieht in einer dem 'AuBen' abgetrotzten Innenwelt
als dem Ereignisraum fiir defensive Innerlichkeit, kreative Selbstsuche,
sinnstiftende Fiktion. "Nirgends, Geliebte, wird Welt sein, als innen" ( Werke
II 22 1 ), dichtet Rilke in der Siebenten Elegie und reiBt damit das Problem
der melancholischen Negation an. Der "Weltinnenraum" ist eine Folge der
'auBen' erfahrenen Negation des Selbst samt den darin enthaltenen
Objekten und Weltreprasentationen und gleicht eher einem Notasyl als
einem Refugium. In ihm fiihrt die psychische Realitat der Heimat- und
Mutterlosigkeit zu einem narzisstischen Existenzentwurf, der etwas vom
Versuch einer Ankerung auf hoher See hat: "Jede Heimat wirkt gut und
warm, wie jede Mutter. Ich aber muB doch meine Mutter suchen, nicht
wahr?" (zit. n. Becker-Griill 121; vgl. auch 59-64).
Der typische Rilke-Leser, wenn es ihn je gab und heute noch
gibt, hat selbst eine Geschichte solcher Not und Note in der Verneinung
erlebt, aus der er die Tugend einer mehr oder weniger mondanen
Innerlichkeit machte. Zu ihr gehort der hohe Rang (und Klang) der
Begrifflichkeit, das Wort als Trager eines prekaren und preziosen Sinns. In
ihr wird der Verlust einer Welt der Gemeinsamkeiten und der Kontinuitaten
beklagt, aber nicht aus romantischer Nostalgie heraus, sondern aus dem
Mangel an Selbst- und Seinsgewissheit, der nach Aufgehobenheit in einem
bereits bestehenden Zusammenhang verlangt. Wenn deshalb ein Pfeil
dieses Verlangens in die Vergangenheit zuriickweist, dann vor allem
deshalb, weil das Gewesene 'sicherer' als das Zukiinftige erscheint. "Ich
wiirde so gerne", sagt Make, "unter den Bedeutungen bleiben, die mir lieb
geworden sind, und wenn schon etwas sich verandern muB, so mochte
ich doch wenigstens unter den Hunden leben diirfen, die eine verwandte
Welt haben und dieselben Dinge" (Werke III 490). Auch Hugo von
Hofmannsthal benutzte im vergleichbaren Zusammenhang diese
dramatische Tiermetapher, driickt sie doch die empfundene Inferioritat
ebenso aus wie die erlittene Deprivation und Selbstentfremdung. In der
13
ersten der Terzinen Ober Vergdnglichkeit beklagte er den Selbstverlust
als Folge der Zuriickweisung des Kindlich-Originaren, das einem falschen
Selbst weichen muss:
Dies ist ein Ding, das keiner voll aussinnt,
Und viel zu grauenvoll, als daB man klage:
DaB alles gleitet und voriiberrinnt.
Und daB mein eignes Ich, durch nichts gehemmt,
Heriiberglitt aus einem kleinen Kind
Mir wie ein Hund unheimlich stumm und fremd.
(Hofmannsthall8)
Verganglichkeit wird hier als maximal schneller Ubergang, ja als
Obergangslosigkeit erlebt. Dieser Eindruck entsteht, weil die Re-
prasentanzen des kindlichen Selbst als negative psychische Komplexe
nicht 'zuriickliegen', sondern 'gleichzeitige', als 'fremd' empfundene
Bestandteile der Erwachsenenpersonlichkeit bilden, zu deren Polarisierung
sie beitragen.
Es ist folgerichtig, dass unter solchen Umstanden der
psychischen Labilitat die strukturstarke Form zum Tragenden schlechthin,
ja zur raison d'etre des Rilke'schen Werks wird. In der Raffinesse ihrer
weitgespannten Architekturen und Zyklen, aber auch im Ringen um
asthetische Gefalligkeit wird dieses Bedurfnis nach Stabilitat und nach
eigener "Welt" sichtbar, gleichzeitig wird aber auch deren Fragilitat zum
artistischen Ereignis. Im kunstvollen poetischen Kuppelbau, im
feingestimmten Zusammenklang der Worter schafft er auf der einen Seite
ein strukturbetontes Gegenbild zur Zerbrechlichkeit der virtuellen Existenz
bzw. der Existenzform der Selbstfiktion; auf der anderen Seite hebt er durch
die hohe Kunstlichkeit seiner Konstruktionen diese Zerbrechlichkeit gerade
hervor und lasst den Leser an der Angst vor dem Einsturz teilhaben. Im
Bild (und Gedicht) der "Romischen Fontane" wird der gravitatische Fall
symbolisch (und asthetisch) zur naturgesetzlichen Gegenbewegung des
Aufstiegs und damit Bestandteil dieses kunstvollen Balanceaktes. Das
Kunstwerk muss dem Kunstler durch seine artistische Integritat die
verdrangte Not des Unbewussten dem schopferischen Bewusstsein
zurtickgewinnen helfen, d.h. es muss die zerstorerischen Krafte in sich
aufnehmen, um sie zu bannen, dem bedrohlich Hervorbrechenden also im
selben Masse Bahn brechen, wie es dieses eindammt. In den mannigfaltigen
Schwierigkeiten dieser Gratwanderung liegt gewiss die Anfechtbarkeit
schopferischer Prozesse iiberhaupt begriindet; insbesondere durfte darin
der Hauptgrund liegen, weshalb Rilke nach den iiberwiegend 1908/9
entstandenen und 1910 erschienenen Aufzeichmmgen des Malte Laurids
Brigge in eine funfjahrige Schaffenskrise stiirzt, die sich ab 1915 fur weitere
14
sieben Jahre zu einem regelrechten writer s block verscharft. In diesen
insgesamt 12 Jahren reiBt der ohnehin diinne Faden, aus dem seine
poetischen Kokons gesponnen sind, sehr viel haufiger noch ab als sonst
im Leben des Autors. der fortwahrend urn die Legimitat seines Dichterseins
ringt.
Immer wenn es um den Andrang des Unbewussten und dessen
Gestaltung in einer Kunstform geht, ist das Scheitern gewissermalten
vorprogrammiert, weil dieser Vorgang einerseits der optimalen Modera-
tion (im Wortsinne), andererseits aber auch der optimalen Selbstdynamik
bedarf. Der freie Ausfluss dart nicht in Konflikt zur formalen Kanalisierung
und inhaltlichen Modellierung geraten und umgekehrt. Tiefen-
psychologisch gesprochen, muss das Verhaltnis von Es und Ober-lch
zugunsten des Es korrigiert werden, ohne dass dieses im schopferischen
Akt iibermachtig wird. Kunstvverke gleichen so Akrobatiknummern. die
von hochster Korperbeherrschung und hochster motorischer Freiheit (als
Lockerheit) gleichzeitig zeugen. Dieser Vergleich aber hinkt in mindestens
einer Beziehung: die Akrobatiknummer ist in dieser Form vorgeiibt, das
individuelle Kunstwerk nicht. Dazu kommt, dass der Akrobat den Effekt
seiner Vorfuhrung berechnen kann: je schwieriger. heikler, gewagter desto
spektakularer und erfolgreicher. Fur den Kunstler gilt das Gegenteil: er
muss zwar auch die Schwierigkeit hinter Eleganz verstecken, aber er muss
daruber hinaus dem Schwierigen auch noch den Anschein des Einfachen,
ja Selbstverstandlichen, Nicht-Spektakularen geben. So sehr man ihnen
die darin iiberstandene Gefahr noch anmerken darf — "Kunstdinge sind ja
immer Ergebnisse des in Gefahrgewesen-Seins" (Briefe Cezanne 9) — , so
sehr rnussen sie von der Fahigkeit zeugen, sie zu uberwinden oder
zumindest ihrer Herr zu sein. Wenn die seelische Not einem Kunstler wie
Rilke gebietet, "Dinge zu machen aus Angst" (Briefe I 97f.), dann muss,
schon als Voraussetzung der Entstehung des Kunstwerks, die Agonie
dieser Angst zugunsten ihrer Durcharbeitung und Bewaltigung in den
Hintergrund treten.
Mission Muzot
"Ach, der zu wissen begann / und schweigt nun, ausgesetzt auf
den Bergen des Herzens" (Werke II 1 16). schreibt er 19 14 in Irschenhausen.
Das Bild der Aussetzung signalisiert Hilflosigkeit, Angst und seelische
Grausamkeit gleichzeitig. Odipus kommt in den Sinn, den sein Vater als
Saugling auf dem Berg Kithairon aussetzen lieB, um die Weissagung des
delphischen Orakels zu entkraften, der Sohn wiirde ihn umbringen und die
Mutter heiraten. Wenn der Alitor schreibt, die "letzte Ortschaft der Worte"
15
(Werke II 1 1 5) liege unter ihm, dann haben wir hier zusammen mit dem Bild
der Aussetzung ein poetisches Indiz fur den sprachlichen Anteil am
Unbewussten bzw. die Ohnmacht in der Not des Selbstverstehens, wie
dieses durch Verdrangung auf der psychologischen und Tabus auf der
soziokulturellen Ebene behindert oder verhindert werden kann, wobei
menschliche Isolation das — paradoxerweise mit Worten besiegelte —
'Schweigen' natiirlich verstarkt. Rilkes Selbstverstandnis als Dichter ist in
dem Augenblick fragwt'irdig geworden, wo sich ihm die Notwendigkeit vor
Augen stellt, so tief in sich hineinzusehen, bis er eine Sprache fur die
Zerstorung findet, die im September 1914 nicht mehr nur innen, sondem
immer mehr auch auBen wiitet. Intuitiv richtig nimmt er diesen
Zusammenhang wahr, wenn er seine sich zuspitzenden Schreibhemmungen
schlieBlich auf die deprimierenden Erfahrungen wahrend des Ersten
Weltkriegs zuriickfuhrt.
Im Selbstbildnis aus dem Jahre 1906 schrieb noch der
DreiBigjahrige, er habe von sich den Eindruck, "als ware mit zerstreuten
Dingen / von fern ein Ernstes, Wirkliches geplant" (Werke 1 484), und auch
im Malte formuliert die Titelfigur, ein j Linger danischer Dichter, die
Auffassung, er wiirde von langer Hand als eine Art Schreibgerat benutzt:
"Aber diesmal werde ich geschrieben werden" (Werke III 490). Erst wieder
1922 wird diese Selbststilisierung als Symptom eines Durchbruchs
vernehmbar, ja steigert sich zu einer Art Sendungsbewusstsein. In den
Stemstunden der 3 lA Wochen zwischen dem 2. und 26. Februar dieses
Jahres, bald nach seinem 46. Geburtstag, schrieb bzw. vollendete er sechs
der zehn Duineser Elegien und verfasste die 55 Sonette an Orpheus nebst
einer Reihe sehr weit gediehener Entwiirfe, eine eruptive Leistung, mit der
Rilke nach all den Schweige- und Krisenjahren kaum mehr und im Fall der
Sonette, mit denen diese Schaffensphase beginnt und die er spater lange
unterschatzte, gar nicht gerechnet hatte. In dem 1921 bezogenen
Turmzimmer des abgelegenen Schlosses Muzot in der Schweiz, dem letzten
von unzahligen Orten und Wohnsitzen dieses Heimatlosen, glaubt er
Signale aus dem Weltraum zu empfangen, so sehr unterliegt er dem Eindruck
einer Steuerung von fremder Hand oder Macht bzw. drangt sich ihm der
Eindruck der Empfangsbereitschaft vorbereiteter Sensoren auf. Er ist jetzt
mit sich und seiner Sendung einig, er nutzt den schmalen Grat zum Blick in
die Abgriinde seiner Seele und er geniesst in dieser Exponiertheit das ihn
sichernde Instrument seiner virtuos beherrschten Muttersprache.
Der lange Kreativitatsstau als solcher reicht als Erklarung fur
diesen spaten Durchbruch nicht aus. Blockaden des schopferischen
Prozesses losen sich oft dann, wenn Subjekt und Sujet wieder
ubereinstimmen, wenn also neben der Form eine Mythologie gefunden
ist, die das komplexe Unbewusste (und die unbewussten 'Komplexe') zu
16
inszenieren erlaubt. Wenn zudem das Eigene sich in einem —
archetypischen — Modell wiedererkennt und dann eine Dynamik entsteht,
in welcher Sprachlogik und 'Gefuhlslogik' iibereinstimmen, kann der
Eindruck des 'iiberindividuell Richtigen' und 'kollektiv Bedeutsamen'
entstehen, die Voraussetzung fur schopferisches Arbeiten iiberhaupt.
Wenn Kafka sagt, nur bei volliger Offnung des Leibes und der Seele konne
geschrieben werden, dann meint er genau das. Rilke formuliert es ahnlich,
wenn er sagt: "Denn ich fuhle ... wie fur mich Alles (bis in die feinsten
Vorbedingungen meiner kiinstlerischen Betatigung hinein) daran liegt, die
Spuren meines eigenen Daseins . . . mir nicht verwischen zu lassen" (Briefe
Sizzo 111). Nur die von innen kommenden Bilder konnen als Spiegel erlebt
werden. Kunsttauglich erscheinen sie dann, wenn sie an einem kulturellen
Grundstrom teilhaben, der 'von alleine tragf. Ob es nur diese dann
vorhandene Koinzidenz von Stoff und Stimme(n) oder mehr als das oder
aber etwas ganz anderes war, was bei Rilke aus-losend wirkte, lasst sich
nur mit sorgfaltigem Blick auf das Werk, inbesondere natiirlich diese beiden
letzten der grossen Zyklen einkreisen, mit denen das deutschsprachige
Hauptwerk Rilkes seinen Zenit erreicht.
Der Erste Teil des Orpheuszyklus entsteht als Auftakt ganz am
Anfang dieser schopferischen Eruption, namlich in den 4 Tagen vom 2. bis
zum 5. Februar: 26 vollendete Gedichte im gelosten Ton von hochster
Eleganz, die sich nacheinander das Stichwort geben. Lediglich 3 davon
werden als Nachziigler wenig spater geschrieben bzw. spater vollendet.
Am 7. Februar schreibt Rilke die Siebente Elegie (mit einem Nachspiel am
26.2.), am 7. und 8. Februar die Achte, am 9. den seit Marz 1912 noch
fehlenden uberwiegenden Teil der Neunten und Schluss der Sechsten
Elegie — nebenbei eine erstaunliche Ubereinstimmung von Werknummern
und Kalenderdaten. Am 1 1 . dichtet er dann die letzte (und langste) Zehnte
Elegie fast komplett neu, und nun fehlt nur noch die Fiinfte. nachdem die
ersten vier bereits in den Jahren 1912-15 entstanden waren und keinen
Anlass zur Uberarbeitung boten. Diese folgt dann als zeitlich letzte am 14.
Februar 1922, dem Tag, bevor Rilke bereits mit der Arbeit am Zweiten Teil
der Sonette beginnt (diesmal werden es 29), die etwas iiber eine Woche
spater am 23. 2. beendet sein wird. So geht die Produktion beider Zyklen
nahtlos ineinander iiber, Verzahnungen finden nur in den erwahnten
Nachzuglerfallen der 3 Sonette des Ersten Teils statt.
Das Thema der Orpheusgedichte ist die Dichtung, ein Autor kreist
um sich selbst und findet zum elegischen Ton (zuriick). Das Thema Dichtung
wird in die Elegien mitgenommen bzw. aus den schon vorhandenen Elegien
in die Orpheus-Sonette des Ersten Teils getragen. Das letzte Wort dieser
Phase haben entstehungsgeschichtlich die Sonette des Zweiten Teils.
Und es ist eine Art Vermachtniswort. Denn Tatsache ist. dass Rilke danach
17
bis zu seinem Todesjahr 1 926 zwar noch bedeutende Gedichte in deutscher
Sprache schuf, aber doch uberwiegend in franzosischer Sprache dichtete,
und das wieder im AusmaB mehrerer Zyklen, so dass man von einem ganz
neuen, ganz anderen Werkabschnitt sprechen muss. Das deutschsprachige
Spatwerk der letzten 4 Jahre ist verhaltnismaBig schmal, ein Teil bleibt
iiberdies im Entwurfsstadium. Mit Recht kann man daher diese "lyrischen
Summen", wie der Autor die Sonette an Orpheus und die Duineser Elegien
selbst nannte, als Schlusswort zu seiner Poetologie, als seine letzte
Dichtung iiber Dichtung, bezeichnen.
Der Interpret darf also mit einer Bilanz, einem Testament, einer
Art Tetztem Streichquartetf rechnen, vielleicht aber auch mit einem
pompos inszenierten literarischen Selbstmord. Der Psychologe rechnet
mit einer Selbstdurcharbeitung in Bildern, zu der nun endlich die Form, die
Rhetorik und womoglich eine grossere Uber-Ich-Toleranz bereitstehn. Ein
Werk solcher GroBenordnung in solch kurzer Entstehungszeit ist nur
moglich, wenn Ohr, Mund, Seele und Intellekt kommunizieren, ohne dass
nur der leiseste Zweifel an der ' Abbildtreue' des Geschaffenen aufkommt
(weshalb Kafka auch zur Bezeichnung des schlechterdings Gelungenen
das Wort "zweifellos" verwendete). Der Selbstausdruckswert dieser
Gedichte war fur Rilke enorm hoch. Mit fast ehrfurchtiger Scheu z.B. spricht
er in einem Brief an Grafin Sizzo von den Sonetten an Orpheus und nennt
sie "ein im letzten Gehorsam geleisteter effort" (Briefe Sizzo 68).
Was aber macht gerade diesen St off, den Rilke bereits in dem
Gedicht Orpheus. Eurydike. Hermes von 1904 bearbeitet hatte, zum
geeigneten Mittel, die langjahrige Schreibblockade zu durchbrechen? Dass
er — oder dass es in ihm — uberhaupt an der Losung der Blockade arbeitete,
zeigt sich bereits am Gegenstand: Orpheus, seit der Antike, vor allem der
romischen mit Horaz als einflussreichstem Multiplikator, europaweit der
Inbegriff des lyrischen Dichters und Sangers, ja der Musik schlechthin,
gelingt es mit seinem Gesang und Spiel auf der Kithara Pflanzen und Tiere
zu bezaubern. Baume treten auf ihn zu, Fische versammeln sich und
lauschen, sogar Steine werden bewegt. Als seine Frau Eurydike nach einem
Schlangenbiss stirbt, folgt Orpheus ihr in die Unterwelt und kann Hades
durch seinen Gesang erweichen, sie freizugeben, unter der Bedingung
allerdings, dass Orpheus ihr in die Oberwelt vorangehe, ohne sich nach
ihr umzusehen. Bekanntlich wird dann seine Sehnsucht (oder Ungewissheit
— oder Ungeduld) groBer als sein Wille, und er verliert sie fur immer an das
Reich des Hades.
Die ersten und gleichzeitig fruhesten Sonette der Orpheus-
dichtung, die den Schaffensreigen eroffnen, preisen den "Gesang" als
grossen Verwandler und Anverwandler, den das Prinzip der creatio mit
aller Kreatur verbindet bzw. den die elementarische Verbindung mit aller
18
Kreatur zum kreativen Schopfertum bestimmt. Im Medium von "AtenT,
"Luften", "Wind" — nicht umsonst dem Medium der Psyche, denn das
altgriechische Wort bedeutet eben dies: ' Atem' und 'Hauch' — teilt er das
Los alles Lebendigen und Verganglichen, so dass die Formel gelten kann:
"Gesang ist Dasein" (Werke II 242). Ihm, dem Sohn des Sonnengottes
Apollon, wie er trotz seiner Herkunft vom thrakischen Flussgott Oiagros
und der Muse Kalliope genannt wurde, kommt die Rolle des alles von
innen Erfiihlenden zu, der die Erscheinungswelt — alles, was unter der
Sonne ist — von ihren Wurzeln bzw. ihrer Essenz her versteht. Der Dichter-
Phanomenologe gewinnt daraus, wie bereits fiber 1 5 Jahre davor aus Anlass
des "Ding-Gedichts" in den Nenen Gedichten, die Poetologie des Singens
als eines am Sein der Dinge teilhabenden und sie gleichsam von innen
verstehenden "Riihmens" des Kreatiirlichen, das ihn seine eigene Identitat
nahezu aufgeben lasst. Dass dies im Medium des "Atems" geschieht,
verpflichtet existenziell wie asthetisch zu Leichtigkeit und Transparenz,
denn ausgerechnet im materiell Zuruckgenommenen, Schwindenden driickt
sich die Quintessenz des Lebendigen aus, das doch, wie Rilke von
Schopenhauer weiB, im Tod sein Ziel und seine Erfullung findet. Aus
diesem Paradox schopft er das Prinzip der Verwesentlichung durch
Entstofflichung: "In Wahrheit singen, ist ein andrer Hauch. / Ein Hauch
urn nichts" (Werke II 242).
Erst mit diesem Prinzip, das ist nun entscheidend, wachst der
Kunst das pathographische Instrumentarium zu, das sie befahigt, dkLeere
des Selbst, welche psychodynamisch die Illusion der Fulle, ja der
Omnipotenz als AbwehrmaBnahme einschlieBt, deren Nichts also nach
dem Alles verlangt, adaquat widerzuspiegeln. Becker-Griill hat diesem
Zusammenhang erstmals selbstpsychologische Oberlegungen gewidmet,
die erhellen, wie im biographischen Kontext der Mutterentbehrung und
der daraus erwachsenen narzisstischen Mangelkonstellation im Werk Rilkes
die Leere zum "Symbol hochsterDaseinsfulIe" wird( Becker-Griill 83). Dies
geschieht nicht einfach nur durch dialektischen Umschlag, wie er in der
Psychodynamik des Grossenselbst angelegt ist, sondern durch eine posi-
tive Funktionalisierung des "Schrecklichen" als Bewaltigungsaufgabe und
Mittelzur Kunst:
Es kann im Schrecklichen nichts so Absagendes und
Verneinendes geben, daB nicht die multiple Aktion
kiinstlerischer Bewaltigung es mit einem groBen
positiven UberschuB zuriicklieBe, als ein Dasein-
Aussagendes, Sein-Wollendes: als einen Engel. (Briefe
IV 74)
19
Dabei wirkt die erfahrene Leere des Selbst (das nicht vorhandene
Selbstgefuhl) als Induktionszentrum utopischer Sehnsiichte. Im Gedicht
Shawl vom Oktober 1923 ist analog zum "Engel" von der "Jungfrau" die
Rede. Nunmehr wird die "Leere", ganz zen-buddhistisch, aber auch ihrem
psychodynamischen Stellenwert als Antriebszentrum entsprechend, zur
"Mitte". Psychische Ursache (Leere des Selbst) und Wirkung (ver-
schwenderische Utopiebildung) fallen gewissermaBen zusammen. Die 'leere
Mitte' (vvie iibrigens auch das Terrain des Kaiserpalastes in Tokyo genannt
wird) erhalt vvie bei einem Holzschnitt aus Mangel an eigener Materialitat
Kontur von auBen, durch das umschlieBende Milieu der (kiinstlerischen)
Utopietatigkeit.
Wie, fur die Jungfrau, dem, der vor ihr kniet, die Namen
zustiirzen unerhort: Stern, Quelle, Rose, Haus,
und wie er immer weiB, je mehr der Namen kamen,
es reicht kein Name je fur ihr Bedeuten aus —
... so, wahrend du sie siehst, die leichthin ausgespannte
Mitte des Kaschmirshawls, die aus dem Blumensaum
sich schwarz eraeut und klart in ihres Rahmens Kante
und einen reinen Raum schafft fur den Raum . . . :
erfahrst du dies: daB Namen sich an ihr
endlos verschwenden: denn sie ist die Mitte.
wie es auch sei, das Muster unserer Schritte,
um eine solche Leere wandeln wir. (Werke II 293)
Der Dichter lehnt hier obendrein wie bereits auch in dem um die
Jahrhundertwende entstandenen Stundenbuch an der Tradition der
christlichen Mystik an, etwa eines Angelus Silesius oder Meister Eckehart.
Das fur die unio mystica vorausgesetzte 'Entwerden' des Glaubigen, sein
Eigentlichwerden und Eigenschaftsloswerden wird auch zum Ideal der
Dichtung, wenn sie wie hier in den Dienst der "Wahrheit" (Werke II 242)
bzw. des "giiltigen Bilds" (Werke II 243) gestellt wird und wenn ihre
Aufgabe keine geringere sein soil als 'dazusein'. Im eisigen Nirgendwo
der Utopie des ' wahren' Singens scheint sich dessen Affinitat zur Leere zu
erweisen, wahrend der utopische Bildgehalt selber diese abwehren soil.
Beides zusammen charakterisiert die Ausgangslage: die Grundspannung
des Dichters, der im "Zwiespalt" mit sich selbst lebt und durch seine
Dichtung versucht, 'wahr', d.h. ganz, heil zu sein. Im Sonett III heiBt es:
20
Ein Gott vermags. Wie aber, sag mir, soil
ein Mann ihm folgen durch die schmale Leier?
Sein Sinn ist Zwiespalt. An der Kreuzung zweier
Herzwege steht kein Tempel fur Apoll. (Werke II 242)
Zwiespalt, Selbstentzweiung: ein Hinweis auf die dissoziierte Seele, deren
Teile aufgehort haben miteinander harmonisch zu kommunizieren. Hier
wird die vorausgegangene, die chronische Krise beim Wort genannt, eine
der Voraussetzungen, weshalb der Alitor sich iiberhaupt wieder
kiinstlerisch aussprechen kann. Er sucht einen Ausweg aus der Krise,
indem er sich ihr stellt, sie zum Thema macht und dabei eine ebenso
mythische wie mystische Schicksalhaftigkeit zur identifikatorischen
GroBenfigur macht, die zugleich indessen Kontrastfolie ist. So lasst sich
(ichpsychologisch) im neuerlichen Vertrauen auf die Sublimierungskraft
der kiinstlerischen Arbeit bzw. (selbstpsychologisch) in deren
Neubesetzung als narzisstischer Kompensationshandlung — Kunst als
Obergangsobjekt bzw. -phanomen im Sinne Donald W. Winnicotts — der
Wille zu einem selbsttherapeutisch motivierten Krisenmanagement
erkennen.
Warum der Weg dazu blockiert war, verrat der Sprecher dieser
Strophe, wenn er erkennen lasst, dass er von sich urspriinglich mehr
erwartete als eine Leidens- und Konfliktbeschreibung. Doch erwies sich
jener Anspruch an die Dichtung, "emphatische" oder "esoterische
Sinnstiftung" (Schmidt 22 If.) zu sein, als viel zu hoch angesetzt. Der
Denkfigur der Orpheus-Adaption wohnt hingegen jetzt als heilsam
integraler Bestandteil die Moglichkeit inne, die (psychische) Realitat des
Nichts-Seins oder 'Leer'-Seins mit dem grandiosen (Ich-)Ideal des Alles-
Seins widerspruchslos zu verbinden. Das fragile Zugleich von Alles und
Nichts, Fiille und Leere macht die Kunst fur Rilke nur noch scheinbar zu
einem Paradox, darin der Konstruktion einer Seifenblase vergleichbar, wie
er sie im Todesjahr in formelhafter Umschreibung seiner spaten
Kunsttheorie als "fruit rond du neant" (Briefe II 728) bezeichnet. Ist hier
psychologisch nicht auch eine Diffusion der Sehnsucht geleistet, die von
der idealisierten Mutter-Imago wegfuhrt? Wenn er in einem Brief am 12.
April 1 923 fragt: "... ist es nicht irgendwie ein Werk der Miitterlichkeit, so
in den Kontrasten des eigenen Wesens herumgefuhrt zu sein?" (zit. n.
Becker-Grull 84), dann darf man vielleicht schon in der metaphorischen
Abstraktion, die in dem diffusen "irgendwie" noch gesteigert erscheint,
ein Zeichen der Durcharbeitung der atiologischenp/v'wa causa und somit
einen Ansatz zur psychischen Neuorganisation erkennen.
21
Doch lasst sich inhaltlich noch etwas genauer bestimmen, was
die Utopie der 'leeren Mitte' qualitativ ist und was ihre integrative
(depolarisierende) Wirkung auf die Psyche ausmacht. Im Sonett II, einem
der schonsten und dunkelsten des Orpheus-Zyklus, spricht ein mannliches
Dichter-Ich, ohne einen Namen zu nennen, von einer weiblichen Gestalt,
die der Leser als Eurydike identifiziert, die ja trotz — Rilke wiirde jetzt in
signifikanter Abwandlung des Mythos sagen: wegen — der lebens-
spendenden Kraft des Gesangs im Reich des Hades verbleiben muss. "Sie
schlief die Welt", heiBt es von ihr in einer Fiigung, die dem Schlaf eine
aktive, ja produktive Bedeutung zumisst. Der Sanger fragt Orpheus — und
er pointiert dabei das Ende, den Ausgang des Mythos, den wir gewohnt
sind, tragisch zu lesen — : "wie hast / du sie vollendet, daB sie nicht begehrte,
/ erst wach zu sein?" (Werke II 241). In dieser Kontrafaktur erscheint,
ahnlich wie in dem fruheren Orpheus-Gedicht von 1904, Eurydikes
Ruckkehr in die Unterwelt iiberraschend als positive, selbstgewahlte
Wendung, ja als gliickliches Ende: als 'Vollendung'. Weil "sie nicht
begehrte, / erst wach zu sein", hat sie das bessere Los, namlich das der
Unterwelt, gezogen. In der Charakterisierung als "ein Madchen fast" (Werke
1 1 24 1 ) erscheint sie uns nun entweder regressi v verj iingt oder aber bereits
in eine Art Allwesen transsubstanziiert. Jochen Schmidt spricht von einer
Eurydike, "die gewissermaBen nur noch virtuell (»fast«) und praexistentiell
Eurydike ist" (Schmidt 236). In jedem Fall handelt es sich, wenn nicht gar
um eine monadische Daseinsform, so doch um einen Zustand diesseits
oder jenseits des individuierten Bewussteins oder doch zumindest um
einen Personlichkeitsstatus, bei dem das Unbewusste sich noch nicht
oder nicht mehr im Gegensatz zum Bewussten befindet, weil es entweder
nicht virulent ist (wie im Schlaf) oder aber mit dem Ich versohnt ist. Die
nicht umsonst ins Namenlose typisierte ehemalige oder zukiinftige
Eurydike — "ein Madchen fast", heiBt es dann noch einmal kyklisch am
Ende des Sonetts — hat das onto- und phylogenetische Aufsteigen ins
Bewusstsein hinter sich oder noch vor sich bzw. muss ihn als monadisches
Wesen gar nicht erst durchlaufen. Pointiert man die Abwesenheit der
Bewusstseinsgegensatze und damit der psychischen Konfliktspannungen
im Kontext der Philosophic Schopenhauers, dann hat diese Namenlose in
der Aufhebung ihrer Selbst (und Depolarisierung Hires Selbst) das Ziel
des Lebens mustergiiltig erreicht, und zwar dank Orpheus und dessen
menschlicher Schwache, jener elegischen Sehnsucht, derentwegen er sich
nach Eurydike umdreht.
22
Schlaf, Traum, Bewusstsein: das ist romantisches Motiv-Inventar,
in dem sich wie mehr als 100 Jahre davor die Last des 'ungliicklichen
Bewusstseins' ausdruckt. Gleichzeitig ist es, in Verlangerung der Linie
von Novalis — Schopenhauer — Nietzsche, das Vokabular der modernen
Psychologic in dem die Fakten der Bewusstseinsdissoziation einem neuen
Menschenbild Vorschub leisten und neue Anspriiche an die seelische
Gesundheit formulieren. Psychoanalytisch bewandert, wie Rilke war — er
kannte Freud personlich durch Lou Andreas-Salome — , mochte er dessen
Metapsychologische Ergdnzung zur Traumlehre gekannt haben. In dem
Aufsatz, der erstmals im IV. Band der lntemationalen Zeitschrifi fiir
Pschoanatyse 1916/17 erschien. konnte er lesen:
Das Schlafen ist somatisch eine Reaktivierung des
Aufenthalts im Mutterleibe mit der Erfullung der
Bedingungen von Ruhelage, Warme und Reizabhaltung;
ja viele Menschen nehmen im Schlafe die fotale
Korperhaltung wieder ein. Der psychische Zustand der
Schlafenden charakterisiert sich durch nahezu vollige
Zuriickziehung aus der Welt der Umgebung und
Einstellung alles Interesses fur sie. (Freud V 520)
Im Weiteren ftihrt Freud an dieser Stelle aus, dass im Schlaf die
Libido auf eine untere Ebene des Primarnarzissmus regrediert und damit
auf ein archaisches Niveau der Ich-Entgrenzung. Wenn Rilke mit dem
Schlaf-Motiv die Sehnsucht nach einer vorbewussten, vor-individuellen
Weltteilhabe assoziiert, durch welche die Dinge quasi von innen er-fiihlt
werden konnen: "... diese / fuhlbare Feme, die gefuhlte Wiese. . ." ( Werke
II 241), dann klingt eben dieser primitive Narzissmus an, in dem Ich und
Welt, Subjekt und Objekt im Wesentlichen noch eins sind. Und natiirlich
macht sich der von Schopenhauer prafigurierte, von Freud mJenseits des
Lustprinzips von 1920 konstatierte "Ich(Todes-)trieb" geltend, jener
Antrieb, den Freud dem "Sexual(Lebens-)trieb" entgegensetzt (Freud VI
234). In Analogie zum Thanatos-Motiv ist es nun das Freud'sche
"Nirwanaprinzip" (Freud VI 248), das in Rilkes Deutung die finale
Eigendynamik des Orpheus-Mythos und die 'Vollendung, Eurydikes zu
regieren scheint: die Tendenz der Psyche, Reizspannungen zu reduzieren
oder aufzuheben gemaB dem Bestreben alles Lebenden, zum anorganischen
Urzustand zuriickzukehren:
23
Irgend einmal wurden in unbelebter Materie durch eine
noch ganz unvorstellbare Krafteinwirkung die
Eigenschaften des Lebenden erweckt. Vielleicht war es
ein Vorgang, vorbildlich ahnlich jenem anderen, der in
einer gewissen Schicht der lebenden Materie spater das
Bewusstsein entstehen lieB. Die damals entstandene
Spannung in dem vorhin unbelebten Stoff trachtete
danach sich abzugleichen; es war der erste Trieb
gegeben, der, zum Leblosen zuruckzukehren. (Freud VI
228)
Im Ganzen ist das also ein Zustand, in dem die Welt der
Erscheinungen und das Ich (als transformiertes Bewusstsein) eine
elementarische Einheit bilden. 1m Sonett XIV des Zweiten Teils dieses
Zyklus wird das Bild des Schlafes wieder aufgenommen. Dort ist vom
"innigen Schlafen ... tief mit den Dingen" (Werke II 264) die Rede als
Ausdrack tiefster Innerlichkeit und des Versenkens in die organische, ja
sogar anorganische Wesenheit der Dinge, die ja kein storendes
Bewusstsein haben. Der Schlaf, das ist ein Ruhen bei den Toten, "die bei
den Wurzeln schlafen". Er ist auch ein Zustand der schonenden Passivitat,
der den Dingen in ihrer Autonomic keine Beschwerung zumutet:
Alles will schweben. Da gehn wir umher wie Beschwerer,
legen auf alles tins selbst, vom Gewichte entziickt;
o was sind wir den Dingen fur zehrende Lehrer,
weil ihnen ewige Kindheit gliickt. (Werke II 264)
Der Schlaf generell auch als urmutterlich-symbiotisches Einssein
mit der Welt: Rilke hat sein Leben lang "Kindheit" als den wahreren
Zustand, das urspriinglichere Sein gepriesen. "Als Kind", schreibt er in
der Achten Elegie, "verliert sich eins im Stilln an dies und wird / geriittelt"
(Werke II 224) — denn das junge, vor allem das vor-individuelle Kind hat
noch keine oder keine festgezogenen Ich-Grenzen, es lebt im Hier und
Jetzt, in der Obereinstimmung mit der Welt und im Verein mit den Dingen,
ja es ist in seiner Unabgeschlossenheit den Dingen ein wesensverwandter
Gefahrte, steht der Objektwelt also noch nicht "gegenuber" und sieht
"hinaus", statt "daB es riickwarts / Gestaltung sehe, nicht das Offne, das|
im Tiergesicht so tief ist." (ebd.) Das — ideale oder eben sehr junge — Kind
"handelt" noch in der Welt, interagiert mit den Dingen, statt nur
"Zuschauer" zu sein, es vermag noch wirklich hierzusein.
DerAusruf'Hiersein ist herrlich" (Werke II 221)dergleichzeitig
entstandenen Siebenten Elegie nennt diese naive Seinsfreude dann
24
expresses verbis beim Namen unci kontrastiert sie mit dem, was Zeit und
Geist in der Personalunion des "Zeitgeists" (Werke II 222) bewirkt haben:
die Verlegung der Welt ins kiinstliche Medium des Bewusstsein, ihr
zunehmendes Abstraktwerden im "erdachten Gebild" (Werke 1 1 22 1 ), die
Ausniichterung der Gefuhle, die als "des Herzens Verschwendung" immer
"heimlicher" eingespart werden:
Und immer geringer
schwindet das Aufien. Wo einmal ein dauemdes Hauswar,
schlagt sich erdachtes Gebild vor, quer, zu Erdenklichem
vollig gehorig, als stand es noch ganz im Gehirne.
Weite Speicher der Kraft schafft sich der Zeitgeist, gestaltlos
wie der spannende Drang, den er aus allem gewinnt.
Tempel kennt er nicht mehr. Diese, des Herzens, Verschwendung
sparen wir heimlicher ein. (Werke II 222)
Hier wird letztlich nichts anderes beschrieben als das, was Max
Weber die "Entzauberung" der Welt nannte, ein Begriff, den spater
Horkheimer und Adorno in der Dialektik der Aufldarung aufgriffen. Der
Klagende bringt eine der Ursachen dessen, was er als Seinsverlust
empfindet, auf den Punkt: die rationale Verinnerlichung und damit
Medialisierung der Welt zum geistigen Bild, ihre Substituierung durch
symbolische Abstraktion. Die Kunst soil und kann dem entgegenwirken,
indem sie zwischen Subjekt und Objekt vermittelt. In Nachahmung der
kindlichen Fantasiewelt, die Winnicott im 'intermediaren, Bereich zwischen
AuBen- und Innenwelt ansiedelt, wo Autonomic (Gestaltungsprinzip) und
Abhangigkeit (Realitatsprinzip) sich die Waage halten, ist sie, wie in der
Vierten Elegie die Kinder, "mit Dauerndem vergniigt", dem schicksalhaften
"reinen Vorgang":
Und waren doch, in unserem Alleingehen,
mit Dauerndem vergniigt und standen da
im Zwischenraume zwischen Welt und Spielzeug,
an einer Stelle, die seit Anbeginn
gegriindet war fur einen reinen Vorgang. (Werke II 2 1 3)
Dass Rilke fortwahrend an die Kindheit gemahnt, zeigt nur, dass er den
Zeitraum, in dem die "Anfanger der Welt" (SW II 1 070) Erben einer Kultur
werden, stets vor Augen hat. Wenn er in diesem Zusammenhang von friih
"Enterbten" spricht, dann meint er mit dem versagten Erbe indes weniger
die konkrete Kultur als vielmehr eine iibergeordnete kosmische Kontinuitat
in dem Sinne, wie sie der neuromantischen Lebensphilosophie vor Augen
steht: als groBe Ganzheit der Natur.
25
Urn diesen Gedanken im Rahmen der uns hier begegnenden
Psychopathologie besser wiirdigen zu konnen, scheint es mir heuristisch
erhellend, auf den Begriff des Naturkontinuums hinzuweisen, wie ihn die
Kulturanthropologin Jean Liedloff (Liedloff 1991) gepragt hat, und
gleichzeitig die These zu formulieren, dass Rilke seine eigenen
Deprivationserfahrungen auch kulturkritisch gewichtet und damit — wie
Liedloff — der soziokulturellen Bedingtheit des 'unglucklichen
Bewusstseins' empirisch Rechnung tragt. Fur Liedloff ist der phylo- wie
ontogenetische Entwicklungsweg des Menschen nicht grundsatzlich und
nicht notwendig mit dem Verlassen des Naturkontinuums verbunden. Auch
wenn dieser durch seinen Intellekt in gewissem Umfang die Wahl hat,
seinen Ort ausserhalb dieses Kontinuums zu bestimmen und dadurch
sich, anderen und den Naturdingen zu schaden, so bedeutet dieses
'Gegenuberstehen' allein noch nicht notwendig auch die Entfremdung
von der Natur. Diese ist aus kulturanthropologischer Sicht nicht so sehr
eine Folge der Bewusstseinsindividuation als solcher, sondern resultiert
vielmehr aus dem Nachlassen der menschlichen Bindungskrafte und
Fiirsorgeintensitat als Garanten einer qualitativ vollstandigen Regenera-
tion.
Besonders schwerwiegend, so sekundiert die Narzissmus-
forschung von Kohut bis heute, ist dabei das Vorenthalten oder
Einschranken von nachhaltigen Symbiose- oder Ubereinstimmungs-
erfahrungen in der friihen Kindheit als indirekte Folge von Umlenkungen
der sozialen Strategien und Energien auf okonomische Funktionen und
Ziele. Das Kind erfahrt durch die Untersattigung (wie auch durch
Ubersattigung) seines Narzissmus zu wenig Ur- und Selbstvertrauen und
kann sich in keinem gesicherten regenerativen Zyklus mehr, geschweige
denn einer durchgehenden Generationslinie empfinden. Auch wird es an
seinem sozialen und personlichen Wert grundlegend zweifeln, so dass es
sich nur bedingt als verantwortliches und niitzliches Mitglied der
Gemeinschaft fiihlen kann. Die durch den narzisstischen Mangel
lebenslang entstehende Melancholie — vielleicht am besten mit Kohut als
"intensive Form von Objekthunger,' (Kohut, Narzifimus 66) zu
beschreiben — ist von einer unstillbaren Sehnsucht nach Bindung und
Liebe gepragt, die ihn ein Leben lang abhangig, ja lebensuntiichtig macht.
Durchaus kann sie "entfremdend und iibermachtig den einzelnen Menschen
in eine defensive Selbstreflexivitat zwingen" und erscheint dann als eine
der "Reaktionsweisen des Individuums auf uberindividuelle geschichtliche
Entwicklungsprozesse" (Walther 25).
26
Die in der Selbst-Pathologie angelegte Neigung zum Suizid, die
dieser chronische, von der Psyche als prinzipielle Ablehnung
missverstandene Mangel auspragen kann, hat die Abspaltung und
Depravierung ungespiegelter Selbstaspekte und damit auch den Selbsthass
zur potenziellen Wurzel und entspricht dem Wunsch nach Aufhebung der
Spaltung durch Selbstaufhebung im oben skizzierten Sinne und damit
einer neuen Seinsqualitat. Der Tod wird zum Verbiindeten, zu einer letzten
Moglichkeit des Seins, damit zum Ausdruck eines Zustands, den man als
vollkommene Psychose in der totalen Regression beschreiben konnte,
erreichbar durch eine — freilich reverse — "letzte Geburt". In ihm scheint
sich die embryonale Homoostase als die einzige je erfahrene vollstandige
Symbiose und damit uniiberbietbar geborgene Einbettung in die natiirliche
Welt zu wiederholen. Der Tod als konkrete Utopie und Symbiose, das ist in
der Tat eine an Paradoxic kaum zu iiberbietende Konstruktion, wie sie nur
im Widerspruch der seelischen Antriebe: als intrapsychisches
Antriebskonglomerat im Wechselspiel mit soziokulturellen Konfliktfaktoren
zustandekommen kann. Rilkes "Held" verkorpert diese Paradoxic
mustergiiltig, wenn es in der Erslen Elegie von ihm heisst: ".. . selbst der
Untergang war ihm /nur ein Vorwand, zu sein: seine letzte Geburt" (Werke
II 202).
Helden und Engel
Fast zeitgleich mit Rilkes Aitfzeichmmgen gestaltet Thomas Mann
3 Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs dieses paradoxe Sein im
Untergang in seiner Novelle Der Tod in I enedig. Dabei spielt das Heroische
als "Heroismus . . . der Schwache" eine zentrale Rolle. Es ist Symptom einer
"innere[n] Unterhohlung" (Mann 25) und damit hochster Morbiditat. Als
solches miindet es fur Mann in eine Attitude des 'strahlenden Heldentums'
und zeichnet sich durch Lust am Martyrium, durch die Bereitschaft zum
Heldenopfer aus. Nach dem in der Aschenbach-Figur angelegten
psychologischen Grundmuster sucht der Held im scheinbar altruistischen
Selbstopfer fur die Ubermutter 'Heimat" oder den Obervater 'Vaterland'
seine im Leben entbehrte narzisstische Daseinsberechtigung. Er antizipiert
dabei in seinen GroBenfantasien die ruhmvolle Anerkennung seiner
Heldentat, wobei diese fiktive letzte Gratifikation tragischer- und
typischerweise oft die einzige seines Lebens ist.
Rilke widmete Anfang August 1914 dem Kriegsausbruch einen
funfteiligen Vaterlandsgesang, in welchem er den Krieg als "Gott" (Werke
II 106) willkommen heiBt und die zusammenschweiBende Wirkung der
27
Kriegsbegeisterung besingt. Das Gedicht, wiewohl in seiner Aussage schon
bald widerrufen, bringt selbst die unerschutterlichsten Rilkebewunderer
in Verlegenheit, auch wenn sie keine Pazifisten sind. Zwar ist in ihm nicht
explizit von Heldentum die Rede, doch ist der Wunsch nach einer
aufopferungsvollen Heldenidentitat, der bereits in der lyrischen
Prosaschopfung Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph
Rilke ( 1 899- 1 906) Gestalt angenommen hatte, uberdeutlich zu spiiren. Die
hier angeschlagenen hymnischen Tone sind aus heutiger Sicht ebenso
befremdlich wie die kurze Sympathie des Autors fiir Mussolini und die
italienischen Schwarzhemden in den Zwanzigerjahren, die er ubrigens,
darum wissend oder nicht, mit Freud teilte. Doch wird letztlich darin nur
der Wunsch laut nach selektiver Auszeichnung, nach alles
wiedergutmachender Anerkennung, bei Rilke wie bei unzahligen anderen,
die unter einem narzisstischen Defizit leiden. Die Verschmelzung mit
'grosseren 7118311111^11^6^ entspricht dem regressiven Bedurfhis nach
Aufhebung der Ich-Grenzen und archaischer Symbiose. Nicht umsonst
hat man in den einschlagigen historischen Zusammenhangen von einer
Massenpsychose gesprochen.
C. G. Jung hat versucht, die kriegerischen und volkennordenden
Aggressionen des 20. Jahrhunderts als Ausfliisse millionenfacher
Personlichkeitskonflikte und der daraus folgenden Destruktivitat
darzustellen. Ich sehe sie im Zusammenhang mit Umwertungsprozessen,
die letztlich dazu fuhrten, dass das genuin Menschliche mit fremdem MaB
gemessen wurde. Uber eine minimierte Bindungsintensitat und falsches
Erziehungshandeln wurden Selbstwertkonflikte und psychische Storungen
erzeugt. Menschen, die sich ein Leben lang nach Selbstresonanz sehnen
und ihr eigenes Selbst fur gering achten, werden leichter zu Opfern von
Massenpsychosen als andere, geht es ihnen doch in ihrem Drang nach
Vereinigung und Entindividualisierung urn den narzisstischen Selbst-
wertbeweis und die Aufhebung des Leids in der Ausloschung. Diese
erscheint um so attraktiver, als sie mit dem vermeintlichen 'Dank des
Vaterlands' (als nachgetragener Liebe) oder anderen hypostasierten
Versprechungen belohnt wird. In den Kriegen wird so die Minderwertung
des Menschen und Menschlichen Ereignis, und zwar weniger durch die
propagandistische Herabwurdigung des nationalen oder rassischen
Gegners als durch die individuelle Umlenkung von Selbsthass und
Selbstentfremdung auf die zur Destruktion freigegebenen anderen. Der
vermeintliche aussere 'Feind' ist nichts anderes als die Projektion des
eigenen inneren "Fremden", wie der Psychoanalytiker Arno Gruen
wiederholt ausgefuhrt hat. Kriege bringen so immer auch das wahre AusmaB
der Selbstverachtung ans Licht, die in einer Kultur schlummert. Wenn sie
28
sich bis zur Todesverachtung steigert, erfullt sie die Hauptbedingung flir
die Entstehung dieses Heldentyps.
Die bereits 1 9 1 2 in Duino angelegte und am 9. Februar 1 922 auf
Muzot vollendete Sechste Elegie widmet sich von der ersten bis zur letzten
Zeile dem Heldentum. Modell steht der alttestamentarische Simson
(Samson), der LowenzerreiBer, Sohn der Manoah, die solange unfruchtbar
bleibt, bis ihr ein Engel diesen Sohn verheiBt, der dann durch ungeheure
Kraftakte glanzt. Am Ende reiBt er in einem desastrosen Kamikaze-Akt die
Saulen des Tempels nieder und begrabt seine Gegner wie sich selbst gleich
zu Tausenden. Weshalb Rilke gerade an dieser moralisch wie menschlich
schillernden Figur anlehnt, ist leicht zu erkennen: Simson "kann\ er ist
geballtes Vermogen, und er ist der Uberlieferung nach ein Nazoraer, ein
Auserwahlter und Gottgeweihter, dessen Leben ungeachtet seiner
Fragwiirdigkeit eine hohere Bestimmung hat. Er erleidet den Heldentod im
Augenblick seiner groBten kriegerischen Leistung, vvobei er seinen Einsatz
nicht im strengen Sinn mit dem Tod 'bezahlt', sondern lediglich seine
Mission, seine raison d'etre erfullt, ein Umstand, den Rilke dann als "seine
letzte Geburt" bezeichnen kann, rechtfertigt sich doch einzig darin seine
physische Geburt gemass der Weissagung des Engels. Simson erscheint
so als schiere Verkorperung der vorherbestimmten Tat, ja er scheint direkt
und ausschlieBlich zur Grosstat geboren: als Instrument, welches die
Befreiung Israels von den Philistern herbeifuhrt.
Rilke ist von jeher von der Idee fasziniert, ein "Schicksal" zu
haben, d.h. der immanenten Notwendigkeit eines bestimmten Handelns zu
unterliegen, was uberhaupt nur dem wahrhaft Seienden, mit sich selbst
Einigen zukommt, das einen Platz in der kosmischen Ordnung einnimmt.
Simson ist ein solcher Elementartypus. Die elegische Stimme des Dichters
(derja ebenfalls auf Muzot das Gefiihl hat, als eine Art Schreibinstrument
kosmischer Krafte zu dienen) riihmt ihn daher als einen Handelnden, der
unbeirrbar das Seinige tut, indem er im Schopenhauer'schen Sinne —
ganz "Wille": "Andrang" ist: "Wenigen steigt so stark der Andrang des
Handelns, / daB sie schon anstehn und gliihn in der Fiille des Herzens ..."
( Werke II 2 1 8) Es verfehlt somit den Punkt, wenn Kathleen Komar schreibt:
"It is partly his readiness to move toward death, his lack of concern with
duration, that marks him as a hero" (Komar 32), derm Simson erfullt lediglich
seine irdische Bestimmung wie ein genetisches Programm. Im Obrigen
ergibt sich Rilkes Geburtsmetapher auch nicht aus schierer Analogie mit
dem Ort des Untergangs heraus, den Komar mit den Eingangssaulen des
Tempels fur symbolisch markiert halt (Komar 33). Im Mythos lasst sich der
geblendete Simson zu den tragenden "Mittelsaulen" flihren, die er dann
zum Einsturz bringt (vgl. Richter, Buch 1 6, V. 29-30).
29
Ein Parallelbild zu diesem kosmisch integrierten Tun als
zwangslaufigem Geschehen ist in der Elegie der Feigenbaum, dessen
Eigenart es ist, die Bliite scheinbar zu iiberspringen und gleich zur Frucht
zu kommen, was ein Wirken ohne Werdegang, ohne umstandliche
(erotische) Anbahnung suggeriert, ein Gedanke, der Trakls Feststellung
vorauszusetzen scheint, alles Werdende sei "krank-scheinend". Hier finden
wir auch das Bild des Schlafs wieder, und zwar erneut in einem
Zusammenhang, der iiber die Gestalt Simsons, dessen Name 'Mann der
Sonne' bedeutet — die Figur entstammt urspriinglich einer Tradition des
Sonnenkults — , an den Apollonsohn Orpheus und dessen Metamorphosen
erinnert. Der Pflanzensaft des Feigenbaums, so heiGt es, "springt aus dem
Schlaf, / fast nicht erwachend, ins Gliick seiner siiBesten Leistung" ( Werke
II 2 1 8). Der Schlaf, Zustand der autochthonen Vor- oder Nachbewusstheit,
ist als iebendiger Tod' gesehen. Er ist die zentrale Eigenschaft Eurydikes,
die tot ist, indem sie unterweltlich "bei den Wurzeln" existiert. Als solcher
ist er die Quelle der Reife uberhaupt. Wie der Baum die Frucht als
"Leistung" hervorbringt, die der Regeneration dient und somit erhaltende
Funktion hat, so "erhalt sich der Held, selbst der Untergang war ihm/ nur
ein Vorwand, zu sein: seine letzte Geburt." Eine regelrechte "Bliite" als
Vorausetzung fruchtbarer Paarung und erotischen Endzweck gibt es in
dieser Symbolik nicht oder "fast" nicht, ein Charakteristikum, in dem sich
das durch den alttestamentarischen Verkiindigungsengel vermittelte
Naturwunder der unfruchtbaren Empfangnis wiederholt. Die dauerhafte
Liebe, so konnte man psychologisch sagen, ist fur den Narzissten in seiner
idealisierenden Selbstbezogenheit nicht lebbar: "Denn hinstiirmte der Held
durch Aufenthalte der Liebe ..." (Werke II 2 1 9). So erfullt er seinen zyklischen
Lebenskreis, der ein Sonnenkreis ist, im Aufgang und Untergang: "Sein
Aufgang ist Dasein; bestandig / nimmt er sich fort und tritt ins veranderte
Sternbild/ seiner steten Gefahr" (Werke II 2 1 8).
Von dem mythischen Selbstidol des Helden, in dem sich der
Wunsch nach Auserwahltsein und immanentem Schicksal, aber auch der
suizidale Drang nach Ich-Aufhebung in utopischer Verschmelzung mit
dem 'groBen Ganzen' manifestiert, ist es nicht weit zu einem anderen
idealisierten Selbstaspekt, in dessen Ambivalenz sich die narzisstische
Insuffizienz ebenfalls aufschlussreich widerspiegelt. Der vor allem in der
Ersten und Zweiten Elegie besungene "Engel" (der indes auch implizit im
Simson-Mythos eine Rolle spielt) ist eine tiefenpsychologisch besonders
interessante GroBen-Fiktion, weil in ihr die schuldhafte Realitat des Selbst-
Ungeniigens (die narzisstische Bringschuld sozusagen) eine religiose Uber-
Ich-Qualitat offenbart, und zwar ungeachtet der Tatsache, dass Rilkes
"Engel" — darauf hat die Forschung wiederholt hingewiesen — nicht im
30
christlichen oder jiidischen Archetyp aufgeht. Dass in der Begegnung mit
der Transzendenz Faszination und Furcht Hand in Hand gehen, ist ein
Gemeinplatz. den Rilke sich zur Verdeutlichung der Psychodynamik zunutze
macht: "Jeder Engel ist schrecklich. Und dennoch, weh mir, / ansing ich
euch, fast todliche Vogel der Seele..." (Werke II 205). Seine zerstorerische
Macht manifestiert der Engel hier in seiner Multiplikation und
Decouvrierung als "fast todliche Vogel der Seele", eine Eigenschaft, in der
sich die lebensspendende Kraft der im atiologischen Zentrum stehenden
Mutter in ihr inharentes Gegenteil verkehrt. Hier hat sich "die narziBtische
Fluchtbewegung . . . als Kreisbewegung entlarvt, in der Ursprung und Ziel
zusammenfallen und der lebensspendende und lebenszerstorende
Mittelpunkt sich immer gleich bleibt" ( Becker-Griill 84 ).
Noch viel scharfer als das Heldenidol kontrastiert in diesen Zeilen
der Engel die seelische Minderwertigkeit des narzisstisch Versehrten durch
eine GroBenfiktion, in der die grandiosen, mannlichen Selbstaspekte mit
der Idealitat des miitterlichen Selbstobjekts zusammenflieBen. Dieser Engel
ist als androgynes Ideal so imaginiert, dass sich die Begegnung mit ihm
als Konfrontation und damit ahnlich wie in Kafkas Vordem Gesetz stets
urn den Preis eines handlungshemmenden und zerstorenden Schamgefuhls
angesichts der eigenen Nichtigkeit (aber auch des drohenden Inzests)
ereignen kann: "... und gesetzt selbst, es nahme / einer mich plotzlich ans
Herz: ich verginge von seinem / starkeren Dasein" (Werke II 201 ). Das ist
gewiss auch wieder Mystik und uniibersehbar Holderlin, aber gerade in
dieser Anlehnung ist es die ins allegorische Gegenbild gesetzte
Nichtigkeits- und Schulderfahrung des eigenen Selbst, das sich schlieBlich
scheinautonom und masochistisch jede Werbung urn Warme, Liebe und
Auserwahltsein versagen will: "Werbung nicht mehr, nicht Werbung ... /
sei deines Schreies Natur", heiBt es in der Siebenten Elegie (Werke II 220).
Rilke errichtet also eine hochst ambivalente Utopie, die im Entbehrten,
Erwunschten einen positiven und im Nicht-Zustehenden, Verbotenen einen
negativen Pol hat. Wenn das sprechende Ich in den Schlusszeilen dieser
Elegie, die entstehungsgeschichtlich das Schlusslicht des gesamten Zyklus
bilden, sich schlieBlich entschiedener noch von der Bannkraft des Engel-
Idols zu losen versucht, geschieht das erwartungsgemaB nicht ohne
gleichzeitig wachsendes Verlangen nach alter Bindung und seelischer
Abangigkeit. Im psychodynamischen Widerstreit der Krafte lasst sich
dann aber doch erkennen, "daB Rilkes radikale Abhangigkeit vom
Idealobjekt hier in radikales Verlangen nach Unabhangigkeit umschlagt"
(Dettmering 143f.),zweifellos:
31
Glaub nicht, daB ich werbe,
Engel, und wiirb ich dich auch! Du kommst nicht. Denn mein
Anruf ist immer voll Hinweg; wider so starke
Stromung kannst du nicht schreiten. Wie ein gestreckter
Ann ist mein Rufen. Und seine zum Greifen
oben offene Hand bleibt vor dir
offen, wie Abwehr und Warnung,
Unfafilicher, weitauf. (Werke II 22 1 )
Der Engel macht hier, gerade auch vom wendenden Ende der
Elegie, seinem letzten Auftrittsort, her — in Rilkes Spatwerk taucht er
seltener auf und wird zunehmend an bekannte Archetypen angelehnt — ,
im Grunde ein simples Phanomen deutlich, wie es Eltern von ihren Kindern
kennen, wenn diese, erschopft und enttauscht von der allzu langen
Suspendierung der Liebe, die endlich erlangbare Zuwendung trotzig
ausschlagen. Fur sie hat sich in der Zeit des Wartens die Sinnlosigkeit des
Wartens und damit die Taubheit und schlieBlich 'Unanrufbarkeit' der
entbehrten Eltern erwiesen, wahrend deren Unverfugbarkeit zu einer fernen
und mysteriosen Entriicktheit wurde. Dabei hat sich die Uberzeugung
verfestigt, es miisse seine Richtigkeit damit haben, dass man sie, die Kinder,
warten lasst, sie hatten es nicht anders verdient. So kann das Warten in
masochistischer Selbstfeindschaft ausgetragen und ertragen werden, ja
sogar in Enttauschung umschlagen, wenn es voriiber ist. Gleichzeitig
wachst mit der narzisstischen Wut auf die Eltern die Illusion der eigenen
Unabhangigkeit und Omnipotenz, und am Horizont der Fantasie zeichnet
sich ein Ideal ab, in dem sich Ziige des eigenen liebenswerten Selbst mit
Zugen der ideal Liebenden in wechselnden Konzentrationen vermischen
und eine sich selbst befruchtende, dynamisch schillernde narzisstische
Zweieinheit ergeben.
Auch fur diese Strukturen findet sich am Anfang der Ersten Elegie
ein bezeichnendes Bild: "Wer, wenn ich schriee, horte mich denn aus der
Engel // Ordnungen?'1 Wenn der lyrische Sprecher dann resumiert: "Denn
das Schone ist nichts / als des Schrecklichen Anfang, den wir noch grade
ertragen / und wir bewundern es so, weil es gelassen verschmaht, / uns zu
zerstoren" (Werke II 201), dann wird die Wurzel des Rilke'schen
Schonheitsbegriffs direkt in narzisstischen Entbehrungen sichtbar, die im
Trauma der Verlassenheit jenes Gefuhl der Leere hinterliefien, von dem die
Rede war, eine Leere, die nach immerwahrender Daseinsfiillung,
immerwahrender Auserwahlung ruft.
32
Deutlich wird auch, wie diese Abstraktion in zunehmender
Innerlichkeit in dem MaBe utopische Kontur gewinnt, wie sie von tiefer
Scham iiber die eigene, in der Zuriickweisung erfahrene Minderwertigkeit
begleitet ist. Die miitterliche Person hat die Macht zur Zerstorung und ubt
sie im Fall der Vernachlassigung bzw. der unterlassenen empathischen
Bespiegelung auch aus, wahrend das Kind sich sicherer glaubt, wenn es
sich mit dem Zerstorer identifiziert und gegen sich selbst auf dessen Seite
schlagt. Die Folge ist die Abspaltung des abgelehnten Selbstaspekts, eine
Voraussetzung fiir die Moglichkeit zur strafenden Selbstkonfrontation im
scheinbaren Auftrag der Mutter. Im Obrigen ist gerade das traumatisierte
Kind auf eine idealisierte Imago der Mutter angewiesen, will es doch an
ihrer illusionaren GroBe teilhaben und seine grandiosen Selbsttlktionen
nahren. Rilke fasst seine eigenen diesbeziiglichen Erfahrungen lapidar in
dem Satz zusammen: "Wem die Mutter nicht den Weg in die Welt gezeigt
hat, der sucht und sucht und kann keine Tiire finden" (SW II 209). Statt
dessen, so mochte man erganzen, ist er auf Engel angewiesen, sind sie
doch Allegorien einer androgynen Utopie des Auserwahltseins, in denen
ein feminines Ich — Josef Rattner spricht von Rilkes "femininer und
masochistischer Personlichkeitsstruktur" (Rattner 137) — sich narzisstisch
in einem maskulin getonten Mutterideal bespiegeln kann. "Die mannliche
Idealgestalt", schreibt Peter Dettmering in umgekehrter Akzentuierung
iiber Engel-analoge Gestalten bei Rilke, "entspringt gleichsam aus der
Begegnung mit dem weiblich-miitterlichen Idealobjekt und ist damit, streng
genommen, »matrogener« und nicht »patrogener« Natur" (Dettmering
85).
Zwar kann Rilke, wie ich glaube, durch das Engel-Mythologem
noch nicht "die allmachtige Mutterimago entthronen", wie Becker-Grull
vermutet, aber in der (auch geschlechtlichen) Personalunion von
idealisiertem miitterlichen Selbstobjekt und GroBenselbst entsteht doch
etwas Neues, das auf eine bevorstehende seelische Unabhangigkeit
hindeutet, zumal mit dem Archetyp auch der Briickenschlag von der Seelen-
zur kreativ-kompensatorischen Kunstwelt gelingt. "Der Engel fungiert,
allgemein gesprochen, als eine Instanz, die es dem Dichter ermoglicht,
auch getrennt vom verlorenen miitterlichen Idealobjekt weiterzuleben und
doch mit ihm in Verbindung zu bleiben". In klarem Antagonismus zu den
suizidalen Verschmelzungsfantasien etwa des Cornet kommt ihm dariiber
hinaus die Aufgabe zu, "Rilkes eigenes Anliegen der nichtbesitz-
ergreifenden Liebe zu vertreten" (Dettmering 104f.). In diesem Sinne steht
er zwar fur das "Ideal purifizierter Mannlichkeit" (Dettmering 9), das z.B.
den odipalen Inzestwunsch ausschlieBt, doch ist damit das narzisstische
33
Schema natiirlich nicht verlassen, so dass es falsch ware, von einer
Neuorganisation des heterosexuellen Beziehungsverhaltens zu sprechen.
Dass der Engel die autoerotische Inversion nicht aufhebt, sondern erst
recht bindet, weiB Lou Andreas-Salome, wenn sie konstatiert: "Der Engel
ward zum Liebespartner" (Andreas-Salome 8 1 ).
Engel oder allgemein gefliigelte Gestalten spielen nicht zufallig
auch in psychotischen Wahnbildern immer wieder eine groBe Rolle
(Hafner 387-395), steht doch mit ihnen ein Archetyp aus dem christlich-
jiidischen Kulturvorrat zur Verfugung, der als Sendbote den individuellen
Zuspruch, als Schutzengel die individuelle mutterliche Fursorge, als Mittler
zwischen Himmel und Erde die Gnade Gottes und damit die hochste Instanz
in Sachen Trost, Lohn, Auserwahltsein, Liebe, Auszeichnung reprasentiert.
Bei Rilkes Engel findet sich inAnlehnungan diebarocke Mystik, wo Engel
u.a. als Spiegel der gottlichen Herrlichkeit apostrophiert sind, eine
besonders interessante Sondereigenschaft, die seine psychodynamische
Herkunft verrat, namlich die der narzisstischen Homoostase: als "Spiegel",
"die die entstromte eigene Schonheit/ wiederschopfen zuriick in das eigene
Antlitz" (Werke II 205). In dieser Eigenschaft als Sich-Spiegelnde,
Gespiegelte und Spiegel in einem sind die Engel Aspekt eines
gefuhlsautarken Selbst und gehoren dariiber hinaus in die Nahe der
Frauengestalten, die Rilke wiederholt mit narzisstischem Selbstgeniigen
(und psychischer Gesundheit) in Verbindung bringt, eine Eigenschaft, die
diese freilich ganzlich von Narzissos unterscheidet. Gleichzeitig sind sie
ein Sinnbild fur erfiilltes kiinstlerisches Schopfertum, denn auch der
Kiinstler ist sich im Selbstgeschaffenen sein eigener Spiegel, aus dem er
sich idealerweise "wiederschopfen" kann. "In creation we are created",
sagtC. G Jung imZarathustra-Seminar von 1938.
Es gehort zu den unfreiwilligen Ironien des Rilkediskurses, wenn
Marcel Kunz, der fast 20 Jahre nach dem Pionierwerk Erich Simenauers
und 3 Jahre nach der Rilke-Pathographie Peter Dettmerings zu dem Schluss
kommt: "Rilkes Engel tragt narzifttische Ziige!", das "Odium des
Pathologischen" ausgerechnet unter Berufung auf den antiken Narziss-
Mythos mit der Begriindung von sich weist, "Selbstbespiegelung ist hier
... eine wesentliche Moglichkeit gegen die Verganglichkeit" (Kunz 27).
Nicht nur, dass er damit dem Mythos nicht gerecht wird (von der Natur
des Lebens einmal ganz zu schweigen); er tibersieht obendrein ausgerechnet
diejenigen Ziige des Rilke 'schen Engels, die ihn von dem pathologischen
Narziss unterscheiden, indem sie einer 'gesund-idealisierten' — und in
dieser Eigenschaft dann freilich wiederum kompensatorischen —
Narzissosfiktion entspringen.
34
In diesem vermutlich auBersten seelischen Ruhepunkt, den Rilke
unter den gegebenen Umstanden erreichen konnte, ist der Prozess der
narzisstischen Selbst-Zeugung praktisch abgeschlossen. Im spaten Fokus
des essenzialisierten Kiinstlertums driickt sich nun nicht so sehr die
Moglichkeit des 'reinen Wortes' im Sinne einer (symbolistischen)/;>oew
pure als vielmehr die Charakteristik jener seelischen Abgriinde aus, welche
die typisch narzisstische Leidenserfahrung des Sich-nichts-Seins und Sich-
alles-sein-Miissens evoziert, zu der also vor allem die Befahigung zu
kreativer Verwandlung und Anverwandlung gehort als Werk des
entgrenzten Bewusstseins, das sich parasitar an fremdes Sein heftet, bis
es dessen Ziige annimmt — mit Erich Simenauer kann man hier von
projektiver Identifikation sprechen (Simenauer 1099). Von dem Ur-Lyriker
Orpheus heiBt es im Sonett V des Ersten Teils: "Seine Metamorphose / in
dem und dem. Wir sollen uns nicht miihn // um andre Namen. Ein fur alle
Male / ists Orpheus, wenn es singt" ( Werke II 243). Erst indem Rilke fiber
Fluch und Segen des Sprechens bzw. Singens aus solcher Konstellation
heraus reden kann, bricht er (oder bricht sich) das Schweigen. So paradox
es klingen mag: In einer Art mystischer Utopie des Verstummens geschieht
bei Rilke die Verwesentlichung der Leere des Selbst (des Nichts) zum
elementarischen Substrat aller Dinge (dem Alles) im Ereignisraum des
Mythos und damit des kollektiven Unbewussten. Seine letzten
poetologischen Dichtungen entstanden im Horizont dieser Utopie, wobei
der elegische Engel als nicht zu unterschatzende Losungsfiguration zu
groBerer seelischer Freiheit und Unabhangigkeit fuhrte.
Wenn Rilke auf Muzot beim Verfassen der Elegien und Sonette
zeitweilig den Eindruck hatte, ein "Diktat" aus dem Weltall zu empfangen,
dann zeigt sich darin nicht nur seine neuerliche Empfangsbereitschaft fur
Signale des Unbewussten und die Fahigkeit, sie zu 'iibersetzen', sondern
auch, wie gleichsam iiberirdisch wohltatig diese Integration psychischer
Inhalte auf ihn wirkte. Zu den Voraussetzungen der eruptiven Episode
gehort deshalb neben dem freudvollen narzisstischen Selbsterleben in der
kiinstlerischen Produktion das symbolische Ausagieren und Integrieren
verdrangter Selbstaspekte auf der Biihne des poetischen Arbeitsfeldes,
wobei jede neu gefundene gelungene Figur ein Mehr an herausgestellter
Unbewusstheit ermoglichte. Bei diesem Vorgang entscheidet das MaB der
chiffrierenden ' Verhiillung' iiber das Gelingen und damit das AusmaB der
'Enthiillung- und Freisetzung der blockierten Bewusstseinsmomente.
Freiheit und Begrenzung im Sprachlichen wie im Stofflichen miissen sich
die Waage halten, wenn ein Kunstwerk gliicken soil. Die gewahlte poetische
Form spielt dabei eine wesentliche Rolle.
35
Im Fall der 55 Sonette entschied sich Rilke fur eine Kleinstruktur,
die einerseits zwar starke Vorgaben in Melos und Rhythmus macht und
den dialektischen Dreischritt im Aufbau bevorzugt, also auf eine Synthese
kin pointiert ist, andererseits aber in der Dominanz ihrer effektvollen
Klanglichkeit die straffe innere Organisation vergessen lasst. Indem das
Sonett (Lat. sonare klingen) in der Betonung des Gefalligen, ja Liedhaften
eher als ieicht' und 'beschwingt' gelten kann, verrnag es die asthetische
Botschaft der Leichtigkeit: "Alles will schweben" ideal zu vermitteln (Werke
II 264). Die Elegieform dagegen gewahrt zwar mehr melodisch-rhythmische
Freiheiten und eine breitere gedankliche Elaboration, doch setzt die ex-
treme Stilhohe eine groBe rhetorische Disziplin voraus, die zur
Konzentration im Ausdruck zwingt. Dies wiederum macht angesichts der
Raumforderung des Langgedichts eine breite Fulle an Ideen und eine
Vielfalt an Mitteln der epischen Dynamisierung notig, soil die
'Gesamtauflosung' (urn ein Bild aus der digitalen Bildverarbeitung zu
verwenden) nicht darunter leiden.
Nach dieser Aussprache steht Rilke nicht mit leeren Handen da —
im Gegenteil: er halt jetzt einen Spiegel, in dem er sich nicht mehr verloren
geht und zu dessen Selbstbild er nichts mehr hinzufugen muss, gehort
doch nunmehr auch die pathologische Leere zum heuristischen Medium
der Darstellung, ohne dass das Ganze fortwahrend vom Einsturz bedroht
ware. Im Begriff des Rilke'schen Selbst ist also nun mehr denn je die
psychische Mangelerfahrung als genuiner Bestandteil seines Kiinstlertums
und Zentrum seiner kreativen Kraft integriert, ohne dass diese von der
Sogkraft des Vakuums, dem Drang nach Verschmelzung absorbiert wiirde.
Von Orpheus heiBt es: "O wie er schwinden muB, daB ihrs begrifft!,, (Werke
II 243). Rilke begleitet diese Problematik der narzisstischen Daseins-
reduzierung, zu der auch die widerstandige Dauer in ephemerer
Zweieinigkeit gehort — das eigentliche "Wagnis" — , sein ganzes Leben
lang bis zum Schluss. Im Testament vom 27. Oktober 1 925 formuliert er den
opaken Grabspruch:
Rose, oh reiner Widerspruch, Lust,
Niemandes Schlaf zu sein unter soviel
Lidem. (Werke II 394)
Ganz transitorische Schonheit, ist die Rose fur Rilke das Sinnbild
eines utopischen Daseinsgenugens in autonomer (und autoerotischer)
Selbstbezogenheit. Der im Topos der dornentragenden Idealschonheit
angelegte "Widerspruch" entsteht durch den polarisierenden Erfahrungs-
kontext von asthetischer Unerschopflichkeit und Erschopfung, autarker
Selbstverdopplung und Selbstverbrauch, Fulle und Leere, Sein und
Nichtsein. Die sinnbildliche Konstruktion ist, ahnlich wie die Fontane, ein
36
Bild fur das prekare psychische Gleichgewicht in der ekstatischen
Contrebalance dernarzisstischen Leidenserfahrung. Fiir die Rose gilt, was
schon fur Orpheus gait: "... aus beiden/ Reichen ervvuchs seine zweite
Natur" (Werke II, 243). Sie enthalt extremes Leben als "Wagnis" und ist
gerade wegen dieser grandiosen (und mondanen) Daseinsbehauptung in
exponierter Weise todgeweiht. Rilke rechnet sie dem unendlichen Strom
zu, der das Stirb und Werde hervorbringt und der tiefer liegt als die
individuelle Lebensepisode, dort. wo unterweltlich jedes Bewusstsein
'schlafT und auch kein 'Jemand' mehr, sondern nur noch ein monadischer
"Niemand-" existiert. Damit lehnt er, wieder ganz Mystiker, an Angelus
Silesius an, fiir den die Rose als metaphysisches Gegenbild zur physischen
Zeit- und Kausalgesetzlichkeit ausdrucklich "ohne Grund" ist, ohne
Anfang und Ende.
Wir sind hier im Auge des Vulkans sozusagen: im prekar
befriedeten Zentrum der Fiktion des geistigen "Weltinnenraums". Wir sind
im Fluchtpunkt eines Prozesses, der individuell wie kollektiv mit
Daseinsentzug begann und mit Dortseinsfiktionen endet. Immer zu
erkennen sind die Fantasien der narzisstischen Scham (als Folge des
verbotenen Exhibitionismus), die im viel zu schonen Anderen das viel zu
hassliche Eigene konterkarieren. Auch auf Rilkes Grab noch ist so
sinnigerweise die — exhibitionistische — "Lust" zu erkennen, 'vor Scham
in den Erdboden zu versinken', wie es landlaufig heisst. Wenn das am
Schluss nicht doch eine Riickkehr zum Volkston ist! Die ins Selbstironische
gewendete, souverane Botschaft dieser Zeilen ist klar genug, urn den zeit-
und kulturtypischen Mangelkonflikt, das melancholische Leiden an
narzisstischer Entbehrung zu erkennen. Die psychologiekundige Getrude
Stein, die ein Jahr alter war als Rilke und ihn. der 5 ljahrig an Leukamie
starb, urn 20 Jahre iiberlebte, hatte 1 2 Jahre davor in ihrem Gedicht Sacred
Emily (Stem 178-188) eine energische Beschworungsformel gefunden, die
dem Seinsverlust von der scheinbar unpoetischen, dennoch nicht weniger
wortmagischen, Seite therapeutisch zu begegnen versucht. Rilke diirfte
sie gekannt haben: "Rose is a rose is a rose is a rose."
Works Cited
Andreas-Salome, Lou. Mein Dank an Freud. Offener Brief an Professor
Sigmund Freud zu seinem 75. Geburtstag. Vienna: Internationaler
PsychoanalytischerVerlag, 1931.
Becker-Grull, Sibylle. Vokabeln der Not. Kunst als Selbst-Rettung bei
Rainer Maria Rilke. Bonn: Bouvier, 1978.
37
Dettmering, Peter. Dichhmg und Psychoanalyse. Thomas Mann — Rainer
Maria Rilke — Richard Wagner. Munich: Nyhmphenburger
Verlagshandl, 1969.
Freud, Sigmund. Gesammelte Schriften. 12 vols. Leipzig: Internationaler
Psychoanalytischer Verlag, 1 924- 1 934.
Gruen, Arno. Der Fremde in tins. Stuttgart: Klett-Cotta, 2000.
Hafher, Heinz. Das Rdtsel Schizophrenic Eine Krankheit wird
entschliisselt. Munich: C.H. Beck, 2001 .
Hofmannsthal, Hugo von. Gedichte und lyrische Dramen. Stockholm:
Bermann-Fischer, 1946.
Koch, Manfred Koch. '"Alles ist nicht es selbsf — Das Chaos des
modernen BewuBtseins in Rilkes Duineser ElegienT
Apokalyptische Visionen in der dentschen Literatnr. Ed. Joanna
Jablkowska. Lodz: Wydwnictwo Uniwersytetu Lodzkiego, 1996.
170-179.
Kohut, Heinz. The Analysis of the Self. A Systemic Approach to the
Psychoanalytic Treatment of Narcissistic Personality Disorders.
New York: International Universities Press, 1971.
— . Die Heilung des Selbst. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1981.
— . Narzifimus. Eine Theorie der psychoanalytischen Behandlung
narzifitischer Personlichkeitsstorungen. Frankfurt am Main:
Suhrkamp, 1976.
— . T)ie Restoration of the Self. New York: International Universities Press,
1977.
Komar, Kathleen L. "Rilke 's Sixth Duino Elegy or The Hero as
Feige(n)baum." Monatshefte fur dentschen Unterricht,
deutsche Sprache und Literatnr 77. 1 ( 1 985): 26-37.
Kunz, Marcel. "Uberlegungen zur Gestalt des NarziB bei Rainer Maria
Rilke." Blatter der Rilke-Gesellschaft 1 (1972): 26-40.
38
Liedloff, Jean. Aufder Suche nach dem verlorenen Gliick: Gegen die
Zers toning unserer Gliicksfdhigkeit in derfiiihen Kindheit.
Munich: C.H. Beck, 1991.
Mann, Thomas. Der Tod in Venedig. Berlin: S. Fischer, 1925.
Mitscherlich-Nielsen, Margarete. "Psychoanalytische Bemerkungen zu
Franz Kafka." Psyche: Zeitschriftjur Psychoanalyse undihre
Anwendungen. 31. 1 (Jan. 1977)
Nietzsche, Friedrich. Werke. 20 vols. Leipzig: Kroner, 1899-1926.
Priskil, Peter. Freuds Schliissel zur Dichtnng. Drei Beispiele: Rilke,
Lovecraft, Bernd. Freiburg i.Br.: Ahriman-Verlag. 1996.
Rattner, Josef. "Rainer Maria Rilke oder die Schwermut des Dichters."
Osterreichische Literatur und Psychoanalyse. Literaturpsycho-
logische Essays iiber Nestroy — Ebner-Eschenbach —
Schnitzler — Kraus — Rilke — Musil — Zweig — Kafka — Hon-dth —
Canetti. Ed. Josef Rattner und Gerhard Danzer. Wurzburg:
Konigshausen & Neumann, 1997. 131-155.
Rilke, Rainer Maria. Briefe 1899-1926. Ed. Ruth Sieber-Rilke und Carl
Sieber. 6 vols. Leipzig: Insel, 1933-1935. (=Briefe I-VI)
— . Die Briefe an Grdfin Sizzo. Ed. Ingeborg Schnack. Frankfurt am
Main: Insel, 1977. (=Briefe Sizzo)
— . Briefe iiber Cezanne. Ed. Clara Rilke. Wiesbaden: Insel, 1952.
(^Briefe Cezanne)
— . Lou Andreas-Salome : Brief vechsel. Ed. Ernst Pfeiffer. Zurich: Insel,
1952.(=Briefwechsel)
— . Sdmtliche Werke. Ed. Ernst Zinn ( Rilke- Archiv). 6 vols. Frankfurt am
Main: Insel, 1955-1966. (=SW I-VI)
— . Werke. Konvnentierte Ausgabe in vier Bdnden. Ed. Manfred Engel,
Ulrich Fulleborn, Horst Nalewski, und August Stahl. Frankfurt
am Main: Insel, 1996. (=Werke I-IV).
39
Schmidt, Jochen. "Dichtung als esoterische Sinnstiftung: Rilkes Sonette
an Orpheus." Poetologische Lyrik von Klopstock bis Griinbein.
Gedichte und Interpretationen. Ed. Olaf Hildebrand. Cologne:
Bohlau, 2003. 220-241.
Simenauer, Erich. Rainer Maria Rilke — Legende und Mythos. Bern: Paul
Haupt, 1953.
— . "Rainer Maria Rilke in psychoanalytischer Sicht." Zeitschrift fur
Psychoanalyse und ihre Amvendungen 30 (Juli 1976): 1081-1 112.
Stein, Gertrude. Geography and Plays. Essays. New York: n.p. 1922.
Walther, Lutz. Ed. Melancho/ie. Leipzig: Reclam, 1999.
Wysling, Hans. Narzissmus und illusiondre Existenzform. Zu den
Bekenntnissen des Hochstaplers Felix Krull. Frankfurt am Main:
Klostermann, 1995.
40
"A Tiger's Leap Into the Past":
On the "Unhistorical, " the "Historical, " and
the "Suprahistorical" in Walter Benjamins
"Theses on the Philosophy of History"
Karsten H. Piep
"We need history, but not the way a spoiled loafer in the garden
of knowledge needs it." That this line from Friedrich Nietzsche's second
Untimely Meditation found its way into Walter Benjamin's equally un-
timely "Theses on the Philosophy of History" may at first seem rather
perplexing. For as Benjamin had made clear on several occasions, he
considered Nietzsche to be "absolut inkompetent und blind in
geschichtsphilosophischen Fragen"(qtd. in Pfotenhauer 101 ). Nietzsche's
notion of "the task of history... to inspire and lend the strength for the
production of great men" seems far removed indeed from Benjamin's his-
torical materialist goal to instill the proletariat with a revolutionary class
consciousness {Untimely Meditations 111). Besides, Nietzsche's venera-
tion of a healthful, "authentic," and vigorous "republic of geniuses" evi-
dently stands in stark contrast to Benjamin's Marxist egalitarian vision of
the classless society (UM 1 1 6). And last but not least, Nietzsche's blunt
contempt for popular arts and the working classes' runs counter to
Benjamin's dialectic interest in all popular art forms as well as his view that
"the struggling, oppressed class itself is the depository of historical knowl-
edge" (Illuminations 260). 2
Obvious ideological differences aside, though, Benjamin's en-
deavor to theorize history as the largely untapped well of libratory politi-
cal action owes much more to Nietzsche's Geschichtsphilosophie than
meets the naked eye. Both Nietzsche's attempt "to look afresh at. . . [the] . . .
cultivation of history .. .as being injurious to it" and Benjamin's undertak-
ing to "brush history against the grain" emerge from a deep political con-
cern about the misuses to which history has been put. As Rebecca Comay
has shown, Nietzsche's onslaught against neo-Hegelian notions of an
inexorable "world process" seeks "to elaborate precisely how an 'inau-
thentic' relation to time and history can distort our relation to perception,
language, politics, culture, the body, sexuality itself (28). In a similar vein,
Benjamin's attack against Social Democracy's uncritical embrace of tech-
nological positivism and historicism's attendant claim to paint a picture of
41
the past "the way it really was" "spells out precisely how all such reduc-
tions of the past to an available, finished object can only strip the present
of its potency and rob the future of its radical possibilities" (3 1 ). Comay's
observations underscore that both Nietzsche and Benjamin focus on his-
tory as action rather than the seemingly scientific or objective reconstruc-
tion of the past. "Die Authentizitat von Nietzsches historischen
Oberlegungen bestand ja nach Benjamin in der Opposition gegen
Entwicklungsgedanken, Fortschrittsglauben und Historismus," assesses
Pfotenhauer ( 1 08). Nietzsche's and Benjamin's resultant demand for "eine
Revision des Bildes der Vergangenheit" that is "nicht objektivistisch" but
pertains to the "konkrete historische Situation," reveals the shared belief
that it is the historian's task to actively construct or create history — to
make use, as it were, of history 's "inherent plastic powers" or its "retroac-
tive force" — so as to induce concrete action in the present (Pfotenhauer
108, UM 77, ///. 274). Both thinkers hold that what Benjamin calls one's
"unique experience with the past" shapes and engenders the political and
artistic possibilities of today (///. 262). This points to the shared convic-
tion that one's — as Nietzsche might say — "authentic" relationship to the
future brings about the promises and potentials of the past. Rather than
deferring the possibility of concrete action to an indefinite future, history
as action in both the Nietzschean and the Benjaminian sense seeks to (a)
reclaim bygone and perhaps half- forgotten models of action and then to
(b) realize or enact them in the here and now — the "Jetztzeif (III. 261).
As shall be shown in what follows, the affinities between
Benjamin's "Theses on the Philosophy of History" and Nietzsche's "On
the Uses and Disadvantages of History for Life" extend beyond "struc-
tural" or "metaphorical" levels and entail more than a shared rejection of
"the Enlightenment myth of historical progress" (Wohlfahrt 226, Wolin
261). Nietzsche's epistemological concepts of the "historical," the
"unhistorical," and the "suprahistorical," I will argue, occupy a central
space within Benjamin's theory of historical-induced action, where they
circumscribe the political functions of "historical materialism," the "blast-
ing out," and "Messianic time" respectively. More to the point, I will be
suggesting that Benjamin's understanding of "historical materialism" draws
upon Nietzsche's conception of the "historical" by utilizing its attending
"monumental," "antiquarian," and "critical" orientations toward history
so as to open up possibilities for political action in the present. Benjamin's
notion of a "blasting out" furthermore harks back to Nietzsche's account
of the "unhistorical" condition in that it not only implies a delimited hori-
zon but also something like an "active forgetting" or momentary disre-
garding of historical contexts. And Benjamin's much-maligned concept of
"Messianic time" lastly brings into play Nietzsche's notion of the
42
"suprahistorical" insofar as it conflates the past and the present and there-
with represents the full disclosure of history, the laying bare of all deeds —
"Judgment Day" (///. 254). Ultimately, then, Benjamin's constructivist
approach to historical materialism can only fully articulate itself if it is
attended by an unhistorical "blasting out" of particulars and a
suprahistorical notion of the "Messianic cessation of happening."
I
Written three years after the Franco-Prussian War of 1 870/1 87 1 ,
the second Untimely Meditation grew out of Nietzsche's disgust with the
nationalistic pride in unification, which had swept across the German states
and which German scholars had been quick to read as an unmistakable
sign of the triumphant march of historical "world process." In rebuffing
the predominant Rankian and Hegelian philosophies of historical progress,
Nietzsche proudly claims the "untimely" label for his meditation through
his sharp attack on Germany's presumed cultural might. Nietzsche stresses
the provocative inopportunity of his essay in the preface, explaining that
"this meditation too is untimely, because I am here attempting to look
afresh at something of which our time is rightly proud — its cultivation of
history — as being injurious to it, a defect and a deficiency in it" (UM60).
Nietzsche disputes the constructions of 1 9th-century German his-
torical awareness systematically by producing his own phenomenology
of human interaction with, in, and through history. At the center of his
new phenomenology, Nietzsche posits three distinct yet interrelated and
to some extent interdependent moods or attitudes toward history: ( 1 ) the
"unhistorical," (2) the "historical." and (3) the "suprahistorical." Next, in
further elaboration of the "historical" mood, Nietzsche puts forth three
interconnected modes of regarding history: the "monumental," the "anti-
quarian," and the "critical." In doing so, Nietzsche aims to exemplify how
human beings and indeed entire nations may gainfully employ these three
general attitudes toward histoiy and three specific modes of regarding
histoiy in the service of a "hygienic" and vigorous cultural life. Moreover,
he endeavors to demonstrate that the prevailing sense of historical
progress in German society is detrimental to life, for it mistakes history for
an exact science and thereby misuses these basic categories of historical
understanding.
The first "mood" toward history discussed by Nietzsche is the
"unhistorical." He suggests that the grazing cow on the pasture is free
from pain and boredom, because it simply does not remember. Unable to
recall its previous state the cow exists blissfully ignorant of its idyllic
43
happiness. Human beings, by contrast, must remember and are forever
burdened with memory, haunted by the past. "[A] moment, now here and
then gone, nothing before it came, again nothing after it has
gone... nonetheless returns as a ghost and disturbs the peace of a later
moment" (UM 61). But precisely because humans are condemned to a
past, they also possess the liberating capacity of "active forgetting." "It
is always the same thing that makes happiness happiness," Nietzsche
writes, "the ability to forget or, expressed in more scholarly fashion, the
capacity to feel unhistorical during its duration (62). Thus "forgetting" —
the temporary and willful inhibition or suspension of the past — "is essen-
tial to action of any kind," according to Nietzsche, for it makes possible
the necessary drawing of horizons (62). "[A] living thing can be healthy,
strong and fruitful only when bounded by a horizon" (63). This is true for
individuals as well as for larger populations: "No general will achieve his
victory, no people attain its freedom without having first desired and
striven for it in an unhistorical condition such as that described" (64). At
this juncture, Nietzsche makes clear that forgetting as a crucial element of
an action, which requires the conversion of all energies into one particular
moment, always also implies a degree of violence toward certain aspects
of the past, none the least of which are established customs and tradi-
tions.
As he who acts is, in Goethe's words, always without a
conscience. . .he is unjust towards what lies behind him,
and he recognizes the rights only of that which is now
to come into being and no other rights whatever.
(64, emphasis added)
Since human beings possess the historical faculty of memory,
they exist in a state of contradiction, according to Nietzsche. This histori-
cal state asserts itself as soon as the child learns
to understand the phrase 'it was:' that password which
gives conflict, suffering and satiety access to man so as
to remind him what his existence fundamentally is — an
imperfect tense that can never become a perfect one
(61).
Although Nietzsche emphasizes the primacy of the unhistorical
over the historical mood, he acknowledges that the conscious awareness
of and active engagement with history constitutes the defining character-
istic of human nature. Thus, while the unhistorical assists individuals in
44
establishing the necessary horizon within which action can take place, the
unhistorical itself must be delimited or circumscribed by the historical. "It
is true," Nietzsche confirms,
that only by imposing limits on this unhistorical element
by thinking, reflecting, comparing, distinguishing,
drawing conclusions... only through the power of
employing the past for the purposes of life and of again
introducing into history that which has been done and
is gone — did man become history. (64)
The task thus becomes to strike the correct balance between the
unhistorical and the historical. For an "excess of the historical" — that is,
a pseudo-scientific approach to history that postulates immutable laws of
history — curtails the historian's powers to mold history, robs past possi-
bilities of their future, leads to conformism, and ultimately prevents change
in the present.
Somewhat hesitantly, Nietzsche then suggests that historical re-
flection might lead human beings to "a suprahistorical vantage point,"
which transcends history. From this "vantage point," an individual would
have recognized the essential condition of all happening:
this blindness and injustice in the soul of him who acts;
he would have. . .learned from all men and all experiences,
whether among the Greeks or Turks, from a single hour
of the first or of the nineteenth century, to answer his
own question as to how or to what end life is lived. (65)
Obviously, the suprahistorical in its pure form points to Nietzsche's
existentialism, which he would later develop in Thus Spoke Zarathustra
and which would lead him to the notion of the Eternal Return, emphasizing
the moment rather than the process. In a sense, the suprahistorical means
the end of history, for from its lofty, super-historical position
the past and the present are one. ..so [that] the
suprahistorical thinker beholds the history of nations
and of individuals from within, clairvoyantly divining
the original meaning of the various hieroglyphics and
gradually even coming wearily to avoid the endless
stream of new signs. (66)
The suprahistorical thus "leads the eye away from becoming towards
that which bestows upon existence the character of the eternal and stable,
towards art and religion" ( 1 20). On the other hand, however, this laying
45
bare of all deeds also entails the risk of inducing "over-satiety and finally
nausea," in Nietzsche's view (66).
Far from calling for an end of an active engagement with history
in service of present life, Nietzsche goes on to propose three co-depen-
dent approaches toward the past: (a) "monumental," (b) "antiquarian,"
and (c) "critical" history. The relative usefulness of these three modes,
Nietzsche stresses, is situational or circumstantial so that they pertain to
the individual "who acts and strives," the individual who "preserves and
reveres," and the individual who "suffers and seeks deliverance" respec-
tively.
The first of these approaches, monumental history, constructs
history as a set of exemplars, the great people and events that provide
solace and inspiration. As such, monumental history furthers action by
combating despair. Gazing backwards and "reflecting on past greatness,"
monumental history perceives that "the great moments in the struggle of
the human individual constitute a chain, that this chain unites mankind
across the millennia... that the summit of such a long-ago moment shall
be. . .still living" (69, 68). Monumental history thus has a mimetic quality
insofar as it teaches "that the greatness that once existed was in any event
once possible and may thus be possible again." Mimesis, of course,
never means the exact replication of certain great deeds so that monumen-
tal history "will always have to deal in approximations and generalities, in
making what is dissimilar alike" (70). Hence, Nietzsche emphasizes that
monumental history aims at what Benjamin calls "the constellation which
[its] own era has formed with a definite earlier one" (///. 263). Monumental
history will therefore "always have to diminish the difference of motives
and instigations, so as to exhibit the ejfectus monumentally, that is to say
as something exemplary and worthy of imitation, at the expense of the
causae'''' (70). Rather than retracing an unbroken causal chain of events —
as in historicism — monumental historiography is concerned with the "ef-
fects in themselves" (70). "Popular festivals" or "religious and military
anniversaries," Nietzsche suggests, provide examples of "such an effect
in itself," which memorializes past events without establishing a "histori-
cal connexus of cause and effect" (70).
Like the other approaches, monumental history can be misused
to promote causes that are injurious to life, since in foregrounding certain
exemplars of greatness in the past, "whole segments of [history] are for-
gotten" or neglected (7 1 ). For this reason, Nietzsche argues, monumental
history needs to be augmented by antiquarian history, which concerns
itself with the perhaps somewhat sentimental preservation of traditions
and artifacts. Similar to the monastic scribe in medieval times, the anti-
quarian historian reverently safeguards old customs and traditions that
46
connect the individual to the larger human community across ages. Not
unlike Benjamin when he casts a keen eye on the mundane and profound
in the streets of Berlin and Paris, the antiquarian historian regards the
"history of his city" as his own; "he reads its walls, its towered gate, its
rules and regulations, its holiday, like an illuminated diary of his youth and
in all this he finds again himself, his force, his industry, his judgment, his
folly and his vice" (73).
Lest the antiquarian approach to history turns into "a blind rage
for collecting" and is overwhelmed by solemn piety and unsuspicious
veneration, a third — the "critical" — mode of regarding history becomes
necessary, according to Nietzsche. The critical mode counteracts and
balances out both the antiquarian and the monumental. Conscious of the
oppressiveness of history, the critical historian brings the past "before
the tribunal, scrupulously examining it and finally condemning it; every
past... is worthy to be condemned — for... human violence and weakness
have always played a mighty role in them" (76). Rejecting forgetfulness,
critical history "wants to be clear as to how unjust the experience of
anything — a privilege, a caste, a dynasty, for example — is, and how greatly
this thing deserves to perish" (76). The inherent danger of too much
critical history, however, is that it may lead to destructive nihilism, in
Nietzsche's view.
Having thus roughly sketched out for the purpose at hand the
most important elements of Nietzsche's notions concerning the
"unhistorical," the historical" including its three constitutive modes, and
the "suprahistorical." I will now investigate to what extent these concepts
might be helpful in discussing Benjamin's constructivist historical materi-
alism as well as his notions of "blasting out" and "Messianic Time."
Similar to Nietzsche's second Untimely Meditation, Benjamin's
"Theses on the Philosophy of History" are deeply marked by immediate
political concerns. For Benjamin as for the entire radical Left, the year 1 940
did not bode well. In retrospect, the Hitler-Stalin Pact appeared only as
the latest in a series of bloody failures and self-induced setbacks that had
abetted the rise of populist Fascist movements as well as a second World
War, even more horrifying than the first. Thousands of comrades laid
slain in Italy, Spain, and Germany, while what Marx had described as the
"terrible... expropriation of the masses" continued (928). And far from
finding themselves expropriated, the old expropriators actually multiplied
their profits in wartime. Walter Benjamin, trapped in Paris, captures this
47
sense of despair most strikingly in his reading of Paul Klee's painting
"Angelus Novus," the angel of history: "His face is turned toward the
past. Where we perceive a chain of events, he sees one single catastro-
phe which keeps piling wreckage upon wreckage and hurls it in front of his
feet" (257).
Through the eyes of Angelus Novus, whose wings have "got
caught" in the violent storm called "progress," Marx's materialist deter-
ministic view that at "a certain stage of development" capitalism inevita-
bly "brings into the world the material means of its own destruction"
seems no longer tenable (928). For even though, as Marx had predicted,
"the mass of misery, oppression, slavery, degradation, and exploitation"
"grows skyward" in front of Angelus Novus, the increased "centralization
of the means of production and the socialization of labour" had so far
obviously failed to spur the anticipated "revolt of the working class"
(Marx 928-29, ///. 258). Indeed, as Benjamin points out in thesis XI, tech-
nological changes in the modes of production had been misconstrued all
too easily as signs of inevitable progress, which, in turn, begot compla-
cency and "conformism" among the laboring classes (258). To combat
stifling despair and progessivist conformism as well as to reassert the
possibility of revolutionary action in the present on a historico-philo-
sophical level, Benjamin develops a "materialist historiography... based
on a constructive principle" that abandons the "conception of progress"
and instead aims to "redeem the oppressed past" (262, 260).
In making the past immediately relevant for the present and,
thereby, the present pertinent for the oppressed past, Benjamin first and
foremost employs what Nietzsche calls "critical history." Declaring that
"[n]ot man or men but the struggling class itself is the depository of
historical knowledge," Benjamin establishes the situational or circumstan-
tial necessity of critical history with reference to those who "suffer[ ] and
seek[ ] deliverance" (///. 260, UM 67). Moreover, in accordance with
Nietzsche's critical-historical turn against discriminate forgetting, Ben-
jamin not only explicates how Social Democracy has made "the working
class forget both its hatred and its spirit of sacrifice," but, more impor-
tantly, underscores that it is the task of historical materialism to recover
"the image of enslaved ancestors" so as to promote emancipatory action
in the now (260).
Subsequently, this leads Benjamin to a corrective attack against a
monumental history, which jams city squares, museums, galleries, and
textbooks with so-called "cultural treasures" that memorialize only the
"heroic" deeds of "great" men (256). Historicism's monumental "empathy
with the victor," he stresses, "invariably benefits the rulers" (256). Show-
ing, in the best Nietzschean tradition of a critical historian who "takes the
48
knife to [history's] roots," that "human violence and weakness have al-
ways played a mighty role" in the production and transmission of so-
called "cultural treasures," Benjamin makes clear: "There is no document
of civilization which is not at the same time a document of barbarism" (UM
76, ///. 256). Thus. Benjamin asserts, it is the task of historical materialism
"to brush history against the grain" so as to redeem the past by disman-
tling the very cultural institutions of the present that uphold the canon,
justify the status quo. Or, in Nietzsche's words, so as to illustrate "how
unjust the experience of anything — a privilege, a caste, a dynasty, for
example — is, and how greatly this thing deserves to perish" (76).
One can doubtlessly argue that Benjamin ultimately aims to do
away entirely with notions of canonicity and the reification of great deeds.
For the immediate purpose of calling to mind the possibility of revolution-
ary action in the now, where the past has not (yet?) "become citable in all
its moments," however, his materialist historiography based on a con-
structive principle cannot do without a monumental history of sorts. This
is already hinted when Benjamin challenges a "vulgar-Marxist conception
of the nature of labor" by upholding "the Socialist Utopias before the 1 848
revolution" as exemplars for a better "conception or nature" (259). Through
his reference to Fourier's literary vision of a society distinguished by non-
exploitive, "efficient cooperative labor," Benjamin already seems to point
towards contemporary pedagogical endeavors to establish revised can-
ons or outright counter-canons that actively promote alternative models
for action. In re-presenting Fourier's forgotten Utopia as "something ex-
emplary and worthy of imitation," Benjamin seems to engage in a similar
kind of cultural work performed by present-day exhibitions, anthologies,
public lectures, etc. that redefine "great" deeds and "great people" so as
to entice particular counter-hegemonic actions, whether they may con-
cern class, race, or gender ( UM1Q).
That Benjamin's historical materialism takes recourse to monu-
mental history becomes perhaps most apparent in thesis XIV and XV
respectively. To elucidate how extraordinary achievements in the past
may be utilized or, better, reconstructed to effect action in the now, Ben-
jamin, following Marx, points to the ways in which the "French Revolution
viewed itself as Rome reincarnate."1 In terms reminiscent of the monumen-
tal history described by Nietzsche, Benjamin makes clear that it was this
mimetic reenactment of the Roman Republic that constituted the "tiger's
leap into the past," whereby "a past was charged with the time of the now"
and thus allowed for revolutionary action (26 1 ). Like Nietzsche's monu-
mental historian, Benjamin here forcefully blasts aside repressive ideas of
historical veracity or cause and effect relations so as to recover, com-
memorate, and celebrate the "effect in itself." Thus, what Nietzsche calls
49
the "effectus monumentally" also appears to be of vital importance in
Benjamin's project to recuperate "the image of redemption" in the past
(254). For as Nietzsche lyrically waxes it "unites mankind across the mil-
lennia like a range of human mountain peaks" and raises awareness "that
the summit of such a long-ago moment shall be for me still living, bright
and great" {UM 70, 68).
Given Nietzsche's statement that monumental history "pertains
to him as being who acts and strives," it is hardly surprising that Benjamin
insists in thesis XV, "the awareness that they are about to make the con-
tinuum of history explode is characteristic of the revolutionary classes at
the moment of their action" (261). Using examples that are strikingly
similar to those Nietzsche employs in "The Uses," Benjamin explains how
the awareness of a great, momentous deed — the "effect in itself," as it
were — is again generalized, monumentalized, and henceforth transported
through time "in the guise of holidays, which are days of remembrance"
(261). In light of the importance Benjamin attaches to the conscious aware-
ness of momentous deeds it is certainly no coincidence that he calls the
non-chronological, calendarical holidays of the revolutionary era "monu-
ments of a historical consciousness" (262). Because even though Ben-
jamin insists that the "past can be seized only as an image which flashes
up at the instant," monumental history, it seems, supplies the constructive
mechanism through which "the present" recognizes an "image of the
past... as one of its own concern" (255, emphasis added). Put another
way, while past images of redemption surface from the collective uncon-
sciousness of the oppressed involuntarily, they can only be understood
and utilized as such if their immediate relevance is at the same time con-
structed historiographically.
Which leads, perforce haphazardly, to Benjamin's use of "anti-
quarian" history. For on other occasions such as in "The Storyteller,"
"Eduard Fuchs: Collector and Historian," some of his essays on Kafka,
and most of all in his unfinished "Arcades Project," Benjamin was more
explicit about the preservation or active remembrance of local traditions
and community-building customs. Within the text at hand, thesis II pro-
vides perhaps the best clues concerning the function of what Nietzsche
calls "antiquarian history" within Benjamin's materialist historiography
based on a constructive principle. As in Nietzsche, the antiquarian im-
pulse in Benjamin's historiography fends off the forgetting of "whole
segments of the past and turns its view "to one's own environment and
companion's, one's own toilsome customs, one's own bare mountainside"
(UM 71). Our "image of happiness," Benjamin writes, "is thoroughly
colored by the time to which the course of our own experience has as-
signed us" (253-54). To be sure, always imbued with a critical regard of
50
history, Benjamin's use of antiquarian history precludes the uncritical
"veneration of the past" and old traditions for their own sake. Thus,
rather than spreading contentment, it preserves memories of that which
could have been: "people we could have talked to, women who could
have given themselves to us" (254). In other words, antiquarian history in
Benjamin's writing becomes a storehouse of the unfulfilled promises of
the past. And yet, similar to Nietzsche, Benjamin appears to cultivate an
antiquarian sense of history that remains ""faithful to its own origins,"
forestalls "a restless, cosmopolitan hunting after new and ever newer
things" and allows man to "look[ ] beyond his own individual transitory
existence and feel[ ] himself to be the spirit of his house, his race, his city"
(UM 74, 73). In Benjamin, faithfulness to origins appears as "a secret
agreement between past generations and the present one," so that anti-
quarian history not only seeks to preserve past images of redemption as
catalysts for action in the now, but concomitantly assumes a
transgenerational responsibility for the past (254). For Benjamin, this
antiquarian awareness of a communal responsibility for the past finds
articulation in Marx's view of the working class "as the avenger that com-
pletes the task of liberation in the name of generations of the downtrod-
den" (260). Ultimately, then, it is what Nietzsche calls an antiquarian sense
of origin that enables the individual to feel part of a larger, transhistorical
community of the oppressed and to seek liberation not /row but through
and in the past.
At first glance, Nietzsche's notion of the "unhistorical" seems to
be far removed from Benjamin's project to release the liberating possibili-
ties of the past. For while Nietzsche argues that action necessitates active
forgetting and the delimiting of horizons, Benjamin unequivocally asserts
that revolutionary action requires the remembrance of past abuses as well
as the recovery of past hopes, promises, and possibilities. Yet, if one pays
close attention to Benjamin's theory of action, which he begins to develop
from thesis XIV onward, it becomes clear that very notion of "blasting a
specific life out of the era" also contains elements of the "unhistorical." In
the Nietzschean sense, Benjamin's theory of action as part of his material
historiography is unhistorical insofar as it from the outset implies a delim-
ited horizon and entails active or constructive forgetting, at least provi-
sionally.
The first clue that Benjamin's theory of action relies to some
extent on a limited horizon is implicit in his declaration that "[n]ot man or
men but the struggling, oppressed class itself is the depository of histori-
cal knowledge" (260). Neither the historical experience of racism, nor of
sexism, nor of anti-Semitism, but the historical experience of what Marx
described as forcible expropriation provides the central reservoir from
51
which "hatred"' is nourished and images of hope and redemption may
arise. Of course, given Benjamin's task to outline a material historiogra-
phy, his overriding emphasis on the material conditions of existence is no
surprise. But even though this focus on class struggles may not preclude
other historiographies that expose, for example, the medicalization of 1 9Ih"
century discourses on sexuality and insanity, it clearly intimates the revo-
lutionary necessity of circumscribed horizons. The past that is to be
redeemed first of all, Benjamin makes clear throughout his piece, is that of
a working class and its "enslaved ancestors."
In doing so, material historiography, very similar to Nietzsche's
monumental history, does not try to "establish[ ] a causal connection
between various moments in history" (263). Instead, the materialist histo-
riographer "grasps the constellation which his own era has formed with a
definite earlier one" (263). As much as this "grasping" of certain "constel-
lations" between past and present periods may be based on interpretive
intuition, it also seems to involve the very conscious and highly construc-
tive act of forgetting. "[BJased on a constructive principle," material his-
toriography has no use for the collection of "a mass of data" and detail;
rather it wants to establish broad analogies and create striking correla-
tions between the then and the now by "blasting a specific life out of the
era or a specific work out of the lifework" (263). Put another way, in order
to display what Nietzsche calls the "effect in itself material historiogra-
phy actively discards — blasts out and forgets — those circumstances,
motives, causes, and contexts that make two instances appear dissimilar.
Nonlinear material historiography therefore not only assumes that
"thinking suddenly stops in a configuration pregnant with tension," but
also that this tension "crystallizes into a monad." To be sure, this Leibnizian
monad, which, so to speak, congeals historical meaning within one mo-
ment of "shock" experience, does not simply dissolve contradictions
through synthesis as in Hegel. Nor does it, as with Nietzsche's idea of the
suprahistorical or with Benjamin's own concept of Messianic time present
"mankind with the fullness of its past" (254). Instead, the suddenly crys-
tallized monad that signifies a tension-filled relationship between two
analogous but obviously not identical circumstances "comprises the
entire history of mankind in an enormous abridgment" (263). "Abridg-
ment" seems to be the operative term here. For "blasting a specific life out
of the era or a specific work out of the lifework" appears to mean that
currently useful transhistorical patterns are "preserved" (conceivably even
monumentalized during revolutions), while distracting fine points and time-
specific differences are temporarily discarded, forgotten, or, as Benjamin
says, "canceled" (263, emphases added). This simultaneous preservation
and cancellation of "the work" in "the lifework," the general in the particu-
52
lar, then, amounts to a consciously political act of re-contextualization or
re-configuration that comes fairly close to Nietzsche's quintessentially
unhistorical task of establishing horizons for concrete action.
Benjamin's reflections on Messianic time have often been read
within the context of Jewish mysticism and cabbalism. Anson Rabinbach.
for instance, notes that "the Messianic tradition involves an esoteric or
secret form of knowledge. Certain images or words, combinations of let-
ters or even entire works evoke the lost Utopian content of the past" (85).
Such references to the Jewish Messianic tradition are certainly illuminat-
ing when applied to Benjamin, for they square with his notion that images
from the past can not only be deciphered, but also be retranslated into
concrete action. Incidentally, harking back to Delphi, Nietzsche comes up
with a similar concept of historiography as the constructive art of deci-
phering the past from the standpoint of the now. "When the past speaks,"
Nietzsche writes, "it always speaks as an oracle: only if you are an archi-
tect of the future and know the present will you understand it" (94). How-
ever, Benjamin's notion of Messianic time seems to point beyond the
recovery of "lost Utopian content of the past." Not unlike Nietzsche's
idea of the "suprahistorical," Benjamin's Messianic turn appears to de-
note an epistemic perspective from which the past discloses itself in its
entirety. Heeding the antiquarian admonition that "nothing that has ever
happened should be regarded as lost for history," Benjamin's concept of
Messianic time describes a contemplative-interpretative approach to his-
tory through which "mankind receives the fullness of its past" and "its
past become[s] citable in all its moments" (254). Hence, the concept of a
Messianic time that grants full access to the past provides the necessary
underpinning for Benjamin's claim that the historical materialist can inter-
pret physical artifacts and spiritual remnants of bygone times dialectically
so as to make them politically relevant for the present. In a sense, Benjamin's
materialistic historiographer proceeds like Nietzsche's "suprahistorical
thinker," who "beholds the history of nations and of individuals form
within, clairvoyantly divining the original meaning of the various hiero-
glyphics and gradually even coming wearily to avoid the endless stream
of new signs" (UM 66). And just as the suprahistorical observer, the
material historiographer "sees no salvation in the process," but recog-
nizes that "the world is complete and reaches its finality at each and every
moment" (UM 66).
Now, in Nietzsche's "On the Uses" this recognition points "to-
wards art and religion" so that the suprahistorical thinker may eventually
abandon the study of history altogether. In Benjamin's "Theses," by
contrast, it seems that the full disclosure of past happenings leads to a
heightening of critical history insofar as each moment within the living
53
past becomes a "citation a I 'ordre dujour" and each day within the living
present becomes "Judgment Day" (254).4 However, perhaps due to the
pervasiveness of the progessivist tradition such a condition under which
the past can be fully cited in all its moments and may be appraised or
judged accordingly has not (yet?) been attained. For as Benjamin under-
scores, "the present" merely serves "as a model of Messianic time" (263).
And while the materialistic historiographer may "grasp[] the constellation
which his own era has formed with a definite earlier one" and thereby
"establishes a conception of the present as 'the time of the now,'" this
conception by and in itself does not represent Messianic time (263).
Rather, it "is shot through with chips of Messianic time" (263).
Read vis-a-vis Nietzsche's "On the Uses," Benjamin's materialis-
tic historiography based on a constructive principle reveals its reliance on
elements of "critical," "monumental," and "antiquarian" history. It em-
ploys "critical" history in that it seeks to dismantle the reactionary, progress-
oriented historiography of the victors by recalling past abuses and pat-
terns of oppressions (see, for example, thesis VII). It utilizes "monumen-
tal" history to the extent that it offers up generalized exemplars of revolu-
tionary change and action (see especially theses XIV & XV). And it makes
use of "antiquarian" history insofar as it aims to preserve images of hap-
piness in bygone times and to unite (oppressed) individuals through their
shared responsibility for the past (see, inter alias, thesis II). Moreover,
Benjamin's historiography takes recourse to the "unhistorical" in that it
momentarily blasts aside or actively forgets specific historical contexts in
order to emphasize general configurations or what Nietzsche calls the
"effect in itself." And last but not least, through the concept of "Messi-
anic time," Benjamin's historiography employs a "suprahistorical" mode
insofar as it presumes a full disclosure of the past in the present, or at least
the possibility thereof. Thus one might say that the "critical," "monumen-
tal," and "antiquarian" constructions of Benjamin's materialist historiog-
raphy are always attended by a highly political, action-inducing moment
of "unhistorical" generalization or abstraction that is both grounded in
and informed by a "suprahistorical" view of the totality of history. Put
differently, while the "recognition of a revolutionary chance in the fight
for the oppressed past" in Benjamin's historiography seems to require a
temporary limitation of horizons or a momentary disregard for historical
specificities, "nothing that has ever happened [is] lost for history," be-
cause each and every happening can always be recuperated, redeemed,
54
salvaged, constructed, abstracted, put to concrete political use through
the "suprahistorical" concept of "Messianic time" (///. 263, 254).
To be sure, in view of the ideological differences that divide
Nietzsche and Benjamin, the above attempt to illuminate Benjamin's con-
cept of history through Nietzsche's categories of historical understand-
ing may seem well nigh heretical to some readers. Still, given the schism
that has developed between French postmodernists such as Michel Fou-
cault and Jacques Derrida on the one hand and contemporary followers of
the Frankfurt School such as Jiirgen Habermas and Frederic Jameson on
the other, reestablishing the dialogue between Nietzsche and Benjamin
seems more opportune than ever.5 As Garry Banham has pointed out,
within contemporary philosophical debates "[t]he encounter between
Nietzsche and Benjamin has yet to happen, despite the fact these two
thinkers have done more than any others to force us to question moder-
nity." The present paper, then, is nothing more and nothing less than an
attempt to facilitate this overdue encounter, not least because further
examinations of junctures in Nietzsche's and Benjamin's approaches to
history will undoubtedly raise a host of new questions concerning issues
surrounding present-day identity politics such as canon formation,
counter-historicity, and the purposes of gender and minority studies in
academia.
For example, since both Nietzsche and Benjamin strive to formu-
late something of a user's manual of history, subsequent delineations of
their respective approaches could, first of all, clarify the functions of
memory and forgetting in concrete political action. Several questions
come to mind: Is forgetting either in the form of drawing boundaries or in
the form of "blasting a specific life out of an era" a prerequisite for action
in the now? If so, which criteria should guide this temporary forgetting or
drawing of boundaries in the service of political action? Should they stem
from an anthropological or naturalistic concept of vigorous life? Or should
they, by contrast, originate from a keen awareness of past abuses and
hopes experienced (transhistorically) by particular groups of people? Will
the redemption of the past — partial or otherwise — give rise to other sets
of so-called meta-narratives that in the very act of liberation obscure newly
arising power relations? Should the concepts of memory and forgetting
be employed consciously in a manner that is opportune to specific con-
temporary situations and circumstances? But then again, how does one
know which degree of remembrance and forgetting is expedient under
which conditions?
Partial or tentative answers to these theoretical questions might
then, for instance, guide contemporary debates on canon formation and
reformation. More questions come to mind: Is it feasible or even desirable
55
at this particular moment in time to abolish canons and/or counter-can-
ons? How could one, alternatively, make the "past citable in all its mo-
ments" so that canons and cultural agency of all sorts would be superflu-
ous? Do evolving internet technologies such as hypertext documents,
blackboards, or cyber discussion rooms already herald the (possibly un-
timely) end of canonicity and its resulting cultural powers? Or would one
first have to abandon all concepts of culture and identity before notions
of canonicity could be discarded? And if so, could one afford to abandon,
for instance, tenets of identity politics under the current political and
socio-economic conditions? That both Nietzsche's "On the Uses and
Disadvantages of History for Life" and Benjamin's "Theses on the Phi-
losophy of History" raise but do not attempt to conclusively settle these
and many more questions concerning our shifting relationship to the
present, the past, and the future remains perhaps their greatest strength.
Endnotes
1 Nietzsche's open contempt for the working classes in general and
organized labor in particular is well documented. In Der Antichrist ( 1 895),
for example, Nietzsche fulminates, "Wen hasse ich unter dem Gesindel
von Heute am meisten? Das Socialisten-Gesindel, die Tschandla-Apostel,
die den Instinkt, die Lust, das Geniigsamkeits-Gefuhl des Arbeiters mit
seinem kleinen Sein untergraben, — die ihn Rache lehren... Das Unrecht
liegt niemals bei in ungleichen Rechten, es liegt im Anspruch auf 'gleiche
Rechte.'"
2 See Benjamin's "The Work of Art in the Age of Mechanical Reproduction"
( 1 936). For a concise discussion of Benjamin's dialectic approach to popular
art, see Richard Wolin's Walter Benjamin: An Aesthetic of Redemption
(Berkeley: University of California Press, 1 994); see esp. chapter six, "The
Adorno-Benjamin Dispute" ( 1 63-2 1 2).
3 When Benjamin marks the self-emancipatory possibilities of a dialectical
"tiger's leap into the past," he clearly takes recourse to Marx's reflections
in The Eighteenth Brumaire of Louis Bonaparte on the strategic return to
the rhetoric and imagery of the Roman republic during the French
Revolution (26 1 ). Following Marx's assessment that this "resurrection of
the dead served to exalt the new struggles, rather than to parody the old,
to exaggerate the given task in the imagination, rather than to flee from
solving it in reality, and to recover the spirit of the revolution, rather than
to set its ghost walking again," Benjamin asserts that an excavation of
56
past struggles will explode the "continuum of history" and (re-)charge
"the now [JetztzeitY with a revolutionary "historical consciousness of
which not the slightest trace has been apparent in Europe in the past
hundred years" (Marx. Surveys from Exile 148; Benjamin 261-62). Yet, in
maintaining that this backward-looking strategy employed by bourgeois
revolutions can be adapted to instill the proletariat with a revolutionary
consciousness, Benjamin just as clearly undercuts Marx's account of the
coming "social revolutions of the nineteenth century" (SJE 1 49). For this
revolution, Marx insists, "can only create its poetry from the future, not
form the past. . . . In order to arrive at its own content the revolution of the
nineteenth century must let the dead bury their dead. Previously the
phrase transcended the content; here the content transcends the phrase"
(SJE 149). Having earlier claimed that "men make their own history, but not
of their own free will," here Marx firmly reasserts the primacy of the material
"content" (the actual modes of production) over the cultural "phrase"
(representations of modes of production) (SJE 148). Writing "[a]t a moment
when the politicians in whom the opponents of Fascism had placed their
hopes are prostrated and confirm their defeat by betraying their own cause,"
Benjamin can neither sustain faith in the "poetry of the future" nor the
self-assertion of the content over the phrase in the historical process
(258).
4 In "The Authoritarian State" (Telos 15 (1973): 3-20), Max Horkheimer
outlines a similar understanding of the past as always citable in the here
and now so as to uncover revolutionary possibilities:
Present talk of inadequate conditions is a cover for the
tolerance of oppression. For the revolutionary,
conditions have always been ripe. What in retrospect
appears as a preliminary stage or premature situation
was once for a revolutionary last chance for change.
...[Critical Theory] confronts history with that
possibility which is always concretely visible within it.
...[T]he consequence that flows from historical
materialism today as formerly from Rousseau and the
Bible, that is, the insight that "now or in a hundred
years" the horror will come to an end, was always
appropriate. (12)
As in Benjamin, revolution here does not follow in a straight line from the
past. Not bound to stages of development or historical laws of progress,
the revolution of the oppressed is always possible but never necessary.
57
Likewise, socialism is not the inevitable outcome of capitalism, but
something radically new "to which the past," nevertheless, "has a claim"
(254). Thus, the task of historical materialism, according to both Benjamin
and Horkheimer, is ( 1 ) to emphasize "that [revolutionary] possibility which
is always concretely visible within history" and (2) to define it "as a specific
one, namely as the chance for a totally new resolution in view of a totally
new task."
s On the schism between postmodernist and critical theorists see Steven
Best & Douglas Kellner, The Postmodern Turn (New York: Guilford Press,
1997) as well as Douglas Kellner, Jean Baudrillard: From Marxism to
Postmodernism and Beyond (Stanford: Stanford UP, 1989). In
Postmetaphysical Thinking (1992), Habermas argues that "neo-
Nietzschean critiques of Enlightenment fail because they lose a sense of
direction" (Moody). Thus Habermas accuses Foucault of "irrationality"
and "cryptonormativity" on the grounds that Foucault — working within
the Nietzschean tradition — "cannot explain the standards Habermas thinks
must be pre-supposed in any condemnation of the present" (Moody). For
a brief overview of the Habermas-Foucault dispute see Harry R. Moody,
The Challenge of Modernity: Habermas and Critical Theory,
<http://theoryandscience.icaap.Org/content/vol4.l/01_powell.html>.
Works Cited
Banham, Garry. Nietzsche, Benjamin, and the Ends of Tragedy.
Conference of the Friedrich Nietzsche Society. University of
St. Andrews, St. Andrews, 7 Sept. 1997.
Benjamin, Walter. "Theses on the Philosophy of History."
Illuminations. Ed. Hannah Arendt. Trans. Harry Zohn. New
York: Schocken Books, 1968. 253-66.
Comay, Rebecca. "Redeeming Revenge: Nietzsche, Benjamin,
Heidegger, and the Politics of Memory." Nietzsche as
Postmodernist: Essays Pro and Contra. Ed. Clayton Koelb.
Albany: SUNY Press^ 1 990. 21-38.
Horkheimer, Max. "The Authoritarian State." Telos 15 (1973): 3-20.
58
Marx, Karl. Capital. Vol. 1 . Trans. Ben Fowkes. New York: Vintage
Books, 1977.
— ."The Eighteenth Brumaire of Louis Napoleon." Surveys from Exile.
Vol. 3 of Selected Works. Ed. David Fernbach. London: Pelican
Marx Library, 1974.
Nietzsche, Friedrich. "On the Uses and Disadvantages of History for
Life." Untimely Meditations. Ed. Daniel Breazeale. Cambridge:
Cambridge UP, 1997. 59-123.
— . Der Antichrist: Versuch einer Kritik des Christenthums. Leipzig:
Druck und Verlag von C. G Naumann, 1 895.
Pfotenhauer, Helmut. "Benjamin und Nietzsche." Walter Benjamin im
Kontext. Ed. BurckhardtLindner. Konigstein/Ts: Athenaum,
1985.
Rabinbach, Anson. In the Shadow of Catastrophe: German
Intellectuals between Apocalypse and Enlightenment.
Berkeley: University of California Press, 1997.
Wohlfahrt, Irving. "Resentment Begins at Home: Nietzsche, Benjamin,
and the University." On Walter Benjamin: Critical Essays and
Recollections. Ed. Gary Smith. Cambridge, Massachusetts:
MIT Press, 1988.
59
Physician or Svengali?
Sigmtind Freud and Arthur
Schnitzler on the Ethics of
Hypnotic Therapy
Anne Stiles
Historians of the nineteenth century have discussed how medi-
cine and psychology, like politics or religion, were fields permeated by
anxiety over foreign influence.1 While mid-nineteenth-century physiolo-
gists discovered the potentially noxious effects of foreign bodies such as
microbes on human health, fin de siecle psychologists explored whether
therapeutic techniques like hypnotism and suggestion constituted intru-
sive attempts to manipulate patients or beneficial efforts to excise un-
healthy, foreign elements from the patients' psyche.
In Sigmund Freud's earlier works, such as his 1891 essay
"Hypnose" or in Studien LJber Hysterie (1895), co-written with Joseph
Breuer, the famous psychoanalyst gravitates towards the latter attitude,
arguing that hypnotism brings harmful truths to light in order to exorcise
a past traumatic experience.2 Arthur Schnitzler, a physician as well as a
poet, dramatist and novelist, takes the opposite view, showing through
his dramas Anatol ( 1 892) and Paracelsus ( 1 897) as well as through his
autobiograpical and medical writings that hypnotism can be used to im-
pose the doctor's will upon the patient, to the detriment of the patient's
health. While Schnitzler has often been likened to Freud, even called his
literary apologist or his "Doppelganger," this essay reveals an important
difference of opinion between the two thinkers as to the uses and conse-
quences of hypnotism and its alleged ability to expose psychic "truths."3
Although both men later abandoned the hypnotic method as a form of
therapy and as a means to gaining psychological insight, their early differ-
ence as to the ethical and therapeutic value of hypnosis — demonstrable
in their work during the 1890s — calls into question the "Doppelganger"
myth and demonstrates that Schnitzler deserves to be taken more seri-
ously as a medical and literary innovator.
At the beginning of his medical career, Schnitzler, like many of his
contemporaries, was fascinated by hypnotism, practicing it occasionally
in order to anaesthetize patients undergoing surgery or to perform psy-
chological experiments on patients who appeared to be particularly
60
suggestable hypnotic subjects. He was exposed to hypnostism as a prac-
tice when he served as Sekundararzt under psychiatrist Theodor Meynert
at Vienna General Hospital from 1885-1888. Meynert had also taught
Sigmund Freud during the famous psychoanalyst's three-year stint at the
same hospital. During his training with Meynert, Schnitzler began editing
his father's medical journal. International Klinische Rundschau, in 1 887,
a position that gave him the opportunity to write reviews of medical books,
particularly those "dealing with hypsteria, neurosis, and hypnosis," sub-
jects he found more interesting than other popular medical topics of his
day (Ellenberger 47 1 ). He also reviewed six of Freud's translations of works
by French neurologist Jean-Marie Charcot and Hippolyte Bernheim that
dealt primarily with hysteria and hypnosis (Wisely 128).
While Schnitzler praised Freud's translations of Charcot and
Bernheim, he occasionally took issue with these authors' unquestioning
faith in the hypnotic method to draw out psychological truths. In the 1 897
revision of his essay, "Hypnose," Freud describes the hypnotic method
he pioneered along with Joseph Breuer, which reveals psychological truths
in order to cure hysterical symptoms:
Wenn man den Hysterischen in Hypnose versetzt und
seine Gedanken in die Zeit zuriickleitet, zu welcher das
betreffende Symptom zuerst auftrat, so erwacht in ihm
die halluzinatorisch lebhafte Erinnerung an ein
psychisches Trauma... durch die lebhafte Reproduktion
der so gefundenen traumatischen Szene unter
Affektentwickelung schwindet aber auch das bisher
hartnackig festgehaltene Symptom, so dass man
annehmen muss, jene vergessene Erinnerung habe wie
ein psychischer Fremdkorper gewirkt, mit dessen
Entfernung nun die Reizerscheinungen aufhoren. (qtd.
in Die Wiener Moderne 494).
The therapeutic method Freud here describes presupposes that
hypnosis inevitably brings truth to light in the form of a repressed memory
of a traumatic event. The revelation of this truth in turn brings healing as
the patient learns to integrate this forgotten part of him- or herself into
present-day consciousness. Note that the original trauma or reminiscence
that allegedly produces the hysterical symptoms is referred to as a foreign
body, which the physician must remove via hypnosis in order to preserve
the patient's psychic integrity. Schnitzler, by contrast, saw the doctor
himself as a potentially harmful foreign influence on the patient under
certain circumstances.
61
Admittedly, Freud recognizes the potential of hypnotic sugges-
tion to influence the patient's memory and produce false results, but at
this relatively early stage of his career, Freud tended to view such false
outcomes as exceptions to the general rule that hypnosis provoked intro-
spection resulting in truthful revelation.4 Indeed, Freud was confident
enough to declare in 1891 that "Alles, was iiber die grossen Gefahren der
Hypnose gesagt und geschrieben wurde, gehort ins Reich der Fabel"
("Hypnose" 150). 5 Later in his career, Freud dismissed hypnosis in favor
of free association, but at the time Anatol was published ( 1 892), hypnosis
was still the most up-to-date psychological methodology of the time, fa-
vored not only by Freud and Breuer, but also Bernheim, Charcot and Pierre
Janet, among other contemporary psychiatrists.
Schnitzler's own conviction, a result of his experiences as a hyp-
notist, was that people could role-play as well as lie while under the influ-
ence of hypnosis, a conclusion that went against Freud's and Charcot's
basic premise that hypnotism brings to light the inner truths of the indi-
vidual psyche (Ellenberger 472). Schnitzler reveals his lack of faith in the
hypnotic process in his published article on hypnosis, and again m Anatol,
where Anatol's friend Max concludes that "Weiber auch in der Hypnose
lugen" ( 1 8). In critiquing hypnosis at this early date ( 1 892), particularly its
claim to reliably reveal psychological truths, Schnitzler proved to be in
advance of Freud, who rejected hypnosis only later (probably around
1 896) in favor of the technique of free association.
Schnitzler's sole published medical article deals with the subject
of hypnotism. He published this essay, entitled "Ober funktionelle Aphonie
und deren Behandlung durch Hypnose und Suggestion," in Internationale
Klinische Rundschau in 1 889. In this piece, Schnitzler applies the practice
of hypnosis to his father's field of medical expertise, laryngology. Schnitzler
describes how he had used hypnosis to successfully treat cases of apho-
nia (loss of the voice due to physical or psychological causes, usually
neurosis) and to anaesthetize patients undergoing surgeries. For instance,
Schnitzler successfully hypnotized a young girl undergoing a nasal op-
eration without anaesthesia and performed series of "painless" tooth
extractions on hypnotized patients. Schnitzler occasionally performed these
experiments with an audience of doctors from his own and neighboring
hospitals, earning him a somewhat embarrassing but not unjustified repu-
tation as a performer rather than a serious scientist. Although Schnitzler
cut back on public hypnotic "performances" so as not to injure his repu-
tation in medical circles, one senses his flair for the dramatic in his choice
of hypnotic experiments as well as his tendency to attract an audience.
In addition to hypnotizing patients for therapeutic or anaesthetic
purposes, Schnitzler performed a series of daring psychological experi-
62
merits using hypnosis. In his autobiographical work, Jugend in Wien,
Schnitzler modestly describes these attempts as "an sich nicht
uninteressant, doch nichts wirklich Neues... [und] nicht wissenschaftlich
durchgearbeitet" (313). Most memorably, Schnitzler arranged for an at-
tempt on his own life by a hypnotised subject, then averted tragedy by
providing his subject with a letter-opener instead of a dagger. Schnitzler 's
friend, author Felix Salten, observed a similar experiment in which Schnitzler
hypnotised a young woman and commanded her to pick up a dagger and
use it to stab his colleague Dr. Hajek. Just in time, Schnitzler commanded
the young woman to drop the dagger, at which point she resumed her
normal, nonthreatening personality. Salten was obviously impressed with
the psychological implications of the experiment: "Es war bei diesem
seltsamen Schauspiel mit aller Deutlichkeit zu beobachten, wie aus einem
harmlosen Menschen ein Verbrecher und wie aus diesem durch Sugges-
tion zum Verbrecher geworden wieder ein harmloser Mensch zum Vorschein
kommt" (qtd. in Boetticher 49). Schnitzler 's fiction further explores the
author's interest in the latent criminal tendencies in the apparently most
harmless individuals, for example, the conventional Lieutenant Gustl with
his murderous rage against the baker who grabs his saber.
Schnitzler writes that he ultimately gave up hypnosis except for
very limited therapeutic cases, because he found that "meine
interessantesten Medien durch die Wiederholung der Versuche nicht nur
in ihrer Willenskraft, sondern auch in ihrer korperlichen Gesundheit
geschadigt wurden" {Jugend 313). Schnitzler's interest in his patients'
welfare here contrasts with his previously cavalier attitude towards per-
forming drastic psychological experiments, a pursuit he later confined to
his fiction and (perhaps) to his love affairs. In 1 889, the same year Schnitzler
wrote his scientific article on hypnosis, he also composed the first one-act
drama of the Anatol cycle, "Die Frage an das Schicksal," which depicts a
"dilettantische[. . .], nichtwissenschaftliche[. . .] Anwendung der Hypnose"
(Perlmann 79). The Anatol cycle, which proved to be Schniztler's first
major literary success, depicts a quasi-autobiographical figure, Anatol, a
neurotic playboy whose erotic adventures eerily resemble Schnitzler 's
own seductions and betrayals of various girlfriends during the late 1 880s.
In "Die Frage an das Schicksal," Anatol hypnotises his girlfriend,
Cora, in hopes of finding out whether or not she is faithful to him. While
his friend Max looks on, Anatol induces a hypnotic trance and asks Cora
several questions, including "Wie heisst du" and "wie alt bist du," the
second of which she answers surprisingly, revealing that she is twenty-
one instead of nineteen, as she had previously claimed (12-13). He also
asks her, "liebst du mich?" to which she answers "ja" (13). But Anatol
cannot work up the courage to ask Cora the question that really matters:
63
whether or not she is faithful to him. Indeed, the mere thought of her
infidelity makes him "wahnsinnig," even though he admits he has been
unfaithful to her many times (8). Anatol's hesitation leads Max to con-
clude that "dir deine Illusion doch tausendmal lieber ist als die Wahrheif '
( 1 7). Thus, the hypnotic experiment in Anatol fails because the protago-
nist lacks confidence and seems unable to hear the truth he supposedly
longs to elicit. Although one could blame the poor outcome of the hypno-
sis on the incompetent hypnotist rather than his procedure, it is still fair to
say that the play contains an implicit critique of hypnosis as a practice due
to its failure to generate truthful responses as well as the imbalanced
gender relations it fosters.
Most obviously, Schnitzler's Anatol suggests that hypnosis is
an ineffective means of eliciting revelatory psychological truths. Anatol's
initial contention that hypnosis is "ein untriigliches Mittel" appears laugh-
able by the end of the one-act play, since Cora's post-hypnotic slips of
tongue reveal that she has successfully deceived Anatol while apparently
in a trance state ( 18). For instance, when Anatol tells her that she said she
loved him under hypnosis, she replies, "Wirklich?" ( 18). Max adds mock-
ingly, "Sieglaubtesnicht! Das ist sehrgut!" (18). Max concludes, "Eines
ist mir klar: dass die Weiber auch in der Hypnose liigen ... aber sie sind
gliicklich - und das ist die Hauptsache" (18). In this instance, hypnosis
has produced not truths, but only more questions (Perlmann 82).
Further, Anatol's bungling attempts to dominate his girlfriend's
will through hypnosis, and thereby demonstrate his own masculine supe-
riority, expose the inherent misogyny of the hypnotic method as it was
generally practiced at the Jin desiecle. In nineteenth-century case studies
involving hypnotic experiments, the typical hypnotist is a male excercising
power (scientific, psychological as well as sexual) over a typically passive
female subject or medium. Exceptions to this rule, such as the occasional
male hypnotic subject, do exist but are relatively rare. The hypnotic proce-
dure generally involves some kind of subtly erotic activity, whose dan-
gers are increased by the close physical proximity of hypnotizer to sub-
ject. Freud, for example, occasionally used the following method on his
hypnotic subjects: "das funf bis zehn Minuten lang fortgesetzte Streichen
mit beiden Handen Liber Gesicht und Korper des Patienten, das eine auffallig
beruhigende und einschlafernde Wirkung hat" ("Hypnose" 147-148).
Anatol, too, uses this method when he puts Cora into a trance, "ihr... Liber
Stirne und Augen streichelnd" (12). These stroking movements hearken
back to a mid-nineteenth-century form of hypnosis in which the hypnotist
made "magnetic passes" over the subject's body, which were "long sweep-
ing movements of the hands skimming the surface of the skin without
actually touching it, so close that each felt the heat of the other's body"
64
(Winter 2). The hypnotic act thus appears almost scandalously familiar,
particularly if the female subject is of higher social standing than the male
hypnotist, as was often the case.
During these close encounters, the symbolic superiority of the
male hypnotist over his female subject is never far beneath the surface. As
Michaela Perlmann reminds us, the male hypnotist stands in for the power
of the traditionally male realms of science, culture and civilization, while
the female medium represents passive nature (79). Schnitzler's Anatol
initially seems to replicate this gender dichotomy, since Anatol revels his
own suppposed hypnotic powers: "Man konnte ein Zauberer sein! Man
konnte sich ein wahres Wort aus einem Weibermund hervorhexen!" (10).
Meanwhile, Anatol describes Cora as "gewiss ein geeignetes Medium"
whom he desires to render passive and obedient (10). As he puts Cora
under a trance, Anatol refers to her condescendingly as "mein Kind" and
turns to his admiring friend Max with a "siegesbewusste Miene" (12).
Anatol, like Schnitzler himself, clearly enjoys having an audience for his
hypnotic feats, especially when they appear to demonstrate his mastery
of the opposite sex.
But as we have seen, Anatofs attempts to master the opposite
sex through hypnosis (or any other technique, for that matter) very often
backfire. While hypnotizing Cora. Anatol loses his resolve as well as his
control of language. Like Hofmannsthal's Lord Chandos, Anatol finds
that words are no longer obedient to his purposes; try as he might, he
cannot find the correct words to ask his girlfriend whether she has been
faithful to him. The simple question "Bist du mir treu" seems to him too
coarse and "nicht prazis genug," because, as he explains "Wenn ich sie
frage: bist du treu, so meint sie dies vielleicht im allerweitesten Sinne ... sie
denkt moglicherweise an eine Zeit, wo sie einen anderen liebte... und wird
antworten: Nein" (13). Anatol tries to formulate the question differently,
but always fails because the word "treu" seems vague or somehow unsat-
isfying. He says to Max, "Treu! Wie heisst das eigentlich: Treu? Denke dir
... [Cora] ist gestern in einem Eisenbahnwaggon gefahren, und ein
gegeniibersitzender Herr beruhrte mit seinem Fusse die Spitze des ihren ...
[es ist] gar nicht ausgeschlossen, dass sie auch das schon als einen
Treubruch ansieht" (15). Max instantly understands that all of these at-
tempts to evade the question are mere excuses on Anatofs part, since he
is unable to face the mere possibility of Cora's infidelity. As soon as
Anatol gains the omnipotent power over Cora that he desires, he loses the
ability to use it because of lack of self-control and an inability to use
language effectively to achieve his goals.
While Anatol effectively loses his voice as his control over lan-
guage diminishes, Cora figuratively wins back her lost voice at the end of
65
the piece, just as Schnitzler's mute hysterics successfully regained the
use of their speech by means of his hypnotic treatments. After she is
awakened, the previously obedient Cora boldly denounces Anatol's ex-
periment as "lauter Unsinn" and refuses to be hypnotised again (18).
Moreover, she has managed to preserve the secret of her faithfulness (or
lack thereof) from Anatol even while under hypnosis, so that she still has
him in her power. Perlmann writes succinctly, "Nicht er [Anatol], sondern
Cora tragt den Sieg davon" (82). Schnitzler's critique of the gender politics
of hypnosis here comes in the form of parody, by rendering the male
hypnotist tongue-tied as well as ridiculous.
In Paracelsus, by contrast, the eponymous protagonist con-
ducts a much more successful hypnosis in the sense that he undeniably
proves his mastery of his hypnotic art as well as of his hypnotic subject,
Justina (the wife of his former acquaintance, the blacksmith Cyprian). In
so doing, Paracelsus proves his erotic potency as well, since Justina ad-
mits her former infatuation with the doctor. Although the doctor masters
his hypnotic subject psychically and erotically, however, the hypnosis he
performs produces a series of lies mixed in with truthful revelations, sug-
gesting yet another implicit critique of the Freudian hypnotic method.
The play takes place in sixteenth-century Basel, where travelling
doctor and "Hexenmeister" Paracelsus (Bombastus Theophrastus
Hohenheim) has arrived to demonstrate his hypnotic healing powers in
the public square {Paracelsus 24). Cyprian watches as the doctor cures a
mute woman using hypnosis (just as Schnitzler himself did) and heals the
lame blacksmith's wife, who regains the use of her arms and legs. Then
Cyprian invites the "hochberiihmte Arzt" to dinner and makes the mistake
of insulting the doctor's itinerant lifestyle and calling him a quack (13).
In order to prove his hypnotic abilities as well as to avenge him-
self, Paracelsus hypnotizes Justina, making her believe she had an affair
with the nobleman Anselm. Tormented by her imagined guilt, Justina bar-
ricades herself in her room, then describes her alleged affair with Anselm
in such detail that Cyprian begins to believe she is telling the truth. At
Cyprian's insistence, Paracelsus then wakes Justina and hypnotizes her a
second time, commanding her to tell the truth. At this point Justina reveals
that she never had an affair with Anselm, but that if the nobleman had
stayed in town a day or two longer "so waren minder schuldlos wir
geschieden" (5 1 ). Moreover, she reveals that she used to be madly in love
with Paracelsus, and only married Cyprian after the doctor abandoned her.
Cyprian is duly humbled when he realizes he was his wife's second choice,
and the doctor's hypnotic art emerges triumphant.
But despite the success of Paracelsus's hypnotism, the play as a
whole still amounts to a critique of hypnosis insofar as it is used for
66
experimental, rather than therapeutic ends. The cruel nature of Paracelsus's
hypnotic procedure is perhaps the best evidence for this. While Paracelsus
is fully capable of using hypnosis to heal, at Cyprian's, he uses hypnosis
for revenge and for his own entertainment, choosing the helpless and
manipulable Justina as his subject. In sharp contrast to Cora, who is able
to practice deceit even in a trance state, Justina is truly a "geeignetes
Medium" because she is passive and obedient to Paracelsus's sugges-
tions. Justina is merely a victimized pawn in Paracelsus's mind games, just
as Anatol wished Cora would be.
Accordingly, any fleeting feminine triumph like that present at the
end of Anatol is apparently absent here. In its place is a critique of male
pride made obvious by Cyprian's concluding speech: "Doch was ich heut"
gesehn, fur alle Zeit / Soil's mich vor allzu grossen Stolze hiiten" (57).
Here, Schnitzler's critique of male pride reflects his scientific determinism,
a characteristic he shared with Freud. Like Theodor Meynert, who taught
both Schnitzler and Freud, Freud argued that free will was nonexistent,
because every human action could be traced back to brain physiology (or,
in later versions of Freud's theories, to the unconscious). Freud wrote
that "das Ich'nichteinmal Herrist imeigenen Hause'"(qtd. in Worbs 195).
Cyprian, like Freud's "Ich," is demonstrably not the master in his own
house, as Paracelsus' experiments make clear. Cyprian's own belief that he
can possess Justina fully and irrevocably is revealed as pure illusion.
Towards the beginning of the play, Cyprian boasts, "Umschlossen und
gebandigt ist das Weib [Justina]. Geoffnet ist mein Tor ... ich furchte
niemand" to which Paracelsus ominously replies, "Ich wiinschte dieses
Wort so wahr als stolz" (28). When Justina reveals that she once loved
Paracelsus and now feels attracted to Anselm, Cyprian's illusion of mas-
tery inevitably crumbles. Her dismissive tone when describing her hus-
band reveals her relative indifference to him: despite her admission that
"Ich bin dein [Cyprian's] - und will es gerne bleiben," Justina admits that
her married happiness is merely "ein friedlich Gliick/ Ist's auch nicht allzu
gliihend" (53, 51). Paracelsus's intervention serves as a necessary hum-
bling experience for Cyprian, who turns out to be the real medical "pa-
tient" in this peculiar interaction.
But Paracelsus is not merely the agent in Schnitzler's critique of
masculine pride, he is one of its targets as well. Schnitzler's work criticizes
Paracelsus's overweening scientific hubris and the cruel, unnatural nature
of his hypnotic techniques. As in Mary Shelley's Frankenstein, science
here appears as a masculine force victimizing passive, feminine nature.
Victor Frankenstein's teacher, M. Waldmann, describes scientists as those
who "penetrate into the recesses of nature, and shew how she works in
her hiding places" (28). Like Victor Frankenstein, Paracelsus's science
67
proceeds beyond the bounds of propriety and sexual decency. Paracelsus's
hypnosis of Justina can be seen as a figurative rape that unwillingly draws
forth her erotic secrets. Justina makes her unwillingness to participate in
the hypnotic experiment clear only retroactively, at the play's conclusion:
"Mich diinkt, ich sagte / So viel von mir, als ich - nie sagen wollte" (57).
Given the similarity of their names, it is perhaps not too much of a stretch
to connect Schnitzler's Justina to the Marquis de Sade's Justine, another
unwilling victim of sexual torture at the hands of an egotistical and con-
trolling male. When Paracelsus says that the whole hypnotic experiment
was merely "ein Spiel," he effectively admits his sadism, which consists of
his willingness to casually perpetrate acts of cruelty as part of a game or
merely as entertainment (57). In this respect he differs little from Schnitzler
himself, whose early psychological experiments were equally drastic, us-
ing hypnosis to suggest the criminal, murderous aspects of "harmlosen
Menschen" (Boetticher 49). Thus, in his portrait of Paracelsus, one can
read Schnitzler's indictment of his own irresponsible use of hypnosis
during the early part of his medical career.
Another possible target of Schnitzler's Paracelsus is Freud him-
self. The historical Paracelsus of the sixteenth century was not known for
practicing hypnosis, but rather for his "weitreichende Reform des
Medizinstudiums," which privileged learning from experience over the
teachings of famous classical healers like Hippocrates, Galen, and Avicenna
(Perlmann 83). By making his fictional Paracelsus a renowned hypnotist,
Schnitzler points the finger at contemporary hypnotic practitioners, par-
ticularly Freud, who used hypnosis in an attempt to draw forth psycho-
logical truth. While Cora is able to lie under hypnosis, Justina unfailingly
says what she believes to be true, but the paradoxical result is the blurring
of the boundaries between truth and fiction (as when Cyprian begins to
believe, incorrectly, that his wife really had an affair with Anselm). In one
of his most famous speeches, Paracelsus describes how difficult it is to
draw the line between truth and fiction:
Mit Menschenseelen spiele ich. Ein Sinn
Wird nur von dem gefunden, der ihn sucht.
Es fliessen ineinander Traum und Wachen,
Wahrheit und Luge. Sicherheit ist nirgends.
Wir wissen nichts von andern, nichts von uns;
Wir spielen immer, und wer es weiss, ist klug. (57)
This speech solidifies the identification between Paracelsus and
Freud, who also explored the boundaries between "Traum und Wachen"
68
albeit only after Paracelsus appeared in print.7 Moreover, Paracelsus's
admission that he plays with human souls identifies him as more of a
psychologist than a doctor of physical ailments.
Paracelsus's use of hypnosis can be seen as a critique of Freud's
hypnotic technique because, while Freud used hypnosis to reveal psy-
chological "truths," the "truths" which emerge from the hypnotized Justina
are sometimes simultaneously fictions. For instance, when Justina pro-
claims that she has had an affair with Anselm, she says what she thor-
oughly believes to be true, even though it is a bald-faced lie. Schnitzler
effectively questions whether hypnosis reliably produces truthful results,
even in a best-case scenario where the subject is fully cooperative and
does not knowingly lie or role-play. The above passage further implies
that there may be a degree of wishful thinking involved in Freud's revela-
tion of his patients' "truths": "Ein Sinn / Wird nur von dem gefunden, der
ihnsucht"(57).
Schnitzler also implicitly questions whether Freud's hypnotic
method brings facts to light that are better left unsaid. When Paracelsus
first commands Justina to be extremely truthful until nightfall, Cyprian
asks him why he can't extend this period of truth-telling indefinitely.
Paracelsus replies, "Ihr werdet froh sein, dass die Sonne sinkt, / Und wenn
sie aller Frauen beste ware" (50). Justina's unflattering sexual revelations
make everyone uncomfortable, proving the truth of Paracelsus's remark.
She herself admits that she said more during the hypnotic trance than she
ever wished to. This Freudian emphasis on truth-telling, particularly about
one's erotic experience, proves problematic for Schnitzler because, like
hypnosis, it can be invasive and ultimately cruel. This cruelty extends not
only to the hypnotic subject, who is forced to render up her secrets against
her will, but also to those she implicates in so doing. In the case of
Paracelsus, both Cyprian and Caecelia are embarrassed and hurt by
Justina's revelations about them.
Admittedly, even before Freud, contemporary therapeutic inter-
ventions tended to be too invasive for the comfort of many, and oftentimes
not in the patients's best interests. Schnitzler's target in Paracelsus is not
only Freud (although he is implicated more than any other individual
physician), but medical practitioners in general who show more interest in
their scientific research than the welfare of their patients. In Jugend in
Wien, Schnitzler condemns the callousness of many Viennese doctors
towards their patients. For example, he criticizes his former professor, Isidor
Neumann, who treated skin diseases and syphilis at Vienna General Hos-
pital, as being overly concerned about his reputation, not to mention
"riicksichtslos egoistisch und von einer grenzenlosen Gleichgultigkeit
gegemiber dem Schicksal seiner Kranken" (26 1 ).
69
Ultimately, such indifference has a dehumanizing effect on both
doctor and patient alike. This dehumanization is perhaps most obvious in
the dissecting rooms, where Schnitzler observed with dismay doctors'
tendency to see the human bodies lying before them as mere things,
decrying "die Gleichgiiltigkeit gegenuber dem nun einmal zur Sache
gewordenen Menschenbild" (qtd. in Worbs 197). Paracelsus's cruelty and
indifference towards Justina's suffering is thus symptomatic of a wider
problem in turn-of-the-century European medicine.
Finally, Schnitzler 's Paracelsus demonstrates that patients, too,
must be complicit in order for doctors to exercise power over them through
psychological experimentation. Cyprian initially gives Paracelsus permis-
sion to demonstrate his hypnotic arts on Justina, even if he later objects to
the way in which the doctor does so. Justina, although she does not
verbally consent to the hypnosis, at least behaves cooperatively through-
out, although it is not fully clear whether or not she has a choice once she
has entered a trance state. The couple's complicity in the experiment is
symptomatic of a more widespread problem in contemporary European
medicine, one that was especially pronounced in German-speaking coun-
tries, according to Schnitzler. While a medical student, Schnitzler travelled
to England and was surprised at the recalcitrance of the patients there. His
surprise led him to reflect on how unusually cooperative the German and
Austrian medical patients were, a fact which, Schitzler says, led many
foreign doctors to study in Vienna:
Ober die Gutmutigkeit und Geduld unserer Wiener
Patienten und Patientinnen hatte ich mich oft
gewundert. Ja, viele hatten es geradezu mit Stolz zur
Kenntnis genommen, dass sie als interessante Falle
galten oder auch nur, dass sie sich brav hielten ... von
solchem Ehrgeiz war bei den Londoner Kranken keine
Spur zu finden. (Jugend 293)
In 1887, around the time that Schnitzler traveled to England,
Nietzsche wrote of a tendency towards soul searching in the European
public that almost amounts to a kind of masochism: "We experiment on
ourselves in a way which we would never allow on animals, we merrily
vivisect our souls out of curiosity" (87). Nietzsche's vague pronouns
suggest that either doctor or patient could be guilty of this kind of "vivi-
section of the soul" if their exploration of human psychology goes be-
yond the bounds of safety or propriety. Schnitzler, too, appears to sug-
gest in Paracelsus that there ought to be a limit to our desire to probe our
own psychic depths. What we find out, if we exceed this limit, might not be
beneficial for us to know.
70
Schnitzler 's critique of experimental uses of hypnosis in Anatol
and Paracelsus, particularly those hypnotic methods practiced by Freud
and his followers, should put to rest any serious contention that Schnitzler
was Freud's "Doppelganger" in the sense that he naively fleshed out the
psychoanalyst's theories in his fiction. Indeed, Schnitzler had some seri-
ous methodological and theoretical quibbles with Freud, a few of which
have been mentioned here, and are worth briefly recapitulating. Schnitzler
takes issue with hypnosis in general because of the implicit cruelty of the
practice when not used exclusively for therapeutic aims. He critiques
Freud's hypnotic method in particular because of its emphasis on healing
through revealing the patient's inner psychological truth. In Anatol and
Paracelsus, the "truths" that hypnosis brings to the surface are of ques-
tionable value, even when the subject is entirely cooperative.
All of this goes to show that Schnitzler and Freud had somewhat
different views of human psychology, particularly as regards the value (or
even the possibility) of a revelatory psychological truth. Thus, while the
two authors have "a similar talent" and parallel life paths, to a certain
extent, the critique of hypnosis present in Anatol and Paracelsus pro-
vides powerful evidence that Freud and Schnitzler differed philosophi-
cally in significant ways (Nehring 191). Furthermore, calling Schnitzler
Freud's double unfairly negates Schnitzler 's own expertise and experience
as a practicing doctor. Thus, this essay ultimately attests to the need for
more critical readings of Schnitzler 's work that are not overly dependent
on Freudian theory, and which give Schnitzler more credit as an indepen-
dent thinker and open-minded medical practitioner.
Endnotes
1 See Otis for a recent and intriguing study on this theme.
- Freud's essay, "Hypnose," was published as an entry in Anton Bum's
Therapeutisches Lexikon (Vienna: Urban and Schwarzenberg, 1891), and
was reprinted (in revised form) in the 1 893 and 1900 editions of the lexicon.
3 Literary critics frequently cite Freud's 1 922 letter to Schnitzler in which he
explains that his previous avoidance of the author stems "aus einer Art
von Doppelgangerscheu." This letter is published in the Reklam anthology
Die Wiener Moderne, pp. 65 1-653.
4 In his 1889 review of August Forel's "Der Hypnotismus," for instance,
Freud argues that it would be wrong for a doctor not to use the power of
71
suggestion if it could be helpful to the patient: "Er wird als Arzt die
Unmoglichkeit erfahren, die Hypnose nicht zu iiben, seine Kranken leiden
zu lassen, wahrend er sie durch eine unschuldige psychische Beeinflussung
erloesen kann." Freud adds, "Warum soil der Arzt also nicht eine
Beeinflussung planmassig anstreben diirfen, die ihm immer so erwuenscht
war, wenn sie ihm unversehens einmal gelang?" {Werke 128).
5 James Strachey, Freud's English translator, writes in the prefatory material
to The Standard Edition of the Complete Psychological Works ofSigmund
Freud that "Precise dates for Freud's abandonment of these various
procedures [including hypnosis] are not obtainable. In a lecture delivered
at the end of 1904 ...he declared ... 'Now I have not used hypnosis for
therapeutic purposes for some eight years (except for a few special
experiments)' -since about 1 896, therefore" (66).
6 Freud's Traumdeutung was first published in 1900. However, both Freud
and numerous other contemporary physicians had previously written about
the significance of dreams, a perennially popular topic in European medical
literature.
Works Cited
Boetticher, Dirk von. Meine Werke sind lauter Diagnosen: Ober die
artzliche Dimension im Werk Arthur Schnitzlers. Heidelberg: C.
Winter, 1999.
Ellenberger, Henri. The Discovery of the Unconscious. New York: Basic
Books, 1970.
Freud, Sigmund. "Hypnose." Gesammelte Werke: Nachtragsband / Texte
cms den Jahren 1885 bis 1938. Ed. Angela Richards and Use
Grubrich-Simitis. Frankfurt: Fischer, 1999. 141-150.
. The Standard Edition of the Complete Psychological Works of
Sigmund Freud. Vol. 1 . Ed. James Strachey, et al. Trans. James
Strachey. London:Hogarth Press, 1978.
Nehring, Wolfgang. "Schnitzler, Freud's Alter Ego?" Modern Austrian
Literature 10 (1977): 179-94.
72
Nietzsche, Friedrich. On the Geneology of Morality. Trans. Carol Diethe.
Cambridge: Cambridge UP, 1999.
Otis, Laura. Membranes: Metaphors of Invasion in Nineteenth-Century
Literature, Science, and Politics. Baltimore: Johns Hopkins UP,
1999.
Perlmann, Michaela. Der Traum in der literarischen Moderne: Zinn Werk
Arthur Schnitzlers. Munich: Wilhelm Fink, 1987.
Schnitzler, Arthur. Anatol. Anatol / Anafols Grossenwahn /Der Grime
Kakadu. Stuttgart: Reclam, 2002.
. Jugend in Wien: Eine Autobiographic. Frankfurt: Fischer, 1985.
— .Paracelsus. Die Theaterstiicke von Arthur Schnitzler. Vol 2. Berlin: S.
Fischer, 1913.
Shelley, Mary Wollstonecraft. Frankenstein. Ed. J. Paul Hunter. New York:
W.W.Norton, 1996.
Winter, Alison. Mesmerized: Powers of Mind in Victorian Britain.
Chicago: Chicago UP, 1998.
Wisely, Arthur. Arthur Schnitzler and Twentieth-Century Criticism.
Rochester, NY: Camden House, 2004.
Worbs, Michael. Nervenkunst: Literatur und Psychoanalyse im Wien
der Jahrhundertwende. Frankfurt: Europaische Verlaganstalt,
1983.
Wunberg, Gotthart and Johannes J. Braakenburg, ed. Die Wiener
Moderne: Literatur, Kunst, und Musik zwischen 1890 und
1910. Stuttgart: Reclam, 2000.
73
Das Spiel als Inbegriffdes Menschen?
Kritik an einer konservativen Schiller-
Rezeption
Clemens Stepina
Am 9. Mai 2005 jahrt sich Schillers Todestag zum 200. Mai. Das ist
eine willkommene Gelegenheit, nicht nur uber den ,Dichterfursten\ sondern
auch iiber den Theoretiker und Philosophen nachzudenken. Denn wie
sehr zum Gedenkjahr auch der groBte Gegenspieler Goethes als
Saulenheiliger der deutschen Literatur verehrt wird,1 so wenig ist seine
asthetische Theorie, wie sie in den Briefen zur asthetischen Erziehung
des Menschen ( 1 795) vorliegt, und in welcher das dialektische Verhaltnis
von Gesellschaft und Kunst erlautert wird, zum Gegenstand kritischer und
hierin aktueller Analyse geworden.
Aber gerade eine solche Analyse lohnt sich, will man Schillers
philosophische Gedanken zu einer asthetischen Gesellschaft, die gerade
im Spiel sich entfachen soil, auf heutige Rezeptionsmuster hinterfragen,
die ihrerseits wieder in der Frage nach dem Verhaltnis von Arbeit und
MuBe bzw. Spiel griinden.
Schiller, der seine zeitgenossische Gesellschaft wie kein anderer
in ihrer Standeklausel und Herrschaftshorigkeit kritisierte,- war auch in
seiner Asthetik gesellschaftlicher Verhaltnisse schonungsloser Kritiker —
und schon alleine aus diesem Grund muss mit der falschen und sich bis
heute haltenden Vorstellung, dass seine Gesellschaftsphilosophie mit der
„Erfindung des Deutschen Idealismus" (Safranski 7) einherging, aufgeraumt
werden: Denn das Vorurteil, dass Schiller Begriinder des philosophischen
Idealismus und Ahnherr konservativer Philosophic und Literatur-
wissenschaft sei, ist nichts anderes als eben ein Vorurteil, das es hier und
heute zu bereinigen gilt.
74
1. Ein verkiirztes Schiller-Zitat und die Folgen in den konservativen
Geisteswissenschaften
Im 15. Brief zur asthetischen Erziehung des Menschen schreibt
Schiller einen Satz von weitreichender Bedeutung: „Denn, um es endlich
auf einmal herauszusagen. der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung
des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt" (62).
Dieses Zitat ist aber Mitte, und nicht Schlusspunkt weitreichender
Oberlegungen, die der im Ansatz schon durchaus materialistische Denker
uber ein Modell des asthetischen Menschen in einer von biirokratischen
Zwangen befreiten Gesellschaft anstellt.
Wird dieses Zitat aus dem Zusammenhang gerissen. dann deutet
freilich alles darauf hin, dass Schiller das Spiel zum Inbegriff des
menschlichen Wesens hochstilisiert hatte. Es ware dann als selbst-
zweckliches Handeln dem fremdzwecklichen und instrumentellen Handeln,
wie es heute in der (kapitalistischen) Arbeit fokusiert wird, tatsachlich
entgegengestellt. Diese Polarisierung aber ist nicht bei Schiller angestrebt.
sie ist alleine in der heutigen, hierin konservativ zu nennenden Spiel- und
Freizeitforschung angelegt. Ihre Forschungsideologie kann in einem Satz
beschrieben werden: Das Spiel soil auBerhalb soziookonomischer und
geschichts-bildender Beziige stehend betrachtet werden, es soil somit ein
,ur'menschliches Handeln darstellen, das mitunter auf Ergebnisse der
(fremdzwecklichen) Arbeit aufbauen kann, nicht aber mit dieser verglichen
werden darf. Fur die zentralen Reprasentanten der konservativen
Spielforschung: Huizinga und seinem zeitgenossischen Reprasentanten
Scheuerl ist das Spiel Alpha und Omega von Kultur und Gesellschaft, es
ist die erste und letzte LebensauBerung des Menschen; es ist aber auch
Ort der Erholung von schwerer Arbeit.3 Spiel firmiert also auch unter dem
Begriff der Freizeit, dem der Begriff der Arbeit schroff entgegensteht.
Diese Argumentation ist nicht neu (denn neu ist nur der
ungerechtfertigte Verweis auf Schiller), sie wurde von Biologen vor mehr
als hundert Jahren begriindet: Das Spiel soil entspannen und in ihm konnen
Energien fur die Arbeit gesammelt werden. Lazams und Groos4 — die beiden
hier zu nennenden Referenzpersonen — betten die Begriffe Spiel und Arbeit
in ein zwei Phasen-Modell ein: Auf die Phase der Erschopfung und
Belastung durch Arbeit soil die Phase der Entspannung und Erholung, in
welcher auch das Spiel eingegliedert ist, folgen.
Die Frage ist aber, ob Geisteswissenschafter wie ein Huizinga
oder Naturwissenschafter wie ein Groos das Spiel wirklich als Inbegriff
des Selbstzwecklichen sehen, wird es doch eigentlich ex negativo zur
75
Arbeit definiert: Das Spiel wird als eine Regeneration angesehen, die dazu
dienen soil, in der Arbeit wieder voll funktionstuchtig zu sein. Spiel gerat
also zu einer {Compensation, wie es zuletzt im deutschsprachigen Raum
von Plessner5 so genannt und auch radikalisiert wurde: Fur ihn ist das
Spiel Ersatz fur die Arbeitswelt, in der der Mensch sich selbst entfremdet.
Das Spiel soil den Menschen dafur entschadigen, was ihm in der
Arbeitswelt versagt geblieben ist: Wahrheit und Identitat als Menschen
iiber die Arbeit zu finden.
Nun ist aber das Spiel in einer kapitalistischen Gesellschaft selten
Ausdruck innerster Wahrheit und Identitat, sondern Ware, die es — am
Besten passiv — zu konsumieren gilt. Spiel und SpaB stehen in unserer
Gesellschaft im Zeichen eines konsumierenden Spiel- und Freizeit-
verhaltens: Das Spiel als Ausdruck einer Freizeitkultur ist schon langst in
den kapitalistischen Verwertungszusammenhang von Geld und Event-
Urlaub eingegliedert. Es ist also keine — wie auch immer geartete —
„Seinsfeier des Menschen" (Gadamer 1 9), sondem der unfreiwillig ironische
Ausdruck einer Leistungsgesellschaft, in der selbst die Freizeit nach
Parametern der Arbeit gemessen wird (Nutzen-Kostenrechnung: maximaler
SpaB zu minimalem Geldaufwand usw.).
Was dem kritischen Konsumenten klar ist, ist aber der
entsprechenden Wissenschaft freilich ein unthematisierter Bereich: Die
konservative Theorie von Spiel und Freizeit offenbart in ihren
wissenschaftlichen Reflexionen einen grundlegenden und hierin
unlosbaren Widerspruch: Einerseits handelt sie von zeitgenossischer
Gesellschaft und Arbeit, andererseits definiert sie ihren Gegenstand gegen
diese Gesellschaft und gegen diese Arbeit, als quasi gesellschaftlichen
Freiraum, als Spiel. Arbeit begriindet Freizeit und Spiel, das ist eine — und
hier nicht einmal ideologiekritisch eingeriihrte — Hypothese. Geschichtlich
ist klar nachweisbar, dass seit den Zeiten der industriellen Arbeit durch
diese eine materielle und zeitliche Freisetzung fur breite Bevolkerungskreise
erfolgte (Eichler 1 60- Diese Freisetzung kann man als Freizeit bezeichnen.
Seltsam aber ist, dass in der konservativen Forschung die
Freisetzung von Zeit und Arbeitskraft im Rahmen der Freizeit die Dialektik
von Arbeit und Freizeit, ferner von Arbeit und Spiel, zumeist unreflektiert
bliebt: Spiel wird somit ausschlieBlich positiv konnotiert, Arbeit
ausschlieBlich negativ. Dass Arbeit spielerisch und das Spiel arbeits-
spezifisch erfahren werden konnten — das ist ein dialektisches Argument,
dem sich die oben genannte Spielforschung in der Geistes- wie
Naturwissenschaft vollig verschlieBt.
Einseitige Spiel-Argumente sind daher die Folge. Sie lassen sich
76
auf drei Ebenen nachverfolgen:
1 .: Das Spiel ist in der zeitgenossischen Gesellschaft als einzige
Fluchtmoglichlichkeit vor entfremdender und sinnzerstorender Arbeit
anzusehen (Opaschowski 294-299).
2.: Den gesellschaftlichen Antagonismus von Freizeit und
Arbeitszeit gilt es asthetisch zu legitimieren; Arbeit und Arbeitswelt
bekommen sozusagen einen asthetischen Mantel spielerischer
Lebensfreunde umgehangt.6
3.: Arbeit und Spiel (MuBe) galte es in naiver und realutopischer
Einheit dem Kapitalismus zu konzedieren: So wurde vor noch nicht allzu
langer Zeit ein sozialromantisches Bild eines nicht mehr arbeitsteiligen
Individuums entworfen, das von selbsterzeugten Nahrungsmitteln und
Kleidungssti'icken sein naives Fortkommen finden soil (Klopfleisch 225).
2. Schillers Spielbegriff- im Kontext besehen
Schillers Spielbegriff. wie er im Programm einer asthetischen
Erziehung entwickelt vvorden ist, wurde in der Forschung — wie oben zu
sehen war — fur das eigene ideologische Erkenntnisinteresse instru-
mentalisiert, was eine adaquate Interpretation erschwert. Kanon der
ideologiekritischen — und auch noch heute folgenschwer ignorierten —
Schillerforschungaber ist: Schiller hat den Spielbegriff innerhalb einer
asthetischen Realutopie eingebettet gesehen, in welcher die Antithese
von Sinnlichkeit und Vernunft in einem Tertium. dem Spiel, aufgehoben
werden soil. Das lasst den Schluss zu. dass das Spiel keineswegs als rein
selbstzweckliches, sondern vielmehr als gesellschaftlich relevantes
Handeln angesehen werden muss, da es die revolutionare Umgestaltung
von Gesellschaft und Subjekt zum Ziel hat.xZudem wird deutlich klar, dass
ein Gegensatz von Arbeit und Spiel, wie er in der heutigen idealistischen
Spiel- und Freizeitforschung dargestellt wird, nicht bei Schiller angelegt
ist, sondern vielmehr aristotelische Urspriinge aufweist.
Da dieser Kontext in der heutigen Forschung kaum bedacht wird,
soil hier in aller gebotenen Kiirze eine Sinnklammer gesetzt werden:
Aristoteles' Idee der Selbstzwecklichkeit — fiirderhin Gottlichkeit
(Theoria) — der MuBe wird in der zeitgenossischen Geistes- und
Naturwissenschaft mit dem Begriff des Spiels zusammengebracht. Genauer
gesagt, beruht , Spiel' auf einer Sakularisierung des aristotelischen
MuBebegriffs. Der Begriff des Spiels ist nichts anderes als ein semantisch
modernisierter MuBe-Begriff,q der — wie bei Aristoteles im schroffen
Gegensatz zum Begriff der Arbeit steht. Das Spiel — nun zur Selbst-
zwecklichkeit und unter verkiirzter Zitierung des genannten Schiller-Satzes
77
hochstilisiert — firmiert unter dem muBehaften, selbstzwecklichen Handeln,
die Arbeit unter einer fremdzwecklichen, den Menschen entstellenden
Handlung. Spiel ist so ein von geschichtlichen und nicht zuletzt
soziookonomischen Handlungserfahrungen gereinigtes und nur auf sich
selbst ziiriickfuhrbares, darin nicht von etwas anderem ableitbares und
somit unhintergehbares Handeln.10 Dieser allem Iridischen entriickte
Spielbegriff driickt die Konfundierung von Begriffselementen der MuBe
und der Freizeit, als von der Arbeit freigestellte Zeit, aus. (Und dass diese
Argumentation in sich aporetisch ist, da Spiel ex negativo zur Arbeit
definiert wird, wurde ebenfalls schon oben dargelegt.)
Fur Schiller hingegen ist das spielerische Handeln kein
ahistorisches oder traumwandlerisches Handeln, sondern ein Handeln
vielmehr, das die sinnlichen Elemente unentfremdeter und hierin expressiver
Arbeit und Vernunftmomente der geistigen Arbeit in sich aufnimmt und
synthetisiert.
Das Pladoyer fur eine totale Umwandlung des biirgerlichen Staats
durch asthetisches Handeln, wie von Schiller im 6. und 27. Brief eindringlich
gefordert, ist in der klassischen deutschen Literaturphilosophie beispiellos
geblieben. Es ist aber — das muss der Wahrheit halber hier erwahnt werden —
eine Umwandlung, die auf rein gedanklicher Ebene erfolgt, und hier auch
eher in der Unklarheit der literarischen Metapher verbleibt: Denn wie die
Aufhebung des biirgerlichen Staats in concreto geschehen, ergo wie das
Spiel als Form menschlichen Handelns verstanden werden soil, ist von
Schiller nicht klar dargelegt worden. Erschwerend kommt hinzu, dass der
Begriff des Spiels nicht einheitlich verwendet wird und dariiber hinaus die
Synthesis von Natur und Vernunft nicht nur im Spiel, sondern auch im
„asthetischen Zustand" wie im „Schein der Kunst" angestrebt wird, wobei
eine Darstellung dialektischer Triangulierung fehlt."
Jedenfalls aber hat Schiller niemals das Spiel urn seinetwillen
eingefuhrt, es kann daher auch kein Baustein fur eine zeitgenossische
Spielontologie sein, die ihren Gegenstand — unter Extrapolation der Arbeit —
als rein ideelle Substanz des Menschen zu verhandeln hatte. Zudem lasst
sich das Forschungsdilemma einer Spielontologie, mit der weder Arbeit
noch Spiel adaquat analysiert werden konnen, nicht mit dem antiken Habi-
tus der Geringschatzung existentieller Arbeit iibertunchen.
Marcuse und Habermas hingegen haben Schillers Argumen-
tationen richtig bedacht — und fur ihre Theorien adaquat weiterentwickelt:
Herbert Marcuse sieht im Spiel das Medium asthetischer, mithin erotischer
Handlungen, in welchem die Menschen befahigt sind, im Rahmen einer
sanften Revolution — spielerisch eben — die Gesellschaft positiv zu
verandern (Marcuse 171-194); Jtirgen Habermas sieht im spielerischen
Handeln das Potential angelegt, die Moglichkeiten und Bedingungen des
78
kommunikativen Handelns auszuloten. Was heute mit Habermas unter
den synthetischen Leistungen des kommunikativen Handelns verstanden
wird, namlich eine Stabilisierung der Lebenswelt durch Akte der
Kommunikation, die auch in das okonomische System eingreift, hat
zweifellos bei Schiller Anleihen (Habermas 59-64).
3. Ein Ausblick: Das Spiel als Tell der Kultur
Eine Spieltheorie, die literarische und philosophische Elemente
mit empirischen Elementen einer Kulturtheorie verbindet, ist heute immer
noch Desiderat. Eine Ausnahme bildet wohl der Kulturtheoretiker Sutton-
Smith, a der davon ausgeht, dass Kinderspiele aufdas Erwachsenenleben
vorbereiten. Spiele sind also nicht an und fur sich selbstzwecklich, sondern
iiben im Gegenteil die Funktion aus, innerhalb einer Kultur die zur
Lebensbewaltigung erforderlichen Techniken, die im Medium des Spiels
iiberdies zur Ubernahme sozialer Konfliktbewaltigung fuhren, einzuuben.
Die kulturtheoretische Spielforschung von Sutton-Smith zeigt
dumber hinaus auf der Basis empirischen Materials, dass das Auftreten
verschiedener Formen des Kinderspiels in einem Kontext mit dem status
quo der Kulturtechnik steht, welcher wiederum mit soziokonomischen
Strukturen und Wertorientierungen zusammengebracht werden muss. Dem
Spiel kommt demnach keine — wie auch immer geartete — universell-
biologistische Gultigkeit von Spielformen und Spielsequenzen, noch eine
,Selbstzwecklichkeit' von Spielen an sich, zu.
Das Spiel ist so gesehen eine einzigartige Zusammenfassung.
Reflexion und Weiterentwicklung von umfassenderen Zusammenhangen
des kulturellen und soziookonomischen Lebens. Dass dieses Leben auf
einer asthetischen Ebene verhandelt werden muss, urn die sozialen wie
okonomischen Komponenten der geistigen wie korperlichen Arbeit
verbinden und weiterentwickeln zu konnen — das ist der eigentlich
revolutionare Gedanke bei Schiller, dessen Aktualitat nicht auf einen Satz
zusammengefaltet, sondern im Gegenteil auch auf andere Belange der
wissenschaftlichen Reflexion liber Spiel und Arbeit wie Gesellschaft und
Kultur ausgeweitet werden muss.
79
Endnotes
1 Vgl. Peter-Andre Alt, Schiller: Leben, Werk, Zeit (Munich: C.H. Beck,
2004).
2 Vgl. Marie Haller-Nevermann, Friedrich Schiller: „Ich kann nicht
Fiirstendiener sein " (Berlin: Aufbau-Verlag, 2004).
3 Vgl. Johan Huizinga, Johan, Homo hidens: Vom Ursprung der Kultur
im Spiel. 2nd ed. (Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1956); und
Hans Scheuerl, Theorien des Spiels, Reihe Padagogik 2
(Weinheim-Basel: Beltz, 1991).
4 Vgl. Moritz Lazarus, Die Reize des Spiels (Berlin: n.p., 1 883); Karl
Groos, Das Spiel. Zwei Vortrage (Jena: G. Fischer, 1922)
besonders 1-4; und Karl Groos, Die Spiele der Tiere, 3rd ed.
(Jena: G Fischer, 1930).
5 Vgl. Helmut Plessner, Diesseits der Vtopie: Ausgewdhlte Beitrdge zur
Kultursoziologie (Diisseldorf: Diedrichs, 1966); und Helmut
Plessner, Lachen und Weinen, Eine Untersuchung nach den
Grenzen menschlichen Verhaltens. 3rd ed. (Bern: Francke, 1961).
6 Vgl. Freizeit zwischen Ethik und Asthetik: Herausforderungen fur
die Padagogik, Politik und Okonomie. Ed. Johannes Fromme
and Renate Freericks (Neuwied: Luchterhand, 1997).
7 Vgl. Elisabeth M. Wilkinson, and L. A. Willoughby, Schillers Asthetische
Erziehung des Menschen. Eine Einfiihrung (Munich: Beck,
1977).
* Im 27. Brief spricht Schiller von „totale[r] Revolution". Friedrich Schiller,
Ober die asthetische Erziehung des Menschen in einer
Reihe von Briefen. Mit den Augustenburger Briefen. Ed. Klaus
L. Berghahn (Stuttgart: Reclam, 2000).
9 Zur geschichtlichen, in der Aufklarung und Romantik fuBenden
Entwicklung, auf die hier nicht naher eingegangen werden kann,
vgl. Reinhard Klopfleisch, Die Pflicht zur Faulheit: Freizeit
zwischen Strefi undMufie (Diisseldorf: ECON-Verlag, 1 99 1 ) 4-8.
80
10 So zuletzt etwa: „Der gliicklich spielende Mensch scheint in eine Welt
zu reisen, in der die Zeit zur Ewigkeit wird und eine oft banale
Alltagslogik auBer Kraft gesetzt wird." Robert Kamper, „Spiel
und Transzendenz". Der spielende Mensch. Ed.
Giinther G. Bauer. Internationale Beitrage des Instiluts fur
Spielforschung und Spielpadagogik an der Hochschule
„Mozarteum" Salzburg 5. (Munich: Musikverlag Emil
Katzbichler, 1993)24.
1 ' Vgl. dazu Schiller im 3., 10. und 1 1 . Brief.
l2Vgl. Brian Sutton-Smith, Die Dialektik des Spiels. Eine
Theorie des Spielens, der Spiel e und des Sports (Schorndorf:
Hofmann, 1978).
Works Cited
Alt, Peter-Andre. Schiller: Lehen, Werk, Zeit. Munich: C.H. Beck, 2004.
Eichler, Gert. Spiel und Arbeit: Zur Theorie der Freizeit. Problemata 73.
Stuttgart: Frommann- Holzboog, 1979.
Einfiihrung in die Freizeitwissenschaft. Ed. Horst W. Opaschowski. 3rd
ed. Vol. 2. Opladen: Leske und Budrich, 1997. 294-99.
Freizeit zwischen Ethik und Asthetik: Herausforderungen fur die
Padagogik, Politik und Okonomie. Ed. Johannes Fromme and
Renate Freericks. Neuwied: Luchterhand, 1997.
Gadamer, Hans-Georg. Die Aktualitdt des Schonen, Kunst als Spiel,
Symbol und Fest. Stuttgart: Reclam, 1989.
Groos, Karl. Das Spiel. Zwei Vortrage. Jena: G. Fischer, 1922.
— . Die Spiele der Tiere. 3rd ed. Jena: G. Fischer, 1 930.
Habermas, Jurgen. „Exkurs zu Schillers Briefen fiber die asthetische
Erziehung des Menschen". Der philosophische Diskurs der
Moderne, Zwolf Vorlesnngen . Frankfurt am Main: Suhrkamp,
1988.59-64.
Haller-Nevermann, Marie. Friedrich Schiller: „Ich kann nicht
Fiirstendiener sein" '. Berlin: Aufbau-Verlag, 2004.
Heidegger, Martin. DerSatz vom Gnmd. Pfullingen: G. Neske, 1957.
Huizinga, Johan. Homo ludens: Vom Ursprimg der Knltur im Spiel. 2nd
ed. Reinbekbei Hamburg: Rowohlt, 1956.
Kamper, Robert. „Spiel und Transzendenz". Der spielende Mensch. Ed.
Gunther G. Bauer. Internationale Beitrage des Instituts fur
Spielforschung und Spielpadagogik an der Hochschule
„Mozarteum" Salzburg 5. Munich: Musikverlag Emil
Katzbichler, 1993.24.
Klopfleisch, Reinhard. Die Pflicht znr Faulheit: Freizeit zwischen Strefi
imdMnfie. Dusseldorf: ECON-Verlag, 1991.
Lazarus, Moritz. DieReize des Spiels. Berlin: n.p., 1883.
Marcuse, Herbert. „Die asthetische Dimension". Triebstruktur und
Gesellschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1 97 1 . 171 -94.
Plessner, Helmut. Diesseits der Utopie: Ausgewdhlte Beitrage zur
Kultursoziologie. Dusseldorf: Diedrichs, 1 966.
. Lachen und Weinen, Eine Untersuchung nach den Grenzen
menschlichen Verhaltens. 3rded. Bern: Francke, 1961.
Safranski, Rudiger. Schiller oder Die Erfmdnng des deutschen Idealismns.
Munich: C. Hanser, 2004.
Scheuerl, Hans. Theorien des Spiels. Reihe Padagogik 2. Weinheim-
BasekBeltz, 1991.
Schiller, Friedrich. Uber die asthetische Erziehnng des Menschen in einer
Reihe von Briefen. Mit den Augustenburger Briefen. Ed. Klaus
L. Berghahn. Stuttgart: Reclam, 2000.
82
Sutton-Smith, Brian. Die Dialektik des Spiels, Eine Theorie des Spielens,
der Spiele and des Sports . Schorndorf: Hofmann, 1978.
Wilkinson, Elisabeth M., and L. A. Willoughby. Schillers Asthetische
Erziehnng des Menschen. Eine Einfuhrung. Munich: Beck,
1977.
83
Psychiatric Philosophy in Nietzsche 's
Der Fall Wagner and
Nietzsche Contra Wagner
James Kennaway
Unsere Arzte unci Physiologen haben in Wagner
ihren interessantesten Fall
Friedrich Nietzsche, Der Fall Wagner
Few philosophers have made much use of the language of psy-
chiatry, but one fascinating exception is Friedrich Nietzsche. This is most
notably the case in his critique of his former friend and mentor, Richard
Wagner. Die Gebnrt der Tragodie aus dem Geiste der Musik from 1 872
may have owed a good deal to Wagner's influence, but by the time of the
first Bayreuth festival in 1876, Nietzsche expressed doubts in the highly
ambivalent essay Richard Wagner in Bayreuth. However, it was only after
the death of the composer in 1883 that Nietzsche openly proclaimed his
apostasy. In Der Fall Wagner from 1888, Nietzsche Contra Wagner from
1889, and in many passages in the autobiographical Ecce Homo, he at-
tacked Wagner in no uncertain terms for being mass culture, effeminate,
Schopenhauerian, quasi-Christian and corrupt.
This extraordinary and beautifully written assault was put prima-
rily in terms of sickness, specifically in the rhetoric of psychopathology,
hysteria and degeneration. In part five of Der Fall Wagner, Nietzsche
begins the main body of his critique of Richard Wagner and puts forward
his principle charge against the composer — that he is a decadent:
Dem Kiinstler der decadence — da steht das Wort. Und
damit beginnt mein Ernst. Ich bin feme davon, harmlos
zuzuschauen, wenn dieser decadent uns die Gesundheit
verdirbt — und die Musik dazu! 1st Wagner uberhaupt
ein Mensch? 1st er nicht eher eine Krankheit? Er macht
alles krank, woran er riihrt — er hat die Musik krank
gemacht. (97)
84
From this point on the language of medicine, and psychiatry in
particular, dominates Nietzsche's writings on Wagner. The "case" in the
title is clearly intended to be understood as a medical case, and the sub-
title to Nietzsche Contra Wagner, "Aktenstucke eines Psychologen," has
the same associations. The comparison with sickness takes several forms.
Wagner himself is described as a disease. The composer "gehort bloB zu
meinen Krankheiten," Nietzsche writes (88). Nietzsche also argues that
his music can have a pathogenic effect on audiences: "Wagner macht
krank" (131). He also suggests that Wagner's success was a symptom as
well as a cause of sickness among the audience. That success (especially
among women) was essentially a question of "nerves," and indeed his
work was "an expression of physiological degeneration (specifically a
form of hysteria)" (99, 1 02).
The purpose of this article is to outline the sources of Nietzsche's
"psychiatric philosophy" and to show how Nietzsche uses medical lan-
guage for different ends than his contemporaries. I will show that
Nietzsche's use of medical rhetoric has only superficial similarities to sci-
entific rationalist critiques of Wagner, and that his largely tactical use of
the language of medicine can obscure his real target — cultural malaise and
philosophical Pessimism. In particular, I will discuss Theodor Puschmann's
now largely forgotten Richard Wagner: eine psychiatrische Studie of
1872 as a precedent of a psychiatric attack on Wagner. The origins of this
psychiatric rhetoric have been the subject of some debate. Curt von
Westernhagen and Manfred Eger have gone as far as to imply that
Nietzsche simply copied many of these charges against the composer
from other critics, Paul Bourget and Eduard Hanslick. As I will show,
Westernhagen and Eger exaggerate the influence of specific critics and
underestimate the extent to which the rhetoric of degeneration had be-
come commonplace by the 1 880s.
A key pointer to the origins of much of Nietzsche's thinking on
the subject is the fact that he used the French word decadence rather than
the German entartet ovdekadent. Indeed, Nietzsche's debt to French ideas
on decadence was considerable. The use of the word decadent to de-
scribe modem art dates from Desire Nisard's attack on Victor Hugo and
the French Romantics of 1 834, Etudes de tnoenrs et de critique sur les
poetes latins de la decadence.1 Nisard compared the lack of classical form
of the Romantics to the supposed locus classicus of decadence, the late
Roman Empire. In the decades after Nisard's book, the word took on a
broader meaning than simply "decay" in French culture at the time. With
the so-called decadent movement in the 1 880s, it came to be a marker of
aestheticism and dandyism to take the epithet and make it positive. These
self-declared decadents made this pose the basis of a school and gave
85
Paris an even greater association with decadence. Nietzsche's conclu-
sion, that Wagner was a secret Parisian, must be seen in this context. The
composer was "sehr modern, nicht wahr? Sehrpariserisch! Sehr decadent!"
(Nietzsche 109).
At the same time, French anxieties about cultural and social de-
cay were mixed up with the idea of physiological degeneration. Conserva-
tives and radicals alike pointed to the social, cultural and sexual changes
brought on by industrialization and cried that society would collapse. The
elision of moral and cultural decadence with physiological and psychiatric
degeneration had become commonplace by the 1880s, despite the fact
that, as David Weir has pointed out, decadence refines corruption, whereas
degeneration is the corruption of refinement (ix). It is also clear that when
Nietzsche writes about decadence he is referring to a physiological condi-
tion as much as to historical and cultural decline. The connection between
this Bohemian view of decadence and the idea of sickness is revealed in a
passage from Der Fall Wagner, "Ja, ins Grosse gerechnet, scheint Wagner
sich fur eine andern Probleme interessiert zu haben, als die, welche Leute
die kleinen Pariser decadents interessieren. Immer fiinf Schritte weit vom
Hospital" (110). And, as we saw in the first quotation above, decadence
can ruin your health.
However, the French decadents maintained a highly ambivalent
attitude towards this medical-cultural illness, adding a certain glamour to
the idea of luxurious decline and glamorous sickness. This ambivalence
was also a crucial part of Nietzsche's use of the rhetoric of degeneration-
decadence. Thomas Mann's insight that Nietzsche's Wagnerkritik was a
"Panegyrikus mit umgekehrten Zeichen" describes the use of psychiatric
language perfectly (Mann 72). Nietzsche was very conscious of the patho-
logical character of his own relationship with Wagner, writing "Nicht das
ich gegen diese Krankheit undankbar sein mochte... Es hilft nichts, man
muB erst Wagnerianer werden" (88).
The ambivalent Parisian attitude to decadence came to Nietzsche
mostly through the work of Paul Bourget. Indeed the Wagner scholar, Curt
von Westernhagen, went as far as to argue that Der Fall Wagner is "eine
Art Trickbild...ein Plagiat" of the Frenchman's work (Eger 179). While
such exaggerated criticisms of Nietzsche may smack of Wagner-loyalism,
there is undoubtedly a great deal in Bourget 's Essais de psychologie
contemporaine that found its way into Nietzsche's work. Nietzsche en-
countered Bourget 's work in 1 883-4 and it had a profound influence on all
his subsequent work. Although Nietzsche did use the word decadence
before reading Bourget (for instance, in a letter to his friend Peter Gast in
1882) it takes on its full meaning and significance only thereafter
(Borchmeyer 132).
86
In using the word more ambivalently Bourget was by no means
an entirely original thinker himself. His partly positive view of decadence,
for example in the following passage, is not at all original; "si les citoyens
d'une decadence sont inferieurs comme ouvriers de la grandeur du pays,
ne sont ils pas tres superieurs comme artistes de rinterieur de leur ame?"
Theophile Gautier's famous preface to Les Fleurs du Mai. which contains
the same idea, albeit more positively inclined both to Baudelaire and to
decadence, was also part of Nietzsche's library, complete with innumer-
able pencil notes by the philosopher. Gautier's preface brought out themes
implicit in Baudelaire's own writings. For example, in the essay on Edgar
Allen Poe, Baudelaire glowingly describes a "literature of decadence,"
where
in the tricks of this dying sun, certain poetic minds will
find new joys; they will discover dazzling colonnades,
cascades of molten metal, a paradise of fire, a sad
splendor, a rapture of regret, all the magic of dreams, all
the memories of opium. (3 1 9-320)
Although Baudelaire rarely used the word decadence, his ambivalent atti-
tude towards the concept is the origin of the whole decadent movement,
and also of Nietzsche's own mixed feelings (Pestalozzi 158-1 78). :
Bourget took Baudelaire as his archetypal decadent, as Nietzsche
would take Wagner. Bourget even uses the same rhetoric of medical
"cases" to make his point that Nietzsche would later use in his Wagner
books; "Baudelaire ist ein ausserordentlich bezeichender 'Fall' dieser
besonderen, eigenartigen Entwicklung" as Bourget had it in the German
translation of his work (15). Nietzsche got the language of sickness partly
from Bourget 's analysis of Baudelaire, in which words such as ungesund,
Nervensystem, krankhaft and unnatiirlich appear (126). There are further
psycho-pathological elements that Bourget and Nietzsche have in com-
mon; for example, Bourget writes of Baudelaire's head as apsychologischen
Apparat, and uses drug metaphors, describing a poetic effect as being like
an "Opiumrausch," as Nietzsche would describe Wagner's "Opiaten der
Sinne"(18, 139).
Crucially, Bourget focuses on the unhealthily erotic in Baudelaire's
work, a motive that runs throughout all discussions of decadence, allud-
ing to the poet's image of the "Boudoir als Folterkammer," and his "Manie"
in brothels (10). More concretely, the understanding of literary decadence
in part seven of Der Fall Wagner, as "dass das Leben nicht mehr im
ganzen wohnt... jedesmal Anarchie der Atome" is clearly lifted almost
intact from Bourget's own interpretation in his Baudelaire essay, in which
he argues that for decadence, "Die Folge ist eine Anarchie, welche den
Verfall des Ganzen mit sich bringt" (103, 22). In Bourget's original the
87
organic model implicit in Nietzsche's passage is explicit; society and the
work no longer function as an organism in a decadent era.
Another reason why Nietzsche found Bourget's idea of deca-
dence so appealing is the role given to enervation and philosophical Pes-
simism. Bourget points to "Abscheu vor dem Sein," a weakened vital
instinct, as standing behind all the various manifestations of decadence,
whether they be found in Schopenhauer, Russian anarchists, the
Communards, or decadent poets ( 1 6). The over-refinement of decadents
makes them obscure and means they have "no future," and given the
associations of Wagner with Zukunftsmiisik, an argument such as this
must have seemed to Nietzsche a perfect fit for the composer. Baudelaire
was for Bourget as Wagner for Nietzsche, a "Stimulantia der Erschopften"
(Bourget 99). These descriptions of Pessimism as a symptom of a weak-
ened instinct and physiological weakness point to the essence of
Nietzsche's use of medical language. For the most part, Nietzsche's lan-
guage merely took the form of previous medical rhetoric against Wagner,
while having a very different agenda, but with Bourget's attack on the
physiological weakness of the will, Nietzsche found a perfect medical
metaphor for his assault on Wagner's pseudo-Christian Schopenhauerian
ethic.
Alongside Paul Bourget, the other purported source of
Nietzsche's ideas is the music critic Eduard Hanslick, whose hostility to
Wagner from Lohengrin on was such that the composer caricatured him in
the figure of Beckmesser in Die Meistersinger von Nitrnberg. Manfred
Eger's book Nietzsches Bayrenther Passion contains an outline of
Nietzsche's debts to Hanslick, while acknowledging Bourget's influence.
Eger makes bold claims about the influence of Hanslick on Nietzsche's
Wagnerkritik, going as far as to compare the relationship between Hanslick
and Nietzsche with that of Goethe and Eckermann, to Hanslick's advan-
tage! (Eger 321-332). Although he does not go as far as Westernhagen in
accusing Der Fall Wagner of plagiarism, he gives Nietzsche credit for little
beyond expressing other writers' ideas brilliantly. In some instances it is
clear that Nietzsche did "borrow" ideas from Hanslick. For instance, the
accusations about Wagner's bad counterpoint are highly reminiscent of
some of Hanslick's comments, and Nietzsche's descriptions of the un-
pleasant physical power of music, that Wagner's music "sweats," for ex-
ample, come partly from Hanslick's contribution to musical aesthetics,
Vom Musikalisch-Schonen (Nietzsche 101).
There are other examples of Hanslick's supposed influence on
Nietzsche to which Eger alludes that have other more direct sources or
had become commonplaces by the 1 880s. The fact that both Hanslick and
Nietzsche refer to the Blutschande in Die Walkiire hardly shows direct
influence, since on-stage incest raised eyebrows in many circles. Most
importantly for this discussion, Eger argues that Nietzsche got his de-
scription of Wagner as a "disease" through Hanslick from Arrigio Boito,
who had written, "Le Wagnerisme c'est la maladie de nos jours, c'est une
peste" (21 ). This is one of the weakest parts of Eger 's argument. Nietzsche
certainly was not the first to use this language about Wagner, but neither
was Boito or Hanslick. Eger also points to Hanslick as the origin of
Nietzsche's use of drug metaphors and the idea that nerves, especially
women's nerves, were particularly susceptible to Wagner's musical pow-
ers. Indeed, Hanslick's reviews of Wagner from the 1870s and after con-
tain many examples of this; for instance, he claims that "a direct nervous
stimulant works upon the female audience particularly," and describes
"the hashish dream of the ecstatic female" (Hanslick 172). Nietzsche's
depiction of Wagner's "Erfolg bei den Nerven und folglich bei den Frauen"
obviously has a lot in common with Hanslick's reviews (99).
However, a closer look at Wagner criticism of the 1 870s and 1 880s
shows that much of this kind of language, whether used metaphorically or
medically, had become normal fare, and one hardly has to find a single
point of origin, or claim that Nietzsche "copied" the idea. The beginning of
the debate on Wagner's mental state can be dated to the furor unleashed
by the republication of Wagner's unsavory essay Das Judenthum in der
Musik, first published in September 1 850 in the Neue Zeitschrift fur Musik
under the pseudonym K. Freigedank ("Free thought"), but reprinted un-
der Wagner's own name in 1 869. After this came a flurry of criticism, not
just of the pamphlet's noxious anti-Semitism, but of the composer's life,
works, and theories in general, from both Jews and non-Jews. It was at this
time that a psychiatric theme emerged as an important part of anti-
Wagnerism, a response at first to Wagner's intemperate anti-Semitic views
more than to his music. The connection between the publication of the
pamphlet and the pathological theme in music criticism was made explicit
in Richard Wiierst's article in the Berliner Fremdblatt. "After the publica-
tion of this text we await with certainty to hear that the rumored author has
been locked up in an asylum" (Tappert 23).
The most significant source for the idea that Wagner was "sick"
in a psychiatric sense was Theodor Puschmann's pamphlet of 1872, "Ri-
chard Wagner: eine psychiatrische Studie," the publication of which caused
quite a stir at the time. It provoked several other books, both supporting
and denouncing Puschmann's claims, and Nietzsche himself defended
Wagner to the hilt, still in his role as Wagner acolyte, in the Musikalisches
Wochenblatt in January 1873. What Puschmann's book brought to dis-
cussions of Wagner, and indeed of music tout court was the language of
physiological sickness and degeneration. This marked a change from the
89
journalistic criticism of Wagner which had often used terms such as "hys-
terical" and "paranoid." It is only after the scandal around the Puschmann
book that one finds discussion of the "pathological element" in Wagner's
music in Hanslick's reviews, and since Nietzsche was aware of the
Puschmann affair there seems little reason to pinpoint Hanslick's quota-
tion of Boito as the origin of the idea of Wagner as sick (Review of Tristan
26).
Puschmann's book is in many ways a belated response to the re-
publication of Das Judenthum in der Musik article, and to the scandal that
surrounded Wagner's illicit relationship with Cosima von Biilow.
Puschmann therefore focuses on Wagner's Verfolgungsmanie in relation
to Jews and "Moral Insanity" in his private life more than later attacks on
Wagner as a degenerate would (52). However, in Wagner's operas, too,
Puschmann saw evidence that "Die Krankheit zeigt sich in Verkehrtheit
der Neigungen, Perversitat der Begierden und Wunsche und in dem
vollstandigen Mangel der sittlichen und socialen Gefuhle" (52). This ap-
pears to be the earliest example of Wagner's work being seen as literally
showing signs of "sickness" (67). More precisely, Puschmann tells us that
Wagner is suffering from a specific kind of moralische Entartung and
psychische Entartung, and the two are made synonymous. Wagner had
long been accused of immorality, but with Puschmann for the first time it
was made "scientific," a symptom of degeneration.
The idea of degeneration, which enjoyed a great vogue from the
1 880s until the First World War, was itself a symptom of bourgeois panic in
the face of supposed urban decay and national demographic crises. The
first major work of the theory of degeneration was Benedict Morel's Traite
des degenerescences physiques, inteUectuelles et morales de I 'espece
humaine of 1857, which was the first book to discuss the issue of degen-
eration, the falling back of a human being to a more primitive type. This
idea of the throwback explains the seemingly eccentric descriptions in
Hanslick, or later Max Nordau, of Wagner's "infinite melody," as reducing
man to the level of a "boneless mollusk," or to the "undifferentiated sense
perceptions of the pholas or oyster" (Hanslick 127, Nordau 176). So wide-
spread was this kind of language that one can scarcely prove even that
Hanslick had read Morel, so that when Nietzsche attacks "Bayreuther
Kretinismus," it merely demonstrates how normal such terms had become
(120).
It was Morel's pupil Magnan, however, that first tried to fit "ge-
nius" into this model, distinguishing between "higher degenerates" and
others, such as prostitutes and anarchists. Jacques-Joseph Moreau de
Tours' 1 859 La psychologie morbide dans ses rapports avec laphilosophie
de I'histoire on de I 'influence des nevropathes sur le dynamisme
90
intellectuelle gave these ideas a wide public, with the result that the
whole trope of "mad genius," as old as the hills, was given a veneer of
medical respectability. Nordau and Puschmann received their version of
this doctrine; that "genius is a disease of the nerves" from the Italian
criminologist and physician, Cesare Lombroso (famous for his portraits of
"criminal types"), who defined genius as an "epileptoid psychosis"
(Nordau 23, Huertas 23). Thus, when Puschmann assured the reader that
"Das Genie ist der Bruder des Wahnsinns," he was, as a good physician,
merely repeating respected medical opinion ( 1 ). Although Nietzsche does
not argue that Wagner's degeneration is a question of mad genius, his use
of the language of degeneration about an artist resulted from this dis-
course.
Puschmann used the idea of degeneration to bring together vari-
ous older criticisms of Wagner. The composer's theories of opera, his
private life, his anti-Semitism, as well as his music dramas, were all used as
evidence of Wagner's sickness. The issue of sex dominates, as is so often
the case with the debate around decadence. As Bourget had discussed
Baudelaire's eroticism in quasi-medical terms, so Puschmann, and later
many others, mixed rumors (mostly true) from Wagner's private life, the
sometimes racy content of his operas (adultery in Tristan, incest in
Walkure, etc.), and what was seen as the musical eroticism of his highly
chromatic harmony. In Nietzsche's critique of Wagner, oddly, he seems to
blame the composer for being at the same time too erotic and too chaste.
The Keuschheit of Parsifal is attacked, yet the Sinnlichkeit of Wagner's
music is also questioned, and later Nietzsche alludes to Wagner's own
eroticism, describing him as an "alte[r] Minotaurus!" requiring women
and youths to be sent to Crete (120). Nietzsche is novel in this view of
Parsifal, but his medical language and the role of eroticism were a normal
part of anti-Wagnerism in the 1 880s, drawing on both French and German
sources.
Puschmann's book was reprinted in 1 873 and enjoyed brief suc-
cess. However the means by which his ideas gained a wider public was
their use (without acknowledgment) in Max Nordau "sEntartnng. Nordau 's
bestseller of the 1 890s was one of the principal means whereby the theory
of degeneration in culture became widespread in the early twentieth cen-
tury, and, despite the author's position as a founder of Zionism, therefore
constituted an important influence on Kulturkonservativ and Nazi cul-
tural politics after the First World War. With what to a modern reader
seems to be unintentional comedy. Nordau writes things such as "Wagner
suffered from 'erotic madness', which leads coarse natures to murder for
lust and inspires 'higher degenerates' with works like Die Walkure,
Siegfried, and Tristan und Isolde'" ( 1 82).
91
Although he calls Nietzsche's Wagnerkritik "insanely delirious,"
Nordau does not refrain from using ideas found there (196). For instance,
Nietzsche's argument that Wagner thinks in terms of Gebarden, and that
he is an Affresko-Maler more than a real musician is repeated in Nordau 's
assertion that Wagner, as a true decadent did not understand his own
nature, and that he was in fact "a born painter. If he had been a healthy
genius. . ." (104). The idea that Wagner's success was intimately bound up
with the new Reich is another common theme in Nietzsche and Nordau's
work on Wagner. Nietzsche's view that "Es ist voll tiefer Bedeutung, dass
die Heraufkunft Wagners zeitlich mit Heraufkunft des 'Reichs'
zusammenfallt" was also echoed by Nordau, this time without crediting
his source (115). Nordau blames the hysteria caused by the war and the
increased pace of life for Wagnerism's success, and in doing so he was
drawing on decades of anti-decadent literature in the same way that
Nietzsche had done.
Nietzsche's use of psychiatric language must therefore be seen in
the context of a widespread discourse on decadent and degenerate cul-
ture that dates back to the 1 870s and continued until the 1940s. However,
Nietzsche's use of this language of psychiatry is very different from Nordau
and Puschmann's. Nordau, like Puschman, was an archetypal bourgeois
rationalist, and in Entartung he takes all the enemies of scientific progress
to task. Nietzsche, on the other hand, has some very scathing things to
say about science — for him it is itself a sign of a decadent culture. For
Nordau, the opposite of decadence was scientific rationalism, for Nietzsche
it was a vitalist philosophy. Nietzsche's use of the language of sickness,
whether writing about hysteria or the christlich-krankhaft nature of
Parsifal, is in the final analysis, uninterested in actual medical arguments
unless they are related to Life. The use of such pseudo-medical terms in
his Wagnerkritik may seem strange, comic and sometimes gratuitous to
modern readers, but for contemporaries it fitted a large and respectable
discourse of degeneration; while showing where Nietzsche found various
rhetorical devices may be interesting, it shows little understanding of
Nietzsche's wider concerns to argue that he is guilty of plagiarism.
Nietzsche's description of Wagner as a sick Romantic stands in a
tradition of criticism that goes back at least as far as Goethe. Goethe's
famously summed up his critique of Romanticism in a comment made to
Eckermann in 1829: "Das Klassische nenne ich das Gesunde, und das
Romantische das Kranke" (Eckermann 286). Goethe's interest in natural
science was mixed with his assessment of the work of figures such as
E.T.A. Hoffmann and Heinrich von Kleist as "extrem und fiebrig" or
"Lazarett-Poesie" to create a powerful analogy between Classical propor-
tion and natural law (Eckermann 353). Beauty was a "Manifestation geheimer
92
Naturgesetze," whereas the work of an unnamed playwright was described
by Goethe, in terms that prefigure Nietzsche and Nordau, as "patho-
logisches Produkt" (Goethe 48:201 , Eckermann 474). It was not simply the
rhetoric of sickness that Nietzsche took partly from Goethe. The connec-
tion between healthy art and the healthy life, between harmony and unity
in life and art, as described for example in Goethe's text on Winckelmann
and Classicism from 1805, was also at the heart of Nietzsche's attack on
Wagner's "sickness." For both, Classical Greece was a model for a healthy
culture, and the formlessness of Romanticism was a sign of pathology in
art as it would be in an organism.
Instead of entertaining accusations of plagiarism, one can use-
fully regard Nietzsche's Wagnerkritik and the rhetoric of sickness that
dominates it as a synthesis of several important strands of nineteenth
century attitudes towards Romanticism; some of these are used more for
rhetorical effect, whereas others have wider concerns in common with
Nietzsche's ideas. Goethe's critique of Romanticism as das Kranke lies
perhaps nearest to Nietzsche's real intentions, in that it links sickness in
culture with the idea of a lack of harmony in life, within the organism itself.
The terms decadence and degeneration are really impossible to separate
at this time, and Nietzsche uses decadence as a medical category. This
language found its way into Nietzsche's work largely from French sources,
via Bourget from Morel, Baudelaire and Gautier. The out-and-out psychi-
atric language dates from the Puschmann pamphlet. Unlike Puschmann,
Nietzsche does not simply cloak Philistinism in medical garb; rather psy-
chiatry is used to give emphasis and a physical angle to his vitalist objec-
tions to the composer.
Nietzsche's own mental breakdown, only months after producing
his attack on Wagner's mental pathology, lends a certain tragic irony to
his comments on the composer. This breakdown produced a series of
Wagnerian and pseudo-medical pamphlets that turned this language onto
Nietzsche. In Ecce Homo, Nietzsche vented some of his spleen against
one such attack actually published before his breakdown in Turin, Rich-
ard Pohl's Der Fall Nietzsche, which described the causes of Nietzsche's
book as "really pathological" (Podach 48). Nietzsche's reply was to the
point, describing Wagnerians as "Truly an outrageous crowd! Nohl, Pohl,
Kohl, con grazie in infinitum! There is not a single abortion missing among
them" ( 1 07). One might gain an idea of how commonplace this language
had become if one considers that when Nordau gave Nietzsche a whole
chapter in Entartung, he was able to crib almost all of it from a decade of
pseudo-scientific attacks on the philosopher.
This use of the language of medicine, of cultural hygiene so to
speak, often still has a slightly comic air in the nineteenth century, albeit
93
that many examples are written vulgarly ad hominem. However, in the
twentieth century this rhetoric of physiological degeneration, mixed with
poisonous Social Darwinism, takes on a more sinister edge. When added
to anti-Semitism, the ideas of the respectable bourgeois Dr. Puschmann,
the anti-anti-Semite Nietzsche and the Zionist Max Nordau and others
became the basis for the Nazi concept of entartete Musik — degenerate
music. There is an uncomfortable irony in the fact that much of the dis-
course of sick music had its origin in debates on the ultimate German
composer for the Nazis — Richard Wagner. As Susan Sontag wrote in her
book Illness as Metaphor, comparisons between culture and disease are
almost always reactionary: "Nothing is more punitive than to give a dis-
ease a meaning - that meaning is invariably a moralistic one" (57). If
something is diseased it becomes a question of hygiene to destroy or
silence it. It is not only music discourse that has shown that such "hy-
giene" is far more dangerous than any supposed sickness.
Endnotes
1 An excellent discussion of the term "decadent" can be found in Richard
Gilman's Decadence: The Strange Life of an Epithet (New York: Farrar,
Strauss and Giroux, 1979).
2 See Karl Pestalozzi, "Nietzsches Baudelaire Rezeption," Nietzsche Stndien
1 ( 1978): 1 58-1 78; and W. D. Williams, Nietzsche and the French (Oxford:
Blackwell, 1952).
Works Cited
Baudelaire, Charles. "Notes nouvelles sur Edgar Poe." Oeuvres completes.
3 vols. Pans: Gallimard, 1976. 319-327.
Borchmeyer, Dieter. "Richard Wagner und Nietzsche." Wagner-Handhuch.
Ed. Ulrich Miiller and Peter Wapnewski. Stuttgart: Alfred Kroner,
1986.114-136.
Bourget, Paul. Psychologische Ahhandlungen fiber zeitgenossische
Schriftsteller. Trans. A. Kohler. Minden: Brund, 1903.
Eckermann, Johann Peter. Gesprdche mit Goethe. Munich: Beck, 1984.
94
Eger, Manfred. Nietzsches Bayreuther Passion. Freiburg: Rombach, 2001
Gilman, Richard. Decadence: The Strange Life of an Epithet. New York:
Farrar, Strauss and Giroux, 1979.
Goethe, Johann Wolfgang. Werke. Ed. Paul Raabe. Weimarer
Ausgabe.Munchen: dtv, n.d. Rpt. Weimar: Bohlau, 1887-1919.
Hanslick, Eduard. Vienna's Golden Years of Music, 1850-1900. Trans.
H. Pleasants III. New York: Simon and Schuster, 1950.
Huertas. Rafael. "History of Psychiatry: Madness and Degeneration."
History of Psychiatry 4 ( 1 993 ): 1 -2 1 , 1 4 1 - 1 58, 3 1 0-3 1 9.
Mann, Thomas. "Leiden und GroBe Richard Wagners." Wagner und
nnsereZeit. Frankfurt: Fischer, 1963. 63-121.
Nietzsche, Friedrich. Richard Wagner in Bayrenth/Der Fall Wagner/
Nietzsche Contra Wagner. Stuttgart: Reclam, 1973.
Nordau, Max. Degeneration. New York: H. Fertig, 1968.
Pestalozzi, Karl. "Nietzsches Baudelaire Reception." Nietzsche-Studicn
7(1978): 158-178.
Podach, E. F. The Madness of Nietzsche. Trans. F. A. Voigt. London:
Putnam, 1941.
Sontag, Susan. Illness as Metaphor. New York: Farrar, Strauss and
Giroux, 1978.
Tappert, Wilhelm. Richard Wagner im Spiegel der Kritik. Worterbuch
der Unhqflichkeit enthaltend grohe. hohnende, gehassige
und verleumderische Ausdriicke, die gegen den Meister
Richard Wagner, seine Werke und seine Anhdnger von den
Feinden und Spottern gehraucht wurden. Leipzig: C.F.W.
Siegels Musikalienhandlung, 1903.
Weir, David. Decadence and the Making of Modernism. Amherst:
University of Massachusetts Press, 1985.
95
A Lamentable Conquest?
Intertextual Disparagementof the Heroic Ideal
in Wolfram s Willehalm
Karina Marie Ash
Landgrave Hermann I of Thuringia (1 190-1217) commissioned
Wolfram von Eschenbach to write a poem about the Carolingian hero
William of Orange, who defended France from the Saracens in the eighth
century (Nusser 167). During the crusades William of Orange was tradi-
tionally portrayed like his Saracen slaying contemporary, Roland, as an
exemplar for the crusaders. ' Wolfram follows this tradition by introducing
William as a miles dei in the prologue of his epic poem Willehalm ( W) by
acknowledging that Willehalm fought on behalf of God: "holy one, since
your purity fought with humanity before the highest hand" (W stanza 4:
lines 4-5 ).: Yet, Wolfram also presents Willehalm as more than a pious
soldier of God when the narrator prays "May your mercy answer my
prayer, Saint Willehalm. The voice from my sinful mouth cries out to you.
Protect me, too, from sin" ( W 4: 1 2- 1 5).3 William of Orange was declared a
saint in 1066. Epics and popular religion advanced his veneration far
more than hagiography or church doctrine (Vauchez 26). The prologue
attests to Wolfram's intent to continue the promotion of the saint as an
exemplar through his epic as well. In contrast to William's depiction in the
earlier the French epic Aliscans (A), Wolfram not only tells the tale of the
hero who bravely fought for God, but he also shares the story of a saint.
Even though the epic Willehalm does not depict the saint's life after he set
aside his armor from victorious battle and established a monastery in 804,
Wolfram's evocation of William's sainthood influences the didactic tone
of the epic.
This paper will discuss how the didactic tone in the epic poem
Willehalm differs from the previous epics. I will clarify how this epic
cultivates a saintly devotion to a God through lessons in suffering, mercy,
and love instead of promoting the contemporary heroic ideal which in-
spired many crusaders. To clarify the opposition between Wolfram's pi-
ous ideal and the heroic ideal, I will turn to Julia Kristeva's theory of
intertexuality, which elucidates how one or several sign systems can be
transposed from one text to another (Kristeva Reader 111). Kristeva
argues that the inclusion of signs from a former text into a new text creates
96
an ambivalence, a shared history, between the two texts (39). 4 Although
Wolfram infuses a multitude of intertextual references into his epic that
produce numerous ambivalences, I will focus solely on the analogies and
discourses, which directly compare the characters in Willehalm to charac-
ters from earlier Germanic epics.5 Specifically I shall discuss the refer-
ences that evoke a shared history between Willehalm and Das Rolandslied,
the Dietrich Epics, Eneide, and the Hildebrandslied.
To underscore the didactic emphasis in Wofram's epic of lauding
piety over bravery, I will also draw upon Bertolt Brechfs theory of alien-
ation. According to Brecht, when the audience is alienated from a perfor-
mance, it is allowed to recognize the subject of the performance (192). I
will examine the alienation that Wolfram's audience would have experi-
enced when the heroic ideals embodied by characters from earlier epics
are questioned through a rupture between the actions of earlier characters
and their successors in Willehalm. The rupture which causes this alien-
ation can be understood using Kristeva's definition for a thetic break,
which is an opposition between a former text and the new text that forces
the new text to separate itself from the older text with a new ideology (98-
99. 112). Therefore based on the audience's knowledge of earlier texts, I
will explain how several scenes provoke a predictable premise in Willehalm
based on allusions to characters from earlier epics. When Wolfram's
narrative fails to follow the predictable expectations of his audience, which
were established by a shared ambivalence between the epics, the audi-
ences expectations are dashed. These dashed expectations highlight the
thetic breaks, where a new ideology is asserted in Wolfram's epic, which
consistently disparages traditional heroic glorification by replacing it with
images of suffering, mercy, and love for the didactic purpose of inspiring
a peaceful devotion to a God.6
Current scholarship on the intertextuality in Willehalm does not
offer an analysis, which seeks to solidify a didactic purpose based for
Wolfram's use of intertextual discourse.7 Instead the scholarship points to
disparate goals, which may clarify the ideological tone of the epic.
Christoph Gerhardt and Christian Kiening both find humourous intents in
Wolfram's use of intertextuality (Gerhardt 1-10, Kiening 108). Kiening and
Martin H. Jones conclude that Wolfram uses some of his intertextual refer-
ences as a form of critique and that the author intentionally betrays the
audience's expectations though intertextual discourse (Kiening 112, 115;
Jones, "Giburc at Orange" 1 1 7; Jones, "'Depiction of Battle" 67). Christoph
Cormeau has also established that intertextual discourse between
Willehalm and Das Rolands/ ied breaks the original optimism of the cru-
sades (83). The author's intent to provide humour, to evoke criticism, to
betray the audience's expectations and to depart from the original opti-
97
mism of the crusades may appear as unrelated aspirations to gain the
audience's attention. Yet, most of this scholarship will be woven together
to support my argument that Wolfram's purpose for using intertextual
discourse was to disparage the heroic ideal of the crusaders and promote
a pious devotion to God.
A glance at the crusader epic Das Rolandslied will clarify the
heroic ideal that the didactic tone of Willehalm appears to oppose. Das
Rolandslied is the only Germanic epic referenced in Willehalm that di-
rectly depicts heroes who personify this concept of a knight fighting for
the glory of martyrdom. In comparison with its French counterpart, La
Chanson de Roland, Das Rolandslied transforms a national French epic
into a lay of martyrdom, which venerates its hero, Roland. In both ver-
sions of the Roland legend, Roland embodies Bernard of Clairvaux's con-
cept of miles dei, a soldier of God, who fights on God's behalf for the
privilege of receiving expiation of his sins and glory as a martyr. The
German Roland exemplifies a miles dei because he is Christian soldier
marching off to die in battle for the glory of God ( Wesle xii). The adapta-
tion of warriors into Christian martyrs for the sake of the crusades equated
them with the ultimate Christian martyr, Christ. Roland's afflictions prior
to his prolonged death make him a symbol for Christ, as the Man of Sor-
rows and by contrast, those who persecute this symbol of Christ are
equated with dogs or demons (Pickering 143). From this perspective,
Charlemagne can be seen as a symbol for God the Father who avenges His
son. Thus, Das Rolandslied presents a theological symbolism that justi-
fied the violence of the crusades and reaffirmed the heroic ideal to the
German speaking society of Wolfram's age.
Wolfram repudiates the theological symbolism that justified the
violence of the crusades through intertextual discourse in Willehalm. Ref-
erences to Das Rolandslied create a Kristevan ambivalence in Willehalm,
which establishes the history of Das Rolandslied is in the narrative of
Willehalm (Kiening 93). Hence the heroes from Das Rolandslied are pre-
decessors for the characters in Willehalm. For example, Willehalm is the
vassal and brother-in law of Charlemagne's son, Louis (W 103: 13). His
adversary, Terramer is the nephew and successor of Charlemagne's oppo-
nent, Baligan (W 1 08: 1 2; 1 78:22; 22 1 : 1 6; 272: 1 5; 338:23; 340:25; 434: 1 9).
Willehalm even uses the same battle cry, "Munschoy" (W 19:1; 39:11;
41:27; 42:3; 54:1; 57:1; 90:24; 114:22; 116: 10; 212:19; 329:3; 372:5; 397:21;
414:21, 29; 415: 1,13) and banner of Charlemagne (W 212: 17; 443:6). Al-
though, the two battles in Willehalm are not technically crusades, the text
describing the final battle is noticeably peppered with references to Chris-
tians. Joachim Bumke points out numerous references to Christian people,
who need to be saved by the Christian armies for the ideal of Christian
98
unity (Wolframs Willehalm 78). The transposition of signs from Das
Rolandslied creates an ambivalence that converts the private war be-
tween Willehalm and his Saracen wife's family into a religious war between
Christians and pagans. The relationship between the two texts presumes
a shared social code and enables a discourse. This discourse produces a
comparison between Roland and Bernart von Brubant as well as a similar-
ity between Roland and the two main heroes in Willehalm: Wilehalm and
Rennewart.
My analysis will begin with the discourse that evokes a parallel
between Bernart and Roland. During the final battle Bernart von Brudant,
a Christian knight, sees countless Saracen troops approaching his small
battalion, so blows his bugle to rally the troops. Bernart 's duty to call for
reinforcement troops echoes Roland's duty to call for reinforcements when
he saw that his rearguard was about to ambushed in Das Rolandslied {R).
According to the text: "Bernart von Brubant blew his bugle, the same horn
(named) Olifant that never blasted such a loud noise from Roland's mouth
(W 447: 1-5).8 Bernart and Roland share the same horn, Olifant and the
loudness of the bugle blast establishes a similarity between the Bernart
and Roland.
But Roland is not as quick to blow his horn as Bernart. Roland
refuses to blow his horn until he is on the threshold of death and most of
his rearguard has been slaughtered. In the beginning of the battle Roland
resists all entreaties to blow his horn because: "The heathen are judged
before God, so the martyrs of the lord God will be sanctified with blood:
God willing, I may be of merit" (R 3879-3882).q It is not until after Bishop
Turpin declares that he must blow his horn "on account of the poor souls,
that win (God's) grace" (R 6036-6037) that Roland finally consents.10 When
Roland is assured of his martyrdom and the martyrdom of those slain on
the battle field: "Roland gasped the good Olifant with both hands. Placed
it in his mouth, (and) began to blow. The sound was so great, the noise
blasted among the heathens so that no one could hear anyone else" (R.
6053-6059)." The reference to Olifant highlights Roland's reluctance to
blow his bugle until his martyrdom is secured by Bishop Turpin's bless-
ing. Therefore the reference to Olifant invokes Roland's bravery and
martyrdom into the shared ambivalence between Das Rolandslied and
Willehalm.
Wolfram's audience may have recalled Roland's struggle to rec-
oncile his martyrdom through his reluctance horn blowing and could have
expected a similar challenge for Bernart. Yet, Bernart appears to have no
reluctance to blowing his horn, nor does he need to be reassured by a
bishop that blowing his horn will lead to his martyrdom. After the horn is
blown, the narrator assures the reader that "many baptized souls rose up
99
(to heaven)" (W 447: 10). I2 So, Olifant initially retains its significance as a
trumpet call to martyrdom and the ambivalence between the two texts
continues. Still it is notable that Bernart appears to have no qualms about
the affront to his bravery if his blows the bugle. Although, the noise from
Olifant in Bernart's hands is even louder than the great noise Roland
made. No mention is made of the deafening effect Bernart's bugle blast
had. Perhaps the narrator is comparing the loudness of Bernart 's bugle
blast to the second time Roland blew Olifant. Roland's second bugle blast
is not described as loud; instead it is the last gasp of a knight avenging the
deaths of his friends before his martyrdom:
Roland saw in every sense, how Oliver and Bishop
Turpin and the other knights were covered in a large
amount of blood. (R 6665-6668) Roland blew Olifant
again, the heathens attacked him. (R 6673-6674) He
severely avenged his knights with his good (sword)
Durndart.(R6677-6678)13
Roland resisted blasting his horn in the beginning of the battle as
being to show his commitment to God's will and his own aspirations of
martyrdom. Thus Roland's aversion to blowing it for help exemplify
Roland's commitment to the crusade as a milites del. Roland's subse-
quent blowing of Olifant occurs far too late for Charlemagne's armies to
save them from slaughter. Instead the bugle blast is symbolic of Roland's
desperate need to avenge those who were martyred (Ott-Meimberg 225-
226).
Up until this point in the text the audience would expect Bernart
to follow Roland's example. The ambivalence between the texts would
allow the audience to presume that Bernart would also delay his blast of
Olifant, so that he too could die a heroic death as a martyr. The audiences
expectations are dashed when, in contrast to Roland, Bernard von Brubant
appears to blow Olifant without regard for his own heroic martyrdom or
the avengeance of his friends. This thetic break is not directly noted in the
text, but Bernart's intentions are not specifically noted in the text but the
narrator's description of the knights in battle when Bernart blows his horn
gives us an impression of Bernart's state of mind:
He thought that he had slain them all, and that all heroes
were cowards, except his singular heart. He regarded
the pain his own wounds as the dew in May. Neither
this nor that pained him, it could be his father or his
relative; he didn't care who laid dead, he didn't care
who else was still alive. In this way he strove for honor.
(W448,21-30)14
100
The audience would have felt estranged from Bernart because
both his intent and his action contradict its expectations. Bernart and his
knights may indeed be destined for martyrdom, but in contrast to the
heroes of Rolandslied, their journey towards sainthood is far from noble.
Olifant becomes a point of contradiction. On one side, Olifant symbolizes
the heroic vengeance and martyrdom of a crusader. On the other side,
Olifant signifies the callous survival instincts of a desperate knight. The
contradiction serves as a thetic break between the two texts. The audi-
ences would have been alienated and confused by the contradiction and
according to Brecht, the audience would have had to make a hypothetical
adjustment to the unnatural development of the plot (191). As the audi-
ence is adjusting to the novelty, Brecht asserts that it is open to new ideas
(191). While the audience is struck by the difference between Bernart and
Roland, the narrator asserts: "To slay those who have never received
baptism as if they were animals, is that a sin? I hold that to be a great sin.
They are all created by God" (W 450: 15-18). I5 The author directly ques-
tions the difference between Roland's heroic martyrdom and Bernart 's
implied callousness in order to refute the glorification of battle. The impli-
cation from the opposing discourses is that a hero like Roland slays
Saracens to avenge his friends and win God's mercy, but a callous butcher
like Bernart von Brubant just worries about survival. Wolfram challenges
his audience to look beyond the temporal and supposed eternal glory
promised to heroes like Roland by asking whether the acts of such a hero
would be seen as a sinful by God. Since God is the creator and thereby
father of all, it is implied that he would mourn the deaths of his children,
regardless of whether they are baptized or not. In this way, the intertextual
reference supports a didactic intent of equating traditional heroics with
sin and appealing to the audience for mercy on the slain. Thus, the audi-
ence is taught to share God's grief and have mercy on the Saracens in-
stead of glorifying the crusaders who kill them.
The subversion of the heroic ideal for the sake of evoking pious
reflection also prevails in the intertextual discourse between Willehalm
and the Dietrich Epics. The Dietrich Epics stem from an older Germanic
warrior society where the heroic ideal was defined by battle prowess and
loyalty to one's liege lord. This tradition, although constrained by Chris-
tianity, found a sanctified outlet in the crusades, which promoted the
heroic ideology that glorified violence as a sign of courage (Nusser 1 18).
Similar to the reference from Das Rolandslied, an ambivalence between
the Dietrich Epics and Willehalm recalls the former glory of the earlier
epic and provokes the audience to compare it to the current battle. The
narrator explains that "On the field of Alischanz such a battle with swords
101
was enacted that whatever one ever said about Etzel and even Emmerich,
their fighting did not compare" ( W 384: 1 8-22). I6 The reference starts off
with a favorable comparison between the new knights in Willehalm who
were fighting much better than old Etzel or Emmerich ever had and seems
to advance the heroic ideal espoused in the Dietrich Epics. Then Witige
is mentioned: "I have often heard it said of Witige that he smashed eigh-
teen thousand helmets in a single day as if they were mushrooms" (W
384:23-24). I? Kiening notes that this exaggerated depiction of Witige's
battle prowess has been seen as a critique of the hyperbolical battle de-
scriptions that traditionally glorify heroes in Germanic epics (112). The
Dietrich Epics are famous for their apparent exaggerations of fatalities. In
the battle near Milan, for example, Dietrich loses fifty-six thousand men
(Heinzle69).
Witige is an interesting exemplar of heroic prowess for the narra-
tor to cite. In the epic of Biterolfund Dietleib (BD), Witige is referred to a
"helt trouc" [true hero] (BD 12274) and his fighting is compared to "ein
wildez eberswin" [a wild boar] (BD 12139). Yet there is another side of this
hero that Wolfram's audience would have been acquainted with. The
Witige of Rabenschlacht (RS), who mercilessly kills Etzel's two young
sons and Dietrich's brother Dieter. Dietrich, Witige's former liegelord,
chases Witige all the way to the seashore to avenge these deaths. Unlike
the tragic scene in das Nibelungenlied where Rudiger is forced to break
his alliance with Gunter and Hagen by fighting them at Etzel's bidding,
Witige avoids the tragic conflict of having to slay his former friend and
liegelord because a mermaid saves him from this dismal reality of warfare.
Thus Witige is allowed to remain a "helt starke" [strong hero] (RS 965) in
the idealized world of heroes portrayed in the Dietrich Epics.
The apparent parody of heroic exaggeration in the Dietrich Ep-
ics is typical of a carnivalesque discourse between two texts because the
later text is dramatizing and thereby challenging the social norm of heroic
glorification of the former text through parody.1" The narrator in Willehalm
does not conjure mermaids to preserve a knight's honor and virility in
battle. Witige's world is an absurdity in comparison because the hero
always prevails without any realistic consequences for any of his actions.
Wolfram's audience could have perceived this absurdity based on the
jarring praise of Witige's battle prowess, which compares men's heads to
mushrooms. Witige's idealized heroic world clashes with realistic depic-
tion of battle in Willehalm creates a thetic break between the discourses of
the two texts. The Willehalm text is no longer seeking an ambivalence
with the Dietrich text, but rather attacking any possibility for a continued
shared history. If the audience was not aware of the distinction between
Witige and the knights fighting without miraculous help in Willehalm, this
102
juncture a few lines later when the narrator insists, "one must portray
fighting correctly" [man sol dem strite tuon sin reht] (W 385: 1 ). He doesn't
want war portrayed as if it were a romance and compares love [minne] (W
385:3) to war [urliuge] (W 385:3) by asserting that love provides both
comfort [semfte] (W 385:5) and suffering [leit] (W 385:5), but war only
provides adversity [unsemftekeit] (W 385:6). The knights on the field of
Aliscans receive neither comfort nor shelter from mermaids. Unlike the
heroic ventures of Witige, the adventures of the knights in Willehalm
testify to the brutal reality of war. The distinction the narrator makes be-
tween the absurdity of the exaggerated prowess of Witige and the correct
way to portray battle mocks and derides Witige's former glory. Through
carnivalesque discourse Wolfram derides the traditional concept of a hero
and the war he fights as an absurdity. The didactic purpose of this
intertextual discourse is to negate the prestige of battle and distinguish-
ing it from love, which has both praiseworthy and blameable qualities
instead of just adverse qualities. Thus, the comparison between the two
heroes disparages heroic glorification and shifts the audience's focus to
the more profitable pursuit of love.
The intertextual discourse between Eneide and Willehalm also
questions the exaggerated glorification of the hero. Willehahn's wife,
Giburc, must hold the fortress at Orange against her father's attack while
Willehalm travels to the court of King Louis to request support troops for
the second battle. Therefore Giburc had to play the role of a battle ready
heroine during her husband's absence. Prior to the reference to the two
female heroines from the Eneide, Giburc faints at the sound of her
husband's voice after his long absence. Although she w as able to hold off
the siege of their castle during her husband's absence, she literally relin-
quished all of her physical power when he returns. After Giburc recovers
and receives her husband, the narrator laments that Willehalm has such a
rough beard and she is so dirty for their first embrace since his departure.
But Giburc 's unflattering appearance at her husband's homecoming is
forgiven by the observation that: "However rusty she was / never did the
maiden Carpite in combat against Laurent or even Camille from Volcan do
as well" (W 229:27-30). I9 Jones maintains that the allusion to Carpite and
Camille refers to the propriety of women taking on a masculine role while
engaging in warfare ("Giburc at Orange" 1 1 7). Camille and her avenger,
Carpite, did not fit the frail femininity that Giburc's faint exemplifies in the
text. Camille is depicted by Heinrich von Veldeke as eager to fight, or
maybe even more eager to fight than Aneas's rival (Dittrich 286). Camille
eagerness to engage in battle stigmatizes her as a woman who rejects the
traditional feminine role. In the Eneide a knight reproaches her unfemi-
nine behaviour by asking: "What does this mean, Lady Virgin, that you
!03
hunt us knights with spear and sword in this way?" (E 8973-8975). 20
He continues taunting her by suggesting that "another (type) of
battle would suit you better" [ein ander storm tame u bat.] (E 8982). Camille
slays the knight on the spot for inviting her to leave her sword behind and
wage battle with him in bed. Although her battle prowess is praised, the
narrator states that she is "unlike a woman" [onglich einen wive] (E 9057).
Camille and the woman who avenges her death, Carpite, are judged un-
feminine because they reject their traditional roles as female love objects
and embrace the glory of combat.
From this perspective, the analogy between the characters in
Willehalm and Eneide texts is similar to a Menippean discourse. Accord-
ing to Kristeva, a Menippean discourse presents an ambivalence between
two texts, refuses to define a psychic universe, and relies on the premise
of realism to assert a new true (54). The ambivalence between the Willehalm
and Eneide texts create a discourse about the role of the female hero
during the crusades. The medieval feminine ideal of women as paragons
of procreation, who should serve as love objects to men estranges Camille
as a feminine abomination. Since both Carpite as Camille's avenger, and
Camille serve as a sign for unacceptable feminine behaviour the shared
ambivalence between the two females heroes is shattered by when Giburc
exemplifies acceptable female behavior by relinquishing all of her power to
her husband. The narrator in Willehalm underscores the difference be-
tween Camille's heroics and Giburc 's compelled attempt to be a heroine by
depicting a grim and more realistic description of a woman's role in battle.
Instead of radiantly slaying heroes on horseback, the audience is told
that:
Giburc did not fight on horseback. This story speaks of
her other acts, that she shot the crossbow, and she was
not angered by hurling stones and this defense showed
her cleverness. She assented to lean the corpses on the
battlements fully armored and set them up for the
purpose that they would frighten the intruders outside.
(W230:l-8)21
It is interesting to note that as a woman, Giburc, found no offence
in hurling stones, which like shooting arrows were held in contempt by
knights as entirely unchivalous ("Giburc at Orange" 1 18). In contrast to
Camille, Giburc doesn't equate herself with a male knight, so the male code
of propriety has no influence on her actions. The morbid reality of Giburc 's
experience in battle cracks the heroic ideal that Camille and Carpite embod-
ied and the ambivalence between the two texts falls apart. The departure
from an anticipated battle scene, where Giburc attacks her opponents as
104
eagerly as Camille does, could have been noticeable to Wolfram's audi-
ence. The demeaning drudgery of Giburc 's experience in battles separates
her from the heroic glory of Carpite and Camille. The gruesome act of
propping up corpses to frighten her enemies shows the stark realism of
siege warfare and thereby overshadows the glorification of women like
Camille and Carpite in battle. Thus, the comparison between these hero-
ines disparages battle glorification and promotes a more pious and sub-
missive role for women, which follows the traditional teachings of the
Church.
The promotion of feminine piety can be seen in the contrast
between the perceived nature state of purity that Giburc embodies and the
filth that the participation in battle covered her in. The narrator notes that
Giburc 's defence of her castle made her "verselwet" [filthy] (W 230: 1 1 ).
Wolfram only uses this adjective one other time in his extant works to
describe another woman: "The sun had not done anything to her. The
sun, with the hazard of its rays, could not soil her skin through her hair" (P
780:25-27).22 Cundrie, the messanger from the semi-divine grail community
in Parzival, retains her white skin and symbolic purity because the sun
does not soil her skin. Hartmann von Aue, Wolfram's contemporary, never
uses the word verselwen in his works. The one time Hartmann utters the
root of the word selwen, he employs it to depict a distinction between the
fair Enite and the Virgin Mary: "her body shined through her soiled dress
as if she were a lily, she stood there among black thorns" (Er 336-338).21
The words "lily" and "among thorns" create an ambivalence between the
Virgin Mary in the Marienlied von Melk and Enite in Hartmann 's Erec.
According to Hans Jiirgen Koch, the portrayal of the Virgin Mary in the
Marienlied von Melk (c. 1 150) served as a paragon for the feminine ideal
of its age (91). Hartman depicts Enite as the feminine ideal, who is only
imperfect because of her soiled dress. Gottfried von Strassbourg, another
contemporary of Wolfram von Eschenbach, also uses the word verselwen
only once in Tristan (T). After Tristan's father Rual finally finds his lost
son, Gottfried notes that Rual is "entirely worn out and filthy" [vernozzen
und verselwet gar] (T 4003). Embarrassed by his appearance Rual de-
clines meeting King Mark, but then he decides his appearance should not
shame him due to the noble nature of his visit. In all three cases, verselwen
and its root denote a physical filthiness that contrast to the inner nobility
or purity of the person. Although Giburc and Enite are exemplars of femi-
ninity, their purity appears besmirched by the grime of battle and poverty
respectively. Rual arrives with a noble heart but appears shameful in his
dirty attire. Only Cundrie, the messenger from the semi-divine Grail com-
munity can avoid becoming verselwet. Giburc reasserts the connection
05
between cleaniless and the feminine ideal of purity after her battle, when
she orders all of her ladies to shed their armor, wash off their grime, and
don their finest gowns to greet the knights who will defend them from the
siege now that they have arrived. Thus, the didactic purpose for compar-
ing Giburc and Camille has a dual purpose of discouraging a heroic ideal of
female warriors in battle and encouraging the feminine ideal of purity.
The intertextual discourse between Hildebrandslied and
WHlehalm also focuses on a woman's role in during wartime. This time the
focus is shifted to her role off of the battlefield through an experience by
a man on the battlefield. Initially a reference to Hildebrandslied would
have signified the possibility of a father-son conflict to Wolfram's audi-
ence. The earliest surviving fragment of Hildebrandslied is from the
ninth century, yet the story of Hildebrand's battle with his son remained a
popular theme in Germanic literature through the sixteenth century. The
anticipated battle has already been set up in the Willehalm text prior to the
reference by consigning Terramer's abducted son, Rennewart, to the ranks
of the Christian soldiers. The audience is bated by Rennewart's glance at
his father on the battlefield, which appears to foreshadow the anticipated
battle between Terramer and his son Rennewart. Then a reference to
Hildebrandslied appears in the text, which confirms the ambivalence be-
tween Hildebrandslied and Willehalm: "Meister Hildebrand's wife Uote
never waited with more loyalty than Terramer did for many troops covered
with blood (W 439: 1 6-19).24 Suddenly the focus is shifted away from
Hildebrand the warrior to Hildebrand's wife. Even more surprising, the
narrator shrugs off the anticipated dramatic moment by stating: "How the
son parted from his father? How the father parted from his son?... I can't
explain (what happened) everywhere" (W 443:4-5, 10-1 1).25 Jones and
Kiening cite the omission of the anticipated battle as a deliberate frustra-
tion of the audience's expectations (Jones, "Depiction of Battle" 67; Kiening
115). Alois Wolf proposes that the breakdown in the conventional expec-
tations of the narrative distances the audience from the battle depiction
and shifts the focus to another theme (238). Although none of these
scholars clarify the betrayal and estrangement of the audience in refer-
ence to Kristeva, all three describe the effects of a thetic break rupturing
the ambivalence between the Hildebrandlied text and Willehalm. The
didactic purpose of frustrating the audience's expectation is, as Wolf as-
certains, to turn the audience's attention to another theme. A closer read-
ing of this reference will demonstrate how the comparison between Terramer
and Vrou Uote turns the audience away from hero worship and toward
piety.
Many scholars have been perplexed over the odd comparison
between Terramer and Hildebrand's wife, Vrou Uote (Gibbs 252) The ex-
106
tant ninth century fragment of Hildebrandslied doesn't mention Vrou
Uote. For this reason, some scholars have looked at later literature that
refers to Vrou Uote. Christoph Gerhardt maintains that the reference to
Vrou Uote draws a comical comparison between an illicit Vrou Uote, de-
picted as an adulteress in a fourteenth century fable, and the noble Terramer
(10). Joachim Heinzle agrees with Gerhardt's conclusion that the analogy
must be a parody ( Willehalm 1 083).
Although, it is uncertain which tradition of Vrou Uote the narrator
is referring to in this analogy, it is inherently incongruent of the narrator to
refer to Vrou Oute as an adulteress for three reasons. First the analogy
itself contradicts the strong idealization of women in Willehalm serve as
catalysts for grace and mercy throughout the epic asserted by James Poag
(111). Wolfram's version of the William of Orange legend recasts
marginalized and demonized women in Aliscans as exemplars of virtue in
Willehalm. The expansion of Giburc's role from passive wife to religious
spokesperson exemplifies this re-characterization. Bumke states that most
of the important religious thoughts are formulated and represented by her,
even though it was entirely untypical for a women to be a religious spokes-
person in medieval epics ( Wolfram 144). Another example of recasting is
found in the portrayal of the wife of King Louis, who has an antagonistic
role in Aliscans, but is meek and forgivable in Willehalm.26
Second, the narrator's disposition against impropriety and of-
fensive language is at odds with the morally offensive actions of an
adultress. The treatment of King Louis's cantankerous wife, who is twice
referred to as a "whore" [putain] (A 2643; 2774) in Wolfram's source text
Aliscans, contrasts with the narrator's refrain in Willehalm from such an
obloquy with this euphemism: "The woman, whose love many have had,
was named many times in reference to the body of the roman queen. I am
aware of these names, although I would not say them before your pres-
ence. Now I must suppress them for the sake of propriety" (W l53:l-6).27
If the narrator feels compelled to avoid the use of the word whore in front
of his audience, it seems unlikely that he would have intentionally amused
them by referring to an adulteress.
Finally, if the analogy between Terramer and Vrou Uote actually
does allude to a similarity between the Saracen emperor and an adultress,
it contradicts the narrator's emphasis on ennobling pagans. According to
Margaret Fitzgerald Richey's assessment of Willehalm, "Pagan and Chris-
tian are ranked equally together as fellow men, and indeed it is not seldom
that the Saracen Warriors who, with their oriental brilliance and swift mettle,
are the highest praised" (126). Throughout the epic Terramer, the noblest
107
pagan, is referred to as "wise" [wise] (W 354: 1 ), "mighty" [riche] (W 360: 1 ;
381 :6; 413:20; 432: 13), and "honorable" [werde] (W 381:6; 443:27). The
noble portrayal of Terramer follows Wolfram's chosen abstention from
propagated stereotypes of evil Saracens. It would indeed be an odd de-
parture from the author's pattern of ennobling pagans throughout the
epic to suddenly humiliate the most noble pagan by comparing him to an
unfaithful wife. If Wolfram and his audience did perceive Vrou Uote as an
adulteress, the humorous use of an analogy between Vrou Uote and the
Saracen Sultan is at odds with two major thematic intents of the work; the
idealization of women and the ennobling of the non-Christians. The anal-
ogy also contradicts the narrator's cautionary remarks about the use of
propriety in his version of the tale.
Given the discongruity of Gerhardt's conclusion and some of the
themes in the epic, I shall turn to a different tradition of Vrou Uote, which
is portrayed in another text that also postdates WiUehalm. Das jiingere
Hildebrandslied depicts a different tradition of depiction for Vrou Uote
than fable cited by Gerhardt. In Das jiingere Hildebrandslied (JH) Vrou
Uote is a faithful wife and mother rather than an adulteress. The narrator
refers to her twice as a "noble duchess" [edle hertzogein] (JH 1 18; 122).
Moreover after Hadubrand discovers his wounded father's identity he
brings him home to his mother and explains that she taught him to ride a
horse and wield a sword. She replies, "I have completely stood by you"
[Ich han ir vil bestanden] (JH 205). Vrou Uote is not a figure of derision or
moral licentiousness in this ballad, instead she represents a loyal wife and
mother.
Both the fourteenth-century fable and the fifteenth-century bal-
lad stray from the original tragedy that Hildebrandslied embodied. The
final outcome of the father-son duel is missing from the extant fragment,
but some scholars surmise that Hildebrand killed Hadubrand based on an
Old Norse source (Gibbs 35). In the Kjalnesinga saga, the Vrou Oute
figure, Fridr, sends her son to meet his father and test his fate. The father
chastises his son for being weak and kills him. According to Siegfried
Gutenbrunner, the sagas designate three attributes to the Vrou Uote fig-
ures ( 1 28). First, they meet their husbands. Second, they send their sons
out to meet their fathers. Third, they grant their sons help by training them
in the arts of war. The portrayal of Vrou Uote in Das jiingere
Hildebrandslied fulfills the third attribute. The other two attributes are
found in the Dietrich Epics.
The Dietrich Epics chronicle Vrou Uote 's meeting and romance
with Hildebrand. The epic's origin appears to be in the early eighth cen-
108
tury and it was well known in the thirteenth century (Zupitza xxvii-xxviii)
Wolfram's audience would have been familiar with Vrou Uote from the
Virginal epic, who is describes as "a pure holy woman" [ein reinez saelec
wip] (V 590:14). In Dietrichs Flucht, Vrou Uote even weeps over
Hildebrand's departure: "Oh, what pain this is to me, that I must look upon
you! Beloved lord, what shall happen to me when you go on your way?"
(DF 4360^363 ).2X
What happens to Vrou Uote is a matter of speculation because
her final reappearance in Hildebrandlied is not extant in the fragment that
remains with us today. From her portrayal in the Virginal and Dietrichs
Flucht, I propose that Wolfram's audience would have been familiar with
her as an honorable woman who loved Hildebrand.
The text of Das Jungere Hildebrandslied echoes her thirteenth-
century depiction better than the fable. It is unclear from the text if Vrou
Uote sent her son to meet his father, although she does fulfill
Gutenbrannen's third attribute when her son acknowledges that she taught
him "how to mount (a horse) and to wield (a sword)" [den sprungk und
auch den schlag] (JH 203). Vrou Uote takes her responsibility as her son's
teacher to heart as she laments: "Now his bones come to me, that they
should all die from my hands forevermore" (JH 206-208 ).2g Vrou Uote
bewails the fact that her loyalty to her son has enabled him to slay her
husband in Das Jiingere Hildebrandslied. Despite her best intentions as
a wife and mother, Hildebrand and Hadubrand embody the heroic ideal
that compelled them to shed each other's blood on the battlefield. In this
ballad the wounds heal, but the Norse sources indicate that in the original
version of Hildebrandslied of which Wolfram and his audience would
have been aware, Vrou Uote is left to lament the death of her son forever-
more. Given the tragic tenor of the Hildebrandslied, it appears likely that
Wolfram's audience would have been familiar with Vrou Uote grieving
over the loss of either her husband or son at the end of the epic.
Vrou Uote's lament makes her a casualty of this heroic ideal. She
is a figure of lament that mirrors the narrator's emphasis on grieving women
throughout the epic. Vrou Uote exemplifies the narrator's assertion in
Willehalm that: "If love is true devotion then the death of many a hero
brought misery and suffering to the women at home" (W 1 5: 1 6- 1 8).3"
Terramer shares the same suffering that Vrou Uote endures. In this way,
Vrou Uote's lament off of the battlefield illuminates the experience of
Terramer on the battlefield. After the battle between Terramer and his son
is averted in the text, the next time Terramer is mentioned, he is wounded
and fleeing on a ship filled with bloodied knights. The narrator assures the
audience that "Over this, the noble Terramer lamented his entire life" (W
109
443:26-27).31 Thus, the shared ambivalence between heroic Hildebrand
and heroic Terramer is broken. Instead, Terramer becomes a symbol of
lament.
Furthermore, if we combine the loyal image of Vrou Uote with an
earlier interpretation of the reference as an analogy to express the amount
of time Terramer waited for his troops, Terramer and Vrou Uote seem to
both be waiting a long time, 30 years or more in Vrou Uote's case (Singer
124). What makes this interpretation of Vrou Uote compelling is that both
Terramer and Vrou Uote are victims of the misconception of a victorious
homecoming, which casts them into a life of lament. Terramer is waiting for
his bloodied knights just as Vrou Uote waited for her wounded husband
and son. This analogy emphasises the tragic loss to families by referring
to Vrou Uote. Had Hildebrand been compared to Terramer instead, the
discourse would have simply reaffirmed that both men were loyal fighters.
Instead, a thetic break appears when the intertextual discourse between
Willehalm and Hildebrandslied shifts away from its anticipated father-
and-son conflict to a reference to a loyal wife. The reference implies that
Vrou Uote's loyalty was rewarded the same way that Terramer 's patience
will be rewarded, with bloodied warriors. Both Terramer and Vrou Uote are
part of the same universal human family that must lament the consequences
of war, whether on or off the battle. Hence, the intertextual reference to
Hildebrandslied doesn't glorify Hildebrand or Terramer as brave and loyal
heroes. Nor, does it offer a comic analogy that belittles Terramer or Vrou
Uote. The didactic purpose of the passage is to disparage the heroic ideal
that typified crusader literature by dashing the battle expectations im-
posed by the reference to Hildebrand. In its place, a lesson in suffering
finds affinity in the experiences of Vrou Uote and Terramer. The premise of
universal suffering caused by the heroic ideal negates any type of battle
glorification and promotes a lesson in mercy based on the suffering of
others.
Having set this premise, Wolfram closes the final battle of
Willehalm with a final reference to Charlemagne, the literary symbol of the
Father Almighty in Rolandslied.
Alas, that I've not suffered death at the hands of the
emir! The way Kaiser Roland was lost in battle against
the armies of Marsilie and Oliver, who was brave, and
Bishop Turpin, though his loss was less than mine is
now. Is this my inheritance from Charlemagne, that I
must lose as much? ( W 455:4- 1 2)32
110
This powerful passage shifts the ambivalence established be-
tween Rolandslied and Willehalm from the voice of the narrator, who
originally established the discourse between the two texts, to the voice of
a character in the narrative itself. Willehalm sees the correlative continu-
ance of his loss in comparison to Roland, Oliver, and Bishop Turpin. But
somehow the shared history of bravery in battle did not result in martyr-
dom for Willehalm as it did for them. For an audience familiar with the
French version of the Willehalm legend, this lament would have been
shocking. Aliscans ends with a joyous celebration of William's victory
over the Saracens, not a lament. This break from the anticipated promised
glory of victory or martyrdom estranges Willehalm from the two heroic
ideals promoted to the crusaders. Willehalm is stuck in a thetic phase
between his semiotic acts as a brave knight and the promised glory of
martyrdom based on the symbolic signification of the characters from
Rolandslied '.-" From this perspective, Willehalm has been relating to the
martyrs of Rolandslied based on their antecedence as family members
struggling through similar historical dilemmas. The continuity between
Willehalm and his predecessors is interrupted. This thetic break presents
a complete disruption from the optimism that drove the propaganda of the
crusades (Cormeau 77).
This break also designates Willehalm as a "problematic hero"
who will become anxious to find the truth about his social and kinship
relations. In his quest for truth, he questions his inheritance from
Charlemagne. Willehalm answers his own question by stating: "He was
my liegelord and not my relative" [der was min herre und niht min mac] ( W
455:13). By establishing that he wasn't bound by blood to serve
Charlemagne since he was only his liegelord, the emphasis on the suffer-
ing of families over political alliances is reiterated as we saw earlier in the
reference to Hildebrandslied. Since his connection to Charlemagne was
politically motivated, he asks the logical question: "What is the use of my
princely title now?" [waz touc mir nu viirsten name?] ( W 455: 1 7). After
weighing his political gain against his personal loss, his lament turns to
anger as he rails against the crusader God who should have come to his
aid: "My loss should shame you, Son of the Virgin! My life and posses-
sions were lost in your name" (W 456: 1-3).34 This address is similar to
Parzival 's grievance against God for not coming to his aid before he meets
the hermit Trevizant. Parzival is a true "problematic hero" as well as a
"fool" who must endure a long quest before he can learn the truth that
God seeks mercy not battle glory. The text also establishes an ambiva-
lence between Parzival and Willehalm by which the events in Parzival
are posited as historical truth in Willehalm (Volfing 47). Parzival's prede-
111
cessor in Willehalm is not the mature Willehalm, but rather the bumbling
young Rennewart as the following description of Rennewart shows: "His
appearance shined through the rust as if he were a young Parzival" (W
27 1:17-1 8).35 Despite Parzival 's foolish and bumbling ways, he finds the
ultimate truth of God's love. Thus, Parzival is the symbolic hope of
Rennewart who, as a Saracen fighting on the side of the Christians, has
yet to find God's love. It is Rennewart 's death; above all, that Willehalm
grieves. Thus, Willehalm's rage embodies not only his loss, but also the
loss of potential salvation for Rennewart, who never matures into his
faith.
Willehalm exemplifies the maturity that both Parzival and
Rennewart lack by recognizing the existence of God's mercy in his life. He
acknowledges that: "Since it was created through your hand that the lover
finds his beloved in his arms through love... Without your help and her
consolation, I would forever be burdened. ( W 456:9-1 1,1 9-20).36 Willehalm
can see God's love through the love of his wife, Giburc. As we saw in the
comparison between Giburc and the heroines of Eniede, Giburc's truth is
not revealed through her battle prowess but through her pious purity. As
James Poag notes, the "power of charity" empowered by Giburc's love
leads Willehalm to acknowledge the ultimate truth of a merciful God (111).
Before the narrative ends Willehalm's final act is to free his Saracen cap-
tives so that they may return their dead for proper burial to Terramer. He
tells them that he is sending the honorable dead back to Terramer not to
incite him, but to gain his favor and grace. Thus the final truth this "prob-
lematic hero" discovers is a plea for peace, which disparages the heroic
ideal that fostered enmity between pagans and Christians and endows
Wolfram's character with the saintly virtue of mercy.
In conclusion, my analysis of the intertextual discourses between
Willehalm and the earlier Germanic epics point to a unified disparagement
of the heroic ideal and a promotion of peaceful devotion to God. The
glorification of heroes and heroines is disparaged in the discourses be-
tween the Dietrich Epics and Willehalm, the Eneide and Willehalm,
Hildehrandslied and Willehalm as well as Das Rolandslied and Willehalm.
The alienation effect created by the shift away from the audience's expec-
tation of glorifying the crusader concept of milites dei directs the audience's
attention to saintly virtues. Cumulatively, the intertextual discourse be-
tween Das Rolandslied and Willehalm replaces the heroic ideal of war
with an ideal of peace. Instead of promoting the heroic ideal of the cru-
sades, Wolfram's Willehalm promotes a saintly devotion to God through
pious purity and mercy.
112
Endnotes
' Aliscans and La Prise d ' Orange are two of the most famous works of the
French William of Orange epic cycle. Both works present William, just as
the Song of Roland presented Roland, as a hero for the crusaders in the
twelfth and thirteenth century.
2 helfaere, do din kiusche erstreit / mit diemiiete vor der hoehsten hant. All
translations from MHD to English by Karina Marie Ash and are taken from
the 1 989 Wilhelm Schroder edition.
3 din giiete enphahe miniu wort, / herre Sanct Willehalm. / mines siindehaften
mundes galm / din heilikeit an schriet.
4 An ambivalence is defined as a shared history between two texts in this
paper.
s Intertextual discourse is defined as a succession of signs, which foster
an ambivalence between two texts within the context of this paper.
r' Brecht opposes the manipulation of the audience through the type of
empathy Wolfram depends on to fulfill his didactic intent of promoting
saintly virtues. Please see his: "Conversation about Being Forced into
Empathy" in Brecht on Theater: The Development of an Aesthetic. Ed.
John Willet. (New York: Hill and Wang, 1 992) 270-7 1 . I do not propose that
Wolfram von Eschenbach was employing Brechf s alienation technique to
liberate his audience from the heroic ideal of their age, so that they could
form their own independent ideas about battle glorification. Instead, I
employ Brechf s alienation theory to show how Wolfram jolted his audi-
ence out of their trance invoked by predictable narratives to hear his
opinion about the heroic ideal, not to form their own.
7 Sidney M. Johnson has written a thought-provoking article on the use of
heteroglossia in Willehalm. Johnson's focus is not on intertextual dis-
course, but rather the narrator's use of single and double voiced dis-
courses within the text. I concur with Johnson's conclusions regarding
Wolfram, although we have each employed different methods of analysis
for the text. I shall note one of Johnson's observations, which is appli-
cable to mine later in this paper. Please see: Johnson, Sidney M.,
"Heteroglossia in Willehalm: A Bakhtinian Approach." in Wolfram's
113
" Willehalm. " Fifteen Essays. Ed. Martin M. Jones and Timothy McFarland.
(Rochester: Camden House, 2002) 271 -90.
* Bernart von Brubant / blies ein horn, daz Olifant / an Ruolandes munde /
nie ze keiner stunde / an deheiner stat so lute erhal.
9di haiden sint uor gote uirtailet; / so werdent abir mit blute gerainet / di
heren gotes marterare: / wolt got daz ich des wert ware.
Klweget der armin sele, daz diu gnade gewinne!
" Rolant uie mit paiden hanten / den guten Oliuanten /sazter zemunde, /
plasen er begunde / der seal wart so groz: / der tumel unter di haiden doz
/ daz niemen den andere machte gehoren.
12 mane getouftiu sel hin uf gestigen.
i? Rolant sach in allenthalben sin, / wi Oliuir unt Turpin / unt ander sine
gesellen/ in pluto lagen bewollen (R 6665-6668); Rolant blis aber Oliuanten,/
di haiden er an rante (R 6673-6674); sine gesellen rach er harte / mit dem
guten Durndarte (R 6677-6678)
14 In duhte er het si alle erslagen, / und daz alle helde zagen /waeren, wan
sin eines herze. / sin selbes wunden smerze / was im reht ein meien tou. /
weder der noch dirre in rou, / ez waere sin vater oder sin mac; / ern ruochte
wer da tot belac, / ern ruochte ouch wer da lebte. / sus der nach prise
strebte.
15 die nie toufes kunde/ enpfiengen, ist daz sunde,/ daz man die sluoc
alsam ein vihe?/ grozer sunde ich drumbe gihe:/ ez ist gar gotes hantgetat.
16 uf Alischanz dem velde sleht/ solh strit mit swerten geschach,/ swaz man
von Etzeln ie gesprach,/ und ouch von Erminriche,/ ir strit wac ungeliche.
17 Ich hoere von Witigen dicke sagen/ daz er eines tages habe durchslagen/
ahtzehen tusent, als einen swamp, helme.
18 In carnivalesque discourse "two texts meet, contradict each other and
relativize each other" through "a subversive discourse, (because) the
word carnival has acquired a strongly derogatory or narrowly burlesque
meaning." Kristeva ( 1 986) 49.
114
19 Doch was si selber harnaschvar,/ daz diu maget Carpite/ vor Laurent in
dem strite/ noch Camille von Volcan ir newederiu het ez so guot getan.
20 Wat meinet dat, frouwe maget, / dat ir ons ridder sus jaget/ ende steket
ende slat?
21 Gyburc streit doch ze orse niht,/ ditze maere ir anders ellen giht, / daz si
mit armbrusten schoz/ unt si grozer wiirfe niht verdroz / unt ir wer mit liste
erscheinde./ ir totez vole si leinde / gewapent an die zinnen/ und ruortez so
mit sinnen / daz ez die uzeren vorhten.
22 diu sunne hete ir niht getan: / diu enmohte ir vel durch daz har / niht
verselwen mit ir blickes var.
:? ir lip schein durch ir salwe wat / alsam diu lilje, da si stat / under swarzen
dornen wiz.
24 Meister Hildebrands Vrou Uote/ mit triuwen nie gebeite baz, / denn er tet
maneger storje naz/ mit bluote begozze.
25 Wie daz kint von sime vater scheit?/ wie scheit der vater vorme kint? / ...
uber al ich des niht kan/ iuch zeim ende bringen.
2(,One example of this is that in Aliscans the Queen must be persuaded to
seek peace with William, but in Wittehalm the Queen immediately recog-
nized her fault and asks for help, so she can regain Willehalm's favor.
r Die minne viele hant, dui wip, / roemischer kiineginne lip / wart dicke
nach in benennet / die namen het ich bekennet / ob ich die wollte vor ir
sagen / nu muoz ich si durh zuht verdagen.
2* Owe mir dirre smerze, / den ich huit muoz an dir sehen! / Lieber herre, wie
sol mir geschehen / swenn ir vart iuwer straze?
29 Nye kom mir sein geleich, / das sie von meinen handen / Al sturben
iemerleich.
30 1st mine wariu triuwe, / so erwarp da manges helds tot / den wiben da
heime jamers not.
115
31 Daruber klagte sein Leben lang / der edle Terramer.
32 ouwe daz ich niht tot belac/ von des admirates handen!/ do der keiser
Ruolanden / verlos vor Marsiljen her,/ und Olivieren der wol ze wer/ was,
und der bischof / Turpin, noch ist diu vlust groezer min./ ist mich von
Kareln uf erborn/ daz ich sus vil han verlorn?
33 Kristeva notes that the term 'symbolic' refers to the social effect of
relating to the other through various constraints including historical fam-
ily structures in Revolution in Poetic Language 29.
34 Miner vlust maht du dich schamen,/ der meide kint! / in dime namen was
min verh, min habe geveilet.
35 Sin blick durh rost gab solhiu mal/ als do den jungen Parzival.
36 Sit entwarf din selbes hant/ daz der vriunt vriundinne vant / an dem arm
sin durh minne... Wan din helfe und ir trost,/ ich waere immer unrelost.
Works Cited
Biterolf und Dietleib . Ed. Oskar Janicke. Deutsches Heldenbuch. Vol. 1 .
Berlin: Weidmannsche Verlagsbuchhandlung, 1963.
Brecht, Bertolt. Brecht on Theater: The Development of an Aestetic. Ed.
John Willet. New York: Hill and Wang, 1992.
Bumke, Joachim. Wolfram von Eschenbach. Stuttgart: Metzler. 1981.
— . Wolframs Willehalm: Studien zur Epenstruktur und zum
HeiligkeitsbegriffderAusgehenden Bliitezeit. Heidelberg: Carl
Winter Verlag, 1959.
Cormeau, Christoph. "Ist mich von Kareln uf erborn / daz ich sus vil han
verlorn?: Sinnkonstitution aus dem innerliterarischen Dialog im
Willehalm Wolframs von Eschenbach. " Grundlagen des
Verstehens mittelalterlicher Literatur. Ed. Gerhard Hahn and
Hedda Ragotsky. Stuttgart: Alfred Kroner Verlag, 1992. 72-85.
116
Dittrich, Marie Luise. Die '"Eneide" Heinrichs von Veldeke.
Quellenkritischer Vergleich mit dem Roman "D 'Eneas" und
Virgils "Aeneis." Wiesbaden: Franz Steiner Verlag, 1966.
Gerhardt, Christopher. "Vrou Uotes Triuwe." Zeitschrift fur
Deutsches Altertnm und Deutsche Literatur 1 05 ( 1 976). 1-10.
Gibbs, Marion E., and Sidney M. Johnson. Medieval German Literature.
New York: Routledge, 1997.
Gottfried von Strassburg. Tristan. Ed. Friedrich Ranke. Berlin: Walter de
Gruyter, 1958.
Gutenbrunner, Siegfried. Von Hildebrand und Hadubrand: Lied Saga
Mythos. Heidelberg: Carl Winter Universitatsverlag, 1976.
Hartmann von Aue. Erec. Ed. Albert Leitzmann. Tubingen: Niemeyer, 1 963.
Heinrich von Veldeke. Eneide. Ed. Otto Behaghel. Heilbronn: Verlag von
Gebr. Henninger, 1882.
Heinzle, Joachim. Einfuhrung in die mittelhochdeutsche Dietrichepik.
Berlin: Walter de Gruyter, 1999.
Jones, Martin H. "Depiction of Battle in Wolfram von Eschenbach's
Willehalm." The Ideals and Practice of Medieval Knighthood.
Vol. 2. Ed. Christopher Harper, Bill and Ruth Harvey. Woodbridge:
Boydell Press, 1988.
— . "Giburc at Orange: The Siege as Military Event and Literary Theme."
Wolfram s Willehalm. Fifteen Essays. Ed. Martin H. Jones and
Timothy McFarland. Rochester: Camden House, 2002.
Das Jiingere Hildebrandslied. Ed. Hedwig Heger. Spatmittelalter
Humanismus Reformation Texte und Zeugnisse 1 . Munich: C.H.
Beck'sche Verlagsbuchhandlung, 1 975.
Kiening, Christian. Reflexion-Narration. Wegezum" Willehalm" Wolframs
von Eschenbach. Tubingen: Max Niemeyer Verlag, 1991.
117
Koch, Hans Jurgen, ed. Die deutsche Literatur Mittelalter. Vol. 1 . Stuttgart:
Reclam, 1976.
Kristeva, Julia. The Kristeva Reader. Ed. Toril Moi. New York: Columbia
Press, 1986.
— . Revolution in Poetic Language. Trans. Margaret Waller.
New York: Columbia UP, 1 984.
Nusser, Peter. Deutsche Literatur im Mittelalter: Lebensformen,
Wertvorstellungen und Literarische Entwicklungen. Stuttgart:
Alfred Kroner Verlag, 1992.
Ott-Meimberg, Marianne. Kreuzzugsepos oder Staatsroman? Strukturen
adeliger Heilsversicherung im deutschen "Rolandslied."
Munich: Artemis Verlag, 1980.
Poag, James F. Wolfram von Eschenbach. New York: Irvington Publishers,
1972.
Rabenschlacht. Ed. Ernst Martin. Deutsches Heldenbuch. Vol. 2. Dublin:
Weidmann, 1967.
Richey, Margaret Fitzgerald. Studies of Wolfram von Eschenbach.
Edinburgh: Oliver and Boyd, 1957.
Das Rolandslied des Pfaffen Konrad. Ed. Carl Wesle. Altdeutsche
Textbibliothek 69. Tubingen: Max Niemeyer Verlag, 1967.
Singer, Samuel. Wolframs Willehalm. Bern: A. Franke, 1918.
Vauchez, Andre. "Lay People's Sanctity in Western Europe: Evolution of a
Pattern (Twelfth and Thirteenth Centuries)." Images of Saint-
hood in Medieval Europe. Ed. Renate Blumenfeld-Kosinski and
Timea Szell. Ithaca: Cornell UP, 1 99 1 . 2 1 -32.
Virginal. Ed. Julius Zupitza. Deutsches Heldenbuch 5. Dublin:
Weidmann, 1968.
118
Vol fing. Annette. "Parzival and Willehalm: Narrative Continuity?" Wolfram's
"Will eh aim."" Fifteen Essays. Ed. Martin H. Jones and Timothy
McFarland. Rochester: Camden House, 2002.
Wesle, Carl, ed. Das Rolandslied des Pfaffen Konrad. By PfafTen Konrad.
AltdeutscheTextbibliothek 69. Tubingen: Max Niemeyer Verlag,
1967.
Wolf, Alois. "Kampfschilderungen in Wolframs Willehalm."" Wolfram
Studien3 (1976): 232-262.
Wolfram von Eschenbach. Parzival. Ed Karl Lachmann. Berlin: Walter de
Gruyter, 1965.
— . Willehalm. Trans. Marion E. Gibbs and Sidney M. Johnson. Middlesex:
Penguin, 1984.
— . Willehalm. Ed. Werner Schroder. Berlin: Walter de Gruyter, 1989.
— . Willehalm. Ed. Joachim Heinzle. Frankfurt am Main: Deutscher
Klassiker Verlag, 1991.
Zupitza, Julius, ed. Diethchs Abenteuer. Virginal. Deutsches Heldenbuch
5. Dublin: Weidmann, 1968.
Behind the German Narrative of Guilt:
Two Perspectives
Jaroslava Gajdosova
In the past few years German leftist literary discourse has under-
gone interesting developments. In 1 998, Martin Walser delivered a speech
on the occasion of receiving the "Peace Prize of the German Book Trade"
in which he criticized the instrumentalization of Auschwitz and maintained
that the recurring discussions of Holocaust produced the conditions un-
der which Germans could no longer reflect upon their own past. After the
speech, most German intellectuals baptized Walser as a "latent anti-Semite"
and the chairman of the Central Council of the Jews in Germany called him
a "mental arsonist" (Lorenz 363-88). Gunter Grass, who criticized Walser
for the disturbing simplifications but dismissed the allegations of Walser
being an anti-Semite, pointed out that Walser did not use the linguistic
means at hand and that his coarse verbalization of sensitive issues dis-
torted an otherwise important message. Although Grass did not join the
camp of those who condemned Walser as an anti-Semite he contested
Walser's positions on the issue of guilt.1 Four years later, Grass himself
published the novella Im Krebsgang (Crabwalk) which raises questions
similar to those posed by Walser. The language of Grass is subtler; yet, it
puts forward an unprecedented challenge for the German left by lifting the
taboo of the German guilt for war and the Holocaust. The challenge is
even more difficult to ignore as it comes from a left-wing intellectual par
excellence. These events may provoke the following question: What forces
drive these transformations and how did they come to being?
We can account for three major phases in the evolution of the
leftist literary discourse in Germany. The first phase began in 1946 when
Karl Jaspers articulated the question of German guilt for war crimes. In his
treatise, Die Schuldfrage (The Question of Guilt), Jaspers favors the no-
tion of individual over collective guilt and maintains that the remedy for
German society can only begin if the responsibility for the past is assumed
on an individual level. In the late fifties, Jasper's book laid the moral foun-
dations of the German leftist and predominantly intellectual discourse,
since any attachment to the political right meant affiliation with the
country's Nazi past. In the fifties, West German society, which was over-
whelmed by its Wirtschaftswunder (economic miracle), easily contented
120
itself with the outcomes of the Nuremberg trials and did not seriously
question the "ordinary" perpetrators of the Nazi regime. Consequently,
many Germans with a Nazi past were re-introduced into the public and
political life of West German society that cherished the nostalgia about its
Nazi past.2 West German literature which, during the first post-war decade,
was preoccupied with the horrors of the war, with the displacement and
the despair of soldiers returning from the front, reflected the general atti-
tude of obliteration and malady.1 Works of Walser, Grass, and other mem-
bers of the literary association "Group 47" were the precursors of a critical
wave in West German post-war literature.4
In the early sixties, the situation in Germany changed. In 1961,
under the influence of Eichmann's trial in Jerusalem and after the publish-
ing of Hannah Arendfs book Eichmann in Jerusalem: A Report on the
Banality- of Evil, German and German-speaking authors raised the ques-
tion of guilt and responsibility for war crimes and the Holocaust. In the
early sixties the German war past was recalled mainly through dramas and
agitated an otherwise serene public life. The plays of Rolf Hochhuth,
Friedrich Durrenmatt, Martin Walser, Giinter Grass, and the critical novels
of Heinrich Boll and Wolfgang Koppen significantly contributed to
changes in West Germany's political climate.5 In the late sixties the cultural
and political transformations of West German society culminated in the
Student movement, which most German writers and intellectuals joined.
The movement demanded revision of the de-nazification process in West
Germany and required a removal of figures with a Nazi past from German
public and political spheres. The Student movement had a profound effect
on society in which the young generation confronted their parents by
asking about their participation in practices of the Nazi state.6 In the late
sixties, when the left-wing politic was on the upsurge. West German writ-
ers and intellectuals re-articulated the notion of guilt within a new, moral
dimension. Both German war crimes and the Holocaust were characterized
as specific and unique events in respect to their occurrence and their
consequences and this interpretation has permeated German cultural and
political lives.
The first significant challenge to the narrative was articulated in
1986 during the first wave of the Historikerstreit (the Dispute of Histori-
ans) when the Frankfurter Allgemeine Zeitnng published an article by
historian Ernst Nolte who called for the need to objectify and rationalize
the view of National Socialism and of Hitler. Nolte questioned the validity
of historical studies of that period precisely because that they depicted
Nazism as a unique historical incident and the Holocaust as an exclusively
German phenomenon. He contested such historical accounts by compar-
ing Nazism with Stalinism and by contrasting the Holocaust with the geno-
121
cides of other ethnic groups elsewhere in different historical periods. Ac-
cording to Nolte, psychological and emotional apparatus built-in the Ger-
man post war narrative obstructs an unbiased historical research and
produces historical accounts which demonize National Socialism and the
figure of Hitler. In a public debate Jiirgen Habermas was one of those who
challenged Nolte's premises and alleged that Nolte presented a homog-
enizing view of German history. Habermas argued that the comparison of
Nazism and the Holocaust with other historical events undermines the
seriousness of both phenomena and contended that Nolte 's article was an
attempt to cleanse National Socialism and to relativize the Holocaust.7
The second wave of the Historikerstreit began in 1996 when
David Jonah Goldhagen published his book Hitler's Willing Execution-
ers: Ordinary Germans and the Holocaust.* The book emphasizes a spe-
cific nature of German anti-Semitism, which Goldhagen denotes as a
"vernichtendefr] Antisemitismus" (annihilating anti-Semitism), and traces
the will of the Germans to annihilate the Jews back to the 19th century.
Many historians, not all of whom were Germans, disapproved of
Goldhagen 's argument as a return to the rhetoric of the fifties and to the
notion of collective guilt. Another serious criticism of Goldhagen's con-
clusions addressed his privileging of psychological and emotional views
over the scientific and pointed to his dismissal of the research on the
Holocaust and on German war history.9 Contrary to these criticisms Jiirgen
Habermas acclaimed the book for challenging the moral outcomes of the
"normalization" of West German society and maintained that:
How we see the distribution of guilt and innocence in
the past also reflects the present norms according to
which we are willing to accord one another mutual
respect as citizens of this republic. And historians who
participate in this discourse do so no longer as experts,
but, like us, in the role of intellectuals. (37)
Goldhagen's book prompted a vehement response from West German
writers and intellectuals who either shared the moralizing views empha-
sized by Habermas or accentuated the need of an impartial interpretation
of German war history. The latter arguments were dismissed by the media
for their supposedly fascist undertone.10 The speech delivered by Martin
Walser in 1998 only highlighted the division in the German leftist literary
discourse along these ideological lines.
What insights can Foucault's discourse theory and Ricoeur's hermeneu-
tics provide in our understanding of the transformations of the leftist
literary discourse in Germany? Their origins can be traced back to several
historical moments and at each moment they can be situated within par-
ticular intellectual spaces. The boundaries of the leftist literary discourse
122
were delineated by the German post-war narrative and their textual demar-
cations individualized the discourse and distinguished it from other dis-
courses, such as media, politics and the production of historical knowl-
edge, although none of them exist independently from the others. Fou-
cault understands discourse primarily linguistically, as a text of a particu-
lar domain which is subject to permanent change. From the plurality of the
discourses emerges the process of their own "individualization" or differ-
entiation. According to Foucault, change is introduced to the discourse in
the form of utterance (enonce) which is added to the existing text of the
discourse. For analytical purposes Foucault distinguishes three criteria of
the discourse: its formation, transformation and correlation. He main-
tains that the discourse appears and continues to exist through the plural-
ity of rules which drive its formation, which Foucault characterizes as:
the existence of the rules of formation for all its objects,
(however scattered they may be), all its operations
(which can often neither be superposed nor serially
connected), all its concepts (which may very well be
incompatible), all its theoretical options, (which are often
mutually exclusive). {Politics 54)
The criteria of transformation define a set of conditions which must be
fulfilled at the precise moment at which the new rules of transformations
come into effect. Finally, the criteria of correlation determine the relation
of the discourse to other discourses.
On the terrain of the leftist literary discourse, we can outline a
topology and the junctions of the three above criteria. The rules of discur-
sive formation began to form in the 1 950s when they were derived mainly
from the moral appeal of Jaspers' notion of guilt. The acceptance of moral
stances was not a straightforward process but a result of a concurrent
interaction of external and internal forces of the discourse. The notion of
guilt did not unify all of German writers and the literary discourse remained
internally diversified. Some writers, and those intellectuals who later inter-
vened in the literary discourse, were reserved or critical of the guilt narra-
tive and their attitudes surfaced in the first wave of the Historikerstreit in
1986. As we can see, the notion of guilt has always been negotiated by
those on the left and on, supposedly, right poles of the West German
political spectrum. From these debates emerged formative rules of the
leftist literary discourse which have been shaping it for fifty years. The
processes of differentiation established a range of nuances inside the
discourse which destabilized it and opened it to transformations. Most
significant attempts to transform the discourse were undertaken by histo-
rians (Nolte), philosophers (Sloterdijk) in the mid- 1 980s and writers ( Walser)
in the mid- 1 990s. Despite their failures to re-articulate the notion of guilt,
123
the residue of these attempts destabilized the discourse and constituted a
terrain on which questions about German guilt could be (re)introduced.
Exposed to interrogations, the discourse established relations with other
discourses, those of media, politics, and historiography in particular. It
correlated with other textual domains which, on the other hand, chal-
lenged the boundaries of the discourse and subverted its internal stabil-
ity. In the second wave of the Historikerstreit, the interventions from
other discourses began to transform and diversify the leftist literary dis-
course. What were the structure and the dynamic of these changes?
According to Foucault change operates on a higher level of the
discourse where it controls the redistribution of its episteme, that is: "the
set of open and changing relationships within and outside the boundaries
of the discourse" {Politics 57). He understands change in a strictly lin-
guistic sense, as interactions between different discourses (texts) that can
enter into direct communication with one another. The capacity of a text to
communicate with other texts arises from the disposition of a sign to
'proliferate', to extend the meaning beyond its own boundaries. This tran-
scendence of the text beyond its own limits, or its exteriority, unfolds as a
(language) game that is organized according to the nature of the signifier
(the semantics of a particular discourse), and not according to the signi-
fied content (the semiology of the text). Under the circumstances when a
signifier no longer relates to a particular signified, the text can emancipate
itself from its author. Though the text is autonomous from the subject,
either an author or a reader, it is determined by the structures of the dis-
course which drive the production and distribution of the text and control
its meaning. These structures are embedded in the discourse in the forms
of aesthetic conventions, ideological axioms, political stances, and market
situation and are expressed through the institutions of media, literary
critics, publishing houses, writers associations, writers themselves, and
all those who intervene in the discourse with the power of judgment. The
power structures embedded in the discourse not only determine what
texts are acceptable and successful, they also define their canonical inter-
pretations. Such was the case with the texts of Grass, Lenz, Walser,
Hochhuth, among others who, in the sixties, became the symbols of the
West German literary left. The loss of a bond between the author and his
or her text, between the text and its fixated meaning, creates the circum-
stances under which the text is emancipated on two levels: from the sub-
jective intention of its author and from a biased interpretation of its reader.
How does Foucault's theory of discursive change illuminate the
transformations in the German leftist literary discourse? We can trace
them back to different texts and see how they emerged in different histori-
cal periods; we can further study their exteriority by looking at how they
124
intersected, transgressed, and redefined the boundaries of the discourse.
For analytical purposes we distinguish two types of exteriority of writing
- the first one applies to the literary and intellectual writings which were
internal to the discourse and which communicated with one another. For
instance, early literary texts of Walser and Grass in the 1950s," though
they had little impact on West German politics of memory, were important
precursors to the critical literature in the 1960s. Literary works of the fol-
lowing decade and the texts of historians in the mid- 1 980s and in the 1 990s
prompted vigorous responses within the literary discourse itself and in
the discourses of German media and politics. The second type of exteriority
concerns the situation that resulted when the leftist literary discourse
acted in response to the texts that lay beyond its boundaries. In the early
sixties, leftist writers responded to the Eichmann trial in Jerusalem, in the
late sixties, they reflected on the questions raised by the Student move-
ment, and in the early seventies the series about the Holocaust broadcast
by West German TV had a big impact on a range of literary themes.12
Yet, Foucault would argue that the authorships of these responses
have no relevance for the texts of the discourse. Nowadays, under the
conditions of the independence of the text, the author disappears in his or
her own writings and re-emerges as a function of the discourse rather than
as an individual. The author, however, does not disappear entirely; his
name is left to fill the void. The author's name becomes a criterion for the
classification of the text and this transformation of the author's function
from signifying to classificatory is a crucial one in that it introduces the
mechanism of free circulation of the texts. In the German literary field, for
instance, the writings of Grass and the earlier writings of Walser are repre-
sentative of a leftist discourse with a markedly moral thrust.13 The homol-
ogy between the author and his text extends to a similar homology be-
tween the texts of the discourse and the author's understanding of these
texts. In the case of Walser this homology was disrupted in his speech in
1998 when he questioned opinions that are generelly viewed as leftist.
Grass, in his criticism of Walser, successfully played the role of a leftist
intellectual and maintained a homologous relationship between his posi-
tion in the leftist literary discourse and his texts. Grass' position in the
discourse remains firm even if his recent text raises question about Ger-
man war suffering. How shall we understand positions of Grass and Walser
as subjects of the leftist literary discourse and how can we explain their
actions? Are both authors products of the discourse or are they subjects
who act through their writings? Foucault correlates the subject and the
discourse by positing the following question:
.25
How, under what conditions and in what forms can
something like a subject appear in the order of discourse?
What place can it occupy, what functions can it assume,
and by obeying what rules? {Author 158)
We may be tempted to ask, under the circumstances of an unlimited prolif-
eration of signs, of the organising nature of a signifier, of random interac-
tions among the free floating texts, of abolished meaning, why should the
subject emerge at all? In Foucault' s model the subject is not an initiator
but a mere vehicle of change. Although Foucault gives supremacy to the
structure, his theory does not completely disregard the potential of the
subject to act outside the limits of his or her function. Each violation of the
rules of the discourse raises the tension between the organising nature of
the discourse and the unpredictability of the subject's action. Since dis-
courses interact as texts, their transformations are linguistic ones, which
means that every modification of the discourse occurs as a change in the
text. In all three phases of the German guilt narrative we can observe how
the narrative was shaped, fixated and subverted by key writings of the
literary discourse which either emphasised or diluted its moralising tone.
According to Foucault every discourse has an inevitable tendency to
return to its origin, or to its founding text(s) and each return transforms the
existing structure of the discourse.
How are we to understand the notion of the return? If the dis-
course is constituted linguistically as a particular text then the return to its
origin means a permanent recurrence of the initial text. It is tempting to ask
why the text has to return to its origin, why does it not proliferate infi-
nitely? Does the return to the origin mean a recurrence of the meaning of
the text and if so, to whom does this meaning speak? Following Foucaulfs
argument, we would have to conclude that the meaning of the text is
enacted by the signifier (the structure) and that the signifier has the ca-
pacity to reflect upon its own meaning. If so, how is it possible to separate
meaning from interpretation? In the context of our analysis, the interpreta-
tion has two important constitutive qualities; it is the way of appropriation
of the text by the subject and it is a form of action carried out by a subject.
We can therefore believe that the return to the initial text is prompted when
the subject appropriates the text of the discourse within which he or she
appears. If we take the guilt narrative as a key text of the leftist literary
discourse then Walser's speech from 1998 and Grass' latest novella are
points in case.
We will now draw on some concepts of Ricoeur which allow us to
see how the interpreting subject negotiates her position in the discourse
and how these negotiations are determined by the subject's understand-
126
ing of her own situation. We can further hypothesize that these negotia-
tions initiate structural changes and that they determine their course.
Ricoeur, like Foucault, defines the relationship between the sub-
ject and the discourse as an utterly linguistic one. Discourse is to be
understood as a "text fixed by writing" but every written text (langue) was
once or could be a speech (parole) (Ricoeur 104-6). Text, as a fixation of
speech, then replaces one important aspect of parole — the relation of the
dialogue. While speaking subjects relate to themselves in a form of dia-
logue, the relationship between the subject and the discourse is mediated
through the text. Why is this difference between langue and parole im-
portant? It is mainly because while in a dialogical situation the subject can
obtain meaning or can correct his statements when facing other subject(s)
in a linguistic situation, mediated through the text, the subject has to rely
on interpretation. Distance between the subject and the text creates an
opening for interference when new interpretations are added to the exist-
ing text of the discourse. Yet, these additions do not arise from the texts
themselves, they do not arise from the nature of the signifier seeking its
logical totality, as Foucault would have us believe; rather, they emerge
from a subjectivization of the text. Ricoeur observes that understanding is
always subjective "for it is always someone who receives, makes her own
meaning and appropriates it for herself (131).
According to Ricoeur the text has a dual constitutive function; it
institutes the author as a subject in that the author can appear only within
the text and it provides the space for the reading subject to constitute
himself14 This constitution occurs in the process of interpretation of a
text which is contemporaneous with the constitution of meaning ( 1 19). A
subject understands her place in the discourse if she can connect her
lived, mediated, or imagined experience with the text of the discourse.
According to Ricoeur, understanding is achieved through the interpreta-
tion of the text on two levels — on the level of structure and on the level of
the subject's phenomenological experience. Structural understanding is
determined by the structure of the text whereas we speak of phenomeno-
logical understanding when the subject relates to the text through experi-
ence. Then the text can provide the subject with meaning, with existential
orientation in the world. Ricoeur calls this bridging between the text and
its "anchorage in the ground of lived experience" a hermeneutical arc
(124).
How does the hermeneutical arc concept apply to the appropria-
tion of the guilt narrative within and outside the literary discourse? In the
historical outline, which traces the processes of the construction of the
guilt narrative, we have identified different literary and non-literary texts
which have shaped, fixated, or subverted it. In order to improve our under-
!27
standing of these developments we can draw on the latest novella by
Giinter Grass. In Crabwalk, Grass implicitly concludes that the time is ripe
to acknowledge that some Germans were also victims of World War II.
Grass attends to two long-buried wartime memories, that of Germans who
were expelled from or fled the territories once under Nazi occupation and
the sinking of a German ship carrying thousands of German refugees by a
Soviet submarine. Grass' novella, which deals with the impact of a remote
past on attitudes today, was a tremendous success not only among those
who remembered the war but, more interestingly, also among very many
young people.
The plot, which is situated in Poland toward the end of war and in
contemporary Germany, revolves around the ship which Hitler named in
commemoration of a Nazi general assassinated by a Jew. The main charac-
ter is Tula, one of the few survivors from the sunken ship, who passes her
memories to her grandson Kony. Tula's horrifying story of the torpedoing
of the ship is contrasted by an idyllic account of its earlier past when the
ship, owned by the Nazi Labour Front, was a place of leisure and entertain-
ment. Tula's memories inspire Kony to design a right-wing chat room
where he names himself after the Nazi general and where he meets with
David who identifies himself as a Jew. Kony's father, himself a left-wing
journalist, watches with alarm as the two arrange to meet. Kony, who
hesitates to kill his former adversary cannot do otherwise than carry out
his revenge for the assassination of the Nazi general, for the injustice
done to his grandmother, for the vilification of his country. The absurdity
of Kony's act reaches its climax in the revelation that his enemy was not a
Jew.
To whom does Grass's text speak? It speaks to other texts within
and outside the German literary discourse. As Grass himself said in the
interview with Alan Riding:15
In West Germany, it was possible to speak of it [German
suffering] and some documentary work was done, but
not in a literary form. In general, it was the first
responsibility of Germans to speak about German crimes.
The question of German suffering was of secondary
importance. No one really wanted to speak about it.
We can distinguish the internal and external recipients of Grass' text as
two categories of the subjects of the discourse. The category of internal
recipients includes established left-wing writers and intellectuals, (such
as Grass himself and Habermas), and their opponents ( Walser, Sloterdijk,
or Nolte). While the former tend to maintain the ideological boundaries of
the discourse, the latter have a tendency to subvert them. However, more
important than their ideological divisions are the intellectual trajectories
128
of these agents because of their effect on the leftist narrative of guilt. In
this respect, Walser's speech was a less successful intellectual move which,
though it challenged the one-sidedness of the guilt narrative, was not
accepted as a starting point for its reiteration by the German left. On the
other hand Grass' text, which was generally accepted within the literary
discourse, creates a terrain for possible re-iterations of the guilt narrative.
The external recipients of the discourse are lay readers who, as Ricoeur
would argue, are dynamic agents because they can extend the range of
textual interpretations ad infinitum. How does the narrative appeal to
them and what are the consequences of this appeal?
In its relation to the subject, the narrative is mimetic because it
remakes the human world of action ( Ricoeur 1 30). The action takes place
when a reader, in his effort to derive meaning out of the narrative, appro-
priates its text "as the giving of the story by the someone to someone,
back within the movement of a transmission, a living tradition..." (131).
Grass's text points to an important phenomenon, namely that outside the
literary discourse the narrative of guilt was not understood by all of its
addressees. The narrative was misinterpreted or rejected by those whom it
excludes, whose lived experience was dismissed. After WWII about twelve
million Germans were expelled from German-speaking regions in Central-
Eastern Europe. Most of them felt bitter not only about the loss of their
homelands but also because of the vengeful treatment they received at
the end of the war when many Poles and Czechs unleashed their retribu-
tive sentiments for the Nazi occupation of their countries. In their new
home in West Germany, many of the expelled Germans considered them-
selves the last victims of Hitler and did not participate in the country's
revision of its war past. Not only did they conveniently immerse them-
selves in the oblivion of their own war pasts, many of them did not even
view their wartime Nazi affiliations as morally doubtful. In their political
and cultural seclusion, expelled Germans fostered a myth of an undifferen-
tiated victimization of Germans, a myth which erased the boundaries be-
tween Nazis and their opponents.16 No less importantly, Crabwalk points
to the effects of this collective memory on young Germans as well as to the
fact that the notion of German guilt makes little or no sense to them. The
text shows how the void in the narrative of guilt, which spoke to neither
Kony nor his grandmother, was filled by their imaginations. Although the
subtlety of Grass' language contrasts with Walser's coarse criticism both
texts incite a debate about the narrative of guilt.
This comparative analysis has sought to show how discourse
theories can illuminatre the changes in the German leftist literary discourse
and their effects on the narrative of guilt. Foucault and Ricoeur both
understand discourse as text without finitude. According to Foucault the
129
infinitude of a text arises from the self-referential ity of the signifier which
emancipates the text from its meaning and from the interpretation by the
subject. The text, which can communicate directly with other texts, relates
to the subject as an external, constructing force. Contrary to Foucault,
Ricoeur understands the text as a subject's means of intervention in the
discourse. He juxtaposes infinitude of the text to an unlimited range of
interpretations since each subject appropriates the text differently.17 How-
ever, as this analysis has shown, changes in the discourse do not arise
exclusively from the textual confrontations within and between the dis-
courses, as Foucault maintains, but they emerge when an acting subject
and new interpretations are mutually present, as have been the cases of
Walser's speech and Grass's novella vis-a-vis the guilt narrative. I would
nonetheless argue that these transformations are, in the first place, en-
acted by the subject and by her need to understand her own situation in
the discourse. This need is neither intellectual nor is it culturally imposed;
rather it is an existential one because it provides the subject with a funda-
mental orientation in the world. Grass's text reveals alternative directions
taken by its protagonists once they failed to relate to the narrative of guilt.
While dealing with their confusions, Grass's text points to an emerging
phenomenon of the limits of intelligibility of the guilt narrative in contem-
porary Germany.
130
Endnotes
1 See interview with Grass: http:/7www.radiobremen.de/online/grass/per-
son/bibliografie.html.
2 In a poll conducted in 1 948, to the following question: "Do you consider
National Socialism a good but wrongly implemented idea?" 57% of re-
spondents answered yes and 27% answered no. See Erwin K. Scheuch.
Wie Deatsch sind die Deutschen? : Eine Nation wandelt ihr Gesicht. 2nd
ed. (BergischGladbach: Bastei Lubbe, [1992]).
'The novels of Heinrich Boll, Wo warst du Adanf. [1951] (And Where
Were You, Adam?) and Wolfgang Borchert, Draufien vor der Tiir [1947]
(The Man Outside) are representative of the literary production during the
post-war decade. Martin Walser's novella Ehen in Philippsburg (Mar-
riage in Philippsburg) is one of the first critical accounts of the transition
of West German society. Walser's novella shows how easily and willingly
West Germans dismissed compromising political pasts of people who were
in control of the politics and the media. In 1 956 Giinter Grass published the
first part of his Danziger Trilogie (The Danzig Trilogy), the novel Der
Blechtrommel {1\\q Tin Drum) which renders a critical account of the war
past of the German minority in Poland.
4 "Die Gruppe 47" was a free and initially an apolitical association of
German-writing novelists, poets and journalists who programmatically iden-
tified themselves with German humanistic traditions. The group became
an important political platform of leftist intellectuals in the late sixties.
5 Rolf HochhuuYs play Der Stellvertreter [ 1 963] (The Deputy) and Friedrich
Diirrenmatfs drama Die_Physiker [1962] (The Physicists) marked the line
between the critical and the descriptive accounts of the war. In 1960,
Martin Walser published his play Eiche und Angora (The Rabbit Race)
and in 1962 the first part of the Anselm Tristlein Trilogie. Giinter Grass
published the second part of the Danziger Trilogie, his critical novella
Katz und Mans [1961] (Cat and Mouse).
6 This issue was raised in the works of Grass, who in 1969 published the
drama Ortlich betdubt, (Local Anaesthetic) and of Walser, who finished
the second part of the Anselm Tristlein Trilogie: Das Einhorn (The Uni-
corn). In 1968, Siegfried Lenz published the novel Die Deutschstunde
131
(The German Lesson), which is a critical portrayal of the older generation
and its thoughtless participation in the practices of the Nazi state.
7Habermas emphasized the moral stances of the German guilt narrative
and Nolte and his adherents in their effort to sustain their views, swerved
into the rightist rhetoric and were accused by German media of right-
extremists positions. See: Berliner Institut fur Faschismus Forschung, Unter
den Linden 69: Buchhandlung Bouvier — ein "arisierter" Betrieb. http:/
/home.snafu.de/bifff/aktuelll2.html.;http://www.nachkriegsdeutschland.de
/historikerstreit.html.; http://www.all-at-one.de/allatone/JuergenPeter/
Historikerstreit2.pdf.
* Goldhagen's book was promptly translated into German and brought
forth a public debate which was soon taken over by the German media.
The quality of the debate deteriorated due to the populist spin the media
put on it. The book was a tremendous success among German lay readers
and Goldhagen promoted it by touring major German cities. Michael
Schneider, "Die Goldhagen-Debatte: Ein Historikerstreit in der
Mediengesellschaft," Gesprdchskreis Geschichte 17 (Bonn: FES-Library,
1998).
9 For details about the historical debate see Dieter Pohl, "Die Holocaust-
Forschung und Goldhagens Thesen," Vierteljahrshefte fur Zeitgeschichte
45.1(1997)1-48.
"'German philosopher Peter Sloterdijk criticized the moralizing and judg-
mental tone of Habermas's positions on the Holocaust and on the German
war past. Consequently, in a public debate, Sloterdijk was denounced by
the media for encouraging fascist tendencies and Walser, who publicly
defended Sloterdijk, was labeled as another rightist intellectual. For a de-
tailed discussion see: Peter Moser, "Die Sloterdijk-Debatte in den deutschen
Medien." Information Philosophie 5 (1999). www.information-
philosophie.de/philosophie/moser%20sloterdijk.
1 ' Here belong, for instance, Grass' novel The Tin Drum and Walser 's plays
The Rabbit Race or The_Detour.
12 On the series about the Holocaust see Andreas Huyssen, After the
Great Divide (Bloomington: Indiana UP, 1 986) 94- 1 1 5.
13 1 am referring to Walser 's drama from the 1950s or his first novel Mar-
riage in Phil ipps burg and Grass's The Danzig Trilogy.
132
14 See Paul Ricoeur, From Text to Action: Essays in Hermeneutics. Vol. 2
(Evanston: Northwestern UP, 1 99 1 ) 1 06- 1 1 8.
15 Alan Riding, "Interview with Giinter Grass: Giinter Grass Worries About
the Effects of War, Then and Now," New York Times 8 Apr. 2003.
16 In the early sixties, the expelled Germans formed their political affilia-
tions called Landsmannschaften. Even conservative parties' politicians
(CDU, CSU) like Kohl or Stoiber, who maintained contacts to
Landsmannschaften, never included their demands in the political agenda
of the German state.
17 See Ricoeur 153-5.
Works Cited
Arendt, Hannah. Eichmann in Jerusalem: A Report on the Banality of
Evil New York: Penguin Books, 1977.
Bleicher, Josef. Contemporary Hermeneutics. London: Routledge&
Keagan Press, 1980
Foucault, Michel. Language, Counter-Memory, Practice. Ithaca, NY:
Cornell UP, 1997.
- — . TJie Order of Things^ NY: Vintage Books, 1994.
— -. "Politics and the study of Discourse." The Foucault Effect: Studies in
Governmental ity. Eds. B. Graham, G Colin, and M. Peter. Chicago:
University of Chicago Press, 1 99 1 . 53-72.
— -. "Questions of Method" The Foucault Effect: Studies in
Governmentality. Ed. B. Graham, G Colin, and M. Peter. Chicago:
University of Chicago Press, 1 99 1 . 73-86.
— . "What is an Author?" The Foucault Effect: Studies in
Governmentality. Ed. B. Graham, G Colin, and M. Peter. Chicago:
University of Chicago Press, 1991. 141-160.
133
Goldhagen, Daniel Jonah. Hitler's Willing Executioners: Ordinary Germans
and the Holocaust. New York: Random House, 1996.
Grass, Giinter. Crabwalk. New York: Harcourt, 2002.
Habermas, Jiirgen. The Postnational Constellation. Cambridge, MIT
Press, 2001.
Huyssen, Andreas. After the Great Divide. Bloomington: Indiana UP, 1986.
Jaspers, Karl. The Question of German Guilt. Westport: Greenwood Press,
1978.
Lorenz, Matthias N. Seelenarbeit an Deutschland. Martin Walser in
Perspective. Ed. Stuart Parkes and Fritz Wefelmeyer. German
Monitor 60. Amsterdam: Rodopi, 2004.
Niven, Bill. Facing the Nazi Past: United Germany and the Legacy of the
Third Reich. London: Routledge, 2002.
Pohl, Dieter. "Die Holocaust-Forschung und Goldhagens Thesen."
VierteljahrsheftefiirZeitgeschichte 45. 1 ( 1 997): 1 -48.
Ricoeur, Paul. From Text to Action: Essays in Hermeneutics. Vol. 2. Evanston:
Northwestern UP, 1991.
Scheuch, Erwin K. Wie Deutsch sinddie Deutschen? : Eine Nation wandelt
ihr Gesicht. 2nd ed. Bergisch Gladbach: Bastei Lubbe, [1992].
Schirrmacher, F., ed. Die Walser-Bubis-Debatte: Eine Dokumentation.
Frankfurt am Mein: Suhrkamp, 1999.
134
Art and Modern Malaise in Keller 's
Der grime Heinrich
Martin Potter
Keller's Der grime Heinrich stands out among the novels which
may be classified as part of the German Bildungsroman or Kunstlerroman
traditions, in that it is unmistakably the story of a failure. While Heinich's
failure in his artistic career is in itself striking,1 what is also notable is the
way that Keller, in both versions of the novel, is determined to make the
story of Heinrich's dealings with art symptomatic of processes of social
change. Keller has an ambivalent attitude to these changes. Tensions
emerge involving his sense of the constrictions but also the communality
which are part of the older world, as well as the feelings of liberation but
also of alienation associated with the development of modern culture.
While critics have often recognized these issues, they have mostly tended
not to emphasize the degree to which Heinrich's artistic aspirations are a
central part of a project of sociocultural diagnosis.2
I would like to look at three scenes in the novel in which art is
treated as a diagnostic tool to reveal conflicting forms of social life, and to
consider how they show the impasse in which Heinrich is caught as an
aspiring artist, and the finely balanced ambivalence in Keller's attitudes to
what he portrays. The scenes in question are the two contrasting carni-
vals in which Heinrich participates, in the German city and in Switzerland,
and the episode in which Heinrich is engaged in an art workshop in which
a kind of mass production of art takes place.3 1 am not the first interpreter
to comment on these scenes, but I have tried to make a distinctive case for
their centrality to the socio-cultural argument of the novel. The scenes
have attracted some attention in the critical literature, especially the carni-
val scenes, but the emphasis has often been centered on the contrast
between a sense of present relevance in the Swiss carnival and of
rootedness in the past in the German carnival, a contrast which, it is ar-
gued, represents Keller's liberal political commitment.4 1 would like to sug-
gest that the passages I shall be highlighting provide a more complex
symptomatology of the processes of socio-cultural change — one which
135
gives rise to an attitude of painful ambivalence in both the experiencing
and the narrating Heinrich, and, by extension, in Keller himself.
The two festivals are both derivations of the traditional pre-Lenten
carnival; both are artistic events in that they entail a kind of theatrical
performance. The William Tell festival takes place in the district of Heinrich 's
home village, when Heinrich is sixteen, before his stay in Germany, and
involves the participation of the local market town and surrounding vil-
lages, including Heinrich's own. The project is to stage an open air perfor-
mance of Schiller's Wilhelm Tell, over a whole day, using various locations
in the area. Heinrich is invited by his relatives to participate, and to help in
the preparations.
The setting of the Tell festival is on the one hand rural, and in that
sense traditional, and on the other hand politically republican, and so is a
kind of mirror image of the German city, showing an opposite combination
of the old and the new. In the German city, the emphasis is on a concern
with aesthetic and communal values which are fading in the modern com-
mercial environment that is now everywhere in evidence. The traditional
side of the rural setting of the Wilhelm Tell performance is evident partly in
the strong atmosphere of community. Many of the participants are known
to each other, and according to Heinrich at the communal meals during the
day there is a family atmosphere. There is also a sense of continuity in that
the villagers' Sunday costumes need little adjustment in order to play the
role of medieval dress. The festival ends with a bonfire of a kind with
which, Heinrich surmises, spring festivals have been celebrated since
pagan times, perhaps at the same time and on the same spot.
In contrast to this traditional side, the village is part of republican
Switzerland, and the play itself commemorates the birth of Switzerland in
the rebellion against feudal authority. Heinrich the narrator is careful to
put the festival in a progressive, modernizing context, relating how the
Catholic pre-Lenten carnival spirit had persisted in the neighbourhood in
the form of a general spring festival despite the non-Catholic character of
the area since the Reformation, and how the traditional jesting had more
recently been replaced by patriotic performances, which had become in-
creasingly organized and elaborate.5 Heinrich also notes how a few tradi-
tional revellers representing "Ruckschritt und Verkommenheit" try to in-
terrupt one of the principal scenes in the play (335). By mentioning these
relics of earlier practices Heinrich implies that the old carnival was a primi-
tive manifestation which has been superseded by something more ratio-
nal. However, despite the lofty background of enlightened reform and
romantic nationalistic aspirations, the effect is at times one of bathos as
the participants show signs of literal-mindedness and narrow material
self-interest.
136
When, early in the day, an overzealous official demands a toll on
cattle crossing a bridge, although they are being moved around only as
part of the pageant and not transported for other reasons, the innkeeper
playing the part of Tell intervenes and personally lifts the barrier out of the
way. He is wearing an extravagant costume in national colours, out of
keeping with the general attempt at historical verisimilitude in the cos-
tumes, and does not seem to be able to distinguish between his own
exploits and those of Tell, greeting the contingent representing the impe-
rial knights, who happen to be on the scene, coldly and proudly, as if he
thought they were really what they were playing. It is this same innkeeper
who is later, at the communal lunch, involved in a heated dispute with a
local timber merchant, in front of a government official, over whose prop-
erty a new road is intended to pass. This argument itself represents a
microcosm of the struggle between traditionalism and economic progres-
sivism, in that the timber merchant represents the ultimate pragmatic mate-
rialism, which opposes any kind of permanence, and favours makeshift
arrangements in the interests of maximum responsiveness to commercial
opportunity, and whose ultimate aim is simply to promote the maximum
possible volume of commercial activity, as an end in itself. The innkeeper,
however, believes not only in the maintenance and embellishment of the
age-old institution that his inn is, but also in the pursuit of profit only to
the extent necessary to maintain a comfortable and unhurried household.
What shocks Heinrich, who witnesses the discussion, is that the two men.
who both enjoy a certain public standing, but more particularly the inn-
keeper, considering the kind of public and national values he is supposed
to be embodying in the person of Tell, so blatantly fight for their private
advantage and ignore considerations of public good (Sandberg Russell
83 ). Heinrich feels that what he has seen confirms the reputation which the
Swiss have abroad for pettiness, self-interest and "Vorwurf der Kleinlichkeit,
des Eigennutzes und der Engherzigkeit" (346). The government official
who is present tries to justify to Heinrich the behaviour of the two men,
who have now departed. He explains that a society in which individuals
may honestly struggle for their own advantage is a healthy one.
The overall assessment of the carnival by Heinrich the narrator is
ambivalent. He unquestioningly regards a secular celebration of national-
ism as a rational advance on whatever religiously occasioned festival may
earlier have taken place at the season. The choice of a play by Schiller, an
author he has endorsed elsewhere in the novel, is potentially inspiring for
him, given that it expresses the kind of philosophical ideals and aspira-
tions Heinrich claims to identify with. The play is performed competently,
and produces absorption and enthusiasm on the part of the audience in
many of the key scenes, as well as eliciting a sense of reverence on the
137
part of the performers at high points, for example, at the swearing of the
oath or Tell's shooting of the apple from his son's head. However, overall,
the narrative suggests that, although the people of the district celebrate
this festival as a community, and although it is meaningful to them, they
ultimately believe only in the unrestrained pursuit of material gain. Heinrich
approves of practical economic activity as part of a wider programme of
achieving a liberal vision of progress in the community, but he sees the
elevation of economic interest to the position of leading principle and
aspiration as detrimental to other more cultural aspects of the programme,
and as ultimately barren. Because of this he is disappointed by signs that
economic motives are beginning to dominate the community.6
There is a certain philistinism at work in the Swiss community.
While the performance does engage its performers and spectators, and
they understand it in a way relevant to them, at the same time the way it is
understood seems superficial, and at times when the performance tends to
coalesce with and become indistinguishable from everyday local life, one
can question to what extent it ends up by functioning as art at all, in the
sense that, instead of bringing something into the life of the villagers, it
simply reenacts their way of life.7 Thus Heinrich is disappointed to find
that the Schillerian Enlightenment aspirations are lost and replaced by a
celebration of economic freedom. If the society represented in the narra-
tive can be said to be a practically successful one, and the pageant an
expression of its underlying common sense, it is nevertheless a society
without the cultural depth to satisfy Heinrich the aspiring artist, and with-
out the artistic interests to support him. Frustratingly, from Heinrich's
point of view, given his emancipatory convictions, the tendency of com-
mercial energies, once unleashed, to oust all others makes itself felt, as
elsewhere in the novel.
In contrast to the practically relevant but, arguably, shallow Swiss
celebration, the Gentian pageant illustrates aspirations which Heinrich
finds meaningful, but it shows them in the context of the past.8 However,
the German city presents a different social backdrop from the Swiss coun-
tryside, almost a mirror image, in that it embodies modern conditions in its
large scale and in the consequent possibility of anonymous urban living,
while the personal nature of its monarchical government is very tradi-
tional. The German carnival takes the form of an artists' pageant. In this
pageant about eight hundred members of the city's artistic community,
including Heinrich, stage a procession in which the Nuremberg of the time
of Maximilian I and Albrecht Durer is represented. The procession in-
cludes three sections, one in which the citizenry of Nuremberg is repre-
sented, embracing the guilds, and citizens of note, one representing the
imperial court, with the emperor and entourage, and a final section being
138
an old-fashioned masquerade, including jesters and mythical personifica-
tions. Famous characters of the time are all represented individually.
Heinrich gives a fairly detailed description of the procession,
with a strong emphasis on the guilds, especially those representing occu-
pations with an artistic element, and also showing a definite admiration for
the heroic appearance of the imperial knights. He is clearly absorbed by
the occasion, and is enthusiastic in describing the various costumes of
the different guilds, as well as giving accounts of what certain individual
members were famous for. Heinrich is keen to point out the way that the
famous artists and craftsmen combine manual skill with inventiveness, as
well as the fact that they both love beauty and ornamentation and pro-
duce goods of great practical value, and all this despite the fact that many
are illiterate. The wood-turner, Hieronymus Gartner, for example, who can
make a life-like cherry on a stalk out of wood, also makes fountains, while
members of the Danner family, gun-makers, have invented a wall-breaking
device and the flint-lock. The guilds, he notes, do not lead to a narrow
concentration on specialized skills, and many guild members develop ad-
ditional skills, such as the locksmiths who learn to make watches and
clocks. Heinrich here is pointing out how at this period there is an artistic
craftsmanship which embodies a coexistence of skills which tend to sepa-
rate in the modern era, where the artist and the workman tend to be differ-
ent people, where art aims at uselessness and practical work is indifferent
to aesthetics, where physical and intellectual work tend to be separated
and carried out by different groups of people.
Heinrich is particularly impressed by the case of a coppersmith,
called Sebastian Lindenast, to whom the emperor has granted the privi-
lege of gilding the vessels he makes, on account of his outstanding skill.
Heinrich admires the direct relationship here between the head of state
and the craftsman. Heinrich's interest in this relationship is notable, given
that in his home town in Switzerland there is an apparent lack of public
patronage of the arts on any considerable scale, whereas in the German
kingdom where the festival is taking place the king does take a personal
interest in the arts and patronize them, and Heinrich himself eventually
has recourse to aristocratic patronage at the count's castle.
In fact the German city in which the festival is taking place is less
remote from what is being represented than, for example, Heinrich's home
city in Switzerland would have been. As Heinrich is keen to point out, the
artists taking part in the carnival are "Angehorige eines voll ausgegliederten
Kunstlebens" which the city possesses (532), and there is also a personal
relationship between the artists and the monarch, who is sponsoring the
carnival and is personally present. However, although the distance be-
139
tween contemporary reality in the city and the represented past is less
wide than it might be, the festival still, as Heinrich sees it, recreates a
healthier integrity, which the present is moving away from. As Heinrich
explains it,
Was nun der ganzen Tragerschaft dieser Kunstwelt,
den groBen und kleineren Meistern, den Gesellen und
Schiilern einen erhohten Wert verlieh, das war der reinere
Abglanz der ersten Jugendreife einer solchen Epoche,
deren ideale Freudigkeit im selben Zeitalter selten
wiederkehrt, eher schon von dem leichten Schatten der
Verbildung und Ausartung da und dort umschwebt wird.
Alle, auch die bejahrteren, waren noch jung, weil die
ganze Zeit jung und die Spuren eines blofien Konnens
ohne Gefuhl noch wenig zahlreich waren. (533)
So, Heinrich suggests, the contemporary artists can give themselves an
extra symbolic sense of worth by symbolizing earlier artists who lived in a
fresher and less degenerate time than their own. Heinrich here seems to be
holding out little hope that the artists can recreate in their work the integ-
rity they are representing imaginatively in the pageant, since, it seems, the
loss of belief, or feeling, which causes artistic degeneration is simply a
symptom of the times, beyond the ability of any individual artist to tran-
scend. Hence Heinrich is unable to transcend it in his own work.
Interestingly, although Heinrich describes the period represented
as the beginning of an era, it could equally well be seen as the end of an
era, as the period just before the order of the Middle Ages collapses in the
aftermath of the Reformation, and when medieval belief is giving way to
Renaissance humanism. The prominence of Diirer is a sign of this incipi-
ent collapse of the medieval world view, and the fact that the city mer-
chants are already wealthier and worthier-looking, according to Heinrich,
than the lower and middle aristocracy is a sign that the commercial pres-
sures of the modern world are already embryonically present.
The fact that the society in which art enjoys a now lost integrity
is one that is pulled apart by forces that Heinrich supports, by processes
such as the Reformation and the Enlightenment, which according to his
historical theory are steps towards the ideal society, is at the very heart of
Heinricrfs dilemma. He does not advocate a return to a medieval society,
or medieval beliefs, but he sees no way of practising art in the new condi-
tions. Significantly, the only fulfilled and successful practising artist por-
trayed in the novel is Reinhold, the maker of religious statues from the
Catholic Rhineland, whose social and religious background might be de-
140
scribed as not far removed from the medieval. The childlike innocence,
however, which Heinrich sees as underlying Reinhold's alignment with an
older set of values, is something Heinrich feels he has lost irrevocably for
himself.
An episode in the novel which focuses closely on the antago-
nism between artistic and commercial interests in the modern world, and
the tendency of the first to lose out, is that of the Habersaat workshop,
where Heinrich spends two years studying art under the supervision of
the owner and manager of the workshop, Habersaat. Habersaat is a painter
who has used his apparently limited artistic skills as the basis for a com-
mercial mass-production of Swiss landscapes, together with greetings
cards, and other such tasks, and he does this successfully.9 Habersaat's
workshop is situated in the refectory of a former convent, lighted by
windows through which one cannot see out, emphasizing that the artistic
activity is cut off from nature, as well as practically insulating employees
from distractions on the outside. The conversion from convent to factory
also hints at a shift from spiritual to material priorities in modern society.
Apart from Habersaat himself, who is busy as much with clerical tasks as
with artwork, the workshop contains four adult employees, who carry out
the lithography, engraving and printing, and a number of youths or boys
whose task is to colour in the outlines with water-colours. The young
employees are children of poor families who are working in exchange for
an artistic training, although they receive very little, in case it interferes
with their efficiency. The employees are arranged in such a way that they
look into each others' backs, so that they will not distract each other, and
Habersaat sits behind all of them, enabling him to supervise. Heinrich
portrays the atmosphere by describing the scene as a kind of hell, in which
the employees are various grades of demons. Indeed the young employ-
ees are under such pressure of work that they waste their free time on
pranks and joking, instead of supplementing their meagre training. Most
of them never progress to become artists and have to take up other trades
on leaving the workshop.
Heinrich regards Habersaat's treatment of the young employees
as exploitation, and claims that in being exploitative Habersaat's business
is similar to the industry of the day, which, he suggests sarcastically,
indulges in child-exploitation because it makes the resulting products
more desirable to the buyers.
On his first day at the workshop Heinrich is sent away to buy his
own paper and pencils, which he spends most of the morning doing. He
says, in reaction to this: "Dieses alles, ... erschien mir so niichtern und
kleinlich und im Gegensatze zu dem Treiben, das ich mir dunkel in einer
Kunstlerbehausung vorgestellt hatte, daB es mir das Herz beengte" (247).
141
The meanness, pettiness and narrowness that Heinrich senses here in the
Habersaat workshop are similar to those qualities which he has noted
elsewhere in connection with the effects of commercialism on the Swiss
culture and way of life. This episode illustrates most clearly Heinrich's fear
that economic progress through industrialization and rampant commer-
cialism tends to oust all other motives and considerations, and is inimical
to art, a fear which is expressed repeatedly through the novel.
Moreover, the scene suggests that the mechanization and mono-
mania of modern economic activity has not time or space for a more sym-
bolic and meaningful creative ethos. This has the result that, in reacting to
the domination of the practical life by modern economic methods, the
artist withdraws into an esoteric world, as does Heinrich, to the detriment
of his art, which becomes insubstantial. So Heinrich's experience of art
highlights and illustrates that dislocation of, on the one hand, the practi-
cal and, on the other, the intellectual, creative, worlds which inheres in the
modern condition.
One concern which characterizes Der grime Heinrich as a whole
is a sense of an almost Hegelian framework of historical movement, unidi-
rectional and unstoppable, which affects every field of human affairs, and
permeates every part of the novel. Thus both the artistic and social themes
which feature in the passages I have been exploring are articulated in
terms of this historical concept, as if it were the force driving the changes
in both. The passages show art and society engaged in parallel and inter-
active courses of change, and, on the artistic side, Keller fears that these
changes may lead progressively towards a loss of meaning. Keller and
Heinrich, with their avowedly liberal political sympathies, are loath explic-
itly to condemn what they feel they should see as social progress, but,
through the diagnosis of what Keller sees as a crisis in art, he is able,
indirectly, to express a deep unease about the society which he sees
developing around him, and to suggest that it may suffer from that lack of
centeredness on human values which he has indicated as an emerging
possibility in the field of art. For Keller, as for Nietzsche, and, much later,
Walter Benjamin, art offers an arena for the analysis and understanding of
the modern social world.
142
Endnotes
1 It has been pointed out that Heinrich's artistic career is not a total failure,
to the extent that he becomes a successful writer of his own story. See
Martin Swales."Reflectivity and Realism: On Keller 'sDer Grime Heinrich."
Gottfried Keller 1819-1890: London Symposium 1990. Ed. John L. Flood
and Martin Swales. Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik 256 (Stuttgart:
Heinz, 1991)41-52.
2 Critics have often focused on political and religious issues in their own
right, as well as concentrating on Heinrich's psychology, or examining the
novel's place in the context of European realism. For an overview of Keller
criticism up to 1998, see Richard R. Ruppel. Gottfried Keller and his Crit-
ics: A Case Study in Scholarly Criticism. (Columbia, SC: Camden House,
1998).
3 1 have focused on the text of the second version, although the passages
I discuss appear in both versions.
4 Swales argues that the German carnival is characterized by a sense of
inauthenticity, in contrast to the Swiss carnival.
5 In his Der Griine Heinrich 1854/1855: Gottfried Kellers Romankunst
des 'Unbekannt-hekannten'. (Bern: Peter Lang, 2002) 238. Daniel
Rothenbiihler notes that both festivals have been secularized.
6 See Jonas Frankel. Gottfried Kellers politische Sendung. (Zurich: Oprecht,
1939) 103-104. He argues that Keller de-idealizes the Tell festival in the
second version.
7 For criticism of the Tell festival as unartistic, see Gerhard Kaiser. Gottfried
Keller: Das gedichtete Leben. (Frankfurt am Main: Insel, 1 98 1 ) 202.
8 For a very positive assessment of the artists' pageant, which argues that
the pageant shows that art is still possible, and demonstrates its commu-
nal setting, but which views this possibility as being in contrast to
Heinrich's own lack of rootedness, see Hartmut Laufhiitte. Wirklichkeit
und Knnst in Gottfried Kellers Roman "Der Griine Heinrich. " (Bonn:
Bouvier, 1969)250-65.
143
9 For a discussion of the Habersaat episode focusing on the idea of the
reproducibility of art, see Wolfgang Rohe, Roman cms Diskwsen: Gottfried
Keller "Der Grime Heinrich". (Erste Fassung; 1854/1855; Munich:
WilhelmFink Verlag, 1993)36-47.
Works Cited
Frankel, Jonas. Gottfried Kellers politische Sendung. Zurich: Oprecht,
1939.
Kaiser, Gerhard. Gottfried Keller: Das gedichtete Leben. Frankfurt am
Main: Insel, 1981.
Keller, Gottfried. Sdmtliche Werke. Vol. 3: Der Grime Heinrich (Zweite
Fassung). Ed. Peter Villwock. Frankfurt am Main: Deutscher
Klassiker Verlag, 1996.
Laufhiitte, Hartmut. Wirklichkeit und Kunst in Gottfried Kellers Roman
"Der Grime Heinrich." Bonn: Bouvier, 1969.
Rohe, Wolfgang. Roman aus Diskursen: Gottfried Keller "Der Griine
Heinrich" (Erste Fassung; 1854/1855). Munich: Wilhelm Fink
Verlag, 1993.
Rothenbiihler, Daniel. Der Griine Heinrich 1854/1855: Gottfried Kellers
Romankunst des 'Unhekannt-hekannten '. Bern: Peter Lang, 2002.
Ruppel, Richard R. Gottfried Keller and his Critics: A Case Study in
Scholarly Criticism. Columbia, SC: Camden House, 1998.
Sandberg Russell, Kristina. Das Problem derldentitat in Gottfried Kellers
Prosawerk. Bern: Peter Lang, 1981.
Swales, Martin. "Reflectivity and Realism: On Keller's Der Griine
Heinrich." Gottfried Keller 1819-1890: London Symposium
1990. Ed. John L. Flood and Martin Swales. Stuttgarter Arbeiten
zurGermanistik256. Stuttgart: Heinz, 1991.
144
„Ich htitte sie geliebt":
Probleme der allegorischen Darstellung in
Leonhard Franks „ Deutsche Novel le "
Nina Sylvester
.Seine emotionale Anteilnahme am ,Faustus ' war mir lieb,
zugleich aber stimmte sie mich bedenklich und wollte als
Warming erfasst sein — vor der Gefahr. mit meinem Roman
einen neuen deutschen Mythos kreieren zu helfen,
den Deutschen mit Hirer , Damon ie ' schmeicheln. "
Thomas Mann, Die Entstehung des Doktor Faustus
Diese Zeilen schreibt Thomas Mann fiber Leonhard Franks
Reaktion auf seinen „Schmerzensroman" Doktor Faustus in der
begleitenden Abhandlung Die Entstehung des Doktor Faustus nieder.
Zwar ist er von der Ergriffenheit des Kollegen, der ihn zu gelegentlichen
Essen in Manns Haus im kalifornischen Pacific Palisades besucht,
geschmeichelt. Gleichwohl ist ihm aber bewusst, dass die Form nicht
unproblematisch ist. Trotzdem wird sie gerne benutzt, urn Deutschland
unter der Herrschaft des Faschismus darzustellen. Das beriihrnteste
Beispiel ist zweifelsohne Thomas Manns Doktor Faustus. Das Leben des
deutschen Tonsetzers Adrian Leverkiihn, erzdhlt von einem Freunde. Die
Schriftstellerkollegen Mann und Frank arbeiteten zum ahnlichen Zeitpunkt
an ihren Werken im Exil in Los Angeles. Mann hatte nicht nur das Wort
,deutsch' „als sachlich prazisierendes Attribut zum ,Tonsetzter'
untergebracht" (Entstehung 70), sondern bezieht sich auch im gesamten
Werk auf grSBere Zusammenhange. Dagegen konzentriert Frank sich auf
ganz speziell kleinstadtische deutsche Verhaltnisse, wie der zentrale
Gebrauch des Wortes „Deutsch" sofort erkennen lasst.
Angeregt von Thomas Manns Zitat, mdchte ich bei Frank
insbesondere die Anlage eines neuen deutschen Mythos, wie Mann ihn
furchtet, beleuchten. Meiner Ansicht nach entsteht dieser spezifische
Mythos des ,guten', ,vergewaltigten' Deutschland bei Frank aufgrund
seiner problematischen Aufbereitung der Allegorie. Denn bei Franks
Allegorie handelt es sich weniger urn eine Ruine, wie Walter Benjamin in
145
seinem Werk Ursprung des Deutsehen Trauerspiels die anatomische
Allegorie definiert, sondern viel eher um eine in sich geschlossene Totalitat.
Zu zeigen, inwiefern dies problematisch und insbesondere fraglich ist im
Zusammenhang mit anti-faschistischen Intentionen, soil Absicht dieser
kurzen Abhandlung sein.
Wenn dies auch keine Untersuchung von Franks Werk in groBerem
Umfang sein soil, so halte ich es an dieser Stelle fur angebracht, kurz auf
den Stand der Forschung aufmerksam zu machen.
Die Forschung zu Leonhard Frank beschrankt sich weitestgehend
auf Zeitschriftenartikel und insgesamt nur vier Dissertationen.1 Die
Dissertationen beschaftigen sich wiederum hauptsachlich mit Franks friiher
und mittlere Schaffensperiode und nur Martin Glaubrecht widmet dem
Exilwerk einige wenige Seiten, darunter nur wenige Zeilen der Deutsehen
Novelle. Insgesamt wird die Deutsche Novelle fast vollig von der
Forschung ignoriert. Sicher liegt dies auch daran, dass das Spatwerk,
worunter die Werke des Exils fallen, allgemein als literarisch minderwertiger
im Gegensatz zu seinem Friihwerk bewertet wird (Glaubrecht 1 96). In der
Hauptsache beleuchtet die Forschung in Franks friiherem Werk, wie der
Autor „die Unvereinbarkeit des menschlichen Anspruchs auf Selbst-
verwirklichung mit dem zerstorerischen Anpassungssog der Gesellschaft
beschrieben und mit der Umkehr des Einzelnen eine Losung vor-
geschlagen" hat (Glaubrecht 85). Demnach wird Franks friiherem Werk
eine eindeutig sozial-und gesellschaftskritische Bedeutung beigemessen.
Hilfreich ist in dem Zusammenhang der aufschlussreiche Artikel von Otto
Best Liber Leonhard Franks Exilwerke.
Jedoch mochte ich mich bei diesem Roman weniger auf jene
gesellschaftskritischen Fragen per se konzentrieren, wie sie bisher
betrachtet worden sind, als vielmehr auf die Form der Allegorie dieses
spateren Werkes von Frank.
Aufgrund der schwierigen Forschungslage erachte ich es nicht
nur fur notwendig, den Text auf der einen Seite in seiner allegorischen
Erscheinungsform zu betrachten, sondern auch, auf der anderen Seite,
iiber den Text hinauszugehen und ihn sowohl neben thematisch als auch
temporar verwandte Texte zu stellen. Dazu bietet sich Thomas Manns
groBer Exilroman Doktor Faustus an. Bemerkenswert ist, dass beide
Romane etwa zur gleichen Zeit, ca. um 1 944, und am selben Ort, im Exil in
Hollywood, geschrieben wurden. Zudem erwahnt Mann die Deutsche
Novelle auch in seiner Entstehung des Doktor Faustus und verstand sie
als „Warnung [...] vor der Gefahr, [...] einen neuen deutsehen Mythos
kreieren zu helfen" {Entstehung 181). Des Weiteren erachte ich es fur
auBerordentlich hilfreich, Walter Benjamins Ursprung des deutsehen
146
Trauerspieh, der Diskussion der Allegorie hinzuzufiigen — nicht zuletzt
auch, weil Mann Benjamins Abhandlung gut bekannt war.2
Zum besseren Verstandnis soil an dieser Stelle die Handlung des
Romans kurz rekapituliert werden. Auf den ersten Seiten der Geschichte
begegnet der Erzahler, der Maler Michael Vierkant, dem Leser als der Maler
eines Bildes, welches in New York in den vierziger Jahre ausgestellt wird.
Dieses Bild, das die Handlung des Romans vorwegnimmt, stellt im
Vordergrund eine Frau dar, die sich offensichtlich selbst erschossen hat.
wahrend schemenhaft im Hintergrund ein toter, nackter Mann zu erkennen
ist. Die Ereignisse, die zum Tod der Beiden fuhren, trugen sich vierzig
Jahre zuvor, 1904, in Rothenburg ob der Tauber zu und werden aus der
Sicht des jungen Michael Vierkant erzahlt.
Die Frau auf dem Bild ist eine Adlige aus Rothenburg, die Baron-
ess Josepha von Uffendorf, die 32-jahrig, nach dem Tod ihrer Elteni allein
mit einer alten Kochin und einem Kammerdiener auf dem Familiensitz,
einem kleinen Schloss, lebt. Da ihr Zweig der Familie verarmt ist, hat sie
keinen gesellschaftlichen Verkehr und vereinsamt. Allerdings hat sich im
Laufe der Zeit zwischen ihr und dem Kammerdiener ein latent erotisches
Verhaltnis entwickelt, welches der Diener auf sehr subtile und fur sie als
die Unerfahrene anfanglich kaum wahrnehmbare Art bestimmt. Erst im
Laufe der Erzahlung wird sie der Spannung zusehends gewahr und fiihlt
sich ihrem damit verbundenen eigenen Lustgefuhlen immer wehrloser
ausgesetzt. Die Kommunikation, oder vielleicht besser Interaktion,
zwischen Josepha und dem Diener — der ungenannt bleibt — findet nie
verbal, sondern ausschlieBlich durch Blicke und Gesten statt. Zuletzt
kann Josepha die aufgebaute Spannung nicht mehr ertragen und indem
sie die Tur zu ihrem Schlafzimmer offhet, erlaubt sie dem Diener sich ihr zu
nahern. So wird die Fantasie zur Realitat und es kommt zum Geschlechts-
verkehr. Trotzdem Josepha das entscheidende Zeichen gibt, indem sie die
Tiire offen lasst, kommt der Akt doch einer Vergewaltigung gleich. Dies
wird nicht zuletzt auch durch den gewaltsamen Ton, der die Erzahlweise an
dieser Stelle bestimmt und in dem sich die aufgebaute (sexuelle) Spannung
der vorhergehenden Seite entladt, betont. Es kommt in den darauf
folgenden Nachten noch einige Male zu solchen Vergewaltigungsszenen,
bis Josepha schlieBlich den psychischen Druck nicht langer aushalt und
erst ihn — der seitdem Akt der Vergewaltigung vom Erzahler nur noch mit
dem Personalpronomen genannt wird — und dann sich selbst erschiefit.
Der junge Michael Vierkant ist, als Gehilfe der Malerwerkstatt die auf dem
Schloss arbeitet, der Erste, der die Toten entdeckt und die Szene vorfindet,
die er auf dem Eingangs beschriebenen Gemalde festgehalten hat. Als er
die Tragodie entdeckt, findet er auch die Tagebiicher Josephas, die die
wahre Tragweite der Tragodie preisgeben, und entschlieBt sich, aus Liebe
147
zu ihr und um ihr Ansehen iiber den Tod hinaus zu wahren, dem Diener die
Tat zuzuschieben.
Soweit die Handlung. Auf der vorletzten Seite des Buches ( 1 70)
macht Frank unmiBverstandlich klar,3 wie er das Buch verstanden wissen
mochte, wenn er den 62-jahrigen Kiinstler Michael Vierkant „im Friihjar
1933 das verge waltigte Land" verlassen lasst. Indem er fiir die Ereignisse
in Deutschland den gleichen Begriff wie fur die Ereignisse um Josepha
verwendet, „Vergewaltigung", verwandelt er die Baroness in eine Allegorie
tlir Deutschland. Die Darstellung Deutschlands als Frau in allegorischer
Form ist nicht neu, wird aber durch den Blickwinkel aus dem Exil sowie
durch Franks Bearbeitung hermetisch.
Im Folgenden soil untersucht werden, wie sich Franks Allegorie
im Einzelnen zusammensetzt und zu deuten ist. Josepha verkorpert in
ihrem AuBeren den Typus der deutschen Frau — Germania — schlechthin,
blond und vollschlank. Sie ist von „milder Schonheit," „ein wenig zu dick'1
und hat „makellose blonde Haut" (12). Ihr Haar ist in der Regel zu einem
„kompackt und dick geflochtenen riesigen blonden Knoten, der von Ohr
zu Ohr und bis zu den Schulterblattern hinunter reichte," zusammengefasst
( 1 3) und veranschaulicht ihre Disziplin und Selbskontrolle. Dazu stellt der
Diener, „der hagere, schwarzhaarige Mann von gelblicher Hautfarbe" (14),
einen scharfen Kontrast dar. In seinem dunklen AuBeren verkorpert er
aber nicht nur den schlechten Gegensatz zur guten Josepha, sondem
weist, wenn auch nur oberflachlich auBerlich, Ahnlichkeiten mit Hitler auf.
Dieser Gedanke wird dadurch bekraftigt, dass der Diener aus Munchen
kommend eine Anstellung im Elterhaus Josephas findet (14). Gait Munchen
doch seit 1923 als die Hauptstadt der nationalsozialistischen Bewegung.
Jedoch gelingt es dem Autor gleichzeitig die nazistischen Rassengesetze
auf krasse Weise in der auberlichen Beschreibung des Dieners aufklingen
zu lassen.
Ferner weist Josephas soziale Stellung eine weitere Parallele zu
Deutschland auf. Sie ist die „Vertreterin einer einstmals staatstragenden
Gesellschaftsschicht" und damit gleichzeitig „Verkorperung einer miiden
Tradition" (Best 379). Sie repasentiert die verfallende adelige Schicht, die
„der Verfiihrung durch die Barberei" (Best 379), dem Diener, erlegen ist.
Der dritte Charakter, der im Rahmen der Allegorie und der
Geschichte eine Rolle spielt, ist der Erzahler Michael Vierkant. Er
reprasentiert als Kiinstler auf der einen Seite den Schriftsteller selber,
Leonhard Frank.4 In Michaels Rolle als der Josepha verehrende
Beobachter — und am Ende Beschiitzer — lasst sich Frank selber erkennen.
Er ist der Kiinstler, der Deutschlands Werden und Vergehen beobachtet
und selber darunter leidet, nicht zuletzt, weil er sein Heimatland liebt.
Gleichzeitig verkorpert Michael den Kiinstler allgemein, der aus der Feme
148
-dem Exil — beobachtet und leidet. Michael ist der Kiinstler, der zur Situ-
ation Deutschlands Stellung nehmen will und fur das ,gute' Deutschland
eintritt. AuBerdem konnte er Josepha vor dem Verfall retten und damit
auch eine Gegenlosung zum Verfall der Tradition anbieten. Frank stellt
hier die Kunst als Retterin Deutschlands dar. die den „Anschluss an den
Strom der Geschichte" (Best 379) wieder herstellen konnte. Doch sind es
nicht nur die auBeren Elemente der Allegoric die sich so klar entschliisseln
lassen. Vor allem die innere Struktur der Geschichte veranschaulicht die
Totalitat in Franks Novelle.
Organisiert man den Roman erst einmal nach allegorischen
Gesichtspunkten, fligt sich schnell eins zum andern. So lasst sich Josepha
bis in ihre innerste Struktur leicht aufschliisseln. Sie lebt allein und
unverheiratet auf dem alten Schloss ihrer Familie, was in einer gewissen
Unerfahrenheit und Naivitat resultiert. Nicht nur in ihrem Verhalten
gegenuber des Dieners, der die Rolle des diabolischen Verfuhrers einnimmt.
zeigt sich ihre Unschuld, sondern besonders, in dem Augenblick als sie
auf eine ihr in Unschuld verwandte Seele trifft, den Erzahler Michael
Vierkant, wird dem Leser ihre Reinheit vor Augen gefi'thrt: „[...] ihre und
seine Unerfahrenheit und Unschuld" hatten „als blinder Engel trennend
zwischen ihnen gestanden" (47). Michael ist zum einen das Spiegelbild
ihrer Unschuld, der vor der Verfiihrung gefeit ist, und zum anderen aber
der potentielle Erloser. Allerdings ist schon zu spat, als sie dies erkennt.
Das Netz des Bosen ist schon zu eng um sie gespannt und die Reinheit
ihrer beider Unschuld kommt gegen die Starke des Triebes des Bosen
nicht an „und so gab es zu Michael [...] keinen Weg fur Josepha" (65).
Darin stellt Frank die erlosende Kraft der Kunst dar, oder zumindest doch
die Moglichkeit zur Erlosung. Nach seiner Auffassung hatte die Kunst
Deutschland erretten konnen, hatte Deutschland sich retten lassen.
Es wird fiir Josepha immer schwieriger sich der langsam
aufbauenden Spannung zu entziehen und so gibt sie, erst unbewusst
dann bewusst, nach, wahrend sie gleichzeitig bemiiht ist sich zu (er)losen.
In der ersten Verfuhrungsszene zu Beginn des Buches hilft der Diener
Josepha vom Pferd und seine Geste „kam einer Umarmung nahe" (15),
„[a]ber er beobachtete instinktsicher die Grenze so scharf, dass die
Unerfahrene noch glauben konnte, die intime Beruhrung sei durch den
Bewegungsvorgang bedingt" (15). Gleichzeitig lasst er eine zweideutige
Bemerkung iiber die weibliche Anatomie fallen. Josepha ist durch dieses
Ereignis sowohl peinlich beriihrt als auch zutiefst beunruhigt. In ihrer
Hilflosigkeit schickt sie den Diener allein zum Schloss zuriick, da sie seine
Anwesenheit nicht langer ertragen kann. In der Tat war jedoch sein
Vorrausschicken Sieg genug fur den Diener „Sie schamt sich, mir unter die
Augen zu treten" (17). Obwohl unerfahren beginnt aufgrund dieser Szene
149
ein Gefuhl von Unsicherheit, gar Unterlegenheit, gepaart mit einer langsam
aufsteigenden sexuellen Lust in ihr zu entstehen. Dass sich dies erst
unbewusst in ihrem Innern vollzieht machen verschiedene Geschehnisse
deutlich. Als sie am nachsten Morgen aufwacht zieht sie sich, bevor der
Diener ihr Schlafzimmer betritt urn ihr das Friihstiick zu bringen, ein Jackchen
iiber die Schultern, um jegliche korperliche Blossstellung zu vermeiden
(24). Im Nachhinein ist sie sich aber bewusst, dass sie damit Empfindungen
von ihrer Seite zugibt. Nachdem er das Zimmer verlassen hat, schlaft sie
noch einmal ein und traumt in fast surrealen und aggressiven Bildern von
der Verfiihrung durch den Diener (26, 27). Diese expliziten
Vergewaltigungsphantasien bleiben ihr aber noch verborgen „Den Schluss
des Traumes wuBte sie nicht" (28). Entschliisselt man an dieser Stelle die
Allegorie, wird deutlich, dass Frank Deutschland sowohl fur unschuldig
und daraus folgernd auch fur ahnungslos halten muss. Die Unschuld ist
sich ihrer dunklen Phantasien, die auBerdem durch ein auBeres Ereignis
initiert worden waren — noch — nicht bewusst. Indem Frank sich einer
Frau als Allegorie fur das verfiihrte Deutschland bedient, legt er ein ganz
spezifisches Machtverhaltnis von vorneherein fest, das seine
entscheidende Entwicklung im Verhaltnis der Geschlechter und nicht der
sozialen Klasse erfahrt. Damit erhalt Franks allegorische Novelle in an sich
schon statisches Geriist. Die konventionelle Leseart der Frau als
(unschuldiges) Opfer, verhartet die traditionelle Machtverheilung der
Geschlechter, in der die Frau dem Mann unterliegt. Dieses Missverhaltnis
wird in Franks Konstellation noch verstarkt, da der Mann einer niedrigeren
sozialen Gruppe angehort als die Frau: Geschlecht ubertrifft Klasse.
Allerdings setzt der Geschlechterkampf offensichtlich nicht nur den
Klassenkampf auBer Kraft, sondern, als Allegorie, wie Frank sie konstruiert,
bildet die sexuelle Spannung zwischen den Geschlechtern in ihren
divergierenden Ausformungen (siehe Diener und, als Gegenpol, die
(unschuldige) Verehrung des Kiinstlers fur Josepha) gleichzeitig die innere
Struktur der Allegorie. Und zwar eine in sich geschlossene Struktur, die
eine eigene Totalitat erschafft, in der sowohl Verganglichkeit als auch
Erlosung mogliche Losungen zu sein scheinen.
Nach einer Zeit der Vorsicht, in der der Diener keinerlei weiteren
VorstoBe wagt, gewinnt Josepha eine gewisse Sicherheit zuriick und zieht
endlich ihr Jackchen nicht mehr iiber, wenn der Diener ihr Zimmer betritt.
Dies nimmt wiederum der Diener zum Anlass eine „Atmosphare" zu
erzeugen, „die unbemerkbar einschleicht und den Unerfahrenen allmahlich
vergiftet" (52). Josepha hat einen weiteren sexuellen Traum iiber den
Diener und erwacht mit der Erkenntnis, dass das Bose, fur sie in Form des
Sexus, beginnt, Macht iiber sie zu gewinnen. Jedoch ist es schon zu spat
und sie kann nicht anders, als sich dem Verlangen hinzugeben (53, 58).
150
Diese Erkenntnis erschrickt sie und erfullt sie mit tiefster Abscheu gegen
sich selbst und so versucht sie sich Erleichterung, und letztenendes
Erlosung, auf andere Art zu verschaffen. In einem ersten Versuch will sie
sich durch die Veranderung und Verschonerung ihrer direkten Umgebung
beruhigen. „Sauber! Ja, das will ich tun. Griindlich sauber! Das ganze
Haus! Andere Luft! Dann wird alles anders sein" (60). Sie hofTt durch die
Reinigung der Wohnung sich selbst zu reinigen und den bosen Geistern
ihrer eigenen Lust als auch der Bedrohung, die die Gegenwart des Dieners
fur sie darstellt, zu entfliehen.
Diese Phase des anfanglich unbewusst verflihrt vverdens bis hin
zum ersten Erkennen kann mit bestimmten Phasen der Machtergreifung
Hitlers verglichen werden. Zu Beginn der zvvanziger Jahre war Hitler mit
seinem Gefolge im Rahmen eines Putsches in Miinchen schon einmal in
der Offentlichkeit in Erscheinung getreten, aber die meisten Deutschen
hatten die Gefahr zu jenem Zeitpunkt, die von den Nazis ausging, noch
nicht voll erfasst. Liest man diese Tatsache mit Franks Augen, war ein
Gefiihl fur die Gefahr zu diesem Zeitpunkt schon unbewusst vorhanden,
aber eben noch nicht offensichtlich genug, urn das Ruder der Geschichte
schon herumzureissen. Erst zu Beginn der dreifiiger Jahre, als die Truppen
Hitlers, die SS vor allem, starker ins Bild der Offentlickeit riickte und stetig
mehr Anhanger fand, waren manche in der Lage die herannahende Gefahr
zu erkennen — doch war es da schon zu spat. Genau wie es zum Zeitpunkt
der Erkenntnis eigentlich schon zu spat fur Josepha ist. sich mit aller Kraft
und erfolgreich gegen die Verfuhrung ihrer Sinne durch das Bose zur
Wehr zu setzen.
Otto F. Best gibt in seinem Artikel zu Leonhard Frank eine
schliissige Erklarung, wanim es Josepha nach iiberschreiten einer gewissen
Schwelle unmoglich war den Diener und ihre dunkle Seite zu bekampfen.
Er spricht von der „Todesehnsuchf (Best 379) Josephas, die „keinen
Ausgleich im tatig- „ zivilisatorischen" Leben fand" (Best 379) und zum
Verfall fiihren muss. Ich stimme mit Best uberein, dass Josephas
Machtlosigkeit sich unter anderem aus ihrer Todesehnsucht erklaren lasst,
aber ihr Verhalten und quasi Schuldeingestandnis aufgrund ihrer
Selbsterlosungsversuche lasst auch eine andere Deutung zu. Sie offenbart
darin eine dunkle Seite neben ihrer Unschuld und die Frage schlieBt sich
an, ob der Autor damit, wenn auch vielleicht unbeabsichtigt, Josepha
mehr Schuldfahigkeit zuspricht als es auf den ersten Blick scheint. Indem
sie eine dunkle Seite preisgibt, verliert sie ihre Unschuld, Reinheit und
Naivitat. Frank offenbart in Josepha die typisch konventionellen Qualitaten
des Weiblichen, die besonders effektvoll im Rahmen der Allegorie zum
Ausdruck kommen. Wo auf der einen Seite, wie oben schon erwahnt, die
Frau als Opfer traditionell die schwachere Position im Machtverhaltnis
15:
zwischen Mann und Frau — unabhangig von Klasse und Stand — einnimmt,
offenbart die Blobegung der dunklen Seiten ihre Rolle als potentielle
Bedrohung. Bedrohlich ist die Frau, vor allem aber ihre Sexualitat, sowohl
fiir traditionelle patriarchalische Strukturen als auch fiir den
modernistischen Kiinsztler. Ersteres wird von Frank unter anderem in der
Tatsache angedeutet, dass Josepha die einzige Oberlebende ihrer Familie —
sie ist Teil einer versinkenden Klasse. Jedoch selbst fiir den
modernistischen Kunstler Vierkant, der Rettung versprechen konnte, ist
sie nur wirklich annehmbar in ihrer Todesgeweihtheit: Als er sie skizziert
entdeckt er ihre „Tragodie — den Gesichtsausdruck einer zerstorten Frau
mit der Stirn eines unerfahrenen Madchens, das fragend ins Leben blickt"
(133f)- Erst als Opfer in ihrer zerstorten Sexualitat ist die Frau keine
Bedrohung mehr und in der Lage die Erlosung durch die Kunst zu
empfangen.
Jedoch ist letzlich in Franks Sicht das gute Deutschland das
unschuldig iiberfallene, daher wehrlose Opfer des monstrosen,
vergewaltigenden bosen Deutschlands. Die Teile werden von ihm in zwei
verschiedenen Personen dargestellt, um die Trennung, Spaltung zwischen
dem guten und bosen Land hervorzuheben. Einzig die Tatsache, dass
sich in Josepha dunkle Seiten auftun, wenn sie von ihren Trieben bestimmt
wird, bis hin zum utlimativen Todeswunsch, lieBe eine Deutung zu, in der
Deutschland, wenn nicht Schuld so doch Verantwortung zugesprochen
werden konnte. Indes verhindert der Autor eine solche Deutung, indem er
aus Josephas UnterbewuBtsein das unschuldige Madchen hervortreten
lasst und damit kurz vor ihrer absoluten Zerstorung ihre Unschuld
beschwort. Sagt doch die Reine deutlich „Mich!" und macht so deutlich,
dass sie diejenige ist, die geschandet wurde. Zwar wirft sie Josepha
Passivitat vor („Du hast mich von ihm schanden lassen"), aber durch
ihren Tod wird Josepha von diesem Vorwurf wieder befreit. Sie stirbt, d.h.
sie opfert sich, um das Bose iiberwinden zu konnen. Ihre Unschuld,
Unerfahrenheit und Naivitat kann ihr so hochstens noch als Fehler, aber
auf keinen Fall als Schlechtigkeit ausgelegt werden. Ihre Schuldlosigkeit,
und damit die Schuldlosigkeit Deutschlands, wird bewahrt. Auf die
Parallele zu Deutschland iibertragen wurde das heiben, dass Deutschland
zum Einen zum Schuldeingestandnis nicht nur — in den Augen des
Autors — fahig sein sollte, sondern auch fahig ist. Weil Josepha in sich
selbst eine dunkle Seite tragt, verliert sie zwar ihre absolute Unschuld.
Jedoch scheint sie auch zur Selbsterkenntnis fahig. Diese Dialektik von
Gut und Bose mochte der Autor auch auf Deutschland iibertragen wissen.
Da Josephas sexuelles Verlangen von auben angefacht wird — durch den
diabolischen Diener — findet sich zwar sowohl das Gute wie das Bose in
ihrer Person wieder, jedoch bleibt ein Mindestmass an Unschuld vorhanden:
152
ihre dunkle Seite, d.h. ihre Sexualitat wird nicht von ihr gesteuert. Damit
kulminiert die Dialektik des Autors von Gut und Bose letztenendes in
unwiderruflichem Schicksal: Josepha ist unschuldig, weil sie nicht anders
konnte. Schlussendlich muss das fur Deutschland heissen, dass es als der
lustvolle Trieb einmal geweckt war, sich seinem Schicksal nicht mehr aus
eigener Kraft entziehen konnte.
Josepha sucht mit fortschreitender Gefahr sich von den Damonen
zu befreien. Sie versucht dies durch verschiedene Methoden zu erreichen.
Einmal greift sie zur Reitpeitsche und geiBelt sich selbst, „bis das Blut
hinunter rann zu den Kniekehlen und das Zimmer und alles in Schwarz
verging" (76). Aber auch dies bringt ihr nur vorriibergehende Erleichterung.
Danach kehren die Damonen ihrer Lust und die Traume und Visionen
starker zuriick als zuvor. Josepha ist „vergiftet und in einem Kampf ' aus
dem noch nicht einmal die reine Verehrung Michaels sie erretten kann (80).
Denn obwohl sie erst spurt, und dann sogar erkennt (79), dass Michael sie
liebt, und zwar auf die reine Art und Weise, wie sie zwolf Jahre zuvor einen
Englander geliebt hatte, ist sie nicht in der Lage, dieser Liebe den Sieg
fiber die Lust zuzusprechen. Sogar als beide eine Zeit allein fur sich haben,
als Michael sie portratiert, ist sie nicht in der Lage ihn urn Hilfe zu bitten.
Nichtsdestotrotz lasst sie fur einen Moment unbewusst ihre Maske fallen
und offenbart in ihrem schlafenden Gesicht ihre „Tragodie — den
Gesichtsausdruck einer zerstorten Frau mit der Stirn eines unerfahrenen
jungen Madchens, das fragend ins Leben blickt" ( 1 34). Da sie sich aber
gleich nach dem Erwachen wieder verschlieBt, ist es dem jungen Kiinstler
unmoglich auf sie zuzugehen. Darin wird das Dilemma veranschaulicht, in
dem der Kiinstler Frank Deutschland sieht, denn „[s]ie, [...], Verkorperung
einer miiden Tradition, hatte in der Verbindung mit dem jungen
lebenszugewandten (Kiinstler-)Arbeiter wieder Anschluss an das Leben,
den Strom der Geschichte gewonnen, Erneuerung und Ausgeleich ihrer
Zerrissenheit erreichf (Best 379). 5
Frank sieht sich darin selber in der Rolle des Kiinstlers, der das
reaktionare Deutschland, das zu seiner Zeit in den Klauen Nazideutschlands
gefangen ist, durch die Kunst, die Moderne, hatte befreit werden konnen.
Damit wendet sich Frank auch und vor allem an seine Kollegen — und
nicht nur jene im (gemeinsamen) Exil — und bietet quasi die Moderne als
Heilmittel gegen den Verfall an. Dies ist jedoch genau das Problem, dem
sich die meisten seiner Kollegen gegeniiber gestellt sahen. War die
Moderne nicht vielleicht mitschuldig am Verfall Deutschlands? Was ist
die Verantwortung des Kiinstlers? Frank gibt hier eine — vielleicht allzu —
einfache Losung, wenn er den Kiinstler als den missachteten Retter
erscheinen und die Auseinandersetzung vermissen lasst, die Mann anhand
der Figur des Kiinstlers Leverkiihn verdeutlicht. Fur Frank liegt das
53
Damonische damit, wenn iiberhaupt, auBerhalb des Einflussbereichs des
Kiinstlers — dem guten Deutschen — aber im Bereich der herrschenden
Oberschicht, wo die Reaktion und das Biirgerliche von jeher Ziele von
Anfeidungen waren und nun durch ihre Anfalligkeit gegeniiber dem
Nationalsoialismus diese Einschatzungen rechtfertigte.
Kurz nach der Begegnung mit dem Kunstler, der ihr, wie Josepha
selber bestiirzt erkennt, die „Wahrheit" vor Augen fiihrt ( 1 34) vollzieht sie
den letzten Schritt, der sie in den Tod fuhren wird. Zwar versucht sie noch
einmal aus dem vorgezeichneten Schicksalslauf auszubrechen, indem sie
ihren Onkel zu sich aufs Schloss bittet. Jedoch hatte „Josepha [...] die
Hoffnung, das notige Verstandnis bei ihm zu finden, schon aufgegeben"
( 1 38). Die Situation wird fur sie unertraglich, die Gegenwart und die damit
verbundene damonische Verfiihrung ist fur Josepha nicht mehr
auszuhalten, sie „resigniert, als konnte sie dem Unvermeidlichen nicht
mehr entgehen" (142). An diesem Punkt schon spurt sie, dass „sie sich
ihm uberlasse, [...], weil sie den Tod suche" (143). Sexuelle Hingabe ist fur
sie jetzt gleich mit dem Tod (143). Sie geht schlieBlich und offnet dem
Todbringenden die Tiir. Der sexuelle Akt gerat zur Vergewaltigung, zum
sich ausfiihrenden Todesurteil — es bleibt ihr nur noch dieser Weg in den
Tod. Danach stimmen ihr Inneres und ihre auBere Erscheinung wieder
iiberein „sie sah aus wie eine Tote" (145). Dies wiederholt sich in den
folgenden Nachten und nachdem er sie auch wahrend des Tages, auf
einem Ausritt, vergewaltigt — so wie sie es selber getraumt hatte ( 1 59) —
setzt sie Allem ein Ende. Sie hat vorher noch eine Vision von sich selber
als sechzehnjahrigem, unschuldigem Madchen, dass sie anklagt, Josepha
habe sie, die Reine, schanden lassen (161). Sie schreibt einen Brief, der
alles erklaren soil und legt ihr Tagebuch, in dem sie alle Ereignisse und
Gefiihle niedergeschrieben hat, dazu. Als der Diener, seit der
Vergewaltigung nur noch als „Er" bezeichnet, in ihr Schlafzimmer kommt
und sich entkleidet hat, erschieBt sie erst ihn und dann sich selbst. Michael
findet die beiden Toten am nachsten Morgen so, wie es sein Bild vierzig
Jahre spater wiedergibt. Er findet auch den Brief und das Tagebuch und
beschlieBt beides vor der Offentlichkeit versteckt zu halten. Und zwar bis
zu dem Tag, an dem er sich entschlieBt das Bild zu malen und damit der
Offentlichkeit Josephas Geschichte preiszugeben.
In der Tat schafft es Leonhard Frank mittels der Vision von der
reinen und jungen Josepha die Heldin in zwei Teile zerfallen zu lassen.
Den reinen, unschuldigen und den schlechten, dunklen Teil, der sich hat
schanden lassen. Er deutet seine Allegorie in der Hinsicht, dass es ein
gutes und reines Deutschland gibt, das durch das Bose erst verfiihrt und
dann geschandet wurde. Aufgrund der Vergiftung, „vergiftet und in einem
Kampf ' (80), die sich in dem unschuldigen Land einnistet, ist die finale
154
Oberwaltigung durch das Bose moglich, und wird sogar von dem Opfer
selber vorbereitet, indem es dem Zerstorer Tiir und Tor offnet. Dies geschah
in Deutschland zum einen durch die Wahlen, die Hitler quasi eine legitime
Grundlage gaben und zum anderen mit Hilfe Hindenburgs, der ihn zum
Kanzler berief.
Das Problem, das sich an dieser Stelle ergibt liegt darin, dass,
obwohl uns eine gute und eine schlechte Josepha vorgestellt werden,6 es
sich doch letztendes um eine und dieselbe Person handelt. So wie sie
schon zuvor in Traumen, also auf unbewusster Ebene, das Schlechte in
sich sptiren konnte, so tritt ihr die Vision der reinen und noch
ungeschandeten Josepha auch aus dem Unterbewussten entgegen
„Erlebnisse [...], Erinnerungen [...], tauchten auf und versanken wieder"
( 1 60). Das Bose an sich, die Gefahr und Verfuhrung verkorpert der Diener
und bildet damit einen deutlichen Gegensatz zu Josepha.
Der Diener als sexueller Aggressor reprasentiert das Bose. Seine
manipulative Art, die Unerfahrenheit Josephas auszunutzen, lasst ihm
keinen Spielraum fur sympahtische Ztige „Sie muB nur tropfenweise
vergiftet werden, allmahlich, verstehst du, so vorsichtig, daB sie es erst
bemerkt, wenn sie schon vergiftet ist. Dann kann's losgehen" (28). Er
plant die Zerstorung, wenn auch nichts iiber seine Motive gesagt wird.
Am Ende ist er bereit und erwartet Josephas kapitulierende Geste, die ihn
in ihr Schlafzimmer einlasst. Von da an bemiiht er sich nicht mehr sein
Verhalten zu verschleiern und iibernimmt die Fuhrung iiber die seelisch
zerstorte Baroness. Der Diener verkorpert das Schlechte, das iiber
Deutschland kam in der Form von Hitler und den Nationalsozialisten. Die
Art seiner Machtiibernahme spiegelt die Machtergreifung durch die Nazis
wieder, die halb legitim, halb erzwungen war. Auf alle Falle aber ohne
nennenswerte. oder gar effektvolle, Gegenwehr stattfand.
So weit, so gut und vor alien Dingen glatt. In Franks Allegorie
scheint sich Benjamins Beobachtung zu bewarheiten, dass sie „Ausdruck
der Konvention" ist (Benjamin 194). So eindeutig seine Geschichte als
Allegorie zu lesen ist und sich dem Leser in ihrer Deutung offenbart, so
sehr erscheint sie gerade deshalb problematisch, nicht zuletzt auch
aufgrund des Blickwinkels aus dem Exil.
In seiner Abhandlung Urspmng des deutschen Trauerspiels
spricht Benjamin von der Antinomie der Allegorie und erlautert,
„Verganglichkeit ist in ihr nicht sowohl bedeutet, allegorisch dargestellt,
denn, selbst bedeutend, dargeboten als Allegorie. Als die Alegorie der
Auferstehung." (Benjamin 263). Bahr fiihrt in seinem Artikel aus, dass
„[d]iese Dialektik des Nihilismus [...] Hoffnung auf Auferstehung
versprichr (422). So hat das Thomas Mann dann auch, wie schon Eingangs
erwahnt, fur seinen Leverkuhn umgesetzt. Der dem Satan geweihte
155
Kiinstler schafft mit „Dr. Fausti Weheklage" sein perfektes Werk, das von
Trauer gezeichnet ist. Und zwar einer Trauer iiber die Verganglichkeit der
Welt. Darauf weist sogar Mann selber hin, wenn er von seinem Bitch als
einem „tief traurige[n] Bitch" (Bahr 425) spricht. Trauer ist fur Benjamin
„der Hang zur Sprachlosigkeit" (Trauerspiel 254) und dies bedeutet am
Ende so viel mehr als nicht benannt zu sein „sondern nur gelesen, unsicher
durch den Allegoriker gelesen und hochbedeutend nur durch inn geworden
zu sein" (Trauerspiel 254). Im Gegensatz dazu bezeichnet Benjamin den
Zustand als paradiesisch, in dem Name und Sache identisch sind. Diese
Einheit geht aber in der Geschichte, die eine Geschichte des Verfalls ist,
verloren. Was bleibt ist die dialektische Spannung zwischen Verganglichkeit
und Auferstehung, Todesverfallenheit und Ewigkeit, von Fragment und
Totalitat. Es ist dann auch die Thematik der — scheinbaren — Totalitat, die
die Allegorie nach Nachsicht Benjamins problematisiert, und wodurch sie
sich vom klassizistischen Symbolverstandnis abhebt. Indem die
dialektische Spannung von Verganglichkeit und Ewigkeit gleichermaben
thematisiert wird, muss sie gebrochen und bruchstiickhaft bleiben, wahrend
sie aber gleichzeitig auf ihre eigene Vollendung hinweist. Dies geschieht
zum Beispiel auf sprachlicher Ebene, wenn die Allegorie durch den Akt
des Oberbenennens ihrer Elemente den Vorgang des Siindenfalls
wiederholt. Als scheinbares erkennendes Subjekt kann die Allegorie (oder
ihr Alitor) jedem einen Namen geben, verfehlt aber trotzdem die absolute
Einheit von Ding und Sprache (oder Einheit des Seins). Die letztendliche
echte Synthese ist dann also nur moglich im so genannten heils-
geschichtlichen und damit, erlosenden Einbruch, der wiederum die
Oberbenennung iiberflitssig macht. Das heibt, die Abstraktion des
allegorischen Benennens witrde aufgehoben. Da jedoch, solange die
Allegorie besteht, diese Erlosung nicht stattfinden kann, bleibt die Trauer
iiber Verganglichkeit ein wesentlicher Bestandteil der Allegorie, die
zwangslaufig nur eine Ruine ihres totalen Potentials darstellen kann.
Die Trauer ftndet ihren Ausdruck in der Allegorie selber, die die
Trauer iiber die Geschichte und „die Verstrickung des Menschen in die
Verfallsgeschichte des 1 7. Jahrhunderts" (Bahr 424) verdeutlicht. Fur Ben-
jamin stellte die zeitgenossische Geschichte einen ahnlichen Verfall dar,
wie zur Zeit des DreiBigjahrigen Krieges. Bei Mann spiegelt nicht nur die
Allegorie diese Trauer in der Figur des Adrian Leverkiihn, aber innerhalb
der Geschichte ist es das Musikstuck, welches ohne Sprache jene Trauer
ausdruckt. Jedoch glimmt darin, in Benjamins Auffassung und in Manns
Roman, die Hoffhung. Fur Benjamin, fur den die Allegorie „eine Machtigkeit
gewinn[t], die den profanen Dingen inkomensurabel sie erscheinen lasst
und sie in eine hohere Ebene hebt, ja heiligen kann" (Trauerspiel 193) liegt
die Dialektik, wie schon erwahnt genau in dieser Hoffnung begriindet.
156
„A11 das zerstiebt mit jenem einem Umschwung, in dem die allegorische
Versenkung die letzte Phantasmagoric des Objektiven raumen mufi und,
ganzlich auf sich selbst gestellt. nicht mehr spielerisch in erdhafter Dingwelt,
sondern ernsthaft unterm Himmel sich wiederfindet" (Trauerspiel 264).
Mann lasst seinen Doktor Faust im letzten Ton der Weheklage zu eben
jener Hoffhung finden, die iiber den Verfall hinaus, und durch ihn hindurch
im Nietzschen Sinne, in die Zukunft weist.7 Wo Manns Roman sich
aufgrund der Dialektik der Allegoric sich einer letzendlichen und starren
allegorischen Deutung widersetzt und damit Benjamins Annahme umsetzt,
dass „[j]ede Person, jedwedes Ding, jedes Verhaltnis [...] ein beliebiges
anderes bedeuten [kann]" (Benjamin 1 93), spricht aus Franks allegorischem
Roman der Ausdruck der Konvention. Bei Frank muss jedes Ding eine
festgesetzte Bedeutung haben, urn die von ihm gewiinschte Deutung zu
ermoglichen. Damit versucht Frank die verlorene Einheit von Name und
Sache auf symbolhafte Art wiederherzustellen. Jedoch schafft er damit
gleichzeitig eine in sich geschlosseneTotalitat, die die Spannung zwischen
Ewigkeit und Verganglichkeit nicht in einem heilsgeschichtlichen Aufbruch
zu losen vermag.
Damit lasst auch die Einteilung der allegorischen Charaktere in
Gut und Bose und damit die Aufteilung in zwei verschiedene Deutschland
laBt keinen wirklichen Spielraum fur eine Dialektik von Gut und Bose. Es
handelt sich vielmehr um eine Dichotomic die keinen Raum fur Bewegung
oder Entwicklung erlaubt, ganz im Gegensatz zu Mann, der das Bose in
Leverkuhns Charakter von friih an anlegt, insbesondere Adrians
hochmiitiges Lachen. Besonders deutlich wird dieser Zwiespalt in der
Szene des Teufelspaktes, wenn Adrian das Bose als Vision gegeniibertritt,
es aber schlussendlich aus ihm selber erwachsen ist. Trotz, oder gerade
wegen des Umschwungs ihrer Figur von der Frau als Bedrohung zur Frau
als Opfer, bleibt Josephas Unschuld im Grunde bestehen. Frank gelingt es
am Ende nicht, seine Allegorie iiber die „erdhafte Dingwelt" (Benjamin
264) zu erheben, da er an den Dingen zum Zwecke ihrer Deutung festhalten
muss. Seine Allegorie ist nicht „Ruine" (Benjamin 198), wie sie sein sollte,
um auf die iiber sich selbst auf die Hoffnung hinweisen zu konnen. Ganz
anders bei Mann. Ihm gelingt es seinen Roman einer eindeutigen
allegorischen Deutung zu entziehen und die Allegorie somit zur Ruine
werden zu lassen. Eine Ruine, die fur das Nichtendende steht und auf eine
Hoffnung verweist. „Durch seine allegorische Gestalt verrat das
schlechthin Bose", in der Gestalt des zerrissenen Doktor Faustus, „sich
als subjektives Phanomen." (Benjamin 265). Indem Frank das Bose auf die
Gestalt des Dieners und seine Tat festlegt, erschwert er diese
Subjektivierung und lauft Gefahr das Bose als objektives Erlebnis Josephas
erscheinen zu lassen. Daraus wiirde das Bose in Deutschland als objektive
157
Erfahrung herauszulesen sein. Das dies sicher nicht in der Absicht Franks
lag, ist anzunehmen. Dennoch hat er damit, wenn vielleicht auch
unbewusst, seine Antwort auf die Frage der Krise des Modernismus
gefunden. In seinen Augen ist die Kunst die einzig wahre — und sogar
einzig unschuldige — Retterin Deutschlands, wenn sie nur eher eingegriffen
hatte. Der Rahmen der Novelle, Vierkants Bild, belegt, dass letztendlich
tatsachlich nur die Kunst die starre Dichotomie zwischen Gut und Bose
aufheben konnte. Denn in Vierkants Gemalde ist die erlosende hohere
Macht, die in der Allegorie nur angedeutet iiber sie hinausweist, ein
wesentlicher Bestandteil der Erzahlung geworden. Indem so die Totalitat
abgeschlossen wird, eriibrigt sich die Form der Allegorie. Der Kiinstler
hatte nicht nur, er hat die gute und reine Germania geliebt.
Endnotes
1 Die Angaben zum Forschungsstand entnehme ich samtlich aus Christian
Schmeling, Leonhard Frank und die Weimarer Zeit. Europaische
Hochschulschriften: Reihe 1 . Deutsche Sprache und Literatur 1 122 (Frank-
furt/Main: Peter Lang, 1989).
: Siehe dazu insbesondere Erhard Bahrs hervorragende und detaillierte
Ausfuhrungen in seinem Artikel „Dialektik des Nihilismus. Thomas Manns
Benjamin-Lektiire und der Doktor Faj/sft/s-Roman." Crisis and Culture
in Post-Enlightenment Germany: Essays in Honor of Peter Heller. Ed.
Hans Schulte and David Richards (Lanham, MD: University Press of
America, 1993).
3 Im Folgenden wird nach der Miinchner Ausgabe von 1954 zitiert.
4 Leonhard Frank erscheint in verschiedenen seiner Werke unter dem Namen
Michael Vierkant. Otto F. Best. „Leonhard Frank," Deutsche Exiliteratur
seit 1933. Kalifornien. Vol. 2. Ed. John Spalek and Joseph Strelka. (Bern:
FranckeVerlag, 1976)379.
5 Best sieht darin vor allem die politische Botschaft Franks, die darin das
Problem Deutschlands als ein Problem des Klassenkampfes deutet. Diese
Sicht ist auf alle Falle kongruent mit Frank fruheren Werken, die sich in der
Hauptsache sozialen Themenstellungen zuwenden. Diese Deutung
158
bekraftigt meine These, dass Franks Roman im Ganzen eine Allegorie auf
Deutschland ist, wenn er sogar auf linkspolitische Fragen eingeht.
6 Wenn auch nicht wirklich schlecht, da sie von auBen unter Gewalt-
einwirkung geschandet — verschlechtert — wurde.
7Bahr hat diese Deutung ausfuhrlich und schliissig dargelegt und darauf
stiitze ich mich hier.
Works Cited
Bahr, Erhard. „Dialektik des Nihilismus. Thomas Manns Benjamin-Lektiire
und der Doktor Faustus-Roman." Crisis and Culture in Post-
Enlightenment Germany: Essays in Honor of Peter Heller Ed.
Hans Schulte and David Richards. Lanham, MD: University Press
of America, 1993.
Benjamin, Walter. Urspntng des Deutschen Trauerspiels. Frankfurt/Main:
Suhrkamp, 1963.
Best, Otto F „Leonhard Frank." Deutsche Exiliteratur seit 1933.
Kalifornien. Vol. 2. Ed. John Spalek and Joseph Strelka. Bern:
Francke Verlag, 1976.
Frank, Leonhard. Deutsche Novelle. Munich: Nymphenburger
Verlagshandlung, 1954.
Glaubrecht, Martin. Studien zum Friihwerk Leonhard Franks. Bonn: H.
Bouvieru. Co., 1965.
Mann, Thomas. Doktor Faustus. Stockholmer Gesamtausgabe. Die Werke
von Thomas Mann. Vol. 2. Oldenburg: S. Fischer Verlag, 1 967.
— . Die Entstehung des Doktor Faustus. Stockholmer Geamtausgabe. Die
Werke von Thomas Mann. Vol. 2. Oldenburg: S. Fischer Verlag,
1966.
Schmeling, Christian. Leonhard Frank und die WeimarerZeit. Europaische
Hochschulschriften: Reihe 1, Deutsche Sprache und Literatur
1 122. Frankfurt/Main: Peter Lang, 1989.
159
Macht und „Ohn"-Macht der Konigin von
Spanien in Friedrich Schillers dramatischem
Gedicht Don Carlos, Infant von Spanien
Tin Wegel
Von Friedrich Schiller im Personenregister zu seinem dramatischen
Gedicht Don Carlos, Infant von Spanien folgerichtig mit der zweiten Posi-
tion bedacht, soil Elisabeth, Gemahlin Philipps II., Konig von Spanien, in
der hier vorliegenden Interpretation des Werkes den ersten Rang
einnehmen. Anhand ihrer Person werden in diesem Aufsatz die
Machtverhaltnisse am spanischen Hof Konig Philipps 11.(1527-1 598) mit
Bezug auf Elisabeth selbst zergliedert, d.h. die Macht und letztendlich
unvermeidliche „Ohn"-Macht
Elisabeth wird sich einer detaillierten Untersuchung unterworfen
sehen. Denn wie sich im Laufe dieses Aufsatzes zeigen wird, bleibt
Elisabeths willenstarker Charakter immer relativ zu dem des Konigs, weil er
wie kein anderer vor ihm iiber Hof und Gesellschaft absolut und eisern
regiert im Zeichen religioser Homogenitat mit Unterstutzung der Inquisi-
tion. Letztendlich wird zu sehen sein, dass nicht nur Elisabeth machtlos
gegeniiber ihrem Ehemann ist, sondern dass auch Philipp dem Inquisitor
nicht viel zu entgegen setzen mag. In der einzig relativen Macht der Konigin
mag der Grund liegen, dass sich die ansonsten reichhaltige Don Carlos-
Sekundarliteratur zumeist nur peripher, fast sporadisch mit der Rolle
Elisabeths im Machtkampf der spanischen Manner am Konigshof urn
Gewissensfreiheit, Vorrecht, Ehre, Freundschaft und Gunst des Konigs
auseinandersetzt. Doch gerade Elisabeths Person ist es, die immensen
Einfluss auf sowohl ihren Stiefsohn, den Infanten Don Carlos, als auch
den Verfechter hoherer Ideale, Marquis von Posa, ausiibt. Zum Zwecke
dieses Aufsatzes liegt der Schwerpunkt der Betrachtungen in den
Auftritten der jungen Konigin von Spanien.1 Neben den Auftritten, in
denen die Konigin korperliche Prasenz beweist, werden selbstverstandlich
AuBerungen Dritter uber die Konigin nicht auBer Acht gelassen.
Elisabeth, Konigin von Spanien und Prinzessin von Frankreich,
wird geliebt vom spanischen Kronprinzen Carlos, der diese trotz schon
bestehender Verlobung an seinen Vater Konig Philipp aus machtpolitischen
Griinden abtreten musste. Entgegen der Entlobung ist Carlos der Liebe zu
seiner jetzigen Stiefmutter nicht abtriinnig geworden, wie er dem Marquis
160
von Posa, seinem Freund und Vertrauten schon aus Kindertagen,
uberschwanglich anvertraut. „Ich liebe meine Mutter" (27 1 ),: und er gesteht
dieser in seinen jugendlichen Empfindungen, aber nicht ohne jene bittere
Erkenntnis: „Mein Anspruch stoBt fiirchterlich auf meines Vaters Rechte"
(278ff. ). Hier zunachst bloBe Erkenntnis, kehrt sich eben diese
verhangnisvolle Realitat im Verlauf des dramatischen Gedichts. Namliche
konigliche Rechte Philipps beschranken den freien Bewegungsradius
Elisabeths erheblich, wie Carlos mit Wehmut festzustellen weiB: „Sie ist
Philipps Frau / Und Konigin, und das ist spanischer Boden. / Von meines
Vaters Eifersucht bewacht, / Von Etikette ringsum eingeschlossen, / Wie
konnf ich ohne Zeugen mich ihr nahn?" (286ff.).
Ganze fiinf unvermeidliche Tatsachen nennt Carlos in dieser
kurzen Klage, von denen drei die Macht der Konigin erheblich relativieren
und eindammen. Erstens ist sie die Ehefrau eines absolutistischen
Herrschers zur Zeit der Inquisition, zweitens verhindert die bestandige
Eifersucht Philipps jedwede Annahrung Carlos' an Elisabeth und drittens —
und zum Zwecke der Argumentationslinie dieses Aufsatzes vorrangig —
unterliegt die Konigin sowohl am Hof in Madrid als auch an ihrem eigenen
in Aranjuez dem spanischen Hofzeremoniell der zweiten Halfte des 16.
Jahrhunderts, ein Hofzeremoniell, das die starkste Ausformung des
Absolutismus in Europa darstellte. Ein Entfliehen vor dem selbigen ist
nicht moglich, allenfalls voriibergehend, so dass die Konigin nach eigenen
Angaben zufolge wenigstens in dieser „einfache[n], landliche[n] Gegend"
(Biihnenanmerkung zu 1 .3) von Aranjuez wie in ihrer Welt ist (vgl. 396).
Dabei muss die Betonung auf dem Vergleichspartikel „wie" liegen, denn
an das freie Vaterland Frankreich wird Spanien fur die Konigin nie reichen
konnen. Der Trugschlussjener erhofften Idylle offenbart sich zweifelsfrei
wenige Augenblicke spater, als Elisabeth der Kontakt mit ihrer eigenen
Tochter, der dreijahrigen Infantin Clara Eugenia, mit Berufung auf das
Hofzeremoniell untersagt bleibt. Herzogin von Olivarez in ihrer Rolle als
Oberhofmeisterin der Hofhaltung Elisabeths unterliegt trotz allem nicht
dem immanenten Befehl der Konigin, sondern ist dazu veranlaBt, die
Bestimmungen Philipps auszuiiben.
Die Emporung Elisabeths ist gering angesichts dieser Zurecht-
weisung durch Olivarez, und kein Versuch erfolgt, diese Bestimmung zu
unterwandern, denn sie weiB zu genau um die Absolutheit des koniglichen
Befehls. An dieser Stelle also fiihrt Schiller die Konstruktion eines
nominellen Machtkonzepts Elisabeths im Gegensatz zur Anwendung realer
Macht Philipps ein. Obwohl die Existenz zweier Hofhaltungen — die des
Konigs in Madrid und die der Konigin in Aranjuez — keinesfalls bestritten
werden soil, miissen allerdings Zweifel an der Ebenbiirtigkeit dieser beiden
Einrichtungen gehoben werden. Diese Trennung beider Hofhaltungen
161
bestimmt sich einzig aus ihrer raumlichen Anordnung heraus, keinesfalls
bezieht sie sich auf eine Ausgeglichenheit von Macht.3 Aus diesem Gmnde
findet eine Reihe von Konflikten mit dem Hofzeremoniell statt, das zwar
strikt ist, zugleich aber Unklarheiten aufweist. Allein der Wunsch Posas
mit Briefen der „Regentin Mutter" (472) zu Elisabeth vorgelassen zu werden,
stiirzt Olivarez in einen Zwiespalt, dem sie sich durch korperliche Entfemung
entzieht. Unmissverstandlich offenbart sich in dieser Szene das
Despotische der Philipp'schen Hoffiihrung, wenn Elisabeth davon spricht,
dass sie die Vorlassung Posas auf ihre „eigene Gefahr" (479) hin wage.4
Gefahr sollte im Grunde aus so einer alltaglichen Situation nicht erwachsen,
aber urn eben diese furchtet Elisabeth.
Wahrend des Gesprachs mit Posa gelingt es der Konigin endlich,
ihren Wunsch, die Infantin zu sehen, durchzusetzen. Es scheint, als ob die
Anwesenheit Posas, den Elisabeth als Chevalier begriiBt und ihren Respekt
erweist, jene in ihrer Rolle als Landesmutter Spaniens gestarkt, ihre Angst
vor mutmafilichen Oberschreitungen des Zeremoniells geschwacht hatte.
Diese aufrechte, sich ihres Standes und ihrer Pflichten bewusste Haltung
tragt sie in die Zusammenkunft mit ihrem ehemaligen Verlobten, jetzigen
Stiefsohn, heriiber. Don Carlos, schon in den Anfangsszenen als
iiberschwanglich fuhlender, emotional geladener junger Mann eingefuhrt,
erliegt auch im Gesprach mit Elisabeth ganz dem Geftihl (vgl. 1 .5). Elisabeth
allerdings versteckt sich gleichsam hinter ihrer Rolle als Konigin und Ehefrau
Philipps. In diesem Dialog bewahrt Elisabeth noch ganz schutzende Distanz
zu den Liebesschwiiren Carlos', der seinerseits eine ganze Bandbreite von
Emotionen durchlauft, denen hier keine weiteren Ausfuhrungen zukommen
konnen.
All diese Gefuhlsoffenbarungen laufen auf die Hoffnung hinaus,
der Konigin ein Liebesgestandnis abzuzwingen. Carlos bietet seine
Unterwiirfigkeit an, er verflucht den Brautraub seines Vaters und zweifelt
schlieBlich die Rolle Elisabeths als Regentin an (690ff), da das anderenfalls
bedeute, dass sie die Unterdriickung Flanderns unterstiitze. Auf diese
Anschuldigungen nicht weiter eingehend, rafft sie sich erst angesichts
Carlos' eindeutiger Projektion seines Liebesverlangens auf sie selbst zur
Opposition auf. Elisabeth bekundet in diesem Gesprach, dass es die Pflicht
einer Mutter ist, alle anderen Gefuhle, auBer die der Muttergefuhle,
gegeniiber ihrem Sohn, abzulehnen. Damit offenbart sie ihre Tendenz zur
schonen Seele, als welche Marquis von Posa sie im 4. Akt, 21. Auftritt
(4307ff.) bezeichnet. In Schillers asthetischer Schrift OberAnmut und Wi'irde
heifit es dazu, dass „in einer schonen Seele es also [ist], wo Sinnlichkeit
und Vernunft, Pflicht und Neigung harmonieren, und Grazie ihr Ausdruck
in der Erscheinung [ist]" (322). Mit der Ehrbekundung gegeniiber ihrem
Gemahl Philipp und der Unterdriickung jeglicher sexuellen Empfindungen
162
gegen den Infanten balanciert die Konigin Pflicht und Neigung, wahrend
sie gleichzeitig Carlos zu selbigem Unterfangen anrat: „Elisabeth / War
Ihre erste Liebe. Ihre zwote / Sei Spanien! Wie gerne, guter Karl, / Will ich
der besseren Geliebten weicherT (79 1 ff.). Allerdings bracht Carlos bis zum
Schluss des Dramas, urn diesem Rat der Konigin zu folgen. Erst ausgelost
durch den Tod Posas konzentriert er seine ganzen Energien auf Spanien
und die angestrebte Rettung Flanderns, und sieht in Elisabeth nicht mehr
die verlorene Geliebte, sondern Mutter und Konigin.
Schon im nachsten Auftritt werden das Durchsetzungsvermogen
Elisabeths und ihre Standfestigkeit als Konigin in der Begegnung mit dem
Konig aufs Schwerste getestet. Philipp erteilt ihr und ihrem Hofstaat eine
Riige angesichts des verletzten Hofzeremoniells, das die bestandige
Begleitung der Konigin durch mindestens eine der zahlreichen Hofdamen
gebietet. Peter Schaublin schlieBt aus diesen Anfangsszenen, dass „auch
hier in Aranjuez alle Schritte der Konigin offentlich [bleiben]" (305). In
dieser Szene zeigt sich nun unmissverstandlich, da in direkter Konfrontation
mit Philipp, die minimale Autonomie der Konigin. In den Hofstaat der
Konigin despotisch eingreifend, verbannt Philipp die den VerstoB der
Etikette auf sich nehmende Marquisin von Mondecar vom Hof Elisabeth
hat keinerlei Mitspracherecht in dieser Konfliktlosung; ihr bleibt einzig die
versohnende Geste, mit der sie Mondecar als Zeichen ihrer Dankbarkeit
mit einem Gurtel versieht. Auch ihre indirekte Versicherung, dass ihre
Tugend sie weit mehr vor einem Fehltritt als ein Zeuge (836), fallt auf taube
Ohren.
Zu diesem Zeitpunkt scheint es noch, als ob Elisabeth den Besuch
des Infanten aktiv aus einem Schuldgefuhl heraus zu verheimlichen sucht.
Auch die rhetorisch gestellte Frage: „Gibt,s ein Gesetz in diesem Konigreich,
/ Das vor Gericht Monarchentochter fordert?" (833) mutet als eine defen-
sive Verteidigungsstrategie an, besonders im Zusammenhang mit der
Vertuschung des vorherigen Besuches. Erst um einiges spater, nachdem
der Konig den Grund fur die Verleugnung erfahren wiinscht: „Weil ich / Es
nicht gewohnt bin, Sire, in Gegenwart / Der Hoflinge, auf Delinquenten
Weise / Verhoren mich zu lassen. Wahrheit werde / Ich nie verleugnen,
wenn mit Ehrerbietung / Und Giite sie gefordert wird" (3734ff). Zum
Zeitpunkt der inquisitiven Nachfragen Philipps bewahrt Elisabeth ihre
innere und auBere Wurde, indem sie auf die unterschwelligen Zweifel und
Verleumdungen Philipps nicht mit der Enthiillung entbloBender Details
reagiert. Ihre Tugendhaftigkeit erscheint als natiirliches Ereignis in ihrem
Denken und Handeln, wobei sie das Gemeine und Direkte ihrem Gemahl
zukommen lasst. Ihr eigenes Wissen um die Makellosigkeit ihrer Anliegen
schiitzt sie davor, ihre Verteidigung zu einem Gegengefecht verkommen zu
lassen. Im Konflikt mit Philipp gelingt es ihr, die delikate Wagschale der
163
Macht im Rahmen ihrer Krafte in Balance zu halten. Philipps gekrankter
Stolz verbietet es ihm zumindest an dieser Stelle, die Tugendhaftigkeit
seiner Gemahlin als eine teste Burg anzuerkennen. Erst spater im Gesprach
mit Posa im 3. Akt, 1 0. Auftritt spricht er mit Anerkennung dieser Qualitat
bezuglich aus: „Was er [Carlos] mir genommen, / Kann keine Krone mir
ersetzen — Eine tugendhafte Konigin!" (7ff.). Eben diese tugendhafte Natur
gibt der Konigin die Sicherheit, ihre Stellung als tonangebende Institution
ihrer Hofhaltung zu behalten, wahrend sie sich gleichzeitig gezwungen
sieht, dem ultimativen koniglichen Beschluss, die Marquise von Mondecar
vom Hofe zu verbannen, widerstandslos Tribut zu zollen. Der Konigin
sollte allerdings schon an dieser Stelle zugestanden werden, dass die ihre
Konfrontationen mit dem Konig weise wahlt, wie auch an einem weiteren
Konflikt mit dem Konig im 4. Akt, 9. Auftritt zu sehen sein wird.
Zunachst soil allerdings weiterhin chronologisch dem Handlung-
sverlauf nachgegangen werden, und somit die Anfangsauftritte im 4. Akt
Beachtung finden. Auch hier zeigt sich wiederum die Unterwerfung der
Konigin unter das spanische Hofzeremoniell, das es ihr untersagt, der
(angeblich) krank damiederliegenden Prinzessin Eboli personlich ihre
Genesungswiinsche auszusprechen. „Sehr habe ich gewiinscht, / Sie [Eboli]
zu besuchen, meine Liebe — Doch / Ich darf ja nicht (113), heiflt es hier
nahezu lakonisch von der Konigin, die sich ihres Schicksals als (fast)
rechtlose Zierde Philipps deutlich bewusst ist. Erst in der Szene mit dem
Marquis von Posa, der mittlerweile aufgrund einer im 3. Akt erteilten
Sondergenehmigung die Konigin alleine sprechen darf, offnet sie ihr Herz.
Sie bekennt, ungliicklich an Philipps Seite zu sein (2449ff.), und beweist
Mut zur Tat und Kuhnheit, indem sie den Entschluss zur flandrischen
Rebellion ihre Unlerstiitzung zusagt. Die Gelegenheit, sich mit Posas Hilfe
ins politische Geschehen — wenn auch nur mit „stille[m] Anteil" (35 1 2ff.) —
einzumischen, nimmt sie dankbar an und beweist damit ihre
Entschlossenheit. Auf dem machtpolitischen Parkett halt sie Einzug in der
Unterhaltung mit Posa. Mit der Untersti'itzung von Posas Plan zur Befreiung
Flanderns, durch den sich die Konigin als „Verschworerin"' (Oellers 339)
zu erkennen gibt, scheint die Konigin auf einer subtilen Ebene ihre Lage
als Gefangene an ihrem eigenen Hof kompensieren zu wollen. Mit
„Lebhaftigkeif (3490, Biihnenanweisung) bekennt sie sich zur offenen
Konfrontation mit Philipps politischen Richtlinien bezuglich Flandern. Sie
drangt auf Ausfuhrung der Kontrabewegung durch Don Carlos, den sie —
wie oben zitiert — zur Konzentration auf das Wohl Spaniens iiber die der
Obsession mit der verlorenen Geliebten aufgefordert hatte.
Die Rolle der Konigin als angebliche Geliebte des Infanten und
der daraus erwachsenden Eifersucht des Konigs ist das Thema des
Gespraches zwischen dem Ehepaar im 4. Akt, 9. Auftritt. Elisabeth, die
164
Audienz bei ihrem Gemahl erbittet, um die Suche und angemessene
Bestrafung der Briefdiebe einzufordern, sieht sich unversehens in die Rolle
der Verteidigerin ihrer Privatsphare geriickt. In der Suche nach Gerechtigkeit
beruft sich Elisabeth ganz eindeutig auf den „koniglichen Arm" (3679)
Philipps, durch den sie die Bestrafung der Diebe erwartet. Mit Anrufung
der exekutiven Gewalt Philipps untermauert sie die Idee der realen Macht
des Konigs im Gegensatz zur nominellen ihrer Person. Im Grunde lasst sich
iiberhaupt nicht von einer Machtstruktur im Zusammenhang Elisabeth
sprechen; ihr Recht am Hofe, gewisse Entscheidungen zu treffen, wie
beispielsweise die Anerkennung treuer Dienste von Seiten Mondecars,
muss als Einfluss auf die Atmosphare am Hofe verstanden werden. nicht
als Machtkonstrukt, das die Entscheidung Philipps auf die eine oder andere
Weise signifikant beeinflusst.
Trotz dieser auBerst eingeschrankten nominellen Macht oder
vielmehr ihres Einflusses weicht Elisabeth in der direkten und personlichen
Konfrontation mit Philipp nicht zuriick. Sie fiirchtet nicht die Aussprache,
in welcher sie unverhohlen sarkastisch die Methoden koniglicher
Spionagetechnik anprangert: „Wahrlich, Sire! I Dies Mittel [der Diebstahl
der Briefe], seiner Gattin Herz zu priifen, / Diinkt mir sehr koniglich und
edel" (3707ff), bemerkt sie angesichts der Erkenntnis, dass Philipp in Besitz
ihres gestohlenen Medaillons ist als Teil des gestohlenen
Schatulleninhaltes. Nicht nur sieht sie mit der Entscheidung Philipps, ihren
personlichen Besitz durchleuchten zu miissen, ihre Privatsphare verletzt,
sie fiihlt auch ihre Tugendhaftigkeit beschmutzt. Aufs tiefste verletzt,
missachtet Elisabeth den Befehl Philipps, weitere Fragen zu unterlassen:
„Doch / Noch eine Frage mocht ich mir erlauben" (3709ff ), gesteht Elisabeth,
welches Philipp mit „das Fragen ist an mir" (3711) kontert. Unbeeindruckt
dieser Schrankensetzung von Seiten Philipps gegeniiber fahrt Elisabeth
fort auf der Suche nach Wahrheit und Klarung der Situation.
Im Verlauf des Gesprachs klagt Elisabeth von Philipp das Recht
auf Anerkennung ihrer koniglichen Person ein sowie ein gebiihrendes
MaB an Respekt und Gleichbehandlung im Rahmen ihres Standes als
Konigin von Spanien und Prinzessin von Frankreich. Sie bekennt, dass sie
den Besuch des Infanten verleugnete, weil das Verhor „in Gegenwart / Der
Hoflinge, auf Delinquenten Weise?" (3704 ff.) geschah und somit die notige
„Ehrerbietung / Und Giite" (3707ff.) vermissen lie/3, die ihr zusteht. Dariiber
hinaus bekundet sie ihren freien Willen als MaBstab ihrer Entscheidungen:
„Ich tat es [das Einverstandnis zum intimen Gesprach mit Don Carlos] /
Weil ich es wollte — weil ich den Gebrauch / Nicht iiber Dinge will zum
Richter setzen, / Die ich fur tadellos erkannt — und Ihnen / Verbarg ich es,
weil ich liistern war, / Mit Eurer Majestat um diese Freiheit / Vor meinem
Hofgesinde mich zu streiten" (3746ff.). Eben dieser freie Wille lieB sie fur
165
die Zusammenkunft mit Don Carlos, dem Philipp auf alien Ebenen misstraut,
entscheiden. Ihren freien Willen und damit ihre freie Entscheidungskraft
auch gegen das Hofzeremoniell zu handeln, sieht die Konigin als
unverauBerliches Recht ihrer Stellung als ranghochste Adelige in Spanien
an. AuBerdem schlieBt sich fur sie mit dem Wunsch nach Kontakt mit Don
Carlos nicht ihr Anspruch auf Tugendhaftigkeit und Tadellosigkeit ihrer
Person aus, so wie es Philipp versteht. Nicht als ein Privileg, fur das sie
eine Sondergenehmigung vom Konig einzuholen braucht, sieht sie ihre
Moglichkeit auf ein Zusammentreffen mit Don Carlos an, sondern als ein
Recht, das somit eine Bevormundung durch das spanische Hofzeremoniell
in ihren Augen nicht rechtfertigt.
Gleichwertig zu ihrem Recht auf Privatsphare sieht Elisabeth die
Freiheit ihrer Gefuhle, eine Freiheit, die sie sich weigert, Philipps Doktrinen
zu unterwerfen. „Ich will nicht hassen, wen ich soil" (3769), gibt Elisabeth
zu verstehen und verbietet sich damit die konigliche Forderung nach einer
volligen Abkehr von Don Carlos. Philipps Problem in diesem
Zusammenhang basiert auf dem schon oben erwahnten Misstrauen
gegenuber seinem Sohn und dem damit verbundenen Wunsch auf
Unterstiitzung dieser Antipathie durch Elisabeth. Elisabeth weigert sich,
ihre Gefuhle den wechselnden politischen Schritten Spaniens reibungs-
und willenlos anzugleichen: „Wenn Ihre [Philipps] Staatsmaxime Bande
kniipft, / Wie sie fur gut es findet, soil es ihr / Doch etwas schwerer
werden, sie zu losen" (3766ff).
Im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung versucht Elisabeth
Wiirde und MaB zu behalten, wahrend Philipp sie beleidigend als
„Buhlerin" (3793) bezeichnet, seine Wut an der gemeinsamen Tochter
auslasst und erst mit der Drohung der Konigin, sich nach Unterstiitzung
in Frankreich umzusehen, zur Besinnung kommt. In diesem Augenblick
stiirzt die Konigin ohne Schuld Philipps Schuld und schlagt sich den Kopf
blutig. Dieser Moment der ersten korperlichen Schwache Elisabeths, die
Philipp in eine unerwartet prekare Situation manovriert, soil sich im letzten
Auftritts des dramatischen Gedichtes wiederholen. Am Ende allerdings
wird der Triumph auf Philipps Seite liegen, und Elisabeth sich in einer
zweifachen „Ohn"-Macht befinden.
Zu voller Starke kehrt Elisabeth dann im zweiten vertraulichen
Gesprach mit Posa zuriick. Im Gegensatz zur universalen GutheiBung der
Posa'schen Ideen in der oben diskutierten Szene zum 4. Akt, 3. Auftritt
zeigt sich Elisabeth auBerst kritisch und auch kritisierend im darauf
folgenden Gesprach mit Posa im 4. Akt, 2 1 . Auftritt. Gleich zu Beginn der
Auseinandersetzung lasst Schiller die Konigin eine Aussage treffen, mit
deren Hilfe eine allgemeine Relativierung ihrer Meinung bezuglich Posas
Aktivitaten zu erkennen ist. Auf die Offenbarung Posas hin, dass Carlos
166
durch ihn selbst gefangen gesetzt worden ist, auBert sich die Konigin
erstaunlich zuriickhaltend und unterwiirfig: „Ich ehre Ihre Handlungen, /
Auch wenn ich sie nicht fasse — Diesmal aber / Verzeihen Sie dem bangen
Weib. Ich ftirchte, / Sie spielen ein gewagtes Spiel" (42 1 3ff.). Sie selbst als
„banges Weib" bezeichnend, deren Vermogen zum Verstehen die Plane
des Marquis von Posa weit uberlegen sind, bleibt es Elisabeth in diesem
Wortwechsel anfangs vergonnt, sich als geistig stark und entschlossen
zu zeigen. Ganz Gefiihl ist die Konigin, die sich mehrmals darauf beruft,
dass sie nicht „fasse", was Posa ihr in ratselhaften Andeutungen zu
verstehen geben mochte. Die Aussagen Posas vermogen Elisabeth zu
„entsetzen", wodurch das Irrationale, das Emotionale im Denken dieser
Frau hervorgehoben wird. Von der entschlossenen Konigin Spaniens und
Prinzessin von Frankreich aus dem 4. Akt, 3. Auftritt ist bis kurz vor dem
Ende der Unterhaltung wenig zu spiiren. Die Umkehr findet erst statt, als
sich Elisabeth wiederauf ihre natiirliche GroBe besinnt. Reinhard Buchwald
deutet die Aussage „Mein Herz, / Versprech ich Ihnen [Posa], soil allein
und ewig / Der Richter meiner Liebe sein" (4373fT.) als Beweis dafur, dass
„sie gut und makellos von Natur [ist] und unbedingt der Stimme ihres
Herzens folgen [darf]" (444). Eben diese Stimme des Herzens und das
Wissen urn die Richtigkeit ihrer Gefuhle lassen sie den Entschluss Posas
zum Opfertod harsch kritisieren.
Fur diese Kritik hat Elisabeth endlich wieder ihre Festigkeit und
Entschlusskraft wieder gefunden, mit der sie schon im Gesprach mit ihrem
Gemahl diesem Paroli bat. Sie kritisiert Posas Idee des Opfertodes und die
Sache in Flandern, indem sie ihm mangelndes Einschatzungsvermogen
und einen Hang zum vorschnellen Handeln vorwirft. „Sie stiirzten sich in
diese Tat, die Sie / Erhaben nennen" (438 1 ff.), damit attackiert sie Posa, um
ihn zum Umdenken zu bewegen. Selbstsiichtigkeit mit Drang zum
Martyrertod wirft sie seinem Charakter vor, der sich aus unedlen Motiven
heraus opfert: „M6gen tausend brechen, / Was kiimmert Sie's, wenn sich
Ihr Stolz nur weidet. / O jetzt — jetzt lern ich Sie verstehn! Sie haben / Nur
um Bewunderung gebuhlt" (4384ff.).
Elisabeth nimmt diesen Vorwurf erstaunlicherweise nie ganz
zuriick. Sie versucht nur Posa durch dreimaliges Fragen, ob „keine Rettung
moglich" sei, zur Umkehr und Abkehr von seinen selbstmorderischen Planen
zu bewegen. Oellers und Seidel weisen in diesem Zusammenhang auf die
Zweischneidigkeit der Schiller'schen Aussage hin, da „die wiederholte
Frage der Konigin, ob fur ihn [Posa] selber keine Rettung moglich sei,
[offen] lasst, ob Posas Tat wahrhaft erhaben zu nennen ist oder Folge
eines Stolzes ist, der um Bewunderung buhlt" (345). Die dreimalige
167
Nachfrage Elisabeths konnte allerdings ebenso im Lichte ihres Glaubens
urn nominelle Macht auf politischer Ebene interpretiert werden, da sie sehr
genau nachhakt, ob „keine [Rettung] moglich" sei, „auch nicht durch mich?"
(439 Iff.). Sie lasst sich sogar die Gelegenheit nicht entgehen, Posa an
ihren entschlossenen Willen und ihr Durchsetzungsvermogen zu erinnern:
„Sie kennt mich / Zur Halfte nur — ich habe Mut" (4394ff). Obwohl Posa
ihr das Zugestandnis macht, dass er um ihren Mut weiB, verweigert er
kategorisch ihren Einfluss als Mittel zur Rettung. Aufgrund Philipps
Charakters weiB er, dass ein Einschreiten Elisabeths die Gefahr unweigerlich
auf die selbige lenken wurde. Dieser Zug verbietet sich aus Griinden des
Anstands und besseren Wissens um die Rache der Inquisition gegeniiber
Abtriinnigen des Hofes. So bleibt es Posa nicht vergonnt, das Missfallen
der Konigin auf sich zu ziehen. Ihre Aussage, dass sie „keinen Mann mehr
[schatze]" (4395 ) bezieht sich nur teilweise auf Posa. Noch nicht versiegter
Zorn aus ihrem Gesprach mit dem Konig, der sie bis zum letzten Moment
zu bevormunden suchte und ihr sein mangelndes Vertrauen aussprach,
steckt wohl ebenso in dieser Aussage wie das Unverstandnis fur Posas
Tat und ihre eigene Machtlosigkeit, ihre „Ohn"-Macht mannlichen
Entschliissen gegeniiber.
Die „Ohn"-Macht Elisabeths wird eklatant im letzten Auftritt des
5. Aktes mit dem Erscheinen Philipps und des GroBinquisitors. Im Gesprach
mit Don Carlos, das den GroBteil dieses kurzen Auftrittes ausmacht, zieht
sich Elisabeth ganz in die Rolle der Mutter Carlos' und die der sanften Frau
angesichts hoherer mannlicher Taten zuriick. „Ich darf mich nicht / Empor
zu dieser MannergroBe wagen; / Doch fassen und bewundern kann ich
Sie" (5300ff), bekennt sie in der ihr unbewussten Gegenwart Philipps und
des GroBinquisitors. Auch Don Carlos hat die notige Distanz zu Elisabeth
gewonnen und somit den Weg vom ehemaligen Verlobten hin zum Sohn
Elisabeth erfolgreich vollendet. Die Position Elisabeths als Gemahlin
Philipps, als Konigin Spaniens und tugendhafte Frau, ware somit um ein
vielfaches gesichert worden. Sie wird allerdings durch das Belauschen der
Unterredung durch Philipp zunichte gemacht. Zur Wahrung ihres Ansehens
griff Schiller auf ein fur damalige Zeiten akzeptables frauliches Verhalten
zuriick. Elisabeth fallt in eine Ohnmacht, die nicht nur im direkten Sinne
jedwede Handlungskraft ihrer Person auf Null reduziert, sondern
symbolisch ebenso ihre nicht existierende Macht in Bezug auf die
allmachtige Einrichtung der Inquisition im Spanien Philipps II. unterstreicht.
Elisabeth zeigt sich demnach zum Schluss des dramatischen Gedichtes
Don Carlos wahrlich als ein Charakter ohne jegliche Macht. Obwohl die
168
Signifikanz der Schlussszene nicht als geringfugig angesehen werden darf,
lasst sich die Rolle und Bedeutung Elisabeths gutheiBen. Silvia
Bovenschen bemerkt dazu, „dass die Frauenfiguren in den Schillerschen
Dramen eine entscheidende Bedeutung erlangen konnten" (256). Friedrich
Schiller hat Elisabeth, Konigin von Spanien, die Tendenz zur GroBe
beigelegt, die leider zu oft hinter den Taten der Manner zuriickfallt.
Endnotes
1 Zur erleichterten Suche seien an dieser Stelle die einzelnen Akte mit
Auftritten angemerkt: 1 . Akt, 3., 4., 5. und 6. Auftritt; 2. Akt, 6. Auftritt; kein
Auftritt im 3. Akt; 4. Akt, L.,2.,3.,9., 14., 19. und 21. Auftritt und schlieBlich
5. Akt, letzter Auftritt. Dabei sei zu beachten, dass zum Zwecke dieser
Arbeit und auch aus rein inhaltsbezogenen Griinden, den einzelnen
Auftritten ungleiche Beachtung (oder auch gar keine) zugute kommt.
2 Friedrich Schiller. Don Carlos, Infant von Spanien. Ein dramatisches
Gedicht. Stuttgart: Reclam, 1996.
3 Norbert Elias tendiert mit Bezug auf den Fiirstenhof des ancien regime
zur Regierungszeit Ludwig XIV. in eine leicht andere Richtung in seiner
Untersuchung Die hofische Gesellschaft: „Denn jeder Art eines
,Beisammentvon Menschen entspricht eine bestimmte Ausgestaltung des
Raumes, wo die zugehorigen Menschen, wenn nicht insgesamt, dann
wenigstens in Teileinheiten tatsachlich beisammen sind oder sein konnen.
Und so ist also der Niederschlag einer sozialen Einheit im Raume, der
Typus der Raumgestaltung eine handgreifliche, eine — im wortlichen
Sinne — sichtbare Representation ihrer Eigenart. In diesem Sinne bietet
also auch die Wohnweise der hofischen Menschen einen sicheren und
hochst anschaulichen Zugang zum Verstandnis bestimmter
gesellschaftlicher Beziehungen, die fiir die hofische Gesellschaft
charakteristisch ist." Elias, Norbert. Hofische Gesellschaft:
Untersuchungen zur Soziologie des Konigtums und der hofischen
Aristokratie{¥x<ixMurtM:. Suhrkamp, 1994) 70ff.
4 Vgl. hierzu auch den „Kommentar zur Akt- und Szenenfolge" in Friedrich
Schiller, Don Carlos, ed. Norbert Oellers and Siegfried Seidel, Bd. 7,2 der
Nationalausgabe (Weimar: Bohlau, 1985)289.
169
Works Cited
Bovenschen, Silvia. Die imaginierte Weiblichkeit. Exemplarische
Untersuchungen zu kulturgeschichtlichen und literarischen
Prasentationsfonnen des Weiblichen. Frankfurt/M: Suhrkamp,
1979.
Buchwald, Reinhard. Schiller. Leben and Werk. Wiesbaden: Insel, 1959.
Burschell, Friedrich. Friedrich Schiller. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch,
1958.
Elias, Norbert. Hojische Gesellschaft: Untersuchungen zur Soziologie
des Konigtums und der hofischen Aristokratie. Frankfurt/M.:
Suhrkamp, 1994.
Schaublin, Peter. „Don Carlos und die Konigin." Germanisch-Romanische
Monatsschhft NF 54 ( 1 973): 302-20.
Schiller, Friedrich. Don Carlos. Infant von Spanien. Stuttgart: Reclam,
1996.
— . Don Carlos. Ed. Norbert Oellers and Siegfried Seidel. Bd. 7,2 der
Nationalausgabe. Weimar: Bohlau, 1985.
— . „0ber Anmut und Wurde." Friedrich Schiller. Werke in sechs Bdnden.
Ed. Alfred Bandstetter. Vol. 5. Zurich: Stauffacher Verlag, 1967.
290-340.
170
Saamische Literatur durch ihre
Schriftstellerinnen gesehen
Johanna Domokos
Es gibt in Europa keine andere Literatur, die Prozentual gesehen
so viele weibliche Schriftstellerinnen hat, wie die Saamische, und keine
andere, deren Zukunft so sehr von diesen Schriftstellerinnen abhangt.
Ungefahr die Halfte der 80 saamischen Schriftsteller sind Frauen, die ca.
70% der veroffentlichten Bticher produzieren. Aber bevor wir mit dem
eigentlichen Thema beginnen, will ich noch ein paar Daten Liber die Saamen
in Erinnening rufen, um das Thema zeitlich und geographisch richtig
einordnen zu konnen.
Saami ist die Sprache des Volkes, das eine Region bewohnt, die
die Einwohner selbst Sapmi nennen. Diese Region umfasst groBe Teile
Nordskandinaviens, von Norwegen bis Russland, wobei die Mehrheit der
etwa fiinfzigtausend Bewohner, die sich selbst als Saami bezeichnen (auch
als Lappen bekannt), in Norwegen lebt. Das traditionelle Leben bestand
aus jahreszeitlich bedingter Wanderschaft in dichten Gruppen von Jagern
und Rentierhirten. aber es gab immer auch Gruppen, die das ganze Jahr
tiber an einem Ort blieben. Die saamischen Sprachen — es gibt mehrere
auBerst verschiedene saamische Sprachen — gehoren zum Zweig der finno-
ugrischen Sprachen innerhalb der uralischen Sprachfamilie. Die Saamen
wurden einer Assimilierungspolitik unterworfen, welche ihre Sprache viele
Jahre lang verbot und Lehrern Pramien gab nach der Anzahl der Kinder,
denen sie den Gebrauch der saamischen Sprache abgewohnen konnten.
Trotzdem gibt es viel Uberbleibsel der einstigen mtindlichen Tradition, die
seit der Mitte des 19. Jahrhunderts an die schriftliche Form angepasst
wurden (die ersten publizierten poetischen Texte stammen aus dem Jahr
1673). Jahrhundertelang hat der Joik — die saamische Form des
musikalischen Ausdrucks — als Ausdaick sozialer Identitat gedient. In der
Tat haben literarische und musikalische Formen lange zur Artikulation des
Widerstandes gegen die Kolonisierung beigetragen. Seit 1970 erlebt die
saamische Literatur eine Wiedergeburt, aber ihre Stellung ist alles andere
als gesichert. Der Gebrauch der saamischen Sprache geht auf das letzte
Jahrhundert zurtick, und es gibt immer noch viele Saamen, die niemals in
ihrer eigenen Sprache lesen und schreiben gelernt haben.
171
Anstelle eines Abrisses der Geschichte der Saamen, die so sehr
den Inhalt ihrer literarischen Werke pragt, gebe ich hier vier interessante
Beispiele, die den Prozess der sozialen Entwertung der Saamen durch
AuBenstehende verdeutlichen:
1 . Unser erstes Beispiel hat mit dem saamischen Glauben zu tun.
Die machtigen, positiven Krafte sind oft weiblich (z. B.. Radienahkka,
Radienneida, Mattarahkka mit ihren drei Tochtern, Sarahkka, Uksahkka,
Juoksahkka etc.). Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass alle
schriftlichen Berichte iiber den Schamanismus der Saamen von mannlichen
Christen aufgeschrieben wurden, die mannliche saamische Schamanen
befragten (Pentikainen 1995). Trotzdem finden Geschichten, die machtige
weibliche Zauberinnen — die sogenannten Noaidis — beschreiben,
normalerweise Noaidgalggo genannt. Sie fuhrten vor den Ritualen heilige
Tanze auf und stimmten einen Gesang zum Lob von Sarahkka an, einer der
drei Gottinnen. Dieser Gesang endete damit, dass die Noaidgalggos so
lange auf die Erde stampften, bis sie vibrierte. Eine besondere und sehr
machtige saamische Frau, eine Gapishaldne (am besten durch Hexe
iibersetzt), war Rijkuo-Maja (Reiche Maja), die 1 757 im Alter von 96 Jahren
starb. Sie soil viele Rentiere besessen haben. Ihre Gehilfen waren der
Rabe, der Adler, und der Specht, und sie hielt sich Wolfe anstelle von
Hunden. In einer Geschichte rannte sie in einen nahen Sumpf, als ihr Haus
brannte, und erstickte das Feuer schnell mit ihrem Trommeln. Eine der
noch heute lebenden Noaidgalggo, eine Heilerin, lebt im norwegischen
Sapmi, aber es wird berichtet, dass sie dariiber besorgt ist, wem sie ihr
Wissen weitergeben kann (Lundmark).
2. Unser nachstes Beispiel ist iiber tausend Jahre alt. Zu dieser
Zeit lebten die Saami in sogenannten siida, oder Stammen, die aus mehreren
Familien bestanden, und die untereinander sowohl durch soziale und
religiose Beziehungen als auch durch die Anerkennung gemeinsamer
Stammesregeln verbunden waren. Einige dieser Stamme waren groB und
machtig und wurden durch die friihen Siedler aus dem sudlichen Norwegen
und Schweden hoch geachtet. Es war Tradition unter den Konigen der
Ynglingar, die Njord, Frey und Freya zu ihren Vorfahren zahlten, eine
saamische 'Prinzessin' zu heiraten, welche fur ihre Schonheit beriihmt
waren. Aber die Saamen waren auch wegen ihrer machtigen Zauberei
gefiirchtet. Einer der groBen norwegischen Konige der spaten heidnischen
Zeit, Harald Schonhaar, wurde einmal der Tochter des saamischen
Hauptlings Svaase vorgestellt, der Schonhaar zu einem Jule-Fest eingeladen
hatte, damit Schonhaar sie kennen lernen konnte. Harald war beriihrt von
der Schonheit der Tochter, genannt Snofrid. Er wollte sie sofort heiraten
(obwohl er schon mehrere Frauen hatte). Sie heirateten und sie gebar drei
Sonne und starb. Wahrend ihrer Beziehung und der drei Jahre nach ihrem
172
Tod vernachlassigte Harald die meisten seiner Pflichten, erst aufgrund
des Gliicks der Liebe, dann durch die Trailer um ihren Tod.
3. Das dritte Beispiel ist ein Holzschnitt aus der Wende vom 18.
zum 19. Jahrhundert: „Die erste Begegnung mit Lappen in Rostijocki",
Schnitt von Martin Rudolf Heland nach einer Zeichnung von Anders
Fredrik Skjoldebrand. Obwohl der Stil dieser Szene aus Giuseppe Acerbis
Reisebuch durch zeitgenossische Tendenzen gepragt ist, weist sie
Die erste Begegmmg mit Lappen in Rostijoeki; Holzschnitt von
Martin Rudolf Heland; ca. 1 80 1 - 1 802; nach einer Zeichnung von
Anders Fredrik Skjoldebrand. Kungl. bibliotheket, Stockholm.
interessante Details auf. Das Boot, in dem die Kundschafter fahren, hat
einen hohen Bug und Heck — ein Stil, fur den die Vikingerschiffe bekannt
sind. Nach der Interpretation eines ungenannten Autors der Internetseite
http://www.itv.se/borale/art.htm sind „ vom Standpunkt der Saamen [...]
die Menschen, die da entdeckt werden sollten, sogar noch interessanter.
Besonders die stehende Frau der Eingeborenengruppe, die gegeniiber
den Fremden nicht passiv bleibt, ist bereit, nach vorne zu treten, um eine
aktive Rolle bei der BegruBung der Kundschafter einzunehmen. Die Manner
hingegen scheinen zur Flucht geneigt zu sein, insbesondere der zweite
von links, der nicht die Besucher betrachtet, sondern den Wald hinter
sich. AuBerdem scheint die Hand der stehenden Frau einen der Manner
173
nach unten zu drucken, um ihn vielleicht zum Sitzen zu zwingen. Die Frau
hat die am reichsten verzierten Kleider, einen eindrucksvollen
Kopfschmuck, und Omamente, die von ihrem Giirtel herabhangen. All
dies suggeriert, dass sie eine Person von hohem Rang ist. Geschichten
von solchen Frauen, die die Funktion eines Stammeshauptlinges
innehatten, fand man in vielen Gegenden von Sapmi. Es ist gut moglich,
dass wir auf diesem Bild eine solche Frau sehen.
4. Unser viertes Beispiel enthalt Gedichte der saamischen
Schriftstellerin: Inga Ravna Eira (geb. 1953).
Die Gotter
Die Gotter drehten den Boden um
und verbargen das Gold nnter den Steinen
a her die Fremden fanden es
Die Geister und Seelen der Unterwelt flohen
und versteckten sich in dem Berg
aber sie wurden dennoch gestort
Wie konnten sie es wagen
die Gotter und Geister herauszufordern
Zu Ha use
Zu Hause nennt man sie
Risten Gutnel
nach ihren Grofimiittern
Risten, die so klug war
Gutnel die so gut war
und beide waren so schon
In der Schule nennt man sie
Kirsten Gunhilde
Der Vikar gab ihr
einen richtigen Namen
den sogar der Lehrer
aussprechen kann
Hat sie nicht Gli'tck
zwei Namen zu haben
Saamische Frauen
Anne sagt sie kommt von
einer Rentierhirtenfamilie
aber sie geht zur Schule
und kann nicht mal Fellschuhe ndhen
Biret ist die Frau eines Rentierhirten
174
aber sie hat keinen Sohn
Ristin ist anch die Fran
eines Rentierhirten
aber sie arbeitet in einem Laden
nnd wer wird dann
die Schneeschnhe ihres Mannes ndhen
EJIe ist anch die Fran
eines Rentierhirten
Sie hat zwei erwachsene Sohne
aber wer wird ihr dann helfen
beim Ndhen
Tone ist auch die Fran
eines Rentierhirten
aber sie ist Norwegerin
eine tiichtige Ndherin
aber sie spricht kein Saami
Sara behanptet, eine Saamin zu sein
nnd spricht die Sprache
aber sie heiratete einen Norweger
Alehtta behanptet anch, eine Saamin zu sein
aber sie lebt weit weg von Sdpmi
anch Inga ist saamischen Urspmngs
aber sie tragi niemals
das saamische Kostiim
Gutnil will eine Saamin sein
aber sie spricht die Sprache nicht
ihre Mutter ist Norwegerin
Gadja sagt, sie ist eine Saamin
aber sie hat nicht den
richtigen Akzent
sogar Maja hat saamische Wnrzeln
aber sie benimmt sich nicht
wie es sichfiir eine Saamin gehort
nnd ich hore nicht anfmich zn fragen
wie es ist
als richtige Saamische Fran
Diese Beispiele zeigen, dass die saamischen Frauen traditionell
als sehr spirituell angesehen waren. Nicht nur sie selbst, sondern ihr Land
und Reichtum wurden von den neu hinzukommenden germanischen und
finnischen Stammen sehr begehrt. Die „ neuen Siedler" semiotisierten die
saamischen Frauen durch Merkmale mit negativen Konnotationen. Ihre
175
Spiritualitat wie auch ihr Korper wurden verachtet. In den ersten Jahrzehnten
des 20. Jahrhunderts wurden mehrere saamische Frauen als „sozial
unerwiinscht" betrachtet und deswegen sterilisiert. Innerhalb der
saamischen Gesellschaft blieb aber die Rolle der saamischen Frauen so
stark wie immer. Historisch gesehen waren noch am Anfang des 20.
Jarhunderts die Rollen von Frau und Mann in der saamischen Gesellschaft
komplementar verteilt. Obwohl die Arbeit nach Geschlecht verteilt war,
bedeutete dies keinerlei Hierarchic Sowohl Manner als auch Frauen waren
stets der Hilfbereitschaft verpflichtet. Etwa zu Beginn der zweiten Halfte
des 20. Jahrhunderts losten die westlichen Modelle eine Verschiebung zu
einer hierarchischen Ordnung aus, mit der Folge, dass die Rolle der Frau
nicht von sich selbst, sondern in Bezug auf die Manner bestimmt wurde.
Diese Geschlechterkrise, projiziert durch die Nachbarkulturen, hatte einen
Einfluss auf die Artikulation der neuen Rolle der saamischen Frauen, aber
es gibt auch andere Themen wie Identitat und Ethnizitat, die ihr Schreiben
beeinflussen. Die folgenden Zitate von einigen Dichterinnen zeugen davon:
Kein Leben
kein Haus
ichjage nicht
bin ich Saamin?
Trotzdem
saamische Wiinsche
saamische Gedanken
saamische Seele
saamische Sprache.
(IngaRavna-Eira)
Grofivater
geboren 1895
Grofi miitter 1918
El tern 1940
Sprachverbot
durch vier Generational hindurch
nach dem Gesetz:
sie ist nicht Saamin.
( Aagot Vinterbo-Hohr)
176
Ich wollte mich bessern
ihnen dhnlich sein
ich babe mich verdammt
mich geschdmt
getrauert
warttm bin ich nicht Kind
einer finnischen Mutter
Im Geheimen babe ich gebetet
dass eines Tages auch ich
so gut sein konnte wie sie
itnd eines Morgens wache ich auf
zn einem wunderbaren zivilisierten Leben
dass sie so stolz gelebt haben.
(Rauni Magga Lukkari)
Wie haben die Kolonialmachte versucht, die saamischen Kultur
auszurotten? Wer ist ein richtiger Saame, und wie kann man das erkennen?
Nimmt die Gesellschaft die personlichen Interessen der Individuen wahr?
Wie verandern sich die gesellschaftlichen Erwartungen und die
personlichen Impulse? Auch diese Fragen mtissen die saamischen
Schriftstellerinnen in Betracht ziehen. Die beste und wichtigste Behandlung
dieses Themas ist die vor sechs Jahren sowohl auf Saami als auch auf
Finnisch veroffentlichte Doktorarbeit von Vuokko Hirvonen, Sameeatnama
jienat. Sapmelas nissona balggis girjeeallin (auf Deutsch: Saamilands
Stimme. Der Weg der Saamischen Frau zur Schriftstellerin). Die Autorin
benutzt teilweise die Methodologie des (post)kolonialistischen sowie
feministischen Diskurses, mit vvelcher sie die Werke der Schriftstellerinnen
durch die Gegenpole Zentrum-Marginalie, Macht-Gewalt, Mann-Frau,
Mutter-Geliebte, Geschlecht-Sexualitat beleuchtet. Im folgenden Teil werde
ich diese Themen nicht beruhren, sondern werde mich auf vier
Generationen von saamischen Schriftstellerinnen konzentrieren, die Vuokko
Hirvonen naher betrachtet und bearbeitet. Die geistreiche Terminologie
von Vuokko Hirvonen unterscheidet die folgenden Generationen von
Schriftstellerinnen: 1. die der Ur(groB)miitter (geboren am Ende des 19.
Jahrhunderts, Elsa Laula Renberg, Karin Stenberg), 2. die der GroBmutter
(geboren zwischen 1900 und 1939, Sara Ranta-Ronnlund, Ellen-Sylvia Blind.
Inger Huuva-Utsi, Stina Gaup-Westerlund, Ella Karin Blind, Anni Kitti,
Astrid Johnkareng, Ellen Marit Guttorm, Agnes 0wre, Kaia Nilsen, Annok
Sarri Nordra, Aagot Vinterbo-Hohr, Laura Lehtola), 3. die der Mutter
(geboren 1940-1960, Kirsti Paltto, Aune Kuuva, Iraida Vinogradova, Elvira
Galkina, LajlaMattson Magga, Anna Jacobsen, Ella Holm Bull, Marry A.
Somby, Kerttu Vuolab, Raima Paadar-Leivo, Asbjorg Skaden, Inger
177
Margrethe Olsen, Ellen Marie- Vars, Inghilda Tapio, Inger Haldis Halvari,
Ardis Ronte Eriksen, Claudia Fofonoff, Rauni Magga Lukkari, Sara Paivio,
Inga Ravna Eira), und 4. die der Tochter (geboren nach 1 960, Inger-Mari
Aikio, Mona Solbakk, Stina Inga, Anna Stina Svakko).
Die Ursachen von Elsa Laula Renbergs und Karin Stenbergs
schriftlicher Aktivitat (beide der Generation der UrgroBmutter zugehorig)
war der Kampf um die Rechte der Saami. Die politischen Schriften von Elsa
aus dem Jahre 1904 und die von Karin von 1920, ubrigens auf Schwedisch
geschrieben, sollten die schwedischen Behorden iiber die Lage und die
Vorstellungen der Saami informieren. Auf die Pionierarbeit der UrgroBmutter
folgte eine Zeit der Stille, die bis etwa 1970 andauerte, als die Generation
der GroBmiitter und die der Mutter gleichzeitig begannen, ihre Manuskripte
zu veroffentlichen.
Die Vorgeschichte der saamischen Schriftstellerinnen zeigen nicht
nur die auBeren sondern auch die inneren Schwierigkeiten, die die
Veroffentlichung von saamischen Frauen erschwerten. Einerseits hatten
die saamischen Sprachen und Dialekte sehr verschiedene Orthographie-
systeme, welche auf die Bedurfnisse der saamischen Sprecher wenig
Riicksicht nahmen. Deshalb konnten die Saamen die offizielle Staatssprache
viel friiher schreiben und lesen als die eigene. Andererseits waren die
wenigen publizierten Autoren saamischer Literatur bis zu den 70er Jahren
durchweg Manner. Das kam vor allem durch die Sitte, eher Jungen als
Madchen auf eine hohere Schule zu schicken. Den Durchbruch hatte die
sogenannte GroBmiitter- und Muttergeneration in den 70er und 80er Jahren.
Diese zwei Generationen hatten iiblicherweise erst als Erwachsene ihre
Muttersprache zu schreiben gelernt. Nach dem Versuch in der offiziellen
Sprache zu schreiben hatten sie schlieBlich herausgefunden, dass sie nur
auf Saami wirklich iiber Gefiihle und Gedanken schreiben konnten, weil
dies die Sprache ihres Herzens war. Die Werke der GroBmiitter zeigen zwei
Hauptlinien: wobei die erste die mundlich uberlieferte Tradition in
literarischer Form verarbeitet, verarbeitet die zweite die eigenen
Erinnerungen und Lebenserfahrungen und nahert sich dadurch der
Memoirenliteratur an. 1m Vergleich zur Generation der UrgroBmutter hatten
fast alle auf Saami geschrieben.
Die Mitglieder der Muttergeneration wuchsend uberwiegend in
fremdsprachigen Internaten auf und machten dort sehr negative
Erfahrungen. Als Folge dieser Erfahrungen war fur diese Generation eine
spezifisch saamische Erziehung der eigenen Kinder sehr wichtig. Die ersten
Kinderbiicher auf Saami erschienen in den 70er Jahren, und diesen merkt
man an, wie die saamische Mythologie die Handlung beeinflusst. Die
178
Generation der Miitter musste sich nicht nur mit den gesellschaftlichen
Problemen befassen, sondern auch mit einer sich wandelnden Familien-
struktur. Zum ersten Mai werden das Frau-Sein und die Weiblichkeit
thematisiert. Das immer selbstbewusstere Auftreten der saamischen
Schriftstellerinnen der dritten Generation bewirkte, dass die Unterordnung
von Frauen in Frage gestellt wird, und dass die heutige, jiingste Genera-
tion mehr Ausdrucksmoglichkeiten bekommen hat.
Im Unterschied zu der Muttergeneration hatten die Tochter
meistens eine muttersprachliche Erziehung und konnten deswegen friiher
an die Offentlichkeit treten. Aber auch in dieser Gruppe konnen wir eine
Schriftstellerin finden, in deren Familie die saamische Sprache nicht mehr
gesprochen wurde und die erst als Erwachsene ihre sprachliche
Vergangenheit gesucht hatte. Die Themen, die saamische Schriftstellerinnen
heutzutage beriihren, liegen auf einer sehr weiten Skala, die weiteste bisher
in der saamischen Literatur: Veranderungen der Lebensumstande, das
Schreiben als ein ethnopolitischer Akt, die Muttersprache als Instrument
der Selbstmanifestation, Schwierigkeiten auf dem Weg von der
Nationalidentitat durch die Geschlechtsidentitat zum Ich, und zuletzt die
Entwicklung einer positiven saamischen, weiblichen Identitat.
Durch den Gebrauch von Generationsbezeichnungen (d. h. die
der UrgroBmiitter usw.) zieht Hirvonen unsere Aufmerksamkeit auf einen
urspriinglichen Zusammenhang, auf eine Verwandschaft und gegenseitige
Abhangigkeit zwischen den Schriftstellerinnen. Die zentrale Rolle spielt
die Generation der Mutter. Dazu gehoren Themen wie Mutterschaft,
Kreativitat und Weitergabe. Das Motiv der direkten Verwandtschaft ist im
Saamischen sehr tief verwurzelt. Die in Verwandschaftsbezeichnungen
reiche saamische Sprache unterscheidet ahkkut, welches die Enkelkinder
der GroBmiitter bezeichnet, von addjut, welches die Enkelkinder der
GroBvater bezeichnet. Ich warte also neugierig darauf, wie die Generation
der ahkkut aussehen wird; dieser Name ahnelt sehr — und ist etymologisch
verwandt mit — der zweiten Komponente der Namen vieler weiblicher
Gottheiten, die auf ahkka enden. Es ist wohl ziemlich sicher, dass sie eine
auBerordentliche Rolle dabei spielen werden, die saamische Literatur am
Leben zu erhalten. Zu diesem Zeitpunkt gibt es keinen Grund, sich Sorgen
zu machen; wenn die Zeit kommt, wird man die benutzte Terminologie
umformulieren konnen.
Die personlichen Erfarungen scheinen in der saamischen Literatur
sehr wichtig zu sein, und wir konnen sogar sagen, dass die Verarbeitung
des alltaglichen Geschehens die starkste Inspiration darstellt. Von der
saamischen Literatur kann man sagen, dass sie eine realistische Literatur
ist und dass sie eine Hilfe ist fur alle, die in schweren politischen und
79
wirtschaftlichen Zustanden leben. Wenn man betrachtet, wie viele Saamen
es gibt und wie viele Saami als ihre Muttersprache benutzen, so lasst sich
feststellen, dass es sich hier um eine kleine Gesellschaft handelt, die eine
sehr hohe kiinstlerische Produktivitat hat. Nach den Daten von Pekka
Sammallahti von 1 998 konnen wir von etwa 20 000 Sprechern des Saami
ausgehen.
Zu guter Letzt ein DenkanstoB, warum Literatur von saamischen
Frauen interessant sein kann und potenziell eine groBe Leserschaft durch
ObersetzLing finden konnte:
1 . Was in den letzten 50 Jahren in der saamischen Gesellschaft geschehen
ist, ist wie ein Zeitraffer der Genese sogenannter „zivilisierter
Gesellschaften". Die Ergebnisse sind nicht wirklich erfreulich. Durch die
Romane von Kirsti Paltto, die produktivste saamische Schriftstellerin,
konnen wir diesen Prozess sehr gut durch saamische Augen sehen.
2. Saamische Frauen stehen vor vielen Fragen, mit denen viele Kulturen
konfrontiert werden, und die daher ubergreifend sind:
a) Fragen nach der Legitimitat der Grenzen (zwischen Geschlechtern und
Generationen, in sozialen Bezieungen, zwischen Stilen, usw.),
b) Fragen der Spiritualitat (die positive Wirkung des Volksglaubens auf
den Geist, Spiritualitat hinter der Fassade der Religion),
c) die Frage nach der Veranderung der Sprache (einige der saamischen
Schrittstellerinnen benutzen das Saamische nicht mehr),
d) die Probleme von Ein- und Auswandern,
e) die Frage nach Ethnizitat,
f) die Frage nach der Bedeutung der Literatur im Leben (mit einem
eindeutigen „Ja" von Seite der Saamen, usw.).
3. Der 'fremde' Leser kann in die exotische saamische Literatur trotzdem
eindringen, weil sie in der menschlichen Natur tief verwurzelt ist und eine
universelle Weisheit besitzt. Die Exotizitat kommt von der Tatsache, dass
sie immer noch von der miindlichen Tradition und ihren Ausdrucksmitteln
sehrbeeinflusst wird. Eines der wichtigsten traditionellen Elemente ist der
Joik. Dieser ist nicht nur der alteste Gesangsstil in Europa, sondern auch
180
das am tiefsten liegende Element, welches die saamische Wahrnehmung
bestimmt (wie die Linie in der Yoruba Kultur). Er konnte auch das Yoga der
Saamen genannt werden, und die, die darin eindringen und es praktizieren,
finden sich verandert. Deswegen findet man in den Werken der saamischen
Frauen oft einen tiefen meditativen Ton.
4. Der vierte interessante Punkt ist, dass fur die saamische Gesellschaft
wie fur viele andere Gesellschaften solche Begriffe wie „Literatur" und
„Autor" relativ neu sind. Aber das bedeutet nicht, dass solche
Gesellschaften keine Schopferkraft aufweisen. fan Gegenteil zeigen sie ein
Mehr an offenem kreativen Handeln. Dies hat eine kiinstlerische Kreativitat
der Saamen auf alien Ebenen befordert. Es gibt auch saamische Frauen,
die verschiedene kreative Genres kombinieren, wie etwa Schreiben, Malen,
Singen, Schauspielen, Filmemachen usw.
5. Last but not least zeigt der Fall der saamischen Frauen, dass die
Schwierigkeiten kein wirkliches Problem bereiten mtissen, sondern dass
es vielmehr darauf ankommt, was wir daraus machen. Und hier sehen wir
kreative, lebendige Beispiele, voll von Giite, Tiefe und Verantwortlichkeit.
Works Cited
Aikio, Samuli, and Gjerde, Arild. The Sami People. Karasjok: Sami
Instituhtta and Davvi Girji, 1990.
Eira, Inga Ravna. Lieda'an. Karasjok: Davvi Girji, 1997.
Hirvonen, Vuokko. 1999a. Sameeatnamajienat. Sdpmelas nissona bdlggis
girjeedllin. Vasa: DAT, 1999
— . Saamenmaan aania. Saamelaisen naisen tie kirjailijaksi. Suomalaisen
Kirjallisuuden SeuranToimituksia725. Helsinki: Pieksamaki, 1999.
Lundmark, Bo. 1987. "Rijkuo-Majaand Silbo-Gammoe: Towards the Ques
tion of Female Shamanism in the Saami Areas." Saami Religion.
Ed. Tore Ahlback. Scripta Instituti Donneriani Aboensis 12.
Stockholm: Almqvist & Wiksell, 1987. 159-169.
181
Paltto, Kirsti. Guhtoset dearvan min bohccot. [Kautokeino]: DAT, 1986.
— . Guovtteoaiwatnisu. [Utsjoki]: Gielas, 1989.
— . Guvo htottat. [Utsjoki]: Gielas, 1991 .
—Jiella. [Utsjoki]: Gielas, 1990.
Pentikainen, Juha. Saamelaiset. Pohjoisen kansan mytologia. Suomalaisen
Kirjallisuuden Seuran Toimituksia 596. Helsinki: Suomalaisen
Kirjallisuuden Seura, 1995.
Sammallahti, Pekka. The Saami Languages: An Introduction. Karasjok:
DavviGirji, 1998.
Schefferus, Joannis. Lapponia id est, regionis Lapponum et gentis nova
et verissima descriptio . Frankfurt: Joannis Andreae, 1673.
Skjoldebrand, A.F. Voyage pi toresque an Cap-Nord. Stockholm: n.p., 1 80 1 .
182
Die Berliner Republik ah Mahagonny
Brechtsche Impressionen im zeitgenossischen
dentschen Film und Theater
Alexandra Ludewig
Bertolt Brechts Utopien und Dystopien von den Mahagonschen
VerheiBungen und Katastrophen aufgreifend haben sich zeitgenossische
Kiinstler wie Dea Loher (Theater), Andreas Dresen und Eoin Moore (Film)
mit Berlin und der Berliner Republik auseinandergesetzt. Wie Brecht in
seiner „Berlin-Kritik" (Simmel 121) bewegen sich Loher, Dresen und Moore
an der Schnittstelle zwischen Politik und Kunst, Marxismus und
Passionsgeschichte, Klassenkampf und postmoderner Beliebigkeit. In
ihren Theaterstiicken und Filmen changieren sie bei der Einstellung zur
Berliner Republik zwischen Hoffnung und Verdruss. Lohers Berliner
Geschichte (2000), Dresens Nachtgestalten (1999) und Moores Plus-mi-
nus Null ( 1 998) sind eine Hommage an Brecht wie Berlin, eine Annaherung
an Theater- und Filmkonventionen und Auseinandersetzungen mit einem
Stadt- und Republik-Modell, das eine neue Epoche in der deutschen
Geschichte und doch die immer gleiche anthropologische Misere umreiBt.
Damals wie heute fehlt etwas1 und wahrend Brechts Mahagonny die vollige
Zerstorung und der Untergang im Chaos bevorstand, sehen Loher, Dresen
und Moore den Tanz auf dem jetzigen Berliner Vulkan mit ebensowenig
Zuversicht enden. Loher, Dresen und Moore, die nach dem Mauerfall von
der Dynamik des Wandels anfanglich hoffnungsvoll gestimmt waren,
artikulieren in ihren Werken, genau wie Brecht eine gewisse Entfremdung.
Die hehren Visionen der Stadt als ewigem Ort der Verehrung und der
Produktion von Kultur haben sich nicht bewahrheitet. Die urbanen Diskurse
der 1920er und der Zeit urn 2000 haben trotz ihrer unterschiedlichen
Ausgangssituationen (Prafaschismus bzw. Postkommunimus) ahnliche
Reaktionen auf soziale und politische Veranderungen hervorgerufen, und
betonen, dass die anthropologische Misere, Berlin / Mahagonny iiberall
ist, damals wie heute.2
Obengenannten Interpreten folgend wird sich dieser Beitrag mit
gegenwartigen Mahagonny-Entwiirfen auseinandersetzen, ihren
Einlosungen der Brechtschen Wunschbilder und Katastrophenahnungen,
183
und auf diesem Wege kritische Einblicke in die Anfange der Berliner
Republik vermitteln, die sich wie die spatkapitalistische Einlosung von
Brechts Mahagonny als Stadt wie als Zeit- und Epochenbild ( Weigel 262)
anlassen. Die vorliegende gattungsubergreifende Analyse folgt dem
Verstandnis von Oper und Film als prinzipiell vergleichbaren audiovisuellen
Gesamtkunstwerken (Amidon 223), wobei die genannten Werke der Autoren
und Regisseure verbliiffende Korrespondenzen aufzuweisen haben, die
Brechts Mahagonny fur aktuelle Diskurse wieder zu entdecken helfen.
Berliner Geschichte, eine Kurzgeschichte von Dea Loher, die als
20 Minuten-Monolog auch fur die Biihne bearbeitet wurde, war wegen
mehrerer Masturbationsszenen das Skandal-Stuck des Kulturprogramms
zur EXPO 2000 in Hannover. In dieser Inszenierung symbolisierte ein an
Stahlseilen schwingender Schiffs-Container die diistere Souterrain-
wohnung eines jungen Berliners. Ihm macht der Larm der wiedervereinigten
GroBstadt zu schaffen, und er leidet unter Schlaflosigkeit, da er als Kellner
nachts arbeitet und tagsiiber wegen des immerwahrenden Baustellenlarms
und seines manischen Verfolgungswahns ebenso wenig zur Ruhe kommt.
Er entwickelt einen Hass auf Auslander und andere Neuankommlinge, weil
sie in seinem Mietshaus immer die besseren, helleren Wohnungen
bekommen, und ist ein Waffennarr, der das amerikanische Selbst-
verteidigungsrecht glorifiziert. Seine Rage macht ihn zum AuBenseiter,
dessen Predigten von Jesus Opfertod und Prophezeiungen des
Weltuntergangs, die er sonntags im Hinterhof gen Himmel schreit, niemand
horen will. So wird er trotz der raumlichen Nahe zu seinen Mitmenschen in
dem alten Mietshaus einsam an sich und seinem Hass zugrunde gehen.
Die Berliner Republik der spaten 1990er Jahre hat fur diesen namenlos
bleibenden Zeitgenossen trotz anfanglicher VerheiBungen auf ein besseres
Domizil und soziale Mobilitat nichts zu bieten. Den rasenden
Veranderungen und dem Wandel, den die Stadt ergriffen zu haben scheint,
ohne ihn mitzureiBen, begegnet der Einsame mit zunehmender
Gewaltbereitschaft und Menschenverachtung. Seine Reaktionen sind
paradigmatisch fur Individuen, die das entfremdende und ent-
menschlichende Leben in urbanen Ballungszentren ablehnen, jedoch selbst
ein integraler Teil dieser Gesellschaft sind. Ihre personlichen Katastrophen
und Weltuntergange erleben sie im Alltag und bewegen sich wie ein Abglanz
ihrer selbst durch den Siindenpfuhl. In Berliner Geschichte spiegelt sich
so der Grundungsursprung von Stadten allgemein als Nekropolis, als
Ruhestatte der Toten wider.3 Es ist fraglich, ob es fur den Berliner ein
Erwachen oder einen Morgen gibt. Seine Existenz als Nachtgestalt auf der
Schattenseite der Paradiesstadt bedeutet, dass er dem Tod naher ist als
dem Leben. Doch gerade die Erlosung aus dem Elend, die in Brechts
Mahagonny noch Hoffnung gestiftet haben mag, verweigert Loher ihrem
184
Protagonisten. Die Brechtsche Bestrafungsphantasie vvird bei ihr zu einem
lebenslanglichen Urteil.
Lohers Theaterstiick verbindet mit den folgenden Filmen zunachst
der Sachverhalt, dass ihre Protagonisten nicht zuletzt aufgrund von
Geldmangel in ihren Umstanden gefangen scheinen. Auch in Plus-minus
Null4 stehen die Loser Berlins im Mittelpunkt. Der Film erzahlt von dem
Leben eines Bauarbeiters, Alex, den seine Frau mit ihrem gemeinsamen
Kleinkind verlassen hat. Seinen Unterhaltszahlungen kommt er nicht nach,
vielmehr gibt er sein Geld zwei Prostituierten, die ihn in der Stunde der
groBten Not jedoch, genau wie alle seine anderen vermeintlichen Freunde
verlassen. Aufgrund seiner Schulden steht Alex am Ende an der Schwelle
zum Gefangnis. Bis zu diesem Schritt bestimmten Kneipen, Rotlichtbezirke,
Baustellen und Container die Schauplatze des fortschreitenden Untergangs
des Mittellosen, der sich singend und trinkend von einer Nacht zur
nachsten zu retten versucht, und am Ende von alien stellvertretend fur
ihre Siinden geopfert vvird. Der Film vermittelt das in Dogma-ahnlichen
Szenen,5die das kalte Berlin im Umbruch mit seiner klaffenden Liicke
zwischen reich und arm auf seinem rasenden Weg hin zu mehr zerstorenden
Baustellen zeigen.
Diese Perspektive auf die Verlierer der Wiedervereinigung und
die ausgebliebenen bliihenden Landschaften wird in Dresens Film
Nachtgestalten ervveitert, indem er auch das emotionale Elend der scheinbar
Reichen zeigt. Ahnlich Jim Jarmuschs Spielfilm Night on Earth (1991)
spielt die Handlung in einer Nacht und erzahlt in verwobenen Episoden
die Abenteuer von sechs Hauptfiguren, die in Kombinationen von Paaren
auftauchen. Verbindendes Element ist die Tatsache, dass die Stadt sich
wegen des Besuches des Papstes in einem Ausnahmezustand befindet.
Die obdachlose Bettlerin Hanna schlieBt deshalb nicht aus, dass der
Hundertmarkschein, den ihr jemand in den Hut gelegt hat, ein Geschenk
des Himmels ist. Zusammen mit ihrem Freund Viktor, der auch ohne Arbeit
und Wohnung ist, will sie nun die Nacht in einem Hotel verbringen. Lange
irren die beiden auf der Suche nach einer Herberge wie die biblischen
Maria und Josef durch Berlin und sehen sich immer wieder mit Vorurteilen
konfrontiert.
Im Kontrast dazu lebt der Angestellte Hendrik Peschke scheinbar
ein Leben im finanziellen Oberfluss. In dieser Nacht soil er im Auftrag
seines Chefs einen japanischen Gast vom Flughafen abholen, doch
aufgrund des Chaos am Flughafen verpasst er ihn, trifft stattdessen Feliz,
einen gerade angekommenen Jungen aus Angola, und wird fast die ganze
Nacht lang versuchen, das Asylantenkind bei dem Mann abzuliefern,
dessen Anschrift der Junge auf einem Zettel stehen hat. Dabei begibt sich
der kaufmannische Angestellte in eine Welt, die er nicht kennt, in
85
Wohnblocks mit Neo-Nazis, Kreuzberger Spelunken und setzt sich dem
Verdacht aus, padophil zu sein.6 In dieser Gesellschaft, in der der Mensch
dem Menschen zum Wolf wurde, ist Peschke auf dem Weg zu seinem
beruflichen Todesurteil, da seine Kundigung besiegelt und seine
Begegnung mit Feliz schon in weite Feme geruckt scheint.
Das dritte Paar des Films hat ebenso zufallig wie von begrenzter
Dauer zueinander gefunden. Jochen, ein Bauer aus der mecklenburgischen
Provinz, ist mit dem Zug nach Berlin gekommen,7 weil er in der GroBstadt
etwas erleben will. So frequentiert er den StraBenstrich und verbringt die
Nacht mit einer jugendlichen Prostituierten. Patty, fast noch ein Kind, ist
drogensiichtig und sieht in dem reichen Bauern leichte Beute. Wahrend er
vergeblich versucht, die Kleine zu retten und ihr ein Leben auf dem Land
ausmalt, bestiehlt und verrat sie ihn.
Als Klammer fiir die einzelnen Erzahlstrange der Paare in
Nachtgestalten fungiert der Besuch des katholischen Kirchenoberhaupts,
der in dieser Nacht indirekt allgegenwartig ist. Schon am Flughafen herrscht
groBe Aufregung, nicht zuletzt weil Protest-Teilnehmer mit ihren Plakaten
durch die Wartehalle ziehen. Das allgemeine Verkehrschaos sowie die
Tatsache, dass die meisten Hotels ausgebucht sind, wirken sich auf die
einzelnen Geschichten aus. So konnten Hanna und Viktor in einem
katholischen Hospiz gerade noch unterkommen, weil ein Gast nicht
eingetroffen ist. Als die gottesfiirchtige Empfangsdame jedoch erfahrt,
dass die beiden nicht miteinander verheiratet sind, schickt sie das Paar
wieder in die unwirtliche Finsternis. Selbst in der heruntergekommenen
Wohnung einiger Junkies, in der Jochen mit Patty Unterschlupf findet,
sowie in der Pension, die Hanna und Viktor endlich eine Bleibe gewahrt, ist
der Stellvertreter Christi auf den Fernseh-Bildschirmen prasent. Regisseur
Dresen setzt den Papstbesuch als verbindendes Element aber auch als
Kontrastmittel ein, da das Oberhaupt einer Kirche, der die Nachstenliebe
als oberstes Gebot gilt, die Menschen nur noch scheinbar erreicht.
Botschaft und Verkiinder werden von ihnen nicht mehr bewusst
wahrgenommen, zudem erwarten Menschen wie Hanna, Viktor oder Patty
von der Kirche weder Trost noch Hilfe, so dass die Visite des Papstes ein
reines Schauspiel wird. Somit fangt Nachtgestalten da an, wo Mahagonny
endet, bei der theatralischen Prasenz Gottes, den Plakaten und den
Predigten.
Alle drei Texte haben einen weiteren Protagonisten gemeinsam,
der die Geschehnisse bestimmt, Berlin. Der Wandel in Deutschland seit
dem Fall der Mauer hat besonders in dieser Stadt zu rasanten
Veranderungen gefuhrt. In den Beitragen Lohers, Dresens und Moores
wird aber bereits eine gewisse Resignation spiirbar, mit der viele Kunstler
der neuen Berliner Republik auf „das Chaos und die Kalte der sozialen
186
Erfahrung der ...Zeit" (Karydas und Sagriotis 65) und auf das Ende ihrer
Utopie eines hoffnungsvollen Neuanfangs reagierten. Es war die
Zuversicht auf eine Alternative zu den bestehenden Verhaltnissen, die
Brecht mit den groBen Stadten und Alaska umschrieben hatte, die sich
hier auflost. In Brechts Kosmos verdankt „die Hauptfigur des Stiickes...,
die Stadt" (Weill 103) ihre Existenz den anderen Stadten, sowie der Wiiste,
den Goldsuchern und der Arbeit in Alaska. Bei Loher. Dresen und Moore
ist das Stadtmodell eher als Makrokosmos angelegt, wobei die „Stadt der
Freude" (Brecht, Mahagonny 361) in sich auch die Realitat Alaskas
beherbergt. Ihr Berlin besteht nicht nur aus der Mahagonschen
Vergntigungsmeile, vielmehr ist es sozial fragmentiert, ..wirtschaftlich
zersplittert in Zonen kalten Kapitalismus am Potsdamer Platz und in die
okonomisch toten Peripherien" (Harms 9). Wenn Alex seiner Freundin die
Baustelle des Sony Centers zeigt, die in ihrer Abvvesenheit von Geschichte
an den Entstehungsort Mahagonnys erinnert, fragen sich beide: „Wie das
wohl aussehen wird, wenn es fertig ist?" „Sehr groB und sehr sauber",
meint Chantalle, „da miissen wir uns Schick anziehen, damit sie uns
reinlassen." Doch beiden Figuren muss klar sein, dass dieses Berlin, das
da gerade im Entstehen ist, nicht mehr ihre Stadt sein wird. Sie werden in
das neue Zentrum, welches sich als Hort der Feinen und Reichen neu
kreiert und erfindet. nicht mehr passen.
Diese sozialen und kulturellen Briiche, die bereits Brechts
Mahagonny bedingten, fordern Opfer und gerade Loher zeigt mit ihrer
Reduktion auf eine Person in Berliner Geschichte das Leben in der
„Netzestadt" (Brecht, Mahagonny 336) als Falle. Dem dunklen ErdgeschoB
neben den Mulltonnen kann ihr Anti-Held ohne Geld nicht entfliehen, er
ist somit zum Scheitern verurteilt. Selbst der Riickzug in die eigenen vier
Wande wird aufgrund der Verletzungen der Privatsphare durch Larm und
Nachbarn unterbunden. Die Stadt zwingt dem Einsiedler ihren Rhythmus
auf. Als Konsequenz aus dieser Tatsache haben die Regisseure in
Nachtgestalten und Plus-minus Null als Schauplatze bevvusst Orte des
Uberganges, des Ankommens und Wegfahrens, des Transits gewahlt. Ihr
Berlin wird von Bahnhofen, Stundenhotels, Pensionen, Gaststatten.
Flughafen und HauptstraBen dominiert, so wie sich auch in Mahagonny
keine Privatraume sondern nur Allgemeinplatze finden. Damals wie heute
sind diese Statten die Symbole einer Gesellschaft, die im steten Wandel
und in Bewegung ist, in einer Transformation, die in Mahagonny wie
Berlin von den Wunschen der Bewohner angefacht wird. Die Aura der
Metropole lockt weiterhin Landfliichtlinge, minderjahrige Prostituierte,
Obdachlose, Kleinganoven, aber auch Asylbewerber in die „Paradiesstadt"
(Brecht, Mahagonny 338), die fur sie nicht weniger als Mahagonny
eingangs analog ist zum „Gelobten Land, in dem.. .Milch und Honig, [oder]
187
,Gin und Whisky' fliefien." (Sehm 86). Von dem dynamischen Wandel der
GroBstadt erhoffen sie sich auch eine grundlegende Veranderung ihrer
personlichen Verhaltnisse. Der amerikanische Traum, vom Tellerwascher
zum Millionar aufzusteigen, ist fur sie mit dieser Statte verbunden, da
Berlin nicht zuletzt durch die Baustellen als ein Ort im Umbruch jedoch mit
einem enormen Wohlstandsgefalle wahrgenommen wird, das ihnen selbst
soziale Mobilitat verspricht. Diese Beweglichkeit und Bewegung wird aber
weniger von den Machtigen angestrebt; vielen blieb — denkt man konkret
an Deutschland nach 1989 — die Fata Urbana ungeheuer. So hat sich auch
die historisch so signifikante Ostorientierung nach der Wiedervereinigung
nur nach langem Fiir und Wider knapp in der Abstimmungsmehrheit fur
den Umzug des Bundestages nach Berlin, d.h. zogerlich mit der
Hinwendung zu Deutschlands einziger Metropole manifestieren wollen.
Als wenn die jiingste deutsche Geschichte sich der Prophezeiung
Mahagonnys fugte, hat die Realitat die Fiktion eingeholt: „Auf nach
Mahagonny / Der Ostwind, der geht schon / Dort gibt es frischen
Fleischsalat / Und keine Direktion." (Brecht, Singspiel 325). Mit der
Ansiedlung der Regierung und Regierenden an der Spree-Baustelle war in
den 1 990er Jahren so eine neue Berliner Republik8 geboren, deren Politiker
bemiiht waren, sich von alten Assoziationen Berlins ( Weimarer Republik,
Hitlers Germania, etc.) zu losen und auf die Signalwirkung eines neuen
Anfangs zu setzen. Dem Standortwechsel folgten Wortschmiede mit
werbewirksamen Verpackungen und Programmen. Doch die Vermarktung
der Idee der Berliner Republik wurde eine schwierige Aufgabe, da das
Etikett mit seinen politischen und national-geografischen Anspielungen
fur viele Bundesbiirger nicht deckungsgleich mit tatsachlichen Stimmungs-
und Bewusstseinslagen war: „Das Logo , Berliner Republik' ist eine pure
Medienerfindung und mithin eine Chimare" (Hanns 9). Die Bezeichnung
Berliner Republik wird deshalb a la Mahagonny als misnomer9 und
Kunstbegriff kritisiert: „Mahagonny — das gibt es nicht. / Mahagonny —
das ist kein Ort. / Mahagonny — das ist nur ein erfundenes Wort" (Brecht,
Singspiel 331). Trotz oder gerade wegen dieses Utopiecharakters haben
Mahagonny und Berlin eine gewisse Attraktivitat, zumindest anfanglich,
wie man an den Protagonisten Paul (Mahagonny), Jochen (Nachtgestalten)
und Alex {Plus-minus Null) sieht, deren Lebensabschnitts-Parallelen
augenscheinlich sind. Sieben Jahre hat Paul Ackermann gearbeitet und
gespart, um nach Mahagonny zu kommen (Brecht, Mahagonny 352).
Jochen hat sieben Jahre einer Landfrau den Hof gemacht, die dann jedoch
einen anderen geheiratet hat. Diese Enttauschung treibt ihn nach Berlin
und in die Arme einer Prostituierten. „Etwas Schlechteres gab es nicht /
Und etwas Diimmeres fiel [ihm] nicht ein /Als hierherzukommen." (Brecht,
Mahagonny 352). So wie sich in Dresens Nachtgestalten der
188
mecklenburgische Bauer Jochen nach Berlin aufmacht, urn seinen SpaB zu
haben, zieht es die Arbeiter aus Alaska nach Mahagonny. Angetrieben
durch die finanzielle Grundlage — „Denn vvir haben heute hier / Untenn
Hemde Geldpapier" (Brecht, Mahagonny 325) — machen sie sich an die
VervvirkJichung der VerheiBung aus dem Alabama-Song: „Show us the way
to the next whisky-bar..., to the next pretty girl . . .to the next little dollar"
( Brecht, Mahagonny 326). In seinem Gedicht „Das gute Zeitalter" aus dem
Jahre 1924 beschreibt Brecht die Konstanten eines wunderbaren
Mannerdaseins wie folgt: „Karten... viel Tabak / Und die Squaw war immer
kuhwarm... / Abends trinken in der Sherry Brandy Kneipe" (287). So wird
Jochen von dem Taxifahrer auch gleich verstandnisvoll empfangen: „Du
willst also mal einer anderen Kuh ans Euter fassen...". Wie Alex in Plus-
minus Null auf der Suche nach Wein, Weib und SpaB ist, finden Paul
(Mahagonny) und Jochen (Naehtgestalten) bei Stricherinnen kurzfristig
ihr Gliick; Jochen landet in den Fangen des StraBenmadchens Patty, Paul
bei Jenny, Alex bei Maria und spater Chantalle. Doch die Frauen
interessieren sich alle weniger fur die Manner, als dafiir, was diese ihnen
ermoglichen konnen. Die Erwartungen und Anspriiche sind seit Brechts
Zeiten gestiegen. Jenny wollte bare Miinze, Patty will bereits Geld und
Drogen, Maria braucht zudem auch eine Heiratsurkunde, um ihren
Aufenthalt in Deutschland zu legalisieren. Die Frauen arbeiten konsequent
an der Umsetzung ihrer Wiinsche, wobei ihre Abgebriihtheit mit der
vorsichtig-zartlichen Haltung von Alex, Jochen und Paul kontrastiert wird.
Alex und Jochen sind offensichtlich im Umgang mit Prostituierten eher
unerfahren und schiichtern-zuriickhaltend wie Paul (vgl. Brecht,
Mahagonny 345-6), doch bevor sie sich besinnen, werden sie von Jenny
/ Patty / Maria betrogen und verraten, so dass Paul Ackermann in
Mahagonny wie auch Jochen und Alex einsehen miissen: „...als ich diese
Stadt betrat, um mir mit Geld Freude zu kaufen, war mein Untergang
besiegelt. Jetzt sitze ich hier und habe doch nichts gehabt. ... Die Freude,
die ich kaufte, war keine Freude, und die Freiheit flir Geld war keine Freiheif
(Brecht, Mahagonny 386). Paul und Jenny (Mahagonny) werden genauso
wenig wie Jochen und Patty (Naehtgestalten) glucklich werden. ein
romantisches Ende auf dem Bauernhof gibt es nicht. Das verhindert die
existentielle Bindung an den Mammon, die vor alien anderen Verhaltnissen
Vorrang hat. „Geld, um das sollst du dich riihren! / Das Geld ist gut. Auf
das Geld gib acht!... Ohne Geld miissen dich deine Kinder verstecken...
Ohne Geld erwirbst du keinen Ruhm. ...Geld ist Wahrheit. Geld ist
Heldentum. ...Das Geld wird iiber Gott gestellt." (Brecht, „Geld" 333).
Gemeinsam ist diesen Stadt-Entwiirfen somit auch ihre Kapitalismuskritik.
Sie alle erzahlen von einer Welt, in der „Mangel an Geld... das groBte
Verbrechen ist" (Brecht, Mahagonny 381). Schon Adorno sah in Brechts
189
Mahagonny-Entwiirfen eine „Darstellung des Kapitalismus... genauer die
seines Untergangs an der Dialektik der Anarchie, die ihm innewohnt"
(133). Eine dezidierte Kapitalismuskritik findet sich unstreitig bereits in
Brechts Gedicht „Ane Smith erzahlt die Erobernng Amerikas" aus dem
Jahr 1 924. Hier reflektiert er die Siedlungsgeschichte der Vereinigten Staaten
kritisch, indem er auf die indianischen Ureinwohner und ihr Leben im
Einklang mit der Natur verweist. Die Ankunft des weiBen Mannes brachte
dieses Aquilibrium aus dem Gleichgewicht. Dazu trugen Alkohol, Morde
und missionarischer Eifer bei,'°aber auch der Gold- und Olrausch und die
Verstadterung." Der Fortschritt hat einen hohen Preis,12 doch der
Hegelschen Logik folgend fand sich zu dieser Anti-These damals noch
kein positives Gegenbild oder eine Synthese verschiedener Alternatives
Vielmehr scheint Brechts „Stadt-Stiick" (Neumullers 44), bereits urn und
vor 1926 entstanden, d.h. vor seiner Auseinandersetzung mit dem
Marxismus, nur eine Definition ex negativo anzustreben.13 Sein
kapitalistisches Schreckbild der Aufhebung einer „Trennung zwischen
Diesseits und Jenseits" (Weigel 254) entstand folglich in einer Phase, in
der sich Brecht von seiner wohlsituierten elterlichen Protektion und der
provinziellen „Frommigkeit mit ihrem Daseinsdilettantismus" (Sehm 85)
befreien wollte, jedoch noch nicht einem dogmatischen Gegenentwurf
aufgesessen war. Fur Loher, Dresen und Moore ist es die Zeit nach dem
Untergang der DDR, mit der die marxistische Utopie gestorben zu sein
scheint. So beschranken sich alle auf die Kritik an den bestehenden
ausbeuterischen Verhaltnissen einer exemplarischen „Netzestadt'k (Brecht,
Mahagonny 336), die Menschen mit ihren Fadenverschlingungen zum
Verhangnis wird. Besonders Jochen ist dieses Schicksal beschieden. Der
gute Mensch in Nachtgestalten, der jedem Bettler groBziigig Geld gibt,
scheint wie Paul Ackermann die naive Verkorperung eines christlichen
Zeitgenossen zu sein. In den Darstellungen Paul Ackermanns und Jochens
sind Motive aus der Passion Christi erkennbar. Sie sind dem Zimmermann14
aus der christlichen Religion als Holzfaller bzw. Bauer schon beruflich
artverwandt. Diesem frommen Leitmotiv folgend bietet Jochen Patty ein
Leben auf dem Land an, doch sie beutet ihn aus, liefert ihn in einem unfairen
Boxkampf an ihre Freunde aus, und wirft schlieBlich auch noch den Zettel
mit Jochens Telefonnummer in den Hut eines StraBenmusikanten. Ihre
Gleichgiiltigkeit kommt insofern einem Todesurteil gleich.
Ahnliches gilt fur Alex, der Chantalle durch die Option auf einen
Wohnwagen und die Existenz als Schaustellerin einen Weg aus der Stadt
weisen will. Allerdings kommen Alex, Jochen wie Paul zu spat, um noch
etwas zu retten und werden am Schluss selbst geopfert. Das Ende antizipiert
Paul Ackermanns Kassandraspruch — „Wenn der Himmel hell wird, beginnt
ein verdammter Tag" (Brecht, Mahagonny 375) — ebenfalls in Verkehrung
190
eines biblischen Vorbilds, wenn man an die Erschopfung der Erde (Gen-
esis 1.3-4) als Kontrastfolie denkt.15 Dies wiederum korrespondiert bei Alex
(Plus-minus Null) sowie Peschke, Viktor und Jochen (alle aus
Nachtgestalten) damit, dass auch sie in Kiirze feststellen werden, dass ihr
Tag nicht weniger vernichtend sein wird. Gleichfalls duster erscheint das
Schicksal der Frauen. Patty in Nachtgestalten lebt dem goldenen Schuss
entgegen, Maria (Plus-minus Null) der Ausweisung und die obdachlose
Hanna (Nachtgestalten) dem Verlust ihres zweiten Kindes. Hanna, „[l]edige
Kindesmutter, abgeurteilt" (Brecht, „Kindesmorderin" 46), ist Brechts Marie
Farrar vergleichbar. Als Hanna ohne Fahrkarte und Ausweispapiere in der
U-Bahn erwischt wird, nimmt die Polizei sie sofort in Gewahrsam. Ihr Man-
gel an Geld wird von den Ordnungshutern sofort mit Respektlosigkeit
beantwortet. In Anbetracht dieser Vorurteile wird sich ihr Leben nicht
andern, d.h. trotz des 100 Mark-Scheins, der Hanna und Viktor einmalig
eine Obernachtung in einer menschenwurdigeren Umgebung sichert, wird
sich ihre Situation nicht grundlegend verbessern. „Einige Menschen haben
ein Nachtlager / Der Wind wird von ihnen eine Nacht lang abgehalten /
Der ihnen zugedachte Schnee fallt auf die StraBe / Aber die Welt wird
dadurch nicht anders / Die Beziehungen zwischen den Menschen bessern
sich / Dadurch nicht / Das Zeitalter der Ausbeutung wird dadurch nicht
verkiirzt" (Brecht, „Nachtlager" 137). Die Aussichten sind allgemein
duster — „Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten!" (Brecht, „Nachgeborenen"
85). Dies gilt fur Berliner Geschichte, Nachtgestalten genauso wie fur
Plus-minus Null, deren Handlungen sich zumeist nachts, drauBen und in
der Kalte abspielen. Dergleichen reflektiert fur Loher, Dresen und Moore
wie bereits flir Brecht die Wirklichkeit, „Weil unser Land zerfressen ist /
Mit einer matten Sonne drin / Spie es uns aus in dunkle StraBen / Und
frierende Chauseen hin. ...Im Regen und im dunklen Winde / War Schlaf
uns schon auf hartem Stein. / Der Regen wusch die schmutzigen Augen /
Von Schmutz und vielen Siinden rein" (Brecht, „Soldaten" 48). In dieser
menschenfeindlichen Umgebung sind Wert und Wiirde des Einzelnen
dezimiert: „Lobet die Nacht und die Finsternis, die euch umfangen! ...Lobet
die Kalte, die Finsternis und das Verderben! / Schauet hinan: Es kommet
nicht auf euch an / Und ihr konnt unbesorgt sterben." (Brecht,
„Dankchoral" 77). Die Protagonisten sind in den Augen der Gesellschaft
bereits gestorben, und ihr Schicksal ist denen, die gut „gebar[en] in
sauberen Wochenbetten" gleichgiiltig (Brecht, „Kindesmorderin" 46). In
ihrer Verzweiflung sind die VerstoBenen unempfanglich flir Heucheleien
der christlichen Kirche, die in Nachtgestalten durch den allgegenwartigen
Papst als Kontrapunkt gesetzt werden. Wahrend die Ankunft Gottes in
Mahagonny als Spiel im Spiel erfolgt, vollzieht sich der Papstbesuch in
Berlin nicht weniger als Theater. Und trotz der subtilen Veranderungen,16
191
wonach die Visite des Pontifex eines grauen Abends, mitten im
Alltagsgeschehen, keineswegs unbemerkt vonstatten geht, ist die
Botschaft der Autoren dieselbe. Die christliche Lehre erscheint
unrealistisch und weltfremd, wenn man das Naturell der Erdenbewohner
und ihre personlichen Antriebe bedenkt. Die Mahagonschen Inschriften
zur „Bannung aller Leidenschaften und Triebe" (Brecht, Mahagonny 87),
die ironisch auf die steinernen Erlasse, „die mosaischen Tafeln des Alten
Testaments mit ihren Zehn Geboten" (Sehm 85) hinwiesen, empfand Brecht
als lebensfeindlich. Sie vereiteln es dem Menschen, Mensch zu sein,
weshalb Paul Ackermann zu der Erkenntnis kam: „Oh, Jungens, ich will
doch gar kein Mensch sein." (Brecht, Mahagonny 351). Dem folgen bei
Brecht ein Credo zum christlichen Ungehorsam und die fortschreitende
Entmenschlichung der Verhaltnisse, „durch und durch negative Theologie"
( Dieckmann 70). Der Religionskritik schlieBen sich Loher, Dresen und Moore
an, wenn sie die Institution Kirche kritisieren und in den religiosen Praktiken
eher ein Schauspiel in Aktion sehen. Und doch wollen sie, mehr als Brecht,
etwas von der christlich-humanistischen Botschaft bewahren. Wahrend
Brechts Mahagonny mit der Holle gleichgesetzt wird,17 ist das
zeitgenossische Berlin fur sie nicht bar aller Hoffnung. So sind in den
meisten Charakteren konzeptionelle Briiche und Wandlungen angelegt,
z.B. wenn Patty aus Nachtgestalten sich — „obwohl sie so cool ist und ein
hartes Leben hat," (Dresen 1 ) — ein Herz nimmt und Jochen nicht komplett
ins Verderben schickt: „[S]ie steckt diesem Bauern 1 00 Mark zuriick, obwohl
sie genau weiB, sie muss dafiir wieder anschaffen gehen. ... Fur Patty ist
das ... ein Akt der Gnade, im weitesten Sinne etwas, was mit Religiositat zu
tun hat." (Dresen 1). Peschke, der in dieser Nacht, einen Alptraum zu
durchleben scheint, erkennt gleichzeitig, dass diese Erfahrungen sein Leben
unfreiwillig bereichern und ihm vor Augen fuhren, wie verarmt er in
Wirklichkeit ist. Erst durch den kleinen Asylanten sieht sich Peschke zum
ersten Mai seit langem zu einer Gefuhlsregung und zu korperlicher Warme
verleitet. Der Protagonist in Berliner Geschichte muss seiner eigenen
Logik folgend, wenn er Berlin in seinen Predigten verdammt, Amerika, das
er verherrlicht,18 als gelobtes Land wahrnehmen. So bewahren sich alle
Figuren in ihrem Denken oder Handeln eine positive Gegenwelt, die auch
dem Glauben noch eine Chance lasst.
[A]m Sonntagvormittag, das fiihlte er [Protagonist in
Berliner Geschichte], mussten sie ihm zuhoren. Er stand
im Hinterhof und predigte in den engen Himmel hinauf.
Sie sollten verstehen, dass Jesus fur sie gestorben war;
es gab jetzt keinen Gott mehr, aber er war einer der letzten
Junger, und bereit, die Welt vor der Apokalypse zu retten.
Wenn sie ihm nur zuhoren wollten (Loher 149).
192
Dieser Prediger sieht sich nicht weniger als Junger und
Lebensretter, als es Jochen, Alex oder Paul tun. Doch es ist klar, dass
weder ein Allvater noch ein Primas die Welt verandern werden. Dieses
Hirngespenst verwarf bereits Brecht, wenn er polemisierte: „Gott, das war
das hohe C der Romantik ...die Zuflucht der Sterbenden und der Morder"
(Brecht, „Gott" 43). Fur Loher, Dresen und Moore ist es nun vielmehr der
Glaube an einen Funken Anstand im Menschen selbst. So formuliert Dresen:
„Das ist doch etwas, was einen iiber die Widrigkeiten des Alltags hinweg
tragen kann, indem es wie in einem Boot iiber den Ozean fiihrt" (Dresen 1 ).
Wenn Brechts Menschenbild besagt, Erdenburger seien wie Hurrikane
und Taifune,|q verteidigt er das gottliche Strafgericht: „Sodom und
Gomorrha diirfen assoziiert werden: denn ...zwei Stiidte, Atsena und
Pensacola, werden vom Taifun vernichtet" (Sehm 88). Das Ende
Mahagonnys ist bei Brecht nur eine Frage der Zeit, indessen differenzieren
Loher, Dresen und Moore hier. Nach ihrem Verstandnis ist jede Kreatur in
der Tat wie bei Brecht zumeist gezwungen, aufgrund ihrer Verhaltnisse
egoistisch zu sein, doch es gibt Situationen, in denen man iiber seinen
Status hinauswachsen kann. Wenn uns Dresen als ersten Eindruck die
Perspektive eines Vierbeiners auf Berlin zeigt, so berichtet er auch im
folgenden von dem Hundeleben der Biirger, wiewohl nicht ohne Verweise
auf Momente des Gliicks.
Am Schluss des Films Nachtgestalten konzentriert sich die
Aufmerksamkeit auf eine Gruppe von Punks, der alle Hauptfiguren des
Films einmal begegnen.2" Diese Somnambulen fahren mit Peschkes Auto
wie die Goldsucher aus Mahagonny zur Kiiste. Nachdem das Auto
„kaputf ist, bietet sich fur diese Anarchisten die gleiche Option an wie fur
die Witwe Begbick, eine neue Stadtgriindung und somit eventuell eine
Perpetuierung der Verhaltnisse. Doch wenn Dresen die Punk-Gruppe an
der Ostsee zeigt und die Augen eines Jugendlichen wie im Zwiegesprach
mit dem Betrachter Kontakt suchen, gibt es einen Hoffnungsschimmer,
dass die nachste Generation es besser machen moge: „Ihr, die ihr auftauchen
werdet aus der Flut / In der wir untergegangen sind / Gedenkt / Wenn Ihr
von unseren Schwachen sprecht / Auch der finsteren Zeit / Der ihr
entronnen seid. /... Ihr aber, wenn es soweit sein wird / DaB der Mensch
dem Menschen ein Heifer ist / Gedenkt unsrer / Mit Nachsicht" (Brecht,
„Nachgeborenen" 87). So wie in Brechts Mahagonny der Eskapismus die
Zecher mit einem umfunktionierten Billardtisch auf das Meer treibt,21 und
Dreieinigkeitsmoses mit der Kiiste kurzzeitig Hoffnung verbindet,22 so ist
die Fahrt der Punk-Gruppe an die Ostsee eine Freude von geringer Dauer.
Die Landschaft entpuppt sich als neue Wiiste, sie hat auBer Weite und
Einsamkeit nichts zu bieten.23 Wahrend die Jugendlichen beim Anblick
des brennenden Wagens eher fragend als zuversichtlich in die Gegend
193
blicken, haben auch die Einwohner Mahagonnys keine gesicherten
Aussichten. Fur Loher, Dresen und Moore, die nach dem Mauerfall von
der Dynamik des Wandels anfanglich hoffnungsvoll gestimmt waren,
zerplatzten diese Knabenmorgenbliitentraume,24 wie sie anhand ihrer meist
mannlichen Charaktere verdeutlichen, als wollten sie Brechts Kommentar
erneuern: „K6nnen uns und euch und niemand helfen" (Brecht, Mahagonny
389). Die hehren Visionen der Stadt als ewigem Ort der Verehrung und der
Produktion von Kultur, als Hort der menschlichen Interaktion, des Dia-
logs,25 gemaB dem Motto, „City makes citizens" (Mumford 1 14), haben
sich nicht bewahrheitet. Die „SpaBgesellschaft" in Mahagonny wie in der
Berliner Republik der 1990er Jahre (Briins 396) hat keine anhaltende
Befriedigung gebracht. Am Schluss stehen bei Loher, Dresen, Moore und
Brecht das menschliche Versagen und Unterlassen von Hilfeleistung,2'1
als wollten sie betonen, dass die anthropologische Misere, Berlin /
Mahagonny uberall ist.
Endnotes
1 Paul Ackermann: „Aber etwas fehlt." Bertolt Brecht, Aufstieg und Fall
der Stadt Mahagonny in: Grofie kommentierte Berliner und Frankfurter
Werkausgabe, Stiicke 2, Bd. 2 (Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1 988) 349.
2„It is reductive to see Mahagonny as the Berlin of the Weimar Republic;
and it is unnecessary. For Brecht has adequately defined, if not the locale
of his action, certainly all the motives propelling his characters, without
any recourse to 'general1 attributes of human nature." Rowland Cotterill,
"In defence of Mahagonny", Culture and Society in the Weimar Repub-
lic (Manchester: Manchester UP, 1977) 197. „Die Stadt ist bei ihm kein
lokalisierbarer Platz, iiber dem der Fernsehturm blinkt, sondern ein
gefahrliches Labyrinth. Flure, Tiiren hinter Turen, StraBenfluchten und
nacktes Fleisch in einem harten Licht. Berlin, das schlagt wie ein Herz und
tickt wie eine Bombe. Eine Stadt, in der Menschen wohnen, die sich nicht
begegnen mussen." Andreas Dresen, „Interview mit Andreas Dresen",
Mai 2003., <http://www.jump-cut.de/ knoererkompass-regisseure-
andreasdresen.html.>
3 „...the dead were the first to have a permanent dwelling: a cavern, a
mound marked by a cairn, a collective barrow. These were landmarks to
which the living probably returned at intervals, to commune with or pla-
194
cate the ancestral spirits. Though food-gathering and hunting do not
encourage the permanent occupation of a single site, the dead at least
claim that privilege. ...The city of the dead antedates the city of the liv-
ing." Lewis Mumford, The City in History. Its Origins, its Transformations
and its Prospects. (Peregrine: Reading, 1987) 15.
4 Das mehrfach preisgekronte Spielfilmdebut des in Berlin lebenden Iren
Eoin Moore wurde mit einem Budget von 60.000 DM in nur 1 1 Tagen
gedreht.
? In der Nachfolge des danischen Regisseurs Lars von Triers und seines
DOGMA Bekenntnisses (1995) wurden Techniken des „Live Cinema"
verwandt. So erlaubte Dresen den Akteuren viel Spielraum fur
Improvisationen, und alle Szenen wurden mit Digitalkameras und ohne
Stative gedreht.
6 Vgl. die Mahagonnischen Mannerphantasien von "Madchen und
Knaben", Brecht, Mahagonny 336.
7 In Mahagonny singen Jenny und die sechs anderen Madchen: „Und [die
Manner] kommen, die Jacketts zum Platzen voll Banknoten / Auf ihren
Extraziigen an und sehen: Mahagon." Ibid. 345.
*„1995 hatder Journalist Johannes Gross die , Berliner Republik' imTitel
seines gleichnamigen Buches vielleicht nicht begriindet, aber doch
popularisiert. Bald darauf miihte sich Jurgen Habermas in seiner Frank-
furter Paulskirchenrede zum 50. Jahrestag der deutschen Kapitulation und
Befreiung urn die Fundierung einer Staatsmoral, die auch nach dem Umzug
Geltung haben konnte. Seitdem ist die , Berliner Republic ein ebenso viel
gebrauchter wie schillernder Debattenbegriff." Matthias Heine, „Die
Maskenspiele der Berliner Republik", Die Deutsche Biihne: Hintergriinde
2 (2000): 13.
4 „Wenn es denn eine Zeit gab in Deutschland, welche die Bezeichnung
, Berliner Republik' verdient hatte, dann war es jene 14-jahrige Epoche von
1919 bis 1933, die man bekanntlich als ,Weimarer Republik' kennt. Diese
Weimarer , Berliner Republik' existierte in einer Zeit voller gesellschaftlicher
Polarisationen und Konflikte, aber eben auch voller kultureller
Prosperitaten." Klaus B Harms, „Deutschland 1999. Berliner Republik?",
DIE DREI. Magazin fur Anthroposophie in Wissenschaft, Kunst und
sozialem Leben 6 ( 1 999): 9.
195
10 „Ging voruber der weiBe Mann..., / Mit feurigem Wasser, Eisenklotzen
und dem guten Buch Bibel." Brecht, Bertolt, „Ane Smith erzahlt von der
Eroberung Amerikas", Grofie kommentierte Berliner und Frankfurter
Werkausgabe, Gedichte3, Bd. 13 (Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1993)286.
" „Die Fliisse teilten sich und der weiBe Mann / Hob aus ihnen das gelbe
Metall / Und der Boden zerriB unter seiner Hand / Und es lief aus ihm das
goldene Ol und ringsum / Wuchsen aus faulendem Gras die holzernen
Hiitten / Und aus den Hiitten von Holz / Gebirge aus Stein, die waren /
Stadte geheiBen" Ibid.
12 „Biiffel und roter Mann / Waren gestorben, aber / 01, Eisen und Gold gab
es mehr als Wasser / Und mit Musik und Geschrei saB das weiBe Volk / In
den ewigen Prarien aus Stein." Ibid. 287.
13 „Setzt man 1926 oder ein friiheres Jahr als Entstehungsdatum der
Mahagonny-Konzeption an, so ist es ...nicht weiter verwunderlich, daB
die marxistisch-engagierte Kritik seit jeher dem Stuck ablehnend
gegeniiberstand, weil sie das positive Gegenbild zur Lasterstadt vermiBte,
den profunden Gesellschaftsentwurf, der 1 930 fur Brecht durchaus moglich
gewesen ware, nicht aber schon 1 926." Gunter G. Sehm, „Moses, Christus
und Paul Ackermann. Brechts Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny",
Brecht-Jahrbuch (Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1976) 84. Vgl. auch
„Wesentliche Teile der Theorie des epischen Theaters und der
Uberlieferungen zur epischen Oper werden wahrend bzw. unmittelbar nach
der Arbeit an der Mahagonny-Oper formuliert." Kommentar zu Aufstieg
und Fall der Stadt Mahagonny, Grofie kommentierte Berliner und Frank-
furter Werkausgabe, Stticke 2, Bd. 2., hrsg. Werner Hecht, Jan Knopf,
Werner Mittenzwei, und Klaus-Detlef Miiller (Frankfurt a.M.: Suhrkamp,
1988)457.
14 Auch Brecht selbst bekennt sich urn 1 936 zu dieser Profession als seinem
Traumberuf: "Ich bin Stiickeschreiber. Eigentlich ware ich gern Tischler
geworden." Bertolt Brecht, Journale 1, Grofie kommentierte Berliner und
Frankfurter Werkausgabe, Band 26 (Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1994).
304.
15 „Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, daB
das Licht gut war." Genesis, 1.3-4.
16 „An einem grauen Vormittag / Mitten im Whisky / Kam Gott nach
196
Mahagonny / Mitten im Whisky / Bemerkten wir Gott in Mahagonny"
Brecht, Mahagonny. 384.
17 „An den Haaren / Kannst Du uns nicht in die Holle ziehen: Weil wir
immer in der Holle waren." Ibid. 33 1 .
18 „In Amerika war auch das anders, wie dort iiberhaupt alles anders, das
meiste besser war. In Amerika hatte er sich schon langst eine echte Waffe
besorgen konnen, vielleicht sogar mehrere, und miisste nicht mit so einer
lacherlichen Gaspistole herumlaufen, die sowieso keinen Kenner
abschrecken wiirde." Dea Loher, ^Berliner Geschichte", Magazin des
Gliicks (Frankfurt a.M: Verlag derAutoren, 2002) 148.
19 Paul „Er muB zerstoren, was da ist. . . . Was ist der Taifun an Schrecken /
Gegen den Menschen, wenn er seinen SpaB will?" Brecht, Mahagonny,
356. „Denn was er [der Taifun] an Schrecken tuen kann, / Das konnen wir
selber". Ibid. 357. Begbick „Schlimm ist der Hurrikan, / Schlimmer ist der
Taifun, / Doch am schlimmsten ist der Mensch." Ibid. Diese Idee findet
sich bereits 1925 in dem Gedicht „Song zur Beruhigung mehrerer Manner".
Darin heiBt es: „...groBe Leute .../ Machen groBen Schaden / Hurrikane
Liber Florida sind nicht / Was von Euch ein Hauch!" Bertolt Brecht, „Song
zur Beruhigung mehrerer Manner", Grofie kommentierte Berliner und
Frankfurter Werkausgabe, Gedichte 3, Bd. 13 (Frankfurt a.M.: Suhrkamp,
1993)321.
20 Das Madchen mit der roten Irokesen-Frisur ist am Raub von Jochens
Reisetasche ebenso beteiligt wie am Diebstahl von Peschkes Auto;
wahrend der Fahrt im gestohlenen Fahrzeug treffen sie auf Hanna, wobei
sich der Kreis schlieBt. Des weiteren ist der Taxifahrer, der Jochen abholt.
auch der Chauffeur fur Hanna und Viktor sowie fur den mittlerweile
autolosen Peschke.
21 Paul „Meine Herren, besteigen wir diesen Kahn / Zu einer kleinen Fahrt
auf dem Ozean!" Brecht, Mahagonny, 370.
:2„Oben an der Kiiste wird aber doch Gold gefunden." Ibid. 335.
23 Willy / Fatty die Kiiste, die ist lang." (Brecht, Mahagonny, 335).
24 Dieser Neologismus Goethes aus dem Gedicht „Prometheus" passt auf
die Charaktere Paul Ackermann wie die mannlichen Protagonisten der hier
197
besprochenen Werke von Loher, Dresen und Moore fur die es kein gutes
Erwachen geben wird.
2\,What we call morality began in the mores, the life-conserving customs,
of the village." Lewis Mumford, The City in History. Its Origins, its Trans-
formations and its Prospects (Peregrine: Reading, 1987) 24.
26„. . .failure in the most basic of social functions - mutual help." Rowland
Cotterill, „In defence of Mahagonny", Culture and Society in the Weimar
Republ 7c, hrsg. Keith Bullivant (Manchester: Manchester UP, 1977) 190
Works Cited
Adorno, Theodor W. „Mahagonny" [1930], Moments musicaux. By
Theodor W. Adorno. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1964.
Brecht, Bertolt. Aufstieg and Fall der Stadt Mahagonny. Grofie
kommentierte Berliner und Frankfurter Werkausgahe, Stiicke
2. Vol. 2. Ed. Werner Hecht, Jan Knopf, Werner Mittenzwei, und
Klaus-DetlefMiiller. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1988. 333-392.
Brecht, Bertolt. Mahagonny. Singspiel. Grofie kommentierte Berliner
und Frankfurter Werkausgahe, Stiicke 2. Vol. 2. Ed. Werner Hecht,
Jan Knopf, Werner Mittenzwei, und Klaus-Detlef Midler. Frank
furt a.M.: Suhrkamp, 1 988. 323-33 1 .
Brecht, Bertolt. „Von der Kindesmorderin Marie Farrar". Hauspostille.
Grofie kommentierte Berliner und Frankfurter Werkausgahe,
Gedichte 1. Vol. 1 1. Ed. Werner Hecht, Jan Knopf, Werner
Mittenzwei, und Klaus-DetlefMiiller. Frankfurt a.M.: Suhrkamp,
1988.38-120.
Brecht, Bertolt. „Gesang des Soldaten der Roten Armee". Hauspostille.
Grofie kommentierte Berliner und Frankfurter Werkausgahe,
Gedichte 1. Vol. 11. Ed. Werner Hecht, Jan Knopf, Werner
Mittenzwei, und Klaus-DetlefMiiller. Frankfurt a.M.: Suhrkamp,
1988.38-120.
Brecht, Bertolt. „GroBer Dankchoral". Hauspostille. Grofie kommentierte
Berliner und Frankfurter Werkausgahe, Gedichte 1. Vol. 11. Ed.
198
Werner Hecht, Jan Knopf, Werner Mittenzvvei, und Klaus-Detlef
Mullen Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1988. 38-120.
Brecht, Bertolt. „An die Nachgeborenen ". Grofie kommentierte Berliner
und Frankfurter Werkausgabe, Gedichte 2. Vol. 12. Ed. Werner
Hecht, Jan Knopf, Werner Mittenzvvei, und Klaus-Detlef Miiller.
Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1988. 85-7.
Brecht, Bertolt. „Ane Smith erzdhlt von der Eroberung Amerikas ". Grofie
kommentierte Berliner und Frankfurter Werkausgabe, Gedichte
3. Vol. 13. Ed. Werner Hecht. Jan Knopf, Werner Mittenzvvei, und
Klaus-Detlef Mullen Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1993. 286-7.
Brecht, Bertolt. ,,Das gute Zeitalter". Grofie kommentierte Berliner und
Frankfurter Werkausgabe, Gedichte 3. Vol. 13. Ed. Werner Hecht,
Jan Knopf, Werner Mittenzwei, und Klaus-Detlef Miiller. Frank
furta.M.: Suhrkamp, 1993. 287.
Brecht, Bertolt. ,, Song zur Bemhigung mehrerer Manner". Grofie
kommentierte Berliner und Frankfurter Werkausgabe, Gedichte
3. Vol. 13. Ed. Werner Hecht, Jan Knopf, Werner Mittenzwei, und
Klaus-Detlef Miiller. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1993. 321.
Brecht, Bertolt. ,, Vom Geld", rofie kommentierte Berliner und Frank
furter Werkausgabe, Gedichte 3. Vol. 13. Ed. Werner Hecht, Jan
Knopf, Werner Mittenzwei, und Klaus-Detlef Miiller. Frankfurt
a.M.: Suhrkamp, 1993.332-3.
Brecht, Bertolt. „Die Nachtlager". Grofie kommentierte Berliner und
Frankfurter Werkausgabe, Gedichte 4. Vol. 14. Ed. Werner Hecht.
Jan Knopf. Werner Mittenzwei, und Klaus-Detlef Miiller. Frank
flirt a.M.: Suhrkamp, 1993. 137-138.
Brecht, Bertolt. ,,Gott". Grofie kommentierte Berliner und Frankfurter
Werkausgabe, Schriften 1. Vol. 21. Ed. Werner Hecht, Jan Knopf,
Werner Mittenzwei, und Klaus-Detlef Miiller. Frankfurt a.M.:
Suhrkamp, 1992.43.
Brecht, Bertolt. Journale 1. Grofie kommentierte Berliner und Frank
furter Werkausgabe. Vol. 26. Ed. Werner Hecht. Jan Knopf. Werner
Mittenzwei, und Klaus-Detlef Miiller, Frankfurt a.M.: Suhrkamp,
1994.
199
Brims, Elke. ,,SpaB muB sein?! Mahagonny und die SpaBgesellschaft".
TheBrecht Yearbook!*) (2004): 395-405.
Cotterill, Rowland. "In defence of Mahagonny". Culture and Society in
the Weimar Republic. Ed. Keith Bullivant. Manchester: Manches
terUP, 1977. 190-200.
Dresen, Andreas. „Interview mit Andreas Dresen". Mai 2003. <http://
www.jump-cut.de/knoererkompass-regisseure-
andreasdresen.html>
Dieckmann, Friedrich. „Diskussion. Von der nihilistischen zur marxistischen
Religionskritik". Brechts Glanbe. Religionskritik.
Wissenschaftsfrommigkeit. Politische Theologie. Ed. Sebastian
Kleinschmidt und Therese Hornigk. Berlin: Theater der Zeit, 2002.
67-79.
Harms, Klaus B. „Deutschland 1999. Berliner Republik?"£>/£D7?£/.
Magazin fur Anthroposophie in Wissenschaft, Kunst und
sozialem Leben 6 ( 1 999): 9.
Heine, Matthias. „Die Maskenspiele der Berliner Republik". Die Deutsche
Biihne, Hintergriinde 2 (2000): 13.
Karydas, Dimitris und Giorgos Sagriotis. ,,'Sans reve et san merci' sich
verzehren: Hohlraum , Mahagonny' als U-topos der Hoffnung",
The Brecht Yearbook 29 (2004): 65-82.
Loher, Dea. „BerlinerGeschichte". Magazin des Gliicks. Frankfurt a.M.:
Verlag der Autoren, 2002. 145-153.
Mumford, Lewis. The City in History. Its Origins, its Transformations and
its Prospects. Peregrine: Reading, 1987.
Neumiillers, Marie. „Mahagonny, das ist kein Ort", The Brecht Yearbook
29 (2004): 43-53.
Sehm, Gunter G „Moses, Christus und Paul Ackermann. Brechts Aufstieg
und Fall der Stadt Mahagonny", Brecht-Jahrbuch. Frankfurt
a.M.: Suhrkamp, 1976. 83-100.
200
Simmel, Georg. „Die GroBstadte und das Geistesleben". Aufsatze und
Abhandlungen. By Georg Simmel. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1995.
116-131.
Weigel, Sigrid. ,,Gott in Mahagonny": Walter Benjamin liest Brecht". The
Brecht Yearbook 29 (2004): 253-267.
Weill, Kurt. „Anmerkungen zu meiner Oper Mahagonny". Mitsik und
musikalisches Theater. Gesammelte Schriften; mit einer Auswahl
von Gesprachen und Interviews. By Kurt Weill. Ed. Stephen
Hinton und Jiirgen Schebera. Mainz: Schott, 2000. 102-103.
201
BOOK REVIEWS
Elena Agazzi. Erinnerte und rekonstruierte Geschichte.
Drei Generationen deutscher Schriftsteller
und die Fragen der Vergangenheit.
Gottingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2005
Reviewed by Alfonsina Scarinzi
Aber noch weiB ich nicht, ob, wie gelernt, erst das eine,
dann das andere und danach dieser oder jener
Lebenslauf abgespult werden soil oder ob ich der Zeit
eher schraglaufig in die Quere kommen muB, etwa nach
der Art der Krebse, die den Riickwartsgang seitlich
ausscherend, doch ziemlich schnell vorankommen.
(Giinter Grass, Im Krebsgcmg, zit. nach Agazzi 164)
Versteht man dieses Zitat aus Grass1 Novelle Im Krebsgang (2002)
als Ausdruck der Absicht des Autors, fur einen nicht chronologischen
und deswegen nicht traditionellen, dafiir aber riickblickend stattfindenden
re-konstruktiven Prozess im Umgang mit der Geschichte und bei der
individuellen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit zu pladieren, hat
man die Art Umgang mit der politischen Geschichte Deutschlands in der
Gegenwart, die von der italienischen Germanistin Elena Agazzi in ihrer
Studie vorgeschlagen wird, zusammengefasst formuliert.
Politische Geschichte als nationalsozialistische Vergangenheit,
als Vertreibung der deutschen Zivilbevolkerung aus dem Osten durch die
Sowjetunion und im allgemeinen als Nachkriegszeit Deutschlands in
deutschen Romanen der Gegenwartsliteratur von drei Generationen von
Schriftstellern untersucht die Autorin in ihrem angenehm geschriebenen
Band, der der Rolle des Gedachtnisses bei der Bewaltigung der
nationalsozialistischen Vergangenheit und bei den unterschiedlichen
Einstellungen dazu in der Gegenwart gewidmet ist.
Ziel der Arbeit ist es, die verschiedenen Interpretationen dieser
Vergangenheit, die die Autoren Martin Walser, Dieter Forte, W.G Sebald,
Hans-Ulrich Treichel, Michael Kleeberg, Tanja Langer, Judith Kuckhart,
202
Jens Sparschuh und Marcel Beyer entwickelt haben, zu betonen und
miteinander zu vergleichen und dabei die Dialektik zwischen der erzahlten
Geschichte und der aus dem Gedachtnis bzw. aus Archi vdokumentationen
rekonstruierten Geschichte zu untersuchen. Zentral und besonders
akzentuiert in der Arbeit von Agazzi ist das Verstandnis der drei
Generationen: die erste Generation, die den Krieg erlebt hat; die zweite
Generation, die die Nachkriegszeit und daher die erste Phase des Umgangs
mit der traumatischen nationalsozialistischen Vergangenheit zwischen
Erinnerungsprozessen und Verdrangungsmechanismen erlebt hat; die dritte
Generation, die weder Krieg noch Nachkriegszeit erlebt hat, und nur die
Auseinandersetzung mit der Gedachtniskultur durchleben konnte. Der
«Ruckwartsgang» beim Umgang mit der Vergangenheit ermoglicht beim
Prozess der Erinnerung und der Rekonstruktion von Geschichte den
Vergleich der Generationen, aus dem Agazzi zufolge eine Neubestimmung
der Einstellung zur deutschen Geschichte hervorgehen konnte.
Fur eine Wiedergeburt des kollektiven Bewusstseins
Deutschlands setzt sich Agazzi in ihrem Band ein, die nur dem Dialog
zwischen den Generationen und daher dem Prozess der Uberwindung der
Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Einstellungen zur
Vergangenheit entspringen kann. Die Autorin nimmt sich vor, durch die
Auseinandersetzung mit literarischen Erscheinungen eine Zeitdiagnose
in Bezug auf den Umgang der Generationen mit der nationalsozialistischen
Vergangenheit in der deutschen Gegenwartsliteratur als Spiegel sozialer
Phanomene zu stellen. Dabei stellt sie fest, daB «die deutsche Gesellschaft
[...] nach wie vor Schwierigkeiten [hat], die drei hier behandelten
Generationen miteinander zu versohnen.» ( 1 63)
Wie setzt Agazzi ihr Vorhaben urn? In erster Linie durch eine
genaue textimmanente Analyse der ausgewahlten Texte, fur die sie eine
biographische und soziologische Interpretation anbietet.
Im ersten und zweiten Kapitel kommt die Beschaftigung mit der
Generation vor, die als Augenzeuge den Krieg erlebt hat. Nach einem
Kapitel iiber Martin Walser und die Untersuchung des Romans Ein
springender Bmnnen (1998), in dem der Alitor «die Freiheit verteidigt,
Erinnerungen an die Kindheit im Schatten des Nationalsozialismus
unkontrolliert auftauchen zu lassen, ohne sie mit dem BewuBtsein der
Gegenwart zu belasten» (23), konzentriert sich das zweite Kapitel auf Di-
eter Fortes Trilogie Das Hans axifme'men Schultern (1992-1998), in der
das Thema der traumatischen Erinnerung an kindliche Erfahrungen mit
dem Nationalsozialismus, an das Erleben der Bombardierung der Vaterstadt,
an die Nachkriegszeit im zerbombten Deutschland als Leitmotiv dient.
Im dritten Kapitel setzt sich Agazzi mit W.G. Sebalds Werk
auseinander und damit mit einem Autor, der im Gegensatz zu Walser und
203
Forte kein Augenzeuge des Krieges war, und nur iiber Erinnerungen an
die Nachkriegszeit verfiigt. Die zweite Generation wird prasentiert. Dem
Blick auf Sebalds Thema der Flucht und Diaspora jiidischer Familien und
des Schicksals des Individuums aus einer zersplitterten Familie folgt das
Kapitel iiber Treichels Der Verlorene ( 1 998), wo Agazzis Textanalyse nicht
nur auf ein Werk, das von den traumatischen Erlebnissen einer durch die
Russen vertriebenen deutschen Familie aus Ostdeutschland handelt,
sondern auch auf die Gegebenheiten des Autobiographischen bei der
Erinnerung und Rekonstruktion von Geschichte in der Literatur fokussiert
ist, wo Erinnerung und Einbildungskraft ineinander schmelzen. Im darauf
folgenden Kapitel iiber Michael Kleebergs Ein Garten im Norden (1998)
wird das Verhaltnis zwischen Gedachtnis, Fiktion und in der Realitat
verankerte Geschichte beleuchtet, das der Auseinandersetzung mit der
dritten Generation deutscher Schriftsteller angeschlossen wird.
Im Kapitel iiber Tanja Langer, Jens Sparschuh, Judith Kuckart
und Marcel Beyer wird untersucht, wie die Rekonstruktion von Geschichte
bei dieser Generation von Schriftstellern nicht durch Erinnerungen oder
biographische Ziige, sondern durch eine Mischung aus Fiktion und
Archivdokumentation bestimmt wird. Der dritten Generation von deutschen
Schriftstellern wird die Aufgabe iiberlassen, den Diskurs iiber die
Vergangenheit, ohne selbst in das Geschehen involviert gewesen zu sein,
und daher als auBenstehende kritische Beobachter durchzufiihren und
somit Vergangenheitsbewaltigung zu vollziehen.
Agazzis Pladoyer fur eine Neubestimmung des kollektiven
BewuBtseins Deutschlands in Bezug auf die Auseinandersetzung mit der
nationalsozialistischen Vergangenheit durch die dritte Generation
deutscher Schriftsteller ist durchaus zuzustimmen. Nicht nachvollziehbar
im Band dagegen ist meines Erachtens Agazzis dann und wann
auftauchende Interpretationsversuche psychoanalytischer Pragung bei
der kritischen Auseinandersetzung mit dem Erzahlen von traumatischen
Erlebnissen in den berucksichtigten Werken, die etwas unsystematisch
und daher nicht immer uberzeugend erscheinen. Der Versuch einer
Pathologie des Abrufens von traumatischen Erinnerungen in der Literatur
erkennen zu wollen, wird zwar nicht unternommen, aber der Leser wird
dann und wann mit psychoanalytischen Oberlegungen konfrontiert, die
aus meiner Sicht zum Teil nur lose Verbindungen mit der textimmanenten
Untersuchung der berucksichtigten Werke und mit deren soziologischer
und historischer Deutung aufweisen.
Trotzdem: Fur die Forschung im Bereich «Literatur und
Geschichte» ist der Band ein durchaus lesenswerter pragnanter Beitrag,
den sowohl Studierende als auch Literaturwissenschaftler zu schatzen
wissen werden.
204
Christiane Kuchler Williams. Erotische Paradiese.
Zur europdischen Siidseerezeption im 18. Jahrhundert.
Das achtzehnte Jahrhundert. Supplementa. Bd. 10.
Gottingen: Wallstein, 2004
Reviewed by Yomb May
Unter dem Titel Erotische Paradiese. Zur europdischen
Siidseerezeption im 18. Jahrhundert greift Christiane Kiichler Williams in
ihrer 2004 erschienenen Arbeit ein Thema auf, das gegenwartig in fast alle
Disziplinen der Geistes- und Kulturwissenschaft Einzug halt. Gemeint ist
hier die Frage nach der europaischen Kodifizierung auBereuropaischer
Kulturen. Vor dem Hintergrund der postkolonialen Debatte, wie sie etwa
durch Edward Said oder Homi Bhabha vertreten wird, stellt Kuchler Will-
iams die These auf, dass in der Darstellung der Siidsee durch europaische
Reisende des 18. Jahrhunderts enorme erotische Phantasien freigesetzt
wurden, welche die Rezeption der Siidseeinseln als „erotische Paradiese"
im ausgehenden 1 8. und beginnenden 1 9. Jahrhundert nachhaltig gepragt
haben.
Die Arbeit Kuchler Williams gliedert sich in sieben Kapitel, die mit
unterschiedlicher Akzentsetzung der Verkniipfung von Fremdheits-
konstruktion und erotischen Phantasien gewidmet sind. Im ersten Kapitel
untersucht die Autorin die Motive fur den Aufbruch der Europaer in den
Stidpazifik am Ende des 1 8. Jahrhunderts. Dabei stellt sie fest, dass in der
zweiten Halfte der Aufklarungsepoche eine fieberhafte Suche nach dem
seit der Antike tradierten Mythos vom Siidkontinent {Teira Australis)
ausgelost wurde und in einen Wettlauf zwischen Franzosen und
Englandern miindete. Doch die Forschungsexpeditionen, wie der neue
Typus von Entdeckungsfahrten dann heiBt, verfolgen nicht nur
wissenschaftliche Interessen, sondern werden auch vom geopolitischen
und vor allem okonomischen Kalkiil bestimmt.
Das anschlieBende Kapitel fuhrt theoretisch in die Wahrnehmung
der Siidsee als Fremde im Kontext der Aufklarung ein. Im dritten Kapitel
stellt Kuchler Williams fest, dass sich Reiseberichte im 18. Jahrhundert
auBerster Beliebtheit erfreuen. Sie fuhrt den „Siegeszug" dieses Genres
205
einerseits darauf zuriick, dass das sich formierende BLirgertum ein groBes
Interesse an fernen Landern zeigt. Andererseits seien Reiseberichte des
18. Jahrhunderts unverzichtbare Datenquellen nicht nur fiir die
entstehenden Wissenschaften der Ethnographie und Anthropologic
sondern auch fur die Naturwissenschaften, insbesondere die Geographie
und die Botanik.
Im vierten Kapitel begriindet Kiichler Williams die „Sonderstellung
der Siidsee" im europaischen Weltbild. Die Siidsee sei, so die Autorin, im
Gegensatz zu Afrika, Asien und Amerika, bis zur Mitte des 1 8. Jahrhunderts
den Europaern nahezu unbekannt geblieben und habe dadurch als
Projektionsflache fur europaische Sehnsiichte gedient, die im Mittelpunkt
des funften Kapitels stehen. Hier zeigt Kiichler Williams, dass in den
meisten Reiseberichten des 18. Jahrhunderts die Siidsee zum irdischen
Paradies verklart wurde. Dies gilt insbesondere fur die massive
Konstruktion von exotischen Topoi, die den Grundtenor fast aller
Reiseberichte pragen. Bemerkenswert sei die Instrumentalisierung der
Siidsee fiir erotische Phantasien, welche die zentrale Kulisse fur die
Beschreibung von Landschaften und Menschen abgaben.
Im sechsten Kapitel zeigt Kiichler Williams, dass europaische
Reisende des 1 8. Jahrhunderts die Siidsee nicht nur als Traum, sondern
auch als „Alptraum'1 erleben. Verschiedene Erlebnisse, vom
„Kannibalismus" iiber die „abnorme Sexualitat" bis hin zu verheerenden
venerischen Krankheiten erschiittern fiir die Beobachter das mitgebrachte
Bild des irdischen Paradieses, das jedoch noch lange die Tahitirezeption
in Deutschland nachhaltig pragen wird, wie der von Kiichler Williams
untersuchte Textkorpus deutlich macht.
Am Beispiel verschiedener Texte, zum Teil erst zu Beginn des 19.
Jahrhunderts geschrieben, zeigt die Autorin, dass der Topos Tahiti durch
deutsche Schriftsteller wohl unterschiedlich rezipiert und mit
entsprechenden Intentionen bearbeitet worden sind. Vor diesem
Hintergrund unterscheidet sie zwischen utopischen, satirischen, kritischen
und Texten mit biographischer inspiration". Als utopisch beschreibt sie
solche Texte, deren Autoren von einer projektiven Lekture von Georg
Forsters Reisebericht heraus die Siidsee apodiktisch als Idylle darstellen
und dadurch die exotischen Sehnsiichte der zivilisationsmiiden — oder
kritischen Europaer befliigeln. Satirische und kritische Texte dagegen wirken
ihr zufolge dem Siidseefieber der Utopisten in der Weise entgegen, dass
sie auf die Entzauberung des Siidseeparadieses hinausliefen. Texte mit
biographischer Inspiration gehen von historischen Entdeckerfiguren aus,
deren Leben zur Fiktion iiberfuhrt wurde, wobei Erotikmomente, die in fast
206
alien ubrigen Texten mit Siidsee-Bezug breiten Raum einnehmen, hier
zunehmend der Reflexion nicht nur iiber die Ambivalenzen, sondern auch
iiber die Diskrepanzen zwischen Projektion und Wirklichkeit im
Kulturbegegnungsprozess weicht.
Das Buch „Erotische Paradiese" ist eine historisch angelegte
Untersuchung, deren Originalitat sich in erster Linie aus dem von der
Autorin gewahlten Ansatz ergibt. Hervorzuheben dabei ist vor allem, dass
es Kiichler Williams gelingt, durch den Riickgriff auf postkoloniale und
feministische Literatur- und Kulturtheorien den historischen Gegenstand
mit aktuellen erkenntnistheoretischen Mitteln zu erschlieBen. Damit
begriindet sie die Anschlussfahigkeit ihrer Arbeit an die aktuellen
Erkenntnistheorien.
Zu den Impuls gebenden Ergebnissen der Arbeit Kiichler Will-
iams zahlt in erster Linie die Aufdeckung von kolonialen Absichten in der
Kodifizierung der Siidsee als „erotische Paradiese". Es ist das Verdienst
der Autorin, die Kategorien „Exotik" und „Erotik" von ihrem traditionellen
Verstandnis als Artikulation tropischer resp. sexueller Sehnsiichte zu losen
und sie in die diskursiven Machtinstrumente der „aufgeklarten" Europaer
einzuordnen. Fur den Leser, der die Fremdheitsdiskussion der letzten Jahre
verfolgt hat, sind die von Kiichler Williams aufgegriffenen Fragen der
Konstruktion und Wahmehmung von Fremdheit nicht neu, was nicht
zuletzt auch an der Literaturliste deutlich zu erkennen ist. Doch mit der
Kategorie Erotik lenkt Kiichler William das Augenmerk auf eine Dimension
des Fremdheitstopos, die in der bisherigen Forschung zu kurz kommt.
Irritierend an der Arbeit Kiichler Williams ist der betont feminine
Blick, der nicht allein die Insulanerinnen, sondern die Siidsee insgesamt
als weibliches Opfer von Mannern im Allgemeinen und von Europaern im
Besonderen erscheinen lasst. Wenn es stimmt, dass die meisten
Weltreisenden des 18. Jahrhunderts Manner waren, so sind doch
erotisierende Fremdkonstruktionen dieser Zeit sicherlich kein spezifisches
Mannerbediirfhis, zumal davon auszugehen ist, dass auch Frauen bei der
entstehenden Lesekultur der Aufklarungszeit zunehmend zmn Rezipienten-
kreis von Reiseberichten zahllen und spatestens zu Beginn des 19.
Jahrhunderts reisende Frauen keine Seltenheit mehr waren. Hier ware
zumindest im Hinblick auf die Siidsee wichtig, der spezifischen Wirkung
von erotisierten Tahitianern, die in den Reisberichten allenthalben present
sind, auf aufgeklarte Frauen nachzugehen. Auffallig ist ebenfalls, dass die
Autorin zur Beschreibung mancher Aspekte des Erotikthema teilweise auf
einen Sprachduktus zuriickgreift, der zwar dem Gegenstand an sich
207
angemessen, aber fur den wissenschaftlichen Anspruch der Arbeit nicht
forderlich erscheint.
Trotz dieser Desiderate ist die Arbeit Kiichler Williams als ein
wichtiger Beitrag zur Uberwindung einer bestehenden Forschungsliicke
zu wiirdigen. Nicht nur fur die Erforschung der europaischen Aufklarung
in ihrem Verhaltnis zu auBereuropaischen Kulturen, sondern vor allem
auch fiir die gegenwartige postkoloniale Debatte konnte sie wichtige Im-
pulse geben.
208
Contributors
Gerhard Oberlin is Senior Lecturer for German Language and Literature at
the Beijing Foreign Studies University and in the German-Chinese Insti-
tute at the University of Business and Economics, Beijing/China. He is a
Fellow at the Goethe-Institute in Beijing and Hong Kong. He is currently
conducting research on images of narcissistic suffering and correlating
surrealistic form patterns in German literature. In addition, he has pub-
lished extensively on pedagogical issues and has translated works into
English and Greek
Karsten Piep is a Visiting Assistant Professor of English at Miami Univer-
sity in Oxford, Ohio. His articles have appeared in such journals as Com-
parative Literature and Culture, Studies in American Fiction, Papers on
Language and Literature, Cultural Logic, War, Literature & the Arts,
and Women s Studies. He is currently working on a book manuscript, ten-
tatively entitled "Embattled Homefronts: Domestic Politics and the Ameri-
can Novel of World War I."
Anne Stiles is an ABD graduate student in the Department of English at
the University of California, Los Angeles. Her dissertation explores fin-
de-siecle English literature in relation to contemporary neurology. She
holds an MA in English from UCLA and a BA cum laude in English litera-
ture from Harvard University. Her interests also include learning languages
(French, German and Dutch). In past years, she has been awarded a DA AD
language study grant, a FLAS Academic Year Fellowship, and UCLA's
Regina Fadimann dissertation fellowship.
Clemens Stepina is Lecturer for Theater Studies at the University of Vienna.
He has numerous publications in the areas of art and social studies, and in
the methodology of cultural studies and peforming arts. He has also writ-
ten on the philosophy of Marxism and the Frankfurt School.
James Kennaway completed his PhD on Richard Wagner and degenerate
music at the University of California, Los Angeles in 2004. He currently
teaches at the Viadrina University in Frankfurt-an-der-Oder in Germany
and continues to do research on music and German nineteenth-century
cultural history.
209
Karina Marie Ash is finishing her MA in German at San Francisco State
University and will pursue her PhD at the University of California, Los
Angeles. She is currently working on mysticism and the reception of the
crusades in medieval German literature.
Jaroslava Gajdosova is pursuing her PhD in Sociology at the New School
for Social Research. She is working on her dissertation entitled "Gunter
Grass and the Politics of Style in the German Literary Field." Her research
focuses on collective memory and the (trans)formations of cultural and
political identities. Her theoretical interests lie in the theories of
poststructuralism, hermeneutics, and phenomenology in contemporary
cultural studies.
Martin Potter, originally from Birmingham, England, studied Modem Lan-
guages at King's College in Cambridge, Linguistics and Comparative Lit-
erature at the University of Southern California, and has completed a PhD
in German Literature at University College in London. In September 2005
he started work as Assistant Professor in the Modem Languages Depart-
ment at Arab American University Jenin, on the West Bank.
Nina Sylvester, a graduate student in the Department of Germanic Lan-
guages at the University of California, Los Angeles, is currently working
on her dissertation in which she examines the phenomenon of the Girl as a
culturally produced form of femininity in its implications for Weimar cul-
ture. In 2003, she presented on the Weimar fashion magazine Die Dame in
Wales. Her fascination with dance occasionally links to her interest in
modes of feminine self-representation and has resulted in publications on
Pina Bausch and Elfriede Jelinek.
Christina Wegel received her PhD in German Literature from the Univer-
sity of California, Los Angeles in 2004. She is currently teaching German
language, literature, and culture classes on the undergraduate and gradu-
ate level at the University of Kentucky, and supervises the teaching assis-
tants in the German Studies Division. Her research interests include Mod-
ern German Drama, in particular, plays by Kerstin Specht and Elfriede
Jelinek. Furthermore, she is interested in the implementation of theater
into the foreign language curriculum.
210
Johanna Domokos is an Adjunct Assistant Professor for Hungarian Lan-
guage and Literature in the Department of Slavic Languages and Litera-
tures at the University of California, Los Angeles. Previously she was a
lecturer for Saami language and literature at Eotvos Lorand University in
Budapest and Humboldt University in Berlin. She is currently working on
the theory and practice of literary archaeology. She has published exten-
sively on the semiotics of the translation process as well as on several
authors who write in Saami, Finnish and Hungarian (e.g. Anders Fjellner,
Nils Aslak Valkeapaa, Lauri Otonkosi, Esterhazy Peter).
Alexandra Ludewig is Senior Lecturer in the Department of European
Languages and Studies at the University of Western Australia. In 1998
she received her Dr. Phil, from the Ludwig-Maximilians-Universitat in
Munich. In addition to her doctoral dissertation on Walter Kauffmann and
her Hahilitationsschrift on Thomas Bernhard, she has published articles
on German cinema as well as on the works of dramatists such as Johann
Nestroy, Odon von Horvath, and Dea Loher.
Alfonsina Scarinzi studied German Philology, English Philology and Com-
munications at the University of Gottingen in Germany. In 2002 she earned
her Magbter Artium in Gottingen. From 2003 to 2004 she studied French
and French Literature in Nice, France and worked as lector for several
publishing houses. In April 2005 she was enrolled in the PhD program of
the Department of German Literary Studies at Gottingen.
YombMay is Lecturer for Modern German Language and Literature in the
Faculty of Humanities at the University of Bayreuth, Germany. Previously
he was a lecturer for German as a foreign language at the University of
Applied Sciences in Cologne. He is currently working on his Hahilita-
tionsschrift about travel literature in the 18th century. He has published
extensively on modern German literature from the 18th century to the
present.
Pedro Tivadar is a Hungarian-born photographer and performance actor
and director. For more than two decades he has been living in Germany,
presently in Berlin, where he is the head of the Kulturbriicke Cultural
Initiative for Hungarian and German artists. He has received the Pro
Transylvania award for his documentary photographs.
211
212
New German
NGR Review
Foreword
UNIVERSITY OF CALIFORNIA-LOS ANGELES
L 009 676 374 3
-- Hans Wagener, J 985 to 2005: Twenty years of New German
Review
Featured Articles
-- Gerhard Oberlin on rainer maria rilke
. tc karsten plep on walter benjamin
V/cAnne Stiles on sigmuno freud and Arthur schnitzler
Clemens Stepina on friedrich schiller
|r-f|ames kennaway on friedrich nietzsche and richard wagner'
& Karina Marie. Ash on wolfram von eschenbach
^/^oslava gajdosova on german leftist literary discourse
^^artin Potter on Gottfried keller
r/«NiNA Sylvester on leonhard frank
^-VCHRISTINA WEGEL ON FRIEDRICH SCHILLER
I - • *
^•Johanna Domokos on saami literature
T^Alexandra Ludewig on bertolt brecht
-- ALFONSINA SCftRINLZI
£&$HICHTE (2005) j.*,
VHEN SUB3EO&l£t>TION iM% }8. & HRfffcfoC^Rf f&0$£j*